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DIE GESCHICHTE DES EISENS IN TECHNISCHER UND KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG.
DRITTE ABTEILUNG. DAS XVIII. JAHRHUNDERT.
DIE GESCHICHTE DES EISENS IN TECHNISCHER UND KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
DRITTE ABTEILUNG. DAS XVIII. JAHRHUNDERT.
MIT 232 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN ABBILDUNGEN.
BRAUNSCHWEIG, DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 1897.

INHALTSVERZEICHNIS.

Die Geschichte des Eisens im 18. Jahrhundert. Allgemeiner Teil.

  • Seite
  • Einleitung1 11
  • Litteratur im 18. Jahrhundert11 57
  • Wissenschaftliche Lehranstalten57 63
  • Die Chemie des Eisens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts63 74
  • Physik74 91
  • Dampfmaschine vor Watt91 112
  • Die Eisenindustrie bis gegen 1740. Die direkte Schmiedeeisengewinnung Luppenfeuer Stucköfen113 131
  • Hochöfen bis 1734131 163
  • Die Eisengieſserei bis 1750163 175
  • Eisen - und Stahlfrischen175 201
  • Die Cementstahlfabrikation (nach Reaumur 1721) 201 227
  • Schmiedbarer Guſs (nach Reaumur 1721) 227 242
  • Die mechanische Bearbeitung des Eisens (Polhem 1720 bis 1746) 242 255
  • Die Ankerschmieden255 261
  • Die Weiſsblechfabrikation (1725) 261 265
  • Die Nadelfabrikation265 270
  • Die Eisenindustrie um die Mitte des 18. Jahrhunderts (1740 1770). Die Erfindung des Guſsstahls271 281
  • Die Cementstahlfabrikation besonders in England281 292
  • Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Das Brennmaterial292 315
  • Die Eisenerze315 321
  • Die Hochöfen in Frankreich um 1750322 334
  • VI
  • Seite
  • Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten (334 347) 334 366
  • in Schmalkaden 347 349. Die Hochöfen in Deutschland 349 355, in Schweden 355 358, in Norwegen 358 362, in England 362 365, in Saarbrücken 365 366. Die Eisenverarbeitung. Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts367 386
  • Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts386 409
  • Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts409 431
  • Eisen - und Stahlveredelung432 453
  • Drahtzieherei, Nähnadelfabrikation453 472
  • Amboſsschmieden, Rohrhämmer, Messer - und Waffenfabriken473 483
  • Die Chemie des Eisens von der Mitte des 18. Jahr - hunderts bis zum Sturz der Phlogistontheorie483 502
  • Die Eisenindustrie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Maschinen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. James Watt und die Dampfmaschine503 543
  • Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer543 578
  • Walzwerke. Scheren578 601
  • Werkzeugmaschinen. Öfen601 625
  • Lavoisier und die antiphlogistische Chemie626 647
  • Die Eisenbereitung im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Luppenfeuer 1775 1800648 664
  • Frischfeuer 1775 1800664 681
  • Frischen am Harz und in Österreich zu Ende des Jahr - hunderts 673 681 Puddelproceſs. Feineisenfeuer682 710
  • Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts710 747
  • Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts748 768
  • Stahl Ende des 18. Jahrhunderts768 776
  • Verarbeitung von Eisen und Stahl777
  • Die gewerblichen Verhältnisse778 787
  • Besonderer Teil. Die Geschichte der Eisenindustrie in den einzelnen Ländern. Deutschland778 990
  • Österreich789 826
  • Bayern, Württemberg, Baden826 832
  • Nassau und das Siegerland832 849
  • Hessen und Thüringen849 861
  • Der Harz861 896
  • Sachsen896 905
  • Preuſsen905 936
  • Westfalen und die Rheinlande936 990
  • VII
  • Seite
  • Belgien990 993
  • Lothringen (bis 1756) 993 997
  • Frankreich997 1052
  • Italien1053 1056
  • Spanien1056 1063
  • England1063 1101
  • Schweden1101 1122
  • Ruſsland1122 1151
  • Amerika1152 1181
  • Register1183 1205

DIE GESCHICHTE DES EISENS IM ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERT.

Beck, Geschichte des Eisens. 1

DIE GESCHICHTE DES EISENS IM ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERT.

ALLGEMEINER TEIL.

Einleitung.

Im 18. Jahrhundert waren die Fortschritte im Eisenhüttenwesen sehr bedeutende, durch sie wurde die Grundlage des Riesenbaues der modernen Eisenindustrie geschaffen.

Die politischen Verhältnisse trugen zur gewerblichen Entwicke - lung insofern bei, als die Länder Europas sich wenigstens zeitweilig ungestörter Friedensperioden erfreuten. War die Zahl der Kriege auch groſs, so hatten dieselben doch nicht den verheerenden Charakter, wie der 30jährige Krieg in Deutschland, der Revolutionskrieg in England, der Befreiungskrieg der Niederlande, welche alle bürger - lichen und staatlichen Verhältnisse bis in den Grund aufgewühlt hatten. Aus den Kämpfen des 17. Jahrhunderts war eine gewisse Gruppierung der europäischen Groſsmächte hervorgegangen, welche sich während des 18. Jahrhunderts mehr und mehr befestigte. Die leitende Stellung des römisch-deutschen Kaisers hatte schon längst aufgehört. Deutschlands innere Kraft war durch den 30jährigen Krieg gebrochen und der westfälische Friede hatte ein Konglomerat einer Unzahl kleiner und groſser Einzelstaaten hinterlassen, welche nur dem Namen nach durch das deutsche Kaisertum zusammen - gehalten wurden. Begann doch das Jahrhundert damit, daſs sich der Kurfürst von Brandenburg selbst die preuſsische Königskrone auf - setzte. Wenn auch an Umfang den übrigen Staaten überlegen, stand Deutschland an Macht den geschlossenen Einheitsstaaten Frankreich und England nach. Diese beiden kämpften um die Hegemonie in1*4Einleitung.Europa, wobei Deutschland oder einzelne deutsche Staaten nur Hand - langerdienste verrichteten, der deutsche Grund und Boden bei allen gröſseren Verwickelungen aber wieder das Schlachtfeld abgeben muſste. So war es gleich zu Anfang des Jahrhunderts im spanischen Erb - folgekrieg, an dem sämtliche westeuropäische Staaten beteiligt waren.

Italien litt an der gleichen Zerrissenheit wie Deutschland und auſserdem noch unter der antinationalen Politik des Papsttums.

Spanien war zu Grunde gerichtet durch seine selbstmörderische Finanz - und Volkswirtschaft und durch eine unduldsame Priester - herrschaft.

Entsprechend den politischen Verhältnissen, entwickelte sich die Eisenindustrie: In Italien und Spanien Stillstand, in Deutschland anfangs Stagnation, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts lang - samer Fortschritt, mehr erzwungen durch die Konkurrenz des Aus - landes, als aus eigener Initiative. Infolgedessen bethätigte sich auch der Fortschritt in Deutschland mehr in Nachahmung als in Erfindung. Die Länder des Fortschrittes auf dem Gebiete der Eisenindustrie waren Frankreich, England, Schweden und Ruſsland.

Frankreichs Ehrgeiz ging dahin, der erste Staat in Europa, vor allem auf dem Kontinent, zu sein; es erstrebte politische Macht nach auſsen, die Wohlfahrt im Inneren fand erst in zweiter Linie Berücksichtigung, ja sie wurde im Laufe des Jahrhunderts jenem ehrgeizigen Phantome nicht nur untergeordnet, sondern sogar zum Opfer gebracht. Aber Frankreich hatte seinen Zweck erreicht, der angesehenste und einfluſsreichste Staat des europäischen Kontinents zu sein. Sein Einfluſs auf die Entwickelung der Eisenindustrie war ein groſser, aber mehr auf theoretischem als auf praktischem Gebiete. Die industriellen Fortschritte im eigenen Lande können nicht als mustergültig bezeichnet werden und haben die Eisenindustrie nicht wesentlich gefördert, aber die theoretische Behandlung des Gegen - standes, welche in einer reichen, vortrefflichen Litteratur ihren Aus - druck fand, wurde von groſser Bedeutung für dieselbe. Frankreich gebührt mit Schweden der Ruhm, der Begründer der Eisenhüttenkunde als Wissenschaft zu sein.

Ganz anders gestaltete sich die Entwickelung in England. Dieses erstrebte die Weltherrschaft zur See nicht aus Ruhmsucht, sondern zur Sicherstellung seines groſsartigen Handels und seiner Industrie. Deren Schutz und deren Entwickelung waren die ersten Interessen des Staates; diese waren es, welche sein politisches Handeln leiteten. Das Streben der Engländer war ein durchaus praktisches sowohl in5Einleitung.der Politik, wie in der Industrie. Deshalb trat die theoretische Dis - kussion in den Hintergrund, das praktische Experiment aber in den Vordergrund, und während die schriftstellerische Thätigkeit in Eng - land auf dem Gebiete der Eisenindustrie im 18. Jahrhundert fast gleich Null ist, sind alle wichtigen Fortschritte und Entdeckungen hierin in England gemacht worden, und am Schlusse des Jahrhunderts steht England als die erste Eisenmacht der Welt da.

Schweden setzte seine Bestrebungen auf Hebung der nationalen Eisenindustrie, welche die wichtigste Grundlage seines Wohlstandes bildete, mit Eifer und Erfolg fort und trug auf theoretischem, wie auf praktischem Gebiete zum Fortschritt des Eisenhüttenwesens bei.

In Ruſsland schuf der starke Wille eines genialen Herrschers eine mächtige Eisenindustrie, die bald im stande war, mit der der übrigen Staaten Europas in Wettbewerb zu treten. Die Groſsartigkeit der Unternehmungen zeitigte manche Fortschritte, welche der ganzen Eisenindustrie zu gute gekommen sind.

Mit kleinen Anfängen begann die Eisenindustrie Nordamerikas. Zunächst zog sie die Blicke der Politiker auf sich, denn der Druck, welchen sie durch die unvernünftige und ungerechte Industriepolitik Englands seinen Kolonien gegenüber gerade auf dem Gebiete der Eisenindustrie ausübte, gab den Hauptanstoſs zu dem denkwürdigsten Ereignis des vorigen Jahrhunderts, der Unabhängigkeitserklärung der nordamerikanischen Freistaaten. Wir werden diesen wichtigen Vor - gang an späterer Stelle beleuchten.

Der Verbrauch von Eisen wuchs, wenn auch lange nicht mit der Geschwindigkeit, wie in diesem Jahrhundert, von Jahr zu Jahr. Es war dies die natürliche Folge der zunehmenden Civilisation. So gingen Massen von Eisenfabrikaten von Europa nach Amerika für die immer mehr sich ausbreitenden Ansiedelungen. Immer gröſsere Mengen von Eisen verbrauchte die wachsende Seeschiffahrt. Der Fortschritt des Maschinenwesens, die Feuermaschinen, Dampfmaschinen, Walzwerke, Cylindergebläse u. s. w. erhöhten den Verbrauch von Eisen. Man begann eiserne Schienenwege anzulegen und eiserne Brücken zu bauen. Alles dieses trug zum Wachstum der Eisenindustrie bei. Der Verbrauch an Eisen wurde mehr und mehr der Kultur - messer der Nationen.

Dieser wachsende Verbrauch ging Hand in Hand mit den Fort - schritten der Technik. Es wäre aber verkehrt, zu sagen, der zuneh - mende Bedarf allein habe diese Fortschritte veranlaſst. Der Bedarf an Eisen ist infolge der mannigfaltigen vortrefflichen Eigenschaften dieses6Einleitung.Metalles ein unbegrenzter. Jede technische Verbesserung in der Her - stellung desselben, die eine Steigerung der Produktion und eine Ver - billigung des Eisens zur Folge hat, bewirkt auch eine Steigerung des Verbrauchs. Die technischen Fortschritte steigern also ebenso den Verbrauch wie der vermehrte Verbrauch die Fortschritte steigert. Daher kommt es, dass wir in den einfachen Verhältnissen früherer Jahrhunderte und wie sie noch in der ersten Hälfte des 18. Jahr - hunderts vorliegen, das Wachstum der Industrie kaum wahrnehmen, während dieses Wachstum um so rascher zunimmt, je komplizierter unsere Industrie wird, je mehr wir uns der Gegenwart nähern. Dasselbe stellt sich fast wie eine geometrische Progression dar; jedenfalls erscheint sie uns im letzten Viertel des vorigen Jahr - hunderts bereits riesengroſs im Vergleich mit der ersten Hälfte des - selben.

Die Fortschritte vollzogen sich auf theoretischem und auf prak - tischem Gebiete. Auf ersterem übernahm zuerst Frankreich die Füh - rung, und zwar durch den genialen Reaumur, den philosophischen Metallurgen. Ihm verdankt die Eisenhüttenkunde ihre eigentliche Begründung, durch ihn erlangte sie erst die Gleichberechtigung, ja die bevorzugte Stelle in der Metallurgie.

Durch sorgfältige Versuche, in wissenschaftlichem Geiste erdacht, ausgeführt und erklärt, versuchte Reaumur zuerst Klarheit über die verschiedenen Zustände des Eisens und deren chemische und physi - kalische Unterschiede zu verbreiten. Auf derselben Grundlage baute er seine Erfindungen der Cementstahlbereitung und des schmiedbaren Gusses auf. Denn als seine Erfindungen dürfen wir diese Prozesse wohl bezeichnen, wenn auch schon früher daraufbezügliche Versuche gemacht worden waren, welche aber einen durchaus empirischen Charakter an sich trugen und in den Schleier des Geheimnisses gehüllt wurden. Diesen hob Reaumur und beleuchtete in seiner lichtvollen Weise das Wesen dieser Prozesse, die er dadurch jedem verständlich und zu einem Gemeingut machte. Daſs der praktische Erfolg nicht der er - hoffte war, daſs gerade in Frankreich diese beiden Fabrikationen nicht den erwarteten Fortgang nahmen, daſs Reaumurs eigene Unter - nehmungen im Groſsen verunglückten, beweist nichts gegen den groſsen Werth der theoretischen Grundlage, welche Reaumur ge - schaffen hat. Aber auch die praktischen Erfolge blieben im Laufe der Zeit nicht aus, nur zog nicht Frankreich, sondern England den Nutzen davon. Die Cementstahlfabrikation erlangte schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine groſse Bedeutung in England7Einleitung.und bildete zunächst die Grundlage für die englische Gärbstahl - bereitung; später wurde sie auch die Grundlage der Guſsstahlfabri - kation, die aus ihr entstanden ist. Die Fabrikation des schmiedbaren Gusses verschwand, nachdem die Versuche in Frankreich ungünstig verlaufen waren, lange Zeit ganz, um erst gegen Ende des Jahr - hunderts in England von neuem und mit besserem Erfolg wieder aufgenommen zu werden.

Hatte Reaumur der Eisenhüttenkunde durch das wissenschaft - liche Experiment ihre Grundlage gegeben, so führte ein anderer hervorragender Gelehrter des vorigen Jahrhunderts, der Schwede Emanuel Swedenborg, eine andere Methode, die der Ver - gleichung ein, welche die Grenzen der Hüttenkunde erweiterte und Übersichtlichkeit über die mannigfachen einzelnen Prozesse bewirkte. Ihm verdanken wir in seinem vortrefflichen Buche De Ferro die erste Eisenhüttenkunde. Dieselbe ist wesentlich historisch und beschreibend, indem darin die schwedischen Hüttenprozesse möglichst objektiv, so wie sie damals ausgeführt wurden, geschildert werden und hieran kürzere Darstellungen der gleichartigen Prozesse, wie sie der Ver - fasser auf seinen Reisen im Auslande kennen gelernt hat, zur Ver - gleichung angereiht werden. Auch diese Methode ist in hohem Grade fruchtbringend geworden und hat bereits im vorigen Jahrhundert eine reichhaltige Litteratur erzeugt.

Die Verbindung dieser praktischen Kenntnis der Hüttenprozesse mit der Theorie, wie sie das Experiment und die chemische und physikalische Wissenschaft geschaffen hatte, führte dann in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zur systematischen Eisen - hüttenkunde, welche ihre vortrefflichste Behandlung in Swen Rin - mans Geschichte des Eisens gefunden hat.

Unabhängig von diesen theoretischen und litterarischen Arbeiten entwickelte sich die Eisenindustrie in England auf empirischem Boden Schritt für Schritt und zeitigte die wichtigsten Erfindungen. Die Not war hier Lehrmeisterin; denn während der Bedarf an Eisen in Eng - land namentlich durch den Aufschwung der Schiffahrt von Jahr zu Jahr wuchs, nahm der Holzreichtum, welcher bis dahin das Brenn - material für die Eisenindustrie geliefert hatte von Jahr zu Jahr ab. Steinkohle als Ersatz für Holz und Holzkohle mit Erfolg zu verwenden, war aber trotz vieler Versuche bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts nicht gelungen. Erst diesem war es vor - behalten, die Lösung dieser wichtigen Frage zu finden. Nach langen Anstrengungen vermochte endlich Abraham Darby, das8Einleitung.Schmelzen der Eisenerze im Hochofen mit Koks mit Nutzen durch - zuführen.

Die zweite grundlegende Entdeckung, welche in England gemacht wurde, war die Erfindung des Guſsstahls von Benjamin Huntsman 1740. Die Fabrikation desselben blieb während des ganzen Jahrhunderts Geheimnis und ausschlieſslicher Besitz der Eng - länder, zu deren Überlegenheit auf industriellem Gebiete sie wesent - lich beitrug.

Ein anderer groſser Fortschritt für die Eisengieſserei war die Einführung von Flammöfen zum Umschmelzen des Roheisens. Da - durch wurden die Gieſsereien erst unabhängig von den Hochöfen. Bei diesem Betriebe, wie bei der Stahlbereitung wurden Steinkohlen, beziehungsweise Koks als Brennmaterial verwendet.

Noch aber war es nicht gelungen, Stabeisen aus Roheisen mit fossilem Brennstoff herzustellen; noch kannte man nur den Frisch - prozeſs, der nur mit Holzkohlen erfolgreich ausgeführt werden konnte. Da erfand Henry Cort 1785 das Flammofenfrischen, den sogenannten Puddelprozeſs, welcher das wichtige Endglied der Kette der Eisendarstellungsprozesse mit Steinkohlen bildete.

Dadurch war Englands Ueberlegenheit auf dem Gebiete des Eisenhüttenwesens gesichert, denn seine Steinkohlenschätze waren gröſser als die der Kontinentalstaaten; an Eisenerzen hatte es gleich - falls keinen Mangel und kein Land hatte so günstige Transport - und Abfuhrverhältnisse, als das gesegnete Inselland. Seit der Erfindung des Puddelprozesses war die Führerschaft Englands in der Eisenindustrie eine unbedingte und ist es geblieben bis in un - sere Zeit.

Diese metallurgischen Fortschritte waren es aber nicht allein, welche den auſserordentlichen Aufschwung der Eisenindustrie ver - anlaſsten; Hand in Hand damit gingen die Erfindungen auf mecha - nischem Gebiete. Von diesen waren es zwei, welche unmittelbar von gröſstem Einflusse auf die Eisenbereitung geworden sind, die der Walz - werke und der Cylindergebläse. Durch erstere wurde die Form - gebung des Schmiedeisens erleichtert und beschleunigt, durch letztere wurde die groſse Produktion der Kokshochöfen, wodurch erst deren unbedingte Überlegenheit begründet wurde, ermöglicht. Alle diese Neuerungen und noch viele andere Verbesserungen der Hilfs - und Werkzeugmaschinen hätten aber ihre volle Bedeutung nicht erlangen können ohne die wichtigste Erfindung des vorigen Jahrhunderts, die der Dampfmaschine. Diese ist der Triumph des 18. Jahr -9Einleitung.hunderts und giebt ihm seine Signatur. Die Anfänge derselben fallen zwar, wie wir gesehen haben, schon in das vorhergehende Jahr - hundert. Savarys sogenannte Dampfmaschine war aber kein Motor im modernen Sinne, es war ein Apparat, der nur zum Wasserheben eine beschränkte Anwendung finden konnte.

Viel näher dem Ziele kam schon die atmosphärische Maschine von Newkomen, die gewöhnlich als Feuermaschine bezeichnet wurde. Hier übten wirklich ein Kolben und eine Kolbenstange, welche durch den Luftdruck in einem luftverdünnten Raume niedergedrückt wurden, eine motorische Kraft aus. Bei der Unregelmäſsigkeit dieser Be - wegung war aber eine andere Verwendung als zur Bewegung von Pumpen, namentlich die Umsetzung in eine Kreisbewegung fast un - möglich und alle in dieser Richtung gemachten Versuche blieben er - folglos. Einen vollkommenen Motor schuf erst das Genie von James Watt in seiner Dampfmaschine. Durch diese wurde der groſse Schatz von Kraft, welcher in dem Schoſse der Erde in den Kohlen - flötzen abgelagert ist, erst verwertbar gemacht und erschlossen. Mühevoll und lang war der Weg, den Watt wandern muſste, bis er zu seinem Ziele kam; die eigene groſse Kraft des genialen Mannes hätte dazu fast nicht ausgereicht. Aber ein gütiges Geschick, dem wir heute noch danken, hat ihn geleitet und die gröſsten Schwierig - keiten hinweggeräumt.

Nicht gleich war die Dampfmaschine Watts, so geistvoll sie er - dacht, so sinnreich alle Teile erwogen, so sorgfältig sie ausgeführt war, das siegreiche Werkzeug, wie es in seiner Vollendung vor uns steht. Allmählich nur entwickelte sie sich zu dieser Vollkommenheit und die Umsetzung der Kraft in die mannigfaltigen Bewegungen, die Anpassung an alle Arten von Arbeiten, welche wir sie heute leisten sehen, hat noch viele Mühe, Nachdenken, Versuche und Zeit gekostet. Aber schon bald nach ihrer Geburt wurde sie begrüſst als das, was sie geworden ist, das hoffnungsvolle Kraftwerkzeug einer besseren Zukunft, um den trägen Schritt und die mühselige Arbeit des Menschen zu beschleunigen und zu erleichtern. Diese Hoffnung fand den treffendsten Ausdruck in einem Gedicht, welches Erasmus Darwin, der Groſsvater des berühmten Charles Darwin, selbst ein vortrefflicher Naturforscher und ein Freund von James Watt im Jahre 1788 verfaſst hat. Es lautet1)Das Original befindet sich in E. Darwin, The botanic garden, die Über - setzung von Dr. Ernst Engel, in dessen Das Zeitalter des Dampfes . Berlin 1880.:

10Einleitung.
Bald wird des Dampfes Kraft den flüchtigen Wagen
Die Straſse entlang,
Die träge Barke durch die Wellen tragen
In sicherem Gang.
Ja, durch des Windes leichtbewegte Schwingen,
Durchs luftige Reich
Ein neu Gefährt zum fernsten Ziele bringen,
Dem Adler gleich!

Der Dichter ist hier Prophet, dem die Zukunft enthüllt ist. Bis zur Eröffnung der ersten Eisenbahn bedurfte es aber noch einer ge - raumen Zeit, und das lenkbare Luftschiff gehört noch heute zu den unerfüllten Wünschen.

Tiefeingreifend waren die Wirkungen der Erfindung der Dampf - maschine auf die Eisenindustrie; denn einerseits war damit eine Kraft quelle von unbegrenzter Stärke geboten, anderseits war sie nicht an örtliche Bedingungen gebunden. Überall, auf Höhen und Tiefen, in Stadt und Land, lieſsen sich Dampfmaschinen aufstellen. Die Eisen - industrie war nicht mehr gefesselt an das Gefälle des Wasserlaufes, sie war erlöst aus dem Waldthal ; die Kraft, die sie nötig hatte, band sie nicht mehr an eine bestimmte Örtlichkeit; sie konnte frei da ihr Arbeitsfeld aufschlagen, wo sich ihr die günstigsten Bedingungen darboten. Dies war aber besonders in den Steinkohlenrevieren, wo der Bezug des Brennmaterials leicht und billig war, der Fall. Die Eisenhütten verlieſsen ihre alten Sitze in oft abgelegenen unzugäng - lichen Waldthälern und wanderten in das Steinkohlengebiet aus. Hier entstanden weit gröſsere Werke, als man sie früher jemals ge - kannt hatte; denn man war ja nicht mehr beschränkt durch die zu - gemessene Kraft des Wassergefälles, sondern konnte mit Steinkohlen und Dampfmaschinen beliebige Kraftmengen auf beschränktem Raume erzeugen. Auf diese Weise entstanden neue, groſsartige Eisenindustrie - gebiete, wie namentlich in Schottland, Süd-Wales, Staffordshire, Ober - schlesien u. s. w.

Auch die Chemie arbeitete eifrig an den Fortschritten im Eisen - hüttenwesen mit. War sie darin auch lange Zeit gehemmt durch die falsche Lehre vom Phlogiston, so konnte sie nach dem Sturze dieser durch die Entdeckung des Sauerstoffs und Lavoisiers Lehre von der Verbrennung sich frei entfalten und durch die richtige Erklärung der Konstitution der verschiedenen Eisensorten und der Vorgänge bei den hüttenmännischen Prozessen der Industrie den richtigen Weg und die richtigen Grenzen zeigen.

11Litteratur im 18. Jahrhundert.

Nur in groſsen Zügen haben wir die Entwickelung des Eisen - hüttenwesens im vorigen Jahrhundert angedeutet, die nähere Aus - führung sollen die nachfolgenden Blätter bringen.

Litteratur im 18. Jahrhundert.

Ein groſser Fortschritt für die Eisenindustrie war die Entstehung einer selbständigen Fachlitteratur im 18. Jahrhundert. Diese entwickelte sich zuerst in Frankreich. Der Führer und Meister der - selben war Reaumur, welcher durch seine zwei vortrefflichen Ab - handlungen über Cementstahlfabrikation und über schmiedbaren Guſs (l’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu), welche er im Jahre 1722 zu Paris veröffentlichte, die Eisenindustrie nicht nur mit neuen Erfindungen und Ideen bereichert, sondern damit die gediegene Grundlage für die Litteratur des Eisenhütten - wesens gelegt hat.

Seit Agricola hatte kein Schriftsteller es verstanden, hütten - männische Vorgänge mit solcher Sachlichkeit und Klarheit zu be - schreiben, wie Reaumur. Dadurch, daſs er immer nur einen bestimmten Gegenstand zum Vorwurf seiner Arbeiten nahm, übertraf er sogar Agricola noch an Gründlichkeit, während er in Bezug auf Schönheit und Bestimmtheit des Ausdrucks, Wärme und Vornehm - heit der Sprache diesem an die Seite zu stellen ist. Die erwähnten Schriften Reaumurs sind Muster von Darstellungen technischer Vorgänge und Einrichtungen, welche den Praktiker ebenso ansprechen, wie den Gelehrten. Ehe wir auf diese und andere Arbeiten Reau - murs näher eingehen, wollen wir einige kurze Nachrichten über seine Person mitteilen.

René-Antoine Ferchault de Reaumur wurde am 26. Februar 1683 als Sohn des Präsidialrats Reaumur zu La Rochelle geboren. Ebenfalls zur juristischen Carriere bestimmt, vertauschte er, einem inneren Drange folgend, das Studium der Jurisprudenz mit dem der Mathematik und der Naturwissenschaften. 1703 kam er nach Paris, wo er in den folgenden Jahren drei mathematisch-geometrische Ab - handlungen veröffentlichte, welche solchen Beifall fanden, daſs er bereits 1708, erst 25 Jahre alt, zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. Er ist deren eifrigstes und thätigstes Mitglied geworden. Man übertrug ihm die Leitung eines groſsen, von der Regierung unterstützten Unternehmens einer Beschreibung der12Litteratur im 18. Jahrhundert.Künste und Handwerke (Description de divers arts et métiers). Dieses Werk wurde zwar niemals vollendet, es gab aber Reaumur, der sein ganzes Leben daran arbeitete, Veranlassung zu eingehenden Studien auf den verschiedenartigsten Gebieten der Technik, und seine Arbeiten wurden die Grundlage der groſsen technischen Encyklopädie, welche erst nach seinem Tode unter dem Titel: Description des arts et métiers faites et approuvées par Messrs. de l’Académie royale des sciences de Paris erschien.

Da er am Meere geboren war, so wurde sein Interesse schon früh auf das noch wenig bekannte Leben und die Entwickelung der See - tiere hingelenkt. In den Jahren 1708 bis 1715 machte er eingehende Studien hierüber und veröffentlichte eine Menge neuer Beobachtungen und Entdeckungen. Er fand die Purpurschnecke wieder auf und stellte den Farbstoff aus derselben dar1)Quelques expériences sur la liqueur colorante qui fournit la pourpre, dans les Mém. de l’Acad. des sciences; année 1736.. Er machte höchst inter - essante Beobachtungen über Regeneration bei den Krustaceen, besonders das Nachwachsen verlorener Glieder von Krabben und Seekrebsen; über die Fortbewegung der Seesterne, über die Zoophyten, welche die Korallen bilden, über den elektrischen Apparat der Zitterrochen; über eine Perlmuttersubstanz in den Weiſsfischen, mit der man künst - liche Perlen färben könnte; über die Phosphoreszenz der Bohr - muschel und anderer Seetiere u. s. w. Daneben beschäftigte er sich mit technischen Untersuchungen, deren Ergebnisse er veröffentlichte, wie 1711 über die Seilerei, 1712 über Golddrahtfabrikation, 1714 über Türkise und Türkisgruben in Frankreich, sowie über deren Zu - sammensetzung und Färbung, 1715 Versuche über luft - und wasser - dichtes Papier, 1718 über Goldstaub führende Flüsse in Frankreich. Am wichtigsten aber waren seine Versuche über das Eisen, welche er 1715 begann und welche namentlich die Erzeugung guter Stahlsorten in Frankreich zum Zweck hatten. Dieselben führten ihn zur Entdeckung der bis dahin als Geheimnis behandelten und in Frankreich noch nicht eingeführten Cementstahlfabrikation und weiter zur Erfindung des schmiedbaren Gusses. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner Arbeiten in den oben schon erwähnten beiden Abhandlungen, welche 1722 zu Paris gedruckt wurden. Der Prinzregent von Orleans hatte in Anbetracht der nationalen Bedeutung dieser Entdeckungen Reau - mur mit einem Gnadengehalt von 12000 Livres, welchen dieser aber nur unter der Bedingung annahm, daſs derselbe nach seinem Tode auf die Akademie übergehen sollte, belohnt. Reaumur, der sich in13Litteratur im 18. Jahrhundert.günstigen Vermögensverhältnissen befand, verwendete dieses Geld ausschlieſslich zur Förderung der Industrie und der Gewerbe. Wie die Cementstahlfabrikation, so war die Weiſsblechfabrikation ein Zweig der Eisenindustrie, welcher in Frankreich noch unbekannt war. Cementstahl und Weiſsblech muſste aus dem Auslande bezogen werden. Reaumur beschäftigte sich eingehend mit demselben und veröffent - lichte die Ergebnisse seiner Untersuchung 1725 in den Memoiren der Akademie unter dem Titel: Principes de l’art de faire le fer blanc. Es war dies ebenfalls die erste wissenschaftliche Arbeit über die Weiſsblechfabrikation. Nachdem er bereits 1718 die Beschreibung eines Eisenbergwerks der Grafschaft Foix herausgegeben hatte, ver - öffentlichte er 1722 und 1723 zwei Memoiren über die Magnetisierung des Eisens, 1724 eine über die Krystallisation der geschmolzenen Metalle beim Erstarren (De l’arrangement qui prennent les parties des Matières Métalliques et Minerales lorsqu’après avoir été mises en fusion, elles viennent a se figer). 1726 veröffentlichte er eine inter - essante Arbeit speciell über das Verhalten des Guſseisens beim Er - starren (Que le fer est de tous les métaux celui, qui se moule le plus parfaitement et quelle en est la cause1)Mém. de l’Acad. 1726, p. 273..

Sehr eingehend beschäftigte sich Reaumur mit der Unter - suchung feuerfester Thone, worüber er 1730 eine gründliche Ab - handlung veröffentlichte (De la nature de la terre en général et du caractère des différentes espèces de terres). Hiermit standen seine Versuche über die Porzellanbereitung in engster Beziehung, welche ihn 1739 zur Entdeckung des opaken Glases, nach ihm Reaumur - sches Porzellan genannt, führten.

Die Erfindung, welche Reaumurs Namen am bekanntesten ge - macht hat, ist die seines Thermometers, eines Weingeistthermo - meters, bei dem der Temperaturunterschied zwischen dem Gefrier - und dem Siedepunkte des Wassers in 80 gleiche Teile geteilt ist. Diese praktische Grundlage hat ihm die allgemeinste Einführung ver - schafft, denn das bald danach angegebene Thermometer von Celsius unterscheidet sich nur durch die Einteilung der gleichen Temperatur - skala in 100 statt in 80 Teile2)Über das Thermometer hat Reaumur eine Reihe von Abhandlungen ver - öffentlicht, welche sich in den Memoiren der Akademie von 1731, 1733, 1734 und 1735 finden. Die erste führt den Titel Sur la construction des thermomètres dont les degrés sont comparables, avec des remarques sur quelques propriétés de l’air (dans les Mém. de l’Acad. 1731). Auſserdem veröffentlichte Reaumur.

14Litteratur im 18. Jahrhundert.

Von den technischen Arbeiten und Versuchen Reaumurs auf ganz andern Gebieten erwähnen wir noch seine Untersuchung der Spinn - fäden, welche 1710 als selbständiges Werk erschien (Examen de la soie des araignées 1710 in ) und in welchem er nachwies, daſs Seide aus Spinnfäden die Seide aus Kokons der hohen Herstellungs - kosten wegen nicht ersetzen könnte. Dies Werk wurde auf aus - drücklichen Befehl des Kaisers von China durch den Jesuitenpater Perennin in die Mandschusprache übersetzt. Er schrieb ferner Auf - sätze über Wagenbau und Feuerlöschwesen. 1735 veröffentlichte Reaumur eine Methode zur Konservierung der Eier. Überhaupt be - schäftigte er sich in groſsem Maſsstabe mit Vögelzucht und künst - licher Brütung, worüber er 1749 eine berühmte Arbeit veröffentlichte1)Sur l’art de faire éclore et d’élèver en toute saison des oiseaux domestiques de toutes espèces, soit par le moyen de chaleur de fumier, soit par le moyen de celle du feu ordinaire. 1752 veröffentlichte er seine Schrift: Sur la digestion des oiseaux., welche ins Deutsche und Englische übersetzt wurde.

Ebenso Groſses wie auf dem Gebiete der praktischen Natur - wissenschaft leistete Reaumur auf dem der theoretischen. Als Beleg hierfür dient seine ausgezeichnete Geschichte der Insekten in 12 Bänden (Mémoires pour servir à l’histoire des insectes, Amsterdam 1737 1748, avec 276 planches). Reaumur wies auch zuerst nach, daſs die Korallen und Madreporen keine pflanzlichen Gebilde seien, wie man bis dahin allgemein annahm, sondern von Korallentierchen, gebildet werden.

Reaumur starb nach einem ruhigen, den Wissenschaften ge - widmeten Leben, welches er meist auf seinem Gute zu Saintonge, teils auch auf seinem Landgute zu Bercy bei Paris verbracht hatte, am 17. Oktober 1757 plötzlich in Folge eines Sturzes vom Pferde auf seinem Landgute de la Bermondière in Maine. Die französische Aka - demie widmete ihm einen warmen Nachruf (s. Mém. de l’Acad. 1757), in dem ihm als Gelehrter, Akademiker und Bürger das höchste Lob gespendet wird; mit besonderer Wärme aber wird sein edler Charakter, sein vortreffliches Herz, seine Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit wie seine groſse Sittenreinheit gepriesen. Seine dankbaren Lands - leute legten ihm den Namen Plinius des 18. Jahrhunderts bei. Der Akademie der Wissenschaften hatte er erstens sein groſses Naturalien - kabinett, aus dem Brisson das Material für seine Werke über die2)Observations du thermomètre à Paris, comparées à celles de différents autres lieux 1735 1740. Auſser in der Einteilung bestand der Vorzug seines Thermo - meters in der Füllung mit Spiritus von bestimmtem Alkoholgehalt.15Litteratur im 18. Jahrhundert.Säugetiere und Vögel schöpfte, zweitens seine Sammlungen von Mine - ralien und von Pflanzen, drittens 138 Mappen mit teils vollendeten, teils angefangenen Memoiren und viertens das Manuskript einer Geschichte der Künste vermacht. Die Handschriften wurden von den Encyklopädisten, namentlich aber von den Verfassern der De - scription des arts et métiers benutzt.

Reaumurs wissenschaftliche und praktische Thätigkeit war von nachhaltigem Einfluſs, und zwar nicht nur durch seine zahlreichen Erfindungen, sondern auch durch seine Methode der Untersuchung und Behandlung. Er war ein Meister des Experimentes und seine analytischen und synthetischen Versuche waren geistreich und prak - tisch. Seine Darstellungen zeichnen sich durch Klarheit, Einfachheit, Gründlichkeit und Anmut aus. Er ist ein klassisches Vorbild für die Behandlung technischer Fragen für alle Zeiten und sein Beispiel ist insbesondere für die französische technische Litteratur von nach - haltigem Einfluſs gewesen, so daſs diese durch sein Vorgehen und Wirken die gediegenste des 18. Jahrhunderts geworden ist, aus welcher alle andern Nationen schöpften. Reaumurs Einfluſs war aber viel weitgehender. Er hat die technische Litteratur und die technische Wissenschaft erst geschaffen, durch seine Persönlichkeit wurde sie geadelt und sein Beispiel bewirkte, daſs Gebildete und Vornehme sich mit Vorliebe mit ihr beschäftigten.

Das groſse Werk Description des arts et métiers hat Reaumur, wie erwähnt, nicht vollendet. Daran war seine Gründlichkeit und die Art, wie er die Fragen behandelte, schuld; denn er begnügte sich nicht damit, die Dinge und Zustände zu beschreiben, wie er sie fand, sondern er untersuchte die Grundlagen und ihre Verbesserungs - fähigkeit. Ausgerüstet mit dem ganzen mathematischen und natur - wissenschaftlichen Wissen seiner Zeit, that er dies mit dem gröſsten Erfolg und förderte dadurch die französische Industrie ungemein, zu - gleich erweiterte er den Kreis der Wissenschaften durch die Ein - führung, Erklärung und Begründung der Vorgänge im Gebiete der Technik. Sein Einfluſs beschränkte sich schon zu seinen Lebzeiten nicht auf Frankreich, er machte sich in ganz Europa fühlbar, ganz besonders in Schweden, wo damals in der Akademie der Wissen - schaften ein reges Leben herrschte.

Der zweite groſse Schriftsteller auf dem Gebiete der Eisen - industrie, welchen das 18. Jahrhundert hervorgebracht hat, der be - rühmte Emanuel Swedenborg, war ein Schwede. Der Einfluſs, welchen sein französischer Zeitgenosse Reaumur auf ihn ausgeübt16Litteratur im 18. Jahrhundert.hat, läſst sich aus seinen Schriften erweisen. Im Jahre 1734 ver - öffentlichte Swedenborg sein wichtiges Werk De ferro , dessen vollständiger Titel folgendermaſsen lautet: Emanuel Swedenborgii Sacrae Regiae Majestatis Regnique Sveciae Collegii Metallici Asses - soris Regnum Subterraneum sive Minerale De Ferro deque modis liquationum ferri per Europam passim in usum receptis: deque conversione ferri crudi in chalybem: de vena ferri et probatione ejus: pariter et chymicis praeparatis et eum ferro et victriolo ejus factis experimentis etc. etc. cum figuris aeneis. Dresdae et Lipsiae sump - tibus Friederici Hekelii, Bibliopolae regii MDCCXXXIV. Sweden - borg war auch eines jener universellen Genies, von allumfassendem Wissen (Polyhistor), wie sie gerade jene Zeit hervorbrachte und als deren gröſstes Beispiel Leibniz an der Schwelle des Jahrhunderts steht.

Emanuel Svedberg wurde am 29. Januar 1688 als der zweite Sohn des damaligen Hofpredigers Jesper Svedberg1)Nouvelle Biographie Générale, Paris 1865, Nr. 44, p. 690. zu Stock - holm geboren. Sein Vater war ein angesehener Geistlicher und her - vorragender Theologe, welcher 1692 zum Professor der Theologie nach Upsala berufen und 1702 von König Karl XII. zum Bischof von Skara ernannt wurde. Auſser einer Autobiographie hinterlieſs er eine groſse Zahl Schriften verschiedenen Inhalts. Als Geistlicher neigte er weder zur streng orthodoxen noch zur mystischen Richtung, und war besonders geschätzt wegen seiner Beredsamkeit, Vaterlands - liebe und Mäſsigung. Daſs der talentvolle Sohn eines solchen Vaters eine vortreffliche Erziehung erhielt, ist fast selbstverständlich. Im vierten Jahre zeigte Emanuel bereits einen ungewöhnlichen Ernst. Schon als Knabe unterhielt er sich am liebsten mit Geistlichen über Glaubensfragen, ohne indes irgend welchen Hang zum Mysticismus oder zur Schwärmerei zu zeigen. Sein Vater vermied es, ihn irgend - wie zu beeinflussen, suchte vielmehr die möglichst freie Entfaltung aller seiner Anlagen zu befördern. Neben klassischen Studien be - schäftigte er sich mit Vorliebe mit Mathematik und Naturwissenschaft. Nachdem er 1709 zu Upsala die Doktorwürde mit einer philo - logischen Dissertation erlangt hatte, ging er auf Reisen und besuchte in den nächsten vier Jahren England, Holland und Frankreich. Während dieser Zeit veröffentlichte er zwei Bände Gedichte. Nach Hause zurückgekehrt, gründete er ein wissenschaftliches Archiv unter dem Titel Daedalus hyperboreus, von dem in den Jahren 1716 bis17Litteratur im 18. Jahrhundert.1718 sechs Bände erschienen. Wegen seiner vorzüglichen Kenntnisse in der Mechanik ernannte ihn Karl XII., der sein Genie erkannte, 1716 zum Assessor des Bergkollegiums. Er half damals nicht nur dem Ingenieur Polhem bei der Ausführung verschiedener Konstruk - tionen, sondern er leistete dem König einen auſserordentlichen Dienst, indem er den Transport der zur Belagerung von Friedrichshall er - forderlichen schweren Geschütze und des ganzen Belagerungsmate - rials über das Gebirge bewerkstelligte. Nach Karls XII. Tode in den Laufgräben dieser Festung erhob ihn die Königin Ulrike Eleonore zum Dank für seine Verdienste am 3. Mai 1719 in den Adelstand unter dem Namen von Svedenborg. Er hat von seinem Adel nie Gebrauch gemacht, sondern nannte sich einfach immer nur Assessor Svedenborg. Obgleich ein eifriges Mitglied der Landesvertretung, der gewissenhafteste Beamte und sowohl bei Hof als bei seinen Kollegen in hohem Ansehen, strebte er nie nach Beförderung. Er hatte und bekannte die freiesten Ansichten über Regierung und Staatswesen, hielt sich aber von Politik fern, indem er alles, selbst die Religion, nur von dem Gesichtspunkte der Moral aus betrachtete. Er lebte zumeist dem Studium und den Wissenschaften und hatte die umfassendsten Kenntnisse in Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie, Mineralogie, Krystallographie, Metallurgie, Mechanik, Nautik und Nationalökonomie, welche er unablässig zu erweitern bemüht war. Unabhängig durch Vermögen und Charakter, ein Freund der Thätigkeit, lieferte er, wie richtig von ihm gesagt wurde, die Arbeiten einer ganzen Akademie und teilte sich selbst wissenschaftliche Preis - aufgaben zu, wie es sonst Fürsten und Universitäten zu thun pflegten. Nachdem er längere Zeit die Bergwerke Schwedens bereist und studiert hatte, besuchte er die Bergwerke und Brüche der Nieder - lande, Hannovers, Sachsens und des übrigen Deutschland während 15 Monaten in den Jahren 1721 bis 1722. Hierbei fand er an dem Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig einen groſsmütigen Gönner, der ihm die sämtlichen Kosten seiner Reise bezahlte. Während dieser Reise veröffentlichte er fünf Abhandlungen und vier Bände, darunter das berühmte Buch Prodromus principiorum rerum naturalium , in welchem er die Erscheinungen der Chemie und Physik aus geometri - schen Grundsätzen zu erklären suchte; ferner ein Buch über Schiffs - bau, eins über eine neue Art der Meridianbestimmung und ein an - deres Miscellanea observata circa res naturales, praesertim mineralia, ignem et montium strata ; alle reich an trefflichen Gedanken und Beobachtungen. Erst nach seiner Rückkehr nahm er seinen Sitz imBeck, Geschichte des Eisens. 218Litteratur im 18. Jahrhundert.Bergwerkskollegium, für den er sich zuvor nicht würdig genug ge - halten hatte, ein. 1724 bot ihm die Universität Upsala den Lehr - stuhl für Mathematik an, aber trotz dringender Bitten lehnte er die Ehre ab. Die Theorie allein befriedigte ihn nicht. 1729 wurde er zum Mitglied der schwedischen Akademie der Wissenschaften er - nannt. Seine Wiſsbegierde trieb ihn bald wieder in das Ausland. Sein geistiger Horizont kannte keine Grenzen, wie bald danach auch sein religiöser. 1733 trat er seine Reise an, besuchte Preuſsen, Sachsen und die Berg - und Hüttenwerke in Böhmen, darauf die in Österreich, Steiermark und Ungarn. Den Winter brachte er in Leipzig zu, mit der Abfassung eines groſsen Werkes beschäftigt, welches 1734 unter dem allgemeinen Titel Opera philosophica et mineralia erschien und von dem das eingangs erwähnte Buch De ferro einen Teil bildete. In dem ersten allgemeinen Teil des Werkes stellte er sein System der Natur auf, eine Naturphilosophie. Der zweite und dritte Band sind durchaus praktisch und beschäftigen sich mit dem Eisen und dem Kupfer. Er wollte in gleicher Weise auch die übrigen Metalle behandeln, dieser Plan kam aber nicht zur Ausführung. Die Arbeiten für den ersten Band des Werkes führten ihn auf den Weg, den verborgenen Geheimnissen der Natur nachzuforschen. Er dehnte seine Theorie auf die Physio - logie aus und schrieb über das Unendliche, über die letzten Gründe und über den Zusammenhang zwischen Körper und Seele. Der Ruhm Swedenborgs breitete sich in Europa aus, Wolff und andere Gelehrten suchten seine Freundschaft und traten in nähere Verbindung mit ihm. Den 17. Dezember 1734 ernannte ihn die Akademie zu Petersburg zum korrespondierenden Mitgliede. 1736 unternahm er eine neue Studienreise. Von Holland ging er nach Frankreich und verweilte 19 Monate in Paris. Von da ging er nach Italien, wo er abwechselnd in Florenz, Venedig und Rom verweilte. Hier gestattete er sich zum ersten und einzigen Male einen freieren Lebensgenuſs. Vier Jahre hatte diesmal sein Aufent - halt im Auslande gedauert. Nach seiner Rückkehr beschäftigte er sich hauptsächlich mit Physiologie und Anatomie und ver - öffentlichte in dem groſsen Werke Oeconomia regni animalis seine Ansichten über das Tierreich, speciell über den homo sapiens. Ganz besonders studierte er den Bau des Körpers und begründete eine Geometrie und Mechanik desselben. 1745 begab er sich nach London und veröffentlichte das merkwürdige Buch De cultu et amore Dei , das sich mit der Seele, der Erkenntnis und dem19Litteratur im 18. Jahrhundert.Bilde Gottes beschäftigt. Damit schlieſst die erste Periode seines Lebens.

Im April des Jahres 1745 hatte er in London zum ersten Male eine Vision. Gott selbst war ihm, wie er glaubte, in menschlicher Gestalt, von einem Lichtglanz umflossen, erschienen und hatte ihm mitgeteilt, er habe ihn auserwählt, um den Menschen den geistigen Inhalt der heiligen Schriften zu erklären. Schreibe nieder, was ich Dir sagen werde , lautete sein Ruf.

Seitdem hatte Swedenborg häufig Visionen und führte Zwie - gespräche mit Engeln, die ihm erschienen, welche er niederschrieb. Seine wissenschaftlichen Arbeiten hatten damit ihr Ende erreicht, mit um so gröſserem Eifer warf er sich auf die Erklärung Gottes und der Menschennatur. Er schrieb darüber eine erstaunliche Zahl von Schriften. Es ist nicht unsere Aufgabe, ihm auf diesem Gebiete zu folgen oder Kritik zu üben. Bekanntlich besteht die Kirche der Swedenborgianer oder, wie sie sich nennt, die Kirche des neuen Jerusalem . Anerkennen muſs ein jeder die hohe sitt - liche Auffassung des Gottesbegriffes, der Menschennatur und des Christentums, sowie den Ernst und Eifer, mit dem Swedenborg seine Lehre erfaſste, begründete und erklärte. Hierin erweist sich auch die Einheitlichkeit zwischen Swedenborg dem Gelehrten und Swedenborg dem Propheten: das Suchen nach Wahrheit, das Bekennen der Wahrheit, wie er sie sieht, das ist das Streben, welches den Einen wie den Anderen erfüllte und so betrachtet, erscheint der Übergang von dem Einen zum Anderen nicht so un - begreiflich.

Uns aber berührt hier nur Swedenborg der Gelehrte; ins - besondere der praktische Naturforscher und Metallurge. In ersterer Beziehung erwähnen wir, daſs er sich eifrig für die Einführung des Dezimalsystems bemühte und darüber bereits 1719 eine Schrift ver - öffentlichte1)Über die Dezimalteilung der Münzen und Maſse und die Vereinfachung des Rechnens und der Abschaffung der Brüche. In schwedischer Sprache 1719 in .. Von praktischen Gesichtspunkten gingen auch die interessanten geognostischen Untersuchungen aus, worüber er die Miscellanea observata circa res naturales, praesertim mineralia, ignem et montium strata 1722 in vier Bänden veröffentlichte. Aus dieser Arbeit erfahren wir auch, daſs Swedenborg den Auftrag hatte, die schwedische Küste im Hinblick auf Salzgewinnung zu untersuchen. Technisch-praktischem Zwecke sollte die kleine Schrift Nova obser -2*20Litteratur im 18. Jahrhundert.vata et inventa circa ferrum et ignem, una cum novi camini inven - tione Amst. 1721 dienen. Alle diese Schriften stehen aber an Be - deutung zurück gegen das oben erwähnte Buch De ferro .

Swedenborgs Werk De ferro von 1734 ist das erste und älteste Handbuch der Eisenhüttenkunde. Behandelt es auch den Gegenstand nicht in der theoretischen Weise unserer heutigen Lehr - bücher, so giebt es uns doch eine systematische Darstellung des Eisenhüttenwesens Europas im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Die Grundlage bildet das schwedische Eisenhüttenwesen und sind die damals in Schweden gebräuchlichen Verfahrungsweisen für die Aus - schmelzung der Eisenerze zu Guſseisen und zu schmiedbarem Eisen, die Umwandlung von Roheisen in Schmiedeisen ausführlich auf den ersten 141 Folioseiten und 10 Figurentafeln beschrieben. Hieran knüpft sich eine vergleichende Schilderung der Eisenbereitung in Frankreich, Lüttich, Italien, Spanien, England, Nordamerika, Ruſsland und Sibirien, Norwegen, Schlesien, Sachsen, am Harz, in Steiermark und Kärnten, eines älteren Verfahrens in Salzburg, der von Agricola beschriebenen Luppenfeuer und verschiedener Schmelzversuche mit rohem Holz und Steinkohle; sodann die Beschreibung der Stahlberei - tung aus Roheisen in Schweden, Frankreich, Salzburg, Tirol, Steier - mark und Kärnten und des Verfahrens nach Agricola. Hierauf folgt ein Auszug aus Reaumurs Schrift über die Erweichung der Guſs - waren (schmiedbaren Guſs), sodann eine Zusammenstellung ver - schiedener Angaben über Weich - und Hartmachen von Eisen, über Versuche, Schmiedeisen mit Flüssen zu schmelzen, Stahl eine silber - weiſse Farbe zu geben, Schweiſsen und Löthen, Eisen vor Rost zu schützen und zuletzt die Darstellung der Schmiedeisenfabrikation in Lüttich, England und Schweden. Damit schlieſst der erste Teil (Classis prima).

Der zweite Teil handelt über die Eisenerze und die Kunst, die - selben zu probieren1)Regnum subterraneum sive minerale de vena et lapide ferri ut et de variis ejus probandi modus.. An die Prüfung der Erze schlieſst sich die Prüfung und Unterscheidung der Eisensorten, der Eigenschaften des Stahls, das Vorkommen des Eisens in der Erde und in Pflanzen und Tieren.

Der dritte Teil2)Regnum subterraneum sive minerale de variis cum ferro et ejus victriolo chymicis praeparatis et factis experimentis. handelt von den chemischen Verbindungen des Eisens; der Darstellung von Eisenfarben und Heilmitteln tinctura,21Litteratur im 18. Jahrhundert.flores, oleum Martis dem spezifischen Gewicht des Eisens und dem Vorkommen von Eisen in den Stahlquellen.

Aus diesem Inhaltsverzeichnisse ist zu ersehen, daſs das Buch wesentlich eine praktische Tendenz verfolgt. Es schildert besonders die damals gebräuchlichen Hüttenprozesse und gerade darin liegt der groſse historische Wert des Buches.

Swedenborgs Werk fand in Frankreich die verdiente An - erkennung; es wurde sogar ein Teil davon in französischer Über - setzung den Descriptions des arts et métiers der Akademie der Wissenschaften einverleibt1)In Justi’s Übersetzung und dem Nachdruck von Bertrand wurde diese weggelassen und durch die Schilderung der Eisenbereitung zu Baruth von dem Grafen Solms ersetzt., weil es anerkannt das Beste wäre, was bis jetzt über diesen Gegenstand geschrieben worden sei .

In Deutschland fand dagegen das in lateinischer Sprache ab - gefaſste Buch nur in Gelehrtenkreisen Beachtung. Es ist dies zu bedauern und ein Zeichen, daſs die deutsche Eisenindustrie damals nicht auf der Höhe der Zeit und der Wissenschaft stand, daſs dieses vortreffliche Buch, obgleich es in Leipzig gedruckt und einem deut - schen Fürsten, dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel, Regenten von Schweden, gewidmet war, in technischen Kreisen fast unbekannt blieb und später erst durch die französische Bearbeitung bekannt wurde. Der Hauptgrund dafür lag darin, daſs das Werk lateinisch geschrieben war, eine Sprache, die den humanistisch Gebildeten zwar geläufig, dem Techniker jener Zeit aber noch fremder war wie heutzutage.

Swedenborg war der Vorgänger und Anführer einer Reihe trefflicher schwedischer Metallurgen, welche besonders über das Eisen - hüttenwesen geschrieben haben. So sind über das schwedische Os - mundeisen folgende Specialschriften aus jener Zeit zu erwähnen: Petr. Saxholm, Dissert. de ferro Suecano Osmund 1725 und West - mann, De ferro Suecico Osmund 1725.

Swedenborgs vortrefflicher Zeitgenosse und Kollege im Amt war Christoph Polhem, der viele hervorragende Ingenieur - und Maschinenbauten ausführte und der Vater des schwedischen Maschinen - wesens genannt wird. Christoph Polhem (Polheim, Polhelm, eigentlich Polhammer)2)Er selbst schrieb sich vor seiner Nobilitierung 1716 Christopher Pål - hammer, danach Christopher Polhem. wurde am 18. Dezember 1661, also 17 Jahre22Litteratur im 18. Jahrhundert.vor Swedenborg, in Wisby geboren. Er war der Enkel eines deutsch-ungarischen Edelmannes, der wegen seiner Religion sein Vaterland hatte verlassen müssen. Von seinem 12. Jahre an war er gezwungen, für seinen Unterhalt zu sorgen und that dies durch Ab - schreiben. Später wurde er Rechner bei verschiedenen Groſsgrund - besitzern. Neben seinem Broterwerb beschäftigte er sich von Jugend an damit, Maschinen zu entwerfen und auszuführen, wofür er ein an - geborenes Genie besaſs, denn er brachte mehrere Maschinen eigener Erfindung zu Stande, ohne noch irgend welche Kenntnis der Mathe - matik und Mechanik zu besitzen. Der Wunsch, sich mit diesen ver - traut zu machen, führte ihn dazu ohne fremde Hülfe Lateinisch zu lernen und seiner Energie, die vor keiner Schwierigkeit zurück - schreckte, gelang dies auch. 1686 begann er auf der Universität Upsala Mathematik zu studieren, ohne seine mechanischen Arbeiten liegen zu lassen. 1686 zog er zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit dadurch auf sich, daſs er die groſse Uhr der Domkirche von Upsala wieder in Stand setzte, nachdem alle Uhrmacher Schwedens dies für unmöglich erklärt hatten. Zwei Jahre später erfand er eine sehr bequeme Erzfördermaschine, wofür ihm von der Regierung ein Jahres - gehalt von 500 Thalern ausgesetzt wurde. 1693 wurde er Berg - mechanikus in Fahlun. Danach begab er sich auf Reisen und kam 1695 nach Paris, wo er zwei Jahre blieb. Dort fertigte er unter anderem den Entwurf zu einer höchst komplizierten Uhr, welche die französische Regierung ausführen lieſs und dem Sultan der Türkei zum Geschenk machte. 1697 nach Schweden zurückgekehrt, erhielt er eine Anstellung im Bergkollegium und führte nun viele mecha - nische Verbesserungen beim Bergbau und in anderen Industrieen ein. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts gründete er eine Fabrik in Stiern - sund zur Herstellung von Metallwaren. Er schrieb darüber in seinem patriotischen Testament (1746): Da ich vor einigen und 40 Jahren mit den Stiernsundschen Manufakturen den Anfang machte, bestand dieser Ort nur aus Felsen, auf welchen kaum eine Ziege ihre Nahrung haben konnte, gegenwärtig finden nicht nur einige hundert Menschen ihren Unterhalt von allerlei Eisen und Stahlmanufakturwaren, sondern man kann sogar alles, was in Eisen, Stahl, Kupfer, Messing, Zinn und Blei verlangt wird, machen .

Auſserdem führte er im Auftrage der Regierung groſse Ingenieur - arbeiten, als Anlagen von Dämmen, Kanälen, Docks - und Hafenbauten aus. 1714 wurde er Bergassessor und 1716 als Kommersrat nach Stockholm berufen, durch Titel und Orden geehrt und auch in den23Litteratur im 18. Jahrhundert.Adelstand erhoben, wobei er, wie erwähnt, seinen Namen Polhammer in Polhem umwandelte. Er war Mitglied der Akademie der Wissen - schaften seit deren Stiftung im Jahre 1739. 1744 wurde er zum Präsidenten derselben gewählt.

Polhem erfreute sich im hohen Alter wunderbarer geistiger Frische. Er war 83 Jahre, als er die Präsidentschaft übernahm und zwei Jahre später schrieb er seine unter dem Titel patriotisches Testament bekannten Beiträge zur Eisenhüttenkunde, welche erst längere Zeit nach seinem Tode herausgegeben wurden. Er starb am 31. August 1751. Polhem war vor Allem Praktiker und als solcher nicht nur in Schweden, sondern in ganz Europa berühmt . Die Zahl der von ihm erfundenen , d. h. nach eigenen Ideen selbständig entworfenen Maschinen und Apparate war eine sehr groſse. Er veröffentlichte eine Anzahl derselben durch Druck, eine weitere Liste veröffentlichte sein Sohn1)Sie findet sich auch in Schrebers Sammlung kameralwissenschaftlicher Schriften, Bd. XII, 1764, S. 414.. Ein groſser Teil davon war im Modell in der Modellkammer des königlichen Berg - kollegiums aufgestellt. Es waren Maschinen für Bergbau, Schleusen - bau, Mühlenbau und Landwirtschaft, für die Landesverteidigung, für Metallindustrie, Wollenmanufaktur, Uhrmacherkunst u. s. w. Wir wollen davon nur einige, die auf das Eisengewerbe Bezug haben, erwähnen.

Für die Stiernsundschen Manufakturen erfand er Maschinen, um aus verzinntem Eisenblech Schüsseln und Teller zu hämmern und fertig zu machen, um Becher zu schlagen und um tiefe Becher zu walzen; eine Schneidemühle mit Hobel -, Spunt - und Reifelwerk; eine groſse Plattpresse zum Pressen des Dachblechs; eine Klippschere für Nägel und Kneipeisen; ein groſses Walzwerk für Platten und Bandeisen; eine Wassermaschine, Roheisenwalzen zu schleifen; eine Handmaschine, Teller rund zu schneiden, eine Klippschere, durch Wasserbetrieb Dachbleche vierkantig zu schneiden. Ferner für die Landesverteidigung erfand er eine Methode, durch Wasserbetrieb Bomben und Kugeln zu schleifen und ein Ziehwerk für Flinten - rohre für Gewehrfabriken. Wichtig war noch die Erfindung einer mechanischen Nagelschmiede und des Blasebalges dazu, sowie die von Glühöfen zum Heiſsmachen von Platten ohne Ge - bläse.

Als bemerkenswerte Erfindungen erwähnen wir noch ein Pump -24Litteratur im 18. Jahrhundert.und Druckwerk bei den Hellestadischen Eisengruben, welches durch einen Pferdegöpel getrieben wurde; eine Windmühle, welche im Sturme nicht geschwinder, als bei gewöhnlichem Winde geht, aber doch stärkeren Effekt zeigte, je stärker der Wind blies. Hiervon war ein Modell nach Leipzig und ein anderes auf den hannöverschen Harz gekommen. Ebendahin kam ein Hebewerk mit Selbststeuerung. Für die Harzer Bergwerke erfand er auch einen Pumpenkolben von Holz ohne Leder. Eine von ihm angegebene vollständige Münz - maschine wurde 1737 in Kassel gebaut. Aus diesen letzten An - gaben ersieht man, daſs Polhems Thätigkeit über die Grenzen seines Vaterlandes hinausging und er auch in Deutschland als Mechaniker im hohen Ansehen stand.

Seine schriftstellerische Thätigkeit war nicht so umfassend, wie seine praktische. Auf diesem Gebiete hat er sich nie stark gefühlt und nur der Wunsch, seinem Vaterlande zu nützen, pflegte ihm die Feder in die Hand zu drücken. Charakteristisch hierfür ist folgende Stelle aus seinem patriotischen Testament: Obgleich ich als Besitzer solcher Metallwerke Bedenken tragen sollte, diesen Unterricht zu er - teilen und öffentlich bekannt zu machen, weil es in der Folge meinen Anstalten zum Nachteil gereichen könnte, so liegt mir doch das dauernde Wohlergehen des geliebten Vaterlandes viel näher am Herzen als mein und der Meinigen besonderer Nutzen; daher ich alles, was ich weiſs und verstehe, des gemeinen Besten wegen offen - herzig bekannt mache. Ich mache daher meine geringen Kenntnisse nicht nur allgemein, sondern erteile auch allen denen, die zu mecha - nischen Wissenschaften wenig Lust haben, den Rat, daſs sie mit solchen Dingen den Anfang machen mögen, deren Theorie den Kopf am wenigsten beschäftigt, und am geschwindesten beständige Ein - künfte verschafft. Die Kunst aber besteht darin, daſs man mit eigenen Händen machen lernt, was man sich vorzunehmen ge - denket. 1714 gab er ein mathematisches Werk unter dem Titel Cogitationes mathematicae heraus. 1716 veranlaſste der junge Swedenborg, als er den Plan zu seinem Daedalus hyperboreus faſste, Polhem zur Mitarbeiterschaft. Beide arbeiteten mehrere Jahre (1716 bis 1718) gemeinschaftlich an diesem wissenschaftlichen Archiv.

Darauf wurde lange nichts von ihm dem Druck übergeben. 1729 erschien zu Stockholm Berättelsne om eina förnämsta mechaniska inventioner . Als im Jahre 1739 die Abhandlungen der königlich schwedischen Akademie der Wissenschaften zu erscheinen begannen,25Litteratur im 18. Jahrhundert.an deren Gründung er thätigen Anteil genommen hatte, veröffent - lichte er zahlreiche Aufsätze, die in den ersten sieben Bänden von 1739 bis 1746 zerstreut sind. Viele davon beziehen sich auf das Eisenhüttenwesen, dessen Hebung ihm immer warm am Herzen lag. Gleich im ersten Band 1739 erschien von ihm eine Abhandlung über die Zubereitung des Stahls, in deren Einleitung er mit Nachdruck darauf hinweist, wie unrecht und verkehrt es von seinen Landsleuten sei, daſs sie ihr gutes Eisen in rohem Zustande verkauften, statt es zu feineren Sorten und zu Waren zu verarbeiten und dadurch den Ge - winn für sich zu ziehen, der jetzt allein dem Auslande, namentlich England, zu Gute komme. Seit 60 Jahren bedrücke ihn dieser patrio - tische Schmerz und seit 40 Jahren kämpfe er dagegen; 1720 habe er seine Gedanken hierüber in einer schlichten Denkschrift, so gut er es verstanden habe, dem Reichstag unterbreitet. Diese Schrift habe die Aufmerksamkeit erregt und Beifall gefunden und andere hätten daraufhin begonnen, in demselben Sinne zu schreiben. Er sei ein Buſsprediger, der immer auf die Mängel hinweise, aber seine Er - fahrung und sein Patriotismus zwängen ihn dazu. Dieser praktische und für Schweden so wichtige Grundgedanke geht durch alle seine Schriften durch. Auſser dem erwähnten Aufsatze über die Stahl - bereitung von 1739 veröffentlichte er 1741 einen weiteren über die Schmiedeisenbereitung in Schweden. In demselben Bande befinden sich auch noch Bemerkungen über die Verbindung der Theorie und Praxis in der Mechanik von seiner Hand. Seine Gedanken über das Eisenhüttenwesen in Schweden schrieb er dann noch einmal während des schlesischen Krieges 1746 in seinem 85. Lebensjahre im Zu - sammenhange nieder und dieses geschichtlich bedeutsame Manuskript, welches er bei seinem Ableben am 31. August 1751 im 90. Lebens - jahre hinterlassen hatte, veröffentlichte sein Sohn, der Kammerherr Gabriel Polhem, unter dem Titel Christoph Polhems patriotisches Testament 1)Die mangelhafte deutsche Übersetzung in Schrebers Sammlung XII, S. 325. im Jahre 1761. Die ausführliche Abhandlung ist be - sonders für die Geschichte des Eisenhüttenwesens in Schweden von Wichtigkeit. Aber auch für den Stand des Eisenhüttenwesens im Allgemeinen ist sie von Bedeutung; ganz besonders in Bezug auf die mechanischen Hülfsmittel. Polhem verdanken wir die ersten genaueren Angaben über die Anwendung von Walzwerken.

Die Abhandlungen der königlich schwedischen Akademie der26Litteratur im 18. Jahrhundert.Wissenschaften, welche seit 1739 erschienen, enthalten überhaupt zahlreiche und wichtige Beiträge zur Eisenhüttenkunde. Wie erwähnt, hatte Polhem einen Teil seiner Arbeiten dort erscheinen lassen. Weitere bemerkenswerte Aufsätze in denselben sind von August Ehrenswerd, Über das Büchsenschmieden 1739; von Daniel Tile - sius, Über Hammerschmiedeherde, und von Sven Rinman, Anleitung zur Verbesserung des Schmelzwesens in Schweden 1745. Es war dies die erste litterarische Arbeit des später so berühmten Verfassers der Geschichte des Eisens. Zahlreiche Beiträge lieferte Waller, der in Mineralogie und Metallurgie Hervorragendes leistete und sich be - sonderes Verdienst um die Kenntnis der Eisenerze erworben hat.

Joh. Gottschalk Wallerius wurde am 11. Juli 1709 zu Nerike geboren, studierte Medizin und wurde 1733 Adjunkt und 1735 Doktor der Medizin in Lund. Er kam dann als Adjunkt der Medizin an die Universität Upsala, und wurde dann Professor der Chemie, Mineralogie und Pharmazie daselbst, in welcher Stellung er von 1750 bis 1767 thätig war. In diesem Jahre legte er wegen Kränklichkeit seine Stelle nieder, in welcher Bergman sein Nachfolger wurde. Seit 1748 war er Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Stockholm und 1763 der wissenschaftlichen Ge - sellschaft zu Upsala.

Als Mineraloge nimmt er eine hervorragende Stellung ein, namentlich durch seine verständige Einteilung der Mineralien. 1747 erschien seine Mineralogie eller Mineral-Riket , welche später 1772 erweitert unter dem Titel Systema mineralogicum in zwei Bänden ge - druckt wurde. Dieses Werk fand groſse Verbreitung und wurde in das Deutsche, Französische und Englische übersetzt. Als Chemiker machte er sich bekannt durch seine Chemia physica 1759 bis 1768, deutsch von Weigel 1772, und als Metallurg durch seine Elementa metal - lurgiae speciatim chemicae , 1768, welche unter dem Titel Anfangs - gründe der Metallurgie besonders der chemischen von Joh. Gottsch. Waller 1770 in das Deutsche übersetzt wurde. Viele Arbeiten jüngerer Gelehrter wurden durch ihn in den Abhandlungen der Aka - demie zum Abdruck gebracht; so z. B. in dem Jahrgange 1756 Von der gebührenden Aufsicht eines Eigentümers von Bergwerken. Hütten und Hämmern , Von den Eigenschaften eines Hammerherrn (von Uhr) u. s. w. In seiner Mineralogie teilte er die Eisenerze nach ihrer Farbe ein, in seiner Metallurgie nach ihrer Schmelzbar - keit. Über die Schmelzung und Zubereitung handelt der III. Ab - schnitt, III. Teil, Kapitel I seiner Metallurgie.

27Litteratur im 18. Jahrhundert.

In Deutschland ist in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts über das Eisenhüttenwesen fast gar nichts geschrieben worden. Dieser Zweig der Metallurgie wurde am wenigsten beachtet. Dies zeigt sich um so deutlicher, als die übrigen Zweige der Metallurgie in jenem Zeitabschnitte mit Eifer betrieben wurden. Die Metallhüttenkunde fand sogar eine ganz vortreffliche Bearbeitung in dem groſsen Werke von Ch. A. Schlüter Gründlicher Unterricht von den Hütten - werken , Braunschweig 1738. Das Eisen ist dabei gar nicht berück - sichtigt und hat das Werk für den Eisenhüttenmann höchstens da - durch ein Interesse, daſs manche Schmelzöfen mit den beim Eisen - schmelzen gebräuchlichen Ähnlichkeit haben. In dieser Beziehung dürfte namentlich auf die Flammöfen hinzuweisen sein.

Noch früher (1727 bis 1730) erschien Franz Ernst Brück - manns Werk Magnalia Dei in Subterraneis oder Unterirdische Schatz - kammer aller Königreiche und Länder , Helmstädt, 2 Bände, welches eine Geographie des Bergbaues genannt werden kann. Das originelle und sehr beachtenswerte Werk enthält aber ebenfalls nur wenig, was sich auf das Eisen bezieht. Ein mineralogisches Werk, aber von hüttenmännischem Interesse, ist Joh. Friedr. Henckels Pyritologie, welche 1725 herauskam.

Der nächsten Periode gehört der als Metallurge hervorragende Joh. Andreas Cramer an, welcher von 1743 bis 1773 braun - schweigischer Kammerrat für Berg - und Hüttenwesen in Blankenburg war. Er war viel gereist und hatte sich namentlich in Holland und England aufgehalten. 1739 erschienen zu Leyden seine Elementa artis docimasticae , von denen 1744 eine zweite Auflage gedruckt wurde. Die Bedeutung der Schrift wird am besten dadurch illustriert, daſs die - selbe 50 Jahre später 1794 in einer Bearbeitung von Göttling unter dem Titel Anfangsgründe der Probierkunst noch einmal veröffent - licht wurde. Cramers Anfangsgründe der Metallurgie erschienen zuerst 1744 bis 1747, wurden später ebenfalls in verbesserter Auflage in drei Bänden 1774 neu gedruckt. Auch in diesem Werke findet der Eisenhüttenmann nichts Neues.

Eine für seine Zeit vortreffliche Schrift waren C. E. Gellerts Anfangsgründe zur metallurgischen Chemie , zwei Bände 1750.

Gellert, der Bruder des bekannten Dichters, war geboren am 11. August 1713 zu Hainichen bei Freiberg. Er wirkte von 1736 / 37 als Professor am Gymnasium in St. Petersburg und war dann bis 1746 oder 1747 Adjunkt der Akademie der Wissenschaften daselbst. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hielt er die ersten metal -28Litteratur im 18. Jahrhundert.lurgischen Vorlesungen in Freiberg, wurde darauf Kommissionsrat, Inspektor der Bergmaschinen und Schmelzprozesse in Freiberg u. s. w., 1762 Oberhüttenverwalter. Er hatte groſsen Anteil an der Gründung der Bergakademie in Freiberg, 1765, und wurde der erste Professor der metallurgischen Chemie an dieser Anstalt, welche Stellung er bis zu seinem Tode am 18. Mai 1795 bekleidete.

Seine metallurgische Chemie zeichnet sich durch Klarheit und gefällige Darstellung aus. Das Kapitel über die Auflösung der Steine durch Zusammenschmelzung in dem II. praktischen Teil ist von geschichtlicher Bedeutung für die Metallurgie. Das Eisen ist aber auch in diesem Buche vernachlässigt.

Von gröſserer praktischer Bedeutung für das Eisenhüttenwesen sind die gründlichen Werke eines Mannes, der seinem Beruf nach mit dem Eisen nur wenig zu thun hatte, diejenigen Henning Calvörs, des Predigers in der freien Bergstadt Altenau im Harz. 1760 erschienen seine Acta historic. chronol. mechanica circa metal - lurgiam in Hercynia Superiori etc. oder Historisch-chronologische Nachrichten und theoretische und praktische Beschreibung des Ma - schinenhüttenwesens und der Hülfsmittel bei dem Bergbau auf dem Oberharze u. s. w. in drei Teilen. Das Werk ist König Georg III. von England gewidmet. Wie Calvör in der Einleitung erzählt, hatte er schon 1726, als er Lehrer in Clausthal war und in höherem Auftrage die Jugend in den zum Bergwerke gehörigen Wissenschaften unter - richtete, eine kleine Schrift geschrieben Programma de historia recentiori Hercyniae superioris mechanica . Anfangs der vierziger Jahre wurde er veranlaſst, diese Schrift fortzusetzen, wozu er auch durch das 1738 erschienene, oben erwähnte Werk von Schlüter von neuem sich angeregt fühlte. Die Bedeutung des Buches von Calvör geht weit über die besondere lokale Bedeutung hinaus und ist für die Geschichte des Berg - und Hüttenmaschinenwesens vom allergröſsten Interesse. Da die Eisenindustrie am Harze von groſser Wichtigkeit war und eine alte Geschichte hat, so finden wir dieselbe in diesem und in den damit verbundenen Werken über die Geschichte des Berg - und Hüttenwesens am Unterharze viel mehr berücksichtigt, als in einem der zuvor genannten Werke. Wir werden deshalb öfter Veranlassung haben, auf Calvörs Schriften zu verweisen, obgleich auch diese keine Fachschriften für unsere Industrie sind.

Die Akademie der Wissenschaften zu Paris hatte sich die dankenswerte Aufgabe gestellt, die Anwendung der Wissenschaft auf das gewerbliche Leben besonders zu befördern. In ihren Veröffent -29Litteratur im 18. Jahrhundert.lichungen gestattete sie den Abhandlungen über praktische Gegen - stände besonders auch auf dem Gebiete der Hüttenkunde einen weiten Spielraum und wirkte dadurch höchst anregend auf die Industrie. Neben diesen Memoiren sollte aber, nach einem schon früh auf - getauchten Plan, durch die Akademie ein Werk geschaffen werden, in welchem alle einzelnen Zweige des gewerblichen Lebens eine ein - gehende Beschreibung und Erklärung finden sollten. Diese Absicht bestand, wenn auch in unbestimmter Form, schon vor Reaumurs Eintritt in die Akademie. In Reaumur glaubte man den Mann ge - funden zu haben, der dieser groſsartigen Aufgabe gewachsen sei und so beauftragte ihn die Akademie mit der Herausgabe des Werkes. Reaumur ergriff die Sache mit Eifer und Begeisterung, und gewiſs war kein Mensch dazu so befähigt wie er. Aber die Aufgabe, wie sie der Akademie vorschwebte, und wie sie auch Reaumur auffaſste, war viel zu groſs für die Kraft eines Menschen, und so kam es, daſs es zu keinem Ende kam und daſs er, als er am 17. Oktober 1757 die Augen schloſs, nur eine groſse Sammlung von Bruchstücken von fertigen, halbfertigen und erst begonnenen Abhandlungen, die alle Teile des groſsen Werkes bilden sollten, hinterlieſs. So lange Reau - mur lebte, hatte die Akademie nicht daran gedacht, andere neben Reaumur mit dieser Arbeit zu betrauen. Seine Überlegenheit und sein Ansehen schlossen dies vollständig aus. Nachdem er aber ge - storben war, sah sich die Akademie dazu gezwungen, sowohl um end - lich dem Publikum etwas von dem solange in Aussicht gestellten Werk zu bieten, als auch um die reiche Hinterlassenschaft Reau - murs zu verwerten. Sie beauftragte also eine Anzahl Gelehrte mit der Herausgabe der Beschreibung der Künste und Handwerke , Description des arts et métiers, in der Weise, daſs jeder einen Teil, mit dem er mehr oder weniger vertraut war, bearbeiten sollte. Von einem einheitlichen Plan sah man, um nur einen Anfang zu be - kommen, ab und so erschienen dann einzelne Hefte (Cahiers) in Folio, von denen jedes ein Gewerbe schilderte, in bunter Aufeinanderfolge. Die Akademie veröffentlichte dieselbe mit einem Vorberichte, aus dem am besten ihre Auffassung des Unternehmens und ihre Stellung zu demselben zu ersehen ist. Er lautet: Das Werk, welches wir hier dem Publikum vorlegen, ist die Frucht einer seit langer Zeit von der königlichen Akademie der Wissenschaften angefangenen Arbeit. Diese Gesellschaft hatte kaum ihren Anfang genommen, als sie das Vorhaben faſste, nach und nach alle mechanischen Künste zu beschreiben, indem sie überzeugt war, daſs dieses Unternehmen30Litteratur im 18. Jahrhundert.Gedeihen und Wachstum sowohl dieser mechanischen Künste als der Wissenschaften gleichmäſsig befördern würde. Wenn die Künste, die in dunklen Zeiten geboren sind und denen der Fleiſs, der im Finsteren tappte, nur langsamen Fortschritt verschaffen konnte, lange Zeit vor Errichtung der gelehrten Gesellschaften bestanden, so kann man doch deutlich erkennen, daſs sie in den Zeiten und den Ländern, in denen die Wissenschaften mit Fleiſs gepflegt wurden, einen über - aus raschen Fortgang genommen haben .... Man wird, wenn man einzelne derselben, wie die Uhrmacherkunst, die Schiffahrt und andere betrachtet, einen unermeſslichen Unterschied gewahr werden, welcher durchaus nicht dem blinden Zufall, sondern den Bemühungen zuzu - schreiben ist, welche man seit diesem Zeitraum angewendet hat, die Geometrie, die Mechanik, die Optik, die Chemie, die Anatomie u. s. w. zu vervollkommnen .

Welche neue Vervollkommnung der Künste wird man nicht er - warten können, wenn die Gelehrten, die in verschiedenen Teilen der Naturkunde Kenntnis und Erfahrung erlangt haben, sich die Mühe geben werden, die oft sinnreichen Arbeiten, welche der Künstler in seiner Werkstatt unternimmt, zu untersuchen und zu erklären; wenn sie dadurch die Bedürfnisse einer Kunst, die Grenzen, die dem Künstler gezogen sind, die Schwierigkeiten, die ihn hindern, weiter zu schreiten, die Beihülfe, die man aus einer Kunst zur Unter - stützung einer anderen nehmen kann, und welche der Arbeiter selten im Stande ist, zu erkennen, klar stellen werden! Der Meſskünstler, der Mechaniker, der Chemiker, werden einem verständigen Künstler Hülfsmittel an die Hand geben, um die Hindernisse zu übersteigen, welche wegzuräumen er sich nicht getraut hat. Sie werden ihn auf Wege führen, nur nützliche Dinge zu erfinden. Zu gleicher Zeit aber werden sie von ihm lernen, welches die Teile der Theorie sind, deren man sich hauptsächlich befleiſsigen muſs, um das praktische Verfahren desto mehr aufzuklären und empirische Handgriffe auf bestimmte Regeln zurückzuführen .

Dieses war die Absicht der Akademie der Wissenschaften, die stets ihre Arbeiten auf das Nützliche richtet, als sie ihre Mitglieder anregte, an einer Beschreibung der Künste zu arbeiten. Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts hat sie nie aufgehört, Materialien zu sammeln, um diesen Zweck zu erreichen. Allein der Gegenstand ist unermeſslich und kann nur durch eine lange Zeitfolge zu Stande ge - bracht werden. Man hatte dem verstorbenen Herrn von Reaumur aufgetragen, eine groſse Zahl Abhandlungen, die teils von vielen Mit -31Litteratur im 18. Jahrhundert.gliedern der Akademie verfaſst, teils aus verschiedenen Provinzen Frankreichs oder aus dem Auslande eingesendet waren, zu ordnen. Es ist bereits eine groſse Zahl von Abhandlungen über die Künste vorhanden. Eine groſse Menge von Werkstätten, Arbeiten, Maschinen, Werkzeugen und Handwerksgerätschaften sind in einerlei Format gezeichnet und in Kupfer gestochen, und die Akademie besitzt schon gegenwärtig mehr als 200 Kupferplatten, die zu ihren Beschreibungen dienen. Das Werk würde schon weiter gekommen sein, wenn nicht verschiedene Stücke verloren gegangen wären. Glücklicherweise ist aber genug Material vorhanden, um ohne Anstand die vollständige Beschreibung einer groſsen Anzahl von Künsten zu liefern. Diese Materialien sind im Jahre 1759 denjenigen Mitgliedern der Akademie, deren gelehrte Bemühungen hauptsächlich auf die Mechanik und die Naturkunde gerichtet sind, ausgeteilt worden. Indem sich dieselben der Mühe unterzogen haben, die schon angefangenen Beschreibungen zu vollenden und bei denen, die zu Anfang des Jahrhunderts ab - gefaſst worden sind, die neuen Einrichtungen und Verfahrungsarten, die seit der Zeit erfunden wurden und gegenwärtig im Gebrauch sind, hinzuzufügen: werden sie es als ihre Schuldigkeit ansehen, all denen, welche ihnen in dieser Arbeit vorangegangen sind oder etwas dazu beigetragen haben, die gebührende Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Auf diese Weise entstanden zunächst die Cahiers. Sehr bald nach ihrem Erscheinen unternahm es in Deutschland der berühmte Nationalökonom Johann Heinrich Gottlob von Justi, eine deutsche Übersetzung davon herzustellen, aber nicht wie das Origi - nal in Folioheften, sondern in Quartbänden, indem er, soviel wie möglich, die zusammengehörigen Abhandlungen in Bänden zusammen - faſste.

Der erste erschien bereits 1762 bei Rüdiger in Berlin, Stettin und Leipzig unter dem Titel Schauplatz der Künste und Hand - werke oder vollständige Beschreibung derselben, verfertigt oder ge - billigt von den Herren der Akademie der Wissenschaften zu Paris . Mit vielen Kupfertafeln. In demselben Format, ebenfalls in Quart - bänden, erschien 1774 eine verbesserte französische Ausgabe von Bertrand in Neuchatel eigentlich nur ein Nachdruck des Werkes der Akademie, welcher seiner Billigkeit wegen groſse Verbreitung fand.

In diesem groſsen Werke der französischen Akademie sind die Eisenindustrie und einzelne Eisengewerbe recht ausführlich behandelt. Die wichtigsten Abhandlungen sind in den drei ersten Bänden des32Litteratur im 18. Jahrhundert.Schauplatzes enthalten (Band I, Kohlenbrennen, Ankerschmiede, Nadelfabrikation, Band II und III, von den Eisenhämmern und hohen Öfen) und sind teils unter Reaumurs Namen erschienen, teils sind hinterlassene Aufsätze von ihm zu Grunde gelegt; die umfassendste ist die von dem Marquis de Courtivron und Bouchu verfaſste weitläufige Arbeit Art de Forges et Fourneaux à fer .

Der Text ist von Bouchu unter ausgedehnter Benutzung der von Reaumur hinterlassenen Handschriften und Zeichnungen, sowie verschiedener Beiträge anderer Schriftsteller und einer Übersetzung des gröſsten Teiles von Swedenborgs Werk De ferro abgefaſst. Der Marquis von Courtivron scheint hauptsächlich nur einige Tafeln Zeichnungen geliefert zu haben. Der Abschnitt über Eisengieſserei rührt gröſstenteils von Duhamel her, dem noch ein besonderer Aufsatz von Deparcieux über Röhrenguſs hinzugefügt ist. Das ganze Werk ist wenig einheitlich und in vieler Beziehung recht mangelhaft. Man versteht erst dieser Arbeit gegenüber Reaumurs Scheu, seine unvollendeten Schriften der Öffentlichkeit zu übergeben. Bouchu hat es gewagt, allerdings mit mehr Kühnheit als Verständnis. Seine weitläufigen theoretischen Erörterungen sind oft geradezu schwach, z. B. seine Betrachtungen über die Entstehung der Erzgänge, über das Feuer, über Zuschläge und Schlackenbildung. Das beste ist das, was nicht von Bouchu herrührt, besonders die Bruchstücke von Reaumur; aber auch Duhamels und Deparcieux Aufsätze über die Gieſserei sind sehr sachlich und gut. Die Beschreibung der Fabri - kation von Schmiedeisen und Stahl ist aus Swedenborg, De ferro , übersetzt. Trotz aller Mängel verdienen die Verfasser unsere volle Anerkennung dafür, daſs sie das Werk verfaſst und herausgegeben haben. Trotz seiner Schwächen ist es die vollständigste Eisenhütten - kunde, welche bis dahin erschienen war und ist es bis auf Rinmans Geschichte des Eisens im vorigen Jahrhundert geblieben. Auch müssen wir den Verfassern dafür danken, daſs sie viele Aufzeichnun - gen Reaumurs veröffentlicht und dadurch gerettet haben. Wäre es auch vielleicht wünschenswerter gewesen, wenn alle hinterlassenen Schriften Reaumurs über die Eisenindustrie unverkürzt heraus - gegeben worden wären, so war dies doch in jener Zeit kaum aus - führbar und wir müssen froh sein, daſs auf diese Art wenigstens ein Teil der für die Geschichte des Eisenhüttenwesens so wichtigen Schriften erhalten worden sind. Was von Justis Übersetzung be - trifft, so beruht ihr Verdienst fast nur darin, daſs sie so rasch er - schienen ist. Die ersten Hefte waren kaum im Druck veröffentlicht,33Litteratur im 18. Jahrhundert.so faſste auch schon Justi, in voller Würdigung der hohen Bedeutung derselben, den Plan, eine deutsche Übersetzung davon herauszugeben. Leider ist dieselbe aber so schlecht ausgefallen wie nur möglich. Die ersten Abschnitte der Abhandlung von Courtivron und Bouchu, die er im zweiten Bande des Schauplatzes in eigener Übersetzung veröffentlichte, sind recht mangelhaft, der Hauptteil des Werkes aber, den er in der Übersetzung eines Gehülfen im dritten Bande erscheinen lieſs, ist geradezu abscheulich, vieles ganz unverständlich, vieles falsch und dabei ein Deutsch, daſs man glauben muſs, der Über - setzer habe weder die französische noch die deutsche Sprache gekannt. Daſs Justi uns die Übersetzung des Werkes von Swedenborg, welches den gröſsten Teil der französischen Abhandlung ausmacht, erlassen hat, weil sie, wie er in charakteristischem Dünkel schreibt, für Teutschland, wo man in den metallurgischen Wissenschaften viel weiter gekommen ist, als in Frankreich, nicht wichtig sei , müssen wir unter diesen Umständen ihm fast dankbar anerkennen, um so mehr, da er an deren Stelle einen recht verdienstlichen Aufsatz des Grafen Johann Christian zu Solms-Baruth über das Eisen - hüttenwerk in Baruth veröffentlicht hat.

Die Abhandlung von v. Courtivron und Bouchu erlangte groſse Anerkennung und Bedeutung namentlich in Frankreich, wo sie das Fundamentalwerk der Eisenhüttenkunde blieb bis zum Er - scheinen der Siderstechnie von Hassenfratz im Jahre 1810. Auch die mit vielen Abbildungen ausgestattete Abhandlung Forges ou art du fer von Grignon in der Encyclopédie Méthodique ist im Wesentlichen nur eine Bearbeitung der Schrift von v. Courtivron und Bouchu.

Einige biographische Notizen über die erwähnten Schriftsteller dürften deshalb von Interesse sein. Gaspard le Compasseur de Créqui-Montfort, Marquis de Courtivron, war ebenso berühmt als Feldherr, wie als Gelehrter. Er wurde geboren im Jahre 1715. Von seiner Jugend und seinem Studiengang wissen wir nur wenig. Wegen seiner groſsen mathematischen und technischen Kenntnisse wurde er 1744 zum Adjoint-mécanicien der Akademie der Wissen - schaften ernannt.

Die Verwaltung seiner Güter hielt ihn später viel von Paris entfernt, die Akademie ehrte ihn aber, indem sie ihm den Titel Pensionaire vétéran erteilte. Da er auf seinen Gütern Eisenbergwerke und Hütten besaſs, so beschäftigte er sich mit Vorliebe mit dem Eisenhüttenwesen und veröffentlichte 1747 eine Abhandlung über dieBeck, Geschichte des Eisens. 334Litteratur im 18. Jahrhundert.Notwendigkeit der Verbesserung der Eisenhütten zum Zweck der Verminderung des Holzverbrauches1)Sur la necessité de perfectionner la Métallurgie des Forges, pour diminuer la consommation des bois: l’on donne quelques moyens fort simples, d’employer les mines en roche de Bourgogne aussi utilement que celles en terre de la même province. In den Mémoires de l’Academie des Sciences de 1747..

Er wies darin namentlich nach, daſs Holzersparung und besseres Ausbringen erreicht werden könne, wenn man die Bergerze in Burgund, die damals, wie sie aus der Grube kamen, gepocht und verschmolzen wurden, in groſsen Haufen ein Jahr oder länger an der Luft ab - lagern lieſse, und sie dann verwasche; ferner, daſs man durch eine richtige Gattierung der Bergerze mit den thonigen Erzen die Zu - schläge ganz sparen und einen reicheren Möller herstellen könne, wodurch das Ausbringen erhöht und der Kostenverbrauch vermindert werde. Diese auf Erfahrung und Versuchen beruhenden Vorschläge kennzeichnen Courtivron als praktischen Hüttenmann. In Ver - bindung mit Bouchu veröffentlichte er 1762 die groſse Abhand - lung L’art des forges et fourneaux de fer , wozu er namentlich einen Teil der Tafeln bearbeitete. Er starb am 4. Oktober 1785.

Etienne Jean Bouchu, der eigentliche Verfasser des Textes dieser Abhandlung, war praktischer Hüttenmann von Beruf. Er war geboren am 28. Mai 1714 zu Langres, studierte in Paris Chemie, Physik und Naturgeschichte, die er alsdann in den Eisenwerken von Arc en Barrois, welche dem Herzog von Penthièvre gehörten, prak - tisch verwerthen konnte. Er veröffentlichte viele Vorschläge zur Verbesserung des Eisenhüttenwesens, welche von der Akademie von Dijon gesammelt und herausgegeben wurden. Von der Akademie der Wissenschaften zu Paris erhielt er dann den Auftrag, in Gemein - schaft mit Courtivron die Eisenhüttenkunde für die Descriptions des Arts et Métiers zu bearbeiten. Auſserdem schrieb er 1767 Obser - vations sur l’art du charbonnier . Ferner rühren alle Artikel über Eisen in der ersten Encyclopädie von ihm her. Bouchu war Mitglied der Akademie der Wissenschaften von Dijon und starb am 16. Sep - tember 1773 zu Arc en Barrois.

Einer der eifrigsten und bedeutendsten Mitarbeiter an den De - scriptions war Duhamel du Monceau, welcher auch wichtige Bei - träge zu der Arbeit von Bouchu und Courtivron über das Eisen geliefert hat.

Henri Louis Duhamel du Monceau wurde 1700 zu Paris ge - boren und starb ebendaselbst am 23. August 1782. Er war ein sehr35Litteratur im 18. Jahrhundert.vielseitiger Gelehrter, am berühmtesten wohl als Botaniker und Agronom, aber auch seine Arbeiten auf dem Gebiete des Eisenhütten - wesens sind von hervorragendem Werte. Er bekleidete die Stellung eines Generalinspektors der Marine, war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris, der Royal Society von London und vieler anderer auswärtiger gelehrten Gesellschaften. Nach Reaumurs Tode wurde er die Seele des groſsen Unternehmens der Descriptions des arts et métiers und schrieb mehrere der ersterschienenen Ab - handlungen; so namentlich im Jahre 1760 den schönen Aufsatz über die Holzverkohlung, L’art du charbonnier , diesem folgte Fabrique des ancres , die Fabrikation der Anker von Reaumur mit Zusätzen und Anmerkungen von Duhamel, und L’art de l’epinglier , die Nadel - fabrikation, ebenfalls von Reaumur mit Zusätzen von ihm, beide zu Paris im Jahre 1761. Hierauf erschien 1763 L’art de faire les en - clumes , die Amboſsfabrikation, 1767 die umfangreiche Abhandlung über die Schlosserkunst, L’art du serrurier , und 1769 über die Drahtfabrikation, L’art de reduir le fer en fil . Auſser diesen ver - fasste er noch viele andere Artikel für die Descriptions.

Duhamel du Monceau ist nicht zu verwechseln mit dem jüngeren Jean Pierre François Guillot Duhamel, welcher sich ebenfalls im vorigen Jahrhundert grosse Verdienste um das Eisen - hüttenwesen in Frankreich erworben hat und der erste Professor der Metallurgie an der Ecole des Mines wurde.

Um die Zeit, als Reaumur starb, und die Akademie die Heraus - gabe der Descriptions des arts et métiers mit Nachdruck in die Hand nahm, suchte auch die königliche Regierung das Berg - und Hütten - wesen in Frankreich nach Kräften zu fördern. Um das Jahr 1750 hatte der vortreffliche Minister Trudaine die erste technische Hoch - schule für Ingenieurwesen, L’école des Ponts et Chaussées, gegründet und trug sich mit dem weiteren Plan, eine besondere Hochschule für Berg - und Hüttenwesen ins Leben zu rufen. Da aber hierzu in Frankreich geeignete Lehrkräfte gänzlich fehlten, so suchte er die talentvollsten Schüler der École des Ponts et Chaussées hierfür heran - zubilden, indem er dieselben auf Staatskosten das Ausland bereisen lieſs. Zwei der so Bevorzugten waren der oben genannte jüngere Duhamel und Gabriel Jars. Beide haben ihrem Vaterlande durch ihre Leistungen den Betrag, welchen die Regierung ihnen als Reise - unterstützung zur Ausbildung gewährte, tausendfältig zurückbezahlt.

Die Reiseberichte von Gabriel Jars, die sein Bruder nach seinem allzufrühen Tode veröffentlicht hat, gehören zu den grund -3*36Litteratur im 18. Jahrhundert.legenden Werken der Eisenhüttenkunde und zu dem Besten, was im vorigen Jahrhundert auf diesem Gebiete geschrieben worden ist.

Gabriel Jars war am 26. Januar 1732 zu Clermont in der Auvergne geboren. Sein Vater war an Bergwerken im Lyonnais be - teiligt. Der Jüngling zeigte eine besondere Neigung zur Metallurgie. Trudaine veranlasste ihn zum Eintritt in die École des Ponts et Chaussées, wo er sich die nötigen theoretischen Kenntnisse für das Bergfach erwarb. 1757 trat er dann mit Duhamel, der nur wenig älter war, seine Informationsreise nach Deutschland an. Sie be - suchten Sachsen, Böhmen, Österreich und Ungarn, Steiermark, Kärnten und Tirol und kehrten 1759 wieder nach Frankreich zu - rück. 1765 besuchte er im Auftrage der Staatsregierung allein Eng - land und Schottland. 1766 reiste er in Begleitung seines Bruders M. G. Jars nach dem Harz und Norddeutschland, um dann Nor - wegen und Schweden zu besuchen. Nach seiner Rückkehr wurde er 1768 als Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris auf - genommen. Aber nur kurze Zeit konnte er sich dieser wohlver - dienten Auszeichnung erfreuen, denn im folgenden Jahre raffte den 37 jährigen der Tod hinweg. Die Berichte über seine Reisen, welche er dem Ministerium einzureichen beabsichtigte, waren noch im Manu - skript, als ihn der Tod ereilte. Zum Glück war sein Bruder, der die Neigungen des Verstorbenen teilte und sich ebenfalls dem Studium der Metallurgie gewidmet hatte, der Aufgabe gewachsen, die Hand - schriften im Druck herauszugeben. Er war der Vertraute seines Bruders gewesen und hatte ihn auf seiner letzten Reise begleitet. Das Werk erschien unter dem Titel Voyages Metallurgiques, ou recherches et observations sur les mines et forges de fer, la fabri - cation de l’acier, celle du fer-blanc, et plusieurs mines de charbon de terre, faites depuis l’année 1757 jusques et y compris 1769, en Allemagne, Suède, Norvège, Angleterre et Ecosse . Lyon et Paris 1774. Jars hatte schon zu Lebzeiten seine gesammelten Aufsätze in zwei Abteilungen geteilt, von denen die ersten, welche auch die wichtigsten sind, Alles enthielten, was sich auf Eisen und Steinkohlen bezog, während in der zweiten Abteilung Alles enthalten sein sollte was sich auf die übrigen Metalle bezog. In dieser Ordnung erfolgte auch die Herausgabe, so dass die erste Abteilung 1774 erschien während die zweite erst 1781 gedruckt wurde. Die treffliche Arbeit wurde in richtiger Würdigung ihres Wertes alsbald ins Deutsche übersetzt und zwar von dem preussischen Oberbergrat Gerhard. Die recht gute Übersetzung der ersten Abteilung erschien in zwei Bänden37Litteratur im 18. Jahrhundert.mit Anmerkungen vom Übersetzer 1777, die beiden anderen Teile ohne Zusätze im Jahre 1785. Gerhards Anmerkungen erhöhen noch den Wert des ersten Teiles des Werkes, so dass es, obgleich der Form nach nur Reisebericht, ein vollständiges Lehrbuch der Eisenhütten - kunde und des Steinkohlenbergbaues bildet. Die erste Abhandlung handelt von Eisen und Stahl überhaupt und ist eine allgemeine Ein - leitung zu den Reiseberichten, die aber bereits manche praktische Winke enthält; die zweite handelt von dem Eisenhüttenwesen in Steiermark, und werden darin besonders neben den alten Stücköfen die damals neu eingeführten Floſsöfen beschrieben; die dritte schildert die Betriebe in Kärnten, namentlich auch die Stahlbereitung. Diesen drei ersten Abhandlungen sind ergänzende Zusätze von Dangenoust und Wendel, zwei Artillerieoffizieren, welche 1769 ebenfalls im Auf - trage der französischen Regierung Steiermark und Kärnten bereist hatten, beigefügt. Der vierte Aufsatz schildert die Eisenhütten und Stahlhämmer zu Kleinboden in Tirol; der fünfte und sechste die Eisen - werke in Sachsen und Böhmen, darunter die Weiſsblechfabrik zu Hein - richsgrün, in der siebenten Abhandlung sind die Harzer Hütten leider nur kurz behandelt; in der achten das Eisenhüttenwesen in Schweden, mit wichtigen Mitteilungen über die Bergwerksverwaltung, Polizei und Abgaben. Der neunte Aufsatz bezieht sich auf Norwegen, und sind darin namentlich die neuen Hochöfen zu Laurwig und Moſs beschrieben. In der zehnten und elften Abhandlung berichtet Jars über die Stein - kohlengruben bei Newcastle, die Cementstahlfabrikation u. s. w. In der zwölften sind Eisen - und Steinkohlenwerke in Kumberland, Lan - cashire und Staffordshire beschrieben, zugleich auch die neuerfundene Guſsstahlfabrikation, sowie die Feilenfabrikation in Sheffield; die 13. Abhandlung handelt von den Kohlen - und Eisenwerken in Schott - land, die 14. von den Kohlenwerken in Deutschland und den Nieder - landen, die 15. von der Verkokung, und die 16. von der Wetter - führung. Diese kurze Inhaltsangabe ist noch nicht erschöpfend und werden wir noch bei vielen Gelegenheiten im weiteren Verfolg Ver - anlassung haben, auf Jars metallurgische Reisen zu verweisen.

Wohl gebührt Swedenborg das Verdienst, die hohe Bedeutung von Reisen und vergleichenden Studien im Auslande für die Metal - lurgen zuerst durch sein eigenes Beispiel bewiesen zu haben, denn sein Werk De ferro ist in der Hauptsache ebenfalls eine Zusammenstellung von Reiseberichten; Jars vortreffliches Buch gab aber noch unmittel - barer die Anregung zu technischen Reisen, deren Nutzen aus seinen Berichten hervorleuchtet, und so ist denn in der zweiten Hälfte38Litteratur im 18. Jahrhundert.des 18. Jahrhunderts eine ganz umfangreiche Litteratur von tech - nischen Reiseberichten entstanden, deren Bedeutung der Heraus - geber Jars in die Worte fasst: Die wechselseitige Mitteilung der Kenntnisse und Einsichten muſs ja Wissenschaften verbreiten und die Gesellschaft beglücken, so wie sie dem Gelehrten Ehre macht.

M. de Genssane, Concessionaire des Mines d’Alsace et Comté de Bourgogne und korrespondierendes Mitglied der Akademie, war ein Zeitgenosse von Jars. Er beschäftigte sich mit Versuchen über die Verwendung der Steinkohle in der Metallurgie und schrieb da - rüber ein weitläufiges Buch Traité de la fonte des mines par le feu du charbon de terre etc. , welches 1767 und 1768 abgefaſst und der Akademie eingereicht war. Es ist für uns von Interesse, weil darin ein ausführlicher Bericht über die Koksfabrikation zu Sulzbach bei Saarbrücken (Tome I, Chap. XII) und die Versuche, Koks im Hoch - ofen zu verwenden, enthalten ist.

Von weiteren französischen Werken zu der Eisenhüttenkunde im vorigen Jahrhundert sind noch zu nennen: Grignon, Mémoires de physique sur l’art de fabriquer le fer, d’en fondre et forger des canons d’artillerie etc. Paris 1775. Grignon nennt sich auf dem Titel selbst Maître de forge, und Korrespondent der Akademie der Wissenschaften, sowie der Inschriften und schönen Künste in Paris. Er war ein hochgebildeter Praktiker. Sein Werk war das Ergebnis 26 jähriger Beobachtungen, Beobachtungen und Erfahrungen besonders über die Eisenhüttenkunde (l’art du maître de forge), welche er seit der Zeit praktisch betrieben hatte, nach chemischen Prinzipien und mit dem Sinne des Naturforschers. Es ist eine Sammlung von Memoiren, von denen sich die meisten und umfangreichsten auf das Eisengewerbe ( La Siderotechnie ) beziehen. Die wichtigsten sind die über Bau und Betrieb der Hochöfen, über die Gebläse und über die Fabrikation der Kanonen. Trotz mancher paradoxer Ansichten ist das Werk reich an vortrefflichen Beobachtungen und Gedanken. Grignon hat ferner das Verdienst, daſs er zuerst die groſse Be - deutung von Bergmans Schrift De analysi ferri erkannte und die - selbe ins Französische übersetzte. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Litteratur des Eisens hat er in der Bearbeitung des Artikels Fer et forges in der Encyclopédie Methodique geliefert.

Von Wichtigkeit waren für ihre Zeit die Monographieen von Tronson de Courdray, Über die Eisenbereitung auf Korsika1)Tronson de Courdray, Mémoire sur la manière dont on extrait en Corse le fer de la mine d’Elbe. Paris 1775. Deutsch von C. L. A. Wille,39Litteratur im 18. Jahrhundert.M. le baron de Diedrich, Description des gîtes de minerai des forges, et des salines des Pyrénées, Paris 1786, und von La Peyrouse, Über die Eisengruben und Eisenhütten der Grafschaft Foix1)Traité sur les mines de fer et les forges du comté du Foix. Toulouse 1787. Deutsch unter dem Titel Abhandlungen über die Eisenwerke und Eisenhütten in der Grafschaft Foix übersetzt von D. L. S. Karsten 1789. Es war dies die erste litterarische Arbeit des berühmten Karsten..

Als französische Schriftsteller des 18. Jahrhunderts über Eisen - hüttenkunde erwähnen wir noch Perret, der eine weitläufige Ab - handlung über Stahl geschrieben hat, sodann den berühmten Buffon2)Buffons Mitteilungen über das Eisen sind niedergelegt in dem inter - essanten Kapitel fer seiner Histoire des Mineraux., welcher Besitzer von Eisenwerken war, und endlich Monge, der zur Zeit der französischen Republik eine hervorragende Rolle spielte.

Monge gehörte zu denjenigen französischen technischen Schrift - stellern, deren Werke einen patriotischen Zweck verfolgten, indem sie der Verteidigung des Vaterlandes dienen sollten. Als zur Zeit der Republik Frankreich von allen Seiten angegriffen wurde und das Vaterland in Gefahr war, wurden von dem Wohlfahrtsausschusse eine Anzahl hervorragender Gelehrter und Techniker zu einer Kommission der nationalen Verteidigung berufen. Diese Männer leisteten Groſses auch für die Eisenindustrie, um mit deren Hülfe die Armee aus eigenen Mitteln auszurüsten. Sie beschränkten ihre Thätigkeit nicht auf die Praxis, sondern suchten auch durch Abhandlungen das Ver - ständnis der einschlägigen Fabrikationsweise zu verbreiten. Auf diese Weise entstanden mit Unterstützung der republikanischen Regierung eine Anzahl bedeutsamer Schriften, unter denen das groſse Werk von Monge L’art de fondre les canons in erster Reihe zu nennen ist; ferner L’art de fabriquer des armes blanches , L’art de con - vertir le fer en acier und das nachgelassene Werk von Clouet, L’art de faire les lames figurées .

Epochemachend für die Kenntnis der Konstitution des Eisens war der berühmte Aufsatz von Vandermonde, Berthollet und Monge Mémoire sur le Fer, consideré dans ses différents états metallurgiques in den Memoiren der Akademie der Wissenschaften von Paris von 1786.

Die antiphlogistische Chemie Lavoisiers wurde ferner von Guyton de Morveau in Bezug auf das Eisen weiter entwickelt. Gazeran machte um 1790 wichtige Versuche über die Festigkeit des Guſseisens.

1)Tronson v. Courdrays Beschreibung der Eisenmanipulation auf der Insel Korsika. Leipzig 1786.
1)40Litteratur im 18. Jahrhundert.

Schweden lieferte das beste Schmiedeisen und jeder Eisen - producent hegte den Wunsch, ein Eisen von gleicher Güte erzeugen zu können und war begierig, die Verfahrungsarten kennen zu lernen, welche so vortreffliche Produkte lieferten. Schweden war wie kein Land durch seinen Reichtum an Holz und Eisenerzen und seine Armut an anderen Bodenprodukten auf Entwickelung und Verbesse - rung seiner Eisenindustrie angewiesen. Diese Erkenntnis erfüllte die schwedischen Könige und die Regierung ebenso, wie alle ein - sichtsvollen Patrioten seit der Zeit Gustav Wasas. Dieses Streben hatte Männer wie Swedenborg und Polhem bewegt, ihre reichen Erfahrungen in trefflichen Schriften niederzulegen. Swedenborg hatte aber die Eisenindustrie wie einen Zweig der Naturbeschreibung behandelt und ganz objektiv die Verfahrungsweisen bei der Eisen - bereitung, wie er sie in seinem Vaterlande und im Auslande kennen gelernt hatte, dargestellt. Polhem war der Hauptsache nach Mecha - niker und mit der eigentlichen Metallurgie nicht so vertraut, daſs er im Stande gewesen wäre, ein umfassendes Lehrbuch der Metallurgie zu schreiben, obgleich er ein sehr gereiftes und richtiges Urteil besaſs und in seinem patriotischen Testament die Grundzüge für ein solches Werk angedeutet hat. Auch die französische Litteratur hat ein solches Werk nicht hervorgebracht. Courtivron und Bouchu waren der Aufgabe nicht gewachsen gewesen, Jars war zu früh gestorben und Reaumur, der dafür wie geschaffen schien, hatte in Folge der Vielseitigkeit seiner Interessen zu viel unter - nommen für ein Menschenleben und war vor Ausführung seines groſsen Unternehmens, das ihm als Lebensaufgabe vorgeschwebt hatte, gestorben. Die Forderung war gestellt, das Verlangen da - nach ein allgemeines, aber noch fehlte der richtige Mann dafür. Es muſste einer sein, der sein Leben der Eisenindustrie ganz ge - widmet hatte, ihre Praxis auf das Genaueste kannte und theore - tische Kenntnisse und Klarheit des Urteils genug besass, um das Wesentliche und das Gemeinsame bei den einzelnen metallurgi - schen Methoden zu begreifen, zu erfassen und von allgemeinen wissenschaftlichen Gesichtspunkten aus darzustellen. Schweden war das Land, welches am ersten einen solchen Mann in jener Zeit hervorbringen konnte und es hat ihn hervorgebracht in Sven Rinman.

Die ganze Lebensentwickelung des Mannes war dazu angelegt, ihn zu befähigen, die Eisenhüttenkunde praktisch zu fördern und ihren theoretischen Grundbau festzulegen.

41Litteratur im 18. Jahrhundert.

Sven Rinman1)Die ausführlichste Biographie findet sich im ersten Bande der deutschen Übersetzung seines Bergwerkslexikons. war am 12. Juni 1720 in Upsala geboren und wendete sich früh der praktischen Hüttenkunde zu. Obgleich von seinem früheren Leben wenig bekannt ist, können wir doch mit Be - stimmtheit annehmen, daſs ihm Polhem, von dem er in seinen Schriften immer mit gröſster Hochachtung spricht, Lehrer und Vor - bild war. Sein Blick ging schon früh über die zunftmäſsigen Ueber - lieferungen des schwedischen Hüttenwesens hinaus, was er zuerst 1745 in einer Abhandlung über die beste Form der Schachtöfen, besonders der Eisen - Röst - und Schmelzöfen bewies. Er machte darin den be - merkenswerten Vorschlag, Hochofen und Frischherd so anzulegen, daſs man das geschmolzene Eisen direkt in den Frischherd laufen lasse. Damals war Rinman Auskultant beim Bergkollegium. 1746 bis 1747 bereiste er auf Kosten einiger Hüttenbesitzer das Ausland. 1748 finden wir ihn bei Iggesunds Bruck in der Provinz Helsinge - land thätig, wo er das erste doppelte Walz - und Schneidewerk in Schweden aufstellte. 1749 wurde er von der Bruck-Societät (Hütten - gesellschaft), beziehungsweise von dem 1745 gegründeten Eisen - comptoir nach Roslagen geschickt, um die dortigen Hochofenhütten und die Eisenerzeugung zu beaufsichtigen. 1750 war er Direktor des Silberbergwerkes zu Hellefors und 1751 wurde er zum ersten Ober - hochofenmeister in Schweden, welche Stelle damals vom Jernkontor neugeschaffen worden war, ernannt. 1753 wählte ihn die königliche Akademie der Wissenschaften zum Mitgliede. 1760 wurde er Direktor der Schwarzschmiede, d. h. der Eisenhammerhütten oder der Stab - eisenbereitung. Er wurde (vor 1772) Ritter des Wasaordens, und 1782 königlicher Bergrat, 1779 wurde ihm vom Eisencomptoir auch die Aufsicht über die Stahl - und Eisenfabriken in Eskilstuna übertragen. Auſser einer groſsen Anzahl Abhandlungen, welche meistens in den Schriften der königlich schwedischen Akademie der Wissenschaften abgedruckt sind, schrieb er folgende Hauptwerke:

1. Anledning till Stål-och Jernsförädlingen och des förbättring . Stockholm 1772, deutsch 1790 unter dem Titel: Anleitung zur Kenntnis der gröberen Eisen - und Stahlveredlung und deren Ver - besserung. Wien 1790.

2. Försök till Jernets historia. 2 Vol. . 1782; deutsch: Versuch einer Geschichte des Eisens, von welcher wir nachher eingehender sprechen werden.

42Litteratur im 18. Jahrhundert.

Bergverks Lexicon 1788 / 1789, 4 Bände und 1 Band Kupfer. (Von der deutschen Übersetzung sind nur 2 Bände, A bis F, Leipzig 1808 erschienen.)

4. Afhandl. rörande mechaniken, med tillämpning i synnerhet till bruck och bergwerk. Der erste Teil ist von Nordwall, der zweite mit 53 Kupfertafeln von Rinman 1792 bis 1794; deutsch: E. Nordwall und Sven Rinman, Maschinenlehre oder theoretisch - praktische Darstellung des Maschinenwesens bei Eisen -, Berg - und Hütten -, auch Hammerwerken. Aus dem Schwedischen übersetzt von J. S. L. Blumhof, 2 Teile in 3 Bänden. Berlin 1804 bis 1806, .

Rinman starb am 20. Dezember 1792 in der freien Bergstadt Eskilstuna. Seine Anleitung zur Kenntnis der gröberen Eisen - und Stahlveredlung und deren Verbesserung war ein vorzügliches, prak - tisches Buch. Es wurde der Hüttensocietät gewidmet, durch deren Freigebigkeit auch Rinman in den Stand gesetzt wurde, seine vielen Versuche zur Verbesserung des Eisenhüttenwesens zu machen. In dem Werke wird die Arbeit der Hammerschmiede in ihren ver - schiedenen Zweigen beschrieben und bei jedem Kapitel Versuche und Vorschläge zur Verbesserung beigefügt. Es handelt 1. Von der Eisen - und Stahlveredlung im Allgemeinen. 2. Von dem Schmiedeeisen im Allgemeinen. 3. Von den Brennmaterialien. 4. Von dem Haushalt. 5. Von den Materialhämmern. 6. Von der Bereitung der Dachplatten. 7. Vom verzinnten Blech. 8. Von Zainhämmern (Gebundhämmern). 9. Von den Nagelschmieden. 10. Vom Walz - und Schmiedewerke. 11. Von Drahtziehereien. 12. Vom Stahl im Allgemeinen. 13. Vom Schmelz - und Gärbstahle. 14. Vom Brennstahl. 15. Von Hand - und Schmiedearbeiten. Das Werk enthält eine groſse Summe eigener Erfahrung und Beobachtung und zeichnet sich durch Klarheit und Bestimmtheit aus.

Sven Rinmans Geschichte des Eisens erschien im Jahre 1782 unter dem bescheidenen Titel Försöck till Jårnets Historia ned Tillampning för Slögder och Handtwerk in 2 Bänden. Bereits im Jahre 1785 erschien davon eine deutsche Übersetzung von J. G. Ge - orgi, Versuch einer Geschichte des Eisens mit Anwendung für Ge - werbe und Handwerke, die trotz ihrer Mangelhaftigkeit groſses Auf - sehen in Deutschland erregte und raschen Absatz fand. Die Mängel der Übersetzung waren nicht bloſs sprachliche, sondern bestanden namentlich in den willkürlichen Kürzungen und Auslassungen. Dies veranlasste denn im Jahre 1814 keinen Geringeren als C. J. B. Karsten, eine neue vollständige Uebersetzung, mit vielen Anmerkungen, heraus -43Litteratur im 18. Jahrhundert.zugeben. Karsten hat sich dadurch ein Verdienst um die Eisen - hüttenkunde in Deutschland erworben, denn Rinmans Geschichte des Eisens ist eins der grundlegenden Werke für die Metallurgie dieses Metalles. Karsten, der so viel für diese Wissenschaft geleistet hat, steht ganz auf den Schultern Rinmans. Rinmans Buch ist wesent - lich praktisch, der reiche Schatz seiner Erfahrungen ist unter ge - wissen einfachen allgemeinen Gesichtspunkten zusammengefaſst. Die vielen unendlich mühsamen Versuche, die sorgsamen Beobachtungen und die gründlichen ohne alle Vorurteile gesammelten Erfahrungen, die Anwendung derselben auf das praktische Leben, verbunden mit dem natürlichen, unbefangenen Blick und mit der einfachen Dar - stellungsart des bescheidenen Verfassers, geben seinem Werke einen ewig dauernden Wert (Karsten).

Rinman führt in der Vorrede zu seiner Geschichte des Eisens folgenden Gedanken aus: Die Eigenschaften der Stoffe bedingen ihre Verwendung und die dafür nötigen Arbeiten. Man sollte glauben, daſs die Eigenschaften des Eisens, des unentbehrlichsten Metalls, des Mittels zur Darstellung aller übrigen, völlig aufgeklärt und seit Jahr - tausenden bekannt sein müsse, dies sei aber keineswegs der Fall, die Erkenntnis des Eisens sei noch eine äuſserst beschränkte. Der Grund dafür liege groſsenteils an der groſsen Verbreitung des Eisens, seiner Gemeinheit, wegen der man die Untersuchung der Eigenschaften des Eisens bis dahin den Handwerkern überlassen habe. Die Gelehrten begnügten sich damit, das nachzuschreiben, was ihre Vorgänger darüber gesagt haben. Nur wenige hätten es der Mühe wert ge - funden, einige Anwendungen von ihren Untersuchungen und Ent - deckungen auf Künste und Handwerke zu zeigen. Diejenigen, die darüber geschrieben, hätten sich damit begnügt, Schmelzverfahren, welche sie kennen gelernt hätten, zu beschreiben. Nur Reaumur habe in seiner Abhandlung, die Kunst, weiches Eisen in Stahl zu verwandeln, eingehend die Eigenschaften und das Verhalten des Eisens geprüft. Seit der Zeit habe aber keiner mehr sich auf den Boden eigener Versuche gestellt. Dies habe ihn veranlaſst, einige Materialien zur Geschichte des Eisens zusammen zu tragen, um so mehr, als er durch die königliche Bergwerksbehörde und die Hütten-Societät darin unterstützt und dazu aufgemuntert worden sei. Damit ist die Bedeutung Geschichte des Eisens erklärt, es ist die Naturgeschichte des Eisens darunter gemeint, eine Untersuchung der Eigenschaften des Eisens und der aus denselben folgenden Arten der Verwendung und der Darstellung. Der erste Zweck beim Ent -44Litteratur im 18. Jahrhundert.wurfe des Werkes war die Erfüllung des Wunsches der Hüttensocietät, seine Erfahrungen über das Eisen mitzuteilen. Wenn er die Geheim - nisse des Gewerbes enthülle, so sei dies nur zum Nutzen der Ge - werbetreibenden und verletze dabei keine Pflicht, weil er von Niemand Anleitung erhalten, sondern sich durch eine Menge von Versuchen nach den Grundsätzen der Chemie und Physik selbst die Bahn ge - brochen habe. Er beklagt es, den richtigen Aufschluſs über die Be - standteile des Eisens nicht gefunden zu haben, woran der Umstand schuld war, daſs er noch gänzlich in der Phlogistontheorie befangen war. Er war sogar der Ansicht, daſs das Eisen an wesentlichen Bestandteilen auſser Eisenerde und Phlogiston auch noch ein Salz enthielte, neben den wesentlichen enthalte es aber noch mancherlei zufällige.

Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Eisens bilden den Einteilungsgrund für die zehn Abschnitte, die wir kurz betrachten wollen.

Der erste, von der Farbe des Eisens, behandelt auſser der äuſseren Farbe und dem Bruchansehen, auch das Schleifen, Polieren, Beizen, Brunieren, Damaszieren, sowie die Schutzmittel gegen den Rost.

Das zweite Kapitel handelt von der Schwere des Eisens, und hierin teilt Rinman das Ergebnis einer Reihe trefflicher Versuche über das spezifische Gewicht der Eisensorten mit. Im Anschluſs daran bespricht er die Dichtigkeit und die Elastizität des Eisens, wobei er näher auf die Bereitung der Uhrfedern und der Klingen eingeht.

Die dritte Abteilung erörtert die Wirkung des Magnets auf das Eisen und gehört nach unserer heutigen Auffassung in das Gebiet der praktischen Physik; nur was Rinman über das Probieren der Eisenerze durch den Magnet mitteilt, betrifft die Eisenhüttenkunde.

Das vierte Kapitel handelt von dem Verhalten des Eisens in der Wärme und im Feuer. Eingehend wird darin die Ausdehnung des Eisens durch die Wärme besprochen; sodann die äuſserliche Wirkung der Wärme, das Anlaufen besonders des Stahls; die Wirkungen der Glühhitze und der Schmelzhitze, die sich äuſsern in der Glühspahn - bildung, im Verbrennen und Verschlacken des Eisens; im Anschluss daran werden Verkalkung (Oxydation) und Reduktion besprochen. Über die Kalzination des Eisens und die Reduktion seiner Kalke teilt der Verfasser zahlreiche Versuche mit und beschreibt im An - schluſs daran das Verschmelzen der Frischschlacken im Zerennfeuer. 45Litteratur im 18. Jahrhundert.Weiter werden die Wirkung der Kälte und Hitze auf Härte und Weich - heit des Eisens, die Mittel zur Beförderung der Weichheit, die Wir - kung auf die Zähigkeit, das Verhalten des Eisens in der Schmelz - hitze in offenen und geschlossenen Gefäſsen untersucht, woran sich die Beschreibung verschiedener Arten des Tiegelschmelzens, des Schmelzens des Stabeisens im offenen Feuer und des Schweiſsens des Eisens anreihen.

Die Überschrift der fünften Abteilung lautet: Von der Ge - schmeidigkeit des Eisens. Darin werden die Erscheinungen der Ge - schmeidigkeit der verschiedenen Eisensorten erst im Allgemeinen er - örtert, dann zu der Darstellung des geschmeidigen Eisens überge - gangen und unter diesem Gesichtspunkte die wichtigsten Verfahren der Schmiedeisenbereitung beschrieben. Es sind dies die Luppen - feuer im Allgemeinen, insbesondere das Luppenschmelzen in Schweden, die deutsche Rennschmiede, die korsikanische und die französische Rennschmiede, die Bauern - und Blasöfen in den schwedischen Dal - orten, hierauf folgen die verschiedenen Frischmethoden, insbesondere die schwedische Osmundschmiede, die deutsche oder märkische Os - mundschmiede, die Wallonenschmiede, die deutsche oder Koch - schmiede, die Butschmiede, Frischschmiede, Suluschmiede, Halb - wallonenschmiede, Brechschmiede, Anlaufschmiede, Löschfeuerschmiede und die englische Stabeisenschmiede. Hieran schlieſsen sich die Be - reitung des englischen Stangeneisens in Tiegeln, sowie allgemeine Bemerkungen über die Bereitung des Stabeisens im Herde, über die Kunst des Feuerbaues, den besten Schmiedeprozeſs u. s. w. Es folgen hierauf Versuche und Erklärungen über hartes und weiches Eisen, über Zähigkeit, Stärke und Spannkraft des Eisens; über das Sortieren von Eisen und Draht, über Rotbruch und Kaltbruch, deren Ursachen und Verbesserungen.

Mit diesem wichtigen Kapitel schlieſst der erste Band ab. Während dieser mehr die Physik des Eisens behandelt, beschäftigt sich der zweite mehr mit der Chemie des Eisens. Er beginnt mit der sechsten Abteilung des Werkes.

Vom Verhalten des Eisens gegen andere Metalle. Bei dem Ver - halten gegen Gold werden auch die verschiedenen Arten der Vergoldung beschrieben, ausführlich wird über das Verhalten zum Platin, nament - lich über Versuche über das Zusammenschmelzen desselben mit Eisen und des Scheidens berichtet. Bei dem Verhalten zu Silber und Kupfer wird das Versilbern und Verkupfern beschrieben, die Legierung und Scheidung dieser Metalle, ferner die Lötung; bei dem Verhalten zum46Litteratur im 18. Jahrhundert.Zinn, die Verzinnung beim Verhalten zum Blei, der Nutzen und die Verwendung des Eisens beim Bleierzschmelzen. Es folgt das Ver - halten des Eisens zu Quecksilber, zu Mangan, Nickel, Kobalt, Arsenik Wismut und Zink, wobei von dem Überziehen des Eisens mit Wismut und Zink gesprochen wird.

Die siebente Abteilung handelt von den Pigmenten aus Eisen, wobei die aus Eisen bereiteten Erdfarben, Emaillen, Schlacken, Tinten und Farben beschrieben werden. Sie sind den Farben nach geordnet in schwarze, rote, gelbe, blaue, grüne und weiſse, wobei auch von dem roten, gelben und grünen Glas gehandelt wird. Unter den blauen Farben wird das Berlinerblau, das Erlangerblau und das Ultramarin aufgeführt.

Die achte Abteilung beschäftigt sich mit der Auflösung des Eisens, und zwar zuerst mit dem Verhalten des Eisens gegen die Luft und das Wasser, sodann gegen die Säuren. Bei der Vitriolsäure wird das Ätzen des Eisens, die Bereitung des Eisenvitriols und das Probieren der Eisenerze auf nassem Wege durch Niederschlag beschrieben; ebenso wird bei der Salpetersäure das Beizen und Ätzen von Eisen und Stahl erläutert. Es wird dann noch das Verhalten des Eisens zu folgenden Stoffen angeführt: zu Salzsäure, Königswasser, Fluſs - spatsäure, Arseniksäure, Weinsteinsäure, Zuckersäure, Essig, Citronen - säure, Holzessig, Ameisensäure, Phosphorsäure, Boraxsäure, Sauerklee - säure, Molybdänsäure, Schwersteinsäure, ferner zu Alkali, Weingeist, Ölen, Schwefel, Salpeter, Salmiak, Kochsalz und fixem Salmiak (2 Teile Kalk und 1 Teil Salmiak).

Hierauf folgen die zwei wichtigen Schluſskapitel vom Stahl und vom Roheisen. Es werden im neunten Kapitel die Eigenschaften des Stahls und die Stahlbereitung beschrieben, und zwar insbesondere die Schmelzung des Stahls unmittelbar aus den Erzen im Stückofen, die Bereitung des Stahls aus Flosseneisen in Steiermark und Kärnten, weiter wird gehandelt von der in Schweden üblichen Methode, aus Roheisen Stahl zu machen, vom Luppstahl, vom Gärben des Rohstahls und des Messerstahls, von der Verwandlung des Roheisens in Stahl durch Brennen oder Cementieren, von der Verwandlung des Stab - eisens in Stahl durch Schmelzen und durch Cementieren, von dem Stahlbrennen und dem Brennstahl, von der Stahlhärtung und der Oberfläche und Einsatzhärtung.

Im zehnten Kapitel werden erst die verschiedenen Arten des Roheisens beschrieben, deren äuſsere und innere Eigenschaften, so - dann ist die Rede von den zu Guſswaren erforderlichen Eigenschaften,47Litteratur im 18. Jahrhundert.von dem Gewicht des Roheisens und den Ursachen des verschiedenen specifischen Gewichtes des Eisens, vom Verhalten des Roheisens gegen den Magnet und gegen die Wärme, Verhalten im Feuer, in Glühhitze, beim Schmelzen, von der Auflösung, vom Klang und von der Ver - zinnung des Roheisens.

Wie aus diesem Inhaltsverzeichnis ersichtlich ist, umfaſst Rin - mans Geschichte des Eisens den gröſsten Teil der Metallurgie des Eisens. Es fehlt hauptsächlich der Hochofenbetrieb, der nur kurz erwähnt wird; ein Eingehen auf die Lehre von den Betriebsmitteln und der Eisenveredlung durch die Formgebung war nach der ganzen Anlage des Buches nicht zu erwarten.

Über die Hochofenkunst, d. h. über Hochofenbau und Hochofen - betrieb, erschien 1791 ebenfalls in Schweden eine der gründlichsten Schriften, welche über diesen Gegenstand erschienen sind, Joh. Carl Garnejs Handledning uti Svenska Masmästeriet auf 504 Seiten in Groſsquart und 16 Kupfertafeln. Das Werk wurde 1800 von Joh. Georg Ludw. Blumhof in das Deutsche übersetzt und erschien unter dem Titel: Abhandlung von Bau und Betrieb der Hochöfen in Schweden.

In diesem Werke, dessen Herausgabe ebenfalls auf Veranlassung und Kosten der schwedischen Hüttensocietät geschah, sind die lang - jährigen Erfahrungen Garnejs, der als Oberhochofenmeister mitten im praktischen Leben stand, und seiner Vorgänger niedergelegt und bildet das Werk die wichtige Ergänzung zu Rinmans Geschichte des Eisens und der gröberen Eisen - und Stahlveredlung. Garnejs schreibt darüber: Was der selige Rinman aller seiner Unverdrossenheit un - geachtet, solange er den Posten eines Oberhochofenmeisters bekleidete, nicht vollenden konnte, weil hierzu viele und mannigfache Versuche u. s. w. erst erforderlich, auch die vorkommenden Erz - und Stein - arten von so ungleicher Beschaffenheit und Art waren, daſs der eine Versuch für den andern den Weg bahnen muſste, damit durch vor - eilige Schlüsse keine Irrtümer und kein schwerer und kostspieliger Verlust entstehen möchte dies haben seine Nachfolger in diesem Amte, die Assessoren im Bergkollegium, und zwar der Direktor über die Feinschmiede, Bengt Quist Anderson, der jetzt verstorbene Direktor über das Hochofenwesen Magnus Allgulin und der Direktor über die Stabeisenschmiede Salomon von Stockenström, mit aus - gezeichnetem Eifer, und nützlicher Aufklärung, wodurch sie sich einen bleibenden Namen in der Geschichte des schwedischen Hüttenwesens erworben haben, fortgesetzt und zum Teil ergänzt. Auf die Ent -48Litteratur im 18. Jahrhundert.deckungen dieser Männer, welche mir zu den Versuchen, die ich selbst während meiner Dienstzeit anzustellen Gelegenheit gehabt, zu Weg - weisern gedient haben, gründet sich das Wesentliche dieser Abhand - lung.

In Schweden war damals die Kunst des Ofenbaues (Stegresare - Konst) ganz getrennt von der Schmelzkunst (Masmästare-Konst); dem entsprechend zerfällt auch Garnejs Werk in zwei Teile. Der erste Teil, die Ofenbaukunst, zerfällt in folgende Kapitel: 1. Von den Arten der Hochöfen, 2. von dem Fundament, 3. von dem doppelten Rauh - mauerwerk, 4. vom Gestell, 5. vom Schacht, 6. von der Gicht, und 7. von der Instandhaltung des Hochofens. Der zweite Teil des Werkes, der von dem Betrieb der Hochöfen handelt, zerfällt 1. in die Ein - leitung, 2. die Unterscheidung der Eisensteine, 3. die Beschickung, 4. das Rösten, 5. das Pochen, 6. die Kohlen, 7. die Blasebälge, 8. vom Gestell, 9. von der Wartung des Hochofens, 10. von der Unterscheidung des Roheisens, 11. von den Betriebsstörungen.

Das Werk beruht zwar ganz auf der schwedischen Praxis, aber durch seine Gründlichkeit und vortreffliche, faſsliche Darstellung ist es auch für die auſserschwedischen Länder, für die Hüttenkunde im Allgemeinen und für die Art der Behandlung des Gegenstandes von allergröſster Bedeutung geworden und gehört ebenfalls zu den grund - legenden Werken der Eisenhüttenkunde. Am bezeichnendsten ist wohl, was Meyer darüber schreibt1)Siehe Dr. Moritz Meyer, Beiträge zur genaueren Kenntnis des Eisen - hüttenwesens in Schweden 1829.: Noch wichtiger aber wurde für die praktische Richtung Garnejs Handbuch des schwedischen Hochofen - betriebes. Dieses Buch, welches wirklich auf jedem Ofenkranze und bei jeder Tümpelflamme gelesen wurde und noch jetzt des Hüttenmannes Ratgeber bei allen schwierigen Vorfällen ist, hat die bis zu seinem Er - scheinen (1791) immer noch bestehenden, durch die mehrfachen Ein - wanderungen mitgebrachten Prinzipien des Hochofenbaues und die vielen Vorurteile allmählich fast ganz verdrängt, und die beigegebenen Kupferstiche mit allen ihren Buchstaben sind so ins Hüttenleben übergegangen, daſs man bei der neuen Umarbeitung 1814 durch Lidbek es vorzog, die alten, obwohl schlechten Platten unverändert wieder abzuziehen, als neue stechen zu lassen, um nicht den Hütten - mann durch einen ihm weniger vertrauten Anblick zu stören oder zu entfremden. Über dieses Werk ist im Inlande nur eine Stimme, und das Ausland selbst, für das es nur einen mittelbaren Wert haben49Litteratur im 18. Jahrhundert.kann, hat durch Übersetzen in mehrere Sprachen gezeigt, wie hoch es ihm stehe. Die auſserordentliche Verbreitung und damit sein un - mittelbarer Nutzen wurde dadurch sehr gesteigert, daſs die schwedi - sche Gesellschaft der Eisenhüttenleute eine groſse Anzahl Exemplare auf ihre Kosten verteilte und Sorge trug, daſs jede Hütte und jeder Hochofenmeister ein Exemplar erhielt.

Bei Rinmans Lebensbeschreibung haben wir bereits seiner beiden letzten groſsen Werke gedacht. Das Bergwerkslexikon wurde von ihm ebenfalls im Auftrage und auf Kosten der schwedischen Ge - sellschaft der Eisenhüttenleute bearbeitet und gedruckt. Die Grund - lage bildete eine Sammlung bergmännischer Kunstwörter von einem verstorbenen Bergmeister Bellander zu Sala, welche das Eisenkomptoir angekauft hatte. Aus dieser Sammlung entstand das umfangreiche mit vielen Tafeln ausgestattete Werk, welches leider nur bis zum Buchstaben F in deutscher Übersetzung erschienen ist. Rinman bewältigte diese umfangreiche, mühevolle Arbeit in wenig mehr als zwei Jahren. Ebenso entstand das letzte wichtige Werk Rinmans, die groſse Maschinenlehre, von welcher er den praktischen Teil be - arbeitete und mit 53 Kupfertafeln bereicherte, auf Veranlassung der Bruckssocietät. Auch von diesem ist die deutsche Übersetzung leider unvollendet geblieben.

Die deutsche Litteratur des 18. Jahrhunderts über das Eisen - hüttenwesen entstand in Anlehnung an die ausländische. Wir haben oben schon erwähnt, daſs der fleiſsige Johann Heinrich Gottlob von Justi alsbald nach dem Erscheinen der ersten Hefte der De - scriptions des arts et métiers dieselben in das Deutsche übersetzte. Wenn diese Übersetzungen auch sehr mangelhaft sind, so haben doch die Abhandlungen über das Eisenhüttenwesen höchst anregend ge - wirkt. Von Justi war aber schon vor dieser Arbeit als selbständiger Schriftsteller auf dem Gebiete der Eisenhüttenkunde aufgetreten. Er schrieb 1757 seine Vollständige Abhandlung von den Manufakturen und Fabriken , welche, ein Lehrbuch von der Kommerzienwissen - schaft und den praktischen Teil zu seiner Staatswirtschaft bilden sollte. Der erste Teil, welcher die allgemeinen Grundsätze und Be - trachtungen in sich enthält , erschien 1757 in Kopenhagen, der zweite Teil, worinnen die besonderen Arten aller und jeder Fabriken ab - gehandelt werden , folgte 1761. Das Buch fand groſsen Anklang und wurde 1767 unverändert in einer zweiten Auflage herausgegeben. 1780 war es wieder vergriffen und wurde in verbesserter Auflage, von dem berühmten Johann Beckmann in Göttingen mit AnmerkungenBeck, Geschichte des Eisens. 450Litteratur im 18. Jahrhundert.versehen, bei Pauli in Berlin neu aufgelegt. Der dritte Abschnitt des zweiten Teils handelt von den Eisen - und Stahlfabriken. Nach einer allgemeinen Einleitung über die volkswirtschaftliche Bedeutung folgen nachstehende Hauptstücke: 1. Von den Eisenhütten und Gieſse - reien, 2. von Stab - und Blechhämmern, 3. von den Stahlhütten, 4. von den Gewehrfabriken, und 5. von den Fabriken allerlei stählerner Gerät - schaften. In gefälliger, verständlicher Darstellung enthält das Buch, das mehr für den gebildeten Laien, als für den Fachmann bestimmt ist, eine Schilderung des Eisengewerbes. Das Buch war lange Zeit das einzige seiner Art. Dies war noch 1780 so, weshalb Beckmann es neu bearbeitete. von Justi hat noch vielerlei über einzelne Gegen - stände der Eisenhüttenkunde geschrieben und ist selbst aus einem Professor ein praktischer Eisenhüttenmann geworden, wobei er aller - dings nicht glücklich war. Johann Heinrich Gottlob Justi wurde am 25. Dezember 1720 zu Brücken im Amt Sangerhausen, kur - sächsischer Kreis Thüringen, geboren. Er studierte Jurisprudenz, trat bei Ausbruch des schlesischen Krieges in preuſsischen Kriegsdienst, machte den Feldzug mit und avancierte zum Regimentsquartier - meister. 1747 nahm Justi seinen Abschied, studierte weiter und machte sich als Schriftsteller bemerklich. 1750 erhielt er einen Ruf an die theresianische Ritterakademie zu Wien, wo er Kameral - wissenschaften vortrug. Er wurde der erste Schematiker der Staats - und besonders der Polizei - und Kameralwissenschaft. Dabei suchte Justi seine Theorieen immer praktisch anzuwenden; in diesem Sinne beförderte er die Seidenzucht in Österreich und bereiste die Berg - werke und Hütten. Er erhielt den Titel eines Finanz - und Bergrats und den Adel. Durch ein verfehltes Unternehmen, aus Kalklagern bei Annaberg in Nieder-Österreich Silber zu gewinnen, verlor er das Ver - trauen, weshalb er 1754 seinen Abschied nahm und Österreich ver - lieſs. Ohne festen Wohnsitz, führte er einige Zeit ein unstetes Leben, bis er 1755 die Bekanntschaft des hannöverischen Ministers von Münchhausen machte, der ihm die Stelle eines Bergrats und Ober - polizeikommissärs übertrug und ihn veranlaſste, nach Göttingen zu ziehen, wo er Vorlesungen über Staatsökonomie und Naturwissen - schaften hielt. 1757 verlieſs er Göttingen, indem er einer Einladung nach Kopenhagen folgte. Von da aus bereiste er im Auftrage des Grafen Bernstorff Jütland, um Vorschläge über die Nutzbarmachung der groſsen Haiden zu machen. 1759 ging er nach Berlin in der Hoffnung auf eine Staatsanstellung in Preuſsen. Hier widmete er sich mit erstaunlichem Fleiſse litterarischen Arbeiten. 1763 legte er51Litteratur im 18. Jahrhundert.zu Harburg eine Silberraffinerie an. 1766 wurde er endlich nach langem Warten zum königlich preuſsischen Berghauptmann ernannt und ihm die Oberaufsicht über die Glas - und Stahlfabriken in den östlichen Provinzen übertragen. Aber seine Gesundheit war bereits erschüttert. Er nahm seinen Wohnsitz zu Vietz in der Neumark, wo königliche Eisenhütten waren. Von jeher ein schlechter Haus - halter, war auch seine Verwaltung dort eine sehr unordentliche. Bei einer Revision ergaben sich Kassendefekte in Höhe von 46000 Thaler.

Auf seinen eigenen Antrag wurde er nach Küstrin als Staats - gefangener gebracht, wo er 1771 an einem Schlaganfall verstarb. Justi war ein Mann von groſsen Anlagen, erstaunlichem Fleiſs und Gedächtnis und von weitem Blick. Er schrieb auſserordentlich leicht und meist auch gefällig. Auf der anderen Seite war er leichtsinnig, zerfahren, zum Groſsthun geneigt, deshalb verschwenderisch und un - ordentlich; doch war sein trauriges Lebensende mehr durch seine Schwächen, als durch wirkliche Unredlichkeit herbeigeführt.

Der zweite bedeutende deutsche Schriftsteller des vorigen Jahr - hunderts, der über Eisen schrieb, war der verdienstvolle königlich preuſsische Oberberg-Oberrechnungs - und Oberbaurat Dr. Karl Abraham Gerhard. Auch er machte sich zuerst durch die Über - setzung eines französischen Werkes, der metallurgischen Reisen von Gabriel Jars, welches 1777 in Hamburg erschien, bekannt. Er be - reicherte die darin enthaltenen Kapitel über das Eisen durch vor - treffliche Anmerkungen, welche als ein Anhang im zweiten Bande erschienen und die eine gedrängte Übersicht des ganzen Eisenhütten - wesens nach dem damaligen Stande der Kenntnis enthalten.

Die hüttenmännische Reiselitteratur, wie sie Jars begründet hatte, fand in Deutschland groſsen Anklang und viel Nachfolge. Unter diesen Schriftstellern ragte besonders Johann Jacob Ferber, von Geburt Schwede, durch Erziehung und Lebensgang ein Deutscher, hervor. Er war am 9. September 1743 zu Karlskrona geboren; zur Medizin bestimmt, studierte er mit Vorliebe Mineralogie unter Wallerius, später unter Cronstedt und Linne in Upsala. Mit Bergman war er befreundet. Seine erste mineralogische Reise machte er durch Schweden. Hierauf bereiste er von 1765 an Deutsch - land, England und Italien, längere Zeit dann Böhmen, Südösterreich und Ungarn. Seine Schrift über das Quecksilberbergwerk zu Idria war Veranlassung, daſs er eine Professur in Mietau erhielt. 1774 und 1776 bereiste er die Pfalz und das Saargebiet. 1781 wurde er Professor in Petersburg und 1786 erhielt er eine Berufung nach4*52Litteratur im 18. Jahrhundert.Preuſsen als Oberbergrat. Er starb auf einer Reise in Bern im Jahre 1790. Seine zahlreichen Reisen hat er in vortrefflichen Einzel - beschreibungen in deutscher Sprache veröffentlicht. Er war gleich ausgezeichnet als Mineraloge, Geognost und Hüttenmann. Seine geognostischen Ansichten und seine Einteilung der Gesteine in a) Granit als Grundlage, b) älteres Schiefergebirge, c) Flötzgebirge, und d) Tertiärgebirge, wurde für lange Zeit maſsgebend. Seine in - haltsreichen Schriften gehören zu den besten Quellen für Mineralogie und Metallurgie. Zu der Kenntnis des Eisenhüttenwesens lieferte Ferber viele, zum Teil wertvolle Beiträge. Von seinen zahl - reichen Schriften führen wir in dieser Beziehung nur die folgenden an: Bergmännische Nachrichten von den Zweibrückischen, Pfälzischen und Nassauischen Ländern 1776, Neue Beiträge zur Mineralgeschichte 1778 und Abhandlung über die Gebirge und Bergwerke in Ungarn nebst einer Beschreibung des steyerischen Eisenschmelzens und Stahl - machens von einem Ungenannten.

Von späteren Reiseschriftstellern nennen wir Haquet, welcher besonders die österreichischen Alpenländer bereiste; Pallas1)P. S. Pallas, Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reiches, 3 Bde. in , 1771 bis 1776., der in seinem berühmten Reisewerk über Ruſsland zahlreiche Mitteilungen über die Eisenhütten Ruſslands gemacht hat; B. F. J. Hermann, Reisen durch Österreich, Steyermark, Kärnten und Krain 1781, sowie verschiedene Schriften über Ruſsland; Blumhof und Stünkel, Be - obachtungen auf einer Fuſsreise von der Roten Hütte nach Mägde - sprung und den Blankenburgischen Eisenhütten 1800.

Zahlreicher und wichtiger sind die vielen Monographieen, welche in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erschienen sind; unter diesen nennen wir: E. Herwig, Über das Eisen - schmelzen und Schmieden in der Herrschaft Schmalkalden 1777; J. D. G. Schreber, Beschreibung der Eisen -, Berg - und Hütten - werke zu Eisenerz in Steyermark, Leipzig 1792, und im Schauplatz der Künste und Handwerke von 1772 (Bd. XI.); B. F. J. Hermann, Über die Verfertigung des Brescianer Stahls in Steyermark etc. 1781, Beschreibung der Eisenberg - und Hüttenwerke zu Eisenerz in Steyer - mark, Wien 1788. E. A. Jägerschmid, Beiträge über einige metallische Fabriken der Grafschaft Mark 1788. Johann Philipp Becher, Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten - und Hammer -53Litteratur im 18. Jahrhundert.wesens, 1789. B. Fr. Joh. Hermann, Versuch einer mineralogischen Beschreibung des Uralischen Erzgebirges, 1789. J. Ch. Quantz, Über die Eisen - und Stahlmanipulation in der Herrschaft Schmalkal - den, 1799.

Die vorgenannten Einzeldarstellungen beziehen sich auf die Eisen - industrie bestimmter Länder oder Landschaften. Die Monographieen über einzelne Betriebe oder technische Fragen waren noch selten. Die meisten finden sich in den technischen Sammelwerken, wie namentlich im Schauplatze der Künste und Handwerke, welcher von Justi begonnen und von Schreber fortgesetzt wurde und in P. N. Sprengels Handwerke und Künste in Tabellen. Diese Sammelwerke waren alle durch die Descriptions des arts et métiers veranlaſst. Das Werk von Sprengel begann 1767 zu erscheinen und umfaſst in der zweiten Sammlung im dritten Abschnitt das Handwerk des Nadlers, im sechsten und siebenten sind die Stahl - und Eisenarbeiter abgehandelt, und zwar in der sechsten Sammlung von 1770 1. der Nagelschmied, 2. der Schlosser, 3. der Sporer, 4. der Windenmacher, 5. der Zeugschmied, 6. der Feilenhauer, 7. der Messerschmied. Die siebente Sammlung von 1771 umfaſst 1. die chirurgischen Instru - mentenmacher, 2. die Stahlarbeiter, 3. die Gewehrfabrik, 4. Schwert - feger und Langenmesserschmiede, 5. die Büchsenmacher, 6. die Büchsenschäfter und 7. die Groſsuhrmacher.

Der Zweck der Sammlung ist die Belehrung der Jugend, wie in der Vorrede gesagt ist, und ist die Darstellung dem Zwecke ent - sprechend populär gehalten. Ein ähnliches Werk ist Halles Werk - stätte der heutigen Künste. Diese technischen Sammlungen führen uns zu den eigentlichen Encyklopädien, von denen Deutschland in der ökonomischen Encyklopädie von Dr. J. G. Krünitz eine der umfassendsten besitzt, die erschienen sind. Der Artikel Eisen, sowie viele Einzelartikel über Eisengewerbe, sind gut und lesenswert. Das Werk ist ähnlich wie der Schauplatz der Handwerke und Künste so weitläufig angelegt, daſs es eigentlich niemals zum Abschluſs kam. Mit seiner Fortsetzung von Flörke und Kort umfaſste es bis 1858 242 Bände. Bis zu Krünitz Tode 1796 waren 74 Bände erschienen. Das Werk fand trotz seines Umfanges namentlich im vorigen Jahr - hundert solche Verbreitung, daſs 1782 bis 1814 eine zweite unver - änderte Auflage der ersten 97 Bände erschien. Neben dieser weit - läufigen Encyklopädie erschien eine gedrängtere, in welcher aber das Eisen entsprechend berücksichtigt wird von J. K. G. Jacobson als Technologisches Wörterbuch 1781, mit vier Supplementbänden von54Litteratur im 18. Jahrhundert.Rosenthal 1793. Ein wichtiges Sammelwerk, in welchem sich viele gute Aufsätze über Eisen finden, sind Schrebers Sammlungen von Kameralschriften.

Von gröſstem Einfluſs auf die metallurgische Wissenschaft war das Erscheinen von Zeitschriften, welche sich mit Bergbau und Hüttenkunde beschäftigten. Als ein Vorläufer dieser in Deutschland müssen die Übersetzungen der Abhandlungen der königlich schwedi - schen Akademie der Wissenschaften von Kästner gelten.

Ebenso müssen Crells chemisches Archiv und die chemischen Annalen (1783 bis 1803) genannt werden, sowohl, weil sie Auszüge aus den periodischen Schriften der wichtigsten Akademieen, in welchen die Metallurgie besonders berücksichtigt ist, enthalten, als auch wegen wichtiger metallurgischer Aufsätze. Die erste deutsche Fachschrift für Berg - und Hüttenwesen ist J. F. Lempe, Magazin für Bergbau - kunde 1785 bis 1799; die Eisenindustrie ist etwas mehr berücksichtigt in Köhler und Hoffmanns bergmännischem Journal 1788 bis 1794, an welches sich das neue bergmännische Journal 1795 bis 1816 an - schloſs, und in C. E. von Molls Jahrbücher der Berg - und Hütten - kunde von 1797 an.

Am interessantesten für uns ist unter den deutschen Zeitschriften das nur für die Eisenhüttenkunde bestimmte Eisenhütten-Magazin von Tölle und Gärtner, dessen erstes Monatsheft im August 1791 erschien. Trotz des reichen Inhaltes brachte es das Magazin leider nur auf zwei Jahrgänge, indem es aus Mangel an Unterstützung ein - ging. Von groſser Bedeutung war das von der republikanischen Re - gierung in Frankreich 1795 ins Leben gerufene Journal des mines.

Von Fachschriften über Eisenhüttenkunde im allgemeinen nennen wir, auſser den früher erwähnten von Justi und Gerhard, des Freiherrn von Hoffmann Abhandlung über die Eisenhütten, welche mehr praktisch als theoretisch gehalten ist und besonders seine Erfahrungen, die er in Böhmen und Sachsen gemacht hat, enthält. Es finden sich darin ferner Angaben über die Betriebe in Blankenburg, Suhl, Bayreuth. Der technische Inhalt ist unbedeutend, wichtiger ist der ökonomische, in dem viele Preisangaben und Be - rechnungen mitgeteilt sind.

Cancrinus, Abhandlung von der Zubereitung des Roheisens in Schmiedeeisen, auch des Stahls u. s. w., 1788; J. von Sternberg, Versuch über das vorteilhafteste Ausschmelzen des Roheisens, 1795; A. Tiemann, Bemerkungen und Versuche über das Eisen, ent -55Litteratur im 18. Jahrhundert.halten hauptsächlich eine gute Darstellung des Eisenfrischens am Harz, 1797.

Als die wichtigsten theoretischen Schriften über das Eisen und die Eisengewinnung, welche im vorigen Jahrhundert in Deutschland erschienen sind, dürfen wir die drei Abhandlungen über die Preis - frage: Worin besteht der Unterschied zwischen Roheisen aus Hohenöfen und geschmeidigem Eisen aus Frischherden? von Lampadius, Hermann und Schindler bezeichnen. Sie stehen auf dem Boden der modernen Chemie und führen in die neue Zeit über.

Am Schlusse des Jahrhunderts erschien dann die erste Systema - tische Eisenhüttenkunde mit Anwendung der neueren chemischen Theorie von Wilhelm Albrecht Tiemann. Die Vorrede ist im Jahre 1800 geschrieben, weshalb wir das Buch, das 1801 erschien, noch dem vorigen Jahrhundert zurechnen. Bis jetzt existiert noch kein Buch , schreibt der Verfasser in seiner Vorerinnerung, worin die mit dem Hüttenwesen in enger Verbindung stehenden Wissenschaften im Zu - sammenhange vorgetragen würden und welches einen Überblick des Ganzen liefert. Ich unternahm es daher, einen solchen Versuch wenigstens mit dem Eisenhüttenwesen (da dies in jeder Hinsicht die Seele alles übrigen ist) zu machen, und diesen Versuch Eisen - hüttenkunde zu nennen.

Deutschland hat also das erste systematische Lehrbuch dieses Teils der technischen Wissenschaft geliefert und Tiemann gebührt das Verdienst der Autorschaft sowohl dieses Buches, als des Namens der Wissenschaft, welcher seit der Zeit allgemein angenommen wurde.

Das Buch ist mit Fleiſs und Verständnis geschrieben und erfüllt durchaus seinen Zweck. Es ist jedenfalls nur dadurch so bald in Vergessenheit geraten, weil das vortreffliche Handbuch der Eisen - hüttenkunde von Karsten, dessen erste Auflage 1816 erschien, es gänzlich in den Schatten stellte. Auch muſs zugestanden werden, daſs es, obgleich es die neue chemische Theorie im Auszuge vor - trägt, doch keinen Fortschritt darstellt, sondern ganz auf dem alten Standpunkte des Betriebes, wie er damals am Harz in Übung war, steht. Die neuen Fortschritte, die doch schon in Deutschland damals wenigstens versuchsweise Eingang gefunden hatten, die Kokes - hochöfen, der Puddelbetrieb, die Dampfmaschine, das Walzwerk, werden nicht einmal erwähnt. Den Hülfswissenschaften, Chemie und Mineralogie, welche die beiden ersten Abschnitte des Werkes bilden, ist ein viel zu breiter Raum gewährt. Die drei anderen Abschnitte56Litteratur im 18. Jahrhundert.sind die Hüttentopographie, die Hüttenarchitektur und die Hütten - ökonomie, worunter die eigentliche Eisenhüttenkunde begriffen ist. Die Hüttenchemie ist ein weitläufiger Auszug aus dem Lehrbuche der Chemie von Fourcroy und geht weit über die Grenzen einer Hüttenchemie hinaus. Der Verfasser setzt bei dem Leser gar keine chemischen Kenntnisse voraus und will ihn in die Wissenschaft über - haupt einführen und beschränkt sich dabei nicht auf die Chemie der Metalle, sondern zieht sogar die organischen Säuren in seine Be - trachtungen mit ein. Die Docimasie bildet eine Unterabteilung des ersten Abschnittes und umfaſst das Probieren der Eisenmineralien auf trockenem und nassem Wege, soweit letzterer damals bekannt war. Wie der erste Abschnitt ein Auszug aus Fourcroy ist, so ist der zweite ein Auszug aus der Mineralogie Werners, wobei der spezielle Teil sich allerdings auf die Eisenminer beschränkt. Die Topographie behandelt die örtliche Beschaffenheit des Eisenhüttenwerkes, Wahl des Platzes, Anlage der Hüttengräben u. s. w., und folgt hierin der Verfasser den Werken von Schlüter und Kramer. Die Hüttenarchi - tektur beschäftigt sich fast ausschlieſslich mit dem Hochofenbau, wo - bei er sich auf Garney stützt. Diesem Abschnitt ist die Beschreibung und Berechnung der Gebläse hinzugefügt, wofür ihm Baader Ge - währsmann ist. Die Hüttenökonomie umfaſst 1. die Betriebslehre, und zwar den Betrieb der Hochöfen, Frischfeuer, Blechhütten und Draht - hütten, 2. die Lehre von den Eigenschaften des Roheisens, Schmied - eisens und Stahls, 3. die Vorbereitung der Erze, Rösten und Ver - wittern, 4. die Lehre von den Brennmaterialien, die merkwürdiger Weise den Schluſs bildet. Dem Werke ist ein Entwurf einer hütten - männischen Litteratur , d. h. eine Übersicht der einschlägigen Druck - werke beigefügt.

Zum Schlusse erwähnen wir noch einige geschichtliche Werke, aus welchen manches für die Geschichte des Eisens zu entnehmen ist. Es sind dies J. von Sperges, Tyrolische Bergwerksgeschichte, 1765, J. F. Gmelin, Beiträge zur Geschichte des deutschen Berg - baues, 1783, und das bekannte Werk von J. Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, 1797.

Der gröſsere Verkehr der Länder Europas untereinander, die Informationsreisen zu wissenschaftlichen und technischen Zwecken, die Zeitungs - und periodische Fachlitteratur trugen viel dazu bei, hüttenmännische Kenntnisse und Erfindungen zu verbreiten, dennoch müssen wir erstaunen, wie langsam die nützlichsten Erfindungen und selbst die Kenntnis derselben sich verbreiteten. Ein Beispiel dafür57Wissenschaftliche Anstalten.bietet Tiemanns Eisenhüttenkunde von 1801, in welcher der Puddel - prozeſs, der doch seit 15 Jahren in England betrieben wurde und eine Umwandlung der ganzen Stabeisenindustrie herbeigeführt hatte, nicht einmal genannt wird.

England, das Land der wichtigsten Erfindungen auf dem Ge - biete des Eisenhüttenwesens im vorigen Jahrhundert, besitzt nur eine äuſserst spärliche Litteratur aus dieser thatenreichen Zeit. Die Patentbeschreibungen (Specifications) sind fast die einzigen Quellen, aus denen wir Belehrung schöpfen können.

Wissenschaftliche Lehranstalten.

Von den Akademieen der Wissenschaften waren es besonders die englische, die französische und die schwedische in London, Paris und Stockholm, in welchen metallurgische Fragen behandelt wurden und welche dadurch einen bedeutsamen Einfluſs auf die Entwickelung des Eisenhüttenwesens und der Eisenhüttenkunde ausgeübt haben. Über die Gründung und die Thätigkeit der Royal Society in London haben wir bereits früher berichtet.

Die französische Akademie der Wissenschaften zu Paris war wie die meisten Anstalten dieser Art aus einer privaten Vereinigung von Gelehrten hervorgegangen; dieselbe hatte sich hauptsächlich mit Natur - wissenschaften beschäftigt. Seit 1692 veröffentlichte sie Memoiren, welche anfangs unregelmäſsig, seit 1699 regelmäſsig erschienen. In diesen fanden die praktischen Naturwissenschaften im 18. Jahrhundert weitgehende Berücksichtigung, und sind die Histoires et Mémoires de l’Academie de sciences à Paris reich an vortrefflichen Aufsätzen, die sich auf die Eisenhüttenkunde beziehen.

Die schwedische Akademie der Wissenschaften entstand erst im 18. Jahrhundert. Im Jahre 1710 wurde die Universität Upsala in Folge der Pest geschlossen. Dies gab Veranlassung, daſs die Pro - fessoren in Verbindung mit anderen Freunden der Wissenschaft eine gelehrte Gesellschaft, das Collegium Curiosorum, gründeten. Sweden - borg war ein thätiges Mitglied derselben und gab mit Polhem eine wissenschaftliche Zeitschrift, den Dädalus Hyperboreus, heraus.

Das Collegium Curiosorum ging schon im Jahre 1718 wieder ein, aber bereits im folgenden Jahre gelang es dem eifrigen Berzelius,58Wissenschaftliche Anstalten.eine neue litterarische Gesellschaft (Bokveltsgilde?) zu gründen, welche 1720 ihr gelehrtes Journal Acta litteraria Sueciae , welches von 1720 bis 1729 zu Upsala erschien, herausgab. Nachdem sie den Grafen Arved Horn zu ihrem Präsidenten erwählt hatte, bekam sie 1728 die königliche Bestätigung als Societas regia litteraria scientiarum Upsa - lensis. Diese gab von 1730 bis 1750 die Acta Soc. Reg. Scientiarum Ups. heraus, denen 1773 die Nova Acta folgten, welche bis in die Neuzeit fortgesetzt wurden.

Die Petersburger Akademie wurde 1724 von Peter dem Groſsen gegründet und mit reichen Mitteln ausgestattet. Seit 1728 giebt sie ihre Schriften heraus.

Neben den fürstlichen Akademieen bildeten sich reiche wissen - schaftliche Privatgesellschaften, welche auf die praktische Naturwissenschaft und die Industrie von Einfluſs waren. In Eng - land trat 1754 eine Gesellschaft zur Beförderung der Künste, Fabriken und des Handels (the voluntary Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce) zusammen. Ihr Ziel war die Verbesserung geistiger und materieller Künste zum Nutzen der Industrie; sie suchte es zu erreichen, indem sie Ehren - diplome und Geldprämien für gewisse Zwecke bestimmte. Sie begann ihre Thätigkeit damit, daſs sie Prämien aussetzte für die Beförderung des Zeichnens und Entwerfens, und zwar für beide Geschlechter. Sie erteilte Prämien an thätige Kolonisten in Amerika, Asien und Afrika und wirkte dadurch sehr anregend. Ihre Nützlichkeit erwies sich bald und dadurch nahm ihre Mitgliederzahl sehr zu. In Nachahmung dieser Vereinigung entstand in Hamburg 1765 die Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe.

Es würde zu weit führen, alle wissenschaftlichen und praktischen Gesellschaften, die auſserdem noch im Laufe des Jahrhunderts ent - standen, aufzuführen.

Sehr anregend wirkten die Preisaufgaben, welche von den Regierungen, Akademieen und Privatgesellschaften gestellt wurden. Ein wichtiges Förderungsmittel für wissenschaftliche und technische Zwecke waren öffentliche Sammlungen zur Förderung der Technik. Eine der ältesten und verdienstvollsten war die Sammlung von Modellen, welche sich auf Bergbau und Hüttenkunde, Strom - bau u. s. w. bezog, welche die oberste Bergbehörde in Schweden angelegt hatte und in welcher namentlich die vielen Erfindungen des berühmten Polhem in von ihm selbst gefertigten Modellen aus - gestellt waren. Eine berühmte Sammlung wurde das Conservatoire59Wissenschaftliche Anstalten.des Arts et Métiers in Paris, welches 1794 gegründet wurde, und besonders Maschinen, Werkzeuge und Industrieprodukte umfaſste. Das wichtigste Förderungsmittel waren aber die technischen Lehr - anstalten.

Realschulen für eine wissenschaftliche aber nicht gelehrte Bildung entstanden in Deutschland gegen die Mitte des Jahrhunderts. Eine Anstalt der Art war das 1745 von Abt Jerusalem in Braun - schweig gestiftete Collegium Carolinum, noch mehr aber die 1745 durch Hecker in Berlin gegründete Realschule an der Drei - faltigkeitskirche. Österreich gründete unter Maria Theresia seine Normalhauptschulen, welche unseren höheren Bürgerschulen ent - sprechen. Die erste entstand 1771 in Wien, dieser folgten 1774 andere in Innsbruck, 1775 in Prag, in Gratz, 1776 in Linz u. s. w. Spinn - schulen, also Industrieschulen, hatte Österreich schon früher 1755 und 1764 gegründet. 1765 erlieſs es eine Spinnschulenordnung für seine deutschen Provinzen. 1787 zählte Böhmen allein über hundert In - dustrieschulen, als Spinn -, Näh -, Strick - u. s. w. Schulen. Auſserdem hatte Österreich bereits 1770 die Realakademie als höhere technische Lehranstalt gegründet.

Für das Berg - und Hüttenwesen hatte Österreich besondere Fachschulen gegründet, und zwar zunächst drei Bergschulen für Ungarn in Nieder-Ungarn, Schmöllnitz und dem Temesvarer Banat. Die Idee zur Gründung einer höheren Lehranstalt wurde 1761 angeregt. Peithner hatte damals ein Promemoria über die Errichtung einer besonderen Professur der Bergwissenschaft an der Universität Prag bei dem Kaiser eingereicht und erhielt ein Jahr später den Auftrag, einen Entwurf auszuarbeiten. Damals kam zum erstenmale die Frage der Gründung einer Bergakademie zur Sprache. Aber erst 1763 wurde ein Plan zur Gründung einer ordentlichen höheren Bergwesens Anstalt zu Schemnitz gefaſst und teil - weise zur Ausführung gebracht (1. September 1763). Am 1. Sep - tember begann der öffentliche Unterricht, und zwar mit Vorträgen über Chemie, wozu als Lehrer Nicolaus von Jacquin mit dem Charakter eines wirklichen k. k. Bergrates angestellt worden war. Er sollte zugleich geeignete Personen heranziehen und sie für das chemisch-mineralogische Lehrfach heranbilden. Der Unterricht wurde in einem gemieteten Hause erteilt. Jacquin wirkte bis 1769 an der neuen Schemnitzer Berganstalt, von wo er als Professor nach Wien berufen wurde. Sein Nachfolger war Dr. Johann Scopoli, früher Professor der Chemie, Physikus und Bergamtsbeisitzer in Idria. 60Wissenschaftliche Anstalten.Scopoli wirkte bis 1779 und wurde dann Professor in Pavia. Durch Statut vom 2. April 1770 wurde der Anstalt in Schemnitz der Rang einer Akademie erteilt mit drei Lehrkanzeln und drei Jahrgängen. Bergbaukunde trug Christoph Traugott Delius vor, welchem 1772 Peithner folgte, Chemie las Scopoli und für Mathematik war ein Jesuit Pater Boda von Gratz berufen, welchem aber bald Pater Carl Tierenberger folgte.

Die Anstalt war nur für Österreicher bestimmt. Sie nahm in den ersten Jahrzehnten keinen rechten Fortgang, war auch in ihren Mitteln beschränkt. Erst 1800 wurde beantragt, ein besonderes Gebäude für dieselbe zu bauen. 1795 war sie zu einer öffent - lichen Lehranstalt, zu welcher auch Ausländer Zutritt hatten, erklärt worden.

Am Harze bestanden 1763 noch keine Bergschulen. Calvör hatte zwar schon 1726, als er Rektor der Schule zu Clausthal war, in höherem Auftrage die Jugend in den zum Bergwerk gehörigen Wissenschaften unterrichtet, aber er beklagt es gerade in seinem Werke über das Maschinenwesen am Oberharz 1763, daſs keine der - artigen Schulen beständen und spricht sich warm für die Errichtung einer mathematischen Schule aus, in der die fähigsten Berg - und Hüttenleute einige Stunden in der Woche in Mathematik, Mechanik und Physik unterrichtet werden sollten. Er ist dabei für ein Zusammen - wirken von Theorie und Praxis im Sinne unserer Fachschulen, wie in England, Holland und Ruſsland dergleichen Schulen für die In - genieurs, Architekten und Schiffer, in groſsen Städten auch wohl für die Tischler zur Erlernung der Säulenordnung und in Irland Werk - schulen, darin man sich übt in allerlei, was zur Ökonomie und Hand - lung gehört, sind .

In Deutschland war das wichtigste Ereignis auf diesem Gebiete die Gründung der Bergakademie in Freiberg im Jahre 1765. Schon vor dieser Zeit war hier in beschränktem Umfange Unterricht für Bergleute erteilt worden. Seit 1702 bestand die sogenannte Stipendienkasse zur Unterstützung solcher, die sich zu Bergbeamten ausbilden wollten. Der Unterricht beschränkte sich auf Mark - scheidekunst und Probierkunst, welche mehr zünftig betrieben wurden. Aber schon Henkel hatte angefangen, in der Metallurgie zu unterrichten. Ihm folgte Gellert mit seinen bedeutenden Vor - lesungen über Hüttenkunde und metallurgische Chemie. Im Ganzen aber blieb die Ausbildung Stückwerk. Das empfand besonders tief Friedrich August, Freiherr von Heinitz (geboren am 24. Mai61Wissenschaftliche Anstalten.1725), der sich dem Bergbau gewidmet und in Freiberg seine Studien gemacht hatte. Nachdem er Vizeberghauptmann zu Dresden ge - worden war, entwarf er mit dem Oberberghauptmann von Oppel den Plan zur Gründung einer Bergakademie zu Freiberg. Sie ar - beiteten einen Entwurf aus, welchen Kurfürst Friedrich August ge - nehmigte. Am 13. November 1765 wurde die Gründung der Akademie ausgesprochen und durch Reskript vom 4. Dezember 1765 näher be - gründet. Der Anfang war recht bescheiden, die Staatsbewilligung betrug 1200 Thaler, wurde aber schon 1766 auf 1562⅔ Thaler er - höht. Die Vorlesungen muſsten in einigen gemieteten Zimmern im Hause des Oberberghauptmanns von Oppel gehalten werden. Als Lehrer wurden angestellt Gellert, Charpentier, Lommer, Richter und Klotz, und zwar für metallurgische Chemie, Mathematik und Mechanik, Mineralogie, Markscheidekunst und Probierkunst. Die im ersten Jahre aufgenommenen Stipendiaten waren von Trebra, Beyer und Freiesleben. 1775 wurde A. G. Werner, der ein Zögling der jungen Bergakademie gewesen war, als Lehrer berufen. Erst las er über Mineralogie und seit 1776 auch über Bergbaukunde. Es ist bekannt, welche Verdienste dieser berühmte Mineraloge, dem die deutsche mineralogische und geologische Wissenschaft ihre syste - matische Begründung verdankt, sich um das Blühen und Gedeihen und die Anerkennung der Bergakademie in Freiberg im In - und Auslande erworben hat. Hauptsächlich durch ihn wurde Freiberg die berühmteste Lehranstalt für Bergbau - und Hüttenkunde, die sich ihren Ruhm namentlich im Auslande bis heute bewahrt hat. 1789 las Werner zum erstenmale ein besonderes Collegium über Eisen - hüttenkunde, welches er bis zum Ende seines Lebens (1817) wiederholte. 1793 wurde Lampadius als Dozent der Chemie be - rufen, der 1794 seine Vorlesungen im Sinne der neuen von Lavoisier begründeten Anschauung hielt. Auf seine Vorstellungen hin wurde 1795 ein neues chemisches Laboratorium im Hofe des Akademie - gebäudes erbaut. 1795 begann Lampadius seine Vorlesungen über allgemeine Hüttenkunde und analytische Chemie und 1796 über technische Chemie. Die Vorlesungen über Eisenhüttenkunde lagen zwar in Werners Hand, aber Lampadius hat sich auf diesem Ge - biete ebenfalls groſse Verdienste erworben; wir erwähnen aus dem vorigen Jahrhundert nur seine Versuche über Puddeln mit Holz auf dem Eisenwerke des Grafen von Einsiedel zu Lauchhammer bei Mückenberg im Jahre 1795 und seine preisgekrönte Arbeit über den Unterschied zwischen Roheisen und Stabeisen von 1796.

62Wissenschaftliche Anstalten.

Von den auſserdeutschen Staaten hat sich besonders Frank - reich um das technische Lehrwesen im vorigen Jahrhundert ver - dient gemacht. Dem Minister Trudaine gebührt darum groſses Ver - dienst, welcher um 1750 eine höhere technische Lehranstalt, die École des ponts et chausseés, ins Leben gerufen hatte und sich mit der Absicht trug, eine Bergakademie in Frankreich zu gründen. Zu diesem Zwecke suchte er die befähigtsten Schüler der obengenannten Anstalt, namentlich Jars und Duhamel, zu Lehrern heranzu - bilden und lieſs sie auf Staatskosten im Auslande reisen. Die trau - rigen Finanzzustände Frankreichs verhinderten aber die Ausführung dieses schönen Planes. Erst der Republik war es vorbehalten, darin Groſses zu leisten. Sie gründete 1794 die École polytechnique, an der Männer wie Monge, Berthollet und Guyton de Mor - veau wirkten. Um dieselbe Zeit entstand die École des Mines. Schon am 18. Messidor des Jahres II (1793) wurden durch Beschluſs des Wohlfahrtsausschusses Vorlesungen über Mineralogie, Bergbau, Probierkunde und Hüttenkunde gehalten und durch Gesetz vom 30. Vendémiaire des Jahres IV bestätigt. Die Berginspektoren muſsten dieselben halten, und zwar öffentlich und kostenfrei. Lehrer waren Duhamel (Jars Reisegefährte), Hassenfratz, Miché, Tonnellier, Boillet, Vauquelin, Brogniart, Hauy, Clouet etc.1)Siehe Journal des mines, an VII, No. 51..

Frankreich, in dem namentlich das Kunstgewerbe blühte, unter - stützte schon früh den Zeichenunterricht. Schon unter Ludwig XIV. bestand eine gewerbliche Zeichenschule zu Besançon; 1766 wurde eine solche zu Paris gegründet, welcher ähnliche Schulen 1773 zu Troyes, 1782 zu St. Quentin und 1794 zu Versailles folgten.

In England, wo der Staat sich um das Schulwesen nicht be - kümmerte, blieb auch das technische Unterrichtswesen sehr ver - nachlässigt. Gegen Ende des Jahrhunderts entstanden die Mechanics institutions, welche Fortbildungsunterricht erteilten, ähnlich den Abendschulen unserer gewerblichen Fortbildungsschulen oder Ar - beiterbildungsvereine. Solche Anstalten gab es 1789 zu Birming - ham und 1799 zu Glasgow. Nach Calvörs Angaben müssen aber schon früher (vor 1763) in England und Irland Werkschulen bestanden haben.

Die erste Gewerbeausstellung fand 1791 zu Prag statt; die erste Industrieausstellung 1798 zu Paris; dieselbe dauerte vom 19. September bis 2. Oktober und war von 110 Ausstellern beschickt. 63Chemie.Die Prager Ausstellung war eine Provinzialausstellung für Böhmen, die Pariser Ausstellung war eine nationale für ganz Frankreich.

1791 wurde auch in Frankreich das Patentwesen in ähnlichem Sinne wie in England durch Gesetz geregelt. In demselben Jahre erhielt auch Baiern und 1793 die Vereinigten Staaten von Amerika ein Patentgesetz.

Die Chemie des Eisens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Die Entwickelung der Chemie in der ersten Hälfte des 18. Jahr - hunderts war für die Eisenindustrie wenig förderlich. Die Phlogiston - theorie, welche das 18. Jahrhundert beherrschte, erklärte die chemi - schen Vorgänge, auf welchen die Eisenschmelzprozesse beruhten, die Reduktion und Oxydation, falsch und wirkte dadurch nur ver - wirrend. Die chemische Analyse war aber noch nicht soweit ge - diehen, um den wichtigsten Gemengteil des Eisens, den Kohlenstoff, nachweisen zu können.

In das erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts fällt zunächst ein lebhafter Streit über die Frage, ob durch die Verbrennung gewisser Körper Eisen gebildet werde oder nicht. Da man das Eisen nicht als ein Element ansah, so war eine solche Kontroverse möglich. Becher hatte die Generation des Eisens auf diesem Wege bestimmt behauptet (s. Bd. II, S. 962). Die Frage war 1702 in Paris von neuem angeregt worden, durch den Nachweis des älteren N. Lemery, daſs manche Pflanzenaschen Eisen enthielten, welches sich mit dem Mag - neten ausziehen lieſse.

St. G. Geoffroy, der bei Verbrennung gewisser Pflanzen eben - falls eisenhaltige Asche erhielt, behauptete 1705, daſs dieses Eisen erst durch die Verbrennung entstehe. L. Lemery widersprach ihm 1706, indem er nachwies, daſs dieses Eisen nur aus der Pflanze bei der Verbrennung ausgeschieden sei. Geoffroy verteidigte aber seine Ansicht, indem er auf Bechers Versuch zurückgriff, wonach in dem mit Leinöl getränkten Thon nach dem Glühen mehr Eisen nachweis - bar sei als vor dem Glühen. Obgleich auch dieses 1708 von dem jüngeren Lemery richtig gestellt wurde, verschwand diese An - sicht nicht ganz und wurde viel später von Justi von neuem vor - gebracht.

64Chemie.

Ebenso übten Bechers Ansichten über die Verbrennung und die Entstehung der Metalle auf die Chemiker zu Anfang des 18. Jahr - hunderts, insbesondere auf Stahl, den eigentlichen Begründer der Phlogistontheorie, groſsen Einfluſs aus. Nach Becher war die Ursache der Verbrennlichkeit jedweder Substanz im Gehalte eines gewissen Prinzipes, das er als terra pinguis bezeichnete, begründet. Diese fette Erde sei nicht identisch mit dem gemeinen Schwefel, wie die früheren Chemiker mehr oder weniger angenommen hatten, sondern auch der Schwefel enthalte nur einen gröſseren Anteil dieser terra pinguis. Diese sei auch in allen mineralischen Substanzen enthalten, welche verbrennlich seien und die Verkalkung der Metalle beruhe auf der Vertreibung dieser terra pinguis durch Feuer. Überhaupt sei jede Verbrennung eine Auflösung. Eine einfache Substanz könne nicht brennen. Die Feuererscheinung beruhe auf der bei dieser Auflösung eintretenden Zerteilung und Verdünnung des verbrennlichen Körpers.

Neben dieser terra pinguis gäbe es noch eine terra lapidea und eine terra mercurialis, welche drei ungefähr den früheren Elementen Schwefel, Salz und Quecksilber entsprachen. In allen Metallen seien diese drei Erden enthalten, so bestehe z. B. Eisen aus viel Salz, wenig Schwefel und noch weniger Merkur. Deshalb bildeten sich auch die Metalle in der Erde immer neu, wie schon Plinius sagte, auf Elba wachse das Eisen (gigni ferri metallum).

Becher, der bekanntlich ein sehr unruhiges, aufregendes Leben führte, fand nicht die Muſse, seine Theorie so durchzuarbeiten, daſs er sie auf jeden einzelnen Fall hätte anwenden können. Er beklagte dies und wünschte sich einen Nachfolger, der seine Theorie, die er nur in Umrissen mitgeteilt hatte, vervollkommnen möge. Dieser Wunsch ging in Erfüllung, indem der berühmte Mediziner Georg Ernst Stahl Bechers Ideen zu einem vollständigen System ent - wickelte. Gleich bei seinem ersten Auftreten stimmt Stahl1)Georg Ernst Stahl, geboren 1660 zu Ansbach, seit 1693 Professor in Halle, 1716 als königlicher Leibarzt nach Berlin berufen, gestorben 1734. in seiner 1697 erschienenen Cymotechnia fundamentalis Bechers An - sicht bei, daſs der Schwefel denselben verbrennlichen Stoff enthalte, wie die Metalle und daſs der Schwefel aus diesem Stoffe in Ver - bindung mit Schwefelsäure bestehe, gerade so wie der Metallkalk der andere Bestandteil des Metalls sei. 1702 gab er Bechers Physica subterranea neu heraus, wobei er klagt, daſs das Werk so wenig An - erkennung gefunden habe. Er fügte deshalb demselben sein Specimen65Chemie.Becherianum bei. In diesem wiederholte er bestimmt, daſs alle ver - kalkbaren Metalle aus einer brennbaren Substanz und Metallkalk be - stehen, daſs das, was wir die Reduktion der Metallkalke nennen, ihre Vereinigung mit dieser brennbaren Substanz ist. Diese brennbare Substanz, die nicht Schwefel, noch Oel, noch Fett an und für sich, auch nicht Feuer schlechthin, sondern nur das Prinzip oder das Ur - sächliche desselben ist, nannte er Phlogiston. Er definiert dieses Phlogiston als materiale et corporeum principium, quod solum cita - tissimo motu ignis fiat. Es ist die Substanz, durch deren Abscheidung die Metalle zu Kalken werden.

Diese Theorie erscheint uns nach unserer jetzigen Kenntnis der chemischen Vorgänge durchaus verkehrt und fast widersinnig und doch war dieselbe ein wesentlicher Fortschritt in der Chemie, weil sie die wichtigsten chemischen Erscheinungen von einem bestimmten und einheitlichen Gesichtspunkte aus betrachtete, prüfte und zusammen - faſste. Das Phlogiston, dieses Grundwesen, die Bedingung der Ver - brennlichkeit, ist in allen brennbaren Substanzen dasselbe: es ist vor die Augen zu legen , sagt er, daſs sowohl in dem Fett, da man die Schuhe mit schmiert, als in dem Schwefel aus den Bergwerken und allen verbrennlichen halben und ganzen Metallen in der That einerlei und eben dasselbige Wesen sei, was die Verbrennlichkeit eigentlich giebt und machet ; und es ist meines Erachtens das vernunftgemäſseste, wenn man es von seiner allgemeinen Wirkung benennt. Und dieserwegen habe ich es mit dem griechischen Namen Phlogiston, zu deutsch brennlich, beleget. Bechers Lehre von der fortdauernden Neubildung und dem Wachsen der Metalle in der Erde verwarf Stahl dagegen; nach ihm waren alle ganghaftig be - findlichen Erze, stracks von Anfang, in die allerweiteste Einteilung, Befestigung und Auszierung der Erde mit eingelegt und eingeschaffen worden .

Stahls Phlogistontheorie fand allgemeine Anerkennung und An - wendung in Europa, wenn auch die französischen Chemiker den Aus - druck Phlogiston nicht annahmen, sondern nach wie vor statt dessen Schwefel sagten, obgleich sie dabei nicht wirklichen Schwefel, sondern ebenfalls nur das verbrennliche Prinzip meinten. Zwar er - hoben einzelne bedeutende Chemiker, wie namentlich Fr. Hoffmann und Boerhave, gegen Stahls Erklärung wichtiger Erscheinungen Widerspruch, dies konnte aber die Verbreitung und die Macht der Phlogistontheorie nicht einschränken. Sie war, was in mechanischen Betrieben ein besseres Werkzeug ist, und darin liegt auch ihre histo -Beck, Geschichte des Eisens. 566Chemie.rische Bedeutung. Sie schloſs, wie Fr. Kopp treffend sagt, einen groſsen Fortschritt in der Fähigkeit, chemische Erscheinungen unter allgemeineren Gesichtspunkten zu betrachten, in sich. Mit der Phlogistontheorie trat zugleich die Chemie als ein selbständiger Teil der Naturwissenschaft auf; sie suchte die chemischen Erscheinungen, d. h. die Zusammensetzung der Körper und die chemischen Prozesse, durch welche Zusammensetzung und Zerlegung vor sich gehen und deren Gesetzmäſsigkeit an und für sich zu erforschen und nicht wie seither im Dienste einer anderen Wissenschaft wie die Jatrochemie oder eines unwissenschaftlichen Zweckes, wie die Alchimie.

Stahls Ansicht über das Eisen und die unedlen Metalle über - haupt geht dahin1)Siehe G. E. Stahls Bedenken über Bechers Natur-Kündigung der Metalle, 1723, S. 71., daſs das brennliche Wesen (Phlogiston) der - gestalt den vier unedlen Metallen beigemischt sei, daſs sie eben da - durch ihre ganze metallische, letztsichtbare Gestalt, Glanz, Klang, vornehmlich aber die Geschmeidigkeit durch solches erlangen. Welches sich handgreiflich, durch deren Zerstörung aus solcher ihrer metallischen Gestalt und Wiederbringung zu derselben durch die Kunst (insgemein Reduktion genannt) bescheiniget.

a) Da nämlich die Zerstörung aus solcher ihrer metallischen Verfassung, darinnen sie im gemeinen Leben brauchbar sind, bloſs durch Verglühen sich zuträgt; als wodurch dieses verbrennliche Wesen nicht anders als aus einer Kohle nach und nach ausgebrannt wird, daſs das übrige einer Asche gleich zerfällt: ja auch noch darin der Kohlenasche ähnlich bleibt, daſs es wie jene durch genugsamen Feuers Zwang zu einem Glas zusammenflieſset.

b) Die Wiederbringung aber zu dieser recht metallischen Gestalt, geschieht bloſs durch wiederbeigebrachte Ersetzung solcherlei brenn - lichen Wesens; welches auch diese metallischen Aschen ganz gern und behende wieder annehmen und dadurch, so oft man nur beiderlei wiederholt, wieder zerstört und wieder ergänzt werden können.

c) Welches dann das einzige wahre Fundament des Hütten - schmelzens bei dieser Art Metallen ist; da solche nämlich durch das Rösten oder Brennen, des dabei verhafteten, schwefligen, spieſs - glasigten oder arsenikalischen Wesens zugleich an diesem ihren eigenen brennlichen Wesen verlustig werden und zu Asche gedeihen. Dannhero, wann sie auſser körperlicher Berührung der Kohlen ge - schmolzen werden, nichts anderes, als ein Glas geben; welches mit67Chemie.dem übrigen tauben Schlackenglas vermengt und darinnen zerstreut, haften bleibt. Wann aber das Schmelzen nach wohlhergebrachtem Brauch durch die Kohlen hindurch dergestalt verrichtet wird, daſs auch das Schlackenglas selbst möglichst dünn flieſst, so gewinnt das rechte Metallglas durch Berührung der Kohlen seine vorhin aus - und abgebrannte metallmäſsige Gestalt wieder, läuft zusammen, scheidet sich von der Glasschlacke und setzt sich unter dieselbige wieder zusammen .

Stahls Ansicht über den Unterschied zwischen Eisen und Stahl ging dahin, daſs das Eisen noch erdige Teile enthalte, während Stahl mit Phlogiston gesättigt sei.

Eingehender und sachlicher beschäftigte sich Reaumur mit den Unterschieden zwischen den verschiedenen Arten des Eisens. Er er - kannte deutlich, daſs Stahl in Bezug auf seinen Phlogistongehalt oder, wie er sich als Franzose ausdrückt, in Bezug auf seinen Schwefel zwischen Guſseisen und Schmiedeisen stehe. Guſseisen enthielte am meisten Schwefel, Schmiedeisen keinen oder am wenigsten, Stahl stehe in Bezug auf den Schwefelgehalt mitten inne. Das Wort Schwefel darf uns nicht beirren, gemeint ist das brennliche Prinzip, und wenn wir statt Schwefel Kohlenstoff setzen, so haben wir die richtige Lösung. Reaumur war in seiner Theorie, die übrigens auch nur eine Erklärung beobachteter Thatsachen war, der Wahrheit bereits sehr nahe gekommen, und deswegen sind auch seine theoretischen Erklärungen meistens richtig, wenn wir uns nur durch die Ausdrucks - weise nicht beirren lassen.

In Bezug auf die Reinheit des Eisens klassifizierte er die Eisen - sorten in anderer Reihenfolge, indem er Roheisen als das unreinste, Stahl als das reinste Eisen erklärte. Er nahm an, daſs Guſseisen noch durch viele erdige Bestandteile aus den Erzen verunreinigt sei, im Schmiedeisen seien diese zwar abgeschieden, dieses enthalte da - gegen Eisenkalke, Stahl dagegen sei Eisen im reinsten Zustande der Metallizität.

Die Eisenerze sind nach Reaumurs Ansicht zusammengesetzt aus Eisen -, Erde -, Schwefel - und Salzteilen. Durch den Schmelzprozeſs werden die erdigen Teile von den Eisenteilen getrennt, erstere ver - einigen sich mit den übrigen Verunreinigungen des Eisens zu der leichteren Schlacke, welche auf dem abgeschiedenen schweren Eisen obenaufschwimmt. Reaumur nimmt also die metallische Substanz in den Erzen als bestehend an und ist weit davon entfernt, wie Becher, zu glauben, daſs dieselbe erst durch den Schmelzprozeſs aus5*68Chemie.der erdigen Grundmasse sich bilde. Das Roheisen ist eine noch un - reine Form des Eisens, welches noch nicht vollständig von den in den Erzen enthaltenen erdigen Beimengungen getrennt ist. Als wesentlichen Bestandteil enthält es eine beträchtliche Beimengung schweflig-salziger Materie. Nach Reaumurs Auffassung bilden Guſs - eisen, Stahl und Schmiedeisen eine Reihe von reiner Eisensubstanz als Grundmasse, verbunden mit mehr oder weniger schweflig-salziger Materie, und zwar in der Weise, daſs Guſseisen davon am meisten, Schmiedeisen davon am wenigsten enthält und der Stahl in der Mitte zwischen beiden steht. Guſseisen läſst sich durch Abscheiden der schweflig-salzigen Materie erst in Stahl und dann in Eisen über - führen, während weiches Eisen durch Hinzufügung von schweflig - salziger Materie Stahl wird und durch Überschuſs dieser Beimengung in Guſseisen übergeht. Reaumurs Auffassung stimmt also ganz mit unserer heutigen Theorie überein, wenn wir nur statt schweflig - salziger Materie Kohlenstoff setzen. Die Übereinstimmung tritt noch deutlicher hervor, wenn wir ins Auge fassen, daſs Reaumur unter Schwefel nicht das Element in unserem Sinne, sondern den brenn - baren Teil der Holzkohle, des Ruſses u. s. w. verstand.

Die Rolle, die er dem Salz zuschreibt, ist weniger verständlich. Auch die salzige Beimengung denkt er sich flüchtig. Sie dringt mit dem Schwefel in die Poren des Eisens ein. An einer Stelle sagt er, das Salz vermittle die Verflüchtigung und die Aufnahme der schwef - ligen Substanz. Er teilt ihm also nur eine vermittelnde Rolle zu; dennoch hält er es für einen wesentlichen Bestandteil, weshalb er seinem Cementirpulver, dessen wichtigster Bestandteil Kohle ist, Salz beimischt, obgleich er zugiebt, daſs Holzkohlenpulver allein die Um - wandlung von Schmiedeisen in Stahl durch Cementation bewirken kann. Aus theoretischen Gründen, die den irrigen chemischen An - sichten der damaligen Zeit entspringen, kann Reaumur der salzigen Beimengung bei den verschiedenen Eisenarten nicht entbehren, und sie spielt eine wichtige Rolle bei seiner Erklärung der Härtung des Stahles. Eisen hat, nach seiner Ansicht, eine gewisse Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie. Glüht man deshalb Eisen in Substanzen, welche einen Überschuſs dieser Materien enthalten und sie deshalb leicht abgeben (den Cementirpulvern), so nimmt das Eisen dieselben in sich auf. Umgekehrt giebt es Substanzen, welche eine stärkere Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie haben, welche deshalb, wenn man Stahl oder Guſseisen in diesen glüht, diese weich machen (adoucieren), indem sie denselben die be -69Chemie.treffenden Materien entziehen. Auf diesen Thatsachen beruht die Cementstahlfabrikation und die Darstellung des schmiedbaren Gusses, welche wir später näher betrachten werden.

Die Aufnahme der schweflig-salzigen Materie erhöht die Härte des Eisens. Nun tritt aber beim Stahl die eigentümliche Erscheinung ein, daſs derselbe, wenn langsam erkaltet, weich, wenn rasch erkaltet, hart wird, worauf die wichtige Eigenschaft der Stahlhärtung beruht. Dies erklärt Reaumur, von seiner Theorie ausgehend, in geistreicher Weise so: Stahl enthält schweflig-salzige Materie an Eisen gebunden; durch öfteres Erhitzen verliert der Stahl seine Stahlnatur, die schweflig - salzige Substanz läſst sich also durch Glühen verflüchtigen. Ehe dies aber geschieht, tritt ein Zwischenzustand ein. Bei der Erhitzung wird die innige Verbindung des Eisens mit der schweflig-salzigen Materie aufgehoben, dieselbe scheidet sich sozusagen in flüssigem Zu - stande aus und füllt die leeren Räume, die zwischen den Eisenmole - külen vorhanden sind, aus. Tritt plötzliche Abkühlung ein, so wird die Substanz in diesem Zustande fixiert und bewirkt die Stahlhärte, tritt die Abkühlung langsam ein, so kehrt die schweflig-salzige Materie, wenn die Grenztemperatur wiederum erreicht ist, in ihre frühere Lagerung, beziehungsweise ihre intime Verbindung mit dem Eisen zurück. Die fixierte schweflig-salzige Verbindung denkt sich Reau - mur sehr hart, er vergleicht sie treffend mit Eisenpyrit, Schwefelkies, welcher nach den Anschauungen jener Zeit auch in der Hauptsache eine schweflig-salzige Verbindung war; der Schwefel lieſs sich daraus durch Erhitzen in Substanz austreiben, während durch Verwitterung Salz (Eisenvitriol) entstand. Eine ähnliche, wenn nicht dieselbe Ver - bindung wäre die die Eisenmoleküle umgebende, durch rasche Ab - kühlung fixierte Materie. Können wir diese Theorie Reaumurs auch nach dem heutigen Stande der chemischen Wissenschaft nicht als richtig anerkennen, so müssen wir doch zugestehen, daſs sie geistreich ist und sehr nahe mit modernen Theorien übereinstimmt, nach denen der Kohlenstoff dieselbe Rolle spielen soll, wobei auf den allotropischen Zustand desselben als Diamant hingewiesen wird.

Reaumur hielt auch später an der Idee fest, daſs der Grund - stoff des metallischen Eisens ein besonderes Element sei. In der be - rühmten Abhandlung von de Courtivron und Bouchu: Art des Forges et fourneaux à fer in den Descriptions des Arts et Métiers, welche nach Reaumurs hinterlassenen Handschriften ver - faſst ist, wird dieser Gedanke noch schärfer ausgedrückt. Diese Stelle mit der Kritik des deutschen Übersetzers von Justi giebt eine70Chemie.interessante Illustration zu der chemischen Auffassung der Metalle in jener Zeit. Nachdem der Verfasser auf die Widersprüche der herr - schenden Theorie hingewiesen hat, sagt er (Reaumur): Wäre es nicht denkbar, daſs es ebenso viele Elemente als verschiedene Metalle selbst gäbe, wovon ein jedes sein ihm eigentümliches Wesen hätte? Die metallischen Substanzen, sagt man, sind schwere, glänzende, undurchsichtige und schmelzbare Körper, die hauptsächlich aus der Verbindung einer glasartigen Erde mit dem brennbaren Wesen ent - standen sind. Wir aber kommen zu dem Schluſs, ein Metall ist ein schwerer, glänzender und undurchsichtiger Körper, der im Feuer schmilzt, unter dem Hammer sich treiben läſst und der aus einer glasartigen Erde, dem brennbaren Wesen und einem noch un - bekannten, verborgenen und jedem Metall besonders eigenen Element besteht. Nach dieser allgemeinen Erklärung muſs man insbesondere von dem Eisen sagen, es sei ein Metall, welches aus seinem eigenen Element, aus Salz und brennbarem Wesen zusammen - gesetzt ist, welche drei Dinge sich im gehörigen Verhältnis in einer glasartigen Grunderde verbinden und darin festgehalten werden . Justi verwirft diese Annahme besonderer metallischer Elemente, da sie die Wahrheit nur verdunkle. Henkel und andere vortreff - liche Mineralogen haben uns gelehrt, daſs ein jedes Metall seine ihm besonders eigene metallische Grunderde hat, wodurch es deter - miniert wird, dieses und kein anderes Metall zu werden.

In der Röstung erblickte Reaumur eine Ausscheidung von überschüssigem Schwefel und Salz, welche sehr notwendig sei, weil sonst bei heftigem Feuer gar kein Eisen sich abscheide, sondern verbrenne.

Justi hatte von der Röstung eine viel unrichtigere Vorstellung. Nach seiner Meinung1)Siehe Justi, Schauplatz II, S. 62, Anmerkung. enthalten die Eisenerze weiter nichts, als die metallische Erde des Eisens in sich und keineswegs wirkliches Eisen. Das Eisen wird erst erzeugt, wenn sich das brenn - liche Wesen der Kohlen mit der metallischen Eisenerde verbindet. Allein in dem hohen Ofen selbst kann sich wegen der Menge des Eisensteins und wegen der Gewalt der Blasebälge, welche eine Menge brennliches Wesen forttreiben, nicht soviel brennliches Wesen mit der Eisenerde vereinigen, als deren Menge erfordert. Es geht also ein sehr groſser Teil annoch rohe und noch nicht metalli - fizierte Eisenerde in das Guſseisen mit hinein. Daher entsteht also71Chemie.die groſse Sprödigkeit und daſs sehr viele nachfolgende Bearbeitung im Feuer erfordert wird, um mit der annoch in dem Guſseisen steckenden groſsen Menge roher Eisenerde brennliches Wesen zu ver - binden. Allein, da in diesen nachfolgenden Arbeiten diese Verbindung des brennlichen Wesens wegen des groſsen Klumpens von Metall nur auf der Oberfläche geschehen kann, daher soviel Hämmerens und Durch - schweiſsens erfordert wird, um ein geschmeidiges Eisen zu machen, so sondert sich eben bei diesem Durchschweiſsen und Bearbeiten eine groſse Menge annoch unmetallifizierter Eisenerde in Schlacken davon ab. Diese geht also verloren. Man sieht aber leicht, daſs nicht soviel Eisen - erde unnützer Weise verloren gehen würde, wenn man schon vor dem Schmelzen in den Eisenstein brennliches Wesen zu bringen be - müht gewesen wäre. Dieses geschieht nun durch das Rösten, und zwar am besten, wenn das Rösten vermittelst schichtenweiser Versetzung mit Kohlen geschieht. Je langsamer das Feuer bei dem Rösten angeht, und je weniger heftig der Grad des Feuers ist, je mehr brennliches Wesen muſs sich mit den Eisensteinen verbinden. Ich glaube sogar, wenn man die Haufen von Kohlen - und Erzschichten, wie die Meiler mit Rasen bedeckte (!) und nur vermöge anfangs schwacher Öff - nungen das Feuer sehr langsam angehen lieſse, daſs dies die nütz - lichste Art des Röstens sein würde .

Ebenso verkehrt waren Justis Ansichten über den Schmelz - prozeſs. Herr v. Justi hat im Anhange zu seiner Übersetzung der Abhandlung von v. Courtivron und Bouchu an Stelle der Über - setzung des Swedenborg, welche er weggelassen, einen mageren Ersatz geboten in der Beschreibung des Baruther Hochofens durch den Grafen von Solms-Baruth und einem sehr mittelmäſsigen Aufsatz über das Eisenhüttenwesen im Allgemeinen von ihm selbst. Er be - weist darin nicht nur sehr oberflächliche praktische Kenntnisse, sondern entwickelt auch ganz verkehrte theoretische Ansichten. Die - selben würden keine Beachtung verdienen, wenn v. Justi nicht doch eine gewisse Autorität im vorigen Jahrhundert genossen hätte, aller - dings weniger in Fachkreisen als bei dem sogenannten gebildeten Publikum.

Seine Grundanschauung von der Natur des Eisens und der Erze war eine durchaus falsche. Nach seiner Ansicht kann eine jede ge - meine Erde eine metallische Eisenerde werden , durch die Einwirkung mineralischer sowohl als vegetabilischer Säuren. Die Erze im Boden sind in dieser Weise entstanden. Die Raseneisensteine dienen ihm als Beispiel, denn diese sind nach seiner Behauptung entstanden und72Chemie.entstehen noch fortwährend durch die Einwirkung vegetabilischer Säure auf gemeine Erde oder Schlamm!

Das Ausschmelzen der Erze zu Eisen ist nach seiner Annahme Austreibung der Säure und Aufnahme von brennlichem Wesen, welches sich mit der Eisenerde verbindet und dadurch zu Metall wird. Nach seiner Ansicht ist es eine sehr lächerliche Einbildung, wenn man glaubt, daſs Zuschläge den Fluſs der Eisenerze in der That befördern können . Der eigentliche Endzweck und Nutzen der sogenannten Fluſssteine ist, daſs sie das überflüssige Saure der Eisenerze in sich schlucken. Sie bewirken also, daſs die metallische Eisenerde desto leichter von dem Sauren befreit wird, sich mit dem brennlichen Wesen vereinigt und in einen metallischen König gehen kann; dahingegen, wenn man diesen Zusatz nicht brauchet, viele Eisenerde, die noch mit dem Sauren verbunden ist, in den Schlacken bleibt. Sie sind also mehr ein Niederschlagungsmittel, als eine Sache, welche den Fluſs und das leichtere Schmelzen befördert.

Der Grund, warum so viele Erze ein sprödes, weiſses Eisen, welches er für verunreinigt hält, geben, ist der, daſs die Eisenerze von Natur Dinge in ihrer Grundmischung haben, welche, wenn sie nicht davon geschieden werden, allemal ein sprödes Eisen verursachen. Diese natürlichen Fehler der Eisenerze sind hauptsächlich dreierlei. Sie führen entweder eine Säure und zuweilen einen wirklichen Schwefel bei sich, oder sie sind arsenikalisch, oder sie sind mit anderen Halb - metallen verunreinigt .

Nun wird in der weiteren Ausführung dem Arsenik eine Ver - breitung und eine Rolle zugeschrieben, die nur in der Phantasie des Verfassers existiert. Es war die bequeme Argumentation jener Zeit, wenn etwas nichts taugte, wenn es nicht nach Wunsch geriet, so war das abscheuliche Arsenik daran Schuld, welches ähn - lich wie der Schwefel überall dabei sein muſste. Natürlich fiel es keinem dieser groſsen Chimisten ein, jemals die Anwesenheit des Arseniks in Substanz nachzuweisen, oder nur danach zu suchen. Seine Anwesenheit war genügend dadurch erwiesen, daſs die Sache nichts taugte. Dass solche verschrobene Theorieen die Praxis nicht fördern konnten, bedarf keiner Versicherung. Theoretiker wie Justi haben mehr geschadet als genützt.

Auf sichererer Grundlage arbeiteten dagegen die schwedischen Chemiker, welche namentlich die Mineralchemie förderten. Brandt, der verdienstvolle Untersuchungen über die Verbindung des Eisens mit anderen metallischen Substanzen angestellt hat, kam mit seinen73Chemie.Ansichten über die Natur des Stahls der Wahrheit schon ziem - lich nahe.

Brandt sagt 1751 über die Umwandlung von weichem Eisen in Stahl: wenn das eigentümliche brennbare Wesen des Eisens durch den Zusatz solcher Materie vermehrt wird, die eine ziemlich feuer - beständige Fettigkeit enthalten, als Hörner, Klauen und dergleichen, welche in verschlossenen Gefäſsen ihre fette Kohlenschwärze bei sich behalten und damit verschlossen geglüht wird, so wird Stahl daraus .

Die phlogistische Schule nahm bereits an, daſs sich das Eisen in verschiedenen Verhältnissen mit dem Phlogiston vermischen könne, da sie aber die Wage und damit die quantitative Bestimmung nicht kannte, war das Alles, was sie über die verschiedenen Oxydations - und Kohlungsstufen des Eisens zu sagen wuſste.

Erwähnenswert ist noch die Entdeckung des Berliner Blaus durch Dippel im Anfange des 18. Jahrhunderts. Nach Stahls Mitteilung von 1731 soll dieselbe dem Zufalle zu verdanken gewesen sein. Erst 1725 wiesen der englische Chemiker John Brown und der Franzose St. F. Geoffroy nach, daſs das Eisen die färbende Substanz im Berliner Blau sei. Groſses Aufsehen erregte der Nachweis des Eisengehaltes im roten Blute, welchen der Italiener Menghini in den Denkschriften der Akademie zu Bologna 1747 veröffentlicht hatte. Nach seinen Ermittelungen berechnet sich der Eisengehalt eines Menschen mit 25 Pfd. Blut auf 6 Loth = 100 g.

Die Probierkunst hatte in Bezug auf die Bestimmung des Eisens besondere Verbesserungen nicht erfahren, man bediente sich nach wie vor der trockenen Probe.

Christian Carl Schindler unterscheidet in seiner metallischen Probierkunst (Dresden 1697) folgende Eisenerze:

Brauneisenstein, Roteisenstein, Glaskopf (Blutstein), weiſser Eisen - stein, sieht weiſs wie ein Spat und giebt gut Eisen und gelber Eisenstein, sieht wie eine gelbe Erde aus .

Eisen - und Stahlstein zu probieren, giebt er folgende Vor - schriften: Nimm den Eisen - oder Stahlstein, reibe ihn klein, wiege dessen 2 Centner (Probiercentner) und röste ihn wohl und gut. So er erkaltet, so teile ihn. Zu solchem einem Teil nimm 2 Centner schwarzen Fluſs, 1 Centner Salarmoniak, einen halben Centner Glas - galle und einen halben Centner klein geriebene Kohlen, solches wohl untereinander vermenget, mit Salz bedeckt und eine starke Viertel - stunde wohl zugeblasen.

74Physik.

Oder: 1 Centner gerösteten Eisenstein, 1 Centner Bleiglas, 2 Centner schwarzen Fluſs von 2 Teilen Salpeter und einem Teil Weinstein und einen halben Centner kleingeriebene Kohlen.

Oder: Nimm alten stinkenden Urin zwei Maſs, thue darin eine Hand voll pulverisierten Weinstein und auch soviel Glasgalle oder Pottasche, solches wohl eingesotten, bis es hart wird, dann klein ge - rieben und auf einen Centner gerösteten Eisenstein 6 Centner dieses Flusses genommen, mit Salz bedeckt und bei einer starken Viertel - stunde wohl angesotten, so bekommst Du seinen Gehalt.

Im Jahre 1739 gab Johann Andreas Cramer seine Docimasia zu Leyden in Holland heraus, welche 1743 verbessert als Elementa Artis Docimasticae, die auch in die englische und französische Sprache übersetzt wurden, erschien. Er verwirft die Probe mit dem Magneten und bemerkt zur Tiegelprobe, daſs dieselbe nicht so zu - treffend sei wie bei den anderen Metallen. Es gehört ein sehr hef - tiges und langandauerndes Feuer dazu, wenn das sämtliche redu - zierte Eisen in ein dichtes Korn gehen soll. Da man nun kein sicheres Kennzeichen hat, wann solches geschehen ist und vom Eisen gar bald ein Merkliches wieder in die Schlacken gehet, wenn mit dem Feuer länger als nötig fortgefahren wird, so bleibt diese Probe allemal ungewiſs. Das Korn untersucht man mit einem Hammer auf einem kleinen Amboſs und erkennt dann leicht, ob das Eisen gar oder grell ist.

Die trockene Probe gab nie den wirklichen Eisengehalt, sondern den Gehalt von Roheisen, der sich aus dem betreffenden Erz aus - schmelzen lieſs.

Physik.

Im Jahre 1704 schmolz Homberg kleine Stücke Schmied - eisen mit einem Brennspiegel. Es bildete sich eine pechartige Schlacke und ein weiſses löcheriges Guſseisen 1)Hist. et Mém. de l’académie des sciences à Paris 1706, p. 199.. Das Eisen verhielt sich dabei verschieden von den übrigen Metallen, welche allmählich in ihrer ganzen Masse schmolzen, während sich bei dem Eisen zuerst eine schwarze pechartige Masse auf der Oberfläche bildete. Brachte man diese mit Kohle in Berührung, so fand Funkensprühen und Aufschäumen statt.

75Physik.

Einen ähnlichen Versuch machte der ältere Geoffroy mit Eisen - oxyden, und Reaumur benutzt denselben zu seiner Theorie des Vor - ganges im Hochofen, dessen wichtigster Teil darin bestehe, daſs das trockene , denaturierte Eisen, fer dépouillé, durch die Berührung mit der Kohle die öligen Teile aus dieser aufnehme und dadurch in metallisches Guſseisen verwandelt werde. Er berichtet1)Siehe Descriptions des arts et métiers II, p. 122., Geoffroy habe seine Versuche mit dem groſsen Brennspiegel des Herzogs von Orleans gemacht. Er habe verschiedene Eisenrostarten genommen, teils den, welcher durch die Feuchtigkeit an der Luft erzeugt war, teils das im Feuer entstandene und gut ausgeglühte caput mortuum. Diese Materien habe er in den Brennpunkt des Spiegels gebracht, wobei er ihnen zuerst einen Sandstein zur Unterlage gegeben habe. Sie seien geschmolzen wie Öl und hätten nach dem Erkalten eine metallische zerreibliche Masse gebildet. Dann habe er dieselben Stoffe, sowie auch das erhaltene Schmelzprodukt, auf einer Kohlen - unterlage dem Fokus des Brennspiegels ausgesetzt. Sie seien ebenso geschmolzen, wie im ersten Falle. Nachdem man sie aber heraus - genommen und untersucht habe, hätte man wirkliches Metall, ge - schmolzenes Eisen, gefunden. Auch Geoffroy erklärt dies daher, daſs die Eisenerde sich mit der fetten Materie der Kohlen verbunden habe und dadurch das Metall entstanden sei. Ebenso zeigte es sich, daſs, wenn man Eisen oder Stahl auf einer Unterlage von Sandstein vor dem Brennspiegel schmolz, das flüssige Produkt nach dem Er - kalten nur noch eine metallische Masse war. Schmolz man es aber auf einer Unterlage von Kohlen, so warf das geschmolzene Eisen lebhaft Funken und diese Funken sind nichts anderes als kleine Kügelchen von Guſseisen. Indem das Eisen das Öl aus der Kohle aufnimmt, dehnt es sich aus und stöſst die kleinen Kügelchen fort. Ähnliches geschieht im Hochofen, wo das Erz in dem oberen Teile des Gestelles in Berührung mit der Kohle die öligen Teile desselben einsaugt und mit fetter Materie durchdrungen vor die Form gelangt.

Reaumur ist in seinen verschiedenen Abhandlungen sehr ein - gehend auf die physikalischen Eigenschaften des Eisens eingegangen. Er hat dieselben zuerst in wissenschaftlicher Weise be - handelt. Über das Gefüge (Textur, Struktur) und die Härte namentlich des Stahles, hat er sehr genaue Beschreibungen in seinen klassischen Abhandlungen Die Kunst, Schmiedeeisen in Stahl zu ver - wandeln und Die Kunst, gegossenes Eisen zu erweichen gegeben. Bei76Physik.dem Roheisen unterscheidet er weiſses, graues und halbiertes (fonte truitée Forelleneisen, welcher Name aus der Champagne stammt). Das weiſse Eisen galt ihm als das reinere Eisen, was ihm dadurch erwiesen schien, daſs es beim Verfrischen weniger Abbrand gab. Das graue war ihm ein unvollkommen ausgeschmolzenes Roheisen. Er unterscheidet strahliges und dichtes weiſses Eisen, welches letztere unter dem Mikroskop ein feinkörniges Gefüge zeige. Graues Eisen ist unter dem Mikroskop schwammig und erscheint wie ein Flechtwerk. Nach der Farbe unterscheidet er grau, braun und schwarz; je dunkler, je weicher ist das Roheisen. Bei dem Schmiedeisen unterscheidet er hauptsächlich sehnigen, körnigen und blätterigen Bruch. Diese Ein - teilung genügt ihm aber nicht, er stellt vielmehr sieben Gruppen auf. Wir werden bei der Cementstahlfabrikation auf diese Ein - teilung näher zu sprechen kommen. Wir erwähnen hier nur noch, daſs Reaumur, welcher zuerst das Mikroskop zur Untersuchung des Gefüges anwendete, auch der erste war, welcher genaue Zeich - nungen der Bruchflächen gemacht und dieselben in Kupferstichen dargestellt hat1)Siehe Reaumur, L’art de convertir le fer forgé en acier, wo er Tab. VI und VII die Bruchflächen des Schmiedeisens und Tab. VIII und IX Bruchflächen des Stahls darstellt..

Er schildert genau die physikalischen Unterschiede zwischen Eisen und Stahl, als deren wichtigsten er die Härtbarkeit des Stahls hervorhebt. Er berichtet ferner, daſs Stahl leichter Hitze an - nehme, sich rascher erhitze, als Schmiedeisen, und daſs er die An - lauffarben deutlicher und in rascher Aufeinanderfolge zeige. Über die Eigenschaften des Stahls und dessen Härtung läſst er sich aus - führlich aus2)In den drei letzten Memoiren der vorgenannten Abhandlung..

Er erwähnt als äuſsere Fehler die Kantenrisse; als Fehler, die man im Bruche erkennt, Eisenadern, ungleiches Korn, glänzende Blättchen mit dunklem Korn vermischt u. s. w. Die beste Probe ge - währt aber das Schweiſsen. Eine gute Schweiſsnaht muſs beim Durch - hauen kaum erkennbar sein. Brummt der schweiſswarme Stahl im Feuer, so läſst er sich schlecht schmieden; ebenso, wenn er beim Um - biegen Risse bekommt. Auf die Rosen auf der Bruchfläche, worauf die Händler soviel Wert legten, giebt er wenig. Ist ein Stahl frei von Flecken, Rissen, und zeigt er keine Adern oder Schuppen von Eisen im Bruch und ist er gut zu bearbeiten, so sind es drei Dinge, nach denen man ihn schätzt, sein Korn, seine Härte und sein Körper. 77Physik.Unter Körper versteht man den Widerstand, welchen der ge - härtete Stahl gegen Schlag und Stoſs bekundet.

Will man das Korn verschiedener Stahlsorten vergleichen, so muſs der Bruch unter den gleichen Umständen hervorgebracht, namentlich muſs die Härtung bei gleicher Hitze erfolgt sein. Das Korn des Stahles wird bei der Härtung gröber, und zwar um so mehr, je heiſser er abgelöscht wird. Erhitzt man einen Stahlstab an einem Ende und bricht ihn dann in kurzen gleichen Abständen, so kann man deutlich die Verschiedenheit des Korns und die Zunahme der Feinheit desselben mit dem Abstande von dem erhitzten Ende wahr - nehmen. Da es aber auſserordentlich schwer ist, bei der Vergleichung von zwei Stahlstücken die Bruchflächen von gleich erhitzten Stellen zu erhalten, so ist es besser, die Stahlstücke ihrer ganzen Länge nach zu brechen. Dies geschieht nach Reaumur am besten dadurch, daſs man die betreffenden Stahlstücke mit einem entsprechenden Stück weichem Eisen zusammenschweiſst. Nachdem man es gehärtet hat, spaltet man das weiche Eisen der Länge nach durch, haut den Stahl ein wenig ein und bricht ihn dann leicht in seiner ganzen Länge. Der Bruch läſst die am stärksten erhitzte Stelle durch das gröbere Korn erkennen und die Vergleichung ist weit sicherer. Auſser - dem kann man das Korn mit dem Korn von Stahlstücken verschiedener Härte, aus denen man sich eine Skala bildet, vergleichen. Man kann nach der erhaltenen Hitze folgende Gruppen unterscheiden: 1. grobes Korn, weiſs und glänzend auf der ganzen Fläche; 2. gemischtes Korn aus weiſsen glänzenden und aus dunklen Körnern, wobei die glänzenden Körner nicht so groſs sind wie bei 1. ; 3. feines, dunkles, nicht graues Korn; 4. groberes, dunkles Korn, dasselbe ist nicht so dunkel wie bei 3. und mehr verschwommen. Dieser Bruch zeigt sich besonders, wenn der Stahl bei der Härtung nicht genügend erhitzt war; er kommt also eigentlich nicht in Betracht. Die Grenzen zwischen diesen Gruppen sind nicht scharf. Zur Beobachtung bedient man sich am besten einer Lupe.

Bei der Vergleichung in Bezug auf die Härte ist zu berücksichti - gen, daſs in der Regel der Stahl um so härter wird, je heiſser er abge - löscht wird. Auch hier müssen die gleichen Bedingungen, wie gleicher Querschnitt und gleiche Hitze bei der Härtung vorausgesetzt werden. Zur Ermittelung der Härte bedienen sich die Arbeiter der Feile und unterscheiden einfach Stahl, der von der Feile angegriffen wird, und solchen, der nicht angegriffen wird. Reaumur hebt mit Recht hervor, daſs dieses Mittel ganz ungenügend sei, weil die Feilen selbst von78Physik.sehr verschiedener Härte seien, es auſserdem aber noch eine Reihe von unterscheidbaren Härtegraden, und zwar gerade bei den feinsten Stahlsorten gäbe, welche von der Feile nicht angegriffen würden. Deshalb schlägt er eine Härteskala vor, ähnlich derjenigen, welche man später bei der Mineralogie in Anwendung gebracht hat, nur daſs seine Skala aus lauter harten Körpern besteht. Sie beginnt 1. mit Glas, das noch von der Feile angegriffen wird, 2. weichster Bergkrystall (? vielleicht Chalcedon), 3. durchscheinender, harter

Fig. 1.

Kiesel (von Medoc), 4. Agat (von Perpig - nan), 5. orientalischer Jaspis, 6. orientali - scher Topas, oder statt dessen Korund, und 7. Diamant.

Mit diesen Härte - mitteln ritzt man die Fläche des Stahls nahe der Bruchstelle und bestimmt die Grenzen. Für feine Werkzeuge wird die Agathärte entsprechen, ausneh - mend harte Geräte bedürfen Stahl von Topashärte.

Am umständlichsten ist es, die dritte Eigen - schaft, den Körper des Stahls, d. h. seine Festigkeit bei glei - cher Härte, zu bestimmen. Auch hier beweist Reaumur wieder seine Gründlichkeit und seine Erfindungsgabe, indem er Mittel zur Bestimmung der Festigkeit in Vorschlag bringt, die erst viel später Anerkennung und Anwendung gefunden haben. Festigkeitsvergleiche lassen sich, wie er angiebt, nur bei absolut gleichen Querschnitten erreichen und diese sind nur zu erhalten, wenn man den zu prüfen - den Draht durch dasselbe Zieheisen zu Draht auszieht. Statt die zu prüfenden Drahtstücke im offenen Feuer zu erhitzen, was unsicher ist und eine Änderung des Stahles bewirken kann, bedient sich79Physik.Reaumur flüssiger Metallbäder von geschmolzenem Blei, Zinn oder Guſseisen, in welche die Probestäbchen gleichzeitig und gleichlang eingetaucht werden.

Ist dies geschehen, so bestimmt er den Zerreiſsungspunkt. Statt der Gewichte bedient er sich hierfür des Apparates Fig. 11)Reaumur, loc. cit. Tab. 10, Fig. 1.. Der Draht, dessen eines Ende in einen kleinen Schraubstock eingespannt ist, wird von einer Gabel gefaſst, deren Stiel ein Schraubengewinde besitzt. Durch die Drehung der Gabel wird der Stahl bis zur Elastizitätsgrenze und bis zum Zerreiſsen gespannt. Das Maſs dieser Spannung wird an einem Maſsstabe, über den sich die Gabel hinbewegt, abgelesen. Mit diesem Apparat hätte Reaumur ganz wohl Werte für die absolute Festigkeit ermitteln können, während er sich nur auf vergleichende Zerreiſsversuche beschränkte. Eine andere Probe zu demselben Zwecke besteht darin, daſs man den Stahl als Meiſsel ausschmiedet, ihm eine bestimmte Härtung giebt und dann an einem Stahlstab, den man nur am Ende erhitzt und dann ge - härtet hat, in bestimmten abgemessenen Abständen von diesem Ende die Tiefe und Schärfe der Einschnitte bei gleich starkem Hieb, welcher durch ein herabfallendes Gewicht bewirkt werden kann, be - obachtet. Dies ist ein einfaches, zweckmäſsiges Verfahren, um zu sehen, ob der Stahl gut steht .

Die Härtefähigkeit ist die Eigenschaft, welche dem Stahl seinen Hauptwert giebt. Reaumur hat zahlreiche Versuche darüber angestellt. Erhitzt man den Stahl, so wird er ausgedehnt, löscht man ihn plötzlich in kaltem Wasser ab, so behält er diese Ausdehnung. Sein Korn erscheint gröſser, weil die Zwischenräume zwischen den Molekülen sich erweitert haben. Man sollte nun glauben, daſs der Stahl dadurch weicher geworden sei, daſs eine Feile leichter ein - dringen könnte, aber das Gegenteil ist der Fall, er ist viel härter geworden, die Feile greift ihn nicht mehr an. Reaumurs geistreiche Erklärung dieser Erscheinung beruht auf seiner Theorie der chemi - schen Zusammensetzung von Eisen und Stahl, die wir bei der Chemie des Eisens bereits auseinandergesetzt haben. Daſs der gehärtete Stahl ein gröſseres Volumen einnimmt als der weiche, läſst sich leicht be - weisen. Ein gehärtetes Stück Stahldraht geht nicht mehr durch das Ziehloch, welches er zuvor im ungehärteten Zustande passiert hat2)Hierauf hatte schon Perrault 1680 hingewiesen, siehe Oeuvres diverses de physique et de mechanique de Mrs. E. und P. Perrault I, p. 17.. Reaumur hat diese Volumvermehrung durch genaue Versuche ge -80Physik.messen und die lineare Ausdehnung zu 1 / 145, die körperliche Aus - dehnung zu 1 / 48 ermittelt. Er hat durch interessante Versuche festgestellt, daſs eine Gewichtsänderung hierbei nicht eintrat, daſs also weder ein Stoff hinzugetreten noch ausgetreten ist: also kann die wunderbare Erscheinung, daſs der durch die Hitze ausgedehnte Stahl durch das Ablöschen hart wird, nur auf einer inneren Ver - änderung, einer anderen Lagerung der kleinsten Teile der Mole - küle, beruhen. Um dies zu ermitteln, hat Reaumur mikro - skopische Untersuchungen angestellt1)l. c. S. 321 und 330., und hat dadurch zuerst das Mikroskop zur Untersuchung des Eisens in Anwendung gebracht. Diese Untersuchungen bestärkten ihn in seiner Hypothese, daſs ge - wisse Verbindungen flüchtiger Stoffe sich in die Hohlräume zwischen den Molekülen des Eisens einlagerten. Die Einsatzhärtung, welche nur eine Oberflächenhärtung, durch Zufuhr flüchtiger (schweflig-sal - ziger) Stoffe bezwecke, bestätigt nach seiner Meinung seine Theorie. Während aber durch das Ablöschen des erhitzten Stahles die Härte sich sehr gesteigert hat, sei seine Festigkeit, entsprechend seinem lockeren Zustande, geringer geworden: gehärteter Stahl zerreiſse bei geringerer Kraft als ungehärteter2)Dies ist aber nur bei geringer oder bei starker Erhitzung richtig, da - zwischen tritt die umgekehrte Erscheinung ein: die Festigkeit des Stahls wächst durch das Härten.. Die Härte stehe also in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit der Festigkeit. Durch die Aus - dehnung beim Erhitzen und die darauf folgende Härtung ist die Be - rührung der Moleküle eine geringere, beziehungsweise der Abstand derselben ein gröſserer geworden, und daraus erklärt Reaumur die Abnahme der Festigkeit; die Thatsache selbst stellte er durch Ver - suche fest, welche einen beträchtlichen Unterschied der Festigkeit bei dem gehärteten und bei dem ungehärteten Stahl ergaben.

Die Härte wächst mit dem Grade der Hitze bei der Härtung, dies hat aber seine Grenze, überhitzter Stahl wird wieder weicher. Dies erklärt sich leicht aus der angegebenen Theorie, denn die Über - hitzung tritt ein, wenn die schweflig-salzige Materie, welche die Zwischenräume der Moleküle ausgefüllt hatte, anfängt, sich zu verflüchtigen. Daſs der gehärtete Stahl durch Erhitzen und lang - sames Abkühlen wieder weich wird, erklärt sich nach Reaumurs Hypothese einfach daraus, daſs hierbei die schweflig-salzige Materie wieder in ihre ursprüngliche Verbindung mit dem Eisen zurückkehrt. Auch das erhitzte Eisen wird durch das Ablöschen in kaltem Wasser81Physik.härter, wenn auch nur in geringem Grade. Stahl erhitzt sich leichter als Eisen; und derselbe Hitzegrad dehnt den Stahl mehr aus als das Eisen; und das durch die Hitze ausgedehnte Eisen kehrt im Gegensatz zum Stahl nahezu vollständig wieder in sein ursprüngliches Volum zurück.

Die Härtung des Stahls beruht stets auf der raschen Abkühlung desselben. Dies kann aber unter sehr verschiedenen Umständen ge - schehen. Der Stahl kann mehr oder weniger heiſs sein, aber auch die Flüssigkeit, in der er abgelöscht wird, kann wärmer oder kälter sein. Die Wirkung hängt hauptsächlich von der Temperaturdifferenz ab. Heiſser Stahl in heiſsem Wasser gelöscht, verhält sich wie ein weniger heiſser Stahl in kaltem Wasser gelöscht.

Die Hitzegrade beginnen für das Auge mit dunkelrot, gehen durch rotbraun, rot, kirschrot, gelb bis zu weiſs. Die erste allgemeine Regel ist, das Korn des Stahles wird um so gröſser, je heiſser er ab - gelöscht wird; die zweite, der Stahl wird um so härter, je heiſser er abgelöscht wird, natürlich beides nur bis zur Grenze der Überhitzung. Eine dritte Regel ist, je feinkörniger der Stahl ist, je härter wird er bei gleicher Temperatur. Man härtet also feinere Stahlsorten bei niedrigerer Temperatur, als groben, wenn man ihn nicht härter haben will. Im allgemeinen muſs man groben Stahl bei höherer Hitze, über Kirschrotglut, härten. Man soll aber nie den Stahl heiſser machen, als für den Zweck erforderlich ist, denn man beeinträchtigt dadurch seine Güte; daraus folgt die praktische Regel, daſs der Stahl - schmied den Löschtrog gleich bei dem Feuer zur Hand haben muſs.

Das Wasser ist aber nicht das einzige Löschmittel bei der Stahl - härtung, man kann jeden Stoff dazu verwenden, der den Stahl ab - kühlt. Man härtet feine Spitzen, indem man sie in ein Stück festes Blei einsticht. Andere Metalle, wie Zinn, Wismut und Antimon, können demselben Zwecke dienen. Als ein besonders wirksames Härte - mittel fand Reaumur das Quecksilber. Trotz seines viel gröſseren spezifischen Gewichtes erhitzte sich ein gleiches Volum Quecksilber beim Löschen eines gleichen Stückes Stahl viel mehr als Wasser. (Infolge der verschiedenen spezifischen Wärme.)

Der in Quecksilber gehärtete Stahl zeigt gröſseres Korn als der in Wasser gelöschte. Nicht alle Wasser verhalten sich gleich. Manche genieſsen besonderen Ruf dafür, den Stahl besser zu härten, wie dies schon im Altertume der Fall war. Es sind dies wohl sehr reine Wasser, denn aufgelöste Salze beeinträchtigen die Härtung. Dies ist auch gewiſs der Grund, warum man dem Tau von jeher eine be - sondere Kraft der Stahlhärtung zugeschrieben hat. Ferner ist derBeck, Geschichte des Eisens. 682Physik.Essig ein gutes Härtemittel. Mit Rübensaft, der in den alten Ge - heimmitteln eine groſse Rolle spielt, erzielte Reaumur keinen Er - folg, wohl aber mit Scheidewasser. Alle fettigen Stoffe, wie Talg, Öl, Terpentin, alle Harze, Weingeist, kurz, alle Substanzen, welche sich entzünden oder zersetzen, löschen den Stahl langsamer als Wasser. Man benutzt dies bei Gegenständen, die man nicht zu rasch abkühlen darf, damit sie nicht springen oder sich werfen. Um einen bestimmten Härtegrad zu erreichen, bedient man sich der Anlauffarben, die bei ganz bestimmten Temperaturen entstehen. Alle diese Punkte be - handelt Reaumur mit groſser Gründlichkeit und können wir hier nur darauf verweisen1)loc. cit. mem. XII..

Reaumur stellte in seiner Abhandlung über schmiedbaren Guſs die Behauptung auf, weiſses Roheisen sei ein reinerer Stoff als graues Roheisen; die graue Farbe rühre daher, daſs dem Eisen noch erdige Substanz beigemengt sei. Die Schweden zunächst Swedenborg waren umgekehrt geneigt, das graue Eisen für reiner zu halten, weil es ihnen das beste Schmiedeisen gab. Jars führt in seiner metal - lurgischen Reise2)Jars, Metallurgische Reise, deutsch von Gerhard I, S. 27. aus, daſs die Farbe und Textur nicht immer über die gröſsere oder geringere Reinheit des Roheisens entscheide. Er schmolz dasselbe graue Roheisen unter denselben Bedingungen ein und lieſs dann das eine rasch, das andere langsam erkalten. Das Eisen in dem einen zeigte sich weiſs, in dem anderen grau, obgleich es derselbe Stoff war. Jars geht aber zu weit, wenn er daraus den Schluſs zieht, weiſses Eisen entstehe immer durch rasche Abkühlung von grauem Eisen. Rinman hat vielmehr nachgewiesen und durch Ver - suche festgestellt, daſs weiſses Eisen, welches aus schlecht gerösteten rohen, oder rotbrüchigen Erzen erblasen ist, sich nie durch langsames Abkühlen in graues, gares oder weiches Eisen umwandeln lasse3)Siehe Rinman, Geschichte des Eisens I, S. 4..

Auffallend wenig hat Reaumur das verschiedene specifische Gewicht der Eisensorten beachtet und untersucht. Dagegen giebt Swedenborg das normale Gewicht von Eisen zu Regenwasser auf 7,817 an, verzeichnet aber zugleich folgende von ihm ermittelte ab - weichende Zahlen: 7,645, 7,914, 8,000, 8,166.

Die ersten Ermittelungen über das spezifische Gewicht der Me - talle hatte Robert Boyle im Jahre 1675 angestellt.

Eingehend hatte alsdann Musschenbroek diese Frage studiert. Er machte eine erstaunliche Zahl von Gewichtsbestimmungen.

83Physik.

Für Stahl und Eisen fand er folgende Zahlen:

Gerhard ermittelte folgende Zahlen für Schmiedeisen, die aber durchgehends zu niedrig sind:

  • Eisen von Sorge (Zorge) 7,246
  • do. Mägdesprung7,243
  • do. Schwedisches7,247
  • do. Osmund aus der Grafschaft Mark7,250
  • do. von Krossen7,208
  • do. Kutzdort7,201

Vom praktischen Standpunkte aus prüfte der Marquis von Mon - talembert die Frage, indem er die Qualität der Guſseisensorten für Geschützguſs nach dem spezifischen Gewicht zu ermitteln suchte. Er bestimmte die spezifischen Gewichte

  • von groſsblättrigem, lockerem Gieſsereieisen zu 7,098
  • mittlerem 7,237
  • dichtem, hartem 7,473,

so daſs ein Pariser Kubikfuſs 496 Pfd. 14 Unzen 2 Gran (gros), 507 Pfd. 3 Unzen 5 Gran, und 524 Pfd. 7 Unzen 2 Gran wiegen würden. De - parcieux sagt, die französischen Architekten rechneten den Kubikfuſs Eisen durchgehends zu 580 Pfd. Dies sei aber für Guſseisen ganz unrichtig, da dasselbe nach seinen Ermittelungen an Guſseisen von Dampierre nur 496 bis 498 Pfd. wiege. Bergman bestimmte das spezifische Gewicht zu 7,751 bis 7,825, im Mittel zu 7,770. Buffon ermittelte das Gewicht von einem Kubikfuſs von weiſsem Roheisen zu 457 Pfd., von flüssigem Roheisen zu 462 Pfd., und von grauem zu 485 Pfd.

6*84Physik.

Die umfassendste Untersuchung über das spezifische Gewicht der verschiedenen Eisensorten stellte aber Sven Rinman an. Aus seiner Tabelle wollen wir nur einige besonders interessante Zahlen anführen.

  • 1. Schmiedeisen, weiches, von Grangerde7,698
  • 2. do. kaltbrüchiges, ebendaher7,742
  • 3. Schweiſsstahl, ungehärtet7,751
  • 4. do. gehärtet7,553
  • 5. Steyrischer Schmelzstahl, ungehärtet7,782
  • 6. do. do. gehärtet7,822
  • 7. Englischer Guſsstahl, geschmiedet und geglüht7,919
  • 8. do. do. kalt gehämmert7,830
  • 9. do. do. gehärtet bei gelinder Hitze7,708
  • 10. do. do. gehärtet bei weiſs warmer Hitze7,831
  • 11. Schwedischer Brennstahl, blasig, ungereckt7,255
  • 12. do. do. ausgeschmiedet, aber unge - härtet7,767
  • (Das Eisen, woraus dieser Stahl angefertigt7,698)
  • 13. Roheisen, grau, vom besten Gang7,052
  • 14. do. schwarzgrau, grobkörnig, vom ersten Ab - stich7,000
  • 15. do. schwarzgrau, feinkörnig7,090
  • 16. do. lichtgrau, weniger gar7,329
  • 17. do. lichtgrau, feinkörnig, etwas rotbrüchig7,572
  • 18. do. weiſs-grell, aus rotbrüchigen Erzen7,676
  • 19. do. weiſs, feinkörnig, sehr zähe7,840
  • 20. do. weiſs, im Reverberierofen umgeschmolzen7,080

Rinman zieht aus seinen Versuchen folgende allgemeine Schlüsse: Stahl ist in der Regel schwerer als Eisen, das mittlere Ge - wicht berechnet sich zu 7,795, während das des Eisens noch unter 7,700 bleibt.

Von den Stahlsorten ist der englische Guſsstahl der schwerste und Rinman findet, daſs der dichteste Stahl auch der spezifisch schwerste ist. Durch die Härtung nimmt der Stahl an Volum zu, wird in Folge dessen spezifisch leichter. Von den Roheisensorten sind die weiſsen, grellen die härtesten und schwersten, die schwarz - grauen, garen die leichtesten. Das mittlere spezifische Gewicht be - rechnet sich zu 7,251. Die abgerundeten spezifischen Gewichte be - tragen für Stahl 7,80, für Stabeisen 7,70, für Roheisen 7,25. Die ver - schiedenen spezifischen Gewichte sind nicht nur für den Naturforscher,85Physik.sondern auch für den Mechaniker und Architekten von Wichtigkeit. Rinman hat ferner Versuche darüber angestellt, ob sich aus dem spezifischen Gewicht der Eisenerze der Erzgehalt berechnen lieſse, hat aber gefunden, daſs dieses Verfahren keine zuverlässigen Resul - tate giebt. Bei den besten schwedischen Eisenerzen fand er, daſs sich das spezifische Gewicht zu den Prozenten ihres Eisengehaltes wie 85 zu 1 verhielt; oder daſs der Quotient des spezifischen Ge - wichtes in tausend Teilen, dividiert durch 85, den Gehalt der Erze in Prozenten angiebt. Eine sehr fleiſsige Arbeit über das spezifische Gewicht vieler Eisen - und Stahlsorten veröffentlichte George Pear - son 1795 in seiner Arbeit über den indischen Wootzstahl1)Siehe Philosophical Transactions 1795, II, p. 322..

Die Federkraft des Eisens steht in einem gewissen Verhält - nisse zur Dichtigkeit und zu dem damit verbundenen spezifischen Gewicht. Sie wird durch kaltes Hämmern, Walzen, Ziehen u. s. w. sehr verstärkt, wozu aber kaltbrüchiges Eisen überhaupt nicht und rotbrüchiges, weil es zu weich ist, wenig zu brauchen ist. Dieses kalte Hämmern wird für alle Gegenstände, die federn sollen, nament - lich bei den Sägeblättern angewendet, das kalte Walzen durch glatte Stahlwalzen bei den Uhrfedern. Durch das Feuer wird die Feder - kraft zerstört, so daſs eine elastische Feder nach dem Glühen ebenso weich wie gewöhnliches Eisen wird.

Über die Festigkeit des Eisens stellte ebenfalls Musschen - broek2)Siehe J. von Musschenbroek, Cours de physique experimentale et mathé - matique, Tome II, p. 101. zuerst genaue Ermittelungen an. Im Vergleiche mit einigen anderen fand er bei quadratischen Stäbchen von 289 / 10000 Zoll Quer - schnitt:

  • das Zerreiſsungsgewicht das spec. Gew.
  • Bei Japanischem Kupfer573 Pfd. 8,7267
  • deutschem Eisen1930 7,8076
  • englischem Zinn150 7,295

Bei einer Reihe anderer Versuche, welche den Zweck hatten, verschiedene Eisen - und Stahlsorten unter sich zu vergleichen, gab er seinen quadratischen Stäbchen eine Dicke von 1 / 10 rhein. Zoll. Er fand:

  • das Zerreiſsungsgewicht
  • Bei spanischem Eisen von Ronda in Andalusien800 Pfd.
  • vier Sorten schwedischem Eisen (670 bis 870 Pfd.) im Mittel 726
  • drei schwedischem Osmund (670 bis 750 Pfd.) 700
  • zwei deutschem Eisen (600 und 910 Pfd.) 755
  • drei (680 bis 840 ) 740
86Physik.
  • das Zerreiſsungsgewicht
  • Bei drei Sorten geringem Eisen (670 bis 690 Pfd.) im Mittel 676 Pfd.
  • drei Eisen von Lüttich (610 bis 810 Pfd.) 723
  • Sehr guter weicher Stahl1190
  • Mittelguter 1240
  • Geringer 1080
  • Sehr guter gehärteter Stahl1120
  • Stahl von der Härte eines Rasiermessers1500
  • do. gewöhnlichen Messers1350

Gerhard1)Siehe Jars, Metallurgische Reisen, deutsch von Gerhard, Bd. VI, 1777. Anmerkung, S. 640. ermittelte folgende Belastungsgewichte bis zur Zer - reiſsung eines Stabes von 1 / 12 Zoll im Quadrat:

  • Sorger Eisen1624 Pfd.
  • Mägdesprunger 1626
  • Schwedisches 1620
  • Osemund 1702
  • Krossener 1599
  • Kutzdorfer 1606

Buffon machte ebenfalls zahlreiche Versuche über die Zähig - keit des Eisens2)Siehe Buffon, Histoire Naturelle, Tome V, 4. Mémoire: Expériences sur la tenacité et sur la décomposition de fer.. Draht von einer Linie Dicke trug 482 bis 495 Pfd. Dickes Eisen zeigte im Verhältnis eine viel geringere Tragkraft als dünnes; die Tragkraft des dicken Eisens erhöhte sich durch Über - schmieden. Er will gefunden haben, daſs Schmiedeisen mit Sehne über fünfmal soviel Widerstand leistet, als Eisen ohne Sehne, und daſs die Festigkeit des Eisens lange nicht so sehr von dem Erz als von der Bearbeitung unter dem Hammer abhängt. Dabei ist das Kalt - hämmern viel wirkungsvoller, als das Hämmern in der Hitze, indem das Glühen an und für sich die Zähigkeit des Eisens immer ver - mindert. Die Sehne entwickle sich erst durch das Hämmern. Das Ablöschen im Wasser zerstöre die Sehne und vermindere die Festigkeit.

Gazeran veröffentlichte die von Ramus zu Creuzot um 1790 angestellten vergleichenden Versuche über die Festigkeit ver - schiedener Sorten von Guſseisen, namentlich solcher, die mit Holz - kohlen und solcher, die mit Koks erzeugt waren3)Siehe Annales de Chimie, Tome VII, p. 97 112.. Die Festigkeit des letzteren war nicht geringer als die des ersteren; durch das Um - schmelzen (im Flammofen) erhöhte sich die Festigkeit. Die Probe - stäbe waren 18 Zoll lang und 3 Linien im Quadrat; sie wurden in der Mitte auf eine scharfe Schneide aufgelegt, das eine Ende war an der87Physik.Wand befestigt, während an das andere Ende eine Wagschale ge - hängt wurde, welche man mit Gewichten beschwerte bis zum Zer - reiſsen.

Bezüglich der ermittelten Zerreiſsungsgewichte verweisen wir auf die Abhandlung und wollen nur erwähnen, daſs dasselbe bei weiſsem Eisen an 1100 Pfd., bei gutem, grauem Guſseisen 1800 Pfd. betrug.

s’Gravesande ( 1742) und Coulomb beschäftigten sich auch bereits mit der Untersuchung der Elastizität der Metalle, wobei sie fanden, daſs die Spannkraft oder Elastizität, d. h. die Kraft, mit welcher die Teilchen eines Körpers, welche durch Druck oder Zug aus ihrer Lage gebracht worden sind, innerhalb der Elastizitätsgrenze wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückzukehren streben, dem Drucke proportional ist.

Musschenbroek1)Musschenbroek, Introductio ad philosophiam naturalem, Tome II, p. 1527 etc. verdankt man ferner die ersten genauen Untersuchungen über die Ausdehnung der Metalle, namentlich von Eisen und Stahl in der Wärme.

Er bediente sich zum Messen der Ausdehnungen eines von ihm erfundenen Mikrometers, eines kleinen Instrumentes, welches ver - mittelst eines Zeigers, wie bei einer Uhr, die kleinsten Ausdehnungen der Metalle bis auf den 12500. Teil eines Zolls angab, wenn man die kleinen Zaine der verschiedenen Metalle über einer Weingeistlampe erhitzte.

Musschenbroek fand, daſs sich das Eisen vom Gefrierpunkte bis zum Siedepunkte des Wassers um 0,00073 ausdehnt. Er fand ferner, daſs sich das Eisen weniger ausdehnt als Kupfer, Messing, Zinn und Blei.

Vergleichende Versuche ergaben:

  • Ausdehnung von Eisen18
  • do. Silber24
  • do. Gold31
  • do. Blei36

(1 Toise = 33000).

Weiches Eisen dehnt sich weniger aus als Stahl. Die Ausdehnung steht in keinem nachweisbaren Zusammenhange mit dem spezifischen Gewicht oder der Zähigkeit; eher scheint sie in einer gewissen Be - ziehung zu der Schmelzbarkeit der Metalle zu stehen. Rinman fand die Ausdehnung bis zur Weiſsglut bei Stabeisen zu 7 / 560 Stahl, 10 / 56088Physik.und Roheisen 12 / 560 seiner Länge. Das Eisen braucht auch längere Zeit zur Ausdehnung als die übrigen Metalle. Auf die Ausdehnung des Eisens muſs vielfach im Bauwesen und in den Gewerben Rück - sicht genommen werden.

Der Stahl erfährt beim Härten eine Ausdehnung, und es stellt sich nach Reaumurs Versuchen das Verhältnis des ge - härteten Stahles zu dem ungehärteten wie 49 zu 48. Rinmans Versuche bestätigten dies im Allgemeinen, doch fand er die Aus - dehnung bei verschiedenen Stahlsorten verschieden, und erleidet der festeste, dichteste Stahl die geringste Ausdehnung. Bei der Cemen - tation erfährt das Stabeisen eine Volumvergröſserung, welche nach Reaumurs Messungen bei einem Stück Eisen von 5 Zoll Linien = Proz. betrug. Reaumur hatte gefunden, daſs flüssiges Eisen spezifisch schwerer sei als festes, daſs deshalb ein Stück festes Roheisen in einem Bade von flüssigem Roheisen oben - auf schwimme; daſs sich also flüssiges Roheisen beim Erkalten aus - dehne. Rinman bezweifelt dies. Nach seiner Erfahrung zieht sich Guſseisen, welches, in ein offenes Gefäſs gegossen, sich frei aus - dehnen kann, beim Erstarren zusammen. Anders, wenn es in einem geschlossenen Raume erkaltet, wo die Oberfläche rascher erstarrt, als das Innere. Solcher Guſs könne leichter sein, aber nur wegen seiner Undichtigkeit und Porosität.

Über das farbige Anlaufen der Eisensorten, insbesondere des Stahls, hat Rinman zahlreiche Versuche angestellt und ausser dem Anlaufenlassen in geschmolzenen Metallen, als Zinn, Wismut, Blei und Zink und deren Legierungen, eine Reihe von Mitteln zur Hervor - bringung schöner Anlauffarben, namentlich der beliebtesten blauen Farbe angegeben, worauf wir verweisen (§§. 48 bis 52). Über die Zeit, welche zur Erwärmung einer Anzahl Eisenkugeln und zur Abkühlung derselben nötig ist, hat Buffon vergleichende Ver - suche angestellt und gefunden, daſs die Zeiten, welche zum Erwärmen und noch mehr zum Abkühlen nötig sind, nicht im Verhältnis zu den Durchmessern der Kugeln standen, sondern länger waren. Wie zur Ausdehnung, so braucht auch zur Erwärmung das Eisen längere Zeit, als die übrigen Metalle. Ebenso verhält es sich mit der Ab - kühlung. Die Zeit der Erhitzung und Abkühlung ist nicht von dem spezifischen Gewicht, sondern von der Schmelzbarkeit der Metalle ab - hängig.

Von der Wärme hatte man im vorigen Jahrhundert noch die sonderbarsten Vorstellungen. Die mechanische Auffassung erblickte89Physik.darin eine Bewegung, die chemische einen Stoff. In einem guten Schriftchen von Chapuit (Holz-Menage 1757) heiſst es: Das Feuer (die Wärme) ist ein in schnelle Bewegung gesetzter subtiler Schwefel (Phlogiston), der aus einer entzündeten Materie von allen Seiten mit gröſster Geschwindigkeit herausfährt und helle leuchtet . Die Er - fahrung lehrt, daſs dieser in Bewegung gesetzte Schwefel nicht nur die anliegende Luft, sondern auch die in der Nähe befindlichen Körper in Bewegung setzt, selbige heiſs und je nach ihrer Beschaffen - heit sogar flüssig macht.

Der berühmte schwedische Chemiker Scheele faſst dagegen die Wärme durchaus als eine Materie auf. In seiner Abhandlung von der Luft und vom Feuer, 1777, sagt er (§. 96): Das Eisen besteht aus einer eigentümlichen mit einer gewissen Menge Phlogiston und einem gewissen Teile Wärme verbundenen Erde. Die Wärme aber ist eine feine Säure, die sich mit mehr oder weniger Phlogiston vereinigen kann, und obgleich nicht alle Säuren die Eigenschaft haben, das Phlogiston im Übermaſse an sich zu ziehen, so besitzen doch wenigstens sehr viele Säuren diese Eigentümlichkeit und zu diesen gehört die Wärme ebenfalls . Rinman sagt: Je genauer man die Bestandteile des Eisens kennen lernt, desto mehr bestätigt sich Herrn Scheeles Behauptung, daſs die Feuermaterie oder die Wärme ein wirklicher Bestandteil des Eisens ist, und daſs sie durch ihre feine Säure die mannigfaltigen Veränderungen und Abweichungen in der Geschmeidigkeit des Eisens hervorbringe. Deshalb muſs man aber auch die Hitze mit zu den wirklichen Substanzen zählen, durch welche das Eisen in den geschmeidigen Zustand gebracht wird .

Er geht in Verfolgung dieser falschen Theorie soweit, zu be - haupten: Die Wärme oder das Feuer für sich allein ist das wirk - samste Mittel, Roheisen in geschmeidiges Eisen zu verwandeln, so daſs es weder der Luft noch des Wassers bedarf, wie die englische Frisch - methode und andere Versuche beweisen .

Die Vorstellung, daſs die Wärme ein chemischer Stoff sei, erhielt sich auch noch nach dem Sturze der Phlogistontheorie. Lavoisier und Fourcroy betrachteten die Wärme als besonderen Stoff. Die Wärme mache sich nur bemerkbar durch den vorhandenen Wärme - stoff. Als ein Beweis für die Körperlichkeit der Wärme wurde die Ausdehnung der Körper bei der Erwärmung, oder wie man es auf - faſste, durch Zufuhr von Wärmestoff angesehen. Die verschiedenen Aggregatzustände wurden als Wirkungen der Verbindungen mit Wärmestoff angesehen. Bei Zutritt von einem gewissen Maſs von90Physik.Wärmestoff geht die Expansion so weit, daſs der Körper flüssig wird, oder schmilzt. Bei noch gröſserer Aufnahme desselben tritt die Ver - flüchtigung ein. Die Flüssigkeiten sind also Verbindungen fester Materien mit dem Wärmestoff und die Gasarten sind Auflösungen verschiedener Verbindungen im Wärmestoff1)Siehe Tiemann, Eisenhüttenkunde, S. 11.. Die Auflösungsfähig - keit verschiedener Stoffe im Wärmestoff ist verschieden, und die Wärmemenge, welche eine Substanz aufnimmt, um seine Temperatur um einen Grad zu erhöhen, nennt man die spezifische Wärme. Um diese zu bestimmen, erwärmt man den Körper auf eine bestimmte Temperatur und kühlt ihn dann in einem Apparate in Eis ab. Die Menge des geschmolzenen Eises giebt das Maſs für die spezifische Wärme. Einen solchen Apparat nannte man Calorimeter2)Siehe Gren, Grundriſs der Chemie, I. Teil, 1796, S. 94 Anmerkung.. Wich - tiger noch für die metallurgische Praxis war die Bestimmung sehr hoher Temperaturen, bekanntlich eine sehr schwierige Aufgabe. Hier - für erfand Josiah Wedgewood (1730 bis 1795) sein berühmtes Pyrometer. Es bestand aus Thoncylindern, von sehr feuerfestem Thon hergestellt, mit einer flachen Seite, die erhitzt in eine metallene Skala geschoben wurden; da sich der Thon bei hohen Temperaturen zusammenzog, so schob sich der Cylinder um so weiter ein, je heiſser er war. Die Skala begann bei beginnender Rotglut, wofür eine Tem - peratur von 1077° Fahrenheit angenommen wurde, und ging bis zu 170° W. Jeder Grad von Wedgewood begriff 130° Fahrenheit über den 1077. Grad. Die ermittelten Schmelztemperaturen betrugen: von Silber 23° W., von Kupfer 27° W., Gold 32°, Guſseisen 130° W. Die Schweiſshitze des Eisens wurde zwischen 90 und 95° W. angegeben, die Hitze in den Schmelzöfen der Eisengieſsereien zu 150 bis 160°. Die höheren Zahlen sind aber alle viel zu hoch. Die Schmelztemperatur von Guſseisen würde nach obiger Angabe bei 17977° Fahrenheit oder beinahe 10000° Celsius liegen, eine Temperatur, die auf unserem Planeten wohl nicht existiert. Mackenzie gelang es, Stabeisen in sorgfältig verschlossenen Thontiegeln zur Schmelzung zu bringen und er bestimmte die Temperatur auf 155° W.

Von der elektrischen Leitungsfähigkeit des Eisens fing man im vorigen Jahrhundert ebenfalls an, praktischen Gebrauch zu machen. Bekanntlich hatte Benjamin Franklin in Nordamerika, nachdem er bereits 1749 Versuche über die Entladung von Gewitter - wolken durch aufgestellte Metallstangen gemacht hatte, 1753 den Blitzableiter erfunden, welcher bald allgemeine Anwendung fand.

91Die Dampfmaschine vor Watt.

Galvanis Entdeckung des Galvanismus erfolgte 1790 und Voltas scharfsinnige Untersuchungen und richtige Erklärung 1792. 1800 entdeckte Volta seine galvanische Säule, mit welcher der Engländer Nicholson in demselben Jahre Wasser in seine Ele - mentarbestandteile zerlegte.

Die Dampfmaschine vor Watt.

Thomas Savery gebührt der Ruhm, die erste Dampfmaschine erfunden zu haben, die betriebsfähig war und sich in der Praxis be - währt hat. Sie litt an groſsen Unvollkommenheiten und erfüllte die auf sie gesetzten Erwartungen nur zum kleinen Teile, dennoch erhielt sie sich noch längere Zeit, als auch schon die viel vollkommenere Newcomen-Maschine erfunden war.

Gleich der erste Versuch mit einer gröſseren Maschine, von dem wir Kenntnis haben, war ein Miſserfolg für Savery. Im Jahre 1706 errichtete er eine solche für ein Kohlenbergwerk bei Broadwaters in der Nähe von Wednesbury, in Folge einer Einladung der Gruben - besitzer. Der Wasserzufluſs war aber so stark, daſs die Maschine denselben nicht bewältigen konnte, und als Savery dies durch stärkeren Dampfdruck erzwingen wollte, explodierte sein Kessel und zertrümmerte die Maschine.

Ähnliche Unglücksfälle traten öfter ein, und dies war nicht zu verwundern, denn Savery katte keinerlei Manometer an seinem Dampfkessel, der Heizer konnte also nie wissen, welcher Dampfdruck in seinem Kessel war, da aber die Maschine viel besser und vorteil - hafter arbeitete, je höher der Dampfdruck war, so lag die Gefahr, den Kessel zu überheizen, sehr nahe. Dies war auch der Grund, daſs sich die Maschine für groſse Leistungen nicht bewährte, während sie für geringe, gleichmäſsige Leistungen ganz gut arbeitete. Letz - terer Art waren die Maschinen in Herrschaftshäusern und Gärten, um das für Wasch - und Badeeinrichtungen und für Springbrunnen erforderliche Wasser in ein mäſsig hohes Reservoir zu drücken. Solcher Maschinen wurden im Jahre 1712 zwei in der Nähe von London rühmend erwähnt: Die eine zu Sion Hill, Isleworth, für den Herzog von Chandos, die andere für Mr. Balle zu Campden-house92Die Dampfmaschine vor Watt.in Kensington erbaut. Diese beiden Maschinen hatten nur je einen Druckkessel. Wo es nicht auf ununterbrochenen Betrieb ankam, wo also nichts daran lag, nach jeder Entleerung des Druckkessels den Dampf so lange abzustellen, bis sich derselbe wieder gefüllt hatte, war diese einfache Konstruktion vorteilhafter, denn während dieser Unterbrechung stieg die Spannung im Dampfkessel, und der Dampf wirkte dadurch bei seinem Eintritt um so energischer. Die gröſsere Wirkung des höher gespannten, heiſseren Dampfes lag nicht im Druck allein, sondern auch darin, daſs ein geringeres Quantum des heiſseren Dampfes bei der Berührung mit dem kalten Wasser im Druck - kessel kondensiert wurde. Die Aktion des Dampfes als Druckkraft trat erst ein, wenn die oberste Schicht des Wassers bis zu einem ge - wissen Punkte erhitzt war; da dies bei dem heiſseren Dampf rascher geschah, war der Dampfverlust durch Kondensation geringer. Von der Maschine zu Campden-house, die für musterhaft im Verhältnisse ihrer Teile galt, erfahren wir, daſs der Dampfkessel 39, der Druckkessel 13 Gallonen faſste. Das Saug - und Druckrohr hatten 3 Zoll und der Dampfhahn 1 Zoll Bohrung. Das Feuer unter dem Kessel bestand aus einer offenen Kohlenpfanne, und die Maschine wurde einfach dadurch still gestellt, daſs man diese darunter wegzog. Ein Knabe öffnete und schloſs die Hähne mit der Hand und besorgte gleichzeitig die Feuerung. Die Maschine förderte 52 Gallonen Wasser in der Minute 16 Fuſs durch das Saugrohr und 42 Fuſs durch das Druckrohr. Ihre Stärke wurde zu einer Pferdekraft oder fünf bis sechs Menschenkräften geschätzt.

Sie hatte 50 £ gekostet und als sie der Berichterstatter sah, war sie sechs Jahre in Betrieb gewesen1)Abridgments of Specifications rel. to the Steam Engine, Fatent Office. London 1871, I, p. 1 36..

Eine solche Maschine, nur von etwas gröſseren Dimensionen, war es, welche 1716 an Zar Peter den Groſsen nach Petersburg geschickt wurde, um dort die Wasserkünste in den neuen Gartenanlagen zu betreiben. Der kugelförmige Dampfkessel faſste 6 bis 7 Oxhoft, der Druckkessel 1 Oxhoft, derselbe füllte sich viermal in der Minute. An diesem brachte Desaguiliers die Verbesserung an, welche bereits 1713 für die Newcomen-Maschine erfunden war, nämlich das Wasser zur Kondensation in den Druckkessel einzuspritzen, statt es von auſsen nur anzuspritzen. Es wird rühmend hervorgehoben, daſs dies die einzige Verbesserung gewesen sei, die man nachträglich an Saverys Maschine vorgenommen habe. Doch brachte man bei den93Die Dampfmaschine vor Watt.späteren Maschinen auch noch ein Sicherheitsventil am Dampf - kessel an.

Das wichtigste Bedürfnis der damaligen Zeit waren kräftige Pumpen, um das Wasser der Bergwerke, namentlich der Kohlenberg - werke, aufzuwältigen. Davon hing die Existenz vieler Bergwerke ab. Nur wenige waren so gelegen, daſs man natürliche Wassergefälle dazu hätte verwenden können; Tiefbau war aber nur möglich bei entsprechender Wasserhaltung. Für diesen Zweck bewährten sich aber, wie schon erwähnt, Saverys Maschinen nicht. Mit die ersten derselben wurden, wie er selbst berichtet, in Cornwall aufgestellt; die erste, die dort in Betrieb gesetzt wurde, war für eins der reichsten Zinnbergwerke, das groſse Werk in Bearge bei Huel Vor, wenige Meilen von Helstone bestimmt. Der erste Versuch fiel auch gut aus, aber auch hier hielten die Kessel nicht stand und die vielen Kessel - explosionen wurden die Ursache, daſs man sie verwarf und sie durch eine Newcomen-Maschine ersetzte. Ein gleiches Schicksal, wenn auch ein längeres Leben, hatte die Maschine, welche Savery für das Wasserwerk von York-buildings in West-London 1710 aufstellte. Es war dies seine älteste groſse Maschine (great work). Er machte alle Teile davon doppelt so stark als zuvor. Diese Maschine hatte zwei Dampf - und zwei Druckkessel.

Er machte darin den Dampf acht - bis zehnmal so stark, wie die gewöhnliche Luft. Dadurch wurde die Hitze im Kessel so groſs, daſs das übliche Lot schmolz und der Druck alle Fugen auseinandertrieb, so daſs er gezwungen wurde, alle Verbindungen mit Zink (spelter) zu löten. Diese Maschine wurde später durch eine Newcomensche er - setzt, die neben der alten errichtet wurde. Sie stand noch im Jahre 1732, wo sie der französische Reisende Montraye sah, doch scheint sie kurze Zeit danach abgerissen worden zu sein. Daſs Savery schon eine Ahnung von der Wirkung der Expansion hatte, geht daraus hervor, daſs er anordnete, den Dampfhahn schon abzustellen, ehe der Druckkessel ganz geleert sei, indem man dadurch an Dampf spare. In der Regel waren Dampfkessel und Leitungsrohre aus Kupfer, Druckkessel und Hähne aus Messing hergestellt, die Fugen wurden alle durch Lötung verschlossen. Später (1730) waren alle Gefäſse aus getriebenem Kupfer, alle Ventile, Hähne, Rohre u. s. w. aus Bronze.

Im Jahre 1711 traten Newcomen und Cradley zuerst mit ihrer neuen Dampfmaschine hervor, welche Saverys Maschine bald in den Hintergrund drängen sollte.

94Die Dampfmaschine vor Watt.

Thomas Newcomen war Schmied und Eisenhändler in Dart - mouth. Er beschäftigte sich schon früh mit Versuchen zur Her - stellung einer Dampfmaschine. Wie er dazu kam, wissen wir nicht. Während Savery der Überlieferung nach dadurch zur Erfindung seiner Dampfmaschine geführt worden sein soll, daſs er eine leere Weinflasche, in der ein Rest Wein sich dadurch, daſs sie zu nahe dem Kaminfeuer lag, in Dampf verwandelt hatte, mit dem Halse in kaltes Wasser steckte, wodurch sie sich sofort füllte, so soll New - comen durch die Beobachtung eines stark erhitzten Theekessels, dessen Deckel vom Dampf abwechselnd gehoben wurde und wieder zuklappte, auf den Weg der Erfindung geführt worden sein. Die Idee der Dampfmaschine lag gegen Ende des 17. Jahrhunderts in England in der Luft und viele mögen sich damit beschäftigt haben. Man hat oft Newcomens Maschine eine Verbesserung von der Saverys genannt. Dies ist nicht richtig. Newcomen ging seinen eigenen Weg und seine Maschine ist in ihrer Grundlage durchaus verschieden. Höchstens können die Mängel von Saverys Maschine Newcomen in seiner Konstruktion bestärkt haben. Dagegen ist Papins Einfluſs auf Newcomen erwiesen und in der That ist Newcomens Maschine die vollendete Lösung des Problems, welches Papin vorschwebte und das er in seiner Schrift Nova methodus etc. 1690 veröffentlicht hatte (s. Bd. II, S. 936). Newcomen, der neben seinem Geschäft sich mit Studien beschäftigte, ein ruhiger forschender Geist, und ein Quäker seiner Konfession nach, hatte von Papins Vorschlag, Bewegung auf Entfernungen dadurch zu übertragen, daſs man mittelst Luftpumpen unter einen Kolben in einem Cylinder, den man nahe dem Schacht aufstellen könne, ein Vakuum erzeuge, ge - hört. Er verfolgte diese Idee und dies führte ihn dazu, mit dem be - rühmten Physiker Dr. Hooke in Korrespondenz zu treten. Dieser verwarf Papins Maschine und riet Newcomen ab, diesen Weg zu verfolgen, wobei ihm aber ganz nebenbei die Bemerkung entschlüpfte: ja, könnte er rasch ein Vakuum unter seinem Kolben erzeugen, dann wäre die Sache gemacht . Diese Bemerkung wurde ausschlag - gebend; sie war der bestimmte Ausdruck dessen, was Newcomen unklar vorschwebte; sie blieb allein von dem ganzen Inhalte des Schreibens in seiner Seele haften. Daſs auch Savery Einfluſs auf Newcomen ausgeübt hat, ist zweifellos. Savery lebte in Modbury nur 15 englische Meilen von Dartmouth; da er zur Ausführung seiner Apparate alle geschickten Metallarbeiter der Umgegend in Anspruch nahm, ist es nicht unmöglich, daſs er sich auch an den ideenreichen95Die Dampfmaschine vor Watt.Schmied von Dartmouth direkt gewendet hat. Nach einer Nachricht1)Harris, Lexicon Technicum, art. Engine . gelangte Newcomen in Besitz einer Zeichnung von Saverys Ma - schine, und fertigte sich danach ein Modell an, mit welchem er in seinem Garten Versuche machte.

Savery hatte den hohlen Raum durch Kondensation des Dampfes in einem geschlossenen Gefäſs erzeugt, Papin durch eine Luftpumpe unter dem beweglichen Kolben in einem Cylinder, Newcomen kom - binierte beide Methoden, indem er sein Vakuum unter einem beweg - lichen Kolben in einem Cylinder durch die Kondensation des Dampfes erzeugte. Dies ist der Grundgedanke unserer Dampfmaschine. Nach langem Planen und Tüfteln brachte Newcomen im Jahre 1705 ein Modell zu stande, welches so ziemlich seiner Idee entsprach. Von nun an war sein Streben darauf gerichtet, dasselbe im Groſsen zur Ausführung zu bringen. Bei allen seinen Versuchen hatte ihm treulich sein Freund und Glaubensgenosse, der Glaser John Calley ebenfalls von Dartmouth, beigestanden.

Newcomens Maschine bestand aus folgenden Teilen:

1. aus einem Dampfkessel, aus welchem der Dampf am oberen Ende durch ein Rohr, welches durch einen Hahn dicht verschlossen werden konnte, austrat. 2. aus einem unmittelbar über dem Kessel stehen - den, senkrechten Cylinder, in dem der Dampf unter einen darin be - weglichen Kolben gelangte. 3. aus dem Kolben, welcher dicht an die Cylinderwandung anschloſs und sich in dem Cylinder seiner ganzen Länge nach auf und nieder bewegen konnte. Er war oben mit einer festen Kolbenstange versehen, welche durch eine Kette mit dem einen Arm eines Balanziers verbunden war, an dessen entgegengesetztem das Pumpengestänge ebenfalls an einer Kette hing. Der Dampf - cylinder war oben offen.

Wurde der Dampf, der nur wenig Spannung hatte, unter dem Kolben eingelassen, so hob er diesen in die Höhe, indem er den Cylinder anfüllte. War der Kolben an seinem höchsten Punkte an - gelangt, so wurde der Dampfhahn geschlossen und gleichzeitig kaltes Wasser gegen die Cylinderwand gespritzt. In dem Maſse, in dem sich nun der Dampf in dem Cylinder kondensierte, wurde der Kolben durch den Atmosphärendruck niedergedrückt, bis er den Boden er - reicht hatte, worauf der Dampfhahn von neuem geöffnet wurde. Das kondensierte Wasser floſs durch ein Röhrchen am Boden beim Nieder - gang des Kolbens ab. Der Druck der Atmosphäre war ausreichend96Die Dampfmaschine vor Watt.stark genug, die Pumpe zu ziehen. Bei dieser Maschine kam der Dampfdruck nur wenig zur Geltung, er hatte nur den Kolben, der schon durch das Pumpengestänge oder ein Gegengewicht abbalanziert war, zu heben, während die Kraft durch den Atmosphärendruck beim Niedergang ausgeübt wurde. Der Dampf diente also eigentlich nur dazu, das Vakuum herzustellen. Die Kondensation des Dampfes ging aber durch das Anspritzen von auſsen nur sehr langsam von statten. Etwas besser wurde dies, als man den ganzen unteren Teil des Dampfcylinders in ein Wassergefäſs stellte, das, sobald der Kolben den höchsten Stand erreicht hatte, mit kaltem Wasser gefüllt wurde. Das Wasser, welches um die Cylinderwand zirkulierte, erhitzte sich und wurde teils zur Speisung des Kessels benutzt, teils fortlaufen gelassen. Durch die starke Abkühlung der Cylinderwand wurde aber viel Dampf unnütz verbraucht, indem ein Teil desselben bei jedem Wechsel erst kondensiert wurde, bis die Wand wieder erhitzt war.

Trotz dieser Mängel traten Newcomen und Calley mit ihrer Dampfmaschine 1711 an die Öffentlichkeit. Savery erblickte darin eine Verletzung (infringement) seines Patentes. Es wird nun meist erzählt, Newcomen und Calley, welche als Quäker einen Rechts - streit nicht führen wollten, hätten sich mit Savery verständigt und alle drei hätten gemeinsam ein Patent genommen. Dies ist nicht richtig. Newcomen und Calley haben überhaupt nie ein Patent genommen. Dieses hat wahrscheinlich Savery, der damals sich be - reits viele Gönner erworben hatte und einfluſsreich war, verhindert und ihnen wegen Verletzung seines Patentes mit Prozessen gedroht. Newcomen und Calley scheinen sich dann mit Savery in der Weise verständigt zu haben, daſs sie ihm für die Dauer seines Pa - tentes, welches zum Lohne für die nationale Bedeutung seiner Er - findung vom Parlamente bis zum Jahre 1733 verlängert worden war, für jede von ihnen ausgeführte Maschine einen gewissen Betrag zahlten. Newcomens Maschine beruhte auf wesentlich anderer Grundlage als die Saverys. Ein Patent hätte ihm kaum verweigert werden können, wenn er darum nachgesucht hätte, aber wahrschein - lich wuſsten Savery oder dessen Anhänger den bescheidenen, ängst - lichen und friedliebenden Newcomen einzuschüchtern, ehe er diesen Schritt nur wagte, und letzterer ging dann willig darauf ein, sich mit Savery abzufinden. Switzer, ein Zeitgenosse der beiden Erfinder, sagt hierauf bezüglich1)Switzer, Introduction to a System of Hydrostatics and Hydraulics, pag. 342.: Newcomens Erfindung war so früh, wie97Die Dampfmaschine vor Watt.die Saverys, letzterer aber stand dem Hofe näher und hatte schon ein Patent erworben, ehe der andere es wuſste; aus diesem Grunde war Newcomen froh, Teilhaber von ihm zu werden. Daſs für Newcomen der Gelderwerb nicht die Hauptsache bei seiner Erfindung war, geht daraus hervor, daſs er sich nie vordrängte, und trotz des Ruhmes seiner Erfindung selbst so zurückgezogen lebte, daſs man nicht einmal weiſs, wo und wann er gestorben ist. Er war zufrieden mit dem Erfolg seiner Maschine und mit dem Nutzen den er seinen Mitbürgern dadurch bereitet hatte. Es scheint aber, daſs sowohl Saverys als Newcomens Ansprüche als Erfinder später an eine Londoner Gesellschaft übergingen. Es war dies dieselbe Gesellschaft, welche die Maschinen oder wenigstens die feineren Teile derselben, als die Metallcylinder, Pumpen, Hähne und andere Teile, fabrikmäſsig darstellte und den Grubenbesitzern oder sonstigen Interessenten, welche eine Maschine bezogen, zugleich mit geschickten Monteuren zur Aufstellung der Maschine, zuschickte.

Diese Gesellschaft der Besitzer der Erfindung, Wasser durch Feuer zu heben (the proprietors of the invention for raising water by fire) war durch ein Komitee von fünf Londoner Kaufleuten ver - treten1)Siehe Abridgments of Specifications rel. to the Steam Engine. Part I, p. 46, Note a.. An diese wendeten sich die Interessenten mit dem Gesuch um Erlaubnis, eine Feuermaschine aufstellen und betreiben zu dürfen (petition for a licence to erect and use a fire engine). Für die Ge - währung derselben hatten die Unternehmer eine jährliche Abgabe zu zahlen und auſserdem lieferte die Gesellschaft direkt oder durch andere verbündete Fabrikanten die Maschine. Lord Andrew Wau - chope muſste im Jahre 1725 für die Erlaubnis der Errichtung einer Feuermaschine mit einem 28 zölligen Cylinder sich verbindlich machen, jährlich 80 £, zahlbar in vierteljährigen Raten, bis zum Ablaufe des Patentes (8 Jahre) zu bezahlen, wird diese Zahlung 40 Tage nach Verfall nicht bezahlt, ob angefordert oder nicht, so hat das Komitee das Recht, durch seine Bediensteten, Pferde, Karren und Wagen, die Maschine, Cylinder, Kessel, Röhren, Materialien und alles Zubehör wegzunehmen und zum bestmöglichen Preise zu verkaufen, um sich aus dem Erlös zu befriedigen. Den Überschuſs erhält Herr Wau - chope . Diese Maschine, welche von John Potter von Chester-le - Street, aus den von London geschickten Teilen, montiert wurde, kostete, nach der noch vorhandenen detaillierten Rechnung, 1007 £ 11 sh 4 p.2)Siehe Abridgments a. a. O., A. D. 1725, Note S. 42..

Beck, Geschichte des Eisens. 798Die Dampfmaschine vor Watt.

Kehren wir aber zu dem Anfange der Geschichte von Newcomens Feuermaschine zurück.

Newcomen und Crawley traten 1711 zuerst an die Öffent - lichkeit. Sie erboten sich, die Wasser einer bedeutenden Steinkohlen - grube zu Griff in Warwickshire auszupumpen, was bis dahin durch eine groſse Zahl von Pferden geschehen war. Die Grubenbesitzer lehnten das Anerbieten ab, da sie nicht an die Leistungsfähigkeit der Maschine glaubten. Dagegen kam im März des folgenden Jahres, durch die Vermittelung eines Herrn Potter von Bromsgrove, ein Vertrag zu stande zwischen einem Herrn Black und den Erfindern, welche sich verpflichteten, die Wasserhaltung einer ihm gehörigen Steinkohlengrube bei Wolverhampton zu übernehmen.

Da die Grube nicht weit von Birmingham lag, wo es viele ge - schickte Metallarbeiter gab, so lieſsen sie die feineren Teile, nament - lich die der Pumpen, worin sie bis dahin keine Erfahrung hatten, dort anfertigen, und es gelang ihnen denn auch nach Überwindung verschiedener Schwierigkeiten, die Maschine in Gang zu setzen. Bei der unvollkommenen Kondensation durch die Wasserkühlung von auſsen war der Gang ein auſserordentlich langsamer und unvoll - kommener. Die Hähne wurden mit der Hand gedreht. Da ereignete sich ein Zufall, welcher zu einer wesentlichen Verbesserung führte. Um einen vollständig dichten Schluſs des Kolbens zu bewirken, lieſs man über dem geliderten Kolben noch eine Schicht Wasser stehen. Eines Tages wurde nun der träge Gang der Maschine plötzlich in der Weise unterbrochen, daſs dieselbe ziemlich rasch hintereinander mehrere kräftige Hübe machte. Als man nach der Ursache forschte, fand es sich, daſs der Kolben ein Loch bekommen hatte, durch welches das über dem Kolben befindliche Wasser in den Dampfraum eingedrungen war. Dies hatte eine raschere Kondensation zur Folge, welche einen entsprechend rascheren Wechsel der Maschine ver - anlaſste. Sofort wurde es Newcomen klar, daſs die Kondensation durch Einspritzen von kaltem Wasser in den Dampfraum viel wirk - samer sein müsse, und nachdem man diese Einrichtung getroffen hatte, erfüllte die Maschine reichlich die Erwartungen. Sie erhielt dadurch ungefähr das Aussehen, wie es ideal in Fig. 2 dargestellt ist. a ist der Dampfhahn; wenn dieser geöffnet wird, bleibt der Hahn b, welcher das Einspritzwasser aus dem Kasten c zuläſst, geschlossen. Hat der Kolben seinen höchsten Stand, wie in der Zeichnung, erreicht, so wird a geschlossen und b geöffnet. Das Kondensationswasser läuft durch das Rohr f ab.

99Die Dampfmaschine vor Watt.

Das Drehen der Hähne erforderte fortwährende Aufmerksamkeit und war ein langweiliges Geschäft. So erschien es auch dem Knaben Humphrey Potter, welcher dies zu besorgen hatte. Er kam durch Beobachtung auf die kluge Idee, die Maschine diese Arbeit selbst be - sorgen zu lassen, indem er die Hähne mit dem Balanzier durch Schnüre so verband, daſs sie bei einem gewissen höchsten Punkte diese Arbeit verrichteten. Dadurch wurde die Maschine automatisch. Dieses Schnürenhebelwerk nannte er scoggan , eine Dialektbezeich - nung, die zugleich mit der Sache allgemeine Anwendung fand. In

Fig. 2.

demselben Jahre 1713 wurde auch die Liederung des Dampfkolbens mit Leder erfunden. Ein Zufall soll auch dazu die erste Ver - anlassung gegeben haben. Man hatte zur Verdichtung eine groſse Scheibe von Leder auf dem Kol - ben befestigt, welche mehrere Zoll über denselben hinaus - ragte, so daſs sie sich an der Cy - linderwand umbog und aufstellte. Nach einiger Zeit war sie durchgerieben, so daſs sich jetzt nur der schmale Rand des Leders, entsprechend seiner Dicke, wider die Cylinderwand anlegte. Der Verschluſs war aber besser wie zuvor und auf diese Weise kam man dazu, mit Vorteil einen schmalen Leder - streifen oder eine einfache Schnur zur Dichtung zu verwenden.

Das undauerhafte Schnürenwerk (scoggan) Potters wurde bald bei neuerbauten Maschinen durch ein Hebelwerk ersetzt, und zwar wurde dieses anfangs (1714) durch einen Schwimmer bewegt, welcher sich in einem mit dem Kessel in Verbindung stehenden Rohr auf und ab bewegte. Entwickelte der Dampf seinen höchsten Druck, so stieg7*100Die Dampfmaschine vor Watt.der Schwimmer und öffnete durch ein Hebelsystem den Injektions - hahn. Später (1718) ersetzte Henry Beighton an einer von ihm zu Newcastle gebauten Maschine diese Vorrichtung durch die zu - verlässigere eines Hebelwerkes, das durch eine mit dem Balanzier verbundene Führungsstange bewegt wurde (by spanners and plug frame). Das erste Sicherheitsventil, das man schon 1715 anwendete, bestand einfach in einem Stück durchbohrtem Blei. Es wurde be - reits oben erwähnt, daſs sich über dem Kolben eine Schicht Wasser befand, diese diente teils selbst mit als Dichtung, teils hielt sie die Dichtung des Kolbens feucht und kühl. Dieses Wasser erneuerte sich fortwährend durch einen dünnen Wasserstrahl aus dem über der Maschine befindlichen Reservoir, während der Überfluſs von dem Kolben beim Aufgange in eine obenangesetzte Ausbauchung gedrückt wurde, woraus es durch ein Rohr ablief. Früher hatte man dieses vorgewärmte Wasser zur Speisung des Dampfkessels benutzt, später verwendete man hierfür das viel heiſsere Kondensationswasser, welches unten aus dem Cylinder abfloſs.

1717 brachte Beighton auf Desaguiliers Veranlassung1)Siehe Desaguiliers, Cours de physique expérimentale 1751, II, p. 627. ein Sicherheitsventil mit Laufgewicht (Papins Erfindung) an dem Dampf - kessel an. Inzwischen hatten Newcomen und Cawley verschiedene neue Maschinen aufgestellt. 1713 waren bereits zwei bei Newcastle in Betrieb und man begann eine dritte auf dem Gute Moorhall bei Austhorpe unter der persönlichen Leitung Cawleys aufzustellen. Diese Maschine hatte einen 25 Zoll weiten Cylinder und 6 Fuſs Hub. Wurden die Hähne mit der Hand gedreht, so konnte sie 15 Touren in der Minute machen, automatisch (mit dem scoggan) machte sie 12 Touren. Die Pumpen hoben das Wasser in zwei Sätzen 57 Ellen bis zum Stollen. In vier Jahren brannten vier Kessel durch. Von dieser Maschine erhielten die Erfinder jährlich 250 £ für Betrieb und Unterhaltung. Cawley blieb in Austhorpe und starb daselbst im Jahre 1717. In diesem Jahre hören wir von einer weiteren Maschine bei Whitehaven in Cumberland, einem Herrn Louder (wahrscheinlich Sir J. Lowther) gehörig.

Als Verbesserungen werden ferner erwähnt federnde Balanziers, um den Stoſs bei einem plötzlichen Ruck des Pumpengestänges zu brechen und die Schnaufklappe (snifting clack) am Cylinder.

1718 wird eine Newcomenmaschine als eine kostspielige Anlage bei Saltoun in Cumberland erwähnt. Allerdings hatte ihr Cylinder101Die Dampfmaschine vor Watt.auch schon 40 Zoll Durchmesser und sie hob das Wasser aus einer Tiefe von 150 Ellen. Sie muſs sich aber gut bewährt haben, denn schon wenige Jahre danach wurde eine zweite Maschine von gleicher Gröſse auf demselben Bergwerke aufgestellt.

Zu den ersten in Nordengland errichteten Maschinen gehören die von Oxclose bei Washington und zu Norwood bei Ravensbury, welche 1719 betrieben wurden. In diesem Jahre wurde eine weitere Newcomenmaschine auf der Byker-Kohlengrube montiert von dem berühmten Sohne eines schwedischen Edelmannes, der Lehrer der Mathematik in Newcastle war . Es war dies Martin Triewald, der dorthin gekommen war, um den englischen Kohlenbergbau kennen zu lernen. Er war der erste Ausländer, welcher die Dampfmaschine studierte. Nach seiner Rückkehr nach Schweden wurde er geadelt.

1720 wird zum ersten Male eine Newcomenmaschine in Schottland genannt, und zwar auf dem Elphinstone-Kohlenwerke bei Falkirk. Sie wird aber als die zweite in Schottland bezeichnet, aller Wahrschein - lichkeit nach war die erste die alte Maschine von Whitehill, Mid - lothian, welche 1727 abgelegt wurde.

1720 war das groſse Schwindeljahr (bubble-year) in England. Damals bildete sich unter anderen auch eine Gesellschaft für Dampf - maschinenbau. In diesem Jahre wurde die groſse Maschine in dem Londoner Wasserwerke von York Buildings neben der Savery - maschine aufgestellt. Switzer erwähnt diese erhabene Maschine ( noble engine ) des Thomas Newcomen, von der wir auch die Beschreibung und Zeichnung von einem Deutschen Friedrich Weidler besitzen1)Joh. Friederici Weidleri Tractatus de Machinis Hydraulicis Toto Terrarum Orbe Maximis Maryliensi ed Londiniensi etc. Vitembergae 1728.. Ihr Dampfkessel faſste 453 Kubikfuſs; die dem Feuer ausgesetzte Fläche des Bodens und der Seiten betrug 95 Qua - dratfuſs; die Verdampfungsfläche von 56,7 Quadratfuſs verdampfte eine Schicht von 1,5 Zoll oder 52 Gallonen = 7 Kubikfuſs in der Stunde. Der Brennmaterialverbrauch betrug 1000 £ im Jahre.

Aus Weidlers Schilderung entnehmen wir, daſs die Maschine im Jahre 1728 seit acht Jahren in ununterbrochenem Betriebe gestanden hatte. Sie hob das Wasser aus der Themse 124 Fuſs hoch in ein Reservoir, von wo es nach den gröſsten Gebäuden Londons geleitet wurde. Der Cylinder war von Bronze (braſs). Er hatte Fuſs (30 engl. Zoll) Durchmesser und 9 Fuſs Höhe. Der kupferne Kessel war zwischen 8 und 9 Fuſs weit, er hatte Zoll Wandstärke,102Die Dampfmaschine vor Watt.während die Cylinderwand ½ Zoll dick war. Die Pumpen hatten 8 - bis 12zöllige Stiefel und 7 Fuſs Hub. Auſser dem Hauptgestänge befand sich an dem der Maschine entgegengesetzten Arm des Balanziers noch ein zweites leichteres Gestänge mit kürzerem Hub, welches die Speise - pumpe für das Wasserreservoir der Maschine bewegte. Die Maschine machte zwischen 12 und 20 Touren in der Minute. Das Gewicht des Kolbens, der Kolbenstange und Lenkstange muſs durch entsprechende Belastung der anderen Seite des Balanziers abbalanziert sein.

Fig. 3 giebt eine verkleinerte Abbildung der Maschine genau nach Maſs und mit eingezeichnetem Maſsstabe1)Diese genaue Zeichnung wurde damals von John King in London ver - kauft, woher sie Weidler erhalten hatte.. Der Kessel B ist mit dem Cy -

Fig. 3.

linder C durch das Dampfrohr D verbunden, dieses wird von seiner unteren Mündung durch ein Ven - til verschlossen, welches mit dem Knopfe E fest verbunden ist. Die zwei Hähne G G bilden den Wasserstandsmesser des Kessels; sie sind mit zwei Röhren verbun - den, von denen die eine 2 bis 3 Zoll unter, die andere 2 bis 3 Zoll über den normalen Wasserstand münden. F ist ein belastetes Sicherheitsventil, S das Speise - rohr, in welches durch den Hahn K das heiſse Kondensationswasser eintreten kann. Alle Teile der Maschine sind leicht aus der Zeichnung verständlich, nur die komplizierte automatische Regu - lierung, welche besonders inter - essant ist, bedarf der Erklärung.

E schlieſst den Dampfhahn, N ist der Einspritzhahn. Es ist die Aufgabe, daſs diese beim höchsten und tiefsten Stande geschlossen oder geöffnet werden. Dies geschieht durch zwei verschiedene Hebelsysteme; das eine, welches den Dampfhahn öffnet, ist in dem Punkte p drehbar, das andere O O,103Die Dampfmaschine vor Watt.welches sich über dem Hahn N um eine feste Achse bewegt, dreht mittelst eines Zahngetriebes den Einspritzhahn N auf und zu. Das Zahngetriebe besteht aus einem kleinen Zahnrad am Kopfe des Kegels des Hahnes, und einem gezahnten Viertelkreis, welcher mit dem Hebel O O denselben Drehpunkt hat. Die Drehung wird bewirkt durch den hölzernen Schwimmer, welcher sich in dem Rohre H auf und nieder bewegt. Das Rohr, welches mit dem Kessel verbunden ist, ragt etwa 1 Fuſs in das Wasser des Kessels hinein. Hat der Dampf seine höchste Spannung erreicht, was eintritt, wenn der Kolben im Cylinder den höchsten Stand hat und der Kessel abgesperrt ist, so hebt der Schwimmer durch das mit demselben verbundene Rahmenwerk R den Hebel O O an seinem Ende 3 so hoch, bis er an einem Stift (notch) 2 ausläſst, wodurch das Gewicht 13 den Hebel niederreiſst, in Folge dessen der Hahn bei N geöffnet wird. In Folge dessen strömt kaltes Wasser aus dem Kasten g durch das Rohr M in den Cylinder ein und bewirkt die Kondensation des Dampfes. Hierdurch sinkt der Kolben L und der durch die Kolbenstange C C und eine Kette damit verbundene Arm h des Balanziers. An dem Balanzier ist aber die Lenkstange Q Q befestigt, welche einen Schlitz hat, durch den drei Zapfen gesteckt sind. Von diesen faſst der unterste das andere Ende des Hebels O O und bringt ihn wieder in seine ursprüngliche Stellung zurück.

Die Stange Q Q bewegt auch das Hebelsystem, welches den Dampfhahn öffnet und schlieſst. Bewegt sich die Stange nach oben, so faſst ein durchgesteckter Zapfen den Hebel 8, dadurch wird auch der mit diesem zu einem festen System verbundene Hebel 9, an dessen Ende sich das Gewicht 14 befindet, gehoben, und zwar am Ende des Hubs soweit, daſs die senkrechte Stellung überschritten wird und das Gewicht nach der anderen Seite überhängt. Das Gewicht fällt nun dem Cylinder zu, aber nur soweit, als dies die Lederschnur 15, 16, an der seine Spitze befestigt ist, gestattet. Hierdurch entsteht ein Ruck, mit welchem der Hebel 4 auf der anderen Seite den Griff des Hebels des Dampfhahnes bei E an sich reiſst, wodurch der Dampfhahn ge - schlossen wird. In demselben Augenblick wird, wie oben geschildert, der Kaltwasserhahn N geöffnet, die Kondensation des Dampfes im Cylinder erfolgt, der Kolben sinkt.

In diesem Moment hat der Hebel 6, welcher in der Zeichnung nach unter gerichtet ist, die Stellung, daſs er etwas über der Hori - zontalen, d. h. mit seinem vorderen Ende etwas höher als der Dreh - punkt p steht. Derselbe wird nun beim Niedergange der Lenkstange Q von einem Zapfen von oben gefaſst und indem er abwärts gedrückt104Die Dampfmaschine vor Watt.wird, bewegt sich auch das Gewicht 14 wieder rückwärts. Sobald dieses die Vertikale überschritten hat, fällt es nach der entgegen - gesetzten Seite wie zuvor, soweit dies die Lederschnur gestattet, da - durch drückt jetzt der Hebel 5 gegen den Schieber 10, wodurch der Dampfhahn geöffnet wird. In demselben Moment fällt der Schwimmer in dem Rohre H, weil die Dampfspannung nachläſst, der Rahmen R sinkt und der Stift bei 2 schlieſst den Einspritzhahn so lange, bis der Schwimmer wieder zum Steigen kommt. Der Mechanismus war recht kompliziert und äusserst primitiv, ist aber doch leicht verständlich.

Weidler berechnet die Leistung der Londoner Maschine, indem er den Druck der Luftsäule für einen Quadratfuſs rheinisch auf 1958 Pfund annimmt, auf 600 Eimer (zu 288 Kubikzoll) stündlich oder 14400 Eimer in 24 Stunden, während die ganze Riesenanlage von Marly mit den 13 bezw. 14 groſsen Wasserrädern nur 18100 Eimer hob, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daſs die Hubhöhe der Londoner Maschine nur 124 Fuſs, die der von Marly über 500 Fuſs beträgt. Immerhin hebt Weidler mit Recht die erstaun - liche Leistung dieser einen, einfachen Maschine, im Vergleiche mit dem kostspieligen Werke von Marly hervor. Die wirkliche Leistung der Maschine von York Buildings soll aber sogar 50 Tons Wasser in der Stunde betragen haben.

Weidler erwähnt noch, daſs die Maschinen in England be - sonders vorteilhaft arbeiteten, weil man die billigste Steinkohle, das Kohlenklein, als Brennmaterial verwende.

Eine vorzügliche Dampfmaschine, wahrscheinlich von Newcomen selbst errichtet, arbeitete 1722 auf dem groſsen Kohlenbergwerke bei Griff in der Nähe von Coventry. Sie kostete nur 150 £ im Jahre für Kohlen, Bedienung und Reparatur und leistete dasselbe, wie vor - her 50 Pferde, welche 900 £ im Jahre an Unterhaltung gekostet hatten. Diese Maschine war vorzüglich in Konstruktion und Gang und galt als die beste bis dahin gebaute.

Im Jahre 1723 wurde die erste Newcomen-Maschine auf dem Kontinent aufgestellt, welche wirklich Arbeit leistete. Es war dies die groſse Maschine, welche Potter zu Königsberg in Ungarn er - richtete. Leupold hat eine Beschreibung und Abbildung davon mitgeteilt1)Leupold, Theatrum Machinarum Hydraulicarum. Tome II, p. 87.. Zuvor haben wir aber noch einiges Wenige über die Geschichte der Dampfmaschine in Deutschland nachzutragen. Land - graf Karl von Hessen-Kassel, Papins Beschützer, gebührt der Ruhm,105Die Dampfmaschine vor Watt.die ersten Dampfmaschinen in Deutschland eingeführt zu haben. Von Papins Maschine haben wir bereits berichtet. Als diese den Er - wartungen des Landgrafen nicht entsprach, wandte er sich nach Eng - land wegen einer Savery-Maschine. Schon 1705 soll jener Prinz von Hessen, welcher im folgenden Jahre in der Schlacht bei Ramilly fiel, Saverys Maschine in London angesehen und von dem Erfinder selbst erklärt bekommen haben. Nach einer englischen Erzählung1)Siehe Abridgments, a. a. O., S. 32. hatte dann bereits im Jahre 1706 der Fürst durch einen Vertrauten ein Modell wahrscheinlich von Papin an Savery selbst ge - schickt. Das Modell hätte teilweise Saverys Erfindung entsprochen, sei aber so unvollkommen gewesen, daſs es nicht ging. Er habe nun gebeten, dasselbe in Stand zu setzen. Savery teilte der Royal Society mit, er habe dies gethan und das Modell wieder nach Kassel geschickt. Dadurch erweckte er den Glauben, er habe die Maschine, welche Papin als die seinige ausgab, gemacht. Was an der ganzen Sache Wahres ist, bleibt unaufgeklärt. Daſs Papin eine Arbeit Saverys oder irgend eines Anderen als seine eigene ausgegeben hätte, ist gar nicht denkbar. Daſs aber der Landgraf hinter Papins Rücken sich mit Savery in Verbindung gesetzt hatte, ist nicht un - wahrscheinlich und mag dies viel zu dem bald darauf erfolgten Bruch zwischen beiden beigetragen haben. So lange der spanische Erb - folgekrieg dauerte, an dem Landgraf Karl persönlich teilnahm, ruhte die Angelegenheit. Nach Beendigung desselben griff er die Sache wieder auf. 1715 soll eine englische Dampfmaschine zum Betriebe eines Springbrunnens aufgestellt worden sein. Ein Kapitän Weber hätte dieselbe von England mitgebracht. Wenn die Jahreszahl richtig ist, so war dies jedenfalls eine Savery-Maschine. Nach Calvör2)Henning Calvör, Historisch-chronol. etc. Beschreibung des Maschinen - wesens auf dem Oberharze 1763, Bd. I, S. 119. hätte der hessische Artilleriemajor Weber in London die Maschine des Wasserwerkes bei York Buildings gesehen und nach einem Hand - schreiben desselben an den hannöverischen Minister anno 1715 in Kassel auf Befehl des Herrn Landgrafen im kleinen verfertigen lassen, wo sie zu jedermanns Verwunderung ausgefallen . Es ist dies jedenfalls dieselbe Maschine, von der Kapitän Weber in einem Briefe an Leibnitz berichtete, sie habe bei ½ Klafter Holzverbrauch 64 Ohm Wasser 150 Fuſs hoch gehoben. Bei der Annahme, daſs dies eine Savery-Maschine war, löst sich auch der Widerspruch, daſs Fischer von Erlach der Erste gewesen sein soll, der eine Dampf -106Die Dampfmaschine vor Watt.maschine in Kassel aufgestellt habe, denn letztere war eine New - comen-Feuermaschine.

Dieser Major Joh. Heinr. Weber und ein Major Joh. Jac. Brückmann erboten sich bei der hannöverischen Regierung, eine Maschine ihrer Erfindung zur Wasserhaltung der Bergwerke im Harze aufzustellen. Sie gaben an1)Calvör, l. c. 121.: Eine Maschine, die so stark gebauet, daſs selbige eines Feuers bedürftig ist, welches in Zeit von 24 Stunden ½ Klafter oder 171 Kubikfuſs Holzes verzehret, kann binnen solcher Zeit 6480 Ohm oder 1080 Fuder Wasser 150 Fuſs hoch heben in einer Röhre, die 7 Zoll in ihrem Diameter weit ist. Nach dieser Proportion können nun leicht alle Tiefen nach der Quantität des Wassers, das herauszuheben ist, kalkulieret und also auch die Ma - schine, per consequens auch das Feuer, nach Erforderung eines jeden Ortes Notwendigkeit, gröſser oder kleiner gemacht werden . Sie ver - langten für ihre erste Probemaschine 100000 Thaler Belohnung und ein Privilegium auf 20 Jahre. Es wurde auch ein Vertrag entworfen, aber nicht ratifiziert, jedenfalls der unerhörten Forderung wegen. Die beiden Erfinder veröffentlichten darauf 1720 eine Schrift: Neu erfundene Elementarmaschine , in welcher sie ihre Erfindungen in marktschreierischer Weise anpreisen zu demselben hohen Preise natürlich ohne Erfolg. Keinenfalls kann aber der kolossale guſseiserne Cylinder, der noch im königl. Museum zu Kassel vorhanden ist, von Webers obenerwähnter Versuchsmaschine herrühren. Dagegen wurde später auch eine Newcomen-Maschine in Kassel aufgestellt. Dies geschah durch Fischer von Erlach, welchen Landgraf Karl von Wien berufen hatte. Unter dessen Leitung wurde 1722 die erste englische Feuermaschine in der Residenz Kassel zu einer Probe auf - gestellt2)Siehe Das merkwürdige Wien , Februar 1727, S. 74; dort wird gesagt, daſs diese Engelländische Feuermaschine von Herrn von Fischer zu allererst anno 1722 in Deutschland sei angegeben und auf gnädigste Verordnung Sr. Hoch - fürstl. Durchl. Caroli, Regierenden Herrn Landgrafens zu Hessen-Kassel, in dero Residenz-Stadt Kassel zu einer Probe aufgerichtet worden . Siehe auch Weidler, loc. cit., p. 91.. Die Maschine war aus England bezogen und es ist kaum denkbar, daſs der obenerwähnte groſse Cylinder, der 1,27 m Höhe und 1,25 m lichte Weite hat, zu dieser Maschine gehört habe. Die Engländer verwarfen damals noch die eisernen Cylinder gänzlich, auch ist das Verhältnis zwischen Höhe und Durchmesser ganz abweichend von den Maschinen jener Zeit. Wahrscheinlich gehörte der fragliche Cylinder, der irrig als Papins Cylinder bezeichnet wird und in107Die Dampfmaschine vor Watt.Veckerhagen gegossen sein soll, zu einer projektierten Feuermaschine aus späterer Zeit, welche nie ausgeführt wurde.

Groſses Verdienst um die Einführung der ersten Dampfmaschine auf dem Kontinent hat der obengenannte Joseph Emanuel Fischer von Erlach, der als Sohn des berühmten Hofbaumeisters in Wien 1680 geboren, in die Fuſsstapfen seines Vaters trat, sich aber mit Vorliebe dem Maschinenwesen und namentlich der damals neu aufgetauchten Dampfmaschine zuwendete, sich erworben. Seine Kenntnisse darin, wegen deren er 1721 / 22 nach Kassel berufen wurde, hatte er sich in England selbst angeeignet1)Calvörs Angabe, daſs er seine Kenntnis erst in Königsberg erworben, stimmt nicht zu dem Faktum seiner Berufung nach Kassel.. Er bestellte um dieselbe Zeit eine Newcomen-Maschine in England für ein Bergwerk bei Königsberg in Ungarn, bei dem er beteiligt war. Isaac Potter, aus dem Bistum Durham stammend2)Smiles hält diesen irrtümlich für identisch mit dem Knaben Hum - phrey Potter, welcher das scoggan erfand, siehe Smiles, James Watt, p. 60., führte diese Maschine aus. Sie wäre anfänglich für die Bergwerke in Schemnitz bestimmt gewesen, aber ihre Aufstellung daselbst wäre an dem Widerstande der Leute, welche 500 Pferde für die Gruben hielten und brotlos zu werden fürch - teten, gescheitert (Calvör). Nach einer englischen Notiz3)Siehe Abridgments a. a. O., S. 40. wäre Potter schon im Jahre 1721 mit dieser Maschine nach Ungarn ge - reist. In regelmäſsigen Betrieb kam dieselbe aber erst im März 1724. Obiger erster Miſserfolg würde diese Verzögerung zum Teil erklären. Allerdings ging er bei der Aufstellung so gründlich zu Werke und brauchte soviel Zeit dazu, daſs die Gewerke ungeduldig wurden, murrten und schon anfingen, ihn für einen Charlatan zu halten.

Leupold sagt, es habe eben damals schon gar viele gegeben, die sich rühmten, solche Maschinen aufrichten zu können, ohne irgend etwas davon zu verstehen. Potters Sorgfalt kam seinem Werke zu gute, welches, nachdem es in Betrieb gesetzt war, allgemein ange - staunt wurde. Viele schrieben Potter, andere Fischer von Erlach den Ruhm der Erfindung zu; mit Unrecht, denn es war eine echte Newcomen-Maschine. Der berühmte Leupold hat sie in seinem Theatrum Machinarum Hydraulicarum 1724 abgebildet und sehr lobend besprochen. §. 202 handelt Von der Feuermaschine des Herrn Potters, welche er zu Königsberg in Ungarn gebaut und allda mit gutem Succeſs und Vergnügen der Kompagnie das ihrige prästieren soll . Viele hätten Versuche gemacht, groſse Maschinen108Die Dampfmaschine vor Watt.zu bauen, keiner aber mit solchem Erfolge wie Potter, welcher durch seine Geschicklichkeit und Fleiſs, zu Königsberg in Ungarn, dem Berichte nach, eine solche Maschine aufgesetzet, die billig von allen zu admirieren und ihm das Zeugnis eines hochverständigen und klugen Mannes erworben hat . Leupold wollte aus Rücksicht für Potters Erfinderrecht anfangs nichts darüber veröffentlichen, nachdem aber die Sache jetzt bereits bekannt geworden und nicht nur Zeichnungen, sondern sogar Modelle nach der Maschine ange - fertigt worden seien, so könne von einer Verletzung eines Geheim - nisses und einer Schädigung nicht mehr die Rede sein. Danach habe er aus ihm zugesendeten Rissen und wo diese mangelhaft waren, nach seinem Verständnisse die Figur der Maschine gezeichnet, die im ganzen ziemlich genau dem Original entsprechen dürfte.

Diese erste wirkliche Arbeit leistende Dampfmaschine auf dem Kontinent, welche in Fig. 4 nach Leupolds Zeichnung abgebildet ist, bedarf einer besonderen Erklärung nicht mehr. Der Dampf - kessel A hatte 7 Fuſs Durchmesser und hielt 200 Eimer Wasser; er war zu ¾ gefüllt. Oben war eine Metallplatte mit dem Dampf - rohre aufgeschraubt. Der Cylinder hatte 32 bis 36 Zoll Durch - messer, war 8 Fuſs hoch und wog in die 30 Centner. Der metallene Kolben R war seitlich mit Schrauben versehen, um die Liderung von Holz oder Leder festzuschrauben. Der Kolbenhub betrug 7 Fuſs. Die Kraft wurde auf einen sehr starken Wagbalken von 21 Fuſs Länge und 18 Zoll Dicke übertragen, an dessen anderem Ende das schwere dreiteilige Pumpengestänge für die drei Pumpensätze an einer Kette hing, deren Glieder jedes einzelne 10 Pfd. wog. Das sehr schwere Pumpengestänge war durch ein besonderes Gegengewicht abbalanziert. Die Regulierung der Dampf - und Wasserhähne geschah wie in Fig. 3 durch eine Lenkstange. Das Hebelwerk war einfacher als bei der Londoner Maschine, diese Vereinfachung rührt aber von Leupold her, welcher sich aus der erhaltenen Zeichnung kein rechtes Konzept formieren konnte . Die Maschine hob 24000 Eimer in 24 Stunden. Aus einem Briefe, den Leupold anfügt, geht hervor, daſs die Ma - schine seit neun Monaten in ununterbrochenem Betriebe stand und sich vorzüglich bewährte. Herr Potter sei selbst noch in Königs - berg und habe die Aufsicht gegen ein Salarium übernommen.

Ein zweiter Brief von Fischer von Erlach aus Wien am 23. Januar 1725 lautet:

Was unsere Feuermaschine anbelangt, so brennet solche drei Klafter Holz des Tages und hat eine Kraft wie 25 Sätze Röhren, jede109Die Dampfmaschine vor Watt.von 6 Zoll im Diameter und vier Klafter lang zu heben oder zu regieren, mit einer Geschwindigkeit, so daſs 14 Hub, jeder von 6 Schuh, in der Minute geschehen. Zum Exempel: wenn das Wasser nicht höher als 4 Klafter hochzuheben, so kann die Maschine alle

Fig. 4.

25 Satz Röhren, so nebeneinander stehen, auf einmal heben und also 25 Ausguſs Wasser in dem Hub produzieren, ist aber das Wasser auf 100 Klafter zu heben, so müssen die 25 Satz Röhren untereinander statt nebeneinander gesetzt werden, also nur einen Ausguſs bei jedem Hub giebt, als den obersten, weil die untersten nicht gezählt werden.

110Die Dampfmaschine vor Watt.

Die Pressung auf den Kolben betrug 12288 Pfd. Die Leistung 1000 Eimer = 1168 Ctr. in der Stunde bei 30 Klafter (triginta orgyarum) Hub.

Leupold hebt hervor, daſs bei dieser Maschine nicht die Ex - pansion des Dampfes, sondern der Druck der Atmosphäre die Arbeit leiste.

Dagegen teilt er selbst einen Entwurf einer Dampfmaschine mit, wobei die Arbeit durch die Expansion des Dampfes geleistet werden soll. Fig. 5 stellt Leupolds Feuermaschine mit zwei Stiefeln und

Fig. 5.

Kolben, durch die Expansion die Kraft auszuüben1)Siehe Leupold, Theatrum Machinarum hydraul. II, S. 93, Tab. XLIII, Fig. III. , dar. Es ist dies der erste klare Entwurf einer Hochdruck-Dampfmaschine. Er wollte damit einen Versuch thun: ob man eine Schneidmühle in einem Walde, da genug Holtz und stehende Pfützen sind, auf solche Weise könnte kompendieus anlegen? Weil mir aber Zeit und Gelegenheit zu dieser Maschine, oder auch andere kurieuse Proben und Versuche zu machen, itzo sogleich nicht vergönnt, so habe Hoffnung, es werde vielleicht ein anderer Kuriosus daher Gelegenheit nehmen, ein und die andere Probe deswegen anzustellen . Leupold fügt eben so wahr als bescheiden hinzu: Ist nur zu wagen, wo es nicht allzu hoch und zu viel Wasser giebt (wegen der Spannung im Kessel), aber für111Die Dampfmaschine vor Watt.20 bis 30 Ellen sei es wohl gut. Leider fand sich ein solcher Kurio - sus aber nicht und so blieb die schöne Idee auf dem Papiere.

Fischer von Erlach dagegen hatte sich mit der Dampfmaschine so vertraut gemacht, daſs er 1724 selbst eine in Wien erbaute, und zwar für den Fürsten Franz Adam von Schwarzenberg, um in dessen Schloſsgarten Wasserkünste zu treiben. Ihr Dampfkessel hatte 6 Schuh Durchmesser, der Cylinder war von Metall aus einem Stück gegossen 9 Schuh hoch, eines Fingers dick, 1200 Pfd. schwer, im Diametro 2 Schuh, inwendig wohl ausgebohret und polieret . Die Maschine kostete 12000 Gulden. Diese Maschine, die sehr gut arbeitete und damals zu den Merkwürdigkeiten Wiens gezählt wurde1)Siehe das Februarheft der Merkwürdigkeiten Wiens 1727, S. 74. Es heiſst da, daſs fast zu gleicher Zeit (mit der Königsberger Maschine) auch die dritte Feuermaschine allhier in Wien von dem Herrn Fischer von Erlacher sey verfertiget worden . Die Maschine ist daselbst abgebildet und ist ganz ähnlich der Londoner Maschine., war die erste leistungsfähige deutsche, d. h. von einem Deutschen mit deutschem Material erbaute Dampfmaschine.

1735 wurde Fischer von Erlach in den Freiherrnstand er - hoben.

Im Jahre 1726 war auch zu Passy bei Paris eine Newcomen - Maschine von Mey und Meyer aufgestellt und in Betrieb gesetzt worden. Dieselbe war nach dem Modell der Maschine von Griff in England angefertigt. Sie hatte, nach Weidler2)Loc. cit., p. 72., einen ovalen Kessel und einen eisernen Cylinder von 6 Fuſs Höhe. Dies ist der erste eiserne Cylinder einer Newcomen-Maschine, von dem wir be - stimmte Nachricht haben. In England selbst wurden solche nicht angewendet. 1740 schreibt noch der berühmte Desaguiliers, der um die Entwickelung der Dampfmaschine sich so groſse Verdienste erworben hat: Einige Leute bedienen sich eiserner Cylinder für ihre Dampfmaschinen, doch möchte ich niemandem dazu raten, denn, wenn man auch Arbeiter hätte, welche sie glatt genug ausbohren könnten, so kann man sie doch nicht dünner als einen Zoll dick gieſsen; deshalb können sie weder so rasch erhitzt noch abgekühlt werden, als andere und das macht ein bis zwei Touren Unter - schied in der Minute, wodurch bis 1 / 10 weniger Wasser gehoben wird. Ein Bronzecylinder von den gröſsten Maſsen kann leicht Zoll dick gegossen werden, und bei dauerndem Betriebe wird sich rasch die Differenz der Anlagekosten ausgleichen, um so mehr, wenn man den bleibenden Materialwert des Bronzecylinders in Betracht zieht .

112Die Dampfmaschine vor Watt.

Der Regulator der Maschine von Passy wurde nicht von einem Schwimmer, sondern allein durch die Lenkstange bewegt; diese Ver - besserung hatte ebenfalls Desaguiliers angegeben. Weidler sah 1726 in dessen Hof in London das Modell einer solchen Maschine, welches für Toledo bestimmt war, wonach eine groſse Maschine gebaut werden sollte. Ein anderes Modell von Holz sah Weidler bei Bosfrand in Paris und er betont, wie ratsam es sei, erst ein solches Modell fertigen zu lassen, ehe man eine Maschine im groſsen ausführe1)Weidler Loc. cit., p. 79, wo er auch über eine abgeänderte Maschine von Bosfrand berichtet. Bosfrand baute selbst eine Feuermaschine, welche der Herzog von Autin bei Arcueil im Hause desselben in Augenschein nahm. Siehe Gelehrte Zeitungen, Leipzig 1726, 7. Januar. Von Paris, p. 10.. Auch wurde in demselben Jahre, wie er angiebt, eine zweite Maschine als Reserve in dem Wasserwerke von York Buildings aufgestellt.

1727 kehrte Martin Triewald von England nach Schweden zurück, wohin er eine von ihm selbst gefertigte Newcomen-Ma - schine mitnahm, welche auf einem Bergwerke in Schweden aufgestellt wurde.

1733 lief Saverys Patent ab. Seine Maschine hatte sich für groſse Leistung nicht bewährt. Hierfür, insbesondere für die Wasser - haltung bei Bergwerken, wurde überall die Newcomen-Maschine, welche Schritt für Schritt Verbesserungen erfahren hatte, angewendet und Swizer preist sie als die schönste und nützlichste Maschine, welche irgend eine Zeit oder irgend ein Land jemals hervorgebracht hat2)Siehe Swizer, Specimina Inchnographia 1730. .

Es läſst sich nicht leugnen, daſs sie einen groſsen Fortschritt darstellte und daſs sie dem Zwecke ihrer Verwendung entsprach. Aber welch ein roher Apparat war es im Vergleiche mit unserer Dampfmaschine. Ihr gröſster Fehler war ihr groſser Kohlenverbrauch. In jener Zeit sah man jedoch in ihr den Gipfel der Vollkommenheit und so wurde denn viele Jahrzehnte, bis der groſse Reformator James Watt auftrat, nichts Wesentliches an ihrer Konstruktion mehr geändert. Die Verbesserungen, die man erstrebte und auch er - reichte, bestanden in sorgfältigerer Herstellung und in dieser Be - ziehung hat Smeaton das höchste geleistet.

113Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Die direkte Schmiedeeisengewinnung Luppen - feuer Stücköfen.

Der Zustand der Eisenindustrie zu Anfang des 18. Jahrhunderts war ein sehr ungleichmäſsiger. Während in vielen Gegenden die Eisenbereitung noch auf recht niedriger Stufe stand, während Luppen - feuer und Stücköfen in weiten Gebieten noch die einzigen oder doch die verbreitetsten Schmelzvorrichtungen waren, blühten in anderen Gegenden Hochofen - und Frischfeuerbetrieb und war man bemüht, durch Verbesserung der Öfen, stärkere Betriebsmaschinen und gröſsere Blasebälge die Produktion zu steigern.

Die unmittelbare Verschmelzung der Erze auf schmiedbares Eisen, die direkte Methode, war zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch sehr verbreitet.

Luppenfeuer waren fast in ausschlieſslicher Anwendung im Ge - biete der Pyrenäen, sowohl im südlichen Frankreich, wie im nördlichen Spanien, ferner in Italien in den Gegenden, in welchen die Erze von Elba verschmolzen wurden, was besonders an der ganzen italienischen Westküste und auf der Insel Korsika geschah. In Deutschland war der Luppenfeuer - oder Rennwerksbetrieb vorherrschend im Osten und Norden, in Schlesien und der norddeutschen Tiefebene, sowie in der Oberpfalz, dem Gebiete von Sulzbach und Amberg. Neben dem Hochofenbetrieb wurden noch Luppenfeuer in vielen Gegenden Deutschlands betrieben, wie in Böhmen, Sachsen und am Harze, wo sie vielfach als Neben - betriebe der Landwirtschaft auf groſsen Herrschaftsgütern sich erhalten hatten. In Ungarn und den unteren Donauländern, sowie in Ruſsland wurden primitive Luppenfeuer zum Teil als Hausierbetrieb neben Stück - öfen betrieben. In sehr ausgedehnter Anwendung stand der Betrieb der Luppenfeuer (bloomaries, bloomeries) in den Kolonieen Nordamerikas.

Der Stückofenbetrieb hatte seinen klassischen Mittelpunkt in Steiermark. In Kärnten, Krain, Tirol und Norditalien bestand er neben dem Hochofenbetriebe fort, ähnlich verhielt es sich in Schmal - kalden. In Schweden, Finnland und Ruſsland wurden die Bauern - öfen, welche nichts anderes als niedrige Stücköfen waren, neben den Hochöfen fortbetrieben.

Swedenborg1)Swedenborgius, De Ferro, p. 171., indem er eine Luppenschmiede bei Sanger - hausen in Sachsen beschreibt, sagt, es gäbe dieser Rennwerke sehrBeck, Geschichte des Eisens. 8114Direkte Schmiedeeisengewinnung.viele in Deutschland (qualia plurima Germaniae quae vocantur Rennwerk ). Sie hatten zwei Feuer. Der eine Herd diente zum Einschmelzen der Erze zu einer Luppe, der andere zum Ausschweiſsen der beiden Luppenhälften, die dann weiter zerteilt und in Stäbe ge - schmiedet wurden. Ein Rennherd lieferte bei normalem Betrieb in 24 Stunden 5 Luppen oder ca. 2000 kg Stabeisen in einer Woche1)Nämlich 13 Schiffspfund, nicht fünf, wie Bd. I, S. 783 irrtümlich ange - geben ist. 1 Schiffspfund = 160 kg = 20 Lispfund, also ein Lispfund = 8 kg.. Die Einrichtung und den Betrieb der sächsischen Rennherde nach Swedenborgs Beschreibung haben wir bereits Bd. I, S. 783 mit - geteilt. Hiervon abweichend waren die Rennwerke in Schlesien (Fig. 6) bei Malwitz, Ober-Eylau, Altenhammer, sowie an vielen anderen be - nachbarten, aber auſserhalb Schlesiens gelegenen Orten. Diese hatten

Fig. 6.

nur ein Feuer, in welchem sowohl das Einschmelzen der Erze zur Luppe, als das Ausheizen der Teile statt hatte.

Swedenborg berichtet, daſs die hellbraunen, leicht zerreiblichen Erze (Raseneisensteine) erst gesiebt wurden, wobei die ärmeren feinen Teile abgeschieden und aus dem Gröberen die Bergmittel ausgelesen wurden. Die Erze wurden dann mit Kalk oder einem Fluſssteine ge - mengt und lagenweise abwechselnd mit Kohlen aufgegeben. Der Herd, der in eine Esse eingebaut war, muſste geräumig sein. In der Mitte des Herdes wurde die Herdgrube aus Lösche hergestellt; in diese ragten die Winddüsen hinein. War das Feuer angelegt, so steigerte man115Direkte Schmiedeeisengewinnung.es allmählich durch stärkeres Blasen. Eine Schmelzung dauerte fünf bis sechs Stunden, wobei fortwährend Kohle und Erz nachgegeben wurden, bis der Herd mit Eisen gefüllt war. Man zog nun die Kohlen von dem Schmelzgute ab, lieſs die Schlacke durch das Schlackenloch abflieſsen, bis die noch sehr rohe Luppe freilag. Diese wurde von zwei Arbeitern unter den Wasserhammer gebracht, wo sie in die Form eines runden Brotlaibes von der Gröſse eines Hutes und der Dicke einer Hand (palma) ausgebreitet wurde. Durch die vielen Hammer - schläge wurden die Eisenteile zusammengeschweiſst und die ein - geschlossenen Schlacken ausgepreſst und entfernt. Dieser Kuchen wurde dann mit dem Setzeisen unter dem Hammer in längliche Stücke, Daulinge genannt, zerteilt, die wieder in denselben Herd eingesetzt, bis zur Schweiſshitze erhitzt und unter dem Hammer zu Stäben ausgereckt wurden. Wenn das Erz gut war, brauchte man zu einer Luppe 18 Breslauer Maſs Erz und erhielt daraus 2 Ctr. Stab - eisen.

Die amerikanischen Luppenfeuer in Maryland und Pennsyl - vanien, über welche Swedenborg gleichfalls einige Mitteilungen macht, waren nach deutscher Art zugerichtet. Sie hieſsen bloomeries1)Liquatione venae immediata in officinis et tigills sive in illorum bloo - meries .. Eine Charge bestand aus drei Pecks oder ein Bushel geröstetem und zu Nuſsgröſse zerkleinertem Eisenerz (Raseneisenstein). Die Luppe, die 60 bis 70 Pfd. (Wights) wog, wurde in Stäbe ausgeschmiedet, und dauerte eine volle Charge mit dem Schmieden vier Stunden. Der Hammer wog 300 Pfd. (Wights). Swedenborg hebt hervor, daſs alle Arbeiter, sowohl die Schmelzer als die Erzgräber und die Tage - löhner, in Amerika sehr hohe Löhne verdienten.

Reaumur erwähnt (1722) in seiner Abhandlung über die Cement - stahlbereitung, daſs man in Roussillon und in Pays de Foix in Frank - reich Rohstahl im Rennherd direkt aus den Erzen schmelze. Die Erze wurden mit Holzkohlen eingeschmolzen und die erhaltene Luppe (massel), welche die Gestalt eines Kuchens oder einer abgeplatteten Kugel habe, aus dem Herde geschafft und unter dem Hammer in fünf bis sechs Teile (massoques) parallel dem gröſsten Durchmesser geteilt. Diese würden in Stangen ausgeschmiedet, welche teils aus Eisen, teils aus Stahl beständen.

Swedenborg beschreibt (S. 146) ein Luppenfeuer, das 1723 eine Meile von Dax in der Provinz Bayonne in Frankreich errichtet8*116Direkte Schmiedeeisengewinnung.worden war. Der Rennherd unterschied sich nach seiner Angabe von einem gewöhnlichen Frischherde nur dadurch, daſs man den Boden des Schmelzraumes unten rund machte, und daſs er etwas gröſser war, wodurch er bis Ctr. Eisen fassen konnte. Hatte sich die Luppe (renard, hier aber hournade genannt) am Boden gesetzt, so erfolgte das Ausbrechen und Zerschroten der Luppe wie oben. Das Erz war ein Raseneisenstein, von dem 15 bis 18 Ctr. zu einer hournade von Ctr. Gewicht nötig waren. In der Grafschaft Foix und in den Nachbargebieten wurden brauner Glaskopf und Brauneisenerz von Vic-Dessos in Luppenfeuern verschmolzen. Hierbei fiel neben dem weichen Eisen auch hartes stahlartiges Eisen und Stahl. Doch ge - schah dies mehr zufällig und waren die Luppenschmiede nicht im

Fig. 7.

stande, nach Willkür Stahl zu er - zeugen. Bei den südfranzösischen Luppenschmieden wendete man be - reits Wassertrommelgebläse an, die von Italien eingeführt worden waren.

Über die italienischen Renn - werksschmieden an der italienischen Küste, besonders im Gebiete von Genua, macht Swedenborg nur kurze Mitteilungen, dagegen giebt er die nebenstehende Abbildung Fi - gur 7 eines italienischen Luppen - feuers mit Wassertrommelgebläse. Das Wassertrommelgebläse bestand 1. aus einer oder mehreren Einfallröhren, die nach älterer Konstruktion, wie hier, meist viereckigen Querschnitt haben; 2. aus einem Kasten, oder einem Faſs, der eigentlichen Trommel, in welche die Einfallröhren ca. 7 Zoll tief einmündeten. Der Wasser - strahl strömte mit Heftigkeit auf einen oder mehrere Steine. Am Boden der Trommel befand sich der Ablauf für das Wasser, oben im Deckel die Ausströmungsöffnung für den Wind. Den dritten Teil des Gebläses bildete die Windleitung mit der Düse.

Die reichen elbanischen Erze wurden nicht geröstet, sondern nur unter dem Hammer klein geschlagen (pulverisata) und so im Herde eingeschmolzen. Alle vier Stunden erhielt man eine Luppe von etwa Ctr. Gewicht. In einer Woche wurden 36 bis 40 Ctr. fertiges Stangeneisen unter dem Wasserhammer ausgeschmiedet. Zu einem117Direkte Schmiedeeisengewinnung.Centner Eisen waren nur 2 bis 3 Ctr. Erz erforderlich. Mit dem Erze setzte man öfter altes Guſseisen ein. Zur Bedienung der Luppen - schmiede gehörten vier Mann.

Von den spanischen Rennwerken erwähnt Swedenborg derer bei Lesso und Pellagium, zwei bis drei Meilen von St. Sebastian, am Flusse gelegenen. Diese hatten zwei Herde. Die Erze aus den 1 bis Meilen entfernten Gruben wurden zwei bis drei Tage lang geröstet. In dem einen Herde wurde das unter dem Hammer zerkleinerte Erz mit Kohlen gemischt aufgegeben und vor dem Winde niederge - schmolzen. Das erhaltene Eisen wurde dann in dem zweiten Herde ausgeschweiſst (ut scilicet denuo liquesceret) und unter dem Hammer ausgereckt. In einer Woche wurden in einem solchen Rennwerke 40 bis 50 Ctr. (quintals) Eisen geschmolzen und verschmiedet. Das

Fig. 8.

Ausbringen aus den Erzen betrug ¼ bis . Der Ambos stand dicht bei dem Feuer und war so niedrig, daſs der Renner ohne besondere Mühe die schwere Luppe unter den Hammer bringen konnte. Man wendete groſse Wasserräder an. Die Blasebälge waren von Leder, die Kohlen aus Kastanien - und Buchenholz.

Zu den Eisenhütten, die nahe dem Meeresstrande lagen, wurden die Erze aus Biscaya gebracht, wo sie nahe bei Bilbao gewonnen und zur See nach St. Sebastian befördert wurden. Diese Erze waren reicher als die, welche in Guipuzcoa gegraben wurden. Auch hier wie in Navarra und Biscaya gab es Luppenfeuer.

Über die Luppenschmieden (Catalanschmieden) im spanischen Navarra besitzen wir aber eine noch ältere und gründlichere Be - schreibung, die wir Reaumur verdanken. Sie stammt aus dem Jahre118Direkte Schmiedeeisengewinnung.1716, wurde aber erst nach Reaumurs Tode im Jahre 1762 in der Abhandlung von Courtivron und Bouchu über die Eisenhämmer und hohen Öfen abgedruckt. Reaumur hatte sich die Angaben dazu durch einen Herrn Gendre verschafft. Er schreibt darüber: Weil das spanische Eisen in groſsem Rufe und Werte ist und die Art, die Erze zu schmelzen, zur Güte desselben vielleicht etwas bei - trägt, so haben wir uns eine wahrheitsgetreue Beschreibung des Ver - fahrens und genaue Risse der Öfen zu verschaffen gewünscht und ist es uns nicht ohne Mühe gelungen, daſs Herr Gendre, in Befolgung des Befehls seiner königlichen Hoheit (des Prinzregenten von Orleans) von einem Spanier, dem Besitzer des Eisenrennwerks Denderlats an

Fig. 9.

dem Flusse Bidassoa, am Eingange von dem spanischen Navarra ge - legen, die Erlaubnis erhalten hat, die Grundrisse, Fig. 8 (a. v. S.) und Fig. 9, die wir nötig hatten, zu nehmen.

Die Erze, welche denen von Allevard in der Dauphiné glichen, gewann man durch Steinbruchsarbeit. Sie wurden 24 Stunden lang geröstet, dann in grobe Stücke von Eigröſse zerklopft. Der Luppen - herd hatte die Eigentümlichkeit der biscayischen Schmieden, daſs sie zur Abhaltung der Bodenfeuchtigkeit in einen groſsen kupfernen Kessel eingemauert waren. Dieser Kessel (C C, Fig. 8, 9), der ca. 6 Fuſs im Durchmesser, und Fuſs Höhe hatte, war innen mit einem 1 Fuſs starken Mauerwerk E E ausgekleidet. In dieses Mauer - werk war erst der Herd, dessen Wände aus Eisenzacken bestanden, eingemauert. Er hatte eine längliche Gestalt und verengte sich nach119Direkte Schmiedeeisengewinnung.unten. Der gröſste und der kleinste Durchmesser oben betrugen und 3 Fuſs, der gröſste Durchmesser am Boden 3 Fuſs 4 bis 5 Zoll. Die Mündung der Düsen lag 18 Zoll über dem Boden und befand sich in der Mitte der einen Langseite. Man bediente sich lederner Blasebälge und lagen die Düsen in einem Winkel von 40° geneigt. Nahe am Boden an der einen Schmalseite befand sich eine Öffnung für den Schlackenabstich. Ein drittes Loch befand sich weiter oben, nur einige Zoll vom oberen Rande entfernt. Es diente zur Einführung des eisernen Rengels, um im Ofen zu arbeiten und die Luppe zu bewegen. Da, wo der Schlackenabstich sich befindet, hat der kupferne Kessel einen Ansatz (D D, Fig. 9) und das innere Mauer - werk eine Unterbrechung.

Man bedeckt den Boden des Herdes mit Buchenkohlen, ent - zündet sie und läſst die Bälge angehen. Sind sie gut durchgebrannt,

Fig. 10.

so schiebt man alle Kohlen nach der Seite der Form, wo man sie möglichst fest zusammendrückt. Auf der entgegengesetzten Windseite wirft man das geröstete grobstückige Erz ein und bedeckt dann das Ganze mit Kohlen. Die verbrannten Kohlen ersetzt man durch neue, indem man zu gleicher Zeit auch etwas Erz, aber mehr zerkleinertes als zuvor, einsetzt.

In Bearn bediente man sich noch der ledernen Blasebälge (Fig. 8), während man in der Grafschaft Foix Wassertrommelgebläse oder Tromben (Fig. 10) eingeführt hatte. Man schmolz hier in fünf Stunden etwa 5 Ctr. geröstetes Erz ein, woraus man je nach dem Reichtum der Erze eine Eisenluppe (chasset) von 2 bis 3 Ctr. erhielt.

Die Abbildung (Fig. 10) giebt uns ein recht anschauliches Bild120Direkte Schmiedeeisengewinnung.einer Luppenschmiede der Grafschaft Foix. Der kleine Schmelz - herd S in der Mitte war gemauert und viereckig. Er war nicht in einen kupfernen Kessel eingebaut und glich einem gewöhnlichen Frischherd. Er wurde mit Kohlenstübbe ausgeschlagen, wobei man dem Schmelzraum eine elliptische Form gab. Der Wind wurde durch das Wassertrommelgebläse erzeugt, dessen Anordnung aus der Zeich - nung gut zu ersehen ist. Zum besseren Verständnis der Konstruktion ist in Fig. 11 ein Durchschnitt durch die Einfallröhren und die Trom - mel beigefügt. Die Tromben der Grafschaft Foix hatten zwei ziemlich weite Einfallröhren (arbres). Diese hatten viereckigen Querschnitt

Fig. 11.

und saugten den Wind von oben durch die Öffnun - gen H H an, auſserdem be - fanden sich aber auch noch engere Sauglöcher in den Wänden der Einfallröhre. Die Höhe der Einfallröhren betrug etwa 15 Fuſs, die Weite 8 Zoll. Nach oben teilte sich ein jedes in Ge - stalt eines Y, das dadurch gebildete dritte Mittelrohr I diente zum Einfall des Wassers. Dasselbe befand sich oben Fuſs unter dem Wasserspiegel und war durch einen Holzspund verschlieſsbar. Die Seiten - und Saugröhren (trompils) ragten über den höchsten Stand des Wassers hinaus. Die Einfall - röhren gingen 7 Zoll tief in die Trommel (tambour) oder den Wind - kasten (caisse de vent). In dem hinteren Teile dieses Kastens be - fanden sich unter den zwei Einfallröhren zwei steinerne Platten (M M, Fig. 11), auf welche das Wasser mit groſser Kraft aufschlug. Das Erz gerät in Fluss, das Eisen sinkt zu Boden, die Schlacke schwimmt oben auf und wird von Zeit zu Zeit abgestochen. Durch Arbeiten mit der Brechstange, welche durch die oben erwähnte Öffnung eingeführt wird, im Herde und Umrühren der Masse wird die Abscheidung des Eisens befördert. In vier bis fünf Stunden wird der Erzsatz für eine Luppe von 6 bis 7 Ctr. eingeschmolzen. Der erste Einsatz beträgt121Direkte Schmiedeeisengewinnung.2 bis 3 Ctr., das übrige wird nachgesetzt. Beim Herausnehmen der Luppe heben einige Arbeiter dieselbe mit Brechstangen, während andere sie mit Zangen fassen und herausziehen. 675 Pfd. Erz sollen 225 Pfd. ausgeschmiedetes Stabeisen liefern.

Das andere Verfahren der direkten Eisengewinnung vollzog sich in Schachtöfen. In Schweden schmolz man die Sumpf - und Seeerze zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch ausschlieſslich in dieser Weise, wie wir es Bd. I, S. 803 und Bd. II, S. 161 bereits beschrieben haben. Die Öfen hieſsen Blaseöfen oder Bauernöfen (schw. Myrjärns - oder Blästerverk, Blästerugn). Die Sumpferze (Örke oder Yrke) wurden hauptsächlich in Jemptland, Dalekarlien und dem westlichen Bothnien gewonnen und in Angermanland und Dalekarlien ver - schmolzen. Vor dem Schmelzen wurden sie geröstet. Das Rösten geschah in Haufen, welche in Dalekarlien in der Weise zugerichtet wurden, daſs man über den trockenen Boden einen Holzrost aus drei Lagen rechtwinklig übereinander geschichteter Balken aufschichtete und darauf eine Lage Erz etwa 0,2 m dick ausbreitete. Der quadra - tische Haufen von 3,6 m Seitenlänge wurde entzündet, und wenn die Balken längere Zeit gebrannt hatten und das Erz durchgeröstet war, schüttelte man dieselben, so daſs das Röstgut zwischen den Ritzen durch auf den Boden fiel. Alsdann legte man nach Bedarf neues Holz und eine frische Erzlage auf. Versuche in Angermanland, die Sumpferze ungeröstet aufzugeben und durch langsame Steigerung der Hitze die Röstung im Ofen selbst vorzunehmen, hatten schlechten Erfolg; des Eisens war unbrauchbar, so daſs man davon abstehen muſste. Die Öfen waren kleiner oder gröſser, je nachdem die Blase - bälge getreten oder durch Wasserräder bewegt wurden. Die älteren Öfen mit Tretbälgen waren kaum gröſser und höher als ein Luppen - feuer, 0,75 m hoch, unten 0,225 im Quadrat, oben 0,75 m Durch - messer, indem der nur 0,12 m hohe Raum bis zur Form quadratisch war, während der Raum von der Form bis zur Gicht die Gestalt eines umgekehrten Kegels hatte. In Dalekarlien wurde für diese Öfen nur eine Grube von 0,9 m Tiefe, 1,5 m Länge und 1,2 m Breite aus - gegraben und darin der Ofen aus gewöhnlichen Steinen, ohne be - sonderen Bodenstein, gemauert. In Angermanland hatte man da - gegen einen Bodenstein. Diese alten niedrigen Öfchen hatten nicht einmal ein Schlackenloch, sondern man lieſs die Schlacke, wenn sie zu hoch stieg, aus dem Formloch abflieſsen; übrigens waren die Schlacken meistens gar nicht flüssig genug, um abzuflieſsen. Die Luppe, die nach beendeter Schmelzung in Schlacke eingebettet im122Direkte Schmiedeeisengewinnung.Ofen lag, wurde mit einer Zange durch die obere Öffnung heraus - gehoben. Man konnte angeblich in den einfachen Öfen (Enkielling) in 24 Stunden sechs bis acht Luppen von je 15 bis 20 kg Gewicht machen. Doch giebt Swedenborg die Wochenproduktion eines Doppel - ofens (Twekielling) nur zu 1024 Pfund (ca. 450 kg) an, weil die Öfen nur einige Tage in der Woche betrieben wurden. Manchmal wurde die erhaltene Luppe direkt verschmiedet, meistens aber wurde sie in einem Löschherd durch Ausheizen gereinigt und dann erst ausgeschmiedet.

Alles, was Swedenborg sonst noch über die Bauernöfen und über das Verschmelzen der Sumpferze Bemerkenswertes vorbringt, haben wir bereits früher (Bd. I, S. 806; Bd. II, S. 161) mitgeteilt und verweisen wir darauf.

Die Seeerze, deren Gewinnung wir Bd. I, S. 808 beschrieben haben, wurden nicht nur in Angermanland und Dalekarlien, sondern auch in Småland und Ostgotland gewonnen und verhüttet. In Dalekarlien und Angermanland geschah das Schmelzen in derselben Weise wie bei den Sumpferzen, anderswo wurden sie zu Osmund verschmolzen und in Småland wurden sie in Hochöfen zugute gemacht.

Die alten Osmundöfen, die wir schon früher wiederholt erwähnt haben, waren zu Anfang des vorigen Jahrhunderts schon selten ge - worden, weil der alte Osmundhandel aufgehört und der Drahtosmund auch in Schweden nicht mehr unmittelbar aus den Erzen geschmolzen, sondern aus Roheisen gefrischt wurde. Diese alten Osmundöfen stimmten übrigens fast vollständig mit den oben beschriebenen Bauern - öfen überein und auch der Betrieb war ähnlich. Saxholm erwähnt noch, daſs die Osmundöfen mit Vorliebe an den Abhang eines Berges angebaut wurden und daſs sie, wie die Stücköfen, vorn eine groſse Öffnung hatten, welche während des Schmelzens mit gut passenden Steinen zugesetzt, nach dem Schmelzen aber aufgebrochen und dann die Luppe herausgezogen wurde. Diese Luppen erster Schmelzung waren aber meistens noch sehr unrein, weshalb man sie zur weiteren Reinigung nochmals in demselben Ofen niederschmolz, wodurch man ein sehr viel reineres Eisen erhielt, das sich direkt zu Geräten und Werkzeugen verschmieden lieſs. Dieses Verfahren war zu Anfang des vorigen Jahrhunderts schon auſser Gebrauch gekommen und teils durch die oben beschriebenen Bauernöfen, teils durch ein besonderes Frischverfahren, bei dem granuliertes Roheisen oder Wascheisen ein - geschmolzen wurde, ersetzt. Das bei diesem Frischverfahren erhaltene Produkt nannte man ebenfalls Osmund. Dasselbe wurde in einem zweiten Herd ausgeheizt.

123Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Weit vollkommener als die schwedischen Osmund - und Bauernöfen waren die Stücköfen der österreichischen Alpenländer.

Zu Vordernberg in Steiermark schmolz man in den ersten Jahr - zehnten des 18. Jahrhunderts die vortrefflichen Erze des Eisenerzer Erzberges noch ausschlieſslich in Stücköfen1)Swedenborg, a. a. O., S. 177.; die Öfen und das Schmelzverfahren haben wir früher (Bd. II, S. 169) bereits ausführlich beschrieben.

Zu Vordernberg waren, zu Swedenborgs Zeit, 16 dieser Öfen im Betrieb. Ebenso bediente man sich in Eisenärz, sowie in dem übrigen Steiermark der Stücköfen, welche von verschiedener Gröſse waren (Bd. II, S. 171).

Die gröſsten waren 18 Fuſs hoch; die Form lag Fuſs über dem Bodenstein; die lichte Weite vor den Formen betrug bei den groſsen Öfen 3 Fuſs, bei den mittleren Öfen (von 14 Fuſs Höhe) 2 Fuſs im Quadrat. Von da erweiterte sich der Ofen und ging in der Höhe von 3 Ellen (ca. 1,80 m) über der Form in einen runden Querschnitt von 3 Ellen Durchmesser über. Dies war der Kohlensack. Von da verengerte sich der Ofen bis zur Gicht, welche 1 Elle (circa 0,60 m) Durchmesser hatte. 1 Fuſs über dem Boden war in der Brust - seite ein starker Eisenstab eingemauert, über welchem die Brustwand von Lehm 1 Fuſs dick hergestellt wurde. In dieser war das Form - loch konisch ausgespart. Die Bälge waren klein, nicht gröſser als Schmiedebälge. Auch waren sie nicht auf einem festen Balggerüst gelagert, sondern beweglich, um sie bei jedem Aufbrechen leicht weg - nehmen zu können. Dies geschah bei den groſsen Öfen jede 12 Stunden einmal. Die zwölfstündige Produktion betrug etwa 6 Ctr. Ein solcher Ofen hielt mehrere Jahre, sein Tiegel muſste aber mindestens alle Vierteljahr erneuert werden. Wegen des Betriebes der Öfen verweisen wir auf das früher Gesagte.

Wir besitzen eine noch ältere Beschreibung der Stücköfen von Vordernberg als die von Swedenborg im Jahre 1734 veröffentlichte. Sie rührt von einem Ofenmeister Anthes her, welcher im Auftrage und auf Kosten des Prinzen von Orleans eine Informationsreise nach Steiermark unternahm. Der Bericht befand sich in den hinterlassenen Papieren Reaumurs2)Abgedruckt in der Abhandlung: Arts des forges et fourneaux à fer par M. le Marquis de Courtivron et M. Bouchu in den Descriptions des arts et métiers, II, p. 141. und ist datirt vom 10. April 1719.

Die Maſse der Öfen waren danach die folgenden: Die recht -124Direkte Schmiedeeisengewinnung.winklige Basis hatte an der Arbeits - und Hinterseite 13 Fuſs, an den beiden anderen Seiten 11½ Fuſs Länge. Die Höhe des inneren Ofens vom Boden bis zur Gicht betrug 14 Fuſs und 4 Zoll. Der Ofen erschien aber viel höher, weil er mit einem Schornstein (Fig. 12, F G),

Fig. 12.

Fig. 12a.

der bisweilen über 18 Fuſs Höhe hatte, überbaut war, so daſs die gesamte Höhe 32 Fuſs und mehr erreichte. Der Ofen verjüngte sich von der Basis bis zur Gicht I, wo sein äuſserer Umfang 11 Fuſs und 9 Fuſs oder 9 Fuſs 7 Zoll betrug. Die Esse F G hatte auf den drei Ofenseiten offene Thore H, welche nach der Gicht führten, auf der125Direkte Schmiedeeisengewinnung.vierten befand sich eine eingebogene, schiefe Ebene K, auf welche der Aufgeber seine Körbe entleerte und welche die Beschickung gleich wie ein Trichter (Fig. 13, Fig. 13a) dem Ofen zuführte. Ofenbrust und Blasebälge befanden sich auf derselben Seite in dem einzigen

Fig. 13.

Fig. 13a.

Gewölbe des Rauhmauerwerks. Die Brust, welche 5′ 2″ breit war und beim Ausziehen der Massel aufgebrochen wurde, war nicht fester zugemacht, als der Vorherd bei dem Hoch - ofen. Der obere zusammen - gezogene Teil des Ofens bildete bis auf etwa Fuſs vom Bo - den einen umgekehrten Trich - ter von ovalem Querschnitt. Die Gichtöffnung I hatte 2 Fuſs und Fuſs Durch - messer, im Kohlensack N 5 Fuſs 1 Zoll auf 4 Fuſs 1⅔ Zoll. Doch war der Querschnitt an der Vorderseite breiter als an der Rückseite, wo die Wände weniger geneigt waren, derart, daſs die Abweichung nach vorn 2 Fuſs, während sie nach der Rückseite nur 7 Zoll be - trug. Die zwei anderen Seiten hatten die gleiche Neigung. Von dem Kohlensack an gingen die Wände senkrecht abwärts. Der Querschnitt ging in ein halbes Oval über, dessen Basis auf der Formseite lag (siehe Fig. 12a). Das Innere des Ofens wurde aus feuerfester Erde gestampft, hatte also eine sogenannte Massenzustellung, und zwar war die Massenschicht am Boden über dem Bodenstein 7 bis 8 Zoll dick. Die Seitenwände waren unten 1 Fuſs, an der Gicht ½ Fuſs stark. Den Bodenstein legte man ganz horizontal und 14 Zoll tiefer als den Hüttenboden. 8 Zoll über dem Boden lag ein starker eiserner126Direkte Schmiedeeisengewinnung.Balken (Fig. 13a). Die Öffnung bis zur Sohle bildete das Ausziehloch, das nach jeder Schmelzung aufgebrochen wurde. Es wurde mit Lehm zugestopft. Die Form lag genau 7 Zoll über dem Boden. Sie hatte nur 2 Zoll Öffnung an der Mündung. Die Balgdüsen lagen 3 bis 4 Zoll zurück. Die Erze wurden geröstet; man gab keinen Zuschlag beim Schmelzen. Es wurden acht groſse Gichten gesetzt, welche in 18 Stunden niederschmolzen. Alsdann wurden die Bälge ausgehängt, die Zieh - öffnung aufgebrochen und der Eisenklumpen ausgezogen. Es war nicht leicht, diese Masse von 1800 Pfund herauszuschaffen. Es geschah dies, nachdem sie mit Brecheisen gelüftet war, mit starken Rollen, welche

Fig. 14.

sich um die Blasewelle aufwickelten und dadurch die Massel heraus - zogen (Bd. II, Fig. 55). Fig. 14 zeigt das Innere der Hütte. Die Beschreibung stimmt bis auf die Form des Schmelzofens ganz mit der Swedenborgs überein. Sowohl in den Luppenfeuern der Grafschaft Foix, als in den Stücköfen zu Vordernberg erhielt man gleichzeitig mit dem Eisen auch Stahl, und Reaumur hebt besonders hervor, daſs merkwürdigerweise in den groſsen kuchenförmigen Luppen der Stücköfen die mittleren Partieen Eisen, die Ränder Stahl seien. Es erkläre sich dieses daraus, daſs der Stahl flüssiger sei als das Eisen und deshalb nach auſsen hin abgeflossen sei. Diesen direkt aus den Erzen erhaltenen Stahl bezeichnete man nach Reaumur als natür - lichen Stahl .

127Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Blauöfen, welche den Übergang von den Stücköfen zu den Hochöfen bildeten, verwendete man in Südfrankreich, Norditalien und in Mitteldeutschland.

Swedenborg beschreibt eine Blauofenhütte, welche zu Alvar in französisch Savoyen (Allevard, Dep. Isère) betrieben wurde. Das Erz, ein guter Spateisenstein, kam aus den reichen Gruben im Berge Vanche. Von der Anlage, die er hauptsächlich des Gebläses wegen, welches eine Trombe oder Wassertrommelgebläse war, schil - dert, giebt er nebenstehende Abbildung (Fig. 15). Indem ein dichter geschlossener Wasserstrahl durch den konischen Auslauf C C in

Fig. 15.

das Rohr E E, welches an der Auslaufstelle die Schlitze D D hat, einströmt, saugt es Luft ein, die mit dem herabstürzenden Wasser in die geschlossene Tonne G G gelangt. Diese Tonne hat zwei Öffnungen, eine unten, durch welche der Überschuſs des Wassers abläuft und eine oben im Deckel, aus welcher die gepreſste Luft ausströmt und durch einen Schlauch dem Schmelzofen zugeführt wird. Obgleich die Zeichnung sehr mangelhaft ist, so geben wir sie doch genau nach dem Original wieder, da der Leser die Fehler selbst leicht verbessern kann.

Swedenborg erwähnt dazu, daſs diese Art von Gebläsen vor mehr als 90 Jahren (um 1640) in Italien zuerst aufgekommen seien, wo sie noch in Anwendung stünden. Er bemerkt, daſs, wenn man das Einfallrohr, beziehungsweise die Fallhöhe des Wasserstrahls 30 bis 36 Fuſs hoch machen könne, man mit einem Rohre auskomme, wäh - rend man bei 20 bis 24 Fuſs Gefällhöhe drei Rohre brauche. Je höher das Gefälle, je mehr leiste das Gebläse. Auch sei es für den Zweck genügend stark, dabei sei der Wind gleichmäſsig und andauernd, aber kalt und feucht.

128Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Reaumur beschreibt1)Siehe Courtivron und Bouchu im Schauplatz der Künste und Hand - werke, III, S. 35. Blauöfen in der Dauphiné, welche petits fourneaux hieſsen und welche mit den Öfen von Alvar übereinstimmen dürften. Fig. 16 zeigt die eigentümliche Gestalt derselben in ver - schiedenen Schnitten. Sie waren 21 Fuſs hoch und ihr Querschnitt ent - sprach einem ungleichen Viereck (Fig. 17). Die längste Seite, vorn auf der Arbeitsseite, war 1 Fuſs 9 Zoll, die ihr gegenüberliegende, parallele Hinterseite war 1 Fuſs 6 Zoll, die beiden gleichen Seitenwände waren 1 Fuſs 3 Zoll lang. Der Ofen erweiterte sich gleichmäſsig von Grund

Fig. 16.

aus, bis etwa zur halben Ofenhöhe; hier im Kohlensack waren die Maſse der Vorderseite 4 Fuſs 6 Zoll, der Hinterseite 3 Fuſs 6 Zoll, die beiden anderen Seiten hatten 4 Fuſs Länge.

Vom Kohlensack bis zur Gicht wurde der Ofen in demselben Verhältnis enger, wie nach dem Boden (Fig. 17, Y Z).

Bei diesen Öfen war nur ein Gewölbe in der Ofenbrust; Abstich - und Formseite waren identisch. Der Wind, der mittels eines Wasser -

Fig. 17.

trommelgebläses erzeugt wurde, strömte durch ein Rohr und eine Düse dem Ofen zu. Die Form lag 15 bis 16 Zoll über dem Boden.

Ähnliche Schmelzöfen, die aber schon den Hoch - öfen sehr nahe kommen, beschreibt Swedenborg noch an einer anderen Stelle, wo er von den Eisenhütten Italiens berichtet. Man bediente sich dieser Öfen, die cannechio hieſsen, bei Brescia im Gebiet der Republik Venedig. Sie werden dort, wie er angiebt, etwa 24 Fuſs hoch aus Bruchsteinen erbaut, und zwar aus Talksteinen, welche durch ein129Direkte Schmiedeeisengewinnung.Gemenge von Thon, Sand und Kohlenpulver verbunden werden. Die Gichtöffnung ist 3 Fuſs (0,90 m) im Quadrat, der Ofen verengert sich nach unten bis zu ¾ Ellen (0,45 m) im Quadrat. Unter dem Ofen ist ein Abzugskanal, welcher aus seiner Mündung auf der einen Seite Dämpfe ausströmt. Der Bodenstein wird eine Hand hoch mit dem erwähnten Gemenge bedeckt. Ebenso wird die Ofenbrust aus guten, feuerbeständigen Steinen hergestellt und mit demselben Mörtel ver - bunden. Vor dem Ofen wird aus Kohlenlösche eine Fläche hergestellt, über welche das abgestochene Eisen sich ergieſst. Seitlich war die Wind - öffnung. Man bediente sich lederner Blasebälge, an manchen Orten auch der Wassertrommelgebläse, indem man das Wasser durch ein Rohr oder durch einen in den Felsen eingehauenen Kanal herab - stürzen lieſs.

Das geröstete Erz wird über einen mit Kieselsteinen gepflasterten Boden ausgebreitet und mittels eines darauf geleiteten Wasserstrahls gewaschen und gereinigt. Das Erz wird dabei durchgearbeitet und giebt man so lange Wasser auf, bis es klar abflieſst. Danach läſst man den Erzhaufen trocknen.

Der Ofen wird mit Holzkohlen gefüllt, welche mittels glühender, durch die Form eingetragener Kohlen entzündet werden, wobei man ganz schwach bläst, bis alles in Brand ist. Sind die Kohlen bis fast zu Boden gesunken, so füllt man den Ofen von neuem mit Kohlen, läſst den Wind an und giebt alsdann den ersten Kübel Erz zerletto genannt , welcher ungefähr ½ Centner schwer ist, auf. Dazu setzt man als Fluſsmittel ¼ des Gewichtes von einem gelben Sand, den man dort auch zum Schweiſsen benutzt. Dann giebt man wieder Kohlen auf und fährt so fort, bis zum Schluſs der Woche. Sobald der Schmelzer durch die Form bemerkt, daſs das Erz gut geschmolzen und ganz von Schlacken bedeckt sei, öffnet er mit einem Spieſs die Stichöffnung oder das Auge und läſst Eisen und Schlacke zugleich herausflieſsen. Der Gehülfe schlieſst alsdann das Stichloch wieder mit einem Gemenge von Thon und Sand. Wenn das Eisen flüssig und gut abgeschäumt ist, vergieſst man es zu Geschützkugeln, welche Bomben und Granaten genannt werden, das andere giebt Rauh - oder Luppeneisen zum Schmieden unter dem Hammer (massae ferri crudis sub malleo dilatandi). Soll dies geschehen, so wird es zuvor etwas abgekühlt und dann unter dem Hammer in Schirbel zer - hauen. Ist genug Erz und Kohle da, so setzt man das Schmelzen die ganze Woche durch fort; fällt aber ein Festtag dazwischen, so hört man auf zu schmelzen. Auf einigen Werken dauert die SchmelzungBeck, Geschichte des Eisens. 9130Direkte Schmiedeeisengewinnung.überhaupt nur jedesmal zwei bis drei Tage. In einer Woche erzeugt man 60 bis 70 Ctr. Eisen. Aus dieser Beschreibung scheint hervor - zugehen, daſs man in diesen Öfen abwechselnd Guſseisen und Schmiede - eisen erzeugte, ähnlich wie bei den Blauöfen im Schmalkaldischen.

Eine andere eigentümliche Schmelzmethode, welche in der Gegend von Rom betrieben wurde, beschreibt Boccone1)In den Museo di fisica et di experienze etc. Siehe Courtivron und Bouchu in v. Justis Schauplatz der Künste und Handwerke, III, S. 35.:

Das Erz bestand aus einer roten Erde. Alle sechs Stunden stach man ab. Bei der ersten Schmelzung erhielt man Klumpen von 200 bis 300 Pfund. Das geschmolzene Metall sah dem weiſsen Markasit (Wasserkies) ähnlich, war spröde und nicht zu verwenden. Es wurde in kleine Stücke zerschlagen, und nachdem alles Eisen erster Schmelzung aus dem Ofen gelaufen war, von neuem in demselben Ofen nieder - geschmolzen. Nach acht Stunden öffnet man den Ofen zum Abstich. Das umgeschmolzene Eisen hat die Markasitfarbe nicht mehr, sondern bildet Stücke von rohem, höckerigem, ungleichförmigem Eisen, welches altem Eisen ähnlich sah. Dies war wohl kein Guſseisen, sondern eine Rohluppe, wie das Stück in Stücköfen, welche hier also erst bei einer zweiten Schmelzung entstand.

Auſser diesen direkten Gewinnungsmethoden, welche sich aus den ersten und ältesten Versuchen der Eisenbereitung historisch entwickelt haben, beschreibt Swedenborg ein ganz neues Verfahren dieser Art2)Tentamen novum Angliae venam ferri fundendi in caminis reverberii per carbones lapideos sive fossiles. Swedenborgius, loc. cit. p. 160., welches in England versuchsweise unternommen worden war, nämlich das Ausschmelzen von Eisenerzen im Flammofen mit Koks3)Per carbones adustos fossiles.. Im Jahre 1729 wurden drei engl. Meilen von Whitehaven diese Ver - suche begonnen. Man mischte gepochtes Erz von Cumberland mit gemahlener Steinkohle. Zunächst wurden 8 Maſs oder 172 Pfund gepochtes Erz auf dem Herd eines Flamm - oder Reverberierofens (in furnum anemium, seu quem reverberii vocant) aufgetragen und acht bis zehn Minuten lang gebrannt und geröstet, wobei 8 Maſs rohes Erz Maſs oder 143 Pfund Röstgut gaben. Diesem gerösteten Erz wurde dann ½ Maſs ungeröstetes zugemischt, so daſs die Masse 154 Pfund wog, welche in einer Mühle feingemahlen wurde. Dieses Erzpulver vermischte man alsdann mit 5 Maſs oder 35 Pfund Stein - kohle, setzte dann 1 Maſs Töpferthon zu, feuchtete die Masse mit 2 Maſs (2 cyathorum vel sitularum aquae) Wasser an und mischte131Hochöfen bis 1734.alles gut durcheinander. Alsdann wurde dieses Gemisch von neuem in den Flammofen eingetragen und gut auf dem Herd ausgebreitet, worauf man es 1 Stunde und 40 Minuten der Flamme bei vollem Luftzug aussetzte: während dieser Zeit schmolz das Erz bei dem heftigen Feuer zu Klumpen von unregelmäſsiger Gestalt zusammen. Diese wurden herausgenommen und mit Holzhämmern die Schlacken und Unreinigkeiten abgeklopft. Alsdann wurden sie in denselben Ofen und dasselbe Feuer ½ Stunde lang zurückgebracht, um hier weiter gereinigt und ohne starken Luftzug (sine flabris vivis) durch das Feuer geläutert und die Verunreinigungen durch weiteres Erhitzen ausgeschmolzen zu werden, worauf sie unter einem 7 Centner-Hammer geschmiedet und ausgereckt wurden. Das glühende Eisen soll weich gewesen sein und hinreichend den Schlägen des Hammers nachgegeben haben, und wurden dabei 286 Pfund oder Maſs Kohlen ver - braucht. Aber obgleich man es fertig brachte, die Eisenerze in dem trockenen Feuer des Flammofens zu schmelzen und in Fluſs zu bringen, so gelang es doch nicht, sie von ihren Fehlern und verborgenen Giften und Verunreinigungen durch die mit viel Wind angefachte übelriechende und rauchende Flamme zu reinigen, vielmehr schmolzen die schädlichen Teile nicht heraus, sondern hinein: wozu noch kam, daſs der Schwefel der Steinkohlen, wenn dieselben auch in der üblichen Art gebrannt waren, das Eisen verdarb, so daſs die weichen und dehnbaren Teile in ihm hart und spröde wurden, oder daſs sich die besseren Teile aus dem Erz in Schlacke verwandelten. Denn der Schwefel und das Feuer der Kiese macht das Eisen nicht weich und dehnbar, sondern vielmehr rauh. Die Cyklopen, welche die von Schwefel dampfenden Blitze des Zeus herstellen, bereiten sich das Eisen, da ihnen das Holz mangelt, mit dieser Kohle (!). Diese Ver - suche hatten zwar den erhofften Erfolg nicht, waren aber von groſser Wichtigkeit für die Verwendung der Flammöfen in der Eisenindustrie.

Hochöfen bis 1734.

Obgleich wir über den Bau der Hochöfen vor der Schilderung Swedenborgs in seinem Werke De ferro vom Jahre 1734 nur spär - liche Nachrichten haben, so läſst sich doch deutlich erkennen, daſs9*132Hochöfen bis 1734.die Zustellung bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine sehr ver - schiedenartige war und daſs sich in bestimmten Gegenden und Ländern auch bereits bestimmte Ofenformen, Profile oder Typen, ausgebildet hatten.

Vorherrschend war in Mittel - und Südeuropa der viereckige Querschnitt, wobei Schacht und Rast zwei umgekehrt aufeinander - gesetzte, abgestutzte Pyramiden mit gemeinschaftlicher Basis im Kohlen - sack bildeten. In Nordeuropa, d. h. in Schweden und England, herrschte dagegen bereits die Zustellung mit kreisförmigem Querschnitt vor, wobei Schacht und Rast nicht abgesetzt waren, sondern allmählich ineinander übergingen, so daſs eine eiförmige Gestalt des Ofeninneren entstand. Wir haben dieses Profil bereits bei einem englischen Ofen

Fig. 17 a.

aus dem Jahre 1678 kennen gelernt. Es ist dies die älteste Zeich - nung eines Hochofens. Die zweitälteste dürfte die Zeichnung eines steierischen Flossenofens sein, welche sich in Reaumurs hinterlassenen Schriften befand und die in den Descriptions des arts et metiers ver - öffentlicht wurde. Nach Reaumurs eigener Angabe stammt dieselbe aus Aufsätzen über den Bau von Hochöfen, welche ein Herr Anger - villiers im Auftrag des Herzogs von Orleans gesammelt und am 10. April 1719 von Straſsburg aus an Reaumur geschickt hat1)Vergl. Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, 1764, S. 41.. Fig. 17 a, b, c stellen die Horizontal - und Vertikalschnitte durch die Windform der Floſsöfen von Turrach ( Durach ) in Steiermark und Gmind in Kärnten dar. Der Ofen von Turrach, nach kärntnerischer Art gebaut (s. Bd. II, S. 184), war damals noch der einzige Floſsofen in Steiermark. Er war, wie die steierischen Blauöfen, mit einer Esse133Hochöfen bis 1734.(H) überbaut, hatte viereckigen Querschnitt; der Kohlensack lag in der halben Ofenhöhe. Die Grundfläche des massiven Mauerwerks bildete ein Quadrat von 14 Fuſs und 3 Zoll (4,629 m) Seite am Boden, die Höhe bis zum Anfang der Esse betrug 17 Fuſs (5,522 m), nach oben wurde das Mauerwerk schwächer, bis zu 12 Fuſs an der Gicht, bildete also eine abgestumpfte Pyramide. Gicht und Bodenquerschnitt

Fig. 17 b.

Fig. 17 c.

des Gestells waren 18½ Zoll (0,500 m) im Quadrat, der Kohlensack, der in der Mitte lag, hatte 4 Fuſs (1,299 m) im Quadrat. Ein Gestell hatten diese Floſsöfen nicht, auch keinen Wallstein und Vorherd, sondern die Brust war in derselben Weise geschlossen, wie bei den Stücköfen. Abweichend vom Stückofen war dagegen, daſs die Floſs - öfen zwei Gewölbe, ein Abstich - oder Arbeitsgewölbe, und rechtwinklig darauf ein Blase - oder Formgewölbe hatten, in dem die Bälge lagen. 134Hochöfen bis 1734.Die Windform lag nur 8 Zoll über dem Boden, da man keinen gröſseren Raum, um das flüssige Eisen zu fassen, nötig hatte, weil man alle drei Stunden die 3 bis 4 Centner, die inzwischen geschmolzen waren, abstach. Die Form hatte eine sehr starke Neigung, derart, daſs die Windlinie den Bodenstein, 3 Zoll von der Windseite entfernt, traf. Dadurch glichen diese Öfen mehr den Blauöfen als den Hoch - öfen. Reaumur hebt auch hervor, daſs diese Öfen den italienischen (Blauöfen) im Gebiete von Venedig glichen, auſser daſs diese nur ein Ofengewölbe hatten.

Die Erze in Turrach und Gmind wurden in groſsen Stücken, wie in Vordernberg, geröstet und ohne Zuschläge mit Fichtenkohlen geschmolzen. Das Eisen war schon zum Teil entkohltes (gefeintes), weiſses Eisen, das von farbig angelaufenen Blasen durchsetzt war, sogenannter luckiger Floſs.

Die dritte Abbildung eines Hochofens verdanken wir Sweden - borg, welcher die Eisenbereitung in seiner Heimat in seinem Buche De ferro 1734 ausführlich beschrieben hat.

Da diese Beschreibung genaue Nachrichten über das Schmelzen der Eisenerze giebt, zugleich den ersten gründlichen Bericht über Bau und Betrieb von Hochöfen enthält, so müssen wir dieselbe für die Vergleichung späterer Betriebe einer eingehenden Betrachtung unterziehen. Zwar bezieht sich Swedenborgs Bericht hauptsächlich auf schwedische Verhältnisse, aber Schwedens Eisenhüttenwesen stand zu jener Zeit schon in hoher Blüte und in keinem Lande wirkten Regierung und Gewerke so einmütig zusammen, um diese Industrie zu fördern und zu vervollkommnen.

Die nationalen Eisenschmelzöfen Schwedens waren, wie wir wieder - holt gezeigt haben, die Bauernöfen, welche auch zu Swedenborgs Zeit noch zahlreich betrieben und in denen namentlich die Sumpf - und Seeerze des südlichen Schweden verschmolzen wurden. Die Hochöfen waren erst im 16. Jahrhundert von deutschen Arbeitern auf Veranlassung des Königs Gustav Wasa gegründet worden zur Verschmelzung der Bergerze, an welchen Schweden sehr reich war, welche aber bis dahin, infolge der armseligen Einrichtungen, unbenutzt geblieben waren. Dadurch erlangte erst die schwedische Eisenindustrie ihre Bedeutung. Mit den deutschen Hochöfen wurde auch der deutsche Frischprozeſs eingeführt. Dieser wurde teilweise, und zwar in dem eisenreichen Dalekarlien, im 17. Jahrhundert durch die Wallonschmiede verdrängt, welche der reiche niederländische Groſsindustrielle Louis van Geer einführte. Seine Hochöfen wichen in ihrem Bau von135Hochöfen bis 1734.den deutschen etwas ab. Zu Swedenborgs Zeit gab es also dreierlei Erzschmelzöfen in Schweden, die gewöhnlichen Hochöfen, die dalekarlischen und die Bauernöfen. Von diesen waren die ersteren die verbreitetsten und auf sie bezieht sich die nachfolgende Schilderung Swedenborgs.

Das erste, was zum Bau eines Hochofens gehörte, war die Wahl des Platzes. Dieser muſste trocken sein, aber einen festen Unter - grund für die Fundamentierung bieten. Er musste möglichste Sicherheit gewähren, daſs die Ofensohle nicht von der Grundfeuchtigkeit erreicht wurde. Um den Ofen hiervor noch weiter zu schützen, legte man unter jedem Ofen einen Kanal an, in welchem die Feuchtigkeit gesammelt und abgeführt werden konnte. War der Boden besonders feucht, entsprangen Quellen in der Nähe, so legte man mehrere Abzugskanäle an und leitete das Wasser durch eiserne Rohre ab, auch umgab man die ganzen Fundamente mit einem Graben. Zum Fundament - boden wählte man Kies oder noch besser Schlacke. Doch waren manche der Ansicht, der Boden dürfe nicht zu trocken sein, weil dann die Hitze den Bodenstein zu sehr angreife. Keinenfalls aber setzte man das Fundament direkt auf den Fels, ohne in diesem eine Abzucht auszusparen. Dagegen suchte man immer die Fundamente bis auf den festen Grund zu führen; war dies nicht möglich, so muſste man einen starken Holzrost unter das Fundament legen. Natürlich war man bei der Wahl des Ortes von dem Vorhandensein eines Wassergefälles abhängig.

Bezüglich der Feuchtigkeit des Bodens konnte man nicht vorsichtig genug sein. Das Grundwasser, oder wohl meist das überschieſsende Aufschlagwasser kühlte so stark, daſs, wenn man auch eine kräftige Eisenplatte unterlegte, diese mit trockenem Sand überfüllte und darauf einen Bodenstein, so dick wie ein starker Mühlstein legte, die Schmelz - hitze im Gestell doch nicht erreicht wurde, wenn kein Abzugskanal im Fundament angebracht war. Auch wirkte die Feuchtigkeit des Bodens dadurch schädlich, daſs das Holzwerk und das Leder der Bälge litten und Wasserdunst mit der Luft in den Ofen geblasen wurde, was den Ofengang nachteilig beeinfluſste.

Das Mauerwerk des Ofens setzte man entweder auf Fels oder auf starke Balken. Die äuſseren, dicken Mauern des Ofens, das Rauhgemäuer, machte man entweder ganz aus zugerichteten Natur - steinen, sogenanntem Graustein , oder teils aus Bruchsteinen, teils aus schweren Balken, welche ringsum das Mauerwerk zusammen - hielten. Letztere, dem holzreichen Schweden eigentümliche Bauweise136Hochöfen bis 1734.war besonders bei den Öfen der Bauerngewerke gebräuchlich, weil sie billiger war.

Das gesamte Mauerwerk des Hochofens war ein vierfaches. Zu dem innersten, welches der Einwirkung der Hitze unmittelbar aus - gesetzt war, wählte man die besten, feuerfesten Steine. Das zweite, welches fast ebenso dick war, wurde aus gewöhnlichen Grausteinen hergestellt. Das dritte war lose aus kleinen Steinen, gepulverten Schlacken und ähnlichen Materialien aufgeführt, die keine feste Mauerung, sondern eine Füllung bildeten, um die ganze Wand zu verstärken und die Hitze zusammenzuhalten. Dieser folgte viertens die Umfangsmauer. Der innere Ofenraum war, wie die ihn um - schlieſsenden Mauern, von kreisförmigem Querschnitt, während die äuſsere Gestalt des Ofens viereckig war. Der Hohlraum zwischen dem viereckigen Rauhmauerwerk und dem runden Ofenmauerwerk war mit Steinbrocken und Schlacken ausgefüllt.

Die innerste Mauer (Kernmur) muſste am genauesten konstruiert und aus dem besten Material aufgeführt sein. Die feuerfesten Stein - arten (Pipsten) waren in verschiedenen Gegenden verschieden: Talk - steine, Sandsteine u. s. w. Man hatte auch versucht, schwerschmelzige Schlacke, wie sie zuletzt aus dem Ofen gezogen wurde, hierfür zu ver - wenden, was aber mehr für die Schacht - als für die Gestellwände geeignet war. Die Kernmauer machte man 2 bis Fuſs1)1 schwed. Fuſs = 0,297 m. (0,594 bis 0,742 m) dick und 12 bis 14 Ellen (7,128 bis 8,316 m) hoch. Die Steine wurden so zugehauen, daſs möglichst enge Fugen blieben, welche sorgfältig mit Thon und Sand verstrichen wurden. Die innerste Mauer hatte keinen Verband mit der zweiten, konnte also, wenn sie vom Feuer angegriffen war, für sich neu aufgeführt werden.

Die zweite Mauer aus Graustein war ebenfalls 2 bis Fuſs dick. Die Steine wurden mit Thon und Sand verbunden, und zwar muſste dies ebenfalls mit Sorgfalt geschehen, damit das Mauerwerk keine Risse bekam und wenn die innere Ofenwand teilweise weggeschmolzen war, keine Steine in das Innere des Ofens fielen, was sonst meist dem Schmelzen ein unerwünschtes Ende bereitete. Die Ausfüllung aus losem Material zwischen dem inneren und dem äuſseren Ofen, welche billiger war als Mauerung, wurde mit Holzstampfern zusammengestoſsen. Für das äuſsere Mauerwerk nahm man möglichst groſse Steine, welche durch Holzbalken (Schlingen) zusammengehalten wurden. Gewöhnlich befanden sich an jeder Wand 10 bis 12 solcher Balken (G G, Fig. 18),137Hochöfen bis 1734.welche an den Enden durch eingeschnittene Klammern verbunden waren. Die Holzumkleidung hielt nicht lange und war nur in einem Lande möglich, wo das Holz fast keinen Wert hatte. Die Balken verzogen sich, rissen oder verbrannten. Massives Mauerwerk ohne Holzverankerung war deshalb vorzuziehen. Früher hatte man sogar

Fig. 18.

den unteren Teil des Hochofens mit Holz konstruiert, doch war man zu Swedenborgs Zeit hiervon abgegan - gen und baute den un - teren Ofen massiv, wäh - rend man die Schacht - mauerung noch mei - stens in Holz stellte.

War der Ofen bis zur Gichthöhe vollen - det, so führte man die äuſsere Holzwand noch 6 Fuſs höher auf, oder brachte aus Balken und Latten oder Stei - nen die Gichtumzäu - nung (Fig. 18, H H), welche der Massungs - kranz hieſs, an. Diese umschloſs die Platt - form der Gicht, auf welcher Erze lagerten und der Aufgeber den Ofen beschickte. Öfter wurde auch noch ein Schutzdach darüber gebaut.

Die Gesamtstärke des Ofenmauerwerks bis zum Hohlraum betrug 7 bis 10 Fuſs (ca. 3 m) und da der Hohlraum im Mittel etwa 6 Fuſs (1,782 m) weit war, so betrug die äuſsere Seitenlänge des quadratischen Ofens 20 bis 26 Fuſs (5,940 bis 7,722 m). In dem Mauerwerk waren zwei Zugänge zu dem inneren Ofen ausgespart, der eine für die Wind - zufuhr, der andere für das Abstechen des Ofens und das Arbeiten in138Hochöfen bis 1734.demselben. Diese Öffnungen waren keine Gewölbe, sondern die Mauern traten von einer gewissen Höhe, etwa von der halben Ofenhöhe an, zurück, so daſs die Decke der Öffnung einen Neigungswinkel von 50 bis 60 Grad bildete. Um das Mauerwerk über derselben zu tragen, wurden starke guſseiserne Tragbalken von dreieckigem Querschnitt, 12 bis 17 Fuſs ( bis 5 m) lang und 1 Fuſs (0,297 m) dick unter - zogen und auf beiden Seiten eingemauert. Bei den Öfen der Armen muſste Holzgebälk dafür dienen, was aber leicht in Brand geriet, wodurch oft der ganze Ofen einstürzte.

In früherer Zeit, wo die Bauern nur für sich geschmolzen hatten, waren die Öfen ganz planlos und willkürlich, ohne bestimmte Maſse gebaut worden, und man hatte bei geringerem Ausbringen gröſseren Kohlenverbrauch. Eine Besserung war erst eingetreten, seitdem der König für die höhere Tageserzeugung eine Belohnung ausgesetzt hatte. Da erst hatte man angefangen, die Öfen höher, weiter, sorgfältiger und aus besserem Material zu bauen.

Besondere Sorgfalt erforderte die Konstruktion des Schmelz - raumes. Swedenborg empfiehlt grosse, geräumige Öfen, indem er den Satz aufstellt, die Wirkung der Hitze sei proportional ihrer Menge, d. h. dem Raum, welchen das Feuer einnehme. In der Flamme eines Lichtes sei keine solche Hitze als in einem brennenden Holzhaufen. Was die Gestalt des Ofeninneren anlangt, so waren einige der Meinung, daſs der Ofen an der Gicht (D D) am engsten, in der Mitte am weitesten sein müsse, andere waren der Ansicht, daſs die Weite im Ofengestell, zwischen den Formen C, geringer sein müsse, als in der Gicht. Allgemein nahm man an, daſs der Ofen in der Mitte am weitesten sein müsse, dagegen wollten manche diesen Kohlensack genau in der Mitte, andere mehr nach oben, andere mehr nach unten haben, dies hänge aber allein von der Beschaffenheit der Erze ab, weshalb sklavisches Festhalten an einer Regel zu Irrtümern führe . Am wichtigsten seien die Dimensionen des Gestelles, in welchem die Hitze erzeugt werde und aus dem sie, wie aus einer Quelle, nach aufwärts ströme. Vor 50 und 100 Jahren seien die Öfen niedriger und viereckig gewesen, wie noch heute an einigen Plätzen, jetzt aber seien die meisten kreisförmig von oben bis unten. Die Rundung des Ofens werde mit Hilfe einer an einem senkrechten, in der Mitte errichteten, drehbaren Baum befestigten Schablone, wie es in Fig. 19 abge - bildet ist, hergestellt. Die Verhältnisse der Durchmesser von Gicht, Kohlensack und Gestell verhielten sich im allgemeinen wie 3: 4: 2, die Umfänge betrugen meistens 8 bis 9: 10 bis 12: bis 7 Ellen139Hochöfen bis 1734.(2,5: 3,5: 2 m). Aber es sei besser, die Dimensionen der Erfahrung als der Geometrie zu entnehmen. Wäre der Kohlensack zu weit, so ge - schähe die Schmelzung des Erzes zu plötzlich, ehe noch die gehörige Scheidung des Metalls (d. h. Reduktion) eingetreten sei, weshalb ein groſser Teil des Eisens in die Schlacken gehe. Das Eisen selbst sei roh und unrein und flieſse schlecht. Erfahrene Schmelzer liebten deshalb keinen weiten Bauch, weil derselbe die verschlungene Nahrung, wie sie sagten, nicht verdauen könne. Die Lage des Kohlensacks sei am besten etwas unterhalb der Mitte, wegen der besseren Vorbereitung der Erze, dadurch werde die Rast (O O) flacher und infolge dessen

Fig. 19.

rutschten die Erze langsamer vor die Form. Wenn aber der Kohlensack zu weit und die Rast zu flach wäre, so hinge sich die geschmolzene Masse wie Leim an der geneigten Rastfläche fest und fiele von da erst, wenn sich eine gewisse Menge festgesetzt hätte, die sich durch ihr Gewicht plötz - lich loslöse, herab. Dadurch gelangten kältere Massen auf einmal in das heiſse Eisenbad im Herd, welches dann auf - schäume wie Wasser im heiſsen Kessel und in kochende Be - wegung geriete, wobei die Formen sich zusetzten, die Schlacken sich schwarz färb - ten und vieles Eisen in sich aufnehmen. Wie bei einem kalten Fieber sänke die Temperatur, und Mattigkeit trete ein. Schlacken und kaltes Eisen setzten sich im Herde fest, die der Arbeiter losbrechen und mit schweren Eisen - stangen und Haken herausschaffen müsse. Auch würde bei zu weitem Kohlensack das Mauerwerk über der Form zu rasch von der Glut zerstört.

Das aufgegichtete Erz müsse auf seinem Wege von der Gicht bis vor die Formen alle Grade der Erhitzung durchmachen, dabei müsse es zur Rast so vorbereitet gelangen, daſs es die ganze Schmelzhitze aufnehmen könne. Dies sei nicht der Fall, wenn die Rast zu hoch140Hochöfen bis 1734.liege; auch aus diesem Grunde empfehle sich die Lage des Kohlen - sacks etwas unter der mittleren Ofenhöhe.

Der Schacht müsse sich der richtigen Vorbereitung der Erze wegen langsam bis zum Kohlensack erweitern, der diese dann wie ein feuriger Schlund aufnehme. Seien die Erze aber schwefelhaltig, so mache man den Schacht höher, damit durch das längere Verweilen dann die schwefligen Substanzen und das fette Phlogiston um so vollständiger ausgetrieben werden.

An manchen Orten machte man die Gichtöffnung nur 3 Fuſs (0,891 m), an anderen bis zu 6 Fuſs (1,782 m) weit. War sie zu eng, so konnte die Luft nur langsam ausströmen und die Schmelzung wurde dadurch verzögert, war sie zu weit, so verbrannten die Kohlen zu rasch, ohne entsprechende Wirkung. Die Schmelzung ging schnell, aber unvollständig von statten: frustra excoquitur vitium et inutilis humor .

An die Rast O O, die man auch Obergestell (oefwerstelle) nannte, schloſs sich unmittelbar das Gestell C, d. h. die geneigten Wände der Rast gingen bis zur Formhöhe, so daſs ein eigentliches Obergestell, eine Fortsetzung des Gestells über Formhöhe, fehlte.

Den unteren Teil des Gestells bildete der Herd. In dem Fundament unter demselben befand sich der Abzugskanal (K). Derselbe pflegte die Länge des Herdes, die Höhe einer Hand und die Breite eines Fuſses zu haben. Er war mit einer Eisenplatte von Fuſs (0,742 m) Seitenlänge und 4 bis 5 Zoll (0,100 bis 0,125 m) Dicke, welche etwa 400 kg wog, bedeckt. Diese war sorgfältig mit Thon verschmiert, daſs kein Wasserdampf in die Höhe steigen konnte. Manche nahmen auch eine Steinplatte. Auf die Platte wurde ½ bis ¾ Fuſs (15 bis 22 cm) Sand aufgestampft und hierüber ein groſser Stein, der Bodenstein, ¾ bis 1 Fuſs (23 bis 30 cm) dick und unge - fähr 5 Fuſs (1,50 m) lang und entsprechend breit gelegt, so daſs er den ganzen Herdboden bildete. Man wählte dazu einen möglichst feuerbeständigen Stein. Derselbe muſste trocken sein. Frisch ge - brochene Steine waren ungeeignet. Um den Stein herum wurden Lehm, Sand und Stein trocken festgestampft zum Abschluſs der Feuchtigkeit, weshalb auch nur trockene Materialien verwendet werden durften. Über dem Bodenstein wurden drei Steine so aufgestellt, daſs sie einen länglich viereckigen Raum, welcher nach einer Seite offen blieb, umschlossen, es war dies der Herdraum oder das Unter - gestell (Stelle). Der Zwischenraum bis zur Auſsenmauer wurde sorgfältig mit Sand zugestampft. Die Seitensteine pflegten ½ Fuſs141Hochöfen bis 1734.(15 cm) breit und dick zu sein. Der Herd selbst war länglich 3 bis Fuſs (0,891 bis 1,039 m) lang, bis Fuſs (0,443 bis 0,517 m) breit, ¾ Fuſs (0,222 m) hoch und konnte 6 bis 7 Schiffspfund (1200 bis 1400 kg)1)Das Schiffspfund Eisen muſs zu Swedenborgs Zeit um 200 kg schwer gewesen sein. Nach seiner Angabe war 1 Schiffspfund = 26 Liespfund statt 20 Liespfund, wie sonst. Rechnet man das Liespfund zu 8 kg, so erhält man für 1 Schiffspfund 208 kg statt 160 kg. Auf S. 57 setzt Swedenborg 20 Schiffspfund = 9000 bis 10000 Pfund. Da 1 Pfund Schalgewicht 0,425 kg entspricht, so wäre 1 Schiffspfund zwischen 191,25 kg und 212,50 kg gewesen. Wenn wir das Schiffs - pfund = 200 kg setzen, kommen wir der Wahrheit jedenfalls näher, als wenn wir es zu 160 kg annehmen. Das Gewicht des Schiffspfunds war bekanntlich sehr verschieden, sowohl nach den Artikeln, als in verschiedenen Zeiten. Das leichtere Schiffspfund zu 320 gewöhnlichen Pfund hieſs das Stockholmer. fassen. In dem richtigen Aufbau des Gestells lag die gröſste Kunst des Meisters und er pflegte sich dafür genaue Maſse von Holz zu machen. Das Gestell war der Sitz der Lebens - wärme, das Herz des Ofens, dessen Lungen die Blasebälge waren. Ein weiteres Gestell kann mehr Hitze fassen und bleibt das Eisen darin flüssiger. Die alten Öfen konnten nur 2 Schiffspfund (400 kg) fassen und war deren Erzeugung kaum der jetzigen (zu Sweden - borgs Zeit). In diesen kleinen Öfen war die Abkühlung von auſsen, besonders im Gestell, Schlacken setzten sich leicht fest und verengerten den Schmelzraum. Die neueren Öfen, namentlich die, aus welchen man die schweren Geschütze goſs, konnten 10 bis 12 Schiffspfund (2000 bis 2400 kg) fassen. Doch benutzte man dazu meistens Doppel - öfen, welche zwei getrennte Herde hatten.

Die erfahrenen Schmelzer machten das Gestell immer oblong, und zwar so, daſs die Länge gleich der doppelten Breite und die Breite ungefähr gleich der doppelten Höhe war. Die Gründe, die sie gegen die kreisförmige oder quadratische Gestalt des Gestelles anführten, waren folgende: 1) könne der Wind, der in etwas schiefer Richtung die gegenüberliegende Längsseite treffen und dadurch im Abprall einen Wirbel bilden müsse, ehe er die Richtung nach aufwärts an nehme, nicht genügend durchdringen; 2) ginge das Arbeiten im Herd und die Reinigung desselben bei der länglichen Form leichter von statten; 3) käme das Eisen bei der breiteren Oberfläche leichter ins Kochen, wodurch viel Eisen verbrennen und in die Schlacke gehen würde.

Die Mittellinie des Gestells fiel aber bei den schwedischen Öfen nicht mit der Mittellinie des Ofens zusammen, sondern war nach der Windseite zu eingerückt, derart, daſs die senkrechte Mittellinie des142Hochöfen bis 1734.Ofens nahezu das Formmaul traf (s. Fig. 18). Wir begegnen hier einer eigentümlichen Ähnlichkeit dieser alten schwedischen Hoch - ofenform mit der des Siegerlandes, die wir früher (S. 197, Fig. 65) beschrieben haben. Bei beiden ist die Formseite in den Ofen hinein - gezogen. Der Unterschied liegt nur darin, daſs die schwedischen Öfen runden Querschnitt von der Formhöhe an erhielten, dadurch wurde das Obergestell mit der Rast verbunden. Der Siegerländer Ofen hatte durchgehends viereckigen Querschnitt und ein von der Rast getrenntes Obergestell. Ebenso hatten aber auch die älteren schwedischen Öfen viereckigen Querschnitt, und daſs sie ein besonderes Obergestell hatten, geht daraus hervor, daſs sich die Bezeichnung auch bei den runden Öfen erhalten hatte, obgleich die Sache ver - schwunden war. Die nahe Verwandtschaft dieser Ofenformen ist also klar. Da wir wissen, daſs deutsche Hüttenleute die Hochöfen zuerst in Schweden einführten, so läſst sich annehmen, daſs diese aus dem Siegerland stammten; oder daſs diese eigentümliche Zustellung der Hochöfen überhaupt die in Deutschland in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gebräuchliche war. Ihren Grund hatte dieses einseitige Einrücken der Formwand, welches den Aufbau des Ofens wesentlich erschwerte, darin, daſs man nur mit einer Form blies und daſs bei den schwachen Blasebälgen der Fokus fast unmittelbar vor der Form lag. Man muſste also die Form in den Ofen hineinrücken, um die Hitze in der Mitte des Ofens zu halten. Bei sehr gutschmelzigen Erzen konnte man die Formwand etwas aus der Mitte herausrücken, wie dies in diesem Falle in Schweden geschah.

Der Herd wurde nach der Abstichseite durch den Damm geschlossen, einen groſsen Stein oder ein untermauertes schweres Eisen, ½ Fuſs (0,148 m) hoch und Fuſs (0,443 m) lang, 200 kg schwer, etwas niedriger als die Seitensteine des Herdes oder Eisen - kastens, damit man die Schlacken darüber ziehen oder freiwillig ab - flieſsen lassen konnte. Auf der rechten Seite des Dammes befand sich die Öffnung zum Abstechen des Eisens, das Stichloch (Stickhohl), das mit Lehm geschlossen wurde und mit dem Abstichspieſs geöffnet wurde, gerade wie heutzutage.

Hatte sich die flüssige Schlacke in genügender Menge angesammelt, so lieſs man sie über den Damm abflieſsen; hörte sie auf zu flieſsen, so wurde der Vorherd aufgebrochen, Kohlen und Schlacken, die sich angesetzt hatten, mit Brechstangen ausgeräumt und der gereinigte Vorherd wieder mit Stübbe, einem Gemenge von Kohlenstaub und Sand, geschlossen. In manchen Hütten lieſs man die Schlacke nicht143Hochöfen bis 1734.von selbst laufen, sondern lieſs sie, indem man den Vorherd von vornherein fest verschloſs, steigen und stach sie nach Bedürfnis ab.

Der Damm wurde erst am vierten oder fünften Tage nach Beginn der Schmelzung eingesetzt, nachdem zuvor die Gestübbe - wand weggebrochen und der Herd sorgfältig gereinigt war. Der Damm schlieſst aber den Herd des Ofens nur zum Teil ab, denn der Herd ist nach vorn verlängert und bildet dadurch mit dem Damm den schon erwähnten Vorherd. Der obere Teil des Gestells springt dagegen zurück und findet über dem Herd seinen Abschluſs durch einen keilförmigen Stein, der auf beiden Seiten Widerlager hat und ein starkes, gegossenes Eisenstück, den Tümpel (timp) und das Tümpeleisen. Der ganze Tümpel pflegte 3 bis Fuſs (0,891 bis 1,039 m) hoch zu sein. Zwischen dem unteren Rande des Tümpels und dem inneren Rande des Dammes blieb ein Abstand von ½ Fuſs (0,148 m) und dadurch entstand eine Öffnung, durch welche man in das Gestell gelangen und im Herd arbeiten konnte. Der Tümpel litt am meisten durch Hitze und Abkühlung, durch die Einwirkung der Schlacken, und das Arbeiten muſste in einer Kampagne öfter (vier - bis zehnmal) erneuert werden.

Über den Formen begann die Rast oder das Obergestell, welches sich bis zum Kohlensack oder Bauch des Ofens erweiterte. Dieses wurde in das äuſsere, zuerst errichtete Mauerwerk, mit dem es keine Verbindung hatte, hineingebaut, so daſs es eine innere Bekleidung, eine Art Hemd (tunica) bildete, und zwar so hoch, als ein Mann, der auf dem Bodenstein stand, mit aufgehobenen Händen reichen konnte, etwa vier Ellen über die Form. Seine Wände machte man aus guten feuerfesten Steinen, zuweilen auch aus ausgesuchten Schlacken, die mit Sand und Thon eingebunden waren (künstlichen Steinen). Man führte sie möglichst hoch auf, damit die Neigung nicht zu flach wurde. Diesen inneren Einbau erneuerte man mit dem Gestell nach jeder Kampagne. Die Maſse des von Swedenborg abgebildeten Ofens sind in der Beschreibung nicht angegeben. Nach dem beigefügten Maſs - stab betrug

  • die ganze Höhe5,346 m
  • Höhe des Kohlensacks1,500
  • Höhe der Form0,222
  • Weite vor der Form0,300
  • Weite im Kohlensack1,040
  • Weite der Gicht0,740

Die Blasebälge waren aus trockenem Fichtenholz hergestellt und wurden durch zwei Daumen bewegt. Je gröſser die Öfen, je144Hochöfen bis 1734.gröſser muſsten die Bälge sein. Früher hatte man Lederbälge. Die Holzbälge machte man länger wie diese, weil man dadurch stärkere Pressung erzielte, der bewegliche Oberdeckel war 12½ Fuſs (3,712 m) lang und bis zum Anfang der Düse betrug die Balglänge 14 Fuſs (4,158 m), bei einer Hubhöhe von Fuſs (1,039 m); die hintere Breite des Balgdeckels betrug Fuſs (1,336 m), die vordere 3⅙ Fuſs (0,941 m).

Die Düse, welche eine Finger (0,087 m) breite Öffnung hatte, war von Eisenblech. Das Anblasen geschah langsam und steigerte man die Hitze allmählich. Dies wurde durch den Wasserzufluſs reguliert. Bei regelmäſsigem Gange machte jeder Balg 10 Hübe in der Minute. Die Düse war 1⅔ Fuſs (0,495 m) lang und ragte ½ Fuſs (0,148 m) in die Form, welche 2 Fuſs (0,594 m) lang war.

Das Formloch war viereckig, die untere Fläche horizontal, die Seitenflächen schief in den Stein gehauen und mit Lehm so zubereitet, daſs es halbkreisförmig wurde. Wenn diese Auskleidung wegschmolz, wurde sie erneuert, die Unterlage bildete eine eiserne Formplatte, welche ungefähr 12 Grad in den Ofen geneigt war und auf der die Düse ruhte. Daſs bei solchem Stechen der Form fast immer Rohgang herrschte, wie aus Swedenborgs Schilderung hervorgeht, ist nicht zu verwundern. Trotzdem führt er viele Gründe für diese verkehrte Formlage an. Der Wind, der der Pulsschlag und die Seele des Ofens sei, wie die Hitze das Leben, müsse in dieser Richtung ein - strömen, um über die geschmolzene Masse hinzugleiten und bis zur andern Seite durchzudringen. Dies geschähe nicht, wenn die Form horizontal liege, indem dann der Wind gleich nach oben steige und zu viele Kohlen verbrenne. Daſs eine solche Formlage möglich war, ohne alles Eisen im Herd zu verkochen, läſst sich nur aus der sehr schwachen Pressung des Windes erklären. Allerdings meint auch Swedenborg, die Form dürfe nicht zu viel Neigung haben, weil sonst der Wind nicht bis zur andern Seite durchdringe. Hohe Flamme mit viel Funken an der Gicht sei das Zeichen zu geneigter Formlage. Ebenso könne der Wind nicht durchdringen, wenn die Form zu weit sei, sei sie aber zu eng, so komme nicht genug Wind in den Ofen. Auch bei kreisrunder Formöffnung dringe der Wind nicht zur andern Seite, die Halbkreisform sei die beste. Auch die Entfernung der Düse vom Formmaul, das Zurückliegen derselben sei von Wichtigkeit. Im Winter gehe die Schmelzung besser von statten als im Sommer, was er der geringeren Feuchtigkeit zuschreibt, während der Haupt - grund die dichtere Luft ist. Es sei eine allgemeine Regel, daſs der145Hochöfen bis 1734.Wind in die Mitte des Ofens blase, weiche er davon ab, so gehe die Schmelzung mehr auf einer Seite vor sich, die Wände würden dort sehr angegriffen, während andere Teile des Gestells sich erkälteten. Bei kalkigen, leichtflüssigen Erzen blase man zuweilen auſser der Mittellinie, aber die Nachteile seien immer gröſser als die Vorteile. Die Form solle nicht höher liegen als der Mittelstein des Herdes an der Formseite, auch nicht näher der Hinterseite als höchstens ¾ Fuſs.

Von der Hitze oder zu heftigem Blasen platzten die Bälge zu - weilen, was Stillstände von sechs bis acht Stunden veranlaſste. Man muſste dann die Form zustopfen. Der Stillstand bewirkte meist ein Stürzen der Gichten. Bei längeren Stillständen habe man auch die Gicht geschlossen und in einzelnen Fällen den Ofen dadurch lange Zeit, sieben und acht Tage, gehalten. War der Hoch - ofen fertig zugestellt, so begann man mit dem Wärmen und Füllen. Zu diesem Zwecke unterhielt man erst mehrere Tage ein Holzfeuer in dem Herd. War das Innere trocken, so füllte man mit Kohlen. Ein Ofen faſste 12 bis 18 Lasten zu 12 Tonnen. Früher lieſs man diese mehrere Tage bei offener Gicht brennen. Jetzt aber schlieſst man nach dem Anzünden alle Öffnungen und bedeckt die Gicht mit einem Deckel. So läſst man die Kohlen 8 bis 14 Tage glimmen. Hierbei kann man auch Holz statt Holzkohlen aufgeben. Nach unge - fähr zwölf Tagen ist die Kohle im Schacht 6 bis 7 Fuſs gesunken. Durch dieses langsame Anwärmen dringt die Hitze mehr in die Wände ein und man hat den Vorteil, daſs man gleich von vornherein gröſsere Gichten setzen kann, denn während man früher anfangs nur zwei Tröge Erz auf einmal aufgab, kann man jetzt fünf bis sieben Tröge aufgeben. Öffnet man die Gicht nach dem Anwärmen, so sind die Kohlen dunkel und es tritt keine Flamme aus der Gicht, aber schon nach kurzer Zeit werden die Kohlen hell und nach ¼ Stunde ent - strömt der Gicht eine helle Flamme. Swedenborg erkennt wohl, daſs die Berührung mit der Luft die Ursache davon ist (alimenta praebet calori), aber eine Erklärung dafür findet er nicht.

Mit dem Aufgeben (schwedisch: oppsettning) der Erzgichten nimmt der Schmelzbetrieb seinen Anfang. Man läſst das Wasserrad langsam umlaufen und steigert den Wind in den ersten 10 bis 14 Tagen nur ganz allmählich. Die Kohlen wurden in Körben zu vier Tonnen aufgegeben, und zwar drei bis vier Körbe auf die Gicht. 12 Tonnen waren gleich 1 Last. Das Erz wurde in Trögen (Fourg oder Fat), welche 40 bis 50 Pfund Erz faſsten, aufgeschüttet. Am ersten Tage setzte man nur 4 bis 5 Tröge, am zweiten schon 7 bis 8, am drittenBeck, Geschichte des Eisens. 10146Hochöfen bis 1734.9 bis 10, am vierten 11 bis 12, am fünften 14, am sechsten 15 und nach 12 bis 14 Tagen 16 bis 19, welches der volle Satz war. Erstrebt man eine lange Hüttenreise, so muſs man um so vorsichtiger mit dem Anwärmen und dem Steigern der Hitze sein. Rasches Anwärmen und Forcieren des Betriebes wirken sehr nachteilig auf die Ofenwände und den Ofengang. Swedenborg behauptet, die Kraft des Feuers wachse im quadratischen Verhältnis der Zeit. Durch zu rasch ge - steigerten oder überhaupt zu hohen Erzsatz wurden die Wände abge - kühlt, die Schmelzung verzögert, so daſs man nur halb so viel durch - setzen könne. Je gröſser die Öfen, je gröſser konnte der Erzsatz sein. Er betrug bei den groſsen Öfen 20 bis 28 Tröge, ja es soll Öfen geben, sagt Swedenborg, in welchen man 30 Tröge auf die Gicht setzen könne. Bei kleinen Öfen betrug der Erzsatz 12 bis 15 Tröge. Ein Ofen setzte manchmal nur halb so viel durch als ein anderer von gleichen Dimensionen: 1. wenn durch zu rasche Steigerung des Satzes das Gestell versaut war, 2. wenn der Boden feucht war, 3. wenn der Bodenstein Schaden gelitten hatte und Eisen durchlieſs, 4. wenn die Ofenwände Risse bekommen hatten, 5. wenn Kohlen und Erz feucht waren, 6. wenn der nötige Zuschlag fehlte, und 7. wenn un - richtig beschickt wurde.

Alle Erze wurden in Schweden erst geröstet, was in Haufen, Gruben oder Stadlen geschah, sodann wurden sie unter einem Wasser - hammer zu kleinen Stücken zerklopft. Diese Form war besser als Pulverform, weil durch letztere der Ofen leicht verstopft wurde. In den ersten Tagen wurde das Erz in der Mitte aufgegeben, weil die Ofenwände noch kalt waren und die gröſste Hitze sich in der Mitte befand. Nach Ablauf einiger Zeit, wenn die Wände gehörig durch - gewärmt waren, breitete man die Erze gleichmäſsig aus, nach sieben bis acht Tagen gab man schon mehr Erz an der Wand herum auf, weil die heiſse Wand stärker heizte. Ebenso hing sich anfangs Eisen an den Wänden des Gestells an, während später umgekehrt die Wände, namentlich die Form und deren Umgebung, wegschmolzen.

Man lieſs die Gichten immer 5 Fuſs im Schacht sinken, ehe man von neuem aufgab. Wo die Hitze am stärksten war, setzte man das meiste Erz hin. Hatte man verschiedene Erzsorten zu schmelzen, so wurden dieselben vorher gemischt. An manchen Orten schmolz man zehn bis zwölf Sorten. Schwefelreichere Erze setzte man entfernt der Form, auf der Windseite, weil dieselben die Formwand zu sehr angreifen würden; kalkhaltige Erze setzte man über der Form. Das richtige Gewichts - verhältnis der Erzsorten bei der Mischung war sehr wichtig. Waren147Hochöfen bis 1734.die Erze schwer schmelzbar, so muſste man Kalk zuschlagen, und zwar gab man den Kalk in Schweden gebrannt auf. Zu diesem Zwecke pflegte man Kalkstein über die Rösthaufen auszubreiten und ihn beim Rösten mit zu brennen. Man gab den Kalk in der Mitte unmittelbar über den Kohlen auf. Das Quantum war verschieden nach den Erzen und betrug einen, zwei oder drei Kübel auf die Erzgicht. Kieselige Erze brauchten mehr Kalk als andere. Der Kalk wirkte als Fluſs. Ohne denselben war die Schlacke schwerflüssig, es gab viel Wascheisen und das Eisen war matt. Der Schmelzer hatte seine Zeichen, aus denen er erkannte, ob er den Erzsatz erhöhen oder erniedrigen muſste. Im allgemeinen galt es als Regel, daſs man beim Erzsatz nicht bis zur Grenze ging, daſs man also weniger Erz setzte, als der Ofen zu schmelzen imstande war, und zwar geschah dies der Güte des Eisens und der Sicherheit wegen. War die Schlacke schwarz und führte sie Graphit (micae, Glimmer), besonders die, welche zuletzt mit dem Eisen ausfloſs, so muſste man den Erz - satz erhöhen. Die Schlacken hingen sich dann an den Spieſs, mit dem man im Gestell arbeitete. Ebenso setzte man mehr Erz, wenn die Schlacken weiſs waren, wie dies in den ersten Tagen nach dem Anblasen der Fall zu sein pflegte. Wenn die Schlacke leicht floſs wie Wasser und langsam erstarrte, so war dies ein Zeichen von zu groſser Hitze und man gab dann ebenfalls mehr Erz auf. Der Schmelzer beobachtete ferner sorgfältig den Ofengang durch die Form. Fiel das geschmolzene Erz in weiſsen, glänzenden Tropfen vor der Form nieder, so gab man mehr Erz, waren die Tropfen schwarz und dunkel, so war der Erzsatz zu hoch, bei dem richtigen Gang fielen helle und dunkle Tropfen in ziemlich gleichem Verhältnis. War die Schlacke vor der Form gelb und dunkel, so war der Ofen zu kalt, war sie lebhaft weiſs, so war er zu heiſs; reine gleichmäſsige bläuliche Farbe zeigte den richtigen Ofengang an.

War die Farbe des Eisens matt-weiſs im Bruch, so deutete dies auf zu viel Erz, war der Bruch wie Eis , auf zu wenig Erz zu den Kohlen; bei richtigem Verhältnis war das Eisen feinkörnig weiſs oder grau mit dunklen Körnern. Doch hatte hierauf die Art der Erze groſsen Einfluſs. Waren die Schlacken, die mit dem Eisen abgelassen wurden, blasig und von dunkler Eisenfarbe, so war das Verhältnis richtig, waren sie aber fest und schwer von zu vielem Eisen, so war es unrichtig.

Ein anderes Erkennungsmittel war die Gichtflamme, besonders am Abend, wenn sie weithin leuchtete. Wenn sie leicht, scharf, hell10*148Hochöfen bis 1734.und breit, ohne Funken emporwallte, so war dies ein Zeichen richtiger Schmelzung; war sie sehr hoch und rauchend, so deutete dies auf Kochen im Herd, unvollkommene Reduktion und Ver - schlackung von Eisen. War die Tümpelflamme stark, hell und rauchend, so war mehr Erz nötig, war sie dunkel, mehr Kohle. Warf das flüssige Eisen Funken, so gab man mehr Kohlen, war die Oberfläche beim Laufenlassen glatt und wie poliert, mehr Erz. Zuweilen kochte das Eisen heftig im Herd und begann zu speien, dann verdunkelte sich die Form mit schwarzer Schlacke, die aus - gezogenen Schlacken waren schwammig und eisenreich, die Hitze im Gestell nahm ab und es füllte sich rasch mit schmieriger Masse, wobei viel Eisen verschlackte und verloren ging. Der Arbeiter muſste suchen, die kochenden Schlacken einzudämmen, die Formen oft und sorgfältig zu reinigen, sonst drohte Gefahr, daſs sich das Gestell ganz zusetzte. Swedenborg vergleicht diesen Rohgang mit dem Gähren des Weinmostes, wobei das unreduziert in das Gestell ge - langende Erz wie Hefe wirke. Ähnliche Wirkung erzeugten nasse, alte Kohlen, zu wenig und schlechter Kalk, wenn halbgare Massen, welche noch schweflige Bestandteile eingemengt enthielten, sich von der Rast loslösten und in das geschmolzene Eisen im Gestell stürzten, sodann, wenn das Mauerwerk über der Form zu weit zerstört war, endlich Feuchtigkeit im Ofen, sowie ungeröstetes, besonders pulveriges Erz. Die Zeichen für den beginnenden Rohgang seien: wenn die Schlacken dicht aus dem Vorherd brächen, sich blasig aufblähten und in langem Laufe langsam wälzten, denn dann sei ihnen bereits Eisen oder Erz - pulver beigemengt, welches sie in Gährung versetze; ebenso, wenn die schaumigen Schlacken beim Austreten in Blasen zerplatzten und zusammenfielen und nach dem Erstarren eine löcherige, von Kanälen und Blasen erfüllte Masse bildeten; ebenso, wenn die bläuliche Farbe der Schlacken in die schwarze übergehe, was die Aufnahme von Eisen andeute, allmählich werde sie dann schwarz und zähe wie Pech; ferner, wenn die Gichtflamme mit Unterbrechungen dicht in die Höhe walle, manchmal zu verlöschen scheine und dann wieder eine hohe, unruhige Fackel bilde. Dies deute auf Unruhe im Herd. Werde sie rot und rauchig, so verkünde dies herannahenden Sturm. Ebenso leuchte dann die Tümpelflamme ungleich und heftig und werde dann gelb, rauchig und dunkel. Am deutlichsten sähe man das Kochen durch die Form. Durch folgende Mittel suchte man dem Rohgang entgegenzuwirken: 1. arbeitet man mit der Eisenstange in dem flüssigen Brei, wodurch sich das Leichte von dem Schweren scheidet;149Hochöfen bis 1734.2. zieht man die kalten, schaumigen Schlacken aus dem Ofen; 3. reinigt man die Form mit dem Spieſs; 4. wendet man die gröſste Aufmerk - samkeit auf die Gichten, giebt nur gleichmäſsige, gutgeröstete Erz - stückchen und kein Pulver und nur gute, trockene Holzkohlen auf. Der Rohgang kam aber so oft vor, daſs Swedenborg sagt, einmal den Tag schade dieses Fieber nicht, es mache vielmehr den Herd weit. Wiederhole es sich aber oft, so daſs es mehrmals an einem Tage einträte, so erleide man Abkühlung, Verlust, und das Eisen werde blasig.

Die angeführten Zeichen des Ofenganges lassen aber nicht den Rohgang allein, sondern auch andere Unregelmäſsigkeiten erkennen, und Swedenborg giebt hierfür gründliche Anleitung, auf die wir aber hier nur verweisen können1)Swedenborgius a. a. O., fol. 48, 49 u. s. w.. Hierbei erwähnt er bezüglich des Gieſsens von Guſswaren aus dem Hochofen, daſs dies am besten gegen Schluſs der Kampagne geschehe. Wolle man Amboſse und ähnliche schwere Stücke gieſsen, so erhöhe man den Erzsatz, wodurch leicht Versetzungen eintreten könnten; wolle man feine Guſswaren gieſsen, so breche man im Gegenteil am Erzsatz ab, wodurch aber der Ofen angegriffen würde. Beides könne gegen Schluſs der Kampagne weniger schaden.

Über die Schlacken und ihre Bedeutung beim Schmelzprozeſs macht Swedenborg sehr treffende Bemerkungen. Die Schlacke schwimme auf dem Eisen, wie Öl auf Wasser. Die Schlackendecke sei nötig, um das Eisen vor dem Verbrennen zu schützen. Fehle es an Schlacke, so trete das Kochen des Eisens ein. Die Schlacke sei auch nötig, um die Abscheidung und Sammlung des Eisens zu er - möglichen. Sie schütze das Eisen vor dem Hineinfallen halbreduzierter Erzbrocken. Fange das Eisen im Gestell an, unruhig zu werden, so müsse man die Schlacke länger im Ofen halten. Ebenso halte man nach dem Anblasen den Herd immer möglichst voll Schlacken, um die Wände gehörig durchzuwärmen und das Eisen warm zu halten. Da, wo man reiche Erze verschmelze, könne man die Schlacke länger halten, so daſs man sie in sieben bis zehn Stunden nur vier - bis fünfmal abzulassen brauche, bei steinigen und kalkigen Erzen müsse man öfter abstechen, an manchen Orten liefen sie fortwährend und so lange dies andauere, habe der Schmelzer wenig Mühe. Sie liefen die geneigte von Sand und Gestübbe hergestellte Schlackentrift herab, wo sie von Zeit zu Zeit mit Wasser übergossen und mit der Schaufel150Hochöfen bis 1734.aus der Hütte getragen würden. War die genügende Menge Schlacken so abgeflossen, so zog man einige glühende Kohlen nach vorn, warf darauf einige Schaufeln des angefeuchteten Gemenges von gleichen Teilen Sand und Kohlenstaub (Stübbe) und schloſs damit den Vor - herd. Ist das flüssige Eisen im Herd bis nahe vor die Form gestiegen, so daſs es die Schlacke nicht mehr genügend schützen kann, so muſs man es abstechen. Ehe man aber dazu schreitet, und zwar einige Stunden zuvor, bricht man den Vorherd mit dem Schlackenspieſs auf, fährt mit dem Spieſs im ganzen Herd am Boden und Wänden herum, um diese zu reinigen und anhängende Massen loszustoſsen, zieht diese aus dem Vorherd heraus und schlieſst denselben mit Stübbe. In gleicher Weise reinigt man den Herd unmittelbar nach dem Abstich, so daſs also der Vorherd zwischen jedem Abstich zweimal aufgebrochen wird. Zum Laufenlassen des Eisens wurde Fluſssand vor den Ofen gefahren und darin das Bett für das Eisen gemacht. Gewöhnlich formte man darin mehrere lange, flache Kanäle oder Rinnen, die miteinander verbunden waren, weshalb der Fluſssand den richtigen Feuchtigkeitsgrad haben muſste. Die Form wurde mit gebranntem Sand und Asche bestreut. Nun stellte man den Wind ab, zog die Bälge zurück, schloſs die Form mit einem Formlöffel, damit die Flamme dem Arbeiter nicht ins Gesicht schlagen konnte und öffnete das Stichloch mit einer langen Eisen - stange, meist mit Hilfe des Vorschlaghammers. Das dünnflüssige, hellrote Eisen floſs heraus, gelbliche Schlacke schwamm oben auf. Man warf Asche darauf, damit es langsam erstarrte. Manches Eisen zeigte eine wallende Bewegung und schlangenförmige Zeichnungen. An den Brücken oder Überläufen, welche die Abteilungen verbanden, warf man feuchten Sand auf, um die Stücke leichter trennen zu können. Zuweilen geriet das Eisen beim Abstechen, durch Wasser oder zu feuchte Stellen im Laufe ins Kochen. War dies gering, so warf man feuchten Sand auf, war es heftig, so muſsten die Anwesenden bei Seite springen und sich an einem sichern Platz vor dem herum - fliegenden, flüssigen Eisen schützen. Dies sei für Laien ein schreck - licher Anblick, aber die Hüttenleute seien so gewöhnt, mit dem flüssigen Eisen umzugehen, und so unempfindlich, daſs sie Fremden für ein Trinkgeld oft Kunststücke vormachten, indem sie den Finger oder die ganze Hand in das flüssige Eisen steckten und sie unverletzt heraus - zögen, oder sie nähmen eine kleine Menge flüssiges Metall in die hohle Hand. Aber ehe sie dies thäten, steckten sie die Hand erst unter die Achselhöhle, damit sie von Schweiſs feucht werde, auch151Hochöfen bis 1734.müſsten sie die Hand fest zusammenpressen, damit das Metall nicht zwischen die Finger käme.

Die Eisenmasseln waren je nach den Formen ¼ bis ¾ Schiffs - pfund (1 bis 3 Ctr.) schwer. Nach zwölf Stunden konnte man sie schon mit der bloſsen Hand angreifen. Aus dem Bruch lieſs sich leicht die Güte des Eisens erkennen. Glänzte er von ziemlich groſsen, fast rötlichen Schuppen, so war dies ein Zeichen, daſs es sehr roh war, so daſs es kaum durch wiederholtes Frischen gereinigt werden konnte. Dieser Fehler rührte von dem Erz oder von zu geringem Kohlensatz her. Floſs das geschmolzene Eisen dick und unrein, so enthielt es noch schlackige Teile beigemengt; funkelte es wie Sterne und sprühte Flammen, so war dies ein Zeichen von Härte. Durch rasches Abkühlen, wie durch Aufgieſsen von Wasser, wird das Eisen hart. Das Eisen ist gut, wenn die Graphitblättchen klein sind und wie eine Anhäufung glänzender Körner erscheinen; es ist schlecht, wenn die Graphitschuppen (micae) sehr groſs, sehr glänzend und flach sind wie Wismut oder Eis. Das beste Eisen ist von grauer Farbe, ähnlich einem rauhen, grauen Tuche oder einem Gewebe von weiſsen und schwarzen Fäden, auch ist es schwerer, zäh und schwer zu zer - schlagen und steht auch im Feuer besser als das, welches wie Wismut glänzt. Eine glatte Oberfläche ist ein gutes Zeichen, während eine runzliche Oberfläche auf Schwefelgehalt deuten soll.

Die Menge des Eisens war verschieden je nach der Gröſse des Ofens, der Art der Erze u. s. w. Bei sehr gutem Ofengang erzielte man nach den ersten zwölf Tagen zuweilen 4000 kg, meistens aber schwankte die Produktion zwischen 3000, 2400, 1600 und 1400 kg, bei alten Öfen, ungünstigen Verhältnissen und schlechtem Betriebe betrug sie sogar nur 600 und 800 kg in 24 Stunden, wobei oft ebenso viel Kohlen verbrannt wurden, als bei den 3000 bis 4000 kg. Man stach alle acht bis zwölf Stunden ab, gewöhnlich fünfmal in 48 Stunden, und zwar meist nach der sechsten und vor der siebenten Gicht. Unter günstigen Verhältnissen brauchte man zu einem Schiffspfund Eisen 12 bis 14 Tonnen Kohlen (zu 100 kg 6 bis 7 Tonnen), bei ungünstigen Verhältnissen 24 bis 40 Tonnen (zu 100 kg 12 bis 20 Tonnen).

Swedenborg führt dann (fol. 58) die Unglücksfälle auf, welche beim Hochofenbetriebe zuweilen vorkamen. Sodann beschreibt er das Ausblasen des Hochofens am Schluſs der Kampagne. Dieses war zu jener Zeit meistens nicht dadurch bedingt, daſs der Ofen ausgebrannt war und keinen regelmäſsigen Schmelzbetrieb mehr gestattete, sondern dadurch, daſs der vorhandene Erz - oder Kohlenvorrat aufgehüttet152Hochöfen bis 1734.war. Beim Ausblasen verfuhr man auf verschiedenen Hütten ver - schieden. Manche bliesen mit dem vollen Erzsatz ab, andere ver - minderten die Erzgichten genau in demselben Verhältnis, wie man sie beim Anblasen vermehrt hatte. War die letzte Erzgicht gesetzt und niedergegangen, so setzte man darüber eine Gicht feuchten Kohlenstaubes (Stübbe), um die ohnedies groſse Gichtflamme, die hoch emporwallte, zu verringern. Das Ausblasen dauerte 18 bis 20 Stunden und stach man währenddem noch zwei - bis dreimal ab. Sobald das letzte Eisen aus dem Ofen abgelassen war, verstopfte man die Form - öffnung mit Thon, so daſs keine Luft mehr in den Ofen dringen konnte, fuhr aber noch während acht bis zehn Tagen fort, gegen die heiſse Wand des Ofens zu blasen, um ihn abzukühlen und das Holz der Ofenbekleidung und der Bälge vor dem Verbrennen durch das heiſse Mauerwerk zu schützen. Denn nun suchte sich die einge - schlossene Hitze Ausgänge durch das Mauerwerk und muſsten diese ebenfalls durch Anblasen mit kaltem Wind gekühlt werden, um eine Feuersbrunst zu vermeiden. An der Ofenbrust riſs man den Wall - stein (Damm) und das Tümpeleisen weg, so daſs ein weites Loch entstand, durch welches die Luft einströmte. Im Herd und Gestell fand sich ein zusammengebackener Rest von Eisen und Schlacken, der ausgebrochen wurde. Oft befand sich aber am Boden noch eine groſse halbgefrischte Eisenmasse, die Sau schwedisch Klot genannt, welche 5 bis 12 Schiffspfund (800 bis 2000 kg) wog.

So war der Bau und Betrieb der Hochöfen in den meisten Eisen - erzgebieten Schwedens. Etwas abweichend davon war derselbe in dem Gebiete von Dannemora, wo Louis de Geer die ersten Hochöfen erbaut hatte. Sie bestanden ganz aus Mauerwerk und hatten keine Holzumkleidung, wie die übrigen schwedischen Öfen. Das Rauh - gemäuer wurde aus Graustein, das innere Mauerwerk aus Sandstein hergestellt. Der innere Ofen war 12 bis 13½ Ellen (7,128 bis 7,425 m) hoch, in der Gicht 6 bis Fuſs (1,628 bis 1,756 m), im Kohlensack bis 8 Fuſs (2,227 bis 2,376 m) weit. Die Rast war 3 Ellen (1,782 m) hoch.

Bei Loefstad hatte man einen Doppelofen, d. h. es waren zwei Öfen in ein gemeinschaftliches Mauerwerk eingebaut. Der Abstand zwischen beiden betrug 6 bis 7 Ellen (3,564 bis 4,158 m). Die Arbeits - seiten beider lagen auf derselben Seite nebeneinander. Die Schmelzung ging in denselben gut von statten und hatte der abweichende Ofen - gang des einen Ofens keinen Einfluſs auf den andern. Der Herd war Fuſs breit, 3 Fuſs lang (0,445 auf 0,891 m) und faſste bis zu153Hochöfen bis 1734.vier Handbreite Höhe 8 bis 9 Schiffspfund (1600 bis 1800 kg). Der Damm und der Tümpel bestanden nur aus starken Steinen, ohne Eisenbekleidung. Der Tümpel hielt 20 Wochen. Die Form lag bei diesen Öfen nicht geneigt, sondern horizontal und dieses war die wichtigste Abweichung. Sie war durch die Leichtschmelzbarkeit der Erze ermöglicht. Die Bälge gingen etwas rascher; das Anwärmen dauerte kürzere Zeit als bei den gewöhnlichen Öfen. Der normale Erzsatz betrug 18 Kübel (zu 25 kg) geröstetes Erz auf 12 Tonnen Kohle. Man stach dreimal in 24 Stunden ab, jeder Abstich gab 8 bis 10 leichte Schiffspfund (1280 bis 1600 kg), in der Woche etwa 30000 kg mit 125 Last oder 1300 Tonnen Kohlen. Die Erze waren sehr reichhaltig. Nach Swedenborgs Angaben hätten sie 66 Proz. Eisen gehabt.

Im Vorstehenden haben wir eine Zusammenstellung der wichtig - sten Nachrichten Swedenborgs über Bau und Betrieb der Hochöfen in Schweden mitgeteilt. Swedenborg hat aber auf seinen Reisen durch Europa mit groſsem Eifer Angaben über den Eisenhüttenbetrieb anderer Länder gesammelt und lassen wir das, was er über die Hoch - öfen erfahren konnte, im Auszug folgen.

Die Hochöfen in Frankreich waren zu jener Zeit meist viereckig. Swedenborg teilt folgende Dimensionen eines neuerbauten Hoch - ofens zu Grossouvre, nicht weit von Allier, mit. Er war 25 Pariser Fuſs (8,121 m) hoch, die quadratische Gichtöffnung hatte Fuſs (0,812 cm) Seitenlänge, die Rast 7 Fuſs (2,274 m), der Herd war 19 bis 20 Zoll (digitos) (0,514 bis 0,541 m) hoch, 3 Fuſs (0,975 m) lang und 18 Zoll breit (0,487 m).

Dagegen waren die Hochöfen, welche der Herzog von Nevers in dem Gebiet von Perigord von schwedischen Arbeitern für den Guſs von Kanonen hatte erbauen lassen, wie die schwedischen Öfen rund zugestellt. Sie waren 24 bis 26 Fuſs (7,128 bis 7,722 m)1)Fuſs und Elle sind nach schwedischem Maſse umgerechnet. hoch, in der Gicht 2 Ellen (1,188 m) weit, der Herd war länglich, 1 Elle (0,594 m) breit und bis 2 Ellen (0,891 bis 1,188 m) lang.

Die Hochöfen von Lüttich waren rechtwinklig zugestellt und nur 20 Fuſs (6,497 m) hoch. Die Gichtöffnung 2 auf 3 Fuſs (0,541 auf 0,812 m), die Rast 6 auf 7 Fuſs (1,949 auf 2,274 m), die Produktion 1700 kg in 24 Stunden.

Auch die englischen Hochöfen wichen von den schwedischen ab. Swedenborg beschreibt die bei Stourbridge in Staffordshire154Hochöfen bis 1734.näher. Dieselben waren 26 Fuſs (7,93 m) hoch. Das Rauhmauerwerk, welches unten 12 Ellen (7,32 m) Seitenlänge hatte, war bis ein Drittel der Höhe senkrecht aufgeführt, von da lief es nach der Spitze zusammen. Die Gicht war 20 bis 22 Zoll (0,510 bis 0,561 m) quadratisch, vor der Form war das Gestell 18 Zoll (0,458 m) breit und 2 Fuſs 4 Zoll (0,712 m) lang, am Bodenstein nur 17 Zoll (0,435 m) breit und 2 Fuſs (0,610 m) lang. Das Gestell war 5 Fuſs (1,525 m) hoch. Es war aus vier groſsen Gestellsteinen zusammengesetzt, von denen jeder 1 bis Tonnen wog; der gröſste bildete den Bodenstein, die drei anderen je eine Seite. Die Form war in Stein ausgehauen und hatte nur eine eiserne Sohlplatte.

Swedenborg beschreibt ferner einen Ofen zu Glocester in Sussex 1)Hier liegt jedenfalls ein Irrtum in dem Namen vor, und zwar ist der Name des Ortes wohl unrichtig, indem aus dem ganzen Zusammenhange hervor - geht, daſs die beschriebenen Öfen in Sussex liegen, Glocester liegt aber nicht darin. Swedenborg verdankt seine Nachrichten dem schwedischen Kommissar Kahlmeter., von dem er eine recht unvollkommene Zeichnung (Fig. 202)Swedenborg will in dieser Zeichnung gleichzeitig die äuſsere Ansicht des Ofens und das Profil des Innern im Vertikalschnitt darstellen, giebt aber infolge dessen keine von beiden richtig. mitteilt; Fig. 21 zeigt das nach dem Texte verbesserte Profil. Er nennt ihn den höchsten und berühmtesten jener Gegend. Seine Höhe betrug 28 Fuſs (8,540 m), während die übrigen nur 24 Fuſs (7,320 m) hoch waren. Die Gicht war 22 Zoll (0,561 m) im Quadrat, der Umfang des Rauhgemäuers an der Gicht A 4 bis 5 Fuſs (1,220 bis 1,525 m) im Quadrat. Das Mauerwerk ging 8 Fuſs (2,440 m) senk - recht in die Höhe, der pyramidale Teil war 20 Fuſs (6,109 m) hoch. Im Kohlensack waren die Maſse Fuſs auf 8 Fuſs (2,288 bis 2,440 m). Der Querschnitt war rechtwinkelig; bei anderen Öfen waren die Maſse 8 Fuſs (2,440 m) im Quadrat. Die Höhen sind in der Beschreibung sehr unklar angegeben. Es scheint, daſs bei 24 Fuſs hohen Öfen (Fig. 20) der Herd G 18 Zoll (0,408 m), das Obergestell G Z ebenfalls 18 Zoll (0,408 m) und die Rast E E (boshes) 4 Fuſs (1,220 m) hoch waren. Zwischen Rast und Schacht befand sich ein richtiger Kohlen - sack C C D D (Fig. 21) von Fuſs (0,408 m) Höhe, für den Ofenschacht verblieb eine Höhe von 15½ Fuſs (4,728 m). Die Rast setzte sich an das Gestell und den Schacht im scharfen Winkel an; der Rastwinkel betrug 50 Grad. Der Herd war 5 Fuſs (1,525 m) lang, 2 Fuſs 2 Zoll (0,661 m) breit und 1 Fuſs 6 Zoll (0,408 m) hoch. Bei den kleineren Hochöfen, in denen Poterie und dergleichen gegossen wurde, war der155Hochöfen bis 1734.Herd nur 4 Fuſs (1,220 m) lang, 18 Zoll (0,408 m) breit und 10 bis 12 Zoll (0,254 bis 0,305 m) tief. Bei den groſsen Öfen lieſs man das Eisen direkt in die Guſsformen laufen, bei den kleinen wurde es in einem Vorherd gesammelt und von da vergossen. Die gröſste Produktion, von der Swedenborg berichtet, berechnet sich auf etwa 1600 kg in 24 Stunden. Bei den Hochöfen, welche für den Guſs von Kanonen dienten, deren es viele in den Provinzen Kent und Sussex gab, hatte man in früherer Zeit auch zuweilen Doppelöfen, wie in Schweden, angewendet, doch war man davon abgekommen und wendete

Fig. 20.

Fig. 21.

statt der Doppelöfen einfache Öfen von gröſseren Dimensionen an. Man pflegte nur im Winter Kanonen zu gieſsen, im Sommer aber Roheisen zu machen. Die Öfen in Sussex waren etwas gröſser als die in Kent. Zu Turnbridge in Kent konnten jede 16. Stunde zwei Geschütze gegossen werden, deren jedes an 750 kg wog. Die Formen wurden aus Lehm gemacht und in einer tiefen Dammgrube in aufrechter Stellung eingestampft. Prinz Ruppert hatte zahlreiche Versuche gemacht, die Schmelzung mit Steinkohlen vorzunehmen, es gelang aber nicht, weil sich das Gestell des Ofens verschlackte und das Eisen zu schwefelhaltig wurde. Auch pflegte Prinz Ruppert,156Hochöfen bis 1734.der in Metallurgie und Chemie sehr erfahren war, dem flüssigen Eisen verschiedene Stoffe zuzusetzen, um das rasche Rosten der Kanonen, namentlich der Seele und des Zündloches, zu verhindern. Dies soll ihm auch bis zu einem gewissen Grade gelungen sein, so daſs solche Geschütze sieben bis neun Jahre rostfrei blieben. Des - gleichen versuchte er leichtere Geschütze von gleicher Widerstands - fähigkeit zu gieſsen.

Der Hochofen zu Edswald in Norwegen war 7,128 m hoch, Durchmesser der Gicht 1,485 m, des Kohlensacks 2,079 m, das Gestell war nach wallonischer Art (wie in Dannemora) zugestellt. Die täg - liche Produktion betrug nur 800 kg.

Der Ofen zu Rotenthal in Sachsen war, wie die böhmischen Hochöfen, viereckig zugestellt und 7,20 m hoch1)Bei den deutschen und österreichischen Hochöfen ist der Fuſs zu 0,3 m, der Zoll zu 0,025 m umgerechnet.. Der Herd war 55 cm lang, 30 cm breit und 30 cm hoch. Das Gestell war 1,05 m hoch; der Kohlensack 1,80 m im Quadrat, die Gicht 0,75 m im Quadrat.

Das Ofengestell war aus sorgfältig zugehauenen Sandsteinen auf - geführt. Man verschmolz ungeröstete böhmische Eisenerze mit ¼ Kalk - stein. Die Tagesproduktion betrug meist etwa 1500 kg, stieg aber ausnahmsweise bis auf 3000 kg. Die Form war von Kupfer und konisch.

Ein anderer Ofen war 5,40 m hoch, im Gestell 45 cm breit, 75 cm lang und 75 cm hoch, und produzierte 1200 kg.

Die Harzer Hochöfen waren nach Swedenborg 6,60 bis 7,20 m hoch, teils mit rundem, teils mit viereckigem Schacht. Der dritte Teil des oberen Ofens war aus Ziegel -, das Übrige aus feuer - festen Bruchsteinen erbaut. Die Form lag 0,90 m über dem Boden - stein. Der Herd war 1,05 m lang. Aus 480 Gewichtsteilen Erz erhielt man 100 Teile Eisen oder an 21 Proz. ; die Produktion betrug bei manchen Öfen 1400, bei manchen 1700 kg im Tage.

Auch über die Floſsöfen in den österreichischen Alpenländern macht Swedenborg einige Mitteilungen, die wir hier nachtragen wollen.

Die Hochöfen mit geschlossener Brust, welche in Kärnten und Krain betrieben wurden, waren einschlieſslich der aufgebauten Esse 7,20 m hoch. Der Tiegel war am Boden 0,66 m lang und 0,60 m breit. Die Form lag 0,36 m über der Sohle. Das Gestell erweiterte sich nach oben, so daſs es etwa 1 m von der Sohle 0,90 m im Quadrat157Hochöfen bis 1734.hatte. Indem der Ofen fortfuhr, sich nach oben zu erweitern, ging er allmählich in die runde Form über, in halber Höhe 2,70 m vom Boden hatte er 1,80 m Durchmesser, von da verengerte er sich bis zur Gicht, welche nur 0,30 m im Quadrat hatte. Diese Öfen waren mit einem Dache überbaut. Es wurde alle 3 bis Stunden abgestochen, die Tagesproduktion betrug etwa 1800 kg. Die Kampagne dauerte 28 bis 33 Wochen.

Ein Floſsofen im Salzburgischen hatte nach Swedenborg folgende Maſse: Äuſsere Höhe 7,20 m1)Swedenborg, a. a. O., S. 184, giebt die Höhe zu 24 Fuſs an, während er unmittelbar vorher sagt, der Ofen sei etwa 3 Ellen niedriger als die sächsischen Hochöfen. Er meint also im ersten Falle jedenfalls die äuſsere Höhe des Ofens mit der aufgebauten Esse., Bodenstein 0,90 m im Quadrat, von da erweitert sich der Ofen etwa bis zur halben Höhe, wo er 1,80 m im Quadrat hat, wird von da bis zur Gicht, die 0,60 m im Quadrat hat, enger. Die Gicht war überbaut; der Bodenstein nach vorn etwas geneigt. Die Formöffnung lag 33 cm über dem Boden. Der Ofen, der aus den besten Steinen erbaut war, hielt Hüttenreisen von 20 bis 30 Wochen aus. Man stieg mit der Hitze und dem Erz - satz während der ersten drei bis vier Wochen allmählich. In den ersten Wochen schmolz man nur 80 bis 90 Centner die Woche, später mehr, und konnte man dann 28 bis 40 Gichten, je nach der Schmelz - barkeit des Erzes, in 24 Stunden setzen, zu entsprechend 36 bis 50 Centner geröstetem Erz und bis 2 Fuder Holzkohlen. Alle ¾ bis 1 Stunde wurde eine Gicht gesetzt, nach vier bis sechs Gichten wurde ein Floſs von bis 3 Centner Gewicht laufen gelassen. In 24 Stunden stach man sechs - bis siebenmal ab und erhielt 18 bis 20 Wiener Centner Eisen. Die Wochenproduktion betrug 126 bis 140 Centner, bei Stahlerz bis zu 200 Centner, hierzu wurde 245 bis 350 Ctr. Erz und 180 Sack (= 18 Fuder) Holzkohlen verbraucht. Abweichend von den kärntnischen Öfen war auch die Zustellung der Ofenbrust. Während dort das Untergestell mit einem Stein, in wel - chem sich Eisen - und Schlackenabstich befanden, geschlossen war, hatte man hier zwei Steine, von denen der eine rechts, in welchem das Stichloch sich befand, höher war, nämlich 45 cm hoch, während der Stein links nur 30 cm hoch war. Der Zwischenraum zwischen diesem und dem oberen Stein, welcher beide bedeckte, wurde mit Thon geschlossen. Durch diese gröſsere, nur leicht verschlossene Öffnung lieſs man die Schlacken ablaufen und konnte durch sie auch im Herd arbeiten. Man stach die Schlacken, welche hell -158Hochöfen bis 1734.grün, schaumig und leicht waren, vor dem Abstich des Eisens ab. Für das Eisen bereitete man zu jedem Abstich, wie in Kärnten, ein Bett von Sand, in das man es laufen lieſs.

Dies ist in Kürze eine Zusammenstellung der wichtigsten Angaben, welche Swedenborg über die Hochöfen gemacht hat. Bemerkenswert sind aber noch seine Mitteilungen über die Anwendung minerali - scher Brennstoffe in Hochöfen. Versuche, mit Steinkohle zu schmelzen, waren bis dahin nur in England gemacht worden. Da - gegen hatte man in verschiedenen Ländern versucht, Torf im Hoch - ofen zu verwenden. Von England schreibt er: in Lancashire mischt man Torf und Holzkohle, aber das Eisen, welches fällt, wird durch Schwefel rotbrüchig. Auch in Schweden hatte man Proben angestellt, und es soll gelungen sein, Eisen mit einem Zusatz von der Hälfte, ja von zwei Drittel Torf zu schmelzen. Dieser Torf wurde aber erst gebrannt und dadurch die schädlichen und fettigen Beimengungen ausgetrieben. Dies geschah in einer Grube unter einer dichten Decke von pulverförmiger Masse (tegumento denso pulvereo) und je länger man ihn darin erhitzte (per ignem lentum et bene clausum), je besser war es, so daſs die Torfverkohlung 32 bis 72 Tage dauerte. Aus 4000 Torfstücken erhielt man zwei Fuder gebrannten Torf. Aber wenn man auch Torf zum Abdampfen oder in der Küche brauchen kann, so ist er doch wenig tauglich, sobald er mit der zu schmelzen - den Substanz in unmittelbare Berührung kommt, und wenn man auch zuvor durch Glühen bei langsamem Feuer und gutem Verschluſs die schwefligen und fettigen Beimengungen ausgetrieben hat, so behält er doch so viel Unreinigkeit zurück, daſs man nicht ohne Schaden das Eisen damit in Berührung bringen kann, abgesehen von dem Miſsstande des hohen Aschengehaltes.

Swedenborg berichtet ferner in ausführlicher Weise über Ver - suche, welche im Jahre 1726 in Schweden angestellt worden waren, um beim Schmelzen im Hochofen die Holzkohlen teilweise durch klein - geschnittenes gedarrtes Holz (ligna scissa semiusta seu torris) zu ersetzen. Ähnliche Versuche waren einige Jahre zuvor angeblich mit einigem Erfolg in Ruſsland angestellt worden. Die schwedischen Versuche hatten folgendes Ergebnis: der Gichtenwechsel ging bei dem Zusatz von geschnittenem Holz rascher von statten, dagegen war der Ver - brauch auf 100 Teile Eisen berechnet etwas gröſser und es ging mehr Eisen in die Schlacken. Zu 100 Schiffspfund (16 Tonnen) Roheisen wurden bei der Mischung von Kohle und kleingeschnittenem Holz, wobei letzteres in Holzkohle umgerechnet ist, 150⅓ Last Holzkohlen159Hochöfen bis 1734.gebraucht, bei Kohlen allein dagegen nur 147 Last; an Erz muſsten zu derselben Menge Eisen 2661 Tröge (vascula) Erz bei Anwendung des Gemisches, dagegen nur 2591 Tröge bei dem gewöhnlichen Ver - fahren1)Allerdings muſsten einmal auch 3313 Tröge aufgegeben werden. Swedenborg teilt eine genaue Betriebstabelle über die angestellten Versuche mit. gesetzt werden. Nach diesem Ergebnis gewährt also der Zusatz von rohem Holz keine wesentlichen Vorteile. Swedenborg betont noch, daſs dies Holz in so kleine Stücke geschnitten werden muſs, daſs es sich gut mit den Holzkohlen mischen läſst.

Von gröſserer Wichtigkeit ist das, was Swedenborg über die Verwendung der Steinkohle beim Hochofenbetrieb mitteilt.

Bei seinem Bericht über den englischen Hochofenbetrieb bemerkt er: Zeitweilig und an verschiedenen Plätzen hat man Stein - kohle, die man zuvor zu Schlacken oder Cinders (Koks) gebrannt oder kalciniert hatte, angewendet, aber man soll dabei stets eine geringere Produktion gehabt haben, als mit Holzkohlen, denn während man mit diesen 15 bis 16 Tons Eisen in der Woche schmolz, erhielt man bei Zusatz von Koks nur 5 bis 6 Tons, abgesehen davon, daſs das Eisen rotbrüchig und so schlecht wurde, daſs es kaum zu irgend welchem Gebrauch geeignet war. Über die Art, wie damals die Steinkohlen verkokt wurden, macht Swedenborg (S. 161) nähere Angaben.

Die Verkokung sei des groſsen Schwefelgehaltes der Stein - kohlen wegen nötig. Sie geschah in Meilern, ähnlich den Kohlen - meilern. Auſsen herum setzte man groſse Stücke, in der Mitte machte man einen senkrechten Kanal oder Schacht, der Gröſse des Meilers entsprechend, und füllte denselben mit Stroh, dürrem Astholz und anderen leicht entzündlichen Stoffen aus. Diese wurden von oben angezündet, und verbreitete sich von da die Glut nach unten und nach den Seiten und schreitet von innen nach auſsen vor. Wird die Hitze an einer Stelle stärker, so daſs die Kohlen zu Asche zu verbrennen drohen, so bedeckt man diese mit Erde oder einer staub - förmigen Masse, wodurch das Feuer gedämpft und zurückgehalten wird. Sind die Flammen erloschen und hat das Feuer nachgelassen, so erscheinen die Kohlen ringsum gleichmäſsig durchgebrannt; um es besser zu löschen, wirft man Staub darüber und verstopft den Kanal. Auf diese Weise treibt man in England den Schwefel aus den Stein - kohlen aus und verwandelt sie in eine Art von Asche (in cineritiam), die aber noch Brennstoff enthält und die man Cinder nennt. Sind die160Hochöfen bis 1734.Haufen ganz kalt geworden, so nimmt man die Decke ab. Die Stücke, welche man als charcoal (richtiger charred coal) bezeichnet, sollen zur Schmelzung von Kupfer und Eisen brauchbar sein. Daſs sie aber für das Eisen nichts taugen, haben wir oben mitgeteilt , nämlich bei dem S. 130 beschriebenen Versuch im Flammofen. In diesem lieſs sich allerdings kein Erfolg erwarten, daſs man aber damals schon mit Nutzen Koks beim Hochofenbetrieb verwendet hatte, wissen wir aus andern Nachrichten.

Abraham Darby, der Stammvater einer Familie von Eisenindu - striellen, von der viele Glieder Groſses für die Eisenindustrie Englands geleistet haben, scheint der erste gewesen zu sein, der im 18. Jahr - hundert mit Erfolg Eisenerze mit Koks verhüttete. Er war 1677 zu Wrens Nest bei Dudley in Worcestershire, dem Pachtgut seines Vaters John Darby, geboren und kam, nachdem er herangewachsen war, bei einem Malzdarrenmacher in die Lehre. Nachdem er, erst 21 Jahre alt, geheiratet hatte, lieſs er sich in Bristol nieder. Er war Quäker und in Verbindung mit drei Glaubensgenossen errichtete er ein Werk, Baptist mills, für Mühlenbau. Einige Jahre nach Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges, wahrscheinlich 1704, reiste er nach Holland, wo er niederländische Metallgieſser anwarb, mit sich nach England brachte und mit deren Hilfe eine Metallgieſserei zu Baptist mills errichtete. Hier erfand er die Sandformerei, worauf wir später bei der Geschichte der Eisengieſserei näher zurückkommen werden. Nachdem er auf dieses Verfahren 1708 ein Patent genommen hatte, wollte er, um dasselbe aus - zubeuten, seine Gieſserei bedeutend vergröſsern. Hiervon wollten aber seine ängstlichen Teilhaber nichts wissen und verweigerten ihm die dafür geforderten Mittel. Infolge dessen löste Darby, der fest entschlossen war, sein Verfahren im Groſsen auszuführen, das Geschäftsverhältnis, verlieſs Bristol und siedelte im Jahre 1709 nach Coalbrookdale in Shropshire über, um mit eigenen Mitteln die Sache zu betreiben. Coalbrookdale, welches seit dieser Zeit über hundert Jahre lang die historisch wichtigste Eisenhütte Englands wurde, von welcher viele bedeutsamen Verbesserungen ausgingen, war ein altes Eisenwerk. Schon in den Zeiten der Tudors stand dort eine Eisenschmiede (a smethe or smeth-house). Damals lag es noch mitten in einem holzreichen Waldrevier. Wie so viele englische Eisenhütten hatte es im Revolutionskriege schwer gelitten. 1651 gehörte es einem Wolffe von Madeley, einem Royalisten, der nach der Schlacht von Worcester den unglücklichen König Karl I. in einer Scheuer verbarg. Danach kam das Werk in den Besitz eines Mr. Fox, der daselbst Kanonen -161Hochöfen bis 1734.kugeln und Handgranaten für die Regierung goſs. Durch eine Explosion ging der Hochofen zu Grunde. Fox ging später mit Peter dem Groſsen nach Ruſsland. Dieses verlassene Werk pachtete Abraham Darby und zog mit seiner Familie und seinem treuen Gehilfen John Thomas dahin über. Die Hütte lag auſserordentlich günstig, an Holz war noch Überfluſs, Erz und Kalkstein fanden sich in der Nähe und der Bach Coldbrook hatte ein schönes Gefälle. Abraham baute einen neuen Hochofen und richtete eine Gieſserei ein, deren Guſswaren sich bald einen Namen machten. In den ersten Jahren war an Holzkohle kein Mangel, aber mit dem rasch wachsenden Betriebe begann Holzmangel einzutreten. Vielleicht waren es zunächst auch nur teure Holzpreise, die Abraham Darby veranlaſsten, mit Steinkohlen, die ebenfalls in nächster Nähe vorkamen, Versuche zu machen. Im Jahre 1713 begann er mit Erfolg1)Scrivenor, History of the iron trade, p. 56; indessen bezweifeln Percy und Smiles die Richtigkeit dieser Angabe. Steinkohle im Hochofen zu verwenden; anfangs nur als Zusatz. Er verkokte, wie es scheint, die Steinkohlen2)Sicherlich geschah dies im Jahre 1718, wie aus nachfolgenden Einträgen des Hüttenjournals hervorgeht: 1718, Septbr. 28. Old Blast Furnace, Dr. Andrew Cartwright, coaking 114 Stack of coal; New Blast Furnace, Dr. Andrew Cartwright, coaking 135 Stack of coal. und ver - wendete anfangs den Koks gemischt mit guten Holzkohlen, später setzte er nur Braschen (brays) und Torf zu. Aus dem Hochofen - journal (Blast Furnace Memorandum Book), welches Darby hinter - lassen hat, geht hervor, daſs der gebräuchliche Satz war: 5 Körbe Koks, mit 2 Körben Braschen und einem Korb Torf, hierauf gab man den Eisenstein und dann den Kalk auf. Aus diesem Journal geht ferner hervor, daſs 1713 auf der Hütte zu Coalbrookdale wöchentlich in dieser Weise 5 bis 10 Tonnen Guſswaren, Töpfe, Kessel und son - stiger Potterieguſs (hollow ware), welche man direkt aus dem Hoch - ofen goss, gemacht wurden; der Rest des Roheisens wurde in Massel (pigs) gegossen. Später kamen noch andere Artikel hinzu, als Roste, Plätteisen, Thürrahmen, Gewichte, Bankplatten, Wagenbüchsen, Stössel und Mörser und gelegentlich auch Schneiderbügeleisen. Das Geschäft nahm immer mehr zu, so daſs in einer Woche 150 Stück Töpfe und Kessel gegossen wurden. 1715 verkaufte er 1 / 16 Anteil für 330 £, welches 1758 allerdings für 1150 £ zurückgekauft wurde. So stand das Werk in schönster Blüte, als beklagenswerterweise Abraham Darby am 8. März 1717 starb. Er war erst 40 Jahre alt und hinterlieſs eine Witwe und zwei noch unerwachsene Söhne, von denen der älteste, mit Namen Abraham, wie sein Vater, am 12. März 1711 geboren,Beck, Geschichte des Eisens. 11162Die Eisengieſserei bis 1750.kaum sechs Jahre alt war. Ein Schwager führte das Geschäft weiter, aber er handelte unredlich gegen die Witwe und die Kinder und betrog sogar verschiedene Arbeiter. In dieser traurigen Zeit muſsten mehrere Geschäftsanteile verkauft werden. Um das Jahr 1730 übernahm der junge Abraham, erst 19 Jahre alt, das väterliche Geschäft. Seiner Energie gelang es, dasselbe rasch wieder zu heben. Auch nahm er die Versuche mit Steinkohle wieder auf. Er probierte erst ein Ge - menge von Holzkohle und roher Steinkohle, aber ohne Erfolg; als - dann ging er dazu über, Steinkohle zu verkoken, und zwar in Haufen oder Meilern, ganz ähnlich wie das Holz. Zu diesem Zwecke machte er im Freien einen kreisförmigen feuerfesten Boden oder Herd als Untergrund und baute hierauf seinen Meiler in der Weise auf, wie Swedenborg es beschrieben hat. Die Decke machte er aus einer Mischung von Thon und Koksstaub (cinders). Nachdem er sich einen gehörigen Vorrath Koks auf diese Weise hergestellt hatte, begann er seine Schmelzversuche. Sechs Tage und Nächte überwachte er selbst das Aufgeben, wobei er kaum schlief und seine Mahlzeiten auf der Ofengicht einnahm. Nach manchen Schwierigkeiten und Enttäuschungen floſs am Abend des sechsten Tages das Eisen gut aus dem Ofen. Erschöpft verfiel er in einen so tiefen Schlaf, daſs die Arbeiter ihn nicht zu erwecken vermochten und ihn schlafend nach seiner ent - fernten Wohnung trugen1)Siehe Percy, Iron, p. 888. Dieser Bericht rührt von den Nachkommen Abraham Darbys her.. 1735 wird als das Jahr bezeichnet, in welchem es dem jüngeren Abraham Darby gelungen sei, Eisenerze allein mit Koks im Hochofen zu schmelzen. Es scheint indes, daſs er doch häufiger eine Mischung von Koks mit Holzkohle verwendete.

Früher schon war es gelungen, Bleierze mit Koks zu schmelzen; 1692 hatte sich eine Gesellschaft hierfür gebildet. Auch scheint das Schmelzen der Eisenerze mit Koks, abgesehen von Dud Dudleys be - kanntem Erfolge, schon früher in einzelnen Fällen gelungen zu sein. Wenigstens berichtet Leigh in seiner Naturgeschichte von Lancashire, daſs man dort kurz vor 1700 Eisen mit Steinkohle gemacht habe. Auch schmolz man um diese Zeit bereits Zinn - und Kupfererze mit Steinkohlen. Nach Blewstones Patent von 1677 war erst 1692 wieder ein Patent an einen Thomas Addison für die Herstellung von Eisen mit Steinkohlen ertheilt worden2)Patent A. D. 1692, Febr. 29, Nr. 291. Thomas Addison. Using seacoale or pitt coale to melt or smelt down iron ore, iron, iron stone, slags, cinders, old cast or hammered iron etc. and to refine and make the same into bar iron and other iron and into guns, bullets etc.. Von einem Erfolge verlautet aber nichts.

163Die Eisengieſserei bis 1750.

Alle englischen Schriftsteller sind darüber einig, daſs das wichtige Problem der Verhüttung der Eisenerze im Hochofen mit Koks in er - folgreicher Weise zuerst zu Coalbrookdale gelöst worden ist. Daſs dies aber nur langsam und ganz allmählich geschah, geht aus den wider - sprechenden Angaben, wem das Verdienst dafür zuzuschreiben sei, hervor. Es scheint auch dem jüngeren Abraham Darby 1735 noch nicht gelungen zu sein, Koks allein dauernd mit Vorteil im Hochofen zu verwenden; vielmehr scheint dies erst sein Schwiegersohn Richard Ford in den 40 er Jahren erreicht zu haben. Von ihm schreibt Professor Mason in einem Briefe, welcher in den Philosophical Transactions von 1747 (S. 370) abgedruckt ist: Man hat verschiedene Versuche gemacht, Eisenerz mit Steinkohlen zu schmelzen. Ich war der Meinung, es sei dies nirgends geraten, aber ich finde, daſs Mr. Ford von Coalbrookdale in Shropshire aus Eisenstein und Kohle, welche beide in demselben Thal gewonnen werden können, hartes und weiches Eisen macht, wie er es haben will. Man hat Kanonen daraus ge - gossen, die so weich waren, daſs sie sich bohren lieſsen wie Schmiede - eisen.

Also auch von der Wissenschaft war die vollkommene Lösung dieser für die englische Eisenindustrie und für den englischen National - wohlstand so überaus wichtigen Frage im Jahre 1747 anerkannt. Aber die Einführung in die Praxis erfolgte nur sehr langsam. Nutzen wurde dabei erst nach der Anwendung stärkerer Gebläse erzielt. Hierauf werden wir später zurückkommen.

Die Eisengieſserei bis 1750.

Die Erfindung des Kastengusses im nassen Sand zu Anfang des 18. Jahrhunderts war ein wichtiger Fortschritt in dem Eisengieſserei - gewerbe. Die Kunst der Herstellung der Guſsformen war von dem älteren Bronzeguſs auf den Eisenguſs übertragen worden. War dies anfänglich ein groſser Vorteil, indem dadurch die Eisengieſserei gleich mit einer gewissen Vollkommenheit in die Praxis eintrat, so lag doch auch ein Nachteil darin, insofern als die überlieferte Formkunst der Entfaltung der Eisengieſserei Beschränkungen auferlegte, die ihre natürliche Entwickelung hemmten. Bei dem Bronzeguſs, bei dem der11*164Die Eisengieſserei bis 1750.Wert des Stoffes und des Erzeugnisses ein höherer war, kamen die Kosten der Herstellung der Formen nicht so sehr in Betracht, und zwar um so weniger, als die Gegenstände mehr in das Gebiet des Kunstgusses fielen. Deshalb lag kein Grund vor, beim Bronzeguſs die Lehmformerei, welche das überlieferte Verfahren für die Her - stellung geschlossener Formen war, zu verlassen. Anders verhielt es sich beim Eisenguſs, bei dem die Billigkeit des Produktes haupt - sächlich maſsgebend war; denn nur durch ihre Billigkeit konnten die Eisenguſswaren die Bronzeguſswaren verdrängen und sich gröſseren Absatz verschaffen. Dem stand das kostspielige Verfahren, welches auch beim Eisenguſs das überlieferte und einzig bekannte Verfahren der Herstellung geschlossener Formen war, die Form aus Lehm her - zustellen, im Wege. Es war deshalb ein wichtiger Fortschritt, als Abraham Darby 1708 in England die Kastenformerei im nassen Sand erfand. Durchaus neu war dieses Formverfahren nicht. Man kannte nicht nur bereits das Formen nach Modellen in fetter Erde in Form - kasten, die sogenannte Massenformerei, welche man, wie Reaumur mitteilt, für kleinere verzierte Gegenstände aus Guſseisen anwendete, sondern Biringuccio hatte auch bereits das Formen in nassem Sand beschrieben (s. Bd. II, S. 292) und für ordinäre kleine Bronzeguſswaren empfohlen. Diese Mitteilung war aber, wie es scheint, unbeachtet geblieben und scheint dieses Verfahren vor Darbys Erfindung beim Eisenguſs nicht zur Anwendung gekommen zu sein. Für die Eisen - gieſserei war Darbys Verfahren deshalb ein wichtiger Fortschritt.

Wir haben oben berichtet, daſs Abraham Darby sich mit Hilfe einiger Geschäftsleute bei Bristol in einer Mühle, Baptist mills, eine Werkstätte zunächst für Mühlenbau eingerichtet hatte. Nun war damals in England das guſseiserne Kochgeschirr, welches von den Niederlanden und Deutschland eingeführt wurde, in Gebrauch ge - kommen. Durch den Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges, wo - durch die Eisengieſsereien in den Niederlanden eingestellt werden muſsten, erfuhren die eisernen Kochtöpfe eine bedeutende Preis - erhöhung. In England konnte man diese Art von Guſswaren damals noch nicht gieſsen. Abraham Darby erkannte die Bedeutung dieses Artikels, der damals als Hiltonware in England bekannt war, reiste nach den Niederlanden, warb Metallgieſser an und gründete in Baptist mills eine Eisengieſserei, um eisernes Geschirr (Poterie) zu gieſsen. Er und seine niederländischen Gieſser verfuhren dabei wie beim Erz - guſs, drehten die Formen in Lehm, wahrscheinlich sehr dünn, und gossen infolge dessen alles fehl. Ein Schäferjunge, John Thomas,165Die Eisengieſserei bis 1750.welcher als Gehilfe angenommen war und einen offenen Kopf hatte, soll Darby zuerst veranlaſst haben, die Formen statt in Lehm in Formsand nach Modellen herzustellen. Darby versuchte es, hatte Erfolg damit und verlegte sich nun auf den Sandguſs, was er, um sein Geheimnis zu bewahren, bei verschlossenen Thüren und Fenstern und verstopften Schlüssellöchern that. Den früheren Schäferjungen nahm er in sein Geschäft, und John Thomas und dessen Nachkommen waren von 1709 bis 1828 die vertrauten und treuen Beamten der Familie Darby. 1708 hatte Abraham ein Patent auf sein Verfahren genommen, dessen Wortlaut einen klaren Einblick in den damaligen Stand der Eisengieſserei in England gewährt. Es heiſst darin: In Anbetracht, daſs unser getreuer und sehr geliebter Abraham Darby, von unserer Stadt Bristol, Schmied, durch sein Gesuch ehrfurchtsvoll vorgestellt hat, daſs er durch sein Studium, seinen Fleiſs und seine Auslagen eine neue Art ausfindig gemacht und vervollkommnet hat, bauchige Töpfe und andere bauchige Waren nur in Sand zu gieſsen, ohne Lehm oder Thon, wodurch solche eiserne Töpfe oder Waren schöner, leichter und geschwinder gegossen und billiger geliefert werden können, als auf dem gewöhnlichen Wege; in Anbetracht, daſs die Billigkeit des Gusses aber von groſsem Vorteil für die Armen in unserem Königreich, welche dieselben am meisten benutzen, sein wird und dies aller Wahrscheinlichkeit nach die englischen Kaufleute davon abhalten wird, fremde Märkte wegen solcher Waren, wovon jetzt groſse Massen eingeführt werden, aufzusuchen, vielmehr gleicherweise im Laufe der Zeit andere Märkte mit den Produkten unseres Reiches versehen werden können etc. etc., gewähren wir dem genannten Abraham Darby die volle Gewalt und das alleinige Privileg, solche Töpfe und Waren zu machen und zu verkaufen für den Zeitraum von 14 Jahren von jetzt an .

Darby, überzeugt von der Bedeutung seiner Erfindung, beab - sichtigte die Baptist mills bedeutend zu vergröſsern, stieſs aber, wie oben schon mitgeteilt, auf den Widerstand seiner ängstlichen Ge - schäftsteilhaber, die sich weigerten, die Mittel dafür herzugeben. Entschlossen, sein Projekt auszubeuten, verlieſs er Bristol und gründete die berühmte Eisengieſserei zu Coalbrookdale, deren Erzeug - nisse sich bald in ganz England hohen Ruf erwarben.

Das Gieſsen selbst geschah im Anfang des 18. Jahrhunderts fast ausschlieſslich direkt aus den Hochöfen. Man betrieb solche zu - weilen nur auf Guſswaren. Häufiger aber dienten die Öfen zur Er - zeugung von Frischereieisen und wurden nur ab und zu, je nach166Die Eisengieſserei bis 1750.Bedarf, auf Gieſsereieisen zur Herstellung von Guſswaren umgestellt. Swedenborg empfiehlt, wie schon erwähnt, dies am Schlusse der Kampagne zu thun, um den Schmelzofen zu schonen und den Betrieb nicht zu stören. Denn man ändere zu diesem Zwecke den Erzsatz, indem man für schwere Guſsstücke gröſsere Gichten setze, wodurch leicht Versetzungen entstünden oder für leichte Guſswaren kleinere Erzgichten setze, wodurch das Eisen hitziger werde und die Ofen - wände mehr angreife.

Bei den Hochöfen, die hauptsächlich auf Guſswaren betrieben wurden, unterscheidet er diejenigen, bei welchen das Eisen abgestochen und durch Rinnen in die Formen geleitet wurde und solche, bei denen das Eisen mit Kellen aus dem Vorherd geschöpft wurde. Erstere dienten für groſse Guſsstücke, namentlich für Geschütze, letztere für kleinere Guſswaren. Die Öfen für Geschützguſs waren gröſser, ja man baute in Schweden und in England für diesen Zweck Doppelöfen. In Kent und Sussex in England waren diese aber bereits wieder verlassen und durch gröſsere Einzelöfen ersetzt worden. In Frankreich und besonders in Deutschland und den Nieder - landen stand die Hochofengieſserei für kleinere Guſswaren in hoher Blüte.

Die Herstellung von Guſswaren durch Umschmelzen von Roh - eisen, die Fabrikation von Guſswaren zweiter Schmelzung war dagegen noch sehr wenig bekannt und auf den Eisenhütten selbst nicht in Anwendung. Swedenborg erwähnt diese Art der Eisen - gieſserei, die damals, wie es scheint, nur in Frankreich und Italien in groſsen Städten oder als Hausierbetrieb für Herstellung kleiner Gegen - stände bekannt war, gar nicht.

Reaumur dagegen hatte eine genaue Kenntnis der Eisengieſserei zweiter Schmelzung und hat dieselbe durch eigene Erfindungen ver - bessert. Er hatte so groſse Liebhaberei an dieser Kunst, daſs er sich in seinem Hof eine kleine Gieſserei mit von ihm erfundenen Sturzöfchen einrichtete. Er betrieb dieselbe hauptsächlich wegen seiner Unter - suchungen und Versuche über schmiedbaren Guſs und hat seine Erfahrungen auch meistens in seiner Arbeit über diesen Gegenstand mitgeteilt.

Reaumur hat auch zuerst die Eisengieſserei vom wissenschaft - lichen Standpunkte aus behandelt und zunächst eine Kritik des Roh - materials und eine genaue Beschreibung der verschiedenen Roheisen - sorten und ihre Verwendbarkeit für den Guſs geliefert. Er unter - schied nicht nur die Hauptgruppen: weiſses, graues und halbiertes167Die Eisengieſserei bis 1750.Roheisen, sondern bei diesen wieder zahlreiche Untergruppen, wie weiſsstrahlig, dichtweiſs, luckigweiſs, feinkörnig grau, grobkörnig grau, blätterig grau, blätterig schwarz. Er untersuchte den Bruch mit der Lupe und dem Mikroskop und stellte die charakteristischen Bruch - flächen in Zeichnung und Kupferstich dar.

Ihm gebührt das Verdienst, zuerst auf die hervorragende Be - deutung des grauen Roheisens für Herstellung von Guſswaren hin - gewiesen und die Gründe dafür entwickelt zu haben. In einem be - sonderen Mémoire1)Siehe Mém. de l’acad. d. Sciences 1726, p. 385. verfocht er die These, daſs das Eisen unter allen Metallen sich am vollkommensten in Formen gieſsen lasse, und zwar deshalb, weil es nach angestellten Versuchen das einzige Metall sei, welches die Formen vollständig ausfülle, indem graues Roheisen beim Erstarren nicht schwinde, sondern sich sogar etwas ausdehne, wäh - rend alle übrigen Metalle sich hierbei zusammenziehen. Dies sähe man schon daran, daſs die Guſstrichter von grauem Guſseisen konvexe Oberfläche haben, während die aller anderen Metalle konkav sind. Dies gehe auch daraus hervor, daſs festes Eisen auf flüssigem von gleicher Zusammensetzung schwimme, während sich die anderen Me - talle, Wismut ausgenommen, umgekehrt verhalten. Diese interessante Erscheinung hat er durch eine Reihe von Versuchen bestätigt. Graues Eisen schwimmt nach Reaumur leichter als weiſses; taucht man das schwimmende Stück von festem, grauem Eisen in dem flüssigen Eisen unter, so kommt es wieder an die Oberfläche.

Das Roheisen wird durch Umschmelzen härter. Will man ihm seine Weichheit erhalten, so muſs man die Tiegel, in denen man es schmilzt, gut mit Holzkohlen oder mit einem Gemenge von Holz - kohlen und Knochenkohlen zu gleichen Teilen ausfüllen. Auch erwies sich ein Zusatz von 1 / 20 bis 1 / 40 Sublimat (sublimé corrosive) als günstig. Andere Stoffe dagegen bewirkten das Gegenteil und machten das graue Eisen weiſs. Überhaupt geht graues Eisen leicht in weiſses über, wie z. B. schon durch rasches Abkühlen. Reaumurs Ver - suche, Eisen dadurch weicher zu machen, daſs man ihm im flüssigen Zustande verschiedene Stoffe einrührte, waren ohne Erfolg, in den meisten Fällen wurde das Eisen dadurch hart. Ebenso wird das Eisen weiſs, wenn man Schmiedeeisen oder aduzierten Guſs mit grauem Guſseisen zusammenschmilzt. Dem allzu grauen Eisen kann man eine schöne Farbe geben, ohne ihm seine Weichheit zu nehmen, wenn man es mit etwas Alaun schmilzt. Im allgemeinen hält Reaumur168Die Eisengieſserei bis 1750.den Übergang von grauem Roheisen in weiſses für analog der Ver - wandlung des weichen Stahls in harten durch die Stahlhärtung (trempe). Doch hält er weiſses Eisen für eine reinere Form des Roheisens, was ihm durch das Weiſswerden des Eisens beim Schmelzen an der Luft unter Abscheidung von Schlacke bewiesen erscheint.

Reaumur unterscheidet zwei Arten des Einschmelzens des Eisens: 1. das Einschmelzen in Gefäſsen, deren Wände von dem Feuer umgeben sind das Tiegelschmelzen und 2. das Ein - schmelzen in unmittelbarer Berührung mit dem Brennmaterial.

Das Einschmelzen in Tiegeln geschieht in kleinen Gebläseöfen, wie beim Kupferschmelzen, man braucht dazu nur längere Zeit. Die Schmelzung geht schneller von statten, wenn das Roh - oder Bruch - eisen in kleine Stückchen zerschlagen ist. Man kann 15 bis 20 kg

Fig. 22.

in einem Tiegel schmelzen. Die Öfen macht man klein oder groſs, festste - hend oder tragbar.

Einen Ofen letz - terer Art, der ein - fach aus mehreren Lagen gebrannter, feuerfester Form - steine bestand, hatte Reaumur für seine Schmelzversuche in seinem Garten aufgestellt. Fig. 22 zeigt die ganze Einrichtung; f ist der Schmelzofen, h der Blasebalg, welcher auf dem fahrbaren Gestell i befestigt ist; k ist eine Feldschmiede und rechts ist ein Arbeiter dargestellt, der einen Tiegel mit flüssigem Eisen, den er mit einer Zange gefaſst hat, in einen mit Holzrahmen zusammen - geschraubten Formkasten n ausgieſst. Es empfehle sich, das Guſs - eisen, welches man einschmelzen will, heiſs in den Tiegel einzutragen, namentlich soll man dasjenige, welches man nachsetzte, vorwärmen. Flammöfen, wie man solche beim Guſs von Glocken oder Bronze - kanonen anwendet, benutzte man bei der Eisengieſserei damals noch nicht und waren diejenigen, die darin Erfahrung hatten, der Ansicht, daſs die Hitze zum Eisenschmelzen nicht ausreiche. Reaumur zweifelt aber nicht, daſs man durch Verbesserungen dies erreichen könne, wenn es erforderlich würde, was aber vorläufig nicht der Fall sei,169Die Eisengieſserei bis 1750.weil man das Eisen in jeder Art von Gebläseöfen einschmelzen könne. Dagegen weist Reaumur bereits ganz bestimmt auf unsere Kupol - öfen hin, indem er sagt1)Reaumur, l’Art d’adoucir le fer fondu (1722), p. 415.: Öfen, welche nach demselben Prinzip kon - struiert wären, wie unsere Erzschmelzöfen, nur kleiner, und deren Hitze noch gröſser wäre, würden sich sehr gut eignen, um groſse Massen von Eisen auf einmal zur Schmelzung zu bringen. Um ihre Wirkung noch gröſser zu machen als die der Erzschmelzöfen, käme es nur darauf an, eine noch gröſsere Menge von Wind ununterbrochen einzublasen. Obgleich nun, fährt er fort, alle Kupferschmelzer heut - zutage wohl imstande wären, in ihren Schmelzöfen auch Eisen zu schmelzen, so geschieht dies doch nicht, weil Rohguſsstücke dieser Art nur wenig verlangt werden. Dagegen giebt es eine Sorte von Schmelzern, welche täglich Eisen und kaum je ein anderes Metall gieſsen. Ihre Zahl ist nicht groſs und ich weiſs nicht, ob mehr als zwei bis drei gleichzeitig in Paris waren; gegenwärtig giebt es, so viel ich weiſs, nur einen. Diese Art von Gieſser ziehen im Lande umher, von einer Provinz zur anderen, sie machen Gewichte, allerhand Plättchen, manchmal gieſsen sie Kochtöpfe mit Füſsen (marmites), manchmal flicken sie sie nur: hat ein Topf einen Fuſs verloren, so gieſsen sie einen neuen daran. Weil nun diese Art des Eisengusses weniger verbreitet und weniger bekannt ist, und sie doch für die Folge von groſsem Nutzen sein kann, so habe ich mir vorgenommen, sie in dieser Denkschrift genau zu beschreiben, wie sie heute betrieben wird, damit man sie anwenden kann, wie sie jetzt ist oder sich bemüht, sie zu vervollkommnen.

Das alte Guſseisen ist nicht teuer; um es aber noch billiger zu haben, ziehen Leute auf den Dörfern herum, um die Bruchstücke zu kaufen und sie dann den Schmelzern zu verkaufen. Auf dem Lande wird dieser Handel kaum mit barem Gelde betrieben; so kauft man in der Umgegend von Paris das alte Eisen gegen Äpfel ein: ein Mann mit einer Wage in der Hand führt ein Pferd, welches mit recht geringem Obst beladen ist, und wiegt für das Eisen Äpfel hin. In Paris haben die Lumpensammler, welche hier dieses Geschäft be - treiben, auch ihr besonderes Zahlmittel, sie geben nämlich den Parisern Nadeln dafür. In Paris giebt es Vorrat genug davon, als alte Koch - töpfe, Kaminplatten und besonders Wasserleitungsröhren. Ich habe nie gesehen, daſs man mehr als einen Sou für das Pfund bezahlt hätte und oft bekommt man es für weniger als zwei Heller (liards). 170Die Eisengieſserei bis 1750.Jedenfalls wird auch in der Folge daran kein Mangel sein. Am besten gieſst man es erst zu dünnen Plättchen aus, die man besser in gleiche Stückchen zerschlagen kann.

Was nun den Schmelzofen betrifft, so erinnert derselbe in der Gestalt an einen kleinen Hochofen; aber er ist noch kleiner, als der, den wir empfehlen wollen, und hat den Nachteil, daſs er bei jedem Guſs umgestürzt und bei dem folgenden Guſs neu aufgebaut werden muſs. Er besteht (Fig. 23) nämlich aus zwei Teilen, aus einer Art von Tiegel [poche1)Das Gieſsen mit diesen Öfen heiſst fondre à la poche. genannt] und aus einem konischen Schacht (la

Fig. 23.

manche), welchen man darauf setzt. Für den Tiegel nimmt man oft einen alten eisernen Topf, den man etwa Zoll mit sandigem Lehm auskleidet. Will man ihn aber öfter be - nutzen, so muſs man ihn mit gutem, feuerfestem Thon auskleiden. Der Tiegel hat ebenso wie der Schacht einen aufeinander passenden, halb - kreisförmigen Ausschnitt, welcher die Form - öffnung bildet. Den Schacht oder Sturz um - kleidet man auch mit Eisen, wozu sich die Gieſser zuweilen mehrerer alter Töpfe ohne Böden bedienen, besser ist aber, ihn von Blech zu machen. Man macht ihn ungefähr 15 bis 16 Zoll (40 bis 44 cm) hoch. Im Inneren wird er ebenso wie der Untersatz ausgekleidet. Der Wind wird durch zwei Blasebälge, und zwar in der unvollkommenen Weise, wie es in Fig. 24 dargestellt ist, erzeugt. Die Blasebälge be - kommen eine geneigte Stellung, so daſs der Wind etwa die gegenüberliegende Kante des Bodens trifft. Den Boden unter dem Ofen und den Bälgen macht man aus Kohlenstübbe mit Schlacke vermischt und gräbt den Tiegel (la poche) darin ein, doch setzt man ihn nicht direkt in das Loch, sondern, um das spätere Aufheben und Ausgieſsen zu erleichtern, in einen eisernen Löffel, der aus einem Ring mit einem Stiel und mehreren Bändern gebildet ist und einen Henkel hat (Fig. 25). Die Form ist von Eisen, in diese münden die beiden Düsen der Blase - bälge. Man macht rings um den Ofen einen erhöhten Kranz von Stübbe, welcher die aus der Fuge zwischen Tiegel und Sturz aus -171Die Eisengieſserei bis 1750.schlagende Flamme zurückhält. Ist der Ofen fertig aufgestellt, so wirft man glühende Kohlen ein, darüber schwarze und beginnt zu blasen. Man giebt Kohlen nach, bis der Ofen heiſs genug ist und wirft

Fig. 24.

alsdann oben eine Lage Brucheisen auf. Die Eisenstückchen haben die Gröſse eines Thalers. Man füllt dann wieder Kohlen nach; sind diese 2 bis 3 Zoll heruntergebrannt, so rührt man sie mit einer eiser - nen Stange zusammen, füllt bis oben hin Kohlen nach und giebt eine

Fig. 25.

neue Charge Eisen auf. Während des Schmelzens beobachtet man die Form und reinigt dieselbe, so oft sich Ansätze bilden. Die Form soll klar sein wie der Mond , wie die Gieſser sagen. Man fährt mit Aufgeben fort, bis das gewünschte Quantum eingesetzt ist und bläst172Die Eisengieſserei bis 1750.dann nieder, wobei man öfter von oben in den Kohlen rührt, daſs kein Stückchen Eisen im Schacht hängen bleibt. Ist alles richtig niedergeschmolzen, so entfernt man ringsum die Kohlenstübbe und stürzt den Schacht (Turm oder Sturz) um. Der Tiegel mit dem geschmolzenen Eisen liegt nun frei. Man hebt ihn, um ihn auszu - gieſsen, mit dem eisernen Löffelgestell auf, und zwar, indem man eine Eisenstange durch den Henkel steckt, mit den Händen, oder besser mit Hilfe eines Hebels und einer Kette mit einem Haken, wie es Fig. 25 zeigt, wobei das Gewicht des Tiegels mit Inhalt durch ein Laufgewicht auf der andern Seite balanziert wird. Die Formen, welche zum Gieſsen fertig, mit Gewichten beschwert sind oder mit einem Holzrahmen mit Schrauben zusammengepreſst werden, hat man

Fig. 26.

Fig. 27.

inzwischen an ihren richtigen Platz unter dem Tiegel gebracht. Ehe man ausgieſst, wird das flüssige Eisen im Tiegel gereinigt, dadurch, daſs man es von der Schlacken - kruste befreit. Die Rei - nigung beschleunigt man, indem man mit einem um einen Stock gewickelten nas - sen Lappen Wasser aufspritzt und die entstandene Schlackenhaut abzieht. Dies wieder - holt man sieben - bis achtmal. Dann ist die metallische Oberfläche ganz rein und man gieſst aus.

Dieser Ofen war, wie die Beschreibung zeigt, recht unvollkommen und Reaumur schlägt eine Reihe von Verbesserungen vor. Der Mantel soll von Blech gemacht werden, durch das man überall Nägel schlägt, damit deren Spitzen dem Thonfutter einen besseren Halt geben. Statt dessen macht man noch besser Gerippe von dünnen Eisenstäben. Bei dem des Schachtes sind die Stäbchen unten und oben winkelig umgebogen und werden durch Ringe zusammen - gehalten (Fig. 26). Bei dem Tiegel hat das Gerippe die Gestalt eines konischen Korbes, dessen Stäbe unten in einer Spitze zusammen - laufen, oben durch einen Ring gehalten sind. Diese Rippenwerke sind ganz von dem Thon, der das Schachtfutter bildet, umgeben und173Die Eisengieſserei bis 1750.davon wenigstens einen Zoll dick bedeckt (Fig. 27). Die beiden Teile sind durch eiserne Stäbe zusammen verankert. Statt den Ofen in den Boden einzugraben, macht Reaumur seinen Ofen so, daſs er frei in der Luft an zwei Zapfen, welche in einem festen oder fahr - baren Gestell lagern (Fig. 28), hängt. Das Öfchen sieht aus wie ein aufgerichtetes Kanonenrohr. Durch diese Art der Aufhängung wird es möglich, durch Neigen des Ofens das flüssige Eisen durch das Abstichloch, welches sich der Formöffnung gegenüber befindet, abzu - lassen (Fig. 29), nachdem man zuvor, ehe man den Ofen neigt, Schlacke und Kohlen durch das geöffnete Stichloch herausgezogen hat. Es ist nicht nötig, den Schacht jedesmal abzuwerfen, und man kann ohne groſsen Wärmeverlust das Einschmelzen sofort von neuem be - ginnen; man kann also, so zu sagen, einen kontinuierlichen Schmelz -

Fig. 28.

betrieb führen. Dieser Ofen hat einerseits groſse Verwandtschaft mit unseren Kupolöfen, anderer - seits erinnert er auch an unsere Bessemerbirne. Beide Ofenarten finden sich in Reaumurs Gieſs - ofen kombiniert. Die beträchtliche Kohlenersparnis bei diesen Öfen gegenüber den vorher beschriebenen ist einleuchtend.

Während man bei der vorbe - schriebenen Konstruktion das Eisen zu den Formen tragen muſs, trägt man hier die Formen zu dem Ofen. Um das Eingieſsen zu erleichtern, bedient man sich kleiner Einlauftrichter von gebranntem Thon. Fig. 28 zeigt das Öfchen während des Schmelzens, Fig. 29 (a. f. S.) während des Ausgieſsens. Man kann diese Art Öfen auch gröſser machen und sie dann mit zwei Blasebälgen betreiben. Doch eignen sich solche Öfen nur für gröſsere Guſsstücke; für kleinere Ware wird das Aus - gieſsen zu beschwerlich, diese gieſst man daher besser aus Tiegeln. Bei ganz groſsen Stücken läſst man am besten das Metall durch Rinnen in die Formen laufen oder man bedient sich eiserner Gieſs - pfannen oder Löffel.

Die Gieſser jener Zeit wendeten meist nur hölzerne Formkasten, Rahmen oder Laden an, die auſsen durch einen Holzrahmen zusammen - geschraubt wurden. Reaumur empfiehlt sehr eiserne Formkasten,174Eisen - und Stahlfrischen.welche neben der gröſseren Dauerhaftigkeit und der Unverbrennlich - keit noch viele andere Vorteile haben; besonders wenn man, was er für sehr wichtig hält, die Formen scharf trocknet. Er beschreibt die Einrichtung der eisernen Formkasten genau, ihre Führung in Zapfen und Löcher und ihre Verbindung mit Klammern und Schrauben1)Reaumur, Nouvelle art d’adoucir le fer fondu. Mem. V.. Er erwähnt, daſs manche ihre groſsen Kasten, um Geld und Gewicht zu sparen, aus Rahmen von Holz herstellten und nur die Traversen aus Eisen machten. Diese Formkasten dienten für Sand - und Massen - formerei, sowie für Lehmguſs. Letzterer war zu Reaumurs Zeit für Poterieguſs in Frankreich noch ausschlieſslich im Gebrauch. Aber Reaumur war durchaus vertraut mit der Herstellung der Formen in

Fig. 29.

feuchtem Sand2)Da Reaumurs Kenntnis hiervon schwerlich aus England stammte, so bleibt es zweifelhaft, ob nicht das Formen in nassem Sande schon vor Darbys Patent von 1708 auf dem Kontinent, wenn auch in beschränktem Maſse, in Anwendung war.. Er erwähnt, daſs manche Hütten dieselben Gegenstände in Lehm oder in Sand formten, je nachdem ihnen das eine oder andere Material mehr zur Verfügung stände. In Paris beziehe man den Form - sand von Fontenoy-aux-Roses, und es stelle sich die einspännige Fuhre auf 40 bis 60 Sous. Habe man keinen guten Formsand, so könne man sich denselben künstlich bereiten. Am besten poche man den Sand naſs, und setze ihm, wenn er zu mager sei, geschlämmten Thon zu3)Siehe a. a. O., Mém. VII, p. 242.. Man prüfe die Bindekraft des Formsandes, indem man einen gegebenen, damit ausgeschlagenen Kasten mit Gewichten belaste. Der Guſs werde weicher, wenn man die Form aus trockenem Kalk, Kreide oder175Eisen - und Stahlfrischen.Knochenkohle herstelle. Auf das Trocknen der Formen legt Reaumur den gröſsten Wert und schlägt vor, besondere Trockenöfen dafür zu bauen. Diese sollten die Gestalt von Kammern haben und stelle man die Formen darin hochkant auf - und übereinander, ähnlich wie die Backsteine in einem Ziegelofen, und sollte auch die Feuerung ähnlich wie bei diesem sein. Auch fetten Sand (Masse) und Lehm könne man sich künstlich bereiten aus entsprechenden Mischungen von Thon und Sand. Sehr gut sei eine Beimengung von Graphit. Den Lehm vermische man mit Pferdemist, um das Zusammenziehen und Reiſsen desselben zu verhindern. Besonders weichen Guſs erziele man, wenn man die aus fettem Sand in eisernen Kasten hergestellten Formen in dem Trockenofen bis zur Rotglut erhitze, in die heiſsen Formen, womöglich im Trockenofen selbst, eingieſse, und dann noch etwas nachglühe und die Formen dann langsam erkalten lasse. Dies sei besonders für Feinguſs zu empfehlen. Metallformen (Coquillen) machten den Guſs immer hart, wenn man dieselben auch vorher stark erhitzt habe, seien also auch nur für harten Guſs anwendbar.

So giebt Reaumur eine Reihe praktischer Vorschriften für die Eisengieſserei, die zum Teil heute noch beachtenswert sind und groſses historisches Interesse haben, um so mehr, da wir sonst nur sehr spärliche Nachrichten über die Eisengieſserei aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben.

Wir fügen hier noch eine Notiz über verbesserte eiserne Stuben - öfen und Zimmerheizung in Frankreich aus jener Zeit an.

Der Kardinal von Polignac beschrieb 1713 in der von ihm unter dem angenommenen Namen Gauge herausgegebenen Mechanique du feu seine Erfahrungen über die Cirkulation der Wärme, über die Mittel, mit einem Feuer mehrere Zimmer zu erwärmen und die Wärme durch elliptische Krümmung zurückzuwerfen, ferner einen Kamin, bei dem die Rückenwand, der Feuerherd und die beiden Seitenwände von hohlen Eisenplatten umgeben waren, um die Luft zu erwärmen, welche ins Zimmer eindringen soll.

Eisen - und Stahlfrischen.

Das in den Hochöfen geschmolzene Roheisen wurde in Herdöfen verfrischt und dadurch in Schmiedeeisen oder Stahl ver - wandelt.

176Eisen - und Stahlfrischen.

Zwei Hauptverfahren hatten in Europa Verbreitung gefunden, die deutsche Frischmethode, welche in Deutschland und dem östlichen Europa, und die französische oder Wallonschmiede, welche in Frankreich, Belgien und England im Gebrauch war. In Schweden war der Hochofenbetrieb und der Frischprozeſs von Deutschen eingeführt worden, deshalb hatte die deutsche Frisch - methode (Tyska Smidet) dort zuerst Eingang und Anwendung gefunden. Später war in der Provinz Roslagen zu Dannemora von Louis van Geer die Wallonschmiede (Fransyska Smidet) eingeführt worden.

Fig. 30.

Swedenborg beschreibt beide ausführlich und sind diese ersten gründlichen, fachmännischen Darstellungen der beiden Frischmethoden von besonderem geschichtlichen Interesse. In Fig. 30 hat er einen deutschen Frischfeuerbau abgebildet. Die besseren deutschen Frisch - herde bestanden zu Swedenborgs Zeit aus einem gemauerten Unterbau, der etwa 2,40 m lang und 2,10 m breit war. In diesem war das eigentliche Feuer mit eiserner Bodenplatte und drei eisernen Seiten - zacken, während die gemauerte Rückwand die vierte Seite abschloſs, eingebaut. Der ganze Herd war überbaut mit einer Esse, und zwar177Eisen - und Stahlfrischen.so, daſs die Rückwand und die Formwand als geschlossene Mauern aufgeführt waren, während die beiden anderen Seiten offen blieben und die Esse an der einen Ecke durch einen freistehenden Pfeiler getragen wurde. Dieser Pfeiler war zuweilen aus Holz, zuweilen aus Eisen oder Mauerwerk, in den meisten Fällen aber war er aus abgängigen alten eisernen Amboſsen und Hämmern zusammengesetzt, wie auch auf der andern Seite, da wo das Frischfeuer eingebaut war, meistens ein altes Hammereisen so eingebaut war, daſs sein Auge zugleich das Schlackenloch bildete. Diese in Schweden damals allgemein übliche Verwendung alter Amboſse und Hämmer beim Feuerbau erinnert an eine ähnliche Verwendung in dem römischen Kastell Salburg im Taunus (vgl. Bd. I, S. 518).

Die Esse war durch einen Holzrahmen B B zusammengehalten. Auch der Löschtrog G für die Werkzeuge war meist noch von Holz.

Die älteren Frischherde waren noch einfacher. Sie waren nach drei Seiten offen und lehnten sich nur mit der vierten Seite an eine 1,80 m breite Mauer, welche die Blasebälge vom Feuer trennten und schützten (vergl. Fig. 45, Bd. II). Ein Überbau oder eine Esse war nicht vorhanden, Rauch und Gase zogen durch ein Loch im Dach ab. Diese Feuer fanden sich um 1730 noch bei den ärmeren Gewerken.

Bei den zuvor beschriebenen überbauten Frischherden befand sich häufig ein Loch von 0,30 m Quadrat in der Rückwand, um lange Stangen, die man zusammenschweiſsen wollte, durchzustecken. Auch war die Öffnung nach der Arbeitsseite durch ein aufgehängtes Blech teilweise geschlossen, um die Arbeiter vor der Glut des Feuers zu schützen.

Bei der Konstruktion des Frischherdes suchte man, wie bei der des Hochofens, einen festen, trockenen Untergrund und wie dort brachte man einen Abzugskanal unter dem Herdboden an. Feuchter Untergrund erschwerte und verzögerte das Frischen. Der Abzug war mit einem groſsen Stein bedeckt. Nach der Balgseite zu wurde der eigentliche Feuerraum hergerichtet. Derselbe war fast quadratisch. Die Bodenplatte war 10 cm dick, 65 cm lang, 60 cm breit und wog etwa 450 kg; die Seitenplatten 65 cm lang, 35 cm breit und bis 10 cm dick. Über der Steinplatte im Boden wurde erst eine Lage von Schlacken - und Kohlenpulver aufgestampft und darüber die eiserne Bodenplatte gelegt. Die zwei Seitenzacken standen senk - recht. Die Vorderwand war, wie erwähnt, durch einen alten Ham - mer gebildet, die Formwand war gemauert, doch befand sich auch hier unterhalb der Form eine eiserne Platte. Von der VorderwandBeck, Geschichte des Eisens. 12178Eisen - und Stahlfrischen.bis zur Hinterwand betrug die Entfernung 90 bis 105 cm, bis zur Form 65 cm. Die Maſse des Herdes waren wie die der Bodenplatte 65 × 60 cm und 30 bis 35 cm hoch. Die Blaseform war halbkreis - förmig aus Kupferblech hergestellt. War die Form 8 Zoll lang, so war sie hinten 6⅓, vorn Zoll breit. Die Gröſse des Formmauls war abhängig von der Art des Eisens. Die beiden Düsen lagen 15 cm vom Formmaul zurück. Die Form ragte etwa 15 cm in den Herd hinein und war so geneigt, daſs der Wind die Fuge zwischen Boden und Windzacken traf. Sie lag näher der Hinterwand, ge - wöhnlich davon entfernt. Die Form war in einer viereckigen Öffnung im Mauerwerk mit Thon befestigt und mit einer eisernen Stange gehalten. Die richtige Lage und Neigung der Form gehörte zu der besonderen Wissenschaft des Frischers, die er geheim hielt. Sie änderte sich mit der Eisensorte. Lag die Form zu weit vor, so war der Abstand bis zur Windseite zu kurz, infolge dessen der Herd kalt, lag sie zu weit zurück, so wurde die Mauer angegriffen. Lag sie horizontal, so ging das Einschmelzen zwar rasch von statten, aber es wurden zu viel Kohlen verbrannt; lag sie sehr geneigt, so ging das Einschmelzen langsam von statten, das Eisen wurde gleich zäh, die Kohlen verbrannten meist unnütz. Auch die Höhenlage der Form war wichtig; meist legte man sie etwa 30 cm über den Boden. Eine Abweichung der Windrichtung von der Mittellinie nach der entfernten Ecke zu war von Nachteil, weil dadurch das Frischen verlangsamt und mehr Eisen verschlackt wurde; eher war eine Abweichung nach der Vorderwand zu gestattet. Man gab der Form stärkere Neigung bei Eisen, das wenig Schwefel enthielt und zum Kaltbruch neigte, dagegen geringere Neigung bei rotbrüchigem Eisen. Alle diese Regeln beruhten auf den Erfahrungen der Frischer.

Die Kupferform wurde durch den kalten Windstrom vor dem Abschmelzen geschützt; man muſste sie aber deshalb gut offen halten, damit sie nicht trotzdem schmolz, was auch durch sehr rohes Eisen, das leicht sich anhing, befördert wurde. Trotz der hohen Hitze vor der Form blieben die guſseisernen Zacken ungeschmolzen. Nur an der Bodenplatte hing sich das Eisen zuweilen fest; durch Kühlen des Bodens wurde dem entgegengewirkt. Die Pressung des Windes während des Prozesses war verschieden und wurde reguliert durch das Aufschlagwasser des Wasserrades, beziehungsweise durch die Schütze. Die Bälge wechselten langsamer als bei den Hochöfen, etwa 400 mal in der Stunde.

Die eigentliche Frischarbeit begann mit der Herrichtung des179Eisen - und Stahlfrischen.Herdes; war dieser gereinigt, so wurde er erst etwa zu einem Drittel mit Schlacken von der vorigen Schmelzung gefüllt, darüber wurde frische Kohlenstübbe mit etwas Schlacke vermischt aufgestampft, etwa bis zu des Herdes. Ohne diese Auskleidung würde das Eisen durchschmelzen und sich an den Wänden festhängen, während die Schlacken, wie das Fett in einer Pfanne, die Wände ausschmieren und das Eisen von dem Boden trennen. Indem das Eisen in dem flüssigen Schlackenbad schwamm, konnten sich die Unreinigkeiten besser abscheiden, dieselben verschlackten, und die Metallteile schieden sich ab.

Die Roheisengans wurde dem Formzacken gegenüber so eingelegt, daſs sie teils in die Kohlen hinein -, teils daraus hervorragte. Nach und nach wurde sie der Form zugeschoben, so daſs ihr Ende nur 10 bis 12 cm von der Mündung abstand; dabei lag der unterste Teil in der oberen Höhe des Formmauls, so daſs der Wind die Massel von unten traf. Gab man dem Roheisenstück dieselbe Neigung wie der Form, so konnte man es in derselben Richtung voranschieben. Bei schwefelarmem, sehr kaltbrüchigem Eisen lieſs man den Wind das Eisen direkt treffen. Der Einsatz betrug ½ bis 1 Schiffspfund (etwa 80 bis 160 kg), je nachdem man feineres oder gröberes Eisen erstrebte. Hatte man verschiedene Eisensorten, so muſste man sehen, daſs sie sich beim Einschmelzen gut vermischten; man legte dann das zum Kaltbruch neigende unter das zum Rot - bruch neigende. Das Roheisen wurde mit Kohlen bedeckt gehalten und langsam geblasen. Es schmolz in Tropfen ein, wobei es allmählich nachgeschoben wurde. Von Zeit zu Zeit wurden Kohlen aufgegeben, so daſs der Herd immer damit angefüllt blieb. Der Frischer unter - suchte öfter die Ecken des Herdes, um ein Anhängen des Eisens zu verhindern. Angehängte Eisenteile brachte er mit dem Spieſs näher der Form. Durch letztere beobachtete er von Zeit zu Zeit das Schmelzen. Das Eisen floſs ruhig, wenn es mit Kohlen bedeckt war, davon ent - blöſst, funkelte es stark. Der Frischer arbeitete öfter im Herd, indem er die am Boden schwimmende Eisenmasse umrührte. Wurde die Flamme stark, so schloſs man die Zwischenräume durch Aufwerfen frischer Kohlen, oder man goſs Wasser auf.

War nun das Eisen eingeschmolzen und waren die Ecken gereinigt, so lieſs man die Kohlen etwas niederbrennen, so daſs das Eisen halb entblöſst wurde. Alsbald begann dasselbe zu kochen und zu schäumen, nicht anders, als wie siedendes Wasser im Kessel (coquitur et fervet ferrum non aliter ut aqua in tripode). Es blähte sich dabei mehr und mehr12*180Eisen - und Stahlfrischen.auf und stieg in die Höhe, als wollte es überlaufen. Nach einiger Zeit lieſs das Kochen nach und in etwa einer halben Stunde war es beendet. Zur richtigen Trennung der Schlacken muſste das Eisen anfangs völlig flüssig sein und einige Zeit so in Bewegung erhalten bleiben. Um es während des Kochens flüssig zu erhalten, gab man die besten, gröſsten Kohlen auf, doch nicht viel, damit das Bad nicht zu sehr bedeckt wurde. Es gab Eisen, welches nur sehr schwer und langsam schmolz; solches muſste man in einem Bad von anderem Eisen einschmelzen und verkochen lassen, sonst blieb es hart und unschmiedbar.

In solch flüssigem Eisenbad machte man auch zuweilen Stahl, indem man einfach stahlartige Eisenstücke in das Roheisenbad im Frischherd, wenn es am heiſsesten war, eintauchte. Doch muſste dabei gehörig geblasen werden; ohne dies ging die Umwandlung in Stahl nicht vor sich; dabei gab man der Form eine stärkere Neigung1)Vergl. Brescianstahlbereitung, Bd. II, S. 252..

Während des Kochens ging die Form leicht zu. Sobald das Kochen bei dem Frischprozeſs nachlieſs und das Eisen sich zu einer Luppe vereinigte, wurde die Schlacke abgestochen, das Loch aber bald wieder geschlossen, damit nicht zu viel Schlacke entzogen würde. Ein Roheiseneinsatz von etwa 160 kg schmolz und verkochte in zwei Stunden.

War dieser erste Teil des Frischprozesses beendet, so wurden manchmal die Kohlen weggezogen, der Herd von Staub und Asche gereinigt, der Wind abgestellt und die Luppe eine Stunde lang ab - kühlen gelassen. Dies war das But - oder Klumpffrischen, eine schlechte Frischmethode, die nur bei sehr guten Eisensorten zulässig war. Bei dem eigentlichen deutschen Frischen wurde zwar der Wind ebenfalls abgestellt, aber man entblöſste das Eisen nicht, sondern begann sogleich mit dem zweiten Teil des Frischprozesses, dem Aufbrechen. Zu diesem Zwecke fuhr man mit der Brechstange durch das Loch (Auge) des Hammers am Boden, wendete die Luppe um und hob sie bis über die Form, so daſs der Wind jetzt besonders die Seite, welche vorher unten war, treffen muſste. Man warf um die Luppe herum Kohlen - und Schlackenpulver auf, und Schlacken auf die Kohlen, zog dann die Kohlen nach vorn und begann wieder zu blasen, indem man zugleich frische Kohlen aufwarf, und dies wiederholte, wenn es nach dem Aussehen der Flamme angezeigt erschien. Währenddem die Luppe niederschmolz, gab man schon181Eisen - und Stahlfrischen.das Eisen für das nächste Frischen zum Vorwärmen auf. Die Luppe schob man nach und nach der Form zu. Die richtige Verteilung der Hitze im Frischherd war wichtig. Der Windstrom sollte den hinteren Teil der Masse treffen; traf er den vorderen, so zog sich die Hitze zu sehr nach vorn, wodurch die Form abschmelzen konnte. Der Frischer vereinigte mit der Stange alle Eisenbrocken zu einem Klumpen. Dabei fand ein starkes Auswerfen von Schlackenfunken statt. Dieses zweite Einschmelzen (recoctio) dauerte im Ganzen nur sieben bis acht Minuten, so daſs der ganze Frischprozeſs kaum mehr als zwei Stunden in Anspruch nahm. Es wurde dabei dreimal Schlacke laufen gelassen; das erste Mal etwa 20 Minuten nach dem Anblasen. Diese war roh und eisenreich; man lieſs sie in Wasser flieſsen und benutzte das Pulver wieder. Das zweimal nach ½ bis Stunden; diese wurde fortgeworfen; das dritte Mal vor dem Aufbrechen. Zuletzt war nur wenig Schlacke im Herd, indem viel als Funken fort - gegangen war.

Nach diesem doppelten Frischen wurde das Eisen unter den Hammer gebracht und zu Stäben ausgeschmiedet. In manchen Häm - mern, wo man schlechtes Eisen hatte, brach man noch ein zweites Mal auf und schmolz zum dritten Mal in derselben Weise, wie zuvor, ein, indem man langsam anblies, den Wind dann steigerte und gegen Ende wieder schwächer blies.

Die Beschaffenheit der Holzkohlen war für den Prozeſs von Wichtigkeit. Schwere, feste Kohlen waren nicht gut, Fichtenkohlen am geeignetsten. Swedenborg giebt (fol. 88) genaue Vorschriften über die Holzarten, die beste Zeit des Schlagens u. s. w. Dem Schmied wurden in Schweden 24 Tonnen Holzkohlen für ein Schiffspfund Eisen bewilligt; was er weniger verbrauchte, und es kam vor, daſs er mit 14 bis 18 Tonnen auskam, war sein Gewinn. In der Kohlen - ersparnis bewährte der Frischer am meisten seine Kunst.

Die Beschaffenheit und Menge der Schlacke war für den Verlauf des Frischens von groſser Bedeutung: sie diente als Fluſs, Reinigungs - mittel und als Schutzdecke. Bei schwerschmelzigem Eisen schlug man mehr Schlacke zu. Auch zum Ausheizen war das Schlackenbad nötig. Wenn das Eisen zu heiſs wurde, begann es zu funkeln und wurde dann in das Schlackenbad getaucht. Aus der Schlacke lieſs sich der Prozeſs erkennen. Hing sie sich nur spärlich an die Rute an, und lieſs sie sich durch einen Schlag nur schwer ablösen, so war dies ein Zeichen von hartem, verbranntem Eisen. Man muſste dann gute Schlacke zuschlagen. Schlechte Schlacken stach man ab. Auch war182Eisen - und Stahlfrischen.deren bläulich schwarze Farbe ein schlechtes Zeichen. Gegen Ende des Prozesses muſste noch eine genügende Menge Schlacken im Herd sein. Zu kaltbrüchigem Eisen setzte man Schlacken von rotbrüchigem Eisen und umgekehrt.

Ebenso war die Flamme ein Erkennungszeichen für den Frischer. Ihre Farbe war durch die Schlacke bedingt. War sie rot, so deutete dies auf hartes Eisen und daſs Schlackenzusatz nötig war. Pulverige Kohle färbte aber auch die Flamme rot. Anfangs war die Flamme braun oder gelb, sie veränderte sich allmählich durch rosenrot und himmelblau bis zuletzt zu hellweiſs; je weiſser, je besser war die Schmelzung. Eine grüne Färbung deutete auf Schwefel; sehr weiſs und weiſse Funken auf starke Hitze, wobei Gefahr war, daſs das aus - zuheizende Eisen verbrannte.

War das Frischen beendet, so schritt man zu dem Ausbrechen der Luppe. Die Luppe, welche auf der einen Seite flach, auf der andern rund war, wurde auf dem Boden gewälzt, die anhängenden Kohlen und Schlacken mit eisernen Hämmern abgeklopft und mög - lichst rund gemacht. Vier Männer hoben dann die Luppe auf den Amboſs, wo sie mit hohen Schlägen des Wasserhammers zu einem Kuchen ausgebreitet wurde. Dieser wurde mit einem Setzeisen in 5 bis 7 Teile (Schirbel) zerhauen. Jeder derselben wurde mit einer Rollenzange gefaſst und diese in die Kohlen im Frischherd geschoben. Die, welche nahe der Form lag, wurde, indem sie öfter gewendet wurde, am ersten heiſs. Hatte sie genügende Hitze, so legte man sie höher und schob die folgende vor die Form und die andern nach, so daſs die folgende immer den Platz der vorhergehenden einnahm. Auch konnte man die erhitzten Schirbel in das Schlackenbad tauchen, um sie vor dem Verbrennen zu schützen, doch durfte die Schlacke nicht zu roh sein. Die Schirbel wurden einer nach dem andern heraus - genommen und ausgeschmiedet. Diese Arbeit dauerte bis 2 Stunden, während der Zeit blieb das Schlackenbad im Herd und wurde nicht abgestochen. Man blies stark, verbrauchte aber nicht viel Kohlen. Die Flamme war grünlichgelb, bei schwächerem Winde bläulich. Der Frischer muſste hauptsächlich darauf achten, daſs kein Eisen ver - brannte. Sprühte das Eisen beim Herausnehmen sehr, so muſste er es erst in die Schlacken tauchen. Der Eisenklumpen wurde zuerst nur in der Mitte gestreckt, quer zur Hammerfinne und dabei immer gedreht. Dann schmiedete man die beiden kolbenförmigen Enden zu Stäben aus, wobei man sie senkrecht zum Hammer streckte, parallel damit aber breitete und glättete. Zuletzt gab man, um die Flächen des183Eisen - und Stahlfrischen.Stabes gewissermaſsen zu polieren, langsame Hammerschläge, während ein Junge Wasser darauf schüttete, wodurch jeder Schlag von einem lauten Knall begleitet war. Man schmiedete die groben Stäbe etwa 1 m lang, dabei kamen sie meist viermal in das Feuer zurück und erhielten das erste Mal 450 Schläge, das zweite Mal 380 bis 400, das dritte Mal 500 und das vierte Mal 400 Schläge, im Ganzen etwa 1700 Schläge mit dem rasch gehenden Schwanzhammer. Eine Haupt - regel beim Schmieden war, daſs jeder Schlag eine neue Stelle traf und jede Stelle ihre Schläge erhielt.

Die Arbeit ging ununterbrochen von Montag früh bis Samstag Abend, so daſs die Woche 128 Arbeitsstunden hatte, in diesen wurden etwa 17 Frischen fertig gemacht, von denen jede etwa sechs Stunden dauerte, Frischen und Schmieden zusammengerechnet. Hatte man zwei Herde in einer Hütte, so daſs das Frischen und Schmieden gleichzeitig und ohne Unterbrechung fortging, so rechnete man 4⅖ Stunden für ein Frischen. Teilte man jede Masse in fünf Schirbel, so erhielt man 90 geschmiedete Stäbe, welche 9 bis 10 Schiffspfund (etwa 1500 kg) wogen. Das Ausbringen wechselte auch, je nachdem man dickere oder dünnere Stangen schmiedete. Eine Wochenproduktion von 12 bis 14 Schiffspfund (etwa 2000 kg) war sehr hoch für einen Herd. Als sehr seltenen Fall erwähnt Swedenborg ein Ausbringen von 35 bis 40 Schiffspfund (etwa 6000 kg) die Woche in zwei Herden.

Zu der Beschreibung des Prozesses fügt Swedenborg noch inter - essante Mitteilungen über die Werkzeuge hinzu. Der Amboſsstock war mit einer schweren Eisenplatte unterlegt, damit er nicht in den Grund geschlagen wurde. Der Amboſs selbst war aus Luppeneisen (ferrum crudum) geschmiedet und 3 bis Schiffspfund (etwa 500 kg) schwer. Seine Bahn war verstählt und Swedenborg beschreibt genau die schwierige Arbeit des Aufschweiſsens der Stahlplatte, welche die Bahn bildete. Die groſsen Amboſse goſs man auch öfter, und zwar geschah dies in den letzten Tagen der Hüttenreise. Kleinere Amboſse wurden aus reinem Eisen geschmiedet. Die Hämmer waren verschieden schwer von 45 bis 60 Liespfund (etwa 360 bis 480 kg) Gewicht, und man lieſs sie sehr rasch gehen.

Dieses ist ein gedrängter Auszug aus Swedenborgs wichtigem und ausführlichem Bericht über die deutsche Frischschmiede in Schweden um das Jahr 1730.

In Roslagen (Dannemora) bediente man sich dagegen der französischen Schmiede, wie sie Louis van Geer dort einge - führt hatte. Auch von dieser giebt Swedenborg eine ausführliche184Eisen - und Stahlfrischen.Schilderung, die wir ganz kurz wiedergeben wollen, da wir über die Wallonschmiede und deren wesentliche Abweichungen von der deutschen Frischschmiede schon früher gehandelt haben.

Für das vorzügliche Roheisen, welches die Hütten von Dannemora lieferten, war die Wallonschmiede, welche bei genügender Reinigung den Vorteil einer gröſseren Produktion hatte, durchaus am Platz. Man konnte in einer Wallonschmiede 50 bis 60 Schiffspfund (8800 bis 9600 kg) Frischeisen machen, während man in einer deutschen Frisch - schmiede nur 16 bis 20 Schiffspfund (2560 bis 3200 kg) erhielt. Zu einer Wallonschmiede gehörten immer zwei verschiedene Herde, der Frisch - oder Einschmelzherd (Smeltarehaerd) und der Reck - herd (Reckarehaerd). Der Aufbau der Herde war ähnlich wie bei den deutschen. Der Schmelzherd war 0,750 m lang, 0,675 m breit und 0,375 m hoch. Die Bodenplatte und zwei Seitenzacken waren von Eisen. Die Form lag hier auf einer Mauer. Auf der Arbeitsseite war unten ebenfalls ein alter Hammer, dessen Auge als Schlackenloch diente. Die Frischer hielten ihre Zustellung des Herdes und dessen Maſse so geheim, daſs sie ihn am Ende jeder Woche absichtlich zer - störten, damit niemand ihnen etwas absehen konnte und machten denselben jeden Montag ganz neu. Die Form war ebenfalls von Kupfer, etwas stärker und weiter, wie bei dem deutschen Herd. Sie lag etwas tiefer und so, daſs ihr Rücken mit der gegenüberliegenden Wand in einer Horizontalen lag. Ihre untere Fläche war 0,225 m vom Boden entfernt. Die Form lag im Verhältnis von 7: 5 der Hinterwand näher. Die Neigung war so, daſs die Achse die Kante der Bodenplatte und des Windzackens traf.

Der Herd wurde mit guten, groſsen Kohlen gefüllt. Die lange Roheisengans wurde durch ein Loch in der Wand von einem auſser - halb des Schmelzhauses an dasselbe angebauten Hüttchen aus (ex aedicula vel casa extra officinam exstructa) auf Holzrollen in den Herd geschoben, wobei sie etwa 20 Grad nach vorn geneigt lag. Sie wurde so gerichtet, daſs ihr vorderer Teil, von Kohlen eingehüllt, vom Wind getroffen wurde und abschmolz. Man schmolz jedesmal nur soviel ein, als für eine Stange hinreichte. Während des Ein - schmelzens arbeitete der Frischer mit seiner Eisenstange fortwährend im Herd, rührte das geschmolzene Eisen um, brach das Eisen, welches sich angesetzt hatte, los und sammelte alles zu einem Klumpen oder Kuchen (massa sive panis) zusammen. Diesen hob er dann über die Kohlen und wendete dessen Unterseite dem Wind zu, den er 1 bis Minuten voll darauf blasen lieſs. Die Hauptaufgabe des Frischers185Eisen - und Stahlfrischen.war, das Eisen gehörig durchzuarbeiten. Auch die Blasebälge, die einmal rascher, einmal langsamer gehen muſsten, bedurften fort - währender Regulierung, welche durch die Wasserschütze erreicht wurde, deren Hebel der Arbeiter mit der linken Hand auf - und nieder - zog. Im Ganzen wechselten die Bälge rascher als bei andern Frisch - verfahren. Jede Schmelzung dauerte eine halbe Stunde, bei sehr geschickten und fleiſsigen Arbeitern sogar nur ¼ Stunde. Sollte die Luppe aber gröſser werden, so schmolz man natürlich länger; doch machte man stets aus jeder Luppe nur eine Stange, die je nachdem 1, , Zoll dick war. Das zeitraubende Zerteilen der Luppen fiel hierbei ganz fort. Zu jeder der gewöhnlichen kleinen Luppen brauchte man 1 Tonne Kohle; an einigen Plätzen in Roslagen aber auch bis 2. Aus einer Roheisengans, die 9 bis 11 Ellen lang war, machte man 35 solcher Luppen. Es gab Hämmer, welche nur 28 Tonnen Kohlen dazu verbrauchten.

Die Luppe wurde unter einem kleinen Wasserhammer mit 15 bis 16 Schlägen gedichtet, das Schlechte abgehauen und zu einem flachen Kuchen ausgebreitet. Dieser wurde unter einem schweren Hammer zu einem parallelepipedischen Kolben ausgeschmiedet. Diesen brachte man in denselben Herd zurück, schob ihn in die Kohlen und lieſs den Wind an. War die eine Seite glühend, so wendete man ihn um. Dieses Ausheizen dauerte etwa gerade so lange, wie das Einschmelzen, welches währenddem vor sich ging. Der weiſsglühende Kolben, welcher von der Hitze zusammengeschrumpft erschien, ging nun in die Hände des Reckschmiedes, welcher dem Reckherd vorstand, über, der ihn erst auf der einen, dann auf der andern Hälfte zu einem dicken Stab von 0,90 m Länge ausschmiedete. Aus dem Schmelzherd wurde nur selten Schlacke abgestochen, man hielt vielmehr immer ein Schlackenbad im Herd, in das man das Eisen von Zeit zu Zeit eintauchte. Bei unreinem Eisen stach man öfter Schlacken ab, doch gewöhnlich nur zweimal in 24 Stunden.

Die Unterschiede von dem französischen und dem deutschen Herd lagen 1. darin, daſs bei der deutschen Frischschmiede nur ein Herd war; 2. daſs der Wallonherd zwei Eisenzacken hatte; 3. daſs die Form bei diesem niedriger lag und die Bälge rascher wechselten; 4. in der Art der Arbeit zunächst darin, daſs in den deutschen Herden eine groſse Menge Roheisen auf einmal, hier kleine Mengen hinter - einander eingeschmolzen wurden; 5. in dem wiederholten Aufbrechen der Luppe im deutschen Herd, wozu vier Stunden Zeit bis zum Aus - schmieden erforderlich waren, während eine Luppe im Wallonherd186Eisen - und Stahlfrischen.in ½ Stunde fertig war; 6. verweilte das Eisen länger im deutschen Herd, im Wallonherd wurde es fortwährend durchgearbeitet; 7. in ersterem kochte das Eisen auf, in letzterem nicht; 8. bei dem deut - schen Frischen wurde Schlacke abgestochen, bei dem französischen nicht; 9. bei jenem verwendete man gemischte Kohlen, hier nur grobe; 10. bei dem deutschen Frischen verarbeitete man meist graues, bei dem französischen weiſses, rasch gehendes Roheisen.

Der Reckherd wich in seinen Maſsen von dem Schmelzherd ab. Von der Form bis zur Windseite war er 0,60 m breit, dagegen 0,90 bis 1,20 m lang. Er war deshalb so in die Länge gezogen, weil die Stäbe zum Heizen in dieser Richtung eingelegt wurden. Die lange Wand war etwas nach innen geneigt. Als Brennmaterial diente beim Reckherd Kohlenklein, von dem 8 bis 9 Tonnen in einem Haufen aufgehäuft wurden. War der Herd so mit dem Kohlenklein gefüllt, so wurde ein Korb besserer Kohle aufgeworfen; diese wurde entzündet und der halb ausgeschmiedete Kolben mit dem dicken Ende näher oder weiter von der Form eingesteckt. An verschiedenen Merkmalen konnte man erkennen, ob der glühende Kolben eine trockene oder eine saftige Hitze hatte. Rotglühendes Eisen und rote Flamme zeigten trockene Hitze an. Die Schlacke war dann zäh und hing sich an die Form an. Weiſsglühendes Eisen bei mäſsigem Auswerfen von weiſsen Funken war ein gutes Zeichen, am besten war es, wenn Flamme und Funken bläulich aussahen. Zu groſse Hitze wurde durch Auswerfen von Sand und Schlacke auf das Eisen gemäſsigt. Aus dem Reckherd wurde die Schlacke öfter abgelassen, und zwar zwei - bis fünfmal bei jeder Schmelzung, d. h. beim Durchsetzen von je sieben Luppen. Viel Schlacken im Herd war gut, weil sonst die Hitze leicht trocken wurde. Während man im Schmelzherd für die 35 Luppen einer Gans 28 Tonnen Kohle verbrauchte, verbrannten im Reckherd für dasselbe Eisen 20 Tonnen. An einigen Orten verbrauchte man aber im Reckherd für jede Luppe eine, in andern sogar bis Tonnen Kohlen. Der Hammer war in fast ununterbrochener Thätigkeit, weshalb der Amboſs durch einen Wasserstrahl fortwährend gekühlt wurde.

In einem einfachen Frischhammer wurden in einer Woche 40 Schiffspfund1)40 pondera nautica majora sive 44 Stockholmensia. (6400 kg) Eisen geschmiedet, in andern, wo mehr Arbeiter beschäftigt waren, sogar 60. Eingesetzt wurden wöchent - lich in einen Schmelzherd 11½ Roheisengänse zu je 9 Schiffspfund187Eisen - und Stahlfrischen.(1440 kg) Gewicht, woraus 60 Schiffspfund (9600 kg) Stäbe geschmiedet wurden, so daſs also 104 Roheisen 66 (= 63,96 Proz. ) reines Eisen gaben. ging also bei der französischen Schmiede verloren, bei der deutschen dagegen nur 3 / 13 (36: 23 Proz.). In einer Hütte waren 8 Arbeiter: 2 Schmelzmeister und 2 Schmiede, mit je einem Gehilfen. Jeder Meister erhielt für Schiffspfund (560 kg = 1 Mihl ) Thaler in Kupfer, der erste Gehilfe Thlr., vier andere Ge - hilfen je 1 Thlr., ein Knabe die Hälfte. Dazu erhielt jeder jährlich ein Trinkgeld (Winpenninger Weinpfennige, ein Wort, das wohl auch noch auf die südliche Heimat hinweist). Der Knabe (gujar) spritzte das Wasser beim Schmieden und schlug die Marke auf die Stäbe. Der Kohlenverbrauch war bei der Wallonschmiede günstiger, ebenso die Produktion, dies lag aber nur an dem vorzüglichen Roh - eisen. Bei geringerem Roheisen war die französische Methode nicht anwendbar, weil die Reinigung hierfür ungenügend war und das Eisen schlecht wurde.

Neben diesen beiden hauptsächlichen Frischmethoden wurde noch eine andere, sehr mangelhafte betrieben, welche als die schwedische Osmundschmiede bezeichnet wurde. Sie war wohl aus den Lösch - feuern der Bauernhütten entstanden, und da sie ein Halbfabrikat machte, welches den Osmund ersetzen sollte und als solcher verkauft wurde, so erhielt sie den alten Namen Osmundschmiede, obgleich sie mit der ursprünglichen, uralten Osmundschmelzerei aus Sumpf - und Seeerzen in niedrigen Schachtöfen nichts gemein hatte.

Bei dieser Osmundschmiede1)Diese Frischmethode wurde zuerst ausführlich beschrieben von Peter Saxholm in seiner Dissertatio de Ferro Suecano Osmund. Upsala 1725. war das Rohmaterial Wascheisen oder granuliertes Roheisen. Die Schmiede selbst war den übrigen Frischhütten ähnlich. Fig. 31 (a. f. S.) stellt eine schwedische Osmund - Frischhütte nach Swedenborgs Zeichnung dar. Der Feuerbau selbst war sehr einfach. Das Fundament wurde aus groſsen zusammen - gelesenen Steinen, deren Zwischenräume mit Sand ausgefüllt wurden, vorgerichtet. Der Oberbau wurde roh aus Bruchsteinen aufgeführt und bestand eigentlich nur aus einer mit Steinen umsetzten Grube, bei der man eine Öffnung für den Wind und vorn einen weiteren Zugang auf der Arbeitsseite lieſs. Der Boden des Herdes ruhte auf einer Stein - oder einer Eisenplatte, welche letztere 2 Zoll dick war und 18 Zoll (45 cm) im Quadrat hatte. Waren die Bälge sehr schwach, so machte man den Herd noch kleiner. Die älteren Herde hatten nur einen Zacken, 2 Zoll dick und 10 Zoll hoch.

188Eisen - und Stahlfrischen.

Der Herd bestand aus einer Grube, die mit Kohlenstübbe so ausgeschlagen war, daſs der Schmelzraum die Form eines Hutkopfs hatte. Die Form war von Eisen gegossen. Man bediente sich kleiner Bälge, die an manchen Plätzen gezogen wurden. Nachdem Kohlen auf den Herd gehäuft, das Feuer entzündet und die Bälge angelassen waren, setzte man das Wascheisen oben auf, wobei man acht geben muſste, daſs die kleinen Körner nicht durchrollten. Sie schmolzen und kamen schon als zähes Eisen in den Herd. Durch Umrühren unterstützte der Frischer den Frischprozeſs, wobei er alles zu einem

Fig. 31.

Klumpen zu vereinigen strebte. Ein groſser Teil des Eisens ver - schlackte und die so gebildete Schlacke beförderte das Frischen und die Vereinigung des Eisens. Waren etwa 15 kg Wascheisen nieder - geschmolzen und ein Klumpen gebildet, so lieſs man die Schlacke ab, unterbrach das Blasen, brach den Klumpen auf und zog ihn aus dem Herd. Der Klumpen wurde abgeklopft, gezängt und mit dem Setzeisen in vier bis fünf Stücke geteilt, die aber nicht getrennt wurden, sondern mit den Enden aneinander hingen.

Die Stücke von gutem Eisen hieſsen ausgewählter Osmund (Wald189Eisen - und Stahlfrischen.Osmund), die kleineren, schlechten unausgewählter Osmund (Owald Osmund). Von letzterem machte ein Frischer in der Woche 9 Faſs oder 180 Liespfund (1440 kg), von dem ausgewählten aber weniger. Auf jedes Faſs (160 kg) rechnete man 32 Liespfund (256 kg) Wasch - eisen und 10 bis 11 Tonnen Holzkohlen. Der Abbrand betrug also etwa 37 Proz.

An manchen Orten hatte man dies Verfahren verbessert. Der Herd war auf drei Seiten mit gegossenen Eisenzacken umschlossen; 60 cm lang und 45 cm breit. Die Form ragte etwa 10 cm in den Herd, so daſs an der Formmündung bis zum Windzacken 35 cm Abstand blieben. Auſser Wascheisen schmolz man auch Roheisen - stücke ein, welche man auf der Windseite aufgab. Diese Schmieden gehörten meistens mehreren Bauern oder kleinen Gewerken und wurden nicht das ganze Jahr, sondern nur zeitweilig betrieben. Deshalb gehörten die Frischer und Hammerschmiede meistens keinem be - stimmten Werk an, sondern zogen herum und nahmen die Arbeit auf, wo Gelegenheit war und der Lohn ihnen zusagte. Auch wurde die Arbeit meistens abends eingestellt und morgens wieder aufgenommen. Dieses Eisen wurde im ganzen Lande an die Schmiede verkauft, welche daraus Nägel, Hufeisen, Ketten, Schlösser, Schlüssel und andere Kleineisenwaren verfertigten; auch wurde es zu Blech verarbeitet.

Dieses waren die Frischmethoden, welche um jene Zeit in Schweden üblich waren. In Frankreich bediente man sich hauptsächlich in der Franche-Comté der Wallonschmiede, von der Reaumur in seiner Abhandlung über die Cementstahlfabrikation eine kurze Beschreibung mitgeteilt hat1)Reaumur, L’art de convertir le fer forgé en acier, p. 244.. Das Wichtigste bei diesem Verfahren war das Durcharbeiten (praitrir) des in Tropfen eingeschmolzenen Eisens im Herd, indem dasselbe hauptsächlich hierdurch seine Güte und Weich - heit erhielt. Freilich war damit auch ein gröſserer Abbrand verknüpft. Die Luppenhämmer hatten ein Gewicht von 1000 bis 1500 Pfund.

Zu Brescia in Italien wurde das in den Blauöfen gewonnene Roheisen in folgender Weise behandelt: Man hatte einen höchst ein - fachen Herd von 60 cm Höhe, dessen Boden eine Kalksteinplatte bildete. Die Wände waren gemauert, nur in der Vorderwand war ein mit Löchern versehenes Schlackenblech eingelassen. Die Form lag in der Mitte der Formwand und ragte 4 Zoll in den Herd. Auf dem Boden wurde nur eine etwa handdicke Lage von angefeuchtetem Kohlenpulver aufgestampft, dann wurde der Herd mit Kohlen gefüllt190Eisen - und Stahlfrischen.und der Wind angelassen. Waren die Kohlen verzehrt, so wurde von neuem gefüllt und hierauf die Eisenbrocken (frusta ferrea) einer nach dem andern aufgegeben, so viel als man für eine Luppe nötig hatte. Die Schlacken, die abschmolzen, wurden wiederholt abgestochen, bis das Eisen genügend gereinigt war. Alsdann erhitzte der Schmied eine Stange an einem Ende bis zur Schweiſshitze und bohrte sie dann in die glühenden Eisenklumpen am Boden ein. Auf diese Weise faſste er ihn, hob ihn aus dem Herd und trug ihn unter den Hammer, wo er ihn zu Stäben ausschmiedete.

Bei der Porta St. Giovanni zu Rom befand sich ein Eisenhammer. Das Eisen wurde daselbst in zwei kleinen Herden gefrischt und aus - geheizt. Man schmolz altes Eisen mit Roheisen von Piombino in dem einen Herd ein, während man den andern als Reckherd benutzte. Das Einschmelzen in dem ersten Herd dauerte zwei Stunden. Man schweiſste einen Stab an die Luppe, wie zuvor beschrieben. Man schmiedete Stäbe von 2,40 m Länge und 5 cm Dicke. Das Schmieden geschah erst unter einem Wasserhammer, dann aber mit Hand - hämmern. Den Wind lieferte ein Wassertrommelgebläse.

Man erzeugte täglich etwa 5 Ctr. Eisen oder in der Woche 3000 Pfund (3 milliers), wozu 20 Säcke Kohlen verbraucht wurden.

An der Straſse von Rom nach Florenz befanden sich viele Eisen - hämmer, welche ihr Roheisen ebenfalls meist von Piombino bezogen. Die Luppenherde hatten öfter einen gemischten Betrieb, indem mit den Erzen Brucheisen, besonders alte Munition eingeschmolzen wurde.

Die in England gebräuchliche Frischmethode war eine Art Wallonschmiede. Es gab einfache Hütten mit einem Schmelzherd (finery) und einem Ausheiz - oder Reckherd (chafery), die meisten aber waren doppelte, d. h. sie hatten zwei Schmelzherde zu einem Ausheizherd und einem Hammer. Die Schmelzherde waren 0,675 m lang und 0,450 m breit, aus drei eisernen Zacken und einer gemauerten Wand gebildet. Die Bodenplatte, welche auf einer Unterlage von Kohlenlösche frei auflag, war 2 Zoll dick. Vorn lag vor der Arbeits - seite ein schweres Stück Eisen von quadratischem Querschnitt mit einem Loch zum Abstechen der Schlacken. Die Tiefe des Herdes war verschieden und betrug etwa 0,225 m. Auch die gemauerte Rück - wand war mit einer eisernen Platte bekleidet, auf welcher die ein - zuschmelzenden Roheisenmasseln (pigs) ruhten. Von diesen wurde ein Einsatz (weight) in einer Stunde zu einer Luppe (loop) einge - schmolzen. Die weiſsglühende Masse wurde mit Handhämmern abge - klopft, weil sie unter dem Wasserhammer auseinander fliegen würde. 191Eisen - und Stahlfrischen.Dann wurde sie unter dem Wasserhammer in Blöcke von 0,30 m Länge zerteilt und geschmiedet. Der Block wurde in demselben Herd nochmals geheizt und dann unter dem Hammer zuerst in der Mitte zu einem 3 Fuſs langen Stab ausgeschmiedet, während auf jeder Seite ein Kolben stehen blieb. Diese Kolben (anconies) wurden dann in dem Reckherd erhitzt und zu Stäben geschmiedet.

Der Reckherd war ebenso konstruiert, wie der Schmelzherd, nur etwas gröſser und tiefer. Er war 0,9 m lang, 0,6 m breit und 0,4 m tief. Die Bälge waren länger, gingen aber nicht so rasch, wie bei dem Schmelzherd. Hammer und Amboſs bestanden aus Guſseisen. Der Hammer war 300 bis 330 kg schwer. Aus 4000 kg Roheisen erhielt man 3000 kg Schmiedeeisen. Zu einer Tonne Eisen wurden in dem Frisch - oder Schmelzherd 3 Last (load), im Reckherd 1 Last Holz - kohlen verbraucht. In einem Frischherd konnte man in der Woche 2 Tonnen Luppeneisen machen, in einem Reckherd dagegen 5 bis 6 Tonnen ausschmieden.

Am Harz und in Sachsen war die deutsche Aufbrechschmiede im Gebrauch. In den Frischhütten am Harz befand sich nur ein Herd, welcher aus guſseisernen Zacken und Bodenplatte konstruiert war. Der Hammer wog 275 kg. Bei gutem Roheisen lieferte ein Herd wöchentlich 2750 bis 3300 kg Schmiedeeisen, bei schlechtem nur 1320 kg. Der Kohlenaufwand betrug Maſs = ½ Karre auf den Centner (55 kg).

Von besonderer Art war der Frischprozeſs im Salzburgischen in Verbindung mit dem früher beschriebenen Hochofen. Da das sehr hitzige Eisen noch viel Schwefel enthielt , konnte man es nicht unmittelbar verfrischen. Es wurde zuvor in einem Herd, ähn - lich einem Kupfergarherd, von runder Form, 60 cm im Durchmesser und 45 cm Tiefe, welcher aus guten Steinen gemauert und mit Thon gut ausgekleidet wurde, umgeschmolzen (Hartzerrennen). Die Form, welche von Eisen war, ragte 0,125 m in den Herd und war nach der Mitte des Herdes zu gerichtet. Das Roheisen wurde in derselben Weise eingeschmolzen, wie sonst und dauerte das Einschmelzen drei Stunden. Um zu prüfen, ob das Eisen die richtige Gare erlangt habe, nahm der Schmelzer, gerade wie beim Kupfergaren, mit einem kalten Eisenspieſs von Zeit zu Zeit einen Span. Das Eisen war gut, wenn es sich rings um den Spieſs anlegte und daran haften blieb. That es dies, so räumte man die Kohlen weg, lieſs die Schlacke ab und lieſs die flüssige Eisenmasse stehen, zur Abscheidung der Un - reinigkeiten und zum Abkühlen. Alsdann schüttelte man auf die reine192Eisen - und Stahlfrischen.Oberfläche Wasser und hob die erstarrten, kuchenförmigen Krusten Blattel genannt ab. Diese ganze Arbeit des Einschmelzens und Blattelnreiſsens dauerte vier Stunden und wurde in zwölf Stunden dreimal wiederholt.

Diese Blatteln, welche weiſs und hart waren, wurden in einer Art Röstofen mit Holzfeuer erhitzt (gebraten) und sodann in dem Frischherd, der dem sächsischen und böhmischen ähnlich war, ein - geschmolzen. Der Einsatz betrug 60 kg, woraus man 50 kg Schmiede - eisen erhielt. Das Schmiedeeisen wurde in Gebunden von 125 kg Sohm (Saum) genannt zusammengebunden.

Die Stahlfabrikation stand in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts noch auf sehr niedriger Stufe. Der meiste Stahl wurde noch direkt aus den Erzen ausgeschmolzen. In den öster - reichischen Alpenländern, welche den meisten Stahl für den Handel erzeugten, geschah dies in Stücköfen, in den Pyrenäen, in Nordspanien und Südfrankreich in Herdöfen. Seit der Einführung des Hochofen - betriebes verfrischte man auch Roheisen zu Stahl. Dieser Frisch - stahl war aber in den meisten Fällen von geringer Güte. Nur wo man ein so vorzügliches Rohmaterial hatte, wie im Siegerland und in den österreichischen Alpenländern, erzielte man guten Stahl.

Wir erwähnen hier nur diejenigen Stahlfrischmethoden, welche Swedenborg in seinem Buche De ferro beschrieben hat1)l. c. fol. 195 etc..

In Schweden war ein schönes (admodum elegans) Stahlwerk zu Wick oder Trollbo, nicht weit von der Stadt Hedemohra in der Provinz Dalekarlien, errichtet worden. Das Roheisen, welches man dort verschmolz, kam von dem Hochofen von Wikmanshyttan, welcher seine vorzüglichen Erze aus dem Bergwerke Bisberget bezog. Die Stahlfrischhütte war gerade wie eine gewöhnliche Frischhütte ein - gerichtet. Auch der Frischherd war gerade so konstruiert, nur etwas kleiner. Boden - und Seitenplatten waren von Guſseisen, die Form aus Kupfer. Der Herd war 350 mm breit und von etwas gröſserer Länge, auf letztere kam es aber weniger an. Vom Boden bis zur Form war ein Abstand von 162 mm. Die Gröſse der Formöffnung und die Weite des Herdes waren von besonderer Bedeutung. Der Boden der Form lag nur ganz wenig in den Herd geneigt, die Mittel - linie der Form traf nicht wie sonst den Bodenstein, sondern den unteren Teil des Gichtzackens. Das Formmaul war etwas niedriger wie ein Halbkreis und flacher als bei den Eisenherden. Die Düsen193Eisen - und Stahlfrischen.der Bälge lagen etwas weiter zurück. Das Verhältnis und die Maſse der Form, Düsen und Bälge war sehr wichtig. Man wendete nur oberschlächtige Wasserräder an, weil diese mehr Gewalt hatten. Da der Herdboden nur wenig durch Schlacken geschützt wurde, brannte er rasch durch. Selten hielten die Bodenplatten länger als zwei bis drei Wochen. Auch die Gichtzacken litten und muſsten öfter aus - gebessert oder erneuert werden.

Sollte die Arbeit beginnen, so wurden Schlacken aufgegeben, dann Kohlen, mit etwas Kohlenpulver vermengt, und hierauf das Roheisen. Dieses gab man am besten in kleinen Masseln oder in Stücken auf. Über das Eisen wurden wieder Kohlen geworfen. Das Roheisen wurde einer Vorbereitungsarbeit unterworfen, indem es in den Kohlen bis zur hellen Glut (candescens), aber nicht bis zum Schmelzen erhitzt wurde (Glühfrischen). Ehe dieses eintrat, stellte man den Wind ab und brachte die glühenden Roheisenstücke unter einen Hammer von etwa 170 kg Gewicht, der sie in kleinere Stücke von 3 bis 4 Pfund zerschlug. Diese Eisenbrocken wurden nun nach und nach zum Einschmelzen über die aufgehäuften Kohlen aufgegeben. Hierbei wurde langsamer geblasen. Der Frischer arbeitete mit seiner Stange im Herd, damit sich nichts ansetzte. War das Eisen eingeschmolzen, so daſs es als flüssige Masse den Boden des Herdes bedeckte, so wurde der Wind verstärkt. Das Roheisen verwandelte sich nun in Stahl und der Frischer muſste genau auf alle Zeichen achten. Er untersuchte die Masse mit der Stange, beobachtete die Schlacken - und Eisenfunken, die ausgeworfen wurden, und die Flamme, welche anfangs dunkel, immer heller und weiſser wurde, besonders nach dem Ablassen der Schlacke. Anfangs fühlte sich die Masse mit dem Spieſse weich an, nach und nach erhärtete sie. Ein Durcharbeiten der Masse fand nicht statt. Dann gab man wieder neue Eisenbrocken auf und wieder - holte dies in vier Stunden etwa viermal. Dadurch wuchs die Luppe im Herd, bis sie etwa 42 kg schwer war. Man brach sie nun mit der durch das Schlackenloch eingeführten Brechstange aus. Sie bildete eine unten runde, oben flache Masse. Man hob sie unter den Hammer, breitete sie etwas aus und zerteilte sie dann mit der Schrothacke in vier gleiche Teile. Die Stahlluppe hatte in der Glut eine rötere Farbe als die entsprechende Eisenluppe. Wenn das Gebläse nicht in Ordnung war, so bildete sich oft gar keine Schlacke. Die Schmelzung ging dann nur langsam vor sich und der Stahl verbrannte leicht und wurde schlecht. Um dies zu verhüten, warf man dann von Zeit zu Zeit Fluſssand auf. Die Bodenplatte hielt dies aber nicht lange aus,Beck, Geschichte des Eisens. 13194Eisen - und Stahlfrischen.indem sich die Schlacken daran festhingen, was dem Stahl wieder zum Schaden gereichte.

Die vier Stahlstücke wurden im Herd vor der Form erhitzt und dann unter dem Hammer zu Stäben ausgeschmiedet. Gleichzeitig wurde von neuem Roheisen eingeschmolzen. Das Ausheizen geschah in der Weise, daſs zwei Schirbel nebeneinander eingelegt wurden. Der vor der Form wurde zuerst heiſs, alsdann wurde er herausgenommen und zur Hälfte ausgeschmiedet; der zweite war währenddem an die Stelle des ersten gerückt und die dritte Schirbel eingelegt worden. Wurde die dritte herausgenommen und die vierte vorgeschoben, so wurde der erste halb ausgeschmiedete Kolben eingelegt u. s. w., bis alles zu Stäben von 3 cm im Quadrat und 1,20 bis 1,50 m Länge verschmiedet war Dieser Stahl hieſs Schmelzstahl (Smeltarestaul, chalybs fabrilis vel liquatorius). Die Stangen glühten nicht weiſs, sondern rot beim Ver - schmieden. Der Hammer ging rascher als beim Eisen. Sobald die Stangen geschmiedet waren, wurden sie noch glühend in flieſsendes Wasser geworfen und so gehärtet.

Dieser Rohstahl, welcher körnig war und noch hier und da Eisenfunken im Bruch zeigte, wurde in eine andere Schmiede ge - bracht, wo er durch wiederholtes Umschmieden in besseren Stahl von feinerem Korn umgewandelt wurde. Dies geschah unter kleinen Hämmern von 25 kg Gewicht, wobei der Schmied auf einem drei - füſsigen Schemel saſs und die Stäbe rasch fortwährend hin - und her - drehte. An der Radachse waren zwölf Hebedaumen und die Schläge des Hammers gingen so rasch, wie das Ticken einer Taschenuhr.

Die Windform war wie bei dem Frischherd, nur etwas höher, so daſs ihr Maul einen wirklichen Halbkreis bildete. Ihr Abstand vom Boden betrug 50 bis 75 mm. Der Herd war 250 bis 275 mm breit und 350 bis 400 mm lang.

Die Arbeit geschah folgendermaſsen: Die gehärteten Rohstahl - stangen wurden entweder durch Aufwerfen auf einen scharfen Stein oder durch Hammerschläge in Stücke zerbrochen. Diese Stücke wurden dann nach ihrer Länge ausgesucht, nach einer gewissen erfahrungs - mäſsigen Ordnung oder Zeichnung (s. Fig. 32) in den Herd auf eine Lage Kohlen eingelegt und mit Kohlen bedeckt ausgeheizt. Indem der Wind durch die Öffnungen der durch die Stahlstangen gebildeten Stabgitter durchblies, machte er ein starkes eigentümliches Geräusch. Waren die Stäbe noch ½ bis ¾ Stunden glühend, so wurden sie in einer bestimmten Reihenfolge aus dem Herd genommen und unter dem Hammer mit raschen Schlägen zu Stäben von ½, ¾, 1, und195Eisen - und Stahlfrischen.2 Fuſs Länge ausgeschmiedet, und zwar schmiedete der Meister auf seinem Schemel sitzend immer die eine Hälfte, der Geselle alsdann die andere Hälfte. Die ausgeschmiedeten Stäbe wurden in kaltem Wasser in einem hölzernen Löschtroge abgelöscht. Nur zwei groſse Stäbe wurden nicht gehärtet. Hierauf wurden die sämmtlichen Stäbe, die kleinen und die groſsen, wie zu einer Rute (Garbe) zusammen - gebunden, und zwar so, daſs einer der nicht gelöschten Stäbe zu unterst, der andere zu oberst lag. 16 bis 20 Stäbe waren so zu einer Garbe verbunden. Der Zweck war, durch die Vereinigung derselben zu einer Masse die Fehler, die der eine oder andere Stab hatte, aus - zugleichen. Diese Garbe wurde nun unter Aufwerfen von trockenem, gepulvertem Thon geschweiſst, und zwar schlug man erst die eine Hälfte mit Handhämmern zusammen, dann die andere. Alsdann schweiſste man unter Aufwerfen von Thon die eine Hälfte und schmiedete sie unter dem Wasserhammer zu einem 10 cm dicken Stab

Fig. 32.

zusammen, dann ebenso die andere Hälfte. Dann schmiedete man die beiden Enden noch weiter aus, so daſs die ganze Stange etwa 3 m lang wurde. Die Stan - gen wurden in Gebunde von etwa 450 kg Gewicht zusammengepackt. Dieser schwedische Gärbstahl war nach Swedenborgs Angabe ebenso gut, wenn nicht noch besser, als der von Kärnten und Steiermark eingeführte.

Der unmittelbar aus dem Roheisen erzeugte Stahl hatte den Vorzug, daſs er mehr Hitze aushielt, ohne seine Stahlnatur zu verlieren, als der aus Cementstahl bereitete. Auch gingen die Eigenschaften des Roheisens, Härte, Zähigkeit und Festigkeit, mehr oder weniger auf den Stahl über und muſste man danach und nach dem Zweck der Verwendung die Auswahl des Roheisens treffen. Solches, welches rot - brüchiges oder kaltbrüchiges Eisen gab, war auch für Stahl nicht zu gebrauchen. Nicht jedes Eisen gab Stahl1)Bezüglich der weiteren Angaben Swedenborgs über den Frischstahl verweisen wir auf sein Buch S. 201.. Der Abbrand war groſs. Auf 64 Pfund Einsatz im Schmelzherd hatte man 24 Pfund Abbrand, und weiter im Reckherd 8 Pfund, so daſs der Verlust im Ganzen sich auf 50 Proz. belief.

13*196Eisen - und Stahlfrischen.

Eine andere Stahlfrischhütte in Schweden, welche schon zur Zeit Gustav Adolfs angelegt worden war, befand sich zu Qwarnbacka. Auch hier geschah die Arbeit in zwei Herden. Diese lagen so hoch, daſs der Arbeiter in aufrechtstehender und nicht in gebückter Stellung daran arbeiten muſste. Der Boden und die Seiten bestanden nicht aus Eisen -, sondern aus Steinplatten von einem kalkigen Gestein, Stellsteen genannt. Man hatte Holzblasebälge. Zwei Hämmer, jeder etwa 160 kg schwer, waren in der Hütte. In jedem Herd wurden abwechselnd 80 kg Roheisen auf das sorgfältigste eingeschmolzen, ganz wie im Eisenfrischherd, nur daſs man sehr oft die Schlacken abstach, so daſs das Eisen nicht im Schlackenbad, sondern trocken einschmolz (gan tort uti Haerden). Dagegen warf man während des Frischens öfter ein Pulver, aus Asche, Vitriol und Alaun gemischt, auf, von dem man glaubte, daſs dadurch der Stahl sich besser bearbeiten lieſse. Die Luppe wurde ausgebrochen, in Stücke zerhauen, diese ausgeheizt, in Stäbe geschmiedet, gehärtet und in Stücke zerbrochen. Diese Stücke wurden dann kreuzweise zu Packeten geformt, welche wieder in dem Herd geschweiſst und zu Stäben wiederholt ausgeschmiedet wurden.

Man erhielt dabei dreierlei Sorten: 1. Faſsstahl oder Rohstahl, welcher aus dem Frischherd zuerst ausgeschmiedet war; 2. Klingen - stahl, welcher viermal gegärbt, d. h. viermal packetiert und aus - geschmiedet worden war, und 3. Federstahl, die beste Sorte, welche achtmal gegärbt war. Nach jedem Gärben muſsten den Stäben Zeichen und Nummern aufgeschlagen werden, um zu wissen, wie oft sie ge - reinigt waren. Auſserdem lieſs sich die Güte des Stahls aus dem Aussehen der Bruchflächen erkennen. Der beste Stahl war ganz gleichförmig und weiſs wie Silber.

In einer Woche konnte man 14 Ctr. Faſsstahl, 12 Ctr. Klingen - stahl oder 8 Ctr.1)1 Centner = 8 Lispfund = 160 Shalpfund = 67 kg. Federstahl machen. Zu einem Centner oder 8 Lispfund Federstahl wurden 13½ Lispfund Roheisen und 26 Tonnen Holzkohlen gebraucht; zu 1 Ctr. Klingenstahl 12 Lispfund Roheisen und 24 Tonnen Kohlen, zu 1 Ctr. Faſsstahl 12 Lispfund Roheisen und 9 Tonnen Kohlen.

Zu Swedenborgs Zeit wurde aber in den Stahlhütten von Wedewang und Qwarnbacka der Gärbstahl bereits meist aus Cement - stahl (ferrum in furnis chalybeis concrematum) bereitet.

Bei der Eisengewinnung aus den Sumpferzen in Dalekarlien fiel auch oft nebenher stahlartiges Eisen, aus dem die Eingeborenen Beile,197Eisen - und Stahlfrischen.Sicheln u. s. w. machten, mit welchen sie durch ganz Schweden hausierten. Man beförderte die Stahlbildung dadurch, daſs man das Eisen über dem Fokus rasch einschmolz und es längere Zeit in Glut erhielt, dann die Kohlen wegzog und es erkalten lieſs.

In Südfrankreich wurde bei Alwar (Allevard) in der Dauphiné Stahl aus dem Roheisen, dessen Darstellung wir oben beschrieben haben, gefrischt. Der Stahlfrischherd (l’affinerie) war tiefer als die gewöhnlichen Frischfeuer. Er war von Eisenzacken zusammengesetzt. Das eingeschmolzene Roheisen wurde nicht umgerührt, sondern in Ruhe gelassen, bis der Herd voll war. Sobald dies geschehen, wurde der Wind abgestellt und die Masse kalt werden gelassen1)Swedenborgs Darstellung ist hier nicht ganz klar. Es scheint, daſs man den ganzen Herdinhalt, Schlacken und Stahlbrocken, vorn aus dem Herd herauszog und sie vor dem Herd erkalten lieſs.. Die obere Kruste, hauptsächlich aus Schlacken bestehend, wurde entfernt und die Luppe unter dem Hammer in Stangen geschmiedet. Diese wurden in einem zweiten Ausheizherd (Chaufferie) erhitzt, doch nicht so sehr, wie zuvor. Man warf auch Sand auf, um die Hitze zu mäſsigen. Man schmiedete die Stangen zu dünneren Stäben aus, die noch glühend in kaltes Wasser geworfen wurden.

Eine genauere Beschreibung der französischen Stahlfrischfeuer hat Reaumur in seiner berühmten Abhandlung über die Cement - stahlfabrikation (S. 245) mitgeteilt.

Zum Stahlfrischen kann man weiſses Roheisen nehmen, doch zieht man gewöhnlich hellgraues (mediocrement grise) vor, d. h. ein weniger reines. Nicht als ob man mehr von den erdigen und Schlackenstoffen im Stahl als im Eisen haben wollte, sondern weil man kein so starkes Feuer beim Stahlfrischen anwenden darf, und weil sich bei schwachem Feuer die Unreinigkeiten leichter von dem grauen Roh - eisen abscheiden lassen.

Die Methoden, die man beim Stahlfrischen anwendet, sind nicht so gleichmäſsig, wie die beim Eisenfrischen; im allgemeinen läſst sich sagen, daſs man die Gans oder das Roheisen in einem tieferen Herd einschmilzt. Es giebt Gegenden, wo man die Herde 2 Fuſs, ja bis Fuſs tief macht. Man läſst den eingeschmolzenen Guſs, der von glühenden Kohlen bedeckt ist, in Ruhe; der Wind trifft nur das ein - schmelzende Roheisen und man stellt denselben ab, sobald genug niedergeschmolzen, beziehungsweise der Herd gefüllt ist. In einigen Gegenden sticht man am unteren Teil des Tiegels oder Zerrennherdes (affinerie) ab und läſst die Masse in dünnen Platten auslaufen, in198Eisen - und Stahlfrischen.anderen läſst man die Masse im Herd erstarren, bis die obere Schicht eine gewisse Dicke von etwa einem Zoll erlangt hat. Nachdem man erst die darüber erstarrte Schlackenschicht abgehoben hat, hebt man das erstarrte Eisen als eine feste Scheibe ab (Scheibenreiſsen). Man reinigt auf diese Weise den Guſs von seinen erdigen Beimengungen, ohne ihm zugleich viel von seinen schwefligen und salzigen Teilen zu entziehen. Ja, man schmilzt da, wo man den besten Stahl macht, den Guſs in Gefäſsen, die nur dazu dienen, zu verhindern, daſs von diesen Substanzen etwas verloren gehe.

Deshalb sind die Wände der Frischherde, die manchmal aus Eisenplatten, manchmal aus Mauerwerk bestehen, mit einer Lage Holzkohlen ausgestampft, so daſs die Schmelzung gewissermaſsen in einem Kohlentiegel vor sich geht.

Es giebt Arbeiter, welche dabei Hornspäne, Ruſs und ähnliche Stoffe in den Herd werfen.

Das auf diese Weise durch eine zweite Schmelzung (Hartzer - rennen) gereinigte Eisen wird dann in einem Schweiſsherd (chaufferie) aufgegeben, in dem es nur soweit erhitzt zu werden braucht, um die genügende Menge der schwefligen und salzigen Bestandteile zu ver - flüchtigen, ohne daſs die Eisenteilchen sich so sehr verteilen, daſs sie ihren Zusammenhang verlieren. Da dies die einzige Aufgabe ist, so ist es nicht erforderlich, die Schlackenbestandteile in Fluſs zu bringen, wie beim Eisenfrischen. Deshalb bedarf es keiner so hohen Hitze und man erhitzt nur so weit, als man es für notwendig hält, damit der Stahl den Hammer aushalte, wobei man die Luppe nicht durch - arbeitet, wie beim Eisenmachen.

Der wichtigste Punkt ist, das Feuer nach der Menge des Metalles zu bemessen, da man bei zu starker Hitze Eisen bekommt. Bei aller Vorsicht erhält man in der Regel doch ¼ bis der Masse als Eisen, indem es unmöglich ist, die Hitze so gleichmäſsig zu verteilen. So kommt es, daſs ein Teil der ausgereckten Stange Eisen, ein anderer Stahl ist. Wären Stahl und Eisen immer getrennt, so hätte dies nicht viel auf sich, das Üble ist aber, daſs man kaum jemals sicher ist, daſs der Stahl nicht von Eisenadern durchzogen ist. In den meisten Stahl - hütten werfen die Schmiede beim Ausheizen des gefrischten Stahles Sand oder gepulverte Schlacke auf, welche die metallischen Teilchen überzieht und sie vor dem Verbrennen oder der Überführung in Eisen schützt.

Infolge des erwähnten Fehlers, daſs der französische Frischstahl nicht rein, sondern von Eisenfäden durchzogen war, stand er an Güte dem deutschen Stahl sehr nach.

199Eisen - und Stahlfrischen.

Das Stahlfrischen im Salzburgischen beschreibt Swedenborg folgendermaſsen. Man liest das beste Brauneisenerz aus, röstet es und schmilzt es dann im Hochofen zu Stahleisen, welches man in Gänse von etwa 4 Ctr. absticht. Der Herd, der dem sächsischen Frisch - herd gleicht, ist nur darin abweichend, daſs die Windform schiefer liegt. Jede Gans wird für sich eingeschmolzen, wobei das Stahleisen nicht dünnflüssig, sondern breiartig flieſst. Das erste Mal läſst man die so eingeschmolzene Masse zwölf Stunden im Herd, sticht die flüssige Schlacke ab und rührt und wendet das Eisen mit der Brech - stange. Alsdann nimmt man die Masse aus dem Herd, zerteilt sie unter dem Hammer in Stücke, und löscht jedes Stück in Wasser. Diese Stücke werden dann von neuem in denselben Herd eingesetzt und sechs Stunden lang beständiger Hitze ausgesetzt, wobei wieder die überschüssigen Schlacken abgestochen werden. Alsdann wird die Masse von neuem aus dem Herd genommen, unter dem Amboſs in Stücke zerhauen, die in Wasser gelöscht werden. Die Masse ist zwar jetzt schon stahlartig und hart, aber um richtigen Stahl zu geben, müssen die Stücke noch ein drittesmal in denselben Herd eingesetzt und sechs Stunden lang in der Glut gehalten werden. Die Masse wird zerteilt, in dicke Klumpen geschmiedet, die in Wasser abgelöscht werden. Diese dicken Stangen werden zerbrochen und die Teile in dünne Stäbe von etwa ½ Zoll (½ digiti) Seite aus - geschmiedet, die noch glühend abgelöscht werden. Um das Wasser noch kälter zu machen, setzt man ihm Kochsalz zu. Die Stäbe werden zu Buschen von ¼ Centner Gewicht zusammengebunden. Aus 4 Ctr. Roheisen erhält man Ctr. Stahl, der sehr geschätzt wird. Ctr. gehen in die Schlacken. Die Holzkohlen mischt man aus ½ weichen und ½ harten. Es werden davon jedesmal sechs Säcke verbraucht. In einer Woche machen drei Arbeiter auf diese Weise 15 bis 16 Ctr. guten Stahl; nach diesem Verfahren macht man in Kärnten den meisten Stahl, der als steierischer verkauft wird.

Über das Stahlfrischen in Kärnten, Tirol, Steiermark macht Swedenborg ebenfalls Mitteilungen, die aber nicht sehr eingehend sind. Danach betrug der Einsatz in den Stahlzerrennherd Ctr. Floſs. Die Form saſs tief mit etwas Neigung in dem Herd. Nachdem das Eisen eingeschmolzen war, lieſs man es drei bis vier Stunden ruhig stehen und in sich verkochen, ehe man darin rührte. Man warf Quarzsand auf, zur Abscheidung der Unreinigkeiten und weil man nicht viel Schlacken am Herd haben wollte. Nach dieser Zeit stach man Schlacke ab. Über dem Stahlkuchen blieb eine Masse200Eisen - und Stahlfrischen.von weichem Eisen, welche man abhob und für sich verschmiedete. Alsdann nahm man die Stahlluppe heraus und teilte sie in vier Stücke, die man ablöschte und dann wieder in den Herd einsetzte und von neuem niederschmolz. Dies wiederholte man drei - bis viermal. War dann alles Eisen in Stahl verwandelt, so schmiedete man diesen in Stäbe von 3 Fuſs Länge aus, die man in Lehmwasser ablöschte und sodann in Fässer packte. Aus dem Einsatz eines Flosses von Ctr. erhielt man ½ Ctr. Schmiedeeisen, das übrige war Stahl. Aus 10 Ctr. erhielt man 7 Ctr. Stahl. Ein Meister machte in einer Woche mit einem Gesellen und einem Jungen 10 Ctr. Stahl. Der Hammer hatte ein Gewicht von 10 Ctr.

Der Schwede Polhem hat in seinem patriotischen Testament (1746) noch einige allgemeine Regeln für das Stahlfrischen mitgeteilt1)Siehe Schreber, a. a. O., S. 358., welche wir hier ebenfalls anführen wollen. Man wähle bestes, reinstes Roheisen. Solches, das zu Rotbruch und Kaltbruch neige, sei am besten zu verwerfen, doch lieſse sich für manche Zwecke noch Stahl daraus machen. Aus rotbrüchigem Eisen erhalte man einen Stahl, der gut zu feilen wäre, so lange er nicht gehärtet sei: gehärtet eigene er sich für polierte Arbeiten, als Knöpfe, Schnallen, Degengefäſse u. s. w. Der kaltbrüchige Stahl habe eine noch weiſsere Farbe, sei aber un - tauglich zu Draht, Saiten, Nadeln und Scheideeisen, da er keine Zähigkeit besitze.

Beim Abstechen des Roheisens aus dem Hochofen solle man es für Eisen in tiefe Sandformen, zum Stahlfrischen in flache Formen laufen lassen. Ersteres bliebe, wie es wäre, in Klumpen in der Schlacke, letzteres aber müsse zart flieſsen, was bei dünneren Stücken leichter geschähe. Auch erfordere dies stärkere Hitze, welche man entweder durch stärker angelassenes Gebläse oder durch kleineren Herd bei auf 30 Grad geneigter Form erhielte.

Beim Stahlschmelzen müsse man die Schlacke fleiſsig ablassen und die Luppe im Herd drei - bis viermal wenden. Hierauf folge das Durchschmieden und Gärben, welches den Stahl zäh und geschmeidig mache. Je öfter man ihn schweiſse, zusammenlege und ausschmiede, je zäher und je geeigneter für Federn, Degenklingen und dergleichen werde er. Für Schneidzeuge brauche der Stahl nicht so oft gegärbt zu werden. Gute Kohlen von Laubholz und alten Fichten seien am besten, Kohlen von Tannen - oder jungem Holze machten den Stahl weicher, als er war; Kohlen von hartem und altem Holze machten ihn härter.

201Die Cementstahlfabrikation.

Brennstahl sei gut in Ermangelung von anderem, aber für Schweden, das so guten Frischstahl habe, sei er unnötig. Form, Figur und Gröſse der Herde sei verschieden. Jeder Meister halte seinen für den besten und halte daran fest. Etwas Vollkommenes sei hierin noch nicht gefunden, das bleibe der Zukunft vorbehalten. Ohne Zweifel habe der bloſse Zufall bei der Bereitung des Eisens das Stahl - machen an die Hand gegeben, denn so lange die geschmolzene Schlacke im Herde stehe und das Eisen in demselben schwimme, behielte es seinen Schwefel, der ihm zur Weiche, wie Fett dem Leder, behülflich sei. Sobald man aber die Schlacke ablieſse und das Eisen entblöſst werde, verdufte der Schwefel, wodurch Stahl entstünde. Dies ginge zunächst von der Oberfläche aus. Wollte man Luppen haben, die durch und durch Stahl wären, so dürfte man sie nicht groſs machen.

Neben der Stahlbereitung in Frischherden spielte die Stahlbereitung durch Rückkohlung von Schmiedeeisen im Anfang des 18. Jahrhunderts bereits eine Rolle. Um diese Fabrikation hat sich Reaumur das gröſste Verdienst erworben.

Die Cementstahlfabrikation (nach Reaumur 1721).

Reaumur hatte in den Jahren 1720, 1721 und 1722 vor der Akademie der Wissenschaften in Paris eine Anzahl Abhandlungen (mémoires) über das Eisen, insbesondere die Verwandlung von Schmiede - eisen in Stahl und die Erweichung des Gusses bis zur Schmiedbarkeit vorgetragen, welche so groſsen Beifall fanden, daſs beschlossen wurde, dieselben drucken zu lassen. Dies geschah durch Michel Brunet im Jahre 17221)L’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu, ou de faire des ouvrages de fer fondu aussi finis que de fer forgé par Monsieur de Réaumur, de l’Academie Royale des Sciences à Paris chez Michel Brunet, Grande Salle du Palais, au Mercure galant, MDCCXII, avec approbation et privilége du Roy. Der erste Teil l’art de convertir le fer forgé umfaſst 382 Quartseiten mit 10 Figurentafeln, der zweite Teil d’adoucir le fer fondu 178 Quartseiten mit 7 Tafeln.. Reaumur widmete das Werk dem damaligen Regenten von Frankreich, Herzog Philipp von Orleans, welcher an seinen Arbeiten von Anfang an ein lebhaftes Interesse genommen hatte und ihm zur Belohnung einen bedeutenden lebenslänglichen Staatsgehalt bewilligt hatte.

202Die Cementstahlfabrikation.

In der That verdiente das Werk diese groſse Anerkennung im vollsten Maſse. Die Cementstahlfabrikation und die Darstellungen des schmiedbaren Gusses waren zwar keine neuen Erfindungen Reaumurs, aber sie waren bis dahin von denen, die sie betrieben hatten, so geheim gehalten worden, daſs sie für die Technik so gut wie unbekannt waren. Reaumur suchte und fand die richtigen Darstellungsmethoden und machte sie aller Welt bekannt.

Da die Regeln, welche wir mitteilen, ganz neu sind , schreibt er, oder was dasselbe sagt, seither geheim gehalten waren, so hatten wir dieselben nicht nur vorzutragen, sondern auch auf ihren Wert zu prüfen. Dies that er in der gründlichsten und klarsten Weise. Diese rücksichtslose Veröffentlichung wichtiger technischer Prozesse war neu und wurde ihm von vielen sogar verübelt, die meinten, solche Dinge gehörten nicht vor das groſse Publikum, man hätte sie Gesell - schaften anvertrauen sollen, welche dieselben hätten ausbeuten können, oder wenigstens dem Staate, damit der Nutzen Frankreich allein zu gute gekommen wäre. Reaumurs erhabene Denkweise spricht sich deutlich in seiner Antwort darauf aus.

Die Gefühle, welche dem ersten Gedanken zu Grunde liegen, sind nicht edel genug, daſs man sie noch dadurch verherrlichen sollte, daſs man sie widerlegt; sind sie nicht selbst gegen die natürliche Gleichheit? Ist es denn sicher, daſs unsere Entdeckungen so sehr unser sind, daſs das Publikum kein Recht daran hätte, daſs sie nicht in gewissem Sinne ihm gehörten? Wir müssen Alle und das ist unsere erste Pflicht, zu dem allgemeinen Wohle der Gesellschaft bei - tragen; wer das unterläſst, wenn er es thun kann, wer das unterläſst, wenn es ihn nur Worte der Rede kostet, versäumt eine wichtige Pflicht unter den verabscheuungswürdigsten Umständen. Wenn dieser Grundsatz feststeht, sind wir dann noch die absoluten Herren unserer Entdeckungen? Allerdings zeige das Publikum solcher Gesinnung gegenüber wenig Dankbarkeit, denn das Geheimgehaltene schätze es über alles Maſs, dem aber, der das Geheimnis enthülle, zeige es sich undankbar, ja ablehnend, indem es finde, daſs dies ja nichts wunder - bares sei, dieser oder jener Teil der Entdeckung längst bekannt ge - wesen sei u. s. w. Dieses Verhalten des Publikums habe viele Gelehrte veranlaſst, Erfindungen geheim zu halten oder sie so dunkel zu be - schreiben, daſs der Leser nichts damit anfangen könne. Dies sei aber unrecht. Dürfe der Arzt sich weigern, in der Gefahr einem körperlich Leidenden Hilfe zu leisten? und verhalte es sich mit geistigen Mängeln anders? Er behaupte, die, welche ihre Untersuchungen unklar dar -203Die Cementstahlfabrikation.stellten, sie zum Teil verbergen und sie nur erraten lieſsen, stehlen dem Leser seine gute Zeit. Die Menschheit solle die gar nicht zu - lassen, die nur danach strebten, bewundert zu sein, statt sich nützlich zu machen.

Was den zweiten Teil des Vorwurfs betrifft, daſs ich meine Er - findungen Frankreich allein hätte erhalten sollen, so verlangen sie, daſs ich darin das unrühmliche Beispiel einiger unserer Nachbarn nachahme. Wohl sind wir zunächst unserem Vaterlande verpflichtet, aber wir sind auch der übrigen Welt verpflichtet: diejenigen, welche an der Vervollkommnung der Wissenschaften und Künste arbeiten, müssen sich als Bürger der ganzen Welt betrachten.

Wollte man die Ausbeutung der Erfindungen so einschränken, so müsse dies durch Privilegien geschehen. Privilegien haben aber stets den Nachteil, daſs sie den Fortschritt verlang - samen und den Preis des Produktes verteuern. Das Beste für die Menschheit ist Öffentlichkeit und freie Konkurrenz.

Trotzdem ist der Verfasser bei seiner Arbeit und der Fürst bei der Erteilung der Belohnung dafür wesentlich von dem Gedanken geleitet worden, daſs dadurch ihrem Vaterlande, Frankreich, ein be - sonderer Nutzen geboten werde. In Frankreich war man bis dahin nicht imstande gewesen, bessere Stahlsorten zu erzeugen, fast aller Stahl muſste aus dem Auslande bezogen werden. Der Verfasser hoffte, daſs seine Vorschläge die Mittel an die Hand geben würden, in Frank - reich selbst eine umfangreiche Industrie für bessere Stahlsorten zu begründen; nicht weniger erhoffte er von der Ausbeutung der Idee des hämmerbaren Gusses, welcher nach seiner Idee hauptsächlich für dekorative Zwecke geeignet sei. Da aber Frankreich auf diesem Ge - biete, in Bezug auf alles, was Geschmack und schöne Formen anlange, schon jetzt das anerkannt erste Volk der Welt sei, so werde ihm auch der gröſste Teil des Nutzens aus dieser Erfindung zuflieſsen. Von so hohen wissenschaftlichen und patriotischen Gedanken war Reaumur bei Abfassung seiner Memoiren erfüllt. Seine beiden Abhandlungen bauen sich auf einer groſsen Reihe praktischer Versuche, welche er mit Fleiſs, Umsicht, Geduld und groſsen Opfern an Zeit und Geld angestellt hatte, auf.

Die Wichtigkeit des Inhalts und der Methode lassen es zweck - mäſsig erscheinen, dem Gedankengang des Verfassers möglichst zu folgen und einen gedrängten Auszug der umfangreichen Schriften zu geben.

Alle Eisenerze sind aus Eisen -, Erd -, Schwefel - und Salzteilen204Die Cementstahlfabrikation.zusammengesetzt. Die Kunst des Hüttenmannes besteht darin, die Eisenteile von den übrigen zu trennen, wodurch sie erst für den Gebrauch verwendbar werden. Die Schmelzung ist das erste Mittel, welches man hierfür anwendet. Bei der Schmelzung trennt sich die leichtere Schlacke von dem schwereren Eisen. Dieses ausgeschmolzene Eisen, das man Guſseisen (fonte) nennt, ist noch unrein, weshalb es unter dem Hammer zerbricht. Um es in schmiedbares Eisen zu ver - wandeln, wird es gefrischt, das heiſst ein zweites Mal eingeschmolzen und unter einem schweren Hammer behandelt; dies wiederholt man und erhält dadurch schmiedbares Eisen oder Stahl, je nach der Behandlung.

Es giebt drei Arten, Stahl zu machen: 1. aus Roheisen im Frisch - herd, wobei man meistens nur ein sehr geringes Produkt, manchmal aber je nach dem Roheisen und der Gegend auch ein besseres erhält; 2. direkt aus dem Erz im Schmelzofen, wie es in Steiermark und in unserem Lande in Roussillon, insbesondere in der Grafschaft Foix, geschieht, und 3. durch Cementation von Schmiedeeisen, wodurch man feinen Stahl, den man härter oder weicher machen kann, erhält. Dieser letztere ist allein frei von Adern und Körnern von weichem Eisen. Deshalb macht man in vielen Ländern, namentlich in Eng - land, obgleich man das Schmiedeeisen dafür aus Schweden beziehen muſs, den feinen Stahl ausschlieſslich aus diesem künstlichen Stahl. Auch in Italien und in verschiedenen Provinzen Deutschlands macht man Stahl aus Schmiedeeisen. Und wo man dies nicht thut, da hat man es gewiſs doch schon versucht, weil man immer die aus Schmiede - eisen erzeugten Stahlsorten für die besten hält. Nur Frankreich, ob - gleich es Naturstahl (d. h. Rennstahl) sogar ausführen kann, entbehrt diesen und muſs jährlich Unsummen dafür an das Ausland, wo man das Verfahren selbst ängstlich geheim hält, bezahlen. Allerdings wurde deshalb der Hof überlaufen, und besonders seit drei oder vier Jahren behaupteten Franzosen und Fremde aus allen Ländern, um sich zu bereichern, sie besäſsen das wahre Geheimnis, Eisen in Stahl zu ver - wandeln. Aber da trotz aller Gnadengeschenke niemals etwas dabei heraus kam, hat sich ein Vorurteil gegen alle diejenigen, welche dies unternehmen wollen, die man mit denen, die nach dem Stein der Weisen suchen, auf eine Stufe stellt, ausgebildet; und man hielt es für ein unausführbares Unternehmen.

Trotz dieses Vorurteils erschien Reaumur das Problem aus nationalökonomischen Gründen für zu wichtig, um es fallen zu lassen. Die Möglichkeit der Umwandlung von Schmiedeeisen brauchte nicht205Die Cementstahlfabrikation.mehr bewiesen zu werden, sie war hinreichend bezeugt durch den Erfolg, den man in England, Deutschland und Italien damit erzielte, die Frage war nur die, ob man nach demselben Verfahren mit unserem Eisen ebenso gut Stahl machen konnte, wie jene mit dem ihrigen, oder ob man im schlimmsten Falle fremde Eisensorten in Frankreich in Stahl verwandeln sollte, wie man in England so vortrefflichen Stahl aus Eisen von Schweden machte, welches sich zeitweilig in Paris nicht höher stellte, als das einheimische Eisen und in den Häfen ebenso billig war, wie dieses. Da ich aber bei meinen Untersuchungen, die ich über die einheimischen Eisensorten bei der Beschreibung der Schmelzöfen und Hämmer und der verschiedenen Verfahren in den - selben angestellt hatte, erfahren hatte, wie mannigfaltig unsere ein - heimischen Eisensorten seien, zweifelte ich nicht, daſs sich darunter solche befänden, welche sich in Stahl verwandeln lieſsen und mit denen man jede Stahlsorte herstellen könnte. Ich wuſste sogar, daſs in Bearn eine oder zwei Fabriken bestehen, in denen eine Person von Stellung schon Eisen aus jener Provinz in Stahl verwandelt hatte, welchen ich untersucht und dem deutschen Stahl nur wenig nach - stehend gefunden habe.

Da ich diese Eisensorte für eine zur Umwandlung geeignete halten konnte, so kam es nur darauf an, das richtige Verfahren zu finden und dieses dann an allen Eisensorten des Königreichs zu probieren. Das Verfahren war ein Geheimnis, aber die Einsatz - härtung (trempe en paquet) war Reaumur bekannt und mit dieser muſste es zusammenhängen.

Die Stoffe, welche man bei dieser anwendete, waren zerstoſsene Holzkohle, Asche, Ruſs, denen man Salze zusetzte, nebst verschiedenen anderen Stoffen pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Natur. Auch diese Mischungen bildeten Geheimnisse der Schmiede und jeder hatte sein eigenes Rezept. Es kam nun darauf an, durch Versuche festzustellen, wie diese Stoffe für sich auf das Eisen wirkten und welche Mischung die beste sei; ob man einzelne Bestandteile weg - lassen oder durch andere ersetzen könnte; welche Mengen anzu - wenden seien; wie der Prozeſs in einfacher, jedem Arbeiter verständ - licher Weise geführt werden müsse.

Über alle diese und noch viele andere Fragen stellte Reaumur eine groſse Reihe von Versuchen an, die ihn zum Ziel führten und ihn in den Stand setzten, die beste Methode der Cementstahlfabrikation genau zu beschreiben.

Die erste Versuchsreihe bezog sich auf die Zusammensetzung des206Die Cementstahlfabrikation.Cements (Cementierpulvers), was am meisten als das Geheimnis der Kunst angesehen wurde. Es ist dabei einerlei, ob diese Versuche in Blech - oder in guſseisernen Kästen, in Thontiegeln oder sonstigen verschlossenen Gefäſsen vorgenommen wurden, und ob diese Gefäſse in einer Schmiedeesse, einem Wind -, Muffel - oder Brennofen erhitzt wurden. Um aber unter gleichen Bedingungen zu arbeiten, wurden die Glühversuche in ganz gleichen Thontiegeln vorgenommen. Jeder erhielt eine andere Mischung. Die Eisenstückchen wurden lagenweise mit dem Cementierpulver geschichtet und alle möglichst dem gleichen Feuer ausgesetzt. Um zunächst festzustellen, ob nicht das Schmiede - eisen durch andauerndes Erhitzen schon an und für sich eine Ver - änderung erleide, wurde dasselbe zunächst nur mit indifferenten Sub - stanzen, als Thon, Kalk, Gips, verschiedenen Sandarten, Asche, gepulver - tem Glas, geglüht. Es zeigte sich keine Veränderung des Eisens, wenigstens keine Stahlbildung. Der Zusatz von Pflanzensäften, welche bei verschiedenen Geheimmitteln als wirkungsvoll hingestellt werden, zu diesen indifferenten Stoffen, übte ebenfalls keine besonderen Wirkungen. Ebenso wurden Versuche mit Fetten und öligen Substanzen für sich allein angestellt, so mit gewöhnlichem Talg, Leinöl u. s. w., mit welchen Thon und Kalk, die sich vorher als wirkungslos erwiesen hatten, vermischt wurden. Auch hierbei zeigte sich keine Stahl - bildung. In gleicher Weise wurden verschiedene Salze probiert, teils für sich, teils gemischt mit neutralen Stoffen und der Erfolg war derselbe. Gröſser waren die Einwirkungen von gewissen Mischungen dieser Stoffe; so verwandelte ein Gemenge von Seife und Erde das Eisen zum Teil wenigstens in schlechten Stahl. Viel energischer war aber die Einwirkung derjenigen Stoffe, welche nach der Auffassung jener Zeit fettige und salzige Substanz gebunden enthielten, als Kohlenpulver, Steinkohle, frische unausgelaugte Holzasche, Ruſs, be - sonders der aus den Kaminen, gesiebte Hornkohle, gesiebte Leder - kohle, Kot verschiedener Tiere, wie der von Pferden, Hühnern und Tauben, entweder getrocknet oder verkohlt. Alle diese Substanzen verwandelten das Eisen in Stahl, wie man dies bei ihrer fettigen und salzigen Natur erwarten konnte . Der erhaltene Stahl war von ver - schiedener Güte; der mit Kohlenpulver, Ruſs und verkohltem Leder erhaltene war hart und fein, aber schwer zu bearbeiten und zeigte nach dem Ausschmieden viele Risse und Schrunden. Verkohlte Horn - späne zeigten sich weniger wirkungsvoll als die vorgenannten Stoffe; noch geringer war die Wirkung der frischen Holzasche. Taubenkot erzeugte feinkörnigen Stahl, der aber unter dem Hammer in Stücke207Die Cementstahlfabrikation.flog, Pferdemist und Hühnerkot gaben nur ordinären Stahl. Ge - pulverte Steinkohle wirkte sehr heftig, verminderte das Volum des Eisens und fraſs es an, gab harten, spröden Stahl.

Aus diesen Ergebnissen schloſs Reaumur, daſs die geeigneten Mischungen verschieden wirkender Substanzen das beste Resultat geben müſsten. Indem er nun die gepulverte Holzkohle als den Grundstoff nahm, begann er eine neue Reihe von Versuchen durch Zusatz von allen Arten von Salzen. Die alkalischen Salze, wie Potasche und Soda, schienen die Stahlerzeugung zu beschleunigen, gaben aber ein schwer schmiedbares Produkt, das sich weder schweiſsen noch gärben lieſs. Andere, wie z. B. Borax, verminderten die Einwirkung der Kohle. Mit anderen Salzen erhielt er einen Stahl, der aber seine Stahlnatur beim Ausheizen sehr rasch wieder verlor. Diesen Fehler warf man dem Cementstahl im allgemeinen öfter vor, aber mit Unrecht, da nur gewisse Sorten denselben zeigen. Als besten Zusatz zur Holzkohle erwies sich Seesalz. Arsenik, Antimon, Schwefel und Grünspan, die Reaumur als Fluſsmittel des Eisens bezeichnet, gaben natürlicherweise gar kein Resultat.

Nachdem Reaumur durch diese Versuche die brauchbarsten Stoffe für die Cementation kennen gelernt hatte, untersuchte er in einer neuen Reihe von Versuchen die geeignetsten Mischungsverhält - nisse derselben. Als solche ergab sich ein Gemenge aus 2 Tln. Ruſs, 1 Tl. Holzkohlenpulver, 1 Tl. Asche und ¾ Tln. Seesalz. Aber die Verschiedenheit der Eisensorten erforderte verschiedene Mischungen. Auf manche wirkte diese Mischung zu energisch, dem konnte man abhelfen durch einen gröſseren Zusatz von Asche in folgendem Ver - hältnis: 2 Tle. Asche, 1 Tl. Holzkohle, 1 Tl. Ruſs, ¾ Tle. Seesalz. Diese Mischung erforderte eine längere Brennzeit. Diese Mischungs - verhältnisse sind nicht als die absolut besten anzusehen, sie sollen dem Arbeiter nur als Anhalt dienen. Durch die relative Vermehrung der fettigen Stoffe: Ruſs und Holzkohle, wird die Einwirkung des Cementierpulvers stärker, durch die Vermehrung der Asche wird sie schwächer. Läſst man das Salz fort, so ist eine viel gröſsere Menge Pulver nötig, um dieselbe Wirkung zu erreichen; umgekehrt wirkt die Erhöhung des Salzzusatzes ungünstig auf die Qualität des Stahls ein. Bei Anwendung von Holzkohlenpulver ohne allen Zusatz war die Stahlbildung eine vollkommene, nur war eine viel gröſsere Menge Pulver und eine längere Brennzeit erforderlich, als bei der Mischung. Man verzögerte die Wirkung noch mehr durch Zusatz eines in - differenten Stoffes, wofür Kalk sich am geeignetsten erwies. Nach208Die Cementstahlfabrikation.der Natur des Eisens wählt man die geeignete Zusammensetzung. Manche Eisensorten verlangen eine langsame Einwirkung. Die ange - gebenen Stoffe sind gleichzeitig die, welche am leichtesten überall zu beschaffen sind und welche sich deshalb für den Betrieb im groſsen am besten eignen.

Das Seesalz (Kochsalz), welches auch als Pulver angewendet werden muſs, läſst man am besten dekrepitieren. Die Holzkohle wird man beim Groſsbetrieb unter dem Pochwerke zerkleinern; die Siebe werden am besten durch ein Wasserrad bewegt, und das Mischen, worauf viel ankommt, wird man am besten durch Maschinen bewerk - stelligen. Versuche, das Salz als Lösung aufzugieſsen und dann die Mischung zu trocknen, haben sich nicht als vorteilhaft erwiesen. Überhaupt eignen sich die eingerührten und in Form von Kuchen getrockneten Gemenge, wie sie bei der Einsatzhärtung öfter ange - wendet werden, für diese Fabrikation nicht. Wie es ein Verhältnis der Bestandteile in der Mischung geben muſs, so muſs ein Verhältnis sein zwischen der Menge des Cementierpulvers und dem Eiseneinsatz. 2 Unzen 3 Quentchen auf ein Pfund Eisen, also bis 1 / 7, ist der beste Satz, oder im Groſsen 7 Pfund Ruſs, Pfd. Kohle, Pfd. Asche und bis 3 Pfd. Salz auf einen Centner Eisen. Hat man ein Eisen, was leicht einen guten Stahl giebt, so kann man mehr Pulver geben , bei Eisen, das nicht leicht und keinen guten Stahl giebt, vermindert man dasselbe. Jedenfalls soll man an dem Cementier - pulver, weder an der Mischung, noch an der Menge zu sparen suchen, da durch besseren Stahl die Mehrkosten reichlich gedeckt werden.

Ebenso wichtig wie die Mischung ist der Grad und die Dauer der Hitze beim Brennen. Mit dieser Frage beschäftigt sich die zweite Abhandlung. Das Feuer darf nie unmittelbar auf das Eisen oder die Mischung wirken, sondern diese müssen durch die Wände eines ringsum geschlossenen Gefäſses geschützt sein. Wo ein Riſs oder eine Öffnung der Flamme oder der äuſseren Luft Zutritt ge - stattet, findet keine Stahlbildung statt. Wo man einen Deckel an - wendet, muſs derselbe deshalb auf das sorgfältigste mit feuerfestem Material verdichtet werden. Wegen der Ausdehnung der Masse beim Erhitzen empfiehlt es sich, zwischen Deckel und Füllung einen kleinen Zwischenraum zu lassen.

Auſser der richtigen Mischung des Cements ist für die Stahl - bildung nichts so wichtig, als das Brennen. Man muſs das Fortschreiten der Verstählung durch Proben feststellen, wobei man sich nicht bei der Umwandlung des sehnigen Gefüges in ein körniges begnügen209Die Cementstahlfabrikation.darf, sondern den Stahl auf seine Härtungsfähigkeit prüfen muſs, da ersteres früher eintritt als letzteres. Ungenügend gestähltes Eisen muſs man von neuem brennen. Brennt man aber zu lange, so wird der Stahl schwer zu bearbeiten und zerfährt unter dem Hammer, im besten Falle bleibt er voller Risse und Scharten. Indessen ist es nicht so schwer, die richtige Brennzeit zu ermitteln. Aber auch in Fabriken sollte man sich nicht nach einer bestimmten Zeitdauer, sondern nach der Probe richten. Die Brennzeit ist abhängig von dem Bau und der Gröſse des Ofens, von der Gröſse des Einsatzes, der Menge des Eisens, der Mischung u. s. w. Man kann in einem kleinen Tiegel die Umwandlung in einer Stunde bewirken, wozu man in einem groſsen Ofen 12 bis 15 Tage braucht. Der Grad der Hitze ist dabei gleich wichtig. Die Einwirkung bis zur Mitte des Eisen - stabes geht um so besser und um so rascher von statten, je gröſser die Glut ist. Sie beginnt erst bei einer bestimmten Temperatur und steigert sich mit derselben. Deshalb ist die Wirkung anfangs viel langsamer als nachher, wenn die ganze Masse gleichmäſsig durch - geheizt ist. Dies fand Reaumur durch den Versuch bestätigt, indem er einen Tiegel, der nur Cementierpulver enthielt und ein Stück Eisen jedes für sich erhitzte und erst als beides eine gewisse Hitze erlangt hatte, das Eisen in das Pulver steckte. Die Stahlbildung ging alsdann sehr rasch von statten. Natürlich darf die Hitze nie so hoch steigen, daſs das Eisen (welches sich durch weitere Aufnahme von Kohlenstoff in Guſseisen verwandelt) schmilzt. Ist ein Teil der Stange geschmolzen, so ist der Rest sehr harter Stahl. Reaumur beob - achtete, daſs zuweilen nebeneinander liegende Stangen in einen halb - flüssigen Zustand gerieten, so daſs sie an einer Stelle zusammenflossen und durch einen Zapfen verbunden waren. Dieser Zapfen erwies sich als der gleiche Stahl wie die Stangen selbst. Diese Beobachtung, wenn weiter verfolgt, hätte Reaumur auf die Erfindung des Guſsstahls, welche Huntsmann erst 20 Jahre später machte, führen können. Die Verlangsamung der Brennzeit erhöht nicht die Güte des Stahls, dies stellte Reaumur durch Versuche in Muffelöfen fest. Allerdings zeigte der Stahl bei rascher Umwandlung Blasen auf seiner Ober - fläche, die bei langsamer Umwandlung sich nicht bildeten, aber diese Blasen sind ohne jeden Nachteil. Andere Versuche lehrten, daſs die Güte des Stahls leidet, wenn man ihn wiederholt in frische Mischungen derselben Zusammensetzung einsetzt, es ist besser, ihn wieder in die schon gebrauchte Mischung zurückzubringen oder eine schwächere Mischung zu nehmen.

Beck, Geschichte des Eisens. 14210Die Cementstahlfabrikation.

Eine wichtige, wenn auch nie vollkommen zu erfüllende Forderung ist die vollständige Gleichmäſsigkeit der Temperatur in dem ganzen Ofen. Um eine möglichst gleiche Wirkung zu erzielen, wählt man auch nur Stäbe von demselben Querschnitt, und zwar sind Flach - stäbe am besten. Dickere Stangen brauchen viel mehr Zeit, um durchaus in Stahl umgewandelt zu werden, und zwar wächst die Brennzeit in einem gröſseren Verhältnis als die Dicke. Das Ver - hältnis der Oberfläche zum Inhalt oder des Umfangs zum Querschnitt ist dabei von wesentlichem Einfluss.

Die Wirkung steht nicht in direktem Verhältnis zur Brennzeit, indem die frische Mischung stärker wirkt, als die, welche schon einige Zeit im Feuer war. Im Anfang geht die Verstählung rascher vor sich als gegen das Ende. Vorversuche im kleinen sind für den Groſs - betrieb unerläſslich und wie diese Versuche zu machen sind, lehrt die dritte Abhandlung. Als beste Form der Versuchsgefäſse fand Reaumur die kleiner, länglicher Kistchen; diese entspricht am meisten der Form der Flachstäbe, welche sich darin am bequemsten schichten - weise einsetzen lassen. Auch kann man eine Anzahl dieser Kistchen über - und nebeneinander in einen Glühofen einsetzen. Ein gut passender Deckel ist sehr wichtig. Derselbe kann aber durch eine aufgestampfte Decke von fettem Sand, ähnlich dem Formsand, ersetzt werden. Wie schon erwähnt, kann man beinahe jede Art von Feuerung be - nutzen. Reaumur beschreibt eine ganze Reihe von Feuerungsanlagen für die Versuche im kleinen. Benutzt man die Schmiedeesse, so kann man mit Vorteil Steinkohlen statt Holzkohlen verwenden. Für gröſsere Versuche eignet sich besser ein gemauerter Windofen von rechtwinkligem Querschnitt, in den die viereckige Versuchskiste so hineinpaſst, daſs sie von allen Seiten vom Feuer umgeben ist (Fig. 33). Der Wind wird am besten durch einen Doppelbalg erzeugt.

Diese Versuche im kleinen zeigten den Weg für das Verfahren im groſsen und für die Konstruktion eines Brennofens für den fabrikmäſsigen Betrieb. Mit dieser wichtigen Frage beschäftigt sich die vierte Abhandlung. Reaumur konstruierte einen Ofen, welcher denen, welche noch heute bei dieser Industrie in Anwendung sind, sehr ähnlich ist. Die Öfen, die man bis dahin bei den Versuchen mit der Cementstahlfabrikation in Frankreich angewendet hatte, glichen mehr den Töpfer - oder Glasöfen. Solcher waren, wie Reaumur berichtet, zwei in den letzten Jahren von Engländern angeblich nach dem Muster der in England gebräuchlichen gebaut worden: der eine von dem berüchtigten Spekulanten Law zu Harfleur, der andere zu211Die Cementstahlfabrikation.St. Germain en Laye, wobei der Herzog von Noailles beteiligt war. Letzteren hatte Reaumur gesehen; die Tiegel standen in dem Ofen - gewölbe auf Untersätzen ganz wie bei den Glasöfen. Diese groſsen

Fig. 33.

Öfen bedurften im Verhältnis zum Einsatz viel zu viel Brenn - material. Reaumur suchte einen Ofen zu konstruieren, welcher bei möglichst groſsem Einsatz nicht zu viel Umfang erforderte, sowie einfach und billig sich herstellen lieſs. Er ging dabei von seinem rechteckigen Versuchswindofen aus. Die Luftzuführung sollte durch Blasebälge geschehen, weil dies vorteilhaft schien und man die Hitze damit leicht steigern oder mäſsigen konnte. Nach mancherlei Versuchen kam Reaumur zu der Fig. 34 dargestellten Konstruktion.

Die Basis des Ofens ist rechtwinklig, fast quadratisch. Das starke Rauhgemäuer wird noch durch eiserne Bänder, welche in

Fig. 34.

Schrauben endigen und durch Muttern angezogen werden können, verstärkt. Das Rauhmauerwerk ist im Inneren mit einem Futter oder Hemd ausgekleidet, welches den inneren Ofenraum umschlieſst. 14*212Die Cementstahlfabrikation.Unten ist ein Boden eingebaut, welcher das Ofeninnere von dem Windgewölbe oder Aschenfall A trennt. Die Seitenwände der Brenn - oder Cementierkisten sind, um sie so dünn wie möglich zu halten, nicht aufgemauert, sondern aus gebrannten Platten aus feuerfestem Thon hergestellt, welche unten und an den Seitenwänden in Rinnen oder Falzen, welche im Mauerwerk ausgespart sind, einpassen und darin mit feuerfestem Lehm verdichtet werden. Auf diese Art werden drei Abteilungen hergestellt, in welche die Eisenstäbe mit dem Cementierpulver lagenweise eingetragen werden. Der mittlere Hohl - raum ist der gröſste und gröſser als die beiden seitlichen, deren Auſsenwände von dem Ofenfutter selbst gebildet werden. In Fig. 34 sieht man die drei Ofenkisten gefüllt im Querschnitt. In der Kiste

Fig. 35.

a liegen drei Eisenstäbe in derselben Lage nebeneinander, während in den schmalen Seitenkisten b b nur je ein Stab in der gleichen Lage liegt. Die drei Abteilungen oder Kisten sind oben durch Deckel geschlossen, welche seitlich übergreifen. In unserer Zeichnung sind dieselben flach dargestellt, man kann die - selben aber auch in der Mitte erhöhen, was den Vorteil hat, daſs die Kohlen, welche auf dieselben geschüttet werden, leichter auf den geneigten Flächen durch die breiten Schlitze in den Feuerungsraum rutschen.

Durch den Einbau der Kisten bleiben zwischen denselben zwei schmale Hohlräume, welche die Feuerungsräume bilden und ganz mit Brennmaterial gefüllt werden. Die mittlere, groſse Kiste ist also auf beiden Seiten vom Feuer umspielt, während die Seitenkisten nur von der einen, inneren Seitenfläche aus erhitzt werden. Die Verbrennung wird verstärkt und geregelt durch künstlichen Wind, welcher durch schlitzförmige Düsen n n unten in den Verbrennungsraum einmündet; dieselben können mehrere kleine Schlitze bilden wie im Grundriſs Fig. 35 durch n n oder einen langen Schlitz, wie durch o o angedeutet ist. Der Wind wird durch einen doppelten Blasebalg erzeugt, tritt durch die Öffnung B (Fig. 34) in den Windraum A, von wo er durch die erwähnten Düsen in den Feuerungsraum gelangt. Der obere Teil des Ofens213Die Cementstahlfabrikation.wird durch einen innen dachförmigen Deckel abgeschlossen. Derselbe hat ein Loch in der Mitte, durch welches man Kohlen nachfüllt und durch welches die Feuergase austreten können, wobei durch einen durchlöcherten Stöpsel beliebig mehr oder weniger verschlossen werden kann. An dem eisernen Rahmen des Deckels befinden sich vier Zapfen, an denen er in die Höhe gezogen wird.

In der Vorderwand oder in den beiden Schmalseiten des Ofens befinden sich verschiedene Oeffnungen, welche mit dem Ofeninneren in Verbindung stehen. In den Feuerraum führen zwei horizontale Schlitze unmittelbar über der Sohle, durch welche man die Öffnungen der Düsen, wenn sie sich durch schmelzende Massen verlegen, mittelst eines Feuerhakens reinigen kann. Höher oben befinden sich zwei gröſsere Öffnungen, welche durch vorgesetzte kleine Thürchen von Thon verschlossen sind und durch welche man die Kohlen in den beiden Feuerungsräumen mit einem Spieſs aufstochen oder sie auch mittelst einer langen Stange, welche man gegen die gegenüber - liegende Wand anstemmt, zurückhalten kann.

Ähnliche Öffnungen führen in die Brennkisten, und zwar drei breitere übereinander in die mittlere Hauptkiste und je zwei schmälere in die zwei Seitenkisten. Durch diese kann man in das Innere des Ofens sehen und den Hitzegrad beobachten, sodann zieht man durch diese Öffnungen die Proben. Beim Füllen des Ofens legt man näm - lich in der Höhe dieser Öffnungen Probestangen ein, welche in die Öffnungen hineinragen, so daſs sie leicht mit einer Zange gefaſst werden können. Glaubt man, daſs die Cementation nahezu beendet sei, so überzeugt man sich davon durch Ziehen und Probieren einer solchen Stange, was in verschiedener Höhe geschehen kann. Diese Öffnungen sind während des Betriebes mit Thonpfropfen geschlossen; durch dieselben kann man auch kleine Schäden, namentlich Sprünge und Löcher in den Seitenplatten ausbessern, indem man sie mit feuer - festem Thon verschmiert.

Da beim Brennen die Füllung allmählich etwas einsinkt, so ent - steht oben ein leerer Raum; diesen füllt man durch die obere Öffnung wieder aus, indem man dünnere Eisenstangen und Cementierpulver einträgt. Die dünneren, später eingesetzten Stangen werden doch mit den dicken Stangen gleichzeitig gar werden.

Will man den Ofen laden, so schneidet man zunächst die Eisen - flachstäbe auf gleiche Längen ab, und zwar so, daſs dieselben 1 bis Zoll kürzer sind als der Innenraum der Kiste. Es empfiehlt sich, oben und unten, wo die Hitze geringer ist als in der Mitte, schwächere214Die Cementstahlfabrikation.Stäbe einzulegen. Die heiſseste Zone liegt aber nicht immer gerade in der Mitte. Man ermittelt dieselbe durch einen Versuch, indem man eine Eisenstange vertikal einsteckt und mitbrennt. Hiernach zerschlägt man sie in viele kleine Stücke, die man getrennt probiert und dadurch ermittelt, in welchen Höhen dieselbe mehr oder weniger der Hitze ausgesetzt war.

Jede Lage Eisen wird gewogen und ebenso wird das Cementier - pulver entweder zugewogen oder zugemessen. Obgleich die seitlichen Kisten nur etwa so breit sind als die Hauptkiste, werden sie doch nicht so heiſs wie letztere; deshalb legt man auch in die Seiten - kisten schwächere Stäbe ein. Es steht durchaus nichts im Wege, die mittlere Kiste noch grösser zu machen, als oben angegeben: die Brennzeit wird dann eine längere sein, aber es wird auch eine gröſsere Menge Eisen in Stahl verwandelt. Sind die Kisten gefüllt, so werden die Deckel aufgesetzt und sorgfältig lutiert. Alsdann wirft man erst einige glühende Kohlen in die beiden Feuerräume und füllt dann Kohlen nach, bläst schwach an, um die Hitze in Gang zu bringen und setzt sodann den Hauptdeckel auf den Ofen. Man darf beim Nachfüllen nie zu viel Kohlen auf einmal aufgeben. Es ist nicht gut, wenn die Kohlen den ganzen Feuerraum erfüllen, viel - mehr werden die Wände viel heiſser, wenn eine niedrige Schicht Kohlen in gleichmäſsiger voller Glut erhalten wird, dann geben die Verbrennungsgase am meisten Wärme an die Kistenwände ab. Durch die vorspringenden Ränder der Kistendeckel wird der Schlitz, durch welchen die Gase entweichen müssen, verengert, wodurch die Hitze mehr zusammengehalten wird. Auch muſs man sorgfältig vermeiden, daſs kalte Kohlen, die noch nicht entzündet sind, durch den Spalt in den Feuerraum fallen. Das Vorwärmen der Kohlen ist ein wesent - liches Beförderungsmittel des Prozesses.

Die ersten Stunden bläst man langsam, damit sich die Wände allmählich erhitzen und durch zu plötzliche Hitze nicht reiſsen, dann aber läſst man den Wind voll an. Es ist sehr wichtig, daſs der Windstrahl genau in der Mitte senkrecht aufsteigt, und daſs er nicht nach einer Seite hinbläst. Den Wind durch eine gröſsere Anzahl Öffnungen oder durch einen langen Schlitz eintreten zu lassen, ist nur zu empfehlen, weil dadurch eine bessere Verteilung der Hitze bewirkt wird. Für einen Ofen von 300 kg Eiseneinsatz, wie ihn Reaumur beschrieben hat, genügt ein Doppelbalg von Fuss Länge bei 30 bis 40 Hüben in der Minute. Der Balgzieher besorgt auch das Aufgeben und Einschieben der Kohlen. Sind die Eisen -215Die Cementstahlfabrikation.stäbe nicht dicker als drei Linien bei etwa 20 Linien Breite, so können dieselben bei einem Einsatz von fünf bis sechs Centnern Eisen in 24 bis 36 Stunden in Stahl verwandelt werden; hierzu sind sechs bis sieben Karren Kohlen erforderlich. Man kann also in einem solchen kleinen Ofen dadurch, dass die Brennzeit kürzer ist, in derselben Zeit annähernd ebensoviel Stahl erzeugen, als in einem groſsen Ofen, der entsprechend längere Brennzeit erfordert.

Will man aber für einen gröſseren Betrieb gröſsere Öfen con - struieren, so kann man ganz dasselbe Modell beibehalten und nur die Maſse vergröſsern. In erster Linie aber macht man die Öfen und die Eisenstäbe, die man einsetzt, länger. Die Kisten breiter und höher zu machen, empfiehlt sich weniger, als ihre Zahl und zugleich auch die der Feuerungen zu vermehren, also statt einer mittleren Kiste drei Kisten einzubauen, wobei man auch die Feuerungen um zwei vermehren muſs. Ein solcher groſser Ofen ist vorteilhafter als mehrere kleine von gleichem Einsatzquantum, weil in den groſsen Öfen das Verhältnis der Mittelkisten zu den Seitenkisten, in welchen die Stahlbildung nur sehr unvollkommen erreicht wird, ein günstigeres ist. Auch wird an Arbeitslohn gespart. Es empfiehlt sich, an jeder Düse eine Klappe anzubringen, womit man den Wind ermäſsigen oder abstellen kann. Das Windquantum muſs für gröſsere Öfen ent - sprechend gröſser sein und läſst sich leicht durch Rechnung er - mitteln1)Reaumur teilt eine solche Windberechnung mit, loc. cit. S. 128.. Statt der ledernen Doppelbälge, welche von Hand gezogen werden, wird man bei groſsen Öfen besser Holzblasebälge, von einem Wasserrad bewegt, benutzen. Nach Reaumurs Berechnung würde ein Holzblasebalg, wie er bei den Hochöfen angewendet wird, für einen Stahlbrennofen von 10000 kg Eiseneinsatz genügen; doch der Verfasser bezweifelt, daſs jemals Öfen von solcher Grösse gebaut werden würden.

Die Blasebälge, wie sie bei den Frischherden im Gebrauch sind, genügen nach seiner Berechnung für Öfen von 3000 kg Einsatz. Der ökonomisch wichtigste Gesichtspunkt ist die Ausnutzung der Wärme und die wird bei der vorgeschlagenen Konstruktion in viel höherem Grade erreicht, als bei den gewönlichen Wind -, Glas - und Töpferöfen. Aus diesem Grunde ist auch die Erhöhung der Kisten weniger vor - teilhaft, als die Verlängerung derselben. Bei der gleichen Feuerung liegt das Maximum des Wärmeeffekts in einer bestimmten Höhe über den Winddüsen; darüber hinaus nimmt die Wirkung ab. Ferner216Die Cementstahlfabrikation.muſs man die Wände mit zunehmender Höhe entsprechend dicker machen, so daſs man schlieſslich die gebrannten Platten durch ein Mauerwerk aus feuerfesten Backsteinen ersetzen muſs. An Stelle dieses wären aber Kisten aus dicken Eisenplatten wohl noch vor - zuziehen, wobei man allerdings von der künstlichen Windzuführung absehen müſste. Man könnte dann mit Holz heizen und die Gase durch einen Schornstein abführen. Ein Rost wäre leicht hergestellt durch in gewissen Abständen eingemauerte Backsteine1)Reaumur a. a. O. Tab. V..

Nachdem Reaumur so in eingehendster Weise ein klares Bild eines Stahlcementierofens gegeben hat, wendet er sich in der fünften Abhandlung zu der Untersuchung der verschiedenen Eisensorten auf ihre Stählungsfähigkeit. Daſs Schmiedeeisen aus verschiedenen Erzen in dieser Beziehung ein sehr verschiedenes Verhalten zeigt, ist eine bekannte Thatsache: manches ist besser, manches gar nicht zu gebrauchen; manches braucht mehr Cement, manches längere Zeit zur Umwandlung. Reaumur hat mit einer groſsen Anzahl Eisen - sorten, namentlich mit französischen, Versuche angestellt und ist da - durch zu gewissen allgemeinen Regeln geführt worden. Das Haupt - mittel der Unterscheidung bildet das Bruchansehen, welches von dem Gefüge oder der Textur des Eisens bedingt ist. Zuvor aber kann als erste Regel für alle Eisensorten gelten, daſs man kein Eisen zur Cementation nimmt, welches Risse, Narben und Flecken zeigt, sondern daſs man nur gesunde, saubere, gutgeschmiedete Stäbe hierfür aus - wählt. Rotbrüchiges Eisen darf man nie verwenden und muſs das Schmiedeeisen stets darauf untersuchen, weil Rotbruch bei den ver - schiedensten Sorten vorkommen kann. Dieser Fehler verschwindet nicht durch die Cementation, sondern tritt nur noch mehr hervor. Im allgemeinen unterscheidet man weiches und hartes Eisen, ersteres läſst sich wiederholt nach allen Seiten biegen und winden, ohne zu brechen, letzteres bricht hierbei. Nach der Struktur unterscheidet man sehniges und körniges Eisen, aber die Abstufungen sind unend - lich, so daſs fast jede Eisensorte einen anderen Bruch zeigt. Reau - mur hat zum ersten Male die Bruchflächen der Eisensorten genau beschrieben, sie in gewisse Gruppen gefaſst und sie, so gut dies mög - lich ist, durch Zeichnungen und Kupferstiche veranschaulicht. Be - züglich der Einzelheiten müssen wir auf seine Abhandlung verweisen und können nur das Allgemeinste hier mitteilen. Reaumur hebt mit Recht hervor, daſs das Bruchansehen des Eisens in seinen ver -217Die Cementstahlfabrikation.schiedenen Zuständen mehr abweiche, als das mancher verschiedener Metalle, wie z. B. Blei, Zinn und Silber. Die Schmiedeeisensorten zerfallen, wie schon erwähnt, in zwei Klassen, in solche mit körnigem oder blätterigem und solche mit sehnigem Bruch; ersterer gleicht mehr dem der Steine (Sandstein, Kalkstein, Granit), letzterer mehr dem des Holzes. Diese Einteilung genügt aber nicht, Reaumur faſst deshalb die verschiedenen Brucherscheinungen in sieben Gruppen zu - sammen, die er genau beschreibt und in Bezug auf ihre Brauchbar - keit für die Cementstahlfabrikation untersucht. Diese Gruppen sind kurz folgendermaſsen charakterisiert: 1) glänzend, groſsblätterig; 2) glänzend, kleinblätterig; 3) blätterig und körnig gemischt, wobei aber die graulichen körnigen Partieen gegen die glänzenden blätte - rigen zurücktreten; 4) körnig-blätterig, wobei die feinkörnigen Partieen vorherrschen und die Blätter weniger groſs und glänzend sind; 5) körnig, welcher Bruch oft bei gutem, weichem Schmiedeeisen sich zeigt; 6) körnig-blätterig-faserig, wobei die körnigen Partieen vor - herrschen, die einzelnen Körnchen aber weniger scharf und mehr ab - geplattet erscheinen; 7) sehnig, welches man vorzugsweise als weiches Eisen zu bezeichnen pflegt, wie z. B. das von Berry, von dem Hammer - werk von Painpont in der Bretagne, von Foix u. s. w.

Die Verschiedenheit dieser Gruppen rührt nicht allein von der Erzeugung, sondern auch von der Behandlung her. Oft finden sich verschiedene Bruchflächen an demselben Stabe. Überhaupt sind die Grenzen nicht scharf. Demungeachtet ist die Einteilung eine brauchbare.

Gruppe 1 ist schlechtes Schmiedeeisen und auch zur Cement - stahlbereitung ganz ungeeignet, der daraus bereitete Stahl zerbröckelt unter dem Hammer.

Gruppe 2 verarbeitet sich gut als Eisen, namentlich für polierte Sachen, taugt aber nicht zur Stahlbereitung; ein vorheriges Um - schmieden verbessert es etwas. Will man diese Eisensorten cemen - tieren, so wählt man schwache Mischung und kurze Brennzeit. Den Grund der Unbrauchbarkeit dieser beiden Sorten findet Reaumur hauptsächlich in dem zu lockeren Gefüge.

Gruppe 3 verwandelt sich meist leicht in guten Stahl. Es be - darf keines starken Cements noch langer Hitze. Der erzeugte Stahl hat eine schöne weiſse Farbe, wie überhaupt der Stahl von Eisen mit glänzend-blätterigem Bruch weiſser wird als der von körnigem.

Gruppe 4 giebt am zuverlässigsten Stahl bei der Cementation; derselbe ist grau und läſst sich vorzüglich schmieden; dagegen ist er nicht immer der härteste. Er ist besonders geeignet für feine, saubere218Die Cementstahlfabrikation.Arbeit. Er braucht keine lange Brennzeit, ist aber nicht empfindlich darin. Reaumur erklärt diese Vorzüge aus der Struktur, die eine Durchdringung und Verteilung des wirksamen Agens erleichtern, auch sei der feinkörnige Grundstoff schon als natürlicher Stahl an - zusehen.

Das Eisen der 5. Gruppe, zu dem namentlich das Quadrateisen (les quarrillons) von der Champagne und von Nivernois gehören, be - darf einer langen Brennzeit zur Stahlverwandlung, woran das gröbere Korn Schuld ist; dagegen kann die Mischung schwächer sein als bei Gruppe 4. Der Stahl ist grau und gut schmiedbar. Bei dieser Eisenart finden sich oft Stangen, die schon sehr hart sind und sich nur schwer schmieden lassen. Diese muss man aushalten, da sie sich nur sehr langsam brennen. Allerdings habe ich aus derartigen Stäben von Berry den härtesten und feinsten Stahl, der sich sehr leicht verarbeiten lieſs, erhalten. Dagegen läſst sich das Harteisen (fer fort) von Foix, das eigentlich schon ein grober Naturstahl ist, durch Cementation nicht zu feinem Stahl umwandeln.

Das Eisen der 6. Gruppe, das weder blätterig noch körnig ist, giebt ungleichen Stahl, der sich oft nur schwer bearbeiten läſst. Man schmiedet es am besten zuvor um, wobei man meist sehniges Eisen erhält.

Dieses Eisen der 7. Gruppe giebt, wenn es frei von Rotbruch ist, ausgezeichneten Stahl, der viele Körper hat, d. h. der viele Hitzen erträgt, ohne sich zu verändern. Dieser bedarf der längsten Brenn - zeit, was zum Teil daher kommen mag, daſs das Feuer doppelte Arbeit zu verrichten hat, indem es die faserige Struktur in eine körnige verwandeln und die Stahlbildung bewerkstelligen muſs. Auch er - fordert das sehnige Eisen stärkere Cemente. Die sehnigen Eisensorten sind aber unter sich auch sehr verschiedener Art, einige sind gemengt mit blätterigem, andere mit körnigem Eisen und zeigen auch die oben beschriebenen Eigenschaften dieser, nur werden sie immer durch die beigemengte Sehne verbessert. Ein groſsblätteriges Eisen Gruppe 1, das mit sehnigem Eisen vermischt ist, kann brauchbaren Stahl geben. Ausser dem Unterschied im Gefüge ist auch noch ein Unterschied in der Färbung zu beobachten, indem bei gleichem Gefüge diese heller oder dunkler sein kann. Sehr weiſse und sehr schwarze Fär - bung sind keine günstigen Zeichen. Eine allgemeine Regel ist, das Eisen ist um so besser, je feiner und je gleichförmiger seine Teil - chen sind, dies gilt von den Blättchen, von dem Korn und von der Sehne.

219Die Cementstahlfabrikation.

Da nur ein sehr kleiner Teil des Eisens als Stahl zur Verwen - dung kommt, so kann man das richtige unter den vielen Sorten des Königreiches schon aussuchen; wenn es sein muſs, kann man aber auch schwedisches Eisen, das, wie schon bemerkt, in unseren Häfen so billig wie unser eigenes zu haben ist, verwenden. Aber es ist dies nicht nötig , sagt Reaumur. Ich habe mit einer ganzen Reihe französischer Eisensorten bereits günstige Resultate erzielt, unsere meisten Provinzen liefern brauchbares Cementeisen.

Der Verfasser berichtet nun in seiner sechsten Memoire über die Veränderungen, welche das Eisen bei seiner Umwandlung in Stahl erfährt; über die Vorsichtsmaſsregeln, die man beim Ausschmieden des Brennstahls anwenden muſs und endlich über die Kosten des Verfahrens.

Die Veränderungen, welche das Schmiedeeisen beim Über - gang zum Stahl bei der Cementation erleidet, sind ebenso interessant vom physikalischen, wie vom metallurgischen Standpunkte aus. Der Stab von weichem Schmiedeeisen von körniger oder sehniger Textur erscheint nach der Cementation, einerlei ob er rasch oder ganz lang - sam im Ofen selbst erkaltet ist, als spröder, harter Stahl, derart wie der Stahl sonst nur nach raschem Ablöschen erscheint. Ein Schlag mit dem Hammer beweist, ob das Eisen richtig cementiert ist, in diesem Falle wird der Stahl in Stücke brechen. Bleibt er ganz, so war die Cementation keine vollständige. Die Bruchfläche ist gegen früher ganz verändert; statt der Sehnen und Körner zeigen sich Blätter. Gefüge und Farbe sind mehr wie bei weiſsem Roheisen als bei irgend einer anderen Eisensorte. Ein ungeübtes Auge wird es nicht für Stahl halten, sondern für schlechtes (verbranntes) Schmiedeeisen. Und doch unterscheidet sich der Bruch wesentlich in zwei Punkten von schlechtem Schmiedeeisen, erstens sind die Blätter, wenn auch groſs und unregelmäſsig, doch ganz regelmäſsig gelagert, und zwar senk - recht zur Längenachse des Stabes, zweitens ist die Farbe eine ganz andere, sie ist matt und grauer als die von Schmiedeeisen. Dies tritt deutlich hervor, wenn man ein Stück von diesem daneben hält. Die Blättchen erscheinen wie schlecht poliert und von rauher Oberfläche, wie gespickt oder aufgesträubt. Dies rührt von dem Umwandlungs - prozeſs her.

Dieser läſst sich in seinem Fortschreiten ebenfalls an den Bruch - flächen in den verschiedenen Stadien erkennen. Die Umwandlung beginnt an der Oberfläche und schreitet nach der Mitte zu fort. Die sehnige Textur des Eisens verschwindet nahe der Oberfläche zuerst;220Die Cementstahlfabrikation.im Bruch erscheint der Stab noch im Inneren sehnig, nach auſsen hin umgeben von einem Kranz von Blättchen, deren Glanz aber nicht matt ist, sondern glänzend wie bei Gruppe 1. Sie sind noch nicht in Stahl verwandelt, sondern erst im Übergang dazu. Die Änderung der Struktur geht also der Stahlbildung voraus. Der äuſsere Ring von blätterigem Gefüge verbreitert sich, bis er bis zur Mitte gelangt ist. Gleichzeitig wird die Farbe ebenfalls von auſsen nach innen fortschreitend matt und grau. Dickere Stäbe zeigen bei diesem Über - gang einen sehnigen Kern, dann eine glänzende und auſsen eine matte, blätterige Hülle, wie Fig. 36 es darstellen soll. Der sehnige Kern verwandelt sich allmählich in glänzende Blätter, wird aber erst Stahl, wenn er die mattgraue Farbe des äuſseren Ringes bekommt. Währenddem bleiben aber die äuſseren Teile nicht unverändert, die Blätter werden kleiner, die Farbe dunkler. Bei dem körnigen Eisen

Fig. 36.

Gruppe 3 und 4 zeigt sich die Umwandlung in ähnlicher Weise, erst bildet sich ein nach innen fortschreitender Ring von glänzenden Blättern, dem einer von mattgrauen Blättern und diesem einer von dunkler grauen, ver - schwommenen Körnchen folgt. Die Blätter - bildung geht hierbei leichter von statten als bei dem sehnigen Eisen, das wohl aus diesem Grunde eine längere Brennzeit be - ansprucht. Der Bruch giebt das einfachste und sicherste Zeichen, ob und wie weit das Eisen in Stahl umgewandelt ist. Er gestattet aber auch ein Urteil über die Güte des Stahls. Zeigt der Bruch sich nur dunkel und feinkörnig, so war das Eisen zu lange im Feuer, der Stahl ist unbrauchbar; zeigt sich nur ein schmales, feinkörniges, dunkles Band, so wird er hart sein, aber leicht zu schmieden; ist dieses Band breiter als die blätterige Mitte, so wird der Stahl meist rissig; ist dies nicht der Fall, so ist er von besonderer Güte. In der Regel soll der blätterige Teil grösser sein als der umgebende körnige. Der Stahl ist im Inneren nie derselbe wie auſsen. Gerade dadurch lassen sich aber die verschiedenen Stahlsorten erzielen, welche die Praxis verlangt. Dünnere Stäbe werden aber rascher und gleichmäſsiger gestählt als dicke.

Der Fehler, der bei gutem Eisen durch zu langes Brennen ent - steht, erscheint bei schlechten Eisensorten auch ohne dieses, indem bei diesen die äuſseren Partieen schon dunkel und körnig werden, ehe die inneren noch ihren Glanz verloren haben; so verhält sich das221Die Cementstahlfabrikation.blätterige Eisen Gruppe 1 und 2. Nach Reaumurs Auffassung saugen diese zu rasch den Schwefel und das Salz ein, so daſs die äuſseren Teile schon übersättigt sind, ehe bei den inneren nur die Einwirkung beginnt. Die verschiedenen Eisengruppen behalten eine Verschieden - heit auch nach der Cementation, welche sich besonders in der Gröſse der Blättchen und im Glanz zeigt; so zeigt das schwedische Eisen oder das der Gruppe 4 nach dem Brennen lebhafteren Glanz als das von Gruppe 1, 2 und 5. Als Regel läſst sich sagen, das zuverlässigste Eisen ist das, welches bei gleichem Grade der Cementation die gröſsten Blätter zeigt. Das schwedische hat auch diesen Vorzug.

Das Äuſsere der cementierten Stäbe zeigt häufig Erhöhungen, Fig. 36, die man als Blasen bezeichnet, weil man sie einem inneren Kochen zuschreibt. Von diesen nennt man den Cementstahl auch Blasenstahl (blister-steel im Englischen).

Diese Blasen sind meist länglich, von verschiedener Gröſse und finden sich auch im Inneren. Reaumur, der geneigt war, diese Blasenbildung einer stärkeren Einwirkung des Salzes zuzuschreiben, überzeugte sich durch Versuche, daſs dies nicht der Fall war. In der Regel sind die Blasen Zeichen, daſs der Stahl lange genug ge - brannt war. Sie sind aber ebenso sehr Zeugen der Heftigkeit als der Dauer der Einwirkung. Bei schwacher Hitze entstehen sie auch bei langem Brennen nicht. Neben diesem sichtbaren Aufblähen hat ein unsichtbares in der ganzen Masse statt, welches durch eine Volum - vermehrung sich anzeigt. Sie beträgt nahezu 10 Proz., wie Reaumur durch Längenmessungen feststellte. Aber nicht nur das Volum der Eisenstange nimmt bei der Cementation zu, sondern auch das Ge - wicht, und zwar ermittelte Reaumur eine Zunahme von 0,39 Proz. Obgleich der rohe Cementstahl so brüchig ist wie abgelöschter Stahl, so hat er doch durchaus nicht die Härte desselben. Er ist nur wenig härter wie Schmiedeeisen. Erhitzt man ihn aber und löscht ihn ab, so wird er ebenso hart wie gehärteter Stahl. Zieht man eine Stange glühend aus dem Ofen und wirft sie in das Wasser, so wird sie hart und im Bruche feinkörnig, aber nicht so schön und gleichmäſsig, als wenn man sie vorher überschmiedet hat. Dies benutzt man beim Probeziehen. Hat man die Proben in verschiedenen Höhen des Ofens genommen und hat man sich überzeugt, daſs die Cementation in der gewünschten Weise stattgefunden hat, so hört man auf zu feuern und zieht, wenn der Ofen dazu eingerichtet ist, die Stäbe heraus oder läſst sie in dem Ofen und mit demselben erkalten. Alsdann erwärmt man die Stäbe wieder in einem Schmiedeherd und schmiedet sie vor -222Die Cementstahlfabrikation.sichtig aus. Hierbei erhitzt man sie anfangs am besten nur bis zur hellen Rotglut. Besser noch ist es, wenn man die Stangen in einem Flammofen ausheizen kann, weil sie dann gleichmäſsiger erhitzt werden. Hierfür sind die Glühöfen mit Holzfeuerung am besten, die man anwendet, um die Stäbe, welche man durch die Plättwalzen und Scheibenmesser der Eisenschneidwerke (les rouleaux des applatisseries et les couteaux de fenderies) gehen läſst, zu erhitzen.

Ist der Brennstahl aus gutem und richtig geschmiedetem Eisen hergestellt, so ist der Abgang nicht gröſser als beim Ausschmieden von gwöhnlichem Eisen. Beim Ausschmieden von solchem aus schwe - dischem Eisen in Vierkantstäbe von zwei Zoll auf vier Linien fand ihn Reaumur nicht höher als 1 / 12.

Sind die Stäbe zur gewünschten Form ausgeschmiedet, so werden sie gehärtet. Dies geschieht hauptsächlich, weil es im Handel so ver - langt wird. Man erhitzt die Stäbe bis zur Kirschrotglut und wirft sie dann in kaltes Wasser. Dadurch wird der Stahl hart und fein - körnig.

Reaumur teilt auch eine Kostenberechnung für einen Ofen für 300 kg Einsatz in Paris mit. Danach stellten sich die Kosten der Cementation auf 11 Mk. für 100 kg Eisen. Auf dem Lande, in der Nähe von Eisenhämmern, würden die Kosten nur ca. 6,40 Mk. be - tragen. Der Eisenabgang und die Unkosten beim Schmieden berechnen sich zu 4 Mk. pro 100 kg. Diese Kosten sind gering im Verhältnis zu den Preisen von Eisen und Stahl, denn während man für 100 kg von ersterem 24 Mk. bezahlt, kosten 100 kg guter Stahl 160 Mk. Beim halben Preise für geschmiedeten Cementstahl würde noch ein be - trächtlicher Gewinn erzielt werden.

Nachdem Reaumur in den angeführten Kapiteln ein klares Bild der Cementstahlfabrikation gegeben und die Frage nach ihrer praktischen Seite erschöpfend durchgearbeitet hat, wendet er sich in seinen folgenden Memoiren zur theoretischen Erörterung des merk - würdigen Prozesses und behandelt in der siebenten Abhandlung zu - nächst die Frage des Unterschiedes zwischen Stahl und Eisen. Hier - bei widerlegt er zunächst die landläufige Erklärung, daſs der Stahl ein vollkommener gereinigtes Eisen sei. Er führt aus, daſs, wenn man die Reinigung richtig als eine Abscheidung aller fremden Stoffe auf - fasse, bei der Cementation von einer solchen Reinigung nicht die Rede sein könne, es würden bei diesem Prozeſs keinerlei Stoffe aus dem Eisen entfernt, sondern im Gegenteil beweise die von ihm nach - gewiesene Gewichtszunahme eine Zufuhr fremder Stoffe. Dieser fremde223Die Cementstahlfabrikation.Stoff sei aber keinesfalls Eisen. Die Reinigung des Eisens zu Stahl aber so aufzufassen, daſs der Stahl einen vollkommenen Zustand des Eisens darstelle, sei ebenfalls widersinnig. Eisen und Stahl seien Körper von verschiedenen Eigenschaften, von denen die einen diesem, die anderen jenem Zwecke besser dienten, und man könne durchaus nicht sagen, daſs der eine an und für sich schätzbarer sei als der andere. Fiele alles Eisen bei seiner Herstellung als Stahl, so wäre man ebenso gezwungen, auf Mittel zu sinnen, denselben in weiches, geschmei - diges Eisen umzuwandeln, wie man jetzt den umgekehrten Weg ver - folge. Eine Reinigung finde bei der Verwandlung des Schmiedeeisens in Stahl also nicht statt, sondern eine Stoffaufnahme. Diese Stoffe konnten nach dem damaligen Stande der Wissenschaft keine anderen sein als Schwefel und Salz. Dies ist nun freilich ein groſser Irrtum, denn der bei der Cementation von dem Eisen aufgenommene Stoff ist weder Schwefel noch Salz, sondern Kohlenstoff. Reaumurs falsche Theorie beeinträchtigt aber in keiner Weise die Richtigkeit seiner Beobachtungen, dagegen verleitet sie ihn zu falschen Schlüssen. Er findet die Aufnahme von Schwefel und flüchtigem Salz darin bestätigt, daſs bei öfterem Ausheizen der Stahl an seinen charakteristischen Eigenschaften Einbuſse erleide. Dies erklärt Reaumur aus der Verflüchtigung der aufgenommenen Stoffe und er behauptet, daſs man durch längeres Erhitzen Schwefel und Salz gänzlich wieder austreiben könne, wodurch der Stahl wieder zu Schmiedeeisen werde. Diese Be - hauptung ist in dieser unbedingten Fassung falsch und konnte von ihm nur aufgestellt werden, weil er die Rolle, welche der Sauerstoff der Luft bei der Entkohlung des Stahls spielt, nicht kannte. Diese falsche Theorie ist es auch, welche Reaumur die Bedeutung des Seesalzes als eines Bestandteils der Cementierpulver überschätzen läſst.

Reaumur fand selbst, daſs das Erhitzen in einem Kohlenfeuer unsicher war und ganz verschiedene Resultate ergab. Bei seiner Untersuchung der Einwirkung verschiedener Stoffe auf das Eisen in der Hitze, welche er angestellt hatte, um das beste Cementierpulver zu finden, hatte er bereits die Beobachtung gemacht, daſs manche Stoffe, statt das Eisen härter zu machen, es eher weicher machten. Dieser bediente er sich nun, um in derselben Weise wie bei der Cementation, den Brennstahl darin einzupacken und zu glühen. Als die geeignetsten Stoffe hierfür fand er Knochenkohle und Kreide, welche er mit ihres Gewichtes mit Holzkohlenpulver vermengte. Dieses Glühen geschah in denselben Öfen, wie das Cementieren. Die Brennzeit erforderte aber nur der Zeit, wie beim Cementieren. 224Die Cementstahlfabrikation.Auch hierbei begann die Einwirkung an der Oberfläche und schritt von auſsen nach innen fort. Nach einiger Zeit zeigte sich im Bruch ein Saum von weichem Eisen, während das Innere Stahlbruch zeigte. Die Breite dieses Saumes giebt das Zeichen für die Beendigung des Prozesses. Dieser Saum von weichem Eisen ist durchaus nicht nach - teilig für die Güte und Brauchbarkeit des Stahls, denn sie schützt den Stahl beim Erhitzen vor dem Verbrennen, dem er sonst leicht ausgesetzt ist und sie erleichtert die Schweiſsung desselben. Dieses Verfahren, von welchem sich Reaumur sehr viel versprach, erleich - tert die Cementation auch insofern, als man nicht ängstlich zu sein braucht, die Brennzeit zu überschreiten, weil der Fehler durch diesen Prozeſs sich vollständig wieder gut machen lieſse.

Reaumur dehnte diese Versuche nun auch auf den natürlichen Stahl aus und fand, daſs derselbe sich ebenso verhalte. Ja er machte dieselben Experimente mit Roheisen, wobei er denselben günstigen Erfolg erzielte. Dadurch gelangte er zur Ueberzeugung, daſs weiſses Roheisen, Stahl und Stabeisen eine Reihe darstellen von Eisen als Grundstoff mit mehr oder weniger Schwefel - und Salzgehalt. Diese Theorie, welche er in seiner neunten Memoire ausführlich behandelt, haben wir bereits erwähnt.

Theoretisch erklärt Reaumur den oben erwähnten Vorgang so, daſs die Kreide und ähnliche Substanzen die Fähigkeit besäſsen, die schweflige und salzige Beimengung des Eisens aufzusaugen, daſs es also der umgekehrte Vorgang sei, wie bei der Cementation. Dort giebt dies Pulver, bestehend aus Kohle und Seesalz, in welchem das Eisen geglüht wird, die salzige und schweflige Materie an das Eisen ab, hier giebt umgekehrt das Eisen diese Stoffe an die Umgebung ab, das Pulver, in der Hauptsache aus Kreide oder Knochenkohle bestehend, saugt die schweflig-salzige Materie auf.

Da nun nach seiner Theorie Roheisen nichts anderes ist als Eisen mit einer gröſseren Beimengung schweflig-salziger Materie als Stahl, so steht nichts im Wege, Roheisen durch eine ähnliche Behandlung in Stahl1)Glühstahl. und in Schmiedeeisen überzuführen, und seine Versuche haben dies, wie er angiebt, bestätigt.

Reaumur weist auch mit Recht auf das Stahlbereitungsverfahren hin, welches Biringuccio beschrieben hat, und welches nichts anderes sei als eine Cementation von Schmiedeeisen in flüssigem Roheisen.

225Die Cementstahlfabrikation.

Es ist ihm ohne Mühe in einer gewöhnlichen Schmiede gelungen, durch Einrühren von altem Schmiedeeisen, Nägeln u. s. w. in flüssiges Roheisen Stahl zu erzeugen. Dieses Ver - fahren empfiehlt Reaumur zur Herstellung eines ge - ringen, aber billigen Stahls.

In der folgenden Abhandlung beschreibt Reaumur die Kenn - zeichen von gutem und schlechtem Stahl und giebt neue Mittel an, die Qualität des Stahls nach Bruchansehen, Härte u. s. w. zu er - kennen. Er sagt mit Recht, die Unterscheidungsmerkmale der Stahl - arbeiter seien so wenig zuverlässig, daſs sie in den meisten Fällen ihren Stahl auf ungefähr kauften und ihn erst nach dem Erfolg be - urteilten. Er weist darauf hin, daſs die farbig angelaufenen Rosen auf der Bruchfläche, welche von den Händlern so gerühmt und von den Schmieden gesucht würden, ein sehr unzuverlässiges Zeichen der Güte, wie der Härte des Stahls seien. Manche geringe fran - zösische Stahlsorten zeigten dieselben, während sehr feine deutsche Stahlsorten dieselben nicht zeigten. Es würde uns hier zu weit führen, auf Reaumurs Prüfungsmethoden näher einzugehen, einiges darüber haben wir bereits mitgeteilt.

Dagegen können wir nicht umhin, hier noch kurz das anzuführen, was Reaumur über die Einsatzhärtung (la trempe en paquet) in seiner zwölften Abhandlung vorbringt. Obgleich die Einsatzhärtung und die Cementation auf gleicher Grundlage beruhten und anschei - nend ganz übereinstimmten, so bestehe doch ein wichtiger Unterschied zwischen beiden darin, daſs man bei der Einsatzhärtung nur eine Ober - flächenhärtung erstrebe, den Eisenkörper aber möglichst zu erhalten suche, während man bei der Cementation die ganze Masse bis ins Innerste in Stahl umzuwandeln strebe. Bei letzterer wolle man erst ein Material herstellen, das man alsdann verarbeite und je nach dem Zwecke seiner Verwendung in bestimmte Formen ausschmiede, bei ersterem dagegen habe man schon die gewünschte Form erzeugt und wolle dieser nur so weit wie nötig eine äuſserliche Härtung geben; es soll dabei möglichst vermieden werden, den Gegenstand spröde zu machen; seine Festigkeit soll ihm erhalten bleiben, was nur möglich ist, wenn die Umwandlung in Stahl nur eine oberflächliche ist, der Kern aber Schmiedeeisen oder weicher Stahl bleibt. Deshalb müsse man bei der Einsatzhärtung für das Härtepulver schnellwirkende Stoffe auswählen, welche schon bei geringer Hitze wirksam seien. Aus diesem Grunde eignen sich Stoffe für die Einsatzhärtung oder Oberflächenverstählung, welche für