Erſte Vorleſung. Waͤrmeſtoff. Temperatur. Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤrme. Thermometer. Feſte Puncte des Ther - mometers. Ungleichfoͤrmige Ausdehnung verſchiedener Koͤrper. Aus - dehnung feſter Koͤrper. Ausdehnung luftfoͤrmiger Koͤrper. Luftther - mometer, Differenzthermometer. Pyrometer. Thermometer fuͤr die groͤßten und kleinſten Temperaturen.
Zweite Vorleſung. Erſcheinungen, die von der Ausdehnung der Koͤrper abhaͤngen. Compenſationspendel. Temperatur in der Tiefe großer Seen und des Meeres. Waſſerloͤcher. Luftſtroͤmungen.
Dritte Vorleſung. Strahlende Waͤrme. Zuruͤckwerfung und Bre - chung. Brennſpiegel und Brennglaͤſer. Waͤrme der einzelnen pris - matiſchen Farbenſtrahlen. Schwaͤchung der Waͤrme beim Durchgang durch andre Koͤrper, beim Durchgang durch mehrere Glaͤſer. Un - gleiche Waͤrmeſtrahlung bei Verſchiedenheit der Oberflaͤche. Leslie's Photometer, Aethriometer. Anſcheinend ſtrahlende Kaͤlte.
Vierte Vorleſung. Leitung der Waͤrme. Leitung im Waſſer. Ge - ſetze der Abkuͤhlung in der Luft. Fourier's Unterſuchungen. Faͤlle, wo das Geſetz der Austheilung der Waͤrme waͤhrend der Abkuͤhlung dasſelbe bleibt.
Fuͤnfte Vorleſung. Differenzen wahrer Waͤrme. Specifiſche Waͤrme. Waͤrmecapacitaͤt. Calorimeter. Ungleiche ſpecifiſche Waͤrme bei ungleicher Dichtigkeit. Pneumatiſches Feuerzeug. Aenderung der Waͤrmecapacitaͤt feſter Koͤrper. Schwierigkeit bei der Beſtimmung hoͤherer Temperaturen. Vergleichung der ſpecifiſchen Waͤrme mit dem Atomengewichte. Frei werdende Waͤrme durch Aenderung der Capacitaͤt, durch Reiben. Fragen uͤber die Natur der Waͤrme.
IVSechste Vorleſung. Latente Waͤrme. Gefrieren. Schnee. Ge - walt der Ausdehnung des Waſſers beim Gefrieren. Polar-Eis. Grund-Eis. Gletſcher. Schneelinie. Schneelawinen. Kaͤlte her - vorbringende Miſchungen. Nullpunct der Waͤrme.
Siebente Vorleſung. Entſtehung der Daͤmpfe. Ihre Elaſticitaͤt. Kochen. Grade der Elaſticitaͤt bei hohen Temperaturen und der groͤßten Dichtigkeit; — bei geringerer Dichtigkeit, — bei der Mi - ſchung mit der Luft. Dichtigkeit der Daͤmpfe. Wiefern ſie vom aͤußern Drucke abhaͤngen kann. Latente Waͤrme der Daͤmpfe.
Achte Vorleſung. Anwendung der Daͤmpfe zum Heitzen. Kochen im Dampfe. Deſtillation. Aeolipile. Dampfgeblaͤſe. Dampfma - ſchine. Ihr Effect nach Pferdekraft beſtimmt. Dampfſchiffe. Dampf - wagen. Dampfcanonen. Urſachen des Zerſpringens der Dampfkeſſel. Mittel zur Sicherung.
Neunte Vorleſung. Ausduͤnſtung und Regen. Hygrometer. Ver - dunſtungskaͤlte. Condenſationspunct der Daͤmpfe. Daniell's Hy - grometer. Pſychrometer. Starke Kaͤltegrade durch Verdunſtungs - kaͤlte. Chryophorus.
Zehnte Vorleſung. Nebel und Wolken. Urſachen ihres Ent - ſtehens. Hutton's Theorie des Regens. Unerklaͤrte Erſcheinungen. Der Thau. Leidenfroſt's Verſuch. Ungleiche Leitung der Waͤrme in gleichen Metallen.
Elfte Vorleſung. Das Verbrennen. Erhitzung, die zur Entzuͤn - dung noͤthig iſt. Gluͤhlaͤmpchen. Oefen und Feuerherde. Waͤrme, welche von verſchiedenen Materialien hervorgebracht wird. Loͤſchen des Feuers.
Zwoͤlfte Vorleſung. Flammen. Lampen. Gas-Erleuchtung. Davy's Sicherheitslampe. Geblaͤſe. Knallgasgeblaͤſe. Brewſter's Mittel, große Hitze zu bewirken. Selbſt-Entzuͤndungen. Feuerzeuge mit Platinſchwamm. Ueber die Theorie der Waͤrme.
Dreizehnte Vorleſung. Electricitaͤt durch Reibung. Anziehen. Leiter und Nichtleiter. Electricitaͤt der Metalle. Electrometer. Ver - luſt, welchen die electriſirten Koͤrper in der Luft leiden. Entgegen - geſetzte Electricitaͤten. Beim Reiben erhaͤlt der eine Koͤrper + E, der andre - E. Reihenfolge der Koͤrper.
Vierzehnte Vorleſung. Electriſirmaſchinen. Verſuche mit den - ſelben. Entgegengeſetzte Electricitaͤten am Reibzeuge und am gerie -V benen Koͤrper. Franklins Theorie. Dualiſtiſche Theorie. Ge - ſetze der Anziehung und Abſtoßung.
Funfzehnte Vorleſung. Electriſche Erſcheinungen durch Verthei - lung. Austheilung der Electricitaͤt auf der Oberflaͤche eines Leiters. Poiſſons theoretiſche Unterſuchungen. Spitzen. Lichtenbergiſche Figuren.
Sechszehnte Vorleſung. Die electriſche Flaſche. Platten unter gegenſeitigem Einfluß geladen. Ladung und Entladung der Flaſche. Entladung durch Spitzen u. a. Verſuche. Electriſche Batterie. Aus - lader.
Siebenzehnte Vorleſung. Condenſator. Electrophor. Elec - triſche Lampe.
Achtzehnte Vorleſung. Der electriſche Funke. Electriſches Licht im luftleeren Raume; ſeine verſchiedenen Farben. Allgemeiner Aus - lader. Sehr große Electriſirmaſchine und ihre Wirkung. Entzuͤn - dungen, Schmelzung und Verbrennung der Metalle. Mechaniſche Wirkungen des electriſchen Schlages. Chemiſche Wirkungen.
Neunzehnte Vorleſung. Der Blitz. Blitz-Ableiter. Verhal - tungsregeln bei Gewittern. Ruͤckſchlaͤge. Wirkungen des Blitzes. Donner. Die atmoſphaͤriſche Electricitaͤt bei heiterm Himmel. Ueber die Entſtehung der Gewitter. Hagel. Wetterlichter. Electricitaͤt, welche durch Druck entſteht; durch Erhaͤrten, beim Verdampfen, beim Verbrennen. Der Turmalin.
Zwanzigſte Vorleſung. Galvani's Entdeckung. Volta's Fundamentalverſuch. Reihenfolge der Electromotoren. Leiter der zweiten Art. Verſtaͤrkte Wirkung der zuſammengeſetzten Ketten.
Ein und zwanzigſte Vorleſung. Volta's Saͤule. Electriſche Spannung in der ungeſchloſſenen Saͤule. Trockene Saͤule. Boh - nenberger's Electrometer. Trog-Apparat, Becher-Apparat. Wirkungen der geſchloſſenen Saͤule. Phyſiologiſche Wirkungen. Ab - haͤngigkeit von der Zahl und Groͤße der Platten und von der Leitung. Electriſche Fiſche.
Zwei und zwanzigſte Vorleſung. Chemiſche Wirkungen der Saͤule. Waſſerzerſetzung; — ſelbſt durch die einfache galvaniſche Kette. Sicherung des Kupferbeſchlages der Schiffe. Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe. Davy's Unterſuchungen. Electrochemiſche Theorie. Nobili's Figuren.
VIDrei und zwanzigſte Vorleſung. Chemiſche[ Wirkungen] in der Saͤule ſelbſt; Abſorption von Sauerſtoffgas. Beantwortung der Ein - wuͤrfe gegen Volta's Theorie. Oxydationstheorie. Widerſtand der Leitung des Stromes. Veraͤnderter Zuſtand der negativen Platten; Ladungsphaͤnomene. Das Wogen der Kraft in der Kette.
Vier und zwanzigſte Vorleſung. Funken, Erhitzung, Gluͤ - hen, Verbrennung durch die voltaiſche Saͤule. Umſtaͤnde, die zu Befoͤrderung dieſer Wirkung beitragen. Leitungswiderſtand der me - talliſchen Schließungsdraͤthe. Unipolare Leiter; Ohm's Bemerkung uͤber ſie. Electrochemiſche Bewegung in leitenden Fluͤſſigkeiten.
Fuͤnf und zwanzigſte Vorleſung. Vom Magnete. Anziehende Kraft, Polaritaͤt, Mittheilung ſeiner Kraft an Eiſen und Stahl. Anziehung der ungleichnamigen, Abſtoßung der gleichnamigen Pole. Verfertigung kuͤnſtlicher Magnete. Magnetnadeln. Beſtimmung ihrer Kraft. Anwendung. Kraft der einzelnen Theile des Magnets. Wir - kung in die Ferne. Einwirkung weichen Eiſens auf dieſe Wirkungen.
Sechs und zwanzigſte Vorleſung. Neigung der Magnetnadel. Aſtatiſche Nadel. Linien gleicher Neigung auf der Erde. Magnetiſcher Aequator der Erde; magnetiſche Pole. Die Erde iſt ſelbſt ein Ma - gnet. Abweichung. Linien gleicher Abweichung. Schwierigkeit bei den Beobachtungen. Intenſitaͤt der magnetiſchen Kraft der Erde. Linien gleicher Intenſitaͤt.
Sieben und zwanzigſte Vorleſung. Aenderungen der Abwei - chung, Neigung und Intenſitaͤt, im Laufe der Jahrhunderte, des Jahres, der Tage. Hanſteen's Bemuͤhungen fuͤr die Theorie. Das weiche Eiſen unter dem Einfluß des Erdmagnetismus. Bar - low's Correctionsplatte. Einfluß der Waͤrme auf den Magnet. Das Nordlicht.
Acht und zwanzigſte Vorleſung. Poiſſon's Theorie. Cou - lomb's Verſuche uͤber magnetiſche Einwirkung auf andre Koͤrper Die Bewegung eines Koͤrpers in der Naͤhe eines Magnets als Urſache magnetiſcher Erſcheinungen. Geſetze des Rotationsmagnetismus.
Neun und zwanzigſte Vorleſung. Oerſtaͤdt's Verſuch. Ma - gnetiſche Wirkung des Schließungsleiters. Ampère's Verſuche uͤber die gegenſeitige Wirkung electriſcher Stroͤme. Erklaͤrung der magne - tiſch-electriſchen Erſcheinungen nach Ampère.
Dreißigſte Vorleſung. Magnete durch Electricitaͤt hervorgebracht. Magnetringe, die ſich erſt nach der Zertheilung magnetiſch zeigen. Magnete von ungewoͤhnlicher Staͤrke, ſo lange der electriſche StromVII ſie umkreiſt. Multiplicator oder Galvanometer. Meſſung der Kraft der electriſchen Stroͤme. Beſtimmung der ungleichen Leitung der Electricitaͤt in Metallen.
Ein und dreißigſte Vorleſung. Faraday's Entdeckung der electromagnetiſchen Rotationen. Ampère's fernere Unterſuchungen uͤber die Anziehung electriſcher Stroͤme und die durch bloße electriſche Stroͤme hervorgebrachten Rotationen. Magnetiſch-electriſche Rotatio - nen. Rotationen durch den Erdmagnetismus. Urſache des Erdmagne - tismus. Einwuͤrfe gegen Ampère. Transverſalmagnete in Ver - gleichung mit dem Leitungsdrathe.
Zwei und dreißigſte Vorleſung. Thermomagnetismus. Ge - ſetze ſeiner Wirkung. Beſtimmung hoher Temperaturen durch den - ſelben. Electriſche Stroͤme durch die bloße Naͤhe electriſcher Stroͤme hervorgebracht. Faraday's Entdeckung electriſcher Wirkungen des Magnets und eines Funkens durch Einwirkung des Magnets. Be - ſtaͤtigung der Ampèreſchen Theorie.
Jede einzelne Lehre der Phyſik, m. h. H., hat in Ruͤckſicht auf die Art, wie ſie unſre Aufmerkſamkeit anzieht, in Ruͤckſicht auf das Intereſſe, welches ſie erregt, etwas Eigenthuͤmliches, und muß mit Ruͤckſicht auf dieſe Eigenthuͤmlichkeit ins Auge gefaßt werden. Die mechaniſchen Lehren empfehlen ſich uns nicht bloß durch die Anwendbarkeit auf Maſchinen und durch den uͤberall unverkenn - baren Nutzen, den ſie gewaͤhren, ſondern auch durch die Sicherheit, mit welcher die Schluͤſſe ſich an einander reihen, durch die uͤber alle Zweifel ſich erhebende Nothwendigkeit in den aus wenigen Grundlagen hervorgehenden Folgerungen. Die Lehre vom Lichte bietet dem Auge ebenſo mannigfaltige Unterhaltung durch ſchoͤne Farben-Erſcheinungen als dem Verſtande durch die Aufloͤſung der ſchwierigen Fragen, zu welchen dieſe Erſcheinungen Veranlaſſung geben, dar; und faſt auf aͤhnliche Weiſe kann man von der Electricitaͤt ſagen, daß ſie uns bald durch die Neuheit ganz uner - warteter Erſcheinungen uͤberraſcht, bald durch die Gewalt ihrer Wirkungen uns in Erſtaunen ſetzt, bald in einer Reihe raͤthſel - hafter Phaͤnomene uns zur Bewunderung des Scharfſinns derer auffordert, die dieſe Phaͤnomene in ein Syſtem zu ordnen, das eine aus dem andern zu erklaͤren, mit ſo großem Gluͤcke verſucht haben. Die Lehre von der Waͤrme kann wohl nicht auf gleiche Weiſe auf den Ruhm Anſpruch machen, ſolche Erſcheinungen darzubieten, die dem Auge durch ihre Schoͤnheit ſich empfehlen, oder die als gaͤnzlich unerwartet unſer Erſtaunen erregen; aber dagegen hat ſie den Vor - zug, uns uͤber zahlloſe Natur-Erſcheinungen Aufſchluß zu geben,III. A2uns mit Wirkungen, die wir von Jugend an geſehen haben, ohne ſie uns deutlich zu erklaͤren, vertraut zu machen, und uns zu zeigen, wie grade die Waͤrme in die ganze Haushaltung der Natur, zwar auch zerſtoͤrend, aber doch vorzuͤglich belebend und heilſam eingreift. Es iſt wohl einleuchtend, daß mit dieſen Andeutungen nur das aus - geſprochen iſt, was jede Lehre vorzugsweiſe auszeichnet; denn kei - nem Theile der Phyſik fehlt das ganz, was der eine in vorzuͤglichem Grade beſitzt, und es iſt bekannt, daß auch die Waͤrmelehre durch unzaͤhlige nuͤtzliche Anwendungen dem practiſchen Sinne ſich ſehr empfielt, daß auch ſie unerwartete Erſcheinungen kennen lehrt, und daß dagegen auch Licht und Electricitaͤt als maͤchtig wirkende Mittel in das ganze Leben der Natur eingreifen, und ſo weiter.
Die Lehre von der Waͤrme ſchließt ſich nahe an die Lehre vom Lichte an, theils weil Waͤrme und Licht ſich uns ſo oft vereinigt zeigen, daß wir zuweilen zweifelhaft werden, ob wir ſie nicht als verſchiedene Wirkungen einer gleichen Urſache anſehen ſollen, theils weil in einigen Faͤllen die Erſcheinungen beider ganz offenbar aͤhn - lichen Geſetzen folgen. Warum wir gleichwohl Bedenken tragen muͤſſen, die Waͤrme gradezu nur als Wirkung eben der Materie, der wir die Licht-Erſcheinungen zuſchreiben, zu betrachten, wird ſich bei der Angabe der einzelnen Erſcheinungen ergeben, und es laͤßt ſich hier wohl nur die kurze Bemerkung voranſtellen, daß auch die Waͤrme zu der Frage Anlaß gegeben hat, ob ſie durch einen von Koͤrper zu Koͤrper uͤbergehenden ausſtroͤmenden Stoff hervor - gebracht wird, oder ob nur die Undulationen des Aethers unſerm Ge - fuͤhle in der Waͤrme, ſo wie dem Auge im Lichte, ſich wahrnehmbar machen. Dieſe Frage zu entſcheiden, hat hier, wo die Erſcheinun - gen ſich nicht mit der Schaͤrfe, welche das Auge erlaubt, verfolgen laſſen, noch mehr Schwierigkeit, und ohne entſcheiden zu wollen, was tiefere Unterſuchungen einſt ergeben moͤgen, finden wir es doch fuͤr die Darlegung der Erſcheinungen am angemeſſenſten, von einem Waͤrmeſtoffe, von ſeinem Uebergange von einem Koͤr - per zum andern, von ſeiner Verbindung mit den materiellen Thei - len der Koͤrper u. ſ. w. zu ſprechen, und dieſes um ſo mehr, da zahlreiche Erſcheinungen ſich ganz ſo, als ob ſie eine quantitative3 Abmeſſung des Waͤrmeſtoffs geſtatteten, unſerer Betrachtung dar - bieten. Dieſen Erſcheinungen folgend ſehen wir es ſo an, als ob ein eigenthuͤmlicher Waͤrmeſtoff, eine Materie von großer Feinheit und Elaſticitaͤt, als Urſache der Waͤrme und Hitze, wo ſie im Uebermaaß vorhanden iſt, als Urſache der Kaͤlte, wo ſie in gerin - ger Menge vorhanden iſt oder wo ein relativer Mangel ſtatt findet, den Erſcheinungen der Waͤrme und Kaͤlte zum Grunde laͤge, und nur in einzelnen Faͤllen werden wir Gelegenheit haben, dieſe Hy - potheſe als nicht ganz genuͤgend tadeln oder unſre Unſicherheit in Beziehung auf die Erklaͤrung der Phaͤnomene nach derſelben geſte - hen zu muͤſſen.
Unſre Empfindung lehrt uns zuerſt Ungleichheit der Tempe - ratur kennen, indem ein Koͤrper ſich fuͤhlbar waͤrmer, der andre kaͤlter zeigt. Wir bemerken eine Ausgleichung dieſer Ungleichheit der Temperatur bei der gegenſeitigen Beruͤhrung der Koͤrper, ſo daß der waͤrmere dem kaͤlteren Waͤrme abzugeben ſcheint; die in beiden Koͤrpern uns merklich werdende Waͤrme ſetzt ſich, wie wir uns ausdruͤcken, ins Gleichgewicht, und die Koͤrper nehmen dadurch eine gleiche Temperatur an. Dieſe Gleichheit und Ungleichheit der fuͤhlbaren Waͤrme iſt die erſte Erſcheinung, die wir deutlich wahrnehmen, aber ohne in unſerm Gefuͤhle Mittel zur genaueren Abmeſſung der Ungleichheit zu finden.
Ein ſolches Mittel bietet ſich uns dagegen in der Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤrme dar, von welcher man ſich leicht durch folgende Erfahrung uͤberzeugen kann. Man nimmt eine Meſſing - kugel und bringt in einer Meſſingplatte ein Loch an, das grade groß genug iſt, um die Kugel durchzulaſſen; dann findet ſich, daß dieſe Kugel erhitzt nicht mehr durch die Oeffnung faͤllt, ſondern von den Raͤndern der Platte ſo lange am Hindurchfallen gehindert wird, bis Kugel und Platte wieder gleiche Temperatur erlangt haben. Kennt man aber einmal dieſe Eigenſchaft der Koͤrper, ſo findet man ſie in zahlreichen Faͤllen wieder, indem man z. B. bemerkt, daß ein Glasſtoͤpſel ſich leicht in die Oeffnung der Glasflaſche hineinbringen laͤßt, wenn die letztere warm, jener dagegen kalt iſt, und daß esA 24dann ſchwer haͤlt, die kalt gewordene Flaſche zu oͤffnen, weil die enger gewordene Oeffnung den Stoͤpſel jetzt ſehr feſt umſchließt; ein ſo eingetriebener Stoͤpſel iſt oft ſehr ſchwer wieder herauszubringen, weil bei neuer Erwaͤrmung der Flaſche nun beide Koͤrper ſich zugleich erwaͤrmen und ausdehnen, ſtatt daß dies zuerſt nur bei dem einen der Fall war. Ebenſo findet man, daß ein durch die Thuͤr eines erhitzten Ofens hinein gebrachtes kaltes Gefaͤß ſich erhitzt nicht wie - der herausbringen laͤßt, wenn es vorhin nur mit geringem Spiel - raume hindurch ging.
Die feſten Koͤrper dehnen ſich weniger aus als die fluͤſſigen, daher ſieht man feſte Koͤrper bei der Erwaͤrmung in den fluͤſſigen unterſinken, wenn ſie ſich bei geringerer Waͤrme nur noch eben ſchwimmend erhielten; denn obgleich ſie zuſammen erwaͤrmt ſich beide ausdehnen, ſo betraͤgt dies doch bei dem feſten Koͤrper ſo we - nig, daß ſein ſpecifiſches Gewicht ſich nur unbedeutend aͤndert, waͤhrend der ſich ſtaͤrker ausdehnende fluͤſſige Koͤrper in bedeuten - dem Maaße ſpecifiſch leichter wird. Dieſe ſtaͤrkere Ausdehnung macht die fluͤſſigen Koͤrper mehr geeignet, um zur Abmeſſung der Ausdehnung und ſo mittelbar zur Meſſung der Waͤrme zu dienen, und ſie dienen hiezu um ſo bequemer, da man ihre Ausdehnung durch paſſend gewaͤhlte Form der Gefaͤße leichter bemerkbar machen kann. Nehmen wir naͤmlich an, was die Erfahrung als richtig zeigt, daß Glasgefaͤße ihren innern Raum bei der Erwaͤrmung nur ſehr wenig vergroͤßern, ſo wird eine hohle Glaskugel, die mit einer engen Roͤhre verbunden iſt, der bei niedriger Temperatur ſie ganz fuͤllenden Fluͤſſigkeit nicht mehr Raum genug geben, wenn eine Erwaͤrmung ſtatt findet, ſondern die Fluͤſſigkeit wird dann in die Roͤhre hineintreten, und man wird ihre Ausdehnung in der engen Roͤhre ſehr bequem wahrnehmen koͤnnen. Queckſilber dehnt ſich von der Kaͤlte des gefrierenden Waſſers bis zu der Temperatur eines heißen Sommertags etwa um $$\frac{1}{200}$$ aus; — eine Ausdehnung, die in einer 12 Zoll langen cylindriſchen Roͤhre noch keine Linie betra - gen wuͤrde; die aber hoͤchſt merklich wird, wenn man einer Kugel von 200 Cubiclinien Inhalt eine ſo enge Roͤhre angefuͤgt hat, daß eine Cubiclinie eine Laͤnge von 2 Zoll einnimmt. Da dieſes die Einrichtung iſt, die wir unſern Thermometern geben, ſo fuͤhrt mich5 dies ſogleich zu den Ueberlegungen, die der Verfertigung der Thermometer zum Grunde liegen.
Um eine richtige Abmeſſung der Waͤrme an die Ausdehnung der Koͤrper anzuknuͤpfen, iſt zuerſt die Kenntniß beſtimmter, immer gleich unter beſtimmten Umſtaͤnden zu erhaltender Waͤrmegrade, und die Ueberzeugung, daß die Ausdehnung der Koͤrper, auch nach wiederholten Veraͤnderungen, bei gleicher Waͤrme wieder dieſelbe iſt, nothwendig. Wir erwerben uns dieſe doppelte Kenntniß, wenn wir einen fluͤſſigen Koͤrper in eine ſolche, mit einer Roͤhre verbun - dene Kugel fuͤllen, und dieſe in Materien eintauchen, welche wir als gleich warm anzuſehen Grund haben; koͤmmt da die Fluͤſſigkeit nach allen Abwechſelungen von Waͤrme immer wieder auf denſelben Stand, zu gleichem Grade der Ausdehnung, zuruͤck, ſo duͤrfen wir glauben, ſowohl einen immer gleichen Waͤrmegrad hervorgebracht, als die Unveraͤnderlichkeit der Ausdehnung in Beziehung auf die Waͤrme beſtaͤtigt zu haben. Dieſes Experiment laͤßt ſich am beſten in Schnee anſtellen, der bei anfangendem Aufthauen ſchon mit Waſſer durchzogen iſt, und die Erfahrung zeigt, daß, welche Fluͤſ - ſigkeit auch in jener Kugel und Roͤhre enthalten iſt, und wie oft man, nach willkuͤrlich veranlaßten Wechſeln von Waͤrme, das Ein - tauchen in ſolchen Schnee wiederholt, allemal die eingeſchloſſene Fluͤſſigkeit auf denſelben Stand zuruͤckkoͤmmt; und was ſich hier bei einem ſolchen beſtimmten Waͤrmegrade zeigt, das nimmt man bei mehreren wahr, ſo daß die Ueberzeugung, gleicher Waͤrme entſpreche ein immer gleicher Grad von Ausdehnung eines beſtimm - ten Koͤrpers, als feſt begruͤndet erſcheint.
Die Verfertigung eines Inſtrumentes, das wir einen Waͤrme - meſſer, Thermometer, nennen wollen, iſt hierdurch uns ſehr nahe gelegt, obgleich die Ausfuͤhrung noch einige Schwierigkeit dar - bietet. Es ſollte naͤmlich, — dies iſt eine der vorzuͤglichſten Schwierig - keiten, — eine fluͤſſige Materie zur Fuͤllung der Thermometerroͤhre genommen werden, die bei gleichem Unterſchiede der Waͤrme ſich um gleich viel ausdehnt, und es ſollten zwei ziemlich weit von ein - ander entfernte Temperaturen als feſte Temperaturen zur Beſtim -6 mung einer Scale der Waͤrme dienen. Obgleich es uns nun hier, im erſten Anfange der Waͤrmelehre, noch nicht moͤglich iſt, die Frage, wie man gleiche Unterſchiede der Waͤrme beſtimme, und wie man die Eigenſchaft irgend einer Fluͤſſigkeit, ſich bei gleichem Waͤrme - Unterſchiede gleich viel auszudehnen, kennen lerne, zu beantworten; ſo darf ich doch es wohl ſchon jetzt als eine ſich ſpaͤter beſtaͤtigende Erfahrung ausſprechen, daß reines Queckſilber fuͤr mittelmaͤßige Temperaturen dieſe Eigenſchaft beinahe genau beſitzt. Daß dieſes dagegen nicht eine allgemeine Eigenſchaft aller Fluͤſſigkeiten iſt, da - von kann man ſich leicht uͤberzeugen, wenn man Waſſer, Wein - geiſt, Queckſilber und andre Fluͤſſigkeiten auf gleiche Weiſe in ſolche, mit einer Kugel verbundene Roͤhren, die wir Thermometerroͤhren nennen wollen, fuͤllt.
Bringt man naͤmlich dieſe gefuͤllten Roͤhren zuerſt in gefrieren - des Waſſer, und bemerkt die Puncte, wo das Ende der in die Roͤhre hinaufreichenden Saͤule des Fluͤſſigen ſteht; laͤßt man dann das Waſſer, worin ſie bleiben, allmaͤhlig ſich erwaͤrmen, und bezeichnet beim Kochen wieder die Puncte, wo die Fluͤſſigkeiten in den Roͤh - ren ſich endigen; ſo ſollte man glauben, beim allmaͤhligen Erkalten wuͤrden die ſich wieder zuſammenziehenden Fluͤſſigkeiten gleichmaͤßig ſinken, und zugleich den halben Raum, drei Viertel des Raumes und ſo ferner zuruͤck durchlaufen; aber das iſt nicht der Fall, ſon - dern das Waſſerthermometer hat ſchon jenen Zwiſchenraum halb durchlaufen, wenn das Queckſilber erſt wenig uͤber ein Viertel zuruͤckgelegt hat.
Um alſo ein Thermometer zu machen, fuͤllen wir eine Kugel A, die mit einer engen und ziemlich langen Roͤhre BC (Fig. 1.) verbunden iſt, mit ganz reinem, auch von Luft befreitem Queck - ſilber, etwa ſo weit an, daß auch im gefrierenden Waſſer die Roͤhre noch bis D gefuͤllt bleibt. Nachdem das Thermometer in Schnee, der im Aufthauen begriffen iſt, ſo lange, daß es die Temperatur dieſes Schnees angenommen hat, eingetaucht geweſen, bezeichnet man den Punct D, wo ſich die Queckſilber-Oberflaͤche befindet, und hat ſo den einen feſten Punct der Thermometerſcale. Die Beſtim - mung des andern Punctes erhaͤlt man durch das Kochen des Waſ - ſers; aber dieſes Kochen tritt nicht immer bei gleicher Waͤrme ein, ſondern bei geringerer Waͤrme, wenn das Barometer niedriger ſteht,7 wenn der Druck der Luft geringer iſt; man muß daher das Kochen dann beobachten, wenn das Barometer eine beſtimmte Hoͤhe, 28 pariſ. Zoll zum Beiſpiel, hat. Wenn dieſe Vorſicht beobachtet iſt, und man das Thermometer ſo geſtellt hat, daß es die wahre Koch - hitze des Waſſers annimmt, ſo hat man auch hier einen zweiten feſten Punct der Scale, der bei dem Kochen des Waſſers unter 28 Zoll Druck der Luft ſich immer wieder ebenſo findet. Das Thermometer wird, nachdem man alle Luft herausgetrieben, oben zugeſchmolzen; den zwiſchen Gefrierkaͤlte und Siedehitze des Waſ - ſers gefundenen Zwiſchenraum theilt man nun in 80 oder in 100 gleiche Theile, je nachdem man die Scale des Reaumuͤrſchen oder des Centeſimalthermometers auftragen will, und ſetzt 0° neben dem Puncte des thauenden Schnees, 80° auf jener Scale, 100° auf dieſer neben dem richtig beſtimmten Kochpuncte des Waſſers.
Damit aber die ſo verfertigten Thermometer correſpondirend werden, muß die Roͤhre uͤberall gleich weit ſein, oder — wie man es ausdruͤckt, — man muß eine gut calibrirte Roͤhre anwenden. Um ſich zu uͤberzeugen, ob die Roͤhre in allen ihren Theilen gleich weit iſt, bringt man, ehe ſie gefuͤllt wird, nur einen maͤßigen Tropfen Queckſilber in die Roͤhre, und mißt genau, ob er in allen Gegenden der Roͤhre eine gleiche Laͤnge einnimmt; iſt das ſtrenge der Fall, ſo iſt die Roͤhre brauchbar, im entgegengeſetzten Falle muß man eine andre Roͤhre waͤhlen.
In dieſen Regeln ſind die wichtigſten Bedingungen zu Ver - fertigung uͤbereinſtimmender Thermometer gegeben, indeß hat man, um voͤllige Gleichheit zu erhalten, noch auf manche Nebenumſtaͤnde zu ſehn, die ich kurz erwaͤhnen will*)Ausfuͤhrl. iſt dieſer Gegenſtand von Egen abgehandelt. Pog - gend. Ann. XI. 276.. Bei dem Gefrierpuncte findet, wenn ſchon ſehr viel Waſſer mit dem Schnee vermiſcht iſt, oder wenn ſich nur thauendes Eis im Waſſer befindet, nicht mehr eine ganz ſtrenge Gleichheit der Temperatur in allen Waſſerſchich - ten ſtatt, indeß iſt hier der Unterſchied geringe. Die Bemerkung, daß ein Thermometer im allerſtrengſten Sinne immer wieder auf den Gefrierpunct zuruͤckkomme, wenn man nach verſchiedenen Er - waͤrmungen und Abkuͤhlungen es in eben ſolchen zergehenden Schnee8 bringt, leidet ſo fern eine Beſchraͤnkung, als erſtlich die Veraͤnde - rungen, welche das Glas bei Erwaͤrmung leidet, nicht ſogleich bei der Abkuͤhlung wieder voruͤbergegangen ſind, ſondern der dieſer Abkuͤhlung entſprechende Zuſtand erſt langſamer eintritt, und zwei - tens bei laͤngerem Gebrauche eines Thermometers der Druck der Luft eine kleine dauernde Veraͤnderung des Inhalts der Kugel her - vorzubringen ſcheint; — der letztere von mehrern Beobachtern an - gegebene Umſtand wird indeß von Muncke in Zweifel gezogen.
Die Beſtimmung des Kochpunctes fordert vorzuͤgliche Sorg - falt. Nicht allein iſt er bei ungleichem Barometerſtande ſo ſehr anders, daß eine Linie Aenderung des Barometers die Waͤrme des Kochens um $$\frac{88}{1000}$$ eines Centeſimalgrades oder um $$\frac{7}{100}$$ eines Reau - muͤrſchen Grades aͤndert, ſondern die Aufwallungen des Waſſers bringen auch ein Wechſeln der bald zu hohen, bald zu niedrigen Temperatur hervor. Dieſe Wechſel ſind in den nahe uͤber der Oberflaͤche des Waſſers befindlichen Daͤmpfen nicht merklich, und man muß daher in einem Gefaͤße, welches zwar den Zutritt der Luft nicht hindert, aber doch Tiefe genug zwiſchen der Waſſer - Oberflaͤche und der dem Eindringen der Luft frei gelaſſenen Oeff - nung hat, die Thermometerkugel in den Dampf nahe uͤber dem kochenden Waſſer bringen, um die Kochhitze zu beſtimmen. Die meiſten Verfertiger von Thermometern waͤhlen zu Beſtimmung des Kochpunctes einen Barometerſtand von 0,76 Meter = 336,9 par. Linien oder auch von 28 pariſ. Zoll = 336 Lin. Wie viel dann die wahre Kochwaͤrme bei andern, nicht viel verſchiedenen, Baro - meterſtaͤnden betraͤgt, laͤßt ſich aus der Angabe, daß die Aenderung bei jeder Linie $$\frac{88}{1000}$$ Gr. Cent. ( $$\frac{7}{100}$$ ° R. betraͤgt, uͤberſehen; bei ſehr vermindertem Barometerſtande iſt aber die Aenderung groͤßer. Bei uns ſteigt das Barometer ſelbſt an den Ufern des Meeres ſelten auf 28¾ Zoll und es faͤllt ſelten unter 26¼ Zoll; in jenem Falle wuͤrde das Kochen, wenn der Kochpunct des Thermometers bei 28 Zoll Barometerſtand beſtimmt iſt, erſt bei 100,8° Cent. (80,6° R.), im letztern Falle bei 98, °1 Cent. (78,5° R.) eintreten. In Quito, wo das Barometer 19½ Zoll hoch ſteht, kocht das Waſ - ſer ſchon, wenn es erſt die Waͤrme von 90° C. ( 72° R.) erreicht hat, auf dem Chimboraſſo unter 12½ Zoll Luftdruck ſchon bei 79°C. (63° R.) Unter der Luftpumpe, wo der Druck nur wenige Linien9 betraͤgt, koͤmmt das Waſſer ſchon bei einer Temperatur von 25° Cent. (20° R.) leicht zum Kochen. Endlich muß ich noch einen Umſtand erwaͤhnen, der das Aufkochen des Waſſers fruͤher herbei - fuͤhrt, naͤmlich Ungleichheiten in der Oberflaͤche der Gefaͤße. So wie Koͤrper mit ſpitzigen Ecken die Entwickelung der Luft bei luft - haltende Fluͤſſigkeiten befoͤrdern, ſo koͤmmt auch in Gefaͤßen, deren Oberflaͤche nicht ganz glatt iſt oder in welchen ſich fremde Koͤrper befinden, das Waſſer eher zum kochenden Aufwallen, als in ganz glatten Gefaͤßen.
Hierin iſt faſt alles enthalten, was die Verfertigung der Ther - mometer betrifft; ich muß nur noch beifuͤgen, daß man die unter dem Nullpunct herabgehenden Grade negative oder Kaͤltegrade (mit dem Zeichen - angedeutet) nennt, die von Null zu groͤßerer Waͤrme fortgehenden poſitive oder Waͤrmegrade (die mit + bezeich - net werden, wenn dieſe Unterſcheidung noͤthig iſt); beide werden ſo weit fortgeſetzt aufgetragen, als die Zwecke des einzelnen Inſtru - mentes es fordern, oder hoͤchſtens ſo weit als die beim Queckſilber ſtatt findenden Grenzen es geſtatten. Da das Queckſilber bei 356° Cent. (285° R.) kocht und bei - 40° Cent. (- 32° R.) gefriert, ſo ſind dieſes die aͤußerſten Grenzen der Brauchbarkeit eines Queckſilberthermometers.
Man hat ehemals mehr verſchiedene Thermometerſcalen ange - wandt, jetzt iſt außer der erwaͤhnten nur noch die Fahrenheitiſche hie und da im Gebrauch, welche den Nullpunct, einer kuͤnſtlichen Kaͤlte entſprechend, tiefer ſetzt*)Hier ſteht naͤmlich bei dem Puncte, welchen das in Schnee und Salz geſetzte Thermometer erreicht, Null.; bei dem Aufthauen des Schnees + 32°, bei dem Kochen des Waſſers 212°.
Die zuſammengehoͤrenden Grade zeigt Fig. 2.
Da wir uns jetzt im Beſitze eines Inſtruments befinden, welches uns in Stand ſetzt, gewiſſe Waͤrmegrade verſtaͤndlich zu bezeichnen, ſo koͤnnen wir das genaue Maaß der Ausdehnung einzelner Koͤrper mit mehr Sicherheit angeben.
10Um zuerſt fuͤr tropfbar fluͤſſige Koͤrper die Ausdehnung zwiſchen beſtimmten Waͤrmegraden anzugeben, bedient man ſich am beſten der Abwaͤgungen. Man beſtimmt zum Beiſpiel das Gewicht einer leeren aus Kugel und enger Roͤhre beſtehenden Thermometerroͤhre ganz genau, und fuͤllt ſie dann in der Temperatur des ſchmelzenden Schnees bis oben an mit ganz reinem, auch von Luft befreitem, Queckſilber. Wenn dies mit aller Sorgfalt geſchehen iſt, beſtimmt man durch neues Abwaͤgen und bei der Gefrierkaͤlte das Gewicht des die Kugel und Roͤhre fuͤllenden Queckſilbers, um die bei 0° darin enthaltene Menge abzumeſſen. Man erwaͤrmt jetzt die ge - fuͤllte Roͤhre und laͤßt das ſich ausdehnende Queckſilber ausfließen, bis man die Waͤrme des kochenden Waſſers erreicht hat, alsdann zeigt eine abermalige Abwaͤgung, wie viel Queckſilber uͤbergefloſſen iſt, und man erhaͤlt daher das Gewichtsverhaͤltniß des bei jener und bei dieſer Temperatur gleichen Raum ausfuͤllenden Queckſilbers. Nach den beſten Beobachtungen nehmen 982 Gran Queckſilber bei der Waͤrme des kochenden Waſſers ſo viel Raum ein, als 1000 Gran bei der Kaͤlte des gefrierenden Waſſers oder des thauenden Schnees, und die Ausdehnung derſelben Gewichtsmaſſe betraͤgt alſo $$\frac{18}{1000}$$ . Das Waſſer dehnt ſich ſtaͤrker aus, naͤmlich um $$\frac{43}{1000}$$ .
Dieſe Beſtimmung der Ausdehnung des Queckſilbers oder Waſſers wuͤrde genau ſein, wenn das Glas, welches zum Gefaͤße dient, ſich nicht ausdehnte; aber dieſes Gefaͤß wird durch die Waͤrme groͤßer, und jener Verſuch giebt alſo die ausfließende Menge Queck - ſilber nicht ganz ſo groß, als es fuͤr ein ganz unveraͤnderliches Gefaͤß der Fall ſein wuͤrde. Um dieſem Fehler ganz auszuweichen, haben Dulong und Petit, bei ihren Verſuchen uͤber die Ausdehnung des Queckſilbers durch die Waͤrme, eine ganz andre Einrichtung angewandt. Da zwei verſchiedene Fluͤſſigkeiten, die in einer zwei - ſchenklichen Roͤhre mit verticalen Schenkeln einander im Gleich - gewichte halten, durch ihre ungleichen Hoͤhen uns das ſpecifiſche Gewicht dieſer Fluͤſſigkeiten kennen lehren, ſo bedienten ſie ſich einer ſolchen Roͤhre, deren verticale Schenkel durch eine hinreichend lange horizontale Roͤhre verbunden waren. In dieſer Roͤhre wurde das Queckſilber im einen Schenkel immer bis auf den Gefrierpunct abgekuͤhlt erhalten, indem man die Roͤhre hier mit Eis umgab, das nur eine maͤßige Oeffnung, um die Oberflaͤche des Queck -11 ſilbers zu beobachten, offen ließ; im andern Schenkel wurde das Queckſilber erhitzt, indem dieſer Theil der Roͤhre ſeiner ganzen Laͤnge nach in einem kupfernen, mit Oel gefuͤllten Gefaͤße ſich befand, das man bis zu ſehr hohem Waͤrmegrade erhitzte. Hier ſtanden alſo kaltes und warmes Queckſilber, wie zwei ungleiche Fluͤſſigkeiten, einander gegenuͤber, und die genaue Abmeſſung der Hoͤhen beider Saͤulen gab das Verhaͤltniß ihrer Dichtigkeiten, alſo ihrer Ausdeh - nung. Die Genauigkeit der Verſuche ſcheint einen ſehr hohen Grad erreicht zu haben, und die Beſtimmung, daß von 0° bis 100° Centſ. die Ausdehnung des Queckſilbers fuͤr jeden Grad $$\frac{1}{5550}$$ , von 100° bis 200° fuͤr jeden Grad $$\frac{1}{5425}$$ , von 200° bis 300° fuͤr jeden Grad $$\frac{1}{5300}$$ betraͤgt, iſt die genaueſte, die wir bis jetzt beſitzen*)Ann. de Chim. et Phys. VII. 118.. Vergleicht man hiermit das, was man nach der vorigen Methode findet, ſo erhaͤlt man den aus der Ausdehnung des Glaſes hervor - gehenden Fehler, und kann dann die Glasroͤhren, mit Ruͤckſicht auf dieſen Fehler, fuͤr andre Fluͤſſigkeiten gebrauchen.
Aber wenn man auch dieſe Aenderung des Volumens bei zwei beſtimmten Waͤrmegraden ganz vollkommen kennt, ſo laͤßt ſich doch fuͤr die, den zwiſchen liegenden Waͤrmegraden entſprechenden, Aus - dehnungen noch keine ſichere Beſtimmung geben, indem manche fluͤſſige Koͤrper ſich ſehr ungleichmaͤßig ausdehnen. Das reine Waſ - ſer beobachtet unter allen bekannten Fluͤſſigkeiten den ſeltſamſten Gang in der Ausdehnung, indem es ſich bei einer nur wenig die Thauwaͤrme uͤbertreffenden Waͤrme zuſammenzieht, und dann erſt bei noch mehr wachſender Waͤrme ſich langſam, nach und nach aber immer mehr bei gleicher Zunahme der Waͤrme, ausdehnt. Da wir die gleichen Grade des Queckſilberthermometers, wie Sie bald es durch bedeutende Gruͤnde unterſtuͤtzt finden werden, beinahe genau als Grade wirklich gleicher Waͤrme-Unterſchiede anſehen koͤnnen, ſo laͤßt ſich die Ausdehnung des Waſſers, ſo wie ſie beſtimmten Waͤrme-Unterſchieden entſpricht, aus folgender Zuſammenſtellung mit dem Queckſilber uͤberſehen; es iſt dabei angenommen, daß man auch fuͤr Waſſer den Raum zwiſchen der dem gefrierenden und dem kochenden Waſſer entſprechenden Ausdehnung in 100 gleiche Theile theile; dann wuͤrden das Waſſerthermometer und Queckſilberther -12 mometer bei gleichen Temperaturen folgende Puncte der Scale erreichen*)Muncke in den Mem. présentés à l' acad. de Petersb. Tome I. :
Und ſo wie hier die Ausdehnung des Waſſers gegen den Koch - punct zu ſchnell fortſchreitet, ſo iſt es auch bei andern tropfbaren Fluͤſſigkeiten der Fall, ſo daß diejenigen Koͤrper ſich zu Thermome - tern am brauchbarſten zeigen, die wir ziemlich weit von ihrer Koch - hitze und ziemlich weit von ihrer Gefrierkaͤlte beobachten, woraus denn der Vorzug des Queckſilbers, ſo lange wir es nur in mittlern Temperaturen beobachten, ſich erklaͤrt. Und ſelbſt bei hohen Tem - peraturen weichen die Angaben des Queckſilberthermometers noch nicht ſo ſehr von der Wahrheit ab, da 314 Gr. nach der gleichfoͤr - migen Scale 300 Gr. Centeſ. wahrer Waͤrme entſprechen.
Die Eigenſchaft, ſich noch vor dem Gefrieren oder Erſtarren auszudehnen, beſitzt das Waſſer in vorzuͤglichem Grade, indeß ſcheint ſie doch auch dem Waſſer nicht ganz allein eigenthuͤmlich zu ſein. Das Queckſilber zieht ſich bei ſeinem Erſtarren ſehr ſtark zuſammen, und hat dadurch ehemals die Meinung, als ob man viel groͤßere Kaͤltegrade, als es wirklich der Fall war, beobachtet habe, veranlaßt. Bei Kaͤltegraden, die bis gegen 35 oder 40 Cen - teſ. gr. unter Null gehen, muß man ſich eines Thermometers bedie - nen, das mit reinem Alkohol gefuͤllt und durch die Vergleichung mit einem Queckſilberthermometer graduirt iſt; denn da der Alko - hol, ſelbſt bei viel groͤßerer Kaͤlte, nicht gefriert, ſo kann man ſeine Veraͤnderungen in Hinſicht der Ausdehnung auch noch unter dem Gefrierpuncte des Queckſilbers als gleichmaͤßig fortdauernd anſehen, und die Gradtheilung mit ziemlicher Sicherheit auch da fortſetzen, wo das Queckſilber uns verlaͤßt. Fuͤr die ſehr hohen Waͤrmegrade, wo das Queckſilber dem Kochen nahe iſt, finden wir in andern Fluͤſſigkeiten keine Aushuͤlfe.
13Die Abmeſſung der Ausdehnung feſter Koͤrper hat zwar in der wirklichen Ausfuͤhrung bedeutende Schwierigkeiten, aber die Angabe der Mittel zur Beſtimmung dieſer Ausdehnung iſt ſehr einfach. Man bringt den Stab, deſſen Ausdehnung gemeſſen werden ſoll, am liebſten ſo an, daß er mit einer Fluͤſſigkeit uͤber - goſſen werde, welcher man die beſtimmte Waͤrme ertheilt, damit ſo der ganze Stab moͤglichſt gleichfoͤrmig durchwaͤrmt werde; man laͤßt ferner das eine Ende des Stabes ſich an einen unveraͤnderlich feſten Widerſtandspunct ſtuͤtzen, das andre Ende aber gegen den kurzen Arm eines leicht beweglichen Hebels druͤcken, damit, indem dieſer kurze Arm bei der Verlaͤngerung des Stabes ſehr wenig fort - geſchoben wird, der laͤngere Arm als Zeiger einen bedeutendern Weg durchlaufe (Fig. 5. ) Durch dieſe Mittel ſetzt man ſich in Stand, Ausdehnungen, die auch nur Zehntauſendtel der ganzen Laͤnge betragen, an dem ſehr langen Hebel-Arme noch deutlich zu erkennen, und dieſe Methode ließe nichts zu wuͤnſchen uͤbrig, wenn es nur nicht ſo ſchwierig waͤre, die voͤllig unveraͤnderte, bei allen Waͤrmegraden gleich bleibende Lage des einen Endpunctes und der Unterſtuͤtzung des Hebels im ſtrengſten Sinne zu erhalten. Indeß hat man durch Befeſtigungen, die mit dem erwaͤrmten Koͤrper in moͤglichſt geringer Verbindung ſtehen und ſelbſt wenig durch die Waͤrme veraͤndert werden, den Zweck ſo nahe erreicht, daß die erhaltenen Beſtimmungen fuͤr ſehr genau gelten koͤnnen. Solchen Verſuchen, vorzuͤglich von La Place und Lavoiſier, von Smeaton, Haͤllſtroͤm und andern, verdanken wir die Kennt - niß, daß zwiſchen der Gefrierkaͤlte und Kochhitze des Waſſers ſich Eiſen ungefaͤhr um 120, Stahl nach ſeiner verſchiedenen Beſchaf - fenheit um 108 bis 138, Blei um 290, Glas um 80 bis 93, Platin um 98 Hunderttauſendtel ſeiner ganzen Laͤnge ausdehnt. Auch dieſe Ausdehnung iſt nicht ganz gleichfoͤrmig, ſondern ein Thermometer von Eiſen, deſſen bis 100 Gr. Cent. richtige Grade man gleichmaͤßig fortfuͤhrte, wuͤrde ſchon 373° da zeigen, wo eigentl. 300 ſtehen ſollte; beim Kupfer wuͤrden 329 Gr., beim Platin 312 Gr., beim Glaſe 353 Gr. jenen 300 Gr. wahrer Waͤrme entſprechen. Platin und Glas dehnen ſich bei niedrigen Tempera - turen gleich aus, bei hoͤhern aber iſt die Ausdehnung des Glaſes ſtaͤrker, wie Dulong und Petit zeigen.
14Obgleich aber dieſe Verſuche uns uͤber die Ausdehnung der Koͤrper in den Temperaturen, wo wir uns ihrer am meiſten bedie - nen, ſehr genuͤgende Belehrung verſchaffen, ſo wuͤrde es doch in Hinſicht auf unſre Kenntniß von der innern Beſchaffenheit der Koͤrper angenehm ſein, ſie noch vollſtaͤndiger durchzufuͤhren. Welche Verſchiedenheit in dem Geſetze der Ausdehnung nahe bei dem Ge - frierpuncte oder bei dem Uebergange in den feſten Zuſtand eintritt, ſehen wir am Waſſer, welches ſich bei ſchon geringer Waͤrme, wenn die Waͤrme abnimmt, nur wenig mehr zuſammenzieht, bei einer ſchon dem Gefrierpuncte nahen Abkuͤhlung ſich ein wenig ausdehnt, und im Gefrieren ſich ſo ſtark ausdehnt, daß es oft genug die Ge - faͤße zerſprengt. Nachdem es in Eis verwandelt iſt, geht die Ab - nahme des Volumens bei ſtaͤrkerer Kaͤlte wieder regelmaͤßig fort und zwar ungefaͤhr ſo wie bei dem auf 25° Centeſ. erwaͤrmten Waſſer. Dieſe Erfahrung an einem ſo bekannten Koͤrper veranlaßte Er - man, auch uͤber das Verhalten des Phosphors und einer leicht fluͤſſigen Metallmiſchung, weil dieſe ſchon in maͤßiger Waͤrme ſchmelzen, Verſuche anzuſtellen*)Poggend. Ann. IX. 557.. Er ſtellte dieſe Verſuche ſo an, daß er durch Abwaͤgung des Koͤrpers in einer Fluͤſſigkeit die Aus - dehnung genau beſtimmte, und dieſe Methode verdient gewiß da, wo man durch eine ganze Reihe von Temperaturen die Ausdehnung zu beſtimmen wuͤnſcht, den Vorzug. Die Metallmiſchung aus 2 Theilen Wismuth, 1 Theil Blei und 1 Theil Zinn ſchmilzt ſchon bei 94° Cent. (75° R.) und wurde in Oel bis auf 160° R. erhitzt. Bei den Abwaͤgungen ſo wohl des feſten als des fluͤſſigen, immer unter Oel eingetaucht bleibenden, Metalls fand ſich, daß von 0° bis 35° R. das Metall ſich ausdehnt, dann bis 55° R. ſich bedeu - tend zuſammenzieht, von 55° bis 75° R. (wo es ſchmilzt,) ſich ausdehnt, und nach dem Schmelzen in einen nicht ganz ſo ſchnellen Maaße ſich auszudehnen fortfaͤhrt. Bei 75° und 35° Waͤrme iſt das Volumen des Metalles gleich. Der Phosphor dehnt ſich un - unterbrochen, aber im Augenblicke des Schmelzens ploͤtzlich ſehr ſtark, aus. — Dieſe beiden Erfahrungen zeigen, daß wir noch wohl manche Merkwuͤrdigkeit in dem Verhalten feſter Koͤrper wahrneh - men koͤnnten, wenn wir ohne große Schwierigkeit in der Naͤhe15 ihres Schmelzpunctes ihre Ausdehnung durch die Waͤrme unter ſuchen koͤnnten. Im Allgemeinen ſcheint bei gleichen Waͤrme - Unterſchieden die Ausdehnung betraͤchtlicher zu werden fuͤr hoͤhere Waͤrmegrade.
Diejenigen feſten Koͤrper, welche, ganz gleich in allen ihren Theilen, keine cryſtalliſche Bildung zeigen, dehnen ſich nach allen Richtungen gleich aus, und die lineare Ausdehnung giebt daher ſogleich auch die koͤrperliche Ausdehnung, die man kennen muß um zum Beiſpiel zu wiſſen, wieviel die durch Waͤrme vergroͤßerte Glaskugel mehr als vorher faßt. Aber Cryſtalle dehnen ſich nicht immer nach allen Seiten gleich aus, ſondern die das Licht doppelt brechenden zeigen darin eine merkwuͤrdige Verſchiedenheit*)S. 2. Theil. S. 315.. Der Kalkſpath namentlich dehnt ſich bei Erwaͤrmung nach der Richtung der Haupt-Axe aus, waͤhrend ſich in allen auf dieſe Axe ſenkrechten Richtungen ſeine Abmeſſungen verkleinern.
Die elaſtiſchen Fluͤſſigkeiten ſind unter allen Koͤrpern am meiſten der Ausdehnung durch die Waͤrme unterworfen. Dieſes zeigt ſchon der ſehr bekannte Verſuch, wo man eine nur wenig Luft in den Falten enthaltende Blaſe erwaͤrmt und ſie dann ſich aufblaͤ - hen ſieht. Die ſehr ſtarke Ausdehnung der Luft bemerkt man am deutlichſten, wenn man in eine Glasroͤhre, an deren einem Ende eine hohle Kugel iſt, einen Tropfen irgend einer Fluͤſſigkeit ſo bringt, daß dadurch die enge Roͤhre geſchloſſen iſt; naͤhert man dann der Kugel die warme Hand, ſo reicht die von ihr ausgehende geringe Waͤrme zu, um in der Kugel die Luft ſo auszudehnen, daß der Tropfen in der Roͤhre ſchnell fortgetrieben wird.
Genaue Verſuche uͤber die Ausdehnung nicht bloß der atmo - ſphaͤriſchen Luft, ſondern auch kuͤnſtlicher Luft-Arten, haben vor - zuͤglich Dalton und Gay-Luſſac angeſtellt. Sie bedienten ſich dazu theils genau graduirter Roͤhren, wo naͤmlich durch Fuͤllung mit Queckſilber und Abwaͤgung deſſelben die Abtheilungen der Roͤhre in beſtimmtem Verhaͤltniß zu dem ganzen Volumen des in -16 nern Raumes aufgetragen waren, theils machten ſie den Verſuch ſo, daß der in Queckſilber eingetauchte Hals eines mit erwaͤrmter Luft erfuͤllten Gefaͤßes bei dem Abkuͤhlen der Luft etwas Queck - ſilber aufnahm, deſſen Menge man durch Abwaͤgen beſtimmte. Bei der erſtern Einrichtung kann man, wenn die Luft bei der Nullkaͤlte einen gewiſſen Raum fuͤllt, ſogleich ſehn, um wieviel ſie ſich bei der Erwaͤrmung zu beſtimmten, nach der Scale des Ther - mometers angegebenen, Graden ausgedehnt hat; damit aber die Ausdehnung durch keinen Gegendruck gehindert werde, muß der Theil der Roͤhre, in welchem das durch einen Tropfen Queckſilber geſperrte Ende der Luftmaſſe ſich befindet, horizontal liegen. Be - dient man ſich eines Glasgefaͤßes mit engem Halſe, ſo dringt bei der Abkuͤhlung der Luft allmaͤhlig mehr Queckſilber in das Gefaͤß, und die bei beſtimmtem Grade der Abkuͤhlung durch vorſichtige Schließung und Abwaͤgung des Gefaͤßes gefundene Queckſilber - menge giebt an, um wieviel der Raum, den die Luft noch einnahm, ſich vermindert hatte. Dabei iſt aber noͤthig, daß man das Gefaͤß immer ſo ſtelle, daß die Queckſilberflaͤche innen und außen gleich hoch iſt, damit nicht die Ungleichheit des Druckes die Ausdehnung der Luft anders beſtimme, als es der Temperatur gemaͤß iſt. Die zu unterſuchende Luft muß von Feuchtigkeit frei ſein, und man laͤßt ſie daher durch ungeloͤſchten Kalk oder durch ſalzſauren Kalk gehn, weil dieſe Koͤrper alle Feuchtigkeit begierig aufnehmen.
Dieſe Verſuche haben zu der Ueberzeugung gefuͤhrt, daß alle trockene Luft-Arten ſich gleich viel ausdehnen, naͤmlich vom Ge - frierpuncte bis zum Kochpunkte des Waſſers um $$\frac{375}{1000}$$ oder ⅜ des - jenigen Volumens, welches ſie bei 0° Waͤrme hatten. Zugleich ergeben die Verſuche, daß dieſe Ausdehnung gleichfoͤrmig fortgeht bei gleichem Zunehmen der Waͤrme; und da kein Grund iſt zu zweifeln, daß dieſe Gleichfoͤrmigkeit auch bei denjenigen Waͤrme - graden fortdauert, wo die tropfbaren Fluͤſſigkeiten und ſelbſt das Queckſilber unregelmaͤßig werden, ſo kann man ſich des Luftther - mometers bedienen, um in ſo niedrigen Temperaturen, wo das Queckſilber gefriert, die Waͤrmegrade zu beſtimmen, ja man koͤnnte dies auch fuͤr ſehr hohe Temperaturen thun, wo indeß die Schwie - rigkeit viel groͤßer iſt.
17Die Luftthermometer ſind die erſten Thermometer geweſen, deren Drebbel ſich ſchon im Anfange des 17ten Jahrhunderts bediente; aber die von ihm gewaͤhlte Einrichtung war, weil die Angaben zugleich vom Drucke der Luft abhingen, nicht angemeſſen. Fuͤr den gewoͤhnlichen Gebrauch, wo ſehr kleine Aenderungen der Waͤrme anzumerken unnoͤthig und ſogar ſtoͤrend iſt, verdienen ohne Zweifel die Queckſilberthermometer den Vorzug; aber da, wo man ſehr geringe Unterſchiede der Waͤrme anzugeben noͤthig findet, da gewaͤhrt das Luftthermometer große Vortheile. Um ſo kleine Waͤrme - Unterſchiede wahrzunehmen, hat zuerſt G. G. Schmidt, nachher Rumford ein Inſtrument in Vorſchlag gebracht, das Leslie paſſend ein Differentialthermometer genannt hat. Das Inſtrument beſteht aus zwei Glaskugeln A, B, (Fig. 3.), die durch die gekruͤmmte Roͤhre ACDB verbunden ſind. In dem untern Theile der letztern befindet ſich ein Queckſilbertropfen ab, der die in beiden Kugeln enthaltene Luft von einander trennt. So lange nun die Luft in beiden Kugeln gleich erwaͤrmt bleibt, nimmt der Queckſilbertropfen bei horizontaler Lage der Roͤhre CD immer die - ſelbe Stelle ein, die dem Gleichgewichte gemaͤß iſt; dieſe Lage bezeichnet man mit 0, und bringt an der Roͤhre von da an eine Theilung an. Erhaͤlt nun die Kugel B nur die mindeſte Erwaͤr - mung, ſo daß die Luft in B mehr als in A erwaͤrmt wird, ſo draͤngt die Luft den Queckſilbertropfen nach C hin, und die Scale zeigt, wie viel dieſe Ausdehnung der Luft betraͤgt. Hat man alſo einmal durch Verſuche ausgemacht, wie viel Theile der Scale einer Differenz von 1°, von 2° u. ſ. w. entſprechen, ſo hat man hier ein ſehr empfindliches Thermometer fuͤr die Differenz der Waͤrme. Dieſe Einrichtung waͤre ein wirkliches Luftthermometer, das aber darum nicht ganz bequem ſein wuͤrde, weil die in A ver - dichtete Luft der in B erwaͤrmten und zugleich ausgedehnten Luft entgegen wirken wuͤrde. Man laͤßt daher den Raum in A, B, (Fig. 4.) nicht mit Luft gefuͤllt, ſondern entfernt vor dem Zu - ſchmelzen der Kugeln die Luft, nachdem Schwefel-Aether hinein - gebracht iſt, der ungefaͤhr den Raum fg fuͤllt. Wenn dann die Ku - geln und die Roͤhre vollkommen geſchloſſen worden, ſo fuͤllet ſich der Raum A ſowohl als der Raum gB mit Aetherdampf, der in Be - ziehung auf die Ausdehnung durch die Waͤrme ſich ebenſo wie dieIII. B18Luft verhaͤlt. Eine Abkuͤhlung der Kugel B bringt nun eine Ver - minderung der Elaſticitaͤt des Aetherdampfes hervor und die Fluͤſ - ſigkeit zieht ſich nach h hinauf; dabei aber gewaͤhrt der Aether - dampf den Vortheil, dieſem Steigen nicht zu widerſtehen, da er ſich bei der Abkuͤhlung niederſchlaͤgt, wie in der Folge gezeigt wird. Dies iſt das unter dem Namen Differentialthermometer bekannte Inſtrument, deſſen Empfindlichkeit ſehr groß iſt.
Um hohe Waͤrmegrade abzumeſſen, hat man die Beobachtung der Ausdehnung feſter Koͤrper angemeſſener gefunden; aber die Pyrometer, die dieſes leiſten ſollen, laſſen noch viel zu wuͤnſchen uͤbrig. Ihre einfachſte Einrichtung iſt die, daß auf einer Grund - lage, die der ungleichen Erwaͤrmung nicht ausgeſetzt wird, ſich in A (Fig. 5. ) ein feſter Stuͤtzpunct fuͤr den als Waͤrmemeſſer dienen - den Stab ABDF befindet, der auf BC, DE, aufliegt, ohne von dieſen Stuͤtzen feſtgehalten zu werden. Draͤngt ſich nun das Ende F dieſes Stabes gegen den um den feſten Punct G beweglichen Winkelhebel FGH, ſo beſchreibt der lange Zeiger GH bei H einen bedeutenden Bogen, wenn auch F nur ſehr wenig vorwaͤrts ruͤckt, und man kann die Anzeigen des Pyrometers deutlich genug auf dem Gradbogen bei H wahrnehmen.
Dieſe Einrichtung ſetzt voraus, daß die feſte Unterlage IK ſich gar nicht ausdehne; aber bei hohen Hitzegraden iſt es nicht moͤglich, daß nicht auch die Unterlagen an der Ausdehnung Antheil nehmen ſollten, und man hat daher dann die Verbindung zweier Koͤrper, die ſich ungleich ausdehnen, ſo angewandt, daß die Differenz ihrer Ausdehnung abgemeſſen wird. Von dieſer Art iſt das von Brog - niart fuͤr die Porcellan-Oefen vorgeſchlagene Pyrometer, wo in einer am untern Ende geſchloſſenen Roͤhre von Reißblei ein Platin - ſtaͤbchen frei auf dem Boden ſteht, welches mit ſeinem obern Ende den kurzen Hebel-Arm eines Zeigers fortſchiebt, deſſen Ruhepunct mit der Roͤhre verbunden iſt. Hier iſt der Unterſchied der Ausdeh - nung beider Koͤrper erheblich genug, um die verlangte Wirkung zu zeigen, und da es hier nicht ſo ſehr um eine nach Graden fortge - hende Abmeſſung der Waͤrme zu thun iſt, da man nur beſtimmen will, ob der zu gewiſſen Zwecken noͤthige Hitzegrad erreicht iſt, ſo19 laͤßt ſich ein ſolches Pyrometer, vorausgeſetzt, daß beide Koͤrper ihre Faͤhigkeit fuͤr die Ausdehnung durch die Waͤrme ungeaͤndert behal - ten, gar wohl gebrauchen. Daniells Pyrometer hat eine aͤhn - liche Einrichtung, und wenn man den Fortgang der Ausdehnung der Koͤrper als der Zunahme der Waͤrme immer gleichmaͤßig ent - ſprechend anſieht, ſo erhaͤlt man durch daſſelbe Angaben fuͤr die Schmelzhitzen der Metalle und aͤhnliche Beſtimmungen.
Eine andere Einrichtung der Pyrometer haͤngt davon ab, daß zwei feſt verbundene Platten verſchiedener Metalle wegen der un - gleichen Ausdehnung eine Kruͤmmung annehmen. Waͤren (Fig. 6.) die beiden Platten AB von Silber, CD von Platin durch feſte Ver - bindungen E, F, gehindert, ſich an einander fortzuſchieben; ſo wuͤrden, wegen der großen Gewalt, mit welcher die Waͤrme die Koͤrper noͤthigt, die ihrer Natur gemaͤße Ausdehnung anzunehmen, die durchgehenden Schrauben E, F eine ſchiefe Stellung, wie e, f, annehmen, damit das Silber cd ſeiner mehr als doppelt ſo ſtarken Ausdehnung nachgebe; ſind alſo beide Platten in mehrern Punc - ten feſt verbunden, oder auch uͤberall an einander geloͤthet, ſo ent - ſteht eine Kruͤmmung, die man ebenfalls durch einen laͤngern Zei - ger kenntlicher machen kann. Der Hauptſache nach iſt Breguers Pyrometer ebenſo eingerichtet. Hier ſind drei Blaͤtter, naͤmlich Platin, welches ſich am ſchwaͤchſten ausdehnt, Gold, das ſich 1½ mal ſo ſtark, und Silber, das ſich reichlich doppelt ſo ſtark als Platin ausdehnt, auf einander geloͤthet, ſo daß ſie, mit der breiten Flaͤche vereinigt, nun einen dickeren Streifen bilden. Dieſer Streifen (Fig. 7.) iſt ſchraubenfoͤrmig um einen Cylinder gewun - den, und indem ſein oberes Ende feſtgehalten wird, ſein unteres aber mit einem, um die Axe jenes Cylinders beweglichen, Zeiger verbunden iſt, fuͤhrt es bei der Ausdehnung oder Zuſammenziehung dieſen Zeiger im Kreiſe herum.
Allen dieſen Pyrometern fehlt aber noch ein recht ſicheres Maaß; ſie zeigen eine Zunahme oder Abnahme der Waͤrme, eine Wiederkehr gleicher Waͤrme u. ſ. w. an; aber ob die Waͤrme-Un - terſchiede doppelt, dreifach ſind, ob gleiche Grade des Pyrometers gleichen Unterſchieden wahrer Waͤrme entſprechen, daruͤber bleiben wir weit mehr in Ungewißheit, als in den mittlern TemperaturenB 220bei dem Queckſilberthermometer und Luftthermometer. Ueber die Mittel, uns in Hinſicht hierauf genauer zu belehren, werde ich in der Folge noch gelegentlich etwas erwaͤhnen.
Um aber jetzt alles zuſammen zu faſſen, was die Thermo - metrie betrifft, muß ich doch noch ein Wort uͤber diejenigen Ther - mometer ſagen, welche die groͤßte und kleinſte Waͤrme in Abweſen - heit des Beobachters angeben. Unter den verſchiedenen hiezu in Vorſchlag gebrachten Einrichtungen ſcheint folgende am meiſten Beifall gefunden zu haben. Wenn ein mit Weingeiſt gefuͤlltes Thermometer mit horizontalliegender Roͤhre AB angewandt wird, (Fig. 8.), ſo folgt in einer ſehr engen Roͤhre der Weingeiſt ebenſo den Geſetzen der Ausdehnung durch die Waͤrme, wie in einer verticalen Roͤhre, weil die Adhaͤſion ihn hindert, eine nach der Laͤnge der Roͤhre ausgedehnte Oberflaͤche anzunehmen und er ſich daher in einer auf die Laͤnge der Roͤhre ſenkrechten Oberflaͤche wie ed endigt. Von einem Queckſilberthermometer mit enger Roͤhre gilt eben das. Nun iſt die Adhaͤſion des Weingeiſts an ein darin befindliches Glasſtaͤbchen ſo bedeutend, daß jener ein feines Glas - ſtaͤbchen nicht trocken liegend zuruͤcklaͤßt, wenn die Zuſammenziehung durch die Kaͤlte den Weingeiſt von dem Orte zuruͤckzieht, wo das Glasſtuͤckchen liegt; das Glasſtaͤbchen geht daher mit der Oberflaͤche des Weingeiſtes nach der Richtung gegen A hin mit zuruͤck und bezeichnet immerfort die Stelle der Oberflaͤche, ſo lange die Abkuͤh - lung zunimmt. Faͤngt dagegen der Weingeiſt wieder an ſich aus - zudehnen, ſo bleibt das von allen Seiten mit der Fluͤſſigkeit umge - bene Glasſtuͤckchen liegen, weil die von allen Seiten gleiche Adhaͤ - ſion gar keine Kraft mehr ausuͤbt, um die Schwere und Reibung des an der Roͤhre anliegenden Glasſtaͤbchens zu uͤberwinden, und der Beobachter findet die geringſte Waͤrme angezeigt, ohne zu der Zeit, da ſie ſtatt fand, ſelbſt gegenwaͤrtig geweſen zu ſein.
Ein aͤhnliches Mittel giebt es fuͤr die groͤßte Waͤrme, indem im Queckſilberthermometer, deſſen Roͤhre horizontal liegt, ein Stahlſtaͤbchen oder andrer Koͤrper vor der ſich ausdehnenden Queck - ſilbermaſſe her fortgedraͤngt wird, aber an der Stelle, wo dieſe wieder anfaͤngt ſich zuruͤckzuziehen, liegen bleibt, alſo den Stand21 des Queckſilbers fuͤr die groͤßte Waͤrme bezeichnet. Uebrigens darf man bei dieſen beiden Thermometern nie verſaͤumen, durch eine kleine Erſchuͤtterung das fortzuſchiebende Koͤrperchen bis an die Oberflaͤche des Weingeiſtes im einen und des Queckſilbers im an - dern Falle zu bringen, damit jenes bei geringerer, dieſes bei groͤßerer Waͤrme ſogleich ſeinen Ort veraͤndere.
Von den mannigfaltigen Verſchiedenheiten, die außerdem bei den Thermometern, nach Verſchiedenheit ihrer Beſtimmung, ſtatt finden, brauche ich nur wenige Worte zu ſagen. Man hat zuweilen den Zweck, auch das Queckſilberthermometer ſo empfindlich als moͤglich zu erhalten, und giebt ihm dann eine kleine Kugel oder waͤhlt noch lieber eine flache, breite Form fuͤr das das Queckſilber enthaltende Gefaͤß, damit die ganze Queckſilbermaſſe recht ſchnell die Temperatur des umgebenden Medii annehme, und die Roͤhre muß dann auch recht ſehr eng ſein. In andern Faͤllen iſt dagegen eine große Traͤgheit des Thermometers erwuͤnſcht; zum Beiſpiel, wenn man die Temperatur am Boden des Meeres beſtimmen will, wo geraume Zeit waͤhrend des Heraufziehens verloren geht, da iſt es vortheilhaft, eine recht große Maſſe Queckſilber in der Kugel zu haben, damit, nachdem das Thermometer lange genug auf dem Boden des Meeres zugebracht hat, um die dortige Temperatur anzunehmen, es nun nicht ſo ſchnell die Waͤrme oder Kaͤlte der hoͤhern Schichten annehme, ſondern mehr Zeit, als zum Herauf - ziehen erforderlich iſt, noͤthig habe, um erheblich durchgewaͤrmt oder durchgekaͤltet zu werden. Ja, wo die Zeit des Heraufziehens ſehr groß iſt, muß man noch andre Mittel, um die einmal erlangte Waͤrme lange ungeaͤndert zu erhalten, anbringen.
Die neulich angeſtellten Betrachtungen hatten faſt allein den Zweck, uns die Mittel, Grade der Waͤrme mit moͤglichſter Genauig - keit kennen zu lernen, zu verſchaffen, und von dieſer Seite iſt die Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤrme uns vorzuͤglich wichtig; aber auch zur Erklaͤrung mancher Natur-Erſcheinungen und zu manchen practiſchen Anwendungen fuͤhrt uns die Kenntniß jener Wirkung der Waͤrme.
Es iſt eine gewoͤhnliche Erfahrung, daß ein Glas zerſpringt, wenn man heißes Waſſer hineingießt und daß dies bei einem recht kalten Glaſe am leichteſten erfolgt; dies iſt der Erfolg der Ausdeh - nung des Glaſes, deſſen Theile naͤmlich an der ploͤtzlich erhitzten innern Seite ſich auseinander draͤngen, und weil die noch nicht erwaͤrmten Theile ſich noch nicht ausdehnen, ebenſo wie beim Beu - gen des Glaſes, ein Zerſprengen bewirken. Waͤre das Glas nicht ſo ſehr ſproͤde, ſo wuͤrde es durch jene Ausdehnung an der innern Seite ebenſo eine Beugung ſeiner Waͤnde erleiden, wie wir es neulich an dem vereinigten Platin - und Silberſtreifen ſahen; aber die geringſte Beugung zerbricht das Glas, und da die Waͤrme ſich nicht ſo ſchnell der aͤußern Seite mittheilt, ſo bewirket dieſe Deh - nung an einer Seite ſein Zerſpringen. Duͤnne Glaͤſer ſind dieſem weniger ausgeſetzt, weil ſie ſchnell genug in allen ihren Theilen erhitzt werden. Die Erſcheinung erfolgt ebenſo, wenn man ein kaltes Glas auf den heißen Ofen ſetzt, wird aber da durch das Un - terlegen eines ſich langſam erwaͤrmenden Koͤrpers, z. B. Papier, gehindert, weil dieſes keine ſo ploͤtzliche und ungleichfoͤrmige Er - hitzung zulaͤßt.
Auf eben dem Umſtande beruht die Kunſt, einen Riß im Glaſe nach willkuͤhrlicher Richtung fortzufuͤhren. Dieſe Kunſt beſteht darin, daß man einen gluͤhenden, ſpitzigen Eiſenſtab von23 dem Ende des ſchon vorhandenen Riſſes auf der Oberflaͤche des Glaſes dahin, wohin der Riß gehen ſoll, fortfuͤhrt. Die ploͤtzliche Ausdehnung an dieſer Stelle bringt naͤmlich das Glas zum Sprin - gen, und da man ſich ganz nahe an dem Ende des Riſſes, wo der Zuſammenhang ſchon aufgehoben iſt, befindet, ſo waͤhlt der neue Riß die Richtung dahin, wo am wenigſten Zuſammenhang zu uͤberwinden iſt. Es gehoͤrt indeß einige Vorſicht und Gewandt - heit dazu, den Riß ganz nach Willkuͤhr zu leiten, und Ungleich - heiten im Glaſe ſelbſt bringen doch noch oft Kruͤmmungen hervor.
Eine aͤhnliche Urſache trennt bei ſtarker Abkuͤhlung oft Koͤr - per, die ſich in hoͤherer Temperatur recht gut vereinigt hatten. Sind naͤmlich zwei ungleiche Koͤrper in waͤrmerem Zuſtande an einander befeſtiget, ſo ziehen beide ſich beim Erkalten in einen engern Raum zuſammen, aber der eine mehr als der andre, und dieſes hat die Folge, daß die vereinigt geweſenen Theile nicht bei einander blei - ben koͤnnen, ihren Zuſammenhang verlieren, und auseinander fallen. Es iſt bekannt, daß Siegellack an einer kalten Metall - platte faſt gar nicht haftet; hat man die Metallplatte auf einen maͤßigen Grad erwaͤrmt, ſo haͤlt es feſt, weil das warme Metall und das warme Siegellack ſich nun zugleich zuſammenziehen, und weniger geneigt ſind ſich zu trennen; aber bei ſtarken Abkuͤhlungen trennen ſie ſich doch. Aus eben dem Grunde bleibt Platindrath in Glas eingeſchmelzt feſter als Eiſendrath oder Silberdrath. Die beiden letztern Metalle dehnen ſich naͤmlich weit mehr als Glas aus, und ziehen ſich daher, indem ſie nach dem Schmelzen des Gla - ſes abkuͤhlen, mehr als das Glas zuſammen, jede zwei Metalltheil - chen ruͤcken naͤher an einander als die zwei an ſie beim Schmelzen befeſtigten Glastheilchen, weshalb die Verbindung getrennt wird; Platin und Glas hingegen dehnen ſich in maͤßigen Temperaturen faſt genau gleich aus und bleiben daher vereinigt.
Das Abſpringen der duͤnnen Schichten feinern Holzes an unſern Mobilien ruͤhrt zwar meiſtens von der durch ungleiche Feuchtigkeit und Austrocknung entſtehenden verſchiedenen Ausdeh - nung her; aber die Waͤrme kann eben das bewirken. Das Krumm - ziehen der Hoͤlzer hat ebenfalls dieſe zweierlei Urſachen, naͤmlich theils ein Laͤngerwerden der dem Feuer zugewandten Seite durch24 die Waͤrme, theils ein Eintrocknen dieſer waͤrmeren Seite; der Erfolg kann daher von entgegengeſetzter Art ſein.
Der gluͤhend um das Rad geſchlagene eiſerne Reif muß es ſehr feſt umſchließen, wenn das Eiſen kalt geworden iſt. —
Daß wir an die ungleiche Ausdehnung der Koͤrper bei man - chen Verſuchen, wenn wir genaue Folgerungen ziehen wollen, den - ken muͤſſen, habe ich ſchon fruͤher zuweilen erwaͤhnt. Das Araͤo - meter, deſſen wir uns zu Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes gewiſſer Fluͤſſigkeiten bedienen, ſinkt in eine erwaͤrmte Fluͤſſigkeit tiefer ein, und muß um den richtigen Werth fuͤr dieſe Fluͤſſigkeit zu beſtimmen, nur bei der Temperatur, fuͤr welche es graduirt iſt, gebraucht werden. Selbſt die Abwaͤgungen eines feſten Koͤrpers in irgend einer Fluͤſſigkeit ſind, ohne die Ruͤckſicht auf die Waͤrme, von geringem Werthe, weil ſie uns das Gewicht der einen gleichen Raum einnehmenden Fluͤſſigkeit in Vergleichung gegen das Gewicht des feſten Koͤrpers fuͤr den gerade ſtatt findenden Zuſtand kennen lehren, aber das Verhaͤltniß dieſer Gewichte ſich bei ungleicher Waͤrme aͤndert. Und ebenſo muß man bei genauen Meſſungen mit Maaßſtaͤben daran denken, daß das was im ſtrengſten Sinne ein Fuß, eine Toiſe, ein Meter heißt, nicht bei jeder Waͤrme die Laͤnge des Maaßſtabes iſt, der dieſer Laͤnge gleich angegeben wird. Will man das ganz genaue Maaß eines eiſernen Maaßſtabes wieder auf einen eiſernen Maaßſtab uͤbertragen, und iſt man ſicher, genau gleiches Eiſen in beiden zu beſitzen, ſo koͤnnte man, vorausgeſetzt, daß beide genau gleich warm ſind, bei jeder Temperatur die Ueber - tragung machen, weil das in groͤßerer Waͤrme zu große Maaß auch auf dem neuen Maaßſtabe in der Kaͤlte ſich ebenſo verkleinert. Uebertraͤgt man aber von einem eiſernen Grundmaaße auf einen Meſſingſtab, ſo muß man beide in diejenige Temperatur bringen, wo der alte Maaßſtab ſeine wahre Laͤnge hat, weil Meſſing ſich anderthalbmal ſo viel als Eiſen ausdehnt und daher eine bei Son - nenhitze der Meſſingtoiſe gleiche Eiſentoiſe bei der Froſtkaͤlte nicht mehr mit ihr uͤbereinſtimmt. Aus dieſem Grunde werden bei ſehr genauen Meſſungen langer Linien die Waͤrmegrade zur Zeit der Meſſung bemerkt; denn obgleich es uns zu gewoͤhnlichem Gebrauche ziemlich unbedeutend ſcheint, daß bei einer Sommerwaͤrme von 30° Centeſ. ein Meſſingſtab von 10 Fuß lang um $$\frac{57}{10000}$$ eines25 Fußes laͤnger iſt, als bei der Froſtkaͤlte, ſo macht dies doch, wenn man eine Laͤnge von 10000 Fuß ausmißt, ſchon 5¾ Fuß aus, und jeder Grad Waͤrme, um welchen man in der Angabe der Waͤrme fehlt, wuͤrde auf 1 Fuß nur 19 Milliontel eines Fußes, aber auf 100000 Fuß beinahe 2 Fuß Fehler hervorbringen. Meſſungen, die ſich mit einer vollkommenen Genauigkeit durch mehrere Brei - tengrade auf der Erde fort erſtrecken ſollen, fordern in der Meſſung der Standlinie die groͤßeſte Genauigkeit, weil der hier begangene Fehler ſich in gleichem Verhaͤltniſſe auf alle groͤßern Linien uͤber - traͤgt.
Nach den franzoͤſiſchen Maaßbeſtimmungen ſollte 1 Meter der Zehnmillionſte Theil des Erdquadranten, das iſt, eines vom Pole bis zum Aequator gemeſſenen Bogens auf der Meeresflaͤche, ſein; aber der Meſſingſtab, der in 0° Waͤrme dieſer Forderung ent - ſpraͤche, wuͤrde ihr bei 20° Waͤrme nicht mehr entſprechen, und ſo wird es verſtaͤndlich, warum man ſagt, der Metermaaßſtab halte bei der Kaͤlte des gefrierenden Waſſers 443,296 par. Linien des - jenigen Pariſer Normalmaaßes, welches 2 Toiſen = 12 Fuß = 144 Zoll = 1728 Lin. bei 16¾° Cent. Waͤrme betraͤgt.
Die Ruͤckſicht, die man bei barometriſchen Hoͤhenmeſſungen ſowohl auf die Ausdehnung des Queckſilbers als auf die Ausdeh - nung der Luft durch die Waͤrme nehmen muß, iſt ſchon bei den Regeln fuͤr die Hoͤhenmeſſung ſelbſt betrachtet worden. — Auch bei dem Gebrauche ſeiner Winkel-Inſtrumente muß man darauf ſehen, daß keine Erwaͤrmung, die leicht ein Veraͤndern der Geſtalt des Inſtruments zur Folge hat, ſtatt finde, und die Aſtronomen ſind bei der Genauigkeit, die ihre Beobachtungen fordern, hierauf zu achten genoͤthiget. Ja ſelbſt die Waͤnde von Gebaͤuden ſind einer Kruͤmmung unterworfen, wenn ſie an einer Seite erwaͤrmt wer - den, und dies iſt ein Grund, warum Inſtrumente auf hohen Thuͤrmen nicht als ganz feſtſtehend anzuſehen ſind.
Unter den Veraͤnderungen, welche die Waͤrme bei unſern Inſtrumenten hervorbringt, iſt diejenige vorzuͤglich wichtig, welche die Pendel, oder in den Feder-Uhren die Spiralfedern, als Regu - latoren unſerer Uhren, erleiden. Der Secundenzeiger der Pendel -26 Uhr ruͤckt immer um 60 Secunden fort, wenn das Pendel 60 Schlaͤge vollendet, aber dieſe angeblichen Secunden ſind nicht Se - cunden mehr, wenn das Pendel ſeine Laͤnge aͤndert; und da unſre Pendel-Uhren von der haͤrteſten Winterkaͤlte bis zur groͤßten Som - merwaͤrme einer Aenderung von mehr als 60 Cent. Gr. unterwor - fen ſind, ſo aͤndert ein Pendel mit Stahlſtange ſeine Laͤnge um etwa $$\frac{7}{10000}$$ der ganzen Laͤnge, das iſt, um reichlich ¼ Linie, und hiedurch wird die Anzahl der Schwingungen in einem Tage um 30 Schwingungen vermindert, wenn die Waͤrme um ſo viel zu - nimmt*)Bei Meſſing ſogar 45 Schwingungen.. Dieſe Aenderungen der Schwingungszeit muͤßten bei jeder Beobachtung beruͤckſichtiget werden, und dies wuͤrde, wegen des unaufhoͤrlichen Wechſels der Temperatur, fuͤr ganze Tage und laͤngere Zeiten unausfuͤhrbar, dadurch aber die bei aſtronomiſchen Beobachtungen erforderliche Genauigkeit unmoͤglich ſein. Es ward daher, als man genau gehende Uhren zu machen anfing, ein Be - duͤrfniß, Pendel zu haben, die dieſen Veraͤnderungen nicht unter - worfen, wo ſie compenſirt waͤren. Man hat hiezu vorzuͤglich zwei Einrichtungen in Anwendung gebracht, unter denen das roſt - foͤrmige Pendel das bis jetzt am meiſten gebrauchte iſt.
Wenn man eine Verbindung von Stahlſtangen (Fig. 9. ) AB, CD, der Waͤrme ausſetzt, ſo verlaͤngern ſich dieſe bei jedem Waͤrmegrade (der Centeſ. Scale) ungefaͤhr um 12 Milliontel ihrer ganzen Laͤnge. Sind auf den unten mit dieſen feſt verbundenen Stuͤcken BE, DH zwei Zinkſtangen FE, GH, feſt eingeſetzt, ſo geht, wofern AC feſt gehalten wird, mit BE, HD auch das untere Ende der Zinkſtangen herab; aber da Zink ſich ſehr ſtark ausdehnt, ſo geht das obere Ende FG, ſich von EH entfernend, wieder hin - auf, und beide Ausdehnungen muͤſſen ſich zum Theil oder ganz einander ausgleichen. Da Zink ſich um 30 Milliontel ausdehnt, waͤhrend Stahl bei 1 Gr. Waͤrme-Aenderung ſich nur um 12 Milliontel ausdehnt, ſo laͤßt ſich folgende Anordnung des roſtfoͤr - migen Pendels leicht uͤberſehen. Man nimmt die Stahlſtangen AB, CD, 30 Zoll lang, die Zinkſtangen FE, GH, 24 Zoll und befeſtigt an FG die 30 Zoll lange Stahlſtange IK, an welcher ſich die ſehr ſchwere Linſe K des Pendels befindet; wird nun dieſe27 ganze Verbindung in L aufgehaͤngt, ſo wird die ganze Entfernung vom Aufhaͤngepuncte bis zur Linie bei jeder Waͤrme ungeaͤndert bleiben. Durch die Ausdehnung der Stangen AB, CD ſinkt naͤmlich BD um 30 mal 12 Milliontel = 360 Milliontel Zoll herab, die Stangen EF, HG verlaͤngern ſich um 24 mal 30 Milliontel Zoll = 720 Mill., weil ſie 24 Zoll lang ſind und Zink ſich um 30 Milliontel ausdehnt, alſo ruͤckt das Verbindungsſtuͤck FG um 360 Milliontel Zoll hinauf, und gerade um ſo viel ver - laͤngert ſich die Stange IK hinabwaͤrts, ſo daß K in gleicher Ent - fernung von AC oder beinahe in gleicher Entfernung vom Auf - haͤngepuncte L bleibt. Waͤre alſo die Maſſe der Linſe ſo groß, daß man auf die Stangen nicht zu ſehen brauchte, ſondern die ganze Maſſe als im Mittelpuncte der Kugel vereinigt anſehen koͤnnte, ſo haͤtte man auf dieſe Art ein von AC an 36 Zoll langes unveraͤn - derliches Pendel. — Da der Mittelpunct des Schwunges nicht genau im Mittelpuncte der Kugel liegt, ſo wird man die Maaße der Stangen etwas weniges aͤndern muͤſſen, aber der wichtigſte Theil der Compenſation iſt durch die obigen Verhaͤltniſſe beſtimmt.
Eine andre Art der Compenſation beſteht darin, daß man als ſchwerſten Theil des Pendels ein Gefaͤß mit Queckſilber anbringt, und die Einrichtung ſo macht, daß deſſen Schwerpunct immer gleich entfernt vom Aufhaͤngepuncte bleibt. Die Hauptanordnung iſt daher die, daß (Fig. 10.) an der Pendelſtange AB ein Gefaͤß BC mit Queckſilber befeſtigt iſt: dieſes Gefaͤß darf nicht ganz ge - fuͤllt ſein, damit das Queckſilber nicht gehindert ſei, ſich auszudeh - nen. Beſteht nun die ganze Verbindung ABC aus Stahl und iſt auf den Boden C ein mit Queckſilber gefuͤlltes Gefaͤß befeſtigt, ſo erhaͤlt man, wenn AC 38 Zoll lang, das Queckſilber aber 5 Zoll hoch iſt, folgende Rechnung. AC dehnt ſich um 12 Milliontel bei jedem Grade aus, alſo ſinkt C um 38 mal 12 Milliontel Zoll = 456 Milliontel herab; das Queckſilber dehnt ſich bei einem Waͤrmegrade um 180 Milliontel aus, alſo ruͤckt der 2½ Zoll uͤber C liegende Schwerpunct um 2½. 180 Milliontel = 450 Milliontel Zoll hinauf und die vorige Senkung iſt durch dieſe Hebung beinahe compenſirt, ſo daß es leicht waͤre, durch eine kleine Aenderung des Verhaͤltniſſes der Laͤngen, die ohnehin bei den ſchaͤrfer beſtimmten28 Ausdehnungen noch etwas anders ausfallen, die Compenſation ganz ſtrenge zu erreichen.
Eine aͤhnliche Compenſation, wie das Pendel, fordert die Un - ruhe der Feder-Uhren, und dieſe iſt um ſo wichtiger, da gerade die See-Uhren, die Chronometer, auf deren gleichfoͤrmigen Gang man bei den laͤngſten Reiſen muß trauen koͤnnen, nicht durch Pen - del, deren Bewegung auf Schiffen ohne alle Regelmaͤßigkeit ſein wuͤrde, regulirt werden koͤnnen. Die Spiralfeder einer Uhr ver - laͤngert ſich bei der Waͤrme, und macht dann, wenn ſie keine andre Maſſe mit fortzubewegen hat, langſamere Schwingungen; da ſie aber die Maſſe der Unruhe, die als ein kleines Schwungrad anzu - ſehen iſt, mit in Schwung ſetzen muß, ſo kann man hier die Compenſation dadurch bewirken, daß man mit der minder kraͤftig wirkenden erwaͤrmten Feder eine dem Mittelpuncte naͤher geruͤckte, alſo leichter in Bewegung zu ſetzende, Maſſe in Verbindung bringt, oder daß man einen Theil der Maſſe der Unruhe ſo anbringt, daß er bei der Erwaͤrmung naͤher an die Axe ruͤckt. Dies bewirkt man auf folgende Weiſe. Sie wiſſen, daß eine aus Meſſing und Stahl zuſammengeſetzte gekruͤmmte Platte ad (Fig. 11.), deren innerer Theil ed aus Stahl, der aͤußere ab aus Meſſing beſteht, ſich bei zunehmender Waͤrme immer ſtaͤrker kruͤmmt, weil das Meſſing ſich mehr als der Stahl verlaͤngert; tragen nun zwei ſolche Strei - fen die ſchweren Maſſen M, M und ſind mit der Axe B der Unruhe ſo verbunden, daß dieſe Maſſen alle Schwingungen mit machen muͤſſen, ſo werden bei gleicher Kraft der Feder die Schwingungen ſchneller, wenn die Maſſen M naͤher gegen die Axe B ruͤcken. Hier, wo dieſes Naͤherruͤcken durch die Erwaͤrmung, durch die zuneh - mende Kruͤmmung der Streifen ad, bewirkt wird, und wo die zugleich mit erwaͤrmte und verlaͤngerte Spiralfeder an Kraft ver - liert, laͤßt ſich beides ſo gegen einander ausgleichen, daß die Schwin - gungen der Unruhe gleich ſchnell bleiben, und Verſuche muͤſſen uͤber die dazu noͤthigen genauen Abmeſſungen entſcheiden.
Aehnliche Compenſationen koͤnnte man auch in andern Faͤl - len, wo eine unveraͤnderliche Laͤnge erhalten werden ſoll, an - wenden.
Ich muß in Beziehung auf die Ausdehnung feſter Koͤrper doch noch einen merkwuͤrdigen Umſtand erwaͤhnen. Einige Beob - achter haben gefunden, daß bei ſtetigem Zunehmen oder Abnehmen der Temperatur ſich das Volumen feſter Koͤrper nicht immer ebenſo ſtetig, ſondern in kleinen Unterbrechungen, ſtoßweiſe, aͤndert. Eine ſehr bekannte Erfahrung ſcheint mir eben dahin zu gehoͤren. Wenn wir eine ſehr erhitzte Ofenthuͤr oͤffnen, und ſie dadurch einer ſchnel - len Abkuͤhlung ausſetzen, ſo giebt ſie ſehr oft ein beinahe in beſtimm - ten Tacte ſich wiederholendes Geraͤuſch, welches man durch einen leichten Stoß kann aufhoͤren machen; dieſes ſind, ſo viel ich ein - ſehe, die ſtoßweiſe erfolgenden Aenderungen des Volumens, die bei der Schnelligkeit der Abkuͤhlung ſtark genug ſind, um ein Geraͤuſch zu bewirken; bringt man durch einen Stoß die ganze Maſſe in zitternde Bewegung, ſo erleichtert man den Theilchen des feſten Koͤrpers die Ruͤckkehr zu dem Ausdehnungszuſtande, welcher der Waͤrme gemaͤß iſt, und dieſer wird fuͤr die naͤchſten Augenblicke nach jenem Stoße in einem mehr ſtetigen Uebergange, nicht mehr ſtoßweiſe, erreicht*)Laplace expos. du syst. du monde. 1. 123. . Dieſe Erſcheinung iſt nicht ſo beſonders auf - fallend oder merkwuͤrdig, da man ſich leicht vorſtellen kann, daß die Ungleichheit in der Structur feſter Koͤrper Hinderniſſe darbieten mag, die ſich der in jedem Augenblicke angemeſſenen Herſtellung der Ausdehnung widerſetzen, und die erſt ploͤtzlich uͤberwunden wer - den, wenn bei fortgehender Abkuͤhlung die zuſammenziehende Kraft einen gewiſſen Grad erreicht hat; aber da neulich ein Beobachter hierin einen Beweis fuͤr die undulatoriſche Bewegung des Waͤrme - ſtoffs ſelbſt hat finden wollen, ſo verdient ſie doch wohl erwaͤhnt zu werden, indem dieſe Erſcheinung gewiß einen ganz andern Grund hat.
Ich gehe zu einigen in die phyſiſche Geographie und in die Meteorologie gehoͤrigen Erſcheinungen uͤber, die von der ungleichen Ausdehnung fluͤſſiger Koͤrper bei verſchiedener Waͤrme abhaͤngen.
30Die Temperatur des Waſſers auf dem Boden tiefer Gewaͤſſer wird faſt immer niedrig gefunden, z. B. in den Schweitzerſeen ſo groß wie die der groͤßten Dichtigkeit des Waſſers entſprechende Waͤrme*)Nach von Buch und andern. Gilb. Ann. XIX. 141. XX. 312., und in den Tiefen der Meere auch ſehr bedeutend niedriger als an der Oberflaͤche. Dieſes laͤßt ſich ziemlich leicht erklaͤren, weil die Sonnenſtrahlen mit ihrer Erwaͤrmung gewiß immer nur ſehr wenig tief in das Waſſer eindringen und daher nur die obern Theile die hoͤhere Temperatur der Luft im Sommer unmittelbar erhalten. Da nun dieſe durch die Erwaͤrmung leichter werdenden Theilchen kein Beſtreben haben zu ſinken, ſondern fort - waͤhrend ihre Stelle an der Oberflaͤche behalten, ſo findet kein erhebliches Durchwaͤrmen des Waſſers in die Tiefe hinab ſtatt, naͤmlich nicht weiter hinab, als Wellenbewegung oder Stroͤmung es bewirken. Die Abkuͤhlung dagegen, welche in den kaͤlteren Jahreszeiten, zumal bei Froſt und anhaltend kaltem Wetter, ein - tritt, verbreitet ſich ſogleich hinabwaͤrts weil die obern Theilchen, ſobald ſie ſchwerer werden als die unteren, ſich hinabwaͤrts ſenken, und die waͤrmeren Theile zum Heraufſteigen veranlaſſen. So iſt alſo ein deutlicher Grund vorhanden, warum am Boden tiefer Ge - waͤſſer ungefaͤhr die kaͤlteſte Lufttemperatur, die an dem Orte im Laufe des Jahres vorkoͤmmt, gefunden werden muß, ſo lange dieſe Temperatur hoͤher als die der groͤßten Dichtigkeit entſprechende Waͤrme iſt; eine tiefere Temperatur als die der groͤßten Dichtigkeit entſprechende kann (ohne beſondre Veranlaſſung,) am Boden ſuͤßer Waſſer nie eintreten, weil das Niederſinken kaͤlterer Waſſertheilchen (z. B. von 1°, von ½ Gr. Waͤrme,) unter jene nicht ſtatt findet. Im Meere dagegen kann, weil Salzwaſſer keine ſolche groͤßte Dichtigkeit, von welcher an es ſich ſowohl im Abkuͤhlen als im Erwaͤrmen ausdehnte, erreicht, die Temperatur bis zur Gefrier - kaͤlte herabgehen, und Perons Beobachtung, daß die Tempera - tur wirklich ſo ſehr niedrig am Boden der Meere iſt, ließe ſich hiernach einſehen, wenn nicht doch noch zwei Umſtaͤnde dabei im Wege ſtaͤnden. Der erſte iſt, daß Peron dieſe ſehr niedrige Temperatur auch in den Tropengegenden, wo die Luft nie ſo kalt wird, beobachtet hat, der andre, daß wir der Erde, alſo doch auch31 dem Boden des Meeres, eine ſo niedrige Temperatur nicht beizu - legen geneigt ſind.
In Beziehung auf den erſten Einwurf, daß die Kaͤlte der Luft dort, wo es keine kalte Jahreszeit giebt, nicht die Kaͤlte am Boden des Meeres bewirken koͤnne, bemerkt Peron wohl mit Recht, daß ein Strom kalten Waſſers von den Polen gegen den Aequator am Boden des Meeres faſt nothwendig eben ſo gut wie ein Strom warmen Waſſers in der entgegen geſetzten Richtung an der Oberflaͤche ſtatt finden muͤſſe, und findet in ſeinen Beobach - tungen einen Beweis hierfuͤr*)Gilb. Ann. XIX. 443; LXIII. 126; XX. 341.. Der zweite Umſtand iſt aber allerdings noch nicht ganz aufgehellt, indem, wie von Buch mit Recht bemerkt, eine ſo große Kaͤlte der Erde ſelbſt in dieſer Tiefe nicht glaublich iſt, dann aber doch auch nicht klar wird, warum die unaufhoͤrlich vom Boden her ſich mittheilende Waͤrme nicht wirk - ſam genug iſt, um auch dem Waſſer eine etwas hoͤhere Temperatur zu ertheilen.
Jene Mittheilung der Kaͤlte der Luft an die untern Schich - ten des Meereswaſſers iſt von der groͤßten Wichtigkeit fuͤr die Mil - derung des Clima's der Gegenden am Meere. Im Sommer iſt es minder heiß an den Ufern des Meeres, weil die erwaͤrmte Luft etwas Waͤrme an das Waſſer mittheilt, und dieſe Mittheilung bleibt nicht ganz und gar oberflaͤchlich, weil die Wellenbewegung eine gleichmaͤßige Erwaͤrmung bis zu den Tiefen, wohin die Wellen noch reichen, zur Folge hat. Dadurch aber wird das Meer in ſeinen obern Schichten zu einem Waͤrmebehaͤlter, der im Winter an die kaͤltere Luft Waͤrme abgiebt, und das Clima der See-Ufer minder kalt macht. Dieſe Milderung des Clima's wird noch befoͤr - dert durch die an der Oberflaͤche des Meeres, beſonders in gewiſſen Gegenden ſehr bedeutenden, warmen Stroͤmungen vom Aequator her, und die Gegenden in der Naͤhe der Pole erhalten daher eine mildere Temperatur, als ſie ſonſt beſitzen wuͤrden**)Ueber die Enſtehung dieſer Stroͤme ſ. 1. Theil S. 139..
Man hat bemerkt, daß uͤber Untiefen, wenn der Boden des Meeres nicht allzu nahe unter der Oberflaͤche iſt, das Meeres -32 waſſer kaͤlter iſt, als bei großer Tiefe. J. Davy erklaͤrt dies dar - aus, daß die kaͤltern Waſſertheilchen in eine gleichſam unermeßliche Tiefe hinab ſinken, da wo die Tiefe des Meeres dies erlaubt, da - gegen doch nur bis an den Boden hinabſinken koͤnnen, wenn dieſer nicht ſo entfernt iſt, im letztern Falle alſo durch ihre Naͤhe das Waſſer auch in geringer Tiefe unter der Oberflaͤche abkuͤhlen. Bei ſehr flachem Waſſer erwaͤrmen die Sonnenſtrahlen den Boden ſelbſt, und da findet jene Kaͤlte uͤber Untiefen alſo endlich nicht mehr ſtatt*)Gilb. Ann. LXVI. 140..
Als einen merkwuͤrdigen Beweis dafuͤr, daß das Waſſer bei ſeiner groͤßten Dichtigkeit noch faͤhig ſei, Eis zu ſchmelzen, fuͤhrt Rumford folgende Erfahrung an. Die Alpenreiſenden finden manchmal auf dem Gletſcher-Eiſe tiefe Waſſerloͤcher, die bei gerin - gem Durchmeſſer eine Tiefe von 4 Fuß erlangen und bis oben mit Waſſer gefuͤllt ſind. Sie entſtehen waͤhrend des Sommers und vertiefen ſich, ſo lange es oben hinreichend warm iſt; dieſes allmaͤhlige Vertiefen aber wird offenbar dadurch bewirkt, daß die groͤßte Dichtigkeit des Waſſers einer Waͤrme entſpricht, die erheb - lich hoͤher als die Kaͤlte des aufthauenden Eiſes iſt. Es erhellt naͤmlich leicht, daß unmittelbar am Boden des Waſſerloches, wo es ſich in einer Eismaſſe endigt, die Gefrierkaͤlte ſtatt findet; die hier ſich eben aufloͤſenden Waſſertheilchen ſind aber leichter, als die um etwa 1 bis 4 Grad mehr erwaͤrmten, die ſich in der Mitte der Waſſermaſſe befinden, und jene ſteigen daher hinauf, um dieſen Platz zu machen; ſo gelangen Waſſertheilchen an den Eisboden, die warm genug ſind, um wieder einige Eistheilchen in Waſ - ſer zu verwandeln, und da ſie bei ihrem Abkuͤhlen wieder auf - ſteigen und durch neue erſetzt werden, ſo dauert dieſes langſam fortſchreitende Aufthauen ſo lange fort, als die Sonnenſtrahlen das obere Waſſer noch immer ein wenig uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmen.
Ueber die Abhaͤngigkeit der Luftſtroͤmungen und der Winde von der ungleichen Erwaͤrmung der Luft habe ich ſchon bei einer33 andern Gelegenheit ſo viel geſagt*)I. Theil. S. 139., daß ich kaum noch darauf zuruͤckzukommen brauche. Die Frage, warum ſich denn die obere Luft in der Atmoſphaͤre nicht erwaͤrmt, da doch die erwaͤrmte Luft ganz gewiß immer aufwaͤrts ſteigt, kann ich hier noch nicht voll - ſtaͤndig beantworten, ſondern muß mich begnuͤgen anzudeuten, daß die aufſteigende Luft ſich in einen groͤßern Raum ausdehnt und dadurch abgekuͤhlt wird. Bei dem gewoͤhnlichen Zuſtande der Luft findet deshalb auch kein merkliches Herunterſinken der kalten Luft ſtatt, weil dieſe in der Hoͤhe denjenigen Grad der Verduͤnnung angenommen hat, wodurch ſie leichter als die untere waͤrmere Luft iſt, und nur uͤber ſehr merklich erwaͤrmten Flaͤchen finden deutlich aufwaͤrts gehende warme Luftſtroͤme und zum Erſatze herabwaͤrts gehende kalte Luftſtroͤme ſtatt. Dagegen in den Faͤllen, wo ploͤtzlich heftige Abkuͤhlung in den obern Gegenden der Luft eintritt, da bemerkt man wohl das Herunterſtuͤrzen der kalten Luftſchichten, und die kalten, oft durchdringend kalten Gewitterwinde ſcheinen theils dadurch, theils durch die in dem Regenguſſe mit herabgeriſſene Luft zu entſtehen, die ſich von dem Orte der Wolke aus, nachdem ſie auf der Erde eine horizontale Richtung angenommen hat, nach allen Seiten hin ausbreitet**)Kaͤmtz Meteorologie I. 212..
Als eine hieher gehoͤrende Bemerkung will ich doch noch die anfuͤhren, daß Scoresby erzaͤhlt, ein lebhafter Sturm, der vom offenen Meere her gegen eine Meilen weit mit Eis bedeckte Meeresflaͤche fortgeht, werde von Schiffen, die ſich mitten in dieſem Eiſe befinden, oft gar nicht bemerkt. Dies erklaͤrt ſich aus dem durch den Unterſchied der Waͤrme in jedem Falle veranlaßten An - drange der untern kalten Luft von Eiſe her, die ſich dem aus der entgegengeſetzten Richtung kommenden Sturme widerſetzt, und aus der bei der Abkuͤhlung der eindringenden Luft ſtatt findenden Verminderung des Volumens, welcher noch erheblicher iſt, wenn ſich Schnee aus der feuchten, waͤrmern Luft niederſchlaͤgt.
Von den Luftſtroͤmungen durch ungleiche Erwaͤrmung macht man eine Anwendung, wo man friſche Luft in eingeſchloſſene Raͤume bringen will. Laͤßt ſich naͤmlich da ein Zutritt kalter undIII. C34reiner Luft in dem untern Theile des Zimmes erhalten und ohne andre Nachtheile anwenden, waͤhrend die erwaͤrmte Luft des Zim - mers oben ausfließt, ſo laͤßt ſich der Zweck der Luftreinigung da - durch erreichen, nur hat es oft einige Schwierigkeit, der durch die Kaͤlte der einſtroͤmenden Luft verurſachten Unbequemlichkeit aus - zuweichen. Doch es iſt Zeit, zu andern Erſcheinungen der Waͤrme uͤberzugehen.
Die Erſcheinungen der Waͤrme, die ich jetzt zunaͤchſt Ihrer Aufmerkſamkeit, m. h. H., empfehlen will, ſind die, welche die Verbreitung der Waͤrme betreffen. Es bieten ſich uns hier zwei weſentlich verſchiedene Arten, wie die Waͤrme ſich verbreitet, dar, naͤmlich durch Ausſtrahlen und durch Leitung; denn eine dritte Art der Mittheilung, welche wir bei den Phaͤnomenen der Waͤrme wahrnehmen, wo ſie naͤmlich durch Stroͤmung in den fluͤſſigen Koͤrpern ſich verbreitet, kann nicht als eigenthuͤmliche Mittheilungs - Art angeſehen werden.
Nicht bloß die Sonnenwaͤrme, ſondern auch die von irdiſchen leuchtenden Koͤrpern ausgehende Waͤrme zeigt ſich ſo an das Licht gebunden oder mit demſelben zuſammengehend, daß wir die Strah - len der Waͤrme ebenſo wie die des Lichtes verfolgen koͤnnen. Die Brennſpiegel ſammeln die Sonnenſtrahlen in eben dem Puncte als erwaͤrmende Strahlen, wo ſie ein Bild vermoͤge der geſammelten Lichtſtrahlen hervorbringen, und wir ſehen daher, daß auch die Waͤrmeſtrahlen eben das Geſetz der Reflexion, unter einem Win - kel, dem Einfallswinkel gleich, zuruͤckgeworfen zu werden, befolgen. Die großen Wirkungen der Brennſpiegel ſind bekannt, und obgleich es bei großen Spiegeln von mehreren Fußen Durchmeſſer, nur wenn ſie ſehr vollkommen gearbeitet ſind, ſtatt findet, daß ſie die35 Strahlen in einem ſehr kleinen Brennpuncte vereinigen, ſo iſt doch das, was ſie leiſten, immer ſchon ſehr erheblich. Das Bild, wel - ches die Sonnenſtrahlen im Brennpuncte des Spiegels darſtellen, wenn dieſer nicht zu viel Grade, ſo daß man auf die Abweichung wegen der Kugelgeſtalt nicht zu ſehen braucht, umfaßt, laͤßt ſich nach den Regeln der Optik beſtimmen, und es iſt deſto groͤßer im Durchmeſſer, je groͤßer die Brennweite iſt; aus dieſem Grunde, weil die vom Spiegel zuruͤckgegebenen Strahlen ſich weniger nahe in einen engen Raum vereinigen, iſt die Wirkung eines gleich großen Hohlſpiegels ſchwaͤcher bei großer Brennweite, uͤbrigens aber, bei gleicher Brennweite der Groͤße des Spiegels proportional. Ein Spiegel von 4 Fuß Durchmeſſer und 6 Fuß Brennweite wuͤrde eine Hitze etwa 5000 mal ſo groß als die unmittelbare Erwaͤrmung durch die Sonnenſtrahlen hervorbringen. Man kann auch wirklich mit Brennſpiegeln Glas und Metalle ſchmelzen und Wirkungen hervorbringen, die das heftigſte Feuer nur hervorbringen kann. Da dieſe Wirkung ſo ſehr davon abhaͤngt, daß man recht große Brenn - ſpiegel anwendet, welche ſich nicht ſo leicht verfertigen laſſen, ſo hat man verſucht, mit vielen vereinigten ebnen Spiegeln eben das zu leiſten. Am merkwuͤrdigſten ſind in dieſer Hinſicht von Buͤf - fons Verſuche, welcher ebene, mit einander verbundene Spiegel ſo ſtellte, daß alle das von ihnen zuruͤckgeworfene Sonnenlicht auf einen Punct warfen; 40 ſo verbundene Spiegel von 6 Zoll hoch und 8 Zoll breit ſetzten ein getheertes Brett in 50 Fuß Entfernung in Brand, 117 Spiegel brachten Silber zum Schmelzen.
Die Verſuche mit Brennſpiegeln zeigen, daß auch die mit keinem Leuchten verbundene Waͤrme noch ebenſo zuruͤckgeworfen wird. Man kann dies beweiſen, indem man eine nicht mehr im Dunkeln leuchtende, alſo keine uns ſichtbare Lichtſtrahlen mehr ausſendende, Metallkugel oder ſelbſt nur ein mit kochendem Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß in bedeutender Entfernung von einem Hohlſpiegel aufſtellt, und ein Thermometer in demjenigen Puncte anbringt, wo ein Licht, an die Stelle jener Kugel gebracht, ſein Bild dar - ſtellen wuͤrde; dieſes Thermometer ſteigt ſogleich, ſobald jene Kugel ihren Platz einnimmt oder ſobald man einen bis zu dieſem Augen - blicke den Zutritt der Waͤrme hindernden Schirm wegnimmt. Eben dieſer Verſuch oder ein aͤhnlicher, bei dem man ſich zweier Brenn -C 236ſpiegel bedient, zeigt auch die ſchnelle Verbreitung der ſtrahlenden Waͤrme. Pictet ſtellte zwei Brennſpiegel ſo einander gegenuͤber, daß die mit der Axe des einen parallel zuruͤckgeworfenen Strahlen auch den andern Spiegel mit ſeiner Axe parallel trafen; wurde nun eine ſehr heiße, aber nicht mehr gluͤhende, Kugel in den Brennpunct des erſtern gebracht, wo dann die reflectirten Strahlen den andern Spiegel in parallelen Richtungen trafen, und in ſeinem Brenn - puncte geſammelt wurden, ſo ſtieg das im Brennpuncte des zweiten Spiegels ſtehende Thermometer augenblicklich, wenn der zwiſchen - geſetzte Schirm weggenommen ward, und dies auch dann, wenn die Waͤrmeſtrahlen 80 Fuß zu durchlaufen hatten. Die Waͤrmeſtrah - len gehen alſo wenigſtens ſo ſchnell fort, daß wir in Entfernungen von 80 oder 100 Fuß noch keinen Zeitverluſt wegen der Fortpflan - zung wahrnehmen koͤnnen; indeß bleiben wir daruͤber, ob dieſe Ge - ſchwindigkeit der des Lichtes nahe koͤmmt, unbelehrt.
Die ſtrahlende Waͤrme iſt auch der Brechung auf ganz aͤhn - liche Weiſe wie das Licht unterworfen. Dies beweiſen unſre Brenn - glaͤſer, welche die durchgelaſſenen Waͤrmeſtrahlen der Sonne ebenſo gut als ihr Licht im Brennpuncte ſammeln und dadurch bei großen Brennglaͤſern eine Hitze, die zum Glasſchmelzen ausreicht, hervor - bringen. Ein aͤhnlicher Verſuch laͤßt ſich mit dunkler Waͤrme, mit Metallkugeln, die ſchon nicht mehr gluͤhen, nicht wohl anſtellen, weil die ſo ſchwache Waͤrme nicht ſtark genug das Glas durch - dringt.
Die Beobachtung, daß auch die Waͤrmeſtrahlen ſo wie die Lichtſtrahlen gebrochen werden, fuͤhrt zu der Frage, ob ſie denn mit irgend einem der Farbenſtrahlen in Hinſicht der Brechung ganz genau uͤbereinſtimmen. Der aͤltere Herſchel hat dieſe Frage zuerſt beantwortet, indem er in den durch ein Prisma getrennten Farbenſtrahlen der Sonne Thermometer aufſtellte, und die Waͤrme vom violetten und blauen Strahle an bis zum rothen immerfort zunehmend fand, ja die groͤßte Waͤrme erſt da beobachtete, wo das Auge ſogar auch keine rothe Strahlen mehr bemerkte. Spaͤtere Verſuche, beſonders die von Seebek, haben gezeigt, daß die Lage der am meiſten erwaͤrmenden Gegend des Farbenbildes nicht bei allen Prismen ganz gleich iſt, ſondern daß ſie ebenſo wie die Farben - zerſtreuung von der Verſchiedenheit der Beſtandtheile des brechenden37 Koͤrpers abhaͤngt, daß aber faſt immer die groͤßeſte Waͤrme ſehr gegen das Ende des Farbenbildes, wo das Roth liegt, und vielleicht zuweilen jenſeits der Grenze des noch deutlich ſichtbaren Roth gefun - den wird. In den meiſten Faͤllen muß man alſo den Brennpunct eines Glaſes da annehmen, wo die rothen Strahlen ſich ſammeln.
Wenn wir Sonnenſtrahlen durch eine reine Glasſcheibe fallen laſſen, ſo finden wir keinen merklichen Unterſchied in den Angaben des Thermometers, wir moͤgen die Waͤrme vor oder nach dem Durchgange durch Glas beobachten, und die Strahlen ſcheinen daher, allenfalls nur ſo wie das Licht bei dem Durchgange durch Glas und aͤhnliche Koͤrper, eine ſehr geringe Schwaͤchung zu erlei - den. Dagegen iſt es auffallend, wie ſehr ſchon gegen die Hitze des hell brennenden Feuers eine vorgehaltene Glasplatte ſichert, und noch mehr wird die dunkle Waͤrme durch einen durchſichtigen Koͤrper zuruͤckgehalten. Dieſe ſehr bekannten Erfahrungen ſind durch die genauen Verſuche von Prevoſt und Delaroche be - ſtaͤtiget, und dieſe haben noch einige hiemit verbundene merkwuͤr - dige Erſcheinungen kennen gelehrt. Bei den hieruͤber angeſtellten Verſuchen wurden bald ein, bald mehrere Glasſchirme zwiſchen der Waͤrmequelle und dem Thermometer aufgeſtellt, dieſe Schirme aber ſo oft erneuert, daß ihre eigne Erwaͤrmung nicht auf das Thermometer Einfluß haben konnte, und es zeigte ſich, daß die durchgelaſſene Waͤrme in Verhaͤltniß der geſammten Waͤrme deſto mehr betrug, je groͤßer dieſe geſammte Waͤrme war. Es wurde naͤmlich eine erhitzte Maſſe im Brennpuncte eines Brennſpiegels aufgeſtellt, die von dieſem parallel zuruͤckgeworfenen Strahlen tra - fen einen andern Brennſpiegel und erwaͤrmten das in deſſen Brenn - puncte ſtehende Thermometer. Man ſtellte jeden Verſuch auf doppelte Weiſe an, bald ſo daß kein Schirm die Lichtſtrahlen auf - hielt, bald ſo daß ein Glasſchirm zwiſchen beide Spiegel geſtellt wurde. Hier ergab ſich nun, daß Queckſilber von 182° C. (146° R.) warm im einen Brennpuncte das Thermometer ohne Schirm um 3,9 Gr. ſteigen machte, mit Anwendung des Schirmes dagegen nur 0,15 oder $$\frac{3}{20}$$ Grad, daß alſo hier der Schirm nur $$\frac{1}{26}$$ der38 Waͤrme durchließ; ferner daß kochendes Queckſilber von 356° C. (285° R.) ohne Schirm ein Steigen von 16 Gr., mit dem Schirme von 1,2 Graden, hervorbrachte, daß alſo in dieſem Falle reichlich $$\frac{1}{14}$$ der auffallenden Waͤrme durchgelaſſen wurde; Eiſen, deſſen Waͤrme 427° C. (342° R.) betrug, brachte eine doppelt ſo große Waͤrme ohne Schirm hervor und von dieſer ward beinahe $$\frac{1}{7}$$ durch - gelaſſen; gluͤhendes Kupfer, deſſen Waͤrme man 960° C. annimmt, gab eine Waͤrme, wovon $$\frac{2}{7}$$ durchgelaſſen wurden, und von der Erwaͤrmung vermittelſt einer Argandſchen Lampe ward die Haͤlfte durch den Schirm durchgelaſſen. Wir ſind alſo berechtiget zu ſagen, daß die auf einen Glasſchirm auftreffenden Waͤrmeſtrahlen in ſehr geſchwaͤchtem Verhaͤltniſſe durchgelaſſen werden, wenn die Grade der Waͤrme geringer ſind, daß alſo die an ſich groͤßere Waͤrme gleichſam mit groͤßerer Gewalt das Glas trifft, ſo daß ſie wenig geſchwaͤcht durchgelaſſen wird, waͤhrend eine ſchwache Waͤrme faſt ganz und gar aufgehalten wird. Ob wir daraus auf eine ungleiche Geſchwindigkeit der ſtaͤrkern und der ſchwaͤchern Waͤrme ſchließen ſollen, iſt ganz unentſchieden, und die gleich anzufuͤhrenden Ver - ſuche machen unſer Urtheil noch unſicherer.
Nach den eben angefuͤhrten Verſuchen ſollte man naͤmlich erwarten, daß in dem Falle, wo durch einen Schirm etwa $$\frac{1}{7}$$ der Waͤrme durchgelaſſen ward, durch zwei Schirme nur $$\frac{1}{49}$$ durch - gehen ſollte, weil von dem zuerſt durchgelaſſenen Siebtel ja wieder nur der ſiebte Theil ſcheint durchgehen zu koͤnnen, ja noch weniger, weil ſchwaͤchere Waͤrme in noch ſchwaͤcherem Maaße durchgelaſſen wird; aber ſo verhielt es ſich bei dieſen Verſuchen nicht, ſondern durch zwei Schirme ging $$\frac{1}{14}$$ der ganzen Waͤrme, alſo die volle Haͤlfte der vom erſten Schirme durchgelaſſenen Waͤrme ging durch den zweiten Schirm. Es ſcheint alſo hier ein aͤhnliches Einwirken des Glaſes, wie bei der Polariſirung des Lichtes ſtatt zu finden, daß naͤmlich, ſo wie dort das durch ein Glas gegangene Licht nun am zweiten Glaſe nicht mehr ſo viel durch Zuruͤckwerfung an der Oberflaͤche verliert, ſo auch hier die durch ein Glas gegangenen Waͤrmeſtrahlen faͤhiger werden das zweite zu durchdringen. Wir weichen alſo nicht von der Erſcheinung ab, wenn wir es als eine Vermuthung aufſtellen, ob nicht die Waͤrmetheilchen ebenſo in verſchiedenem Zuſtande ankommen, und indem einige aufgehalten,39 andre durchgelaſſen werden, die einmal durchgelaſſenen ſich in dem Zuſtande befinden, der ihnen auch bei der zweiten parallelen Platte den Durchgang erleichtert*)Berard hat durch einen Verſuch eine wahre Polariſirung der Waͤrmeſtrahlen zu finden geglaubt, aber dieſer Verſuch hat Powell nicht gelingen wollen.. Hieraus laͤßt ſich dann auch ein - ſehn, warum dickere Glasplatten nicht im Verhaͤltniß der Dicke die Schwaͤchung der Waͤrme verſtaͤrken.
Wie die bei dem Durchgange durch Glasſcheiben verlorene Waͤrme verwendet wird, das iſt ſchwerer als bei dem Lichte zu entſcheiden. Ohne Zweifel wird ein Theil an der Vorderflaͤche, ein Theil an der Hinterflaͤche zuruͤckgeworfen, und ein Theil wird, wie wir deutlich bemerken, zu Erwaͤrmung des Glaſes ſelbſt ange - wandt, aber wieviel jeder dieſer Theile betraͤgt, laͤßt ſich nicht wohl beſtimmen. Uebrigens iſt es dieſe Schwaͤchung der Waͤrmeſtrahlen, welche ſelbſt den directen Sonnenſtrahlen nicht geſtattet, das Meer - waſſer bis zu bedeutender Tiefe zu durchwaͤrmen, und je weniger rein und durchſichtig das Meerwaſſer iſt, deſto mehr beſchraͤnkt ſich die Erwaͤrmung auf die obern Schichten.
Eben ſo merkwuͤrdig, als dieſe Beobachtungen uͤber den Durch - gang der ſtrahlenden Waͤrme durch Glas, ſind die Verſuche uͤber die von der Oberflaͤche abhaͤngende Ungleichheit bei der Erwaͤrmung durch ſtrahlende Waͤrme und bei der Abkuͤhlung eines erwaͤrmten Koͤrpers. Eine ſehr leicht ſich darbietende Erfahrung zeigt, daß ein ſchoͤn polirter Metallſpiegel faſt gar nicht erhitzt wird, wenn man ihn den erwaͤrmenden Strahlen der Sonne oder des Feuers ausſetzt, und daß man dagegen ein unpolirtes Metall oder noch mehr ein ſchwarz uͤberfaͤrbtes Metall durch eben die Waͤrmeſtrahlen ſehr erhitzt findet. Hier werden alſo die Waͤrmeſtrahlen zur Er - waͤrmung thaͤtig da, wo ſie und wo die Lichtſtrahlen wenig zuruͤck - geworfen werden. Weiße Koͤrper, die viel Licht zuruͤckwerfen, er - waͤrmen ſich weniger als ſchwarze, und es laͤßt ſich, obgleich ein ſtrenges Abmeſſen hier ſchwierig iſt, mit Sicherheit ſagen, die Koͤr -40 per erwaͤrmen ſich bei auffallenden Waͤrmeſtrahlen in eben dem Grade mehr, wie ſie weniger Licht bei auffallenden Lichtſtrahlen zuruͤckwerfen. Eine ſchwarze Wand wird an den Sonnenſtrahlen faſt unertraͤglich heiß; ſchwarzes Zeug auf den Schnee gelegt, ſinkt, weil der Schnee darunter aufthaut, tiefer ein als weißes; Schnee und Eis erhalten da am eheſten tiefer eingethaute Loͤcher, wo ſchwarze Erde darauf lag; Gefaͤße inwendig ſchwarz gefaͤrbt und mit mehreren Glasplatten oben geſchloſſen, werden im Innern ſehr heiß, wenn die Sonne durch die Glasplatten hereinfaͤllt; wenn man mit einem ſchwachen Brennglaſe Papier am Sonnenlichte anbrennen will, ſo bemerkt man bald, daß dieſes leichter da gelingt, wo das Papier ſchwarz iſt, als wo es weiß iſt. Hierin liegt der Grund, warum im Winter neben grauen oder ſchwaͤrzlichen Baum - ſtaͤmmen oder Pfaͤhlen der Schnee verſchwindet, (durch Abthauen und Verdunſten,) waͤhrend er in einiger Entfernung ſich vollkom - men erhaͤlt, weil naͤmlich bei jedem Sonnenſtrahle jene Koͤrper ſich in einigem Grade erwaͤrmen.
Eine aͤhnliche Uebereinſtimmung findet zwiſchen Licht und Waͤrme bei dem Durchgange ſtatt, indem truͤbes Glas wenig Licht durchlaͤßt und ſich zugleich erwaͤrmt, recht helles, reines Glas dagegen faſt alles Licht durchlaͤßt und ſich beinahe gar nicht erwaͤrmt. In Beziehung auf unſre naͤchſten Betrachtungen iſt indeß jene bei der Zuruͤckwerfung beobachtete Uebereinſtimmung noch wichtiger.
Die eben erwaͤhnten Erfahrungen naͤmlich uͤber die von gewiſ - ſen Koͤrpern in bedeutendem Maaße, von gewiſſen Koͤrpern wenig zuruͤckgeworfene Waͤrme ſtimmen mit den Verſchiedenheiten der als ſtrahlend von erwaͤrmten Koͤrpern ausſtroͤmenden Waͤrme uͤberein. Wenn man zwei ganz gleiche hohle Kugeln von Metall verfertigen laͤßt, beide gleich gut polirt, aber die Politur der einen mit Ruß uͤberzieht oder auch nur ſchwarz uͤberfaͤrbt; ſo kuͤhlt ſich, wenn man ſie beide mit gleich heißem Waſſer fuͤllt, die geſchwaͤrzte ſchneller ab, und ſo giebt in allen Faͤllen diejenige Oberflaͤche die Waͤrme leichter her, die faͤhiger iſt, ſie bei auffallender Waͤrmeſtrahlung von außen leichter aufzunehmen. Der Unterſchied der Abkuͤhlung iſt ſo bedeutend, daß man den Verſuch nur mit zwei gleichen Me - tallgefaͤßen, deren eines polirt, das andre mit Ruß uͤberzogen iſt, ſehr oberflaͤchlich anzuſtellen braucht, um, wenn man beide mit41 kochendem Waſſer gefuͤllt hat, das viel ſchnellere Sinken des Ther - mometers in dem geſchwaͤrzten deutlich wahrzunehmen.
Man bemerkt dieſe ungleiche Ausſtrahlung auch noch durch eine andre Beobachtung. Wenn man naͤmlich das polirte und das geſchwaͤrzte Gefaͤß gleich erhitzt, beide zum Beiſpiel mit kochendem Waſſer fuͤllt, ſo bemerkt man bei Annaͤherung der Hand die ſtrah - lende Waͤrme ſchon ziemlich entfernt von dem geſchwaͤrzten Gefaͤße, aber erſt bei ſehr großer Annaͤherung, wenn man ſie gegen das polirte Gefaͤß heranbringt. Leslie hat hieruͤber mehrere Ver - ſuche angeſtellt und Zahlenbeſtimmungen angegeben, wie viel die unter verſchiedenen Umſtaͤnden durch Strahlung ſich zerſtreuende Waͤrme betraͤgt; darnach iſt die Menge der ausſtrahlenden Waͤrme 7 mal ſo groß, wenn polirtes Silber mit einem duͤnnen Gold - ſchlaͤgerhaͤutchen bedeckt, als wenn es ganz frei iſt, und 10 mal ſo groß, wenn es mit Ruß bedeckt, als wenn es frei iſt. Ein Ver - ſuch, der dies am beſten zeigt, iſt folgender von Leslie vorge - ſchlagene, der mit Huͤlfe eines Differenzthermometers ſich leicht anſtellen laͤßt. Man laͤßt einen Wuͤrfel von Blech verfertigen, deſſen eine Seite vollkommen glaͤnzend polirt, die andre matt ge - ſchliffen, die dritte weiß uͤbermalt, die vierte geſchwaͤrzt wird. Man ſtellt (Fig. 13.) einen Brennſpiegel AB auf, und beſtimmt genau den Punct, wo ein in beſtimmter Stellung D angebrachtes Licht ſein Bild C hin wirft; in dieſen letztern Punct C, der in der Naͤhe des Brennpunctes liegt, wenn man das Licht mehrere Fuße weit jenſeits des Brennpunctes aufgeſtellt hatte, bringt man die eine Kugel des Differenzthermometers, in den Ort D aber, wo das Licht ſich befand, bringt man jenen Wuͤrfel, den man mit kochendem Waſſer gefuͤllt hat. Hier zeigt ſich nun die von dem heißen Wuͤrfel ausſtrahlende Waͤrme dadurch, daß ſie, zuruͤckgewor - fen und geſammelt durch die Hohlſpiegel, das Thermometer C zum Steigen bringt; aber man bemerkt, daß dieſes Steigen viel bedeu - tender iſt, wenn man die ſchwarze Flaͤche dem Spiegel zuwendet, daß das Thermometer weniger ſteigt, wenn die weiße oder die matt geſchliffene Flaͤche gegen den Spiegel gekehrt iſt, und daß die Er - hitzung am geringſten iſt, wenn die polirte Seite dieſen Platz ein - nimmt. So lange das Waſſer ſich nicht erheblich abkuͤhlt, kann man dieſe Wechſel mehrmals nach einander hervorbringen.
42Hierauf gruͤnden ſich manche Vorſchriften, die man zu geben pflegt, manche Verbeſſerungen, die man angebracht hat. Will man die Waͤrme eines Koͤrpers gern lange erhalten, z. B. die Waͤrme von Speiſen oder Getraͤnken, ſo bedient man ſich am beſten der von außen vollkommen polirten Gefaͤße, weil dieſe die Waͤrme nicht ſo ſchnell durch Strahlung zerſtreuen; ſoll dagegen, wie bei unſern Oefen, die Waͤrme recht ſchnell und vollſtaͤndig dem umge - benden Raume mitgetheilt werden, ſo muß man die Oberflaͤche geſchwaͤrzt und am liebſten nicht glaͤnzend erhalten. Die Platin - Oberflaͤche unſerer porcellanenen Theegeſchirre iſt alſo zweckmaͤßig zur Erhaltung der Waͤrme, und ebenſo wuͤrde man Dampfroͤhren, wenn ſich der Dampf darin noch nicht abkuͤhlen ſoll, von außen poliren muͤſſen, ſolche Dampfroͤhren dagegen, die zur Erwaͤr - mung von Zimmern dienen ſollen, muͤßten eine ſchwarze, rauhe Oberflaͤche haben. Um die Abkuͤhlung, und ebenſo um die Er - waͤrmung recht ſicher zu hindern, muͤßte man ein polirtes Gefaͤß noch mit einem an beiden Seiten polirten Gefaͤße umgeben, und allenfalls noch eine dritte polirte Wand hinzufuͤgen. Da ein Ofen - ſchirm uns gegen die zu ſtarke ſtrahlende Waͤrme des Ofens ſichern ſoll, ſo iſt es zweckmaͤßig, ihn mit einer metalliſchen Belegung zu verſehen, z. B. an beiden Seiten mit Goldpapier zu uͤberziehen. Ebenſo koͤnnte man Mobilien, die dem Ofen zu nahe ſtehen, vor der zu ſtarken Erhitzung ſichern.
Auch ein Vorſchlag von Flaugergues, wie man die Tem - peratur der Luft genau beſtimmen ſoll, gruͤndet ſich auf dieſe Erfah - rungen. Wenn wir ein Thermometer aufhaͤngen, ſo iſt dies doch immer neben der Einwirkung der Temperatur der Luft auch der Einwirkung der von den umgebenden Koͤrpern ausſtrahlenden Waͤrme ausgeſetzt, und davon haͤngen manche Ungleichheiten ab, die man zu vermeiden wuͤnſcht. Flaugergues raͤth daher an, das Thermometer mit einem Cylinder zu umgeben, deſſen Waͤnde ein oder zwei Zoll von dem Thermometer entfernt, dieſem keine Waͤrme unmittelbar mittheilen, und indem ſie an der aͤußern und an der innern Oberflaͤche metalliſch glaͤnzend ſind, die Aufnahme der ſtrahlenden Waͤrme von außen abhalten und nach innen ſie nicht leicht abgeben; die frei zuſtroͤmende Luft ertheilt dann dem Thermometer die eigentliche Waͤrme der Luft. Bei dieſer Mit -43 theilung der Luftwaͤrme an das Thermometer koͤmmt es aber auch auf die Oberflaͤche der Thermometerkugel an, indem eine geſchwaͤrzte Oberflaͤche der Thermometerkugel dieſe faͤhiger macht, ſich ſchnell zu erwaͤrmen, wodurch denn freilich in den meiſten Faͤllen, nament - lich in den Sonnenſtrahlen ſelbſt, die Angaben des Thermometers einem hoͤhern Waͤrmegrade als dem der Luft entſprechen.
Leslie hat unter dem Namen: Photometer, eine Anwen - dung des Differenzthermometers bekannt gemacht. Iſt die eine Kugel des Differenzthermometers ſchwarz, die andre voͤllig durch - ſichtig, ſo bringen die auf beide treffenden Waͤrmeſtrahlen in der ſchwarzen Kugel eine groͤßere Waͤrme hervor, die ſich an dieſem empfindlichen Inſtrumente wahrnehmen laͤßt. Eigentlich iſt dieſes Inſtrument alſo ein Waͤrmemeſſer; aber da es nach Leslie's Angaben noch empfindlich genug iſt, um da Unterſchiede zu zeigen, wo wir nur Unterſchiede des Lichtes, nicht Unterſchiede der Waͤrme, bemerken, z. B. wenn man das Inſtrument am Tage weiter vom Fenſter entfernt in das Zimmer zuruͤckſtellt, ſo vertritt es die Stelle eines Licht abmeſſenden Inſtrumentes.
Auch das Aethriometer, deſſen Zweck es iſt zu zeigen, daß die Wolken mehr Waͤrme als das wolkenloſe Blau des Himmels ausſtrahlen, beruht auf dieſen Grundſaͤtzen. Ein innen ſehr voll - kommen polirter Metallbecher, der die auf ſeine innere Flaͤche fal - lende Waͤrmeſtrahlen in A (Fig. 12.) concentrirt, enthaͤlt in dieſem Puncte die eine Kugel des Differenzthermometers, die hier am beſten ſchwarz iſt, um durch die auf ſie fallenden Waͤrmeſtrahlen deſto beſſer erwaͤrmt zu werden, waͤhrend die andre Kugel B außer - halb oder wenigſtens ſo an der Seite ſteht, daß ſie nicht durch concentrirte Strahlen erwaͤrmt wird. Wendet man nun die in - nere Flaͤche CDE bald dem blauen Himmel, bald den Wolken zu, ſo fallen von den letztern doch einige, vom blauen Himmel faſt gar keine Waͤrmeſtrahlen, (die wenigen abgerechnet, welche die Luft - theilchen ſelbſt zuruͤckwerfen,) auf die innere Flaͤche, und je reiner das Blau des Himmels iſt, deſto weniger muß die Erwaͤrmung der im Sammelpuncte A ſtehenden Kugel die der andern B uͤber - treffen.
Da alle uns umgebende Koͤrper in groͤßerm oder geringerm Grade erwaͤrmt ſind, ſo geben ſie auch immerfort ſtrahlende Waͤrme her, und es findet ein unaufhoͤrlicher Austauſch der Waͤrme der verſchiedenen Koͤrper ſtatt. Iſt das Thermometer ebenſo warm, als die Wand, welcher ich es naͤhere, ſo bemerke ich dieſe Ausſtrah - lung nicht, weil bloß die vom Thermometer gegen die Wand aus - ſtrahlende Waͤrme erſetzt wird durch die von der Wand gegen das Thermometer uͤbergehende Waͤrme; dagegen wenn die Wand waͤr - mer iſt, ſehen wir das Thermometer ſteigen, weil es mehr Waͤrme empfaͤngt als verliert, und im umgekehrten Falle ſehen wir es ſin - ken. Im letztern Falle, wo die Wand kaͤlter iſt, hat es das An - ſehn, als ob auch Kaͤlte ebenſo ſtrahlend von der Wand ausginge, wie ſonſt die Waͤrme, und unſre eigne Empfindung iſt, wenn wir uns einem kalten Koͤrper naͤhern, ebenſo; aber offenbar iſt dieſer Anſchein bloß darin begruͤndet, daß die von dem waͤrmeren Thermometer oder von der waͤrmeren Hand ausſtroͤmende Waͤrme nicht ganz erſetzt wird durch die von der Wand oder von dem kaͤl - tern Koͤrper heruͤber kommende Waͤrme. Aus dieſem Grunde fuͤh - len wir uns unangenehm in einem Zimmer, deſſen Waͤnde nicht durchwaͤrmt ſind, wenn gleich der Ofen hinreichend warm iſt.
Ein vorzuͤglich auffallendes Phaͤnomen der anſcheinend aus - ſtrahlenden Kaͤlte iſt folgendes. Wenn man zwei Hohlſpiegel ein - ander ſo gegenuͤberſtellt, daß die vom Brennpuncte A des einen (Fig. 14.) ausgehenden Strahlen, mit der Axe beider Spiegel parallel zuruͤckgeworfen, ſich wieder im Brennpuncte B des andern ſammeln, ſo bringt ein nach A gebrachtes Eisſtuͤck das Thermo - meter B zum Fallen, ſo daß es ſcheint, als wuͤrden die von A aus - ſtroͤmenden Kaͤlteſtrahlen AD, AE, nach DF, EG, und dann nach FB, GB, zuruͤckgeworfen. Die Erklaͤrung iſt aber ganz einfach. Waͤren in A und B gleich warme Koͤrper, ſo wuͤrde von A die Waͤrme nach den Wegen ADFB, AEGB, ausſtroͤmen und ſich in B ſammeln, aber ebenſo viel Waͤrme wuͤrde von B aus auf denſelben Wegen nach A zuruͤckkehren; iſt dagegen A kaͤlter, ſo betraͤgt die ihm ertheilte Waͤrme noch immer ebenſo viel, ſtatt daß die von ihm ausgegangene Waͤrme geringer iſt; B erhaͤlt daher45 keinen vollkommenen Erſatz fuͤr die ausgeſandte Waͤrme, und da B, wenn wir die Hohlſpiegel als ſelbſt gar keine Waͤrme hergebend anſehen, aus dem ganzen Raume FG keine andre Waͤrme em - pfaͤngt, als die von A ausgeſandte, auf dieſen Raum fallende, ſo wird die Abkuͤhlung in B, der Mangel an Erſatz der verlornen Waͤrme, deſto fuͤhlbarer, je mehr von A her kommende Waͤrme - ſtrahlen ſich in B concentriren wuͤrden.
Hier bietet ſich zugleich die Frage dar, wie es ſich verhaͤlt, wenn zwei Koͤrper zwar einerlei Temperatur beſitzen, aber wegen ungleicher Oberflaͤche nicht in gleichem Maaße faͤhig ſind, die Waͤrme ausſtroͤmen zu laſſen, und die ſie treffende Waͤrme aufzunehmen. Wir koͤnnen, um dieſe Frage zu beantworten, am beſten von der gewiß richtigen Erfahrung anfangen, daß, wenn die Waͤnde eines umſchloſſenen Raumes eine beſtimmte Temperatur haben, und alle in dieſem Raume enthaltenen feſten Koͤrper eben ſo warm ſind, gar keine Veranlaſſung zur Aenderung der Waͤrme fuͤr alle dieſe Koͤrper da iſt. Dieſe Erfahrung beruht darauf, daß erſtlich zwei Oberflaͤchen, ſie moͤgen ſenkrecht oder ſchief gegen die von der einen zur andern gezogenen Richtungslinie ſtehen, ſich nach Ver - haͤltniß des Theiles der Kugelflaͤche, den die eine in Beziehung auf die andre verdeckt, Waͤrme zuſenden, und daß zweitens die Ober - flaͤchen, welche mit Leichtigkeit Waͤrme aufnehmen, ſie auch mit Leichtigkeit ausſtroͤmen laſſen. Was das erſtere betrifft, ſo iſt es gewiß, daß (Fig. 15.) zwei Koͤrper von ganz gleichartigen Ober - flaͤchen, deren einer eine Umhuͤllung ABD bildet, die den andern C umſchließt, ſich, wenn ſie beide gleich warm ſind, einander weder erwaͤrmen noch abkuͤhlen, und daß dieſes ſtatt findet, jene Umhuͤl - lung mag eine Kugelflaͤche ſein, oder eine, wie man will, unregel - maͤßige Form AEFB haben. Die von der letztern gegen C aus - geſandte Waͤrme und ebenſo die ihr durch die Ausſtrahlung von C zugeſandte Waͤrme, iſt alſo ebenſo groß, als diejenige Waͤrme, die von einer umſchließenden Kugelflaͤche ausgeſandt oder umgekehrt von derſelben aufgenommen wuͤrde, und in beiden Faͤllen, es mag die Kugelflaͤche oder die unregelmaͤßige Oberflaͤche dem ebenſo er - waͤrmten Koͤrper C dargeboten werden, findet die Ausgleichung der Waͤrme, die gleiche Erhaltung der Temperatur, ſtatt. Aber eben das iſt auch zweitens der Fall, wenn die Oberflaͤchen ungleich ſind,46 zum Beiſpiel das eine Mal die umhuͤllende Flaͤche AEBD polirt, das andere Mal geſchwaͤrzt iſt. In dieſen beiden Faͤllen iſt die Ausſtroͤmung von C, welchen Koͤrper wir unveraͤndert annehmen, gleich; aber die geſchwaͤrzte Umhuͤllung nimmt von dieſer zuge - ſandten Waͤrme vielleicht zehnmal ſo viel auf, als die polirte; jene muͤßte ſich alſo mehr erwaͤrmen als dieſe, wenn nicht auch die Menge der Waͤrme, die ſie entlaͤßt, zehnmal ſo groß als bei der andern waͤre. Die Erfahrung, daß der Austauſch der Waͤrme zwiſchen C und der umgebenden Huͤlle gleich gut ſtatt findet, wenn die Temperatur der Koͤrper gleich iſt, und daß in dieſem Falle nichts von der Beſchaffenheit der Oberflaͤchen abhaͤngt, beweiſt alſo dieſe genaue Uebereinſtimmung zwiſchen der Aufnahme der durch Strah - lung zugefuͤhrten und dem Verluſte der durch Strahlung hervor - gehenden Waͤrme bei ungleicher Beſchaffenheit der Oberflaͤchen.
Hiernach laſſen ſich alle einzelnen Fragen beantworten. Wenn eine polirte Metallwand und eine ſchwarze Wand einander gegen - uͤber ſtehen, die beide gleich warm ſind, ſo ſendet die letztere eine groͤßere Menge Waͤrme aus als die erſtere, aber der groͤßte Theil derſelben wird von der polirten zuruͤckgeworfen, koͤmmt zu der ſchwarzen zuruͤck, und erſetzt daher den Waͤrme-Abgang ſelbſt wie - der, den dieſe ſchien erleiden zu muͤſſen, und da die polirte Flaͤche doch auch einige Waͤrme ausſendet und dieſe zum groͤßten Theile in die geſchwaͤrzte Oberflaͤche eindringt, ſo findet, wie ſich noch genauer nachweiſen laͤßt, ein voͤlliger Erſatz der verlornen Waͤrme ſtatt. Sind die beiden Waͤnde ungleich warm und die ſchwarze iſt die kaͤltere, ſo bekoͤmmt ſie von der waͤrmeren polirten Oberflaͤche erſtlich einen Erſatz fuͤr den eignen Waͤrmeverluſt, aber zweitens, nach Maaßgabe der hoͤheren Temperatur, einen Ueberſchuß von Waͤrme, der indeß langſamer ausſtroͤmt, als es der Fall waͤre, wenn auch die polirte Oberflaͤche geſchwaͤrzt wuͤrde, der entgegen - geſetzte Fall laͤßt ſich hiernach leicht beurtheilen; ich werde aber in Beziehung auf beide Faͤlle noch etwas ſagen, wenn ich auf Fou - riers Unterſuchungen komme. Hieher gehoͤrt Rumfords Ver - ſuch, der neben einem ſehr empfindlichen Luftthermometer an der einen Seite einen um 10 Gr. erwaͤrmten, auf der andern Seite einen um 10 Gr. erkaͤlteten, uͤbrigens dem vorigen ganz gleichen, Koͤrper aufſtellte; die ſtrahlende Waͤrme des einen Koͤrpers bewirkte,47 Waͤrme an das Thermometer mittheilend, hier ebenſo viel, als bei dem andern Koͤrper das Aufnehmen der Waͤrme, und das Ther - mometer aͤnderte ſeinen Stand nicht, — der eine erwaͤrmte ſo viel als der andre Waͤrme entzog.
Die bisher betrachtete Mittheilung der Waͤrme, die wir in allen Luft-Arten und ſelbſt im leeren Raume beobachten, ſtellt ſich uns ſo dar, als ob ſie, durch alle ſehr duͤnne Koͤrper hindurch ſtatt findend, von der Natur der zwiſchen liegenden Koͤrper nur wenig abhinge oder wenigſtens nicht durch eine Fortpflanzung der Waͤrme von Theilchen zu Theilchen erklaͤrt werden muͤſſe; wir ſehen daher diejenige Mittheilung der Waͤrme, die wir Leitung der Waͤrme nennen, als hievon weſentlich verſchieden an. Dieſe naͤmlich, die in allen fluͤſſigen Koͤrpern nur wenig merklich iſt, beſteht bei den feſten Koͤrpern darin, daß die Waͤrme, welche man einigen Theilchen des Koͤrpers ertheilt, ſich den benachbarten mittheilt, von dieſen auf die folgenden uͤbergeht, u. ſ. w.
Die feſten Koͤrper haben ein ſehr ungleiches Leitungsvermoͤgen fuͤr die Waͤrme, und im Allgemeinen iſt die Leitung durch die dich - teren Koͤrper, namentlich durch die Metalle, ſchneller, als durch Koͤrper von geringer Dichtigkeit, indeß iſt die Folge der Koͤrper nach ihrer Leitungsfaͤhigkeit nicht genau mit der Reihe der Dichtigkeiten uͤbereinſtimmend, und Platin leitet zum Beiſpiel viel ſchlechter als Silber. Manche ſehr bekannte Erfahrungen beruhen auf dieſem ungleichen Leitungsvermoͤgen. Wenn wir unter ganz gleichen Um - ſtaͤnden ein Metallſtaͤbchen und Holz oder Papier erhitzen, ſo wagen wir ohne Bedenken die letztern Koͤrper mit der Hand zu beruͤhren, ſtatt daß wir an dem Metalle uns zu brennen fuͤrchten. Dieſes haͤngt von der ungleichen Leitungsfaͤhigkeit ab, welche im Metalle auch den entfernten Waͤrmetheilchen einen ſo ſchnellen Zutritt zu48 den beruͤhrenden Theilen meiner Hand geſtattet, daß die, lange Zeit durch gleich lebhaft unterhaltene, Mittheilung der Waͤrme des heißen Koͤrpers mir die unangenehme Empfindung des Brennens, die zer - ſtoͤrende Wirkung auf die Haut, hervorbringt; dem Holze dagegen entreißt meine Hand zwar in den Puncten, wo die Beruͤhrung unmittelbar ſtatt findet, ebenſowohl die Waͤrme, aber die ſo auf die beruͤhrenden Theile der Haut uͤbergehende Waͤrmemenge iſt zu geringe, und der aus den entferntern Theilen des Holzes zuſtroͤmende Vorrath von Waͤrme iſt zu unbedeutend, um jene nachtheilige Ein - wirkung auf die Haut hervorzubringen. Darum verſehen wir me - tallene Gefaͤße, die wir erhitzt tragen oder ſonſt behandeln wollen, mit hoͤlzernen Handgriffen oder umwickeln die metallenen Hand - griffe mit Holzſpaͤnen, oder legen ein Tuch oder Papier dazwiſchen.
Auf ganz aͤhnliche Art verhaͤlt es ſich mit kalten Koͤrpern. Wenn in ſehr kalten Tagen Wollenzeug, Holz, Silber, neben einander ſehr lange der Kaͤlte ausgeſetzt geweſen ſind, ſo haben ſie gewiß einerlei Temperatur erlangt, und ein mit jedem von ihnen in enge Beruͤhrung gebrachtes Thermometer zeigt uns auch dieſe Gleichheit; aber dennoch fuͤhlt ſich das Silber ſehr kalt an, ſtatt daß das Holz und vollends die Wolle uns gar nicht ſo ſehr unan - genehm iſt. Auch hier iſt dies die Wirkung der ungleichen Leitung der Waͤrme, indem das Silber die meiner Hand entzogene Waͤrme ziemlich ſchnell zur Erwaͤrmung der ganzen Maſſe verwendet, ſtatt daß bei dem Holze und noch mehr bei der Wolle eine ſehr lange Zeit vergeht, ehe die entfernteren Theile etwas von der Waͤrme zugefuͤhrt bekommen, die meiner Hand entriſſen wird. Man kann an ſehr kalten Tagen ein Experiment machen, welches einigermaßen gradweiſe die ungleiche Waͤrmeleitung nachweiſet. Es iſt bekannt, daß, wenn man an recht kalten Tagen ein Metall, das ſich lange an einem kalten Orte befunden hat, mit naſſen Haͤnden beruͤhrt, die Hand anklebt, eigentlich anfriert; dies geſchieht ſchon bei ziem - lich maͤßiger Kaͤlte am Silber, dagegen fordert Zinn groͤßere, Eiſen und vollends Meſſing noch groͤßere Kaͤlte, weil die letzteren Metalle nicht ſo gute Leiter der Waͤrme ſind, als die erſtern.
Um regelmaͤßige Verſuche uͤber die Waͤrmeleitung feſter Koͤr - per anzuſtellen, tauchte Ingenhouß Staͤbe aus verſchiedenen Metallen, die mit erhaͤrtetem Wachs uͤberzogen waren, in eine49 heiße Fluͤſſigkeit, und ſah das Wachs am Silber am weiteſten von der Waͤrmequelle entfernt zum Schmelzen kommen, ſtatt daß Blei am wenigſten weit die hiezu noͤthige Waͤrme annahm. Aber noch beſſer ſind die Verſuche ſo angeſtellt worden, daß Thermometer in der Metallmaſſe angebracht, bei verſchiedenen Entfernungen von der Waͤrmequelle, die in beſtimmten Zeiten erlangten Waͤrme - grade zeigten. Nach ſolchen Verſuchen giebt Despretz an, daß wenn eine Kupferſtange am einen Ende immer auf 83° erwaͤrmt erhalten wurde, in 1½ Fuß Entfernung die Temperatur nie uͤber 33° ſtieg, als die Luft 17° Cent. warm war; bei einer gleichen Bleiſtange in 1¼ Fuß Entfernung ſtieg die Waͤrme nie uͤber 28°, bei Marmor in eben der Entfernung nur auf 19°. Holz erwaͤrmt ſich in ſolchen Entfernungen gar nicht mehr, wenn es ſich auch am Ende verkohlt. Die Holz-Arten zeigen hier eine eigenthuͤmliche Merkwuͤrdigkeit, naͤmlich die, daß ſie nach der Laͤnge der Faſern die Waͤrme viel beſſer fortpflanzen als ſenkrecht auf die Faſern, und dies ſo ſehr, daß z. B. Eichenholz an einer Stelle auf 82 Gr. Cent. erhitzt in ¾ Zoll Entfernung 41, in 1½ Zoll Entfernung 17½ Gr. Waͤrme zeigte, wenn der Stab nach der Laͤnge der Fibern geſchnit - ten war, dagegen bei faſt eben ſo ſtarker Erwaͤrmung in jenen bei - den Entfernungen nur 23 Gr. und 7½ Gr., wenn der Stab quer auf die Fibern geſchnitten war*)Poggend. Ann. XII. 283. XIV. 594. . Dieſe Verſchiedenheit ſcheint ſehr in Betrachtung zu kommen bei der Kaͤlte, welche die Gewaͤchſe im Winter zu ertragen im Stande ſind, indem das Innere der Baͤume nur durch eine Leitung quer gegen die Fibern, alſo ſehr langſam, der Abkuͤhlung unterworfen iſt, und dieſes offenbar vor - theilhaft iſt, damit der Wechſel in der Spannung der Gefaͤße nicht ſogleich bei jedem Wechſel der Temperatur eintrete, ſondern all - maͤhlig und nicht oft wechſelnd. Die Baͤume erkalten zwar im Innern bis unter den Gefrierpunct und die Saͤfte ſind dann zu Eis geworden, aber es ſcheint daß jene langſame Leitung hier den - noch von weſentlichem Nutzen iſt**)Eine große Anzahl von Beobachtungen uͤber die Veraͤnderungen der Gewaͤchſe bei der Kaͤlte und uͤber ihr Erfrieren, finden ſich in: Goͤppert uͤber die Waͤrme-Entwickelung der Pflanzen, ihr Gefrieren u. ſ. w. Breslau. Max. 1830., ſo wie ja auch gefrorne Koͤr -III. D50per, Aepfel und dergl. nicht ſo ſehr leiden, wenn man ſie in kaltem Waſſer ſehr langſam ſich bis uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmen laͤßt.
Die Ruͤckſicht auf die Waͤrmeleitung koͤmmt in unzaͤhligen Faͤllen des gemeinen Lebens vor. Unſre warmen Kleider ſind dar - um erwaͤrmend, weil ſie ſchlechte Waͤrmeleiter ſind, und daher die durch die Lebensfunctionen entwickelte thieriſche Waͤrme nicht ent - weichen laſſen, und wir ziehen daher diejenigen Koͤrper, welche die Waͤrme am ſchlechteſten leiten, Wolle, Pelzwerk, den uͤbrigen vor. Wir bedecken Koͤrper mit Stroh, um ſie gegen den Froſt zu ſichern, weil Stroh die einmal in jenen Koͤrpern enthaltene Waͤrme nicht leicht entweichen laͤßt; aber ebenſo gut koͤnnen wir im Sommer Eiskeller mit Stroh bedecken, um den Zutritt der Waͤrme zu hin - dern. Thon leitet die Waͤrme ſchlechter als Eiſen, daher erwaͤrmt ſich ein Ofen mit Thonwaͤnden langſam; aber iſt ein ruſſiſcher Ofen mit 6 Zoll dicken Waͤnden einmal durchgewaͤrmt, ſo erhaͤlt er ſich lange warm, und theilt dem Zimmer lange Zeit Waͤrme mit. Mehrere Schichten ſchlecht leitender Koͤrper halten die Waͤrme noch beſſer als eine einzelne dickere Schichte zuſammen, theils weil die zwiſchen den Schichten enthaltene Luft ein ſchlechter Waͤrmeleiter iſt, theils weil die Waͤrme bei jedem Uebergange in einen neuen Koͤrper ein Hinderniß ihres Ueberganges findet und theilweiſe zu - ruͤckgeworfen wird. In der ſchlechten Waͤrmeleitung liegt der Grund, warum ein Glas dem Zerſpringen durch Erhitzung nicht ſo ſehr ausgeſetzt iſt, wenn man ein Blatt Papier zwiſchen das Glas und den heißen Koͤrper legt.
Einige Phyſiker haben die Waͤrmeleitung der Koͤrper darnach zu beurtheilen geſucht, daß ſie beobachteten, in welcher Zeit ein Koͤrper gewiſſe Grade der Erwaͤrmung annaͤhme oder verloͤre; es iſt aber offenbar, daß hiebei zwar die Waͤrmeleitung mit in Be - trachtung kommt, aber doch auch noch mehr Umſtaͤnde mit einwir - ken, von denen ich bald mehr ſagen werde.
In den fluͤſſigen Koͤrpern wird die Mittheilung der Waͤrme vorzuͤglich durch Stroͤmung bewirkt, und dieſe richtige Bemerkung fuͤhrte Rumford zu dem unrichtigen Schluſſe, daß eine eigent - liche Waͤrmeleitung in fluͤſſigen Koͤrpern nicht ſtatt finde. Es iſt wahr, daß die durch die Waͤrme ausgedehnten Theilchen des Fluͤſ - ſigen ſogleich nach oben zu fortruͤcken, ſtatt daß die kaͤlteren herab -51 ſinken, daß dadurch eine Miſchung der waͤrmern und kaͤltern Theilchen entſteht, und ſich ſchwer beurtheilen laͤßt, in welchem Grade die entferntern fluͤſſigen Theile erwaͤrmt werden wuͤrden, wenn die Erhaltung einer voͤlligen Ruhe moͤglich waͤre; indeß ſetzt doch dieſe in den fluͤſſigen Theilchen bei der Beruͤhrung hervor - gebrachte Erwaͤrmung ſchon eine Mittheilung, alſo eine Zuleitung, voraus, und die Meinung, daß fluͤſſige Koͤrper im ſtrengſten Sinne die Waͤrme gar nicht leiten, iſt faſt von ſelbſt widerlegt. Aber langſam und ſchwach iſt die Waͤrmeleitung in fluͤſſigen Koͤrpern, und dieſes hat Rumford allerdings bewieſen. Als Beweis dafuͤr giebt er mit Recht die Erfahrung an, daß Koͤrper von Feuchtigkeit durchdrungen, wo aber die feſten Theile die Bewegung hindern, ſo ſehr langſam erkalten. Es iſt bekannt, daß breiartige Speiſen, gebratene Aepfel und dergl. im Innern ſehr lange heiß bleiben, wenn die Oberflaͤche auch abgekuͤhlt iſt, daß hier alſo die Leitung, die Mittheilung von Theilchen zu Theilchen, ſehr ſchwach iſt, wo - durch allerdings gezeigt wird, daß fluͤſſige Theilchen wenig zu dieſer Mittheilung geeignet ſind.
Rumford hat dies durch einige merkwuͤrdige Verſuche andrer Art noch mehr gezeigt. Er fuͤllte ein 14 Zoll hohes cylindri - ſches Gefaͤß mit 6 Pfund kochend heißem Waſſer, und legte eine, nach der Weite des Gefaͤßes ausgeſchnittene, die Oberflaͤche faſt ganz bedeckende, Eisſchichte von 3½ Zoll dick, (10⅛ Unzen ſchwer) oben auf dieſes Waſſer; das Eis war in nicht voͤllig 3 Minuten ganz zerſchmolzen. Wurde dagegen eine eben ſolche Eisſcheibe auf dem Boden des Gefaͤßes befeſtigt und nun heißes Waſſer vorſichtig auf - gegoſſen*)Um das Zerſpringen des Glaſes zu hindern, war ſchon etwas kaltes Waſſer oberhalb des Eiſes, damit das heiße Waſſer ſich mit dieſem miſche., ſo vergingen 2 Stunden, ehe die Haͤlfte des Eiſes ge - ſchmolzen war; ja das Waſſer behielt in der Naͤhe des Eiſes eine ſo große Waͤrme, daß es in 1 Zoll Entfernung uͤber der Eisflaͤche nach 12 Minuten faſt noch ebenſo warm als oben, naͤmlich 77° Cent., war, obgleich ganz nahe an der Oberflaͤche des Eiſes das Waſſer bis auf 5° Cent. abgekuͤhlt gefunden wurde. Hier hatte alſo eine nur ſehr ſchwache Zuleitung der Waͤrme ſtatt gefunden, und dieD 252Schmelzung war, wie Rumford zeigt, vorzuͤglich durch das Hinabſinken der nicht voͤllig bis zum Gefrierpuncte, ſondern bis zur groͤßten Dichtigkeit, abgekuͤhlten Waſſertheilchen bewirkt; die am Eiſe anliegenden Theilchen werden naͤmlich abgekuͤhlt, weil aber die ein wenig hoͤher liegenden Theilchen nicht ganz ſo ſehr abgekuͤhlt, ſchwerer als dieſe ſind, ſo ſinken ſie herab, ſchmelzen das Eis an, und machen, nachdem ſie voͤllig die Eiskaͤlte erlangt haben, wieder andern herabſinkenden Waſſertheilchen, die nicht ganz ſo kalt ſind, Platz. In der That alſo zeigt alles dieſes, daß die Waͤrme im Waſſer nach unten zu ſehr langſam fortgepflanzt wird, die nach oben gehende Fortpflanzung gewiß großen Theils auf Stroͤ - mungen beruht*)Rumfords Verſuche ſtehen vollſtaͤndig aufgefuͤhrt in Gilb. Ann. I. 214. 323. Murray's Verſuche Gilb. Ann. XIV. 158. . Indeß hat man ſich doch bemuͤht zu zeigen, daß eine wirkliche Leitung dennoch in einigem Gr[a]d ſtatt findet, um Rumfords Behauptung einer ſo gaͤnzlich fehlenden Leitung zu widerlegen. So zeigt z. B. ein Verſuch von Murray die Fortleitung der Waͤrme im Oele, wo ein Hinabſinken waͤrmerer Theile nicht ſtatt findet, weil die Dichtigkeit bei der Abkuͤhlung im - merfort zunimmt. Murray bediente ſich eines ausgehoͤhlten Eis - cylinders, in welchen Mandel-Oel gegoſſen wurde; ein Thermo - meter, deſſen Kugel ſich 1 Zoll unter der Oberflaͤche des Mandel - Oels befand, war bis auf 0° geſunken, und nun wurde ein Metall - ſchaͤlchen mit kochendem Waſſer gefuͤllt, mit der Oberflaͤche des Oeles in Beruͤhrung gebracht; der Erfolg war, daß das Thermo - meter in 15 Min. um 1 $$\frac{10}{3}$$ Cent. ſtieg, und dieſes mußte doch als wirklicher Erfolg der Leitung angeſehen werden, die freilich ſehr ſchwach iſt, wenn wir damit die weit ſchnellere Fortpflanzung durch feſte Koͤrper vergleichen.
Auf die Eigenſchaft der fluͤſſigen Koͤrper, durch ihre Stroͤmun - gen den Koͤrpern Waͤrme zu entziehen, muß man vorzuͤglich Ruͤck - ſicht nehmen, wenn man die Abkuͤhlung feſter Koͤrper in der Luft richtig beurtheilen will. Dieſe Abkuͤhlung haͤngt von drei Umſtaͤn - den ab, von der durch Strahlung an der Oberflaͤche verloren gehen - den Waͤrme, von der durch Leitung in der Luft, vorzuͤglich durch die in ihr entſtandene Stroͤmung, fortgefuͤhrten Waͤrme, und von53 der Schnelligkeit des Erſatzes an Waͤrme, die aus dem Innern des Koͤrpers der Oberflaͤche zugefuͤhrt wird. Dulong und Petit haben dieſe Umſtaͤnde einzeln beruͤckſichtiget und ſo die wahren Geſetze der Abkuͤhlung in der Luft gefunden. Um hiebei den Um - ſtand auszuſchließen, daß bei feſten Koͤrpern die Waͤrme nicht ohne allen Zeitverluſt aus dem Innern zur Oberflaͤche fortgefuͤhrt wird, oder daß die eigenthuͤmliche Leitung nicht ſo ſehr ſchnell iſt, bedien - ten ſie ſich einer mit Queckſilber gefuͤllten Glaskugel, die dann ſelbſt auch als Thermometer diente und die nach beſtimmtem Zeit - verlaufe noch uͤbrige Temperatur angab; Thermometerkugeln von verſchiedener Groͤße zeigten ein gleiches Geſetz des Waͤrmeverluſtes, indem zum Beiſpiel bei der einen wie bei der andern der Waͤrme - verluſt in 1 Min., wenn die Kugel 100° waͤrmer als der umge - bende Raum war, doppelt ſo viel betrug als bei einer Erwaͤrmung von 60 Gr. und ungefaͤhr 8 mal ſo viel als bei einer Erwaͤrmung von 20 Gr. Dieſes Geſetz des verhaͤltnißmaͤßigen Fortgangs der Abkuͤhlung blieb auch bei andern in die Kugel eingeſchloſſenen Fluͤſ - ſigkeiten gleich, obgleich das Queckſilber ſich ſchneller als Waſſer abkuͤhlte und die groͤßere Queckſilberkugel eine laͤngere Zeit zur Ab - kuͤhlung brauchte, als die kleinere.
Nach dieſen vorlaͤufigen Verſuchen, die deutlich anzugeben ſchienen, daß die innere Leitungsfaͤhigkeit dieſer Fluͤſſigkeiten keinen erheblichen Einfluß auf das Geſetz der Abkuͤhlung habe, wurden nun zuerſt Verſuche im luftleeren Raume, wo alſo bloß durch Aus - ſtrahlung Waͤrme verloren ging, angeſtellt. Aber hier zeigte ſich, daß nicht, wie man gewoͤhnlich annimmt und nach Newtons und Richmanns Regel zu rechnen pflegt, der Waͤrmeverluſt in gleichen ſehr kurzen Zeiten der Waͤrmedifferenz proportional iſt, ſondern wenn das Queckſilber 240° warm war, der umgebende leere Raum aber auf 0° erhalten wurde, ſo betrug der Waͤrme - verluſt in jeder Minute 3½ mal ſo viel, als wenn das Queckſilber 120° war und der leere Raum 0° blieb, und ſo bei andern Ver - ſchiedenheiten der Temperatur.
Die einfache Regel ſollte hier fuͤr eine laͤngere Zeit allmaͤhliger Abkuͤhlung die ſein, daß wenn man den Waͤrmeverluſt fuͤr 60° Temperatur-Unterſchied und fuͤr 80 Gr. Temperatur-Unterſchied kennte, man den fuͤr 100 Gr. als in gleichem Verhaͤltniſſe wachſend54 finden ſollte, daß naͤmlich, wenn der bei 80° zum Beiſpiel gleich $$\frac{7}{6}$$ des Verluſtes bei 60° iſt, auch wieder der bei 100° Unterſchied gleich $$\frac{7}{6}$$ des Verluſtes bei 80° ſein ſollte; aber dieſes Geſetz findet im eingeſchloſſenen Raume wegen der Zuruͤckſtrahlung von dem umſchließenden Gefaͤße nicht ganz ſtatt, ſondern die Abkuͤhlung geht langſamer fort. Bei den Verſuchen von Dulong und Petit findet man, daß hier das Gefaͤß 2 Grad Waͤrme zuruͤckgab, ſo daß man, wenn die Kugel 80° warm, das Gefaͤß auf 0° abgekuͤhlt war, den Waͤrmeverluſt in 1 Min. im offenen Raume = 3,7 Gr. ſetzen mußte, da er ſich im Gefaͤße 1,7 Gr. fand. Hier ergab ſich nun, daß bei einer um 20 Gr. zunehmenden Waͤrmedifferenz der Verluſt in 1 Min. um ein Sechstel ſtieg, alſo $$\frac{7}{6}$$ ⋅ 3,7 = 4,3 Gr. im ganz unbegrenzten Raume geweſen waͤre, alſo nur = 2,3 Gr. in jenem begrenzten Raume. Ebenſo rechnet man wieder, wenn die Kugel 120° warm iſt und der umgebende Raum 0° bleibt, daß $$\frac{7}{6}$$ ⋅ 4,3 = 5,0 Gr. Verluſt im leeren Raume, = 3,0 Gr. in dem Gefaͤße ſein muͤßte; bei 140° wieder 5,0 ⋅ $$\frac{7}{6}$$ = 5,8, alſo im Gefaͤße 3,8 und ſo weiter, und ſo ergaben es auch die Verſuche. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe Herabſetzung der Abkuͤhlung nicht in allen Faͤllen 2 Gr. betraͤgt, ſondern mehr betraͤgt, wenn das Gefaͤß waͤr - mer iſt, ſo daß bei 20 Gr. Waͤrme des Gefaͤßes und 100 Gr. Waͤrme des abkuͤhlenden Koͤrpers die Abkuͤhlung etwas langſamer geht, als wenn jene 0° und dieſe 80° iſt.
Wenn die Thermometerkugel mit Silber uͤberzogen, alſo gegen das Ausfließen ſowohl als gegen das Eindringen der ſtrahlenden Waͤrme mehr geſichert war, ſo betrug die Abkuͤhlung nicht ſo viel, und auch der Einfluß des Gefaͤßes war geringer. Bei den von Dulong und Petit angeſtellten Verſuchen war die ſtrahlende Waͤrme 5½ mal ſo groß, wenn eine reine Glas-Oberflaͤche, als wenn eine mit Silber uͤberzogene Glas-Oberflaͤche angewandt ward, und nach Leslie's Verſuchen bei polirtem Silber noch bedeutend groͤßer. Jene Regel gilt offenbar in Ruͤckſicht auf die beſtimmten Zahlen nur unter den Umſtaͤnden, die bei dem Verſuche gerade ſtatt fanden; aber die Regel, daß man bei gleicher Zunahme der Waͤrme - Unterſchiede mit einer immer gleichen Zahl multipliciren muß, um den Waͤrmeverluſt im leeren Raume zu finden, beſteht fuͤr alle Faͤlle.
55In der Luft koͤmmt die oben erwaͤhnte zweite Urſache der Ab - kuͤhlung hinzu, und man kann den Waͤrmeverluſt in 1 Min. an - ſehen als zuſammengeſetzt aus dem, was im leeren Raume ſtatt finden wuͤrde, und aus dem Antheil Waͤrme, den die Luft fortfuͤhrt. Dieſer letztere Antheil iſt gleich, es mag die Glas-Oberflaͤche frei oder mit Silber belegt ſein; dieſer hat alſo mit der groͤßern oder geringern Neigung, die Waͤrme ſtrahlend zu entlaſſen, keine Ver - bindung; aber in verſchiedenen Luft-Arten iſt dieſer durch die Luft bewirkte Waͤrmeverluſt ungleich, und beſonders im Waſſerſtoffgas ſehr groß, indem er dort uͤber dreimal ſo viel als in der atmoſphaͤ - riſchen Luft bei gleicher Elaſticitaͤt beider Luft-Arten betraͤgt*)Ann. de Chim. et Phys. VII. 238. .
Mit Huͤlfe dieſer Verſuche ließen ſich nun auch aus den mit unermuͤdlichem Fleiße angeſtellten Verſuchen Boͤckmanns**)Boͤckmanns Verſuche uͤber die Waͤrmeleitung. Carlsruhe 1812. uͤber die Abkuͤhlung der Koͤrper etwas regelmaͤßigere Reſultate ab - leiten. Auch ſie zeigen den Einfluß der Oberflaͤche auf die durch Strahlung verloren gehende Waͤrme; aber die drei bei der Abkuͤh - lung einwirkenden Urſachen ſind hier nicht gehoͤrig getrennt, und daher haben dieſe an ſich hoͤchſt ſchaͤtzenswerthen Verſuche nur wenig reine Ergebniſſe geliefert.
Man hat fruͤher nur wenige Verſuche gemacht, dieſe Fort - pflanzung der Waͤrme nach mathematiſchen Regeln zu beſtimmen, und ich werde daher nur von dem etwas erwaͤhnen, was in neuerer Zeit hieruͤber von Fourier als Reſultat ſehr tiefſinniger Unter - ſuchungen bekannt gemacht iſt, obgleich Fouriers Unterſuchungen zum Theil ſchon von Newton und nachher von Lambert und andern Phyſikern (jedoch nur ſehr unvollkommen,) vorbereitet wor - den ſind.
Damit man das, was hier beſtimmt werden ſoll, richtig auf - faſſe, ſtellt Fourier zuerſt folgende Betrachtungen an. Wenn ein Ring, zum Beiſpiel ein metallener Ring, einer Luft von 0°56 Waͤrme ausgeſetzt iſt, und dieſem an einer einzigen Stelle aus einer dort angebrachten Waͤrmequelle unaufhoͤrlich Waͤrme zuſtroͤmt, ſo werden nach und nach wegen der Waͤrmeleitung auch die entfernte - ren Theile des Ringes eine hoͤhere Temperatur annehmen. Aber dieſe Temperatur-Erhoͤhung (abgeſehen davon, worauf ich erſt in der Folge komme, daß gleiche Waͤrmequantitaͤten nicht in allen Koͤrpern verſchiedener Art gleiche Temperatur-Erhoͤhungen hervor - bringen,) iſt von zwei Umſtaͤnden abhaͤngig, theils von jenem Her - zuſtroͤmen der Waͤrme im Innern, theils von dem Verluſte an Waͤrme, der durch Ausſtrahlung und durch die umgebende kalte Luft hervorgebracht wird. Nach laͤngerer Dauer der Einwirkung jener ſtets gleichen Waͤrmequelle entſteht ein Beharrungsſtand, das heißt, Thermometer in verſchiedenen Puncten des Ringes ange - bracht, haben nun die Hoͤhe erreicht, welche ſie uͤberhaupt erlangen koͤnnen, und wir fordern von der Theorie, daß ſie angebe, in wel - chem Grade ungleich dann die Temperatur in den verſchiedenen Puncten des Ringes iſt, unter welchen Umſtaͤnden die von der Waͤrmequelle her zuſtroͤmende und die an der Oberflaͤche in die kalte Luft ſich zerſtreuende Waͤrme ſich einander genau ausgleichen. Eine andre Frage wuͤrde die ſein, wie im Fortgange der Zeit, ehe der Beharrungsſtand erreicht wird, ſich in einem beſtimmten Puncte die Waͤrme aͤndert, und ſo auch, wie, bei aufhoͤrendem Zufluß neuer Waͤrme, die nun allmaͤhlig abnehmende, doch aber von dem erhitzten Puncte aus ſich noch verbreitende, Temperatur ſich ver - haͤlt. Die Beantwortung dieſer und aͤhnlicher Fragen haͤngt von der Kenntniß der Mittheilung der Waͤrme von Theilchen zu Theil - chen im Innern des feſten Koͤrpers, aber auch von der Kenntniß des Waͤrmeverluſtes an der Oberflaͤche, ab; dieſer Waͤrmeverluſt beſteht theils aus der ausſtrahlenden Waͤrme, theils aus der den unmittelbar anliegenden Theilchen mitgetheilten Waͤrme, und dieſe letztere iſt wegen des entſtehenden Stroͤmens und der dadurch be - wirkten Herzufuͤhrung kalter, abermals Waͤrme raubender, Theil - chen ein vorzuͤglicher Grund der ſchnellen Abkuͤhlung.
Auch im Innern der Koͤrper kann man die Fortpflanzung der Waͤrme von einem Theilchen zum andern als durch Strahlung entſtehend anſehen, nur findet hier die Verſchiedenheit ſtatt, daß die durch unmerklich kleine Zwiſchenraͤume getrennten Theilchen57 feſter Koͤrper die durch Strahlung auf ſie fallende Waͤrme ſogleich aufnehmen und am weitern Fortgange als ſtrahlende Waͤrme hin - dern. Da wo die Waͤrme aus dem Innern des Koͤrpers hervor - zudringen im Begriff iſt, wird ſie zum Theil nach dem Innern des Koͤrpers zuruͤckgeworfen, und eben die Kraft, welche die von außen kommenden Waͤrmeſtrahlen zum Theil reflectirt und am Eindrin - gen hindert, bewirkt auch hier eine Zuruͤckwerfung nach dem In - nern. Fourier ſetzt umſtaͤndlich aus einander, daß die Waͤrme - ſtrahlen, welche von innen hervordringend die Oberflaͤche ſenkrecht treffen, dieſe in verhaͤltnißmaͤßig groͤßerer Zahl durchdringen, und daß die Intenſitaͤt der hervordringenden Waͤrme proportional der gegen die Oberflaͤche ſenkrechten (aus der Zerlegung der wahren Bewegung als ſenkrecht gegen die Oberflaͤche hervorgehenden) Ge - ſchwindigkeit iſt. Dieſe Betrachtungen beruhen auf dem vorhin angegebenen gegenſeitigen Austauſche, der zwiſchen Koͤrpern von gleicher Temperatur ſtatt findet, und der ohne Zweifel einen gegen - ſeitigen Erſatz der verlornen Waͤrme giebt, die Geſtalt der Koͤrper und die Beſchaffenheit ihrer Oberflaͤche ſei, welche man wolle.
Als Princip der Mittheilung der Waͤrme nimmt Fourier an, daß ſie dem Unterſchiede der Temperaturen verhaͤltnißmaͤßig ſei. Wenn zwei einander ſehr nahe Theilchen eines feſten Koͤrpers in verſchiedenen Faͤllen um gleich viel an Waͤrme verſchieden ſind, ſo iſt die dem einen Puncte ertheilte Veraͤnderung der Temperatur gleich groß, beide Koͤrper moͤgen ſehr warm oder wenig warm ſein; iſt die Differenz der Temperatur doppelt ſo groß, ſo iſt auch die in gleicher, kurzer Zeit vom einen Puncte dem andern ertheilte Waͤrme doppelt ſo groß, und ſo in allen Faͤllen. Eben dieſes Geſetz koͤnnen wir auch als fuͤr den Waͤrmeverluſt an der Oberflaͤche geltend an - ſehen, daß naͤmlich bei einerlei Koͤrpern ſich dieſer Waͤrmeverluſt verhaͤlt wie der Unterſchied der Temperatur des Koͤrpers ſelbſt und des umgebenden Raumes; ganz genau kann dies Geſetz nicht guͤltig ſein, da die Staͤrke des Luftſtromes, wenn der Koͤrper in der Luft abkuͤhlt, ſich bei zunehmender Differenz der Waͤrme aͤndert, aber es wird bei nicht zu großen Temperatur-Unterſchieden guͤltig bleiben. Aus dieſem Grunde geht die Abkuͤhlung nach und nach immer langſamer fort, indem der 20 Grad uͤber die Temperatur der Luft58 erwaͤrmte Koͤrper doppelt ſo viel Waͤrme verliert, als der nur noch um 10 Grad erwaͤrmte.
Die einfachſte Betrachtung, die in Hinſicht auf die Waͤrme - leitung vorkommen kann, findet da ſtatt, wo ein ſehr breit aus - gedehnter Koͤrper durch zwei parallele Oberflaͤchen begrenzt wird, deren eine in immer gleicher hoher Temperatur, die andre in immer gleicher niedriger Temperatur erhalten wird. Hier zeigt die Theo - rie, daß, nach laͤngerer Dauer des von außen unterhaltenen Zu - ſtandes, die Abnahme der Temperatur in den zwiſchen liegenden Schichten den Abſtaͤnden proportional iſt, alſo in der mittlern Schichte genau die mittlere Temperatur zwiſchen jenen aͤußerſten ſtatt findet. Dies gilt naͤmlich da, wo die Seitengrenzen des nach allen Seiten ſehr weit ausgedehnten Koͤrpers ſo ſehr entfernt ſind, daß man den Einfluß der durch jene Seitengrenzen verloren gehen - den Waͤrme als nicht in Betrachtung kommend anſehen kann.
Daß dieſes ſo iſt, wird durch die Gleichheit der von einer Seite zuſtroͤmenden und von der andern Seite abfließenden Waͤrme bewie - ſen. Es wird auch gezeigt, daß dieſer Waͤrmeſtrom in irgend einer Zwiſchenſchichte deſto lebhafter iſt, je groͤßer die Waͤrmedifferenz der beiden Grenzſchichten und je kleiner der Abſtand derſelben von ein - ander iſt. Alle dieſe Folgerungen ſind ſehr einfach, doch aber durch die genaue theoretiſche Ableitung merkwuͤrdiger, da der Grund, war - um ſie ſtatt finden, hier ſtrenge erhellt.
In dieſem Falle konnten wir die Stroͤmung der Waͤrme als nur nach einer Richtung gehend anſehen, da die ſo breit aus - gedehnten Grenzflaͤchen uns geſtatteten, die Seitenflaͤchen als gar nicht einwirkend anzuſehen; der folgende Fall iſt ſchwieriger. Es ſei ein ſehr langer Stab, deſſen eines Ende immer gleich warm erhalten wird, waͤhrend ſeine uͤbrige Oberflaͤche ſich in der kalten Luft befindet. Hat hier die allmaͤhlige Erwaͤrmung der entferntern Theile einen gewiſſen Grad erreicht, ſo verlieren alle Puncte der Oberflaͤche Waͤrme, die in die Luft uͤbergeht, und wenn wir irgend - wo uns eine Querſchnittsflaͤche des Stabes denken, ſo geht durch dieſe in jedem Augenblicke eine gewiſſe Waͤrmemenge von der Waͤrmequelle aus hindurch, theils um den an der Oberflaͤche des entfernteren Theiles ſtatt findenden Waͤrmeverluſt zu erſetzen, theils um dieſen entferntern Theil nach und nach mehr zu erwaͤrmen. 59Dauert dieſes eine ſehr lange Zeit durch fort, ſo daß die Erwaͤr - mung am einen Ende unveraͤndert erhalten wird, und auch die umgebende Luft unerwaͤrmt ihre niedrigere Temperatur behaͤlt, ſo tritt immer mehr und mehr der Beharrungsſtand in dem ganzen Stabe ein, welcher dann ſtatt findet, wenn die in irgend einem Querſchnitte durchſtroͤmende Waͤrmemenge gerade ſo groß iſt, als der geſammte im jenſeitigen Theile ſtatt findende Waͤrmeverluſt, der naͤmlich durch den Uebergang der Waͤrme in die Luft hervor - gebracht wird. Fuͤr dieſen Beharrungsſtand iſt alſo die durch irgend einen Querſchnitt ſtroͤmende, nach der Richtung des Stabes fort - gehende, Waͤrmemenge um ſo viel groͤßer als die durch einen ent - fernteren Querſchnitt ſtroͤmende, als der Waͤrmeverluſt durch die zwiſchen beiden Querſchnitten liegende Oberflaͤche betraͤgt; und in dieſer Regel iſt die rechnende Beſtimmung der fuͤr jeden Querſchnitt paſſenden Temperatur im Beharrungsſtande gegeben. Die Waͤrme, die man fuͤr den Beharrungsſtand in beſtimmten Entfernungen von der Waͤrmequelle erhaͤlt, iſt groͤßer bei dickeren Staͤben, von aͤhnlichen Querſchnitten, weil da der Verluſt an die Luft in Ver - gleichung gegen die im Innern fortſtroͤmende Waͤrme geringer iſt; die oft angefuͤhrte Erfahrung, daß ein bis zum Gluͤhen erhitzter Eiſenſtab in 6 Fuß Entfernung ſich kaum um 1° erhitzt, wuͤrde bei ſehr dicken Staͤben ſich nicht ganz beſtaͤtiget finden, ſondern da wuͤrde eine groͤßere Waͤrme in gleichen Entfernungen fuͤhlbar ſein. — Eben die Bemerkung gilt alſo auch in Beziehung auf die vorhin angefuͤhrten Verſuche von Despretz.
Eine dritte von Fourier angeſtellte Betrachtung betrifft die Frage, welche Erwaͤrmung die Luft in einem eingeſchloſſenen Raume annehmen wird, wenn die umſchließende Huͤlle außen mit kalter Luft umgeben iſt, im Innern jener zu erwaͤrmenden Luft aber ſich ein heißer Koͤrper befindet. Daß hier nach erlangtem Beharrungsſtande der Unterſchied der Temperatur, um welchen die Luft im Innern die aͤußere an Waͤrme uͤbertrifft, dem Waͤrme - Unterſchiede der Waͤrmequelle und der aͤußern Luft proportional ſein muß, erhellt von ſelbſt; aber nicht ſo unmittelbar leuchtet es ein, warum zwei gleiche Waͤrmequellen nicht geradezu jene Erwaͤrmung der innern Luft (den Temperatur-Unterſchied zwiſchen ihr und der aͤußern) verdoppeln. Und doch ſieht man auch hier leicht ein, daß60 bei hoͤher ſteigender Waͤrme der innern Luft auch der Waͤrmeverluſt durch die aͤußere Wand hindurch zunimmt, weshalb jene Steigerung der Waͤrme, durch zwei Waͤrmequellen hervorgebracht, um ſo weiter von der Verdoppelung der Waͤrmezunahme entfernt bleiben wird, je beſſer die aͤußere Wand geneigt iſt, die ihr zuſtroͤmende Waͤrme von innen aufzunehmen, in ihrer eignen Maſſe fortzuleiten, und außen wieder zu entlaſſen; nur da alſo, wo die Umhuͤllung aus einer ſchlecht leitenden Materie beſteht, und wo ſie innen und außen eine polirte Oberflaͤche hat, um das Aufnehmen und Entlaſſen der Waͤrme zu erſchweren, kann man einigermaaßen darauf rechnen, daß zwei Waͤrmequellen, drei Waͤrmequellen u. ſ. w. in regelmaͤßi - ger Steigerung die Temperatur des innern Raumes uͤber die der aͤußeren Luft erheben. — Freilich Folgerungen, die ſich faſt von ſelbſt zu verſtehen ſcheinen, die aber doch, was die genaue Maaß - beſtimmung betrifft, erſt theoretiſch gefunden werden mußten. — Und ebenſo wie hier die Wirkung mehrerer Waͤrmequellen beſtimmt wird, ſo laͤßt ſich auch der Vortheil, den mehrere Umhuͤllungen gewaͤhren, durch die hier angedeutete Rechnung angeben, und be - ſtimmen, in welchem Maaße die Waͤrmequelle weniger Waͤrme verliert, wenn der ſie umgebende Raum durch eine Umhuͤllung oder durch mehrere Umhuͤllungen gegen den Waͤrmeverluſt geſichert iſt, als im entgegengeſetzten Falle. Fourier bemerkt mit Recht, daß zwar im Allgemeinen auch ohne genauere Theorie erhellete, daß ein ſolcher Unterſchied ſtatt finden muͤſſe; aber daß die Abmeſſung dieſes Unterſchiedes doch erſt ſich aus einer ſtrengen Theorie ergebe.
Dieſe Unterſuchungen betrafen den nach laͤngerer Einwirkung gleichmaͤßiger Waͤrme allemal eintretenden Beharrungsſtand der Waͤrme; aber auch von den Geſetzen der nach und nach erfolgenden Veraͤnderungen des Waͤrmezuſtandes handeln Fouriers Unter - ſuchungen. Ich will in Beziehung auf dieſe nur den Fall erwaͤh - nen, wo ein kreisfoͤrmiger Ring, deſſen einzelne ſehr kleine Quer - ſchnitte in jedem Puncte gleich erwaͤrmt ſind, an verſchiedenen Puncten einen beliebigen Grad ungleicher Waͤrme erhalten hat, waͤhrend er einer kalten Luft ausgeſetzt iſt. Wir nennen den Zu - ſtand den anfaͤnglichen Zuſtand, fuͤr den wir die Austheilung der Waͤrme als durch irgend ein Mittel willkuͤrlich hervorgebracht an - ſehn, und fragen nun, wie die Austheilung der Waͤrme ſich im61 Laufe der Zeit aͤndert. Faͤnde an der Oberflaͤche gar keine Zer - ſtreuung der Waͤrme ſtatt, ſo wuͤrde die Austheilung der Waͤrme, ſofern ſie im anfaͤnglichen Zuſtande ungleich war, im Laufe der Zeit eine andre, mehr zur Gleichheit hinneigende, werden, und die Theorie muß lehren, das Geſetz der Austheilung der Waͤrme zu beſtimmen. Hier ergiebt nun die Rechnung den merkwuͤrdigen Schluß, daß die Regel der Waͤrme-Austheilung in den verſchiede - nen Gegenden des Ringes dieſelbe bleibt, es mag ein Verluſt an der Oberflaͤche ſtatt finden oder nicht. Man kann dieſe Regel ſo uͤberſehn. Da wir den Ring als ſehr duͤnne anſehen, um jeden einzelnen Querſchnitt als in allen Puncten gleich erwaͤrmt betrach - ten zu duͤrfen, ſo iſt hier von einem Unterſchiede der Waͤrme nach Maaßgabe des tiefern Eindringens in das Innere nicht die Rede, das Geſetz der Waͤrme-Austheilung bezieht ſich alſo nur auf die Laͤnge des Ringes. War nun zu Anfang der Ring uͤberall gleich erwaͤrmt, ſo bleibt dieſe Waͤrme ungeaͤndert gleich, wenn die Ober - flaͤche gar keinem Verluſte ausgeſetzt iſt, ſie erleidet dagegen uͤberall eine Verminderung, iſt aber doch in den verſchiedenen Puncten in jedem folgenden Augenblicke gleich viel vermindert, wenn ein Ver - luſt an der Oberflaͤche ſtatt findet, und das Geſetz der Austheilung iſt in beiden Faͤllen das Geſetz der Gleichheit. Ebenſo, wenn ge - wiſſe erwaͤrmte Querſchnitte den uͤbrigen Waͤrme mittheilen, ſo wuͤrde es, bei gaͤnzlich weggedachtem Verluſte an der Oberflaͤche, Puncte geben, die in beſtimmtem Maaße minder erwaͤrmt, andre die noch weniger erwaͤrmt waͤren; und eben dieſes Geſetz der Er - waͤrmung findet ungeaͤndert, obgleich mit herabgeſetzter Waͤrme fuͤr alle Puncte, ſtatt, wenn die Oberflaͤche Waͤrme verliert.
Dieſes Geſetz der Austheilung der Waͤrme iſt im ganzen Ver - laufe der allmaͤhligen Ausgleichung der Waͤrme ein anderes, je nachdem die anfaͤngliche Erhitzung eine andre war, indem zum Beiſpiel bei anfaͤnglicher Erhitzung in einem Puncte das Geſetz der Austheilung auch ſpaͤterhin anders ſein muß, als bei der anfaͤng - lichen Erhitzung in zwei oder drei Puncten. Dieſes Geſetz der Austheilung der Waͤrme iſt gewoͤhnlich im Fortgange der Zeit ver - aͤnderlich, weil, zum Beiſpiel wenn nur ein Punct erhitzt war, ſpaͤterhin eine mehr zur Gleichfoͤrmigkeit hinneigende Austheilung der Waͤrme ſtatt findet; aber die Rechnung giebt an, daß es gewiſſe62 Geſetze der Austheilung der Waͤrme giebt, wo ſchon im erſten Au - genblicke die Austheilung ſo iſt, daß ſie auch nachher, den Verhaͤlt - niſſen nach ebenſo, obgleich dem Grade nach abnehmend, fortbeſte - hen muß. An dieſe Faͤlle knuͤpft ſich das Geſetz der im Fortgange der Zeit eintretenden Austheilung der Waͤrme auch fuͤr alle andern, regelmaͤßig oder unregelmaͤßig ertheilten, anfaͤnglichen Erhitzungen an, indem ein Hinſtreben zu derjenigen Austheilung der Waͤrme, wie ſie den vorhin erwaͤhnten Faͤllen entſpricht, auch in allen uͤbri - gen Faͤllen ſtatt findet.
Wenn eine dauernd wirkende Waͤrmequelle an einem Puncte des Ringes, oder mehrere immerfort wirkende Waͤrmequellen an verſchiedenen Puncten des Ringes angebracht ſind, ſo tritt auch hier ein Beharrungsſtand ein und die Theorie fuͤhrt hier auf fol - genden Satz, den Fourier durch Verſuche als wahr nachgewieſen hat: Wenn man den zwiſchen zwei Waͤrmequellen liegenden Theil des Ringes in mehrere gleiche Theile theilt, und die Temperatur dreier auf einander folgender Theilungspuncte beſtimmt, ſo iſt die Summe der Thermometerſtaͤnde der beiden aͤußerſten ein gleiches Vielfaches des mittlern, man mag den Verſuch auf den erſten, zweiten, dritten, oder auf den zweiten, dritten, vierten, oder auf den dritten, vierten, fuͤnften dieſer Puncte u. ſ. w. beziehn. Ein ebenſo merkwuͤrdiges von Fourier durch Verſuche beſtaͤtigtes Theorem iſt dieſes: Wie man auch den Ring in verſchiedenen Puncten durch mehrere Waͤrmequellen erwaͤrme, ſo vergeht, nach der Wegnahme der Waͤrmequellen, nur eine kurze Zeit bis die Waͤrme-Austheilung ſo iſt, daß die Summe der Thermometer - ſtaͤnde in zwei entgegengeſetzten Puncten des Durchmeſſers gleich iſt, das heißt, Thermometer auf 0° und 180°, auf 35° und 215°, auf 90° und 270°, geben, die erſten zwei, und jede folgenden zwei, immer gleiche Summen. Dieſes Theorem beruht darauf, daß die hierin angezeigte Austheilung der Waͤrme diejenige iſt, die dem einfachſten Geſetze entſpricht, das ich vorhin als ein ſolches erwaͤhnte, welches, einmal entſtanden, waͤhrend der ganzen Abkuͤhlung fort - dauert. In den Verſuchen, die ſich auf das erſte Theorem beziehen, bietet ſich ein Mittel dar, das Verhaͤltniß der Leitung in dem Ringe ſelbſt zu dem Ausſtroͤmen von der Oberflaͤche anzugeben, indem je ſtaͤrker das Ausſtroͤmen von der Oberflaͤche iſt in Vergleichung63 gegen die innere Leitung, deſto groͤßer iſt der Multiplicator, mit welchem man die Grade des mittlern Thermometers multipliciren muß, um die Summe der Grade der beiden naͤchſten zu erhalten.
Dieſe wenigen Bruchſtuͤcke aus Fouriers Unterſuchungen muͤſſen hier wohl hinreichen, um nur von dem Inhalte derſelben einen Begriff zu geben. Daß die Wichtigkeit dieſer Unterſuchungen nicht ganz ſo anerkannt wird, wie ſie es verdienten, daß man die von Fourier bei Gelegenheit der Theorie der Waͤrme bekannt gemachten großen Erweiterungen der Lehren der hoͤhern Analyſis faſt als ſein einziges Verdienſt anſieht, ſcheint mir daher zu kom - men, daß ſich die theoretiſchen Folgerungen nicht ſo durch Verſuche beſtaͤtigen laſſen, wie es in der Lehre vom Lichte ſo oft der Fall iſt. Die Geſetze, nach welchen die Waͤrme in den einzelnen Puncten des Koͤrpers ſich austheilt, und nach welchen dieſe Austheilung von einem Augenblicke zum andern ſich aͤndert, ſind durch Verſuche ſchwer nachzuweiſen, indem die thermometriſchen Meſſungen weder ſchnell genug noch zahlreich genug angeſtellt werden koͤnnen. Das wich - tige Theorem, daß ſich der Zuſtand der Waͤrme immer ſehr bald ſo ordnet, daß er entweder als einem der Zuſtaͤnde gemaͤß oder als einer Zuſammenſetzung der Zuſtaͤnde entſprechend angeſehen werden kann, die bei der Abkuͤhlung, in Ruͤckſicht auf das Verhaͤltniß der Temperatur der einzelnen Puncte, gleichmaͤßig fortdauern, laͤßt ſich faſt einzig in den Faͤllen nachweiſen, wo die Austheilung der Temperatur ſchon ſehr einfachen Geſetzen folgt, und wo daher jenes Theorem nur ein ſich faſt von ſelbſt verſtehendes Reſultat giebt. Waͤre es dagegen moͤglich, die Erwaͤrmung jedes Punctes ganz genau nach einer ſolchen Regel zu ordnen, wie es einem ſolchen Zuſtande gemaͤß waͤre, und dann zu beobachten, ob bei der Abkuͤh - lung ſich eben das Geſetz der Waͤrme-Austheilung, der fortdauern - den Verminderung ungeachtet, erhaͤlt; oder koͤnnte man vollends jedem Puncte eine Waͤrme ertheilen, wie ſie der Summe gemaͤß waͤre, die zwei oder drei ſolchen Waͤrme-Austheilungen entſpraͤche, und beobachten, ob im Fortgange der Zeit die uͤberall verminderte Waͤrme ſich noch immer jener Summe gemaͤß, den Verhaͤltniſſen nach, zeigte; ſo wuͤrde von einer eigentlichen Vergleichung der Theorie mit der Erfahrung die Rede ſein koͤnnen. Aber ſolche64 Verſuche anzuſtellen, iſt bis jetzt unmoͤglich, und wir muͤſſen uns mit weit unvollkommnern begnuͤgen.
Fourier hat aͤhnliche Unterſuchungen, wie die uͤber die Austheilung der Waͤrme in einem Ringe, auch uͤber die Austheilung der Waͤrme in einer Kugel, in einem prismatiſchen Koͤrper u. ſ. w. angeſtellt, die der Hauptſache nach zu ganz aͤhnlichen Reſultaten fuͤhren. Poiſſon hat einige Gegenſtaͤnde durch eine anders an - geordnete Darſtellung noch mehr zu erlaͤutern geſucht, aber ſeine Darſtellung hier mitzutheilen ſcheint mir unnoͤthig, da ſie bei wei - tem nicht ſo umfaſſend und reich an Reſultaten iſt, als Fouriers Unterſuchungen*)Fourier théorie de la chaleur. p. 281. 364. und an mehrern Stellen. Wenn man ſich mathematiſch ausdruͤcken darf, ſo heißt das oben angegebene vorzuͤglich wichtige Geſetz etwas deutlicher ſo: Die nach Verlauf einer beſtimmten Zeit fuͤr jeden Punct des Koͤrpers ſtatt fin - dende Waͤrme wird durch eine Reihe ausgedruͤckt, p. 273, deren folgende Glieder bei zunehmenden Werthen der Zeit ſehr abnehmen; jedes dieſer Glieder allein druͤckt einen ſolchen im Verlaufe der Zeit dem Verhaͤlt - niſſe nach gleich bleibenden Zuſtand der Waͤrme aus, indem es bloß durch einen mit wachſender Zeit abnehmenden Factor multiplicirt wird und weiter nicht von der Zeit abhaͤngt; dieſer Factor nimmt fuͤr den Zuſtand, den ich den zweiten regelmaͤßigen nennen darf, viel ſtaͤrker ab, als fuͤr den erſten, fuͤr den dritten noch ſtaͤrker, und ſo ferner; und daher ſchließt ſich, wie ſehr auch anfangs der Zuſtand ein zuſammen - geſetzter, einer Summe vieler Glieder entſprechender, geweſen ſein mag, im Verlaufe laͤngerer Zeit der Waͤrmezuſtand des nach und nach abge - kuͤhlten Koͤrpers je mehr und mehr dem erſten regelmaͤßigen Zuſtande an, demjenigen naͤmlich, der den mit dem Fortgange der Zeit am we - nigſten abnehmenden Factor hat. Fourier vergleicht dieſe ſich in eine Summe vereinigenden Aenderungen mit den Schwingungen der Seiten, die dem Grundtone und den zugeordneten hoͤheren Toͤnen ent - ſprechen koͤnnen. Mem. de l'acad. des sc. Tome V. p. 233. — —Ich hoffe, daß man dieſe Andeutungen als den Sinn der Unter - ſuchungen Fouriers richtig angebend anerkennen wird..
Nachdem ich Sie, m. h. H., ſo oft ſchon mit Abmeſſungen der Waͤrme unterhalten habe, iſt es wohl Zeit, einmal zu der Frage uͤberzugehen, ob denn unſre Queckſilberthermometer wirklich ſo zu Abmeſſung der Temperatur-Unterſchiede geeignet ſind, wie wir es annehmen, ob dieſe Unterſchiede der Temperatur mit den Unter - ſchieden der den Koͤrpern zugefuͤhrten wahren Waͤrmemenge in un - mittelbarer Beziehung ſtehen, u. ſ. w.
Es bietet ſich uns ein leichter Verſuch dar, um Grade wahrer Waͤrme-Unterſchiede zu erhalten, indem doch wohl ganz gewiß ein Pfund Waſſer von 10 Gr. Waͤrme mit einem Pfunde Waſſer von 30 Gr. Waͤrme gemiſcht eine Miſchung von 20 Gr. geben muß, weil hier gar kein Grund einzuſehen iſt, warum das waͤrmere Waſſer nicht genau ebenſo viel zu Erwaͤrmung des kalten als dieſes zu Abkuͤhlung des warmen beitragen ſollte. Ebenſo muß ganz gewiß 1 Pf. Waſſer von 10 Grad mit 2 Pf. Waſſer von 40 Gr. gemiſcht eine 30 Gr. warme Miſchung hervorbringen, da das eine Pfund 20 Grade empfaͤngt, wenn jedes der zwei Pfunde 10 Gr. abgiebt. Und ebenſo wird man in jedem Falle urtheilen, daß z. B. 5 Pf. von 17 Gr. und 7 Pf. von 50 Gr. eine Miſchung von 36¼ Gr. hervor - bringen, indem der Unterſchied zwiſchen 17 und 50 in 12 Theile getheilt und deren 7 genommen und zu 17 Gr. gelegt 17 + $$\frac{33}{12}$$ . 7 = 36¼ geben, oder 5.17 + 7.50 = 12. 36¼. Hier bietet ſich alſo die mannigfaltige Gelegenheit dar, um zu ſehen, ob das Queckſilberthermometer oder das Luftthermometer die Grade wahrer Waͤrme wirklich angiebt, die es angeben ſollte, und dies iſt eine der Methoden, die die Zuverlaͤſſigkeit dieſer Thermometer gezeigt haben.
Um den Verſuch, zwei ungleich warme Waſſermengen zu miſchen und ihre mittlere Waͤrme zu beſtimmen, genau anzuſtellen, bedarf es einiger Vorſicht. Denn, wollte man das waͤrmere Waſſer zu dem kaͤltern gießen, deſſen Gefaͤß alſo auch kaͤlter iſt, ſo wuͤrdeIII. E66einige Waͤrme auf die Vermehrung der Temperatur des Gefaͤßes verwandt werden muͤſſen, und bei der Miſchung im warmen Ge - faͤße wuͤrde das Umgekehrte erfolgen; man bedient ſich daher am liebſten eines Gefaͤßes, dem die nach den vorigen Angaben berechnete mittlere Temperatur ſchon im Voraus ertheilt iſt, und vermeidet ſo den fuͤr die Erwaͤrmung oder Abkuͤhlung des Gefaͤßes erforder - lichen Waͤrme-Aufwand. Kann man dann zugleich den Verſuch in einer umgebenden Luft von dieſer mittleren Waͤrme anſtellen, ſo vermeidet man auch den groͤßten Theil der Unſicherheit, die ſonſt aus der waͤhrend der Miſchung unvermeidlichen Abkuͤhlung, wenn man hoͤhere Temperaturen des Waſſers als der Luft hat, ent - ſpringt.
Aber ſo einfach hier bei Miſchung gleicher Koͤrper die den Ver - haͤltniſſen der Maſſen entſprechende mittlere Temperatur gefunden wird, ſo wuͤrde man doch ſehr irren, wenn man dieſe Berechnung der mittlern Temperatur auch auf ungleiche Koͤrper ausdehnen wollte. Wenn man ein Pfund Waſſer mit einem Pfunde Terpentin-Oel miſcht, ſo hat die Miſchung, auch bei aller angewandten Sorgfalt, nicht die mittlere Temperatur; ſondern bei dieſer Miſchung gewinnt das Oel an Temperatur mehr als das Waſſer verliert, ſo daß Terpentin-Oel von 30 Gr. mit ebenſo viel Waſſer von 90 Grad gemiſcht, eine Miſchung von ungefaͤhr 70 Gr. giebt, daß alſo das Oel zwei Grade Waͤrme gewinnt fuͤr einen, den das Waſſer verliert.
Dieſer Verſuch zeigt, daß die Zunahme der Temperatur nicht in allen Koͤrpern durch gleiche Mengen Waͤrmeſtoff in gleichem Maaße bewirkt wird, ſondern daß es eine ſpecifiſche Verſchiedenheit der Koͤrper in dieſer Hinſicht giebt. Auch ein andrer Verſuch zeigt dieſe Verſchiedenheit. Wenn man in gleichen Gefaͤßen uͤber moͤg - lichſt gleichen Weingeiſtflammen gleiche Mengen Terpentin-Oel im einen und Waſſer im andern erhitzt; ſo ſteigt die Waͤrme des erſtern weit ſchneller als die des letztern, und man wuͤrde ziemlich nahe zu der Folgerung geleitet werden, daß ein Pfund Waſſer zwei Flam - men bedarf, um eben die Temperatur zu erhalten, die ein Pfund Oel durch eine Flamme in gleicher Zeit erhaͤlt. Aehnliche Verſchie -67 denheiten zeigen ſich bei allen Koͤrpern, und man legt jedem daher eine ſpecifiſche Waͤrmecapacitaͤt bei. Ein Koͤrper, der bei gleicher Maſſe und gleich viel zugefuͤhrter Waͤrme ſich doppelt ſo ſehr erhitzt als ein andrer, hat eine halb ſo große ſpecifiſche Waͤrme - capacitaͤt als dieſer. Man vergleicht die ſpecifiſche Waͤrme mit der des Waſſers, und wuͤrde alſo, wenn nicht die Miſchungen oft aus andern Gruͤnden zu unſichern Reſultaten fuͤhrten, die ſpe - cifiſche Waͤrme am leichteſten durch Miſchung gleicher Gewichte warmen Waſſers mit einem kalten Koͤrper finden, indem, bei Gleichheit der Gewichte, der Koͤrper, deſſen ſpecifiſche Waͤrme ½ iſt, doppelt ſo viel an Temperatur gewinnt, als das Waſſer verliert; indem der, deſſen ſpecifiſche Waͤrme ⅓ iſt, dreimal ſo viel an Tem - peratur gewinnt, als das Waſſer verliert, u. ſ. w. Dieſe Mitthei - lung der Waͤrme laͤßt ſich, wenn man auf den waͤhrend der Mi - ſchung ſtatt findenden Waͤrmeverluſt Ruͤckſicht nimmt, bei feſten und bei fluͤſſigen Koͤrpern anwenden. Man wuͤrde zum Beiſpiel, wenn ein Pfund Queckſilber mit einem Pfunde Waſſer gemiſcht, oder durch einander geruͤhrt wuͤrde, bis die Temperatur gleich iſt, das Queckſilber ſich um 33 Grade erwaͤrmen ſehen, wenn das Waſ - ſer ſich um 1 Gr. abkuͤhlt; man wuͤrde ein Pfund Kupfer ſich um 9 Gr. erwaͤrmen ſehen, waͤhrend ein Pfund Waſſer, in welches das Kupfer gebracht iſt, ſich um 1 Gr. abkuͤhlt; denn jenes hat ungefaͤhr die Specifiſche Waͤrme = $$\frac{1}{33}$$ = 0,03, dieſes die ſpecifiſche Waͤrme = $$\frac{1}{9}$$ = 0,11. Haͤtte man gleiche Volumina gemiſcht, ſo verhielte es ſich anders, indem gleiche Maaße ungefaͤhr 14 Gewichts - theile Queckſilber gegen einen Gewichtstheil Waſſer enthalten, wo dann das Waſſer 14 Grade verliert waͤhrend das Queckſilber 33 Gr. gewinnt, oder 1 Gr. waͤhrend das Queckſilber 2 $$\frac{5}{14}$$ gewinnt; die Vergleichung, welche man ſo anſtellt, und die man die Verglei - chung der relativen Waͤrmecapacitaͤten nennt, gaͤbe alſo zwiſchen Waſſer und Queckſilber das Verhaͤltniß 2 $$\frac{5}{14}$$ zu 1 oder 1 zu $$\frac{14}{33}$$ , das iſt, 1 zu 0,42; ſtatt daß das Verhaͤltniß der ſpecifiſchen Waͤrmecapacitaͤten 1 zu 0,03 iſt.
Dieſe Methode, die ſpecifiſche oder auch die relative Waͤrme durch Miſchung zu finden, ſcheint nur die Unbequemlichkeit zu ha - ben, daß man, vorzuͤglich bei feſten Koͤrpern einige Zeit warten muß, bis die Mittheilung der Waͤrme ſtatt findet, und daß manE 268deshalb auf die Abkuͤhlung in der Luft Ruͤckſicht nehmen muß; aber dieſes iſt doch nicht der Hauptgrund, warum ſie nicht ſo anwendbar iſt, als man zuerſt glauben moͤchte. Anwendbar ſind dieſe Mi - ſchungen naͤmlich nur dann, wenn die beiden gemiſchten Koͤrper nicht merklich chemiſch auf einander einwirken, oder wenn kein Ue - bergang aus dem feſten Zuſtande in den fluͤſſigen oder umgekehrt ſtatt findet, indem, wenn dieſes der Fall iſt, Waͤrme oder Kaͤlte auf eine ganz andre Art hier entſteht. Von dieſen Temperatur-Aen - derungen muß ich noch beſonders reden, und will Sie jetzt nur daran erinnern, daß kaltes Waſſer mit eben ſo kalter Schwefelſaͤure ſich erhitzt. — Man hat daher auf andre Mittel denken muͤſſen, um die Waͤrmemengen zu vergleichen, die gewiſſen Temperatur-Unter - ſchieden entſprechen; und hiezu bietet die beim Aufthauen des Eiſes gleichſam verloren gehende Waͤrme Gelegenheit dar. Die merkwuͤr - dige Erſcheinung, daß man Eis von 0° Waͤrme lange dem Zufluſſe der Waͤrme ausſetzen kann, ohne daß die Temperatur ſich erhoͤ - het, daß naͤmlich dieſe immer = 0° bleibt, ſo lange nur noch ein wenig ungeſchmolzenes Eis im Waſſer uͤbrig bleibt, verdient in der Folge noch eine genauere Betrachtung; hier aber wollen wir nur bei der einzelnen Erfahrung ſtehen bleiben, daß ein Pfund Waſſer von 75° Centeſ. (60° R.) Waͤrme mit einem Pfunde Eis von 0° gemiſcht, dieſes gerade zum Schmelzen bringt, ohne ſeine Temperatur zu erhoͤhen. Es bietet ſich uns alſo hier die Waͤrme - menge, die 1 Pfund Eis zum Schmelzen braucht, als ein bequemes Maaß der Waͤrmemenge dar, und wenn man ſieht, daß ein Pfund Waſſer von 100° C. Waͤrme 1⅓ Pfund Eis zum Schmelzen bringt, daß ein Pfund Waſſer von 25° C. Waͤrme ⅓ Pf. Eis ſchmelzt, daß dagegen ein Pfund Terpentin-Oel von 75° C. Waͤrme nur ein halbes Pfund Eis ſchmelzt, ſo wird es gewiß vollkommen einleuchtend, daß wir hier ein angemeſſenes Maaß mitgetheilter Waͤrme gefunden haben. Ich muß hiebei, da auch Eis eine viel tiefere Temperatur als 0° annehmen kann, nur noch bemerken, daß man Eis von 0° Waͤrme bei dieſen Verſuchen vorausſetzt.
Um die eben angegebene Abmeſſung der Waͤrmemenge, die ein Koͤrper entlaͤßt, genauer anzuſtellen, hat Lavoiſier ein eig -69 nes Inſtrument angegeben. Dieſes Calorimeter beſteht aus einem Gefaͤße ABC (Fig. 16.), in welches ein Drahtnetz DE, um den zu beobachtenden Koͤrper aufzunehmen, hineingebracht wird. Der zwiſchen dem Drathnetze DE und dem Gefaͤße ABC freie Raum wird mit Eis von der Nulltemperatur gefuͤllt, und dann, nachdem der erhitzte Koͤrper in das Drathnetz hineingebracht und ganz mit Eis umgeben iſt, das durch die Roͤhre F ausfließende, aus dem aufgethauten Eiſe entſtandene, Waſſer abgewogen. Sie uͤberſehen leicht, daß wenn man ein Pfund 75° C. warmes Waſſer in den innern Raum bringen koͤnnte, bis zur voͤlligen Abkuͤhlung ein Pfund Waſſer muͤßte abgefloſſen ſein, oder da die ſpecifiſche Waͤrme des Silbers 0,08 iſt, daß 1 Pfund Silber von 75 Gr. warm in das Drathnetz gelegt, 0,08 Pfund Waſſer durch Schmelzen des Eiſes hervorbringen wird, ehe jenes voͤllig bis zur Nulltemperatur abgekuͤhlt iſt.
Dieſe Angaben reichen hin, um den Begriff von dem, was das Calorimeter leiſten ſoll, deutlich zu machen; aber in der Aus - uͤbung iſt die Anſtellung des Verſuches nicht ganz ſo leicht. Zuerſt naͤmlich iſt einleuchtend, daß bei etwas waͤrmerer Luft ſchon ver - moͤge des Zutritts der aͤußern Waͤrme etwas Eis ſchmelzen wuͤrde, und daß man dieſes verhindern muß. Zu dieſem Zwecke iſt das Gefaͤß ABC noch mit einem zweiten Gefaͤße GHI umgeben, und der Zwiſchenraum zwiſchen beiden iſt mit Eis gefuͤllt; die aͤußere Luft wird von dieſem Eiſe etwas ſchmelzen, aber da das ſo entſtan - dene Waſſer von dem im innern Gefaͤße entſtandenen getrennt bleibt und durch eine andre Roͤhre K ſeinen Ausweg findet, ſo ſtoͤrt dieſes den Verſuch nicht, und alles durch F abfließende Waſſer iſt durch die Waͤrme des hineingebrachten Koͤrpers geſchmolzen. Ein zweiter Umſtand, welcher ſich der genauen Beobachtung entgegenſtellt, iſt der, daß der mit Eisſtuͤcken gefuͤllte Raum bei einer geringen Menge abgethauten Waſſers vielleicht gar kein Waſſer giebt, weil es durch Adhaͤſion an den Eisſtuͤcken und zwiſchen ihnen zuruͤck - gehalten wird, und daß aus eben dem Grunde immer das aus - fließende Waſſer nicht das ganz genaue Maaß des aufgethauten Eiſes giebt. Dieſem Uebel kann man nur dadurch ausweichen, daß man ſchon vor dem Anfange des Verſuches etwas Waſſer zwi - ſchen dem Eiſe ſich bilden und dieſes abfließen laͤßt, wo dann eben70 nicht zu fuͤrchten iſt, daß am Schluſſe des Verſuches erheblich mehr oder weniger Waſſer als zu Anfang zwiſchen dem Eiſe bleibe. Ein dritter Umſtand iſt, daß man manche Koͤrper nicht ohne Gefaͤß in jenen mit Drath umgebenen Raum bringen kann. Aber dieſem laͤßt ſich dadurch ſein Nachtheiliges rauben, daß man die ſpecifiſche Waͤrme des Gefaͤßes beſtimmt.
Mit Beruͤckſichtigung dieſer Umſtaͤnde laͤßt ſich die ſpecifiſche Waͤrme feſter und tropfbar fluͤſſiger Koͤrper mit Huͤlfe dieſes Appa - rates recht wohl beſtimmen. Um zu zeigen, wie dies geſchieht, will ich zwei Beiſpiele berechnen. Man habe erſtlich ein Stuͤck Flint - glas von 2½ Pf. ſchwer bis zu 100° C. erhitzt, in jenen Raum gebracht, und finde nun 0,63 Pf. geſchmolzenes Eis; ſo ſchließt man, daß 1 Pf. Glas von 100° eine Quantitaͤt von 0,252 Pf. geſchmolzen habe, alſo 1 Pfund von 75° warm 0,189 Pfund geſchmolzen haͤtte. Da nun 1 Pfund Waſſer von 75° warm 1 Pfund Eis ſchmelzet, ſo hat das Glas bei gleicher Temperatur nur $$\frac{189}{1000}$$ der Waͤrme hergegeben, die das Waſſer hergegeben haͤtte, und 0,189 iſt die ſpecifiſche Waͤrme des Glaſes. Als zweites Beiſpiel will ich annehmen, daß man 2 Pf. Terpentin-Oel in einem Glaſe von 2½ Pfund ſchwer, beide Koͤrper bis auf 100 Gr. erhitzt, in jenen Raum gebracht, und die Menge des geſchmolzenen Eiſes = 1,88 Pfund gefunden haͤtte. Da wuͤrde man ſagen, von dieſer Quantitaͤt gehoͤren (dem eben angefuͤhrten Verſuche zu Folge), 0,63 Pfund der Hitze des Glaſes, alſo 1,25 Pf. der Waͤrme des Oeles; 2 Pfund Oel haben 1,25 Pfund, alſo ein Pfund Oel 0,625 Pfund gegeben, und dieſes eine Pfund haͤtte bei 75 Gr. nur drei Viertel hiervon, das iſt 0,469 Pfund gegeben; die ſpecifiſche Waͤrme des Terpentin-Oels iſt alſo 0,469.
Nach dieſen Verſuchen, die man fuͤr mehrere Koͤrper ange - ſtellt hat, beſitzen die Metalle eine ſehr geringe ſpecifiſche Waͤrme, und es kann daher ſcheinen, als ob unſre fruͤhere Bemerkung, daß die Metalle die Waͤrme ſehr ſchnell unſerm Koͤrper bei der Beruͤh - rung entziehen, hiemit im Widerſpruch ſtaͤnde. Allerdings iſt es wahr, daß ein Pfund Silber nur etwa ein Fuͤnftel der Waͤrme gebraucht, die ein Pfund irgend einer Holz-Art bedarf, um eine beſtimmte Temperatur anzunehmen; aber das Silber reißt dieſe Waͤrmemenge ſehr ſchnell an ſich, und darum fuͤhlt es ſich im71 erſten Augenblicke kalt an, obgleich es bei laͤngerer Erwaͤrmung ſich mit geringerm Waͤrme-Aufwande als Holz erwaͤrmt. Die Vergleichungen fallen uͤbrigens verſchieden aus, je nachdem man auf die ſpecifiſche Waͤrme aber auf die relative, oder was dasſelbe iſt, je nachdem man auf gleiche Gewichte oder auf gleiche Raum - groͤßen ſieht. Gleiche Gewichte Silber und Holz fordern ungefaͤhr Waͤrmemengen im Verhaͤltniß 1 zu 5, um gleiche Temperaturen anzunehmen, gleiche Volumina Silber und Holz brauchen ungefaͤhr im Verhaͤltniß 2¼ zu 1 Waͤrmemengen, um ſich gleich zu erwaͤr - men, weil Silber 11 bis 12 mal dichter als eine der leichteren Holz-Arten iſt. Aehnliche Vergleichungen laſſen ſich mannigfal - tige anſtellen.
Ein Calorimeter, das man zum Unterſchiede das Waſſer - Calorimeter nennen kann, laͤßt ſich gleichfalls zu Verſuchen anwen - den, die hieher gehoͤren. Es iſt einleuchtend, daß man die ſpecifiſche Waͤrme ſo duͤnner Koͤrper wie die Luft-Arten nicht auf dem vorhin angegebenen Wege finden koͤnnte; denn wenn man auch ein Gefaͤß mit ſehr erhitzter Luft in den Eis-Apparat braͤchte, ſo wuͤrde ihre Abkuͤhlung, wegen des geringen Maaßes von Waͤrme, das ſie gewiß nur enthaͤlt, wenig Eisſchmelzung bewirken. Man muß ſich daher eines Inſtrumentes bedienen, das geeignet iſt, einen lange Zeit erneuerten Luftſtrom durchzulaſſen, und die von demſelben zuge - fuͤhrte Waͤrme aufzunehmen. Ein ſolches Inſtrument iſt das Waſſer-Calorimeter, deſſen Hauptheil (Fig. 17.) ein mit kaltem Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß AB iſt, auf deſſen Boden eine gekruͤmmte Roͤhre DE ſich fortzieht, durch welche man, um die ſpecifiſche Waͤrme der Luft zu beſtimmen, einen Strom warmer Luft gehen laͤßt, um durch ſeine an das Waſſer mitgetheilte Waͤrme die Menge der zugefuͤhrten Waͤrme zu beſtimmen. Hier liegt der Vorzug vor dem vorhin beſchriebenen Inſtrumente darin, daß die im Innern des Waſſergefaͤßes fortgefuͤhrte Roͤhre DE, deren Kruͤmmungen in horizontaler Richtung die Zeichnung nicht angeben kann, nicht durch einmalige Fuͤllung eine erhebliche Waͤrme des Waſſers zu bewirken braucht, ſondern daß, indem man die beim Durchzuge abgekuͤhlte Luft immer durch neue, bei F eintretende, erſetzt, eine große Menge Luft zu jenem Zwecke mitwirkt. Bei dieſem Verſuche muß man72 darauf ſehen, daß Luft von beſtimmter Dichtigkeit und beſtimmter Waͤrme gleichfoͤrmig durch die gekruͤmmte Roͤhre DE fließe; man muß es ſo einrichten, daß ſie ihre Waͤrme bei dem Durchgange durch das im Waſſer befindliche Rohr ganz verliere, und muß dann die Zunahme der Temperatur des Waſſers beobachten, und bei der Berechnung auf die zugleich ſtatt findende Erwaͤrmung des Gefaͤßes Ruͤckſicht nehmen. Damit man die Waͤrme des Waſſers genau kennen lerne, hat das in dem Gefaͤße AB befindliche Thermometer K nicht eine Kugel, ſondern einen mit Queckſilber gefuͤllten Cylin - der, der ſich durch die ganze Tiefe des Gefaͤßes erſtreckt, und ſo wir - ken alle Waſſerſchichten, die vielleicht etwas ungleich erwaͤrmt ſein koͤnnten, auf das Thermometer ein. Die fuͤr den Zug der warmen Luft beſtimmte Roͤhre, welche dem Waſſer die Waͤrme mittheilt, liegt unten im Gefaͤße, damit das durch erwaͤrmte Waſſer, auf - ſteigend in dem uͤbrigen, die Waͤrme gleichmaͤßiger vertheile. Da - mit man nicht noͤthig habe, die Abkuͤhlung durch die umgebende Luft in Rechnung zu ziehen, fuͤllt man das Gefaͤß mit ſehr kaltem Waſſer, und laͤßt den Verſuch ſo lange dauern, bis das Waſſer ebenſo weit uͤber die Temperatur der Luft erhitzt iſt, als es beim Anfange des Verſuchs unter die Temperatur der Luft erkaͤltet war, indem dann waͤhrend der erſten Haͤlfte des Verſuches die umgebende Luft ebenſo viel zur Erwaͤrmung, als waͤhrend der letzten Haͤlfte des Verſuchs zur Abkuͤhlung beitraͤgt. Hat man alles dieſes beach - tet, ſo muß man auf folgende Weiſe rechnen. Wenn das Gefaͤß von Kupfer iſt, ſo brauchen 900 Gewichtstheile Kupfer nur unge - faͤhr ebenſo viel Waͤrme als 100 Gewichtstheile Waſſer um gleiche Temperatur anzunehmen, und man rechnet daher dem Gewichte des Waſſers, welches erwaͤrmt wird, ein Neuntel des Gewichtes des Kupfers hinzu, und nennt dies, das Gefaͤß auf Waſſer redu - ciren. Betraͤgt nun die Waſſermaſſe mit Einſchluß des reducirten Gefaͤßes 6000 Gewichtstheile und man muß 2000 Gewichtstheile Luft, 65 Grad waͤrmer als das Waſſer zu Anfang war, durch - gehen laſſen, damit das Waſſer um 5 Grade erwaͤrmt werde; ſo ſagt man, damit 6000 Gew. th. Waſſer um 5 Gr. erwaͤrmt wer - den, oder damit 30000 Gew. th. Waſſer um 1 Gr. erwaͤrmt werden muͤſſen, 2000 Gew. th. Luft ſich um 60 Gr. abkuͤhlen, oder 120000 Gewichtth. Luft um 1 Grad. Die ſpecifiſche Waͤrme der Luft iſt73 alſo nur ¼ ſo groß, als die des Waſſers. So groß hat man die ſpecifiſche Waͤrme der atmoſphaͤriſchen Luft gefunden; die ſpecifiſche Waͤrme des Waſſerſtoffgaſes iſt dagegen 12⅓ mal ſo groß, das heißt, man braucht nur ein Pfund der letztern, wo man 12⅓ Pfund der erſtern braucht, um eine beſtimmte Waͤrme hervorzubringen; da aber das Waſſerſtoffgas bei gleichem Gewichte und gleicher Elaſticitaͤt etwa 13¾ mal ſo viel Raum einnimmt, als atmoſphaͤriſche Luft, ſo muͤßte man hiernach mehr Cubicfuße Waſſerſtoffgas als atmo - ſpaͤriſcher Luft anwenden, um eben die Erhitzung zu bewirken.
Rumford hat eben dieſes Inſtrument noch auf andre Weiſe angewendet; doch davon werde ich in der Folge reden.
Wenn man annimmt, daß bei geringen Maſſen auf die bei verſchiedenen Koͤrpern ungleiche Zuleitung der Waͤrme im Innern nicht viel ankoͤmmt, und wenn man durch Gleichheit der Oberflaͤche bewirkt, daß die ſtrahlende Waͤrme den Koͤrper in gleichem Maaße verlaͤßt, ſo giebt im luftleeren Raume die Zeit der Abkuͤhlung ein Mittel, die ſpecifiſche Waͤrme zu finden, indem man die ausgeſandte Waͤrmemenge aus den Zeiten der Abkuͤhlung berechnen kann. Auf dieſe Betrachtung gruͤnden ſich die von Dulong und Petit angeſtellten Verſuche, wo Metalle fein zermalmt in ein Gefaͤß von Silber gepreßt wurden, in deſſen Mitte ſich das Thermometer be - fand; bei der geringen Menge des zermalmten Metalls konnte man die Maſſe als uͤberall gleich warm anſehen, und die Oberflaͤche ent - ließ mit immer gleicher Leichtigkeit die Waͤrme, daher konnten die Abkuͤhlungszeiten als Maaße der in verſchiedenen Koͤrpern enthaltenen ungleichen Waͤrmemenge wenigſtens ziemlich nahe angeſehen werden.
In Hinſicht auf die ſpecifiſche Waͤrme der Luft haben die Beobachter, denen wir die Verſuche daruͤber verdanken, Cle - ment, Desormes, Delaroche, Berard, und Haycraft noch die Bemerkung gemacht, daß die Luft-Arten mehr Waͤrme auf - nehmen, indem ſie ſich ausdehnen. Wenn man eben die Luft-Art74 nur einem halb ſo großen Drucke ausſetzt, wodurch, wie Sie wiſ - ſen, auch ihre Dichtigkeit auf die Haͤlfte herabgeſetzt wird, ſo findet man die durch gleiche Volumina erhitzter Luft bewirkte Erwaͤrmung nicht bloß halb, ſondern 7 Zehntel ſo groß, und ebenſo fuͤr groͤßere Verduͤnnungen. Die verdichtete Luft enthaͤlt dagegen nicht ſo viel Waͤrme, als ſie nach der vermehrten Maſſe enthalten ſollte, ſie traͤgt nicht in ſo vermehrtem Maaße zur Erwaͤrmung bei, ihre ſpecifiſche Waͤrme iſt geringer.
Hierauf beruhen viele merkwuͤrdige Erfahrungen. Sie haben gewiß bei den Verſuchen mit der Luftpumpe oft bemerkt, daß die Glasglocke ſich von innen mit einem Thau belegt, daß ſie beſchlaͤgt, wenn man in den leeren Raum ploͤtzlich wieder Luft einſtroͤmen laͤßt. Dies beruht darauf, daß ſelbſt im leeren Raume eine bedeu - tende Menge Waͤrmeſtoff vorhanden iſt, ungefaͤhr vier Zehntel deſſen, der ſich in Luft von gewoͤhnlicher Dichtigkeit findet; koͤmmt nun die Luft, die ihren Waͤrmeſtoff mitbringt, hinzu, ſo iſt die Menge des in dieſem Raume vorhandenen Waͤrmeſtoffs groͤßer als dem natuͤrlichen Zuſtande der Luft gemaͤß iſt, und es entweicht etwas Waͤrmeſtoff durch die Waͤnde der Glocke, wobei dann die Waſſerdaͤmpfe, die er aufgenommen hat, weil ſie die Wand der Glocke nicht durchdringen koͤnnen, ſich uns als Niederſchlag kennt - lich machen.
Gay-Luſſac hat dieſe Beſtimmung genauer erhalten, in - dem er zwei gleiche Glasbehaͤlter ſo mit einander verband, daß die aus dem einen hervordringende Luft in den andern, welcher aus - gepumpt war, uͤberging. In beiden Recipienten befanden ſich ſehr empfindliche Thermometer, mit deren Huͤlfe noch Hunderttel der Waͤrmegrade beobachtet werden konnten, und nachdem die Tem - peratur in dem luftleeren und dem luftvollen Raume gleich gewor - den war, ließ man die Luft aus dem zweiten Recipienten in den erſten hinuͤbergehen, wobei dann das Thermometer im zweiten um $$\frac{6}{10}$$ Grad fiel, und das im erſten um ebenſo viel ſtieg; die dem luftvollen Raume mit dem Hinuͤberfließen der Luft entzogene Waͤrme fand ſich alſo in dem andern Raume wieder. Wenn man in dem luftvollen Recipienten Waſſerſtoffgas hat, ſo iſt die dieſem Recipien - ten entzogne und die dort hinuͤber gefuͤhrte Waͤrme ungefaͤhr an - derthalb mal ſo groß, als bei atmoſphaͤriſcher Luft. Wenn man75 in dieſen Faͤllen das im Recipienten aufgeſtellte Thermometer beob - achtet, ſo iſt es leicht begreiflich, daß dieſes nur geringe Aenderun - gen ſeines Standes zeigt, waͤhrend der eigentliche Unterſchied der Temperatur viel groͤßer ſein muß; denn das Queckſilber im Ther - mometer nimmt nur langſam die Temperatur der Luft an, und dieſe erwaͤrmt ſich ſchon wieder durch den Zutritt von Waͤrme aus den umgebenden Koͤrpern, ehe noch das Thermometer hinreichend gefallen iſt. Dalton hat daher die wahren hier ſtatt findenden Aenderungen der Temperatur ſo beſtimmt, daß er ein erhitztes Thermometer in einen kalten Raum brachte, und ſah, bei welchem Temperatur-Unterſchiede es ebenſo ſchnell, als bei jenem Verſuche fiel; er fand, daß dies bei einem Unterſchiede von 28 Gr. Cent. ſtatt fand, wodurch alſo jener Waͤrmeverluſt auf etwa 28° geſchaͤtzt werden koͤnnte.
Derſelbe Grund, welcher hier Erhoͤhung der Temperatur ver - anlaßt, wenn dichtere Luft in einen eingeſchloſſenen Raum uͤber - geht, iſt es auch, aus welchem wir die Kaͤlte erklaͤren muͤſſen, welche bei dem Hervordringen dichterer Luft in einen unbegrenzten Raum bemerkt wird. In dieſem Falle naͤmlich dehnt ſich die ver - dichtete Luft in einen groͤßern Raum aus und bringt nicht Waͤrme genug mit, um in dieſem groͤßern Volumen eben die Temperatur zu erhalten; ſie reißt daher von den benachbarten Koͤrpern Waͤrme an ſich, und kuͤhlt ſie zuweilen ſo ſehr ab, daß ſich die Duͤnſte aus der Luft gefroren anſetzen. Man hat dies an der Hoͤll'ſchen Waſſermaſchine in Schemnitz beobachtet, wo Luft durch einen ſehr ſtarken Waſſerdruck comprimirt angewandt wird, um das Waſſer zu heben, und wo, wenn man dieſe ſtark zuſammengepreßte Luft hervordringen laͤßt, ihre Ausdehnung eine ſolche Kaͤlte hervor - bringt, daß die dem Luftſtrome ausgeſetzten Koͤrper ſich mit Eis belegen*)Gilb. Ann. XVIII. 412..
Endlich gehoͤrt auch der Verſuch hieher, wo man in dem pneu - matiſchen Feuerzeuge eine bis zum Zuͤnden gehende Hitze hervor - bringt. In einer Roͤhre von ſtarkem Glaſe naͤmlich iſt ein Kolben, mit dem man in ploͤtzlichem Stoße die Luft verdichtet; dieſe laͤßt dabei ſo viel Waͤrme frei, daß ein unten in dem Raume der ver -76 dichteten Luft liegendes Stuͤckchen Feuerſchwamm ſich entzuͤndet. Die hier hervorgebrachte Waͤrme muß gegen 300 Gr. Cent. betra - gen, da nach Gay-Luſſac's Beobachtung der Schwamm ſich auf ſchmelzendem Wismuth (bei 283 Gr.) noch nicht entzuͤndet, wohl aber auf ſchmelzendem Blei (bei 323 Gr.). Ermann iſt indeß geneigt, den groͤßten Theil der Wirkung dem zugleich erfol - genden Zuſammenpreſſen des weichen Koͤrpers zuzuſchreiben.
Dieſe Verſuche dienen nun auch, um die Bemerkungen voll - ſtaͤndiger zu verſtehen, deren Sie ſich aus der Lehre vom Schalle erinnern werden. Indem die Oſcillationen der Schallwellen eine Verdichtung der Luft hervorbringen, entbinden ſie zugleich Waͤrme, und die dieſen Verdichtungen folgenden Verduͤnnungen ſind mit Abkuͤhlung begleitet, dadurch aber wird der Wechſel der ausdeh - nenden Kraft groͤßer als er bei gleichbleibender Temperatur ſein wuͤrde, und der Schall pflanzt ſich ſo fort, als ob die Luft eine groͤßere ſpecifiſche Elaſticitaͤt beſaͤße, als ſie wirklich beſitzt. Dabei darf man freilich nicht an eine fuͤhlbare Waͤrme bei der Fortpflan - zung des Schalles denken, da ein Wechſel, der hundert mal, ja tauſend mal und oͤfter in einer Secunde erfolgt, unmoͤglich fuͤhlbar ſein kann. Dieſe Beſchleunigung der Fortpflanzung des Schalles haͤngt von dem Verhaͤltniß der ſpecifiſchen Waͤrme der Luft, die immer gleichen Druck ausuͤbt, zu der ſpecifiſchen Waͤrme derjenigen, die ein gleiches Volumen behaͤlt, ab. Wenn naͤmlich eingeſchloſſene Luft ſich nicht ausdehnen kann, ſo ſteigt bei hinzukommender Waͤrme die Temperatur um eine beſtimmte Anzahl von Graden; iſt hin - gegen eben dieſe Luft in einem der Ausdehnung faͤhigen Gefaͤße enthalten, ſo wird bei gleicher hinzu kommender Waͤrmemenge die Temperatur weniger ſteigen, weil ein Theil der Waͤrme bei der Ausbreitung in einen groͤßern Raum aufgewendet wird. Koͤnnte man alſo in ploͤtzlichem Wechſel die Luft bald ausdehnen, bald ver - dichten, ſo wuͤrde nach Maaßgabe jenes Verhaͤltniſſes die Ausdeh - nungskraft der Luft ſtaͤrkere Ungleichheiten als ihre Dichtigkeit erleiden, und ebenſo geſchieht es in den unmerklichen Oſcillationen bei der Fortpflanzung des Schalles, ſo daß in dieſen Betrachtungen ein Maaß fuͤr die vergroͤßerte Geſchwindigkeit des Schalles gefun - den wird. Steigt bei der Verdichtung mit der Verdoppelung der Dichtigkeit die elaſtiſche Kraft nicht auf 2, ſondern auf 2. $$\frac{4}{3}$$ , mit77 der Verdreifachung der Dichtigkeit nicht auf 3, ſondern auf 3. $$\frac{4}{3}$$ = 4, mit der Vervierfachung auf $$\frac{16}{3}$$ und ſo ferner, ſo nimmt die Geſchwindigkeit des Schalles beinahe um ein Sechſtel zu, (weil $$\frac{7}{6}$$ * $$\frac{7}{6}$$ = $$\frac{49}{36}$$ beinahe mit $$\frac{4}{3}$$ uͤbereinſtimmt,) alſo von 880 Fuß, wie Newtons Theorie angab, auf 1027 Fuß, wie die Erfahrung angiebt*)1. Th. S. 325..
Auch die Erfahrung, daß die Luft in großen Hoͤhen kaͤlter iſt, findet hier ihre Erklaͤrung. Wenn die Luft in der Naͤhe der Erde erhitzt iſt, ſo ſteigt ſie in die Hoͤhe und verduͤnnt ſich, wird aber eben dadurch faͤhig, die mehrere Waͤrme ſo in ſich aufzunehmen, daß keine Erhoͤhung der Temperatur mehr ſtatt findet. Man hat geſucht, das Geſetz dieſer Waͤrme-Abnahme in der Hoͤhe durch Schluͤſſe, die auf die veraͤnderte Waͤrmecapacitaͤt ſich gruͤnden, zu beſtimmen; aber dazu ſcheint noch die vorhandene Zahl von Erfah - rungen nicht hinzureichen.
Auch bei feſten Koͤrpern aͤndert ſich die Waͤrmecapacitaͤt, indem ſie ſich ausdehnen, und die Unterſuchungen, von Wilh. Weber angeſtellt, welche dieſes ergeben, dienen zu einem recht ſchoͤnen Beweiſe, wie oft eine Lehre durch eine ſcharfſinnige Anwendung einer andern Lehre eine Erweiterung erhaͤlt. Die Toͤne der trans - verſal ſchwingenden Saiten ſind es, aus denen Weber jene Un - gleichheit der ſpecifiſchen Waͤrme bei ungleicher Ausdehnung her - geleitet hat, indem er die Anzahl ihrer Schwingungen aus der Abzaͤhlung der ſogenannten Schwebungen genau beſtimmte. Dieſe Schwebungen hoͤrt man, als ein periodiſches Anſchwellen des To - nes, wenn zwei toͤnende Koͤrper faſt genau einerlei Schwingungszeit haben, indem in dieſem Falle unſer Ohr zwar keine Ungleichheit des Tones mehr empfindet, aber doch beim gleichzeitigen Toͤnen unter - ſcheidet, daß im einen Augenblicke die einzelnen Vibrationen ſtrenge zuſammen treffen, im andern nicht. Machte z. B. die eine Saite 1000 Vibrationen in 1 Sec., die andre 1001, ſo wuͤrden die 1000ſte der einen mit der 1001ſten der andern genau eintreffen, ſtatt daß die Vollendung der 500ſten und der 501ſten am meiſten78 aus einander laͤge; und dieſes macht ſich dem Ohre durch eine etwas groͤßere Fuͤlle des Tones in jenem, durch eine etwas vermin - derte Staͤrke in dieſem Falle kenntlich; in jeder Secunde koͤmmt in dieſem Falle eine ſolche Schwebung vor. Zaͤhlt man alſo in einem andern Falle 15 Schwebungen in 5 Secunden, ſo ſchließt man, daß die eine Saite 3 Schwingungen in 1 Sec. mehr macht als die andre, oder bei der Vergleichung der Saite mit der Stimm - gabel, daß die Saite eine Schwingung mehr oder weniger in ⅓ Sec. macht, als die Stimmgabel.
Es iſt Ihnen aus der Lehre vom Schalle bekannt, daß die Toͤne einer beſtimmten, immer gleich langen Saite von der Span - nung derſelben abhaͤngen; aber da die Waͤrme die Saite verlaͤn - gern wuͤrde bei gleicher Spannung, ſo nimmt ſie der in unveraͤn - derlicher Laͤnge aufgeſpannten Saite einen Theil ihrer Spannung, der Ton wird daher bei der Erwaͤrmung etwas tiefer. Und nun wird es leicht ſein, die Weberſchen Verſuche zu verſtehen. Den - ken Sie ſich eine aufgeſpannte Saite, die genau in der Mitte durch eine zweckmaͤßige Klemme feſtgehalten wird, ſo daß die Vibra - tionen des eines Theiles den andern nicht mit erſchuͤttern, und daß man den einen ſchaͤrfer ſpannen kann, waͤhrend der andre ſeine Spannung behaͤlt. Hat man ſo beide Theile ungleich geſpannt, ſo wird man aus der Ungleichheit der vollkommen ſcharf beſtimmten Toͤne die Ungleichheit der Spannung beurtheilen koͤnnen, und wenn man durch Loͤſung der Klemme die beiden Theile vereinigt, ſo wer - den ſie eine gemeinſchaftliche und gleiche Spannung bekommen, woraus dann, wenn man die Klemme wieder feſt anſchraubt, ein leicht zu berechnender gleicher Ton fuͤr beide Haͤlften hervorgeht. Aber nach dieſem Loͤſen der Klemme zeigt ſich eine Verſchiedenheit des Tones, wenn man dieſes Loͤſen nur einen Augenblick dauern laͤßt, in Vergleichung gegen den, welchen man bei laͤngerer Dauer der Verbindung erhaͤlt. Offenbar theilt ſich im Augenblicke des Loͤſens der Klemme (ſchon in ¼ Sec. wie Weber bemerkt,) die Spannung auf beide Theile gleich aus, und der ſchaͤrfer geſpannte Theil verdichtet ſich alſo waͤhrend der matter geſpannte Theil ſich ein wenig ausdehnt; bliebe dabei die Temperatur beider Theile im ſtrengſten Sinne ungeaͤndert, ſo wuͤrde auch bei der kuͤrzeſten Dauer79 der Verbindung die gleiche Spannung beider Theile auch eine gleiche Ausdehnung bewirken, und der Ton, den beide Theile geben, wuͤrde gleich ſein, und derſelbe ſein, wie bei laͤnger dauernder Ver - bindung beider Theile; dagegen muß, wenn in dem Augen - blicke der gleichen Spannung der ſich verdichtende Theil eine etwas hoͤhere Temperatur annimmt, der ſich ausdehnende Theil etwas an Temperatur verliert, nach der Herſtellung gleicher Waͤrme der Ton beider Theile ſich ungleich zeigen, wenn die Verbindung nicht lange genug gedauert hatte, um jenen Temperatur-Unterſchied voruͤbergehen zu laſſen. Einer der Verſuche Webers wird dies voͤllig erlaͤutern. Eine 514 Linien lange Stahlſaite, deren beide Haͤlften von 257 Lin. auf die angegebene Weiſe getrennt waren, wurde in der erſten Haͤlfte durch 1006, in der zweiten durch 7000 Grammen geſpannt. Bei der mittleren Spannung gab jede der beiden Haͤlften einen ſehr wenig tiefern Ton, als die f Stimmgabel, ſo daß, wenn man nach laͤngerer Verbindung beider Theile (nach laͤngerer Loͤſung der Klemme) beide ſchwingen ließ, der erſte in $$\frac{4}{3}$$ Sec. der andre in ⅖ Sec. eine Schwingung weniger als die Stimm - gabel machte; aber wenn man die Loͤſung der Klemme nur ¼ Sec. dauern ließ, und dann (nach Wiederherſtellung gleicher Temperatur, die ſehr ſchnell eintritt,) die Toͤne pruͤfte, ſo machte der erſte Theil 3 Schwingungen in 5 Secunden weniger, der zweite Theil 3 Schwin - gungen in 5 Secunden mehr als im vorigen Falle. Bei ſo kurzer Dauer der Oeffnung der Klemme hatte naͤmlich zwar die Span - nung ſich im erſten Augenblicke ausgeglichen, aber die erſte, dabei neu ausgedehnte Haͤlfte hatte eine geringe Erniedrigung der Tem - peratur erlitten, und als dieſe durch Zutritt der Waͤrme von außen gehoben war, zeigte dieſe Haͤlfte eine etwas mattere Spannung als die andre Haͤlfte, die, im erſten Augenblicke etwas erwaͤrmt, gleiche Spannung, jetzt abgekuͤhlt, ſtaͤrkere Spannung zeigte. Dieſe durch die Schwebungen hoͤrbar werdende Differenz der Spannung verraͤth alſo, daß die Verlaͤngerung der Saite durch vermehrte Spannung ſie faͤhig macht, mehr Waͤrme aufzunehmen oder eine momentane Temperatur-Erniedrigung bewirkt, das iſt, bei der Ausdehnung nimmt die Waͤrmecapacitaͤt, die ſpecifiſche Waͤrme, der feſten Koͤrper zu. Bei jenem Verſuche mußten, nach der ver -80 betragen, aber ſo ſchnell voruͤbergehend, daß an eine Meſſung mit dem Thermometer nicht zu denken waͤre*)Poggend. Annal. XX. 179. .
Auch wenn die Waͤrme ſelbſt eine Ausdehnung der feſten Koͤrper hervorbringt, ſo findet dabei eine Zunahme der ſpecifiſchen Waͤrme ſtatt, und Eiſen, das ſchon bis 350 Grad erwaͤrmt iſt, bedarf eine groͤßere Waͤrmemenge, um ſich bis 360 Gr. zu erwaͤr - men, als Eiſen von 50 Gr. noͤthig hat, um die Waͤrme von 60 Gr. zu erlangen. Der Unterſchied betraͤgt ſo viel, daß in jenem Falle 8 Pfund Eiſen ungefaͤhr ſo viel Waͤrme als in dieſem Falle 9 Pfund Eiſen fordern, wenn ſie ſich um einen Grad erhitzen ſollen.
Aus dieſem Grunde ſind die Beſtimmungen hoͤherer Tempera - turen, die man durch Miſchung oder durch Eintauchen in einen fluͤſſigen Koͤrper erhaͤlt, unſicher; denn wenn man zum Beiſpiel 1 Pfund gluͤhendes Kupfer in 10 Pfund Waſſer von 0° Waͤrme tauchte und dadurch die Waͤrme des Waſſers um 10 Gr. ſteigen ſaͤhe, ſo wuͤrde man ſchließen, 1 Pfund Waſſer haͤtte ſich auf 100 Grad erhitzen muͤſſen, und weil kaltes Kupfer etwa nur $$\frac{1}{9}$$ ſo viel Waͤrme als Waſſer fordert, um gleiche Temperaturgrade zu erlan - gen, ſo wuͤrde man dem gluͤhenden Kupfer eine Waͤrme von 1000 Grad beilegen, damit ein Waͤrmeverluſt von 900 Grad beim Kupfer und ein Waͤrmegewinn von 100 Gr. beim Waſſer eine gemeinſchaftliche Waͤrme von 100 Gr. hervorbringe; wenn aber die ſpecifiſche Waͤrme des erhitzten Kupfers groͤßer, zum Beiſpiel $$\frac{1}{7}$$ , waͤre, ſo wuͤrde eben jener Verſuch die Hitze des gluͤhenden Kupfers nur 800 Gr. angeben, naͤmlich 700 Gr. Waͤrmeverluſt zu 100 Gr. Waͤrmegewinn. So iſt alſo dieſes ſehr paſſend ſcheinende und oft faſt einzig anwendbare Mittel, um ſehr hohe Temperaturen abzu - meſſen, doch nur in ſehr weiten Grenzen brauchbar, und lehrt uns die Hitze gluͤhender Koͤrper und aͤhnliche hohe Waͤrmegrade nicht genau kennen, ja ſelbſt die Miſchungen gleicher Maſſen ungleich erwaͤrmter aber gleichartiger Koͤrper geben nicht im allerſtrengſten Sinne ein Maaß wahrer Waͤrme.
Die ſehr ungleiche Groͤße der ſpecifiſchen Waͤrme der Koͤrper, die ſich weder nach der Dichtigkeit, noch nach der Leitungsfaͤhigkeit fuͤr die Waͤrme, noch nach andern Ungleichheiten, an die man etwa denken koͤnnte, richtet, ſcheint am meiſten mit dem Atomen - gewichte der Koͤrper in Verbindung zu ſtehen. Dulong und Petit ziehen aus ihren Verſuchen den Schluß, daß die Atome aller einfachen Koͤrper gleiche Capacitaͤt fuͤr die Waͤrme haben. Die ſpecifiſche Waͤrme des Eiſens verhaͤlt ſich zu der des Schwefels ungefaͤhr wie 11 zu 19, oder gleich ſchwere Stuͤcke Eiſen und Schwefel fordern, um gleiche Temperaturen zu erlangen, Waͤrme - mengen im Verh. 11 zu 19; die Anzahl der Atome in gleichen Gewichten dieſer beiden Koͤrper muͤßte alſo nach dem angegebenen Geſetze wie 11 zu 19 ſein, oder die Gewichte der Atomen muͤßten ſich umgekehrt wie 19 zu 11 verhalten. Nach andern Beſtimmun - gen*)Th. II. S. 52. verhalten ſie ſich wie 339 zu 201, das iſt wie 19 zu 11¼, und eine aͤhnliche Uebereinſtimmung findet ſich bei mehrern Koͤr - pern; doch iſt die Unterſuchung wohl noch nicht ſo weit fortgefuͤhrt, daß man dieſes Reſultat als ganz erwieſen anſehen duͤrfte, und Poggendorff macht dabei die ſehr gegruͤndete Bemerkung, daß die ſpecifiſche Waͤrme feſter Koͤrper bei ungleichen Temperaturen eine Aenderung leidet, da doch das Atomengewicht ungeaͤndert bleibt, alſo jenes Geſetz nicht ſtrenge richtig ſein koͤnne.
Daß bei Compreſſionen der Luft Waͤrme frei wird, weil die Luft dann eine geringere Waͤrmecapacitaͤt hat oder die Waͤrme nicht mehr in ſich enthalten kann, iſt ſchon fruͤher angefuͤhrt. Ei - nigermaßen aͤhnlich iſt die bemerkbare Waͤrme, die entſteht, wenn trockne Pulver Feuchtigkeit in ſich aufnehmen. Hier werden die fluͤſſigen Koͤrper mit großer Gewalt von den feſten angezogen, und vielleicht (ſo wie die Luft, wenn ſie von Kohle abſorbirt wird,) ver - dichtet, wobei dann Waͤrme frei werden koͤnnte.
III. F82Man rechnet hieher auch einige chemiſche Verbindungen, die ſich beim Zuſammenmiſchen erhitzen. Wenn man Schwefelſaͤure in Waſſer gießt, ſo entſteht eine ſehr ſtarke Erhoͤhung der Tempe - ratur, die man auf folgende Weiſe zu erklaͤren pflegt*)G. G. Schmidt Handb. d. Naturl. 1826. S. 413.. Das Waſſer nimmt, indem es ſich chemiſch mit der Saͤure verbindet, einigermaßen die Natur der Saͤure an, das iſt, ſeine ſpecifiſche Waͤrme geht von 1 auf ⅓ herab; alſo werden von dem geſammten im Waſſer enthaltenen Waͤrmeſtoffe zwei Drittel frei und durch Tem - peratur-Erhoͤhung fuͤhlbar. Laͤge nun der abſolute Nullpunct der Waͤrme 750 Cent. Gr. unter Null, ſo wuͤrden 500 Waͤrmegrade — wenn dieſer uneigentliche Ausdruck verſtattet iſt, — frei, oder Waͤrme, die ihrer Quantitaͤt nach eine Erhoͤhung der Temperatur von 500 Graden bewirken koͤnnte, erhielte hier eine freie Thaͤtig - keit, wodurch denn allerdings die große Erhitzung erklaͤrt wuͤrde. Aehnliche Beiſpiele ſind zahlreich vorhanden. Die Erhitzung des Kaltes beim Loͤſchen; die bis zum Entzuͤnden gehende Erhitzung, wenn man gleiche Theile concentrirte rauchende Salpeterſaͤure und Schwefelſaͤure gemiſcht zu ebenſo viel Terpentin-Oel gießt, u. ſ. w. — Ob aber jene Erklaͤrung die richtige ſei, ſcheint immer noch zweifelhaft, und Dulong und Petit behaupten geradezu, daß die auf ſolche Weiſe entwickelten Waͤrmemengen gar in keinem Verhaͤltniſſe zu den Waͤrmecapacitaͤten der gemiſchten Koͤrper ſtehen, und daß, nachdem dieſe Waͤrme frei geworden, ſich keine vermin - derte Waͤrmecapacitaͤt der Miſchung zeigt. Dieſe und aͤhnliche Erzeugungen von Waͤrme ſind daher noch im hoͤchſten Grade raͤthſelhaft.
Man hat auch die thieriſche Waͤrme, die allerdings durch das Athmen großen Theils hervorgebracht wird, aus der ungleichen Capacitaͤt des Sauerſtoffgas und des kohlenſauren Gas zu erklaͤren geſucht, ſie ſei naͤmlich der frei werdende Waͤrme-Ueberſchuß, den ein gleiches Volumen Sauerſtoffgas mehr enthalte, als ein gleiches Volumen kohlenſaures Gas; aber auch dieſe Erklaͤrung iſt nicht ſo genuͤgend, als man anzunehmen geneigt war.
Aber ſelbſt viel bekanntere Erſcheinungen ſind noch ebenſo wenig erklaͤrt. Es iſt eine unter den ungebildetſten Voͤlkern be - kannte, ſeit Jahrtauſenden bekannte, Erfahrung, daß Reibung zweier Koͤrper an einander Waͤrme hervorbringt; unſer Feuerſchla - gen iſt ein ſolches Mittel, Waͤrme zu entwickeln; bei Maſchinen, ſelbſt bei Wagenraͤdern, kann ein Brennen durch zu ſtarke Reibung entſtehen; manche Voͤlker bringen das Entzuͤnden durch Reiben von Hoͤlzern hervor. Es iſt alſo die Erſcheinung deutlich genug, daß beim Reiben Waͤrme frei wird. Da bei ploͤtzlichem Zuſammen - preſſen, beim Haͤmmern und in aͤhnlichen Faͤllen eben das geſchieht, ſo iſt der Schluß nicht ganz unangemeſſen, daß bei der Aenderung des Volumens der feſten Koͤrper, ſo wie bei den Luft-Arten, die Waͤrmecapacitaͤt veraͤndert wird, durch Druck Waͤrme frei wird. Dieſe Hypotheſe laͤßt ſich vertheidigen; denn da wir gar nicht wiſſen, welche ſehr große Menge Waͤrmeſtoff vielleicht noch ſelbſt in den Koͤrpern vorhanden iſt, die eine niedrige Temperatur haben, ſo enthaͤlt es nichts Ungereimtes, wenn wir ſagen, indem dieſe Waͤrme auch nur aus den an der Oberflaͤche liegenden Theilchen ausgetrie - ben wird, mache ſie ſich als fuͤhlbare Waͤrme kenntlich, und da die Zuleitung von innen her immer neue Waͤrme darbietet, ſo koͤnnen dieſe Waͤrme-Erzeugungen faſt unerſchoͤpflich fortdauern. Um dieſe Hypotheſe durchzufuͤhren, ſteht es uns frei, jenen Vorrath an Waͤrmeſtoff, der in den Koͤrpern vorhanden iſt, uͤberaus groß anzu - nehmen, indem es keine Erfahrung giebt, die darin unſern Voraus - ſetzungen Grenzen ſetzte. Aber obgleich ſich ſo die Hypotheſe wohl glaublich machen laͤßt, ſo darf man doch auch nicht verhehlen, daß ſie ſich auf gaͤnzlich ungewiſſe Behauptungen ſtuͤtzt, und daß ſie daher auch gar wohl ganz irrig ſein kann. Auffallend iſt hier ſchon die ſehr große Waͤrme, die beinahe augenblicklich hervorgeht, und die Unerſchoͤpflichkeit dieſer Waͤrmequelle. Sind es auch beim Feuerſchlagen nur ſehr kleine Stahltheilchen, die gluͤhend werden, und iſt alſo der Waͤrme-Aufwand auch nur dieſen kleinen Maſſen entſprechend, ſo iſt doch auch die Zahl der bei einem leichten Schlage comprimirten Theile ebenfalls geringe, und dieſe wenigen in ihrem Volumen veraͤnderten Theile muͤſſen jene Waͤrme hergegeben haben. Und dieſe Waͤrme-Erzeugung geht unvermindert vor, wie langeF284man auch den Verſuch fortſetze. Rumfords Verſuche heruͤber ſind am vollſtaͤndigſten ausgefuͤhrt; bei einem Drucke von 10000 Pfund und einer nicht einmal ſehr ſchnellen Drehung von Metall in Metall brachte er das die gedrehte Metallmaſſe umgebende Waſ - ſer, welches 19 Pfund betrug, zum Kochen, und die Waͤrme ſchien ſich unaufhoͤrlich zu erzeugen. Dieſe Waͤrme-Entwickelung findet auch im luftleeren Raume ſtatt.
Rumford und andre Phyſiker haben dieſe Verſuche als fuͤr die Immaterialitaͤt der Waͤrme ſprechend angeſehen, indeß muß man wohl richtiger ſagen, ſie ſcheinen nach der Anſicht dieſer Phyſiker ſich beſſer durch eine Undulation des Waͤrmeſtoffs als durch ein Ausſtroͤmen und Mittheilen desſelben zu erklaͤren. Setzt man naͤm - lich voraus, eben jener Aether, aus deſſen Vibrationen man die Erſcheinungen des Lichtes erklaͤrt, bringe durch ſeine Vibrationen auch auf unſer Gefuͤhl die Empfindung der Waͤrme hervor, ſo ließe ſich es wohl denken, daß hier die mechaniſche Erſchuͤtterung jene Vibrationen bewirke, und ſie wiederholt und unerſchoͤpflich erneuert bewirke, wenn ſich jene Erſchuͤtterung erneuert. Aber ſo manche andre Erſcheinungen ſind doch weit mehr geeignet, einen Uebergang des Waͤrmeſtoffes von einem Koͤrper zum andern anzu - deuten, ſo daß es mir ſchwer wird, mich fuͤr dieſe Undulationstheorie zu erklaͤren; und ich weiß auch nicht, ob irgend jemand ſchon dieſe Theorie mit einigem Gluͤcke in recht klarer Entwickelung auf die uͤbrigen Erſcheinungen der Waͤrme, wo ſo oft eine quantitative Abmeſſung ſich anzudeuten ſcheint, angewandt hat. Runcke's Gedanke, daß einige Phaͤnomene nicht ſowohl aus einem Ueberſtroͤmen oder einer Vermehrung des Waͤrmeſtoffs entſtehen, als vielmehr aus Schwingungen, verdient wohl naͤhere Beruͤckſich - tigung, indem es wenigſtens gewiß iſt, daß in andern Faͤllen der - gleichen weſentlich verſchiedene Erſcheinungen vorkommen, und der - jenige, der alle Bewegungen der Luft oder des Waſſers als ſtroͤmende erklaͤren wollte, ebenſo ſehr fehlen wuͤrde; als der, welcher alles auf Wellen zuruͤckzufuͤhren ſuchte. Indeß, welche Auskunft man auch ergreife, immer ſcheinen wir noch in Beziehung auf die zuletzt erwaͤhnten Erſcheinungen weiter als in andern Lehren von dem, was wir Gewißheit nennen, entfernt zu ſein.
Weit beſſer als die zuletzt angefuͤhrten Erſcheinungen laſſen ſich diejenigen erklaͤren, die mit dem Fluͤſſigwerden des Eiſes und mit der Verwandelung des Waſſers in Dampf verbunden ſind. Wenn man an ſehr kalten Tagen ein Thermometer, das ganz von Eis umgeben iſt, beobachtet, ſo ſteht es oft ſehr tief unter dem Nullpuncte; bringt man es ſo in einen waͤrmeren Raum, ſo wird das Eis erwaͤrmt und das Thermometer ſteigt bis es den Nullpunct erreicht hat, dann aber zeigt es, obgleich immer neue Waͤrme zufließt, keine Temperatur-Erhoͤhung an waͤhrend das Eis ſchmilzt, ſondern das Thermometer bleibt auf Null bis ſich das geſammte Eis in Waſſer verwandelt hat. Offenbar iſt alſo ein Aufwand von Waͤrme noͤthig, um aus Eis Waſſer zu machen, und die waͤhrend der ganzen Zeit des Schmelzens zuſtroͤmende Waͤrme wird auf dieſe Form-Aenderung, auf dieſe Aenderung des Aggregatzuſtandes, verwandt. Auf aͤhnliche Weiſe wird Waͤrme gebunden, um Waſſer in Daͤmpfe zu verwandeln, und ſowohl jener als dieſer Waͤrme-Aufwand hat ſeine genau beſtimmte Groͤße, die man in folgenden Zahlen uͤberſehen kann. Nimmt man eine Eis - maſſe von - 10 Gr. Cent. und bringt dieſe an ein immer gleich erwaͤrmendes Feuer, das gerade ſo gewaͤhlt iſt, daß in 4 Minuten die Temperatur des Eiſes bis 0° ſteigt, ſo ſollte man erwarten, daß in den folgenden 4 Minuten ein neues Steigen des Thermo - meters bis auf + 10° ſtatt finden werde, aber das erfolgt nicht, ſondern 30 Minuten lang kann jene Waͤrme gleichfoͤrmig zuſtroͤ - men, ohne etwas anders als die voͤllige Schmelzung des Eiſes zu bewirken. Sobald alles Eis in Waſſer verwandelt iſt, ſteigt das mit Waſſer umgebene Thermometer in 40 Minuten bis zum Koch - puncte, bleibt aber, waͤhrend das Waſſer kocht, hier wieder ſtehen, und 210 Minuten lang aͤndert ſich die Temperatur des Waſſers86 nicht, am Ende dieſer Zeit aber iſt alles Waſſer gaͤnzlich in Dampf verwandelt. Es wird alſo ebenſo viel Waͤrme erfordert, um 1 Pfund Eis in Waſſer zu verwandeln, als 1 Pfund Waſſer auf 75 Gr. Centeſ. (60° R.) zu erhitzen, und es wird ebenſo viel Waͤrme erfor - dert, um 1 Pfund Waſſer in Dampf zu verwandeln, als 1 Pfund Waſſer auf 525° Cent. (420° R.) oder als 10 Pfund Waſſer auf 52 ½° Cent. zu erhitzen*)In jenen Zeit-Angaben wuͤrde man naͤmlich in 30 Min. ein Steigen auf 75°, in 210 Min. ein Steigen um 525° erwarten..
Der eben beſchriebene Verſuch, obgleich er recht paſſend iſt, um die Ueberſicht der Erſcheinungen darzuſtellen, ſcheint doch eben nicht geeignet, um jene Zahlen mit großer Genauigkeit zu erhalten; aber andre Verſuche zeigen eben das, was ich hier angegeben habe. Um zuerſt bei dem Schmelzen des Eiſes ſtehen zu bleiben, ſo ließe ſich der dazu noͤthige Waͤrme-Aufwand am beſten durch den Eis - Apparat von Lavoiſier beſtimmen; bringt man in denſelben 1 Pfund Waſſer von 70 Gr. warm, ſo betraͤgt das geſchmolzene Eis noch nicht 1 Pfund, erſt bei 75 Gr. C. iſt dieſes der Fall, und es beſtaͤtigt ſich alſo jene Behauptung, und das ſchon oben ange - wandte Waͤrmemaaß, welches von der Schmelzung einer beſtimm - ten Eismenge hergenommen wurde, erhaͤlt hier ſeine voͤllige Er - klaͤrung.
Dieſe latent werdende Waͤrme wird bloß verbraucht, um Fluͤſ - ſigkeit hervorzubringen; und ſo wie ſie bei Waſſer erforderlich iſt, ſo iſt auch bei andern Koͤrpern mit dem Schmelzen Waͤrme-Aufwand verbunden, ſo daß waͤhrend des Schmelzens die Temperatur nicht hoͤher ſteigt. Man kann hieran mit Recht die Frage anſchließen, ob auch umgekehrt Waͤrme frei wird, wenn das Waſſer ſich in Eis verwandelt, und es ſcheint auffallend, daß wir dies ſo wenig deutlich bemerken. Der Grund hievon liegt ohne Zweifel darin, daß das Gefrieren ſo langſam ſtatt zu finden pflegt, daß die Waͤrme in den umgebenden Koͤrpern ſich zu zerſtreuen Zeit findet, und es wuͤrde ſchwierig ſein, etwa mit einem viel kaͤlteren Gefaͤße den Verſuch anzuſtellen. Indeß giebt es einen Fall, wo ſich dieſe Waͤrme - Entwickelung beim Gefrieren doch zeigt. Das Waſſer laͤßt ſich naͤmlich, wenn man ſeine Oberflaͤche mit Oel bedeckt und es vor87 aller Erſchuͤtterung ſichert, bis mehrere Grade unter Null abkuͤh - len, ohne daß es in Eis verwandelt wird; bringt man aber, nach - dem dies gegluͤckt iſt, eine kleine Erſchuͤtterung hervor, ſo erfolgt das Gefrieren in einem Augenblicke und das Thermometer ſteigt bis auf Null, das heißt, im Gefrieren wird ſo viel Waͤrme frei, daß das bis zu mehrern Graden unter Null erkaͤltete Waſſer, Thermo - meter und Gefaͤß nun wieder die Nulltemperatur erhaͤlt.
Auch fuͤr andre Koͤrper hat man die Waͤrme, die bei dem Fluͤſſigwerden latent wird, zu beſtimmen geſucht. Bei den Me - tallen, die erſt in ſehr hohen Hitzegraden ſchmelzen, ſcheint dies nach Rudbergs Beobachtungen am beſten durch die Beobachtung der Abkuͤhlungszeiten von 10 zu 10 Grad zu geſchehen. Man be - merkte naͤmlich, daß ſehr erhitztes geſchmolzenes Zinn von 290° auf 280° Cent. in 14 Sec., von 240 bis 230° in 23 Sec. abkuͤhlte, aber von 230 bis 220 Gr., wo es feſt wird, 560 Sec. Zeit ge - brauchte; man ſchließt alſo mit Recht, daß in dieſer ſo ſehr langen Zeit nicht allein die freie Waͤrme, ſondern auch die im fluͤſſigen Zinn latente Waͤrme verloren geht, und dadurch die Verzoͤgerung der Abkuͤhlung ſtatt findet. Dieſer Schluß iſt um deſto mehr be - gruͤndet, da nachher die Abkuͤhlung wieder ſchneller fortgeht und zum Beiſpiel in dem vorigen Verſuche die Abkuͤhlung des feſten Zinnes von 220° bis 210° nur 33 Sec. forderte. Rudberg ſchließt aus dieſen Verſuchen, daß ein Gewichttheil fluͤſſiges Zinn ſo viel Waͤrme latent enthaͤlt, als erforderlich iſt, um 1 Gewichttheil Waſſer 13⅓ Grad zu erwaͤrmen, und dieſes iſt ungefaͤhr ſo viel Waͤrme, als noͤthig iſt, um ein Gewichttheil Zinn um 220 Grad zu erwaͤrmen*)Poggend. Ann. XIX. 125, XX. 284. u. Gilb. Ann. XXXVIII. 305.. Dieſe Rechnung iſt unſicher, da wir die ſpecifiſche Waͤrme des ſo ſehr erhitzten Zinnes nicht genau kennen, indeß zeigt ſie doch, daß auch hier viel Waͤrme frei wird, wenn der Zuſtand der Feſtigkeit eintritt; und bei Blei, welches mit 320° Cent. ſchmilzt, findet etwas Aehnliches ſtatt, doch iſt die Waͤrme, die 1 Gewichttheil Blei im Schmelzen aufnimmt, nur ſo groß, daß ſie 1 Gewichttheil Waſſer um beinahe 6 Grad erhitzen koͤnnte.
Der Grund, warum außer einer niedrigen Temperatur auch einige Bewegung erfordert wird, damit Eis entſtehe, ſcheint in der regelmaͤßigen Bildung der Eiscryſtalle zu liegen, bei welcher die Theilchen nicht ganz in der Anordnung bleiben, welche ſie im Waſſer hatten, und die daher eine Erſchuͤtterung, damit die neue Anord - nung der Theilchen eintrete, fordert. Wirklich aber zeigt ſich uns eine ſolche beſtimmte Anordnung, indem das Eis Cryſtalle bildet. Wir ſehen die Eisnadeln und Eisblaͤttchen in einem Gefaͤße ſich immer unter Winkeln von 60 Graden an einander anſetzen, und die Zwiſchenraͤume zwiſchen dieſen fuͤllen ſich mit kleinern, ebenſo geneigten Nadeln aus. Wir ſehen dieſe Eisbildung am leichteſten und auch faſt am vollſtaͤndigſten bei dem Gefrieren der Fenſter - ſcheiben, deren duͤnne Waſſerſchichte ſich gern mit großer Regel - maͤßigkeit in Cryſtalle bildet. Iſt an einer Fenſterſcheibe nur ſehr wenig Feuchtigkeit, ſo finden wir einzelne ſechsſpitzige Sterne auf ihr, die ſich nur, wenn es zu ſehr an Feuchtigkeit gefehlt hat, nicht vollkommen zu ſechsſpitzigen Sternen ausbilden. Iſt die Glas - ſcheibe ganz mit einer duͤnnen Schichte Waſſer bedeckt, ſo ſchießen einzelne Eisnadeln an und an dieſe fuͤgen ſich unter dem Winkel von 60 Graden andre Nadeln, die oft ſehr ſchnell zunehmen, oft in parallelen Richtungen einen bedeutenden Raum fuͤllen. So entſtehen die Blumen an den Fenſtern, bei denen die Kruͤmmung der einzelnen Nadeln wohl theils von Ungleichheiten im Glaſe, theils von der mehr oder minderen Dicke der Waſſerſchichte herruͤhrt. Man hat dieſe Regelmaͤßigkeit der Cryſtalle als ſechseckige und dreieckige Prismen auch oft bei groͤßern Eismaſſen gefunden; Clarke aber glaubt gefunden zu haben, daß die eigentlich urſpruͤng - liche Geſtalt der Eiscryſtalle das Rhomboid mit Winkeln von 60 und 120 Graden ſei, daß aus dieſem ſich die groͤßern Eiscryſtalle zuſammenſetzen, daß aber nur bei einem ſehr langſamen Gefrieren, bei gelinder Kaͤlte, dieſe Grundform kenntlich bleibe*)Gehlers Woͤrterb. Th. III. S. 111..
Eben dieſe Bildung in Eisnadeln, an welche ſich feinere Eisnadeln unter dem Winkel von 60 Gr. anſetzen, zeigt der Reif und noch ſchoͤner der Schnee. Bei ſtarkem Froſte, am beſten wenn89 nur wenige und kleine Schneefloͤckchen fallen, hat der Schnee bis ganz reine Geſtalt ſechsſpitziger Sterne oder ſechseckiger Blaͤttchen; bei andern Schneecryſtallen haben ſich Nadeln unter dem Winkel von 60° zuſammengefuͤgt, oder es haben ſich Verbindungen von regelmaͤßigen Sechs-Ecken gebildet, und ſo entſtehen die in Fig 18. dargeſtellten und noch viel mannigfaltigere Formen der Schnee - cryſtalle. Bei recht kalter und mit wenig Duͤnſten beladener Luft ſieht man wohl einzelne Eisnadeln, noch nicht zu Sternen verbun - den, ohne Zweifel aber von dreieckig prismatiſcher oder von rhom - boidiſcher Form herabfallen. Wenn ſich die Schneecryſtalle zahl - reicher bilden, ſo haͤngen ſie ſich an einander und bringen die eigent - lichen Schneeflocken hervor, die ſich am unregelmaͤßigſten an ein - ander gehaͤngt bei gelindem Froſte zeigen, aber immer aus jenen regelmaͤßig gebildeten kleinen Cryſtallen hervorgehen.
Das Eis iſt ſpecifiſch leichter als Waſſer ungefaͤhr in dem Verhaͤltniſſe 9 zu 10; es findet alſo beim Gefrieren eine Ausdeh - nung, eine Zunahme des Volumens, ſtatt. Dieſe iſt ſo gewaltſam, daß ſie die Gefaͤße, worin das Waſſer eingeſchloſſen iſt, zerſprengt, und wo das Waſſer oben eine freie Oberflaͤche hat, dieſer eine ge - woͤlbte Geſtalt giebt. Die Gewalt, mit welcher ſich hier das Eis ausdehnt, iſt ſehr groß, ſo daß eine hohle Eiſenkugel von 15½ Zoll innerm Durchmeſſer und 2¾ Zoll dicken Waͤnden vom Eiſe zer - ſprengt wurde, alſo eine Kraft, die man auf Millionen Pfunde ſchaͤtzen kann, ausgeuͤbt wurde*)Um ungefaͤhr die Groͤße der entſtandenen Bruchflaͤche zu beſtim - men, dient die Angabe, daß ein Stuͤck von 150 Pfund fortgeſchleudert wurde. 150 Pfund Eiſen ſind ungefaͤhr 470 Cubiczoll, alſo 170 Qua - dratzoll der Kugel-Oberflaͤche; die ganze Kugel-Oberflaͤche betrug un - gefaͤhr 1000 Quadratzoll; rechne ich den Umfang jenes Stuͤckes zu 45 Zoll, die Bruchflaͤche auf reichlich 100. Quadratzoll, ſo kann man die erforderliche Kraft wohl auf 2600000 Pfund rechnen, wie Runcke ſie beſtimmt. Gehlers Woͤrterb. III. 115.. Man hat aͤhnliche Verſuche oͤfter angeſtellt und immer gleich auffallende Kraͤfte gefunden, dabei aber auch bemerkt, daß das Waſſer erſt, indem es ſich mehr Raum90 gemacht hat, zum Gefrieren koͤmmt, und ungefroren bleibt, wenn die Feſtigkeit des Koͤrpers kein Zerſprengen geſtattet. Dies zeigte ſich bei Williams Verſuchen dadurch, daß einmal der ſchließende Stoͤpſel bei — 17° Reaum. herausgedraͤngt und 62 Fuß weit fortgeſchleudert, dabei aber auch ein offenbar erſt in dieſem Augen - blicke ſich bildender Eiscylinder hervorgedraͤngt wurde. Die große Gewalt, mit welcher hier die Anordnung in Cryſtallformen als nothwendige Bedingungen des Gefrierens gefordert wird, erhellt hieraus, und es iſt wohl offenbar, daß darin, nicht in der zufaͤllig eingeſchloſſenen Luft, der Grund der Ausdehnung des Eiſes zu ſuchen iſt. Man hat ſich uͤberdies auch uͤberzeugt, daß Waſſer, welches durch Auskochen frei von Luft geworden iſt, voͤllig ebenſo eine zerſprengende Kraft ausuͤbt.
Wegen dieſes vergroͤßerten Volumens ſchwimmt das Eis auf dem Waſſer, und wenn man das ſpecifiſche Gewicht desſelben = $$\frac{9}{10}$$ annimmt, ſo iſt allemal nur ein Zehntel der ſchwimmenden Eis - maſſe oberhalb des Waſſers, alſo bei ſchwimmenden Eisbergen auf dem Meere gewiß in den meiſten Faͤllen eine ſehr tief gehende Maſſe im Waſſer eingetaucht, obgleich nicht uͤber die Tiefe, ſondern nur uͤber die ganze Ausdehnung des unter dem Waſſer befindlichen Theiles ein Urtheil moͤglich iſt.
Eis und Schnee kommen auf der Erde in ſo manchen merk - wuͤrdigen Beziehungen vor, daß die phyſiſche Geographie oft davon zu reden Veranlaſſung hat, weshalb Sie auch mir geſtatten wer - den, etwas laͤnger bei den Erſcheinungen, die von ihnen abhaͤngen, zu verweilen. Die Polarmeere ſind mit ewigem Eiſe erfuͤllt und bekanntlich iſt darum die Fahrt in den noͤrdlichen Meeren ſo ſchwie - rig, ja zum Theil unmoͤglich. Merkwuͤrdig iſt in Beziehung auf die noͤrdlichen Meere, welche noch beſchifft werden koͤnnen, daß in der Gegend von Spitzbergen das Meer bis zu weit noͤrdlichern Breiten befahren werden kann, als an der groͤnlaͤndiſchen und aſia - tiſchen Kuͤſte. Offenbar iſt dies die Folge der aus ſuͤdlichen Gegen - den kommenden warmen Seeſtroͤme, die zwiſchen America und Europa bis zu ſehr noͤrdlichen Gegenden vordringen und das Eis dort waͤhrend des Sommers ſo unterbrechen, daß die Wallfiſchfaͤn -91 ger bis zum 80ſten Grade der Breite gelangen koͤnnen. Die Gren - zen des faſt ganz undurchdringlichen Eiſes, welche in der Gegend von Island und Spitzbergen eine ſo bedeutende Einbiegung haben, ſind indeß nicht voͤllig unveraͤnderlich, ſondern um die Jahre 18 bis 22 dieſes Jahrhunderts konnte man zu den oͤſtlichen Kuͤſten Groͤnlands gelangen, die ſeit vielen Jahren unzugaͤnglich geweſen waren. Dieſe Befreiung von Eiſe war dadurch entſtanden, daß vorzuͤglich im Jahre 1818 ungeheure Eismaſſen ſich abgeloͤſet hat - ten und nach Suͤden zu getrieben waren, ſo große Maſſen, daß Schiffe, die von Neufundland (in 47° Breite) abſegelten, viele Tage lang von Eis umgeben und ſo weit als das Auge reichte davon umgeben waren.
In jenen noͤrdlichen Meeren und vorzuͤglich in der Davis - ſtraße kommen Eisberge von mehr als 100 Fuß, ja bis 250 Fuß uͤber dem Waſſer und ſo tief gehend vor, daß ſie bei 600 Fuß Tiefe des Waſſers auf dem Grunde ſitzen bleiben. Sie ſind ſo zahlreich, daß Roß 700 auf einmal in der einen Haͤlfte des Hori - zontes zaͤhlte. Die Entſtehung dieſer ungeheuern Maſſen ſcheint vielleicht einzig oder doch wenigſtens vorzuͤglich an den Ufern der feſten Laͤnder ſtatt zu finden, und die Vermuthung, daß ſie von den Abhaͤngen der Berge ins Meer herab ſtuͤrzen, hat ſehr viel fuͤr ſich. Aber auch nachdem ſie ſo das Meer erreicht haben, koͤnnen ſie durch Regen und Schnee und durch feuchte Niederſchlaͤge aus der waͤrmern Luft noch ſehr zunehmen, daher denn auch ſich im Sommer oft oben auf denſelben aufgethautes ſuͤßes Waſſer findet. Diejenigen Eismaſſen dagegen, welche wenig uͤber das Waſſer her - vorragend die Eisfelder bilden, entſtehen auch mitten auf dem Meere, indem bei ſtaͤrkerer Kaͤlte das Waſſer ſich mit Eiscryſtallen fuͤllt, aus deren Vereinigung dann die oft Meilen weit verbreiteten, theils aus großen theils aus kleinen Stuͤcken beſtehenden, Eisfelder hervorgehen. Dieſe Eismaſſen ſetzen die jene Gegenden beſuchen - den Schiffer oft in die groͤßeſten Gefahren. Oft finden dieſe ſich durch ſchnell ſich vereinigende Eismaſſen ſo von Eis umgeben, daß ſie nirgends einen Ausweg ſehen, und den Bewegungen des Eiſes ganz und gar folgen muͤſſen. Dabei ereignet es ſich zuweilen, daß mehrere ungeheure Eisfelder ſo gegen einander draͤngen, daß Schiffe in Gefahr gerathen, von ihnen zerdruͤckt zu werden. Beſonders92 gefaͤhrlich ſoll es in ſolchen Faͤllen ſein, daß große Eismaſſen, die eine drehende Bewegung angenommen haben, durch dieſe mit aller der Gewalt, deren eine ſo große Maſſe faͤhig iſt, an einander ſtoßen, und ſich und alles, was ihnen in den Weg koͤmmt, zertruͤmmern. Andre Gefahren drohen den Schiffen von umſtuͤrzenden Eisbergen. Su - chen ſie bei Sturm zwiſchen Eisbergen Schutz, oder koͤnnen ſie nicht vermeiden, ſich in der Naͤhe derſelben laͤnger aufzuhalten, ſo ereig - net es ſich, daß die Eismaſſen zertruͤmmert herabſtuͤrzen und das Schiff beſchaͤdigen, oder daß ſie durch eine Veraͤnderung ihres Schwerpunctes, etwa dadurch daß große Stuͤcke unter Waſſer ſich von ihnen lostrennen, eine andre Lage annehmen, und ſo umſtuͤr - zend das Schiff bedecken. Oft erſtrecken ſich dieſe großen Eismaſſen unter dem Waſſer weiter ſeitwaͤrts als oben, und das Schiff befin - det ſich oberhalb eines Theiles der Eismaſſe; nimmt dann die ganze Maſſe eine etwas veraͤnderte Lage an, ſo hebt ſich zuweilen jener unter dem Waſſer befindliche Theil ploͤtzlich hervor und ſtoͤßt von unten an das Schiff oder hebt es aus dem Waſſer hervor. Wie dies geſchehen kann, zeigt Fig. 19., wo die Maſſe B, ſo lange ſie mit C vereinigt iſt, recht wohl in der angegebnen Stellung ſchwimmend bleiben kann, ſtatt daß die Maſſe B ſogleich umſtuͤrzen und das Schiff bei A bedecken wird, wenn ſich die Maſſe C los - trennte. Dagegen wuͤrde das Schiff bei A durch die Maſſe D aus dem Waſſer gehoben werden koͤnnen, wenn ſich ploͤtzlich der Theil E von der Eismaſſe D trennte, mit welcher er bisher verbunden war. Nirgends ſcheinen die dem Seefahrer drohenden Ungluͤcksfaͤlle ſo zahlreich und mannigfaltig zu ſein, nirgends ſcheinen ſie eine ſo unausgeſetzte Achtſamkeit auf alle Umſtaͤnde, ſo viel Entſchloſſen - heit, um ſchnell einen guͤnſtigen Umſtand zu benutzen, nirgends ſo viel Thaͤtigkeit und Arbeit, um ſelbſt durch Durchſaͤgen des Eiſes und aͤhnliche Mittel ſich frei zu machen, zu fordern, als in dieſen noͤrdlichen und ſuͤdlichen Polarmeeren, wo uͤberdies beſtaͤndige Nebel und oͤftere Stuͤrme die Gefahren noch vergroͤßern.
Auch das Gefrieren kleinerer Gewaͤſſer, der großen Stroͤme, Landſee u. ſ. w. bietet manche merkwuͤrdige Erſcheinungen dar. Das Losbrechen des Eiſes in den großen Stroͤmen, wo oft dichte Eisſtuͤcke von mehrern tauſend Quadratfußen und einem oder mehr Fuß dick, Maſſe genug haben, um ganze Bruͤcken fortzufuͤhren,93 um 10 Pfaͤhle von Fußdicke auf einmal abzuſchneiden, bietet nicht ſelten auffallende, aber auch gefaͤhrliche Erſcheinungen dar. Die dabei oft entſtehenden Eisdaͤmmungen, wo der Strom ſich durch uͤber und unter einander geſchobene Eisſchollen ſelbſt den Ausgang verſperrt, bringen die gefaͤhrlichſten Ueberſchwemmungen hervor; und obgleich zuweilen ein Zertruͤmmern dieſer Daͤmme durch Kano - nenkugeln oder ein Zerſaͤgen durch zeitig genug gemachte Einſchnitte in das Eis, die Gefahr abwenden kann, ſo ſind doch in großen Stroͤmen die Faͤlle oft von der Art, daß ſie allen durch menſch - liche Kraft anzuwendenden Huͤlfsmitteln viel zu maͤchtig ſind.
Unter den noch nicht ganz erklaͤrten Erſcheinungen bei der Entſtehung des Eiſes in Stroͤmen verdient wohl das ſogenannte Grund-Eis erwaͤhnt zu werden. Da die Kaͤlte uns immer durch die Luft zugefuͤhrt wird, und die Erde im Innern, wenigſtens in unſern Gegenden, keineswegs die Froſtkaͤlte hat, ſo ſcheint es ſchon deswegen nicht wohl moͤglich, daß ſich Eis auf dem Boden der Gewaͤſſer bilden ſollte. Dies ſcheint in ſuͤßem Waſſer noch um ſo mehr nicht geſchehen zu koͤnnen, da das ſchwerſte Waſſer nicht das von 0° Waͤrme, ſondern das von etwa 4 Gr. Waͤrme iſt, alſo am Boden ein Waſſer ſich ſammeln muß, das nicht die Gefrier - kaͤlte hat. Gleichwohl ſind die Behauptungen, daß es ein Grund - Eis gebe, daß man mehrmals ein ganz entſchiedenes Entſtehen des Eiſes am Boden der Gewaͤſſer bemerkt habe, ſo oft wiederholt wor - den, daß man kaum an ihrer Wahrheit zweifeln kann. Nach eini - gen Beobachtungen ſcheint es, als ob die gute Waͤrmeleitung eines ſteinigen Ufers die Abkuͤhlung bewirken koͤnne; aber nach andern Beobachtungen entſteht auch in 10 Fuß Tiefe mitten im Fluſſe auf dem Boden Eis, und ein Beobachter in Solothurn fand die Aar am Boden in 10 bis 12 Fuß Tiefe gefrierend und 0° kalt, waͤhrend das obere Waſſer noch + 1½ bis 2° warm, die Luft aber ſehr kalt war. Wenn dieſe Eisbildung am Boden der Fluͤſſe ſtatt findet, ſo uͤberziehen ſich zuweilen die auf dem Boden liegenden Koͤrper ſo mit Eis, daß ſie mit demſelben bis auf die Oberflaͤche des Waſſers heraufgehoben werden*)Biblioth. univ. XLI. p. 201. Phil. Transact. for 1816. .
94Gewoͤhnlicher aber iſt es, daß bei maͤßiger Kaͤlte die Eis - bedeckung ſich ganz ruhig oben anſetzt; bei ploͤtzlicher ſtrenger Kaͤlte und in etwas ſtaͤrker bewegtem Waſſer bilden ſich unzaͤhlige Eis - nadeln, im Waſſer ſchwimmend, die dann ſehr bald zu ganzen Eisſchollen vereinigt die Oberflaͤche mit Eis bedecken. Daß dieſe Eisbildung zuweilen bei gleicher Kaͤlte und gleicher Schnelligkeit eines und desſelben Stromes ſchneller fortgeht, als zu anderer Zeit, glaubt Arago aus ungleichem Waͤrmeverluſt durch ſtrahlende Waͤrme erklaͤren zu muͤſſen, und bemerkt dabei, daß heitrer Him - mel die Eisbildung befoͤrdere. Indeß iſt es wohl gewiß, daß auch die groͤßere oder geringere Kaͤlte in den entfernten, hoͤhern Gegen - den eben des Stromes dabei von ſehr bedeutendem Einfluß iſt, in - dem oft das den Strom herunter kommende Eis, oft das an dem Orte ſelbſt entſtehende Eis, mehr zur Bildung der Eisdecke beitraͤgt.
Ebenſo merkwuͤrdig als die Eisbildungen in den Polarmeeren ſind die Gletſcher. Es iſt bekannt, daß in den hoͤhern Gegenden der Atmoſphaͤre die Temperatur immer ſo niedrig iſt, daß auf den hoͤchſten Bergen ſelbſt im Sommer der Schnee nicht aufthaut. Dieſe Schneegrenze, oberhalb welcher der Schnee niemals aufthaut, liegt nicht in der Hoͤhe, wo die mittlere jaͤhrliche Temperatur Null iſt, ſondern hoͤher, weil die warmen Sommertage ſo ſtark auf das Schmelzen des Schnees wirken. Die Schneegrenze entfernt ſich ſtaͤrker von der Mittelwaͤrme = 0 in hohen Breiten, weil dieſer vorherrſchende Einfluß der Sommerwaͤrme bedeutender in den lan - gen Sommertagen der hohen Breiten iſt, als in der Gegend des Aequators, wo das ganze Jahr eine beinahe gleichfoͤrmige Waͤrme hat. Außerdem haͤngt die Hoͤhe der Schneegrenze noch von Ne - benumſtaͤnden ab, indem auf ausgedehnten hohen Gebirgen eine weit verbreitete niedrige Temperatur das Beſtehen des Schnees unterſtuͤtzt, wogegen einzelne Bergſpitzen, auch wenn ihr Abhang es geſtattet, ſich nicht ſo leicht mit ewigem Schnee bedecken. Dieſe Schneegrenze liegt unter dem Aequator 15000 Fuß, in den Alpen 8000 Fuß hoch.
Dieſem ewigen Schnee verdanken die Gletſcher, die jedoch weit unter die Schneegrenze herabreichen, ihr Entſtehen. Sie bil -95 den ſich da, wo das Schmelzen des Schnees im Sommer theils durch Regen, theils durch Sonnenwaͤrme, noch ſtatt findet, und wo daher der Schnee, weil ein bis in die Thaͤler hinab vollſtaͤndiges Aufthauen nicht moͤglich iſt, ſich in eine dichte Eismaſſe verwan - delt. Die ſo entſtandenen Eismaſſen fuͤllen die Gebirgsthaͤler und lagern ſich an den Abhaͤngen, und indem ſie an den Abhaͤngen all - jaͤhrlich, durch Abthauen an der untern Grenze, ihre Stuͤtzpuncte verlieren, ſinken die hoͤher liegenden Maſſen allmaͤhlig immer tiefer herab, und gelangen in Gegenden, die weit niedriger liegen, als es der eigentlichen Schneegrenze, derjenigen Hoͤhe naͤmlich, wo der jaͤhrlich fallende Schnee nicht mehr ganz aufthauet, gemaͤß iſt. Auf dieſem Umſtande beruhet es, daß die Gletſcher ſich gegen ihre untern Grenzen hin an der Erdflaͤche unterhoͤhlt zeigen, und daß Stroͤme ihren Urſprung aus den Gletſchern, wo ſie aus Eisgewoͤlben hervor - ſtroͤmen, haben. Die Erde naͤmlich hat in der Gegend, wo ſie noch mit Gletſcher-Eis bedeckt iſt, eine groͤßere Waͤrme als die Nulltemperatur, und obgleich ſie in der Oberflaͤche ſelbſt durch das aufliegende Eis unaufhoͤrlich abgekuͤhlt wird, und ihre Waͤrme durch das Aufthauen des Eiſes verliert, ſo bringt doch die ſtetige, wenn gleich langſame, Zuleitung der Waͤrme aus dem Innern der Erde unaufhoͤrlich neue Waͤrme an die Oberflaͤche, wodurch das Aufthauen des Eiſes unterhalten wird. So hoͤhlt ſich alſo der untere Theil des Eiſes aus, und wenn nun im Sommer die un - tern Raͤnder der Gletſcher wegthauen, ſo ruͤcken die hoͤher liegenden Eismaſſen herab und draͤngen ſich oft mit ſolcher Gewalt vor - waͤrts, daß ſie bebautes Land und ſelbſt Waͤlder vor ſich fortſchie - ben, wobei oft weite Strecken des bebauten Landes uͤberdeckt und veruͤſtet werden. Dieſes Vorruͤcken der Gletſcher iſt in kalten Sommern und nach ſchneereichen Wintern oft ſo bedeutend, daß ſie Flaͤchen von 1000 Fuß breit in wenigen Jahren neu bedecken, wogegen ſie in warmen Sommern ſich etwas wieder zuruͤckziehen; doch ſcheint die allgemeine Erfahrung auf ein Wachſen im Ganzen in unſerm Jahrhundert hinzudeuten. Jenes allgemeine Vorruͤcken aber, welches oft nur darin beſteht, daß die hoͤhern Maſſen den Platz der abgethauten einnehmen, findet in jedem Jahre ſtatt. Es iſt mit dem Entſtehen der tief hinabgehenden Spalten verbunden, die durch das Abtrennen der niedrigern Maſſen, welche dem Thale96 zu vorruͤcken, von den noch ruhend bleibenden, entſtehen. Dieſe Spalten erſtrecken ſich oft, vielleicht gewoͤhnlich, bis an die untern Hoͤhlungen, in welchen das aufgethaute Waſſer am Boden fort - fließt, und es ſind einzelne Faͤlle vorgekommen, wo Menſchen, die in den Spalten hinabgeſtuͤrzt waren, und gluͤcklich genug den Bo - den unverletzt erreichten, in dieſen Eisgewoͤlben, die dem Waſſer den Ausfluß geſtatten, ſich wieder hervorarbeiteten. Dieſe Spalten ruͤcken ſelbſt mit hinab dem Thale zu, indem jede oben ſich abloͤſende Maſſe herabſinkt, wenn das Abthauen ihr unten die Stuͤtze raubt; und ſo geſchieht es, daß Koͤrper, die vor mehreren Jahren in eine ſolche Spalte hinabgefallen ſind, ohne den Boden zu erreichen, end - lich an der Seite des Gletſchers auf der Oberflaͤche ſichtbar werden. Fig. 20. ſtellt dies dar. Denn wenn hier, nachdem bei B das Eis abgethaut iſt, die nachruͤckende Maſſe A den Raum einnimmt, den fruͤher die Maſſe B einnahm, ſo iſt ein bei a in der dort angezeig - ten Spalte hinabgefallener Koͤrper jetzt in b auf der freien Ober - flaͤche. Von den Gletſchern an der Kuͤſte der Davisſtraße ſcheinen die großen Eismaſſen in das Meer herabzugleiten, die als Eisberge in jenen Gegenden ſo haͤufig ſind, und zuweilen Erde und Steine mit ſich fortfuͤhren.
Auch die Lawinen gehoͤren zu den großen Natur-Erſcheinun - gen, die von der Entſtehung des Schnees abhaͤngen. Sie entſtehen theils im Winter, wenn friſch gefallener, lockerer Schnee irgendwo ſeine Stuͤtzpuncte verliert und nun uͤber einer ſtark geneigten Ebne herabgleitet oder gar uͤber Abhaͤnge herabſtuͤrzt, theils im Fruͤhling, wenn die dicht gelagerten Schneemaſſen durch Aufthauen an den Stellen, wo ſie eine Stuͤtze fanden, zum Stuͤrzen kommen. Die erſtern ſtuͤrzen mit mehr Schnelligkeit in das Thal hinab, und da durch die entſtandene Erſchuͤtterung gewoͤhnlich eine große Maſſe Schnee in Bewegung koͤmmt, da dieſe in ihrem ſchnellen Sturze die Luft heftig zuſammendruͤckt und Baͤume und Haͤuſer im Sturme mit ſich fortreißt, ſo werden dieſe Winterlawinen fuͤr gefaͤhrlicher gehalten, als die beim Fruͤhlingsthauwetter gewoͤhnlich langſamer herabkommenden, aber wo ſie hinfallen auch mit ihrer dichten Maſſe alles begrabenden Fruͤhlingslawinen*)Gilb. Ann. LXIV. 184. 209. .
Aus den Erſcheinungen der latent werdenden Waͤrme beim Aufthauen laſſen ſich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch Miſchungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren hervorbringt. Indem naͤmlich dieſe Koͤrper in den fluͤſſigen Zuſtand uͤbergehen, reißen ſie die Waͤrme mit großer Gewalt an ſich, und kuͤhlen die benachbarten Koͤrper ſtark ab. Schon gewoͤhnliches Salz mit Schnee gemiſcht bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß ſchmelzender Schnee, noch wirkſamer aber iſt eine Miſchung von ſalzſaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der ſalzſaure Kalk cryſtalliſirt und dann zerſtoßen iſt, ſo muß man ungefaͤhr dop - pelt ſo viel von demſelben als vom Schnee nehmen und dieſe Koͤr - per ſchichtenweiſe miſchen; dann entſteht eine bis auf 40 Reaum. Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Queckſilber gefriert. Man thut wohl, den Verſuch nur in einer Umgebung, wo es wenigſtens 6 bis 8 Gr. R. kalt iſt, anzuſtellen, und ſich eines weiteren Gefaͤßes mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um ſchon eine Kaͤlte von 18 bis 20° zu bewirken; ſetzt man dann in dieſes das kleinere Ge - faͤß, worin der Schnee mit ſalzſaurem Kalk gemiſcht werden ſoll, und hat von dieſem nicht zu wenig vorraͤthig, ſo wird man das Queckſilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer Vorrath iſt erforderlich, um die entſtandene Kaͤlte, die wegen der aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald geringer zu werden geneigt iſt, lange genug zu unterhalten.
Schnee mit Kochſalz bringt mit etwas Salpeterſaͤure gemiſcht eine bedeutende Kaͤlte hervor, ſelbſt wenn die aͤußere Luft ziemlich hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt iſt; aber mit einer Miſchung von gleichviel Schnee und Salpeterſaͤure bei + 14° Waͤrme eine Kaͤlte von — 35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,) iſt nur bei Anwendung ſehr bedeutender Quantitaͤten und durch Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer ſehr erkaͤltenden Miſchung moͤglich.
In den Polargegenden gefriert das Queckſilber ſehr oft durch die dort ſtatt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es ſich dann unregelmaͤßig und ſehr ſtark zuſammen zieht, ſo hat man ehemals geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern ThermometergradeIII. G98entſpreche, als es wirklich der Fall iſt. Man muß ſich in dieſen Faͤllen des Weingeiſtthermometers bedienen, um den wahren Waͤrme - grad anzugeben, weil der Weingeiſt ſelbſt da noch fluͤſſig bleibt, wo das Queckſilber lange gefroren iſt. Dieſes gefriert bei 39° Centeſ. (31° R.), vom reinen Alkohol dagegen nimmt man an, daß er erſt bei - 79° Centeſ. gefriert, und dieſe von Hutton allein gemachte Beobachtung iſt noch nicht recht ſicher.
Die Schmelzpuncte der Koͤrper ſind alſo in ſo hohem Grade verſchieden, daß (wenn wir auch nur vom Queckſilber anfangen wollen,) das Queckſilber ſchon bei - 39° Cent. ſchmilzt, das Waſſer bei 0°, Wachs bei 61°, Schwefel bei 109°, Zinn bei 227°, Blei bei 321°, Silber ungefaͤhr bei 1220°, Guß-Eiſen ungefaͤhr bei 1900°*)Daniell giebt nach ſeinem Pyrometer fuͤr das Schmelzen des Kupfers 1132 bis 1163° Centeſ. fuͤr Silber 1061 bis 1077, fuͤr Eiſen 1587 Gr. an.. Die ſogenannte Roſeſche Metallmiſchung von 1 Th. Zinn, 2 Th. Blei, 3 Th. Wismuth, oder beſſer 118 Zinn, 207 Blei, 284 Wismuth bedarf nicht ganz der Kochhitze des Waſſers, um zu ſchmelzen. — Gleichwohl ſind dieſe Erſcheinungen des Schmelzens von der einen, und des Erhaͤrtens oder Gefrierens von der andern Seite offenbar fuͤr alle dieſe Koͤrper gleichartige, auch mit gleichen Umſtaͤnden begleitete, Erſcheinungen.
Die Ueberzeugung, daß weder die Gefrierkaͤlte des Queckſilbers, noch irgend ein von uns kuͤnſtlich zu bewirkender Kaͤltegrad der - jenige iſt, wo man von wirklichem Mangel aller Waͤrme reden duͤrfte, hat zu der Frage Veranlaſſung gegeben, wie tief denn das Thermometer bei dem gaͤnzlichen Mangel aller Waͤrme ſinken wuͤrde. Die Frage iſt offenbar nicht zu beantworten, indeß giebt folgende Betrachtung doch einen Begriff von der Art, wie man ſie zu beantworten geſucht hat.
Wenn man eine Waͤrmequantitaͤt, die das Waſſer um 9 Grad erwaͤrmt, anwendet, um ſehr kaltes Eis zu erwaͤrmen, ſo ſteigt, bei gleichem Gewichte des Waſſers und Eiſes die Temperatur des Eiſes um 10 Grad. Die Capacitaͤt des Waſſers iſt alſo um ein99 Neuntel groͤßer als die des Eiſes, das heißt, dem Waſſer muß $$\frac{10}{9}$$ des Waͤrmeſtoffes, deſſen das Eis bedarf, zugefuͤhrt werden, wenn es um 1 Gr. erwaͤrmt werden ſoll; und wenn wir dies ſo auslegen, daß auch im Waſſer bei gleicher Temperatur $$\frac{10}{9}$$ ſo viel Waͤrme - ſtoff, als im Eiſe vorhanden iſt, ſo muß die 75 Graden Centeſ. entſprechende latente Waͤrme des Waſſers ein Neuntel der bei 0 Gr. im Eiſe enthaltenen Waͤrmequantitaͤt betragen. Hiernach waͤre - 675° Centeſ. das abſolute Null der Waͤrme, naͤmlich Eis, das 675° Waͤrme uͤber dem abſoluten Null enthaͤlt, bekoͤmmt noch ein Neuntel = 75° hinzu, um Waſſer zu geben.
Dieſer Schluß iſt in ſehr vieler Hinſicht unſicher, da wir uͤber die bei veraͤnderter Temperatur vielleicht ſehr veraͤnderte Waͤrme - capacitaͤt des Eiſes gar nichts wiſſen, ja nicht einmal uͤber jene Waͤrmequantitaͤten eine recht klare Anſicht beſitzen. Es iſt auch wohl gewiß, daß wir aus den latenten Waͤrmen andrer Koͤrper, und ihren ſpecifiſchen Waͤrmen vor und nach dem Erhaͤrten, ganz andre Zahlen erhalten wuͤrden. Ebenſo unſicher ſcheint mir die Behaup - tung, daß der abſolute Nullpunkt bei - 213° R. oder 266° Cent. liegen muͤſſe, weil die Luft ſich von 1 bis $$\frac{214}{213}$$ ausdehnt, wenn die Waͤrme um 1° R. zunimmt, oder von 1 bis $$\frac{267}{266}$$ , wenn die Waͤrme um 1° Cent. zunimmt. Allerdings findet dieſe Ausdehnung bei den mittleren Temperaturen gleichmaͤßig ſtatt; aber bei ſehr tiefen Temperaturen kann ja vielleicht der luftfoͤrmige Zuſtand aufhoͤren, und dann hoͤrt gewiß auch die Guͤltigkeit jenes Schluſſes, daß die Zunahme des Volumens der Zunahme der Waͤrme proportional ſei, auf.
Doch ich unterhalte Sie zu lange mit einer Frage, die fuͤr jetzt wenigſtens ſich noch ganz außer dem Gebiete unſerer Forſchun - gen befindet.
Schon neulich habe ich, h. H., eine zweite Erſcheinung, bei welcher Waͤrme latent wird, erwaͤhnt, die Bildung der Daͤmpfe. Daß bei ihrer Erzeugung ein Waͤrme-Aufwand ſtatt findet, ohne eine Erhoͤhung der Temperatur hervorzubringen, iſt ſchon daraus klar, daß kochendes Waſſer durch verſtaͤrktes Feuer zwar zu hefti - gerem Aufwallen, zu ſchnellerem Verdampfen, aber nicht zu einer groͤßeren Waͤrme gebracht wird; die zuſtroͤmende Waͤrme wird alſo latent, ſie vereiniget ſich mit dem Waſſer, um ein neues, elaſtiſches Fluidum, den Dampf, hervorzubringen.
Da wir jedes der Luft ausgeſetzte Waſſer ſich allmaͤhlich ver - mindern ſehen, da auch die Daͤmpfe des kochenden Waſſers ſich in der Luft verlieren, ſo war es ein ſehr natuͤrlich ſcheinender Gedanke, der Luft eine aufloͤſende Kraft beizulegen, vermoͤge welcher ſie das Waſſer in ſich aufnaͤhme, und dieſer Gedanke hat eine lange Zeit bei den Phyſikern Beifall gefunden. Aber ſeine Unrichtigkeit erhellt ſchon aus der einfachen Erfahrung, daß die gewoͤhnliche Verdunſtung in niedrigen Temperaturen nicht allein ebenſo gut, ſondern ſogar weit ſchneller im luftleeren Raume ſtatt findet, alſo da ſtatt findet, wo jenes angebliche Aufloͤſungsmittel gaͤnzlich fehlt. Dagegen bewaͤhrt ſich die Regel als eine ohne Ausnahme geltende, daß die Verdampfung, ſie geſchehe langſam in niedrigen Temperaturen oder heftig beim Kochen, ſie finde im luftvollen oder im luftleeren Raume ſtatt, immer mit Waͤrme-Aufwand verbunden iſt. Der benetzte Finger, den wir der Luft darbieten, lehrt uns durch die in ihm erzeugte Empfindung von Kaͤlte, daß das verdunſtende Waſſer dem Koͤrper, an welchem es ſich befindet, Waͤrme entreißt, und die Erfahrung des Landmannes, daß bei ſchwachem Winde die Richtung des Win - des ſich darin kenntlich macht, daß die dem Winde ausgeſetzte Seite des naſſen Fingers mehr erkaltet, giebt einen Beweis fuͤr den ver - mehrten Waͤrme-Aufwand an der Seite, wo der Wind die Aus -101 duͤnſtung beſchleuniget. Doch die Beweiſe fuͤr die bei der Verdam - pfung latent werdende Waͤrme bieten ſich uns in der Folge noch auffallender dar.
Die Daͤmpfe ſind ein elaſtiſches, in vieler Hinſicht der Luft aͤhnliches Fluidum. Um ſich von der Elaſticitaͤt der Daͤmpfe zu uͤberzeugen, iſt vielleicht kein Verſuch beſſer geeignet, als der fol - gende, wo ſich die Daͤmpfe in gewoͤhnlicher Luftwaͤrme entwickeln und ſogleich eine bedeutende Queckſilberſaͤule tragen. Man bedient ſich zweier verbundener Glasroͤhren TT, FA (Fig. 21.), deren eine TT oben ganz offen bleibt, die andere FA mit einem Hahne Y oben geſchloſſen werden kann. Fuͤllt man nun, indem man den oberen Anſatz ganz abſchraubt, beide Roͤhren bis an Hh mit Queck - ſilber, ſo ſteht dieſes gewiß in beiden Roͤhren gleich hoch, weil der freie Luftdruck auf beide Oberflaͤchen ſtatt findet, und eben das dauert fort, wenn man das obere Stuͤck mit dem ſchließenden Hahne wieder aufſchraubt. Dieſer Hahn Y, der gar keine Bohrung hat, dient bei jeder Stellung, um das kleine oberhalb Y befindliche Ge - faͤß von der Roͤhre FA abzuſperren; aber ſeine Faſſung hat ſowohl nach oben als gegen A zu eine Oeffnung, und in der, uͤbrigens genau cylindriſchen, Oberflaͤche des Hahnes ſelbſt befindet ſich eine genau unter die Oeffnung t des oberhalb Y befindlichen Gefaͤßes V paſ - ſende Vertiefung, damit, wenn das Gefaͤß mit einer Fluͤſſigkeit, z. B. Aether, gefuͤllt iſt, und dieſe Vertiefung ſich an der Oeffnung t befindet, auch ſie einen Tropfen eben jener Fluͤſſigkeit aufnehme. Wird nun der Hahn in ſeiner genau ſchließenden Faſſung gedreht, ſo daß der in der Hoͤhlung aufgefaßte kleine Tropfen auf die untere Seite des Hahnes, alſo vor die nach der Roͤhre AF gehende Oeff - nung koͤmmt, ſo verdampft er und dieſe Daͤmpfe fuͤllen die Roͤhre AF; ſogleich aber ſteigt auch das Queckſilber in der andern Roͤhre, waͤhrend es in AF herabgedruͤckt wird, und man ſieht deutlich, daß die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe ſtark genug iſt, um ſelbſt bei maͤßiger Temperatur eine erhebliche Queckſilberſaͤule zu tragen. Man be - dient ſich hiezu gern des Schwefel-Aethers, weil er, ſchnell ver - dampfend, die Wirkung ſogleich hervorbringt, und weil die Elaſti - citaͤt ſeiner Daͤmpfe groͤßer iſt, als die des Waſſers.
102In dieſem Experimente iſt der Erfolg zu ſehr zuſammen - geſetzt, um es zu Abmeſſung der Kraft der Daͤmpfe anzuwenden, indem der Raum, welchen Luft und Daͤmpfe zuſammen einnehmen, ſich beim Zutritte der Daͤmpfe vergroͤßert, indem es unbeſtimmt iſt, ob man ſo viele Daͤmpfe, als der Raum aufnehmen koͤnnte, hervor - gebracht hat, u. ſ. w. Um alſo das Maaß der Elaſticitaͤt der Daͤmpfe zu beſtimmen, iſt eine andre Anordnung nothwendig, deren Beſchreibung ich noch einige Ueberlegungen vorausſchicken muß. Zuerſt die, daß man Daͤmpfe, welche den moͤglichſt groͤßeſten Grad von Dichtigkeit beſitzen, von denjenigen unterſcheiden muß, die noch mehr von der tropfbaren Fluͤſſigkeit in ſich aufnehmen koͤn - nen. Wenn wir uns fuͤr jetzt auf bloße Waſſerdaͤmpfe beſchraͤnken, ſo haͤtte in den vorigen Verſuchen ein Tropfen Waſſer in die Roͤhre AF gebracht werden muͤſſen, und es iſt offenbar, daß ein ſehr klei - ner Tropfen in einem ziemlich großen Raume vielleicht nicht hin - reicht, um dieſen letztern mit Dampf zu fuͤllen, daß alſo bei dem Verdampfen mehrerer Tropfen der Dampf eine groͤßere Dichtigkeit erlangen wird; die groͤßeſte Dichtigkeit, die der Waſſerdampf bei beſtimmter Temperatur erreichen kann, findet da mit Sicherheit ſtatt, wo noch Waſſer unverdampft uͤbrig bleibt, und dieſes iſt daher eine Bedingung, die bei den Unterſuchungen uͤber die Daͤmpfe von groͤßeſter Dichtigkeit, (und dieſe ſind die wichtigſten,) ſtatt finden muß. Eine andre Bemerkung betrifft ein Mittel, einen eingeſchloſſenen Raum luftleer zu machen durch Hervorbringung von Daͤmpfen. Da die Elaſticitaͤt der eingeſchloſſenen Luft ſich vermehrt, wenn Daͤmpfe ſich mit ihr vermiſchen, ſo wird ein Theil jener Luft, wenn man ihr eine Ausfluß-Oeffnung frei macht, aus - ſtroͤmen; laͤßt man bei bedeutender Waͤrme, am liebſten durch Kochen des Waſſers, ſich in jenem Raume immer neue Daͤmpfe entwickeln, ſo fließen zwar auch Daͤmpfe, aber immerfort auch Luft, durch die Oeffnung aus, und der umſchloſſene, nur durch eine kleine Oeffnung mit der aͤußern Luft in Verbindung ſtehende, Raum wird bei lange dauernder Dampf-Erzeugung immer mehr luftleer. Wenn man nun, waͤhrend die Dampf-Erzeugung noch in dem Maaße fortdauert, daß ſie den Zutritt der Luft hindert, die Oeffnung luftdicht ſchließt, dann aber die Daͤmpfe abkuͤhlen laͤßt, ſo gehen bei der Abkuͤhlung die Daͤmpfe wieder in den tropfbaren Zu -103 ſtand uͤber, und der nun ganz eingeſchloſſene Raum enthaͤlt keine Luft mehr, ſondern nur noch Daͤmpfe von einer geringen, der erniedrigten Temperatur angemeſſenen Elaſticitaͤt.
Nach dieſen Bemerkungen wird die Art, wie man den Ver - ſuch uͤber die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe in nicht zu hohen Tempera - turen anſtellt, leicht verſtaͤndlich ſein. Man nimmt ein Barometer AB (Fig. 22. ), welches mit gut ausgekochtem Queckſilber bis an A gefuͤllt, und uͤber A luftleer iſt, deſſen niedrigere Queckſilberflaͤche ſich aber in dem weitern Gefaͤße BC befindet. Ueber dieſe Queck - ſilberflaͤche BC bringt man etwas Waſſer und laͤßt dieſes eine Weile kochen, damit durch die entſtehenden Daͤmpfe alle Luft aus dem Gefaͤße BC ausgetrieben werde, dann ſchließt man, nachdem vor - her das Thermometer E in dem dampfvollen Raume angebracht iſt, die Oeffnung D luftdicht, und laͤßt nun die Daͤmpfe erkalten. So lange die Daͤmpfe des Waſſers die Kochhitze hatten, bei welcher ſie naͤmlich eine ebenſo große Elaſticitaͤt als die umgebende Luft beſitzen, erhielt ſich das Queckſilber in der Barometerroͤhre bis an A, ſo wie vor dem Experimente; aber wenn die Daͤmpfe ſich ab - kuͤhlen, ſo ſinkt allmaͤhlig das Queckſilber bei A, und wenn die Daͤmpfe bis zur Gefrierkaͤlte abgekuͤhlt ſind, ſo ſind beinahe beide Queckſilber-Oberflaͤchen gleich hoch, und wir ſehen daraus, daß der Raum BCD ebenſo gut als der Raum in der andern Roͤhre luft - leer geworden iſt, und der erſtere nur noch mit Daͤmpfen von geringer Elaſticitaͤt angefuͤllt iſt. So oft man nun die Daͤmpfe und das noch uͤbrige Waſſer in dem Gefaͤße BD erwaͤrmt, ſo ſteigt das Queckſilber in der Roͤhre A; es erreicht bei gleichen Waͤrme - graden immer gleiche Hoͤhen, und wenn man es bis zu dem Grade erwaͤrmt, bei welchem es kochte, als die Oeffnung D luftdicht ge - ſchloſſen wurde, ſo ſteht das Queckſilber ſo hoch, als es, dem dama - ligen Barometerſtande gemaͤß, zu jener Zeit ſtand. Dieſes Appa - rates bediente ſich G. G. Schmidt, um die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe bei verſchiedenen Waͤrmegraden zu beobachten; Daltons Ver - ſuche ſind etwas anders angeſtellt worden. Dieſer brachte in eine gerade Barometerroͤhre, die mit ausgekochtem Queckſilber gefuͤllt war, etwas Waſſer, und indem er ſie dann auf die bekannte Weiſe mit dem offenen Ende in ein Gefaͤß mit Queckſilber tauchte und das Waſſer zum Hinaufſteigen auf die Oberflaͤche des Queckſilbers104 brachte, erhielt er ein gewoͤhnliches Barometer, in deſſen luftleerem Raume ſich Waſſer befand, und Daͤmpfe entwickelten. Die Baro - meterroͤhre wurde nun durch den Boden eines Gefaͤßes geſteckt und darin verkittet; das Gefaͤß wurde mit Waſſer (oder fuͤr Verſuche, die uͤber die Kochhitze des Waſſers hinaus gehen ſollten, mit Oel) gefuͤllt, und durch die Erhitzung deſſelben auch das Waſſer in der Barometerroͤhre zu ſchwaͤcherer oder ſtaͤrkerer Verdampfung gebracht. So wie nun bei erhoͤheter Waͤrme die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe zu - nahm, ſo fiel das Queckſilber im Barometer, und der Unterſchied zwiſchen der Queckſilberhoͤhe im gewoͤhnlichen Barometer und in dieſem Barometer gab die elaſtiſche Kraft der Daͤmpfe bei jeder Waͤrme an. Wenn in dieſem Barometer die Queckſilberſaͤule ſo weit herabgedruͤckt war, daß beide Oberflaͤchen gleich hoch ſtanden, ſo hatten die Daͤmpfe diejenige Waͤrme, wobei auch im Freien das Waſſer kochte, und es zeigt ſich alſo deutlich, daß die Kochhitze in einem nicht geſchloſſenen Gefaͤße diejenige iſt, bei welcher die Daͤm - pfe eine ebenſo große Spannkraft beſitzen, als die atmoſphaͤriſche Luft.
Nun erſt uͤberſehen wir alſo recht genau die Erſcheinungen des Kochens, und dieſe verdienen daher hier noch einmal im Zu - ſammenhange dargeſtellt zu werden. Wenn wir Waſſer unter dem gewoͤhnlichen Drucke der Luft erhitzen, ſo ſehen wir zuerſt die dem Waſſer beigemiſchte Luft entweichen, dann folgt ein eigener Ton, als Vorbote des Kochens, endlich erfolgt das fortdauernde Aufwal - len, wobei vom Boden des Gefaͤßes Dampfblaſen aufſteigen. Die Verdampfung naͤmlich findet bei einer maͤßigen Waͤrme nur an der Oberflaͤche ſtatt, und obgleich ſie dort bei erhoͤheter Temperatur immer lebhafter fortgeht, ſo kommen doch, ſo lange die Kochhitze noch nicht erreicht iſt, immer noch nicht aus dem Innern der Waſ - ſermaſſe Daͤmpfe hervor. Wenn der Boden des Gefaͤßes die Koch - hitze erreicht hat, das Waſſer aber noch nicht in gleichem Maaße durchwaͤrmt iſt, ſo fangen Daͤmpfe an, ſich am Boden des Gefaͤßes zu bilden, und als elaſtiſches Fluidum in Form kleiner Blaſen auf - zuſteigen; aber dieſe kleinen Dampfblaſen treten ſogleich in etwas kaͤlteres Waſſer, wo ſie wieder zu Waſſer werden, und indem neue105 Blaſen ſich unaufhoͤrlich wieder erzeugen und wieder zerfallen, ſo bringt dieſe in jeder Secunde oftmals wiederholte Erneuerung glei - cher kleiner Bewegungen den Ton hervor, den man wohl das Sin - gen des Waſſers vor dem Kochen nennt. Steigt dann die Waͤrme noch etwas hoͤher, wird das Waſſer in allen ſeinen Theilen bis zur Kochwaͤrme erhitzt, ſo ſteigen die Dampfblaſen bis an die Oberflaͤche herauf, und das Waſſer erreicht nun, bei offenem Kochen, keine hoͤhere Temperatur. Die ſo am Boden des Gefaͤßes erzeugten Daͤmpfe haben diejenige Elaſticitaͤt, welche noͤthig iſt, um den Druck der Atmoſphaͤre und den Druck der uͤber ihnen ſtehenden Waſſer - ſaͤule zu uͤberwinden, oder, da der letztere ziemlich unbedeutend zu ſein pflegt, den Druck, deſſen Maaß die Barometerhoͤhe angiebt.
Wenn man ſich auf hohen Bergen befindet, ſo tritt, wie Sie ſich erinnern, das Kochen ſchon bei einem niedrigern Waͤrmegrade ein, und ſelbſt bei einem erheblichen Fallen des Barometers in un - ſern Gegenden erreicht das kochende Waſſer einen geringern Grad von Waͤrme, weil die nicht ſo warmen Daͤmpfe ſchon den nur 26 Zoll betragenden Luftdruck durch ihre Elaſticitaͤt uͤberwinden, wozu ſie nicht im Stande waͤren, wenn das Barometer auf 28 Zoll ſtaͤnde. Hieraus entſteht in hoch liegenden Gegenden eine Unbe - quemlichkeit, wenn man ſich offener Gefaͤße zum Kochen bedient, indem der Erfolg des Kochens, ſofern wir uns dieſes Mittels bedie - nen, um unſre Speiſen zu bereiten, bei dieſer geringern Waͤrme nicht vollkommen genug hervorgeht. In ſo hochliegenden Gegen - den, wo die Kochwaͤrme bei freier Oberflaͤche nicht hinreichen wuͤrde, um Speiſen weich zu kochen, muß man ſich daher der ganz geſchloſ - ſenen Gefaͤße bedienen. Die Rumfordſchen Toͤpfe ſind ſo einge - richtet, daß man ihren Deckel unter einen, ſie oben einfaſſenden, Rand ſchiebt, ſo daß der von innen kommende Druck des Dampfes den Deckel nicht heben kann. In dem nun ganz geſchloſſenen Raume entwickeln ſich die Daͤmpfe, aber da ſie ſich nicht ganz frei entwickeln koͤnnen, ſo erhitzt das Waſſer ſich mehr, weil die zuneh - mende Elaſticitaͤt der ſchon entwickelten Daͤmpfe die Entſtehung neuer Daͤmpfe erſchwert, und ſo kann man in dieſen Gefaͤßen in hoͤheren und in niedrigeren Gegenden gleich gut eine ſehr hohe Tem - peratur des in Kochen geſetzten Waſſers hervorbringen. Dieſe ganz geſchloſſenen Toͤpfe muͤſſen mit einem Sicherheitsventile verſehen106 ſein, das heißt, mit einer Oeffnung, die von außen geſchloſſen iſt, deren Deckel aber ſich hebt und einige Daͤmpfe hervorgehen laͤßt, wenn der Druck von innen ſehr bedeutend wird. Dieſes iſt noth - wendig, weil die Daͤmpfe bei zu großer Erhitzung und dadurch ſteigender Elaſticitaͤt den Topf zerſprengen wuͤrden, wenn ihnen nicht bei einem beſtimmten, noch nicht allzu hohen, Grade von Elaſticitaͤt das Ventil einen Ausgang geſtattete.
Und ſo wie hier im ganz verſchloſſenen Raume, bei einem durch die ſchon entſtandenen Daͤmpfe vermehrten Drucke, das Ko - chen ſelbſt bei verſtaͤrkter Hitze noch nicht eintritt, ſo findet es um - gekehrt bei niedrigern Graden der Waͤrme ſtatt, wenn das Waſſer ſich in verduͤnnter Luft befindet. In dem faſt luftleeren Raume unter der Luftpumpe ocht das Waſſer bei 23° R. (29° Cent.), wenn die verduͤnnte Luft noch einen Zoll Queckſilber in der Barometer - probe zu tragen vermag; es kocht bei 14½° R. (18° C.), wenn das Barometer ½ Zoll hoch ſteht, bei 7° R., wenn es ¼ Zoll hoch ſteht. Die Blaſen, die man dann bei fortgeſetztem Auspum - pen der Luft im Waſſer aufſteigen ſieht, ſind Dampfblaſen, die unerſchoͤpflich, immer neu hervorgehen. Eben dies Erſcheinen von Dampfblaſen ſieht man im Waſſerhammer (Fig. 23.), wenn man das Gefaͤß A mit der Hand erwaͤrmt. Da hier die Luft ganz ent - fernt und dann das Gefaͤß geſchloſſen worden iſt, ſo leidet die Ober - flaͤche des Waſſers nur einen ſehr geringen Druck, und wenn man die in dem Gefaͤße und der Roͤhre enthaltene Fluͤſſigkeit ſo ver - theilt, daß die Roͤhre BC bis D, das Gefaͤß bis E gefuͤllt iſt, ſo vermehrt man durch die Waͤrme der Hand die Entſtehung der Daͤmpfe leicht ſo ſehr, daß ſie durch die enge Roͤhre bei B dringen und durch die Fluͤſſigkeit BD aufſteigen. Dieſe Dampfblaſen kann man, da die obere Fluͤſſigkeit BD nicht durch die Hand erwaͤrmt wird, leicht in ſolchem Maaße hervorgehen laſſen, daß ſie zwar bei B eintreten, aber die Oberflaͤche D nicht erreichen, ſondern in dem kalten Theile der Fluͤſſigkeit ihre Elaſticitaͤt wieder verlieren, und hierin liegt der beſte Beweis, daß man keine Luft aus dem Raume uͤber E, (der uͤbrigens auch wirklich luftleer iſt,) hinuͤbertreibt, ſon - dern bloß Daͤmpfe. Wenn bei dem Verſchwinden der Dampfblaſe das Waſſer zuruͤckfaͤllt, ſo giebt dies einen lebhaften Laut, ſo wie denn uͤberhaupt das gegen das Ende der Roͤhre anſchlagende Waſſer107 hier, weil keine Luft Widerſtand leiſtet, mit einem ziemlich lauten Schalle anſchlaͤgt, woher auch der Name Waſſerhammer entſtanden iſt.
Einige Fluͤſſigkeiten kochen ei niedrigern Temperaturen als das Waſſer; reiner Alkohol ſchon bei 79° Cent. (63½° R.), Schwefel-Aether bei 38° bis 40° Cent. (30½ bis 32° R.); andre bei hoͤheren Temperaturen. Aber bei welcher Waͤrme ſie auch im Freien zum Kochen gelangen, allemal haben bei ihrer Kochwaͤrme die aus ihnen aufſteigenden Daͤmpfe die gleiche Elaſtici - taͤt, ſie uͤben naͤmlich den Druck aus, welchen die Barometerhoͤhe in dem Augenblicke anzeigt.
Die Anwendung der Daͤmpfe zur Bewegung von Maſchinen hat Veranlaſſung gegeben, die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe auch bei ſtarker Erwaͤrmung zu beſtimmen, und wir beſitzen zahlreiche Ver - ſuche uͤber dieſen Gegenſtand, der gleichwohl noch immer nicht erſchoͤpft iſt. Unter den verſchiedenen Mitteln, die man, um die alsdann ſehr ſtark wachſende Elaſticitaͤt der Daͤmpfe zu meſſen, angewandt hat, ſcheint mir die von Arzberger angewandte Ein - richtung vorzuͤglich eine Erwaͤhnung zu verdienen, weil ſie den von den Daͤmpfen ausgeuͤbten Druck ſo unmittelbar angiebt. In eine Metallroͤhre, ſtark genug, um ſelbſt durch heftige Preſſung von innen nicht zerſprengt zu werden, ABC (Fig. 24.) iſt bei A das Thermometer angebracht, an deſſen aus der Roͤhre hervorragendem obern Theile die Temperaturen abgeleſen werden. Die Oeffnung C iſt durch ein genau paſſendes Kugelventil geſchloſſen, welches durch Gewichte E, an dem um D beweglichen Hebel-Arme DF angehaͤngt, mit bekannter Gewalt zugedruͤckt wird. Die Roͤhre wird durch eine Druckpumpe vermittelſt der Roͤhre bei H gefuͤllt, und unterdeß die Luft bei G ſowohl als bei C ausgelaſſen. Iſt die Roͤhre gefuͤllt, das Waſſer durch Auskochen von Luft befreit, und dann durch Haͤhne bei G und bei B voͤllig eingeſchloſſen, ſo erhitzt man die Roͤhre ABC und belaſtet nun die Schale E mit Gewich - ten; offenbar braucht man nur Achtung zu geben, wie hoch das Thermometer im Innern in dem Augenblicke ſteht, da der Dampf,108 den Druck des Gewichtes uͤberwindend, das Ventil bei C hebt, aus der bekannten Groͤße des Ventils ergiebt ſich der Druck der Daͤmpfe auf einen Quadratzoll und dann leicht auch die Hoͤhe der Queck - ſilberſaͤule, die dieſer Druck zu erhalten im Stande waͤre.
Noch vollkommener ſind indeß die von Arago und Du - long angeſtellten Verſuche, weil dieſe faſt unmittelbar die Queck - ſilberhoͤhen beobachteten, die der Elaſticitaͤt des Dampfes bei be - ſtimmter Waͤrme entſprechen. Sie bedienten ſich einer Roͤhre, worin die comprimirte Luft dem Dampfe das Gleichgewicht hielt, und da mit eben demſelben Apparate die mit beſtimmten Queck - ſilberſaͤulen zuſammen gehoͤrende Dichtigkeit der Luft beobachtet war, ſo konnte man die Verſuche ſo anſehen, als ob ſie eine unmittelbare Vergleichung der Queckſilberſaͤulen mit den Preſſungen der Daͤmpfe enthielten. Der Apparat war zwar ſeiner Groͤße wegen ſchwierig zuſammengeſetzt, aber die ganze Anordnung iſt gleichwohl ſehr ein - fach. Es ſtand naͤmlich (Fig. 25.) an der einen Seite eines mit Queckſilber gefuͤllten Gefaͤßes A die mit Luft gefuͤllte geſchloſſene Roͤhre B, einer oben offenen gegen 70 Fuß hohen Roͤhre C gegen - uͤber, die ſich nach und nach mit Queckſilber fuͤllte, und die Zuſam - menſetzung dieſer Roͤhre forderte ſehr ſchwierige Vorſichten. In - dem man nun auf die Oeffnung D mit Huͤlfe einer Waſſerpreſſe einen ſehr heftigen Druck auf die Oberflaͤche des Queckſilbers an - brachte, ſtieg von den in A enthaltenen hundert Pfund Queckſilber immer ſo viel in die Roͤhre C hinauf, als das Gleichgewicht gegen jenen heftigen Druck forderte, und zugleich wurde die bei B ein - geſchloſſene Luft in einen engern Raum gedraͤngt und dabei auch die Roͤhre B zum Theil mit Queckſilber gefuͤllt. Die Beobachtung zeigte, welchem Drucke der Queckſilberſaͤule C die verſchiedenen Ver - dichtungen der Luft in B entſprachen, und nachdem man ſo ſich uͤber - zeugt hatte, daß ſelbſt bis zu einem Drucke von 27 Atmoſphaͤren (63 pariſ. Fuß Queckſilber) die Luft in B ſich dem Mariottiſchen Geſetze gemaͤß verdichtete, konnte man die Roͤhre C ganz weglaſſen, und ſtatt der Waſſerpreſſe bei D brachte man nun eine Waſſerroͤhre DE an, die, bis an E mit Waſſer gefuͤllt, bei F auf den Dampf - keſſel befeſtigt, nun diente, den vollen Druck der Daͤmpfe auf die Oberflaͤche des Queckſilbers in A zu beobachten. Die Verſuche wur - den bis zu einem Drucke der Daͤmpfe, welcher 24 Atmoſphaͤren109 betrug, fortgeſetzt, und nach dem dadurch als ziemlich ſicher angege - benen Geſetze noch weiter gerechnet. Das einzige, was bei dieſen, ſonſt ſehr vollkommenen Verſuchen nicht ganz ſicher ſein koͤnnte, iſt die Beobachtung der Thermometer, die in Flintenlaͤufen, mit Queck - ſilber umgeben, in den Dampfraum eingetaucht waren, und deren Roͤhren und Scalen ſich außerhalb befanden; indeß iſt auch in Hinſicht auf dieſe Beſtimmung der Waͤrme, worauf hier alles an - koͤmmt, ſo vorſichtig als moͤglich verfahren, wenn auch nicht alle Zweifel uͤber die Genauigkeit der Waͤrme-Angaben ganz gehoben ſind. Aus dieſen letztern Verſuchen haben ſich die Maaße der Elaſticitaͤt der ſehr erhitzten Daͤmpfe etwas groͤßer als aus Arz - bergers Verſuchen ergeben*)Gehlers phyſ. Woͤrterbuch II. 351. Poggend. Ann. XVIII. 473., ſo daß die Pariſer Verſuche bei 224 Gr. Centeſ. ſchon einen Druck von 24 Atmoſphaͤren angeben, ſtatt daß Muncke's, nach Arzbergers Verſuchen gefuͤhrte Rechnung, nur 21 Atmoſphaͤren giebt, und die Pariſer Verſuche fuͤr 40 Atmoſph. Druck nur 252½ Gr. Cent. fordern, ſtatt 263 Gr. nach Arzberger, endlich fuͤr 50 Atm. Druck 266 Gr. Cent. dieſe 280° Cent.
Da es der Muͤhe werth iſt, den Druck, welchen die Waſſer - daͤmpfe bei niedrigen und hohen Temperaturen ausuͤben, zu kennen, ſo theile ich noch folgende Ueberſicht der Ergebniſſe der bisherigen Verſuche mit. Selbſt bei der Nulltemperatur iſt die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe nicht ganz verſchwindend, jedoch iſt der ausgeuͤbte Druck da nur einer Queckſilberſaͤule von 1½ Linien oder 0,13 Zoll gleich, bei 25 Gr. Cent. (20° R.) 0,85 Zoll, bei 50° C. (40° R.) 3,37 Zoll, bei 75° C. (60° R.) 10,75 Zoll, bei 100° C. (80° R.) 28 Zoll; bei 125° C. (100°R. ) ungefaͤhr 2¼ Atmoſph. oder 63 Zoll, bei 150° C. (120° R.) reichl. 4½ Atmoſph., bei 175° C. (140° R.) ungefaͤhr 8½ Atmoſphaͤren, bei 200° Cent. (160° R.) 15 Atmo - ſphaͤren, bei 224 Gr. Cent. (179⅓° R.) 24 Atmoſphaͤren, nach Angabe der Verſuche von Arago und Dulong.
Der Alcoholdampf hat bei gleicher Waͤrme groͤßere Elaſticitaͤt, welches ſchon daraus, daß der Alcohol bei 79° C. (62 bis 63° R.) kocht und ſein Dampf alſo dann 28 Zoll Queckſilber traͤgt, erhellt;110 bei 50° Cent. iſt ſeine Elaſticitaͤt = 7 Zoll, bei 100° Cent. = 64 Zoll, bei 125° C. = 5 Atmoſphaͤren. Noch groͤßer iſt die Ela - ſticitaͤt der Daͤmpfe des ſchon bei 38° kochenden Schwefel-Aethers; ſie betraͤgt bei 38° Cent. 28 Zoll, bei 80° Cent. 4½ Atmoſphaͤ - ren. Dagegen erreicht der Queckſilberdampf erſt bei der ſehr großen Hitze von 356° Cent. (285° R.), wo das Queckſilber kocht, eine elaſtiſche Kraft, die dem Drucke der Atmoſphaͤre gleich iſt, und bei niedrigen Temperaturen iſt daher die Elaſticitaͤt des Queckſilber - dampfes ſehr unbedeutend.
Wenn in einem luftleeren Raume ſich nur wenig Waſſer befindet, ſo geht dieſes bei erhoͤheter Waͤrme gaͤnzlich in Dampf uͤber, und dieſer Dampf hat, ſo lange noch etwas von tropfbarem Waſſer uͤbrig war, die groͤßeſte Dichtigkeit, welche er bei der eben ſtatt findenden Temperatur, vorausgeſetzt, daß dieſe dauernd genug iſt, erreichen konnte. Aber wenn nun gar kein Waſſer mehr uͤbrig iſt, und die Waͤrme noch immer hoͤher ſteigt, ſo wuͤrde der Dampf mehr Waſſer aufnehmen koͤnnen, und ſeine Dichtigkeit iſt alſo nun nicht ſo groß, als ſie der Waͤrme gemaͤß ſein koͤnnte. Es laͤßt ſich aus den angeſtellten Verſuchen ſchließen, daß die Elaſticitaͤt ſich dann zu der bei der groͤßeſten Dichtigkeit eintretenden verhaͤlt, wie dieſe Dichtigkeiten ſelbſt. Haͤtte man alſo beobachtet, daß bei 50° Cent. der letzte Tropfen Waſſer verſchwand, und ließe nun die Erhitzung bis 100° Cent. ſteigen, ſo wuͤrde man, wenn der Raum, welchen der Dampf einnimmt, noch immer gleich waͤre, ſagen: Der Dampf von 100° ſollte 7⅕ mal ſo dicht ſein, als Dampf von 50°, und dann wuͤrde ſeine Spannkraft 28 Zoll betragen; da er aber nur ſo dicht iſt, als der Dampf von 50° es ſchon war, ſo betraͤgt ſeine Elaſticitaͤt nur kaum 4 Zoll (eigentlich 28 divid. mit 7⅕ alſo 3,89 Zoll), ſo daß ſie bei der Erhitzung nur um ½ Zoll Queck - ſilberhoͤhe zugenommen hat, ſtatt daß ſie bei ſo viel hoͤherem Waͤrme - grade um 24⅔ Zoll zugenommen haͤtte, wenn Waſſer genug vor - raͤthig geweſen waͤre, um dem Dampfe die dieſer hoͤhern Tempera - tur entſprechende Dichtigkeit zu geben.
111Dieſe Betrachtungen bezogen ſich auf Daͤmpfe, die ungemiſcht mit Luft einen Raum, als eigenthuͤmliche elaſtiſche Fluͤſſigkeit, ganz allein ausfuͤllten; aber da die in der atmoſphaͤriſchen Luft befind - lichen Daͤmpfe zu wichtigen meteorologiſchen Betrachtungen Anlaß geben, ſo verdient auch die Frage, wie ſich die mit Luft gemiſchten Daͤmpfe verhalten, eine naͤhere Unterſuchung. Und hier iſt es nun hoͤchſt merkwuͤrdig, daß die Menge der Daͤmpfe gleich groß bei gleicher Temperatur iſt, es mag in dem Raume, der ſie aufnimmt, atmoſphaͤriſche Luft enthalten ſein, oder nicht. Man ſollte aller - dings glauben, erſtlich daß ein ſchon mit Luft gefuͤllter Raum nicht im Stande ſei, nun auch noch ebenſo viele Daͤmpfe, als die Tem - peratur es im leeren Raume geſtatten wuͤrde, aufzunehmen, und zweitens daß ein in der Luft enthaltener Dampf doch den Druck der umgebenden Luft auszuhalten habe und dieſem mit der gerin - geren, ihm bei niedriger Temperatur eigenen, Elaſticitaͤt nicht wi - derſtehen koͤnne; — beide Vermuthungen ſind irrig. Wir ſind daher genoͤthiget anzunehmen, daß die Daͤmpfe ſich ſo mit der Luft vereinigen, daß ſie, gleichſam zwiſchen den Lufttheilchen ihren Platz einnehmend, dem Drucke der Luft nicht ſo ausgeſetzt ſind, wie es bei dem gegenſeitigen Drucke groͤßerer Maſſen der Fall waͤre. In - dem ſo die Luft und der Dampf, ſo als ob ſie ganz unabhaͤngig von einander waͤren, den Raum erfuͤllen und ihren Druck ausuͤben, erleidet eine dem gemeinſchaftlichen Drucke beider ausgeſetzte Flaͤche eine Preſſung, die der Summe derjenigen Preſſungen gleich iſt, die von der Luft allein und vom Dampfe allein wuͤrden ausgeuͤbt wer - den. Gay-Luſſac hat, um dies genau zu zeigen, ein Inſtru - ment angewandt, das ich ſchon vorhin zu einem oberflaͤchlichen Verſuche angewandt habe, und das ich nun vollſtaͤndiger erklaͤren muß (Fig. 21.). Die weitere Roͤhre AF iſt genau getheilt, da - mit man den Raum, welchen die Luft vor der Miſchung mit Dampf und nachher einnimmt, genau vergleichen koͤnne. Sie ſteht in freier Verbindung mit der engen Roͤhre TT′, kann von oben, in - dem man die oberhalb A liegenden Stuͤcke abſchraubt, mit Queck - ſilber gefuͤllt werden, und hat unten einen Hahn W, um Queck - ſilber ausfließen zu laſſen. — Die der Beruͤhrung mit Queckſilber ausgeſetzten Theile, die nicht von Glas ſein koͤnnen, muͤſſen von polirtem Eiſen ſein, um nicht vom Queckſilber angegriffen zu wer -112 den. Der bei A aufzuſchraubende Theil beſteht aus einem groͤßern Recipienten, der mit vollkommen trockener Luft (atmoſphaͤriſcher oder einer kuͤnſtlichen Luft-Art,) gefuͤllt wird, aus einem Hahne Y, der den Zutritt der Luft bei einer Stellung geſtattet, bei der andern Stellung hindert, und aus einem zweiten Hahne R, der eben dieſe Beſtimmung hat. Man trocknet nun alle Theile des Inſtruments vollkommen, fuͤllt die Roͤhre FA und alſo zugleich auch TT′ mit ganz trockenem und keine Luft enthaltendem Queckſilber, und ſchraubt den obern Theil, in deſſen Ballon ſich voͤllig trockene Luft befindet, auf. Nun werden die Haͤhne Y, R, geoͤffnet, und zu - gleich dem Queckſilber bei W ein Ausfluß geſtattet, damit die weite Roͤhre ſich nach und nach mit trockener Luft fuͤlle. Da man das Ausfließen des Queckſilbers unterbrechen kann, wenn man will, ſo nimmt man den Augenblick wahr, da ein angemeſſener Theil AH mit Luft gefuͤllt iſt; dann ſperrt man den Hahn W und hierauf auch den Hahn R. Da die Luft aus dem Ballon austretend ſich ausdehnte, ſo iſt in AH verduͤnnte Luft, und die Oberflaͤche H iſt daher hoͤher als h; man bringt aber die Luft AH zu eben dem Grade von Elaſticitaͤt, wie die aͤußere Luft, indem man bei h Queck - ſilber zugießt, und damit inne haͤlt, wenn die hiedurch in einen engern Raum gebrachte Luft das Queckſilber in H genau ſo hoch als in h haͤlt. Jetzt iſt alſo AH mit ganz trockener Luft gefuͤllt, deren Elaſticitaͤt durch die gerade ſtatt findende Barometerhoͤhe beſtimmt wird, indem bei horizontaler Oberflaͤche Hh, der Druck der innern Luft genau dem Drucke der aͤußeren das Gleichgewicht haͤlt. Um nun Daͤmpfe in den Raum AH zu bringen, ſchraubt man den Ballon oberhalb R ab und ſchraubt dagegen einen andern Hahn an der Stelle von Y an. Dieſer Hahn Y iſt nicht durch - bohrt, ſondern hat, wie ſchon fruͤher erwaͤhnt iſt, eine kleine Ver - tiefung, die ſich, wenn man das kleine Gefaͤß oberhalb mit Waſſer fuͤllt und dieſe Vertiefung auf die obere Seite des Hahnes bringt, auch mit Waſſer fuͤllt, und, bei einer halben Umdrehung des Hah - nes in ſeiner genau ſchließenden Faſſung, dieſen Tropfen nach un - ten hin fuͤhrt, wo er, wenn der Hahn R geoͤffnet iſt, verdampft und den Raum AH mit Daͤmpfen fuͤllt. Man wiederholt das Aufneh - men eines Tropfens und das Hinabfuͤhren zum Verdampfen ſo lange bis keine neue Dampf-Erzeugung, die ſich durch ein Hinab -113 draͤngen der Queckſilberflaͤche H kenntlich macht, mehr eintritt; alsdann iſt man ſicher, daß die Saͤttigung eingetreten iſt, das heißt, daß ein Dampf von der groͤßeſten Dichtigkeit, die bei dieſer Temperatur erreicht werden kann, in AH vorhanden iſt. Aber da durch den hinzu gekommenen Dampf die Luft das Queckſilber bei H herab, bei h hinauf gedraͤngt hat, ſo uͤben die vermiſchten elaſti - ſchen Fluͤſſigkeiten einen etwas groͤßern Druck als den der Atmo - ſphaͤre aus; es iſt daher vortheilhaft, mit großer Vorſicht ein wenig Queckſilber bei W ausfließen zu laſſen, damit die ſich ausdehnenden elaſtiſchen Fluͤſſigkeiten AH zu dem genauen Drucke der Atmoſphaͤre zuruͤckgefuͤhrt werden; man muß wohl Achtung geben, den Hahn W in dem Augenblicke zu ſchließen, wo beide Oberflaͤchen H, h, genau gleich hoch ſtehen; dann uͤbt wieder die feuchte Luft eben den Druck aus, den vorhin die trockene ausuͤbte, der naͤmlich dem Ba - rometerſtande entſpricht.
Um ein der Natur gemaͤßes Zahlenbeiſpiel anzunehmen, will ich vorausſetzen, man ſtelle den Verſuch in einem bis auf 23° R. (28¾° Cent.) erwaͤrmten Zimmer an, und die trockene Luft habe gerade 27 Theile eingenommen, als ihr Druck dem Drucke der aͤußern Luft gleich war, dieſer Druck aber entſpreche genau der Barometerhoͤhe von 28 Zoll; dann wird man nach Vollendung des Verſuches die feuchte Luft 28 Theile einnehmen ſehen. Es iſt naͤmlich die Elaſticitaͤt eines Waſſerdampfs von groͤßter Dichtigkeit bei 23° R. gerade 1 Zoll, die Elaſticitaͤt einer von 27 Theilen auf 28 Theile ausgedehnten Luft aber = 27 Zoll, wenn ſie bei ihrer erſten Dichtigkeit = 28 Zoll war; die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe erſetzt alſo genau den Druck, der wegen der Ausdehnung der Luft um 1 Zoll geringer haͤtte ausfallen ſollen.
Nach dieſer vielleicht etwas zu ſtrengen Darſtellung des Be - weiſes, daß die Elaſticitaͤt des Dampfes ſich ganz genau als die Elaſticitaͤt der Luft verſtaͤrkend zeigt, daß die Daͤmpfe ihre Wirkung in der Luft genau ſo wie im luftleeren Raume ausuͤben, wenn ſie gleich in der Luft ſich etwas langſam, im leeren Raume ſehr ſchnell entwickeln, will ich nun auch nur noch eine einzige Bemerkung uͤber die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe beifuͤgen. Ich muß Sie, um dieſe einzuleiten, an die fruͤher bewieſene Behauptung erinnern, daß die Daͤmpfe einer nicht ſo leicht kochenden Fluͤſſigkeit bei gleicher WaͤrmeIII. H114weniger Elaſticitaͤt beſitzen, als die Daͤmpfe einer bei geringerer Waͤrme kochenden Fluͤſſigkeit; da nun Salzwaſſer erſt bei etwas hoͤherer Temperatur zum Kochen koͤmmt als reines Waſſer, ſo muͤſſen die Daͤmpfe des ſalzigen Waſſers etwas weniger Elaſticitaͤt beſitzen, als die des ſuͤßen Waſſers. Der Schluß iſt keinem Zweifel unterworfen; aber bekanntlich ſteigt in den Daͤmpfen des ſalzigen Waſſers kein Salz mit auf, ſondern die Daͤmpfe geben ſuͤßes Waſſer; — warum ſind denn alſo dieſe Daͤmpfe gleichwohl an Elaſticitaͤt von denen verſchieden, die ohne Zuſatz von Salz zum Waſſer entſtanden ſind? Der Grund muß wohl der ſein, daß das im Waſſer enthaltene Salz gleichſam mit dem Waͤrmeſtoffe um den Beſitz des Waſſers ſtreitet; der Waͤrmeſtoff kann ſich nicht mit der ganzen Quantitaͤt Waſſer verbinden, die ihm bei reinem Waſſer zukaͤme, ſondern das Salz fordert einen Theil hievon, und daher iſt der Salzwaſſerdampf, bei gleicher Temperatur und ſo lange er ſich uͤber dem noch uͤbrigen ſalzigen Waſſer befindet, ein wenig duͤnner, obgleich der Dampf kein merkbares Theilchen Salz mit fortfuͤhrt.
Daß auch die Beſtimmung, wie viel Waſſer denn in Daͤmpfen von beſtimmter Elaſticitaͤt enthalten iſt, von Wichtigkeit ſei, brauche ich kaum zu bemerken, und ſpaͤtere Betrachtungen werden es noch mehr zeigen. Das einfachſte Mittel, um zuerſt die Dichtigkeit der Daͤmpfe des kochenden Waſſers zu finden, iſt das von G. G. Schmidt angewandte, daß man in einem Glasgefaͤße, welches nur eine kleine Oeffnung hat, und dieſe roͤhrenfoͤrmig ausgezogen, um ſie ſchnell an der Lampe zuſchmelzen zu koͤnnen, Waſſer zum Kochen bringt, und in dem Augenblicke, wo der letzte Tropfen ver - kocht, die Oeffnung zuſchmelzt. Wenn man dann das Gefaͤß abwaͤgt, und dieſes Gewicht mit dem vergleicht, welches bei vollkommener Anfuͤllung mit Waſſer von gegebener Temperatur ſtatt findet, ſo kennt man, weil man ja auch das Gewicht des leeren Gefaͤßes beſtimmen kann, das Verhaͤltniß des Gewichtes der Daͤmpfe zu dem Gewichte des Waſſers und folglich auch zu dem Gewichte trockener Luft. Die Dichtigkeit der Waſſerdaͤmpfe bei niedrigern Temperaturen hat man durch ein anderes Verfahren beſtimmt. Der ungeloͤſchte Kalk hat die Eigenſchaft aus feuchter Luft alle115 Daͤmpfe an ſich zu ziehen; wenn man alſo ein Gefaͤß ſo mit einem Raume, worin Waſſer bei beſtimmter Temperatur verdampft, in Verbindung ſetzt, daß jenes ſich mit Daͤmpfen fuͤllt, dann aber den Zutritt neuer Daͤmpfe hemmt und eine abgewogene Quantitaͤt ungeloͤſchten Kalk hineinbringt, ſo zeigt die Gewichtszunahme des Kalks, nachdem er die Feuchtigkeit aufgenommen hat, wie viel Waſſer als Dampf in jenem Raume enthalten war.
Genauer als dieſe Verſuche ſind indeß die von Gay-Luſ - ſac ſowohl als von Muncke angeſtellten. In einem mit voͤllig ausgetrockneter Luft gefuͤllten Glasgefaͤße waren kleine hohle Glas - kugeln, die mit einer abgewogenen Menge Waſſer gefuͤllt und dann zugeſchmolzen worden, ſo gelegt, daß man ſie in dem geſchloſſenen Raume zerſchlagen konnte. Indem man nun Achtung gab, bei welchem Waͤrmegrade dieſes, nun mit der trockenen Luft in Be - ruͤhrung gekommene, Waſſer gerade eben in Dampf verwandelt war, kannte man die Dichtigkeit des dieſer Temperatur entſprechen - den Dampfes, naͤmlich des Dampfes, welcher die groͤßeſte Dichtig - keit hat, die bei dieſer Waͤrme ſtatt finden kann. War zum Bei - ſpiel das Gefaͤß ſo groß, daß es 11760 Gran Waſſer (von 4° Temperatur, wo das Waſſer die groͤßte Dichtigkeit hat,) faßte, und fand man, daß 1 Gran Waſſer genau bei 50° Cent. verdampft war, ſo ſah man, daß Dampf von der groͤßten Dichtigkeit bei 50° Cent. = $$\frac{1}{11760}$$ = 0,000085 der Dichtigkeit jenes Waſſers hat. Ein Dampf von dieſer Waͤrme beſitzt eine Elaſticitaͤt, die 3,37 Zoll Queckſilber das Gleichgewicht haͤlt; und Luft von dieſer Waͤrme hat die Dichtigkeit = $$\frac{1}{917}$$ bei einer Elaſticitaͤt = 28 Zoll Queckſilber, alſo eine Dichtigkeit = $$\frac{1}{7620}$$ = 0,000131 bei einer Elaſticitaͤt = 3,37 Zoll Queckſilber; die Dichtigkeit = 0,000085 jenes Dampfes iſt alſo beinahe $$\frac{10}{16}$$ der Dichtigkeit einer ebenſo war - men und ebenſo viel Druck ausuͤbenden Luft*)Wenn (nach der Angabe I. Th. S. 260.) Luft von 0° Waͤrme und 28 Zoll Elaſticitaͤt $$\frac{1}{772}$$ der Dichtigkeit des Waſſers beſitzt, ſo hat Luft von 40° R. (50° Cent.) nur $$\frac{213}{253}$$ dieſer Dichtigkeit (vergl. I. Th. S. 216. 217. III. Th. S. 16.) alſo = $$\frac{1}{917}$$ bei 28 Zoll Druck; aber nur eine Dichtigkeit = $$\frac{1}{917}$$ ⋅ $$\frac{3,37}{28}$$ = $$\frac{1}{7620}$$ bei 3,37 Zoll Druck, und $$\frac{1}{11760}$$ iſt = $$\frac{1}{1,54}$$ ⋅ $$\frac{1}{7620}$$ ; alſo die Luft 1,54 mal ſo dicht als der ebenſo warme und ebenſo elaſtiſche Dampf, wofuͤr oben 1,6 geſetzt iſt.
H 2116Alle dieſe Verſuche ſtimmen, wenn man auf kleine, hier wohl unvermeidliche, Unterſchiede nicht ſieht, dahin uͤberein, daß, wenn man die Rechnung fuͤr jede Temperatur ebenſo fuͤhrt, immer die Verhaͤltnißzahl ⅝ oder 1 zu 1,6 fuͤr die Dichtigkeit des Waſſer - dampfes gegen ebenſo warme und eine gleiche Elaſticitaͤt beſitzende Luft hervorgeht.
Einen Zweifel, der in Beziehung auf die Dichtigkeit der Daͤm - pfe Ihnen aufſtoßen koͤnnte, muß ich noch bemerken. Es koͤnnte ſcheinen, als ob bei einer Compreſſion des Waſſerdampfes durch einen Kolben ſeine Dichtigkeit ebenſo wie die Dichtigkeit der zuſam - mengepreßten Luft zunehmen muͤßte; aber das iſt nicht der Fall, ſondern wenn ein Cylinder, in welchem ſich noch Waſſer befindet, mit Dampf von der groͤßeſten Dichtigkeit gefuͤllt iſt, und nun ein Kolben den Dampf auf einen engern Raum beſchraͤnkt, ſo ſchlaͤgt ſich, bei gleich bleibender Waͤrme, tropfbares Waſſer nieder, und der uͤbrige Raum bleibt nur noch mit Dampf von der vorigen Dichtigkeit gefuͤllt. Wenn der Dampf ſich auf dieſe Weiſe nieder - ſchlaͤgt, ſo fuͤllt ſich der ganze Raum mit ſichtbarem Dunſte, wel - cher an den Waͤnden des Gefaͤßes, indem die in ihm latent gewe - ſene Waͤrme entweicht, ſich in feinen Waſſertroͤpfchen niederſchlaͤgt. Bei der Compreſſion eines Dampfes, der wegen Mangel an Waſſer nicht ſeine groͤßte, der ſtatt findenden Waͤrme entſprechende, Dich - tigkeit hat erreichen koͤnnen, verhaͤlt es ſich anders; da naͤmlich tritt der Dunſt - und Waſſerniederſchlag erſt dann ein, wenn bei der Compreſſion jener Punct der groͤßeſten Dichtigkeit uͤberſchritten iſt; ehe dieſer erreicht iſt, behaͤlt der, in Vergleichung gegen ſeinen fruͤhern Zuſtand, etwas verdichtete Dampf noch immer ſeine Durch - ſichtigkeit und erlangt nach dem Maaße der Verdichtung eine groͤßere Elaſticitaͤt.
So wie in dem eben erwaͤhnten Falle der Dampf von groͤße - ſter Dichtigkeit bei der Compreſſion ſogleich in Dunſt und Waſſer verwandelt wird, ſo geſchieht es auch bei der geringſten Abkuͤhlung. Wir ſehen dies bei dem frei hervorgehenden Dampfe an der Ober - flaͤche heißen Waſſers, wo unmittelbar auf der Oberflaͤche der ſehr heiße Dampf vollkommen durchſichtig iſt, in geringer Entfernung aber, wo die Dichtigkeit des Dampfes noch wenig veraͤndert iſt, ein Dunſt ſichtbar wird, weil bei der eintretenden Abkuͤhlung ein117 Dampf von dieſer Dichtigkeit nicht mehr als durchſichtiger Dampf beſtehen kann; in weiterer Entfernung wird dieſer Dunſt wieder unſichtbar, indem der in einen groͤßern Raum ausgebreitete Dampf denjenigen Grad von Verduͤnnung erreicht, der einem bei der Waͤrme der Atmoſphaͤre gebildeten Dampfe entſpricht. — Das niederge - ſchlagene Waſſer in den Dunſttheilchen geht durch neue Verdam - pfung in den elaſtiſchen Dampfzuſtand uͤber.
Daß man durch aͤhnliche Verſuche die Dichtigkeit des Alcohol - dampfes, des Dampfes von Schwefel-Aether u. ſ. w. gefunden hat, erwaͤhne ich nur kurz, und fuͤge nur noch eine Bemerkung uͤber die Daͤmpfe des Queckſilbers hinzu. Da ohne Zweifel in dem leeren Raume des Barometers, (im Torricelliſchen Vacuum) ſich Queckſilberdaͤmpfe entwickeln, die ſich zuweilen ſogar dadurch kennt - lich machen, daß feine Queckſilbertroͤpfchen ſich oben an der Roͤhre anlegen, ſo ſcheint die Beſorgniß zu entſtehen, daß dieſe durch ihre Elaſticitaͤt den Stand des Barometers erniedrigen moͤchten. Dieſe Beſorgniß iſt ungegruͤndet; denn da man findet, daß Alcoholdampf bei einer Waͤrme von 40 Graden unter dem Kochpuncte des Al - cohol, und Aetherdampf bei einer Waͤrme von 40 Gr. unter dem Kochpuncte des Aethers, ziemlich eben die Elaſticitaͤt haben, wie Waſſerdampf bei einer Waͤrme von 40 Gr. unter dem Kochpuncte des Waſſers, ſo ſchließt man, wenn gleich dieſe Regel nur obenhin richtig iſt, daß Queckſilber von 56° Cent. nur Daͤmpfe von eben der Elaſticitaͤt wie Waſſer von - 200° Cent. hervorbringen muß, oder daß bei 300° Cent. unter dem Kochpuncte beider Fluͤſſigkeiten die Elaſticitaͤten gleich ſind. Aber die Elaſticitaͤt eines ſo unge - mein kalten Waſſerdampfes wuͤrde kein Zehntauſendtel Linie Queck - ſilber mehr tragen, alſo wird auch jener Queckſilberdampf unſere Beobachtungen nie unrichtig machen.
Daß der Dampf durch Waͤrme-Aufwand entſteht, habe ich ſchon zu Anfang bemerkt, und es iſt nicht ſchwer dieſen Waͤrme - Aufwand genauer zu beſtimmen. Die uͤber dem kochenden Waſſer ſich erhebenden Daͤmpfe zeigen ſich, wenn man ein Thermometer in ihnen aufſtellt, ebenſo warm als das kochende Waſſer ſelbſt; aber ihre Hervorbringung fordert eine große Menge Waͤrme, und118 eben dieſe Waͤrme findet man auch wieder, wenn man Daͤmpfe zur Erwaͤrmung kalter Koͤrper anwendet. Miſcht man 1 Pfund Waſſer von 100° Cent. mit 1 Pfunde Waſſer von 10° Cent., ſo iſt die Temperatur der Miſchung 55°; aber wenn man Waſſer - daͤmpfe von 100° in Waſſer von 10° uͤbergehen laͤßt, ſo bedarf es lange keines Pfundes Dampf, um die Miſchung zu 55° Waͤrme zu bringen. Sie uͤberſehen leicht, daß ein Verſuch, ſo angeſtellt, daß man die kochend heißen Daͤmpfe in kaltes Waſſer hinein leitet, und dann die aufgewandte Dampfmenge durch Abwaͤgen vor und nach dem Verſuche, und zugleich die Erwaͤrmung beſtimmt, die latente Waͤrme der Daͤmpfe geben muß. Haͤtte man z. B. gefun - den, daß 61 Gewichttheile Waſſer von 20° C. ein Zuſtroͤmen von einem Gewichttheile Waſſerdampf von 100° C. forderten, um jenes Waſſer auf 50° C. zu bringen; ſo wuͤrde man ſchließen, da 61 Theile um 10 Grade erhitzt ſind, ſo wuͤrde 1 Theil um 610 Grade erhitzt ſein; der eine Gewichttheil Dampf gab alſo 610 Grade Waͤrme her, und da er dabei nur um 70 Gr., naͤmlich von 100 bis 30, abgekuͤhlt wurde, ſo mußten die uͤbrigen 540° Cent. (432° R.) dadurch hervorgehen, daß der Dampf in Waſſer ver - wandelt wurde, oder aus der latenten Waͤrme des Dampfes hervor - gehen. So wie alſo 1 Pfund Eis zum Schmelzen ebenſo viel Waͤrme verbraucht, als 1 Pfund Waſſer, um 75° Cent. erhitzt zu werden, ebenſo fordert 1 Pfund Waſſer, um in Dampf verwan - delt zu werden, ebenſo viel Waͤrme, als noͤthig iſt, um 10 Pfund Waſſer um 54° C. oder um 1 Pf. Waſſer um 540 Gr. Cent. (432° R.) zu erhitzen. Die Anwendung des Eis-Apparats giebt eben dieſes Reſultat.
Ob dieſe latente Waͤrme der Daͤmpfe immer gleich bleibe, auch bei hoͤhern Temperaturen; ob die Wirkung der ſtark erhitzten und daher ſehr elaſtiſchen Daͤmpfe mehr betrage als dem einfachen Verhaͤltniſſe des aufgewendeten Feuermaterials angemeſſen iſt? — dieſe und noch mehrere aͤhnliche Fragen darf ich hier wohl uͤber - gehen, doch bemerke ich, daß die bisherigen Verſuche fuͤr eine genau dem Aufwande an Feuermaterial angemeſſene Wirkung ſprechen.
So ſehr auch die Lehre von der Waͤrme uͤberhaupt mit den Beduͤrfniſſen und Geſchaͤften des buͤrgerlichen Lebens in Verbin - dung ſteht, ſo iſt doch wohl kein Theil derſelben, der zahlreichere und auffallendere Anwendungen darboͤte, als die Lehre von den Daͤmpfen. Ich will mit den minder großen Anwendungen anfan - gen und dann zu den Dampfmaſchinen, als der erfolgreichſten Anwendung, uͤbergehen.
Daß man die Daͤmpfe zum Erwaͤrmen, zum Trocknen, zum Heitzen von Zimmern, anwenden kann, iſt offenbar, und dieſe An - wendung wird vorzuͤglich da vortheilhaft, wo irgend eine Art von Fabrication das Hervorgehen von Daͤmpfen bewirkt, und wo man daher keinen eignen Aufwand von Brennmaterial zur Erwaͤrmung noͤthig hat. Man leitet zu dieſem Zwecke die Daͤmpfe in Roͤhren, deren Oberflaͤche nicht polirt iſt, fort, weil die ſtrahlende Waͤrme dann beſſer in die zu heitzenden Raͤume ausſtroͤmt; man kann bei dieſer Einrichtung die Roͤhren am Fußboden der Zimmer und durch die ganze Laͤnge der Zimmer fortleiten, wodurch der Vortheil einer, beſonders im unteren Theile der Luft ſtatt findenden, und einer gleichfoͤrmigen Erwaͤrmung, erreicht wird. Da der Dampf, indem er ſich in den Roͤhren abkuͤhlt, in Waſſer verwandelt wird, ſo muͤſſen die Roͤhren etwas geneigt liegen, um dem Waſſer einen Zuruͤckfluß in den Keſſel zu geſtatten. Dieſe Heitzung gewaͤhrt ſofern eine Sicherung gegen Feuersgefahr, als man bei einer durch viele Theile eines großen Gebaͤudes gehenden Heitzung nicht mehr als ein Feuer, das man in einem ſehr wohl verwahrten Raume anbringen kann, noͤthig hat, ſtatt daß ſonſt alle einzelnen Feuer gleiche Aufmerkſamkeit fordern. In manchen Faͤllen iſt auch das eine Annehmlichkeit, daß die Roͤhren nie ſo brennend heiß werden, als bei unmittelbarer Heitzung durch Feuer. Dieſe Annehmlichkeit iſt beſonders da von Wichtigkeit, wo man in Fabriken Gegenſtaͤnde120 irgend einer Art durch das Anhaͤufen um dieſe Roͤhren oder durch das Aufhaͤngen an denſelben trocknen will, indem da ein ſtaͤrkerer Waͤrmegrad leicht Beſchaͤdigung hervorbringt.
Durch die Zuleitung der Daͤmpfe in Gefaͤße, die nicht ſelbſt auf dem Feuer ſtehen, kann man die in denſelben enthaltenen Ge - genſtaͤnde erwaͤrmen, und hat dabei den Vortheil, nicht bloß ſich eines hoͤlzernen Gefaͤßes, das man nicht dem Feuer unmittelbar ausſetzen duͤrfte, bedienen zu koͤnnen, ſondern auch leichter denjeni - gen maͤßigen Grad von Waͤrme zu erhalten, der zu irgend einem Zwecke erforderlich iſt. Wenn die Daͤmpfe in großer Menge zu - ſtroͤmen, ſo kann man mit Waſſerdaͤmpfen Waſſer zum Kochen bringen.
Man hat die Vortheile des im Dampfe Kochens oft geruͤhmt. Dieſes im Dampfe Kochen beſteht darin, daß in dem Topfe ſich, etwa in der halben Hoͤhe, ein durchloͤcherter Boden befindet, auf welchen man die zu kochenden Speiſen legt, waͤhrend Waſſer oder auch Fleiſch im Waſſer ſich im unteren Theile des Topfes befindet. So werden jene Speiſen nur von dem Dampfe durchdrungen, was in manchen Faͤllen vortheilhafter ſein ſoll. Ein ſolcher Topf muß ziemlich dicht verſchloſſen ſein, damit nicht durch das Entweichen zu vielen Dampfes ein oͤfteres Nachfuͤllen neuen Waſſers noͤthig werde. Der Zweck der voͤllig geſchloſſenen Kochgefaͤße, der Rum - fordſchen Toͤpfe, iſt ein anderer, naͤmlich der, bei gehinderter Ver - dampfung die Waͤrme zu verſtaͤrken, und dieſe Einrichtung der Kochgefaͤße iſt daher Holz erſparend, weil bei dem Kochen in offenen Gefaͤßen eine große Menge Hitze zum Entſtehen des verloren gehen - den Dampfes verwandt wird, hier hingegen dieſe Waͤrme zugleich dazu wirkt, groͤßere Hitze hervorzubringen und dadurch die gewoͤhn - lichen Erfolge des Kochens ſchneller, zugleich aber noch groͤßere Wir - kungen, ein Zerkochen von Knochen u. ſ. w., hervorzubringen. Auch fuͤr das gewoͤhnliche Kochen knuͤpft ſich eine Regel an die Bemer - kung, daß eine ſtarke Dampf-Erzeugung unnuͤtzen Waͤrme-Auf - wand fordert, naͤmlich die, daß man ein zwar ununterbrochenes, aber nie ſehr heftiges Kochen anwenden muß, indem bei dem letz - tern der Waͤrmegrad nicht merklich erhoͤhet wird, waͤhrend die vielen verloren gehenden Daͤmpfe Waͤrme unnuͤtz fortfuͤhren. Geſalzenes Waſſer nimmt beim Kochen etwas mehr Waͤrme an, eine Schichte121 von Fett auf der Oberflaͤche hindert das Kochen noch etwas laͤnger, oder bewirkt, daß eine groͤßere Waͤrme eintritt, ehe das geſalzene und mit Fett bedeckte Waſſer zum Kochen koͤmmt; — ſchon durch dieſe Wirkung tragen jene beiden Umſtaͤnde bei, ein beſſeres Weich - werden der Speiſen zu bewirken.
Die Chemiker bedienen ſich des Erhitzens im Marienbade, da - mit der zu erhitzende Koͤrper gewiß nicht einer groͤßern Hitze, als der Kochwaͤrme des Waſſers ausgeſetzt werde; — dieſes Marienbad iſt naͤmlich ein Gefaͤß mit kochendem Waſſer, in welchem dasjenige Gefaͤß aufgeſtellt iſt, worin ſich der zu erhitzende Koͤrper befindet.
Die Deſtillation gruͤndet ſich auf die Eigenſchaft der Fluͤſſig - keiten, ſich bei beſtimmten Waͤrmegraden in Dampf zu verwan - deln, und bei geringerer Waͤrme ſich wieder als tropfbare Fluͤſſigkeit niederzuſchlagen. Man bringt daher unter dem Gefaͤße, wo die der Deſtillation zu unterwerfende Fluͤſſigkeit ſich befindet, Feuer an, und leitet dann die Daͤmpfe in das mit kaltem Waſſer oder allen - falls mit Eis umgebene Kuͤhlgefaͤß, wo die uͤbergegangenen Daͤmpfe ſich als tropfbare Fluͤſſigkeit darſtellen. Der Zweck des Deſtillirens iſt gewoͤhnlich, eine leichter verdampfende Subſtanz von der ſchwerer verdampfenden zu trennen. Man deſtillirt daher den Wein, um aus ihm Weingeiſt zu gewinnen; denn da der Dampf des Wein - geiſtes in der Kuͤhlroͤhre noch als Dampf fortgeht, wenn das mit aufgeſtiegene Waſſer ſich ſchon niederſchlaͤgt, ſo erhaͤlt man den Weingeiſt deſto gereinigter, deſto ſtaͤrker und von deſto geringerm ſpecifiſchen Gewichte, je mehr man die Einrichtung ſo macht, daß die weniger elaſtiſchen Waſſerdaͤmpfe ſich, fruͤher niedergeſchlagen, abſondern. Will man eine ſolche Deſtillation bei geringerer Waͤrme bewirken, ſo muß man ſie in luftleeren Gefaͤßen vollbringen. Man macht dann die Einrichtung ſo, daß aus dem Raume uͤber der zu deſtillirenden Fluͤſſigkeit durch Waſſerdaͤmpfe, die man durch eine Seitenroͤhre einlaͤßt, die Luft ausgetrieben wird, indem man der Luft und den ſiedend heißen Daͤmpfen durch eine andre Roͤhre einen Ausgang geſtattet; hat man die Luft ausgetrieben, ſo ſchließt man jene beiden Roͤhren, und da alsdann, bei geringerer Waͤrme, we - gen des mangelnden Luftdruckes, die Ausduͤnſtung lebhaft fortgeht, ſo hat man nur noͤthig, die Kuͤhlroͤhre oder das Gefaͤß, worin das Deſtillat ſich ſammeln ſoll, mit Eis zu umgeben, damit dort der in122 dem andern Gefaͤße entſtandene Dampf ſich niederſchlage und im - mer neuer Verdampfung in jenem Gefaͤße Raum gebe. Auf dieſe Weiſe kann man ſelbſt bei ſehr niedrigen Temperaturen deſtilliren, was den Vortheil hat, theils ſogar ohne allen kuͤnſtlichen Waͤrme - Aufwand den Zweck zu erreichen, theils da, wo große Hitze nach - theilige Veraͤnderungen hervorbringen koͤnnte, dieſe zu vermeiden.
In ſchwaͤcherm Maaße findet ſelbſt im luftvollen Raume eine Deſtillation auch bei geringer Waͤrme ſtatt. Stellt man naͤmlich die Kuͤhlroͤhre A und das zum Aufnehmen des Deſtillats beſtimmte Gefaͤß B (Fig. 26.) in eine ſehr ſtark abkuͤhlende Eismiſchung, ſo ſchlagen ſich die bei gewoͤhnlicher Waͤrme in C erzeugten Daͤmpfe in B und A nieder, und waͤhrend ſich in C immer neue Daͤmpfe bilden, ſammelt ſich die uͤbergegangene Fluͤſſigkeit in dem Gefaͤße B.
Wenn man Waſſer in einem metallenen Gefaͤße, das oben nur eine enge Roͤhre zum Auslaſſen des Dampfes hat, erhitzt; ſo dringt der Dampf aus der Roͤhre mit bedeutender Gewalt, als heißer Wind, hervor, und man hat alſo eine Windkugel oder Aeolipile. Noch heftiger iſt dieſes Hervorbringen, wenn man ein ſehr ſtarkes ganz geſchloſſenes, aber mit einem Hahne verſehe - nes, Gefaͤß, den Papinianiſchen Topf, ſo erhitzt, daß die Daͤmpfe eine viel groͤßere Hitze und Elaſticitaͤt erlangen, als beim freien Kochen; oͤffnet man naͤmlich da den an dem obern Theile des Ge - faͤßes angebrachten Hahn, ſo dringen die Daͤmpfe mit der groͤßeſten Gewalt, ſo daß ſie einen hoch hinaufgehenden Dampfſtrahl bilden, hervor. Damit man zugleich einen belehrenden Verſuch mit dem Papinianiſchen Topfe anſtellen koͤnne, iſt es gut, ein in den Dampf - raum reichendes Thermometer A und ein durch Compreſſion der Luft den Druck abmeſſendes Barometer B anzubringen (Fig. 27.). Um aber vor dem Zerſprengen des Topfes ſicher zu ſein, muß man auch ein Sicherheitsventil C anbringen, das ſich bei zu ſtarkem Drucke von ſelbſt oͤffnet. Jene Dampfkugel laͤßt ſich mit Wein - geiſt gefuͤllt zum Geblaͤſe, wenn dieſes eine Flamme anfachen ſoll, brauchen, wenn man den Weingeiſtdampf auf die Flamme zu ſtroͤ - men laͤßt, wo dann der Weingeiſtdampf ſelbſt mit verbrennt. Mit Weingeiſt giebt die Dampfkugel noch zu einem angenehmen Expe -123 rimente anderer Art Gelegenheit. Man ſchraubt naͤmlich, nach - dem die Dampfkugel groͤßten Theils mit Weingeiſt gefuͤllt iſt, eine bis beinahe auf den Boden des Gefaͤßes reichende und oben als enge Sprungroͤhre hervorgehende Roͤhre AB (Fig. 28.) an, ſetzt dann die Kugel auf eine hinreichend erhitzende Flamme, und bewirkt nun, indem der Raum CD ſich mit elaſtiſchem Dampfe fuͤllt, ein Her - vorſpringen des erhitzten Weingeiſtes bei B. Zuͤndet man den hervorſpritzenden Weingeiſt an, ſo bildet er eine Feuer-Fontaine.
Aber vielſeitiger und eben dadurch wichtiger als alle bisher angefuͤhrten Anwendungen des Waſſerdampfes iſt die Anwendung ſeiner Elaſticitaͤt zum Bewegen der Maſchinen. Die Dampfma - ſchinen haben durch die große Gewalt, mit welcher ſie wirken, durch ihre Unabhaͤngigkeit von oͤrtlichen Umſtaͤnden, durch den kleinen Raum, den ſie, ſelbſt bei großer Wirkſamkeit, nur fordern, und durch ihre Faͤhigkeit, ſich ſelbſt fortzubewegen, alle andern Maſchi - nen in Schatten geſtellt. Das Princip ihrer Wirkſamkeit iſt ein ſehr einfaches. In einem Cylinder, der ſich von dem Dampfkeſſel aus mit Dampf anfuͤllt, befindet ſich ein beweglicher Kolben, den die Elaſticitaͤt des Dampfes fortſchiebt; hat er den Punct erreicht, bis zu welchem er vorruͤcken ſoll, ſo verſchließt man den Zutritt des Dampfes und kuͤhlt dieſen ab, damit der Druck der Atmoſphaͤre den Kolben zuruͤckdraͤnge, oder leitet den Dampf nach der andern Seite des Kolbens, damit der Dampf ſelbſt das Zuruͤckdraͤngen bewirke; — ſo hat man die ganze Haupt-Anordnung der Dampf - maſchine.
Schon am Ende des vorletzten Jahrhunderts machten Pa - pin und Savery die Bemerkung, daß die große Gewalt der Daͤmpfe dieſe zur Betreibung von Maſchinen anwendbar mache, und unvollkommene Dampfmaſchinen wurden bald nachher verfer - tigt. Die Bemerkung, daß der abgekuͤhlte Dampf ſeine Elaſticitaͤt faſt voͤllig verliere, leitete auf den Gedanken, nur das Fortſchieben des Kolbens nach der einen Richtung durch die Kraft der Daͤmpfe zu bewirken, und nach der Zerſtoͤrung des Dampfes durch Abkuͤh - lung, dem Luftdrucke die Zuruͤckfuͤhrung des Kolbens zu ſeiner erſten Stellung zu uͤberlaſſen. Man brachte daher zwei Haͤhne124 an, die beide zu dem Raume fuͤhrten, welcher zwiſchen dem Dampf - keſſel und dem Kolben liegt, und deren einer den heißen Dampf, der andre kaltes Waſſer einließ; dieſe wurden abwechſelnd geoͤffnet und geſchloſſen, ſo daß der Dampfhahn offen blieb ſo lange der Kolben ſich von dem Dampfkeſſel entfernte, aber ſich ſchloß, wenn der Kol - ben die Grenze ſeines Vorruͤckens erreicht hatte, dagegen der Hahn, welcher kaltes Waſſer einſpruͤtzen ließ, nun geoͤffnet wurde, und geſchloſſen blieb ſo lange neuer Dampf einſtroͤmte. Man kam bald auf Einrichtungen, wodurch die Steuerung dieſer Haͤhne, ihre rich - tige Oeffnung und Schließung, durch die Maſchine ſelbſt hervor - gebracht ward; aber ein großer Nachtheil war unvermeidlich mit dieſer Einrichtung verbunden, naͤmlich die ſtets erneuerte Kaͤlte des Cylinders, welcher durch den wieder eintretenden Dampf erſt wieder erwaͤrmt werden mußte, dadurch aber mehr Aufwand an Feuer forderte. Ein Mittel, dieſer ſteten Zerſtoͤrung des Dampfes aus - zuweichen, mußte daher als eine große Verbeſſerung der Dampf - maſchine angeſehen werden, und dieſes erfand Watt, indem er dem Dampfe eine doppelte Leitung gab, um aus dem Dampfkeſſel ſowohl auf die eine als auf die andre Seite des Kolbens zu gelan - gen, und indem er, waͤhrend der Dampf auf die eine Seite wirken ſollte, dem bis dahin an der andern Seite eingeſchloſſenen Dampfe einen freien Uebergang in die Luft oder in einen abgeſondert liegen - den kalten Condenſator geſtattete. Da der Zweck der Dampfma - ſchine fordert, nicht allein daß eine Bewegung anderer Maſchinen, die Hebung und Senkung von Pumpenkolben, die Drehung von Muͤhlen, Raͤdern u. ſ. w. bewirkt werde, ſondern auch daß die Steuerung der den Zutritt des Dampfes regulirenden Haͤhne, daß die Zufuͤhrung neuen Waſſers in den Dampfkeſſel und alles, was die Maſchine ſelbſt bedarf, durch jenen vermittelſt des Dampfes in Bewegung geſetzten Kolben hervorgebracht werde; ſo iſt die ganze Maſchine faſt nothwendig ſehr zuſammengeſetzt. Ich begnuͤge mich daher, Sie nur auf die Haupttheile aufmerkſam zu machen. Die Dampfroͤhre (Fig. 29.), die von dem Keſſel N ausgeht, leitet den Dampf zu der Roͤhre DE, welche bei D eine Oeffnung zum obern Theile, bei E zu dem untern Theile des Cylinders V, in welchem der Kolben W auf und nieder geht, hat. Eine zweite, neben jener liegende Roͤhre FB fuͤhrt von eben jenen Oeffnungen des Cylin -125 ders zu dem Condenſator A. Bei E und D ſind Haͤhne, welche die Leitung des Dampfes in den Cylinder abwechſelnd oͤffnen, und ſchließen, und ebenſo ſind bei F und B zwei Haͤhne fuͤr die Leitung zu dem Condenſator. Iſt nun, wie es die Figur darſtellt, der Kol - ben oben, ſo druͤckt bei a ein Vorſprung an der Stange C auf den die Haͤhne D und B regierenden Winkelhebel und beide Haͤhne e oͤffnen ſich; ein zweiter Vorſprung druͤckt auf den Anſatz b der Haͤhne E, F, die ſich dadurch beide ſchließen; ſo iſt alſo der Zufluß D des Dampfes in den Raum oberhalb des Kolbens und zugleich die Roͤhre B geoͤffnet, welche den unterhalb befindlichen Dampf in den mit kaltem Waſſer immer kalt erhaltenen Raum A leitet, und der Kolben wird herabgedruͤckt, weil der unten geſammelte Dampf, ohne erheblichen Widerſtand zu leiſten, aus dem untern Raume abfließt. Wenn der Kolben unten anlangt, ſo bringen die an der Stange C in richtiger Entfernung angebrachten Vorſpruͤnge die ent - gegengeſetzte Drehung der Haͤhne hervor, und nun iſt alſo F geoͤff - net und D geſchloſſen, das heißt, es gelangt in den obern Raum kein neuer Dampf mehr, ſondern der dort vorhandene findet freien Ausweg in den Condenſator, we l zugleich F geoͤffnet iſt, dagegen iſt dem Dampfe der Zugang nach dem untern Theile geſtattet, die Verbindung mit dem Condenſator aber bei B geſchloſſen. Die uͤbrigen Theile der Maſchine will ich nur kurz angeben. Daß bei S an dem andern Arme des Waagebalkens QT ſich die in Bewe - gung zu ſetzenden Theile der Maſchine befinden, laͤßt ſich leicht uͤber - ſehen; Q iſt eine Verbindung, welche die Kolbenſtange hindert eine ſchiefe Richtung bei dem Hin - und Hergehen des Waagebalkens QT anzunehmen; bei G wird das ſich im Condenſator ſammelnde Waſſer nach K, L gepumpt und durch die Roͤhre LM zum Erſatze des verdampften Waſſers dem Keſſel N zugefuͤhrt*)Da Fig. 29. die Theile der Maſchine noch vollſtaͤndiger zeigt, ſo wird es wohl manchen Leſern angenehm ſein, den Zweck der einzelnen Stuͤcke noch naͤher kennen zu lernen, die bei Watts Maſchinen vor - kommen, und die, wenn ſie auch bei den mannigfaltig abgeaͤnderten Dampfmaſchinen nicht ganz ſo vorkommen, doch einen Begriff von den vielen Zwecken, denen die Maſchine Genuͤge leiſtet, geben. Daß der Keſſel N in X und bis an xx mit Waſſer gefuͤllt iſt, und in ZZZ.
126Dieſe Maſchinen koͤnnen einen mehr oder mindern Druck aus - uͤben, indeß betrug bei den fruͤhern Einrichtungen die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe nicht erheblich mehr als der Druck der Atmoſphaͤre. Dampfmaſchinen von ſo geringem Drucke ſind wenigern Gefahren ausgeſetzt, aber wenn ſie bedeutende Wirkung leiſten ſollen, ſo muß der Kolben ſehr groß ſein, indem zum Beiſpiel, wenn der Dampf gerade den Druck von 15 Pfund auf den Quadratzoll, einen Druck ungefaͤhr dem der Atmoſphaͤre gleich, ausuͤbt, der Kolben 1000 Quadratzoll Flaͤche, beinahe 3 Fuß Durchmeſſer, haben muß, um*)vom Feuer umgeben iſt, erhellt leicht. Aus dem Keſſel gehen zwei Roͤhren d, e, herauf, die gewoͤhnlich verſchloſſen ſind; da die eine etwas tiefer als die dem Waſſer beſtimmte Grenze reicht, die andre nicht ganz ſo tief, ſo giebt beim Oeffnen die eine Waſſer, die andre Dampf, wenn das Waſſer ſeine richtige Hoͤhe hat; geben beide Waſſer, ſo iſt der Keſſel zu ſehr gefuͤllt, geben beide Dampf, ſo iſt zu wenig Waſſer da. Der Zu - fluß des Waſſers durch die Roͤhre LM wird vermittelſt des Schwimmers f regulirt; wenn ſich dieſer hebt, alſo das Waſſer zu hoch ſteht, ſo ſchließt der an dem kleinen Hebel gh angebrachte Schieber k den Zufluß, wel - cher ſich dagegen oͤffnet, wenn der Schwimmer zu ſehr ſinkt, in welchem Falle durch M Waſſer zufließt. Wie die Dampfroͤhre Y D den heißen Dampf in die Roͤhre DE und durch die Oeffnungen D und E in den obern und untern Theil des Cylinders V fuͤhrt, iſt oben beſchrieben; die Haͤhne D und E oͤffnen und ſchließen ſich abwechſelnd, und die mit dem Kolben herauf - und herabgehende Stange C dreht durch die Verbin - dungsſtangen aD, bE dieſe Haͤhne. Neben DE geht die Roͤhre FB in den mit kaltem Waſſer umgebenen Condenſator A herab, ihre Haͤhne F und B, durch die Stangen Fb, aB, regiert, geſtatten dem Dampfe den Abfluß, wenn er nicht mehr wirken ſoll. Die Stange C, die dieſe vier Haͤhne bewegt, dient zugleich, das etwas erwaͤrmte Waſſer aus dem Condenſator weg nach K zu bringen, damit der in der Roͤhre LL ſich bewegende Pumpenkolben dieſes Waſſer in den Keſſel zuruͤck - fuͤhre; auch dieſe Pumpe wird, weil ihre Kolbenſtange an dem Waage - balken QT haͤngt, mit in Bewegung geſetzt. Endlich zieht auch noch die Kolbenſtange R den Kolben der Pumpe P herauf, um kaltes Waſſer nach t t zu Abkuͤhlung des Condenſators zu bringen. So bringt die Maſchine ſelbſt alle die Theile in Bewegung, die zu Unterhaltung der Bewegung dienen; bei TS aber iſt die Stange, welche das Hauptrad der in Bewegung zu ſetzenden Maſchine treibt; die in einander greifen - den Raͤder bei r ſind beſtimmt, dieſe Bewegung gleichfoͤrmiger zu machen.127 15000 Pfund Kraft zu beſitzen. Es iſt daher in vieler Hinſicht vortheilhafter, Dampfmaſchinen von hohem Drucke anzuwen - den, das heißt, den Daͤmpfen eine Hitze, welche die Kochwaͤrme des Waſſers ſehr uͤbertrifft, zu geben, indem es nur dadurch moͤglich iſt, die Abmeſſungen der Maſchine, bei gleicher Wirkſamkeit, bedeu - tend zu vermindern. Dieſes hat ſelbſt in Ruͤckſicht auf den Auf - wand an Feuerungsmaterial Vortheile; denn wenn gleich die her - vorgebrachte Elaſticitaͤt des Dampfes an ſich ſelbſt nicht in ſtaͤrkerem Maaße, als der Waͤrme-Aufwand, waͤchſt, ſo laͤßt ſich doch leicht uͤberſehen, daß man bei kleinen Abmeſſungen der Maſchine den unnuͤtzen Verluſt von Waͤrme viel leichter hindern kann, als bei großen Maſchinen.
Unter dieſen Maſchinen von hohem Drucke haben ſich kuͤrzlich die von Perkins einen vorzuͤglichen Ruhm erworben, und da es hier nicht meine Abſiche ſein kann, Sie mit vielerlei Abaͤnderun - gen der Dampfmaſchine bekannt zu machen, ſo will ich nur von dieſer Perkinsſchen Maſchine noch etwas ſagen. Da hier mit einem Drucke von 35 Atmoſphaͤren, wie Perkins angiebt, gearbeitet wird, ſo muͤſſen alle Theile der Maſchine, zu welchen der Dampf waͤhrend ſeiner vollen Elaſticitaͤt Zutritt hat, ſehr ſtark gearbeitet ſein, und ſind dies in dem Grade, daß ſie einen Druck von 4000 Pfund auf den Quadratzoll, alſo von 250 Atmoſphaͤren auszuhal - ten vermoͤgen. Der Dampfkeſſel, oder wie er von Perkins genannt wird, der Generator des Dampfes AB, (Fig. 30.) ſteht mitten in dem durch ſtarkes Anblaſen kraͤftig angefachten Feuer CDE, das bei F ſeinen fernern Zug hat. Aus dem Dampf-Er - zeuger AB geht eine nach dem Cylinder fuͤhrende Roͤhre aaa, deren Ventil b ſo belaſtet iſt, daß es ſich erſt oͤffnet, wenn der Dampf 35 mal ſo ſtark als die Atmoſphaͤre druͤckt; — mit dieſer Kraft alſo wird der Kolben der Maſchine fortgetrieben. Eine zweite vom Generator ausgehende Roͤhre ccc traͤgt ein Sicherheitsventil, naͤmlich ein Ventil, das ſich oͤffnet, wenn die Daͤmpfe jenen erfor - derlichen Grad von Elaſticitaͤt bedeutend uͤberſteigen, und welches dann die zu heftig erzeugten Daͤmpfe in die freie Luft ableitet; eine dritte Roͤhre dddd, durch ein mit 37 Atmoſphaͤren belaſtetes Ventil e geſchloſſen, fuͤhrt uͤberfluͤſſigen Dampf oder uͤberfluͤſſiges Waſſer in das zu Abkuͤhlung der Daͤmpfe beſtimmte Gefaͤß GH. Eine128 vierte Roͤhre ffff ſteht mit einer ſtarken Druckpumpe I in Ver - bindung, die immerfort durch zugepumptes, ſchon warmes, Waſſer den Abgang im Dampfgenerator erſetzt; ſie muß eine Kraft von reichlich 35 Atmoſphaͤren ausuͤben, damit das zuſtroͤmende Waſſer nicht durch den ſo ſehr elaſtiſchen Dampf zuruͤckgedraͤngt werde; indeß, da ſie nur einen geringen Durchmeſſer zu haben braucht, ſo betraͤgt dieſe Kraft von 35 Atmoſphaͤren doch nicht ſo ſehr viele Pfunde, ſondern bei ¼ Zoll Durchmeſſer wuͤrden 110 Pfund Druck auf den Kolben dieſer Waſſerpumpe I zureichen. Die Zufuͤhrung der Daͤmpfe zu dem Cylinder, worin der Kolben ſich bewegt, koͤnnen Sie ſich von a aus ungefaͤhr wie bei andern Dampfmaſchi - nen vorſtellen, nur daß die Ableitung der Daͤmpfe, nach vollendeter Wirkung, durch die Roͤhre gggg nicht nach einem kalten Conden - ſator hin ſtatt findet, ſondern die in dieſem Falle ſo ſehr elaſtiſchen Daͤmpfe ſich mit hinreichender Schnelligkeit in einen bedeutend erwaͤrmten Raum GH ergießen, aus welchem dann das aus ihnen entſtandene, immer noch ſehr heiße Waſſer durch die Roͤhre hhhh jener Druckpumpe I zugefuͤhrt und ſo in den Dampfgenerator zu - ruͤckgebracht wird. K, K ſind zwei Gewichte, die vermittelſt der Hebel LK, LK bei d und b mit gehoͤriger Gewalt zudruͤcken.
Bei einer ſolchen Perkinsſchen Maſchine betrug der Durch - meſſer des die ganze Maſchine treibenden Kolbens nur 2 Zoll, aber dennoch mußte die Wirkung, welche ſie ausuͤbte, 1600 Pfund betragen. Eine ſo kleine und folglich, wenn gleich alle Theile ſehr ſtark ſein muͤſſen, dennoch nur leichte Maſchine iſt offenbar ganz geeignet, in dem engen Raume eines Dampfwagens bequem ge - braucht zu werden.
Wie man den Druck berechnet, welchen Daͤmpfe von beſtimm - ter Elaſticitaͤt auf einen Kolben von gegebener Groͤße ausuͤben, brauche ich wohl kaum zu erwaͤhnen. Sie erinnern ſich, daß die Atmoſphaͤre auf jeden Quadratzoll (pariſ. Maaß) ungefaͤhr 15 Pf. Druck ausuͤbt, alſo ein Dampf von der Elaſticitaͤt, die wir 10 Atmoſphaͤren nennen, 150 Pfund auf den Quadratzoll, 15000 Pfund auf 100 Quadratzoll u. ſ. w. Man pflegt die Kraft der129 Dampfmaſchinen nach Pferdekraͤften zu vergleichen, und obgleich man obenhin leicht verſteht, was damit gemeint iſt, ſo iſt es doch nothwendig in wiſſenſchaftlicher Beziehung dieſen, offenbar etwas ſchwankenden, Begriff naͤher zu beſtimmen. Die Angaben hieruͤber ſind bedeutend ungleich. Nach Edwards kann ein Pferd, Stun - den lang gleichmaͤßig fortarbeitend, ein Gewicht von 150 Pfund in einer Minute 220 Fuß hoch heben, und dieſes kann man ſo anſe - hen, als ob 150 ⋅ 220 = 33000 Pfund in einer Minute 1 Fuß gehoben wuͤrden; damit ſtimmt Watt und auch Girard uͤber - ein. Andre Schriftſteller dagegen, namentlich Smeaton, ſetzen die Kraft eines Pferdes nur ſo groß, daß dadurch 23000 Pfund in 1 Min. 1 Fuß gehoben werden koͤnnten. Prony nimmt ſie noch geringer an. Hiernach muͤßte man den Effect auf folgende Weiſe berechnen. Eine Maſchine in den Gruben von Cornwallis, nach Watts Anordnung erbaut, hatte einen Kolben von 63 Zoll Durchmeſſer oder 3116 Quadratzoll; haͤtte ſie nun mit einer Kraft von 2 Atmoſphaͤren gearbeitet, ſo haͤtte der Druck auf den Kolben 93500 Pfund betragen. Dieſe Maſchine hob in jeden 10 Secun - den 82000 Pfund (ungefaͤhr 1170 Cubicfuß) Waſſer in einem Hube 16 Fuß hoch, alſo 6 ⋅ 82000 = 492000 Pfund in 1 Minute 16 Fuß hoch, wofuͤr wir 7872000 Pfund in 1 Min. 1 Fuß hoch ſetzen; dieſer Effect betrug alſo 239 Pferdekraͤfte (zu 33000 Pfund) nach Watts Angabe, oder 340 Pferdekraͤfte (zu 23000 Pfund) nach Smeatons Angabe, und erſetzte, da die Maſchine Tag und Nacht arbeitete, ein Pferd aber nur 8 Stunden fortarbeiten kann, wenigſtens 720 Pferde. Wenn man bei Perkins Maſchine annimmt, daß ſie wirklich mit 35 Atmoſphaͤren Druck arbeitet, welches auf einen Kolben von 2 Zoll Durchmeſſer 1650 Pfund Druck betraͤgt, und wenn man die Angabe hinzufuͤgt, daß der Kol - ben in jeder Minute 100 Kolbenzuͤge von 1 Fuß vollendete, ſo haͤtte man 1650 ⋅ 100 = 165000 Pfund 1 Fuß hoch in jeder Min. gehoben, welches ſelbſt nach Watt 5 Pferdekraͤfte, nach Smea - ton 7 Pferdekraͤfte, betruͤge.
Es ſcheint mir hier zu einer allzu weitlaͤuftigen Betrachtung zu fuͤhren; wenn ich Sie mit dem Feuerungs-Aufwande, den die Maſchinen fordern, unterhalten wollte. Die Maſchinen von hohem Druck gewaͤhren dabei wohl mehr als einen Vortheil, indem derIII. I130Waͤrmeverluſt wohl nicht in dem Grade zunimmt, wie die mit maͤßigen Temperatur-Aenderungen ſo bedeutend ſteigende Elaſtici - taͤt der Daͤmpfe, indem die Reibung des Kolbens doch immer nur dieſelbe bleibt, waͤhrend die Kraft ſo vielfach geſteigert, und alſo mit einem, nach Verhaͤltniß der ganzen Kraft, geringern Verluſte, nuͤtzlich angewendet wird. Aber beſonders in Hinſicht auf Be - nutzung der Feuerung ſind hier die mannigfaltigſten Verbeſſerungen angebracht worden. Die Aufſtellung des Dampfgenerators mitten in dem Feuer ſelbſt, ſo wie Perkins ſie angiebt, die Umgebung des Feuers mit Waͤnden, die den Waͤrmeverluſt hindern, die vor - theilhafteſte Anordnung der Luftzuͤge, um das Feuer anzublaſen, die Zuſammenſetzung der in dem Keſſel ſelbſt herumgefuͤhrten Feuer - zuͤge u. ſ. w. ſind Umſtaͤnde, die offenbar hier von großer Bedeu - tung ſind. Nach engliſchen Berichten hob man mit 1 Bufhel Steinkohlen als Feuerung aufgewandt, bei der im Jahre 1811 noch viel geringern Vollkommenheit der Maſchinen nur 15 Millionen Pfund Waſſer 1 Fuß hoch, aber ſchon Woolfs Verbeſſerungen brachten dieſe Quantitaͤt auf 50 Millionen Pfund, und jetzt ſollen einige Maſchinen bis gegen 80 Millionen Pfund heben. Da 1 Bufhel nur wenig uͤber 1 Cubicfuß betraͤgt, alſo an Gewicht 120 Pfund betragen mag, ſo gaͤbe das ſchon bei Woolfs Verbeſſerun - gen das 400000fache Gewicht*)Dieſe nach Tilloch Magazine XLVI. 116. und Taylors philos. Magaz. new Series X. 97. mitgetheilten Angaben ſtimmen auch mit dem uͤberein, was im Bullet. de la Soc. philomath. 1822. 36 vor - koͤmmt, wo fuͤr Woolfs Maſchine angegeben wird, 1 Kilogramm Brennmaterial hebe 139700 Kilogramm 1 Meter hoch, da naͤmlich 1 Meter = 3,08 Fuß, ſo hat man 430300 Kilogramm 1 Fuß hoch..
Daß dieſe große Gewalt, welche man durch die Daͤmpfe her - vorbringt, nun zu Betreibung aller Arten von Maſchinen ange - wandt werden kann, iſt offenbar, und es giebt kaum noch eine Art von Maſchinen, die man nicht durch ſie ſchon in Bewegung geſetzt haͤtte. Faſt am allermeiſten haben die Dampfboͤte und die Dampf - wagen die Aufmerkſamkeit aller Menſchen auf ſich gezogen; die erſteren wegen der Schnelligkeit und Sicherheit, mit welcher ſie die Reiſenden befoͤrdern, die letzten durch die ungeheuern Laſten, die131 ſie, mit einer bis dahin unerreichbaren Geſchwindigkeit, von einem Orte zum andern bringen.
Die Einrichtung der Dampfſchiffe iſt ſehr leicht zu uͤberſehen. Die Dampfmaſchine, die ſich im Innern des Schiffes befindet, treibt ein in der Mitte des Schiffes angebrachtes oder zwei an bei - den Seiten befindliche Schaufelraͤder, deren breite Flaͤchen, ſo wie die Ruderflaͤchen, ſich gegen das Waſſer draͤngen und daher das Schiff fortſchieben. Man hat dieſe Schiffe jetzt bis zu 200 Fuß Laͤnge und 80 Fuß Breite, die mit einer Gewalt, 200 Pferdekraͤf - ten gleich, fortgehen. Sie durchlaufen zwar gewoͤhnlich nur 1 bis 1½ Meile in der Stunde, aber es giebt Dampfboͤte, die 16 engl, alſo uͤber 3 deutſche Meilen, in der Stunde zuruͤcklegen, und es wuͤrde nicht ſo ſchwer ſein, ihnen ſelbſt eine groͤßere Geſchwindigkeit, des dann freilich ſtark wachſenden Widerſtandes ungeachtet, zu geben, wenn nicht theils der dadurch in ſtarkem Maaße vermehrte Koſten-Aufwand, theils doch auch die bei vermehrter Geſchwindig - keit aus jedem Unfalle entſtehenden Gefahren, hiebei eine gewiſſe Grenze ſetzten. Die bis dahin als ganz unmoͤglich angeſehene Si - cherheit, eine Zeit zu beſtimmen, wo der Reiſende bei einer weiten Reiſe zu Waſſer an einem gewiſſen Orte ankommen ſoll, die Er - ſparung an Zeit bei Seereiſen, und noch gewiſſer bei Flußreiſen, die ſonſt ſo leicht durch Zufaͤlle verzoͤgert werden konnten, ſind un - gemein große Vortheile, die durch die Dampfſchifffahrt hervorgegan - gen ſind. Denn obgleich heftige Stuͤrme wohl fuͤr immer unuͤber - windliche Hinderniſſe bei allen Verbindungen zur See in den Weg ſtellen werden, ſo ſind doch dieſe verhaͤltnißmaͤßig ſo ſelten, daß man es nur als eine einzelne Ausnahme anſehen kann, wenn durch ſie die ſichere und ſchnelle Verbindung ſehr entfernter Oerter gehindert wird. Ueberdies iſt auch die Gefahr, von Stuͤrmen uͤberfallen zu werden, wegen der kurzen Zeit, die der Reiſende auf dem Waſſer zubringt, ſehr vermindert.
Und ebenſo wie bei den Reiſen zu Waſſer eine Erſparung an Zeit bewirkt worden iſt, und dadurch auch die Reiſen uͤberhaupt erleichtert ſind, ebenſo iſt es auch mit den Dampfwagen der Fall; indeß hat die Anwendung der Dampfwagen ganz eigenthuͤmliche Schwierigkeiten. Der Gedanke ſcheint ſehr nahe zu liegen, daß man eine auf vier Raͤdern ruhende Dampfmaſchine bauen koͤnne, daß anI2132der gemeinſchaftlichen Axe zweier dieſer Raͤder ein gezahntes Rad an - gebracht, und dieſes durch die Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt werden muͤſſe; — es iſt ganz offenbar, daß dann dieſe beiden Raͤder in Umdrehung geſetzt werden und durch ihr Fortwaͤlzen uͤber dem Bo - den den ganzen Apparat fortbewegen. Aber dieſer einfache Gedanke iſt nicht ſo leicht ausgefuͤhrt. Wenn man eine Dampfmaſchine in einer Fabrik und ſelbſt, wenn gleich da ſchon bei beſchraͤnkterem Raume, in einem Dampfſchiffe einrichtet, ſo kann man ſich hin - reichenden Platz, um die Maſchine gehoͤrig groß anzulegen, nehmen; es koͤmmt auch auf ein groͤßeres Gewicht aller Theile der Dampf - maſchine nicht ſo ſehr an, und man kann alle Mittel zu Verſtaͤr - kung des Feuers durch große Blaſebaͤlge und durch hohe Schorn - ſteinroͤhren ohne Schwierigkeit anbringen; bei einem Dampfwagen hingegen iſt der Raum im hoͤchſten Grade beſchraͤnkt, die Anbrin - gung hoher Schornſteine unbequem und faſt unmoͤglich, und ſo findet der Erbauer der Maſchine ſich mannigfaltig von allen Seiten eingeengt. Die Maſchinen von hohem Drucke, die in kleinen Ab - meſſungen ausgefuͤhrt doch große Wirkung geben, bieten hier aller - dings ein wichtiges Huͤlfsmittel dar; aber je ſtaͤrkere Elaſticitaͤt der Daͤmpfe ſie fordern, deſto heftiger muß auch die Hitze ſein, deſto mehr Mittel, um das Feuer kraͤftig anzublaſen, muß man beſitzen, und dieſes in ſo kleinem Raume auszufuͤhren, iſt daher eine Haupt - Aufgabe, mit deren immer vollſtaͤndigerer Aufloͤſung ſich die Ver - fertiger von Dampfwagen beſchaͤftigen. Auf unſern gewoͤhnlichen Wegen ſind, ſelbſt wenn ſie horizontal fortgehen, noch mehr aber wenn ſie aufwaͤrts gehen, die Hinderniſſe ſo groß, daß man ſogar in England es noch nicht zweckmaͤßig gefunden hat, auf Chauſſeen Dampfwagen anzuwenden, ſondern dieſe nur auf den Eiſenbahnen gebraucht. Die engliſchen Eiſenbahnen gewaͤhren naͤmlich eine ſo große Erleichterung bei der Fortſchaffung von Laſten, daß man dort viel eher eine Dampffahrt zu Stande bringen kann. Nach eng - liſchen Berichten*)Quaterly Review XLII. 343. rechnet man auf vollkommen guten Chauſſeen doch nur 1500 Pfund fuͤr ein Pferd, wenn es die Laſt mit ziem - licher Geſchwindigkeit fortbringen ſoll; auf den Eiſenbahnen aber bringt ein Pferd 20000 Pfund fort. Bei der Befoͤrderung von133 Perſonen beſtimmt man die gezogene Laſt nicht ganz ſo groß, indeß bringt auch da ein einziges Pferd 25 Perſonen mit ihrem Gepaͤcke fort, und dieſes ſo ſchnell, daß 2 deutſche Meilen in 1 Stunde zuruͤckgelegt werden. Bei dieſer großen Erleichterung, welche die Eiſenbahnen gewaͤhren, iſt es alſo nicht zu verwundern, daß ein Dampfwagen, deſſen Maſchine auf 17 Pferdekraͤfte angegeben wurde, gegen 100000 Pfund, ſtuͤndlich 1 deutſche Meile weit, fort - bringt, daß ein anderer mit 13 Pferdekraͤften 26000 Pfund ſtuͤnd - lich 2¼ deutſche Meile fortbringt, und wenn er bloß 45 Reiſende faͤhrt, uͤber 4 deutſche Meilen in 1 Stunde zuruͤcklegt. Einer der Dampfwagen auf dem Eiſenwege zwiſchen Stockton und Dar - lington ſetzte 24 Kohlenwagen, zuſammen mit 127000 Pfund beladen, in Bewegung, und da jeder Wagen ſelbſt 2400 Pfund wog, ſo war die ganze in Bewegung geſetzte Laſt 185000 Pfund.
Welche große Vortheile aus dieſer ſchnellen und leichten Ver - bindung in England hervorgegangen ſind, laͤßt ſich leicht erachten, und es laſſen ſich auffallende Beiſpiele von dem dadurch erhoͤheten Betrieb und Handelsverkehr anfuͤhren. Aber die uͤbertriebene Schnelligkeit der Bewegung fuͤhrt auch große Gefahren mit ſich, indem ein bei maͤßiger Schnelligkeit wenig erheblicher Unfall auf die gefaͤhrlichſte Weiſe geſteigert wird, wenn ein Fortſchleudern von 30 Fuß Schnelligkeit in einer Secunde damit verbunden iſt.
Es iſt nicht zu verwundern, daß man die große Elaſticitaͤt des Dampfes auch zum Forttreiben von Kugeln anzuwenden ver - ſucht hat. Bleibt gleich die Elaſticitaͤt des Dampfes gar ſehr hinter derjenigen zuruͤck, welche das explodirende Schießpulver ausuͤbt, ſo hat man doch bei den Daͤmpfen den Vortheil, daß man die Kugel mit immer gleicher Gewalt, ſo lange ſie im Laufe der Canone bleibt, alſo mit ſtaͤrkerer Beſchleunigung, fort - treiben kann, als dies bei dem Schießpulver der Fall iſt. Per - kins hat wirkliche Verſuche mit Dampfgewehren angeſtellt, in - deß iſt es bis jetzt, wie es ſcheint, bei einer geringen Anzahl von Verſuchen geblieben, uͤber deren Erfolg man folgendes geleſen hat. Es wurde Dampf von 65 Atmoſphaͤren Druck angewandt, (wobei indeß die Mittel, ſich von der Abmeſſung dieſer Kraft zu134 verſichern, nicht angegeben ſind,) und dieſe Kraft konnte ſo unaus - geſetzt wirken, daß 250 Kugeln, von der Seite her immer neu in den Lauf gebracht, nach einander in 1 Minute fortgeſchleudert werden konnten. Die Gewalt, mit welcher dieſe Kugeln in 105 Fuß Entfernung wirkten, war ſo groß, daß ſie durch 12 hinter einander ſtehende, 1 Zoll dicke Bretter ſchlugen. Hoffentlich ſtehen dieſer Anwendung der Daͤmpfe zu einem ſo zerſtoͤrenden Zwecke manche Hinderniſſe im Wege; denn wir duͤrfen wohl nicht wuͤn - ſchen, daß ein ſo verheerendes Zerſtoͤrungsmittel je den menſch - lichen Haͤnden, die ſo leicht zum Mißbrauch ihrer Kraft verleitet werden, zu Gebote ſtehen moͤge.
Abgeſehen von der eben erwaͤhnten Beſorgniß, daß das groͤßeſte Befoͤrderungsmittel der Induſtrie zur verheerenden Gewalt ange - wandt werden koͤnne, gewaͤhrten alle bisherigen Betrachtungen nur einen erfreulichen Eindruck. Durch eine ſo einfache Kraft, die ſich uns im verdampfenden Waſſer darbietet, hat der Scharfſinn der Menſchen Wirkungen zu erlangen gewußt, die alles das weit uͤbertreffen, was die kuͤhnſten Erwartungen unſrer Vorfahren zu hoffen wagten, ja die uns ſelbſt, ſo ſehr wir auch ſchon gewoͤhnt ſind, große Wirkungen zu erwarten, noch immer neue Gelegenheit zur Verwunderung geben. Und wenn man auch die, in einzelnen Faͤllen nicht ganz ungegruͤndete, Beſorgniß hervorgehoben hat, daß man die Menſchen unbeſchaͤftigt der Duͤrftigkeit hingebe, waͤhrend Maſchinen alle Arbeiten verrichten; ſo hat ſich doch im Allgemeinen die Wahrheit beſtaͤtigt, daß die Maſchinen, indem ſie ſelbſt wieder zahlreiche Menſchen in Thaͤtigkeit ſetzen, und indem ſie die Beduͤrf - niſſe und Annehmlichkeiten des Lebens zu geringeren Preiſen liefern, zur Verbreitung eines groͤßern Wohlſeins der Geſellſchaft beitragen. Aber auch dieſe maͤchtig wirkende Kraft fuͤhrt, wie alle ſo maͤchtige Kraͤfte, große Gefahren bei ihrem Gebrauche mit ſich, und dieſe naͤher kennen zu lernen, iſt nicht allein fuͤr die Anwendung, ſon - dern auch in wiſſenſchaftlicher Hinſicht, wichtig.
Daß man, um den Gefahren zu entgehen, mit welchen die zerſprengende Kraft der Daͤmpfe die Dampfkeſſel bedroht, ein Si -135 cherheitsventil anbringt, habe ich ſchon fruͤher erwaͤhnt. Dieſes hat den Zweck, theils wenn die Entwickelung der Daͤmpfe in zu großer Menge ſtatt findet, theils wenn ein Hinderniß in dem Gange der Maſchine den Verbrauch der Daͤmpfe ſtoͤrte, den Daͤm - pfen einen freien Ausgang zu geſtatten, ſobald ihr Druck eine ge - wiſſe Grenze uͤberſteigt. Dieſes Ventil wird daher mit einem ſo großen Gewichte belaſtet, daß es bei dem ruhigen Gange der Ma - ſchine ungeoͤffnet bleibt, aber aufgeſtoßen wird, wenn die Daͤmpfe um mehrere Grade ſtaͤrker erhitzt werden und dadurch eine zu große Elaſticitaͤt erhalten. Daß dieſer Vorſicht ungeachtet Ungluͤcks - faͤlle vorkamen, glaubte man anfangs leicht daraus erklaͤren zu koͤnnen, daß entweder der Dampfkeſſel durch den Gebrauch gelitten habe, und nicht mehr im Stande geweſen ſei, den ihm zugemu - theten Druck zu ertragen, oder daß unvorſichtige oder unvernuͤnf - tige Belaſtung des Ventiles dieſes gehindert habe ſeinen Zweck zu erreichen, und wirklich ließ ſich in mehreren Faͤllen, wenn gleich meiſtens die Maſchinenwaͤrter bei dem Zerſprengen getoͤdtet wurden, nachweiſen, daß dieſe ſelbſt Schuld an dem Ungluͤcke waren. Aber keinesweges konnte man alle Ungluͤcksfaͤlle, deren ſich ſchon viele ereignet haben, dieſen Umſtaͤnden beimeſſen, indem auch da, wo die große Staͤrke der zerſprungenen Keſſel den guten Zuſtand der - ſelben zeigte, und wo ein fuͤr die Arbeiter unzugaͤngliches Ventil durch keinen Zufall uͤberlaſtet ſein konnte, der Keſſel oft mit der unerhoͤrteſten Gewalt zerſprengt ward. Um von dieſer Gewalt einen Begriff zu geben, fuͤhrt Arago an, daß ein Keſſel von 4 Zoll dickem geſchmiedeten Eiſen in zwei Stuͤcke getrennt ward, deren eines 140 Centner ſchwer (der Keſſel war 37 Fuß lang, 4 Fuß breit und 4 Fuß hoch,) durch das Gewoͤlbe der Werkſtatt und durch das Dach hinaufgetrieben und 150 Fuß weit fortgeſchleudert wurde, und daß von einem Dampfbote durch das Zerſpringen des Keſſels das ganze Verdeck des Schiffes fortgeſchleudert, der 20 Centner ſchwere obere Theil des Keſſels auf 700 Fuß weit geworfen, und andre Stuͤcke hoch in die Luft hinaufgetrieben wurden.
Unter den Ungluͤcksfaͤllen, die man nicht einer zu großen Be - laſtung des Ventiles zuſchreiben konnte, zeichnen ſich beſonders die als merkwuͤrdig aus, die bei einem vorher traͤger gewordenen Gange der Maſchine, oder auch nachdem der Keſſel gluͤhend geworden war,136 eingetreten ſind, und bei einigen derſelben fand ſich noch die Merk - wuͤrdigkeit, daß der Keſſel nicht in einer zufaͤllig gekruͤmmten Linie, wo vielleicht zufaͤllig der ſchwaͤchere Zuſammenhang es veranlaßte, geborſten war, ſondern an der Waſſerflaͤche, beinahe wie gerade abge - ſchnitten, ſich aus einander getrennt hatte. Dieſe Umſtaͤnde haben zuerſt Perkins auf eine Erklaͤrung dieſer Ungluͤcksfaͤlle gebracht, die ſehr viel Wahrſcheinlichkeit hat. In den Faͤllen, wo man kurz vor dem Zerſpringen den Keſſel gluͤhend ſah, und wo das Zerſpringen ſo unmittelbar auf dieſe Erſcheinung folgte, daß man ihr nicht zu - vorkommen konnte, mußte ganz gewiß das Waſſer im Dampfkeſſel zu ſehr verkocht, und kein neues zugetreten ſein, indem die Dampf - Erzeugung, wenn ſie auch bei ſehr hohen Waͤrmegraden ſtatt findet, doch immer noch keine Gluͤhehitze zulaͤßt, ſondern einen ſo unge - heuern Waͤrme-Aufwand fordert, daß die Erhitzung des Keſſels unge - mein weit unter der Gluͤhehitze bleibt. Der Keſſel war alſo entweder ganz oder wenigſtens an vielen von der Flamme umſpielten Stellen trocken geworden, und eben dadurch mußte, was man oft vor dem Zerſpringen bemerkt hat, die Maſchine einen matten Gang anneh - men, weil die durch dieſe große Hitze ſehr ausgedehnten Daͤmpfe doch nicht die Dichtigkeit hatten, die ſie fruͤher bei niedrigerer Tem - peratur beſaßen, und deshalb auch, der Erhitzung ungeachtet, mit geringerer Elaſticitaͤt wirkten. Dieſes Trockenwerden des Keſſels konnte nur daher entſtehen, daß die dem Keſſel das Waſſer zufuͤh - rende Pumpe ihre Dienſte nicht regelmaͤßig leiſtete, und es waͤre wohl kein Ungluͤck erfolgt, wenn ſie ganz und gar aufgehoͤrt haͤtte, Waſſer zuzufuͤhren. Aber wenn ſie nun, nachdem der Keſſel eine viel zu große Hitze angenommen hatte, einen Strom Waſſer her - einſendete, ſo wurde dieſes in einem Augenblicke in Dampf ver - wandelt, und zwar in Dampf von einer viel groͤßern Hitze, alſo auch, da es ihm nun nicht mehr an Dichtigkeit fehlte, von einer viel groͤßern Elaſticitaͤt, als man je dem Keſſel zuzumuthen beab - ſichtigte. So konnte alſo in demſelben Augenblicke, wo die Ma - ſchine langſam fortging, eine Dampf-Erzeugung ploͤtzlich eintreten, welcher das Oeffnen des Ventils einen viel zu unvollkommenen Ausfluß geſtattete, und die mit einer explodirenden Gewalt alles zerſprengte; und dieſes iſt um ſo eher glaublich, da die Elaſticitaͤt des Dampfes bei hoͤheren Temperaturen ſo maͤchtig waͤchſt, und137 eine Elaſticitaͤt von 100 Atmoſphaͤren noch bei weitem nicht die Gluͤhehitze fordert. Perkins und Arago haben noch eine Bemerkung hinzugefuͤgt. Selbſt wenn der Keſſel nicht leer iſt, aber die Flammen den Keſſel auch da, wo kein Waſſer darin iſt, umſpielen, kann der Keſſel oben gluͤhend werden, waͤhrend das Waſſer eine viel geringere Hitze erhaͤlt. Die Dampf-Entwickelung wird dann ſchwaͤcher fortgehen, weil das Waſſer nur ungefaͤhr ſeine gewoͤhnliche Hitze hat, aber der auf die Oberflaͤche preſſende Druck groͤßer iſt; aber wenn nun Waſſer mit der gluͤhenden Oberflaͤche in Beruͤhrung koͤmmt, ſo tritt eine in hohem Grade vermehrte Entwickelung von Dampf ein, und folglich die vorhin erwaͤhnte Wirkung. Dabei iſt aber der Keſſel nun auch durch die ploͤtzlich veraͤnderte Temperatur dem Zerſpringen mehr ausgeſetzt, und vor - zuͤglich wird dies an der Oberflaͤche des im Keſſel enthaltenen Waſ - ſers der Fall ſein. Es mag naͤmlich der ausgeleerte Keſſel ploͤtzlich bis zu einer gewiſſen Hoͤhe gefuͤllt werden, oder es mag die nur am obern Theile gluͤhende Flaͤche ploͤtzlich benetzt werden, ſo hat die veraͤnderte Ausdehnung des Metalles in der Waſſerflaͤche eine beinahe ſtrenge abgeſchnittene Grenze. Im erſten Falle iſt es gerade der bis an die Waſſerflaͤche reichende untere Theil des Keſſels, der ploͤtzlich ſeiner Gluͤhehitze beraubt wird und ſeine Waͤrme zu ploͤtzlich entwickelten Daͤmpfen verwendet, und es iſt bekannt, daß ein Gefaͤß, bei ſo ploͤtzlicher Aenderung der Waͤrme ſeines einen Theiles, beinahe nothwendig zerſpringt; im andern Falle, wenn, wie Perkins und Arago annehmen, durch ein gewaltſames Hervordringen der Daͤmpfe aus dem noch uͤbrigen Waſſervorrathe und ein Herauſſpruͤtzen an die Decke des Keſſels dieſe obere Haͤlfte des Deckels ſich ploͤtzlich abkuͤhlt, ſo kann ein Sprung an der Grenze des Waſſers ebenſo gut hervorgehen*)Arago erwaͤhnt noch einen Umſtand, der das Zerreißen ge - rade an der Waſſer-Oberflaͤche bewirke, daß naͤmlich die Aenderung der Elaſticitaͤt des Dampfes, als nur auf den Theil der Waͤnde ober - halb des Waſſers wirkend, ein Heraus - und Hereinbeugen der Wand hervorbringe, deſſen Grenze die Niveaulinie des Waſſers iſt. Hiegegen ſcheint mir die Erinnerung ſtatt zu finden, daß der unter dem Waſſer liegende Theil der Wand, wegen des durch das Waſſer nach allen Sei - ten fortgepflanzten Druckes, genau eben den Druck leidet, wie der obere.
138Um dieſen großen Ungluͤcksfaͤllen, die ſchon zahlreichen Men - ſchen das Leben gekoſtet haben, vorzubeugen, hat man mehrere Vorſchlaͤge gethan. Gegen eine nicht allzu ploͤtzlich eintretende Ver - mehrung der Kraft des Dampfes thut gewoͤhnlich das Sicherheits - ventil vollkommen genuͤgende Dienſte, jedoch hat man noͤthig gefun - den, das Ventil nicht ſo, daß es einen breiten Rand rund um die Oeffnung herum bedeckt, anzubringen, weil das Hervordringen des Dampfes zwiſchen dieſen Raͤndern ebenſo wie das Hervordringen verdichteter Luft gehindert wird*)Vergl. I. Th. S. 269., und ſo das Entweichen des Dampfes nicht in hinreichendem Maaße ſtatt findet. Aber da ſo ſehr oft das Zerſpringen des Keſſels durch eine ploͤtzlich vermehrte Dampf-Entwickelung bewirkt zu werden ſcheint, da das Zerſprin - gen zuweilen eingetreten iſt, gleich nachdem das Sicherheitsventil ſich wirklich geoͤffnet hatte; ſo ſieht man, daß dieſes fuͤr ſolche Faͤlle nicht ausreicht. Man hat daher, und dieſes hat namentlich Per - kins bei ſeinen Maſchinen angebracht, einen Theil der Roͤhren (Fig. 30. bei M.) viel ſchwaͤcher, als alle uͤbrige dem Drucke des Dampfes ausgeſetzten Waͤnde gemacht, und dieſem ſchwachen Theile eine ſolche Stellung gegeben, daß die Roͤhre hier, indem ſie zer - ſprengt wird, keine Nachtheile hervorbringen kann. Je groͤßer der ſo dem Dampfe geoͤffnete Ausgang iſt, deſto mehr Sicherheit gewaͤhren gewiß dieſe Sicherungsroͤhren. Indeß bleibt doch, wie mir ſcheint, auch hier noch die Bedenklichkeit uͤbrig, ob fuͤr eine ploͤtzliche, beinahe vollkommen explodirende, Entwickelung von Dampf dieſes Mittel ausreiche, und ob nicht der durch den Wechſel der Temperatur zum Zerſpringen vorbereitete Keſſel, ſeiner groͤßern Staͤrke ungeachtet, ſchon in eben dem Augenblicke platzen kann, wo jene Roͤhre zerſtoͤrt wird.
Das wirkſamſte Mittel gegen das Zerſpringen des Keſſels ſcheint daher ein ſolches zu ſein, was die zu große Erhitzung des Keſſels unmoͤglich macht. Waſſerdaͤmpfe koͤnnen, das duͤrfen wir doch wohl mit aller Sicherheit behaupten, niemals eine Elaſticitaͤt*)Theil, weshalb denn dieſes Herausbeugen und Hereinbeugen, wobei die von der Waſſerflaͤche bezeichnete Linie ruhend bleibe, mir nicht ſtatt zu finden ſcheint.139 von 40 Atmoſphaͤren erreichen, wenn ſie nicht bis uͤber 250° C. erhitzt ſind, und ein Druck von 60 Atmoſphaͤren kann erſt bei 280° C. eintreten; dieſe Hitze muß alſo kein Theil der Oberflaͤche des Keſſels erreichen, dann iſt man ſicher, auch keine Daͤmpfe von ſo großer Elaſticitaͤt zu haben. Und hiezu hat von Reichen - bach ein Mittel, das ſpaͤter auch Arago empfolen hat, vorge - ſchlagen und angewandt, naͤmlich die Anbringung leicht ſchmelzbarer Metalle. Wenn man in dem Deckel des Keſſels ſich eine nicht zu kleine Oeffnung mit einem Metalle, das bei 250° Cent. ſchmilzt, geſchloſſen denkt, ſo kann niemals der Dampf eine Elaſticitaͤt von 40 Atmoſphaͤren erreichen, weil ein ſolcher Dampf doch nur da entſtehen kann, wo er jene Waͤrme findet. Dieſe leicht ſchmelzbaren Stellen muͤſſen da liegen, wo eine unmaͤßige Erhitzung am eheſten zu vermuthen iſt, und da die Erhitzung gewiß immer in allmaͤhlig ſteigenden Graden zunimmt, ſo iſt wohl nicht zu fuͤrchten, daß dieſe Schmelzung zu viel Zeit fordern koͤnnte. Daß man die auf dieſe Weiſe abſichtlich geſchwaͤchten Stellen ſo anlegen muͤſſe, daß ihr Aufbrechen keinen Nachtheil bringe, verſteht ſich von ſelbſt. Die Sicherung ſcheint durch dieſe Anwendung leicht ſchmelzbarer Metallmiſchungen vollkommen erreicht zu werden; aber ſie haben zu dem Einwurfe Anlaß gegeben, daß ſie ſchon bei geringerer Waͤrme etwas erweicht werden, und daher fruͤher nachgeben, als es der Zweck der Maſchine fordert. Nach Arago's Bemerkung ver - meidet man dieſen Nachtheil, wenn man ſie mit einem engmaſchi - gen Gewebe von unſchmelzbarem Metalle bedeckt; dieſes geſtattet dem noch ungeſchmolzenen Metalle kein Nachgeben gegen den Druck des Dampfes, hindert aber das Hervordringen der Daͤmpfe nicht, ſobald das Metall ſchmilzt; und ſo laͤßt ſich hoffen, daß durch dieſes allemal zeitig genug eintretende Oeffnen eines Ventiles, ehe noch der Druck ſo unmaͤßig wird, und lange ehe die Gluͤhehitze ein - tritt, alle Gefahren ſo ſicher, als es bei menſchlichen Werken uͤber - haupt moͤglich iſt, abgewendet werden koͤnnen.
Noch eine ſehr reichhaltige Anwendung der Lehre von den Daͤmpfen bietet uns, m. h. H., die Meteorologie dar. So wie uͤberhaupt die Waͤrme die wichtigſte Urſache der Aenderungen iſt, die wir im Luftkreiſe wahrnehmen, ſo ſind es insbeſondre die ent - ſtehenden und ſich verdichtenden, und im entgegengeſetzten Falle die verminderten oder durchſichtig gewordenen Daͤmpfe, von welchen Nebel, Wolken, Thau und Regen und von welchen heitere Luft und Trockenheit abhaͤngen.
Daß die Ausduͤnſtung des, einen großen Theil der Erde be - deckenden, Waſſers unaufhoͤrlich die Luft mit Feuchtigkeit erfuͤllt, daß durch eben dieſe Ausduͤnſtung der groͤßere Theil des im Regen herabfallenden Waſſers ſehr bald wieder in die Luft zuruͤckkehrt, waͤhrend nur ein kleinerer Theil durch die Fluͤſſe dem Meere zu - ſtroͤmt, daß ſo ein unaufhoͤrlicher Kreislauf der ſich in Daͤmpfen erhebenden und in Regen oder Thau wieder herabfallenden Waſſer - theile ſtatt findet, iſt bekannt genug. Da ſo unermeßliche Waſſer - mengen durch die Stroͤme in das Meer gefuͤhrt werden und den - noch das Meer nicht hoͤher ſteigt, da dieſer ganze Proceß der Ent - ſtehung von Regen und der Herſtellung des heitern Wetters ſeit Jahrtauſenden gleichmaͤßig fortdauert; ſo folgt von ſelbſt, daß das Meer nicht ſo viel an Regen empfangen muß, als es ausduͤnſtet, und daß das feſte Land im Ganzen mehr Regen als Ausduͤnſtung haben muß. Beobachtungen uͤber dieſes Verhaͤltniß anzuſtellen, iſt kaum moͤglich, weil die Ausduͤnſtung, die wir in Gefaͤßen mit Waſſer beobachten, keine genaue Vorſtellung von derjenigen Aus - duͤnſtung giebt, die uͤber Wieſen und Waͤldern, uͤber trockenen Haiden und Suͤmpfen, uͤber Bergen und Thaͤlern ſtatt findet; in - deß iſt doch dieſe Beobachtung, um wieviel die Oberflaͤche eines der Luft ausgeſetzten Waſſergefaͤßes ſich taͤglich ſenkt, die einzige, welche141 wir bequem anzuſtellen vermoͤgen, und ich theile Ihnen daher einige Beſtimmungen daruͤber mit. Nach Starke's Beobachtungen in Augsburg geht die Verdunſtung an einem Tage bei großer Hitze bis auf 6 Linien und im ganzen Jahre auf mehr als 60 Zoll; offenbar aber iſt da die Ausduͤnſtung viel ſtaͤrker als auf der ganzen Oberflaͤche des Bodens. Dalton giebt in Mancheſter die Ausduͤnſtung des waͤrmſten Monates hoͤchſtens zu 7⅔ Zoll, des ganzen Jahres zu 44 Zoll an, bemerkt aber, daß man die Aus - duͤnſtung eines mit Gras bewachſenen Bodens nur zu 23 Zoll jaͤhrlich rechnen koͤnne, wogegen in Mancheſter jaͤhrlich 34 bis 35 Zoll Regen fallen.
Je mehr man zu den Gebirgen hinauf geht, deſto mehr nimmt das Uebergewicht des Regens zu, wie es auch der Fall ſein muß, da taͤglich ſo erhebliche Waſſermengen in den Baͤchen herabſtroͤmen. Dieſer Unterſchied mag ſehr ungleich ſein, aber Thomſon bemerkt, daß in Glasgow die jaͤhrliche Regenmenge 23 Zoll, an einem nur 466 Fuß hoͤher im Gebirge liegenden Orte Corbeth dage - gen 42 Zoll betraͤgt, und Schuͤbler hat in Tuͤbingen 26 Zoll, in Goͤbingen auf der Alp, nur 1¾ Meilen von Tuͤbin - gen aber 1400 Fuß hoͤher, beinahe 38 Zoll Regen im Jahre gefunden. Jede Gegend hat hierin ihr Eigenthuͤmliches, z. B. die ſuͤdliche Kuͤſte von England, den Regen bringenden Winden aus - geſetzt, hat mehr Regen als die oͤſtlicheren Theile der Inſel, Ply - mouth 42 Zoll, waͤhrend um London nur 20 bis 25 Zoll fallen. Dieſe Zahlen beziehen ſich auf die mittlere Regenmenge in einer laͤngern Reihe von Jahren; in einzelnen Jahren iſt die Re - genmenge ziemlich ungleich, ſo daß z. B. Flaugergues aus funfzigjaͤhrigen Beobachtungen in Viviers 20½ Zoll als die kleinſte, 48 Zoll als die groͤßte Regenmenge angiebt. Die heftig - ſten Regen, die wir zu ſehen gewohnt ſind, betragen in ebenen Gegenden in unſerm Clima ſelten einen Zoll, indeß kommen als Ausnahme doch auch bedeutend groͤßere Regenmengen vor; ſo fuͤhrt z. B. Flaugergues einen Tag an, wo in 18 Stunden ſo viel Regen fiel, daß das Waſſer 13 Zoll hoch fuͤr jeden Punct der Oberflaͤche betrug, in Genua hat es einmal 30 Zoll in einem Tage geregnet, und die Gebirgsgegenden, vorzuͤglich in Ungarn, werden oͤfter von ſolchen Wolkenbruͤchen, die dann zerſtoͤrenden142 Sturz der Bergwaſſer zur Folge haben, heimgeſucht. In den tropiſchen Gegenden ſind Regen, die 8 oder 9 Zoll in einem Tage betragen, gar nicht ſelten, und in Cayenne hat es einmal in 24 Tagen 151 Zoll geregnet.
Die Ausduͤnſtung dauert, wenn die Luft nicht ſehr feucht iſt, ſelbſt bei großer Kaͤlte fort und ſelbſt das Eis nimmt durch Ausduͤnſtung ab, ſo wie wir denn ja auch alle wiſſen, daß gefrorne Waͤſche trocken wird, ohne vorher aufzuthauen. Schuͤbler hat ſich von der Ausduͤnſtung des Eiſes durch viele Verſuche uͤberzeugt, und gefunden, daß ſelbſt bei - 9 Gr. Temperatur beinahe ¼ Lin. von dem in einem Cylinder gefrornen Waſſer unter guͤnſtigen Um - ſtaͤnden, das heißt bei trockner Luft und ſtarkem Winde, in einem Tage verloren gehen kann. Indeß hat man die Frage aufgeworfen, ob ſelbſt die niedrigſte Temperatur immer noch faͤhig bleibe, die Verdampfung zu unterhalten. Wollaſtons Bemerkung, daß in den hoͤchſten Gegenden der Atmoſphaͤre die Elaſticitaͤt der Luft ſo ſchwach werden muͤſſe, daß ſie die, der Schwere wegen herabſtre - benden, Lufttheilchen nicht mehr hinaufzudraͤngen vermoͤge, veran - laßte Faraday zu der richtigen Bemerkung, daß aus aͤhnlichen Gruͤnden es auch eine Grenze der Verdampfung geben muͤſſe. Se - hen wir naͤmlich die Verdampfung als dadurch hervorgebracht an, daß die Waͤrme, vermoͤge der durch ſie ertheilten elaſtiſchen Kraft, ein Waſſertheilchen nach dem andern losreißt, ſo muß bei ſehr gerin - ger Waͤrme dieſe elaſtiſche Kraft endlich ſo klein werden, daß ſie das Losreißen nicht mehr bewirken kann, und dann hoͤrt alle Ver - dampfung auf. Faraday glaubt bei dem Queckſilber eine ſolche Grenze gefunden zu haben, indem Queckſilber in einem verſchloſſe - nen Gefaͤße auf ein etwas entfernt von ſeiner Oberflaͤche ange - brachtes Goldblaͤttchen bei ſehr kalter Luft gar keine Einwirkung zeigt, obgleich bei 10 bis 20° Waͤrme dieſe Einwirkung unver - kennbar iſt.
Doch ich darf Sie nicht zu lange mit dieſer allgemeinen Be - trachtung unterhalten, und gehe daher zu der Frage uͤber, welche Mittel wir beſitzen, den Grad der Feuchtigkeit der Luft und die Menge der Waſſerdaͤmpfe in der Luft zu beſtimmen. Um dieſe143 Mittel richtig zu beurtheilen, muß ich Sie zuerſt auf den Satz aufmerkſam machen, daß die Luft nicht immer dann am feuchteſten ſcheint, wenn ſie viele Daͤmpfe enthaͤlt, ſondern dann, wenn ſie nicht faͤhig iſt, noch Daͤmpfe aufzunehmen. Dieſer Satz kann Ihnen wohl nicht paradox ſcheinen, da Sie wiſſen, wie ſehr die Menge Waſſers, die in Daͤmpfen in einem gewiſſen Raume ent - halten ſein kann, von der Waͤrme abhaͤngt, und wie deshalb eine ſehr erwaͤrmte Luft, obgleich ſie ſchon viel Waſſer in Dampfform enthaͤlt, dennoch faͤhig ſein kann, das tropfbare Waſſer noch zum Verdunſten zu bringen, waͤhrend kaͤltere Luft, wenn ſie auch nicht ſo viel Dampf enthielte, kein Waſſer mehr aufnehmen wuͤrde. Wenn man ziemlich trockene Luft an einem ſehr erwaͤrmten Orte in ein Gefaͤß einſchließt, ſo wird ſie trocken erſcheinen, ſo lange ſie warm bleibt, bringt man ſie aber in einen kalten Raum, ſo belegen ſich die innern Waͤnde des Gefaͤßes mit einem Thau, weil die durch die Waͤnde entweichende Waͤrme das Waſſer, mit welchem ſie ſich zu durchſichtigem, elaſtiſchem Waſſerdampfe verbunden hatte, an den Waͤnden zuruͤcklaͤßt. Aus eben dem Grunde beſchlagen unſere kal - ten Fenſterſcheiben im Winter mit Thau, obgleich die Luft in der Mitte des Zimmers eher zu trocken iſt, und im Sommer, ſelbſt wenn die Luft ſich gar nicht als feucht zeigt, ſehen wir an einem Glaſe mit Eis das aus den Daͤmpfen in der Luft niedergeſchla - gene Waſſer herunterfließen. Alle dieſe Erſcheinungen zeigen uns, daß Feuchtigkeit in der Luft vorhanden iſt, ſelbſt dann, wenn die fuͤhlbare Feuchtigkeit der Waͤrme wegen unbedeutend ſcheint.
Um indeß zuerſt nur Inſtrumente zu haben, welche uns die fuͤhlbare Feuchtigkeit kenntlich machen, ohne ihr Maaß zu beſtim - men, iſt man ſeit langer Zeit auf die Koͤrper aufmerkſam geweſen, welche eine Veraͤnderung durch feuchte Luft leiden, und hat geſucht, dieſe als Hygrometer, als Anzeiger der Feuchtigkeit, zu gebrauchen. Ich will unter dieſen die unvollkommenſten zuerſt nennen. Einige Salze zerfließen in einer etwas feuchten Luft, andre nehmen wenig - ſtens etwas Waſſer auf und dadurch vergroͤßert ſich ihr Gewicht; und eine eben ſolche Zunahme des Gewichtes bei feuchter Luft be - merkt man an einigen Thon-Arten. Man hat daher ſolche Koͤrper, namentlich auch Kochſalz, als Hygrometer empfohlen, indem Koch - ſalz bis zum Zerfallen ausgetrocknet, in die Schale einer feinen144 Waage gelegt und der freien Luft ausgeſetzt, allmaͤhlig ſchwerer wird; die Gewichtszunahme iſt bei feuchtem Wetter am ſchnellſten und groͤßten. Sie uͤberſehen leicht, daß dieſe Beſtimmung der Feuchtigkeit an ſich keine große Genauigkeit geſtattet, und daß we - gen der laͤngeren Zeit, die allemal vergehen muß, ehe das Salz die angemeſſene Menge von Waſſer aufnimmt, ſchnelle Aenderungen der Feuchtigkeit in der Luft gar nicht beobachtet werden koͤnnen. Indeß koͤnnen dieſe Mittel dienen, um z. B. zu pruͤfen, in welchem Grade feucht ein dumpfes Zimmer oder ein Keller iſt, und es iſt bekannt, daß es oft genug vorkoͤmmt, daß ein mit ſalzigem Waſſer durchzogenes Holz an einem feuchten Orte nie trocknet.
Einen bedeutenden Vorzug vor dieſen Hygrometern haben diejenigen, die von der Aenderung der Geſtalt der Koͤrper abhaͤngen. Es iſt bekannt, daß gedrehte Seile ſich durch Feuchtigkeit verkuͤrzen, daß dadurch eine aufwickelnde Drehung entſteht, und hierauf allein hat man ſchon Anordnungen von ſehr unvollkommenen Hygrome - tern gegruͤndet. Eben darauf gegruͤndet, aber auch ziemlich ebenſo unvollkommen ſind die Hygrometer, die aus einer unten mit einer thieriſchen Haut geſchloſſenen und mit Queckſilber gefuͤllten Glas - roͤhre beſtehen; zieht ſich bei veraͤnderter Trockenheit der Luft dieſe Haut zuſammen, verkleinert ſich alſo der von derſelben gebildete, das Queckſilber faſſende Sack, ſo ſteigt das Queckſilber in der Roͤhre. Dieſe Hygrometer werden mit der Zeit unempfindlicher, und es iſt auch kaum moͤglich, ſie ſo uͤbereinſtimmend zu machen, daß die Grade zweier Hygrometer als gleichen Feuchtigkeiten entſprechend koͤnnen angeſehen werden.
Etwas tauglicher ſind die Federkielhygrometer und die Elfen - beinhygrometer. Aus der Beſchreibung der letztern, die Leslie da anzuwenden empfielt, wo andre Hygrometer ſich nicht gut anwenden laſſen, z. B. um die Feuchtigkeit im Innern eines Korn - haufens zu unterſuchen, wird ſich auch die Einrichtung der erſtern, bei welchen ein dazu beſonders praͤparirter Federkiel gebraucht wird, uͤberſehen laſſen. Man drechſelt (Fig. 31.) aus recht fein geader - tem Elfenbein einen eifoͤrmigen Koͤrper A etwa $$\frac{5}{4}$$ Zoll lang, aber von ſo duͤnnen Waͤnden, daß er nur 8 bis 10 Gran wiegt, und doch 300 Gran Queckſilber faßt; an dem obern Ende wird mit einer feinen Schraube ein etwas dickeres Stuͤck B eingeſetzt,145 in welchem eine Glasroͤhre BC befeſtigt iſt; dieſes ganze Inſtru - ment, (das dann ungefaͤhr einem Thermometer mit einer Elfen - beinkugel aͤhnlich ſieht,) ſetzt man eine Zeit lang in reines Waſſer, damit das Elfenbein die Ausdehnung, welche der groͤßten Feuchtig - keit entſpricht, annehme, und fuͤllt dann das Gefaͤß und die Roͤhre bis zu einem niedrigen Puncte der Roͤhre mit Queckſilber. Wird nun die Roͤhre in Theile getheilt, deren jeder einem Tauſendtel des ganzen Queckſilbervolumens entſpricht, ſo dient die Hoͤhe des Queck - ſilbers als Angabe der Feuchtigkeit, indem die trockener werdende Elfenbeinmaſſe ſich zuſammenzieht, und das Queckſilber zum Stei - gen bringt. Iſt die Roͤhre oben gegen das Eindringen von Staub und fremden Koͤrpern, jedoch nicht luftdicht, geſchloſſen, ſo kann man dies Hygrometer ſelbſt mitten in einen Kornhaufen, zwiſchen Papierballen u. ſ. w. bringen, und nach Verlauf einer oder mehrerer Stunden zeigt das Hygrometer den Grad der Feuchtigkeit an. Leslie bemerkt, daß die großen Aenderungen, die man an dieſen Hygrometern von Elfenbein und noch mehr am Buchsbaumholze bei ſtarker Feuchtigkeit bemerkt, den Grund deutlich machen, warum ausgelegte Holz-Arbeit bei dem Wechſel zwiſchen großer Feuchtig - keit und maͤßiger Trockenheit ſo ſehr leidet.
Die Unvollkommenheit dieſer Hygrometer beſteht vorzuͤglich in der Langſamkeit, mit welcher ſie den der Feuchtigkeit der Luft an - gemeſſenen Zuſtand annehmen, und in der Ungleichartigkeit der ange - wandten Materien ſelbſt; aber die Eigenſchaft der feſten Koͤrper, ſich durch Feuchtigkeit und Trockenheit zu vergroͤßern oder zu verkleinern hat auch zu den vollkommnern Hygrometern von Sauſſure und Deluc gefuͤhrt. Die Fibern der thieriſchen Koͤrper und der Pflan - zen dehnen ſich da, wo ſie durch ein feines Gewebe verbunden ſind, vorzuͤglich der Breite nach aus, wenn ſie feucht werden, wie man dies an breiten Holzſtuͤcken vorzuͤglich da ſieht, wo ſie an ein Holz, deſſen Faſern ſenkrecht auf die Faſern jener ſind, ſo befeſtigt ſind, daß die Ausdehnung nicht gehindert wird. Aus dieſem Grunde ver - kuͤrzen ſich gedrehte Seile, weil die Ausdehnung nach der Breite hier die bedeutendſte iſt. Papier dehnt ſich, ſeines gleichmaͤßigen Gewebes wegen, nach allen Seiten aus. Auf dieſe ſtarke Ausdeh - nung nach der Breite gruͤndet ſich Deluc's Fiſchbeinhygrometer, das aus einem ſchmalen Fiſchbeinſtreifen beſteht, der aus einemIII. K146durch Runddrechſeln erhaltenen, breiten und ſehr duͤnnen Fiſchbein quer uͤber die Faſern geſchnitten wird. Wenn dieſe Fiſchbeinſtreifen ſehr duͤnne und ſchmal bei bedeutender Laͤnge ſind, ſo dehnen ſie ſich bei zunehmender Feuchtigkeit hinreichend aus, und verkuͤrzen ſich, wenn die Luft trockener wird, und dieſes in ſehr kurzer Zeit. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit dem von Sauſſure angegebenen Haar - hygrometer, welches aus einem, durch Auslaugen dazu beſonders bereiteten Menſchenhaare beſteht, deſſen Verlaͤngerung ein Zuneh - men der Feuchtigkeit anzeigt. Der Streit zwiſchen Sauſſure und Deluc uͤber die Vorzuͤge des einen oder des andern Hygro - meters iſt beinahe vergeſſen, und ungeachtet der Vorwuͤrfe, die Deluc dem Haarhygrometer machte, hat dennoch das Haarhygro - meter ſich mehr im Gebrauche erhalten, als das Fiſchbeinhygrome - ter, weil die quer uͤber die Faſern geſchnittenen Fiſchbeinſtreifen ſo ungemein fein ſein muͤſſen*Deluc ſagt, er habe Fiſchbeinſtreifen von 1 Fuß lang, nur ¼ Gran ſchwer gehabt, die ein Gewicht von ⅓ Unze trugen, und ſich von der groͤßten Trockenheit bis zur groͤßten Feuchtigkeit um mehr als 1 Zoll ausdehnten. und ſtaͤrkere Streifen viel zu unem - pfindlich fuͤr kleine Aenderungen der Feuchtigkeit der Luft ſind. Die Einrichtung beider Hygrometer iſt faſt dieſelbe. Das Haar wird (Fig. 32.) oben bei L mit ſeinem einen Ende in einer feinen Zwinge befeſtigt, das andre Ende iſt an dem aͤußern Umfange einer runden Axe d ſo befeſtigt, daß noch ein Theil des Haares um die Axe gewickelt iſt. Verkuͤrzt ſich nun das Haar durch Trockenheit, ſo dreht ſich die Axe d und der mit ihr feſt verbundene Zeiger df, der auf dem Gradbogen die Aenderungen der Laͤnge ſtark vergroͤßert angiebt; und damit bei der Verlaͤngerung des Haares dL durch vermehrte Feuchtigkeit nicht das Haar ſchlaff bleibe, dient der Zeiger dI ſelbſt zu einem, das Haar immer ſpannenden, obgleich gerin - gen, doch hiezu hinreichenden, Gegengewichte. Statt alſo daß die groͤßere Trockenheit durch Verkuͤrzung des Haares, bei gleicher Ela - ſticitaͤt desſelben, den Zeiger zu den niedrigern Feuchtigkeitsgraden von 80 auf 70 u. ſ. w. fortfuͤhrt, noͤthiget das Gewicht des Zeigers das laͤnger gewordene Haar ſich mehr aufzuwickeln und immer ge - ſpannt zu bleiben.
147Damit aber dieſe Inſtrumente den Namen Hygrometer, als wirklich die Feuchtigkeit abmeſſend, verdienen, war es vor allem noͤthig, ſo wie beim Thermometer, zwei feſte Puncte zu beſtimmen, und hier kann man der Forderung, die Puncte der groͤßten Feuch - tigkeit und der groͤßten Trockenheit als Endpuncte der Scale anzu - geben, beinahe ſtrenge Genuͤge leiſten. Der ungeloͤſchte Kalk und der ſalzſaure Kalk haben ein ſo großes Beſtreben die Daͤmpfe aus der Luft an ſich zu ziehen, daß ſie, erhitzt in ein geſchloſſenes Gefaͤß gebracht, die Luft vollkommen austrocknen, wenigſtens in dem Grade vollkommen, daß ſelbſt bei ſtarker Abkuͤhlung, wo ſonſt doch die noch uͤbrige Feuchtigkeit am meiſten auf die hygrometriſchen Koͤrper wirkt, das Haar des in dieſem Raume mit eingeſchloſſenen Hygrometers keine Aenderung mehr zeigt. Den Punct, den als - dann der Zeiger angiebt, bezeichnet man mit Null. Um dagegen die groͤßte Feuchtigkeit zu beſtimmen, brachte Sauſſure feuchte Gegenſtaͤnde unter die Glocke, wo ſich das Hygrometer befand, ſo daß die Luft ſich ganz mit Feuchtigkeit beladen konnte, und ſetzte an den alsdann angezeigten Punct des Hygrometers 100 Gr. Den zwiſchen dieſen beiden Puncten enthaltenen Bogen theilt man in 100 Grade, und hat ſo ein nach beſtimmten Geſetzen verfertigtes, alſo mit andern ebenſo verfertigten Inſtrumenten gut vergleichbares, Hy - grometer. Aber dieſes Hygrometer giebt nicht Grade der Feuchtigkeit in dem Sinne an, daß man die Menge des in der Luft enthaltenen Waſſers ſogleich aus der Anzahl der Grade kennen lernte, ſondern die jedem Grade entſprechende wahre Feuchtigkeit muß durch eine Reihe Verſuche erſt beſtimmt werden.
Die Forderung, die Menge Waſſer in der Luft bei jedem Hygrometergrade zu kennen, laͤßt ſich offenbar nicht anders als mit beſtaͤndiger Ruͤckſicht auf die Waͤrme erfuͤllen. Wenn in einem feſt verſchloſſenen Gefaͤße, worin ſich kein befeuchteter Koͤrper befin - det, worin alſo kein neuer Dampf zu dem ſchon vorhandenen hin - zukoͤmmt, ein Hygrometer und ein Thermometer aufgeſtellt ſind, ſo geht das Hygrometer auf Feuchtigkeit zu, wenn das Thermo - meter ſinkt, und man kann alſo fuͤr die hier ſtatt findende Waſſer - menge ein Taͤfelchen der jedem Waͤrmegrade entſprechenden Angaben der Feuchtigkeit verfertigen. Stellt man dieſen Verſuch ſo an, daß man in ein Gefaͤß von beſtimmter Groͤße zuerſt voͤllig ausgetrock -K 2148nete Luft und dann eine beſtimmte Menge Waſſer, die ganz ſich in Dampf verwandelt, gebracht hat, ſo erhaͤlt man genauen Auf - ſchluß uͤber die Sprache des Hygrometers. Nach Sauſſure's auf dieſe Weiſe angeſtellten Verſuchen duͤrfte man ungefaͤhr anneh - men, daß bei dem hoͤchſten Grade des Hygrometers im Cubicfuß Luft 17 Gran Waſſer ſind, wenn das Thermometer auf 25° R. ſteht und nur 6 Gran, wenn das Thermometer 0° zeigt, daß dagegen mit 80 Graden des Hygrometers 12¼ Gran bei jener, 4¼ Gran bei dieſer Waͤrme zuſammen gehoͤren; aber dieſe Beſtim - mungen Sauſſure's ſind nicht voͤllig genau, weil ſeine Meſ - ſung des in der Luft verdunſteten Waſſers unvollkommen war.
Gay-Luſſac hat die Vergleichungen ſo angeſtellt, daß er das Hygrometer in einem eingeſchloſſenen Raume beobachtete, wo die Elaſticitaͤt des Dampfes durch andre Mittel bekannt war. Be - findet ſich naͤmlich bei beſtimmter Waͤrme in einem eingeſchloſſenen Raume Waſſer, ſo erlangt der Dampf die dieſer Waͤrme angemeſ - ſene Elaſticitaͤt und Dichtigkeit; bringt man Waſſer mit Schwefel - ſaͤure gemiſcht in denſelben Raum, ſo erlangen die Daͤmpfe eine geringere Elaſticitaͤt, und wenn man dieſe Elaſticitaͤt kennt und dabei den Stand des Hygrometers beobachtet, ſo ergiebt ſich eine Tafel zur Beſtimmung der jedem Grade zugehoͤrenden Elaſticitaͤt und Dichtigkeit der Daͤmpfe. Nach dieſen Beſtimmungen enthaͤlt die Luft bei 88° des Haarhygrometers drei Viertel der Daͤmpfe, die ſie bei 100° enthaͤlt, bei 80° ungefaͤhr drei Fuͤnftel, bei 73° die Haͤlfte, bei 64° nur zwei Fuͤnftel der mit 100° zuſammen - gehoͤrenden Dampfmenge. Wenn alſo bei einer Waͤrme von 18° Centeſ. ungefaͤhr 7 Gran Waſſer in der Luft ſind bei dem groͤßten Feuchtigkeitszuſtande, oder bei 100 Hygrometergraden, ſo wuͤrden bei eben der Waͤrme und einem Hygrometerſtande von 73° nur 3½ Gran Dampf in der Luft ſein.
Ein ganz andres Verfahren, um die Feuchtigkeit der Luft zu beſtimmen, hat Leslie angegeben, indem er das Differenzther - mometer anwendet, und ſo die Verdunſtungskaͤlte beſtimmt. Be -149 deckt man eine der beiden Kugeln des Differenzthermometers (Fig. 3.) mit duͤnnem Mouſelin und befeuchtet dieſen, ſo wird der ſo bedeckten Kugel durch die Verdampfung Waͤrme entzogen, und die in der Roͤhre enthaltene Fluͤſſigkeit zeigt dieſen Waͤrme-Unter - ſchied an. Je trockener die Luft iſt, deſto ſchneller geht die Ver - dampfung fort, und die entſtandene Kaͤlte iſt deſto groͤßer. Es kann vielleicht ſcheinen, als ob wegen des ſtets neuen Aufwandes von Waͤrme das Differenzthermometer immer mehr und mehr Kaͤlte anzeigen ſollte; aber dies findet darum nicht ſtatt, weil die umgebende Luft der abgekuͤhlten Kugel Waͤrme zufuͤhrt, und dies immer mehr, je groͤßer der Unterſchied der Waͤrme geworden iſt, endlich alſo ſo viel, daß dadurch der Verluſt an Waͤrme erſetzt und ein weiteres Sinken der Temperatur gehindert wird. Je ſchneller das Verdampfen erfolgt, das heißt, je trockener die umgebende Luft iſt, deſto groͤßer iſt die Temperatur-Differenz, weil die bei ſchneller Verdampfung ſo ſchnell eintretende und ſchnell erneuerte Kaͤlte nicht ſo bald durch die Waͤrme der umgebenden Luft erſetzt wird. Au - guſts Pſychrometer beruht auf eben dieſer Waͤrmedifferenz.
Andre Erfolge dieſer Verdunſtungskaͤlte will ich nachher an - geben, und jetzt ſogleich zu dem vollkommenſten Hygrometer uͤber - gehen, das auf der Beſtimmung des Condenſationspunctes der Daͤmpfe beruht. Schon vor laͤngerer Zeit machte Dalton dar - auf aufmerkſam, daß man, bei gleich warmer, aber ungleich feuchter Luft, das Bethauen eines kalten Gefaͤßes bei ungleicher Kaͤlte des Gefaͤßes wahrnehme; er ſchlug daher vor, durch allmaͤhlige Ab - kuͤhlung des in einem Glaſe enthaltenen Waſſers allenfalls durch beigemiſchtes Eis, die Temperatur zu beſtimmen, wo der erſte leichte Thau ſich aus der Luft an das Glas anlegt, und ſo den Bethauungspunct, den Condenſationspunct der Daͤmpfe, das iſt, den Waͤrmegrad, welchem dieſer entſpricht, zu beſtimmen. Dieſes Verfahren iſt etwas ſchwierig, aber der Gedanke iſt nicht allein richtig, ſondern enthaͤlt auch das wahre Princip der Hygrometrie.
Sie wiſſen, daß ein im leeren Raume enthaltener Dampf, wenn Waſſer genug vorhanden iſt, bei beſtimmter Waͤrme z. B. 10° Cent. eine gewiſſe Dichtigkeit und Elaſticitaͤt annimmt, die wir als die zu dieſer Waͤrme gehoͤrige groͤßeſte bezeichnet haben. 150Laſſen Sie dieſen Dampf ein Glasgefaͤß fuͤllen, worin kein tropf - bares Waſſer mehr iſt; ſo wird, ſo lange der Dampf mehr erwaͤrmt iſt, ſeine Durchſichtigkeit ungetruͤbt und das Gefaͤß unbethauet bleiben; aber wenn der Dampf unter jene urſpruͤngliche Waͤrme von 10° abgekuͤhlt wird, ſo belegt ſich das Gefaͤß mit einem feinen Thau, der bei ſtaͤrkerer Abkuͤhlung bedeutender wird, weil in dem Dampfe mehr Waſſer enthalten iſt, als bei einer Waͤrme von 9° oder einer noch geringeren ſich in Dampfgeſtalt erhalten kann. Und eben dies gilt auch von Daͤmpfen, die mit Luft gemiſcht ſind, dieſe moͤgen nun in einem Gefaͤße enthalten oder frei in der Atmoſphaͤre vorhanden ſein; kennen wir den Waͤrmegrad, bei welchem ſie ſich in ſehr geringem Grade niederzuſchlagen anfangen, ſo kennen wir ihre Dichtigkeit, weil ſie diejenige iſt, die wir als die groͤßeſte eben der Waͤrme entſprechende aus Verſuchen kennen. Es wird am beſten ſein, dies durch ein wirkliches Beiſpiel zu erlaͤutern. Am 6. Sept. 1819, als die Waͤrme der Luft 18, °9 Cent. war, beob - achtete Daniell den Bethauungspunct bei 7, °8 Centeſ., das iſt, bis zu dieſer Temperatur abgekuͤhlt zeigte eine glatte Oberflaͤche den erſten feinen Niederſchlag. Da nun nach Muncke's Tafel*)Gehlers Woͤrterbuch II. 385. die groͤßte Dichtigkeit des Dampfes bei 7, °8 Cent. (= 6, °2 R.) nur 7 Milliontel der Dichtigkeit des Waſſers betraͤgt, und 1 Cu - bicfuß Rheinl. Waſſer 498000 Gran wiegt, ſo wog ein Cubicfuß jenes Dampfes 3½ Gran, — in einem Cubicfuß Luft waren 3½ Gran Waſſer. Die Luft war alſo ſchon recht trocken, weil der Condenſationspunct 11 Grad unter der Temperatur der Luft lag, und Luft von 18, °9 Waͤrme noch beinahe 4 Gran Waſſer in jedem Cubicfuß aufnehmen konnte, ehe ſie den hoͤchſten Grad der Feuchtig - keit erreicht haͤtte. Dagegen war bei einer andern Beobachtung die Luft ebenſo warm, der Bethauungspunct aber fand ſich bei 17°,8 Cent. = 14, °2 R., welcher Waͤrme ein Dampf = 14 Milliontel der Dichtigkeit des Waſſers entſpricht, ſo daß 7 Gran Waſſer in 1 Cubicfuß Luft enthalten waren, und die Luft kaum noch ½ Gran aufzunehmen faͤhig, alſo beinahe auf dem hoͤchſten Puncte der Feuchtheit war.
151So alſo lernen wir genau die Menge Waſſers in der Luft kennen. Wenn bei großer Hitze von 28° R. oder 35° Cent. die Luft vollkommen feucht iſt, ſo daß das Bethauen bei der geringſten Abkuͤhlung ſtatt findet, ſo enthaͤlt ein Cubicfuß Luft 19½ Gran Waſſer; waͤre dagegen bei ſolcher Waͤrme die Luft ſo trocken, daß 7° 5 Cent. = 6° R. dem Bethauungspuncte entſpraͤche, ſo ent - hielte ein Cubicfuß nur 3½ Gran und waͤre alſo faͤhig 16 Gran Waſſer aufzunehmen, ſo daß das ſchnelle Ausduͤnſten des Waſſers zu ſolcher Zeit ſich ſehr wohl erklaͤrt. Am ſchnellſten findet es ſtatt, wenn ein lebhafter Wind den entſtandenen Dampf, der das Ent - ſtehen neuen Dampfes hindern wuͤrde, fortfuͤhrt.
Die Schwierigkeit, den Condenſationspunct der Daͤmpfe zu jeder Zeit zu beſtimmen, hat Daniell durch ſein Hygrometer ſehr bedeutend vermindert. Es beſteht (Fig. 33.) aus einer gekruͤmm - ten Glasroͤhre, an welcher ſich an beiden Enden angeblaſene Glas - kugeln b, a von $$\frac{5}{4}$$ Zoll Durchmeſſer befinden. In der einen b iſt innerhalb der Kugel und Roͤhre ein Thermometer angebracht, dann iſt in dieſe Kugel Aether gethan und zum Kochen gebracht, um die Luft aus beiden Kugeln und der Roͤhre durch die Oeffnung f auszutreiben; wenn die Aetherdaͤmpfe aus der bis dahin noch offen gelaſſenen Muͤndung f ſtark ausſtroͤmen, wird dieſe Oeffnung an der Lampe zugeſchmolzen. Indem nun ſo der Raum in beiden Kugeln luftleer iſt, wird er offenbar immer mit einem, der jedes - maligen Temperatur angemeſſenen, Aetherdampfe von dem in der Kugel noch in hinreichender Menge uͤbrigen Aether gefuͤllt ſein, und ſo lange beide Kugeln gleich auf dieſen Dampf einwirken, ſteht das innere Thermometer ſo hoch als das am Fuße des Inſtruments in freier Luft angebrachte Thermometer D. Sobald man aber die Kugel af, die zu dieſem Zwecke mit Mouſelin uͤberzogen iſt, mit Aether betroͤpfelt, reißt der an der Oberflaͤche verdampfende Aether Waͤrme an ſich, bringt daher den innern Aetherdampf zum Nieder - ſchlagen, und bewirkt ſo ein lebhafteres Verdampfen des Aethers in der Kugel b, und dabei kuͤhlt ſich dieſe Kugel ſehr erheblich ab. Ihre Abkuͤhlung erreicht, bei der Gewalt, mit welcher der auf af verdampfende Aether die Waͤrme an ſich reißt, bald den Grad, wo - bei die Condenſation der Daͤmpfe in der freien Luft auf der Ober - flaͤche der Kugel b ſtatt findet, und der Beobachter muß, ſobald er152 den leiſeſten Hauch von Niederſchlag auf der Kugel bemerkt, den Grad des im Innern enthaltenen Thermometers ableſen, indem dieſes dann die Waͤrme des Bethauungspunctes angiebt. Damit der leichteſte Niederſchlag deutlicher ſichtbar ſei, iſt die Kugel b ver - goldet, und man ſieht den Niederſchlag da am erſten, wo ſich die Oberflaͤche des Aethers im Innern der Kugel befindet. Die Beob - achtung dieſes Hygrometers iſt etwas ſchwierig, weil man den erſten Augenblick des leiſeſten Bethauens wahrnehmen und da den Stand des innen angebrachten Thermometers beobachten muß; dieſer erſte feine Niederſchlag iſt aber keinesweges ſo leicht wahrzunehmen, und man muß, da das Thermometer immer tiefer faͤllt, ſehr achtſam ſein, ihn richtig zu beobachten. Wenn die Befeuchtung mit Aether nur unvollkommen iſt, ſo ſinkt das Thermometer langſam, und man hat dann etwas mehr Zeit, um ſich von dem nach und nach merklicher werdenden Bethauen zu uͤberzeugen, doch muß man bei wirklichem Gebrauche dieſes Hygrometers ſich gewoͤhnen, den erſten Anfang des Bethauens wahrzunehmen, und der vergoldeten Kugel eine ſolche Stellung gegen das Licht geben, daß die kleinſte Veraͤn - derung des Glanzes bemerkbar ſei. Wegen dieſer Schwierigkeit, den wahren Temperaturgrad, der mit dem erſten Anfange des Be - thauens zuſammen gehoͤrt, richtig zu beobachten, hat man mit Recht Auguſts Pſychrometer eine groͤßere Aufmerkſamkeit geſchenkt. Es beſteht aus zwei gleichen Thermometern, deren eines eine Be - deckung hat, die man waͤhrend der Beobachtung mit reinem Waſſer feucht erhaͤlt. Dieſes befeuchtete Thermometer zeigt die Verdun - ſtungskaͤlte, und nach Auguſts Erfahrungen und Schluͤſſen liegt dieſe Verdunſtungskaͤlte faſt genau in der Mitte zwiſchen der Waͤrme der freien Luft und dem Bethauungspuncte, ſo daß man den letzten aus der leichten Beobachtung jener beiden Thermometer findet. Auguſt giebt hiezu noch genauere Regeln, die ſich auf eine ſtrengere Vergleichung der durch die Daͤmpfe der Thermometer - kugel entriſſene und der ihr aus der Luft zugefuͤhrten Waͤrme gruͤnden.
Ein Verſuch, auf welchen Daniells Hygrometer faſt unmittelbar fuͤhrt, iſt derjenige, den Wollaſton angegeben und153 an ſeinem Chryophorus (Kaͤltetraͤger) dargeſtellt hat. Zwei Kugeln, ebenſo wie bei jenem Hygrometer durch eine Glasroͤhre, die man hier etwas laͤnger nimmt, um das Experiment auffallen - der zu machen, verbunden, ſind luftleer und zum Theil mit Aether gefuͤllt. Man legt die eine in eine Miſchung aus Salz und Schnee, und ſieht nun die andre, der hoͤhern Waͤrme der umgebenden Luft ungeachtet, ſich mit Reif, mit Duͤnſten, die ſich aus der Luft zu Eis niederſchlagen, uͤberziehen. In der ſehr abgekuͤhlten Kugel naͤmlich verliert der Aetherdampf ſeine Dampfform und in der andern er - neuert ſich die Dampfbildung um ſo lebhafter, je mehr in der erſten der Dampf vernichtet wird; je kaͤlter alſo jene Kugel iſt, deſto groͤßer iſt in der andern der Waͤrme-Aufwand zu neuer Dampfbildung, und ſo entſteht an der der waͤrmern Luft ausgeſetzten Kugel, durch Uebertragung der Kaͤlte, Reif. Es findet dabei im Innern der Kugeln eine deſto ſchnellere Deſtillation nach der mit einer Eismi - ſchung umgegebnen Seite hinuͤber ſtatt, je kaͤlter es dort iſt.
Auf dieſer Verdunſtungskaͤlte beruhen mehrere Mittel, ehr bedeutende Kaͤltegrade hervorzubringen. Wenn man eine Thermo - meterkugel mit Baumwolle bedeckt und dieſe mit Aether betroͤpfelt, ſo kann man, vorzuͤglich wenn man durch einen auf die Kugel gerichteten Blaſebalg einen ſtarken Luftzug hervorbringt, das Ther - mometer bis tief unter den Gefrierpunct fallen machen. Eben darauf beruht das Gefrieren des Waſſers im luftleeren Raume, ſelbſt bei 20 Grad Waͤrme. Ich habe ſchon oft erwaͤhnt, daß im luftleeren Raume die Ausduͤnſtung weit ſchneller ſtatt findet, eben darum aber iſt auch die Verdunſtungskaͤlte groͤßer. Aber dieſe wuͤrde nur ſo lange zunehmen, als der luftleere Recipient noch nicht mit Dampf gefuͤllt iſt, und man muß daher, damit ſie beſtaͤndig zunehme, den entſtandenen Dampf fortſchaffen; dies geſchieht, wenn man waſſerfreie Schwefelſaͤure in dem Recipienten aufſtellt, weil dieſe die Eigenſchaft hat, den entſtandenen Dampf ſehr begierig aufzunehmen und daher die Fuͤllung des Recipienten mit Dampf zu hindern. Indem ſo der luftleere Raum, theils durch ununter - brochenes Fortpumpen, theils durch die Huͤlfe der Schwefelſaͤure, faͤhig bleibt, immer neuen Dampf aufzunehmen, gefriert das unter der Glocke der Luftpumpe der Verdunſtung ausgeſetzte Waſſer. Dieſer Verſuch iſt um ſo auffallender, da er, wenn die Luftpumpe154 ein bis auf 1 Linie gehendes Sinken der Barometerprobe geſtattet, ſelbſt bei 20 bis 22° Cent. Waͤrme der Luft gelingt, und da das Waſſer ſeine Daͤmpfe in voͤlligem Aufkochen hergiebt, dann aber zu Eis wird. Man darf bei dieſem Verſuche nur ein Uhrglas voll Waſſer nehmen, weil groͤßere Quantitaͤten den Verſuch allzu ſehr erſchweren wuͤrden, man muß dieſes Waſſer in einiger Entfernung oberhalb eines breiten Gefaͤßes mit Schwefelſaͤure aufſtellen, und das Auspumpen raſch fortſetzen, damit nicht zu viel Waͤrme durch die Glaswaͤnde des Recipienten zuſtroͤme. Die Schwefelſaͤure wird bei dieſem Verſuche, wegen des ſich mit ihr durch die aufge - nommenen Daͤmpfe miſchenden Waſſers, warm; aber obgleich dies ein hindernder Umſtand iſt, ſo gelingt dennoch der Verſuch faſt un - fehlbar, wenn nur die Luftpumpe gut iſt. Configliacchi und ſpaͤter Dove haben dieſen Verſuch, den man den Leslie ſchen Verſuch genannt hat, ſo abgeaͤndert, daß eine mit Queckſilber ge - fuͤllte Kugel mit Flachs umwickelt und dieſes mit Schwefel-Aether befeuchtet in den Recipienten gebracht wird; die unten hin geſtellte Schwefelſaͤure nimmt auch die Aether-Daͤmpfe auf, und befoͤrdert die Verdunſtung des ohnehin ſchnell verdampfenden Aethers ſo, daß das Queckſilber in jener Kugel gefriert.
Die außerordentlich ſchnelle Verdampfung des Schwefelkoh - lenſtoffs macht dieſen Koͤrper geſchickt, noch groͤßere Kaͤltegrade hervorzubringen. Unter der Luftpumpe bringt er leicht das Queck - ſilber zum Gefrieren, und Marcet hat das Weingeiſtthermo - meter bis auf - 56° ja bis auf - 62° Cent. (45° bis 50° R.) fallen ſehen, ſelbſt wenn die Luft nur bis auf 1½ Lin. der Baro - meterprobe ausgepumpt war*)Gilb. Ann. XLIII. 170. XLIII. 364. .
Die neulich angeſtellten Betrachtungen betrafen die in ela - ſtiſcher Form, als durchſichtige Daͤmpfe, in der Luft enthaltenen Waſſertheilchen; aber auch von ihrem Uebergange in den Zuſtand ſichtbarer Duͤnſte und tropfbaren Waſſers, von der Entſtehung der Nebel, der Wolken, des Regens und des Thaues muß ich noch etwas ſagen, da ein großer Theil der meteoriſchen Erſcheinun - gen hier ihre Erklaͤrung findet.
Wenn die Daͤmpfe warmen Waſſers in der kalten Luft auf - ſteigen, ſo zeigt ſich ein neblicher Dunſt, beſtehend aus ſehr kleinen Theilen niedergeſchlagenen Waſſers, weil der ſo dichte Dampf bei geringerer Waͤrme nicht mehr als elaſtiſcher Dampf beſtehen kann; in etwas groͤßerer Entfernung von der Dampfquelle wird er wieder unſichtbar, weil er, in groͤßeren Raum ausgebreitet, aufs neue ſich in einen der niedrigen Temperatur angemeſſenen, weniger dich - ten, elaſtiſchen Dampf verwandelt. Ebenſo zeigt ſich uns der aus - gehauchte Athem in kalter Luft. Und ganz dieſelben Gruͤnde brin - gen in einer Menge von Faͤllen ausgedehnte Nebel in der Atmo - ſphaͤre hervor. Dieſe muͤſſen naͤmlich in zwei Faͤllen nothwendig entſtehen, ſowohl wenn aus einer Dampfquelle Daͤmpfe in eine kaͤltere Luft uͤbergehen, als auch wenn eine mit Daͤmpfen erfuͤllte Luft an der Oberflaͤche eines kaͤlteren Koͤrpers abgekuͤhlt wird. Das erſtere findet bei den Nebeln ſtatt, die wir oberhalb des Waſſers ſich Abends nach Sonnen-Untergang, oft auch die ganze Nacht durch, und im Winter bei ploͤtzlich ſtarker Kaͤlte, bilden ſehen. Die Er - fahrung zeigt, daß nach heißen Sommertagen die Oberflaͤche des feſten Landes ſchneller erkaltet, als die Gewaͤſſer, und dieſes iſt auch ſo fern leicht zu erklaͤren, als im Waſſer die an der Oberflaͤche erkalteten Theilchen in die Tiefe hinabſinken, dagegen aber erwaͤrmte Theilchen den Platz an der Oberflaͤche einnehmen. Indem nun die uͤber dem feſten Boden abgekuͤhlte Luft uͤber die Oberflaͤche des156 Waſſers gefuͤhrt wird, trifft ſie an dieſer einen geſaͤttigten Dampf an, von der Dichtigkeit naͤmlich, welche als die groͤßeſte Dichtigkeit der Waͤrme der Waſſer-Oberflaͤche entſpricht; dieſen kuͤhlt ſie ab, und bringt einen Nebel, niedergeſchlagene Waſſertheilchen, hervor. Dieſe Nebel uͤber den Gewaͤſſern dauern ſo lange, als die Luft nahe uͤber der Oberflaͤche des Waſſers merklich kaͤlter als das Waſſer ſelbſt iſt. Daß an heitern Sommertagen Abends der ganze Lauf von Graͤben und ſchmalen Fluͤſſen ſo durch aufſteigende Nebel bezeichnet wird, iſt bekannt; und ebenſo rauchen die Gewaͤſſer bei ploͤtzlich eintretender ſehr heftiger Kaͤlte im Winter, weil das, in Vergleichung gegen die ſehr kalte Luft, nicht ſo kalte Waſſer Daͤmpfe entwickelt, die einer nicht ſo niedrigen Temperatur entſprechen.
Auf aͤhnliche Weiſe entſtehen in Waͤldern und vorzuͤglich auf Bergen, wo die kaͤltere Luft freieren Zutritt hat, die einzelnen Nebelwolken, die man, dem Rauche aͤhnlich, nach einem Regen, wenn die Luft noch feucht iſt, ſich erheben ſieht. Sie entſtehen oft ganz deutlich da, wo ein von Baͤumen freier Platz durch die Son - nenſtrahlen erwaͤrmt wird, wo alſo aus dem naſſen und erwaͤrmten Graſe Daͤmpfe aufſteigen, die, ſobald ſie ſich in die kaͤltere Luft erheben, als Dunſt ſichtbar werden. Auch die auf dem Meere beobachteten Nebel haben zum Theil dieſen Urſprung. Die von den Reiſenden oft erwaͤhnten Nebel in der Gegend von Neufund - land, wo der Golfſtrom waͤrmeres Waſſer als die Luft hinfuͤhrt, haben ihren Grund gewiß in der Abkuͤhlung, welche der waͤrmere Dampf in der Luft leidet. Dagegen ſcheinen die in allen Polar - gegenden ſo ſehr haͤufigen dichten Nebel umgekehrt in der bis zur Eiskaͤlte abgekuͤhlten Oberflaͤche des Meeres ihren Grund zu haben, die, wenn ein aus waͤrmeren Gegenden und mit waͤrmeren Daͤm - pfen beladener Wind dorthin gelangt, eine Abkuͤhlung der untern Luftſchichten und dadurch ein Entſtehen dicken Nebels bewirkt. Dieſe Nebel ruhen oft in einer kaum 100 Fuß hohen Schichte auf dem Meere, erhalten aber von der beſtaͤndig neu zuſtroͤmenden, mit Dampf erfuͤllten, Luft immer neue Nahrung. Die aus dieſen Nebeln ſich niederſchlagenden Waſſertheilchen bedecken die Eisberge im Meere mit Schichten von einem aus bloßem atmoſphaͤriſchen Waſſer entſtandenen Eiſe, welches daher gar kein Salz enthaͤlt.
157In dieſer unter unſern Augen vorgehenden Nebelbildung zeigt ſich uns auch, wo nicht der einzige doch ein Hauptgrund der Wol - kenbildung. So oft eine Miſchung zweier Luftmaſſen, die nur nicht allzu weit von dem Puncte groͤßter Feuchtigkeit entfernt, aber an Waͤrme erheblich verſchieden ſind, ſtatt findet, ſchlaͤgt ſich Dunſt nieder, und ſo oft Luftmaſſen, die ziemlich mit Feuchtigkeit beladen ſind, an einem kaͤlteren Koͤrper vorbei gehen, entſtehen Wolken. Das Letztere ſcheint der Grund zu ſein, warum Abends die Berg - ſpitzen ſich mit Wolken bedecken, die ſich allmaͤhlig tiefer herabſen - ken. Die Oberflaͤche des Berges naͤmlich kuͤhlt ſich mehr ab als die in gleicher Hoͤhe liegende Luftſchichte, und indem nun die ziem - lich feuchten Luftſchichten durch die Oberflaͤche des Berges abgekuͤhlt werden, bedeckt ſich der Berg mit einer Wolke. Eben das kann auch am Tage ſtatt finden, und da dann durch die Wolkenbedeckung dem Berge die Erwaͤrmung der Sonne entzogen wird, ſo muß aus vermehrtem Waͤrme-Unterſchiede die Wolkenbildung zunehmen. Bei dieſer Wolkenbildung iſt oft die in gleicher Hoͤhe liegende Luft - ſchichte warm genug, um die Daͤmpfe wieder in elaſtiſcher Geſtalt aufzunehmen, und man ſieht dann an der dem Winde ausgeſetzten Seite des Berges immer neue Woͤlkchen ſich an die große Wolke anlegen, dieſe vereinigen ſich an der Spitze des Berges mit der großen Wolke, und an der andern Seite trennen ſich abgeriſſene Wolkenflocken, die in der Luft zergehen; ſo erneuert ſich die Wolke unaufhoͤrlich, waͤhrend ſie, ihrer Groͤße nach unveraͤndert, auf dem Berge zu ruhen ſcheint. Da dieſe Bedeckung der Berge mit Wol - ken nur ſtatt findet, wenn viele Feuchtigkeit in der Luft iſt und viele Feuchtigkeit in der Luft gewoͤhnlich Regen ankuͤndigt, ſo iſt der Grund, warum jene Wolken auf Bergen Regen bedeuten, leicht einzuſehen. Berge, die mit Schnee und Eis bedeckt ſind, muͤſſen vorzuͤglich leicht ſich ſo mit Wolken bedecken*)Das Tafeltuch auf dem Tafelberge am Vorgeb. d. g. Hoffn. Barrows Reiſen im ſuͤdl. Africa. I. 51. Die Bedeckung des Ararat mit Wolken, von Freygangs Reiſe nach d. Caucaſus. S. 232. S. meine Beitr. z. Meteorol. S. 342..
Ganz aus denſelben Gruͤnden erklaͤrt ſich die oft ſo ſchnell eintretende und ſchnell wieder verſchwindende Bedeckung des Him -158 mels mit einer duͤnnen Decke weißer Wolken. Bei veraͤnderlichem Wetter bemerken wir oft, daß der Himmel vor wenigen Minuten noch blau war, und nun auf einmal ganz mit dieſen leichten Wol - ken bedeckt iſt; oft nimmt die Verdichtung dieſer Wolken ſchnell zu und geht bis zum Hervorbringen des Regens; oft aber ſind auch die Wolken ebenſo geſchwind wieder verſchwunden als ſie ent - ſtanden ſind. Dieſer ſchnelle Wechſel erklaͤrt ſich am beſten aus einem in der hoͤheren Luft ſtatt findenden kalten Luftſtrome, der in den oberen Luftſchichten nicht Waſſertheilchen genug findet, um Wolken zu bilden, aber wenn er ſich tiefer in die zu ſolcher Zeit gewoͤhnlich warmen und ſehr feuchten Luftſchichten herabſenkt, an der Grenze dieſer warmen Schichte Wolken niederſchlaͤgt. Es laͤßt ſich leicht uͤberſehen, daß dieſe Wolkenſchichte wieder verſchwinden wird, wenn jener kalte Luftſtrom in der niedrigen Gegend nicht dauernd genug iſt; aber ſo oft er wieder eintritt, wird ſich die Er - ſcheinung erneuern. In dieſem Falle iſt die Wolkenbildung ſehr veraͤnderlich, wenn dieſe Luftſtroͤmungen es ſind, und ſehr zum Re - gen hinneigend, weil die Wolkendecke das Sonnenlicht ſchwaͤcht und daher ſelbſt ein Grund der Abkuͤhlung und verſtaͤrkter Niederſchlaͤge wird. Auf den Wechſel dieſer Wolken koͤnnen gewiß ſehr kleine oͤrtliche Umſtaͤnde bedeutend einwirken; ein von einer trockenen Gegend aufwaͤrts gehender warmer Luftſtrom kann die Wolken zertheilen, ein von einem feuchten Orte hinaufwaͤrts gehender war - mer Luftſtrom kann ſie mit neuen Waſſertheilen beladen. Dagegen wenn ſich die, oft viele Stunden unveraͤndert bleibenden, Schaͤfchen - wolken bilden, die nur eine ganz duͤnne Schichte weißer, gewoͤhnlich ſehr hoch ſtehender Wolken darſtellen, dann iſt es wahrſcheinlich ein waͤrmerer Luftſtrom, der ſich uͤber der kaͤlteren Luft hin ergießt. Aus jenem waͤrmeren Luftſtrome ſchlagen ſich an der Grenze der kalten Luft die kleinen Wolken nieder, und da die waͤrmere Luft oberhalb dieſer Wolken immer noch den Sonnenſtrahlen ausgeſetzt bleibt, da die waͤrmeren Lufttheilchen auch kein Beſtreben haben, ſich herabzuſenken, ſo iſt es im engern Sinne nur allein die Tren - nungsſchichte beider Luftmaſſen, die ſich truͤbt, und in welcher nur ſo viel neue Nebelduͤnſte wieder hervorgehen, als durch Verdampfen an der Oberflaͤche in den durchſichtigen Zuſtand zuruͤckkehren. Dar - um bedeuten dieſe Schaͤfchen im Fruͤhling warmes Wetter, weil159 ſie einen bis in die Wolkenregion herabgehenden warmen Wind verrathen. Warum dieſe Wolken die ſo beſtimmten kugeligen For - men annehmen, warum zu andern Zeiten ſich die Wolken in ſo lange, oft ſeltſam gewundene Faͤden ausdehnen, und dieſe Form ſo lange unveraͤndert beibehalten, daruͤber ſind wir noch gar nicht recht belehrt. Die Vermuthung, daß dieſe glaͤnzend weißen Wol - ken aus Schneenadeln, ſo klein, daß ſie wie Sonnenſtaͤubchen in der Luft ſchweben, beſtehen moͤgen, iſt ſehr wahrſcheinlich, und wird beſonders durch die oft in dieſen glaͤnzenden Woͤlkchen erſcheinenden Nebenſonnen beſtaͤtigt. Dagegen ſcheinen zu andrer Zeit die feinen Woͤlkchen mehr zu Hervorbringung der kleinen Hoͤfe um Sonne und Mond geeignet.
Auch die Erſcheinung der Wolken uͤber Inſeln, ſo daß man ſchon aus der Ferne die Lage der Inſeln aus der Lage der Wolken ſchließen kann, gehoͤrt hieher. Da naͤmlich am Tage der Boden der Inſeln, am meiſten in heißen Gegenden, mehr als das Meer erhitzt wird, ſo bildet ſich hier ein warmer, offenbar aber auch mit Daͤmpfen beladener Luftſtrom, der oben, wo er ſich abkuͤhlt, dieſe als Wolken niederſchlaͤgt; uͤber die Grenzen der Inſel hinaus wird dieſer Niederſchlag ſich nicht erſtrecken, indem dahin nicht die ſo ſehr erwaͤrmte, mit Daͤmpfen beladene Luft gelangt. Und umgekehrt kann auch dieſer heiße Luftſtrom eine voͤllige Wolkenloſigkeit hervor - bringen, wenn er von trockenen Gegenden aufſteigt. Die africa - niſchen Sandwuͤſten ſind bekanntlich ſo heiß und ſo duͤrr zugleich, daß fuͤr ſie aus Gruͤnden, die fruͤher angefuͤhrt ſind, ein beſtaͤndiges Herzuſtroͤmen der kalten Luft aus den benachbarten Gegenden in den untern Luftſchichten, dagegen ein beſtaͤndiges Abwaͤrtsſtroͤmen nach den kalten Gegenden zu in den hoͤhern Luftſchichten ſtatt finden muß. Die aus den kuͤhlern und feuchten Gegenden uͤber die heiße Wuͤſte gefuͤhrte Luft enthaͤlt nicht Daͤmpfe genug, um in ſo großer Waͤrme den Daͤmpfen ihre groͤßte Dichtigkeit zu geben, ſondern jene Waſſertheilchen, wenn ſie auch als Nebel und Wolken heran gezogen waͤren, gehen als durchſichtige Daͤmpfe aufwaͤrts und wer - den in hohen Regionen wieder zu den Umgebungen, woher ſie kamen, zuruͤckgefuͤhrt, ſo daß uͤber der Wuͤſte, eben weil ſie trocken und heiß iſt, ſich nicht einmal Wolken bilden koͤnnen, viel weniger Regen. In einigem Grade aͤhnlich geſchieht es bei uns in den mit160 kaltem Nordoſtwinde begleiteten heitern Fruͤhlingstagen. Wenn dieſer kalte Wind in unſern Gegenden eine feuchte Luft findet, ſo wird er eine Urſache des Regen - oder Schneeniederſchlages; aber wenn er lange genug kalte Luft zugefuͤhrt hat, ſo daß wir nur die aus den noͤrdlichen Gegenden kommende Luft allein zu beruͤckſichti - gen haben, ſo muß dieſe uns als trocken und austrocknend erſchei - nen. Dieſe Luft koͤmmt aus ſehr kalten Gegenden und erwaͤrmt ſich daher bei ihrem Fortgange nach Suͤden; waͤre ſie dort - 3° geweſen, hier + 12° Cent. geworden, ſo wuͤrde ſie in jedem Cu - bicfuß 3 Gran Waſſer aufzunehmen faͤhig, ſelbſt wenn ſie dort voll - kommen feucht war; ſie erſcheint uns daher als ſehr austrocknend, und darauf beruht dieſe Wirkung des Fruͤhlings-Oſtwindes, der nicht allein keine Wolken hervorgehen laͤßt, ſondern auch die Erde ſchnell abtrocknet und uns durch dieſe austrocknende Eigenſchaft das Gefuͤhl groͤßerer Kaͤlte bringt, als der Stand des Thermometers zu rechtfertigen ſcheint.
Ich kehre zu der Wolkenbildung zuruͤck, und fuͤge an das Vorige zunaͤchſt die Betrachtung, daß wo die Nebelbildung raſch fortſchreitet, ein Entſtehen von Tropfen und Regen die natuͤrliche Folge iſt. Dieſe Tropfenbildung ſcheint ſchon da einzutreten, wo der Fortgang der Wolkenmaſſen ein Hinderniß findet; daher reg - net es bei Winden, die vom Meere herkommen oder uͤberhaupt mit Daͤmpfen erfuͤllt ſind, am meiſten an den Bergen, gegen welche zu die Wolken getrieben werden. Dieſes iſt der Grund man - cher periodiſcher Regen, die zum Beiſpiel auf der Halb-Inſel dies - ſeits des Ganges bei dem beſtaͤndigen Suͤdweſtwinde auf der einen Seite, bei dem beſtaͤndigen Nordoſtwinde auf der andern Seite der Gebirge ſtatt finden. Indem ſo die Wolken ſich diesſeits der Gebirge ihres Waſſers entladen, bringen ſie an die andre Seite keinen Regen; und aus denſelben Gruͤnden iſt es klar, warum die ſuͤdweſtliche Kuͤſte Englands ſo viel mehr Regen als das mittlere Land und die Oſtkuͤſte hat, warum der heiße und feuchte Italieni - ſche Sirocco anhaltende Regen bis nach dem ſuͤdlichen Deutſchland bringt, waͤhrend das noͤrdliche Deutſchland zu ſolchen Zeiten eines heitern Himmels genießen kann.
So ſehr viele Erſcheinungen des Regens erklaͤren ſich voll - kommen leicht, und Huttons Theorie des Regens, daß zwei161 ungleich warme Luftmaſſen, ſelbſt wenn ſie dem Saͤttigungszu - ſtande nicht ganz nahe ſind, bei der Miſchung allemal einen Nie - derſchlag geben, enthaͤlt allerdings eine fuͤr die meiſten Faͤlle ſehr genuͤgende Auskunft. Sie wiſſen aus dem Vorigen, daß Luft von 8° Cent. 3½ Gran, Luft von 18° Cent. 7 Gran Waſſer im Cu - bicfuß im Maximum enthaͤlt, aber wenn dieſe Luft bei der Miſchung 13° warm wird, ſo kann ſie nur 5 Gran enthalten und jede 2 Cubicfuß geben ½ Gran Waſſer; bei groͤßern Waͤrme-Unterſchie - den wird dies noch viel erheblicher*)Sehr viele einzelne Phaͤnomene, die ſich hieraus erklaͤren, erwaͤhnt Kaͤmtz in ſeiner Meteorologie. I. Th. 4. Abſchn.. Aber ſo ſehr dies geeignet iſt, die maͤßigen Regen zu erklaͤren, ſo kann ich doch einen Zweifel, ob eben dieſe Erklaͤrung fuͤr die Gewitterregen, fuͤr die Platzregen, fuͤr die Wolkenbruͤche, ausreicht, nicht ganz als widerlegt anſehen. Wenn man die Nachrichten von dem zerſtoͤrenden Regenguſſe am 3. u. 4. Aug. 1829 in der Gegend des Dee in Schottland, oder von dem auf 8000 Quadratklafter beſchraͤnkten und kurze Zeit dauernden Regenguſſe, der am 26. Jul. 1809 eine Gegend der Zipſer Alpen in Ungarn traf, lieſt**)New philos. Journal by Jameson Jul. 1830. p. 280. und Baumgartners Zeitſchr. V. 72., ſo kann man ſich nicht wohl dabei beru - higen, eine allmaͤhlig eintretende Miſchung warmer und kalter Luft als die Urſache dieſer, ſo uͤberraſchenden, mit furchtbarer Schnellig - keit herabſtuͤrzenden Waſſerſtroͤme anzuſehen. Iſt gleich die***)Meteorologie. I. 420. von Kaͤmtz angefuͤhrte Betrachtung, daß die ganze uͤber uns ſtehende Luftſaͤule bei großer Hitze 11 Zoll Waſſer herzugeben im Stande ſei, ganz richtig; ſo bleibt es doch ſehr dunkel, warum ſo auf einmal dieſe Luftſaͤule beinahe ihren ganzen Waſſervorrath her - gebe, und warum ſogar mit ſo großer Schnelligkeit Waſſer aus den benachbarten Gegenden herbeigefuͤhrt werde. Man hat ſonſt der Electricitaͤt allein das Geſchaͤft, dieſe heftigen Regen hervor - zubringen, uͤbertragen, hat den electriſchen Funken, den Blitz, aus einer Miſchung von Waſſerſtoffgas und Sauerſtoffgas Waſſer erzeu - gen laſſen, obgleich niemand das Waſſerſtoffgas in der Atmoſphaͤre nachzuweiſen wußte; — unſtreitig hat man darin zu viel gethan,III. L162aber ſollte man nicht auch auf der andern Seite zu viel thun, wenn man einzig an Miſchung warmer und kalter Luftmaſſen denkt, und Blitz und Donner als Erſcheinungen betrachtet, die nur im Gefolge jener Ereigniſſe, ohne allen weitern Einfluß, eintreten? Gewiß wird die Luft bei den ploͤtzlichen Ausbruͤchen eines Gewitterregens nicht ſo ihres Waſſervorraths beraubt, wie es der Fall ſein muͤßte, wenn die uͤber uns ſtehende Luftſaͤule allein ihre Daͤmpfe hergaͤbe, wir ſind daher genoͤthigt, einen ſehr ſchnellen Zutritt der benachbar - ten Daͤmpfe zuzugeſtehen, obgleich ſich dieſes Herandringen gar nicht gerade durch eine ſtuͤrmiſche Bewegung der Luft gegen die Gewittergegend zu aͤußert, und ich glaube daher, daß wir genoͤthi - get ſind, unſre Unwiſſenheit uͤber die Umſtaͤnde, wodurch dieſe Platzregen entſtehen, zu bekennen. Einige hieher gehoͤrige Be - trachtungen werde ich noch bei Gelegenheit der Gewitter-Electricitaͤt erwaͤhnen.
Ebenſo dunkel iſt der Urſprung des Hagels. Wir wiſſen nicht, woher die ſo ſehr große Kaͤlte in der Luft entſteht, die nicht allein Schneeflocken hervorbringt, ſondern ſo bedeutend iſt, daß ganze Eismaſſen ſich an dieſe anlegen. Der Hagel ſcheint erſt in den niedrigern Gegenden der Atmoſphaͤre ſeine volle Groͤße dadurch zu erlangen, daß ſich aus der warmen, mit Daͤmpfen erfuͤllten Luft Waſſer an ihm (wie an dem mit Eis gefuͤllten Glaſe im Sommer,) niederſchlaͤgt; aber welche große Kaͤlte muß die kleine Eismaſſe beſitzen, um durch dieſen Zutritt warmer Daͤmpfe nicht geſchmolzen zu werden, ſondern dieſe Daͤmpfe zum Gefrieren zu bringen? — Wuͤßten wir dieſe große Kaͤlte erſt zu erklaͤren, ſo iſt allerdings dieſe Vergroͤßerung der Hagelkoͤrner, und ebenſo der Regentropfen kalter Gewitterregen, im Herabfallen, ſehr gut durch jene Betrachtung erklaͤrt.
Ich habe die Erſcheinungen des Thaues bis zuletzt aufgeſpart, weil die Mannigfaltigkeit, die ſich bei dem Bethauen der Koͤrper zeigt, von einem Umſtande abhaͤngt, an den die Phaͤnomene der Wolken und des Regens uns nicht ſo ſehr erinnern, naͤmlich von dem Ausſtrahlen der Waͤrme von der Oberflaͤche der Koͤrper.
163Die Erſcheinungen des Thaues beſtehen darin, daß nach war - men, heitern Sommertagen, bei ſtiller Luft, ſchon vor Sonnen - Untergang im Schatten, nach Sonnen-Untergang an allen hin - reichend freien Orten, die meiſten Gegenſtaͤnde feucht werden, und ſich endlich mit Waſſertropfen bedecken, daß dieſes bei bedeckter Luft und in eingeſchloſſenen Raͤumen, wo hohe Gebaͤude den Himmel verdecken, wenig oder gar nicht ſtatt findet, und daß ungleichartige Koͤrper ſehr ungleich vom Thau befeuchtet werden. Dieſe Ungleich - heiten haben in fruͤherer Zeit zu unrichtigen Anſichten Anlaß gege - ben, und das Verdienſt, welches Wells ſich um die Lehre vom Thau erworben hat, beſteht vorzuͤglich darin, daß er den richtigen Gedanken, der Thau koͤnne ſich nur auf Koͤrpern, die kaͤlter als die Luft ſind, anlegen, durch Beobachtungen bewaͤhrte, und daß er die Umſtaͤnde, durch welche das Erkalten der Gegenſtaͤnde eintritt, ſorgfaͤltig erforſchte.
Das bethauende Gras iſt zuweilen um 4 bis 5 Gr. Cent. kaͤlter als die Luft, Wollfloͤckchen und Schwanenfedern zuweilen 8 bis 9 Gr. kaͤlter als die Luft, und wenn der Himmel ſich bewoͤlkt, wobei der Unterſchied zwiſchen der Waͤrme der Luft und des Graſes abnimmt, ſo wird auch die Vermehrung des Bethauens gerin - ger, und hoͤrt auf, wenn jener Unterſchied verſchwindet. Wenn man waͤhrend des Thauens ein Thermometer in das Gras und eines in unbewachſene Erde ſetzt, ſo ſteht jenes niedriger, und das Gras bethauet mehr als die freie Erde. Metallplatten bethauen, wenn ſie polirt ſind, gewoͤhnlich nicht, ſind aber dann auch nicht kaͤlter als die Luft; bethauen ſie, ſo ſind ſie gewiß auch kaͤlter als die Luft. Wenn man ein Uhrglas ſo auf polirtes Metall legt, daß es in der Mitte das Metall beruͤhrt, ſo bleibt es in der Mitte unbe - thauet, waͤhrend es am Rande ſich mit Thau belegt; — dort naͤmlich erhaͤlt es die Waͤrme des Metalles, das ſich in dieſem Falle nicht ſo ſehr als die Luft abkuͤhlt, waͤhrend das Glas fuͤr ſich allein kaͤlter als die Luft wird. Der Thau befolgt alſo darin ganz die Regel aller Dampfniederſchlaͤge, daß er an kaͤltern Koͤrpern ſich anlegt. Aber warum werden denn einige Koͤrper mehr als andre abgekuͤhlt? — Die mehr erkaltenden ſind die, von denen wir auch ſonſt ſchon wiſſen, daß ſie mehr Waͤrme durch Ausſtrahlung ver - lieren. Polirte Metalle erkalten ſehr langſam und bleiben daherL 2164bei der Kuͤhle des Abends waͤrmer als die Luft, oder nur im ſelten - ſten Falle haben ſie eine niedrigere Temperatur als die Luft; bringt man ſie mit leicht erkaltenden, die Waͤrme gut ausſtrahlenden Koͤrpern ſo in Verbindung, daß ſie durch Leitung zugleich mit ab - kuͤhlen, ſo bethauen ſelbſt die Metalle. Erde giebt mehr ſtrahlende Waͤrme her, Gras iſt noch beſſer dazu geeignet, Floͤckchen Seide oder Baumwolle oder die feinen Schwanenfedern verlieren am meiſten Waͤrme, und ſo kann man genau die Reihenfolge der Koͤr - per nachweiſen, die mehr oder minder leicht ſtrahlende Waͤrme von ſich geben, und es findet ſich, daß eben dieſe Reihenfolge das leichte Erkalten bei der Abendkuͤhle und das leichte Bethauen beſtimmt.
Dieſe Ungleichheit des Bethauens findet bei unaͤhnlichen Ge - genſtaͤnden ſtatt, die der Luft auf ganz gleiche Weiſe ausgeſetzt ſind; aber aͤhnliche Gegenſtaͤnde bethauen zu eben der Zeit ungleich, wenn ſie ſich in verſchiedenen Lagen befinden. Wenn ein Platz eng ein - geſchloſſen, mit hohen Waͤnden umgeben iſt, ſo laͤßt ſich leicht ein - ſehen, daß die hier aufgeſtellten, nicht erheblich von der Erde ent - fernten Gegenſtaͤnde nur wenig Waͤrme, als durch Strahlung aus - geſandt, verlieren koͤnnen; denn Waͤnde und Boden und alle Ge - genſtaͤnde ſenden ſich gegenſeitig ſtrahlende Waͤrme zu, und erſetzen zum Theil ihren Verluſt, ſo daß nur die wenigen, nach dem freien Himmel geſandten Waͤrmeſtrahlen ohne Erſatz bleiben. Dieſe geringe Abkuͤhlung iſt der Grund, warum das Bethauen an ſolchen Stellen, die, wie Wells es ausdruͤckt, den freien Anblick des Himmels nicht genießen, ſo geringe iſt, weil naͤmlich die Abkuͤhlung dort geringe iſt. Wells hat Wollfloͤckchen oberhalb eines Brettes und nahe unterhalb eines Brettes aufgehaͤngt, jene nahmen drei bis viermal ſo viel Thau auf als dieſe, ſo daß 10 Gran Wolle oberhalb in einer Nacht 14 Gran, unterhalb nur 4 Gran, in einer andern Nacht die obere Wolle 20 Gran, die untere nur 4 Gran aufge - nommen hatte. Auch wenn die Wollfloͤckchen auf dem Graſe lagen, aber das eine von einem Cylinder von Thon, einen Fuß im Durch - meſſer und 2½ Fuß hoch, umgeben, das andre frei; ſo erhielt das freie Floͤckchen viel mehr Thau; bei einem Verſuche mit 10 Gran Wolle, das freie Floͤckchen 16 Gran, das beſchattete nur 2 Gran. Wells hat mehrere ſolche Verſuche angeſtellt, die alle den Satz beweiſen, daß der Thau da weniger faͤllt, wo durch eine gehinderte165 freie Ausſicht auf den Himmel die Ausſtrahlung vermindert wird und daher auch die Abkuͤhlung nicht ſo erheblich iſt. Die Wolken zeigen eben dieſe Wirkung eines die ausſtrahlende Waͤrme erſetzen - den Daches. Sind die Wolken niedrig genug, ſo befinden ſie ſich in Luft, die faſt ebenſo warm als die untere Luft ſein kann, weil die Abnahme der Waͤrme in der Hoͤhe dann nicht groß iſt, und in dieſem Falle geben die Wolken ebenſoviel Waͤrme her, als die Koͤr - per auf der Erde ausſtrahlen, ſo daß dieſe voͤlligen Erſatz erhalten. Befinden ſich aber die Wolken auch in kaͤlterer Luft oder ſind ſie ſelbſt kaͤlter als die untere Luft, ſo geben ſie doch immer einigen Erſatz fuͤr die ausſtrahlende Waͤrme, ſtatt daß der heitre Himmel der durch Strahlung hinaufwaͤrts gehenden Waͤrme gar kein Hin - derniß und gar nichts, wovon Erſatz herkommen koͤnnte, darbietet.
Wells hat noch mehr einzelne Umſtaͤnde erklaͤrt, zum Bei - ſpiel die Sicherung der Pflanzen gegen das Erfrieren in kalten Fruͤhlingsnaͤchten. Dieſe kann oft durch die leichteſte Bedeckung, wenn ſie auch nur in der Ferne aufgeſtellt den freien Anblick des heitern Himmels hindert, ſtatt finden, indem Gras beinahe ganz unabgekuͤhlt die Waͤrme der Luft behielt, wenn ein duͤnnes Tuch in 6 Zoll Entfernung ein Dach daruͤber bildete, waͤhrend das un - bedeckte Gras 3 Grad kaͤlter als die Luft ward. Dieſe Sicherung reicht aber freilich dann nicht mehr aus, wenn die Luft ſelbſt bis zu groͤßern Entfernungen von der Erde die Froſtkaͤlte annimmt. Auch die Erfahrung, daß die Fruͤhlings-Nachtfroͤſte auf Huͤgeln weniger nachtheilig als in der Ebne zu wirken pflegen, laͤßt ſich vollkommen erklaͤren, wenn man die ganz unbezweifelte Erfahrung, daß nur die nahe an der Erd-Oberflaͤche liegenden Lufttheilchen in der Nacht bedeutend abgekuͤhlt werden, waͤhrend die obern ſich viel waͤrmer erhalten, beachtet. Allerdings naͤmlich verlieren auch die an Huͤgeln ſtehenden Pflanzen durch Ausſtrahlung ihre Waͤrme und nehmen daher dem benachbarten Lufttheilchen ſeine Waͤrme, aber dieſes Lufttheilchen wird dann ſogleich ſchwerer als das ihm benachbarte und ſinkt hinabwaͤrts, ſo daß eben der Punct der feſten Oberflaͤche nach und nach einer Menge von herabſinkenden Theil - chen die Waͤrme entzieht, alſo nicht ſo kalt wird, als ein in der Ebne liegender Punct, der nur einmal durch die ſich auf ihm nie - derlegenden Lufttheilchen Zufluß neuer Waͤrme erhaͤlt.
166Auch die kuͤnſtliche Eisbildung in Oſt-Indien, die in vollkom - men heitern Naͤchten, wo die Luft nicht die Froſtkaͤlte erreicht, ſtatt findet, gehoͤrt hieher. Die Methode dieſer Eisbildung beſteht der Hauptſache nach in folgendem. Auf einer Ebne macht man Ver - tiefungen von ½ Fuß tief und 5 Fuß breit, dieſe werden mit Zucker - rohr oder Stroh belegt und darauf flache Gefaͤße von unglaſirtem Toͤpfergute mit Waſſer gefuͤllt waͤhrend der Nacht ausgeſtellt; dieſe Gefaͤße, obgleich ſie das Waſſer nicht durchfließen laſſen, geſtatten doch ein ſolches Durchſchwitzen, daß ſich die Außenſeite des Gefaͤßes immer feucht erhaͤlt, und in dieſen Gefaͤßen gefriert das Waſſer waͤhrend die Luft 5° Cent. und ſelbſt noch mehr Waͤrme hat. Die Uebereinſtimmung dieſer Eisbildung mit der Entſtehung des Thaues iſt nicht zu verkennen, weil auch bei jener ein ganz heiterer Him - mel und vollkommene Windſtille ein nothwendiges Erforderniß iſt. Wells hat in England in heitern Naͤchten, wo die Luft im Fruͤhling oder Herbſt nicht die Froſtkaͤlte erreichte, dieſe Eisbildung mit Erfolg nachgeahmt, und die Urſachen derſelben auf folgende Weiſe erklaͤrt. Man ſtellt das Waſſer in flachen Vertiefungen auf, weil die kaͤltere Luft, als ſchwerer, ſich nach dieſen Vertiefun - gen ſenkt. Man legt Stroh oder Zuckerrohr unter, weil dies die Waͤrme der Erde, die etwas unter der Oberflaͤche immer groͤßer bleibt, ſchlecht zuleitet, und ſelbſt ſehr leicht die Waͤrme entlaͤßt, wenn dem Ausſtrahlen der Waͤrme kein Erſatz von anders woher im Wege ſteht. Die durchnaͤßten Thongefaͤße ſcheinen die Waͤrme durch Ausſtrahlung leicht zu verlieren, und ſo iſt alles hier vereinigt, um eine niedrige Temperatur hervorzubringen, die ſich, bei der nur geringen Hoͤhe des Waſſers in den Gefaͤßen, der ganzen Waſſer - maſſe mittheilt. Die an der ganzen Oberflaͤche der Gefaͤße unter - haltene Feuchtigkeit kann vielleicht darum als noͤthig angeſehen wer - den, weil die feuchte Außenflaͤche der Gefaͤße nicht geſtattet, daß ein Zutritt der Waͤrme von unten her hindernd einwirke, wenn auch, wie Williams es beobachtet hat, die Stroh-Unterlage nicht ganz die Eiskaͤlte erreichte; — die von unten das Gefaͤß treffende Waͤrme kann naͤmlich, zur Dampfbildung verwandt, nicht die Abkuͤhlung des Waſſers aufhalten. Dieſe Ueberlegungen ſchei - nen mir die Schwierigkeiten bei der Erklaͤrung dieſer Erſcheinung groͤßtentheils zu entfernen, indem die Erſcheinung nur ſo fern uͤber -167 raſchend bleibt, als nicht bloß Gefrierkaͤlte, ſondern wirkliches Ge - frieren, eintritt, welches, wie Sie wiſſen, einen ſehr großen und dauernden Verluſt von Waͤrme vorausſetzt*)Die von Muncke gegen dieſe ganze Anſicht gemachten Ein - wuͤrfe (Handb. d. Naturlehre II. 451 und I. 704.) muß ich der naͤhe - ren Pruͤfung der Leſer uͤberlaſſen; hier wuͤrde es zu viel Raum fordern, wenn ich die Gruͤnde darlegen wollte, die mich, ſo wenig ich das Ge - wicht dieſer Einwuͤrfe geringſchaͤtzend beurtheile, veranlaßt haben, der bisherigen Anſicht von Ausſtrahlung der Waͤrme treu zu bleiben..
Die bisher vorgetragenen Lehren von der Entſtehung und Wirkung der Daͤmpfe ſtanden alle in ſo ſchoͤnem Zuſammenhange, daß Sie, m. h. H., die Beantwortung einer Frage, die ich Ihnen ſogleich vorlegen will, vermuthlich ohne Bedenken glauben aus - ſprechen zu koͤnnen, und doch einen Irrthum ausſprechen werden, wenn Sie den bisherigen Lehrſaͤtzen gemaͤß Ihre Antwort einrichten. Die Frage iſt: Wenn man ein metallenes Gefaͤß bis zur vollen Gluͤhehitze bringt, und nun einen Waſſertropfen auf dieſe gluͤhende Oberflaͤche fallen laͤßt, wird dieſer ſchnell verdampfen? — Niemand wird Bedenken tragen, zu antworten, daß, da ſchon eine maͤßig erhitzte Ofenplatte Waͤrme genug beſitzt, um Waſſertropfen ſogleich unter ziſchendem Geraͤuſche zum ſchnellen Verkochen und zum Ver - dampfen zu bringen, die Gluͤhehitze dies noch weit ſchneller bewir - ken muͤſſe; — und doch iſt dies gar nicht der Fall. Der Ver - ſuch, der dies beweiſet, iſt, wenn man keine ſehr große Waſſer - kugel verlangt, gar nicht ſchwer anzuſtellen, ja es bedarf dazu nicht einmal der Gluͤhehitze. Zuerſt bemerkt iſt dieſe Erſcheinung von Leidenfroſt in der Mitte des vorigen Jahrhunderts und nach - her iſt ſie in Beziehung auf gluͤhende Metalle oͤfter wiederholt dar - geſtellt worden; ſpaͤter aber hat man bei polirten Metallen ſchon in viel geringerer Hitze eben das gefunden. Nimmt man naͤmlich ein ſilbernes Gefaͤß mit polirter Oberflaͤche und erhitzt dieſes bedeutend uͤber die Kochhitze, ſo wird ein hineinfallender einzelner Waſſertro - pfen nicht ziſchend verkochen, ſondern in Kugelform auf dem Bo -168 den herumlaufen, und, wenn dieſer Boden gegen die Mitte ver - tieft iſt, in der Mitte als Kugel liegen bleiben; laͤßt man langſam einen zweiten, dritten Tropfen zufließen, ſo vereinigen ſich dieſe mit dem erſten, und der groͤßer werdende Tropfen, den man leicht bis auf ½ Zoll Durchmeſſer und daruͤber bringt, nimmt nun die abgeplattete Geſtalt des Queckſilbertropfens an, der auf einer Flaͤche ruht, zu welcher das Queckſilber keine Adhaͤſion hat. Der Wein - geiſt laͤßt ſich ebenſo anwenden, und da er bei noch geringerer Hitze kocht, ſo gelingt der Verſuch noch eher. Dieſer Tropfen, der ge - woͤhnlich in eine ſchnelle rotirende Bewegung geraͤth, verkleinert ſich allmaͤhlig, aber ſehr langſam, und daß er Daͤmpfe entwickelt, ſieht man daraus, daß die Flamme zuweilen, wenn es ein Wein - geiſttropfen iſt, dieſe Daͤmpfe ergreift und der Tropfen mitten in der Flamme liegt; aber auch dann verdampft er nicht merklich ſchneller, ſondern man kann die Flamme eine Weile dauern laſſen, und findet den Tropfen faſt ungeaͤndert, wenn man ſie ausblaͤſt. So gelingt der Verſuch, einen Weingeiſttropfen, ohne daß er kocht, lange auf der heißen Oberflaͤche des Metalles liegen zu haben, ſehr leicht; aber wenn man zu viel Weingeiſt auf einmal zuſchuͤttet und dadurch die Oberflaͤche zu ſehr abkuͤhlt, ſo geraͤth der Tropfen ins Kochen und verkocht ziſchend in wenig Augenblicken. Ebenſo verhaͤlt es ſich, wenn man Waſſer in ein gluͤhendes eiſernes Gefaͤß troͤpfelt, auch wenn hier die Oberflaͤche rauh iſt; der Tropfen nimmt die Kugelform an und verkleinert ſich hier zwar merklicher, indeß doch langſam genug; aber er verkocht im Augenblick, wenn man ſo viel Waſſer zugießt, daß die Hitze zu ſehr vermindert wird.
An dieſe Erſcheinung des Nichtkochens ſchließt ſich eine zweite. Wenn das Silbergefaͤß uͤber der Flamme erhitzt, einen großen Waſſertropfen oder Spiritustropfen in Kugelform enthaͤlt, ſo ent - ferne man es vom Feuer und laſſe es abkuͤhlen, ziemlich lange bleibt der Tropfen ungeaͤndert, nur daß er in immer ſchnellere rotirende Bewegung geraͤth; aber ploͤtzlich, ſo wie wenn ein Gefaͤß zerſpringt, zerreißt die Kugelform, der Tropfen kocht ziſchend auf, und verkocht entweder ganz, wenn er nicht groß iſt, oder kocht ſo lange bis er dem beruͤhrenden Metalle zu viele Waͤrme geraubt hat, wo er dann in ganz gewoͤhnlicher Weiſe, das Gefaͤß genau beruͤh -169 rend, mit horizontaler Oberflaͤche, einem ziemlich ſchnellen Ver - dampfen ausgeſetzt, bald aufgezehrt wird.
Dieſe Erſcheinungen ſind ohne Zweifel uͤberraſchend. Man ſieht deutlich, daß die zu große Hitze des Metalles hier das gewoͤhn - liche Verdampfen hindert, und daß dies bei einem geringern Waͤrme - grade wieder eintritt; aber aus welchen Gruͤnden? Daß die Be - dingung des Nichtkochens die Kugelform des Tropfens iſt, das ſcheint aus allen Umſtaͤnden hervorzugehen, und dieſe Kugelform tritt, wie Sie wiſſen, wegen gaͤnzlich aufgehobener Adhaͤſion des Fluͤſſigen gegen die feſte Oberflaͤche ein. Die Waͤrme, von der wir auch aus andern Erſcheinungen wiſſen, daß ſie ſich als abſtoßend zeigt, ſcheint hier, vermoͤge dieſes Abſtoßens, die ſonſt ſtatt findende Adhaͤſion aufzuheben; bei polirter Oberflaͤche reicht ſchon ein maͤßi - ger Grad von Hitze, (bei mehreren Metallen wenigſtens) hin, um die Adhaͤſion zu uͤberwinden, bei unpolirter Oberflaͤche des Metalles iſt die Gluͤhehitze noͤthig, und bei erdigen Koͤrpern ſcheint keine Hitze zuzureichen, um die Erſcheinung hervorzubringen. Daß dieſer Mangel an Adhaͤſion die Hauptbedingung des Nichtkochens iſt, ſcheint ein von Rumford angegebener Verſuch zu zeigen, wo ſchon dem kalten Waſſer die Adhaͤſion zu der Flaͤche, worauf es ruht, benommen iſt. Laͤßt man den polirten Boden eines ſilbernen Gefaͤßes uͤber einer Lichtflamme ſich mit Ruß bedecken, ſo hat dieſe Flaͤche eine ſo geringe Adhaͤſionskraft gegen das Waſſer, daß der Waſſertropfen wie eine Perle darauf liegt; und auch dieſen Waſſer - tropfen bringt man nicht zum Kochen, aber ſobald man ihn einen nicht mit Ruß bedeckten Theil der Oberflaͤche beruͤhren laͤßt, ſo verkocht er ziſchend, (vorausgeſetzt, daß die Hitze nicht den Grad erreicht, wobei auch das Silber ſelbſt keine Adhaͤſion mehr zeigt). Auf dieſer Adhaͤſion beruht gewiß auch die auf polirtem Metalle faſt immer eintretende ſchnelle Bewegung des Tropfens. Die Ober - flaͤche iſt naͤmlich nicht leicht ſo gleich, vielleicht auch nicht ſo voll - kommen gleichmaͤßig erwaͤrmt, daß die Adhaͤſion uͤberall gleich gut aufgehoben waͤre; jede Ungleichheit der von rechts und links anzie - henden oder abſtoßenden Kraͤfte bringt aber eine Bewegung hervor, die ſehr leicht dauernd werden kann, wie der Verſuch mit dem Uhr - glaſe auf dem geneigten Spiegel zeigt*)II. Theil. S. 22.. Wenn der Zeitpunkt170 des Zerplatzens herannaht, ſo wird die Bewegung ſchneller, weil dann die Ungleichheiten der Adhaͤſion merklichern Einfluß haben. Indeß koͤnnen dieſe Bewegungen auch von der an der Oberflaͤche des Metalls doch immer in ſchwachem Grade ſtatt findenden Dampf - Entwickelung herruͤhren, und da dieſe ſtaͤrker wird bei abneh - mender Hitze des Metalles, ſo nehmen auch die Bewegungen zu; das Zerplatzen der Kugel ſcheint dadurch einzutreten, daß in dem Momente, wo der untere Theil der Kugel ſich eng an die Ober - flaͤche anſchließt, wo die Adhaͤſion das Uebergewicht uͤber die Ab - ſtoßung bekoͤmmt, ſich im Beruͤhrungspuncte Daͤmpfe von großer Elaſticitaͤt, der Hitze des Metalles entſprechend, entwickeln, die den ganzen Tropfen aus einander treiben. Daß aber auch vorher ſchon Daͤmpfe, obgleich nicht mit der Gewalt des Kochens, entſte - hen, erhellt theils aus der allmaͤhligen, wenn gleich langſamen Verminderung des Tropfens, theils aus der ſchon erwaͤhnten Ent - zuͤndung dieſer Daͤmpfe, die eine große Flamme bilden, wenn es Weingeiſt oder Aether iſt.
Warum nun aber der der Adhaͤſion beraubte Tropfen nicht kocht, daruͤber hat man mehrere Meinungen aufgeſtellt. Daß er nicht die Kochwaͤrme erlangt, ſcheint gewiß; aber der Grund dieſer geringen Erwaͤrmung erhellt nicht ganz. Doͤbereiner glaubte, der Tropfen beruͤhre die Oberflaͤche gar nicht; aber theils hat Muncke ſich uͤberzeugt, daß kein ſichtbarer Zwiſchenraum vorhan - den iſt, theils iſt auch bei einem Tropfen, der einen großen Durch - meſſer erlangt, es ganz gewiß, daß er ſo nahe, wie zwei glatte Koͤrper ſich beruͤhren koͤnnen, in Beruͤhrung kommen muß; indeß iſt es auch wahr, daß das Tanzen ſehr kleiner Tropfen eine merk - liche Abſtoßung verraͤth. Aber wenn auch keine merkliche Entfer - nung ſtatt findet, ſo iſt doch ganz gewiß die Beruͤhrung auch nur ſo unvollkommen, wie bei zwei harten polirten Koͤrpern, und ſofern die Mittheilung der Waͤrme ſehr ſchwach. Nimmt man dazu, daß von dieſer wenigen mitgetheilten Waͤrme doch auch noch ein Theil durch die langſame Verdampfung verloren geht, ſo moͤchte die hinuͤber geleitete Waͤrme wohl allerdings geringe ſein. Aber der Tropfen empfaͤngt doch auch ſtrahlende Waͤrme, und dieſe kann beſonders da, wo der Tropfen faſt von allen Seiten mit gluͤhendem Eiſen umgeben iſt, nicht unbedeutend einwirken. Man hat geſagt,171 der ganz durchſichtige Waſſertropfen laſſe die Waͤrmeſtrahlen durch ohne erhitzt zu werden; aber auch ein auf gluͤhendem Eiſen durch Aſche oder andre Koͤrper verunreinigter Tropfen zeigt eben jene Er - ſcheinungen, und wenn man in das polirte Silbergefaͤß ein wenig geſchabte Kreide bringt, ſo wird der Tropfen milchig, ohne darum ſeine Eigenſchaften zu verlieren. Man ſieht daher nicht ganz ein, warum der von ſo heißen Koͤrpern rings umgebene Koͤrper nicht heiß wird. Eine Hypotheſe, daß die Waͤrme verwandt werde, um das Waſſer zu zerſetzen, hatte einiges Gewicht, ſo lange man die Erſcheinung nur uͤber gluͤhenden Oberflaͤchen, namentlich auf gluͤ - hendem Eiſen, kannte, und wenn wirklich ſich das Waſſer in die zwei bekannten Luft-Arten verwandelte, ſo wuͤrde dazu wohl aller - dings ein großer Waͤrme-Aufwand noͤthig ſein; aber auf einer Silberflaͤche, vollends auf einer lange nicht bis zum Gluͤhen erhitz - ten Silberflaͤche, iſt an Waſſerzerſetzung gar nicht zu denken; und obgleich Fiſcher beim Weingeiſte aus dem Geruche nach Lampen - ſaͤure auf Zerſetzung ſchließt, ſo darf man doch ſchwerlich beim Waſſer eine Zerſetzung annehmen. Der Grund der geringen Waͤrme ſcheint alſo noch nicht recht erklaͤrt zu ſein. Das Unerklaͤrliche, das der Verſuch darbietet, ſteigt deſto mehr, je groͤßer der Tropfen wird, und da man ihm nicht bloß einen Zoll Durchmeſſer geben, ſondern auch nach Lechevalliers Angabe einen gluͤhenden Pla - tintiegel nach und nach faſt ganz fuͤllen kann, wo die Zahl der in naher Beruͤhrung ſtehenden Puncte immer groͤßer wird, ſo uͤberſieht man nicht, wie da immer noch die Erwaͤrmung ſo geringe bleibt. Noch weniger erhellt dies bei folgendem von Lechevallier erzaͤhlten Verſuche. Dieſer nahm einen hinreichend ſtarken, 6 Zoll langen und 1 Zoll weiten Metallcylinder, und fuͤllte ihn mit Waſ - ſer; nachdem die Oeffnung feſt verſpundet war, wurde der Cylin - der gluͤhend gemacht, ſodann die Verſpundung weggenommen, und dennoch drangen, der Gluͤhehitze ungeachtet, keine Daͤmpfe hervor, ſondern dieſe entwickelten ſich erſt mit Heftigkeit, wenn die Hitze bis unter die Hitze des Rothgluͤhens herabgeſunken war. Hier ſcheint es doch unmoͤglich, daß das Waſſer nicht ſollte einen hohen Hitzegrad angenommen haben, und es ſcheint hier alſo ganz an einem Erklaͤrungsgrunde zu fehlen. Lechevallier behauptet uͤbri - gens, daß Waſſer in einen weißgluͤhenden Cylinder getroͤpfelt, nur172 95° Cent. Waͤrme hat, und daß kochendes Waſſer hineingetroͤpfelt ſich abgekuͤhlt, das iſt, nicht mehr die Kochhitze erreichend, gefunden habe*)Frorieps Notizen. XXVIII. Nro. 16. .
Perkins fuͤhrt zu Unterſtuͤtzung der Behauptung, daß die erhitzten Koͤrper ſtark abſtoßend auf Fluͤſſigkeiten wirken, noch fol - gende Erfahrung an. Der in hohem Hitzegrade erhaltene Dampf drang durch eine Roͤhre von ⅛ Zoll Durchmeſſer nicht hervor, und ein Riß im Dampfkeſſel, der den wenig erhitzten Dampf ſtark durchließ, hielt bei ſtarker Erhitzung den Dampf zuruͤck. Nach Perkins Anſicht war es die vom Metalle ab treibende Kraft der Hitze, die hier das Hervordringen des Dampfes hinderte. Muncke's Verſuche machen es indeß zweifelhaft, ob ſo große Oeffnungen ſelbſt im Gluͤhen kein Waſſer durchlaſſen; aber ſie beſtaͤtigen, daß kleine Oeffnungen allerdings dem Waſſer keinen Ausfluß geſtatten, wenn das Gefaͤß gluͤht.
Ich knuͤpfe hieran noch einige andre noch nicht erklaͤrte Er - ſcheinungen, die eine unter gewiſſen Umſtaͤnden ſehr verſchiedene Waͤrmeleitung zu verrathen ſcheinen. Wenn man einen am Stiele mit der Hand gehaltenen ſilbernen Loͤffel uͤber einer Lichtflamme erhitzt, bis die Hand den Stiel maͤßig warm fuͤhlt, dann aber den Loͤffel von der Flamme entfernt, ſo ſteigt die Hitze des Stiels ſchnel - ler, als wenn man fortwaͤhrend die Flamme haͤtte einwirken laſſen. Man ſollte eher das Gegentheil erwarten, da die abkuͤhlende Luft einen Aufwand an Waͤrme zu fordern ſcheint. Fiſcher, der auf dieſe Sonderbarkeit aufmerkſam macht, theilt noch andre Verſuche mit, die ebenfalls auffallend ſind. Wenn man gleiche Stuͤckchen von Silber und Platin durch eine maͤßige Waͤrme, zum Beiſpiel des kochenden Waſſers, erhitzt, ſo ſcheinen ſie die Waͤrme ziemlich gleich gut zu leiten, ein Wachs-Ueberzug wird am einen nicht viel weiter als am andern weggeſchmolzen; bringt man aber die Enden in eine Flamme, ſo leitet Silber die Waͤrme viel weiter als Platin, ob - gleich das letztere gluͤhend wird; und erſt, wenn man das gluͤ -173 hende Platin aus der Flamme herausnimmt, theilt ſich die Waͤrme dem andern Ende ſchneller mit, als waͤhrend das Gluͤhen in der Flamme unterhalten ward*)Poggend. Ann. XIX. 507. .
Es ließen ſich wohl noch mehr Erſcheinungen ſammeln, die eine von den gewoͤhnlichen Geſetzen abweichende Bewegung des Waͤrmeſtoffs in den Koͤrpern andeuten**)Es gehoͤrt dahin die als ganz ſicher angegebene Erfahrung, daß ein im metallenen Keſſel zum recht ſtarken Kochen gebrachtes Waſſer im Augenblicke des Abhebens vom Feuer den Boden des Keſſels ſo abkuͤhle, daß man ihn mit der Hand beruͤhren koͤnne, gleich nachher aber dem Boden wieder die volle Hitze ertheile.; aber da ſie noch allzu vereinzelt daſtehen, und keine genaue Erklaͤrung geſtatten, ſo ſcheint es mir nicht angemeſſen, laͤnger dabei zu verweilen.
Unter den Erſcheinungen, welche die Hervorbringung der Waͤrme betreffen, bieten die Erſcheinungen des Verbrennens ſo viel Merkwuͤrdiges und auch ſo viel fuͤr die Anwendung Wichtiges dar, daß auch dieſer Gegenſtand hier noch umſtaͤndlicher abgehan - delt zu werden verdient.
Das Verbrennen findet dadurch ſtatt, daß die durch irgend ein Mittel einmal hervorgebrachte Hitze die den Koͤrper umgebende Sauerſtoffluft zerſetzt, und wir finden uns bewogen, anzunehmen, daß das Sauerſtoffgas bei dieſer Zerſetzung den Waͤrmeſtoff frei laͤßt, welcher jenem ſeine elaſtiſche Luftform verlieh, daß der Sauer - ſtoff ſelbſt aber, die waͤgbare Baſis der Sauerſtoffluft, unterdeß andere Verbindungen eingeht. Da dieſe Verbindungen verſchieden ſind, je nachdem der ſich zerſetzende, brennende Koͤrper ein andrer iſt, ſo will ich ſogleich ein einzelnes Beiſpiel naͤher betrachten.
174Wenn man die fetten Koͤrper, welche wir zu Hervorbringung von Flammen anwenden, der Deſtillation in geſchloſſenen Gefaͤßen unterwirft, ſo geben ſie Waſſerſtoffgas und Kohlenſtoffgas mit nur wenig Sauerſtoffgas; ſie beduͤrfen einer bedeutenden Hitze, um in dieſe Beſtandtheile zerſetzt zu werden, und eben dieſe Hitze reicht, wenn ſie unter freiem Zutritt des Sauerſtoffgas ſtatt findet, auch zu, um die Verbrennung des Waſſerſtoffgas, das heißt, die Ver - bindung ſeines Waſſerſtoffs mit dem Sauerſtoff, wobei dann Waſſerdampf hervorgeht, zu bewirken. Indem ſo das Sauerſtoff - gas ſeinen ſchweren Beſtandtheil, den Sauerſtoff, zu Bildung eines neuen Koͤrpers, des Waſſers, hergiebt, wird eine große Menge Waͤrme frei, und daher hat man, mit gutem Grunde, die Mei - nung gefaßt, daß der elaſtiſche Zuſtand des Sauerſtoffgas, das Be - ſtehen desſelben im luftfoͤrmigen Zuſtande, darauf beruhe, daß der Waͤrmeſtoff in ſehr großer Menge als Beſtandtheil im Sauerſtoff - gas enthalten ſei. Sein Freiwerden iſt es alſo, worin wir die Entſtehung der Waͤrme begruͤndet finden.
Iſt der Zutritt des Sauerſtoffs ungehindert, ſo unterhaͤlt ſich nun das Brennen fortwaͤhrend ſelbſt, da die zuerſt durch eine fremde Urſache herbeigefuͤhrte Erhitzung fortbeſteht, weil die Zer - ſetzung der Luft ſie immer erneuert. Eben dieſe Zerſetzung findet auch in andern Faͤllen ſtatt, wo kein Waſſerſtoff entwickelt wird. Die ſchon ihrer fluͤchtigen Beſtandtheile beraubte Kohle hat bei der Gluͤhehitze eine ſo große Verwandtſchaft zum Sauerſtoff, daß auch ſie das Sauerſtoffgas zerſetzt, der Kohlenſtoff bildet mit dem Sauer - ſtoff die kohlenſaure Luft, aber, obgleich hier eine neue Luft-Art entſteht, ſo wird doch auch hier, wie die Erfahrung zeigt, Waͤrme frei, und das Verbrennen wird unterhalten, ſo lange die gewoͤhn - liche atmoſphaͤriſche Luft oder noch lieber das reine Sauerſtoffgas freien Zutritt hat. In andern Faͤllen ſcheint zwar eine Verſchie - denheit einzutreten, die aber doch nur in der gradweiſen Ungleich - heit der Erſcheinungen beſteht. Das gluͤhende Eiſen zerſetzt eben - falls das in der Atmoſphaͤre enthaltene Sauerſtoffgas, und man koͤnnte daher glauben, waͤhrend das gluͤhende Eiſen ſich oxydirt und dabei Waͤrme frei wird, muͤſſe das Gluͤhen des Eiſens ebenſo gut als das Gluͤhen der Kohle unterhalten werden, was doch nicht der Fall iſt. Aber offenbar iſt hier die frei werdende Waͤrme zwar175 vorhanden, jedoch nicht in ſo hinreichendem Maaße, daß ſie den Proceß des Oxydirens fortwaͤhrend erneuern koͤnnte; und daß dies ſo iſt, erhellt, wenn wir ein Stuͤck gluͤhenden Stahl in reines Sauerſtoffgas bringen, wo ein Stuͤckchen angebrannter Zunder an eine Stahlfeder befeſtigt, zureicht, um den gluͤhend werdenden Stahl in ein vollkommenes, ſehr glaͤnzendes Verbrennen zu ver - ſetzen. Hier naͤmlich, wo der Sauerſtoff ſo reichlich zuſtroͤmt, iſt die Zerſetzung des Sauerſtoffgas und die Verbindung des Sauer - ſtoffs mit dem Eiſen ſo lebhaft fortgehend, daß Waͤrme genug frei wird, um auch die naͤchſten Theile der duͤnnen Stahlmaſſe gluͤhend und zur Oxydirung faͤhig zu machen. Dieſes Experiment iſt, ſo wie das Verbrennen des Phosphors in reinem Sauerſtoffgas eines der glaͤnzendſten, indem, wie in ſo vielen Faͤllen, die durch ſchnelle Zerſetzung des Sauerſtoffgas hervorgebrachte Hitze, auch hier mit der lebhafteſten Licht-Erſcheinung verbunden iſt.
Dieſe Erſcheinung des im reinen Sauerſtoffgas im eigent - lichen Sinne verbrennenden Stahls leitet uns nun auch zu der richtigen Beurtheilung der Erſcheinungen, die wir an der Kohle und an andern brennenden Koͤrpern in verduͤnnter Luft oder in einer nur wenig Sauerſtoffgas enthaltenden Luft wahrnehmen. Die Lichtflamme erliſcht, die Kohle hoͤrt auf zu gluͤhen, wenn wir die Luft ſtark verduͤnnen, und eben das geſchieht, wenn in einge - ſchloſſener Luft der Sauerſtoff nach und nach verzehrt wird. Wir ſind geneigt anzunehmen, der gaͤnzliche Mangel an Sauerſtoff bringe dieſen Erfolg hervor; aber es iſt gewiß, daß das Ausloͤſchen der Flamme ſchon eintritt, wenn auch noch ziemlich viel Sauerſtoff uͤbrig iſt. Offenbar iſt es hier, wie bei dem gluͤhenden Eiſen; die Zerſetzung naͤmlich dauert zwar zuerſt fort, aber es entbindet ſich nicht Waͤrme genug, um den Proceß lebhaft zu unterhalten, das in dem umgebenden Raume nur ſparſam vorhandene Sauerſtoffgas muß gleichſam muͤhſam zuſammengeſucht werden, und bringt daher nicht mehr den vollen Hitzegrad hervor; und indem dieſer ſinkt, vermindert ſich die Staͤrke der Anziehung fuͤr den Sauerſtoff, und ſehr bald tritt, da beide Umſtaͤnde dazu mitwirken, das gaͤnzliche Erloͤſchen ein, weit eher als aller Sauerſtoff verzehrt iſt.
Davy hat uͤber dieſen Gegenſtand genauere Verſuche ange - ſtellt, und gefunden, daß die Koͤrper, welche zum Entzuͤnden einer176 geringern Hitze beduͤrfen, in einem Raume, der wenig Sauerſtoff - gas enthaͤlt, noch fortbrennen, waͤhrend andre ſchon erloͤſchen. Phosphor, der ſich ſchon bei ſehr niedriger Temperatur entzuͤndet, brennt in verduͤnnter atmoſphaͤriſcher Luft fort, wenn dieſe auch bis auf $$\frac{1}{60}$$ der natuͤrlichen Dichtigkeit verduͤnnt iſt; fuͤr Schwefel hingegen wird eine Dichtigkeit, die mehr als $$\frac{1}{20}$$ iſt, erfordert, und eine Alcoholflamme erliſcht ſchon, wenn die Dichtigkeit der Luft ungefaͤhr ⅙ iſt. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit den Luft-Arten, daß naͤmlich die bei geringerer Hitze entzuͤndbaren auch in verduͤnnterer Luft noch fortbrennen. Waſſerſtoffgas, das man, indem es ſich entwickelt, aus einer Roͤhre hervorſtroͤmen und dort verbrennen laͤßt, giebt, wenn man die die Flamme umgebende Luft verduͤnnt, zuerſt eine groͤßere Flamme, die aber, wenn die Dichtigkeit $$\frac{1}{10}$$ der natuͤr - lichen Dichtigkeit iſt, erliſcht. Dieſes Erloͤſchen tritt bei einer groͤßern Flamme ſpaͤter ein, weil die Hitze hier etwas beſſer unter - halten wird, ſelbſt wenn der Verbrennungsproceß langſamer fort - geht. Ebenſo kann man die Flamme laͤnger erhalten, kann ſie zu einer vollſtaͤndigern Zerſtoͤrung des Sauerſtoffgas anwenden, wenn man auf andre Weiſe die Abnahme der Hitze hindert. Befindet ſich in der Flamme ein Metalldrath, ſo bringt die Flamme dieſen zum Gluͤhen, und nun iſt ſie faͤhig, noch aus dem mehr verduͤnn - ten Sauerſtoffgas ſich die noͤthige Nahrung zu ſuchen, weil der Metalldrath die einmal erlangte Hitze laͤnger behaͤlt, und dadurch die zu Zerſetzung des Sauerſtoffgas noͤthige Hitze auch dann noch unterhaͤlt, wenn der Verbrennungsproceß ſelbſt dieſe Hitze nicht mehr zu unterhalten vermag. Davy's Verſuche zeigten, daß die Alcoholflamme bei einer Verduͤnnung der Luft bis auf ⅙ ſchon erloſch, wenn ſie allein brannte, aber erſt bei einer Verduͤnnung bis auf ⅛ der natuͤrlichen Dichtigkeit, wenn ein gluͤhender Platindrath die Hitze unterhielt.
Jene Regel, daß ſich die Entzuͤndbarkeit eines Koͤrpers durch den Grad der Verduͤnnung der atmoſphaͤriſchen Luft, wobei er noch fortbrennt, beſtimmen laſſe, findet auch Anwendung auf Mi - ſchungen von Gas-Arten, die gemiſcht entzuͤndbar ſind. Waſſer - ſtoffgas und Sauerſtoffgas in dem Verhaͤltniſſe gemiſcht, wie es zur Waſſerbildung noͤthig iſt, laſſen ſich durch den electriſchen Fun - ken nicht mehr entzuͤnden, wenn ihre Dichtigkeit weniger als $$\frac{1}{15}$$ 177derjenigen iſt, die dem Drucke der Atmoſphaͤre entſpricht; gleiche Theile Chlorine und Waſſerſtoffgas dagegen, die ſich bei niedrigerer Temperatur entzuͤnden, geſtatten auch eine Verduͤnnung bis auf $$\frac{1}{24}$$ . Sind ſolche Gasgemiſche mit andern, brennbaren oder nicht brennbaren Luft-Arten verbunden, ſo wird ihre Brennbarkeit in ungleichem Maaße geſchwaͤcht nach Verſchiedenheit der beigemiſchten Luft-Arten, indem zum Beiſpiel 1 Maaß Sauerſtoffgas mit 2 Maaß Waſſerſtoffgas gemiſcht nicht mehr zum Entzuͤnden ver - mittelſt eines ſtarken electriſchen Funkens zu bringen iſt, wenn es auch nur ½ Maaß Oel bildendes Gas beigemiſcht enthaͤlt, ſtatt daß eine Beimiſchung von 8 Maaß Waſſerſtoffgas noͤthig iſt, um das Explodiren zu hindern. Ebenſo bedarf man weniger kohlenſaures Gas, um die Exploſion zu hindern, als Stickgas. Eine aͤhnliche Verſchiedenheit findet bei brennbaren feſten Koͤrpern ſtatt, die man in ein mit kohlenſaurem Gas oder mit Stickſtoffgas vermiſchtes Sauerſtoffgas bringt.
An die Erfahrung, daß ein fremder erhitzter Koͤrper das Ver - brennen noch unterhaͤlt, wenn auch die Umſtaͤnde ſonſt minder guͤn - ſtig fuͤr die Zerſetzung ſind, ſchließt ſich Davy's Gluͤhlaͤmp - chen an. Bringt man naͤmlich einen ſehr feinen Platindrath, der ſpiralfoͤrmig gewunden iſt, nachdem man ihn gluͤhend gemacht hat, in ein Glas, worin ſich unten Aether befindet, ſo daß der Drath ſich bloß in den Aetherdaͤmpfen befindet, ſo dauert das Gluͤ - hen des Drathes ohne Aufhoͤren fort. Der Aetherdampf naͤmlich findet hier Hitze genug, um zu verbrennen, und dieſe Zerſetzung liefert wieder Hitze genug, um das Gluͤhen eines ſo duͤnnen Dra - thes zu erhalten. Mit erwaͤrmten Alcohol gelingt der Verſuch auch. Aber da die Maſſe des ſehr duͤnnen Platindraths ſo ſehr geringe iſt, ſo reicht ein geringer Luftzug zu, um ihn abzukuͤhlen, und dann hoͤrt leicht die ganze Erſcheinung auf; man muß ihn daher gegen Abkuͤhlung von außen ſichern. Auf aͤhnliche Weiſe erhaͤlt eine mit ſehr duͤnnem Platin uͤberzogene Glaskugel, wenn man ſie zuerſt in einer Alcoholflamme hat gluͤhend werden laſſen, ſich fortwaͤhrend gluͤhend, wenn ſie uͤber dem ſich immer mit neuem Alcohol fuͤllenden Dochte in den Daͤmpfen desſelben ſteht, und gegen Abkuͤhlung geſichert iſt. Auch andre Metalldraͤthe geben aͤhnliche Erſcheinungen, ſind aber bei der leichten Schmelzbarkeit nicht ſoIII. M178bequem zu benutzen. Auch verkohlte Koͤrper erhalten ſich im Ae - therdampfe laͤnger gluͤhend.
So bekannt alles das iſt, was unſre gewoͤhnlichen Oefen und die Mittel zur Erwaͤrmung betrifft, ſo laſſen ſich doch auch dabei eine Menge von Betrachtungen anſtellen. — Daß wir den Schwefel anwenden, um aus dem kleinſten Zunderfunken Feuer anzumachen, beruht darauf, daß der Schwefel ſchon bei ſo niedriger Temperatur, — wenige Grade uͤber der Hitze des kochenden Waſſers — ſich entzuͤndet. Aber ſchon beim Anzuͤnden des Feuers in unſern Oefen finden wir allerlei Schwierigkeiten. Der brennende Holzſpan erliſcht, wenn er den kalten Boden des Ofens beruͤhrt, ja wir duͤr - fen ihn nicht einmal mit einem groͤßern Holzſtuͤcke beruͤhren, ohne in Gefahr zu ſein, daß wir ihn dadurch der Waͤrme berauben, deren er um fort zu brennen bedarf, und nur Koͤrper, die bei ſehr geringer Hitze ſich entzuͤnden, geſtatten einige unvorſichtige Abkuͤhlung ohne zu erloͤſchen. Es iſt daher eine Regel, den neu zu entzuͤndenden zweiten Holzſpan, vorzuͤglich wenn er nicht ſehr duͤnne oder wenn er von einem ſchwerer entzuͤndbaren Holze iſt, ohne Beruͤhrung des brennenden Spanes uͤber der Flamme zu halten, damit er erhitzt werde, ohne jenen abzukuͤhlen. Es iſt eine Regel, das kleine bren - nende Holzſtuͤckchen lieber auf Kohlen, als auf Holz oder gar auf den eiſernen Boden des Ofens zu legen, weil die Kohle ein ſchlech - ter Waͤrmeleiter iſt, und ſich leicht ſelbſt bis zum Brennen erhitzt. Ein zu ſcharfer, kalter Luftzug toͤdtet die ſchwach glimmende Flamme, weil er zu ſehr abkuͤhlt; ein maͤßiger Luftzug belebt ſie, weil er die Zerſetzung durch immer neu zugefuͤhrten Sauerſtoff befoͤrdert.
Iſt das Feuer einmal ſo weit im Brennen, daß dieſes Aus - loͤſchen durch Luftzug nicht mehr zu fuͤrchten iſt, ſo thut die Ver - ſtaͤrkung des Luftzugs die beſten Dienſte, um das Feuer zu beleben, und um aus dem Feuermateriale die groͤßte Menge von Hitze zu gewinnen. Das Holz naͤmlich giebt bei maͤßiger Hitze mehrere Stoffe her, die unverbrannt fortgefuͤhrt werden, die dagegen voͤllig verbrannt werden, wenn man ſie ſtaͤrkerer Hitze ausſetzt. Wir ſehen dieſes an dem dicken Rauche, den ſelbſt trocknes Holz giebt,179 wenn es langſam und unvollkommen verbrennt; dieſer Rauch enthaͤlt noch vielen brennbaren Stoff, der zur Erhitzung oder zum Leuchten beitragen kann. Er enthaͤlt naͤmlich harzige Stoffe, Holz - Eſſig, Ruß, und alle dieſe Koͤrper kann man auch, wenn man Holz in verſchloſſenem Raume ſtark erhitzt und dadurch verkohlt, als Ergebniß dieſer Deſtillation auffangen; und da dieſe Stoffe bei hinreichender Hitze ſelbſt faͤhig ſind, zerſetzt zu werden und das Sauer - ſtoffgas zu zerſetzen, ſo verlieren wir ſehr, wenn wir ſie unbenutzt entweichen laſſen. Auf dem vollkommenen Verbrennen dieſer Stoffe beruht zum Theil der Vortheil der geſchloſſenen Feuerherde, wo das auf dem Roſte A brennende Holz durch den ſtarken Zug in der hoch hinaufgehenden Roͤhre B veranlaßt wird (Fig. 34.), ſeine Flamme durch den horizontalen Theil C des Herdes fortzufuͤhren. Iſt hier durch gluͤhende Kohlen, die ſich in D befinden, hinreichende Hitze, um die bei A entweichenden Rauchtheile zu verbrennen, ſo kann man es erlangen, daß hier alles, was verbrennlich iſt, der voͤlligen Zerſetzung unterworfen wird. Die Vortheile, welche dieſer ſtarke Zug, den eine hohe Roͤhre B hervorbringt, gewaͤhrt, iſt in jeder Hinſicht bedeutend. Statt daß ein bei A frei brennendes, auf einem gewoͤhnlichen Roſte liegendes, Holz nur durch einen lang - ſamen Zufluß von Luft angefacht wird, fuͤhrt hier dagegen der durch die Erhitzung in der Roͤhre B hervorgebrachte Strom heißer Luft einen Ueberfluß von Sauerſtoffgas herbei, welches, durch das brennende Holz durch ſtroͤmend, und allen erhitzten brennbaren Theilen ſich darbietend, die Verbrennung vollkommen macht. Noch beſſer wird dieſe vollkommene Verbrennung bewirkt, wenn man in den ſehr erhitzten Rauch einen Strom von Luft, die noch gar nichts von ihrem Sauerſtoff verloren hat, hereindringen laͤßt, damit es gewiß nicht an dieſem zum Verbrennen ſo wichtigen Koͤrper fehle*)Gilb. Ann. XXXII. 306. .
So erhaͤlt man durch dieſe und aͤhnliche Vorrichtungen Rauch verzehrende Oefen, und unſre gewoͤhnlichen Oefen ſind es deſto mehr, je lebhafter der Zug iſt, den ſie bewirken, und je mehr dafuͤr geſorgt iſt, daß der Rauch lange heiß erhalten werde, fortwaͤhrend der Hitze gluͤhender Kohlen ausgeſetzt, nicht durch zu fruͤhes Abkuͤh - len eine Art, hier ganz unnuͤtzer, Deſtillation erleide. Eine ein -M 2180fache Anordnung ſolcher Rauch verzehrender Oefen verdient hier noch erwaͤhnt zu werden. Wenn (Fig. 35.) auf dem Roſte A das zum Brennen beſtimmte Holz liegt und man gluͤhende Kohlen auf dasſelbe legt, ſo iſt der gewoͤhnliche Erfolg, daß das Holz ſeinen Rauch nach B aufwaͤrts ſendet; iſt aber die Roͤhre C bedeutend hoch und hat man ſie vorher ſo erhitzt, daß ein ſtarker Luftſtrom in ihr hinauf, alſo bei B eindringend von B nach D hinabwaͤrts, geht; ſo zieht dieſer Luftſtrom die Flamme nach innen und die immer mehr und mehr erhitzte Roͤhre C erfuͤllt den Zweck, den Rauch vollſtaͤndig zu verbrennen, immer beſſer, je ſtaͤrker das in A angemachte und in die Roͤhre hinein gehende Feuer iſt.
Ein ebenfalls wichtiger Umſtand beim Anordnen des Feuers iſt, daß man die noch unentflammten Holzſtuͤcke auf die paſſendſte Weiſe zu Verſtaͤrkung des Feuers anbringe. Die Holzſtuͤcke muͤſſen nicht zu groß ſein, damit ſie viel gluͤhende Oberflaͤche darbieten, um ſo das Sauerſtoffgas vollſtaͤndiger zu zerſetzen. Sie muͤſſen nicht ſo auf die Kohlen gelegt werden, daß ſie durch ihre Kaͤlte die Kohlen toͤdten, ihnen zu viel Waͤrme entziehen, und ſie dadurch zur Zerſetzung der Luft untauglich machen; ſie muͤſſen dagegen dem Zutritte der Flamme vollkommen ausgeſetzt ſein, ohne die Kohlen in zu vielen Puncten zu beruͤhren; ſie muͤſſen einander ſo nahe ſein, daß das Entflammen des einen Stuͤckes das andre erreiche, dabei aber muß der Luftzug ungehemmt jedem derſelben Sauerſtoffgas zufuͤhren koͤnnen. Iſt der Roſt, auf dem allemal das Feuer am beſten brennt, in der Mitte etwas geſenkt, ſo hat das den Vortheil, daß auch die allmaͤhlig abnehmende Menge des Feuermaterials ſich gegen die Mitte ſammelt, und dem Zuge auf die vortheilhafteſte Weiſe ausgeſetzt bleibt.
Damit kein unnuͤtzer Luftzug neben dem Feuer vorbei gehe, iſt es vortheilhaft, den Roſt ſo anzulegen, daß alle ſeine Oeffnun - gen gegen den Mittelpunkt des Feuers gehen, indem alsdann auch die von der Seite eindringende Luft auf das Feuer zu geleitet wird. Ebenſo iſt es da, wo ein ſtarker Blaſebalg das Feuer anblaͤſt, vor - theilhaft, dieſen in einen das Feuer umgebenden hohlen Cylinder - raum blaſen zu laſſen, damit durch die durchloͤcherte innere Wand dieſes Cylinderringes die von allen Seiten auf den Feuerraum181 eindringende Luft ein Anblaſen von allen Seiten gegen die Mitte des Feuers hervorbringe.
Ebenſo wichtig als dieſe Ruͤckſichten auf die kraͤftige Unterhal - tung des Feuers, ſind auch die auf die beſte Benutzung desſelben. In Beziehung darauf verdient es vorzuͤglich beachtet zu werden, daß das Feuer nur die Koͤrper gut erwaͤrmt, die es mit ſeiner Flamme beruͤhrt. Allerdings traͤgt auch die ſtrahlende Waͤrme des brennenden Feuers bei, die entfernten Waͤnde unſerer Oefen zu erhitzen, aber, wenn bloß in der Mitte eines großen Ofens ein Feuer brennt, ſo wird der Ofen bei weitem nicht ſo gut erwaͤrmt, als wenn wir die Flamme zwingen, ſich an den Waͤnden hin zu ziehen. Daher iſt es vortheilhaft, dem Theile des Ofens, worin das Feuer brennt, eine ſchmale und niedrige Form zu geben, damit bei hinreichendem Zuge die Flamme alle Seitenflaͤchen beruͤhre; dann aber muß auch die erhitzte und aller verbrennlichen Stoffe beraubte Luft lange genug in den Zuͤgen des Ofens fortgeleitet werden, damit ſie alle ihre Waͤrme abſetze. Ebenſo muß man beim Kochen ſorgen, daß die Flamme den Boden der Gefaͤße treffe, und an ihnen hin ſpielend ſo viel Waͤrme als moͤglich an ſie mit - theile. Solcher Regeln laſſen ſich noch manche geben, und Rum - ford hat zu manchen einzelnen practiſchen Anwendungen Anlei - tung gegeben*)Gilb. Ann. III. 309. IV. 85. 222. 330. .
Zu der Beſtimmung, wie viel Waͤrme man beim Verbrennen irgend eines Feuerungsmittels erhalte, ſcheint Montgolfiers Calorimeter ſehr angemeſſen zu ſein**)Gilb. Ann. XXXV. 484. , da Rumfords Calori - meter doch nur um die Hitze einer kleinen Flamme zu beſtimmen, dienen kann. Dieſes Inſtrument beſteht aus einem mit Waſſer gefuͤllten Kaſten (Fig. 36. ) ABCD, in deſſen Mitte ſich ein mit vollkommen waſſerdichten Waͤnden verſehener Ofen EFGH be - findet. Dieſer Ofen hat ſeinen Roſt bei FG und bei H iſt der Luftzug; durch die Oeffnung bei A werden die zum Brennen beſtimmten Koͤrper hereingelegt und entzuͤndet, dann aber wird dieſe Oeffnung durch einen dichten Deckel geſchloſſen, ſo daß der182 Luftzug den Rauch durch die ſehr lange Roͤhre ikl fortfuͤhren muß. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß man den Zug ſo muß zu verſtaͤrken ſuchen, daß das Brennmaterial ſo wenig als moͤglich unverbrannten Rauch durch die Oeffnung 1 entweichen laſſe, und daß auch alle Waͤrme dem Rauche und der bei 1 hervorgehenden Luft faſt ganz entzogen ſei. Damit auch die bis in die Roͤhre ikl hinuͤber gefuͤhrte Waͤrme zur Erhitzung des Waſſers beitrage, iſt die Zugroͤhre rund um mit einer Waſſerroͤhre umgeben, deren Durchſchnitt die Figur in mno, pqr, zeigt. Das Waſſer wird aus dem etwas hoͤher ſtehenden Gefaͤße UV durch die Roͤhre ts zugefuͤhrt, und die Roͤhre px leitet es bis auf den Boden des Hauptgefaͤßes ABCD herab. Um die Luft auszulaſſen, iſt oben bei Y eine Roͤhre mit einem Hahne, und um das Waſſer abzu - laſſen, unten eine Roͤhre bei Z. Der mit dieſem Inſtrumente anzuſtellende Verſuch beſteht darin, daß man eine abgewogene Quantitaͤt des Brennmaterials in den Ofen legt, dieſes ſchnell zum vollen Brennen bringt, dann die Zeit beobachtet, die erforderlich iſt, bis das Waſſer einen beſtimmten Hitzegrad erreicht, und ſobald dieſer erreicht iſt, das Feuer durch Verſchließen aller Oeffnungen toͤdtet. Die Menge des verbrannten Brennmaterials giebt dann an, theils in welchem Grade das eine oder andre Material mehr Hitze giebt, theils wie ein verſchieden unterſtuͤtztes, ſchnelles oder langſames, Brennen ungleich wirkt, u. ſ. w. Es iſt wohl einzu - ſehen, daß auch bei ſorgfaͤltiger Ausfuͤhrung des Verſuches hier noch viele Schwierigkeiten ſich einer genauen Beſtimmung ent - gegenſtellen, doch ſcheint dieſe Anordnung immer noch am beſten zu vergleichenden Verſuchen dienen zu koͤnnen.
Die von Bull angeſtellten Verſuche ſind auf eine noch ſchwierigere Weiſe zu Stande gebracht, indem er ein kleines Zim - mer von 8 Fuß Laͤnge, Breite und Hoͤhe mitten in einem groͤßern Zimmer bauen ließ, und durch einen in dem kleinern Zimmer an - gebrachten Ofen den Grad der Waͤrme, den abgewogne Brenn - materialien hervorbrachten, beſtimmte. Dieſe Verſuche zeigen allerdings gerade die Wirkung am meiſten unmittelbar, die gewoͤhn - lich am wichtigſten fuͤr uns iſt; aber es ſcheint doch auch da ſchwie - rig, eine vollkommene Vergleichbarkeit der Verſuche zu bewirken. Peclet theilt die von Bull, Rumford und andern bekannt183 gemachten Folgerungen mit, von denen ich hier nur ſehr wenig anfuͤhren kann*)Ueber die Waͤrme und deren Anwendung in Kuͤnſten und Ge - werben, von Peclet; uͤberſ. v. Hartmann. Erſter Th. Braun - ſchw. Bieweg. 1830. Sehr ſtark ausgetrocknetes Holz bringt, wenn man gleiche Gewichte an Holz anwendet, nicht ſehr verſchiedene Waͤrmemengen hervor; aber die vollkommene Austrocknung iſt ſo vortheilhaft, daß ein nur gewoͤhnlich trockenes Fichtenholz nicht voͤllig ⅚ der Waͤrme giebt, die man von ebenſo viel wiegendem, im Ofen vollkommen ausgetrocknetem Fichtenholze erhaͤlt, — der Aufwand an Holz iſt im letzten Falle zwar um ſo viel als das Gewicht der feuchten Theile betrug, groͤßer genommen, aber dies iſt doch lange nicht der ganzen Quantitaͤt des unvollkommen trocke - nen Holzes gleich, wenn das Letztere gleich viele Waͤrme geben ſoll. Man kann rechnen, daß 1 Pfund ganz trocknes Holz ſo viel Waͤrme giebt, als noͤthig iſt, um 40 Pfund Eis zu ſchmelzen. Ein gleiches Gewicht der beſten Holzkohlen giebt faſt doppelt ſo viel Waͤrme als Holz, aber die Kohlen ſind bei weitem nicht von gleicher Guͤte. Ein beſtimmtes Gewicht Steinkohlen giebt weniger Waͤrme als dem Gewichte nach ebenſo viel Holzkohle. Baum-Oel, dem Gewichte nach gerechnet, giebt $$\frac{5}{4}$$ bis $$\frac{3}{2}$$ mal ſo viel Waͤrme als Holzkohle, und Waſſerſtoffgas giebt bei gleichem Gewichte dreimal ſo viel Waͤrme als Holzkohle. Fuͤr die Holz-Arten, die wir nach Klaftern und nicht nach Gewicht zu berechnen pflegen, ſind folgende Vergleichungen angegeben; Nußbaumholz giebt doppelt ſo viel Waͤrme als Birkenholz, Rothbuchen - und Weißbuchenholz $$\frac{4}{3}$$ mal ſo viel als Birke, Fichtenholz $$\frac{9}{8}$$ mal ſo viel als Birkenholz, die Italieniſche Pappel dagegen nur ⅚ deſſen was Birkenholz giebt, naͤmlich Klafter gegen Klafter gerechnet. Indeß, ſo ſchaͤtzenswerth dieſe Angaben ſind, ſo kommen doch, theils durch die Verſchiedenheit des Holzes, theils durch die Verſchiedenheit der Anwendung, in den Beſtimmungen des Werthes, den wir den Brennmaterialien beilegen muͤſſen, große Ungleichheiten vor. Oft iſt uns ein ſchnell brennendes Feuer angenehmer, wenn es auch im ganzen Verlaufe des Verbrennens nicht ſo viel Hitze giebt, oft verlangen wir ein lange dauerndes maͤßig waͤrmendes Feuer, u. ſ. w.
Aber auch das Feuerloͤſchen haͤngt von eben den Grundregeln ab, wie das Verſtaͤrken des Feuers. Das Feuer erliſcht, wenn es keinen Zufluß von Sauerſtoffgas hat, und ein genaues Schließen aller Zuͤge erſtickt daher das Feuer. Es erliſcht, wenn man die brennende Flaͤche ſchnell abkuͤhlt, und dies geſchieht am wirkſamſten durch fluͤſſige Koͤrper, die eine ſehr große Waͤrme zum Verdampfen fordern. Indem naͤmlich die brennende Oberflaͤche mit einer duͤn - nen Waſſerſchichte uͤberzogen wird, und dieſe beim Verdampfen einen ſehr großen Waͤrme-Aufwand fordert, wird die brennende Flaͤche bis unter den Waͤrmegrad, wobei ſie ſich entzuͤnden kann, abgekuͤhlt. Es bedarf dazu nur einer maͤßigen Quantitaͤt Waſſers, und der Strahl der Feuerſpritze wird vortheilhafter angewandt, wenn er eine ausgedehnte Flaͤche, an ihr hinſtreichend, maͤßig befeuchtet, als wenn er ſich mit großer Gewalt auf wenige Puncte ergießt. Wie wirkſam dieſe Abkuͤhlung iſt, zeigt der Verſuch, wo man Waſſer in einem Papiere uͤber der Lichtflamme erhitzt. Hier entzuͤndet ſich das Papier nicht, weil das die andre Seite des Pa - piers beruͤhrende Waſſer doch hoͤchſtens bis zur Kochhitze erwaͤrmt wird, und dieſe Kochhitze iſt bei weitem geringer als diejenige, deren das Papier zum Entzuͤnden bedarf. Daß die Loͤſchung zuerſt auf die unterſten Puncte gerichtet werden muß, iſt offenbar, da dieſe die hoͤhern mehr erhitzen, als es umgekehrt der Fall iſt. Koͤrper, die leicht entzuͤndbar ſind, geſtatten eben darum kein leichtes Aus - loͤſchen, weil hier eine viel tiefere Abkuͤhlung noͤthig iſt, als bei ſchwer entzuͤndlichen Koͤrpern. Indeß kann man ſelbſt mit brenn - baren Koͤrpern einen brennenden Koͤrper loͤſchen, wenn man nur ſchnell eine ſo große Quantitaͤt hinzubringt, daß die Abkuͤhlung ſtark genug iſt, wobei dann uͤberdies auch dem Feuer der Zutritt der Lebensluft geraubt wird.
Noch merkwuͤrdigere Betrachtungen als die Erwaͤrmung durch das Feuer bietet die Flamme uns dar. Die meiſten verbrennlichen Koͤrper, welche mit Flamme brennen, geben bei der zerſtoͤrenden Deſtillation Luft-Arten, welche Waſſerſtoff und Kohlenſtoff ent - halten, und die Entzuͤndung dieſer Luft-Arten bringt die Flamme hervor*)Von allen Flammen gilt dies nicht. Schwefel z. B. bringt im Brennen Schwefelſaͤure, durch die Verbindung des Schwefels mit dem Sauerſtoffe, hervor.. Nachdem naͤmlich bei unſern gewoͤhnlichen Lichtern durch eine fremde Erhitzung das Wachs oder der Talg im Dochte zum Brennen gebracht iſt, reicht dieſe Hitze hin, um die benachbar - ten Theile zu ſchmelzen; ſie ziehen ſich nun in dem Dochte herauf, kommen hier in die voͤllige Gluth der Flamme, wodurch ſie zerſetzt und ſelbſt in Brand geſetzt werden, und damit iſt die Dauer des Prozeſſes geſichert. Nur wenn durch ſtarke Abkuͤhlung, am ge - woͤhnlichſten durch einen ſtarken Luftzug, die Erhitzung unterbro - chen wird, erliſcht das Licht, und hier findet man wieder, daß eine Wachslichtflamme leichter als eine ebenſo große und ganz gleiche Talglichtflamme und viel leichter als eine Schwefelflamme auszu - blaſen iſt, weil die letztere bei ſehr geringer Waͤrme fortbrennt. Die noch matt brennende Flamme eines eben angezuͤndeten Lichtes kann ſogar durch bloße Annaͤherung eines ſehr kalten Koͤrpers getoͤdtet werden, weil ſie ſo wenig Waͤrme entwickelt, daß der ganze Verbrennungsproceß durch die mindeſte Entziehung von Waͤrme aufgehoben werden kann.
Die Flamme brennt nur da, wo ſie mit der atmoſphaͤriſchen Luft in Beruͤhrung iſt, ſo daß ſie nur einen duͤnnen leuchtenden Mantel um den innern, zwar ſehr erhitzten, aber doch kein Ver - brennen darbietenden, Raum bildet. Man ſieht dies, wenn man186 einen ſehr brennbaren Koͤrper in die Mitte der Flamme bringt, wo er wohl ſchmilzt, aber nicht brennt; ſelbſt Phosphor in der Mitte einer großen Weingeiſtflamme brennt nicht, ſondern bleibt geſchmolzen und unentzuͤndet, bis bei Verminderung des Weingeiſtes die kleiner werdende Flamme den Zutritt der Luft zu ihm geſtattet, wo er ſich dann entzuͤndet. Dieſe hohle Kegelform der Flamme wird am beſten ſichtbar, wenn man ein aus ſehr duͤn - nem Drath mit ſehr engen Maſchen verfertigtes Drathgewebe von oben herab in die Flamme bringt; dann iſt nur der kreisfoͤrmige Umfang dieſer Durchſchnittsflaͤche leuchtend, der mittlere Raum dagegen enthaͤlt unverbrannte Beſtandtheile, die ſich beim Brennen fetter Koͤrper als Ruß anlegen. Die Flamme nimmt eine ſpitzige Form an. Der hinaufſteigende Strom erwaͤrmter Luft, welcher unten an den Seiten des mit brennbaren Luft-Arten erfuͤllten Raumes in der Breite, welche die entwickelten brennbaren Luft - Arten einnehmen, zuruͤckgehalten wird, draͤngt ſich oberwaͤrts, wo dieſe Raum finden, ſich hoͤher hinauf auszudehnen und wo ſie zum Theil ſchon verzehrt ſind, von allen Seiten nach der Mitte, und hier wird der hinaufgehende Strom dieſer Luft-Arten verengert und endlich ſchmal genug und hinreichend mit atmoſphaͤriſcher Luft gemiſcht, um durch und durch brennend den Kegel zu ſchließen. Im untern Theile der Flamme, wo die zerſtoͤrende Deſtillation des fetten Koͤrpers in unſern Lichtern und Lampen erſt ſtatt findet, iſt ſehr wenig Zerſetzung der erzeugten Luft-Arten, eine Menge von Kohlenſtoff legt ſich hier, wenn man die Flamme unterbricht, als Ruß an. Hoͤher hinauf, wo die Verbrennung am lebhafteſten fortgeht, wo der blaue Theil der Lampenflamme aufhoͤrt, iſt die Hitze der Flamme am groͤßeſten und der unverbrannt ſich anlegen - den Theile ſind wenigere, obgleich bei der gewoͤhnlichen Lichtflamme und Lampenflamme noch erhebliche Mengen unverbrannter Stoffe oberhalb der Flamme als Rauch verloren gehen. Naͤhert man zwei Flammen einander, ſo brennen ſie hoͤher auf, und geben ein ſtaͤrkeres Licht, offenbar weil die ſich gegenſeitig unterſtuͤtzende Hitze noch Theile verbrennt, die an der Oberflaͤche der einzelnen Flamme, unvollkommen verbrannt, verloren gingen.
Da die Mitte der Flamme aus Mangel an Oxygen nicht leuchtet, ſo begreift man leicht, wie viel gewonnen wird, wenn man187 einen Luftſtrom in der Mitte der Flamme hinaufgehen laͤßt, oder wenn man einen cylindriſchen Docht anwendet, wie dies in den Argandſchen Lampen der Fall iſt. Dieſe große Verbeſſerung der Lampen, die Argand 1783 bekannt machte, hat nicht bloß vor den gewoͤhnlichen, ſondern ſelbſt vor den bloß bandfoͤrmig nach einer Richtung ausgedehnten Dochten den Vorzug. Der Luftzug wird naͤmlich in dem ſo ſtark erhitzten innern Raume der Flamme mehr befoͤrdert, und dieſe Erhitzung befoͤrdert auch ſchon an ſich das vollſtaͤndige Verbrennen der aus dem Oele entwickelten Luft - Arten. Der Vortheil, den jener innere Luftzug gewaͤhrt, wird noch vermehrt, wenn man eine glaͤſerne, unten und oben offene Roͤhre die Flamme umgeben laͤßt. Dieſe, indem ſie ſelbſt erhitzt wird, befoͤrdert den raſchen Zutritt des Sauerſtoffgas, und noͤthiget den hinaufgehenden Luftſtrom, ſich nahe an der Flamme hin zu draͤngen, und ſie ſo moͤglichſt vollkommen mit Sauerſtoff zu naͤhren. Und ſo iſt es denn wohl einzuſehen, warum dieſe Argandſchen Lampen alles Brennbare ganz verzehren, ſo daß gar kein Rauch ſich oberhalb der Flamme findet, ſondern Waſſerdampf (aus der Vereinigung der Hydrogen mit dem Oxygen,) und kohlenſaures Gas (aus der Vereinigung des Oxygen mit dem Kohlenſtoffe), die einzigen Producte des Verbrennens ſind.
Rumford hat dieſe Anordnung noch dadurch vollkommener gemacht, daß er die Lampen vielflammig machte. Dochte naͤmlich, die neben einander in angemeſſenen Entfernungen ſtehen, und die Rumford als platte Dochte anbringt, verſtaͤrken, indem ſie zu - gleich brennen, den Luftzug ſo ſehr, und die entſtandene Hitze beſchleunigt die Zerſetzung aller brennbaren Beſtandtheile ſo ſehr, daß das Licht noch viel ſtaͤrker iſt, als bei dem einfachen cylindri - ſchen Dochte. Rumford giebt von ſeiner Lampe, mit vier platten, 1⅗ engl. Zoll breiten Dochten, an, daß ſie mehr Licht als ſechs ſehr ſchoͤn brennende Argandſche Lampen gab, und bei ihrem vollkommenſten Glanze die Stelle von 40, gleichſam in einen Punct vereinigten, Wachslichtern vertrat. Dabei iſt dann freilich auch der Aufwand an Oel groͤßer, aber wenigſtens lange nicht ſo groß, als es das Verhaͤltniß des Lichtes zu fordern ſcheint. Rum - ford hat mehrere Verſuche mit dem Photometer angeſtellt, um die Zunahme des Oelverbrauchs bei vermehrter Helligkeit zu finden. 188Wenn er eine Argandſche Lampe durch Herunterziehen des Dochtes ſo lichtſchwach machte, daß ſie nur einem Wachslichte gleich leuchtete, ſo brauchte ſie an Gewicht 2¼ mal ſo viel Oel als das Wachslicht an Wachs verbrannte; gab man ihr durch Vergroͤße - rung des Dochtes die Helligkeit von 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 Wachslichtern, ſo ſtieg der Oelverbrauch nur auf 2¾, 3 $$\frac{1}{20}$$ , 3⅗, 4 $$\frac{1}{20}$$ , 4⅖, 4 $$\frac{7}{10}$$ , 5 $$\frac{1}{7}$$ , 5⅗, ſo daß ſie alſo bei einer Licht - ſtaͤrke, gleich 9 Wachslichtern, nur 5⅗ mal ſo viel Oel als ein Wachslicht an Wachs verbrannte, oder bei dem 6 fachen Glanze erſt doppelt ſo viel Oel als bei dem einfachen Glanze, bei dem 9 fachen Glanze nur 2½ mal ſo viel als bei dem einfachen Glanze verzehrte. Da Rumford verſichert, daß bei allen dieſen Ver - ſuchen eine vollſtaͤndige Verbrennung ſtatt fand, ſo iſt es allerdings auffallend, daß die Lichtmenge in ſo viel groͤßerem Verhaͤltniß als das Brennmaterial waͤchſt. Offenbar iſt das Licht da ſtaͤrker, wo die Waͤrme in einem kleinen Raume recht bedeutend iſt, aber warum dieſes Concentriren der Waͤrme Licht frei macht, iſt uns noch ganz unbekannt.
Etwas Aehnliches findet bei Talg - und Wachslichtern ſtatt; ſie verbrauchen zwar am wenigſten von dem fetten Koͤrper, wenn die Flamme klein iſt, aber geben dann auch ſo wenig Licht, daß z. B. Rumford nur $$\frac{1}{16}$$ des Lichtes bei ¼ des Wachsverbrauchs erhielt, wenn er ein ſehr duͤnnes Wachslicht in Vergleichung gegen das vorhin zum Maaße gebrauchte anwandte. Die Waͤrme, die Rumford mit ſeinem Calorimeter beſtimmte, indem er die Licht - flamme unter die Zugroͤhre ſetzte, war der Menge des verbrannten Wachſes ſehr nahe entſprechend.
Bei andern Vervollkommnungen der Lampen, daß man ihr Licht durch zuruͤckwerfende Spiegel verſtaͤrkt, daß man es durch einen matt geſchliffenen Glasſchirm gleichmaͤßiger vertheilt, wobei in der ganzen Erleuchtung wenig verloren geht, indem dieſe, von allen Puncten des Schirms ausgehend, beinahe ſo viel betraͤgt, als bei der freien Flamme, deren großer Glanz auf einen kleinen Raum beſchraͤnkt iſt; — will ich hier nicht verweilen.
Die Bemerkung, daß es die aus dem brennbaren Koͤrper entweichenden brennbaren Luft-Arten ſind, welche die Flamme hervorbringen, leitete ſchon vor laͤngerer Zeit darauf hin, einzu - ſehen, daß beim Verkohlen des Holzes im Freien eine Menge brauchbarer Stoffe verloren gehe, und daß es daher vortheilhaft ſei, das Holz in geſchloſſenen Raͤumen der Hitze und ſo der Verkohlung auszuſetzen, damit theils die im Rauche fortgefuͤhrten bei dieſer Hitze noch nicht brennbaren Koͤrper (die Holzſaͤure zum Beiſpiel) aufgefangen, theils die brennbaren Luft-Arten benutzt werden koͤnnten. Auf dieſer Betrachtung beruhten die Thermolampen, die Lebon ſchon 1799 ſo anwandte, daß die entweichenden Gas - Arten zur Erleuchtung gebraucht wurden; Murdoch hatte aͤhn - liche Verſuche ſchon 1792 angeſtellt, ohne ſie damals weiter zu verfolgen. Dieſe Erfindung, die auch in Deutſchland nachgeahmt wurde, und deren Nutzen, theils um durch die brennbaren Luft - Arten zu erleuchten, theils um das Feuer zu verſtaͤrken, in welches man ſie nach der Entwickelung aus den in geſchloſſenen Raͤumen verkohlten Holzſtuͤcken leitete, man ſehr wohl anerkannte, ward indeß nur wenig benutzt, bis Winſor durch eine Reihe von Verſuchen ſich in Stand geſetzt fand, die Sache mehr ins Große zu treiben, und ſich 1804 ein Patent auf eine Gas-Erleuchtung durch das in den Steinkohlen enthaltene Gas geben ließ. Seit dem hat dieſe Gas-Erleuchtung großes Aufſehen gemacht, und man hat ſowohl das aus Steinkohlen, als das aus Oelen und Thran entwickelte Gas dazu angewandt, indem man von den Ge - faͤßen, die das Gas enthalten, Roͤhren zu den Puncten hin, wo man eine Flamme fordert, leitet, hier das Gas aus einer Oeff - nung hervordringen laͤßt, und die Luft entzuͤndet, die dann, nach Verſchiedenheit der Oeffnungen, groͤßere oder kleinere Flammen giebt.
Die brennbaren Koͤrper enthalten alle Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und meiſtens nur eine geringe Menge Sauerſtoff, welche Stoffe bei der Zerſtoͤrung des Koͤrpers durch die Hitze ſich in andern Verhaͤlt - niſſen wieder verbinden. Aus den bei einer noch nicht bis zum Brennen gehenden Hitze erzeugten Stoffen gehen bei groͤßerer Hitze jene Beſtandtheile hervor, die ſich theils zu kohlenſaurer Luft190 (Kohlenſtoff und Sauerſtoff) theils zu brennbaren Luft-Arten (Kohlenſtoff und Waſſerſtoff) verbinden. Kohlen-Waſſerſtoff - Gas und Oel bildendes Gas gehen, nach Verſchiedenheit des Miſchungsverhaͤltniſſes, aus den letztern beiden hervor, und beide Luft-Arten ſind zum Erleuchten ſehr wohl geeignet. Die durch Zerſetzung der Steinkohlen hervorgebrachten Luft-Arten geben ein ſchoͤneres Licht als die Steinkohlen ſelbſt, weil ſie von den uͤbrigen Stoffen, die beim Verbrennen der Steinkohlen mit entbunden werden, ſchon gereinigt ſind. Die ſchoͤnen Flammenſtroͤme, die wir aus den brennenden Steinkohlen zuweilen hervorbrechen ſehen, ſind, nach Accums Bemerkung, dieſen Gas-Arten zuzuſchrei - ben; aber zwiſchen ihnen brechen der unvollſtaͤndig zerſetzte Rauch, der eine theerige Subſtanz giebt, Waſſerdampf und unverbrennliche Luft-Arten hervor, und dieſe verfinſtern den Glanz jener Flammen.
Auf aͤhnliche Weiſe verhaͤlt es ſich mit dem Oele, ſo daß auch das aus Oel hervorgehende, aus Kohlenſtoff und Waſſerſtoff zu - ſammengeſetzte Gas ein ſchoͤneres, uͤberdies auch gleichfoͤrmigeres Licht giebt, als das Oel ſelbſt. Nach den genauen Vergleichungen von Preuß*)Gilb. Ann. LXXVI. 113. Herapath hat bedeutend verſchie - dene Angaben, die man eben dort S. 164 findet. iſt die Beleuchtung mit dem aus Oel entwickelten Gas wohlfeiler und ſchoͤner, als die mit dem Gas aus Steinkohlen, und die Wohlfeilheit wird noch dadurch befoͤrdert, daß man ſchlech - tes Oel, ſelbſt Thran, anwenden kann, da die uͤbeln Geruͤche ohnehin durch Reinigen der Gas-Arten muͤſſen weggeſchafft wer - den. Nach den Angaben von Preuß geben 15 Pfund Oel ungefaͤhr 200 Cubicfuß Gas, (und dieſe ſollen ungefaͤhr ſo viel Licht geben als 700 Cubicfuß Steinkohlengas); eine derjenigen Brenn-Oeffnungen, die ein Licht einer kleinern Argandſchen Lampe gleich, oder 10 Talglichtern zu ⅙ Pfund gleich, geben, braucht ſtuͤndlich $$\frac{5}{4}$$ Cubicfuß jenes Oelgas, und es laͤßt ſich alſo uͤberſehen, mit wie maͤßigem Aufwande die Erleuchtung erhalten wird. Das Oel wird hier mit mehr Vortheil als in der Argandſchen Lampe verwandt, und man kann annehmen, daß die hervorgebrachte Erleuchtung durch die letztere nur ¾ von derjenigen iſt, die das191 Gas, bei gleichem Aufwande von Oel, bewirkt. — Ein Pfund gute Wachslichter giebt nur ungefaͤhr halb ſo viel, ein Pfund gute Talglichter nur ungefaͤhr ⅖ ſo viel Erleuchtung, wenn man Zeit und Helligkeit des Brennens gehoͤrig vergleicht, als ein Pfund zu Gas-Erleuchtung verwendetes Oel.
Der Vorzug des aus Oel hervorgebrachten Gas liegt vor - zuͤglich darin, daß die Menge der beiden Gas-Arten, die zum Leuchten am wichtigſten ſind, des Oel erzeugenden Gas und des Kohlen-Waſſerſtoffgas hier groͤßer, die Menge des dunkel bren - nenden Waſſerſtoffgas und der ebenfalls unvortheilhaften Luft - Arten, naͤmlich des gasfoͤrmigen Kohlenſtoff-Oxyds und des Stick - gas, viel geringer iſt. Nach Henry's Verſuchen enthaͤlt das Oelgas, oder das aus der Zerſetzung des Oeles gewonnene Gas, in 100 Theilen 38 Theile Oel erzeugendes Gas, 46 Theile Kohlen - waſſerſtoffgas, ſtatt daß im Steinkohlengas nur 7 Theile jener, 56 Theile dieſer Luft-Art vorkommen; die minder oder gar nicht zum Leuchten beitragenden Luft-Arten betragen alſo dort nur 16, hier 37 Theile. Die große Menge des Oel erzeugenden Gas, welches unter allen brennbaren Luft-Arten am meiſten Licht giebt und zugleich am ſchwerſten iſt, begruͤndet hier den großen Vorzug des aus Oel gewonnenen Gas.
Im Allgemeinen verdanken, nach Davy's Bemerkung, die Flammen ihren Glanz nicht dem Waſſerſtoff, ſondern den darin enthaltenen dichteren Beſtandtheilen, wozu auch der Kohlenſtoff mit gehoͤrt. In unſern gewoͤhnlichen Lichtflammen iſt da der Glanz am ſtaͤrkſten, wo der im untern Theile noch zum Abſetzen als Ruß vorhandene Kohlenſtoff zum vollen Gluͤhen und Verbren - nen koͤmmt; die Gasflammen beſitzen nur dann einen ſtarken Glanz, wenn ſie aus ſchweren brennbaren Luft-Arten beſtehen, in denen ſich viel Kohlenſtoff befindet; Zink-Oxyd in eine Flamme von Schwefel oder Waſſerſtoffgas gebracht, giebt dieſer ein unge - mein ſtarkes Licht. Die Hitze der Flamme ſteht mit dieſem Glanze in keinem Verhaͤltniſſe, da die unſcheinbare Flamme des aus Waſſerſtoff und Sauerſtoff gemiſchten Gas eine ausgezeichnet ſtarke Hitze hervorbringt.
Die Anordnung der zur Gas-Erleuchtung noͤthigen Apparate will ich nur kurz beſchreiben. Sie beſtehen aus drei Theilen, naͤm -192 lich aus dem Gefaͤße, worin durch ſtarke Hitze das Gas entwickelt wird, aus einem zweiten Gefaͤße, worin es gereinigt wird, und aus dem dritten, worin es geſammelt und den Brenn-Oeffnungen zugeleitet wird. Fuͤr den erſten Zweck bedient man ſich bei dem Steinkohlengaſe einer eiſernen Retorte, worin die Steinkohlen durch ein unter der Retorte angebrachtes Feuer erhitzt werden, da - mit alle fluͤchtigen Beſtandtheile durch die zum zweiten Gefaͤße fuͤhrende Roͤhre ausgetrieben werden. Bei der Bereitung des Oelgas bedarf man einer kleinern Retorte, die auf 600 Grad der Centeſimalſcale erhitzt wird, und in der ſich das in einem langſamen Strome zufließende Oel ſogleich zerſetzt. Das zweite Gefaͤß iſt bei dem Steinkohlengas beſtimmt, das Theer und die uͤbrigen fluͤſ - ſigen Subſtanzen aufzunehmen, und das Gas, welches hier durch Waſſer mit Kalk gemiſcht geht, von der nicht mit brennbarer Luft verbundenen Kohlenſaͤure und andern Stoffen zu reinigen. Fuͤr das Oelgas hat man ebenfalls am beſten gefunden, die Daͤmpfe und Luft ziemlich weit durch Waſſer fort zu leiten, damit das Gas von den Daͤmpfen befreit als reines Gas uͤbergehe. Das dritte Gefaͤß iſt (Fig. 37. ) das unten offene Gaſometer AB, das mit ſeiner Oeffnung AB in das Waſſer im Gefaͤße M, M, getaucht iſt, und durch die Gewichte C, D, beinahe im Gleich - gewichte gehalten wird; die vom zweiten Gefaͤße herkommende Roͤhre XXX fuͤllt das Gaſometer und iſt oben mit der mit Waſſer gefuͤllten Haube Y bedeckt, damit das in dem Raume EF geſammelte Gas nicht zuruͤck in dieſe Roͤhre, ſondern in die offene Roͤhre GHIK dringe; oͤffnet man dann den Hahn K, ſo ſtroͤmt das Gas zu den Oeffnungen L, L, L, hin, wo es entzuͤndet wird, und mit ſchoͤner weißer Flamme brennt*)Verſchiedene Anordnungen zur Gas-Erleuchtung ſind beſchrie - ben in: Accums pract. Abh. uͤber das Gaslicht, uͤberf. v. Lampa - dius. Berlin. 1819..
Daß dieſe Gas-Erleuchtung ſchon in vielen Staͤdten ange - wandt wird, und, wenn nicht die erſte Auslage ſo groß waͤre, noch oͤfter angewandt werden wuͤrde, iſt Ihnen bekannt. — Aber ſo nuͤtzlich dieſe, die Flamme betreffende, Erfindung iſt, ſo bietet ſich uns doch eine noch ungleich wichtigere dar.
Davy's auch in wiſſenſchaftlicher Beziehung ſehr ſchaͤtzens - werthen und gehaltreichen Unterſuchungen uͤber die Flamme, die ich ſchon mehrmals angefuͤhrt habe, gewinnen noch ein viel anzie - henderes Anſehen durch die Veranlaſſung, die ihn zu denſelben fuͤhrte und durch die nuͤtzliche Erfindung, zu welcher ſie ihn leite - ten. Die Veranlaſſung gaben die mit jedem Jahre zahlreicher werdenden Ungluͤcksfaͤlle, die ſich durch Entzuͤndung brennbarer Luft-Arten, ſchlagender Wetter, wie die Bergleute es nennen, in den engliſchen Kohlenbergwerken ereigneten. Je tiefer dieſe Kohlen - ſchachte hinabgefuͤhrt werden, deſto oͤfter muß es ſich ereignen, daß die aus dem Geſteine ſo oft hervordringenden unathembaren Luft - Arten, wegen des ſo ſehr erſchwerten Zutrittes der Luft von oben, wegen der immer groͤßern Schwierigkeit eines die Luft erneuernden Luftzuges, ſich anſammeln und gefaͤhrliche Erfolge hervorbringen. Unter dieſen Luft-Arten, die ſich vorzuͤglich aus alten verlaſſenen Gruben, aber auch ſonſt aus den Spalten der Stein - und Stein - kohlenſchichten entwickeln, und die zuweilen in ungewoͤhnlich reich - lichem Maaße hervordringen, ſind die brennbaren die haͤufigſten und die gefaͤhrlichſten, weil ſie, mit atmoſphaͤriſcher Luft gemiſcht, eine Exploſion veranlaſſen, ſobald das Grubenlicht des Bergman - nes ſie erreicht. Durch dieſe Exploſion werden oft ganze Strecken der Bergwerke verſchuͤttet, die in der Tiefe arbeitenden Bergleute werden entweder durch die Exploſion ſelbſt verſtuͤmmelt oder getoͤd - tet, oder durch das Einſtuͤrzen der Zugaͤnge aller Huͤlfe beraubt. Dieſe immer haͤufiger werdenden Ungluͤcksfaͤlle veranlaßten den dringenden Wunſch, daß man dem Bergmanne, der eben ſo wenig die Lampe entbehren kann, als er Mittel beſitzt, den Ort, wo ſich ſchlagende Wetter geſammelt haben, voraus zu erkennen, eine mit der aͤußern Luft nicht in unmittelbarer Verbindung ſtehende Lampe zu verſchaffen im Stande ſei. Dieſe Abſperrung der brennenden Lampe von der aͤußern Luft ſchien große Schwierigkeit zu haben, da man die Lampe doch mit atmoſphaͤriſcher Luft unterhalten mußte, um ſie brennend zu erhalten, und jede Anordnung, die dieſe nur aus geſchloſſenen Gefaͤßen zufuͤhrte, mit zu großen Unbequemlich - keiten verbunden war. Die Wichtigkeit der Entdeckung einesIII. N194Sicherungsmittels gegen jene großen Gefahren bewog Davy, die Umſtaͤnde, unter denen die explodirenden Gas-Arten zur Ex - ploſion kommen, genau zu erforſchen, und er fand da, daß dieſe Exploſion nur erfolge, wenn ein hoher Grad von Erhitzung ſtatt findet. Vorzuͤglich erregte die Erfahrung, daß die Flamme unſerer Lampen durch ein Gewebe aus ſehr duͤnnen Metalldraͤthen nicht hindurch dringe, wenn die Oeffnungen klein ſind, ſeine Aufmerkſam - keit, und er bemerkte, daß bei ſehr feindraͤthigen und eng geweb - ten Drathnetzen dieſes Zuruͤckhalten der Flamme ſo vollkommen ſtatt fand, daß es ſelbſt durch das Gluͤhendwerden des Drathnetzes nicht aufgehoben ward. Da die brennbaren Daͤmpfe, der Rauch und die Miſchung brennbarer Luft-Arten, aus deren Entzuͤndung die Flamme entſteht, durch das Gewebe durchdringen und ſich ver - mittelſt einer hinzugebrachten Flamme entzuͤnden laſſen, obgleich ſie ſich durch die an der andern Seite des Gewebes brennende Flamme nicht entzuͤnden, ſo ſchloß Davy, daß die Hitze des duͤn - nen Drathes, ſelbſt im Gluͤhen, nicht ſo groß ſei, daß das Ent - zuͤnden der Luftmiſchung dadurch bewirkt werden koͤnne, daß die Abkuͤhlung es ſei, wodurch das Drathgewebe die Flamme zuruͤck - haͤlt. Auf dieſe Verſuche und auf die daraus hergeleitete Anſicht geſtuͤtzt, ließ er einen die Lampe ganz umſchließenden Cylinder von Drathgewebe verfertigen, ſo daß die aͤußere Luft durch die engen Oeffnungen des Gewebes zutreten, aber auf keinem andern Wege zur Flamme gelangen konnte; dieſe Lampe brachte er geradezu in eine Knallluft, und hatte das Vergnuͤgen zu ſehen, daß die Ex - ploſion ſich nicht bis auf die Luft außerhalb des Drathcylinders verbreitete. Bringt man naͤmlich dieſe Lampe zuerſt in eine nur mit wenigen brennbaren Luft-Arten gemiſchte Atmoſphaͤre, ſo vergroͤßert ſich bloß die Flamme; ſteigt die Menge der brennbaren Luft auf ein Zwoͤlftel des Raumes der Luft, ſo erfuͤllt ſich der ganze Drathcylinder mit einer blauen Flamme, worin die Lampenflamme mit hellerem Lichte fortbrennt; betraͤgt die brennbare Luft ein Fuͤnftel des Ganzen, ſo erfuͤllt ſich der ganze innere Raum des Drathcylinders mit ſtarkem Lichte; aber auf den umgebenden Raum dehnt ſich dieſe Entzuͤndung nicht aus. So war alſo die Entdeckung einer Sicherheitslampe fuͤr den Bergmann gemacht, indem auch er mitten in den ſchlagenden Wettern nur die Ent -195 zuͤndung derſelben im Innern ſeiner Lampe wahrnimmt, und ſelbſt wenn die Menge der brennbaren Luft noch mehr zunimmt, nur das als ſchlimmſten Fall zu fuͤrchten hat, daß die Luftmiſchung nicht mehr genug Sauerſtoff, um fortzubrennen, enthaͤlt, wo dann ſeine Lampe erliſcht.
Damit das Drathnetz den Zweck, die Flamme zuruͤckzuhalten, erfuͤlle, muß es mit vollkommener Sorgfalt gemacht und unter - halten ſein, damit nirgends eine groͤßere Oeffnung ſich finde; der Drath muß ſo fein ſein, daß er nur ungefaͤhr $$\frac{1}{40}$$ Zoll ſtark iſt; denn obgleich, wie Davy ſagt, auch ſtaͤrkerer Drath im Gluͤhen noch nicht die explodirenden Wetter zuͤndet, ſo iſt es doch ſicherer, einen duͤnnen Drath, der weniger Hitze abgeben kann, zu waͤhlen; vor allem aber muͤſſen die Maſchen ſo eng ſein, daß ſie nur $$\frac{1}{20}$$ Zoll Zwiſchenraum laſſen, damit nicht die in die Oeffnungen ein - dringende Flamme, in der Mitte zu wenig abgekuͤhlt, durch das Gewebe hindurch dringen kann. Dieſe Lampe hat unten ihr Oel - gefaͤß, das abgeſchraubt und mit Oel gefuͤllt werden kann; dann zuͤndet man die Lampe an und verſchließt durch das Aufſchrauben des Drathcylinders jeden andern Zutritt der aͤußern Luft. Fig. 38 ſtellt dieſe Lampe dar.
Die Erfahrung hat an zahlreichen Beiſpielen gezeigt, daß die Sicherung durch dieſe Davyſche Sicherheitslampe als vollkommen angeſehen werden kann, und ſie iſt daher auch außer England in Bergwerken, die durch ſchlagende Wetter Gefahren darbieten, ein - gefuͤhrt. Sie hat in Kohlenbergwerken, wo man Gegenden kannte, die nie ohne Gefahr beſucht werden konnten, wo der Bergmann kein andres Licht als die einzelnen Funken eines Feuer ſchlagenden Stahles hin bringen durfte, den entſchiedenſten Nutzen gewaͤhrt und iſt als eine der ſegenvollſten Erfindungen anerkannt worden. Nach Bleſſons Erfahrungen ſchuͤtzt ſie auch gegen die Entzuͤn - dungen des Schießpulverſtaubes, der in Pulvermuͤhlen die Luft erfuͤllt, und iſt daher da, wo man ſolche Raͤume im Dunkeln beſu - chen muß, anwendbar. Ebenſo kann ſie die ſo oft vorgekommenen Entzuͤndungen großer Maſſen ſpirituoͤſer Fluͤſſigkeiten, deren Daͤm - pfe ſo leicht die Entzuͤndung veranlaſſen, verhuͤten, wenn man ſich ſtatt der gewoͤhnlichen Lichter auch dort der Sicherheitslampe bedient.
N 2196Gegen Davy's Theorie, daß die Abkuͤhlung hier das Brennen hindere, hat man mancherlei Einwendungen gemacht, die mir aber doch nicht erheblich genug ſcheinen, um Davy's An - ſicht zu verlaſſen. Folgende zwei Einwendungen ſcheinen mir die bedeutendſten. Erſtlich, man koͤnne die Faͤlle, wo Lichter nach Davy's Meinung durch Abkuͤhlung erloͤſchen, nicht alle ſo erklaͤ - ren, weil ja oft ein ausgeblaſenes Licht ſich ſogleich von ſelbſt oder durch Anblaſen wieder entzuͤnde. Bekanntlich tritt das aber nur ein, wenn ein ziemlich großer gluͤhender Docht da iſt, welcher — ſo ſcheint es mir, — Hitze genug giebt, um die Sauerſtoffluft in dem Maaße zu zerſetzen, daß das neue Entflammen durch die erzeugte Hitze ſtatt finden kann; wird dieſes durch Anblaſen befoͤr - dert, ſo muß, glaube ich, dieſes Anblaſen milder als dasjenige ſein, wodurch man das Licht zum Erloͤſchen brachte. Zweitens, obgleich im gewoͤhnlichen Falle die Flamme nicht durch das Drath - netz dringe, ſo koͤnne dies doch geſchehen, wenn die brennenden Gas-Arten mit bedeutender Gewalt durch dieſe Oeffnungen her - vordringen. Dies beruht aber wohl darauf; daß beim Gluͤhen des Drathes, welches jenem Hindurchdringen der Flamme vorausgeht, die Abkuͤhlung der Luft-Arten bis unter die Entzuͤndungshitze einige Zeit fordert; dringt nun das brennende Gas mit keiner erheblichen Kraft hervor, (gewoͤhnlich dringt wohl eher das aͤußere hinein,) ſo vergeht Zeit genug, um die geringe, noͤthige Abkuͤhlung noch eintreten zu laſſen; wird es aber mit Gewalt durchgedraͤngt, ſo findet dieſe Abkuͤhlung nicht vollkommen ſtatt. Da dieſe Er - klaͤrungen mir ausreichend ſcheinen, und der Fall des mit Gewalt Hervordraͤngens aus dem Innern der Lampe nie ſtatt findet, alſo die practiſche Anwendbarkeit nicht von dieſem Einwurfe abhaͤngt; ſo will ich Sie hiermit und mit andern Meinungen uͤber die Ur - ſache dieſes Zuruͤckhaltens der Flamme, (die Draͤthe uͤbten eine abſtoßende Kraft auf die Flamme aus, die zum Beſtehen der Flamme noͤthigen Luftſtroͤmungen wuͤrden unterbrochen, u. ſ. w.) nicht unterhalten.
Die Flamme bietet uns durch ihre Faͤhigkeit, Waͤrme zu erre - gen, noch eine neue Reihe von Erſcheinungen dar. Bekanntlich197 wird die Lampenflamme angewandt, um kleine Koͤrper zu ſchmelzen, Glas in andre Formen zu bringen, indem man bei den Glasblaͤſer - Arbeiten durch Schmelzen und Blaſen bald an die Roͤhre eine Kugel anblaͤſt, bald Aenderungen der Form bewirkt u. ſ. w. Um dieſe Anwendungen der Flamme zu machen, bedient man ſich der Geblaͤſe, deren Zweck ein doppelter iſt, erſtlich die Hitze der Flamme auf einen Punct zu vereinigen, zweitens dieſe Hitze auch wirklich zu verſtaͤrken. Daß ſchon das erſtere beitrage, die Wirkung der Flamme zu verſtaͤrken, hat Rumford dadurch gezeigt, daß er eine Flamme vermittelſt eines Stromes kohlenſaurer Luft anblies, und auch da das Gluͤhen und Schmelzen des Glaſes bewirkte; indeß hat er gewiß Unrecht, wenn er bloß in dieſer Gewalt des Antreffens der Flamme und in dieſer Richtung auf einen beſtimm - ten Punct, und gar nicht in einer Vermehrung der Waͤrme - Entwickelung ſelbſt, den Grund der vor dem Loͤthrohre oder vor dem Geblaͤſe verſtaͤrkten Wirkung der Flamme ſucht. Daß viel - mehr die Wirkung der Flamme durch die Zufuͤhrung von Sauer - ſtoffgas noch mehr verſtaͤrkt wird, zeigt die Anwendung der Sauer - ſtoffgeblaͤſe, aus denen naͤmlich Sauerſtoff gegen die Weingeiſt - flamme getrieben wird, welche dann eine ſehr viel groͤßere Wirkung leiſtet.
Um dieſen Geblaͤſen eine, laͤngere Zeit dauernde, gleiche Staͤrke zu geben, gerieth Newmann auf den Gedanken, eine compri - mirte Luft anzuwenden und dieſe in einem ſehr duͤnnen Strahle auf die Weingeiſtflamme zu richten, welche dadurch gleichmaͤßiger als bei andern Geblaͤſen ihre Dienſte leiſtete. Aber dieſes Com - preſſionsgeblaͤſe fuͤhrte Newmann noch zu einer zweiten, wich - tigern Verbeſſerung, indem er Waſſerſtoffgas und Sauerſtoffgas, in dem Verhaͤltniß gemiſcht, welches zur Bildung des Waſſers noͤthig iſt, anwandte. Fruͤher ſchon hatte Hare eine große Ver - ſtaͤrkung der Hitze der Weingeiſtflamme dadurch erhalten, daß er aus zwei getrennten Gefaͤßen, durch zwei Roͤhren zugleich, die ſich in einem Muͤndungsſtuͤcke vereinigten, beide Gas-Arten zuſtroͤ - men ließ; er hatte mit dieſer Vorrichtung ſchwer ſchmelzbare Koͤr - per geſchmolzen und andre große Wirkungen hervorgebracht. Daß eine in dem zur Waſſerbildung angemeſſenen, genau richtigen Ver - haͤltniſſe gemiſchte Verbindung beider Luft-Arten dieſen Zweck198 noch vollſtaͤndiger erfuͤllen muͤſſe, ließ ſich erwarten; aber die An - wendung eines ſolchen Geblaͤſes ſchien auch großen Schwierigkeiten unterworfen zu ſein. Es iſt naͤmlich bekannt, daß zwar eine reine brennbare Luft, es ſei Waſſerſtoffgas oder Kohlen-Waſſerſtoffgas, wenn ſie aus einer Oeffnung hervordringt, ohne Gefahr angezuͤn - det werden kann, daß aber eine Miſchung dieſer Luft-Arten mit Sauerſtoffgas ſogleich eine gefaͤhrliche Exploſion hervorbringen wuͤrde, wenn man dieſe ebenſo behandeln wollte. Bei jenen Luft - Arten naͤmlich kann nur das in die atmoſphaͤriſche Luft hervorſtroͤ - mende Gas ſich entzuͤnden und eine Flamme bilden, ein Hinein - dringen der Flamme in den großen Gasbehaͤlter iſt unmoͤglich, weil ſie des Sauerſtoffs, der dort nicht vorhanden iſt, zum Fortbrennen bedarf; hier hingegen bietet jedes Theilchen im Innern des Gas - behaͤlters beide zum Verbrennen noͤthigen Stoffe dar; die an der Muͤndung angezuͤndete Flamme ergreift daher die ganze Miſchung, und das mit einer ſtarken Exploſion erfolgende Verbrennen des ganzen Luftvorrathes iſt ſchnell, ja augenblicklich, vollendet. Dieſe Miſchung heißt daher Knallgas und jenes Newmannſche Ge - blaͤſe ein Knallgasgeblaͤſe. Dieſe Gefahr zu entfernen, fand Newmann in Davy's Entdeckung, daß die Flamme nicht durch enge Oeffnungen dringe, ein, wenigſtens in den meiſten Faͤllen, ausreichendes Mittel. Er ließ naͤmlich aus einem langen Haarroͤhrchen die gemiſchte Luft hervordringen, und fand, daß dieſe dann, am ſicherſten wenn der Luftſtrom recht lebhaft ausfloß, nicht in den Gasbehaͤlter zuruͤckbrannte; und dieſes lebhafte Her - vordringen fand hier allemal ſtatt, da das Knallgas vermittelſt der Luftpumpe comprimirt wurde.
Die durch dieſen entzuͤndeten Luftſtrom bewirkte Hitze uͤber - trifft alles, was andre Geblaͤſe geleiſtet hatten, bei weitem, und zwar vorzuͤglich dann, wenn die Miſchung aus 2 Raumtheilen Waſſerſtoffgas und 1 Raumtheile Sauerſtoffgas beſtand, indem dann keine Luft-Art im Uebermaaß vorhanden iſt, und beide im Verbrennen voͤllig zu Waſſer vereinigt werden. In dieſer Hitze ſchmilzt Platin ſogleich, die fuͤr unſchmelzbar gehaltenen Erden ſchmelzen u. ſ. w. Clarke, der der erſte war, welcher Verſuche mit dieſem Geblaͤſe anſtellte, ſah den Strontian mit ſchoͤner Ame -199 thyſtfarbener Flamme verbrennen, Bergcryſtall, Feuerſtein, Ser - pentin wurden geſchmolzen, Gold verfluͤchtigt, u. ſ. w.
Clarke glaubte anfangs, die enge Roͤhre ſichere voͤllig gegen alle Gefahr; aber bald uͤberzeugten ihn die einige Mal eingetrete - nen Exploſionen vom Gegentheil, und er fand daher noͤthig, die Einrichtung etwas vorſichtiger zu machen. Dieſes geſchah theils dadurch, daß eine ſtarke Bretterwand den Experimentator von dem Gasgefaͤße trennte und nur die Muͤndung der Roͤhre diesſeits der Wand lag, theils dadurch, daß das comprimirte Gas nicht unmit - telbar zu der Muͤndungsroͤhre, wo ſie verbrannte, gelangte, ſon - dern vorher durch ein Gefaͤß mit Oel gehen mußte, in welchem es in getrennten Blaſen aufſtieg, die alſo die Entzuͤndung nicht bis zu dem Gasgefaͤße fortpflanzen koͤnnen. Fig. 39 ſtellt dieſe Ein - richtung vor. A iſt die Blaſe mit der Gasmiſchung, die durch die Roͤhre B dieſe zu der Verdichtungspumpe C fuͤhrt; von der Ver - dichtungspumpe, die am Ende D durch ein Ventil geſchloſſen iſt, geht die Roͤhre E bis auf den Boden des mit Oel gefuͤllten Kaſtens F, durch den es aufſteigt, und dann aus der Roͤhre G hervor - ſtroͤmt. Die Wand H, durch welche der Griff I des Pumpen - kolbens und die Roͤhrenmuͤndung G durchgeht, ſichert den Beob - achter gegen alle Unfaͤlle. Man hat eine viel einfachere Einrich - tung angegeben, wo die Blaſe A mit Gasmiſchung durch Gewichte B comprimirt wird, wie Fig. 40 zeigt, und dann aus der Roͤhre C dringt; aber um hier einen ſtaͤrkern Luftſtrom benutzen zu koͤn - nen, ſollte die Roͤhre C lang ſein und doch das mit Oel gefuͤllte Ge - faͤß nicht weggelaſſen werden. Die groͤßere Staͤrke des brennenden Luftſtromes iſt aber hier, ebenſo wie die richtigen Miſchungsver - haͤltniſſe, von großer Wichtigkeit.
Mit Huͤlfe dieſer Sicherung konnte Clarke es wagen, einen Luftſtrom von ½ Linie dick hervordringen zu laſſen, wodurch die Erfolge noch auffallender wurden. Dieſer ſtarke entzuͤndete Luft - ſtrom brachte Platin ſo zum Schmelzen, daß man eine halbe Unze fließend erhielt; Eiſen verbrannte unter einem hoͤchſt glaͤnzenden Funkenſpruͤhen, die am ſchwerſten zu reducirenden Metalle wurden in dieſer Hitze metalliſch dargeſtellt u. ſ. w.*)Gilb. Ann. LV. I. 40. LXII. 339. .
200Obgleich man aber ſich von einem ſolchen Geblaͤſe eine bedeu - tende Hitze verſprochen hatte, ſo hat man doch, als die Hitze ſo uͤber Erwartung groß wurde, gefragt, worin der Grund dieſer uͤberaus großen Wirkung liege. Gilbert ſucht ihn darin, daß das Waſſer - ſtoffgas ſelbſt, als ein in hohem Grade elaſtiſcher Koͤrper, ebenſo gut und noch mehr Waͤrme als das Sauerſtoffgas, bei der Zer - ſetzung giebt, und daß das comprimirte Gas mit ſo großer Ge - ſchwindigkeit hervordringt, alſo die Menge des zerſetzten Gaſes groß iſt, der geringen Dicke des Luftſtromes ungeachtet. Gewiß tragen beide Umſtaͤnde zur Verſtaͤrkung der Hitze bei, aber eine Haupturſache der Waͤrme iſt gewiß die, daß die beiden gemiſchten Luft-Arten einen in allen Theilen brennenden Feuerſtrom geben, der nicht bloß an der Oberflaͤche einen Feuermantel hat, wie die gewoͤhnlichen Flammen, und daß daher auch die Zerſetzung ſchneller und gewaltſamer fortgeht, als in irgend einem andern Falle.
Brewſter hat noch auf eine andre Erregungsweiſe ſehr großer Hitze aufmerkſam gemacht. Er befeſtigte uͤber der Flamme der bei der Gas-Erleuchtung angewandten Luft ein feines Drath - netz und ließ die Flamme unterhalb fortbrennen, entzuͤndete aber auch die durch das Drathnetz gedrungenen Lufttheile. Hier erhielt er nun eine ſehr ſchwach leuchtende, aber ſehr große Hitze gebende Flamme. Auch dieſe Flamme hat, wie Brewſter bemerkt, ihre Hitze daher, daß die Luft bei dem Durchgange durch das Drathnetz ſich mit atmoſphaͤriſcher Luft gemiſcht hat, und ſo ein Knallgas bildet, das nicht als duͤnner Lichtmantel einer Flamme, ſondern als vollkommener Feuerſtrom brennt. Um bequemer von der Ent - zuͤndung einer ſolchen Knallgasmiſchung Vortheil zu ziehen, ſchlaͤgt Brewſter folgende Einrichtung vor, die ſich ſogleich mit einem kleinen Gas-Erleuchtungs-Apparate verbinden laͤßt. Das zur Gas-Erleuchtung beſtimmte Gas ſteigt nicht allein (Fig. 41.) durch die Oeffnung M hervor, wo man es gewoͤhnlich ſogleich an - zuͤndet, ſondern es dringt zugleich, zugeleitet durch die Roͤhre abc df, aus vier Oeffnungen des hohlen Ringes f hervor. Die aus dieſen vier Oeffnungen dringende Luft wird angezuͤndet, und da die Flammen nun von dem aus M hervordringenden, aber ſchon mit atmoſphaͤriſcher Luft gemiſchten Gas angeblaſen werden, und dieſes exploſive Gas ſelbſt ſich entzuͤndet, ſo erhaͤlt man eine große201 Hitze. Die Haͤhne A, b, muͤſſen ſo regulirt werden, daß weder der Luftſtrom bei M durch zu heftigen Andrang die Flaͤmmchen ausblaͤſt, noch auch zu ſchwach fuͤr die Erlangung des Zweckes ſei. Auf den Ring g werden die zu erhitzenden Gegenſtaͤnde gelegt.
Bei andern Feuer-Erſcheinungen umſtaͤndlich zu verweilen, halte ich hier fuͤr weniger angemeſſen, da die meiſten zu viele Er - laͤuterungen aus der Chemie fordern wuͤrden. Im Allgemeinen iſt die Entzuͤndung der Erfolg einer ſtarken Verwandtſchaft zweier Koͤrper, bei deren Verbindung Waͤrme und Licht frei wird. Die Electricitaͤtslehre giebt noch einen tiefern Grund dieſer Verwandt - ſchaften an.
Nur bei einigen, ſchon in niedriger Temperatur eintretenden, Feuer-Erſcheinungen, die wir deshalb Selbſt-Entzuͤndungen, ent - ſtehend ohne hinzugebrachtes Feuer, nennen, will ich noch einen Augenblick verweilen. Eine ſolche bieten uns die jetzt ſo gewoͤhn - lichen Zuͤndhoͤlzchen dar, deren Spitze mit chlorſaurem Kali uͤber - zogen iſt. Wird dieſer Koͤrper in concentrirte Schwefelſaͤure ge - taucht, ſo geht die Verbindung mit ſo großer Heftigkeit vor, daß eine Entzuͤndung eintritt, die den am Zuͤndhoͤlzchen ſogleich uͤber jener Subſtanz angebrachten Schwefel mit entzuͤndet.
Aehnliche Erſcheinungen des Selbſt-Entzuͤndens zeigen die Pyrophore, welche die Eigenſchaft beſitzen, beim Zutritte der Luft ſich zu entzuͤnden. Der Hombergſche Pyrophor, der aus Kohle und aus dem mit Schwefel verbundenen Kalimetall beſteht, hat, wenn er gut bereitet iſt, die Eigenſchaft, die Waſſerdaͤmpfe aus der Luft ſchnell an ſich zu ziehen und das Waſſer zu zerſetzen, ſo wie das Kalimetall ſelbſt dieſe Eigenſchaft, wegen ſeiner ungemein ſtarken Verwandtſchaft zum Sauerſtoff, im hoͤchſten Grade beſitzt und wo es mit Waſſer zuſammen koͤmmt, es unter Entzuͤndung zerſetzt. Auch die Knallmetalle gehoͤren hieher. Dieſe gefaͤhrlichen Verbindungen explodiren bei geringer Erhoͤhung der Temperatur, und einige derſelben bringen daher ſchon bei der leiſeſten Reibung, ſelbſt wenn die Menge ſehr klein iſt, eine zerſtoͤrende Exploſion her - vor. Bei einigen derſelben wird dieſe Wirkung nach der Meinung202 der Chemiker durch die Zerſetzung des in ihnen enthaltenen Am - moniak hervorgebracht, deſſen Waſſerſtoff ſich mit dem Sauerſtoff des in der Verbindung enthaltenen Metall-Oxydes verbindet; in andern Faͤllen ſcheint eine eigne, der Cyanſaͤure den Beſtandtheilen nach faſt gleiche Saͤure, Knallſaͤure, die Erſcheinung zu bewirken.
Auch die uns im gemeinen Leben vorkommenden Koͤrper zei - gen nicht ſelten Selbſt-Entzuͤndungen. Nach mehreren Erfah - rungen iſt die fein zerriebene Kohle der Entzuͤndung ohne hinzuge - brachtes Feuer unterworfen, und Auberts Verſuche zeigen, daß dieſe durch die bekannte Faͤhigkeit der Kohle, auch wenn ſie nicht zerrieben iſt, Luft zu abſorbiren, hervorgebracht wird; dieſe Luft - Abſorption bewirkt in der fein zerriebenen Kohle, wenn dieſe in bedeutender Menge zuſammen iſt, eine bis auf 180° Cent. gehende Erhitzung und im Innern, etwa 5 bis 6 Zoll von der Oberflaͤche, eine Entzuͤndung, die ſich dann nach oben ausbreitet. Die bei dieſer Abſorption der Luft eintretende Zunahme des Gewichtes der Kohle ruͤhrt, nach Aubert, nicht bloß von dieſer Luft, ſondern auch von aufgenommenem Waſſer her. Wollene Zeuge, die mit Oel befeuchtet ſind und auf Stroh liegen, koͤnnen ſich, wenn die Sonnenhitze ſehr brennend iſt, ſo erhitzen, daß ſie ſich entzuͤnden*)Poggend. Ann. XX. 451. Gilb. Ann. LXIII. 426. 439. . Heuhaufen, die feucht zuſammen gebracht ſind, gerathen in eine Art von Zerſetzung, wobei das Heu ſchwarz wird, und erhitzen ſich ſehr gewoͤhnlich bis zum Dampfen, zuweilen auch bis zur wirk - lichen Entzuͤndung. Bei Haufen von Korn und bei manchen an - dern Koͤrpern findet etwas Aehnliches ſtatt.
Als eine Selbſt-Entzuͤndung von beſondrer Art muß ich noch die von Doͤbereiner entdeckte Eigenſchaft des Platins anfuͤhren. Wenn man das metalliſche Platin ſich ſehr fein zertheilt verſchafft, ſo wie man es bei der Zerſetzung des Platinſalmiaks durch Feuer erhaͤlt, ſo beſitzt dieſer Platinſchwamm die Eigenſchaft das uͤber ſeine Oberflaͤche hin ſtroͤmende Waſſerſtoffgas, unter dem Zutritt der atmoſphaͤriſchen Luft zu entzuͤnden. Doͤbereiner wurde203 durch eine Reihe von Verſuchen auf die Anſtellung dieſes Verſuchs geleitet, indem er bei einem Oxyde des Platins die Eigenſchaft, das Waſſerſtoffgas begierig anzuziehen, entdeckt hatte. Dieſes Ent - zuͤnden und das Ergluͤhen des Platins findet in reinem Waſſer - ſtoffgas nicht ſtatt, ſondern das aus einer Oeffnung hervordrin - gende Waſſerſtoffgas muß ſich mit atmoſphaͤriſcher Luft (oder mit Sauerſtoffgas) miſchen und ſo an der Oberflaͤche des Platins hin - ſtreichen. Eben dieſe Wirkung zeigen friſch abgefeilte Platinſpaͤne, die jedoch nicht lange wirkſam bleiben, aber durch Gluͤhen oder durch Beruͤhrung von Salpeterſaͤure oder Salzſaͤure (die durch Abtrocknen wieder weggeſchafft ſind,) ſtellt ſich die Wirkung wieder her. Platinblaͤttchen wirken nicht wenn ſie glatt ſind, wohl aber wenn ſie ſehr unregelmaͤßig faltig zuſammengedruͤckt ſind. Dieſes Metall hat in den angegebenen Zuſtaͤnden die Eigenſchaft, ſelbſt bei gewoͤhnlicher Temperatur, das Waſſerſtoffgas zu einer Verbindung mit Sauerſtoffgas zu veranlaſſen, und indem dieſe Verbindung, ſo ſchnell ſtatt findend, Waͤrme genug frei macht, ſo brennt das Waſſerſtoffgas und der Platinſchwamm wird gluͤhend. Nur we - nige andre Metalle (Palladium z. B.) beſitzen eben die Eigenſchaft, bei mehrern hingegen iſt ſie nicht in der gewoͤhnlichen Temperatur, wohl aber bei etwas hoͤhern Waͤrmegraden merklich. Man hat den erſten Urſprung dieſer Erſcheinung aus der ſtarken electriſchen Anziehung erklaͤrt, welche das Platin auf den Waſſerſtoff ausuͤbt, wodurch eine anfangende Erhitzung und, wegen der dadurch erhoͤh - ten Anziehung beider luftfoͤrmigen Stoffe auf einander, das Ver - brennen entſtehe; aber dieſe Erklaͤrung iſt doch nicht ganz genuͤgend.
Dieſe Eigenſchaft des Platins macht es brauchbar zu eudio - metriſchen Beſtimmungen; denn wenn man die zu pruͤfende Luft mit Waſſerſtoffgas miſcht, ſo bringt das hineingebrachte Platin eine Verbindung des vorhandenen Sauerſtoffgas mit dem Waſſer - ſtoffgas hervor und aus der Menge der zerſtoͤrten Luft ergiebt ſich, weil allemal zwei Volumentheile Waſſerſtoffgas ſich mit einem Vo - lumentheile Sauerſtoffgas verbinden, die Menge des vorhanden geweſenen Sauerſtoffgas.
Die bisher mitgetheilten Erfahrungen enthalten die wichtig - ſten Erſcheinungen, welche die Waͤrme uns zeigt, und ſie ſollten nun billig uns zu entſcheidenden Beſtimmungen uͤber die Natur der Grund-Urſache der Waͤrme fuͤhren. Wie weit wir aber von der Kenntniß dieſer noch entfernt ſind, das habe ich ſchon mehr - mals bemerkt, und muß auch hier dies Bekenntniß wiederholen. Die meiſten Erſcheinungen laſſen die Erklaͤrung zu, daß der Waͤrme - ſtoff ein fuͤr unſre Abwaͤgungen nicht merkbares Fluidum iſt, das ſeiner Elaſticitaͤt wegen ſich uͤberallhin, wo die Temperatur geringer iſt, ergießt. Vermoͤge ſeiner Elaſticitaͤt dehnt es die Koͤrper aus, und die ſchon erhitzten Koͤrper dehnen ſich bei gleichen Aenderungen der Temperatur mehr aus, als die minder erhitzten, weil die gegen - ſeitige Anziehung der Koͤrpertheilchen ſich der Ausdehnung weniger widerſetzt, wenn ſie weiter aus einander geruͤckt ſind. Findet der Waͤrmeſtoff einen Abfluß in einen kaͤltern Koͤrper, ſo vermindert ſich das Volumen des nun abkuͤhlenden Koͤrpers, weil die gegen - ſeitige Attraction der Koͤrpertheilchen dieſe wieder ungehindert naͤher an einander bringt. Sie haben geſehen, daß das Abmeſſen der Waͤrmemenge, die von einem Koͤrper zum andern uͤbergeht, das Abmeſſen der Waͤrme beim Schmelzen des Eiſes u. ſ. w., ſich ganz gut dieſen Anſichten angemeſſen zeigte; aber ich habe Ihnen auch nicht verhehlt, daß dieſe Anſicht — und ebenſo jede andre — nicht ohne Schwierigkeit iſt.
Und ſo wenig als wir hier zu einem Grade von Gewißheit gelangt ſind, eben ſo wenig koͤnnen wir uns deſſen in Beziehung auf den Zuſammenhang zwiſchen Licht und Waͤrme ruͤhmen. Licht und Waͤrme befolgen bei der Strahlung ſo ſehr uͤbereinſtim - mende Geſetze, aber ſind im Durchgange durch andre Koͤrper doch ſo ſehr verſchieden. Die Zuruͤckwerfung geſchieht faſt nach gleichen Geſetzen, aber bei dem Eindringen des Lichts in die undurchſichti - gen Koͤrper geht dieſes, ſo ſcheint es uns, ganz verloren, waͤhrend die Waͤrme hier gerade die bedeutendſte Wirkung zeigt. Beim Durchgange durch durchſichtige Koͤrper geht das Licht beinahe un - geſchwaͤcht durch, ſtatt daß die Waͤrme faſt ganz zum Erwaͤrmen des Koͤrpers verwandt wird. Da wo Licht und Waͤrme hervor -205 gebracht wird, gehen ſie gewoͤhnlich zugleich, aber nicht in verhaͤlt - nißmaͤßiger Menge hervor; die Lichtmenge ſcheint vermehrt zu werden, wenn die Entwickelung der Waͤrme ſchneller, gleichſam gedraͤngter, ſtatt findet, aber die Waͤrmemenge bleibt darum, wenn ſie auch in kuͤrzerer Zeit hervorgeht, unvermehrt. Man hat geſagt, die Waͤrme enthalte das Licht als Beſtandtheil, und werde bei ſehr lebhafter Entwickelung zerſetzt, ſo daß das Licht frei werde; — ich weiß nicht, ob dieſe Vorausſetzung viel weiter fuͤhrt.
Doch es iſt paſſender, dieſe theoretiſchen Fragen, zu deren Beantwortung noch kein ſicherer Weg eroͤffnet zu ſein ſcheint, in - dem auch eine Undulationstheorie hier ſchwerlich zum Ziele fuͤhrt, zu verlaſſen, und an den Dank gegen unſre Vorgaͤnger und unſre Zeitgenoſſen fuͤr die umfaſſende Kenntniß der Erſcheinungen, welche ſie uns verſchafft haben, das Bekenntniß zu knuͤpfen, daß die letzte Urſache dieſer Erſcheinungen uns noch verborgen iſt
Die Unterſuchungen uͤber die Electricitaͤt, m. h. H., mit welchen ich Sie jetzt zu unterhalten anfange, gehoͤren ganz der neuren Zeit an, und gewaͤhren uns, da wir ihre Entwickelung vom erſten Anfange an vor uns haben, dadurch eine eigenthuͤm - liche Belehrung, daß ſie uns zeigen, wie ſich, ſobald man nur anfaͤngt zu fragen und zu beobachten, eine Frage nach der andern beantwortet, und ſich ſo ein Syſtem entwickelt, das uns zuletzt um ſo mehr mit Bewunderung und Freude erfuͤllt, je geringer und unbedeutender es in ſeinem erſten Anfange erſchien. In keinem Zweige der Phyſik hat ſich die Kunſt, zu errathen, welche Erſchei - nungen ſich an die ſchon bekannten anknuͤpfen moͤgen, die Kunſt, durch geſchickte Anordnung von Verſuchen den Grund der Erſchei - nungen zu erforſchen und die Wahrheit der Hypotheſen zu pruͤfen, glaͤnzender gezeigt, als in der Lehre von der Electricitaͤt, wo nicht206 ſelten ein einziger neuer Verſuch die Grundlage einer ganzen Reihe uͤberraſchender und durch wohlgeordnete Verſuche beſtaͤtigter Kennt - niſſe wurde.
Zwar hat man ſchon in den aͤlteſten Zeiten einige Erſchei - nungen bemerkt, die wir jetzt als der Electricitaͤt angehoͤrend ken - nen, aber ſie ſtanden ſo einzeln da und erſchienen als ſo ganz gering - fuͤgig, daß ſie kaum einige Aufmerkſamkeit erregten. Der Bern - ſtein (electrum) vorzuͤglich war es, von dem man wußte, daß er durch Reibung die Eigenſchaft erlange, leichte Koͤrper anzuziehen, und dieſe Erfahrung hat daher ſpaͤter Anlaß gegeben, die Kraft, die dabei wirkſam iſt, Electricitaͤt, alſo eigentlich Kraft des Bernſteins, zu nennen. Lange Zeit ſcheint es kaum jemand der Muͤhe werth gefunden zu haben, außer dem Bernſtein noch andre Koͤrper aufzuſuchen, welche aͤhnliche Eigenſchaften beſitzen, und in der That konnte auch dieſe ſchwache Anziehung nicht die Vermu - thung erregen, daß wir es hier mit einer Kraft zu thun haben, deren Gewalt ſich uns im Gewitter in ihrer furchtbaren Staͤrke zeigt, und deren Wirkungen uͤberall von der groͤßten Wichtigkeit ſind; daher ſind bis zu Ende des 16ten Jahrhunderts außer Bern - ſtein und Agat (und vielleicht dem Turmalin) keine oder ſehr we - nige Koͤrper bekannt geweſen, welche eine ſolche beſondre Anziehung ausuͤben. Erſt Gilbert, der gerade im Jahre 1600 ſein Buch uͤber den Magnet bekannt machte, war durch die vom Magnet auf Eiſen ausgeuͤbte Anziehungskraft darauf geleitet, auch die Anzie - hungen, denen er ſchon den Namen electriſcher Wirkungen beilegt, naͤher zu unterſuchen. Er fand, daß es viele Koͤrper gebe, die jene Eigenſchaft, durch Reibung anziehend zu werden, beſitzen, nament - lich mehrere Edelſteine, Schwefel, Glas und die harzigen Koͤrper. Er uͤberzeugte ſich, daß ſie ihre Anziehungskraft auf alle leichten Koͤrper wirkſam zeigten, daß aber dieſe Wirkung bei trockner Luft lebhafter hervortrete und durch Feuchtigkeit gehindert werde.
Aber obgleich dies ein recht bedeutender Fortſchritt in der Kenntniß der electriſchen Koͤrper und ihrer Wirkungs-Art war,207 ſo dauerte es doch noch wieder faſt ein Jahrhundert, bis neue Erweiterungen dieſer Lehre entdeckt wurden. Erſt im letzten Drittel des ſiebzehnten Jahrhunderts ſtellte Guericke und faſt zu eben der Zeit Boyle eine neue Reihe von Verſuchen an. Der erſtere bediente ſich einer Schwefelkugel, die er in einem glaͤſernen Gefaͤße gegoſſen und mit einer Axe und Handgriff zum Drehen verſehen hatte, um durch Reiben mit der Hand ſie electriſch zu machen. Er bemerkte, daß dieſer electriſch gemachte Koͤrper nicht allein alle leichten Koͤrper an ſich zog, und ſelbſt Waſſertropfen in ſeiner Naͤhe gegen ſich zu ausgedehnter machte, ſondern daß auch eine Abſtoßung ſtatt fand, daß naͤmlich der einmal angezogene Koͤrper ſich nun von dem electriſchen Koͤrper entfernte und erſt dann zum zwei - ten Male angezogen wurde, wenn er einen andern Koͤrper beruͤhrt hatte. Das letztere zeigte Guericke an Federchen, die in der Luft ſchwebend, nach einmaliger Beruͤhrung der electriſchen Kugel vor dieſer flohen, wenn man die Kugel ihnen naͤherte. Guericke bemerkte, daß dieſe Federchen ſelbſt wieder faͤhig waren, andre Koͤrper anzuziehen, daß ſie alſo ſelbſt electriſch geworden waren oder Electricitaͤt durch Mittheilung von dem geriebenen Koͤrper erhalten und aufgenommen hatten. Eine Flaumfeder breitete ſich aus, ſo daß die einzelnen Theile abſtoßend auf einander wirkten; dagegen ward ſie vom Finger angezogen oder uͤbte vielmehr ſelbſt dieſe an - ziehende Kraft aus, und wenn ſie den Finger beruͤhrt hatte, ſo war ſie wieder faͤhig von der electriſchen Kugel angezogen zu werden. Einige andere Erfahrungen, die Guericke ſich noch nicht erklaͤ - ren konnte, uͤbergehe ich hier; aber die Erfahrung, daß der gerie - bene Schwefel im Dunkeln leuchte, alſo ein electriſches Licht ent - ſtehe, kann ich doch nicht unerwaͤhnt laſſen.
Boyle ſtellte aͤhnliche Verſuche, aber unvollkommner, an, und Wall bemerkte, daß das electriſche Licht des Bernſteins mit einem Kniſtern begleitet war. — Newton ſcheint zuerſt bemerkt zu haben, daß die untere Seite einer Glasſcheibe die Wirkungen der Electricitaͤt zeigte, wenn man die obere gerieben hatte, und auch dieſe Bemerkung iſt fuͤr jenen Zuſtand der Kenntniſſe keine ganz unerhebliche. Daß Wollenzeug zum Reiben des Glaſes beſſer als Leinen ſei, daß es alſo einen Unterſchied der Wirkſamkeit des Reibe - zeuges gebe, gehoͤrt auch zu den kleinen Entdeckungen Newtons.
208Die wichtigen Entdeckungen andrer Art, zu denen New - tons Unterſuchungen uͤber das Licht und uͤber die Bewegung der Himmelskoͤrper Anlaß geben, moͤgen die Urſache geweſen ſein, daß man die electriſchen Unterſuchungen in den naͤchſten 30 Jahren wenig weiter brachte; denn erſt 1709 trat Hawksbee mit neuen Verſuchen auf, unter denen die uͤber das electriſche Licht im luft - leeren Raume, die ich ſpaͤter erzaͤhlen werde, die wichtigſten ſind. Ueber das Anziehen und Abſtoßen ſtellte er manche neue Verſuche an. Er bediente ſich des Glaſes als eines leicht und ſtark electriſch werdenden Koͤrpers, und nach ihm hat man faſt immer nur Glas - kugeln, Glasroͤhren, Glasſcheiben, als die zu dieſem Zwecke taug - lichſten Koͤrper angewandt. Er bemerkte, daß ſeitwaͤrts haͤngende Faͤden alle gegen den Mittelpunct der geriebenen Kugel angezogen wurden, daß ſie dagegen nach allen Richtungen aus einander gin - gen, wenn ſie ſelbſt mit der electriſirten Kugel oder ihrer Axe ver - bunden waren; ferner daß Faͤden innerhalb einer Glaskugel in Bewegung geriethen, wenn eine andere electriſirte Glaskugel in die Naͤhe gebracht wurde. Er bemuͤhete ſich, auch Metalle durch Reibung electriſch zu machen; aber dieſes gelang ihm nicht, aus Gruͤnden, worauf wir ſogleich zuruͤckkommen.
Die durch dieſe Erfahrungen ſchon klar angedeutete Mitthei - lung der Electricitaͤt wurde erſt 1728 von Grey genauer unter - ſucht, und Grey gelangte dadurch zu ganz neuen Aufſchluͤſſen. Er bediente ſich zu ſeinen Verſuchen einer Glasroͤhre, die an beiden Enden mit Korkſtoͤpſeln geſchloſſen war und die er durch Reiben electriſch machte; und hier bemerkte er, daß leichte Koͤrper nicht allein vom Glaſe, ſondern auch von dem Kork angezogen und dann wieder abgeſtoßen wurden, daß alſo dieſer ebenſo gut als die geriebene Roͤhre ſelbſt die electriſchen Wirkungen ausuͤbte. Um dieſe Mittheilung weiter zu verſuchen, ſteckte er ein laͤngeres Staͤb - chen mit einer Kugel in den Kork, und auch dieſe zeigte eben die Wirkungen.
Dieſe deutlichen Spuren einer Fortleitung der Electricitaͤt, einer Mittheilung auch an entferntere Koͤrper veranlaßten Grey noch weiter zu gehen, eine laͤngere Schnur an jenen Kork zu befeſtigen und eine damit verbundene Kugel, 26 Fuß tief herab -209 haͤngend, in die Naͤhe leichter Koͤrper zu bringen, waͤhrend die Roͤhre electriſch gemacht wurde, um zu ſehen, ob auch dieſe Kugel ſich electriſch zeige. Der Verſuch gelang, ſo wie alle ſchon fruͤher fuͤr kleinere Entfernungen angeſtellten Verſuche, und die anziehende Kraft der Electricitaͤt war alſo hier bis auf ſo bedeutende Entfer - nungen durch eine haͤnfene Schnur mitgetheilt oder fortgeleitet worden. Grey erkannte vollkommen die Wichtigkeit dieſer neuen Entdeckung, und wuͤnſchte nun, auch in horizontaler Richtung die Fortleitung zu verſuchen; da aber ein Faden oder ein Seil ſich durch bedeutende horizontale Entfernungen nicht ohne Unterſtuͤtzung fort - fuͤhren laͤßt, und ihm ſehr wohl einleuchtete, daß die Electricitaͤt ſich vermittelſt einer ſolchen Unterſtuͤtzung auch den andern Koͤrpern mittheilen moͤchte, ſo ſuchte er dieſem Nachtheile dadurch abzuhelfen, daß er eine duͤnne und zwar eine ſeidene Schnur waͤhlte, um damit die horizontal fortgefuͤhrte haͤnfene Schnur zu unterſtuͤtzen. Wirklich gelang ſo die Fortleitung der Electricitaͤt bis zu mehr als 100 Fuß Entfernung; aber als Grey, da die Seide brach, einen feinen Metalldrath anwandte, war die Fortleitung nach der Rich - tung, wo man die Wirkungen der Electricitaͤt zu erhalten wuͤnſchte, nicht mehr moͤglich, ſondern der Metalldrath zeigte ſich, ſeiner Feinheit ungeachtet, ſelbſt als Leiter der Electricitaͤt, ſtatt daß Seide nun als ein Nichtleiter erkannt, und ſo der wichtige Unterſchied zwiſchen Koͤrpern, welche die Electricitaͤt leiten, und welche ſie nicht leiten, deutlich bewieſen wurde.
Die Leitungsverſuche wurden von Grey noch weiter fort - geſetzt, indem er Schnuͤre, die Leiter waren, bis zu mehr als 700 Fuß fortfuͤhrte, und wenn ſie durch Seide von der Verbindung mit andern, ſeitwaͤrts ableitenden, Koͤrpern getrennt waren, auch in dieſen Entfernungen Wirkungen der Electricitaͤt erhielt. Die Unterſuchung, welche Koͤrper leiteten oder nicht leiteten, lehrte bald Harze, Glas, Seide, als Nichtleiter, Metalle, feuchtes Holz, haͤn - fene Seile, als Leiter kennen.
Ich breche hier die hiſtoriſchen Nachrichten ab, da es jetzt noͤthig wird, bei jedem Gegenſtande ausfuͤhrlich zu verweilen, und da die bis zu Grey's Verſuchen im Jahre 1729 ſo langſam fortſchreitenden Kenntniſſe nun in Beziehung auf mehrere Theile der Electricitaͤtslehre erweitert wurden; indeß werde ich gelegentlichIII. O210wieder auf die Geſchichte der weitern Fortbildung der einzelnen Zweige unſerer Kenntniſſe von der Electricitaͤt zuruͤckkommen. Die Entdeckung, daß einige Koͤrper der Electricitaͤt keinen leichten Durchgang geſtatten, iſt in mehr als einer Hinſicht wichtig. Sie ſetzt uns in Stand, die Koͤrper, die wir durch Mittheilung electri - ſiren wollen, gegen den Verluſt der Electricitaͤt zu ſichern, indem wir ſie iſoliren, das iſt, ſie durch Nichtleiter, am liebſten durch Glasfuͤße oder durch Unterlagen von harzigen Koͤrpern, oder durch Aufhaͤngen an Seide, von andern Koͤrpern, auf welche die Electri - citaͤt uͤbergehen koͤnnte, trennen. Sie lehrt uns den Grund des Mißlingens der electriſchen Verſuche bei feuchtem Wetter kennen, indem wir nun einſehen, daß nur die trockene Luft ein guter Richt - leiter der Electricitaͤt iſt, ſtatt daß feuchte Luft eine Ableitung geſtattet. Sie erklaͤrt manche einzelne Verſuche, und bei dieſer Erklaͤrung muß ich etwas laͤnger verweilen.
Man pflegt, um das Anziehen und Abſtoßen der Koͤrper bei dem Electriſiren zu zeigen, leichte Kugeln, gewoͤhnlich von Hol - lundermark, an Faͤden aufzuhaͤngen. Reibt man nun eine Glas - roͤhre und naͤhert ſie jenen Koͤrpern, ſo iſt die erſte Wirkung, daß ſie von dem electriſirten Koͤrper angezogen werden, bei allen gleich, die Faden moͤgen leitend oder iſolirend ſein. Aber wenn unter jenen Kugeln einige an ſeidenen Faͤden haͤngen, andre an leinenen oder an duͤnnen Metallfaͤden, und wenn die letztern durch Metalle oder auch nur durch Holz oder Stein mit groͤßern Koͤrpern in Ver - bindung ſtehen; ſo findet man, daß die erſtern, nachdem ſie von der Glasroͤhre Electricitaͤt erhalten haben, abgeſtoßen werden, waͤh - rend die durch Leiter mit andern Koͤrpern in Verbindung ſtehenden kleinen Kugeln immerfort angezogen werden. Jene an Seide haͤngenden Kuͤgelchen behalten, weil die Seide ein Nichtleiter iſt, die ihnen mitgetheilte Electricitaͤt, und zeigen uns, daß die ſchon mit Electricitaͤt geladenen Koͤrper von dem Koͤrper, welcher ihnen Electricitaͤt ertheilte, abgeſtoßen werden; die durch Leitung mit andern Koͤrpern in Verbindung ſtehenden Kugeln verlieren in jedem Augenblicke die erlangte Electricitaͤt und werden daher im - mer auf's neue von dem electriſirten Glaſe angezogen. Die iſolir - ten Kugeln, ſie moͤgen an Seidenfaͤden haͤngen oder durch einen Glasſtab, an welchem der Faden befeſtigt iſt, von andern Koͤrpern211 getrennt ſein, kehren, wenn ſie einen andern Koͤrper beruͤhrt und an ihn ihre Electricitaͤt abgeſetzt haben, zu der electriſirten Glas - roͤhre zuruͤck, um ſich neue Electricitaͤt zu holen, und wiederholen oft dieſes Hin - und Zuruͤckgehen. Schon bei den gewoͤhnlichſten Verſuchen mit geriebenem Siegellack oder geriebenem Glaſe bemer - ken wir dies, indem kleine Papierſtuͤckchen abwechſelnd herankom - men und wieder zu einem leitenden Koͤrper zuruͤckgehen, ſo daß ſie, wenn die Electricitaͤt ſtark und dauernd genug iſt, ihren Tanz, am beſten zwiſchen einem breiten Leiter der unter einem horizontalen, gleichfalls breiten, electriſirten Koͤrper gehalten wird, lange fort - ſetzen.
Das electriſche Glockenſpiel, wo eine metallene Glocke, iſolirt gehalten, electriſirt wird, andre mit Ableitung verſehene metallene Glocken in der Naͤhe jener ſtehen, und Metallkugeln an ſeidenen Faͤden zwiſchen jener und dieſen haͤngen, gehoͤrt auch hierher. Die Metallkugeln, die an ſeidenen Faͤden haͤngen, werden von der electriſirten Glocke angezogen und dann zu den nahe ſtehenden Glocken abgeſtoßen, kehren aber, ſobald ſie ihre Electricitaͤt an dieſe uͤbertragen haben, zu der erſten zuruͤck, und ſetzen ihr Gelaͤute ſo lange fort, als der mittleren Kugel Electricitaͤt ertheilt wird.
Um die Electriſirung eines leitenden aber iſolirt aufgeſtellten Koͤrpers wahrzunehmen, pflegt man zwei Kugeln an leinenen Faͤden, oder zwei Strohhaͤlmchen an dieſem Koͤrper ſelbſt neben einander aufzuhaͤngen. Sobald der Koͤrper electriſirt wird, erhalten auch dieſe angehaͤngten Koͤrper Electricitaͤt, und ihr Auseinandergehen, weil ſie ſich abſtoßen, zeigt, daß jener Leiter electriſirt iſt. Bedient man ſich eines langen metallenen Leiters, der auf Glas ruht, und nirgends Spitzen darbietet, (denn dieſe geben Ableitung); ſo gehen die Strohhalme, ſelbſt am entfernteſten Ende des Leiters, in dem - ſelben Augenblicke aus einander, da man ihn mit dem electriſir - ten Koͤrper irgendwo beruͤhrt. Sind die Glasfuͤße vollkommen trocken, iſt auch die Luft trocken und alle Ableitung vermieden, ſo bleibt dieſer Leiter lange in ſeinem electriſchen Zuſtande, und verliert die Electricitaͤt nur dadurch nach und nach, weil die Luft, ſelbſt wenn ſie trocken iſt, doch nicht ganz nichtleitend iſt. Bei feuchter Luft verliert der iſolirte Leiter viel ſchneller ſeine Electri -O2212citaͤt. Allemal aber wenn man ihn mit einem metalliſchen Leiter auch nur aufs mindeſte beruͤhrt, iſt die Electricitaͤt ſogleich gaͤnz - lich abgeleitet.
Die Leitungsfaͤhigkeit der Koͤrper iſt ſehr verſchieden. Die Metalle gehoͤren alle zu den beſten Leitern, aber wir werden ſpaͤter doch auch unter ihnen Grade der beſſern Leitung beſtimmen lernen. Kohle iſt ein faſt ebenſo guter Leiter als die Metalle. Erze ſind gleichfalls leitend und manche Steine ſind es, weil ſie faſt nie ohne einige Feuchtigkeit ſind; Holz und andre Koͤrper, die irgend etwas von Feuchtigkeit aufnehmen, leiten deſto mehr, je feuchter ſie ſind; Pflanzen und die meiſten Theile der thieriſchen Koͤrper, auch die Knochen, ſind Leiter. Dagegen ſind alle Glas-Arten Nichtleiter oder Iſolatoren. Alle harten Steine, ferner Phosphor, Schwefel, alle harzigen Koͤrper, voͤllig trockene Salze, ſind Nichtleiter. Die Hoͤlzer und die weichern Stein-Arten iſoliren deſto beſſer, je mehr ihnen alle Feuchtigkeit entzogen iſt. Seide, Federn, trockene Haare und Pelz ſind Richtleiter. Das Waſſer iſt ein Leiter, vorzuͤglich wird die Electricitaͤt an ſeiner Oberflaͤche gut fortgeleitet; fette Oele dagegen iſoliren vollkommen. Die trockene Luft iſt ein Nichtleiter und dadurch entſteht die Moͤglichkeit, die Electricitaͤt anzuhaͤufen, die gaͤnzlich fehlen wuͤrde, wenn die, alle Koͤrper um - gebende, Luft ein guter Leiter waͤre; in ſehr feuchter Luft iſt es wirklich kaum moͤglich, Electricitaͤt merkbar zu machen. Uebrigens aͤndert ſich die Leitung bei verſchiedenem Zuſtande der Koͤrper, ſchmelzendes Harz wird leitend und ſehr heißes Glas gleichfalls. Bei Koͤrpern, die nur ſchwach leiten, wird es merklich, daß ſie bei groͤßerer Laͤnge und bei geringerer Dicke die Ableitung mehr hin - dern. Daher darf man die Glasfuͤße, auf welchen der zu iſolirende Koͤrper ruht, nicht zu kurz machen; auch duͤrfen dieſer Unter - ſtuͤtzungen nicht zu viele ſein, weil doch jede in einigem Grade Electricitaͤt entweichen laͤßt. Wir werden bald Mittel finden, die Vortheile, die hier der eine oder der andre Koͤrper gewaͤhrt, noch genauer anzugeben.
Man glaubte ehemals diejenigen Koͤrper als idio-electriſche, als faͤhig ſelbſt electriſch gemacht zu werden, anſehen zu duͤrfen,213 die durch Reiben dieſe Eigenſchaft erhalten; aber bei naͤherer Unterſuchung zeigt es ſich, daß alle Koͤrper durch Reiben electriſch werden. Es iſt naͤmlich einleuchtend, daß ein Metall, welches ich in die Hand nehme, beim Reiben keine Electricitaͤt zeigen kann, weil die erregte Electricitaͤt ſogleich der Hand zu geleitet wird, und ſo ſich der Erde und allen umgebenden Koͤrpern mittheilt.
Um zu entſcheiden, ob auch Metalle durch Reibung electriſch werden, muß man ſie mit einem Handgriffe von Glas oder Harz verſehen, oder da, wo man ſie mit der Hand haͤlt, die Leitung zur Hand hinuͤber durch Seide unterbrechen, und es findet ſich, daß auch die Metalle dann durch Reibung electriſch werden. Der ganze Unterſchied liegt alſo nur in der Leitung. Das Glas wird nur an den Stellen electriſch, wo man durch Reiben die Electri - citaͤt hervorruft, und ſelbſt eine ganz nahe an jenen Puncten ſtatt findende Beruͤhrung leitet die Electricitaͤt nicht ab; ein geriebenes Metall dagegen zeigt ſich, wenn es ſorgfaͤltig iſolirt gehalten wird, an ſeiner ganzen Oberflaͤche electriſirt, verliert aber auch jede Spur von Electricitaͤt, ſobald man es nur im geringſten beruͤhrt. Am Glaſe, am geriebenen Siegellack und aͤhnlichen Koͤrpern kann man zahlreiche Puncte der Oberflaͤche durch Beruͤhrung der Electricitaͤt berauben, und dennoch zeigen ſich dieſe Koͤrper noch electriſch, weil noch unberuͤhrte Puncte uͤbrig bleiben; es iſt daher ſchwer, ein electriſirtes Glas durch viele Beruͤhrung ſo gaͤnzlich von aller Elec - tricitaͤt zu befreien, daß es keine Spur von Wirkung mehr zeige, und erſt nach laͤngerer Zeit oder durch die umgebende feuchte Luft oder durch ein Anhauchen findet endlich das Aufheben aller electri - ſchen Wirkung ſtatt.
Schon dieſe wenigen Kenntniſſe ſetzen uns in Stand, Mittel zu Abmeſſung der Electricitaͤt zu finden, indem die Anziehungs - kraft, welche ein electriſirter Koͤrper gegen einen unelectriſirten aus - uͤbt, und die Abſtoßungskraft, mit welcher zwei aus derſelben Quelle mit Electricitaͤt geladene Koͤrper auf einander wirken, uns als Maaß fuͤr die Staͤrke der Electricitaͤt dienen. Indeß ſehr oft iſt es uns nicht um ein genaues Maaß dieſer Kraft, ſondern nur um ein Kenntlichmachen einer ſtaͤrkern oder ſchwaͤchern Electricitaͤt214 zu thun, und hiezu dienen unſre gewoͤhnlichen Electrometer, die daher eigentlich nur Electroſcope, Electricitaͤtszeiger, heißen ſollten, nicht Electricitaͤtsmeſſer. Um die Electricitaͤt eines iſolirten Lei - ters kenntlich zu machen, haͤngt man ſehr oft nur zwei Hollunder - markkugeln an leitenden Faͤden an ihm auf, und da dieſe, weil ſie mit dem Leiter zugleich electriſch werden, ſich einander abſtoßen, ſo giebt ihre Divergenz, ihr Auseinandergehen, eine Andeutung von der Ladung des Leiters, und man erkennt das Zunehmen der La - dung an einer ſtaͤrkern Divergenz der Faͤden. Statt dieſer Faͤden haͤngt man bei ſehr ſchwachen Ladungen zwei Goldblaͤttchen ſo neben einander, daß ſie ſich mit ihren breiten Flaͤchen beruͤhren; ihr Aus - einandergehen iſt ſchon bei ſehr geringen Ladungen erheblich genug, um die Ladung zu zeigen. Man bringt zu Erkennung ſchwacher La - dungen dieſe Goldblaͤttchen oder auch ſehr leichte Kugeln oder Stroh - haͤlmchen ſehr gewoͤhnlich innerhalb des Glascylinders ABCD (Fig. 42.) an, wo dann der metallene Boden AB durch den Leiter FG mit den Blaͤttchen oder Faͤden E, E, in Verbindung ſteht, das Glas ABDC aber zur Iſolirung und zum Schutze gegen Luftzug dient; bei F wird der zu pruͤfende electriſirte Koͤrper mit dem Electroſcop in Verbindung geſetzt. Wenn ſolche Faͤden oder Strohhalme an dem Leiter ſelbſt an mehreren verſchiedenen Puncten angebracht werden, ſo gehen ſie alle zugleich aus einander, wenn man an irgend einem Puncte des Leiters dieſem Electricitaͤt mittheilt, und dieſes ſelbſt dann wenn der Leiter ſehr erheblich lang iſt, nur ver - ſteht es ſich, daß der Leiter iſolirt ſein muß, und uͤberdieß muß er nirgends Spitzen oder allzu duͤnne auslaufende Theile darbieten, indem dieſe, aus Gruͤnden, die ich erſt ſpaͤter anfuͤhren werde, die Electricitaͤt ableiten.
Iſt die Electricitaͤt ſtark, ſo bedient man ſich ſchwerer Koͤrper; eine Kugel A (Fig. 43.) die durch einen Metalldrath BA mit dem Fuße CD in Verbindung ſteht, wird von der Kugel E abge - ſtoßen, und der hinter beiden Kugeln A, E, angebrachte Quadrant zeigt den Grad der Abſtoßung und dadurch eine Vergleichung der mehrern oder mindern Staͤrke der Electricitaͤt; bei ſehr ſtarken Ladungen kann man dieſen Kugeln eine bedeutendere Groͤße geben, immer aber muß auch an dem Electroſcop jede Art von Spitzen vermieden ſein, damit die Electricitaͤt nicht ausſtroͤme. Dieſes215 Electroſcop wird mit ſeinem leitenden Fuße DC auf dem Leiter befeſtigt, welchen man unterſuchen will. Eben den Zweck erfuͤllen die Fig. 44. dargeſtellten zwei Electrometer, von denen ich bald Gebrauch machen werde. Sie beſtehen, beide ganz gleich, aus einem Leiter CBDE, der ſich in E, C, in Kugeln endigt, und auch bei D, F, hinreichend abgerundet iſt, um kein Ausſtroͤmen der Electricitaͤt bei den maͤßigen Ladungen, wozu man ſie nur an - wenden kann, zu geſtatten. Der Fuß AB iſt von Glas und mit Lack uͤberzogen, um alle Ableitung zu hindern. Neben DE befindet ſich ein Strohhalm GH, der in ſeiner Mitte F auf einer Axe aufliegt, die ihm geſtattet, mit Leichtigkeit von DE zuruͤckzu - weichen, und der Gradbogen HI zeigt, wie viel er ſich in jedem Falle entfernt. Der Strohhalm iſt beinahe im Gleichgewichte, jedoch ſo daß er mit einem geringen Uebergewichte zur verticalen Stellung gelangt; da er nun durch die leitende Axe F mit dem Leiter CDE verbunden iſt, ſo wird er abgeſtoßen, ſobald man dieſem Leiter kleine Ladungen von Electricitaͤt ertheilt, und wenn gleich die Grade, die man an dem Gradbogen HI ablieſt, nicht eigentlich Grade der Electricitaͤt ſind, ſo irrt man doch nicht ſo gar ſehr, wenn man eine Electricitaͤt, die 40° Abſtoßung bewirkt, fuͤr doppelt ſo ſtark als die, welche 20° bewirkt, anſieht. Hat man zwei ſolche Electrometer, die bei ganz gleichen Abmeſſungen auch ſo abgeglichene Strohhalme haben, daß ſie bei gleicher Electricitaͤt auch gleiche Grade zeigen, ſo ſind dieſe uͤbereinſtimmenden Electro - meter zu manchen Zwecken brauchbar. Um ſich von dieſer Gleich - heit zu uͤberzeugen, bringt man beide Leiter CD, ed, bei C, c, in Beruͤhrung, und ſieht, ob dann die Strohhalme gleiche Grade zeigen, welches man durch kleine Correctionen bewirken kann, wenn es nicht ſtatt findet. Daß aber die Bogengrade ziemlich nahe fuͤr Grade der electriſchen Ladung gelten koͤnnen, ſo nahe als es die hier nur beabſichtigten Verſuche fordern, davon uͤberzeugt man ſich auf folgende Weiſe. Man giebt dem einen Electrometer, wenn es mit dem andern noch nicht in Beruͤhrung iſt, eine Ladung, die den Strohhalm zum Beiſpiel auf 40° bringt; man ruͤckt nun das andre noch ungeladene Electrometer hinan, damit bei Cc eine Mittheilung, ohne weitere Ableitung, ſtatt finde; dann hat, wegen der ganz gleichen Geſtalt, jedes der beiden Electrometer die Haͤlfte216 der vorigen Ladung und beide gehen nun nahe genug auf die halbe Anzahl Grade, auf 20°, herab. Trennt man ſie nun, entladet das eine durch Beruͤhrung mit dem Finger, und laͤßt durch neue Mittheilung bei Cc die Ladung ſich wieder halbiren, ſo kommen beide auf 10°. So wenig ſtrenge dieſe Vergleichung iſt, ſo reicht ſie doch in vielen Faͤllen um ſo mehr zu, da man den Strohhalm doch immer nur in einiger Entfernung von dem Bogen HI darf vorbeigehen laſſen und deshalb die Beobachtung der Grade nur mittelmaͤßige Genauigkeit zulaͤßt. Wenn man aͤhnlich angeordnete Electrometer ſo einrichtet, daß das eine 30° zeigt, das zweite 20°, das dritte 10°, bei gleichen Ladungen, ſo kann man das letztere bei ſtaͤrkern Ladungen anwenden, wo das erſte nicht mehr brauchbar iſt, und ſo doch noch eine ziemlich ſichere Vergleichung zwiſchen ſtaͤrkern und ſchwaͤchern Ladungen erhalten.
Weit mehr zu genauer Abmeſſung brauchbar iſt die Cou - lombſche Drehwaage, die jedoch nur bei ſchwachen Ladungen kleiner Koͤrper anwendbar iſt. Sie beſteht aus einem Staͤbchen AB, das in ſeinem Schwerpuncte (Fig. 45.) an dem ſehr feinen Faden DE befeſtigt iſt und daher horizontal ſchwebend an dem Faden haͤngt. Da der Faden ſehr duͤnne iſt und auch eine nicht zu geringe Laͤnge FE hat, ſo wird er der Drehung nur eine hoͤchſt geringe Kraft entgegenſetzen, und obgleich das Staͤbchen AB in einer beſtimmten Lage zur Ruhe koͤmmt, ſo wird doch ſelbſt die unbedeutendſte Kraft dasſelbe um mehrere Grade fortruͤcken und dadurch eine Drehung des Fadens bewirken. Dieſe Drehung, die Anzahl Grade, um welche der Faden gedreht iſt, giebt ein Maaß der drehenden Kraft, und es laͤßt ſich zeigen, daß ganz genau die zehnfache Kraft das Staͤb - chen um zehnmal ſo viele Grade fortdreht, als die einfache Kraft. Um nun dieſe Coulombſche Drehwaage bequem zu gebrau - chen, iſt der Faden mit dem Staͤbchen in einem cylindriſchen Glaſe, ſo das E den Mittelpunct des Glaſes einnimmt, und auf dem Um - fange des Glaſes iſt in der Hoͤhe, wo der Waagebalken ſchwebt, eine Theilung in 360 Grade, um die Stellung von AB genau beobachten zu koͤnnen. Der Faden wird oben bei F in einer Klemme feſtgehalten und dieſe iſt mit einem Zeiger verſehen; aͤndert man nun die Stellung der Klemme ſo, daß der Zeiger um 10 Gr. fortruͤckt, ſo wird ſich auch die Stellung, wobei das Staͤbchen zur217 Ruhe koͤmmt, um 10 Gr. aͤndern, und man hat es alſo in ſeiner Gewalt, die Ruheſtellung, wo man will, zu bewirken. Fuͤr den Gebrauch als Electrometer macht man das Staͤbchen AB von Gummilack und befeſtigt daran eine kleine Kugel von Hollunder - mark, die alſo iſolirt iſt; bei C befindet ſich am Glaſe eine gleiche, ebenfalls iſolirte Kugel, und man ſtellt nun die Klemme ſo, daß die Kugel A ſich grade dann an C anlegt, wenn der Faden DE ganz ungedreht iſt. Giebt man nun den an einander liegenden Kugeln eine geringe electriſche Ladung, z. B. indem man ein ſehr kleines geladenes Metallkuͤgelchen mit ihnen in Beruͤhrung bringt, ſo ſtoßen ſie ſich einander ab, und A entfernt ſich von der unbeweg - lichen Kugel C; je mehr ſie ſich entfernt, deſto mehr wird der Faden gedreht und widerſetzt ſich daher mit immer ſtaͤrkerer Gewalt der weitern Drehung, und da zugleich die Abſtoßung bei groͤßeren Ab - ſtaͤnden gewiß geringer wird, ſo tritt endlich ein Gleichgewicht ein, ſo daß die abgeſtoßene Kugel z. B. auf 80° zur Ruhe koͤmmt, wenn C ſich bei 0° befindet. Faͤnde man bei der Pruͤfung einer andern Ladung weniger Grade, ſo waͤre ſie ſchwaͤcher, und um ſie mit der vorigen zu vergleichen, muͤßte man ganz wenig oben an der Klemme drehen, um die Kugel A auch jetzt auf 80° zu bringen; geſetzt dies haͤtte eine Aenderung von 20° an dem Zeiger bei F gefordert, ſo betruͤge die Drehung des Fadens nur 80 - 20 = 60°, und die Drehungskraft des Fadens waͤre nur drei Viertel der vorhin ſtatt findenden, alſo auch die bei gleichem Abſtande ausgeuͤbte Ab - ſtoßungskraft im letzten Falle nur ¾ der vorigen.
Mit dieſem Inſtrumente hat Coulomb den Verluſt, den eine ſchwache electriſche Ladung in der Luft leidet, abgemeſſen. Haͤtte zum Beiſpiel der mit 80° uͤbereinſtimmende Abſtand an - fangs eine Drehungskraft von 80°, nach 2 Min. nur von 76° gefordert, um im Gleichgewichte gehalten zu werden, ſo wuͤrde der Verluſt in 2 Min. ein Zwanzigſtel betragen haben. Dieſer Verluſt betraͤgt, wie Coulombs Verſuche zeigen, bei unveraͤndertem Zuſtande der Luft, immer einen gleichen Theil der noch uͤbrigen Ladung, ſo daß, wenn man nach laͤngerer Zeit den Abſtand von218 80° ſchon mit einer Drehungskraft = 40° erhalten konnte, der Verluſt an Drehungskraft in 2 Min. nur 2° betrug, u. ſ. w.
Auch uͤber die ungleiche Vollkommenheit der Iſolirung laſſen ſich Verſuche mit der Drehwaage, jedoch auch nur in Beziehung auf ſchwache Ladungen anſtellen. Das Siegellack und Gummilack iſt ſo ſehr gut iſolirend, daß es ſchwache Ladungen ſchon bei geringer Laͤnge faſt gar nicht ableitet. Man kann ſich davon uͤberzeugen, wenn man die ruhend bleibende Kugel C (Fig. 45.) bald auf einem duͤnnen Lackfaden, bald auf zweien oder dreien ruhen laͤßt, indem in allen dieſen Faͤllen der Verluſt an Electricitaͤt in gleichen Zeiten faſt gleich bleibt. Dagegen, wenn eben dieſe Kugel an einem einzelnen, nicht ſehr langen Coconſeidenfaden haͤngt, ſo verliert ſie die Electricitaͤt ſchneller, an zwei Faͤden haͤngend noch ſchneller u. ſ. w. Nach Coulombs Verſuchen iſt ein Faden von Siegellack oder auch von Gummilack ½ Lin. dick und 1½ Zoll lang fuͤr maͤßig gela - dene Hollundermarkkugeln von ½ Zoll Durchmeſſer faſt voͤllig ſtrenge iſolirend; auch ein Seidenfaden mit Siegellack uͤberzogen thut eben die Dienſte. Dagegen iſolirt ein feiner Glasfaden von 5 bis 6 Zoll lang oder ein Haar oder ein Seidenfaden nur an ſehr trockenen Tagen, man muß dieſe daher mit Gummilack uͤberziehen. Die minder gute Iſolirung durch Seide oder Glas iſt vorzuͤglich bei etwas ſtaͤrkern Ladungen merklich, bei ſehr ſchwachen Ladungen iſt die abſtoßende Kraft der Electricitaͤt nicht groß genug, um in dieſen doch immer noch uͤberaus ſchlechten Leitern die Electricitaͤt fortzutreiben. Laͤngere Faͤden iſoliren beſſer, ſo daß ein viermal ſo langer Faden die doppelt ſo ſtarke Electricitaͤt noch vollkommen iſolirt, wenn die einfache Laͤnge die einfach ſtarke Electricitaͤt noch vollkommen gut iſolirte; aber dieſe Vergleichung gilt nur in Be - ziehung auf gleich trockne Luft und auf gleich dicke Faͤden. Uebri - gens findet ſich bei gleichem Zuſtande der Luft der allmaͤhlige Ver - luſt gleich, der Koͤrper ſei poſitiv oder negativ electriſirt.
Der Gebrauch der Drehwaage iſt ihrer großen Beweglichkeit wegen etwas ſchwierig, und ſie kann zu fehlerhaften Schluͤſſen Anlaß geben, wenn irgend ein andrer Theil des Inſtruments auch nur die geringſte Spur von Electricitaͤt angenommen hat; man muß daher bei ihrem Gebrauche große Vorſicht anwenden.
219Doch es iſt Zeit, daß ich dieſe, mehr auf Einzelheiten gehen - den, Betrachtungen verlaſſe, und Sie mit einer der folgenreichſten Entdeckungen bekannt mache, die uns neue, weſentliche Belehrung uͤber die Natur der electriſchen Erſcheinungen gewaͤhrt.
Nach allen bisher angefuͤhrten Erfahrungen, und nach alle dem, was man bis zu Grey's Unterſuchungen kennen gelernt hatte, ſchien es gar keinen Zweifel zu leiden, daß ein electriſirter Koͤrper, wenn man mehr Electricitaͤt hinzubringt, auch ſtaͤrkere Wirkungen zeige muͤſſe; und eben ſo wenig konnte man zweifeln, daß die Abſtoßung, die wir zwiſchen zwei electriſirten Koͤrpern be - merkt haben, ganz allgemein zwiſchen jeden zwei electriſirten Koͤr - pern ſich zeigen muͤſſe; aber hier findet ſich eine ſehr merkwuͤrdige Verſchiedenheit, die Dufay 1733 bemerkte. Wenn man ein leichtes Kuͤgelchen an einem ſeidenen Faden aufhaͤngt und es mit geriebenem Siegellack beruͤhrt, ſo wird das Kuͤgelchen electriſch, und wird vom Siegellack abgeſtoßen; ſo oft man das Siegellack wieder naͤhert; erneuert ſich dieſe Abſtoßung, ſo lange als das Kuͤgelchen ſeine Electricitaͤt nicht verloren hat. Aber man naͤhere nun dem durch Siegellack electriſirten Kuͤgelchen eine geriebene Glasroͤhre, ſo wird jenes mit großer Gewalt gegen dieſe angezogen werden; und wenn man das Kuͤgelchen zur Beruͤhrung mit dem Glaſe hat kommen laſſen, wenn es die Electricitaͤt des Glaſes angenommen hat, ſo wird es von dem geriebenen Glaſe abgeſtoßen, vom gerie - benen Siegellack aber ſtark angezogen; und ſo finden immer bei der Electriſirung durch Glas und bei der Electriſirung durch Sie - gellack zwar genau gleiche Erſcheinungen ſtatt, ſo lange man immer nur einen dieſer Koͤrper dem durch ihn electriſirten Koͤrper nahe bringt, aber entgegengeſetzte Wirkungen, wenn man bald Glas bald Siegellack dem electriſirten Koͤrper naͤhert.
Dieſe Beobachtung veranlaßte Dufay zwei verſchiedene Electricitaͤten, die Glas-Electricitaͤt und die Harz-Electricitaͤt anzunehmen; Sie werden aber bald ſehen, daß dieſe Namen nicht paſſend ſind. Dagegen finden wir uns veranlaßt, dieſe Electrici - taͤten entgegengeſetzte zu nennen, weil ſie ſich ganz ſo ver - halten, daß ein Hinzuthun der einen ein Vermindern der andern220 bewirkt. Die vorhin beſchriebenen zwei voͤllig gleichen Electrometer (Fig. 44.) zeigen dies ſehr gut. Wenn wir zuerſt beide einzeln gleich ſtark mit Siegellack electriſiren, und ſie ſind ſo angeordnet, daß dieſe gleiche Electriſirung ſich durch eine Abſtoßung zu gleichen Graden zeigt, ſo bleibt die Abſtoßung gleich, auch wenn man beide ſich in C, c, beruͤhren laͤßt; ferner, wenn man beide mit Siegellack electriſirt, aber ungleich, ſo daß das eine Electrometer 20 Grade, das andre 50 Grade zeigt, ſo kommen ſie beide auf 35 Grad bei der gegenſeitigen Beruͤhrung, und ſo in allen Faͤllen auf den mittlern Grad. Genau ebenſo verhaͤlt es ſich, wenn beide Electrometer durch die Beruͤhrung mit geriebenem Glaſe electriſirt ſind. Aber nun electriſire man das eine jener Electrometer mit Glas, das andre mit Siegellack und bringe ſie beide einzeln zu gleichen Graden der Abſtoßung; ſo gehen beide bei der Beruͤhrung auf Null herab, das iſt, die eine Electriſirung hat in der Beruͤhrung die andre voͤllig unthaͤtig gemacht, ihre Wirkung ganz aufgehoben, obgleich nur eine Mittheilung des einen iſolirten Koͤrpers an den andern ſtatt fand. Man electriſire das eine mit Glas, bis es auf 50 Gr. gekommen iſt, das andre mit Siegellack, bis es auf 20 Grad gekom - men iſt; ſo gehen ſie bei der Beruͤhrung nicht bis auf die Mittel - zahl 35, ſondern bis auf 15 Grad herab, und dieſe noch uͤbrige Electricitaͤt iſt der Art nach mit der der ſtaͤrkern Ladung gleichartig, alſo hier dem Glaſe entſprechend, wie man daraus ſieht, daß ſie durch neue Electricitaͤt des Glaſes vermehrt, durch neu hinzukom - mende Electricitaͤt des Siegellacks geſchwaͤcht wird. Es iſt alſo ganz klar, daß gleiche Grade beider Electricitaͤten vereinigt ſich voͤllig zerſtoͤren, daß dagegen 20 Grade der einen von den 50 Gra - den der andern nur 20 zerſtoͤren, wo dann aber der Ueberreſt von 30 Graden, weil er ſich auf beide Electrometer austheilt, jedes nur auf 15 Grad bringt. Dieſe wenigen Beiſpiele zeigen deutlich die in allen Faͤllen ſich beſtaͤtigende Regel, daß die den beiden gleichen Electrometern ertheilten Electricitaͤten, indem ſie ſich unter beide gleich austheilen, ſie auf die halbe Summe der Grade brin - gen, wenn es gleichartige Electricitaͤten waren, auf die halbe Dif - ferenz, wenn es ungleichartige Electricitaͤten waren.
Dieſes Verhalten iſt ganz dem gemaͤß, was bei den in der Arithmetik oder Algebra mit poſitiv (+) und mit negativ (-)221 bezeichneten Groͤßen ſtatt findet. Gewinn und Verluſt ſtehen ein - ander als poſitive und negative Groͤßen entgegen, und bieten daher die beſten Beiſpiele zur Vergleichung dar. Wenn zwei Perſonen ſich vornehmen, ihren Gewinn oder Verluſt im Spiele gleich zu theilen, ſo hat keiner dem andern etwas zu geben oder von ihm zu fordern, wenn ihre Gewinne gleich oder wenn die Verluſte gleich ſind; hat dagegen der eine 20, der andre 50 gewonnen, ſo iſt 35 der Gewinn eines jeden, und ebenſo wenn beide verloren haben; dagegen wenn der eine 50 gewonnen, der andre 50 ver - loren hat, ſo gleicht ſich dies voͤllig aus, und ſie haben beide weder Gewinn noch Verluſt; hat einer 50 gewonnen, der andre 20 ver - loren, ſo gehen 20 von dem Gewinne auf dieſen uͤber und dann erſt werden die uͤbrigen 30 unter beide gleich getheilt, ſo daß der Gewinn eines jeden 15 iſt. Da es ſich nun bei den Ladungen mit den beiden verſchiedenen Electricitaͤten ebenſo wie hier mit den poſitiven und negativen Groͤßen, mit Gewinn und Verluſt, verhaͤlt, ſo iſt dies die Urſache, warum man die eine Electricitaͤt, die durch Reibung des glatten Glaſes mit Wolle oder Seide am Glaſe her - vorgebrachte, die poſitive, kurz + E, die andre Electricitaͤt, die wir durch Reiben an Bernſtein, Siegellack, Harz, Schwefel erhalten, die negative Electricitaͤt, oder - E, nennt. Sie werden bald ſehen, daß die Vergleichung mit Gewinn und Verluſt ſich in Beziehung auf die entgegengeſetzten Electricitaͤten noch weiter fortfuͤhren laͤßt.
Um auch ohne jene zwei gleichen Electrometer die Wirkungen der entgegengeſetzten Electricitaͤten zu zeigen, hat man nur noͤthig, am einen Ende eines Leiters, der nur einige Zolle lang zu ſein braucht, aber einen Fuß von Glas mit Lack uͤberzogen haben muß, zwei leitende Koͤrper, Goldblaͤttchen oder leinene Faͤden mit Kuͤgel - chen, oder Strohhalme aufzuhaͤngen. Beruͤhrt man nun (Fig. 46.) das eine Ende A des Leiters mit geriebenem Siegellack, ſo gehen die Kugeln B aus einander. Bringt man, waͤhrend dies ſtatt findet, gegen A zu, ohne noch zu beruͤhren, abermals geriebenes Siegellack, ſo gehen die Kugeln weiter aus einander, bringt man dagegen ebenſo geriebenes Glas gegen A zu, ſo naͤhern ſich die Kugeln einander, fallen auch wohl ganz zuſammen. Man ſtellt dieſe Electrometer, wie ſchon vorhin erwaͤhnt iſt, in der Form222 Fig. 42. auf, und gebraucht ſie, wenn der Koͤrper FG, der auf dem cylindriſchen Glaſe AD ruht und folglich iſolirt iſt, irgend eine Electricitaͤt erhalten hat, zur Unterſuchung, ob es poſitive oder negative Electricitaͤt iſt, indem ein gegen F zu genaͤherter electri - ſirter Koͤrper die Kugeln mehr aus einander treibt, wenn er die - jenige Electricitaͤt bringt, welche der Koͤrper FG Fig. 42. ſchon beſitzt.
Die Frage, ob bei der Reibung die poſitive oder die negative Electricitaͤt hervorgehen wird, iſt nicht immer leicht zu beantworten, und es beruht der Erfolg ſogar auf Nebenumſtaͤnden; aber eine merkwuͤrdige Regel ſteht ganz feſt, naͤmlich daß unter zwei Koͤr - pern, die an einander gerieben Electricitaͤt hervorbringen, allemal der eine poſitiv, der andre negativ electriſch iſt*)Saxtorph bemerkt, es gebe auch hier Ausnahmen, indem zwei an einander geriebene Federkiele zuweilen beide poſitiv werden. Ich habe die Behauptung richtig gefunden, obgleich ich in den meiſten Faͤl - len die eine Feder + E, die andre - E finde, ohne daß ein Grund, warum dieſe Verſchiedenheit hervorgeht, erhellte. Aber jener Erſchei - nung ungeachtet, die auf irgend etwas Zufaͤlligem beruhen muß, kann man die Regel wohl unbeſchraͤnkt ausſprechen.. Um dieſes merkwuͤrdige Geſetz zu beſtaͤtigen, muß man ſowohl den geriebenen als den reibenden Koͤrper iſoliren, und wenn dies gut genug geſche - hen iſt, ſo findet man es in der That ſo; und nun erſt koͤnnen wir mit etwas mehr Genauigkeit die Koͤrper angeben, welche poſi - tiv und welche negativ werden. Glattes Glas wird bei der Rei - bung faſt an allen Koͤrpern poſitiv electriſch, und die zur Reibung angewandten werden negativ; aber das Katzenfell, vorzuͤglich die Reibung an dem Felle einer lebenden Katze, macht eine Ausnahme, indem da das Glas negativ wird, und die Katze, wenn man ſie iſolirt erhaͤlt, poſitiv. Aber obgleich das glatte Glas hiernach mit ziemlichem Rechte der poſitiven Electricitaͤt den Namen Glas - Electricitaͤt geben koͤnnte, ſo verhaͤlt ſich doch das matt geſchliffene Glas ganz anders, indem es, ſelbſt an Wolle gerieben, an Papier gerieben, an der Hand gerieben, negativ wird, und nur diejenigen223 Koͤrper, die vorzugsweiſe in ſehr ſtarkem Grade zum Negativen hin neigen, das matt geſchliffene Glas poſitiv machen.
Wenn wir die Koͤrper durchgehen, ſo finden wir allgemein, daß ein Koͤrper A, der an B gerieben + E erhaͤlt, dagegen an C gerieben - E erhaͤlt, als zwiſchen B und C ſtehend angeſehen wer - den kann, ſo daß, wenn man B und C an einander reibt, dieſe Koͤrper ſtaͤrkere Electricitaͤten geben, einen ſtaͤrkern Gegenſatz gegen einander als gegen A zeigen; und daß B, welches an A gerieben ſchon - E erhielt, vollends an C gerieben gewiß - E erhalten wird. Dieſer Schluß bewaͤhrt ſich immer. Haben wir zum Bei - ſpiel gefunden, daß das glatte Glas, obgleich es faſt mit allen Koͤr - pern bei der Reibung + E erhaͤlt und den andern - E ertheilt, doch am Katzenfelle - E erhaͤlt und das Katzenfell poſitiv macht; ſo koͤnnen wir ſicher annehmen, daß das Katzenfell an alle den Koͤrpern poſitiv wird, die das Glas poſitiv machen, und wirklich ſteht auch das Katzenfell in der Reihe der poſitiv werdenden Koͤrper ſo oben an, daß wir keinen Koͤrper kennen, durch welchen jenes negativ wuͤrde. Und auf gleiche Weiſe ſcheint Schwefel faſt den aͤußerſten Platz unter den negativ werdenden Koͤrpern einzunehmen, indem es ſelbſt an Federharz, an Siegellack, an Bernſtein gerieben negativ wird, obgleich alle dieſe Koͤrper ſchon zu denen gehoͤren, die bei der Reibung mit zahlreichen andern Koͤrpern negativ werden. Die ganze Reihenfolge der Koͤrper, wie ſie negative oder poſitive Electricitaͤt geben, will ich hier nicht auffuͤhren, ſondern nur noch einige Faͤlle erwaͤhnen. Harzige Koͤrper oder Siegellack an Wolle, an wollenen Zeugen, an Seide gerieben, werden negativ, und die Wolle oder Seide wird poſitiv. Dagegen wird Wolle an polirtem Glaſe gerieben negativ, an matt geſchliffenem Glaſe gerieben poſitiv. Federharz an Papier gerieben wird negativ, und wenn das Papier auf dem warmen Ofen liegt, ſo ſieht man im Dunkeln ſchoͤne Strahlen electriſchen Lichts bei der Reibung hervorgehen; dagegen wird Federharz an Schwefel gerieben oder an Bernſtein gerieben poſitiv, weil dieſe beiden Koͤrper allzu weit nach der negativen Seite hin ſtehen.
Bei Koͤrpern, die in dieſer Reihe der Koͤrper einander nahe ſtehen, iſt es oft ſchwer, ihnen ganz genau ihre Stelle anzuweiſen,224 da kleine Unterſchiede in der Beſchaffenheit der Oberflaͤche, in der Waͤrme u. ſ. w. Ungleichheiten hervorbringen, die keine ganz genaue Beſtimmung geſtatten. Daß ſogar große Ungleichheiten aus der bloßen Veraͤnderung der Oberflaͤche hervorgehen, zeigt das Glas, welches bei matt geſchliffener Oberflaͤche in ſo vielen Faͤllen die nega - tive Electricitaͤt zeigt, in der Reihe der Koͤrper mehr als Wolle und Seide auf der negativen Seite ſteht, ſtatt daß glattes Glas beinahe unter allen poſitiv werdenden Koͤrpern der erſte iſt. Ebenſo macht bei der Seide die Farbe und bei ſeidenen Baͤndern die Anordnung des Gewebes einen Unterſchied. Zieht man zwei ſchwarze ſeidene Baͤnder ſo zwiſchen den trocknen Fingern durch, daß ſie beide ſich an dieſen reiben, ſo werden ſie beide negativ; iſt aber das eine ſchwarz, das andre weiß, ſo iſt das weiße poſitiv, das ſchwarze negativ. Wenn man an weißen ſeidnen Baͤndern ein ſchwarzes reibt, ſo wird das ſchwarze negativ, die weißen poſitiv, und uͤber - haupt zeigt ſich das ſchwarze beim Reiben weit mehr als weiße Seide zum Negativen hinneigend. Nimmt man weiße Atlasbaͤn - der, oder uͤberhaupt gleichfarbige ſeidene Baͤnder, und zieht das eine der Baͤnder der Laͤnge nach hin und her uͤber der Querrich - tung des andern, ſo iſt das quer geriebene gewoͤhnlich negativ. Aber kleine Verſchiedenheiten koͤnnen auch dieſe Reſultate aͤndern.
Ueber die Stelle, welche einzelne Metalle in der Reihenfolge der Koͤrper einnehmen, ſind die Angaben ſehr verſchieden, und hier beſon - ders muͤſſen kleine Unterſchiede wohl bedeutenden Einfluß haben. Coulomb fand Zink, Silber, Kupfer, Blei, poſitiv, wenn ſie an wollenem Tuche gerieben wurden; dieſe Angabe finde ich bei dem Zink richtig, Kupfer und Meſſing dagegen finde ich negativ, wenn es mit Seide, Wolle oder weichem Leder gerieben wird. Silber habe ich, an einem Siegellackſtiele iſolirt gehalten, an Seide und Wolle nie anders als negativ erhalten, auch an Siegellack gerieben iſt Silber negativ; ja es iſt mir ſo wiederholt gelungen, eine polirte Platte feines Silber an einer glatten Oberflaͤche gegoſſenen Schwefels gerieben negativ und Schwefel poſitiv zu erhalten, daß ich kein Bedenken trage, dem Silber ſeine Stelle ſehr weit nach der negativen Seite hin anzuweiſen. Aber die Metalle ſcheinen alle noch eine ſorgfaͤltige Unterſuchung zu verdienen, indem ſelbſt225 Zink an Seide gerieben zuweilen negativ wird, obgleich es oft poſitiv wird*)Bei dieſen Verſuchen ſind viele Vorſichten noͤthig, damit man die durch Mittheilung ſo leicht auf das Metall uͤbergehende Electricitaͤt nicht mit der durch Reibung entſtandenen verwechſele, wenn man aber bei der Reibung der Silberplatten an Schwefel jene negativ und dieſen poſitiv erhaͤlt, ſo kann, glaube ich, kein Irrthum ſtatt finden. Da die Spuren der Electricitaͤt hier ſchwach ſind, ſo thut Bohnenbergers Electrometer, von dem ich erſt ſpaͤter reden kann, hier gute Dienſte..
Bei Koͤrpern, die einander voͤllig gleich ſind, ſollte, wenn man ſie reibt, gar keine Electricitaͤt hervorgehen; aber faſt nie ſcheint dieſe vollkommene Gleichheit ſtatt zu finden. Glaͤſer an einander gerieben, werden gewoͤhnlich doch electriſch. So finde ich zum Beiſpiel ein Bologneſer Springkoͤlbchen von weißem Glaſe im Innern eines Weinglaſes von gutem, weißem, hartem Glaſe gerie - ben, allemal negativ und dagegen das Weinglas poſitiv; und auf aͤhnliche Weiſe findet man oft den geringſten Unterſchied zu Erre - gung der Electricitaͤt zureichend.
Auch die ungleiche Waͤrme beider Koͤrper wirkt hier ein und im Allgemeinen ſcheint der waͤrmere ſich mehr zum Negativwerden hin zu neigen. So wird gewoͤhnlich weiße Seide an trockenem Papier gerieben negativ, das Papier poſitiv; aber weiße Seide an erwaͤrmtem Papier gerieben wird poſitiv und das Papier negativ.
Eine allgemeine Regel, nach welcher man im Voraus wiſſen koͤnnte, welcher Koͤrper bei der Reibung poſitiv wuͤrde, kennt man noch nicht. Die Regel, daß der haͤrtere und glatte Koͤrper poſitiv wird, gilt in den meiſten Faͤllen, aber die poſitive Electricitaͤt des Katzenfelles paßt dazu nicht; und ſo finden ſich faſt uͤberall Abwei - chungen. In vielen Faͤllen paßt die Regel, daß derjenige Koͤrper, deſſen Theile am meiſten einer Aenderung der Lage unterworfen ſind, durch mindere Haͤrte, durch groͤßere Rauhheit, der eben darum vielleicht auch ſich ſtaͤrker erwaͤrmt, der negative ſei.
Queckſilber am Glaſe hin und her gerieben, macht das Glas electriſch. Luft anhaltend gegen ein Glas geblaſen, giebt dieſem poſitive Electricitaͤt, ſo daß man alſo annehmen muß, die Luft werde negativ. —
III. P226Dieſes Hervorgehen der entgegengeſetzten Electricitaͤten laͤßt ſich auf ſehr mannichfaltige Weiſe zeigen. Stehen zwei Perſonen auf iſolirenden Fußgeſtellen mit Glasfuͤßen, und reibt die eine mit Seidenzeuge eine von der andern Perſon gehaltene Glasroͤhre, ſo ſind nach etwas anhaltendem Reiben beide Perſonen electriſch; jede zieht leichte Koͤrper an und die an ihr electriſirten Koͤrper werden wieder abgeſtoßen; aber die an der einen electriſirten Koͤrper werden von der andern angezogen. —
Obgleich die meiſten derjenigen Verſuche, die ich neulich erwaͤhnt habe, keine weitere Vorkehrung fordern, ſondern mit einer Reibung der in der Hand gehaltenen Koͤrper zu Stande gebracht werden koͤnnen, obgleich Dufay, Grey und andre fruͤhere Beobachter recht bedeutende Wirkungen der Electricitaͤt durch Glas - roͤhren, frei in der Hand gehalten, und mit der Hand oder mit einem in der Hand gehaltenen Wollenzeuge oder Seidenzeuge gerie - ben, hervorbrachten; ſo fand man doch bald die Nothwendigkeit, ſich der Electriſirmaſchine zu bedienen, indem die Schnelligkeit und Stetigkeit der Reibung viel groͤßere Wirkungen hervorbringt, als man bei den in der Hand gehaltenen Glasroͤhren erreichen konnte. Schon Guericke hatte eine Schwefelkugel mit Huͤlfe einer Kurbel gedreht, und auch Hawksbee bediente ſich auf aͤhnliche Art einer Glaskugel; aber dieſe bequeme Einrichtung war doch wieder aufgegeben, bis Hauſen ſie 1742 aufs neue anwandte. In dieſer fruͤheſten Zeit der Electriſirmaſchine bediente man ſich der Glaskugeln, die mit der Hand gerieben wurden; aber Wink - ler fand es beſſer, ſich eines Polſters als Reibzeugs zu bedienen. Nachher ſind ſtatt der Kugeln die Cylinder, weil das Reibzeug ſich gleichfoͤrmiger an ſie andruͤckt, vorgezogen worden, und Cylinder -227 maſchinen oder Scheibenmaſchinen ſind es, deren wir uns jetzt bedienen.
Bei allen Electriſirmaſchinen ſind es drei Haupttheile, die in Betrachtung kommen, der geriebene Koͤrper, das Reibzeug, der Conductor oder Leiter, welcher die Electricitaͤt aufnimmt. Bei den Cylindermaſchinen iſt es ein hohler Glascylinder AB, der zur Erregung der Electricitaͤt gebraucht wird (Fig. 47.); hartes, glat - tes Glas, durchſichtig und weiß, wendet man am liebſten an, doch finden ſich auch bei gutem Anſehen Glascylinder, die weniger geeig - net ſind, ſtarke Electricitaͤt hervorzubringen, weshalb man ſie am liebſten erſt durch wirklichen Verſuch pruͤft. Es iſt vortheilhaft, und bei nicht ſo gutem Glaſe beſonders zu empfehlen, daß man ſie inwendig mit einem harzigen Ueberzuge verſieht (aus Terpentin, Wachs und Pech, gewoͤhnlich mit Zinnober roth gefaͤrbt); dieſer gewaͤhrt den Vortheil, daß ſich die Feuchtigkeit, die jeden Falls nachtheilig iſt, nicht ſo leicht anlegt. Der Cylinder wird an beiden Enden mit Axen C verſehen, deren Lage ſo ſein muß, daß der Cylinder bei der Drehung nicht mit ſchlotterndem Gange ſich bald ſtark bald ſchwach an das Reibzeug andruͤcke, ſondern beſtaͤndig eine gleiche Reibung leide. Die Axe muß nicht durchgehen, weil ſie dann, aus ſpaͤter anzufuͤhrenden Gruͤnden, das Hervor - gehen der Electricitaͤt etwas hindert; ſie muß durch Glasſaͤulen DE, DE, iſolirt ſein, damit nicht ſo leicht die am Cylinder erregte Electricitaͤt, nach der Axe uͤberſchlagend, dort eine Ableitung gegen die Erde finde. An der Axe iſt zum Drehen eine Kurbel angebracht, deren Haupttheil aus Glas beſtehen muß, um die Ableitung durch die Axe zu hindern. Um eine ſchnellere Drehung zu erhalten, verbindet man ein kleineres, mit der Axe ſich drehendes Rad C mit einem groͤßern, F, das durch die Hand gedreht wird.
Das Reibzeug GH beſteht aus einem weichen Polſter, welches ſich mit Federn an den Cylinder andruͤckt; es erſtreckt ſich nicht ganz bis an das Ende des Cylinders, weil dort die Electricitaͤt zu leicht nach der Axe uͤberſchlaͤgt. Die reibende Flaͤche muß eine ſolche ſein, die an Glas gerieben dieſem ſtarke poſitive Electricitaͤt ertheilt, und dazu hat man ſchon ſeit langer Zeit einen Ueberzug von Amalgama paſſend gefunden; dieſes wird auf Leder geſtrichen, welches die Vorderſeite des Polſters GH ausmacht; die HinterſeiteP 2228belegt man mit einer Metallplatte, welche ſich nahe an das Amal - gam anſchließt, um die Zuleitung der Electricitaͤt zu befoͤrdern. Das Reibzeug ruht am beſten auf iſolirenden Saͤulen HI; denn obgleich es beim Gebrauche der Maſchine in Verbindung mit der Erde ſtehen muß, ſo iſt es doch bei manchen Verſuchen nothwendig, es iſolirt zu erhalten. Das Reibzeug muß zwar nicht zu ſchmal ſein, damit jeder Punct des Cylinders einen nicht ganz kurzen Weg waͤhrend der Reibung durchlaufe; aber es muß doch kein Viertel des Cylinders umfaſſen, weil ſonſt der Leiter zu leicht zum Zuruͤckſchlagen von Funken auf das Reibzeug veranlaßt wird. An das Reibzeug iſt da, wo die geriebenen Puncte des Cylinders das Reibzeug verlaſſen, ein duͤnner Wachstaffent GHKL befeſtigt, um dem Cylinder bis gegen die Stelle hin, wo der Leiter die Electri - citaͤt aufnimmt, zur Bedeckung zu dienen, indem ſonſt die Funken leicht von der Gegend KL auf die Hinterſeite des Reibzeuges zuruͤckſchlagen.
Der Leiter KL, der bis oberhalb des Cylinders ſich erſtreckt, hat bei Z Spitzen, weil dieſe leichter die Electricitaͤt aufneh - men; durch ſie geht die Electricitaͤt auf den erſten Leiter KL uͤber, der an allen Theilen gut abgerundet ſein muß, und auf glaͤſernen, mit Lack uͤberzogenen Saͤulen ruht, damit die Electri - citaͤt, ſo gut es immer moͤglich iſt, in ihm angehaͤuft bleibe. Die Spitzen ſind gegen den Theil des Cylinders gerichtet, der nur wenig von dem Rande des Wachstaffent KL entfernt iſt, damit der Cylinder ſogleich da, wo er aus der Bedeckung hervortritt, die Electricitaͤt abgebe. An den erſten Leiter kann man ſogleich noch einen laͤngern zweiten anſetzen, der die Wirkung noch verſtaͤrkt.
Bei den Scheibenmaſchinen, wo man ſich einer Glasſcheibe bedient, (Fig. 48.) bleiben die Hauptumſtaͤnde, worauf es ankoͤmmt, dieſelben. Die Glasſcheibe AB iſt hier der geriebene Koͤrper. Die durch ſie durchgehende und mit der Kurbel oder dem Rade zur Umdrehung verſehene Axe C muß genau ſenkrecht gegen die Ebne der Scheibe ſein, damit nicht, bei einem ungleichen Gange der Scheibe, dieſe ſich bald ſtark bald ſchwach an das Reibzeug an - druͤcke, und nicht durch kleine Abweichungen von der immer gleichen Lage ſich an die Spitzen des Einſaugers der Electricitaͤt ſtoße. Man pflegt der Scheibe zwei Reibzeuge, oben und unten oder229 auch an beiden Enden des Horizontaldurchmeſſers, zu geben, indeß behauptet Pfaff aus eigner Erfahrung, daß ein Reibzeug in DE wegen der dann groͤßern Entfernung von dem Einſauger FG der Electricitaͤt wohl noch zweckmaͤßiger ſei, und auf jeden Fall iſt dieſes bequemer. Das Reibzeug ſteht auf einer iſolirenden Saͤule HI, der Leiter, welcher bei G die Electricitaͤt empfaͤngt, auf einer iſolirenden Saͤule LM. Auch hier bedeckt ein duͤnner Wachstaffent, der an das Reibzeug DE befeſtigt iſt und die nach der Reibung ſich vom Reibzeuge entfernenden Theile der Scheibe vor dem Verluſte der Electricitaͤt ſchuͤtzt, den Theil der Scheibe, welchen die geriebenen Theile durchlaufen, bis ſie in FG ihre Electricitaͤt dem Leiter uͤbergeben. Weder das Reibzeug noch der Einſauger gehen bis nahe an die Axe, ſondern laſſen einen Theil in der Mitte frei, da von dieſem die erregte Electricitaͤt ſich zu leicht nach der Axe begeben wuͤrde. Dieſe iſt freilich iſolirt, und auch die Kurbel muß, um die Ableitung zu verhuͤten, von Glas ſein, aber dennoch iſt es auch hier ſchwer, bei ſtarken Ladungen alle Ableitung ganz zu vermeiden. Das Reibzeug iſt bei DE an beiden Seiten der Scheibe angebracht, und beſteht, ſo wie bei der Cylin - dermaſchine, aus einem mit Amalgam beſtrichenen weichen Polſter, das von beiden Seiten durch Federn angedruͤckt wird, an ſeiner Hinterſeite aber Leiter hat, die man mit einem groͤßern Leiter DN in Verbindung ſetzt, um an dieſem Leiter die Veraͤnderungen zu beobachten, welche in der Electricitaͤt des Reibzeuges vorgehen. Iſt die Scheibe nach Pfaffs Angabe eingerichtet, ſo muß der Wachstaffent faſt die halbe Scheibe an beiden Seiten bedecken. In GF befinden ſich wieder an beiden Seiten der Scheibe die Ein - ſauger, die zwar Spitzen darbieten, jedoch dieſe von einem ebnen Rande ſo umgeben, daß die Scheibe nicht ſo leicht an ſie anſtoßen und ihre Politur beſchaͤdigen kann. Der Leiter L iſt ganz wie bei den Cylindermaſchinen. Bei Scheibenmaſchinen kann man an derſelben Axe zwei Scheiben verbinden, wo dann fuͤr jede Scheibe eben die Stuͤcke vorkommen muͤſſen, die Reibzeuge aber in Ver - bindung mit dem einzigen Leiter HN ſtehen und die Einſauger mit dem einzigen Leiter L.
Man hat manche andre Koͤrper ſtatt des Glaſes als Haupt - koͤrper der Electriſirmaſchine vorgeſchlagen, theils der Wohlfeilheit230 wegen, theils um ſtatt der poſitiven Electricitaͤt an dem geriebenen Koͤrper negative Electricitaͤt zu erhalten. In Hinſicht auf den erſten Zweck hat man Scheiben von gedoͤrrtem Holze empfohlen, die mit gut gegerbten Maulwurfsfellen oder Rattenfellen gerieben wurden, und dann an der Scheibe und dem mit ihr in Verbin - dung geſetzten Conductor negative Electricitaͤt gaben. Noch wirk - ſamer ſind die von Lichtenberg aus ſchwarzem Wollenzeuge, von Walkiers und Rouland aus Taffent verfertigten Elec - triſirmaſchinen. Es wird naͤmlich dieſer Zeug um die beiden Cylinder G und H (Fig. 49.) gezogen und beide Enden zuſammen genaͤht; dann zieht man die beiden Cylinder ſo aus einander, daß der Taffent oder das Wollenzeug ſtraff angezogen iſt, damit dieſe Flaͤche von Seide oder Wolle bei der Drehung eines Cylinders mit zum Umlaufen komme; man bringt an dem Cylinder ſelbſt ein Reibzeug von Katzenpelz an, und laͤßt den Leiter S die von beiden Seiten zugefuͤhrte Electricitaͤt aufnehmen. Dieſe iſt dann negativ, und kann bei hinreichender Groͤße der Maſchine und guter Erwaͤrmung der geriebenen Zeuge ſehr bedeutende Wirkungen hervorbringen. Den Vorzug behalten indeß bei weitem immer die zuerſt beſchrie - benen Maſchinen, von deren großen Wirkungen ich in der Folge noch mehr ſagen werde.
Ob die Cylindermaſchinen oder die Scheibenmaſchinen den entſchiedenen Vorzug verdienen, daruͤber iſt lange geſtritten wor - den, indeß kann man, wenn es auf die allerſtaͤrkſten Wirkungen ankoͤmmt, wohl nicht leugnen, daß die Scheibenmaſchinen die kraͤf - tigern ſind, wenn gleich zu Verſuchen geringerer Art die Cylinder - maſchinen mehr Bequemlichkeit gewaͤhren. Da es naͤmlich vor - zuͤglich, bei ſonſt gleichen Umſtaͤnden, auf die Groͤße der in gleicher Zeit durch Reibung electriſirten Flaͤche, zugleich aber auch auf die Schnelligkeit der Bewegung ankoͤmmt, ſo gewaͤhren große Scheiben ſowohl in Ruͤckſicht auf den Inhalt der zur Reibung gelangenden Flaͤche, als in Ruͤckſicht auf die Schnelligkeit, mit welcher die Flaͤche an dem Reibzeuge vorbeigeht, einen großen Vortheil. Glas - cylinder kann man nicht von allzu großem Durchmeſſer machen und Cylinder von 2 Fuß Durchmeſſer, woran das Reibzeug eine Laͤnge von 1 Fuß haͤtte, wuͤrden ſchon die groͤßeſten ſein, die man etwa erhalten koͤnnte; dagegen ſind Glasſcheiben von 5 Fuß Durch -231 meſſer, und noch dazu zwei zugleich an einer Axe gedreht, aus - gefuͤhrt worden. Ginge nun jener Cylinder auch viermal um, waͤhrend die Scheibe eine Umdrehung macht, ſo betruͤge dort die geriebene Flaͤche etwa 25 Quadratfuß in der Zeit, wo die Scheibe einmal umlaͤuft; an dieſer aber iſt die an jeder Seite geriebene Flaͤche wenigſtens 10 Quadratfuß und alſo an zwei verbundenen Scheiben 40 Quadratfuß und die Scheiben haben dann ſelbſt in ihren entfernteſten Puncten noch nicht die ſehr große Geſchwin - digkeit, die ich dem Cylinder beigelegt habe, ſo daß, wenn man jenen eben dieſe Geſchwindigkeit ertheilte, der Vortheil noch bedeu - tender auf der Seite der Scheibe waͤre. Auch in Hinſicht auf die immer gleiche Wirkſamkeit ſcheint es leichter, der ganz ebnen Scheibe groͤßere Vollkommenheit zu geben, als dem Cylinder, deſſen wahre Axe ſchwerlich ſo genau mit der eingeſetzten Axe zuſammen - ſtimmen wird, und der daher leicht in einigem Grade ungleich ſich an das Reibzeug preßt. Verſuche, beſonders von Cuthbertſon und Singer, haben auch dieſen Vorzug dargethan.
Damit man aber mit einem Cylinder oder mit einer Scheibe von gegebner Groͤße alle die Wirkungen hervorbringe, deren ſie faͤhig ſind, koͤmmt es auf eine Menge einzelner Umſtaͤnde an. Die Schnelligkeit der Reibung iſt, ſo fern man ſie ohne andre Unbequemlichkeit ſteigern kann, eines der wichtigſten Befoͤrderungs - mittel. Eine gute Iſolirung, damit keine Electricitaͤt verloren gehe; ein gutes Amalgam an dem Reibzeuge*)Das Kienmayerſche Amalgam aus 2 Th. Queckſilber, 1 Th. Zink und 1 Th. engl. Zinn, oder das Singerſche aus 6 Th. Queck - ſilber, 2 Th. Zink und 1 Th. Zinn ſind zu empfehlen, doch muß man auch bei der Bereitungs-Art auf beſtimmte Weiſe (S. Gehlers Woͤrterb. Art. Amalgama) verfahren. Verſchiedene Glas-Arten ſcheinen auch etwas ungleiche Amalgame zu fordern. Ohne Zweifel ſind dieſe Amalgame darum ſo wirkſam, weil ſie ſelbſt ſehr geneigt ſind, negativ zu werden., eine ſtarke Zu - leitung der Electricitaͤt zu dem Reibzeuge hin; ſelbſt die richtig gewaͤhlte Dicke des Wachstaffents, der zwiſchen dem Reibzeuge und dem Conductor den Cylinder oder die Glasſcheibe bedeckt, und ſich glatt anlegen muß, tragen zu Verſtaͤrkung der Wirkung weſentlich bei. Auch die Groͤße und Geſtalt des Conductors iſt nicht gleich -232 guͤltig fuͤr die Wirkung der Maſchine. Offenbar nimmt ein großer Leiter mehr Electricitaͤt auf und giebt daher ſtaͤrkere Wirkungen, beſonders ſtaͤrkere Funken; indeß nimmt dieſe Wirkung nicht im - merfort zu, weil eine große Oberflaͤche auch zu mehr Verluſt an die Luft Gelegenheit giebt. Warum vorzuͤglich eine groͤßere Laͤnge des Conductors vortheilhaft iſt, wird ſich in der Folge ergeben. Moͤglichſt vollkommene Iſolirung und trockene Luft ſind die wich - tigſten Umſtaͤnden, worauf es vor allem ankoͤmmt.
Alle Verſuche, die man mit einer in der Hand gehaltenen und geriebenen Glasroͤhre anſtellen kann, laſſen ſich vollkommener und mit mehr Leichtigkeit mit der Electriſirmaſchine anſtellen. Naͤhert man den Kopf dem geladenen Leiter oder auch dem gerie - benen Glaskoͤrper, ſo werden die Haare gegen den electriſirten Koͤrper angezogen, und da eben dies in Beziehung auf die kleinen Haare ſtatt findet, die ſich an jedem Theile der Haut befinden, ſo wird durch die geringe Bewegung derſelben ein eigenthuͤmliches Gefuͤhl hervorgebracht; wenn man Funken aus dem Conductor uͤberſchlagen laͤßt, waͤhrend das Geſicht ſich ſo in der Naͤhe des - ſelben befindet, ſo bemerkt man einen Wechſel in jenem Gefuͤhle bei jedem hervorgehenden Funken.
Wenn ein Menſch ſich iſolirt, auf einem mit Glasfuͤßen ver - ſehenen Schemel, electriſiren laͤßt, ſo richten ſeine Haare ſich auf, weil ſie einander abſtoßen; leichte Koͤrper in die Naͤhe des Men - ſchen gebracht werden von ihm, wie von andern electriſirten Koͤr - pern, angezogen und, nachdem ſie Electricitaͤt erhalten haben, abge - ſtoßen. Laͤßt man zwei Menſchen auf zwei verſchiedenen Iſolir - ſchemeln ſich von demſelben Leiter aus electriſiren, ſo koͤnnen ſie einander beruͤhren, ohne Funken zu geben oder einen Schlag zu bekommen; theilt man aber durch irgend eine Veranſtaltung dem einen poſitive, dem andern negative Electricitaͤt mit, ſo werden die Koͤrper, welche vom einen abgeſtoßen wurden, vom andern ange - zogen, und wenn beide Menſchen ſich beruͤhren, ſo wird Funke und Schlag deſto lebhafter. Von dieſen Wirkungen will ich indeß hier noch nicht umſtaͤndlich reden, da ich von dem electriſchen233 Lichte in der Folge mehr ſagen werde, und die Empfindungen bei dem Schlage uns hier auch noch nicht beſchaͤftigen ſollen.
Als ein bloßer Erfolg der gegenſeitigen Abſtoßung iſt dagegen folgende Erſcheinung anzuſehen. Wenn man in ein Gefaͤß mit Waſſer einen Heber ſetzt, deſſen Ausflußroͤhre ein enges Haar - roͤhrchen iſt, ſo fließt der Heber, wenn er auch gehoͤrig gefuͤllt iſt und ſeine Oeffnung niedriger liegt, als die Oberflaͤche des Waſſers im Gefaͤße, doch entweder gar nicht oder nur in langſam auf ein - ander folgenden Tropfen; aber wenn man das Waſſer electriſirt, indem man es in einem metallenen Gefaͤße an den Leiter anhaͤngt, ſo fließt der Heber fortwaͤhrend und das Waſſer wird ſogar mit Gewalt herausgeſtoßen. Die electriſirten Waſſertheile, die an der Muͤndung liegen, werden von den anliegenden abgeſtoßen und herausgetrieben. Selbſt an einem einzelnen Waſſertropfen, der am Conductor haͤngt, ſieht man, daß er ſich verlaͤngert und eine ſpitzige Form annimmt, wenn man, waͤhrend der Conductor elec - triſirt iſt, einen andern Koͤrper dem Tropfen naͤhert.
Andre Anziehungs - und Abſtoßungsverſuche laſſen ſich zahl - reich anſtellen. Baumwolle, die man dem geladenen Leiter nahe bringt, ſtreckt zuerſt alle Faͤden gegen den Conductor aus, fliegt dann gegen ihn zu, wird nun wieder abgeſtoßen, und wenn ſie am Conductor feſthaͤngt, ſtoßen ſich die einzelnen Faͤden einander ab. Rauch, den man in der Naͤhe des electriſirten Leiters erregt, wird von ihm angezogen. Campher, den man auf einer eiſernen Unterlage anzuͤndet, dann ausblaͤſt und ſogleich, waͤhrend er noch raucht, dem electriſirten Leiter naͤhert, bildet eine Menge kleiner Spitzchen, die durch die Anziehung des Leiters gegen die noch nicht erhaͤrteten Theile entſtehen. Ein aͤhnlicher Verſuch mit Siegellack giebt einen aͤhnlichen Erfolg, aber nicht ſo feine Spitzen.
Aber weit belehrender als dieſe, nur Bekanntes wiederholen - den, Verſuche ſind die, wo man die eigentliche Art der Wirkſam - keit des Reibzeuges zeigt. Ich habe ſchon fruͤher erwaͤhnt, daß man das Reibzeug der Maſchine ſo einzurichten pflegt, daß man es iſoliren kann, — wir wollen dieſe Einrichtung zu folgenden234 Verſuchen benutzen. Man bringt eine leitende Kette an dem Reibzeuge an, damit dieſes mit allen benachbarten Koͤrpern in Ver - bindung ſtehe; dann wird, bei fortwaͤhrender Drehung und Rei - bung des Glascylinders, der Leiter auf einen ihm genaͤherten ab - leitenden Koͤrper unaufhoͤrlich Funken geben, ohne daß bei laͤngerer Dauer des Reibens eine Schwaͤchung der Wirkung bemerkbar wuͤrde. Aber nun nimmt man die am Reibzeuge angebrachte Kette ab, ſo daß das Reibzeug iſolirt iſt; ſo zeigt ſich zwar bei anfangender Drehung der Maſchine der Leiter wieder electriſch, er giebt mehrere Funken, aber dieſe folgen ſich immer langſamer ein - ander, und ſchon nach kurzer Dauer des Verſuches hoͤrt die Wir - kung des Reibens beinahe ganz auf. Setzt man die Reibung des Glaſes am iſolirten Reibzeuge immer fort, waͤhrend der zum Ueberſchlagen der Funken in geringer Entfernung vom Conductor aufgeſtellte Koͤrper noch immer ſeine Stelle einnimmt, und naͤhert man nun den Finger dem Reibzeuge, ſo zeigt ſich zwiſchen dem Finger und dem Reibzeuge ein Funke, und ſo wie dieſer uͤber - ſchlaͤgt, giebt auch der Conductor wieder einen Funken, deſſen Erſcheinen ſich wiederholt, und unausgeſetzt wiederholt, wenn man bei fortgeſetzter Drehung der Maſchine aus dem dem Reibzeuge genaͤherten Koͤrper Funken auf dieſes uͤbergehen laͤßt. Die Rei - bung giebt alſo nur dann Electricitaͤt, wenn das Reibzeug mit andern Koͤrpern in leitender Verbindung ſteht, oder ſelbſt Electri - citaͤt zugefuͤhrt erhaͤlt. Der Verſuch laͤßt ſich noch auf eine andre Weiſe abaͤndern. Man iſolirt das Reibzeug, laͤßt aber eine leitende Kette von dem Conductor zum Reibzeuge hinuͤbergehen, ſo giebt weder der Conductor noch das Reibzeug einem dargebotenen Koͤrper Funken; und wenn man nun ſtatt einer ununterbrochenen Leitung eine Kette anbringt, wo Metallglieder durch kleine Glasknoͤpfe oder durch kurze Stuͤckchen ſeidener Schnur von einander getrennt ſind, ſo ſieht man unaufhoͤrlich die Funken des Conductors von Glied zu Glied zum Reibzeuge hinuͤbergehen, und der Kreislauf der vom Reibzeuge zum Cylinder, zum Conductor, zur Kette und wieder zum Reibzeuge gelangenden poſitiven Electricitaͤt liegt uns deutlich vor Augen.
Sie ſehen leicht, daß dieſe Verſuche uns noch mehr lehren koͤnnen. Die ſchon fruͤher gemachte wichtige Bemerkung, daß235 einer der geriebenen Koͤrper negativ electriſch wird, indem der andre poſitive Electricitaͤt annimmt, leitet uns zu dem Gedanken, den electriſchen Zuſtand des iſolirten und auch mit dem Leiter L nicht in Verbindung geſetzten Reibzeuges genauer zu unterſuchen. Um dieſes zu thun bringt man an dem Reibzeuge einen eben ſolchen iſolirten Leiter an, wie derjenige iſt, der von dem geriebenen Glaſe die Electricitaͤt empfaͤngt, wie HN (Fig. 48.), und laͤßt dieſen Leiter waͤhrend der Wirkung der Maſchine mit dem Reibzeuge in Verbindung. Schon nach den erſten Umdrehungen der Maſchine zeigen ſich beide Leiter electriſch, beide ziehen leichte Koͤrper an und ſtoßen ſie nach der Mittheilung ab; aber wenn man einen iſolirt gehaltenen, vom Reibzeugconductor abgeſtoßenen Koͤrper dem Hauptleiter, der mit dem geriebenen Glaſe in Verbindung ſteht, naͤhert, ſo wird er hier angezogen, und ebenſo im umgekehrten Falle. Bringt man einen groͤßern, iſolirt gehaltenen Koͤrper an den Leiter des Reibzeugs und laͤßt ihn da ſich laden, ſo entſteht, wenn er dem Leiter am Glascylinder genaͤhert wird, ein Funke zwiſchen beiden; und ebenſo umgekehrt, wenn man einen vom Glaſe her geladenen Leiter iſolirt zu dem Leiter des Reibzeuges bringt, ſo ſchlaͤgt ein Funke uͤber, welches nicht der Fall iſt, wenn man den am einen Leiter geladenen Koͤrper eben dieſem Leiter wieder darbietet.
Das Reibzeug wird alſo negativ electriſch, waͤhrend das Glas poſitiv wird, und umgekehrt wird das aus Pelz beſtehende Reibzeug poſitiv, wenn man Schwefel oder Seidenzeug oder Wollenzeug, die negativ werden, als geriebene Koͤrper anwendet. Dieſe Erfahrung kann uns zu einer genaueren Theorie der electriſchen Erſcheinungen hin leiten; und wenn gleich Franklin ſchon viel mehr Erfah - rungen vor ſich hatte, als ich bis jetzt angefuͤhrt habe, ſo werde ich doch Franklins Theorie und dann auch die ihr gegenuͤber - ſtehende ſchon hier erklaͤren.
Nach Franklins Anſicht iſt die electriſche Materie in allen Koͤrpern verbreitet; aber im natuͤrlichen Zuſtande der Koͤrper befindet ſie ſich im Gleichgewichte, ſo daß ſie kein Beſtreben hat, vom einen Koͤrper zum andern uͤberzugehen. Wir muͤſſen es alſo236 ſo anſehen, als ob jeder Koͤrper ſeiner Natur nach geeignet iſt, eine gewiſſe Menge electriſcher Materie zu enthalten; dieſe braucht nicht nothwendig bei allen gleich zu ſein, ſondern eine Anziehungs - kraft der Koͤrper, die vielleicht ungleich iſt, koͤnnte wohl bewirken, daß die groͤßere Menge Electricitaͤt auf dem einen, feſtgehalten durch eine ſtaͤrkere Anziehung, doch nicht zu dem andern Koͤrper uͤberginge, wenn auch er die Menge von Electricitaͤt hat, die ſeiner eigenthuͤmlichen Natur angemeſſen iſt. Doch uͤber dieſe Gleichheit oder Ungleichheit im natuͤrlichen Zuſtande koͤnnen wir gar keine Vermuthung aufſtellen. Die Reibung ſtoͤrt dieſes natuͤrliche Gleich - gewicht, und auf eine Weiſe, die wir nicht weiter erklaͤren koͤnnen, wird durch die Reibung das Glas faͤhig, den gewoͤhnlichen Reib - zeugen electriſche Materie zu entziehen, ſo daß ſie an dem Glaſe geſammelt wird, und dort in wirklich vermehrter Menge vorhanden iſt. Das Glas iſt alſo nach dieſer Anſicht im eigentlichen Sinne poſitiv geladen, und das Reibzeug hat Electricitaͤt hergegeben, es iſt alſo in einen Zuſtand des Mangels an Electricitaͤt verſetzt, im eigentlichen Sinne negativ electriſch. Steht das Reibzeug mit der Erde oder auch nur mit einigen groͤßern Koͤrpern in leitender Ver - bindung, ſo wird dieſer Mangel an Electricitaͤt im Reibzeuge in jedem Augenblicke erſetzt, und das Reibzeug zeigt keine Electricitaͤt, weil es ſich die ihm entzogene electriſche Materie aus einer uner - ſchoͤpflichen Quelle wieder verſchafft; dagegen zeigt ein iſolirtes Reibzeug ſich in der That negativ electriſch. Jene Faͤhigkeit des Glaſes, im Augenblicke der Reibung dem ihn reibend beruͤhrenden Koͤrper electriſche Materie zu rauben, eine verſtaͤrkte Anziehung auf die electriſche Materie auszuuͤben, dauert aber nur fuͤr den Au - genblick des Reibens. Das Glas hat nun mehr electriſche Ma - terie, als ihm nach dem natuͤrlichen Zuſtande zukoͤmmt, und ſobald ein geriebener Punct nicht mehr der Reibung unterworfen iſt, tritt dieſe als freie Electricitaͤt hervor, das Glas zeigt ſich als geladen, und die electriſche Materie ſtrebt, einem verdichteten elaſtiſchen Fluͤſ - ſigen vergleichbar, zu den Koͤrpern hinuͤber, die weniger, das heißt nur ſo viel beſitzen, als ihrem natuͤrlichen Zuſtande gemaͤß iſt.
Dieſes Beſtreben der electriſchen Materie, von einem Koͤrper, der mehr beſitzt, zu dem hinuͤber zu gelangen, welcher weniger beſitzt, veranlaßt uns, dieſer Materie eine abſtoßende Kraft ihrer237 eignen Theilchen gegen einander oder ein Beſtreben ſich auszu - breiten beizulegen; daher iſt das Gleichgewicht der Electricitaͤt zwiſchen allen Koͤrpern nur im natuͤrlichen Zuſtande moͤglich, zwiſchen zwei einzelnen Koͤrpern iſt es nur dann moͤglich, wenn ſie ſich beide in einem gleichen Zuſtande des Ueberfluſſes oder Mangels befinden, und die electriſche Materie ſtrebt von dem poſitiv geladenen Koͤrper zu dem hinuͤber, der im natuͤrlichen Zu - ſtande oder negativ iſt, und von dem Koͤrper im natuͤrlichen Zu - ſtande zu dem negativ electriſchen. Beruͤhren dieſe ungleich mit Electricitaͤt geladenen Koͤrper ſich unmittelbar und ſind ſie beide Leiter, ſo theilt ſich die in ihnen vorhandene Electricitaͤt gleich - maͤßig unter ſie; ſind ſie nicht in unmittelbarer Beruͤhrung, ſo zeigt ſich zuerſt eine Anziehung, der weniger electriſche Koͤrper wird von dem ſtaͤrker electriſchen angezogen, aber wenn dieſe Anziehung auch keine Beruͤhrung hervorbringt, ſo findet doch, bei hinreichen - dem Unterſchiede der electriſchen Ladung und hinreichender Naͤhe, das Ueberſchlagen eines Funkens und damit eine Mittheilung von dem einen Koͤrper an den andern ſtatt.
In Hinſicht auf die Leiter und Nichtleiter bemerken wir aber hier einen weſentlichen Unterſchied. Auf der Oberflaͤche der erſtern zeigt ſich die electriſche Materie als ſo beweglich, daß ſie ohne Zeitverluſt diejenige Austheilung uͤber den ganzen Koͤrper oder uͤber die Reihe von Koͤrpern annimmt, die dem Beſtreben der an - gehaͤuften electriſchen Materie, ſich nach den Puncten, welche we - niger davon beſitzen, zu begeben, angemeſſen iſt; die Nichtleiter ſcheinen dagegen die electriſche Materie in jedem Puncte feſtzu - halten, ſo daß ſie zwar ihre Wirkung auf benachbarte Koͤrper durch Anziehung und ihre Wirkung auf die benachbarte electriſche Ma - terie durch Abſtoßung zeigt, doch aber nur ſehr langſam vom einen Puncte des Nichtleiters zum andern uͤbergeht. Da die Luft ein ſolcher Nichtleiter iſt, ſo geht auch in ihr die Electricitaͤt nur angſam von einem Puncte zum andern uͤber, obgleich die Wirkung auf entfernte Koͤrper ſich auch durch die Luft fort erſtreckt.
Mit der negativen Electricitaͤt verhaͤlt es ſich in Ruͤckſicht der Erſcheinungen ebenſo, indem der in einem Puncte eines Leiters entſtandene Mangel an Electricitaͤt ſogleich einen gleichen Zuſtand fuͤr den ganzen Leiter zur Folge hat, weil die electriſche Materie238 von den andern Puncten des Koͤrpers ſich ſogleich nach demjenigen Puncte ergießt, welcher einen Verluſt erlitten hat, dagegen auf dem Nichtleiter nur der geriebene Punct ſelbſt ſich als negativ zeigt, weil das Zuſtroͤmen von den benachbarten Puncten nicht ſtatt findet. Die Wirkung in die Ferne muͤſſen wir hier durch ein eben ſolches Hinſtreben der electriſchen Materie, die in der Luft und den umgebenden Koͤrpern iſt, nach dem Puncte zu, wo der Mangel ſtatt findet, erklaͤren, wie wir ſie durch ein Hinſtreben nach den umgebenden Koͤrpern da erklaͤrten, wo Ueberfluß ſtatt fand. Der luftleere Raum verhaͤlt ſich ganz wie ein Leiter der Electricitaͤt, die Electricitaͤt ſtroͤmt aus, weil ſie nicht mehr durch die nicht leitende Luft zuruͤckgehalten wird. Daß die Ableitung von den poſitiv electriſchen Koͤrpern und die Hinleitung zu den negativ elec - triſchen Koͤrpern auf gleiche Art ſtatt findet, erhellt von ſelbſt.
Die Erſcheinungen der Anziehung und Abſtoßung erklaͤren ſich nach Franklins Anſicht am beſten auf folgende Weiſe, obgleich Franklin ſelbſt ſich nicht fuͤr dieſe Erklaͤrung entſchieden zu haben ſcheint. Da die Electricitaͤt eine anziehende Kraft auf die Koͤrper ausuͤbt oder gegentheils auch von ihnen angezogen wird, ſo bewegt der leichtere Koͤrper ſich dahin, wo ungleiche An - haͤufung der Electricitaͤt ihn hintreibt, das iſt, wenn der leichtere Koͤrper mehr Electricitaͤt beſitzt als der benachbarte, ſo ſtrebt die Electricitaͤt zu dieſem hinuͤber und fuͤhrt ihn, als den leichter nach - gebenden, mit fort, beſitzt der leichtere weniger, ſo wird er von dem reichlicher mit Electricitaͤt begabten angezogen und dies findet ſtatt, der eine mag im natuͤrlichen Zuſtande, der andre poſitiv, oder der eine mag negativ und der andre im natuͤrlichen Zuſtande, oder endlich der eine mag negativ, der andre poſitiv ſein. Zwei electriſirte Koͤrper ſtoßen einander ſcheinbar ab. Man erklaͤrt dies am beſten durch die Anziehung gegen die umgebende Luft. Die Kugeln b, c, enthalten mehr electriſche Materie, (Fig. 50.) als ihnen im natuͤrlichen Zuſtande zukoͤmmt, dann werden die Lufttheilchen in a von beiden Seiten gleich, die bei d nur nach einer Seite angezogen, und mit dem Heranziehen der Theilchen d gegen c iſt auch ein Entgegengehen der Kugel c gegen d verbun - den, und eben ſo geht b nach e zu. So verhaͤlt es ſich, wenn b und c poſitiv ſind; im Falle, daß ſie negativ ſind, werden ſie239 offenbar von der in den Lufttheilchen d, e, enthaltenen Electricitaͤt nach entgegen geſetzten Richtungen gezogen, und die Einwirkung der Theilchen a, die nach beiden Seiten gleich gezogen werden, koͤmmt nicht in Betrachtung.
Dieſe Theorie empfiehlt ſich durch ihre Einfachheit, indem nur eine electriſche Materie angenommen, und der Ueberfluß und Mangel, das + E und - E, wozwiſchen der natuͤrliche Zuſtand als Null, weder Anhaͤufung noch Mangel, liegt, im eigentlichen Sinne verſtanden wird. In der Folge bieten ſich indeß mehrere Zweifel gegen dieſe Anſicht dar, und obgleich ſie bei den zunaͤchſt anzufuͤhrenden Erſcheinungen beinahe ebenſo gut als die zweite Theorie ausreicht, ſo iſt man doch oft genoͤthigt, der Vorausſetzung, daß es zwei electriſche Materien giebt, den Vorzug zuzugeſtehen.
Ein ſich ſogleich darbietender, und von den Gegnern Frank - lins ſehr hervorgehobener Zweifel iſt der, daß die Wirkungs-Art des Mangels an Electricitaͤt ſo vollkommen der Wirkung des Ueber - fluſſes gleich iſt, ſo ſehr, daß man durchaus nicht mit Gewißheit ſagen kann, ob wirklich die Glas-Electricitaͤt als die wahrhaft poſitive, als Anhaͤufung electriſcher Materie, anzuſehen ſei. Die Gruͤnde, welche Franklin beſtimmten, der Glas-Electricitaͤt dieſen Namen der poſitiven beizulegen, die in dem Anſehen des aus Spitzen ausſtrahlenden Lichtes, in der Staͤrke und Richtung des Funkens u. ſ. w. liegen, ſind, wie ich kuͤnftig noch anfuͤhren werde, keinesweges entſcheidend. Schon Symmer fand es daher angemeſſener, zwei electriſche Materien anzunehmen, die ich die poſitive und die negative Materie nennen werde, obgleich ſie hier alle beide als gleich eigenthuͤmlich angeſehen werden.
Da die Erfahrung uns zeigt, daß beide electriſche Zuſtaͤnde aus dem natuͤrlichen Zuſtande der Koͤrper mit gleicher Leichtigkeit hervorgehen, ſo ſind wir genoͤthiget, bei der Vorausſetzung zweier electriſcher Materien anzunehmen, daß die Koͤrper in ihrem natuͤr - lichen Zuſtande beide electriſche Materien enthalten, daß dieſe aber da, weil ſie ſich gegenſeitig ſehr ſtark anziehen, ſich in einem gebun - denen Zuſtande befinden, keine ſich kenntlich macht, weil die eine240 durch die Anziehung der andern unthaͤtig erhalten wird. Bei der Reibung zweier ungleichartiger Koͤrper an einander trennen ſich die beiden electriſchen Materien, und es verhaͤlt ſich ſo, als ob im Augenblicke der Reibung der eine Koͤrper eine verſtaͤrkte Anziehung fuͤr die poſitiv-electriſche Materie und eine verminderte Anziehung gegen die negativ-electriſche Materie erhielte, waͤhrend bei dem andern das Entgegengeſetzte ſtatt findet; wir ſehen daher jenen poſitiv geladen, dieſen negativ geladen, das heißt, jener hat poſitiv - electriſche Materie aufgenommen und negativ-electriſche abgegeben, ſtatt daß der zweite negativ-electriſche Materie empfangen und ſeine poſitiv-electriſche Materie zum Theil an den erſten abgetreten hat. Dieſe Trennung, wozu in dem Reiben die Veranlaſſung lag, erſcheint ſogleich, wenn die Reibung aufhoͤrt, als ein unna - tuͤrlicher Zuſtand, indem die nur im Momente des Reibens ver - ſtaͤrkte Anziehung des einen Koͤrpers gegen die poſitiv-electriſche Materie, des andern gegen die negativ-electriſche Materie, nun nicht mehr ſtatt findet, und daher jede von beiden wieder auszu - ſtroͤmen, ſich mit der entgegen geſetzten zu verbinden, ſtrebt. In dieſem Beſtreben der einen angehaͤuften electriſchen Materie, ſich in andre Koͤrper zu ergießen und dagegen aus dieſen die entgegen - geſetzte Materie heruͤberzuziehen, zeigt ſich uns der Zuſtand der Ladung, deſſen Wirkungen daher genau gleich ſind, es mag die poſitive oder die negative Materie im Uebermaaß in einem Koͤrper vorhanden ſein.
Die Erſcheinungen erklaͤren ſich vollkommen, wenn wir an - nehmen, daß die Theilchen der poſitiv-electriſchen Materie ſich gegenſeitig abſtoßen und daher nach weiterer Ausbreitung ſtreben, daß ſie dagegen die Theilchen der negativ-electriſchen Materie ſtark anziehen. Befinden ſich zwei gleichartig und gleich ſtark geladene Koͤrper neben einander, ſo kann keine Mittheilung, auch kein Hin - uͤberſchlagen eines Funkens ſtatt finden, weil jeder der beiden nicht genug von der andern electriſchen Materie hat und dieſe, als feſt gehalten durch das Uebermaaß der entgegen geſetzten Materie, nicht an den andern Koͤrper abgiebt, und jeder die bei ihm im Uebermaaß vorhandene Materie von dem andern Koͤrper abgeſtoßen findet. Iſt dagegen einer im natuͤrlichen Zuſtande, der andre poſitiv geladen; ſo wird freilich die negativ-electriſche Materie des erſtern durch die241 mit ihr verbundene poſitive Materie angezogen und feſtgehalten, aber die im zweiten Koͤrper verdichtete poſitive Materie uͤbt, wenn dieſer Koͤrper nahe genug koͤmmt, eine ſtarke Anziehung auf jene negative Materie aus, und es entſteht, da dieſe Anziehung gegen - ſeitig iſt, ein Beſtreben zur Vereinigung, ein Beſtreben, durch einen uͤbergehenden Funken die Ausgleichung, das Ausſtroͤmen der poſitiv-electriſchen Materie, die in der Reihe der mit der Erde in Verbindung ſtehenden Koͤrper Gelegenheit genug findet, ſich mit negativ-electriſcher Materie zu verbinden, zu bewirken. Daß dieſe Wirkung noch lebhafter erfolgen muß, wenn der eine Koͤrper poſitiv, der andre negativ iſt, erhellt von ſelbſt.
Wenn der geladene Koͤrper leicht genug beweglich iſt, ſo wird er durch die anziehende Kraft, die von der entgegengeſetzten Electri - citaͤt eines ungeladenen oder auch entgegengeſetzt geladenen Koͤr - pers auf ſeine Electricitaͤt ausgeuͤbt wird, zu dieſem hingezogen, und wir beobachten die electriſche Anziehung; befindet ſich dagegen der geladene Koͤrper in der Naͤhe eines gleichartig geladenen Koͤrpers, ſo ſtoßen ſich gegenſeitig die Theile der im Uebermaaß vorhandenen electriſchen Materie ab, und die Koͤrper ſelbſt folgen dieſer Ab - ſtoßung, wenn ſie leicht genug ſind, zugleich aber ſucht jeder die in der umgebenden Luft enthaltene entgegengeſetzte Electricitaͤt anzu - ziehen und entfernt ſich daher von dem andern Koͤrper.
Es laͤßt ſich hier noch eine Bemerkung hinzufuͤgen, von der wir nicht wiſſen, ob ſie irgend eine Beziehung auf wirkliche Er - ſcheinungen hat. Bei allen Erſcheinungen, die wir kennen, ſcheint ohne Ausnahme fuͤr jeden Antheil poſitiv-electriſcher Materie, der zum einen Koͤrper uͤbergeht, ein gleicher Antheil negativ-electriſcher Materie zum andern Koͤrper uͤberzugehen; aber es ſcheint nicht geradezu eine abſurde Frage zu ſein, ob es denn nicht einen electri - ſchen Zuſtand der Koͤrper geben koͤnne, bei welchem beide electriſche Materien dem Koͤrper entzogen und er ſo recht eigentlich in einen Zuſtand des Mangels an aller electriſchen Materie verſetzt wuͤrde. Indeß dieſe Frage findet in Erſcheinungen, die wir bis jetzt kennen, keine Beantwortung; nach der Franklinſchen Theorie ließe ſie ſich gar nicht aufſtellen.
III. D.Ehe ich zu andern Erſcheinungen uͤbergehe, welche ſich uns in den electriſchen Wirkungen zeigen, will ich hier noch eine Frage beantworten, deren Beantwortung uns bei vielen Erſcheinungen wichtig wird, naͤmlich, wie die electriſchen Anziehungen und Ab - ſtoßungen von der Entfernung abhaͤngen, in welchem Maaße ſie abnehmen, wenn die Entfernung zunimmt. Die Coulombſche Drehwaage iſt am meiſten geſchickt, dieſe Frage zu beantworten. Aus der neulich gegebenen Beſchreibung wiſſen Sie, daß eine am Gefaͤße befeſtigte, iſolirte Kugel C der beweglichen, gleichfalls iſo - lirten Kugel A (Fig. 45.) gegenuͤberſteht, und daß man durch eine Drehung der Klemme F bewirken kann, daß der Faden ganz un - gedreht iſt, wenn beide Kugeln ſich beruͤhren. In dieſer Stellung befinde ſich das Inſtrument, indem beide an einander liegende Kugeln eine ſchwache Ladung erhalten; ſo iſt, wie Sie wiſſen, der Erfolg eine gegenſeitige Abſtoßung, wodurch die Kugel A um eine Anzahl Grade fortgefuͤhrt wird. Da die Abſtoßung bei zuneh - mender Entfernung abnimmt, die Drehung aber einen immer groͤßern Widerſtand entgegenſetzt, ſo tritt bei einer gewiſſen Stel - lung das Gleichgewicht ein; ich will als Beiſpiel annehmen, dies geſchehe, wenn der Drehungswinkel 40° iſt, dann koͤnnten wir ja ſagen, bei 40° Abſtand*)Den wir zwar eigentlich nach der Sehne meſſen ſollten. ſei die abſtoßende Kraft der Dre - hungskraft von 40° gleich. Um nun zu ſehen, welche Kraft einer geringern Entfernung entſpricht, dreht man die Klemme bei F ſo, daß die Kugel A gezwungen wird, gegen C zu zu gehen und ſetzt dieſe Drehung ſo lange fort, bis die Kugel auf 20° Abſtand gefuͤhrt iſt, alſo die halbe Entfernung erreicht hat. Um dies zu bewirken, muß offenbar der Zeiger an F nicht bloß um 20° zu - ruͤckgedreht werden, ſondern wegen der bei der Annaͤherung an C zunehmenden abſtoßenden Kraft um ſo viel bis Drehungskraft und Abſtoßungskraft ſich wieder das Gleichgewicht halten; Coulombs und Biots Erfahrungen zeigen, daß in unſerm Falle die Dre - hung bei F 140° wuͤrde betragen muͤſſen, ſo daß die unten noch ſtatt findende Drehung = 20° mit der Aenderung der Stellung243 = 140° zuſammen = 160° Drehung betraͤgt. Jene Verſuche zeigen naͤmlich, daß in der halben Entfernung die vierfache Kraft (alſo = 4. 40° Drehung) ſtatt findet, und daß bei ein Viertel der Entfernung die Kraft auf das Sechzehnfache ſteigt, alſo in unſerm Verſuche bei 10° Abſtand die Drehungskraft = 640° ſein oder die Klemme F um einen Umfang und 270° gedreht werden muͤſſe, damit 10° unten und 360° + 270 = 630° oben, jene 640° ausmachen. Ich habe hier immer ſo gerechnet, als ob die abſtoßende Kraft ganz zur Drehung verwendet wuͤrde; genau genommen iſt dies nicht der Fall, ſondern, wenn Fig. 51. den Kreis vorſtellt, in welchem das in G aufgehaͤngte Staͤbchen ſich dreht, ſo muß die nach CA wirkende Kraft nach den Richtungen AL, AE, zerlegt werden, und nur die erſtere koͤmmt hier als Drehungskraft in Be - trachtung. Bei den Verſuchen iſt wirklich ſo gerechnet, fuͤr meine Darſtellung mag jene Angabe, die nicht ganz ſtrenge iſt, genuͤgen.
Um die anziehende Kraft, welche von einer electriſirten Kugel auf eine unelectriſirte ausgeuͤbt wird, zu finden, muß man die bewegliche Kugel A durch einen im Glaſe PQ (Fig. 45.) ver - tical ausgeſpannten Seidenfaden hindern, ſich an C anzulegen, damit ſie nicht ſogleich mitgetheilte Electricitaͤt erhalte. Man giebt nun der Kugel C eine ſchwache Ladung und da die Kugel A ſich dann gegen C zu draͤngt, durch jenen Faden aber aufgehalten wird, ſo hat man Zeit, durch Drehung der Klemme F die Kugel A zu zwingen, daß ſie ſich weiter von C entfernt. Ich will an - nehmen, man finde bei einem Verſuche, daß man, um A auf 40° zu entfernen, eine Drehung von 50° hervorbringen muͤſſe, das heißt, die Klemme ſo weit fortdrehen muß, daß die unelectriſirte Nadel AB auf 90° zur Ruhe kaͤme, ſo wird man eine Drehungs - kraft von 200° finden fuͤr 20° Abſtand, oder im letzten Falle muͤßte man die Klemme ſo weit fortdrehen, daß die unelectriſirte Nadel bei 220° zur Ruhe kaͤme. Iſt naͤmlich (Fig. 51.) der Bogen CLR = 220° und die Klemme iſt ſo geſtellt, daß in ER die Nadel zur Ruhe kaͤme, ſo iſt fuͤr CE = 20° die Nadel durch die Anziehung in einer Lage erhalten, wobei der Drehungsbogen ELR = 200° iſt.
Koͤnnten dieſe Verſuche zu einer Zeit angeſtellt werden, wo die Electricitaͤt gar keinen Verluſt in der Luft erlitte, ſo koͤnnte manD 2244ohne alle Correction eine Reihe ſolcher Verſuche hinter einander anſtellen, da es aber nie ſtatt findet, daß nicht einige Vermin - derung der Electricitaͤt erfolgte, ſo muß man hierauf bei den nach einander folgenden Verſuchen Ruͤckſicht nehmen.
Jene Geſetze finden bei der poſitiven und bei der negativen Electricitaͤt auf gleiche Art ſtatt, und geben uns die Regeln, nach welchen wir die Austheilung der electriſchen Materie in den Koͤr - pern berechnen koͤnnen.
Die abſtoßende Kraft, mit welcher jede der beiden electriſchen Materien auf ihre eignen Theilchen wirkt, ſo wie die anziehende Kraft, die jede auf die entgegengeſetzte ausuͤbt, macht ſich ſchon da merklich, wo auch kein Uebergang der Electricitaͤt ſtatt findet. Die Erſcheinungen, die daraus hervorgehen, nennt man electriſche Erſcheinungen durch Vertheilung, weil ſie in einem leitenden Koͤrper dadurch bewirkt werden, daß, ohne Hinzukommen neuer electriſcher Materie, die in demſelben vorhandene ſich un - gleich austheilt, und ſo am einen Ende die poſitive, am andern Ende die negative als wirkſam hervortritt.
Wenn man einem nicht allzu kurzen, iſolirten Leiter AB (Fig. 52.) in C eine geriebene Glasroͤhre naͤhert, ohne ſie ſo nahe zu bringen, daß durch ein Uebergehen der Electricitaͤt von der electriſirten Glasroͤhre auf den Leiter dieſer mitgetheilte Electricitaͤt erhalten koͤnnte; ſo ſieht man dennoch die bei A und bei B ange - haͤngten Kugeln aus einander gehen, und alſo Spuren einer in dem Leiter AB ſich zeigenden Electricitaͤt. Zieht man die Roͤhre C wieder in groͤßere Ferne zuruͤck, ohne den Leiter AB zu beruͤh - ren, ſo hoͤren jene Abſtoßungen auf und der Leiter AB iſt ohne merkbare Electricitaͤt, ſo wie er es vor dem Verſuche war. Aber nun naͤhere man dieſem unelectriſirten und iſolirten Leiter AB245 jene geriebene Glasroͤhre C abermals, und beruͤhre, waͤhrend C nahe genug, jedoch ohne Funken geben zu koͤnnen, gebracht iſt, den Leiter in ſeinem entfernteſten Puncte B nur einen Augenblick, ſo daß ſogleich die Iſolirung wieder hergeſtellt iſt; ſo wird, nach - dem hierauf C abermals entfernt worden, AB ſich in dauernd electriſchen Zuſtand verſetzt zeigen, und wenn man unterſucht, welche der beiden Electricitaͤten es iſt, die die Kugeln a, b, ſo wohl als c, d, aus einander treibt, ſo findet man dieſe nach der An - naͤherung geriebenen Glaſes negativ, naͤmlich derjenigen Electricitaͤt entgegengeſetzt, die der Koͤrper C beſaß. Wir wollen, um die Erſcheinung noch genauer kennen zu lernen, einen dritten Verſuch hinzufuͤgen. Man ſtellt (Fig. 53.) zwei iſolirte Leiter AB, DE, ſo auf, daß ſie, einander beruͤhrend, nur einen verbundenen Leiter AD darſtellen, deſſen einen Theil ED man aber, ohne ihn mit der Erde in leitende Verbindung zu ſetzen, von dem andern AB entfernen kann; man bringt nun abermals den poſitiv elec - triſchen Koͤrper C in die Naͤhe des einen Endes A, waͤhrend beide Leiter in Beruͤhrung ſind, man entfernt, waͤhrend noch C in ſeiner Stellung bleibt, den Leiter DE, ohne dabei einen der beiden Leiter mit der Erde in Verbindung zu ſetzen, und nun erſt zieht man auch C zuruͤck; ſo zeigen beide iſolirte Leiter ſich electriſirt, und zwar der der Einwirkung des poſitiven C in der naͤchſten Stellung unterworfene AB iſt negativ, der entferntere DE iſt poſitiv, oder allgemein AB hat die entgegengeſetzte, DE die gleichartige Elec - tricitaͤt, welche C hatte. Will man noch einen vierten Verſuch hinzufuͤgen, ſo bringe man, ehe irgend einer der beiden Leiter beruͤhrt worden, AB, DE, abermals in Beruͤhrung, ſo ſind ſie beide unelectriſirt, wie ſie es vor dem Verſuche waren, ihre ent - gegengeſetzten Electricitaͤten haben ſich genau einander aufgehoben. Dieſe Erſcheinungen des electriſchen Einfluſſes, welchen der ent - fernte Koͤrper C ausuͤbt, erklaͤren ſich ſehr leicht. Um kurz zu ſein, will ich bei dieſer Erklaͤrung nur eine electriſche Materie erwaͤhnen, indem ſich durch die Bemerkung, daß allemal mit dem Zuruͤckſtoßen der einen ein Heranziehen der andern, mit dem Mangel an der einen ein Ueberfluß der andern verbunden iſt, die Erklaͤrung in Beziehung auf zwei electriſche Materien ergaͤnzen laͤßt. Die Erklaͤrung iſt folgende.
246Indem die poſitiv-electriſche Materie in C angehaͤuft iſt, wirkt dieſe abſtoßend auf die im ungeladenen Leiter doch ſelbſt im natuͤrlichen Zuſtande enthaltene poſitive Materie, und ſtoͤßt ſie (Fig. 52.) von A nach B zuruͤck, ſo daß A ſich im negativ-electri - ſchen Zuſtande befindet, B im poſitiven Zuſtande. Bleibt nun AB voͤllig iſolirt, und zieht man C zuruͤck, ohne irgend eine Ab - leitung an AB anzubringen, ſo kehrt die poſitiv-electriſche Materie von B nach A zuruͤck, und die nach A angezogene negative Materie geht nach B zuruͤck, ſo daß die, bloß aus ungleicher Vertheilung in dem Leiter AB entſtandene electriſche Spannung voͤllig wieder aufhoͤrt und AB als unelectriſirt erſcheint. Dagegen wenn man waͤhrend der Einwirkung des poſitiv-electriſchen Koͤrpers C eine Ableitung an B (Fig. 52.) anbringt, und dadurch die Kugeln c, d, zum ruhigen Herabhaͤngen bringt, ſo iſt die bei B angehaͤufte po - ſitiv-electriſche Materie abgeleitet, alſo nun alle die in AB enthal - tene poſitiv-electriſche Materie, welche, der Abſtoßung von C her Folge leiſtend, uͤber B hinaus fortgetrieben ward, ganz entfernt. Hebt man jetzt die Ableitung bei B auf, und entfernt ſpaͤter erſt den Koͤrper C, ſo findet ſich AB negativ-electriſch, weil dieſer Leiter ſeine poſitive Materie waͤhrend der unter der Einwirkung von C ſtatt gefundenen Ableitung verloren, und — wie man der Vollſtaͤndigkeit wegen hinzuſetzen muß, — negativ-electriſche Ma - terie durch den Leiter bei B an ſich gezogen hat. Ebenſo leicht erklaͤrt ſich der dritte Verſuch, daß naͤmlich (Fig. 53. ) DE, waͤh - rend des Einfluſſes von C entfernt, ſich poſitiv-electriſch zeigt und AB negativ-electriſch zuruͤckbleibt; denn die poſitiv-electriſche Materie iſt nach D gedraͤngt und dadurch ein Mangel an derſelben in AB entſtanden, die negativ-electriſche Materie iſt nach AB gezogen und daher in DE vermindert worden, und dieſe ungleiche Austheilung kann ſich nicht wieder ausgleichen, weil man beide Leiter, als ſie noch unter dem Einfluſſe von C ſtanden, getrennt hat.
Die Erſcheinungen bleiben ganz ebenſo, wenn C ein negativ electriſirter Koͤrper iſt, nur daß dann auch bei den Wirkungen da poſitive Electricitaͤt erſcheint, wo vorhin negative ſich zeigte, und negative, wo vorhin poſitive war. Die Erklaͤrungen bleiben ganz dieſelben, und ſelbſt nach der Franklinſchen Theorie laſſen ſich auch dann die Erſcheinungen gut erklaͤren, weil der Mangel an electri -247 ſcher Materie in dem Koͤrper C nothwendig ein Hinuͤberſtreben der in AB (Fig. 52.) enthaltenen, wenn gleich nur dem natuͤrlichen Zuſtande entſprechenden, electriſchen Materie bewirken muß. Waͤre naͤmlich C auch im natuͤrlichen Zuſtande, ſo wirkte die in C ſo gut als die bei B befindliche auf A zuruͤck und in A bliebe die electriſche Materie in Ruhe; offenbar dagegen wird ſie in A ange - haͤuft, wenn von C her, wegen des dort eingetretenen Mangels, die Abſtoßung nicht mehr ſtatt findet.
Die vorigen Verſuche laſſen ſich mannigfaltig abaͤndern; die folgende Anordnung derſelben ſcheint mir vorzuͤglich belehrend zu ſein. Man ſtelle wieder (Fig. 54.) den iſolirten Leiter AB, der ſich im unelectriſirten Zuſtande befindet, auf, und naͤhere die elec - triſirte Glasroͤhre C, die alſo poſitiv electriſch iſt; waͤhrend ſie ihren Einfluß auf AB ausuͤbt, beruͤhre man mit einem Metall - ſcheibchen a, das an einem iſolirenden Stiele b gehalten wird, das dem Koͤrper C zugekehrte Ende des Leiters AB, und trage die auf dieſe Weiſe ohne Beruͤhrung an C, in a erregte Electricitaͤt auf ein Electrometer uͤber; ſo findet man dieſe negativ, weil C poſitiv war, alſo die poſitiv-electriſche Materie aus a nach AB verdraͤngt, die negativ-electriſche Materie dagegen herangezogen und in a an - gehaͤuft wurde. Iſt das Electrometer nicht fein genug, um ſchon kenntliche Zeichen von Electricitaͤt zu geben, wenn man die Metall - platte a einmal zu Ladung deſſelben anwendet, ſo kann man, durch mehrmalige Beruͤhrung in A und Uebertragung der erlangten La - dung auf das Electrometer, die Ladung des letzteren nach und nach verſtaͤrken, und ſo ſich uͤberzeugen, daß dieſe Metallſcheibe, die ich ein Pruͤfungsſcheibchen nennen werde, in A negativ wurde unter dem Einfluſſe des poſitiven Koͤrpers C. Hat man ſo mehr - mals die in A auf das Pruͤfungsſcheibchen a uͤbergegangene nega - tive Electricitaͤt fortgefuͤhrt, und entfernt nun C, ſo bleibt AB in poſitiv-electriſchem Zuſtande zuruͤck. Faͤngt man den Verſuch von neuem mit einem im natuͤrlichen Zuſtande ſich befindenden Leiter AB an, bringt ihn unter den Einfluß des poſitiv-electriſchen C, und ladet jetzt das Electrometer durch ein wiederholt an dem ent - fernteſten Puncte B angebrachtes Pruͤfungsſcheibchen, ſo iſt die Ladung des Electrometers poſitiv, und nach der Entfernung von C bleibt AB negativ-electriſch zuruͤck, deſto ſtaͤrker negativ-elec -248 triſch, je oͤfter man an B die Beruͤhrung und Hinuͤbertragung des Pruͤfungsſcheibchens wiederholt hat. Wiederholt man eben den Verſuch ſo, daß man das Pruͤfungsſcheibchen an E anbringt, ſo findet man eine geringe poſitive Electricitaͤt, und kann ſo den Punct F ziemlich nahe beſtimmen, wo der dem Einfluſſe von C ausgeſetzte Leiter gar keine Electricitaͤt zeigt, indem zwiſchen F und A negative Electricitaͤt hervortritt.
Dieſe Verſuche zeigen, daß ein unelectriſirter Koͤrper, ſobald er in die Naͤhe eines electriſirten Koͤrpers koͤmmt, nicht in ſeinem ganz gleichmaͤßigen, unelectriſchen Zuſtande bleibt, ſondern daß durch die ungleiche Austheilung der electriſchen Materie, die nun in ihm entſteht, das dem poſitiv geladenen Koͤrper C zugewandte Ende negativ-electriſch wird. Iſt der poſitiv geladene Koͤrper C ſelbſt ein Leiter, ſo muß vermoͤge dieſer Einwirkung die poſitive Ladung in der Gegend, welche dem Leiter AB am naͤchſten iſt, am meiſten hervortreten; denn ſo wie in A ſich die negativ-elec - triſche Materie ſammelt und dagegen die poſitiv-electriſche in die Ferne nach B getrieben wird, ſo muß die in C befindliche Ueber - ladung mit poſitiv-electriſcher Materie gegen A herangezogen werden. Dieſes iſt der Zuſtand, welcher dem Ueberſchlagen des electriſchen Funkens vorangeht, und wir koͤnnen daher nicht ſagen, der electriſche Funke eines mit poſitiver Electricitaͤt geladenen Koͤr - pers ſchlage auf einen voͤllig im natuͤrlichen Zuſtande bleibenden Koͤrper, ſondern er ſchlaͤgt auf einen Theil dieſes Koͤrpers, der wirklich negativ geworden iſt. Ganz ebenſo findet es ſtatt, wenn C eine negative Ladung hat. Ein leicht anzuſtellender Verſuch beſtaͤtigt dieſe Behauptungen. Man ſtelle (Fig. 55.) dem Leiter DA einer Electriſirmaſchine eine iſolirte Metallkugel B und eine ebenſo große Metallkugel C, die aber eine Ableitung CE hat, in gleichen Entfernungen gegenuͤber; ſo werden, indem man die Maſchine dreht, und DA ladet, die Funken auf C, nicht auf B ſchlagen. Die Kugel B naͤmlich wird allerdings, wenn DA poſitiv geladen iſt, an der Seite a negativ ſein, aber die poſitiv-electriſche Seite b iſt nur wenig weiter als die negative a von A entfernt, und der zum Funkenſchlagen erforderliche Gegenſatz tritt daher hier bei weitem nicht ſo hervor, wie an der Kugel C, die ihre poſitiv-elec - triſche Materie weit hin nach E zuruͤck ſendet.
249Auch einige kleinere Erſcheinungen finden hier ihre Erklaͤrung. Man hat ſchon fruͤh bemerkt, daß Papierſtuͤckchen, die auf Glas liegen, nicht ganz ſo leicht als die, welche auf einer etwas groͤßern Metallplatte liegen, gegen geriebenes Siegellack oder Glas herauf - fliegen, und man kann ſich davon uͤberzeugen, wenn man Glas und Metall an einander grenzend mit leichten Koͤrpern beſtreuet und dann gegen dieſe alle gleichmaͤßig eine geriebene Siegellack - ſtange naͤhert; — die auf dem Metalle liegenden Koͤrperchen wer - den zuerſt angezogen. Der negativ electriſirte Koͤrper D (Fig. 56.) (denn da ich Siegellack genannt habe, ſo iſt er negativ,) kann naͤmlich in dem auf Glas AB liegenden Koͤrper a die negative Electricitaͤt nur bis auf die Hinterſeite dieſes Koͤrpers zuruͤcktrei - ben, da das Glas keine Ableitung geſtattet; der Koͤrper b da - gegen kann in dem Metalle BC ſeine negativ-electriſche Materie bis nach C zuruͤckſenden, und wird daher viel ſtaͤrker angezogen.
Ebenſo leicht laͤßt ſich eine bei den erſten Verſuchen uͤber Elec - tricitaͤt oft vorkommende Sonderbarkeit erklaͤren. Wenn man zwei an ſeidenen Faͤden haͤngende Kugeln, deren eine d ſich hinter der andern e befindet, (Fig. 57.) der electriſirten Glasroͤhre naͤhert, ſo wird oft nur die hintere d abgeſtoßen, waͤhrend die vordere e am Glaſe in Beruͤhrung bleibt. Dies geſchieht dann, wenn beide Ku - geln den mit ihnen in Beruͤhrung kommenden Glastheilchen die Electricitaͤt geraubt haben; indem ſie nun naͤmlich in der Naͤhe eines poſitiv electriſirten Koͤrpers bleiben, wird alle aufgenommene poſitiv-electriſche Materie der entferntern Kugel zu gedraͤngt, und dieſe wird abgeſtoßen, die naͤhere aber, oder wenigſtens ihre dem Glaſe zugekehrte Seite bleibt negativ, und da das Glas von den etwas entlegneren Puncten her nur ſehr langſam Electricitaͤt zu - fuͤhrt, ſo dauert es oft lange, ehe auch ſie genug Electricitaͤt, um abgeſtoßen zu werden, aufgenommen hat, und dieſes tritt eher ein, wenn ſie, nach und nach zu andern Puncten des Glaſes uͤber - ſpringend, ſich in verſchiedenen Puncten die zu ihrer Ladung noͤthige Electricitaͤt ſammelt.
Wir nahmen vorhin an, der iſolirte Leiter AB (Fig. 58.) ſei im natuͤrlichen Zuſtande; wir wollen jetzt ihn als poſitiv geladen250 annehmen, waͤhrend die poſitiv electriſirte Glasroͤhre ſich ihm naͤhert. So lange jener poſitiv geladene Leiter allein ſtand, gin - gen die an ſeinen Enden angebrachten Kugeln gleichmaͤßig mit poſitiver Ladung aus einander; ſobald aber C ſich, ſo wie die Figur zeigt, langſam naͤhert, ſinken die Kugeln a, b, herab oder vermindern ihre Abſtoßung, waͤhrend die Kugeln c, d, weiter aus einander gehen; naͤhert C ſich noch mehr, ſo haͤngen a, b, ohne alle Abſtoßung neben einander herab, und bei noch groͤßerer An - naͤherung tritt eine neue Abſtoßung eben dieſer Kugeln ein, die nun zugleich auch gegen C angezogen werden; unterdeß haben die Kugeln c, d, ihre Abſtoßung immer mehr verſtaͤrkt. Auch dieſe Erſcheinungen erklaͤren ſich leicht, indem offenbar die anfangs gegen beide Enden des Leiters AB gleichfoͤrmig ausgetheilte poſitive Elec - tricitaͤt deſto mehr gegen B und cd hin getrieben wird, je naͤher die poſitive Glasroͤhre C heranruͤckt. Durch dieſes Zuruͤckdraͤngen der poſitiv-electriſchen Materie von A und a, b, weg, koͤmmt es dahin, daß a und b nur eben die Menge poſitiver Electricitaͤt wie die umgebende Luft enthalten, und dann haͤngen die Kugeln ohne Zeichen einer Ladung herab; ſie ſind auch wirklich im natuͤrlichen Zuſtande, da aller Ueberfluß an poſitiv-electriſcher Materie nach B gedraͤngt und die noch uͤbrige verminderte negative Materie nach A herangezogen, hier alſo der natuͤrliche Zuſtand hergeſtellt, die angemeſſene Menge beider electriſchen Materien geſammelt iſt. Naͤhert ſich C noch mehr, ſo wird noch ſtaͤrker die poſitiv-electriſche Materie von A entfernt, die negativ-electriſche Materie zu A her - angezogen, und A oder a, b, ſind nun wirklich negativ und die Kugeln gehen mit negativer Electricitaͤt aus einander; daß ſie dann zugleich ſtark gegen C angezogen werden, verſteht ſich von ſelbſt.
Wenn man dieſe Erſcheinungen ſo beobachtet, wie ein lang - ſames Heranruͤcken des Koͤrpers C ſie ergiebt, ſo nimmt man deutlich das ſchwaͤchere, durch poſitive Electricitaͤt hervorgehende Abſtoßen der Kugeln, das Aufhoͤren deſſelben, das Uebergehen in ein neues Abſtoßen durch negative Electricitaͤt, wahr; aber bei ſchneller Annaͤherung kann aus der zuletzt eintretenden Anziehung des Koͤrpers C der Irrthum entſtehen, AB ſei negativ electriſch geweſen, weil allerdings zuletzt die Kugeln a, b, in dieſen Zuſtand verſetzt werden, wenn die poſitive Ladung nicht ſtark genug war, um251 unter dem nahen Einfluſſe von C auch hier noch poſitiv zu bleiben*)Naͤhert man den Koͤrper C auf die Weiſe, daß er oberhalb A, etwa in E, gegen A und a, b, heranruͤckt, ſo wird nicht in a, b, die entgegengeſetzte Electricitaͤt hervortreten, weil von A aus ſich die poſitive Electricitaͤt auch nach a, b, nicht bloß nach B zu draͤngt. Hier koͤnnen alſo noch immer die Kugeln a, b, mit poſitiver Electricitaͤt aus ein - ander gehen.. Haͤtte man dagegen dem poſitiv geladenen Leiter AB (Fig. 58.) eine geriebene Siegellackſtange C, einen negativ electriſirten Koͤrper, genaͤhert, ſo wuͤrden, (wie die dritte unter 58 ſtehende Figur zeigt,) die naͤchſten Kugeln a, b, weiter aus einander gehen, die entferntern c, d, ſich minder abgeſtoßen zeigen; denn obgleich AB im Ganzen ſich noch immer im poſitiv-electriſchen Zuſtande befin - det, ſo zieht ſich doch die poſitiv-electriſche Materie nun am mei - ſten nach A und laͤßt B ſchwaͤcher poſitiv zuruͤck.
Daß ein negativ electriſirter Leiter AB ganz aͤhnliche Erſchei - nungen darbieten wird, verſteht ſich von ſelbſt. Sind es aber zwei Leiter, AB, CD, (Fig. 59.) die beide gleichartig, z. B. negativ, electriſirt ſind, ſo draͤngt ſich die negativ-electriſche Materie vor - zuͤglich nach den entferntern Enden, und da gehen folglich die Kugeln am ſtaͤrkſten aus einander; und ebenſo verhaͤlt es ſich bei poſitiver Ladung. Auf dieſer Einwirkung eines electriſirten Koͤr - pers auf einen andern beruht es auch, daß man an Electriſirma - ſchinen mit mehr Vortheil lange Leiter anbringt**)Nur zur Ladung von Batterien ſind kurze Leiter, wegen des geringern Verluſtes von Electricitaͤt in der Luft, beſſer, da die Bat - terie die hervorgehende Electricitaͤt mit ſtarkem Zuge an ſich reißt.. Kaͤme es bloß auf die mit Electricitaͤt zu ladende Oberflaͤche an, ſo muͤßte eine große Kugel, von welcher die ſaͤmmtliche Electricitaͤt in einem einzigen Funken uͤberginge, eben die Dienſte thun; aber der ſtark mit poſitiver Electricitaͤt geladene Cylinder der Electriſirmaſchine giebt ſeine Electricitaͤt leichter an den Conductor ab, wenn die dieſem ſchon ertheilte Ladung in einen ziemlich weit entlegenen Theil des Conductors hinuͤber gedraͤngt werden kann, und ſo laͤßt ſich die Ladung auf einem langen cylindriſchen Conductor mehr als auf einem kurzen verſtaͤrken. Man hat Leiter von ungewoͤhnlicher252 Laͤnge mit großem Erfolge zur Verſtaͤrkung des einfachen Con - ductorfunkens angewandt.
Wir haben noch nie die Frage aufgeworfen, ob denn die elec - triſchen Materien im natuͤrlichen Zuſtande ſowohl als im angehaͤuf - ten Zuſtande die Koͤrper ganz durchdringen, oder ob ſie ſich nur an der Oberflaͤche befinden; dieſe Frage laͤßt ſich hier wenigſtens in Beziehung auf den Zuſtand der geladenen Leiter beantworten. So lange die Koͤrper ſich im natuͤrlichen electriſchen Zuſtande befinden, erhellt kein Grund, warum die beiden electriſchen Materien ſich auf die Oberflaͤche der Koͤrper begeben ſollten, indem ſie ſich ein - ander ſo anziehen, daß ſie als voͤllig gebunden, zugleich alſo als an dem Orte, wo ſie einmal ſind, ruhend, koͤnnen angeſehen werden. Sobald aber eine Ladung eintritt, das heißt, die eine electriſche Materie in vermehrtem Maaße vorhanden iſt, wirkt die, welche durch die zu geringe Menge der andern nicht mehr gebunden wird, auf ihre eignen Theile abſtoßend, und da ſie, wie wir anneh - men muͤſſen, in den Leitern keinen Widerſtand findet, ſo muß ſie ſich auf die Oberflaͤche begeben, und wuͤrde auch von dieſer ſich entfernen, wenn nicht die nichtleitende Luft ihr einen Widerſtand entgegen ſetzte, wodurch ſie gezwungen wird, in einer, vermuthlich ſehr duͤnnen, Schichte auf der Oberflaͤche zu bleiben. Dieſe theo - retiſch begruͤndete Vermuthung laͤßt ſich durch Verſuche, unter denen ich nur einen anfuͤhren will, beſtaͤtigen. Wenn man einen laͤnglich runden Leiter AB (Fig. 60.) beſitzt, zu welchem zwei duͤnne Blechhuͤllen CDE, FGH, ſo gearbeitet ſind, daß ſie ihn von beiden Seiten beinahe ganz umfaſſen; ſo wird man dem iſolirten und geladenen Leiter AB alle ſeine Electricitaͤt rauben, wenn man jene Blechhuͤlle, an den iſolirenden Handgriffen DK, GL, gehalten, uͤber ihn ſchiebt, und ſie dann wieder wegnimmt. Die auf der Oberflaͤche von AB geſammelte Electricitaͤt geht alſo ganz auf dieſe Umhuͤllung uͤber und laͤßt ſich mit ihr fortheben. Eben dieſes, daß bloß die Oberflaͤche mit der Ladung bedeckt iſt, erhellt aus andern Verſuchen, unter denen folgender einer der intereſſanteſten iſt. Wenn man einen metallenen Becher, in wel -253 chem eine metallene Kette liegt, iſolirt und nun electriſirt, ſo zeigt ein an dem Becher angebrachtes Electrometer bald einen hohen Grad von Electricitaͤt. Zieht man nun an einem iſolirenden Hand - griffe die Kette allmaͤhlig heraus, ſo ſinkt das Electrometer, zum Zeichen, daß die electriſche Materie ſich jetzt erſt auf der aus dem Becher hervorgehenden Kette ausbreitet.
Was die Ausbreitung der Electricitaͤt auf der Oberflaͤche eines Koͤrpers betrifft, ſo laͤßt ſich zuerſt leicht einſehen, daß die Aus - theilung der electriſchen Materie auf der Oberflaͤche einer Kugel, die iſolirt und keinem andern einwirkenden Koͤrper nahe iſt, gleich - foͤrmig ſein muß, wenn die Kugel ein Leiter iſt. Wenn man mit dem Pruͤfungsſcheibchen verſchiedene Puncte der Oberflaͤche einer ſolchen Kugel beruͤhrt, und die Staͤrke der dem Pruͤfungsſcheibchen mitgetheilten Electricitaͤt am Electrometer unterſucht, ſo findet ſich auch dies beſtaͤtigt. Ein andrer leicht erhellender Satz iſt, daß die Electricitaͤt ſich unter zwei gleiche, ſich beruͤhrende Kugeln gleich austheilen wird. Man lade die eine iſolirt aufgeſtellte Kugel, und beruͤhre ſie mit der andern ebenſo iſolirt gehaltenen Kugel; man entferne dann die eine ſo weit, daß keine merkliche gegenſeitige Einwirkung mehr ſtatt findet; ſo ergiebt die Unterſuchung mit dem Pruͤfungsſcheibchen gleiche Electricitaͤt in allen Puncten beider Ober - flaͤchen. Dieſe Gleichheit bemerkt man nicht bloß, wenn beide gleich große Kugeln in ihrer uͤbrigen Beſchaffenheit gleich ſind, ſon - dern, wofern ſie nur aus guten Leitern beſtehen, ſcheint es ganz einerlei zu ſein, ob die eine hohl, die andre ſolide, ob die eine von Metall, die andre von einem andern Koͤrper iſt; es ſcheint daher, daß es keine verſchiedene Capacitaͤten fuͤr die Electricitaͤt giebt.
Die gleichfoͤrmige Vertheilung der Electricitaͤt, die man auf Kugeln beobachtet, findet nicht mehr ſtatt bei Leitern, die eine andre Geſtalt haben. Unſre meiſten als Leiter an der Electriſir - maſchine und zu andern Zwecken iſolirt aufgeſtellten Leiter ſind Cylinder, die an den Enden halbkugelfoͤrmig abgerundet ſind, und wenn man dieſe mit dem Pruͤfungsſcheibchen unterſucht, ſo findet man nach jeder ihnen gegebnen Ladung die Electricitaͤt am Ende ſtaͤrker als in der Mitte. Man verfaͤhrt dabei am beſten ſo, daß man zwei kleine Kupferſcheiben von gleicher Groͤße mit Siegellack - ſtielen verſieht, und mit beiden Haͤnden gleichzeitig das eine bei L,254 das andre bei M, (Fig. 61.) in Beruͤhrung bringt; traͤgt man die ſo erhaltene Electricitaͤt von L nach einem, und von M nach einem zweiten gleichen Electrometer hinuͤber, und wiederholt man dieſes ſo lange, bis beide Electrometer hinreichend geladen ſind; ſo ſieht man allemal das vom Ende her ſeine Ladung empfangende Electro - meter mehr ſteigen, als das andre. Coulomb hat dieſe Ver - ſuche genauer mit ſeiner Drehwaage angeſtellt, und die Staͤrke der Electricitaͤt mehr als doppelt ſo ſtark am Ende als in der Mitte gefunden. Endigt ſich der Cylinder, ſo wie es bei N gezeigt iſt, in einen duͤnneren, am Ende halbkugelfoͤrmig abgerun - deten Cylinder, ſo iſt bei N die Electricitaͤt noch ſtaͤrker, als in M. Um die verſchiedene Staͤrke der Electricitaͤt dem Auge darzuſtellen, habe ich (in Fig. 62.) um den Leiter PQ eine punctirte Linie gezogen, deren Abſtand die verhaͤltnißmaͤßig groͤßere oder geringere Staͤrke der Electricitaͤt darſtellt; wir koͤnnten uns die den Koͤrper umgebende Schichte frei wirkender electriſcher Materie ungefaͤhr ſo auf dem Koͤrper ausgebreitet denken, aber wir muͤßten ſie dann ſehr duͤnne, jedoch bei P reichlich zweimal ſo dick als bei A anſehen.
Aehnliche Verſuche hat Coulomb uͤber die Austheilung der Electricitaͤt auf einer kreisfoͤrmigen Scheibe angeſtellt, und in Fig. 63. zeigt ebenfalls die punctirte Linie durch ihr Hoͤherſteigen gegen die Raͤnder A, B, an, wie viel ſtaͤrker man dort die Electri - citaͤt als in der Mitte findet.
Daß dieſe ungleiche Austeilung der Electricitaͤt auf einem Leiter nothwendig ſo ſtatt finden muß, laͤßt ſich, wenn man keine genaue Zahlen-Angaben fordert, leicht uͤberſehen. Die in der Mitte A des Leiters AP geſammelte poſitiv-electriſche Materie, (Fig. 62.) wenn er poſitiv geladen iſt, ſucht ſich nach allen Seiten auszubreiten, und da die Luft dieſes nicht geſtattet, ſo kann ſie nur nach den Enden des Leiters hin gedraͤngt werden, wo demnach der Ueberfluß dieſer einen electriſchen Materie, die, nicht gebunden durch die andre, frei wirkend hervortritt, am merklichſten wird. Eben ſo iſt es gegen den Rand der Scheibe zu. Auf der Kugel dagegen iſt, wegen der uͤberall gleichen Kruͤmmung, kein Punct der Oberflaͤche mehr als der andre faͤhig, eine ſtaͤrkere Ladung als der benachbarte aufzunehmen. Poiſſon hat dieſen Gegenſtand255 theoretiſch unterſucht, und ſeine ſcharfſinnigen Betrachtungen verdie - nen um ſo mehr, daß ich einen Augenblick dabei verweile, da ſie doch zu einigen durch Erfahrungen beſtaͤtigten Zahlen-Angaben gefuͤhrt haben, und da ſie die Grundlagen zu mehreren Beſtimmungen ent - halten, die nur wegen der Schwierigkeiten der Rechnung noch nicht in genauen Zahlen haben entwickelt werden koͤnnen.
Wenn ein Leiter mehr Electricitaͤt der einen Art erhaͤlt, als ihm im natuͤrlichen Zuſtande zukoͤmmt: ſo begiebt ſich dieſe auf die Oberflaͤche des Leiters, und dies ſcheint ſo zu geſchehen, als ob der Leiter der Bewegung der electriſchen Materie gar keinen Wi - derſtand entgegenſetzte. So viel wir urtheilen koͤnnen, bildet dieſe als Ladung hervortretende electriſche Materie eine ſehr duͤnne Schichte auf der Oberflaͤche, und es laͤßt ſich leicht einſehen, daß dieſe Schichte nicht allemal in allen Theilen der Oberflaͤche gleich dick ſein wird, ſondern diejenige Geſtalt annehmen muß, welche noͤthig iſt, damit irgend ein Punct im Innern nach allen Seiten gleich angezogen werde. Denn, wenn im Innern des Koͤrpers, wo ſich unzerſetzte Electricitaͤt (aus der Verbindung beider Ma - terien) ruhend befindet, irgend ein Punct A eine Anziehung fuͤr die poſitive, eine Abſtoßung fuͤr die negative Materie nach beſtimm - ter Richtung AB litte, (Fig. 64.) ſo wuͤrde etwas mehr poſitive Electricitaͤt nach B zu gehen, und etwas mehr negative zuruͤck treten, und dies wuͤrde ſtatt finden, bis die Anziehung gegen die eine und die Abſtoßung gegen die andre Materie nach allen Seiten gleich iſt, fuͤr alle Puncte im Innern des Koͤrpers. Sie haben ſchon in den fruͤhern Vorleſungen geſehen, daß eine Kugelſchichte, die außen und innen von concentriſchen Kugelflaͤchen begrenzt iſt, auf einen Punct im Innern der umſchloſſenen Kugel gar keine Anziehung ausuͤbt, wenn die Kraft der Anziehung umgekehrt dem Quadrate der Entfernungen proportional iſt*)I. Theil S. 86., und folglich erfuͤllt eine ſolche Schichte poſitiv-electriſcher Materie, die eine Kugel concentriſch umgiebt, die Bedingungen des Gleichgewichtes. Die256 Rechnung zeigt, daß auch fuͤr ein Sphaͤroid (Fig. 64.) ebenſo gut das Gleichgewicht der Anziehungen auf alle im Innern liegenden Puncte ſtatt findet, wenn es mit einer Schichte, die gleichfalls ſphaͤ - roidiſch iſt und eben das Verhaͤltniß der Axen hat, umgeben iſt. Die Figur ſtellt dies dar, jedoch muß ich Sie wiederholt erinnern, daß die hier gezeichnete Dicke der Schichte viel zu groß iſt, und daß dieſe eine geringere Dicke, als ſich in der Zeichnung fuͤglich angeben laͤßt, hat. Dieſe Schichte uͤbt nach innen weder Anzie - hung noch Abſtoßung aus; in Beziehung auf Puncte, die außer - halb liegen, iſt dagegen die geſammte Anziehung gewiß gegen den Koͤrper DB zu gerichtet, und in Leitern, die nicht allzu entfernt liegen, wird alſo die entgegengeſetzte electriſche Materie gegen dieſen Koͤrper heran gezogen, die gleichartige zuruͤckgetrieben, wo - durch dann aber, wegen gegenſeitiger Wirkung, die Schichte DB eine andre Anordnung anzunehmen genoͤthigt wird.
Ehe ich dieſe Veraͤnderungen betrachte, muß ich aber noch bei dem Drucke verweilen, den die Schichte nach außen, alſo gegen die umgebende Luft, ausuͤbt. Offenbar wird die in der Saͤule BC angehaͤufte poſitiv-electriſche Materie von der in den naͤchſten Lufttheilchen vorhandenen Theilchen negativ-electriſcher Materie angezogen, und ſtrebt dorthin uͤberzugehen, was jedoch wegen der Natur der Nichtleiter, die keine Aenderung der Lage der electriſchen Materie geſtatten, zu keinem wirklichen Uebergehen Veranlaſſung giebt. Der Druck, mit welchem die electriſche Materie vermoͤge dieſes Beſtrebens die Luft zu durchdringen ſucht, iſt vierfach ſo groß, wo die Schichte doppelt ſo dick, neunfach ſo groß, wo die Schichte dreifach ſo dick iſt, und uͤberhaupt im Verhaͤltniß des Quadrates der Hoͤhe der Schichten. Der Grund hievon iſt leicht einzuſehen. Es iſt naͤmlich die Kraft aller von L und M her ab - ſtoßenden Theilchen die Urſache, warum die Schichte in B eine gewiſſe Dicke annimmt, und die Hoͤhe der Schichte iſt der Groͤße der aus jenen geſammten abſtoßenden Kraͤften hervorgehenden Mittelkraft proportional; eine doppelt ſo dicke Schichte verraͤth uns alſo die Wirkung einer in B doppelt ſo maͤchtigen Kraft jedes einzelnen Theilchens, und da zugleich eine doppelt ſo hohe Saͤule zweimal ſo viel druͤckende Theilchen enthaͤlt, ſo uͤbt BC den vier - fachen Druck auf die umgebende Luft aus, wenn ſie doppelt ſo257 dick iſt. — Dies gilt genau nur bei ſehr duͤnnen Schichten, die aber auch hier nur vorkommen.
Es erhellt daher, daß ein Sphaͤroid KH (Fig. 65.) das zehn - mal ſo lang als dick iſt, eine zehnmal ſo hohe Schichte electriſcher Materie bei H als bei L haben muͤßte, und daß der Druck auf die Luft bei H hundertmal ſo groß als bei L ſein wuͤrde. Da nun ſagt Poiſſon, die Luft wie ein Gefaͤß anzuſehen iſt, worin ſich die electriſche Materie eingeſchloſſen befindet, ſo kann in H der Druck ſo groß werden, daß das Gefaͤß durchbrochen wird, und dann wuͤrde ein Funke uͤbergehen, wenn ein andrer Koͤrper ſich in der Naͤhe befaͤnde, oder die Electricitaͤt wuͤrde in die Luft ſtroͤmend uͤbergehen, wie es bei Spitzen der Fall iſt, wenn kein andrer Koͤrper in der Naͤhe iſt.
Auf aͤhnliche Weiſe muß man die Austheilung der electriſchen Ladung auch bei andern Formen der Leiter, ſo lange einer allein, entfernt genug von allen andern Koͤrpern, daſteht, beurtheilen; aber auch in dem Falle, wo zwei Koͤrper auf einander einwirken, laͤßt ſich manche allgemeine Beſtimmung und manche beſondre, auf einzelne Umſtaͤnde paſſende, angeben. Zuerſt iſt der Satz leicht zu uͤberſehen, daß, wenn zwei Kugeln oder andre durch krumme Flaͤchen begrenzte Koͤrper ſich in A beruͤhren, der Ladung ungeachtet, in A gar keine electriſche Materie als Ladung vorhanden iſt, das heißt, keine die nicht durch Verbindung mit der entgegengeſetzten in dem voͤllig neutralen Zuſtande erhalten wuͤrde. Es iſt intereſ - ſant, daß dieſes aus den mathematiſchen Formeln folgt, aber es erhellt auch von ſelbſt, weil A hier (Fig. 66.) als im Innern liegend erſcheint, alſo die Ladung ſich eben ſo gut von hier weg - draͤngt, wie aus dem Innern eines aus einem Stuͤcke beſtehenden Leiters. Eben ſo leicht erhellt, daß in der Naͤhe von A nur ſehr ſchwache Spuren von Electricitaͤt ſein koͤnnen, weil die in D, E, einander ſo nahe liegenden Theilchen electriſcher Materie ſich ein - ander abſtoßen und ſich gegenſeitig mehr gegen B, C, zu draͤngen. Poiſſons Rechnung ſtimmt mit Coulombs Verſuchen uͤber - ein, welche zeigen, daß ſich die angehaͤufte electriſche Materie in einer Schichte, deren Dicke nach den Verhaͤltniſſen, welche die Figur zeigt, beſtimmt iſt, um beide Kugeln ordnet. Sind die Kugeln ungleich,III. R258ſo iſt auf der kleinern Kugel bei C mehr Electricitaͤt angehaͤuft, als auf der groͤßern bei D. (Fig. 67. ) Die Urſache laͤßt ſich wenigſtens einigermaßen einſehen, weil auch hier wie bei dem Sphaͤroid (Fig. 65.) dem ſtaͤrker gekruͤmmten Theile eine hoͤhere Schichte zu Erhaltung des Gleichgewichtes zugehoͤrt. Man kann dies auch dadurch bekraͤftigen, weil auf den gerade in der Mitte liegenden Punct F offenbar eine groͤßere Flaͤche DH von der einen Seite, als CI von der andern Seite unter gleich vortheilhaftem Winkel wirkt und von H, I bis zum Beruͤhrungspuncte nur we - nig Electricitaͤt ſich findet. Die Groͤße der Ladung auf der klei - nern Kugel zeigt ſich auch, wenn man beide Kugeln nach der Beruͤhrung von einander trennt und weit von einander entfernt, ſtaͤrker, indem da, wenn ſie weit genug von einander entfernt ſind, jeder Punct der kleinen Kugel, mit dem Pruͤfungsſcheibchen unterſucht, ſtaͤrkere Electricitaͤt als jeder Punct der groͤßern zeigt. Man irrt ſich daher ſehr, wenn man glaubt, bei der Mittheilung der Electricitaͤt von einem geladenen Leiter an einen zweiten theile ſich die Electricitaͤt nach Verhaͤltniß der Oberflaͤche aus; dieſes iſt gar nicht der Fall, ſondern eine kleinere Kugel erhaͤlt einen groͤßern Antheil als dem Verhaͤltniſſe der Oberflaͤchen ent - ſpricht, und jede Verſchiedenheit der Figur giebt ein andres Ver - haͤltniß der Austheilung.
Wenn die kleine Kugel, ehe ſie electriſirt iſt, bloß im Beſitze ihrer natuͤrlichen Electricitaͤt, der groͤßern Kugel genaͤhert wird, ſo tritt wegen des Einfluſſes der geladenen groͤßern Kugel eine ungleiche Austheilung der Electricitaͤt auf beiden Kugeln ein. Iſt die groͤßere Kugel (Fig. 68.) poſitiv geladen, ſo wird die elec - triſche Materie der kleinen Kugel AB zerſetzt, die poſitive geht, bei groͤßerer Annaͤherung immer mehr, auf die entfernte Haͤlfte A, die negative auf die naͤhere Haͤlfte B, uͤber, und ziemlich genau halbirend liegt die Grenze der einen und der andern Electricitaͤt. Da aber nun die negative Materie in B ſtaͤrker ziehend als die entferntere poſitive Materie in A abſtoßend auf die poſitive elec - triſche Materie in CD wirkt, ſo zieht ſich die poſitive Ladung mehr auf die Seite C. Die ganze Schichte von electriſcher Materie auf CD muß ſich nun anders ordnen, und es tritt, bei unveraͤn - dert bleibender Lage der iſolirt erhaltenen Kugeln nicht eher Ruhe259 der electriſchen Materien wieder ein, bis die Anziehung und Ab - ſtoßung auf irgend einen Punct im Innern wieder Null iſt. Wenn die Entfernung beider Kugeln geringer wird, ſo iſt immer ſteigend mehr negative Electricitaͤt auf der Haͤlfte B und die zuge - hoͤrige poſitive iſt auf A angehaͤuft; dagegen haͤuft die auf CD als Ladung vorhandene poſitiv-electriſche Materie ſich in C an, je mehr das Verhaͤltniß der Anziehung der naͤheren negativen Halb - kugel B gegen die Abſtoßung der entfernteren poſitiven A bedeu - tender wird. Endlich geht dann die Ladung von CD auf AB uͤber, und bei der Beruͤhrung erhalten beide Kugeln jede einen angemeſſenen Antheil der Ladung. Wenn man ſie dann langſam und immer iſolirt von einander entfernt, ſo tritt an den naͤchſten Puncten B, C, (wo waͤhrend der Beruͤhrung keine electriſche Ma - terie blieb,) die poſitive Electricitaͤt bei der groͤßern, die negative bei der kleinern hervor, die geſammte abſtoßende Kraft der auf B wirkenden poſitiven Electricitaͤt in CD iſt naͤmlich vielmal groͤßer als die auf A wirkende, ſo lange die Entfernung klein iſt, und des - halb wird ſo ſehr alle + E nach A gedraͤngt, daß in B ein - E hervorgeht; bei groͤßerer Entfernung naͤhern die auf A und B wirkenden Kraͤfte ſich der Gleichheit und die + E kehrt nach B zuruͤck, bis ſie endlich in ſehr großen Entfernungen ſich ganz gleich auf AB austheilt.
Wegen dieſer ganz ungleichen Austheilung der Electricitaͤt auf Leitern iſt es hoͤchſt ſchwierig, theoretiſch zu beſtimmen, wie fern die Grade unſrer gewoͤhnlichen Electrometer mit wahren Graden electriſcher Ladungen vergleichbar ſind. Es ſind naͤmlich nicht die Endpuncte L, M, (Fig. 69.) allein, die ſich abſtoßen, ſondern l, m und alle andere Puncte ſind gleichfalls geladen, und da jeder Punct einen andern Antheil der Ladung hat, und jeder Punct bei Veraͤnderung der Lage des einen Theiles Mm einen andern Antheil der Ladung empfaͤngt, ſo wuͤrde eine ſehr genaue theoretiſche Unterſuchung, die fuͤr jetzt noch unausfuͤhrbar iſt, der Beſtim - mung wahrer Electrometergrade vorausgehen muͤſſen. Will man alſo eine ſolche Beſtimmung, die jedoch wegen des ungleichen Ver - luſtes von Electricitaͤt in der Luft allemal etwas unſicher bleibt, verſuchen, ſo muͤßte es experimentirend geſchehen. Wenn eine Kugel geladen iſt und auf ihr das Electrometer ſich bis zu beſtimm -R 2260ten Graden hebt, ſo kann man die genau halbe Ladung beobachten, wenn man jene Kugel mit einer ganz gleichen ungeladenen in Beruͤhrung bringt, und ſie dann trennt, das genaue Viertel der Ladung, wenn man dieſen Verſuch wiederholt u. ſ. w.
Die Spitzen haben, wie ich ſchon oft erwaͤhnt habe, die Eigenſchaft, die Electricitaͤt in die Luft zu zerſtreuen, und deshalb darf ein Leiter ſich nirgends in Spitzen oder auch nur mit ſcharfen Kanten endigen. Dieſe Eigenſchaft wird jetzt vollkommen erklaͤrlich. Draͤngt naͤmlich auf Leitern die als Ladung ihnen mitgetheilte Elec - tricitaͤt ſich deſto mehr nach dem Ende hin, je ſchmaler dieſes iſt, wird ſchon auf dem Sphaͤroide, deſſen Axe zehnmal ſo lang iſt als der Durchmeſſer des groͤßeſten runden Querſchnittes, die Schichte der Electricitaͤt zehnmal und der Druck gegen die Luft hundertmal ſo ſtark am Ende der Axe als an der Oberflaͤche jenes runden Querſchnittes, ſo iſt es leicht zu uͤberſehen, daß bei ſehr ſpitzig endigenden Leitern der Druck gegen die Luft zu groß werden und den Widerſtand der Luft uͤberwinden muß. In dieſem Falle ſtroͤmt die Electricitaͤt aus und es iſt keine bedeutende Ladung mehr moͤglich. Man fuͤhlt einen von der Spitze ausgehenden Wind, wenn man ihr die Hand gegenuͤber haͤlt, und im Dunkeln zeigt ſich ein Leuchten an der Spitze. Bei ſtaͤrkern Ladungen des Lei - ters zeigen ſich eben dieſe Erſcheinungen nicht bloß an Spitzen, ſondern ſchon an kleinen, und bei ſehr ſtarken Ladungen auch an groͤßern Kugeln. Hiebei bemerkt man nun eine merkwuͤrdige Ver - ſchiedenheit, je nachdem die Ladung poſitiv oder negativ iſt, indem die Spitze an dem poſitiv geladenen Leiter einen nach allen Seiten ſich ausbreitenden Lichtbuͤſchel, eine Menge divergirender Licht - ſtrahlen, hervorbringt, dagegen eine Spitze an dem negativen Leiter nur einen glaͤnzenden Punct darſtellt, der jedoch bei ſehr ſtarken Ladungen auch ſchwache, nach allen Seiten gehende Strahlen zeigen ſoll. Dieſe Verſchiedenheit iſt eines der characteriſtiſchen Merkmale beider Electricitaͤten, die man auch als Beweis fuͤr die Frankliniſche Theorie gebraucht hat, indem man das deutliche Ausſtroͤmen der poſitiv-electriſchen Materie als das wahre Ausſtroͤmen der ange - haͤuften Electricitaͤt anſah, den glaͤnzenden Punct an negativen261 Spitzen aber dem Einſtroͤmen der Electricitaͤt in den ſeiner electri - ſchen Materie beraubten Leiter zuſchrieb; warum aber die ſich aus der Luft gegen die Spitze draͤngende, zuſtroͤmende electriſche Materie nicht eben ſo gut ſchon in einiger Entfernung von dem Endpuncte der Spitze leuchtend wird, als ſie beim Ausſtroͤmen leuchtend bleibt, ſcheint doch nicht zu erhellen, und der Beweis, den man hierin gefunden hat, um die Glas-Electricitaͤt als wahrhaft poſitive Electricitaͤt nachzuweiſen, iſt unzulaͤnglich. Nimmt man zwei electriſche Materien an, die beide gleich gut ausſtroͤmen, ſo muß man jene Ungleichheit wohl auf ein verſchiedenartiges Verhalten beim Ausſtroͤmen beziehen.
Aber nicht bloß eine Spitze am Leiter ſelbſt angebracht ent - ladet dieſen, ſondern auch eine Spitze, die in maͤßiger Entfernung gegen den iſolirten Leiter gerichtet wird und ſelbſt eine Ableitung hat. Iſt naͤmlich AB (Fig. 70.) poſitiv geladen, und der Leiter DCE jenem Leiter genaͤhert, ſo ſtroͤmt die negativ-electriſche Ma - terie der Spitze D zu, und ſie ſtroͤmt hier aus und gegen den poſi - tiven Leiter hinuͤber, und daß dann ihr ſtarkes Anziehen die poſitive Materie aus der Luft und auch aus AB ſelbſt hinuͤberfuͤhrt, ſcheint ſich ganz wohl begreifen zu laſſen. Wenn man dem aus einem poſitiv geladenen Leiter ausſtrahlenden Lichtbuͤſchel, der bei ſtarken Ladungen ſelbſt aus einer Kugel von 2 bis 4 Zoll Durchmeſſer hervorbricht, einen Leiter von der Seite naͤhert, ſo wenden ſich die Strahlen dieſes Lichtbuͤſchels gegen den Leiter zu. Eben das geſchieht, wenn man geriebnes Siegellack dem Lichtbuͤſchel nahe bringt, dagegen werden dieſe Strahlen abgelenkt durch eine genaͤ - herte geriebene Glasroͤhre. Die materiellen Theilchen alſo, die ſich uns hier leuchtend zeigen, folgen eben den Geſetzen der An - ziehung und Abſtoßung, die wir an der poſitiv-electriſchen Ma - terie wahrnehmen.
Der Grund, warum ſich da, wo die negativ-electriſche Ma - terie in die Luft ausſtroͤmt, nicht ein eben ſolches Ausbreiten in Strahlen zeigt, warum, da offenbar doch hier auch die poſitive Materie gegen die Spitze zu ſtroͤmen muß, dieſe ſich nicht kenntlich darſtellt, ſcheint mir auch nach der dualiſtiſchen Theorie nicht deutlich zu erhellen. Wir muͤſſen uns alſo wohl begnuͤgen, bloß262 die Erfahrung auszuſprechen, daß nur die im Uebermaaß ange - haͤufte electriſche Materie uns in dem Lichte des Ausſtroͤmens kenntlich wird, und daß vermuthlich die Bewegungsgeſetze beider electriſchen Materien weſentlich verſchieden ſein muͤſſen. Ob man hinzuſetzen darf, die eine zeige uns in der Luft mehr ein dem Stroͤmen aͤhnliches Hervorgehen, die andre koͤnne wohl in geſchloſ - ſenen Kreiſen, wellenartig ſich ausbreiten, wage ich nicht zu behaupten.
Der electriſche Wind, der aus den Spitzen hervorgeht, iſt bei beiden Electricitaͤten nicht weſentlich verſchieden, und obgleich man auch darin Verſchiedenheiten hat finden wollen, die dem wahrhaften Ausſtroͤmen der poſitiven Electricitaͤt entſpraͤchen, ſo iſt doch der Erfolg, wenn man ihn genau beobachtet, durchaus nicht ſo deutlich. Dieſer electriſche Wind, das Abſtoßen der zunaͤchſt liegenden Lufttheilchen, iſt auch die Urſache der Bewegung des Flugraͤdchens mit Spitzen. Stellt man naͤmlich ein, ſo wie ABCD (Fig. 71.) geformtes, in Spitzen, die alle nach einer Seite von den Radien abwaͤrts gehen, ſich endigendes Raͤdchen aus Metall - blech ſo in E unterſtuͤtzt auf dem Leiter einer Electriſirmaſchine auf, daß es ſich leicht um dieſen Mittelpunct dreht; ſo faͤngt es, ſobald man den Leiter ladet, an, ſich ſehr ſchnell nach der Richtung ABCD zu drehen. An jeder Spitze naͤmlich wird die Luft von der Spitze A ab gegen F geſtoßen, und offenbar erleidet daher A ſelbſt die entgegengeſetzte Wirkung, wodurch dann das Raͤdchen von A nach B umzulaufen anfaͤngt. Der Erfolg iſt einerlei, der Leiter mag poſitiv oder negativ geladen ſein.
Es giebt noch eine andre Erſcheinung, die auf aͤhnliche Weiſe auf eine Ungleichheit im Ausſtroͤmen der poſitiven und der nega - tiven Electricitaͤt hindeutet. Lichtenberg, der ſich ums Jahr 1777 viel mit electriſchen Verſuchen beſchaͤftigte, bemerkte, daß der Staub auf glatten Harzplatten oft in auffallenden Figuren geordnet war, und nach einigen Verſuchen, den wahren Urſprung dieſer Figuren zu finden, entdeckte er das Mittel, ſie nach Willkuͤr hervorzubringen. Hat man einen duͤnnen Harzguß mit glatter263 Oberflaͤche und laͤßt auf einen Punct dieſer Oberflaͤche einen elec - triſchen Funken ſchlagen, bepudert man alsdann die Flaͤche mit feinem Schwefel oder semen lycopodii, ſo legt dieſer Staub ſich nicht gleichfoͤrmig auf die Flaͤche, ſondern er bildet Figuren, die weſentlich verſchieden ſind, je nachdem der Funke ein poſitiver oder negativer war. Der poſitive Funke giebt eine mit divergi - renden, jedoch nicht ganz geraden, Strahlen ſich ausbreitende Figur, in welcher die Hauptſtrahlen ſich gewoͤhnlich wieder in feinere zer - theilen oder veraͤſteln, (Fig. 72.) der negative Funke giebt eine Figur, die mehr oder minder deutlich aus concentriſchen Kreiſen beſteht; iſt ſie auch nicht ganz und gar von ſtrahlenden Ausſtroͤ - mungen frei, ſo ſind doch dieſe unbedeutend, und ihr characteriſti - ſches Anſehen beſteht darin, daß die mit Staub ſich belegenden Flaͤchen kreisfoͤrmig ſind. Gelingt es, nur einen einzigen nega - tiven Funken auf die Harzplatte zu bringen, ſo erhaͤlt man einen genauen Kreis, der ſich mit Staub bedeckt hat, in deſſen Mitte der Staub ſich nicht ſo ſtark aufgelegt hat, und der um die Mitte ein feines Geaͤder (wie Fig. 73.) zeigt*)Dieſes Geaͤder iſt indeß ſchon ein Zeichen, daß nach dem Ueber - ſchlagen des negativen Funkens etwas poſitive Electricitaͤt uͤbergegan - gen iſt.. Bringt man genau auf denſelben Punct einen Funken und nach einigen Augenblicken einen zweiten, ſo ſtellt die bepuderte Figur ſich wie Fig. 74. dar, und bei mehrern deutlich abgeſetzt hinter einander folgenden Funken zeigt ſich immer mehr das Beſtreben, concentriſche Kreiſe zu bilden. Gewoͤhnlich gehen neben der Stelle, wo der Hauptfunke aufſchlug, noch mehr Kreiſe, wie Fig. 75., oft ſehr zahlreich hervor, ohne Zweifel weil kleine Funken ſeitwaͤrts hin gefallen ſind**)Die negativen Figuren fallen am ſchoͤnſten aus, wenn man eine ziemlich große electriſche Flaſche inwendig negativ ladet und ſie dann auf eine iſolirende Unterlage A geſtellt (Fig. 76.) auf folgende Art anwendet. Man ſetzt den einen Knopf E des gewoͤhnlichen Aus - laders ruhend auf die Harztafel CD und beruͤhrt mit dem andern Knopfe F langſam angenaͤhert nur einen Augenblick die Kugel B, waͤh - rend die Hand den Glasſtiel G faßt, alſo keine Leitung darbietet; dann erhaͤlt man, wenn die Flaſche nicht allzuſtark geladen iſt, nur einen deutlich hervorgehenden Funken und kann durch eine zweite und dritte.
264Das Entſtehen dieſer Figuren beruht offenbar darauf, daß die electriſche Materie, wenn ſie auf einen Punct der ſchlecht lei - tenden Harztafel faͤllt, ſich doch, des Uebermaaßes wegen, den benachbarten Puncten mittheilt, und bei dieſer Mittheilung in dem einen Falle nach andern Bewegungsgeſetzen fortſchreitet, als im andern Falle. Die electriſirten Stellen aber ziehen den Staub an und bedecken ſich mit demſelben.
Wenn man den Staub aufpudert, ehe der Funke mitgetheilt wird, ſo wird er bei dem Uebergange des Funkens von den electri - ſirten Stellen abgeworfen; die poſitive Figur entſteht dann als von Staube entbloͤßt in aͤhnlichen Veraͤſtelungen, wie im andern Falle; die negative bietet einen beinahe ganz von Staub befreiten Kreis dar, in deſſen Mitte ſich indeß noch ein ganz feines Woͤlkchen von Staub erhalten hat, oder ſehr oft auch mehrere runde Flecke.
Wenn man ſtatt der Schwefelblumen oder des semen Iyco - podii eine Miſchung von ungefaͤhr gleich viel Mennig und Schwefel in ein ſeidenes Laͤppchen thut, und dieſe Miſchung durch die Seide durchpudert; ſo legt ſich der farbige Staub nicht gleichmaͤßig auf die poſitiven und negativen Figuren, ſondern wenn der Funke auf die Harztafel gebracht iſt, und man mit dieſer Miſchung bepu -**)Beruͤhrung auf denſelben Punct E mehrere, voͤllig getrennt wirkende Funken bringen. Haͤlt man dagegen die Flaſche in der Hand und bringt die Kugel B der Harztafel nahe, ſo erſtreckt die Wirkung der negativen Electricitaͤt ſich in unregelmaͤßigen, jedoch immer rundlichen Flecken, zu weit nach allen Seiten. Eben das iſt der Fall, wenn man die Tafel der Kugel eines negativ geladenen Conductors naͤhert, wo man große, aber nicht ſo ſchoͤne negative Figuren erhaͤlt. Wenn man fuͤr die negativen Figuren ſo, wie vorhin angegeben iſt, verfaͤhrt, und den Auslader ab - hebt, ohne ihn zu beruͤhren, ſo bleiben die Kreiſe ohne Geaͤder und ohne die von der Mitte ausgehenden Strahlen; beruͤhrt man ihn da - gegen oder ſetzt man ihn, nachdem er abgehoben und entladen iſt, wieder auf, ſo geht poſitive Electricitaͤt uͤber, die ſich durch jene Strahlen kenntlich macht. Man ſieht alſo, daß auch auf der negativ electriſirten Flaͤche die poſitive Electricitaͤt eben die Bewegungsgeſetze befolgt, wie in andern Faͤllen. Auch fuͤr die poſitiven Figuren iſt die zuerſt angegebene Methode die paſſendſte, doch erhaͤlt man dieſe auch auf andre Art eher in ihrer vollkommenen Form. Die negative Electricitaͤt ſcheint viel leichter ſich in mehrere Funken zu zertheilen als die poſitive.265 dert, ſo erſcheinen die geaͤſtelten poſitiven Figuren weiß, von aus - geſondertem Schwefel, und der Mennig liegt in der Ferne zer - ſtreut, dagegen erſcheinen die runden negativen Figuren roth, in - dem hier der Schwefel unregelmaͤßig zerſtreut abwaͤrts getrieben wird. Hier ſcheint alſo der Schwefel mehr negativ von den poſi - tiv electriſirten Stellen angezogen zu werden, der Mennig mehr von den negativen. Andre Miſchungen zeigen aͤhnliche Verſchie - denheiten.
Fruͤher als man von den Erſcheinungen, mit denen ich Sie neulich unterhalten habe, und die zuerſt Canton 1753, darauf Wilke und Aepinus kennen lehrten, etwas wußte, trat un - erwartet und im hoͤchſten Grade uͤberraſchend eine electriſche Er - ſcheinung hervor, die zum erſten Male die Electricitaͤt als eine Kraft, deren Wirkung Schrecken erregen koͤnne, kennen lehrte. Im Jahre 1745 bemerkte zuerſt von Kleiſt, daß man einen ungewoͤhnlich ſtarken electriſchen Schlag erhalte, wenn man ein mit Waſſer nicht ganz gefuͤlltes Glas, aus welchem ein eiſerner Nagel in das Waſſer geſetzt hervorragt, in der Hand haͤlt, das Waſſer nebſt dem Nagel electriſirt, und endlich mit der andern Hand den Nagel beruͤhrt. Einen ganz aͤhnlichen Verſuch ſtellte Cunaeus in Leiden etwas ſpaͤter an. Er hoffte, ein rund um von Glas umgebenes Waſſer, dem man durch einen Leiter die Electricitaͤt zufuͤhre, werde dieſe nicht ſo leicht verlieren; da es ſich nun einmal zufaͤllig traf, daß er bei dem Electriſiren das Glas in der Hand hielt, und dann mit der andern Hand den Drath, durch welchen dem Waſſer die Electricitaͤt zugefuͤhrt war, beruͤhrte, ſo erhielt er einen heftigen Schlag, den er von der La - dung einer ſo geringen Waſſermenge gar nicht erwartet hatte. Dieſer Verſuch erhielt den Namen des Leidener Verſuches, die266 Flaſche ward die Leidener Flaſche oder die Kleiſtiſche Flaſche ge - nannt; ich werde ſie die electriſche Flaſche oder die Verſtaͤrkungs - flaſche nennen.
Allerdings lag in dieſem Verſuche etwas ganz Unerwartetes. Wird die Flaſche auf den Tiſch geſetzt und das Waſſer electriſirt, ſo kann man ſie aufheben, und entladen, ohne einen erheblichen Schlag zu bekommen; — kurz, es erhellt im erſten Anblicke gar nicht, von welchen Umſtaͤnden dieſe Ladung, deren Wirkung ſo empfindlich iſt, abhaͤngt. Eine genauere Bekanntſchaft mit den Erſcheinungen, die durch Vertheilung der Electricitaͤt hervorgehen, hat erſt nach und nach zur richtigen Beurtheilung dieſer Erfolge gefuͤhrt, zu welcher wir am beſten durch folgende Verſuche gelan - gen. Es ſei (Fig. 77. ) AB eine vertical aufgeſtellte Glasplatte, an deren beiden Seiten gleich große, dicht an ſie anſchließende, glatte Metallplatten CD, EF, aufgeſtellt werden. Dieſe Metall - platten muͤſſen auf recht gut iſolirenden Glasfuͤßen befeſtigt ſein und ſelbſt durchaus keine ſcharfe Ecken darbieten, um ſo wenig als moͤglich Electricitaͤt durch Ausſtroͤmen zu verlieren; ſie muͤſſen auch etwas kleiner als die Glasplatte ſein, damit rund um ſie ein hinreichend breiter Rand der Glasplatte ein Ueberſchlagen von Fun - ken um das Glas weg von C nach E hindre, und man kann ſie nun entweder recht nahe an die Glasplatte ſich anlehnen oder ein wenig von derſelben entfernt laſſen. Man bringt den Conductor L einer Electriſirmaſchine ſo an CD, daß die Funken von dem - ſelben auf CD uͤberſchlagen und CD ebenſo wie der Conductor poſitiv geladen wird; man bemerkt, daß nachdem ein Funke oder einige Funken uͤbergegangen ſind, das Funkenſchlagen unbedeutend wird, zum Zeichen, daß CD ebenſo ſtark, als jener Leiter ſelbſt geladen iſt; aber mit Verwunderung bemerkt man, daß auch die Platte EF, wenn man ſie nahe an die Glasplatte ſetzt und ſie dann beruͤhrt, Funken giebt, und daß neue Funken vom Con - ductor auf CD ſchlagen, wenn man unterdeß aus EF Funken zieht. Daß dieſe aus EF hervorgehenden Funken nicht einer durch Mittheilung von CD dorthin gelangten Electricitaͤt ihren Urſprung verdanken, verſteht ſich von ſelbſt, da das Glas weit ſicherer als267 die Luft allen Uebergang der Funken hindert; EF muß ſich alſo ohne Zweifel durch Vertheilung electriſch zeigen. Die poſitiv - electriſche Materie in CD treibt, mit ihrer abſtoßenden und an - ziehenden Kraft durch das Glas hindurch wirkend, die poſitiv-elec - triſche Materie in EF auf die aͤußere Seite und zieht die negativ - electriſche Materie auf die dem Glaſe zugekehrte Seite; bietet man der Platte EF einen Leiter dar, der mit der Erde in Verbindung ſteht, ſo geht die zuruͤckgetriebene poſitiv-electriſche Materie auf dieſen uͤber, und EF bleibt alſo negativ geladen zuruͤck. Aber dieſe negative Ladung wird ſo gegen die Glasplatte oder eigentlich gegen CD zu angezogen, daß ſie kein Beſtreben hat, ſelbſt wenn man EF dauernd mit der Erde verbindet, zu dieſer abzufließen, ſondern ſie wird durch die in CD enthaltene poſitiv-electriſche Materie ebenſo gebunden gehalten, wie es im natuͤrlichen Zuſtande der Koͤrper mit den ſich gegenſeitig bindenden beiden Electricitaͤten der Fall iſt. Aber genau ſo wirkt nun auch die negative Electricitaͤt in EF auf die poſitive in CD zuruͤck; jene zieht dieſe ſo nahe als moͤglich an das Glas heran und geſtattet ihr nicht, gegen den Con - ductor L ſo zuruͤckzuwirken, wie es außerdem der Fall ſein wuͤrde. Ehe man der poſitiv-electriſchen Materie einen Ausfluß von EF geſtattete, war zwar auch die negative Materie nahe an die Glas - platte gezogen, die poſitive nahm die von CD abgekehrte Seite ein; aber dieſe geringe Ungleichheit des Abſtandes konnte nur eine geringe Anziehung auf die poſitive Ladung in CD hervorbringen, da die Abſtoßung der noch immer ſehr nahe liegenden poſitiven Electricitaͤt beinahe ganz das vernichtete, was die Anziehung der negativen bewirkte; ſo lange alſo fand noch beinahe, mit geringem Unterſchiede, der gewoͤhnliche Ladungszuſtand in CD ſtatt, das heißt, die poſitive Electricitaͤt in CD hinderte mit ihrem Streben nach allen Seiten den Zutritt neuer Electricitaͤt vom Conductor L her, ungefaͤhr ſo, wie comprimirte Luft in CD den Zutritt gleich ſehr comprimirter Luft von L her hindern wuͤrde. Dagegen, wenn die comprimirte Luft in CD durch eine fremde anziehende Kraft an der Flaͤche des Glaſes gebunden wuͤrde, ſo wuͤrde noch immer neue Luft von L her zudringen, weil die elaſtiſche Kraft der Luft in CD nicht mehr ſtark genug zuruͤckzudraͤngen im Stande waͤre. Und, wenn gleich dieſe Vergleichung in vielem Betrachte unvoll -268 kommen ſein mag, ſo wage ich doch zu ſagen, auf ganz aͤhnliche Weiſe geſtattet die poſitive Electricitaͤt in CD einen vermehrten Zutritt electriſcher Materie, weil die an der Glasplatte feſt gehal - tene außer Stande iſt, den Zudrang neuer poſitiver Electricitaͤt zu hindern. Je mehr dieſe poſitive Ladung zunimmt, deſto mehr nimmt das Heranziehen neuer negativ-electriſcher Materie in EF und das Zuruͤcktreten der poſitiv-electriſchen Materie aus EF zu, daher denn bei neuer oder fortwaͤhrender Beruͤhrung der Platte EF die negative Ladung dieſer ſich immer vermehren, da - durch aber auch die Faͤhigkeit der CD, eine ſtaͤrkere poſitive Ladung aufzunehmen, immer ſteigen wird.
Waͤhrend ſo CD, EF, unter dem gegenſeitigen Einfluſſe ſtehen, bemerkt man ihre ſtarke Ladung wenig, wenn man jede einzeln beruͤhrt, weil, wie ich ſchon geſagt habe, die gegenſeitig gegen die Glasplatte draͤngenden Electricitaͤten ſich gegenſeitig feſſeln, und an der negativen Platte gar kein Drang nach außen merkbar iſt, an der poſitiven aber nur hoͤchſtens ſo viel Drang nach außen, als der Conductor L gleichfalls beſitzt.
Aber nun wollen wir die Platte EF, ohne ſie leitend zu beruͤh - ren, von der Glasplatte entfernen, ſo tritt die bisher unmerkliche negative Ladung der EF hervor, und wir ſehen es deutlich, daß bis dahin nur dadurch die in EF enthaltene negative Ladung uns ver - borgen blieb, weil ſie durch die poſitive Ladung in CD gebunden gehalten wurde. Sie zeigt ſich am Electrometer und zeigt ſich auch bei der Beruͤhrung in einem uͤberſchlagenden Funken. Bringt man die entladene Platte EF wieder an die Glasplatte, an welcher CD den alten Platz noch einnimmt, und beruͤhrt jene nun wieder, ſo giebt ſie einen neuen Funken; entfernt man ſie, immer iſolirt gehalten, ſo giebt ſie abermals einen Funken, bei neuer Zuruͤck - fuͤhrung in die Nachbarſchaft von CD nochmals und ſo ferner, vorausgeſetzt, daß CD nicht durch Mittheilung an die Luft zu viele Electricitaͤt verliert. Auch dieſe wiederholt ſichtbar werdende Electricitaͤt laͤßt ſich leicht erklaͤren, weil bei der Entfernung die negativ-electriſche Materie in EF, durch keine fremde Kraft an ihrer freien Thaͤtigkeit gehindert, auf den dargebotenen Leiter uͤber - geht, alſo EF dann voͤllig entladen iſt; aber zuruͤckgefuͤhrt in den Wirkungskreis der CD zieht ſich wieder die negativ-electriſche269 Materie in EF gegen die nach CD gewandte Seite, die poſitive wird nach außen gedraͤngt, und ein dargebotener Leiter erhaͤlt einen Funken, EF iſt wieder in den negativen Zuſtand verſetzt, der in der Naͤhe von CD nicht kenntlich iſt, bei der Entfernung aber neue Spuren von Electricitaͤt darbietet. — Das was bei der voͤlligen Entladung vorgeht, wenn man beide Platten CD, EF, waͤhrend ihres gegenſeitigen Einfluſſes durch einen Leiter verbin - det, will ich ſogleich an der electriſchen Flaſche ſelbſt erklaͤren.
Dieſe wenden wir nicht mehr in ihrer erſten unvollkomme - nen Geſtalt an, ſondern bedienen uns der mit Metall an beiden Oberflaͤchen belegten Flaſchen. Ziemlich bald naͤmlich nach den erſten Verſuchen mit der Flaſche bemerkte man, daß das Glas zu dieſem verſtaͤrkten Schlage faͤhig werde, wenn man beide Ober - flaͤchen mit einem leitenden Koͤrper bedeckt. Bei den erſten Ver - ſuchen war Waſſer an der einen Seite, die das Glas umfaſſende Hand an der andern Seite der duͤnnen Glaswand der leitende Koͤrper; jetzt wenden wir eine innen und außen das Glas gleich weit bedeckende Belegung von Stanniol an, und laſſen oben einen breiten Rand ohne leitende Belegung, damit kein Funke uͤber den Rand weg von einer Belegung zur andern uͤbergehe. Die innere Metallbelegung ſteht mit dem Metallſtabe AB (Fig. 78.), der ſich in eine Kugel B endigt, in Verbindung, und nun iſt die electriſche Flaſche zum Gebrauche fertig. Mit dieſer Flaſche laſſen ſich viele lehrreiche Verſuche anſtellen.
Der gewoͤhnlichſte Gebrauch der electriſchen Flaſche iſt, daß man die aͤußere Belegung mit der Hand beruͤhrt oder mit einem Leiter in Verbindung ſetzt, daß man die Kugel B gegen den Con - ductor der Electriſirmaſchine haͤlt und einige Zeit die Funken dar - auf ſchlagen laͤßt, daß man dann mit der einen Hand die aͤußere Belegung beruͤhrt und zugleich mit der andern Hand die Kugel B beruͤhrt, wobei man einen viel ſtaͤrkern Schlag als der iſt, den man aus dem Conductor zu empfangen gewohnt iſt, empfindet. Will man ſich die unangenehme Empfindung des Schlages nicht zuziehen, ſo wendet man den Auslader an, den man an dem glaͤſernen Handgriff LM haͤlt, waͤhrend der Leiter CDE mit B270 und mit der aͤußern Belegung verbunden wird, wo dann im Au - genblicke der Beruͤhrung an B und E ein heller Funke und leb - hafter Schlag beobachtet wird.
Daß die Moͤglichkeit der Ladung der Flaſche darauf beruht, daß die aͤußere Belegung, waͤhrend die Funken des Conductors auf B ſchlagen, eine Ableitung hat, erhellt aus folgendem Verſuche. Man ſtellt die Flaſche auf einen recht trockenen Glasteller, ſo daß ſie voͤllig iſolirt iſt, und laͤßt auf B die Funken des Conductors ſchlagen, ſo dauert es nicht lange bis die uͤbergehenden Funken unbedeutend werden, und wenn man die Flaſche jetzt entladet, ſo bekoͤmmt man einen ſehr unbedeutenden Schlag, der, ſelbſt wenn man lange genug die Ladung von Conductor auf B hat uͤbergehen laſſen, immer gleich unbedeutend bleibt. Wir wollen dieſen Ver - ſuch ſo abaͤndern, daß wir die Funken auf B ſchlagen laſſen, aber wenn dieſe Funken nicht mehr lebhaft uͤbergehen, einen Leiter in geringer Entfernung von der aͤußern Belegung der Flaſche halten; dann giebt die aͤußere Belegung Funken gegen dieſen Leiter und zugleich gehen wieder lebhaftere Funken vom Conductor auf die innere Belegung uͤber; erſt nach laͤngerer Fortſetzung der Ladung ſieht man, daß die auf B uͤberſchlagenden Funken unbedeutender werden, und die Flaſche, obgleich jetzt eine Ableitung von der aͤußern Belegung durch die immer an ihr hervorgehenden Funken ſtatt findet, ſich ihrer vollen Ladung naͤhert. Wenn man die innere Belegung durch B an dem Conductor unſerer gewoͤhnlichen Elec - triſirmaſchinen poſitiv ladet, und die aus der aͤußeren Belegung der iſolirt ſtehenden Flaſche hervorgelockten Funken vermittelſt eines kleineren iſolirten Leiters auf ein Electrometer uͤbertraͤgt, ſo ſieht man, daß die hier hervorgehende Electricitaͤt poſitiv iſt; — offen - bar iſt es die durch Einwirkung der inneren poſitiven Ladung auf die Außenſeite der aͤußern Belegung geriebene poſitive Electricitaͤt, und die aͤußere Belegung wird mit jedem aus ihr hervorgehenden Funken immer ſtaͤrker in negativen Zuſtand verſetzt; dieſe negative Electricitaͤt wird durch die innere poſitive Ladung maͤchtig angezo - gen, und ſie ſelbſt zieht dieſe ſich innen ſammelnde poſitive Elec - tricitaͤt maͤchtig an. Daß hierdurch die Faͤhigkeit der innern Belegung, immer mehr Electricitaͤt aufzunehmen, ſteigt, erhellt aus dem Vorigen. Je duͤnner das Glas iſt, das heißt eigentlich,271 je naͤher die negativ-electriſche Materie an der einen Seite, die poſitiv-electriſche Materie an der andern Seite des Glaſes, ein - ander ſind, deſto kraͤftiger ziehen ſie ſich gegenſeitig an, und die Ladung wird, bei ſtets fortgehender Mittheilung neuer poſitiver Electricitaͤt an die innere Belegung, deſto groͤßer. Es koͤnnte ſcheinen, als ob dies ohne Grenzen fortgehen muͤßte; aber das iſt nicht der Fall. Freilich iſt es wahr, daß die der innern Belegung zugefuͤhrte poſitive Electricitaͤt maͤchtig gegen die Oberflaͤche des Glaſes gezogen wird, und daher nur mit geringer Kraft gegen B zuruͤckſtoßend wirkt; aber ſo ſehr ſie auch an der Oberflaͤche des Glaſes gebunden und unthaͤtig gemacht wird, ſo iſt es doch offen - bar, daß bei zunehmender Ladung auch nach und nach die dem fernern Eintritte poſitiv-electriſcher Materie bei B entgegen wir - kende Abſtoßung ſtaͤrker wird, weshalb auch ein bei B auf der Flaſche befeſtigtes Electrometer allmaͤhlig ſteigt; dieſe Gegenwir - kung wird endlich ſo ſtark, daß die Kraft der Electriſirmaſchine nicht mehr faͤhig iſt, neue Electricitaͤt hereinzudraͤngen, und hiermit tritt das Ende der Ladung ein. Indeß wirkt noch ein zweiter Umſtand ein, der die Ladung nicht einmal ſo groß werden laͤßt. Wie ſorgfaͤltig man auch den Rand der Belegung ſo an das Glas anliegend mache, daß ſich keine Spitzen darbieten, ſo fehlen dieſe doch nie gaͤnzlich; dieſe aber laſſen einige electriſche Materie ent - weichen und immer ſtaͤrker entweichen, je ſtaͤrker die Ladung ſchon iſt, wobei es denn endlich, ohne daß die Flaſche ſich durch einen Funken entladet, dahin koͤmmt, daß die vom Conductor auf B einſtroͤmende Electricitaͤt keine ſtaͤrkere Ladung mehr bewirkt, ſon - dern nur jenen Verluſt, den man im Dunkeln als ein Leuchten der Flaſche gewahr wird, erſetzt. So, glaube ich, uͤberſehen Sie die Bedingungen der Ladung voͤllig; ich will jetzt die Entladung naͤher betrachten.
Um dieſe genau zu verſtehen, wollen wir die Flaſche auf dem iſolirenden Glasteller ſtehen laſſen, und den Leiter, welcher an B Funken mittheilte, entfernen. Sie uͤberſehen leicht, daß ich keinen Funken bekomme, wenn ich bloß die aͤußere Belegung beruͤhre; denn da dieſe waͤhrend der Ladung immer mit der Erde in Ver - bindung ſtand, da die Ladung nur dadurch moͤglich war, daß dieſe Verbindung unterhaltend ward, ſo hat die aͤußere Belegung kein272 Beſtreben, weder etwas herzugeben noch zu empfangen. Dagegen wenn man die innere Belegung der iſolirten Flaſche oder die Kugel B beruͤhrt, ſo bekoͤmmt man einen unbedeutenden, jedoch merk - lichen Funken. Die innere Belegung hat naͤmlich eine ſolche La - dung erhalten, die gegen den geladenen Conductor mit einiger Kraft zuruͤckwirkte, und der bloß im natuͤrlichen Zuſtande ſich befin - dende Finger meiner Hand bekoͤmmt daher einen kleinen Funken, jener zuruͤckwirkenden Kraft angemeſſen. Nachdem dieſer kleine Funke bei B hervorgelockt iſt, beruͤhre ich wieder die aͤußere Bele - gung, aber ja nicht beide Belegungen zugleich; ich bekomme, hier wieder einen kleinen Funken. Dieſer entſteht daher, weil zwar alle in der aͤußern Belegung geſammelte negativ-electriſche Materie am Glaſe feſtgehalten wurde, ſo lange im Innern noch die volle Ladung war, aber nach dem Wegnehmen der geringen Menge poſitiv-electriſcher Materie, die im erſten Funken verloren ging, nicht mehr die geſammte negativ-electriſche Materie auf der aͤußern Belegung feſtgehalten wird, ſondern ein kleiner Theil frei geworden iſt, den wir jetzt als Funken aus der aͤußern Belegung ziehen. Ganz aus denſelben Gruͤnden erhalte ich nun bei abermaliger Beruͤhrung der innern Belegung oder der Kugel B einen dritten Funken, bei dann wiederholter Beruͤhrung der aͤußern Belegung einen vierten Funken und ſo fort. Immer naͤmlich bringt die ein wenig verminderte Menge der poſitiven Electricitaͤt auf der einen, der negativen Electricitaͤt auf der andern Seite die Wir - kung hervor, daß jedes Mal auf der entgegengeſetzten Seite ein wenig Electricitaͤt wieder frei wird, ſeine Spannung nach außen ausuͤbt und alſo bei der Beruͤhrung ſich als kleiner Funke zeigt. Durch dieſe wechſelnden Beruͤhrungen innen und außen, entladet man in zahlreichen kleinen Funken die Flaſche endlich ganz, ohne einen lebhaften Schlag zu erhalten; aber wenn man gleich anfangs die aͤußere und innere Belegung zugleich beruͤhrt haͤtte, ſo haͤtte man den vollkommenen Entladungsſchlag erhalten, indem alle dieſe Fuͤnkchen ſich dann in unſrer Empfindung in einem untheilbaren Momente vereinigen. Bietet ſich naͤmlich der nach außen mit geringer Spannung wirkenden Electricitaͤt ein von B nach E (Fig. 78.) gehender Leiter dar, ſo faͤngt die in B frei wirkende Electricitaͤt den Uebergang an, aber da in dem kuͤrzeſten Augen -273 blicke nun immer mehr und immer mehr von beiden Electricitaͤten zu freier Wirkſamkeit gelangt, da der ganze Erfolg der vorhin ſo langſam fortſchreitenden Entladung in einem Augenblicke erfolgt, ſo iſt es wohl nicht zu verwundern, daß dieſer Erfolg dem Auge als ſehr glaͤnzender Funke, der Empfindung als heftige Erſchuͤtterung merkbar wird.
Um uͤber die Natur jener einzelnen allmaͤhligen Entladungen gar keinen Zweifel uͤbrig zu laſſen, will ich noch einige Verſuche erwaͤhnen. Nachdem die Flaſche geladen und, vom Conductor ent - fernt, iſolirt aufgeſtellt iſt, bringe man ein iſolirtes Pruͤfungs - ſcheibchen an B, damit dieſes den kleinen Funken der erſten theil - weiſen Entladung empfange, ſo findet man das Scheibchen poſi - tiv geladen; man entlade das Scheibchen und bringe es nun an die aͤußere Belegung, damit es hier das zweite Fuͤnkchen erhalte, ſo zeigt ſich das Scheibchen negativ; und bei fortgeſetzter wech - ſelnder Pruͤfung findet man, daß immer innen eine geringe Menge poſitiver Electricitaͤt, außen eine geringe Menge negativer Elec - tricitaͤt in jedem Fuͤnkchen frei wird, wenn die Ladung der innern Belegung von dem poſitiven Conductor ausging.
Ein anderer Verſuch zeigt eben dies. Man bediene ſich einer Flaſche, wo (Fig. 79.) am Rande der Flaſche ein iſolirender Arm AB angebracht iſt, der eine zweite Metallkugel C traͤgt, die in geringerem oder groͤßerem Abſtande von der mit der innern Be - legung in Verbindung ſtehenden Kugel D ihren Platz erhalten kann. Bringt man die Kugel C mit der aͤußern Belegung durch die Kette FE in leitende Verbindung, ſo kann man die Flaſche auf die gewoͤhnliche Weiſe laden, und wenn der Abſtand der Ku - geln DC nicht zu klein iſt, der Flaſche auch eine ſtarke Ladung geben. Haͤngt man nun eine Kugel von Kork, Hollundermark oder einem andern Leiter an einem nichtleitenden Faden LM ſo auf, daß ſie zwiſchen D und C haͤngt, ſo wird ſie abwechſelnd nach D und nach C gezogen, und entladet ſo, indem ſie die po - ſitive Electricitaͤt von D nach C, die negative von C nach D bringt, allmaͤhlig die Flaſche.
Auch an jeder andern Flaſche wird ein an einem Seiden - faden haͤngendes Kuͤgelchen, wenn man es der iſolirt aufgeſtellten Flaſche zuerſt an dem Knopfe der innern Belegung naͤhert, an -III. S274gezogen und dann zuruͤckgeſtoßen; naͤhert man es nun der aͤußern Belegung, ſo wird es hier angezogen; die entgegengeſetzten Elec - tricitaͤten beider Belegungen zeigen ſich alſo auch hier. Setzt man eine noch ungeladene Flaſche auf eine Harztafel, die mit Schwefel - ſtaub gleichmaͤßig beſtreuet iſt, und laͤßt nun langſam einige Fun - ken auf die innere Belegung der Flaſche fallen, ſo wird auf der Harztafel rund um den Boden der Flaſche der Staub abgeworfen, und zwar erkennt man hier ſogleich die in Strahlen auslaufenden poſitiven Figuren, wenn es poſitive Funken waren, die die innere Ladung bewirkten, und die runden negativen Flecke, wenn die La - dung innen negativ gegeben wurde. Setzt man eine ſchon gela - dene Flaſche auf die Harztafel, und laͤßt langſam einige kleine Funken aus der innern Belegung ausladend hervorgehen, ſo breitet ſich die aus der aͤußern Belegung hervordringende Electricitaͤt auf der Harztafel aus, und zeigt nun negative Figuren, wenn eine innere poſitive Ladung durch jene Funken vermindert wird.
Die in Fig. 79. dargeſtellte Einrichtung der Flaſche hat auch den Vortheil, daß man die Staͤrke des Schlages, den man geben will, beſtimmen kann. Stehen naͤmlich die Kugeln D, C, einander ſehr nahe, ſo ſchlaͤgt ſchon bei ſchwacher Ladung der Funke uͤber, weil die geringe Kraft der poſitiven inneren Ladung, indem ſie bei D wirkt, C negativ macht, und dieſer Gegenſatz ſich bis zum Ueberſchlagen vergroͤßert. Man iſt daher ſicher, wenn man die Flaſche nicht bis zum Ueberſchlagen ladet, daß der Schlag, den man ſelbſt herauszieht, nicht heftiger iſt, als der, den man bei unveraͤnderter Stellung der Kugeln aus dem uͤberſchlagenden Funken beurtheilen konnte.
Auch ohne eine ſolche, naͤher an D gebrachte Leitung zur aͤußern Belegung hin, ſchlagen die Flaſchen nicht ſelten uͤber. Das Beſtreben der beiden getrennten Electricitaͤten zu einander zu gelangen, findet naͤmlich zwar am ſtaͤrkſten durch das Glas hin - durch, aber doch auch an den Grenzen der Belegung um den Rand der Flaſche hinum ſtatt; da das Glas, wenn es unbeſchaͤ - digt und gleichfoͤrmig iſt, auf keinen Fall ein Hindurchgehen geſtat - tet, ſo findet bei ſehr ſtarker Ladung ein Hinuͤberſchlagen des Fun - kens uͤber den Rand ſtatt. Haͤtte die Flaſche einen Sprung oder befaͤnde ſich in der Glasmaſſe ein Leiter, der beide Belegungen275 verbaͤnde, ſo ginge die Electricitaͤt von einer Seite des Glaſes zur andern uͤber und die Flaſche ließe ſich gar nicht mehr laden.
Wenn man die Flaſche in der Hand haͤlt, waͤhrend die Fun - ken des Conductors auf die Kugel D der inneren Belegung ſchla - gen, ſo fuͤhlt man bei den uͤber den Rand ſchlagenden Entladungs - funken keinen Schlag. Die beiden Electricitaͤten gleichen ſich naͤmlich bloß aus und gehen nicht durch den Koͤrper deſſen, der die Flaſche haͤlt; dieſer kann nur den geringen Ueberſchuß poſitiver Electricitaͤt empfangen, den die innere Belegung uͤber die natuͤrliche Electricitaͤt voraus hat, und den wir vorhin bei allmaͤhliger Ent - ladung in dem erſten Funken erhielten. Auch wenn man einen metalliſchen Leiter in die Hand nimmt, ihn an die aͤußere Bele - gung zuerſt feſt anlegt, und ohne hier ihn zu entfernen, ihn nun auch an die Kugel B (Fig. 78.) druͤckt, erhaͤlt man keinen Schlag, weil die ganze Ladung, vollkommen gut geleitet, zur an - dern Belegung uͤbergeht. Auf dieſe Weiſe kann man ſelbſt groͤßere Flaſchen, ohne Gefahr einen Schlag zu erhalten, vermittelſt eines mit der Hand beruͤhrten Leiters entladen; nur in dem Falle, wo der Leiter in dem Augenblicke, da er die innere Belegung ent - ladet, nicht genau die aͤußere Belegung beruͤhrte, wuͤrde man den Schlag erhalten, indem die electriſche Materie den laͤngern Weg durch die Hand und den ganzen Koͤrper des Menſchen, dann durch die Leiter, auf denen die Flaſche ſteht, bis zur aͤußern Belegung waͤhlen wuͤrde, ſobald der metalliſche Leiter keine vollkommene Bahn fuͤr die Ausladung gewaͤhrte. Bei groͤßern Batterien wird indeß niemand gern den ausladenden Leiter beruͤhren, da es un - ſicher iſt, ob der Leiter ſtark genug iſt, um alle uͤbergehende Elec - tricitaͤt aufzunehmen, und im entgegengeſetzten Falle ſich ein Theil der Ladung durch den Koͤrper des Beobachters auf gefaͤhrliche Weiſe entladen wuͤrde.
Daß man eine geladene Flaſche dadurch entladen kann, daß man ſie anſcheinend mit der entgegengeſetzten Electricitaͤt ladet, iſt leicht zu uͤberſehen. Hat naͤmlich die Flaſche an dem poſitiven Leiter an der innern Seite eine poſitive Ladung erhalten und iſt dadurch das auf ihr angebrachte Electrometer gehoben (Fig. 80.,S 2276ſo ſieht man dieſes ſich hoͤher heben, wenn man die Ladung an eben dem Leiter fortſetzt; dagegen ſinkt es, wenn man die Ladung nun an dem Leiter des iſolirten Reibzeuges fortſetzt, indem das Reibzeug, welches immerfort ſeine poſitive Electricitaͤt an den Glascylinder oder die Glasſcheibe abgiebt, die an der innern Bele - gung der Flaſche geſammelte poſitive Electricitaͤt aus ihr heraus zieht. Setzt man dieſe Ladung am Reibzeuge fort, ſo tritt, nach - dem das Electrometer voͤllig geſunken iſt, ein neues Steigen ein, weil die Flaſche nun inwendig mit negativer Electricitaͤt geladen wird, wobei alle Erſcheinungen eben ſo eintreten, obgleich nun die poſitive Electricitaͤt an der aͤußern Belegung ſich ſammelt.
Die weite Fortleitung des electriſchen Schlages der Flaſche hat kurz nach der Erfindung der Flaſche noch mehr als in ſpaͤterer Zeit die Aufmerkſamkeit der Beobachter erregt. Da die Ausladung der Flaſche in einem Zuruͤckleiten der poſitiven Electricitaͤt von der einen Belegung nach der andern, und ſo der negativen Electricitaͤt auf dem entgegengeſetzten Wege, beſteht; ſo iſt es begreiflich, daß dieſe Ausgleichung auf dem kuͤrzeſten Wege ſtatt findet. Laͤßt man einen Leiter, wie es Winkler, Lemonnier, Watſon, und andre gethan haben, von der aͤußern Belegung der geladenen Flaſche in das Waſſer eines Stromes gehen, und leitet man auf iſolirenden Unterlagen einen zur Beruͤhrung der innern Belegung beſtimmten Leiter bis zu 1000 Fuß von jenem Puncte abwaͤrts, ſo wird, ſobald der letztere das Waſſer des Stromes und die innere Belegung beruͤhrt, die Flaſche entladen. Hat man daher die Lei - tung von der aͤußern Belegung aus ſo eingerichtet, daß ein Menſch mit einer Hand den Leitungsdrath der aͤußern Belegung haͤlt, und mit der andern einen Leiter, der bis in das Waſſer reicht, ſo erhaͤlt dieſe Perſon den Schlag, ſobald in jener großen Entfernung der das Waſſer beruͤhrende Leiter mit der inneren Belegung in Verbindung geſetzt wird. Mehrere jener Beobachter haben ſich uͤberzeugt, daß ſelbſt bis auf 12000 Fuß und ſelbſt durch die Erde die Wirkung noch fuͤhlbar iſt, und daß ſie ohne merk - lichen Zeitverluſt erfolgt.
Nach dem Entladungsſchlage ſehen wir die Flaſche als voͤllig in den natuͤrlichen Electricitaͤtszuſtand zuruͤckgekehrt an; indeß iſt das nicht ganz richtig, ſondern wenn man nach einiger Zeit die277 Entladung noch einmal verſucht, ſo erhaͤlt man noch einen Fun - ken, der jedoch immer ſchwach gegen die eigentliche Entladung iſt. Dieſes Reſiduum, was bei großen Flaſchen und vollends bei der Verbindung mehrerer Flaſchen noch ſehr bedeutend ſein kann, entſteht daher, weil die Belegungen das Glas nicht ſtrenge in allen Puncten beruͤhren. Waͤhrend der Ladung naͤmlich nehmen, ſo ſchlecht auch die Leitung des Glaſes iſt, doch die Puncte des Glaſes, welche nicht in unmittelbarer Beruͤhrung mit der Bele - gung ſtehen, auch eine Ladung an; dieſe Puncte werden bei der ſchnellen Entladung nicht mit entladen, weil die electriſche Materie zu feſt an den Nichtleitern haͤngt; aber nach Verlauf laͤngerer Zeit geht ſie dennoch in die Belegung uͤber, die ſich daher nun wieder geladen zeigt, und noch einen Funken giebt. Solche Ueber - reſte zeigen ſich ſelbſt nach mehrmaliger Entladung noch, und ſelbſt eine voͤllig entladene Flaſche, aus der kein Funke mehr zu ziehen iſt, zeigt an ſeinen Electrometern immer noch Spuren ſehr ſchwa - cher Ladung.
Unter den zahlreichen Verſuchen, wozu die Flaſche Veran - laſſung giebt, will ich nur noch einige anfuͤhren, die mit theore - tiſchen Betrachtungen in Verbindung ſtehen. Sie ſahen vorhin, daß eine iſolirt aufgeſtellte Flaſche ſich nicht laden ließ; aber wenn man die aͤußere Belegung der iſolirten Flaſche mit dem iſolirten Reibzeuge, die innere Belegung mit dem iſolirten Conductor des geriebenen Glaſes in Verbindung ſetzt, ſo gelingt die Ladung voll - kommen. Das geriebene Glas entreißt naͤmlich dem Reibzeuge die poſitiv-electriſche Materie und fuͤhrt ſie durch den Conductor der innern Belegung der Flaſche zu; die dadurch aus der aͤußeren Belegung ausgetriebene poſitiv-electriſche Materie geht wieder dem Reibzeuge zu, und giebt dieſem die Faͤhigkeit, aufs neue ſie an den Cylinder abzugeben; die beiden Belegungen der Flaſche kommen aber immer deſto mehr in entgegengeſetzten Zuſtand.
Man kann eine Flaſche an der andern laden. Iſt AB (Fig. 81.) eine iſolirt aufgeſtellte Flaſche, die poſitive Funken fuͤr die innere Belegung erhaͤlt, ſo geht die poſitiv-electriſche Materie der aͤußern Belegung von AB auf die mit ihr in Beruͤhrung geſetzte Kugel der zweiten Flaſche CD uͤber, und wenn die aͤußere Belegung dieſer durch die Hand E mit der Erde in leitender Ver -278 bindung ſteht, ſo werden beide Flaſchen zugleich und beinahe gleich ſtark geladen, weil die auf die innere Belegung der erſten Flaſche geleitete poſitive Electricitaͤt faſt eben ſo viele poſitiv-electriſche Materie aus der aͤußern Belegung austreibt, und zur zweiten Flaſche hinuͤber treibt.
Aus der Natur der electriſchen Ladung der Flaſche laͤßt es ſich auch erklaͤren, warum dieſe Ladung ſich in der Luft nicht ſo bald verliert. Ein gewoͤhnlich geladener Leiter bietet die in ihm angehaͤufte Electricitaͤt auf der ganzen Oberflaͤche der Ableitung durch die Luft dar, und in jedem Puncte der Oberflaͤche findet ein Beſtreben der electriſchen Materie, in die Luft uͤberzugehen, ſtatt; in der Flaſche hingegen iſt die groͤßeſte Menge der electriſchen Ma - terie an beiden Seiten des Glaſes ſo feſtgehalten, daß ſie gar kein Beſtreben, in die Luft uͤberzugehen, hat. Der Verluſt an die umgebende Luft iſt alſo nur ungefaͤhr ſo groß, als es bei einem gewoͤhnlich geladenen Leiter der Fall ſein wuͤrde, wenn ſeine La - dung ſo ſchwach, wie der der iſolirten Flaſche bloß an der innern Seite entzogene Funke angiebt, iſt. Dennoch wird in langer Zeit auch an der Luft die Flaſche entladen, weil jener kleine Ueberſchuß an poſitiver Electricitaͤt an der einen Seite, hierauf ein wenig negative Electricitaͤt an der andern Seite verloren geht, und ſo nach und nach die ganze Ladung ſich den Lufttheilchen mittheilt; aber ſelbſt nach zwei Tagen findet man mittelmaͤßig geladene Fla - ſchen in trockner Luft noch unentladen.
Eine aͤhnliche ſtille Entladung, wie hier die Luft endlich bewirkt, kann man mit Spitzen, die man gegen die aͤußere und gegen die innere Belegung der Flaſche richtet, hervorbringen. Man ſtellt die geladene Flaſche iſolirt auf, und haͤlt zugleich zwei ſpitzige metalliſche Leiter mit ihren Spitzen gegen die obere Kugel und gegen die aͤußere Belegung, ohne dieſe zu beruͤhren; nachdem man dies einige Zeit gethan hat, findet man, bei Anwendung des Aus - laders, daß faſt die ganze Ladung verloren iſt.
Man kann die Ladung einer Flaſche unter zwei Flaſchen aus - theilen; aber es iſt ſchwierig, uͤber das Maaß der Ladung fuͤr die eine und die andere Flaſche genau zu urtheilen. Wenn man zwei Flaſchen neben einander aufſtellt, AB, CD, (Fig. 82.) und nun die eine AB ladet, ſo kann man zuerſt die aͤußeren Belegungen279 beider verbinden, ohne daß dies irgend eine Aenderung hervor - bringt, weil ja die aͤußere Belegung der Flaſche AB waͤhrend der Ladung mit der Erde in Verbindung ſtehen mußte; aber wird nun ein iſolirter Leiter zwiſchen den beiden Kugeln E, F, oder den innern Belegungen angebracht, ſo wird auch die Flaſche CD gela - den, weil ſich zuerſt nur die bei E hervorſtrebende poſitive Electri - citaͤt nach F entladet, dann aber auch von B nach D negative Electricitaͤt, wieder von E nach F poſitive Electricitaͤt geht u. ſ. w. Waͤren nun beide Flaſchen in allen Hinſichten genau gleich, ſo waͤre es gewiß, daß die Ladung zur Haͤlfte in der einen zuruͤck - bleiben, zur Haͤlfte in die andere uͤbergehen wuͤrde; aber ſelbſt wenn die Groͤße der belegten Flaͤche beider Flaſchen gleich iſt, kann man von der voͤlligen Gleichheit der Theilung nur dann uͤber - zeugt ſein, wenn die Flaſchen von gleich dickem Glaſe ſind. Sind die Flaſchen ungleich groß, ſo iſt uͤber die Austheilung der Ladung gar nicht genau zu urtheilen moͤglich, aber gewiß iſt es nicht ſtrenge richtig, daß ſich die Ladung nach dem Verhaͤltniſſe der Quadrat - zolle der belegten Flaͤchen austheilt. Wenn die geladene Glas - flaͤche, bei mehrern vereinigten Flaſchen, ſehr groß und die mit ihr in Verbindung geſetzte Flaſche ſehr klein iſt, ſo kann dieſe durch die Gewalt des ploͤtzlichen Ueberganges zerſchlagen werden.
Die Wirkung der Entladung einer Flaſche nimmt mit der Groͤße der belegten Flaͤche zu, und da man in einer einzigen Flaſche keine ſehr große belegte Flaͤche erhalten kann, ſo verbindet man mehrere Flaſchen, die dann die electriſche Batterie bilden. Die ſo verbundenen Flaſchen muͤſſen auf einer gut lei - tenden Unterlage ſtehen, damit die aͤußere Belegung die poſitiv - electriſche Materie entlaſſen, die negativ-electriſche heranziehen kann. Die innern Belegungen werden durch die bis oben her - vorragenden Metalleiter in Verbindung geſetzt, und indem der Funke auf dieſe vereinigten Leiter ſchlaͤgt, bekommen nun alle Fla - ſchen ihren Antheil an der Ladung. Um ſo viele Flaſchen zu laden, bedarf es vieler Drehungen des Cylinders oder der Scheibe der Electriſirmaſchine, und man kann ſagen, genau nach dem Qua - dratmaaß der Belegungen fordert die Batterie mehr Electricitaͤt,280 um ganz geladen zu werden. Kleinere Maſchinen kann man ſchon deshalb zu Ladung großer Batterien nicht anwenden, weil ſie bei ſehr großem Zeitverluſte doch keine ſtarke Ladungen hervorbringen koͤnnten, indem in laͤngerer Zeit hier an allzu vielen Stellen Electricitaͤt verloren gehen wuͤrde.
Bei dem Ausladen einer großen Batterie darf man nicht wagen, ſelbſt mit der Hand den Auslader anzubringen, da bei der Annaͤherung leicht der Schlag den Beobachter ſelbſt treffen koͤnnte; man bringt daher einen mit der aͤußern Belegung, ſo wie die Figur (Fig. 83.) zeigt, durch eine Kette verbundenen Leiter ABC an, deſſen beweglicher Theil BC durch die hinreichend lange ſeidene Schnur CDE gehalten wird; loͤſet man die Schnur bei E, ſo faͤllt C auf F herab und entladet die Batterie, waͤhrend der Expe - rimentator ſich entfernt genug befindet.
Noch angenehmer und belehrender iſt der von Brooke an - gegebene Auslader. Er beſteht (Fig. 84.) aus einem metallenen Waagebalken AB, der bei C unterſtuͤtzt iſt und ſich um C drehen kann. Unter beiden Kugeln B, A, befinden ſich die Metallkugeln D, E, deren eine D vor Anfang des Verſuches mit der aͤußern Belegung der Batterieflaſchen, die andre E mit den innern Bele - gungen durch den Leiter EF in Verbindung geſetzt iſt. Vor An - fang der Ladung ſchiebt man das Gewicht G ſo weit, als man nach dem Maaße der beabſichtigten Ladung fuͤr paſſend haͤlt, gegen B zu, und dieſe Kugel legt ſich an D an. Faͤngt nun die Ladung an, ſo wird A gegen E angezogen, aber dieſe Kraft muß das durch G hervorgebrachte Uebergewicht uͤberwinden, und erſt wenn die La - dung dazu ſtark genug iſt, ſchlaͤgt der Waagebalken uͤber und die Entladung findet ſtatt.
Von den maͤchtigen Wirkungen dieſer Batterien werde ich in der Folge reden.
Von den Mitteln, die Electricitaͤt maͤchtig zu verſtaͤrken, mit welchen ich Sie, h. H., neulich unterhielt, gehe ich jetzt zu Mit - teln uͤber, um ſehr geringe Spuren von Electricitaͤt zu beobachten. Dieſe Mittel haͤngen genau von denſelben Principien ab, die wir neulich betrachtet haben. Der im Jahre 1783 von Volta erfundene Condenſator hat ſeinen Namen daher, weil er die Electricitaͤt, die aus einem ſchwach geladenen Koͤrper zufließt, ver - dichtet und dadurch merklicher macht.
Die beſte Art, den Condenſator anzuordnen, iſt die, daß man zwei Platten AB, CD, (Fig. 85.), deren eine AB auf der iſoli - renden Unterlage EF ruhet, vollkommen eben, ſo daß ſie ſich genau an einander anſchließen, abſchleift, und dann mit einer ſehr duͤn - nen Schichte eines nicht leitenden Firniſſes an einer Seite glatt uͤberzieht. AB iſt an der oberen, CD an der unteren Seite mit dieſem Firniß ſehr duͤnne und gleichfoͤrmig uͤberzogen; GH iſt ein iſolirendes Staͤbchen, um die Platte auf AB aufzuſetzen oder abzu - heben. An AB ſind die mit leitenden Faͤden befeſtigten Kugeln 1 angebracht, die ſich abſtoßen, wenn in AB eine frei wirkende Ladung iſt.
Will man den Condenſator anwenden, ſo geſchieht dies immer nur da, wo die gewoͤhnlichen Electrometer keine Spur oder ſchwache Spuren von Electricitaͤt zeigen. Man ſetzt nun die obere Platte CD auf AB, und bringt den Leiter, in welchem man einige Electricitaͤt vermuthet, mit der unteren, nicht mit Firniß uͤber - zogenen Seite der Platte AB in Beruͤhrung. Waͤhrend er ſo an AB anliegt, beruͤhrt man die obere Seite der Platte CD mit dem Finger, und laͤßt eine kurze Zeit lang die Einwirkung, welche ſo ſtatt findet, fortdauern. Alsdann zieht man ſowohl die Electri - citaͤtsquelle, als den Finger, weg, und hebt die Platte CD an dem iſolirenden Handgriffe auf; ſobald das geſchieht, gehen die282 Kugeln I aus einander, wenn ſich wirklich noch Electricitaͤt in dem zur Ladung angewandten Koͤrper befand, und dieſer bei ſchwacher Ladung doch nach und nach noch eine zureichende Menge von Elec - tricitaͤt hergeben konnte.
Die Erklaͤrung dieſer Erſcheinungen iſt nicht ſchwer. Da beide Platten AB, CD mit einer duͤnnen Schichte eines iſoliren - den Firniſſes bedeckt ſind, ſo bilden ſie, indem ſie auf einander liegen, eine belegte Platte, naͤmlich zwei durch einen duͤnnen iſoli - renden Koͤrper getrennte Leiter. Die iſolirende Schichte muß duͤnne und voͤllig gleichfoͤrmig ſein, damit ſelbſt eine ſchwache Ladung des einen Leiters hinreichend und in allen Puncten gleich ſtark auf den andern wirke. Indem man nun den ladenden Koͤrper, ich will als Beiſpiel die Kugel einer anſcheinend voͤllig entladenen Flaſche annehmen, an den untern Leiter haͤlt, nimmt dieſer zuerſt nur eine Ladung von eben ſo unmerklicher Staͤrke an, wie ſie in dem Knopfe der Flaſche vorhanden iſt; aber wenn man den obern Leiter beruͤhrt, ſo draͤngt die untere ſchwache poſitive Ladung aus der obern Platte ein wenig poſitive Electricitaͤt zuruͤck und neue negative wird herangezogen; dadurch wird die untere faͤhig, mehr poſitive Electricitaͤt aufzunehmen, verſetzt dadurch die immerfort mit der Erde in Verbindung bleibende obere Platte immer mehr in negativen Zuſtand, und bringt ſo eine Ladung der beiden Leiter hervor, die in aͤhnlichem Verhaͤltniſſe gegen die ſchwache Quelle der Electricitaͤt verſtaͤrkt iſt, wie es bei der geladenen Flaſche in Vergleichung gegen den ſie ladenden Leiter der Electriſirmaſchine der Fall war. Entfernt man endlich den ladenden Koͤrper und auch die den andern Leiter beruͤhrende Hand, ſo bleibt die Ladung in den Platten, aber die Kugeln I gehen nicht aus einander, weil die mit ihnen in leitender Verbindung ſtehende poſitive Ladung an der iſolirenden Schichte durch die Anziehung der entgegengeſetzten Electricitaͤt feſt gehalten wird; erſt wenn man die obere Platte ſchnell aufhebt, und dadurch die Kraft, welche die poſitive Ladung der unteren Platte feſthielt, entfernt, ſo wird dieſe ganze Ladung frei nach allen Seiten wirkend, ſie geht alſo auch in die Kugeln I uͤber, und dieſe zeigen ſich geladen und ſtoßen ſich ab. Bringt man die obere Platte, waͤhrend man ſie immer iſolirt haͤlt, wieder naͤher an die untere, ſo fallen die Kugel I wieder zuſammen und283 zeigen bei der gegenſeitigen Beruͤhrung beider Platten keine Elec - tricitaͤt mehr; ſo oft man aber den obern Leiter entfernt, gehen ſie wieder aus einander, bis endlich die bei jeder Trennung frei nach außen wirkende Electricitaͤt ſich in der Luft zerſtreuet.
Durch dieſe Anwendung des Condenſators findet man, daß electriſche Flaſchen, wenn ſie auch wiederholt entladen ſind und am Electrometer keine Spur von Electricitaͤt zeigen, oft noch ſehr lange Zeit nach der Ausladung Electricitaͤt zeigen. Dieſe Flaſchen ſind beſonders gut geeignet, um den Verſuch mit dem Condenſator anzuſtellen, weil ſie bei ſehr ſchwach wirkender Electricitaͤt doch eine, beinahe unerſchoͤpflich zu nennende, Quelle von Electricitaͤt darbieten. Nur in ſolchen Faͤllen naͤmlich kann der Condenſator wirkſam ſein, wo nicht die geſammte Menge der ihm zugefuͤhrten Electricitaͤt geringe iſt, ſondern wo dieſe groß genug aber von ſchwacher Spannung iſt. Wollte man ein ſehr kleines Metall - ſcheibchen ſchwach geladen anwenden, um den Condenſator zu laden, ſo wuͤrde die Condenſatorplatte freilich faſt die ſaͤmmtliche Ladung jener Scheide aufnehmen; aber damit, wenn die Conden - ſatorplatte groͤßer als die ladende Platte iſt, noch nicht einmal ſo ſtark als dieſe ſelbſt geladen ſein. Haͤtte man einen ſehr großen Leiter von ſehr ſchwacher Ladung angewandt, ſo wuͤrde man ſeine Ladung am Condenſator bemerkbar machen, weil die vergleichungs - weiſe kleine Condenſatorplatte den groͤßeſten Theil der Ladung der groͤßern Platte zu ſich hin zieht, und dieſe alſo, ſobald ihre Elec - tricitaͤt nicht mehr gebunden iſt, als ſtark geladen erſcheint. Mit der entladenen Flaſche iſt es eben ſo, da ſie noch ſehr viel mehr Electricitaͤt an der Glas-Oberflaͤche durch gegenſeitige Anziehung beider Electricitaͤten gebunden enthalten muß, als ſich an der Kugel frei wirkend zeigt, und dieſe vom Glaſe her zuſtroͤmt, wenn der Condenſator ſie aufnimmt.
Auch die ſchwache Electricitaͤt der Atmoſphaͤre kann man, da ſie unerſchoͤpflich zufließt, am Condenſator merkbar machen.
Um den Grad der Condenſation kennen zu lernen, kann man auf folgende Weiſe verfahren. Man bringt auf dem Glaſe, in welchem ſich die Kugeln oder Strohhalme der Condenſatorplatte befinden, eine Theilung an, um ein Maaß der Abſtoßung zu haben, und ſucht dieſes Maaß mit wirklichen Graden ſtaͤrkerer und ſchwaͤ -284 cherer Electricitaͤt zu vergleichen, wozu ſich im Vorigen ſchon An - leitungen finden. Nun nimmt man eine kuͤrzlich entladene Fla - ſche, die auch ohne Condenſation die Kugeln noch ein wenig, z. B. 1 Grad, aus einander treibt, ſo daß man die nicht condenſirte Ladung als = 1 Gr. anſehen kann; eben dieſe Flaſche wendet man zum zweiten Male an, um nach den oben angegebenen Re - geln eine Ladung durch Condenſation zu erhalten, und wenn man nun, beim Aufheben der obern Platte, das Electrometer auf 20 Gr. gehen ſaͤhe, ſo wuͤßte man, daß der Condenſator zwanzigfach verdichtet, daß er alſo eine ganz unmerkliche Ladung von ⅕ Grad noch als 4 Gr. betragend kenntlich machen wuͤrde.
Man kann eine ſehr ſchwache Ladung noch mehr kenntlich machen, wenn man zwei Condenſatoren, einen mit großen Platten und einen mit kleinen Platten nach einander gebraucht. Iſt nur die Electricitaͤtsquelle unerſchoͤpflich genug, um den großen Con - denſator zu laden, ſo wird an ihm ſchon die Electricitaͤt verſtaͤrkt, aber ſeine geladene Platte kann nun, nachdem die andre Platte entfernt iſt, wieder zu Ladung der Platte des kleinern Conden - ſators angewandt werden, und wenn jene zehnfach ſo groß iſt als dieſe, ſo wird die Condenſation bei der zweiten Operation ziemlich nahe auf das zehnfache deſſen ſteigen, was der groͤßere Condenſator ergab.
Um uͤber die Reſultate dieſer Beobachtungen aber ſicher zu urtheilen, muß man ſich allemal vor dem Gebrauche des Conden - ſators uͤberzeugen, ob er auch irgend etwas von Ladung enthaͤlt, indem man ſonſt auch dieſe fremde Wirkung nachher als Erfolg der angebrachten Ladung anſieht. Man legt daher beide Platten auf einander und beruͤhrt beide zugleich an den leitenden Seiten mit den Fingern, um den Condenſator zu entladen; man hebt dann die obere Platte auf, und es ſoll ſich nun der Condenſator als ganz ungeladen zeigen; wenn das nicht der Fall iſt, ſo kann man die weitern Verſuche nicht eher anfangen, als bis es gelungen iſt, ihn voͤllig zu entladen. Dieſe kleinen Ladungen des Condenſators ſelbſt koͤnnen leicht entſtehen, wenn etwa durch Abwiſchen der gefirnißten Oberflaͤchen dieſe ein wenig electriſch geworden ſind, oder wenn ein aͤhnliches Reſiduum wie bei geladenen Flaſchen von fruͤhern Ladun - gen des Condenſators zuruͤckgeblieben iſt. Große Vorſicht erfor -285 dern dieſe Verſuche, ſo wie alle die, welche ſehr feine Unterſuchun - gen betreffen.
Aehnliche Inſtrumente ſind unter dem Namen Duplicator, Luftcondenſator u. ſ. w. angegeben, da ſie aber auf gleichen Prin - cipien beruhen, ſo uͤbergehe ich ſie.
Dagegen verdient das mit dem Namen: beſtaͤndiger Electri - citaͤtstraͤger, Electrophor, belegte Inſtrument eine etwas genauere Betrachtung, da hier einiges Unerwartetes vorkoͤmmt, woruͤber wir indeß bei genauerer Betrachtung den Aufſchluß in eben den bisher erklaͤrten Grundſaͤtzen finden.
Das Electrophor beſteht aus einem Harzguſſe, der in einem breiten und flachen Metallgefaͤße, das die Form genannt wird, ſo gegoſſen iſt, daß er feſt mit dieſem vereinigt erhaͤrtet iſt und eine recht glatte, ebne, von Spalten und Blaſen freie Oberflaͤche darbietet. Das zweite Stuͤck des Electrophors beſteht in einer Metallplatte, die an einem iſolirenden Stiele abgehoben und wie - der aufgeſetzt werden kann. Dieſe Metallplatte, die man den Deckel nennt, muß etwas kleiner als die Harztafel ſein, ſo daß ſie, mitten auf die Harztafel geſetzt, von dem Metallrande der Form noch ziemlich entfernt bleibt; ſie muß nirgends Spitzen, die ein Ausſtroͤmen veranlaſſen koͤnnten, darbieten, und auch am Rande ſo abgerundet ſein, daß dort keine ſcharfe Kante eine Gelegenheit zum Ausſtroͤmen gebe.
Um das Electrophor zu gebrauchen, hebt man die Metall - platte, den Deckel, ab, reibt die Harzflaͤche mit einem Katzenfelle oder ſchlaͤgt ſie mit einem Fuchsſchwanze, wodurch jene negativ - electriſch wird. Man ſetzt nun den Deckel auf, beruͤhrt mit zwei Fingern zugleich die obere Seite des Deckels und den Rand der Form, worin die Harztafel ſich befindet, wobei man einen leichten electriſchen Schlag empfindet, und hebt den Deckel mit dem iſoli - renden Stiele auf; dann giebt er bei der Beruͤhrung einen Fun - ken. Nachdem man ſo den Deckel entladen hat, ſetzt man ihn, iſolirt gehalten, auf die Harzplatte, bringt wieder den Deckel und den Rand der Form in leitende Verbindung, erhaͤlt dabei abermals wie vorhin einen eben ſolchen electriſchen Schlag; man hebt den286 Deckel wieder und erhaͤlt wieder einen Funken. Dieſen Verſuch kann man, ſo oft man will, wiederholen, ohne eine Abnahme der Funken zu bemerken und ohne daß es einer neuen Electriſirung der Harzplatte bedarf, die vielmehr die einmal ihr ertheilte Elec - tricitaͤt unvermindert behaͤlt.
Um die Erſcheinungen naͤher kennen zu lernen, wollen wir zuerſt die Electricitaͤt des aufgehobenen Deckels, ehe er ſeinen Fun - ken abgiebt, pruͤfen. — Sie findet ſich poſitiv; und dies iſt es, was auffallend ſcheinen kann, da der Deckel doch mit der negative electriſchen Harzplatte in Beruͤhrung geweſen iſt. Aber daß hier nicht von einer bloßen Mittheilung der Electricitaͤt die Rede ſein kann, erhellt ſchon aus der unerſchoͤpflichen Wirkung, die offenbar nicht ſo erfolgte, wenn die Harzflaͤche ihre Electricitaͤt abgaͤbe; ſon - dern die immer gleiche Erneuerung dieſer electriſchen Wirkung beruht wieder auf einer gegenſeitigen Anziehung der electriſchen Materien. Indem naͤmlich die Harzplatte mit einem Thierfelle gerieben wird, waͤhrend die untere Seite durch das Metall der Form mit der Erde in Verbindung ſteht, wird zugleich die obere Seite des Harzes negativ, die untere poſitiv; es wird voͤllig ſo wie bei der Flaſche, wenn die Ladung ſich verſtaͤrkt, immer mehr die negativ-electriſche Materie an der untern Seite des Harzes weggedraͤngt, die poſitiv-electriſche herangezogen, und die beiden ſich gegenſeitig anziehenden Materien, die negative an der obern, die poſitive an der untern Seite, halten ſich gegenſeitig gebunden, ſo daß keine ein Beſtreben hat, zu entweichen. Nach der Ladung wollen wir uns die metallene Form CD auf dem iſolirenden Fuße AB (Fig. 86.) aufgeſtellt denken, und nun den Deckel EF iſolirt aufſetzen. Da die auf der Oberflaͤche des Harzes geſammelte ne - gative Electricitaͤt faſt ganz durch die gegenuͤberſtehende poſitive Electricitaͤt gebunden gehalten wird, ſo hat ſie nur wenig Beſtreben zum aufgeſetzten Deckel hinuͤber zu gehen, und da die Beruͤhrung des aufgeſetzten Metalls mit dem Harze nicht ſehr innig iſt, und vielleicht kein Punct ſo nahe beruͤhrt wird, daß nicht noch eine duͤnne Luftſchichte den Uebergang der Electricitaͤt hinderte, ſo findet allenfalls nur von den wenigen Puncten, die wirklich beruͤhrt werden, ein Uebergang negativ-electriſcher Materie ſtatt. Da -287 gegen befindet die ganze untere Flaͤche des Deckels ſich unter dem maͤchtigen Einfluſſe der ihm ſo nahe liegenden negativen Harz - flaͤche. Man kann ſich dies ſo verſinnlichen. Geſetzt der Deckel ruhte, (Fig. 87.) auf den wenigen Harzſpitzen, a, b, c, ſo wuͤrden freilich die aͤußerſten Puncte dieſer Vorragungen eine geringe Menge negativer Electricitaͤt an den Deckel FG abgeben, dagegen aber wuͤrde, weil wegen der Nichtleitung des Harzes keine weitere Mittheilung ſtatt findet, die abſtoßende Kraft der ganzen Flaͤche ac bewirken, daß die obere Seite des Deckels FG negativ, die untere poſitiv wird; die in FG enthaltene electriſche Materie wird durch Vertheilung ſo getrennt, daß ſich die poſitiv-electriſche Ma - terie nach der untern Seite, die negativ-electriſche Materie nach der obern Seite begiebt. Beruͤhrt man nun bloß die obere Seite des Deckels, ohne zugleich die Form mit zu beruͤhren, ſo nimmt man die dort angehaͤufte, negativ-electriſche Materie fort. Die auf der obern Flaͤche des Harzes CD (Fig. 86.) angehaͤufte nega - tive Materie hat jetzt nahe uͤber ſich an der Unterſeite des Deckels EF und nahe unter ſich an der Unterſeite des Harzes poſitive Elec - tricitaͤt; die letztere wurde gebunden gehalten, ſo lange der Zug von EF her noch nicht ſtatt fand, ſie iſt alſo jetzt zum Theil frei gewor - den und tritt in die das Harz umgebende metallene Form zuruͤck, durch deren Beruͤhrung man ſie ableitet und ſo den Zug nach dieſer Seite ſchwaͤcht, wodurch EF faͤhig wird, noch mehr poſitive Elec - tricitaͤt aufzunehmen. Bei wiederholter abwechſelnder Beruͤhrung des Deckels und der Form wuͤrde ſo nach und nach etwas poſitive Electricitaͤt aus der Form entlaſſen und nach dem Deckel hinuͤber - gefuͤhrt, und dieſes geſchieht in einem einzigen, ſtechenden Schlage oder Uebergange, wenn man Deckel und Form zugleich beruͤhrt, indem dann ſo viel + E als noͤthig iſt, von der Form auf den Deckel uͤbergeht, und dieſer nun offenbar poſitiv geladen iſt. So lange der Deckel ſo nahe in der Nachbarſchaft der negativen Elec - tricitaͤt bleibt, die ſich auf der Oberflaͤche des Harzes befindet, iſt dieſe poſitive Ladung gebunden, man kann den Deckel oben beruͤh - ren, ohne ſie wegzunehmen; aber wenn man den Deckel aufhebt, ſo entzieht man die poſitive Electricitaͤt der Wirkung der auf ſie einwirkenden Kraft, der Deckel zeigt ſich als geladen und giebt einen Funken.
288Da hiebei die Harz-Oberflaͤche ſo gut wie gar nichts von ihrer negativen Electricitaͤt verloren hat, ſo laͤßt ſich der Verſuch mit immer gleichem Erfolge wiederholen; denn immer iſt es die auf der Harz-Oberflaͤche feſt gehaltene negative Electricitaͤt, die ohne ſelbſt veraͤndert zu werden, das Aufnehmen neuer Electricitaͤt im Deckel beguͤnſtigt.
Wenn man den Deckel iſolirt auf die Harzflaͤche ſetzt, und ſogleich, ohne ihn zu beruͤhren, wieder abhebt, ſo zeigt der Deckel keine Electricitaͤt; denn wenn gleich ſeine natuͤrliche Electricitaͤt eine Veraͤnderung erlitten hat, indem, waͤhrend des Ruhens auf der Harzplatte, ſich die poſitive Electricitaͤt auf die untere Seite, die negative auf die obere Seite begab, ſo verbinden ſie ſich doch ſogleich wieder, wenn der Deckel gehoben wird, und der natuͤrliche Zuſtand iſt hergeſtellt. Will man ſich von allen Veraͤnderungen uͤberzeugen, die in dem Deckel und der Form vorgehen; ſo muß man die Form iſolirt aufſtellen und auch ſie muß kein Ausſtroͤmen der Electricitaͤt geſtatten. Iſt die Harzflaͤche electriſirt und man hat die Form beruͤhrt, ſo kann offenbar der Rand der Form keine Electricitaͤt zeigen; ſetzt man aber den Deckel auf, ohne ihn zu beruͤhren, ſo zeigt ſich die mit einem iſolirten Pruͤfungsſcheibchen von der oberen Seite des Deckels auf ein Electrometer uͤbertragene Electricitaͤt negativ, die vom Rande der Form auf das Electro - meter uͤbertragene poſitiv; — jene iſt die abgeſtoßene negative, dieſe die aus ihrer fruͤhern Bindung geloͤſete poſitive. Bringt man einen Leiter zwiſchen den Deckel und den Rand der Form, ſo zeigt das Pruͤfungsſcheibchen keine Electricitaͤt mehr; aber hebt man den Deckel, ſo iſt der Rand der Form negativ, weil die poſitive Electricitaͤt ſich wieder an die untere Seite des Harzes begeben hat, und die negative ſich von da entfernt hat, nachdem der Deckel mit ſeiner poſitiven Electricitaͤt aus der Naͤhe weggeruͤckt iſt.
Wenn man den gehobenen Deckel gar nicht entladet, aber durch ein auf ihm aufgeſetztes Electrometer den Zuſtand ſeiner Ladung kenntlich macht, ſo verſteht es ſich zuerſt von ſelbſt, daß das Electrometer keine Ladung zeigt, wenn der auf der Harzplatte ſtehende Deckel mit der Erde in Verbindung geſetzt worden iſt. Hebt man ihn langſam und iſolirt, ſo ſteigt das Electrometer, aber ſinkt immer wieder, wenn man den Deckel herabſenkt, indem die289 auf ihm reichlich vorhandene poſitive Electricitaͤt nur dann ſich uͤber den ganzen Deckel und bis zum Electrometer hin verbreitet, wenn er ſich nicht in der Wirkungsſphaͤre der negativen Electri - citaͤt auf der Harzplatte befindet. Entladet man den Deckel, wenn er hoch gehoben iſt, und naͤhert ihn dann iſolirt der Harzplatte, ſo ſteigt das Electrometer und zwar nun mit negativer Electricitaͤt; hebt man ihn aber wieder, ohne ihn zu beruͤhren, ſo zeigt ſich keine Electricitaͤt mehr. Bei allen dieſen Verſuchen muß der Deckel ſo gehoben werden, daß er der Harzplatte parallel bleibt; giebt man ihm eine geneigte Stellung, ſo geht die Electricitaͤt zu ſehr auf eine Seite des Deckels uͤber und ſtroͤmt leichter aus.
Doch ich habe wohl hinreichend den ganzen Gang der Er - ſcheinungen erklaͤrt, und fuͤrchte, daß alle dieſe Einzelheiten Ihnen nur als Wiederholungen erſcheinen. Ich fuͤge daher nur noch kurz die Bemerkung hinzu, daß ſchon Wilke 1762 Wirkungen wie die, welche das Electrophor zeigt, an beweglichen Belegungen einer Glasplatte dargeſtellt hatte, daß aber Volta 1775 durch Erfindung des Electrophors in ſeiner jetzigen bequemen Form und durch eine vollſtaͤndigere Erklaͤrung der damit angeſtellten Verſuche ſich ein bedeutendes Verdienſt um die Erweiterung der Lehre von der Vertheilungs-Electricitaͤt erwarb. Lichtenberg ſtellte kurz nachher Verſuche mit einem Electrophor von 6 Fuß Durchmeſſer an, bei welchem die Verbindung des Deckels mit der Form einen ſo empfindlichen Funken hervorbrachte, daß man ihn ungern oft durch die Hand hervorgehen ließ.
Daß man mit den aus dem aufgehobenen Deckel gezogenen Funken electriſche Flaſchen laden und den Deckel zu allen den Ver - ſuchen gebrauchen kann, wozu der Leiter der Electriſirmaſchine dient, verſteht ſich von ſelbſt; aber es ſcheint ſeltſam, daß man durch eine am Electrophor ſelbſt geladene Flaſche jenen wieder noch mehr verſtaͤrken kann. Um dies zu thun, muß man den oft nach ein - ander gehobenen Deckel ſeine poſitiven Funken auf das Innere der Flaſche ſchlagen laſſen, und die ſo geladene Flaſche auf die Harz - flaͤche ſetzen, wo ſie dann iſolirt ſteht. Beruͤhrt man hierauf dieIII. T290innere Belegung, ſo bekoͤmmt man, wie Sie wiſſen, nur einen kleinen Funken, aber es findet zugleich ein Uebergang negativer Electricitaͤt aus der aͤußern Belegung auf die Harzflaͤche ſtatt, und dieſe wiederholt ſich bei jeder Beruͤhrung der innern Belegung. Setzt man daher nach und nach die Flaſche auf alle Puncte der Harzflaͤche, ſo ertheilt man ſo dem Electrophor eine verſtaͤrkte Ladung.
Als eine angenehme und nuͤtzliche Anwendung des Electro - phors verdient noch die electriſche Lampe erwaͤhnt zu wer - den. Man giebt dieſem, ziemlich allgemein bekannt gewordenen Inſtrumente, nach Pfaffs Vorſchrift, am beſten folgende Ein - richtung, bei der meiſtens Langenbuchers Vorſchlaͤge zum Grunde liegen. Ein Gefaͤß D (Fig. 88.) enthaͤlt Waſſerſtoffgas, welches in demſelben Augenblicke, wo der geoͤffnete Hahn K ihm einen Ausfluß geſtattet, durch einen zwiſchen L und p hervorgelock - ten Funken entzuͤndet wird. Das ganze Inſtrument beſteht naͤm - lich aus zwei Theilen, dem Glaſe D mit der zugehoͤrenden, oben erweiterten Glasroͤhre E, zur Entwickelung des Waſſerſtoffgas, und aus dem Electrophor, das ſich in dem Kaſten A befindet. Das Gefaͤß D wird zuerſt mit verduͤnnter Schwefelſaͤure ganz gefuͤllt, und die obere Glasroͤhre E, an welcher in I ein hinreichend großes Stuͤck Zink befeſtigt iſt, eingeſenkt. Durch das bei der Aufloͤſung des Zinkes entwickelte Waſſerſtoffgas fuͤllt ſich das Gefaͤß D mit Waſſerſtoffgas, wodurch das Waſſer aus dem Raume bei I ver - draͤngt, und in die Roͤhre E hinaufgedraͤngt wird, bis endlich das Zink oberhalb der Saͤure iſt und die Entwickelung aufhoͤrt. Oeff - net man den Hahn K, ſo ſtroͤmt etwas Waſſerſtoffgas bei L aus, die Fluͤſſigkeit erreicht das Zink aufs neue und bringt eine neue Gas-Entwickelung hervor. In dem unteren Kaſten befindet ſich die Harzplatte des Electrophors, deſſen Deckel hbt in ſeiner Mitte b mit dem ſtarken Glasſtreifen a verbunden iſt, der ſich an ſeinem Ende q um ein Gewinde dreht, ſo daß das Anziehen des Fadens efgh den Deckel nicht in geneigter Richtung, ſondern in horizon - taler Stellung hebt. Dieſes Heben wird durch die Drehung des Hahnes K, vermittelſt des Glasſtreifens op bewirkt, und da der Deckel und ſein Hebungsdrath bei op durch Glas, bei baq durch Glas iſolirt iſt, und auch der Drath eh bei g durch eine Glasroͤhre291 geht, ſo behaͤlt der gehobene Teller ſeine Electricitaͤt, bis das Ende p des Metalldrathes gegen L gefuͤhrt, dort den das Waſſerſtoffgas zuͤndenden Funken giebt. Damit Teller und Form ſich in leitende Verbindung ſetzen, iſt ein Metallſtreif angebracht, den der auf die Harzflaͤche geſetzte Teller hbt beruͤhrt. Die Electricitaͤt der Harz - platte braucht nur ſelten neu hervorgebracht zu werden; um dieſes zu thun, muß man die Harzplatte aus dem Kaſten A herausneh - men und ſie reiben; iſt dies aber einmal geſchehen, ſo erhaͤlt ſich, wenn das Inſtrument an einem trockenen Orte ſteht, die Electri - citaͤt Monate lang, und der Funke geht, bei der Beruͤhrung des Drathes p an L mit immer gleicher Regelmaͤßigkeit hervor.
So merkwuͤrdig alle bisher angegebenen Wirkungen der Elec - tricitaͤt ſind, meine h. H., ſo ſind doch nicht ſie es ſo ſehr, die das Auge aller Menſchen zu ihr hinzogen, ſondern den maͤchtigen, zum Theil Furcht erregenden Wirkungen, welche ſie hervorbringt, verdankt ſie es weit mehr, daß man ihr eine allgemeine Auf - merkſamkeit zuwandte. Der electriſche Funke, den man zuerſt in kaum ſichtbarer Groͤße hervorlockte, der bei verbeſſerten Huͤlfsmit - teln allmaͤhlig merklicher hervortrat, der bei der Erfindung der electriſchen Flaſche in einer ſo gar gefaͤhrlichen Staͤrke erſchien, und deſſen Wirkungen wir immer mehr zu ſteigern Mittel gefunden haben, iſt es vor allem, wodurch die Electricitaͤt als eine der wundervollſten Kraͤfte beruͤhmt geworden iſt.
Hiebei ſind es nun zuerſt die Licht-Entwickelungen, die unſre Aufmerkſamkeit erregen.
Das electriſche Licht zeigt ſich unter zwei Hauptformen, naͤm - lich als eigentlicher Funke uͤberſchlagend auf einen nahen Leiter,T 2292und als ausſtrahlendes Licht, wo kein naher Leiter Veranlaſſung zu einem Funken giebt; beide Erſcheinungen gehen aber in einander uͤber. Wenn man eine Spitze an einem Leiter anbringt und die - ſen mit poſitiver Electricitaͤt ladet, ſo zeigt ſich ein ausſtroͤmender Lichtbuͤſchel, der ſeine Strahlen nach allen Seiten ausſendet, ſich aber, wenn ein Leiter genaͤhert wird, gegen dieſen zu wendet. Ein negativ geladener Leiter zeigt zwar an der Spitze ein Leuchten, ein Sternchen, aber nur ein ſehr ſchwach ſichtbares Ausſtroͤmen nach den Seiten. Eben dieſe Erſcheinungen finden bei ſtaͤrkeren La - dungen auch da ſtatt, wo der Leiter ſich nicht in Spitzen endigt, an den Theilen, welche als Kugeln von kleinerem Durchmeſſer oder uͤberhaupt als ſtark gekruͤmmt hervortreten.
Naͤhert ſich ein leitender Koͤrper dem geladenen Leiter, ſo wiſſen Sie, daß wir in jedem Falle zwei entgegengeſetzt electriſirte Koͤrper einander gegenuͤber haben, da der dem geladenen Leiter genaͤherte leitende Koͤrper an ſeinem zugekehrten Ende in deſto hoͤherem Grade die entgegengeſetzte Electricitaͤt annimmt, je ſtaͤrker jene Ladung iſt. Hier alſo werden beide Electricitaͤten maͤchtig gegen einander gezogen, und durchbrechen endlich, in entgegen - geſetzten Richtungen uͤbergehend, die Luft. Wenn man ſtarke Maſchinen anwendet und ihre Funken im Dunkeln beobachtet, ſo ſieht man bei Annaͤherung eines abgerundeten Leiters gegen eine nicht zu kleine Kugel an dem geladenen poſitiven Leiter, daß von der poſitiven Seite her ein Licht auszugehen anfaͤngt, welches ſich zum Blaͤulichen hin neigt, daß dieſes Licht bei langſamer Annaͤhe - rung des andern Leiters zunimmt, daß bei einer hinreichenden Naͤhe ein weißer Lichtſchein, weniger ſtrahlend, ſondern eine gleich - foͤrmige gerundete Form zeigend, aus dem negativen Koͤrper her - vorbricht, und daß dann auch faſt ſogleich der Funke uͤberſchlaͤgt, wobei jene beiden Erſcheinungen ihre Beſtimmtheit verlieren. Dieſe Erſcheinung habe ich oft wahrgenommen, aber es ſcheint bei dem Uebergehen des Funkens von einer Menge einzelner Umſtaͤnde abzu - haͤngen, und die Beſchreibungen, die man von den Licht-Erſchei - nungen giebt, bieten mannigfaltige Verſchiedenheiten dar.
Die Frage, ob nur ein Funke und ob dieſer von dem poſitiv geladenen Koͤrper ausgehe, iſt noch immer nicht entſchieden. Laͤßt man kurze Funken uͤberſchlagen, ſo durchlaufen ſie ihren ganzen293 Weg ſo ſchnell, daß man faſt den ganzen Weg auf einmal leuch - tend ſieht, und bald geneigter iſt, die eine Richtung, bald die andre, als die vom Funken befolgte anzugeben; oft ſieht man auch bei geringen Abſtaͤnden einen weißen Glanz an beiden Leitern und zwiſchen dieſen beiden hellen Funken den ganzen Weg mit violettem Lichte leuchtend. Bei weitern Entfernungen ſcheint mir Hilde - brandts Behauptung, daß der poſitive Funke den groͤßten Theil des Weges durchlaufe, aber nahe am negativen Koͤrper ein von dort ausgehender Funke ihm entgegen komme, aus den eben vor - hin angegebenen Erſcheinungen des entgegen kommenden ausge - breiteten, aber matten Lichtes, wahrſcheinlich; ich kann aber nicht behaupten, daß ich dieſen zweiten Funken je deutlich wahrgenom - men haͤtte; dagegen aber iſt es oft deutlich, daß der vom poſitiven Leiter uͤberſchlagende Funke erſt in bedeutender Ferne von dieſem am leuchtendſten hervortritt. In andern Faͤllen kann man da - gegen den Hauptfunken als deutlich vom poſitiven Leiter aus - gehend erkennen, und van Marum hat dieſes bei ſeiner großen Maſchine, die 24 Zoll lange Funken gab, ſo wahrgenommen, daß man das Entſtehen eines einzigen, im Fortgange ſich in Zweige zerſpaltenden Funkens von der poſitiven Seite her als gewiß an - ſehen moͤchte; aber Biſchoff und auch Pfaff haben bei nega - tiver Ladung den Funken eine ſehr aͤhnliche, vom negativen Leiter ausgehende Form darſtellen ſehen, ſo daß alſo van Marums Erfahrung, daß auch da, wo der geladene Leiter negativ iſt, der Stamm des ſich veraͤſtelnden Funkens vom poſitiven Koͤrper aus - gehe, nicht allgemein richtig ſein kann, ſondern dabei etwas auf noch unbekannte Umſtaͤnde ankommen muß. Die Vertheidiger der frankliniſchen Theorie fanden in jener Richtung des Funkens, der immer deutlich vom poſitiven Koͤrper ausgehen ſollte, einen Grund fuͤr die Behauptung, daß die Glas-Electricitaͤt die wahr - haft poſitive ſei; aber die Erfahrungen ſind nicht deutlich genug entſcheidend, um dieſe Behauptung fuͤr ſicher zu halten, und eher ſcheinen mir die oben erwaͤhnten Erſcheinungen auf zwei gleichzei - tige, ſich als verſchieden zeigende, Wirkungen hinzudeuten.
Bei groͤßeren Schlagweiten befolgt der Funke nicht genau die gerade Linie, ſondern macht Kruͤmmungen oder Winkel in ſeiner Bahn, vermuthlich weil er bei ſeiner ſchnellen Bewegung die Luft294 zuſammen druͤckt, und wenn dieſe Compreſſion zu bedeutend wird, ſeitwaͤrts gedraͤngt wird.
Auch die Farbe des Funkens iſt ungleich, indem ſich mit dem weißen Lichte bald mehr ein violettes, bald mehr ein roͤthliches, bald ein dunkelblaues Licht verbindet. Pfaffs Bemerkung, daß der vom poſitiv geladenen Leiter hervorgehende Funke in der groͤßern und erſten Haͤlfte ſeiner Bahn mehr roͤthlich violett, im letzten Theile der Bahn mehr blau ſei, ſcheint mir den meiſten Erfah - rungen entſprechend; aber auch hier zeigen ſich viele Ungleichheiten, unter denen mir die, daß bei minder trockener Luft die Funken mehr dunkelblau ſind, ziemlich conſtant ſcheint. Auch die Materie der Koͤrper, aus welchen der Funke hervorgeht, hat Einfluß auf die Farbe, und es iſt dies um ſo weniger zu verwundern, da die Verſuche mit der voltaͤiſchen Saͤule im Verbrennen der Metall - blaͤttchen die beſtimmte Abhaͤngigkeit der Farbe des Funkens von der Materie, die beim Uebergange getroffen wird, zeigen.
Der Funke der Flaſchen iſt kuͤrzer, als der des bloßen Leiters, weil die von den Belegungen abwaͤrts, gegen den Knopf der Flaſche hin, wirkende Kraft der Electricitaͤt ſo ſehr geringe iſt; aber der Funke iſt zugleich viel glaͤnzender, wie es der großen Menge electriſcher Materie angemeſſen iſt, die hier in einem Au - genblicke uͤbergeht. Bei ſtarken Schlaͤgen naͤhert ſich dieſes, dann uͤberaus glaͤnzende, Licht ſehr dem Weißen, bei kleinen Flaſchen iſt der Funke zuweilen violett, zuweilen kupferfarben.
Da an jeder Unterbrechung der Leitung ein Funke uͤber - ſchlaͤgt, ſo hat dies zu mancherlei unterhaltenden Anwendungen, wo die uͤberſchlagenden Funken beſtimmte Figuren, Buchſtaben u. ſ. w. bilden, Gelegenheit gegeben. Durch dieſes faſt zahlloſe Ueberſchlagen von Funken kann man im dunkeln Raume eine ziemlich erhebliche Erhellung hervorbringen.
Wenn man die Luft verduͤnnt, ſo hoͤrt die Iſolirung, welche die Luft gewaͤhrte, auf, und die Electricitaͤt ſtroͤmt von dem gelade - nen Leiter leichter nach allen Seiten aus. Schon Hawksbee hat 1709 uͤber dieſen Gegenſtand viele Verſuche angeſtellt. Er brachte einen luftleeren Glascylinder in einen zweiten mit Luft gefuͤllten295 Glascylinder, und ſah nun in jenem Licht-Erſcheinungen, waͤh - rend der aͤußere gerieben wurde; bei jeder Aenderung der gegen - ſeitigen Lage beider Cylinder zeigten und erneuerten ſich die leuch - tenden Erſcheinungen. Dieſe Erſcheinungen ſind Folge der Ver - theilung der Electricitaͤt, indem, wenn in A (Fig. 89.) poſitive Electricitaͤt erregt wird, die im Glaſe bei B enthaltene poſitive Electricitaͤt abgeſtoßen wird, und ſich nach entferntern Puncten hin begiebt, welches im luftleeren Raume ſich durch Lichtſtroͤme kenntlich macht. Wenn die Reibung aufgehoͤrt hat, und beide Cylinder ihre Lage gegen einander behalten, ſo ſtellt ſich das Gleich - gewicht, ein Ruheſtand der electriſchen Materien, her, wobei ſie jedoch ungleich ausgetheilt ſein koͤnnen, ſobald noch irgendwo eine Ladung uͤbrig bleibt. Naͤhert ſich nun gegen A ein andrer leiten - der Koͤrper C, ſo aͤndert ſich die Austheilung der electriſchen Ma - terie, weil die in dem Leiter C durch Vertheilung ſich anhaͤufende, von der poſitiv-electriſchen Materie in A angezogene, negative Electricitaͤt durch ihre entgegengeſetzte Wirkung einem Theile der von B weg getriebenen poſitiv-electriſchen Materie die Ruͤckkehr geſtattet. Auf aͤhnliche Art erklaͤren ſich alle von Hawksbee angeſtellten Verſuche und die aͤhnlichen, die man mit luftleeren Roͤhren anzuſtellen pflegt.
Eine der ſchoͤnſten electriſchen Erſcheinungen ſtellt ſich dar, wenn man in einem luftleeren Cylinder (Fig. 90. ) A B, durch deſſen obere Grundflaͤche A D ein metalliſcher Leiter E F in den luftleeren Raum hinabreicht, die Electricitaͤt uͤberſtroͤmen laͤßt. Iſt B G, wie gewoͤhnlich, ein metallener Teller, auf welchem der Cylinder ruht, und laͤßt man oben poſitive Electricitaͤt einſtroͤmen, ſo bewirkt dieſe in ihrem Uebergange auf die untere Ableitung einen zuweilen weißen, meiſtens aber ſchoͤn violetten Lichtſtrom, der ſich, ſobald ein andrer Leiter von außen dem Glaſe genaͤhert wird, in Ruͤckſicht ſeines Glanzes und ſeiner Richtung veraͤndert, indem er den eben vorhin erwaͤhnten Anziehungen folgt. Setzt man auch am untern Theile des Cylinders der obern Kugel eine Kugel H entgegen, ſo ſchießen Lichtſtroͤme in ſchneller Folge von der obern Kugel auf die untere, und nach Hildebrandt's Be - merkung ſcheint ein ſchwaͤcherer Strahl aus der untern Kugel dem von oben kommenden zu begegnen. Wurde die obere Kugel ne -296 gativ electriſirt und blieb die untere in Verbindung mit der Erde, ſo erkannte Hildebrandt deutlich einen ſtaͤrkern aus der untern Kugel kommenden, und einen ſchwaͤchern aus der obern Kugel kommenden Strahl, beide violett, die ſich begegneten.
Mehr oder minder deutlich gehen dieſe Erſcheinungen jedes Mal hervor, ſo oft man das Ausſtroͤmen der Electricitaͤt in einen luftleeren Raum ſtatt finden laͤßt. Die Farben des Lichtes im luftleeren Raume ſind ungleich, und dieſes haͤngt nach Davy's genauen Verſuchen von der Beſchaffenheit der Daͤmpfe ab, mit welchen die verduͤnnte Luft gefuͤllt iſt.
Davy bediente ſich zu dieſen Verſuchen (Fig. 91.) einer gebogenen Glasroͤhre A B C, die vermittelſt der bei C angeſchraub - ten Roͤhre mit einer Luftpumpe in Verbindung geſetzt ward. Die Glasroͤhre ward mit ausgekochtem Queckſilber gefuͤllt, ſo daß bei A nicht die geringſte Luftblaſe uͤbrig blieb; dann ward die Luft bei C ausgepumpt, ſo daß durch das Sinken des Queckſilbers in der Roͤhre BA ein luftleerer Raum AD entſtand; die Roͤhre C wurde hierauf durch einen Hahn feſt verſchloſſen und von der Luft - pumpe abgenommen. Indem man nun das Queckſilber in der Roͤhre BCD erhitzte, konnte man den Raum AD uͤber dem Queck - ſilber mit Queckſilberdaͤmpfen von groͤßerer oder geringerer Dich - tigkeit fuͤllen; und da ein bei A eingeſchmelzter Drath erlaubte, die Electricitaͤt durch den Raum AD fließen zu laſſen, ſo konnte man die Licht-Erſcheinungen unter verſchiedenen Umſtaͤnden beob - achten. Bei jedem dem luftleeren Raume zugefuͤhrten Funken ſtroͤmte die Electricitaͤt durch dieſen uͤber, und wenn das Glas zum Theil von außen belegt war, ſo nahm dieſe Belegung eine Ladung an. Das Licht der uͤberſtroͤmenden Electricitaͤt war am lebhafteſten und von ſchoͤner gruͤner Farbe, wenn das Queckſilber ſehr erhitzt war, alſo die Daͤmpfe einen bedeutenden Grad von Dichtigkeit be - ſaßen; die Intenſitaͤt des Lichtes nahm ab, wenn die Waͤrme geringer ward und bei einer Abkuͤhlung bis 25° Cent. unter Null blieb kaum noch eine Spur von Licht, bei voͤlliger Entfernung aller andern Erleuchtung, ſichtbar. Wenn man bei der Erſchei - nung des gruͤnen Lichtes etwas atmoſphaͤriſche Luft in den mit Queckſilberdaͤmpfen erfuͤllten Raum gelangen ließ, ſo ward die297 Farbe des Lichtes, je mehr Luft man hinzuließ, deſto mehr blaͤulich, endlich blau oder purpurfarben. Ueber geſchmolzenem Zinn ſtatt des Queckſilbers zeigte ſich ein ſehr ſchwaches gelbes Licht; uͤber erhitztem Oele ſtatt des Queckſilbers zeigte ſich das electriſche Licht roth, etwas in Purpur uͤbergehend.
Die Farbe dieſes Lichtes haͤngt alſo von den dampffoͤrmigen Materien ab, die ſich in dem Vacuo befinden, und das Leuchten ſelbſt hoͤrt bei einer ſehr verminderten Dichtigkeit der Daͤmpfe und der Luft beinahe voͤllig auf. Nach Davy's Anſicht iſt es alſo vor - zuͤglich eine durch die Natur der waͤgbaren Subſtanzen in dem von Luft entleerten Raume bewirkte Erſcheinung, die wir hier beobach - ten; doch ſcheint ihm der noch ſichtbare ſchwache Ueberreſt von Licht bei einem faſt unendlich duͤnnen Queckſilberdampfe in tiefer Tem - peratur nicht wohl hierdurch erklaͤrlich zu ſein.
Bei ſehr großen Kaͤltegraden wurde die Schnelligkeit der Ent - ladung oder das Durchſtroͤmen durch den luftleeren Raum ſtark vermindert, ſo daß eine ſchwach geladene Flaſche als dann durch die torricelliſche Leere hindurch nicht mehr mit Exploſion entladen wer - den konnte, ſondern ihre Electricitaͤt nur langſam verlor. Hier - nach ſchienen alſo vorzuͤglich die den luftleeren Raum immer erfuͤl - lenden Daͤmpfe die Leitung der Electricitaͤt zu bewirken. Davy ſah zwei in jenem torricelliſchen Vacuo angebrachte, an Metallfaͤden haͤngende Kuͤgelchen ſich eben ſo abſtoßen, wie im luftvollen Raume. Dieſe, von andern Beobachtern bezweifelte, Erſcheinung ſcheint anzudeuten, daß die Mittheilung an die Daͤmpfe doch langſam genug geſchieht, um den electriſirten Leitern einen Theil ihrer La - dung zu laſſen. Gilbert wirft hiebei die Frage auf, ob nicht hierdurch Coulombs, Poiſſons und Biots Behauptung, daß der Widerſtand der Luft die electriſche Ladung in den gewoͤhn - lichen Faͤllen zuſammenhalte, aufgehoben werde? — und aller - dings muͤſſen wir in Beziehung auf dieſe Erſcheinungen wohl noch neue Belehrungen abwarten, um alles mit voͤlliger Sicherheit zu uͤberſehen.
Uebrigens erklaͤren dieſe Verſuche die Verſchiedenheit des far - bigen Lichtes, welches man in verſchloſſenen luftleeren Roͤhren bemerkt, indem die verſchiedenen, zufaͤllig oder abſichtlich in die Roͤhren gebrachten Daͤmpfe gewiß dieſe Farben veranlaſſen.
298Noch eine Erſcheinung der Electricitaͤt im luftleeren Raume iſt ſehr bekannt, naͤmlich die des leuchtenden Barometers. Wenn man das Queckſilber in der Barometerroͤhre den luftleeren Raum durchlaufen laͤßt, ſo bringt das Reiben deſſelben am Glaſe Electri - citaͤt hervor, die man durch ein weißliches, nur im Dunkeln ſicht - bares, Licht wahrnimmt.
Wenn eine nicht zu ſchwache Electriſirmaſchine eine Zeit lang durch Ueberſchlagen von Funken oder Ausſtroͤmen der Electricitaͤt in die Luft wirkſam geweſen iſt; ſo bemerkt man einen eigenthuͤm - lichen, — phosphoriſchen, Geruch, der ohne Zweifel Wirkung der Electricitaͤt iſt, doch wiſſen wir nicht, welchen Antheil die Metalle hieran haben, durch welche wir faſt immer die Ausſtroͤmungen der Electricitaͤt ſtatt finden laſſen.
Um bei den bald zu erwaͤhnenden ſtarken Wirkungen der Electricitaͤt nicht durch die Erzaͤhlung der Mittel unterbrochen zu werden, deren man ſich, um ſie zu bewirken, bedient hat, will ich hier einige Nachrichten, theils von den Inſtrumenten, die hiezu brauchbar ſind, theils von der großen Electriſirmaſchine van Ma - rums einſchalten.
Bei den meiſten der folgenden Verſuche koͤmmt es darauf an, einen ſtarken Entladungsfunken auf beſtimmte Gegenſtaͤnde hin zu leiten, und dazu iſt, wenn nicht von allzu langen Draͤthen oder andern ſehr großen Gegenſtaͤnden die Rede iſt, Henley's allge - meiner Auslader vorzuͤglich bequem. Sein Zweck iſt, die beiden Kugeln (Fig. 92. ) A, B, einander ſo zu naͤhern, daß ſie den Ge - genſtand, welchen der Schlag treffen ſoll, zwiſchen ſich haben, und ſie dann vermittelſt der Leiter AC, BD, mit den beiden Belegun - gen der Batterie in Verbindung zu ſetzen. Um dieſe Zwecke zu erreichen, ruhen jene Leiter auf Glasſaͤulen EF, GH, und laſſen ſich theils durch Hin - und Herſchieben in den Faſſungen I, K, in die gehoͤrige Entfernung, theils durch Drehung bei I, K, in alle willkuͤhrliche Lagen bringen. Man kann nun zwiſchen den Kugeln299 A, B, einen Drath ausſpannen, oder auf das uͤber L angebrachte Tiſchchen den Koͤrper legen und mit ihm an beiden Seiten die Kugeln in Beruͤhrung bringen, oder man kann den Koͤrper zwi - ſchen den beiden Platten des Tiſchchens feſtſchrauben. In den einen Ring C wird dann eine Kette, die von der aͤußern Belegung der Flaſchen herkoͤmmt, befeſtigt, den andern Ring D bringt man in Verbindung mit der Kugel C, Fig. 83., oder der Kugel E, Fig. 84., damit beim Entladen der Batterie der Funke von A auf B, Fig. 92. uͤbergehen muͤſſe.
Unter den Maſchinen, mit welchen die auffallendſten Erfolge hervorgebracht ſind, nimmt doch wohl immer noch die Electriſir - maſchine, deren van Marum ſich bediente, den erſten Platz ein, indem von den neueren Maſchinen, wenn ſie auch allein ſehr große Wirkung thaten, mir doch nicht bekannt iſt, daß ſie mit ſo ausgezeichnet großen Batterien in Verbindung geſetzt waͤren. Jene Maſchine iſt eine Scheibenmaſchine, mit zwei Scheiben von 65 Zoll (engl.) Durchmeſſer, die jede von zwei Reibzeugen gerieben werden. Dem Conductor dieſer Maſchine, welcher die poſitive Electricitaͤt des Glaſes aufnahm, ward ein zweiter Leiter, der am andern Ende eine Ableitung hatte, gegen - uͤbergeſtellt, und dieſer empfing bis zu 24 Zoll Entfernung die Funken. Dieſe Funken brachten ſo viel Electricitaͤt auf den zwei - ten Leiter hinuͤber, daß die Ableitung durch einen Kupferſtab von ⅜ Zoll Durchmeſſer nicht zureichend war, ſondern dieſer Kupferſtab, welcher die Electricitaͤt an die ſehr große Metallmaſſe eines Blei - daches mittheilte, Funken ſeitwaͤrts auf benachbarte Koͤrper gab, ſo oft der zweite Leiter einen Funken empfing. Der ſonſt nur aus Spitzen oder kleineren Kugeln ausſtroͤmende Lichtbuͤſchel ging bei dieſer Maſchine aus einer 4 zolligen Kugel hervor, und breitete ſich in der Luft bis 15 Zoll weit aus. Der Funke aus dem Haupt - leiter allein ſchmelzte Goldblaͤttchen von 20 Zoll lang. Bei der großen Staͤrke der erregten Electricitaͤt hemmten ſelbſt 12 Fuß lange ſeidene Schnuͤre und 5 Fuß hohe Glasſaͤulen nicht ganz die Ableitung, und es wurde durch Anbringung jener ſeidenen Schnuͤre, denen man doch keine Ableitung haͤtte zutrauen ſollen, die Weite des Funkenſchlagens ſehr abgekuͤrzt. — Fuͤr die Ladung mit nega - tiver Electricitaͤt am Reibzeuge war die Maſchine weniger vortheil -300 haft eingerichtet. Zu dieſer Maſchine beſaß van Marum an - fangs eine Batterie von 135 Quadratfuß Belegung, ſpaͤter eine von 225 Quadratfuß, zuletzt eine aus 100 Flaſchen beſtehende von 550 Quadratfuß Belegung. Dieſe groͤßte Batterie ward von der immer mehr verbeſſerten Maſchine durch 100 Umdrehungen der Scheiben ſo vollſtaͤndig geladen, daß ſie ſich uͤber den 4 Zoll breiten unbelegten Rand der Flaſchen ſelbſt entladete, wobei die Flaſche, welche ſich entladete, durchbohrt ward; — um dieſen Nachtheil zu vermeiden, mußten ſo ſtarke Ladungen nachher ver - mieden werden.
Schon der Funke aus dem Leiter einer ganz gewoͤhnlichen Maſchine zuͤndet Weingeiſt, zumal wenn dieſer etwas erwaͤrmt iſt. Es ſetzte die fruͤhern Beobachter in Erſtaunen, daß ſelbſt der Funke, der aus dem menſchlichen Koͤrper hervorgeht, wenn ein Menſch ſich iſolirt electriſiren laͤßt, zuͤndend wirken konnte. Sehr leicht entzuͤndet ſich auch eine Kohle, auf die man einige wenige Tropfen Aether gebracht hat. Noch leichter entzuͤndet ſich die Knallluft, und ſelbſt eine, nicht ſtrenge in den richtigen Verhaͤlt - niſſen genommene und mit Stickgas verunreinigte, Miſchung aus atmoſphaͤriſcher Luft und Waſſerſtoffgas entzuͤndet ſich durch den einfachen electriſchen Funken. Man bringt dieſe Miſchung in eine hinreichend ſtarke Roͤhre (Fig. 93.), die dann bei A mit einem Kork verſchloſſen wird; in dem Innern dieſer Roͤhre ſtehen ſich die beiden Kugeln D der Metalldraͤthe CD, ED, einander gegenuͤber, damit hier der Funke uͤberſchlage, wenn man an E eine Ableitung anbringt und den Funken der Maſchine auf C ſchla - gen laͤßt. Die Metalldraͤthe ſind vermittelſt einer ſie umgebenden Glasroͤhre iſolirt, damit der Funke durch ſie allein uͤberſchlage. Der Funke entzuͤndet die Knallluft und dabei wird der Kork her - ausgeworfen.
Mit der electriſchen Flaſche laſſen ſich mehrere Zuͤndungs - verſuche anſtellen, indem Harz auf Baumwolle geſtreut durch dieſen Funken entzuͤndet wird, indem ein eben ausgeblaſenes, noch rau - chendes Wachslicht wieder angezuͤndet wird, u. ſ. w.
301Einige Zuͤndungsverſuche fordern beſondre Vorkehrungen. So leicht das Schießpulver ſich entzuͤndet, ſo erfolgt dieſe Entzuͤndung doch nicht, wenn man den Schlag, ſelbſt einer ſtarken Flaſche, durch die gewoͤhnliche Entladung vermittelſt metallener Leiter durch dasſelbe gehen laͤßt, ſondern es wird dann nur herumgeworfen. Laͤßt man dagegen die Leitung durch eine feuchte haͤnfene Schnur gehen, ſo entzuͤndet ſich das Schießpulver durch eben denſelben Schlag gewiß. Der weniger ſchnelle, obgleich immer noch als momentan erſcheinende, Durchgang des electriſchen Funkens, der bei der ſchlechten Leitung des feuchten Koͤrpers mehr Widerſtand findet, muß wohl hier gerade noͤthig ſein, um dem Entzuͤnden des Schießpulvers Zeit zu laſſen, ſtatt daß die noch mehr in einem ein - zigen Stoß vereinigte Wirkung der vollkommen guten Leitung zu ſchnell voruͤbergehend war. Statt der befeuchteten Schnur kann man auch eine Roͤhre mit Waſſer als Theil der Leitung anbringen, und Leuthwaite bemerkt, daß eine Flaſche von 1 Quadratfuß Belegung zu dem Verſuche hinreiche, daß er aber nicht gelinge, wenn man die Roͤhre mit Schwefelſaͤure, als einem beſſern Leiter, fuͤllt.
Wenn man zwiſchen den Kugeln des henleyſchen Ausladers einen duͤnnen Metalldrath ausſpannt, und durch dieſen den Fun - ken einer Batterie von 20, 30 Quadratfuß Belegung gehen laͤßt; ſo erhitzt ſich der Drath, weil er zu duͤnne iſt, um dieſe große Menge electriſcher Materie mit Leichtigkeit durchzuleiten. Harris hat den Grad dieſer Erhitzung mit einer Art von Luftthermometer un - terſucht, indem er (Fig. 94.) den duͤnnen Drath AB, durch eine mit Luft gefuͤllte Kugel gehen ließ, und die Ausdehnung der Luft an dem Zuruͤckdraͤngen des Queckſilbers in der Roͤhre CD beobach - tete. Nahm man gleich dicke Draͤthe aus verſchiedenen Metallen, ſo betrug die Ausdehnung der Luft fuͤr Silber und Kupfer nur 6 Theile, fuͤr Gold 9, Zink 18, Platin und Eiſen 30, Zinn 36, Blei 72; offenbar wurden die ſchlechter leitenden Metalle ſtaͤrker erhitzt.
Dieſe Erhitzung geht nun bei duͤnnen Draͤthen und ſtarken Batterien ſo weit, daß die Draͤthe ſchmelzen und die geſchmolzenen Tropfen gluͤhend umhergeworfen werden. Dieſe Schmelzung ge -302 lingt bei deſto groͤßern Laͤngen, je ſtaͤrker die Batterie iſt, und van Marum konnte mit ſeiner Batterie von 225 Quadratfuß Belegung 25 Fuß Eiſendrath von $$\frac{1}{7}$$ Linie dick, und 40 Fuß Eiſen - drath von $$\frac{1}{20}$$ Linie dick ſchmelzen. Van Marum ſchließt aus ſeinen Verſuchen, daß bei gleicher Dicke des Drathes die Laͤnge, die man ſchmelzen kann, ſehr genau der Groͤße der belegten Flaͤche proportional iſt. Aber die Schmelzung erfolgt hier nicht bei den Metallen am leichteſten, die im Feuer am leichteſten ſchmelzbar ſind, ſondern bei denen am ſchwerſten, welche die beſten Leiter der Electricitaͤt ſind. Nach den eben vorhin angefuͤhrten Verſuchen iſt dies auch nicht unerwartet. Von Draͤthen, die alle ⅜ Linien Durchmeſſer hatten, wurden 120 Zoll geſchmolzen, wenn ſie aus den leicht ſchmelzbaren und zugleich ſchlechter leitenden Metallen, Zinn und Blei beſtanden, von dem ſchwer ſchmelzbaren Eiſen wur - den 5 Zoll, von dem viel leichter ſchmelzbaren, aber ſo ſehr gut lei - tenden Silber und Kupfer kaum ¼ Zoll geſchmolzen. Van Marum zeigte die beſſere Leitung des Kupfers in Vergleichung gegen das Eiſen noch durch einen andern Verſuch. Es wurde ein Eiſen - drath von $$\frac{1}{20}$$ Linie und parallel mit demſelben ein eben ſo langer Eiſendrath von $$\frac{2}{9}$$ Linie Durchmeſſer aufgeſpannt, ſo daß der Ent - ladungsſchlag durch beide ſeinen Weg nahm; dann wurde 6 Zoll des duͤnnen Eiſendrathes geſchmolzen. Nahm er dagegen einen eben ſo langen duͤnnen Eiſendrath, wie vorhin, und daneben einen $$\frac{2}{9}$$ Lin. dicken und eben ſo langen Kupferdrath, ſo blieb jener ganz unge - ſchmolzen, weil der Kupferdrath Leitung genug, um alle Electri - citaͤt durch beide Draͤthe abzuleiten, darbot.
Iſt der Metalldrath fein, ſo wird er oft nicht bloß geſchmol - zen, ſondern verbrennt und ſteigt als Rauch auf, das iſt, er wird in Oxyd verwandelt. Sammelt man den aus dem Rauche nieder - fallenden Staub, ſo findet man, daß dieſer aus Metall-Oxyd beſteht. Van Marum hat die Erſcheinungen dieſes Oxydirens bei vielen Metalldraͤthen, die er nahe uͤber weißem Papiere aus - ſpannte und dann dem heftigen Schlage ausſetzte, beobachtet; der auf dem Papiere nach der Entladung gelagerte Staub iſt bei jedem Metalle von einer andern Farbe, ſo wie es den Oxyden angemeſſen iſt. Van Marum hat ſich uͤberzeugt, daß in Stickgas dieſe Oxydation nicht ſtatt findet. Auch bei kleinern Batterien gelingt303 der Verſuch, Eiſendrath, wenn er recht ſehr fein iſt, zu verbrennen. Noch beſſer aber zeigt ſich das entſtandene Oxyd, wenn man einen ſchmalen Streifen aͤchtes Blattgold zwiſchen zwei Glasplatten legt, dieſe zwiſchen die beiden Platten des Tiſchchens L, auf dem Aus - lader (Fig. 92.) feſt ſchraubt, und die Kugeln A, B, an beide En - den des Streifens anlegt; der durch dieſes Blaͤttchen gehende Schlag verwandelt den groͤßten Theil deſſelben in ein feſt in das Glas eingebranntes Gold-Oxyd. Auch die entgegengeſetzte Er - ſcheinung, naͤmlich die Herſtellung der Metalle aus ihren Oxyden, hat van Marum durch die Electricitaͤt bewirkt.
Schon mit einer einzigen Flaſche gelingt es, den Funken durch ſtarke Pappe oder ein Buch Papier ſchlagen zu laſſen. Das Loch, welches er hervorbringt, iſt nach beiden Seiten mit einem aufgeworfenen Rande umgeben, uͤbrigens immer nur ſehr klein. Legt man ein Goldblatt zwiſchen die Blaͤtter des Papieres, ſo ent - ſteht da, wo dieſes getroffen iſt, ein Purpurfleck auf dem Papiere. Iſt der Schlag ſtark genug, ſo ſchlaͤgt er auch durch ein dickes Packet Spielkarten, und bildet nur ein in einerlei Richtung fort - gehendes Loch, wenn auch die Kugeln des Ausladers einander nicht gerade gegenuͤber, ſondern ſo wie A, B, (Fig. 95.) ſtehen. Befindet ſich aber zwiſchen den Karten ein Metallſtreif CD, ſo findet man dieſen an zwei Stellen durchbohrt, und die Electricitaͤt muß den in der Figur bezeichneten Weg genommen haben. Man hat dies als einen ganz beſtimmten Beweis fuͤr das Daſein zweier Materien angenommen; aber es iſt gewiß, daß auch dieſer Verſuch ſich nach Franklins Theorie erklaͤren laͤßt. So ſehr wir naͤmlich geneigt ſind, den Schlag als momentan anzuſehen, ſo duͤrfen wir doch nie vergeſſen, daß es in der That auf einander folgende Erſcheinungen ſind, die nur fuͤr unſre Beobachtung zu ſchnell auf einander folgen; wir muͤſſen daher bedenken, daß, wenn wirklich nur eine einzige electriſche Materie von A aus nach B uͤbergeht, dieſes mit folgenden Umſtaͤnden begleitet iſt: Ehe der Funke von A ausgeht, iſt der Metallſtreif bei C negativ, bei D poſitiv, weil die Karten als ſchlechtere Leiter dieſe Vertheilung nicht304 weſentlich aͤndern, und darum ſchlaͤgt der Funke beinahe geradezu von A auf den Metallſtreifen; die electriſche Materie durchlaͤuft nun den Metallſtreifen CD und erſt in dieſem Augenblicke tritt die volle Wirkung der negativen Electricitaͤt in B hervor, wodurch das zweite Ueberſchlagen bei B bewirkt wird. Es verſteht ſich, daß die Erklaͤrung durch zwei electriſche Materien eben ſo leicht iſt. Den Umſtand, daß die Loͤcher nach beiden aͤußern Seiten aufgeworfene Raͤnder haben, erklaͤrt man durch die explodirende Gewalt, die mit dem Schlage verbunden iſt.
Ein Verſuch, der vorzuͤglich die Gewalt des electriſchen Fun - kens zeigt, iſt das Durchbohren oder Zerſprengen einer Glasplatte; aber dieſer Verſuch fordert ſchon eine ſtarke Batterie. Man ſtellt eine große Glasplatte auf dem Auslader auf, bringt die beiden Kugeln gerade einander gegenuͤber mit ihr in Beruͤhrung, und ent - ladet die Batterie. Hier ereignet es ſich nun oft, daß die Glas - platte zu dick iſt, und keine Entladung erfolgt, weil der Uebergang der Electricitaͤt durch die Glasplatte gehindert wird; aber noch oͤfter ſchlaͤgt der Verſuch dadurch fehl, daß der Funke, wenn er auch meh - rere Zolle auf der einen Seite und eben ſo mehrere Zolle zuruͤck auf der andern Seite der Glasplatte durchlaufen muß, dennoch dieſen Weg lieber waͤhlt, und ohne das Glas zu zerſchlagen, die Entladung bewirkt. Dem letzten Umſtande kann man dadurch vorbeugen, daß man den ganzen Rand des Glaſes an beiden Seiten mit einem Lackfirniß uͤberzieht. Da wo der Funke uͤber das Glas ſchlaͤgt, bemerkt man, ſelbſt bei nur ſchwachen Funken, daß ſein Weg auf dem Glaſe durch eine Verletzung der Oberflaͤche bezeichnet iſt.
Einer der auffallendſten hieher gehoͤrenden Verſuche iſt fol - gender von van Marum. In einen Cylinder von ſehr feſtem Buxbaumholze waren Metalldraͤthe in der Axe hineingedruͤckt, ſo daß ſie in ziemlicher Entfernung im Innern einander gegenuͤber ſtanden. Indem nun der Funke auf die Draͤthe und durch die Materie des Holzes ſchlug, ward der Cylinder geſpalten, obgleich er 4 Zoll hoch und 4 Zoll dick war, alſo 16 Quadratzoll Flaͤche aus einander geſprengt werden mußten, wozu nach van Ma - rums Berechnung eine Kraft von 9800 Pfund erforderlich war.
Unter den chemiſchen Wirkungen, welche der electriſche Funke hervorbringt, und zu welchen auch die Oxydationen gehoͤren nebſt den von van Marum gleichfalls bewirkten Herſtellungen der Metalle aus ihren Oxyden, will ich nur noch die Zerſetzung des Waſſers erwaͤhnen. Um ſie mit geringern electriſchen Kraͤften her - vorzubringen, hat Wollaſton folgendes Verfahren angegeben. Man laͤßt die feinſten Platindraͤthe, die man erhalten kann, in Glas einſchmelzen, feilt ſie dann an der einen Seite bis auf die Oberflaͤche des Glaſes ab und ſetzt zwei ſolche im Glaſe liegende Drathſpitzen einander in einer mit Waſſer gefuͤllten Roͤhre gegen - uͤber. Die wiederholten Schlaͤge einer kleinen, ſich oft nach ein - ander entladenden Flaſche verwandeln das Waſſer in Luft, die ſich als eine Miſchung von Waſſerſtoffgas und Sauerſtoffgas zeigt. Der Verſuch gelingt ſo am leichteſten, weil die Wirkung ſich ſo ſehr auf einen kleinen Raum vereiniget.
Eine andre Wirkung des uͤberſchlagenden electriſchen Funkens iſt die, daß die Oberflaͤchen, uͤber welche er fortgegangen iſt, auf einige Zeit leuchtend werden. Nach Singers Verſuchen findet dies bei Kreide, Zucker, Borax und manchen andern Koͤrpern ſtatt. Pearfall hat beſonders uͤber die Koͤrper, welche durch Waͤrme phosphoreſcirend werden, Verſuche angeſtellt, und gefunden, daß dieſe auch durch Electricitaͤt leuchtend werden, ferner daß die Koͤr - per, denen man durch heftiges Gluͤhen ihre Eigenſchaft zu phos - phoreſciren geraubt hatte, dieſe wieder erlangten, wenn man den electriſchen Funken uͤber ſie ſchlagen ließ.
Daß bei der Entladung großer Batterien auf eine ſchoͤn polirte Flaͤche von Stahl, Silber, Meſſing Flecke entſtehen, iſt ohne Zweifel eine Folge der Oxydirung der Metalle. Eben darauf ſchei - nen auch die farbigen Kreiſe zu beruhen, die man erhalten hat, wenn man einer polirten Metallflaͤche gegenuͤber eine Spitze auf - ſtellte, und die Entladung von der Spitze auf die Metallplatte gehen ließ.
Mancherlei andre Verſuche, z. B. daß Koͤrper, die nicht voll -III. U306kommen gut leiten, im Dunkeln ſich als durchſcheinend zeigen, waͤhrend der electriſche Funke durch ſie geht, darf ich wohl uner - waͤhnt laſſen*)Zahlreiche Verſuche aller Art fuͤhren Sartorph und Sin - ger an. Sartorphs Darſtellung der Electricitaͤtslehre, aus dem Daͤniſchen von Fangel. 2 Theile. Kopenhagen 1803. Singers Elemente der Electricitaͤt und Electrochemie, uͤberſ. von C. H. Muͤl - ler. Breslau. 1819..
Schon kurz nach den erſten Entdeckungen uͤber das electriſche Licht dachte Wall an eine Uebereinſtimmung zwiſchen dem ploͤtz - lich hervorgehenden electriſchen Lichte und dem Blitze, und zwiſchen dem geringen Laute, den man bei dem electriſchen Funken hoͤrt, und dem Donner; indeß war dieſe Vergleichung damals und auch ſpaͤter noch zu oberflaͤchlich, um weiteren Erfolg zu haben. Bei den ſich immerfort vermehrenden Erfahrungen uͤber Wirkungen der Electricitaͤt, die den gewaltſamen Wirkungen des Blitzes aͤhn - lich ſind, ward man immer naͤher auf jene Vergleichung hingelei - tet; aber doch hat vor Franklin niemand dieſe vollſtaͤndig durchgefuͤhrt, noch den Gedanken, mit der Gewitter-Electricitaͤt electriſche Experimente anzuſtellen, ausgeſprochen. Die Schmel - zungen durch den electriſchen Funken, die Entzuͤndungen, die durch das heftige Ueberſchlagen des Funkens bewirkten Zerſtoͤrun - gen, gaben, ſo wie das ploͤtzliche Entſtehen und Voruͤbergehen des electriſchen Lichtes, Veranlaſſung genug, um den Blitz als einen ſehr maͤchtig wirkenden electriſchen Funken anzuſehen. Aber Franklin fuͤgte zu dieſen Aehnlichkeiten noch die wichtige Be - merkung hinzu, daß der einſchlagende Blitz, eben ſo wie der elec - triſche Funke, an guten Leitern ohne nachtheilige Wirkungen fort -307 geht, beim Ueberſchlagen von einem Leiter zum andern aber zerſtoͤ - rende Wirkungen, Schmelzungen und zuͤndende Funken hervor - bringt. Dieſe Bemerkung iſt durch alle ſpaͤtern Beobachtungen beſtaͤtigt worden. Wenn der Blitz in ein Gebaͤude einſchlaͤgt und dieſes nicht in Brand ſetzt, ſo kann man gewoͤhnlich die Spuren der von ihm bewirkten Zerſtoͤrungen und dadurch den Weg, den er genommen hat, leicht verfolgen, und findet immer, daß er nach Metallen uͤberzuſchlagen und von dem Ende einer laͤngern Me - tallleitung zu einer andern zu gelangen, ein Beſtreben zeigt. Iſt dieſe Metallleitung zu ſchwach, ſo geht er auf mehrern Wegen fort und gelangt ſo zur Erde. Hat er, zum Beiſpiel, an den duͤn - nen Metalldraͤthen, die in den Waͤnden den Kalk-Ueberzug feſt - halten, nicht genug Leitung gefunden, oder hat eine Unterbrechung dieſes Drathes ihn zum Ueberſchlagen genoͤthigt, ſo ſprengt er den uͤber den Draͤthen liegenden Kalk ab; muß er durch Holz dringen, um eine Metallleitung wieder zu erreichen, ſo zertruͤmmert er dieſes auf eine oft wunderbar ſcheinende und von der groͤßeſten Kraft zeugende Weiſe.
Indem nun Franklin die wichtige Eigenſchaft der electri - ſchen Materie, durch vollkommen leitende Koͤrper ohne alle ſicht - baren Zeichen durchzugehen, in Erwaͤgung zog, ſo machte er den Schluß, daß auch der Blitz, wenn er einem guten Leiter von den hoͤchſten Theilen des Gebaͤudes bis zur Erde folge, ohne zerſtoͤrende Wirkungen die Erde erreichen werde. Um aber die Meinung, daß wirklich der Blitz ein großer electriſcher Funke ſei, voͤllig zu beſtaͤti - gen, wuͤnſchte er durch einen hoch in die Luft aufgeſtiegenen Dra - chen Wirkungen der atmoſphaͤriſchen Electricitaͤt auf die Erde her - abzuleiten und zu beobachten. Er ließ daher im Juni 1752 an einem Tage, wo Gewitter zu drohen ſchienen, einen Drachen ſtei - gen, an deſſen haͤnfener Schnur er zuerſt die gegenſeitige Abſtoßung einiger frei haͤngenden Faͤden bemerkte, dann aber Funken aus einem daran gehaͤngten Schluͤſſel zog. Im folgenden Jahre hatte er auf ſeinem Hauſe eine Stange angebracht, um die Wirkungen der Gewitter-Electricitaͤt naͤher zu pruͤfen, wo er ſich dann uͤber - zeugte, daß ſie bald mit der poſitiven, bald mit der negativen Elec - tricitaͤt uͤbereinſtimmte. In den letztern Verſuchen waren ihm unterdeß ſchon Dalibart und Delor in Frankreich zuvor -U 2308gekommen, welche, durch Franklins Schriften veranlaßt, ſei - nen Gedanken von der Herableitung des Blitzes ſchon im Mai 1752 durch einen Verſuch beſtaͤtigt fanden. Dalibart naͤmlich hatte eine iſolirte eiſerne Stange auf ſeinem Hauſe errichtet, und aus dieſer ſchlugen bei Annaͤherung einer Gewitterwolke große Fun - ken hervor. Die Verſuche mit dem Drachen wurden etwas ſpaͤter von de Romas wiederholt, der einen Drachen ungefaͤhr 550 Fuß hoch ſteigen ließ. Er bediente ſich einer mit Metalldrath durchwirkten Schnur, die er an einer ſeidenen Schnur hielt, um die Wirkungen der Electricitaͤt nicht auf ſich ſelbſt herab zu ziehen; die leitende Schnur endigte ſich in einen Blechcylinder, welcher 3 Fuß von der Erde entfernt war und dennoch Strohhalme von der Erde anzog, und endlich drei laut knallende Funken gegen die Erde gab. Dieſe Erfahrungen zeigen, daß man ſelbſt auf eine gefaͤhrliche Weiſe durch dieſe Mittel die Gewitter-Electricitaͤt auf die Erde herabziehen koͤnne, ſelbſt wenn kein eigentlicher Blitz auf die Leitung trifft.
Man hat in der Folge oft Metallſtangen iſolirt auf Gebaͤu - den aufgerichtet, um an ihren untern Enden Beobachtungen uͤber die Electricitaͤt der Atmoſphaͤre anzuſtellen, und wenn ſich in gehoͤ - riger Naͤhe unter dieſer Leitung eine bis zur Erde gehende Ablei - tung befindet, auf welche bei zu ſtarkem Andrange der atmoſphaͤ - riſchen Electricitaͤt dieſe ohne Nachtheil uͤberſchlagen kann, ſo kann man dieſe Einrichtung als ganz ungefaͤhrlich anſehen. Franklin hatte, um von dem zu irgend einer Zeit eintretenden ſtaͤrkern Grade der Electricitaͤt unterrichtet zu werden, mit dieſer Stange ein Glockenſpiel verbunden, an welchem die Kloͤppel, angezogen von der oben ſtehenden Auffangeſtange und dann zuruͤckgeſtoßen zu den mit der Ableitungsſtange in Verbindung ſtehenden Glocken, die ſtaͤrkeren Grade der Electricitaͤt in der Luft anzeigten. Daß man bei dieſen unterbrochenen Metallleitungen in Gefahr kommen kann, wenn man den eignen Koͤrper ihnen zu ſehr naͤhert, iſt offenbar, indeß darf man nicht gerade Richmanns ſo oft angefuͤhrtes Schickſal, welcher am 6. Aug. 1753 an einer ſolchen Vorrichtung getoͤdtet wurde, als ſo ſehr abſchreckend anſehen, da ſich bei ihm der immer hoͤchſt ſeltne Fall ereignete, daß ein ſtarker Blitz gerade in dem Augenblicke jene Stange traf, als er ſich ihr mit dem Kopfe309 zu ſehr naͤherte; bei gehoͤriger Vorſicht wuͤrde man ſelbſt waͤhrend eines Gewitters Beobachtungen an einer ſolchen unterbrochenen Leitung anſtellen koͤnnen, wie es von Gersdorf oft ſoll gethan haben.
Nach jenen, ſchon von Franklin in Betrachtung gezoge - nen, Erfahrungen konnte es keinen Zweifel leiden, daß ein Ge - baͤude, an welchem ein guter Leiter herabgeht, in dem Falle, da dieſer vom Blitze getroffen wird, keiner großen Gefahr ausgeſetzt ſei, und auf ſie gruͤndete eben Franklin die Erfindung der Blitz - Ableiter; aber man kann noch die Frage aufwerfen, ob denn gerade dieſer Blitz-Ableiter, dieſe Metallleitung ſelbſt, vom Blitze wird aufgeſucht werden? Wenn wir ein vom Blitze getroffenes Haus ſehen, wo der Blitz ſich bald hier bald dort eine Reihe von Leitern aufgeſucht und um den einen oder andern derſelben zu erreichen, dicke Waͤnde durchbrochen, große Holzmaſſen zerriſſen und andre Zerſtoͤrungen angerichtet hat, ſo ſcheint es uns beim erſten Anblicke ſeltſam, wie er dieſen Weg in ſeinem ungemein ſchnellen Laufe aufgefunden habe, und wir denken gewoͤhnlich nicht daran, daß dieſer Weg ſchon beim erſten Antreffen des Blitzes gewiß als noth - wendig vorgezeichnet war. So ſchnell naͤmlich auch die ſaͤmmt - lichen Erſcheinungen von dem Hervorgehen des Blitzes aus der Wolke bis zu ſeinem letzten Uebergange in die Erde auf einander folgen, ſo ſind ſie doch in ihrem Fortgange nicht ſo ſchnell, daß nicht jede einzelne als eine Wirkung hervorbringend, aus welcher die folgende nothwendig entſpringt, koͤnnte angeſehen werden. Schon waͤhrend die Wolke den Blitz hervorzubringen im Begriff iſt, haben alle benachbarten Leiter ihren electriſchen Zuſtand veraͤn - dert, und wenn ein poſitiv-electriſcher Schlag im Ausbrechen iſt, ſo ſind alle obern Enden der Leiter AB, CD, EF, GH, (Fig. 96.) in negativem, die untern Enden im poſitiven Zuſtande; die Nicht - leiter dagegen oder die ſchlechten Leiter nehmen an dieſer Verthei - lung der Electricitaͤt nur in geringem Grade Antheil. Da nun, wie Sie wiſſen, der poſitiv-electriſche Funke dahin ſchlaͤgt, wo der negative Zuſtand am meiſten hervorgetreten iſt, ſo ſchlaͤgt er auf den bei A negativen Leiter eher als auf die umgebenden Nichtleiter310 zu; indem er ſich naͤhert, wird A je mehr und mehr in negativen Zuſtand, B in poſitiven Zuſtand verſetzt, und in aͤhnlichem Fort - gange tritt auch in C, E, G, die negative Electricitaͤt durch die Einwirkung des Blitzes ſowohl als der nahen poſitiven Theile, B, D, F, hervor; in dem Augenblicke, da AB vom Blitze durch - laufen und poſitiv geladen iſt, erreicht C den hoͤchſten Grad des negativen Zuſtandes, und da dieſer in den umgebenden Nichtleitern nicht ſo eingetreten iſt, ſo ſchlaͤgt der Blitz von B nach C uͤber, und bringt in auf einander folgenden Zeitmomenten eben die Wirkun - gen in EF, GH hervor. Und hieraus erhellt nun, warum der ununterbrochene Blitz-Ableiter vorzugsweiſe vom Blitze getroffen werden, warum er den benachbarten Koͤrpern zu einem Schutze gegen den Blitz dienen wird; denn es iſt offenbar, daß in I die anziehende Kraft der negativen Electricitaͤt fuͤr den poſitiven Blitz viel groͤßer als in A ſein muß, wenn IK ein ununterbrochener Leiter iſt, indem in A die in der Naͤhe gebliebene poſitive Ladung bei B der Anziehung entgegen wirkt. Aus dieſer Ueberlegung erhellt, daß der Blitz, wenn der Ableiter IK da iſt, auf dieſen ſchlagen, und die unterbrochene Leitung nicht treffen wird.
Bis zu welcher Entfernung dieſe Sicherung ſtatt findet, iſt, auch in dem Falle, wo der Ableiter IK ganz vollkommen iſt, eine ſchwer zu beantwortende Frage, und einzelne Faͤlle beweiſen, daß unter unguͤnſtigen Umſtaͤnden dieſe Entfernung nicht ſo ſehr groß, vielleicht kaum 50 Fuß, iſt. In Hinſicht hierauf muß man da, wo man beſtimmte Sicherung hervorzubringen wuͤnſcht, den Kreis der Wirkſamkeit des Blitz-Ableiters nicht groͤßer vorausſetzen, ob - gleich es wohl gewiß iſt, daß in vielen Faͤllen der Blitz auch ent - ferntere Gegenſtaͤnde vermeidet, um den vollkommenen Leiter zu treffen.
Was die Einrichtung des Blitz-Ableiters betrifft, ſo erhellt von ſelbſt, daß er ein vollkommener und ununterbrochener Leiter ſein und von den hoͤchſten Theilen des Gebaͤudes bis in die Erde gehen muß. Gewiß werden die hoͤchſten Theile des Gebaͤudes in der Regel am meiſten in den entgegengeſetzt electriſchen Zuſtand verſetzt, weil ſie der Wolke und dem herabſchlagenden Blitze am naͤchſten ſind, und deshalb trifft der Blitz auch faſt immer die hoͤchſten Spitzen; man laͤßt daher mit Recht den Blitz-Ableiter311 ſich bis ziemlich hoch uͤber den hoͤchſten Theil des Gebaͤudes hin - auf erſtrecken. Daß er aus ſtarken, wohl verbundenen Metall - ſtangen beſtehen muß, verſteht ſich von ſelbſt. Am beſten wuͤr - den die vorzuͤglich gut leitenden Metalle, Silber und Kupfer, zu Blitz-Ableitern paſſen, indeß iſt Eiſen, wenn man hinreichend ſtarke Stangen nimmt, vollkommen brauchbar zu Blitz-Ableitern, und ſelbſt Bleiſtreifen, obgleich ſie ſchlechter leiten und leichter ſchmelzbar ſind, gewaͤhren Sicherheit, wobei van Marum die Beſtimmung giebt, daß man Bleiſtreifen von 4 Zoll Breite und etwa ⅙ Zoll Dicke anwenden koͤnne; ſicherer iſt es indeß, das Maaß der Streifen etwas groͤßer zu waͤhlen; Eiſen iſt auf jeden Fall beſſer. Der Blitz-Ableiter muß nicht zu nahe an andern lang ausgedehnten Metallmaſſen vorbeigehen, damit nicht etwa bei ſehr ſtarken Schlaͤgen ein Theil des Blitzes auf dieſe uͤber - ſpringe. Iſt der Ableiter ſtark genug, ſo ſollte eigentlich die ganze Leitung ohne ein außen ſichtbares Leuchten ſtatt finden; aber ſehr oft hat man den Ableiter leuchtend geſehen, und dennoch iſt der Blitz ohne Nachtheil daran herabgefahren, indeß iſt dies doch im - mer ein Zeichen, daß der Blitzſtrahl zu ſtark fuͤr den Ableiter war. Der Ableiter muß bis in die Erde hinabgehen und zwar ſo tief, daß er feuchte, hinreichend leitende Erde antrifft. Dieſe Regel ſcheint mir nothwendig, indem, wenn man ihn an der Oberflaͤche der Erde ſich endigen laͤßt, vorzuͤglich bei trocknem Wetter, wo die Erde nur ſchlecht leitet, es ſich ereignen kann, daß der den Ableiter unten verlaſſende Funke ſeitwaͤrts auf andre Gegenſtaͤnde uͤberſchlaͤgt*)Ueber dieſen Punct ſind die Meinungen verſchieden. Mir ſcheint die moͤgliche Gefahr, die das Ueberſchlagen vom Ende des in die Tiefe gefuͤhrten Leiters mit ſich bringen kann, wenn auch einmal die Erde ein wenig aufgewuͤhlt wird, geringer, als die, daß der oberhalb der Erde endigende Ableiter zu einem ſeitwaͤrts Ueberſchlagen an der Oberflaͤche der Erde Anlaß geben kann und da vielleicht die Fuͤße von Menſchen getroffen werden koͤnnten.. Die Frage dagegen, ob man den obern Theil der Auffangeſtange mit einer ſcharfen vergoldeten Spitze verſehen ſoll, ſcheint mir von geringerer Wichtigkeit. Die Meinung, welche bei der Erfindung der Blitz-Ableiter viel Beifall fand, daß man durch Spitzen die Gewitterwolken ſtill und ohne Blitz entladen312 koͤnne, iſt wohl als unrichtig hinreichend widerlegt, indem theils die Entladung eines ſo ungeheuer großen Leiters wie die Gewitter - wolke durch eine oder einige Spitzen unmoͤglich ſcheint, theils die dort entſtehende Electricitaͤt ſich zu ſchnell entwickelt, um dieſer langſamen Ableitung Zeit zu laſſen; ob man aber hoffen kann, daß der ſchon im Herunterſchlagen begriffene Blitz durch eine Spitze irgend an Kraft verliere, weiß ich nicht, wenn es gleich gegruͤndet iſt, daß die am Ende des Ableiters geſammelte entgegengeſetzte Electricitaͤt in einigem Grade an der Spitze ausſtroͤmen muß. Nach dieſen und aͤhnlichen Ueberlegungen bin ich zwar geneigt, den vergoldeten Spitzen keinen ſonderlichen Werth beizulegen, aber es iſt auch etwas gewagt, ganz entſchieden ſich gegen den einmal ein - gefuͤhrten Gebrauch zu erklaͤren.
Man hat aus manchen einzelnen Beiſpielen von Blitzen, die in der Naͤhe von Blitz-Ableitern eingeſchlagen haben, Gruͤnde hergenommen, um die nuͤtzliche Wirkung der Blitz-Ableiter ver - daͤchtig zu machen; aber dieſes doch gewiß mit Unrecht. Es laͤßt ſich allerdings die ſchwer zu beantwortende Frage aufwerfen, ob der Blitz, welcher ziemlich nahe bei einem Blitz-Ableiter einge - ſchlagen hat, vielleicht nicht eingeſchlagen haͤtte, wenn der Blitz - Ableiter nicht da war; aber es wird kaum moͤglich ſein, daruͤber je ein ſicheres Urtheil zu faͤllen, und nur das koͤnnen wir mit Sicherheit annehmen, daß da, wo er einſchlug, eine vorzuͤglich gute Leitung, ſei es auch nur von uns unſichtbaren Duͤnſten oder Rauch, ſtatt fand, die alſo auch fuͤr ſich allein den Blitz anziehen konnte, ohne daß man dieſes Anlocken dem benachbarten Blitz - Ableiter zuzuſchreiben braucht. Sollte aber auch unter zahlreichen Faͤllen der Fall moͤglich ſein, daß der beinahe horizontal fortge - hende Blitz, (und dieſer Fall waͤre wohl am eheſten denkbar,) zu - erſt (Fig. 97.) von AB, dem vollkommenen Ableiter, herbeigezo - gen, die Richtung GH naͤhme, dadurch aber ſo ſehr in die Naͤhe der ſchlechtern Ableitung CD, EF, kaͤme, daß er ſeine Bahn ver - ließe und auf C ſchluͤge, ſo iſt doch dieſer Fall ſo ſelten und ſo unwahrſcheinlich, daß mein Nachbar darauf eben ſo wenig eine Einwendung gegen meinen Entſchluß, einen Gewitter-Ableiter auf mein Haus zu ſetzen, gruͤnden kann, als er mir verwehren kann,313 mein Haus mit Ziegeln zu decken, deren einer ihn moͤglicher Weiſe im Herabfallen toͤdten kann, wenn er aus ſeiner Hausthuͤr tritt.
Noch einen Einwurf gegen die Gewitter-Ableiter hat man von den, theils aus theoretiſchen Gruͤnden vermutheten, theils auch beobachteten Ruͤckſchlaͤgen hergenommen. Es iſt naͤmlich allerdings richtig, daß nach dem Ueberſchlagen des Blitzes ſich die Electricitaͤt in den Koͤrpern auf der Erde wieder ins Gleichgewicht ſetzen muß, und daß dabei allenfalls wohl Funken hervorgehen koͤnnen. Unter den mannigfaltigen Moͤglichkeiten, die man ſich denken kann, will ich nur eine hervorheben. Es befinde ſich (Fig. 98.) ein durch ſchlechte Leiter unterbrochener Leiter AB, CD, beinahe unter derſelben Einwirkung, wie der gute Leiter LM, ſo wird, unter dem Einfluſſe einer poſitiv-electriſchen Wolke ſo wohl von A als von L die poſitive Electricitaͤt zuruͤckgedraͤngt, und da ſie mit großer Gewalt gegen B gedraͤngt wird, ſo kann ſie gar wohl auch durch den ſchlechten Leiter BC zum Theil nach CD hinuͤber gehen, ſo daß der ganze Leiter AB negativ iſt. Schlaͤgt nun der Blitz auf LM, ſo iſt ſogleich nach dieſem Schlage das Gleichgewicht in der guten Leitung LM hergeſtellt, AB hingegen iſt im negativen Zuſtande und CD hat das Beſtreben, einen po - ſitiven Funken nach B zu ſenden, weil die ſchlechte Leitung CB keine hinreichend ſchnelle Zufuͤhrung der nach und nach zuruͤck - gedraͤngten poſitiven Electricitaͤt geſtattet. Ginge ein ſolcher Funke wirklich vonC nach B uͤber, ſo waͤre das ein wirklicher Ruͤckſchlag, und man weiß Beiſpiele, wo ein ploͤtzliches Leuchten einiger Leiter in Haͤuſern, die der Blitz traf, oder auch aus der Erde hervorge - gangene Blitze, auf ſolche Ruͤckſchlaͤge deuteten. Daß ſich hieran die Beſorgniß knuͤpfen kann, der von C nach B gehende Funke koͤnne allenfalls zuͤnden, iſt offenbar; aber es ſcheint mir doch, daß man dieſe Beſorgniß als ganz unbedeutend anſehen kann. Es ſcheint mir naͤmlich ganz gewiß, daß in eben dem Verhaͤltniß, wie die Schwierigkeiten des Uebergangs der Electricitaͤt von B nach C groͤßer ſind, auch die Menge der uͤbergegangenen Electricitaͤt klei - ner ſein wird, ſo daß da, wo das Zuruͤckgehen von C nach B ſehr erſchwert iſt, auch kaum jemals ſo viele Electricitaͤt als zu einem gefaͤhrlichen Funken noͤthig iſt, hinuͤber gedraͤngt ſein kann, da hin - gegen, wo der Uebergang nicht ſo ſehr erſchwert iſt, auch das Zu -314 ruͤcktreten mit ziemlicher Leichtigkeit, eben darum aber auch ohne Funken, geſchehen wird. Hierin ſcheint mir der Grund zu liegen, daß kein Fall bekannt iſt, wo dieſe Ruͤckſchlaͤge Ungluͤck bewirkt haͤtten. Ruͤckſchlaͤge von der Erde gegen eine Wolke ſcheinen mir noch weniger gefaͤhrlich. Man braucht daher, glaube ich, auf ſie weiter keine Aufmerkſamkeit zu richten, da die Regel, ſo viel als moͤglich ſolche nur wenig unterbrochene Leiter in Gebaͤuden zu ver - meiden, ſchon aus dem Grunde, damit der Blitz nicht zum Theil auf A, zum Theil auf L falle, als nothwendig angeſehen werden mußte.
Ueber die uͤbrigen Sicherungsmittel gegen die Gefahren des Gewitters brauche ich nur wenig zu ſagen. Fuͤr ein durch Ge - witter-Ableiter nicht geſichertes Gebaͤude kann man bei einem herannahenden Gewitter wohl gar nichts weiter thun, als daß man alle Feuer ausloͤſcht, damit nicht der aus den Schornſteinen her - vorgehende Rauch eine Blitz-Zuleitung bilde. Dieſe Vorſicht iſt ſehr zu empfehlen, da man viele Beiſpiele hat, wo der Blitz einen rauchenden Schornſtein ſelbſt dann getroffen hat, wenn hoͤhere Gegenſtaͤnde in der Naͤhe waren. Dagegen ſcheint Zugluft, ein geoͤffnetes Fenſter zum Beiſpiel, keinen Einfluß auf den Weg des Blitzes zu haben, und das Schließen der Fenſter ſcheint mir in Beziehung auf den Blitz nicht nothwendig zu ſein.
Was die Sicherung unſerer Perſon gegen den Blitz betrifft, ſo iſt zwar ein aͤngſtliches Berechnen, wo wir etwa am geſichertſten ſein moͤgen, zuweilen bis zum Laͤcherlichen getrieben werden, indeß laſſen ſich doch folgende Regeln geben. Da der Blitz immer beim Einſchlagen die beſſeren Leiter vorzieht, und den Erfahrungen zu Folge der menſchliche Koͤrper beſſer als trockenes Holz, trockene Waͤnde, lebendige Baͤume u. ſ. w. leitet, ſo muß man die Naͤhe dieſer Gegenſtaͤnde, ſo fern ſie durch ihre Hoͤhe den Blitz wohl her - anziehen koͤnnten, vermeiden. Hohe Baͤume, vorzuͤglich wenn ſie einzeln ſtehen, werden nicht ſelten vom Blitze getroffen, der Blitz faͤhrt an ihnen ſehr gern an der naſſen Oberflaͤche zwiſchen Rinde und Holz herunter und ſprengt dabei die Rinde ab; befindet ſich aber ein Menſch ganz in der Naͤhe, ſo ſpringt er ſehr oft vom Baume ab und toͤdtet den Menſchen, durch deſſen Koͤrper er zur Erde hinabgeht. Etwas Aehnliches wuͤrde erfolgen, wenn ein315 Menſch nahe an einer Wande ſtaͤnde, an welcher der Blitz herab - faͤhrt, und ſelbſt nahe an einem Blitz-Ableiter kann die Heftigkeit der mitgetheilten Erſchuͤtterung gefaͤhrlich werden, obgleich es auch Faͤlle giebt, wo Menſchen durch den neben ihnen, ja ſogar an ihren naſſen Kleidern herabfahrenden und ihre Kleider zerreißenden Blitz nicht weſentlich beſchaͤdigt wurden. Iſt man daher auf freiem Felde, ſo iſt es beſſer, ſich an einem offenen Platze dem Regen auszuſetzen, als unter hohen einzelnen Gegenſtaͤnden Schutz zu ſuchen. Dagegen iſt es angenehm, in einer Entfernung von 50 Fuß hoͤhere Gegenſtaͤnde neben ſich zu haben, die wahrſchein - lich eher als der nicht ſo hoch ſtehende Menſch den Blitz anlocken koͤnnen. Auch in Gebaͤuden iſt es beſſer, ſich nicht den aͤußern Waͤn - den oder metalliſchen Leitungen, die unterbrochen ſind, nahe auf - zuhalten; indeß hat man weit mehr Urſache, ſich hier vor laͤcher - licher Aengſtlichkeit zu huͤten, als ſich in eine Berechnung der Wahrſcheinlichkeit, daß man eher hier als dort vom Blitze koͤnne getroffen werden, einzulaſſen; und nur das iſt zu bemerken, daß man am Feuerherde, unter dem hoch hervorragenden Schornſteine, vollends wenn Feuer auf dem Herde brennt, an einer der gefaͤhr - lichſten Stellen ſich befindet.
Die Wirkungen des Blitzes ſind ſo mannichfaltig, oft ſo wun - derbar, daß man zahlreiche einzelne Faͤlle erzaͤhlen muͤßte, um nur die merkwuͤrdigſten Verſchiedenheiten anzufuͤhren*)Reimarus vom Blitze. Hamburg. 1778. Reimarus neuere Bemerkungen vom Blitze. Hamburg. 1794. Auch viele Bei - ſpiele in Gilberts Annalen. Wenn der Blitz zuͤndet, ſo ſteht oft ſehr ſchnell das ganze Gebaͤude in Flam - men, weil bei jedem Ueberſchlagen von einem guten Leiter zu einem andern ein Funke entſteht, der, wenn er Feuer fangende Materien findet, zuͤnden kann, ſo daß die Entzuͤndung an vielen Orten zu - gleich ſtatt findet. Dagegen aber hat auch der Blitz oft, indem er ein ſchwer entzuͤndliches Holz traf, zwar gezuͤndet, aber das Feuer iſt erſt langſam anglimmend ausgebrochen. Wenn der Blitz nicht zuͤndet, ſo liegt dieſes nicht an einer weſentlichen Verſchie -316 denheit kalter und warmer Schlaͤge, ſondern gewiß einzig an der weniger zum Brennen geeigneten Beſchaffenheit der getroffenen Koͤrper. Die Zerſtoͤrungen, welche der nicht zuͤndende Blitz an - richtet, ſind oft Zeugen von einer alle unſre Begriffe uͤberſteigenden Gewalt, treffen aber immer die ſchlechtern Leiter, die ſich dem Uebergange zu beſſern Leitern in den Weg ſtellen. Bei den vom Blitze getoͤdteten Menſchen ſind gewoͤhnlich die ſichtbaren Ver - letzungen unbedeutend, und der Tod muß entweder von einer ploͤtz - lichen Zerſtoͤrung der Nerventhaͤtigkeit oder von der ploͤtzlich auf - gehobenen Reizbarkeit der Gefaͤße abhaͤngen. Van Marum ſieht das Letztere als die Urſache des gehemmten Blut-Umlaufes und ſo des ploͤtzlichen Todes an, und ſtuͤtzt dieſe Meinung darauf, daß Aale, die er mit ſeinen großen Batterien toͤdtete, ſogleich alle Reizbarkeit der Muskelfaſern verloren hatten, wenn der Schlag durch ihren ganzen Koͤrper ging; war der Schlag nur durch einen Theil des Koͤrpers gegangen, ſo war auch nur in dieſem die Reiz - barkeit verloren gegangen. Wie ploͤtzlich aber der Tod durch den Blitz ſein muß, erhellt aus den Beiſpielen, wo man die Erſchlage - nen ſo, daß keine Muskel eine Zuckung erlitten zu haben ſchien, gefunden hat.
Der Blitz bietet uns ganz die Erſcheinungen eines ſehr großen electriſchen Funkens dar, der aus einer Wolke entweder auf eine andre Wolke oder auf die Erde herabſchlaͤgt. Er verfolgt ſelten eine ganz grade Bahn, ſondern nimmt, nachdem es gerade fort - gegangen iſt, oft ploͤtzlich eine andre Richtung an, zuweilen trennt er ſich auch in mehrere Blitze. Jene Veraͤnderung ſeiner Bahn, die mit der Erſcheinung des electriſchen Funkens bei groͤßern Schlag - weiten uͤbereinſtimmt, ruͤhrt wahrſcheinlich davon her, daß die Luft vor dem ſchnell fortbewegten Feuerballe zuſammengedruͤckt wird, und endlich der weitern Bewegung einen zu großen Widerſtand ent - gegenſetzt. Die Farbe des Blitzes geht oft, ſo wie die des electriſchen Funkens in Violett und Blau uͤber. Die Schnelligkeit des Blitzes kann man auf 1 bis 2 Meilen in der Secunde rechnen; denn oft ſieht man ihn von Wolke zu Wolke, ſelbſt wenn das Gewitter noch uͤber 1 Meile entfernt iſt, 60 Grad in einer kuͤrzern Zeit als317 1 Sec. durchlaufen. Zuweilen ſehen wir den Blitzſtrahl nicht, ſon - dern der Blitz erleuchtet nur die Wolken. Dies kann geſchehen, wenn der Blitz an der von uns abgekehrten Seite der Wolke her - vorſchlaͤgt; aber es ſcheint zuweilen auch ein eben ſolches Licht. Ausſtrahlen der Wolke, ohne beſtimmten Funken, ſtatt zu finden wie bei ſtark geladenen Leitern. Zuweilen ſieht man, wenn die Gewitterwolke faſt den ganzen Himmel bedeckt, aber unten am Horizonte ein heiterer Streif unter der Wolke iſt, bei naͤchtlichen Gewittern den ganzen Rand der Wolke erleuchtet. Wo man den Blitz hat einſchlagen ſehen, hat er ſich gewoͤhnlich als ein Feuer - ball gezeigt.
Daß auch der Donner mit dem, wenn gleich ſchwachen, Laute unſrer electriſchen Funken uͤbereinſtimmt, leidet wohl keinen Zweifel, indeß verdient das Rollen des Donners noch eine beſondre Betrachtung. Da der Donner zugleich mit dem Blitze entſteht, ſo dient die Zwiſchenzeit zwiſchen Blitz und Donner zum Maaße der Entfernung des Gewitters, weil der Schall in jeder Secunde nur 1000 Fuß durchlaͤuft und folglich das Gewitter ungefaͤhr ſo viel tauſend Fuß entfernt iſt, als dieſe Zwiſchenzeit Secunden be - traͤgt. Jeder als wirklicher Funke erſcheinende Blitz iſt von Don - ner begleitet, dagegen ſcheint das uͤber einen groͤßern Raum ver - breitete Ausſtrahlen des Lichtes oft ohne Donner zu ſein. Man hoͤrt meiſtens den Donner einfach, wenn man dem Orte, wo der Blitz einſchlaͤgt, nahe iſt, und dieſer dort an guten Leitern herab - geht; dagegen glaubt man einen knatternden Donner als ein Zeichen eines Einſchlagens auf ſchlecht leitende Koͤrper anſehen zu duͤrfen, und erklaͤrt ſich dieſen unterbrochenen Knall aus dem wie - derholten Ueberſchlagen des Blitzes. Der nicht in der Naͤhe ein - ſchlagende Blitz laͤßt uns gewoͤhnlich das eigentlich ſogenannte Rol - len des Donners, ein dumpfes, abwechſelnd matter werdendes und dann wieder lauter toͤnendes, Getoͤſe hoͤren. Dieſe Verlaͤngerung des Donnerknalles ſcheint zwar zum Theil in einem Echo ihren Grund zu haben; aber wahrſcheinlich iſt es, daß auch wiederholte Exploſionen des Blitzes mit erneuertem Donner begleitet ſind, und von Hellwig glaubt beobachtet zu haben, daß der Donner ſo viele Wiederholungen eines erneuerten Getoͤſes darbiete, als man Aenderungen der Richtung des Blitzes bemerkt habe, ſo daß alſo318 jede Aenderung der Richtung als eine neue Exploſion anzuſehen ſei. Es iſt ſehr glaublich, daß dieſe Meinung der Hauptſache nach richtig iſt, da ſich einſehen laͤßt, daß dieſe auf einander folgenden Donner ſehr ſchnell nach einander gehoͤrt werden muͤßten, wenn der Blitz den kurzen Weg BA (Fig. 99.) von der Wolke herab, beinahe gerade gegen den Beobachter A zu, durchlaͤuft, daß dagegen, wenn der Blitz BH in B, in D, in E, F, G, H, einzelne Don - ner hervorbringt, ein Beobachter in C die in FG, entſtandenen Donner eher als die in D, B, entſtandenen hoͤren wird, obgleich der Blitz von B nach H gegangen iſt.
Ehe ich von der Entſtehung der Gewitter rede, ſcheint es mir noͤthig, von dem electriſchen Zuſtande der Luft an heiteren Tagen etwas zu ſagen.
Als man darauf aufmerkſam geworden war, daß wir die Ge - witter-Electricitaͤt durch unſre gewoͤhnlichen electrometriſchen In - ſtrumente kenntlich machen koͤnne, bemerkte man auch bald, daß ſelbſt bei heiterm Himmel die Luft electriſch iſt, und daß man mei - ſtens die hoͤhern Luftſchichten mehr poſitiv-electriſch als die untern findet. Cavallo, Beccaria, u. a. haben Beobachtungen hier - uͤber angeſtellt; aber Sauſſure und Volta verdienen vorzuͤg - lich hier genannt zu werden. Der erſtere zeigte, daß ein gewoͤhn - liches empfindliches Electrometer, mit einer 2 Fuß hohen metallenen Spitze verſehen, ſchon wenn man es nur einige Fuße hebt, einen veraͤnderten electriſchen Zuſtand kenntlich macht, und Volta fand, daß die Empfindlichkeit des Electrometers noch vermehrt wird, wenn man auf dieſem Leiter eine Flamme anzuͤndet. Dieſe Flamme fuͤhrt naͤmlich den Leitern des Electrometers die in der Luft ent - haltene Electricitaͤt zu, und ſammelt dieſe ſo ſehr, daß man eine electriſche Flaſche damit laden kann. Nach Volta's Anleitung ſoll man auf die Spitze des Electrometers einen brennenden Schwe - felfaden oder ein Wachslichtchen ſetzen, und waͤhrend dieſe Flamme eine Viertelſtunde unterhalten wird, eine Flaſche an das Electro - meter halten; dieſe ladet ſich, und wird endlich ſo weit geladen, daß die Kugeln oder Strohhaͤlmchen des Electrometers aus ein - ander gehen. Will man dann die Staͤrke der Luft-Electricitaͤt319 noch deutlicher ſehen, ſo bringt man den Knopf der Flaſche an den Condenſator, ladet dieſen und laͤßt ſeine Funken auf eine ſehr kleine Flaſche uͤbergehen, die ſo bei wiederholtem Verſuche ihre volle Ladung erhalten kann. Dieſe Erſcheinungen laſſen ſich ſogar bei heiterm Himmel, wo die Luft gar nicht bedeutend electriſch iſt, hervorbringen. Erman hat hierbei vor Taͤuſchungen ge - warnt, die durch ungleiche Annaͤherung des Electrometers an die Erd-Oberflaͤche, vermoͤge der Vertheilung der Electricitaͤt, ent - ſtehen koͤnnten; aber es ſcheint mir nicht, daß Volta's Ver - ſuche ſich durch eine bloße Vertheilung, an welche auch Volta ſelbſt gedacht hat, erklaͤren laſſen.
Die Electricitaͤt der Luft iſt gewoͤhnlich poſitiv; die negative Electricitaͤt ſcheint nur als Ausnahme vorzukommen, nach Fog - go's Beobachtung vorzuͤglich dann, wenn das Herannahen einer Gewitterwolke, deren Rand das Zenith noch kaum erreicht, durch Einwirkung der poſitiv-electriſchen Wolke die ihr entgegengeſetzte Electricitaͤt vorherrſchend macht.
Bei heiterm Himmel beobachtet die Electricitaͤt in ihrem Zu - nehmen und Abnehmen ziemlich beſtimmte Geſetze. Sie iſt faſt ohne Ausnahme poſitiv und im Winter ſtaͤrker als im Sommer. Bei Sonnen-Aufgang iſt ſie ſchwach, nimmt aber zu, wenn ſich einige Stunden nach Sonnen-Aufgang die Morgennebel nieder - ſchlagen, welche aus dem Niederſchlage der durch die Erwaͤrmung der Erde vermehrten Ausduͤnſtung in der noch nicht durchwaͤrmten Luft entſtehen; wenn etwas ſpaͤter dieſe leichten Nebel wieder ver - ſchwinden, ſo nimmt die Electricitaͤt ab, waͤhrend die Trockenheit der Luft zunimmt; die Electricitaͤt erreicht Nachmittags ihren geringſten Grad um die Zeit, wo die Luft am trockenſten iſt; aber gegen Sonnen-Untergang, wo die Feuchtigkeit wieder zunimmt, ſteigt der Grad der Electricitaͤt, und wird beim Entſtehen des Thaues gewoͤhnlich am bedeutendſten.
Hiernach ſcheint es alſo ein Naturgeſetz zu ſein, daß, wenn die unſichtbaren Daͤmpfe ſich zu ſichtbaren Duͤnſten verdichten, po - ſitive Electricitaͤt merklich wird, und dieſes laͤßt ſich mit einem von Volta ſchon angeſtellten Experimente, welches ſpaͤter auch von Grotthus beſtaͤtigt gefunden hat, ſehr gut in Ueberein -320 ſtimmung bringen. Nach dieſen Verſuchen bleibt naͤmlich, wenn man Waſſer verdampfen laͤßt, das Gefaͤß negativ electriſch zuruͤck, und der Dampf muß alſo poſitive Electricitaͤt in ſich aufgenommen haben; es ſcheint daher natuͤrlich, daß dieſe + E wieder merklich wird, als freie Electricitaͤt ſich zeigt, wenn die Daͤmpfe wieder in den Zuſtand ſichtbarer Duͤnſte zuruͤckkehren.
Ein aͤhnlicher Grund, naͤmlich ein ſehr viel ſchnelleres Fort - ſchreiten des Dunſtniederſchlages, ſcheint nun auch die naͤchſte Be - dingung des Entſtehens der Electricitaͤt in den Wolken zu ſein. Wenn an heitern und heißen Tagen ſich Haufenwolken, Wolken naͤmlich von ungefaͤhr halbkugel-aͤhnlicher Form, zu bilden an - fangen, ſo ſind dieſe Wolken auch ſogleich in etwas ſtaͤrkerem Grade electriſch; aber zu Gewitterwolken werden ſie nur dann, wenn die - ſer Proceß der Wolkenbildung ſehr raſch fortſchreitet. Auch da, wo bei einem heftigen Sturme, (ich glaube ſagen zu duͤrfen, bei einem heftigen Zuſtuͤrzen der Luft gegen einen Ort, an welchem der Druck der Luft ſehr vermindert iſt,) die Duͤnſte zuſammengedraͤngt werden, oder wenn die Wolken gegen Gebirge getrieben werden, oder wenn die aus den feuerſpeienden Bergen aufſteigenden Daͤmpfe ſich in der Hoͤhe zu Wolken verdichten, gehen Blitze aus den Wol - ken hervor. Aber ob nun nicht eine Wechſelwirkung, wodurch die Electricitaͤt ſelbſt wieder Urſache eines vermehrten Heranziehens von Duͤnſten und einer beſchleunigten Wolkenbildung wird, ſtatt findet, daruͤber ſcheint mir noch eine große Unſicherheit in unſern Kenntniſſen uͤbrig zu ſein. Die heftigen Platzregen, die mit den Gewittern entſtehen, ja die bei Gewittern immer ſehr ſchnell fort - ſchreitende Wolkenbildung ſelbſt, ſcheint mir nicht ſo leicht zu erklaͤren zu ſein. Volta hat darauf aufmerkſam gemacht, daß, wenn in einer beſtimmten Gegend geſtern ſich Gewitterwolken bildeten, die ſich aber wieder zerſtreuten, dieſe Gegend heute die erſte iſt, wo ſich neue Gewitterwolken zeigen, daß alſo die dort noch uͤbrige Electricitaͤt die Veranlaſſung zu neuen Wolken zu geben ſcheine; aber auch hieruͤber ſind wir noch unſicher. Eben ſo wenig als jene ſchnelle, oft uͤber ganze Laͤnder verbreitete, Wolkenbildung321 ſcheint mir der Zuſammenhang der druͤckenden Schwuͤle vor den Gewittern mit dem Entſtehen der Gewitter erklaͤrt zu ſein.
Eine andere uns noch voͤllig dunkle Erſcheinung iſt die ſo oft in den Gewitterwolken entſtehende Kaͤlte, die ſich haͤufig durch einen empfindlich kalten Wind, ſeltner durch die Entſtehung des Hagels, merklich macht. Bei dem ploͤtzlichen Uebergange der Daͤmpfe in tropfbares Waſſer ſollte eher Waͤrme frei werden; ſtatt deſſen aber bilden ſich Eisſtuͤcke, die oft ganze Gegenden verheeren. Dieſer Hagelbildung ſcheinen einige Gegenden haͤufiger als andere benach - barte Gegenden ausgeſetzt zu ſein; ſie iſt ſehr ſelten uͤber dem Meere und uͤber den naͤchſten Gegenden am Meere; ſie findet faſt durchaus nur am Tage und faſt nur an ſehr heißen Tagen ſtatt. — Keine der zahlreichen, mir bekannten Theorien giebt einen Aufſchluß, der eine ſtrenge Critik aushielte, uͤber alle dieſe Um - ſtaͤnde.
Leichter erklaͤrlich iſt es, daß die electriſchen Wolken einander anziehen, daß man zuweilen ein Annaͤhern der Wolke gegen die Erde und nach einem Blitze ein Hoͤherſteigen der Wolke bemerkt hat, daß zuweilen eine ungeheure Staubmaſſe gegen die Wolke hinauf gezogen wird, und dann ſich das Gewitter zerſtreut, ſo als ob die Electricitaͤt eine Ableitung in dieſer Staubmaſſe gegen die Erde zu gefunden haͤtte. Dieſe in einem Wirbelwinde, gewoͤhnlich ohne weiter auffallende Umſtaͤnde, gehobenen Staubwolken ſcheinen verwandt mit dem gleichfalls noch ganz unerklaͤrten Phaͤnomene der Tromben oder Waſſerhoſen, die mit einer wirbelnden Bewe - gung alles zu zerſtoͤren pflegen, was ihnen von beweglichen Koͤrpern in den Weg koͤmmt, und das Waſſer des Meeres aufwaͤrts zu ziehen ſcheinen.
Endlich muß ich doch noch eine electriſche Erſcheinung bei Gewittern erwaͤhnen, die Wetterlichter, St. Elmsfeuer oder bei den Alten Caſtor und Pollux. Dieſes ſind weiße Flaͤmmchen, die auf den hoͤchſten Spitzen der Gegenſtaͤnde ſich zeigen und ganz der von Spitzen in die Luft ausſtroͤmenden Electricitaͤt gleichen. Gewoͤhnlich ſcheinen ſie ſich dann zu zeigen, wenn die untere Luft ſtark electriſch iſt, ſo daß an den Spitzen die entgegengeſetzte Elec - tricitaͤt ausſtroͤmt; da unter den Umſtaͤnden nicht oder ſelten das ſchnelle Zunehmen der Electricitaͤt, welches den Blitz hervorbringt,III. X322ſtatt findet, ſo haͤlt man ſie fuͤr ein Zeichen, daß das Gewitter keine Gefahr drohe. Sie zeigen ſich am leichteſten auf Thurm - ſpitzen, auf den metallenen Spitzen der Maſten u. ſ. w.; aber nicht ſelten haben Reiſende im freien Felde ſie an ihrem eignen emporgehobenen Finger oder an jedem hervorragenden Gegenſtande geſehen. Leuchtender Regen und leuchtender Schnee beruht auf aͤhnlichen Umſtaͤnden, jedoch kann da die ausſtroͤmende Electricitaͤt auch in bloßer Ungleichheit der Electricitaͤt in hoͤhern und in niedri - gern Luftſchichten ihren Grund haben.
An dieſe großen Natur-Ereigniſſe moͤgen ſich, ehe ich zu der Beruͤhrungs-Electricitaͤt oder dem Galvanismus uͤbergehe, noch einige Bemerkungen uͤber Mittel, um Electricitaͤt in ſchwa - chem Maaße zu erregen, anſchließen. Ich werde bei dieſen nur kurze Zeit verweilen, da die hier anzufuͤhrenden Erſcheinungen meiſtens vereinzelt daſtehen.
Schon Hauͤy hat bemerkt, daß der Kalkſpath ohne Reibung durch bloßen Druck mit der Hand poſitiv-electriſch wird, und dieſe Electricitaͤt lange behaͤlt. Becquerel hat an mehrern weichen Koͤrpern, zum Beiſpiel an Kork und Federharz, gefunden, daß ſie, an iſolirenden Stielen gehalten, gegen einander gedruͤckt und ſchnell getrennt, ſich electriſch zeigen. Kork gegen Federharz (Caoutchouk) gedruͤckt wird + E, und Federharz - E. Die Reihenfolge der Koͤrper in Beziehung auf die hervorgehende Electricitaͤt ſcheint auch hier eine beſtimmte, aber von der bei der Reibungs-Electricitaͤt geltenden verſchieden zu ſein. Gleichartige Koͤrper geben zwar, auch beim Drucke, keine Electricitaͤt, ward aber unter zwei Korkſtuͤcken eines erwaͤrmt, ſo gab beim Drucke beider gegen einander das erwaͤrmte - E.
Becquerel ſtellt neben dieſe Verſuche andre, wo die Theile eines Koͤrpers ploͤtzlich getrennt werden. Wenn er an ein Glim - merblaͤttchen zwei vollkommen iſolirende Staͤbchen befeſtigte und das Glimmerblaͤttchen zerriß, ſo zeigten die beiden Stuͤcke entge - gengeſetzte Electricitaͤten. Ebenſo fand ſchon Adams die beiden323 Stuͤcke einer zerbrochenen Siegellackſtange zuweilen entgegengeſetzt electriſch, wenn man vorher das Siegellack von aller Electricitaͤt befreiet hatte. Becquerel iſt geneigt, das Leuchten des Zuckers auch fuͤr electriſch zu halten; doch iſt es zweifelhaft, ob dies richtig iſt.
Laͤßt man geſchmolzenen Schwefel in glaͤſernen Gefaͤßen erkal - ten, ſo zeigt er herausgenommen negative Electricitaͤt; in me - tallenen Gefaͤßen erkaltend iſt er nach dem Herausnehmen poſitiv. Aehnliche Erſcheinungen beobachtet man an Wachs und an Choco - lade. Es iſt nicht ganz ſicher, ob hieran die Reibung den wichtig - ſten Antheil habe, jedoch ſcheint die an der Chocolade zuweilen beobachtete Electricitaͤt ſtaͤrker zu ſein, als man von der geringen Aenderung der Lage beim Erkalten, oder vom Reiben beim Hervor - heben erwarten ſollte. Noch weniger wuͤrde die von v. Grott - hus gemachte Beobachtung, wenn ſie ſich beſtaͤtigt, daß naͤmlich Waſſer, welches bei tiefer Temperatur in einem Glaſe ſehr ſchnell gefriert, poſitiv-electriſch iſt, ſich aus Reibung des Eiſes am Glaſe erklaͤren laſſen, da dieſe Reibung ſonſt das Eis negativ macht.
Daß die Aenderung des Aggregatzuſtandes eine kenntliche Electricitaͤt hervorrufe, hat man ſeit Volta's Zeit in Beziehung auf die Entſtehung der Daͤmpfe als entſchieden angenommen, und auch von Grotthus hat es beſtaͤtigt gefunden, daß ſchnell ver - dampfendes Waſſer die Gefaͤße negativ zuruͤcklaͤßt, alſo der Dampf in poſitiv-electriſchem Zuſtande entweichen muß. Daß dieſer Ver - ſuch ſo ſehr mit den Erſcheinungen der Electricitaͤt in der Atmo - ſphaͤre uͤbereinſtimmt, habe ich neulich ſchon erwaͤhnt, und ich bin daher noch immer geneigt, ihn als richtig anzuerkennen, obgleich Pouillet ſich uͤberzeugt zu haben glaubt, daß jener Verſuch nur wegen Einmiſchung andrer Umſtaͤnde am Condenſator Electricitaͤt zeige. Nach Pouillets Meinung bringt niemals die Aende - rung des Aggregatzuſtandes Electricitaͤt hervor, wohl aber zeige dieſe ſich, wenn beim Verdampfen eines aufgeloͤſten alcaliſchen Koͤrpers oder eines Salzes ein Ruͤckſtand nach der Verdampfung uͤbrig bleibe; der Ruͤckſtand bleibt nach Pouillets VerſuchenX 2324poſitiv zuruͤck, wenn er alcaliſch, negativ dagegen, wenn er ein Salz oder eine Saͤure iſt. Hiernach wuͤrden alſo die Ausduͤnſtun - gen des Meeres mit poſitiver Electricitaͤt beladen aufſteigen. In - dem aber Pouillet hierdurch die Meinung widerlegt zu haben glaubt, daß die gewoͤhnliche Ausduͤnſtung die Electricitaͤt in der Atmoſphaͤre hervorbringe, glaubt er die Wirkſamkeit der Vegeta - tion an deren Stelle ſetzen zu koͤnnen. Er ließ Saamen in Ver - bindung mit der Condenſatorplatte keimen, und fand, daß wenn der Keim die Erde hob und hervorbrach, und wenn die Vegetation ſich in ſtaͤrkerm Fortſchreiten entwickelte, bedeutende Spuren von Electricitaͤt hervorgingen.
Genuͤgender als dieſe Verſuche ſind die von Pouillet uͤber die Electricitaͤt bei der Verbrennung der Kohle angeſtellten. Schon Volta hatte 1782 angegeben, daß die Kohle beim Verbrennen negativ zuruͤckbleibe, die entſtandene kohlenſaure Luft alſo poſitiv ſei; aber dieſer Verſuch hatte ſpaͤter nicht immer gleiche Erfolge gegeben. Pouillet findet den Grund des Mißlingens darin, daß man gewoͤhnlich Kohlen anwende, die an allen Seiten bren - nen, wodurch die Regelmaͤßigkeit verloren geht. Seine Vorſchrift, prismatiſche Kohlenſtuͤcke aufrecht auf die Condenſatorplatte zu ſetzen und ſie nur an ihrem obern Theile brennen zu laſſen, wo dann die obere Condenſatorplatte gewiß negativ werde, habe ich bewaͤhrt gefunden.
Als ein ausgezeichneter Koͤrper wegen der in ihm durch Waͤrme erregbaren Electricitaͤt iſt ſchon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Turmalin bekannt geweſen. Dieſer harte Stein, den man zu den Edelſteinen rechnet, wird durch Reibung zwar auch electriſch, aber er beſitzt die Eigenſchaft, die er nur mit we - nigen Koͤrpern, dem Topas, Galmey, und einigen andern, gemein hat, auch bei Erhitzung Electricitaͤt, und zwar die poſitive am einen, die negative am andern Ende anzunehmen. Nach Hauͤys und Biots Angaben iſt derjenige Turmalin, deſſen prismatiſche Cryſtalle ſich am einen Ende dreiſeitig, am andern Ende ſechsſeitig zuſpitzen, am geſchickteſten zu dieſer Erlangung von Electricitaͤt,325 und eine Ungleichheit in der Cryſtallform beider Enden ſcheint*)Brewſter hat mehrere Koͤrper, deren Cryſtalle nicht alle unſymmetriſch ſind, als hierher gehoͤrig angegeben., wo nicht die Bedingung dieſer Electricitaͤts-Erregung, doch wenig - ſtens eine oͤfter damit verbundene Eigenſchaft zu ſein. Die Tur - maline, welche in bedeutendem Maaße electriſch werden, ſind ſel - ten; aber auch die dem Turmalin verwandten Schoͤrle zeigen mehr oder minder bedeutende Spuren dieſer electriſchen Erſchei - nungen, zu welchen man im Allgemeinen die langen und ſchmalen Cryſtallprismen weniger als die von groͤßerm Querſchnitte geeignet findet.
Die wichtigſten Erſcheinungen am Turmalin ſind folgende. Wenn der Turmalin uͤber 40° Cent. erhitzt wird, (durch Eintau - chen in kochendes Waſſer oder an einer Weingeiſtflamme), ſo zeigt ſich das eine Ende des Cryſtalls poſitiv, das andre negativ electriſch. Dieſer electriſche Zuſtand iſt indeß nicht merklich bei unveraͤndert bleibender, wenn gleich hoher, Temperatur, ſondern nur waͤhrend dieſe zunimmt oder abnimmt, und das eine Ende iſt allemal beim Zunehmen der Waͤrme poſitiv, das andre beim Abnehmen der Waͤrme poſitiv-electriſch. Dieſer Gegenſatz, der fuͤr die zunehmende Waͤrme und fuͤr die Abkuͤhlung ſtatt findet, iſt ſchon 1759 von Canton bemerkt, neuerlich aber von Bec - querel und Koͤhler naͤher unterſucht worden, und der letztere giebt auch mit genauer Beſchreibung der von ihm angewandten Cryſtalle an, welcher Theil des Cryſtalles der beim Erkalten, welcher der beim Erhitzen poſitive war. Die Electricitaͤt zeigt ſich ſtaͤrker bei abnehmender, als bei zunehmender Waͤrme, und es giebt, (was man auch bei ſchwaͤcher wirkenden Exemplaren ſehr gut wahr - nimmt,) eine Periode der Abkuͤhlung, bei ſchon etwas verminderter Waͤrme, wo die Erſcheinungen am meiſten merklich ſind. Zer - ſchneidet man den Cryſtall in Schichten, die auf die Laͤngenrich - tung deſſelben ſenkrecht ſind, ſo haben alle Stuͤcke unter den erwaͤhnten Umſtaͤnden immer ihre zwei Pole, und zwar iſt die Art der Electricitaͤt jeder Seite bei allen Stuͤcken dieſelbe, die im un - getheilten Cryſtalle an eben der Seite gefunden wurde. Selbſt326 jeder Splitter des Turmalins zeigt dieſelben Eigenſchaften, indem er auf Glas liegend erhitzt ſich entweder (wie Brewſter an - giebt) feſt an das Glas anhaͤngt, oder doch deutliche Anziehung auf kleine Koͤrper aͤußert.
Der Boracit, deſſen Cryſtallform der Wuͤrfel mit abgeſtumpf - ten Ecken iſt, wird ebenfalls waͤhrend der Zunahme und waͤh - rend der Abnahme der Waͤrme electriſch, und auch bei ihm ver - tauſchen ſich die Pole, wenn ſtatt der Waͤrmezunahme die Abkuͤh - lung eintritt. Er hat vier electriſche Axen, die mit den vier Dia - gonalen des Wuͤrfels uͤbereinſtimmen, und das eine Ende jeder ſolchen Axe iſt poſitiv, das andre negativ. Koͤhler bemerkt, daß immer am einen Ende jeder Axe eine glatte Octaederflaͤche die Abſtumpfung der Wuͤrfel-Ecke macht, und daß dieſe am andern Ende der Axe ganz fehlt oder doch rauh und unvollkommen iſt. Bei zunehmender Erwaͤrmung iſt jene negativ, dieſe poſitiv, und das Entgegengeſetzte findet bei der Abkuͤhlung ſtatt.
Die bisher angefuͤhrten Entdeckungen, die groͤßten Theils ſchon vor dem Jahre 1790 gemacht waren, ſchienen beinahe alles das, was die Electricitaͤt an merkwuͤrdigen Erſcheinungen darbot, erſchoͤpft zu haben, als eine zufaͤllig bemerkte, ziemlich unbedeu - tend ſcheinende, Beobachtung die Veranlaſſung zu den unerwar - tetſten neuen Entdeckungen gab.
Jene zufaͤllig beobachtete Erſcheinung beſtand naͤmlich darin, daß bei dem Praͤpariren von Froſchſchenkeln in Galvani's Zim - mer bemerkt wurde, daß dieſe bei der Beruͤhrung des Cruralner - ven mit einem Metalle zuckten, wenn aus einer entfernt ſtehen - den Electriſirmaſchine Funken gezogen wurden. Genau betrachtet enthaͤlt dieſe Erfahrung nichts, was uns ſo ſehr unerwartet erſchei -327 nen kann; denn es iſt bekannt, daß dieſe Thiere die Reizbarkeit, worauf die zuckenden Bewegungen der Muskeln beruhen, noch lange nach dem Tode, und ſelbſt nach der Trennung einzelner Theile vom Koͤrper, behalten; es ließ ſich vermuthen, daß dieſe Reizbarkeit nur der ſchwaͤchſten Spuren von Electricitaͤt beduͤrfen moͤge, um ſich wirkſam zu zeigen, und ſolche Spuren von Electricitaͤt konn - ten, vermoͤge der Vertheilungs-Electricitaͤt, unter den erwaͤhnten Umſtaͤnden gar wohl vorkommen. Indeß wollen wir nicht ver - geſſen, daß uns, nachdem wir in dem Froſchſchenkel eines der fein - ſten Electroſcope kennen gelernt haben, dieſe Erſcheinungen ſich in einem klareren Zuſammenhange darſtellen, als es in jener Zeit moͤglich war. Uns, die wir die bei der Vertheilungs-Electricitaͤt vorkommenden Veraͤnderungen des electriſchen Zuſtandes ſo genau und auf ſo mannigfaltige Weiſe kennen, kann der Gedanke nicht fremd ſein, daß die Ladung und Entladung eines electriſchen Lei - ters, ſelbſt in den ſchon bedeutend entfernten Leitern, eine Aen - derung des electriſchen Zuſtandes hervorbringen muß, daß alſo das Meſſer, welches den entbloͤßten Nerven des Froſches beruͤhrt, in ſeinem von der Electriſirmaſchine entferntern Theile poſitiv - electriſch iſt, wenn der Leiter der Electriſirmaſchine poſitiv iſt, und daß dieſer poſitive Zuſtand in dem Augenblicke der Entla - dung jenes Leiters ploͤtzlich aufhoͤrt, daß alſo ein in hohem Grade empfindlicher Koͤrper dieſe geringen Unterſchiede gar wohl, und der Hauptſache nach eben ſo gut zeigen kann, als wir es bei ſtaͤrkern Unterſchieden uͤberall gewohnt ſind.
Galvani knuͤpfte an dieſe Erfahrung eine Reihe von Un - terſuchungen uͤber die Urſachen dieſes Erfolges, und als er einmal praͤparirte Froſchſchenkel an einem eiſernen Gelaͤnder aufgehaͤngt hatte, bemerkte er, daß dieſe in Zuckungen geriethen, wenn die Haͤkchen, welche das Ruͤckenmark beruͤhrten, mit dem Metalle des Gelaͤnders in Verbindung kamen. Dieſe Beobachtung fuͤhrte zur Kenntniß der ganz neuen Erſcheinung, daß wenn ein Nerve und ein Muskel eines Thieres durch zwei verſchiedene Metalle, die in leitender Verbindung ſtehen, beruͤhrt werden, eine Zuckung er - folgt; und dieſer Metallreiz erhielt den Namen Galvanis - mus. Galvani ſelbſt war geneigt, dieſe Erſcheinungen einer eigenthuͤmlichen thieriſchen Electricitaͤt zuzuſchreiben, die in den328 thieriſchen Theilen erregt, bei Schließung des durch Nerven, Mus - kel und Metalle gebildeten Kreiſes durch das Metall uͤbergehe; andre Naturforſcher zweifelten gleichfalls, daß man die Erſcheinun - gen den Geſetzen der gewoͤhnlichen Electricitaͤt entſprechend erklaͤren koͤnne, ſondern waren geneigter etwas dem thieriſchen Koͤrper Eigenthuͤmliches vorauszuſetzen, und die Verſuche, wodurch man die letztere Meinung zu befeſtigen ſuchte, wurden von mehrern Phyſikern mit großem Fleiße vermehrt.
Aber waͤhrend ſo ſelbſt die groͤßeſten Phyſiker, durch unrich - tige Hypotheſen verleitet, ihre Aufmerkſamkeit, ihren Fleiß und ihren Scharfſinn auf Unterſuchungen wandten, welche zwar viele merkwuͤrdige Einzelnheiten kennen lehrten, aber doch die tiefere Einſicht in dieſe Erſcheinungen wenig foͤrderten, gab es einen Naturforſcher, der faſt vom erſten Augenblicke an den richtigen Gedanken, daß die ganze Erſcheinung eine reine Wirkung der Elec - tricitaͤt ſei, unveraͤnderlich feſthielt, der dieſen richtigen Gedanken mit dem groͤßten Scharfſinn und mit der groͤßeſten Geſchicklichkeit im Experimentiren aufs ſorgfaͤltigſte pruͤfte, und durch ihn zu den glaͤnzendſten Entdeckungen, welche die Richtigkeit ſeiner Anſichten verbuͤrgten, gelangte. — Dieſer Naturforſcher war Alexander Volta.
Statt daß die uͤbrigen Phyſiker ihre Aufmerkſamkeit dem in der galvaniſchen Kette vorkommenden thieriſchen Koͤrper widmeten und mannigfaltige belehrende Verſuche, zum Beiſpiel uͤber die lange Dauer der nach dem Tode des Thieres noch fortwaͤhrenden Reizbarkeit, uͤber die Mittel, ſie zu beleben oder zu zerſtoͤren, uͤber die Hervorbringung des Reizes ohne Zwiſchenkunft eines Metalles, anſtellten, wandte Volta allen Fleiß darauf, mit den gewoͤhn - lichen electroſcopiſchen Mitteln, die bei der gegenſeitigen Beruͤh - rung zweier Metalle hervorgehende Electricitaͤt zu entdecken, in - dem er deutlich uͤberſah, daß, ſobald dieſes gelaͤnge, die voͤllige Ueberzeugung ſich begruͤnden muͤſſe, daß der thieriſche Koͤrper nur als Leiter der Electricitaͤt und als feines Electroſcop diene, die Quelle der electriſchen Erſcheinungen aber in der Beruͤhrung der Metalle zu ſuchen ſei. Bei dieſen Unterſuchungen machte ihn nicht die Erfahrung irre, daß auch anſcheinend gleichartige Metalle zur Schließung des Kreiſes dienen koͤnnen, daß ein neu hinzukommen -329 des Metall ſogar ohne zur Schließung zu dienen, ſich wirkſam zeigte u. ſ. w.; — und in der That hat ſich auch nachher gezeigt, daß es immer geringe Verſchiedenheiten*)Von Humboldt bemerkte zum Beiſpiel, daß ein behauchtes Metall ſchon eine andere Wirkung hervorbrachte, als das unbehauchte. in dem electriſchen Zu - ſtande der Koͤrper waren, wodurch jene der voltaiſchen Theorie anſcheinend widerſprechenden Erfolge eintraten. Seine genaue Be - kanntſchaft mit dem von ihm erfundenen und unzaͤhlig oft ange - wandten Condenſator machte ihn auch vor allen ſeinen Zeitgenoſſen geſchickt, jene leiſen Spuren von Electricitaͤt, die er vermuthete, zu entdecken; und ſeine Verſuche laſſen ſich jetzt, da wir im Beſitze noch feinerer Electrometer ſind, mit weit mehr Leichtigkeit als zu jener Zeit wiederholen.
Sie haben aus den bisherigen Betrachtungen ſchon die Mei - nung Volta's, daß die Beruͤhrung zweier Metalle an einander eine Stoͤrung in dem Gleichgewichte der in ihnen enthaltenen elec - triſchen Materien hervorbringe, angedeutet geſehen; folgender Verſuch ſetzt dieſe Meinung in ein helleres Licht.
Wenn man (Fig. 100.) eine Kupferplatte AB und eine eben ſo große Zinkplatte CD ſorgfaͤltig an ihren unteren Seiten abſchleifen, an ihren obern Seiten aber mit den iſolirenden Handhaben E, F verſehen laͤßt, dieſe, nachdem ſie vorher mit der Erde in Verbindung geſetzt, alſo entladen worden, mit den glatten unteren Seiten in gegenſeitige Beruͤhrung bringt, und hierauf, immer iſolirt gehalten, die in der Kupferplatte etwa vorhandene Electricitaͤt auf einen Condenſator, um dieſen zu laden, gehoͤrig uͤbertraͤgt; ſo findet man die ſo beruͤhrte Condenſatorplatte, wenn dieſe aus Kupfer oder Meſſing beſteht, negativ-electriſch. Gewoͤhnlich reicht es nicht hin zu einer merklichen Ladung des Condenſators, daß man die Zink - und Kupferplatten einmal beruͤhrt, dann die Kupferplatte an die untere Condenſatorplatte bringt, waͤhrend der Finger die obere Platte beruͤhrt, und ſo die negative Electricitaͤt aus der Kupfer - platte zur untern Platte des Condenſators hinuͤber zieht; ſondern man muß dieſes Verfahren, nachdem die Zink - und Kupferplatte330 wieder jede einzeln mit dem Finger beruͤhrt ſind, wiederholen und mehrmals wiederholen; aber bei gehoͤrigem Verfahren und hinrei - chend empfindlichem Electrometer findet man gewiß, daß die oͤfter zur Ladung angewandte Kupferplatte eine negative Ladung hervor - gebracht hat.
Dieſer Verſuch zeigt alſo, daß die Kupferplatte durch die Beruͤhrung an Zink negativ-electriſch wird, und Sie werden bald ſehen, daß die Zinkplatte ſich dagegen poſitiv-electriſch zeigt. Um dies zu zeigen, iſt es am beſten, noch einen zweiten Condenſator, an welchem wenigſtens die eine Platte, diejenige naͤmlich, die man zu laden gedenkt, eine Zinkplatte iſt, zur Hand zu haben. Dann bedarf es nur des genau eben ſo angeſtellten Verſuches, wo nun die mit der Kupferplatte in Beruͤhrung gebrachte Zinkplatte eben ſo zur Ladung dieſes Condenſators angewandt wird, und hie - durch die poſitive Electricitaͤt der Zinkplatte ſichtbar wird.
Der Verſuch laͤßt ſich noch leichter anſtellen. Wenn man einen Condenſator mit kupfernen oder (was hier faſt einerlei iſt,) meſſingenen Platten hat, ſo nimmt man ohne Iſolirung eine Zink - platte in die Hand, bringt ſie mit der unteren, nicht uͤberfirnißten Seite der untern Condenſatorplatte in Beruͤhrung, damit die Elec - tricitaͤt aus dem Zink zum Kupfer oder umgekehrt uͤbergehen koͤnne, beruͤhrt die obere Condenſatorplatte mit dem Finger, ent - fernt dann die Zinkplatte und den Finger, hebt die obere Platte des Condenſators und findet die untere Platte negativ, weil ſie, als eine Kupferplatte, hier eben ſo gut poſitive Electricitaͤt an das Zink abgegeben hat, wie es vorhin bei der Kupferplatte und Zink - platte der Fall war. Den Gegenverſuch kann man an dem Con - denſator aus Zinkplatten machen, wenn dieſe eben ſo die untere an ihrer oberen Seite, die obere an ihrer unteren Seite uͤberfirnißt ſind. Laͤßt man naͤmlich hier eine Kupferplatte oder ein Kupfer - ſtuͤck die Zinkplatte an einer nicht gefirnißten Stelle beruͤhren, ſo nimmt die Zinkplatte poſitive Electricitaͤt auf, und bei dem vorhin gezeigten Verfahren iſt nun die Condenſatorplatte poſitiv geladen.
Dieſe Verſuche zeigen deutlich ein bis dahin unbekanntes Naturgeſetz, naͤmlich daß Zink und Kupfer, die beide mit der Erde in Verbindung geweſen, alſo auf den Nullzuſtand gebracht ſind, wenn ſie iſolirt gehalten in Beruͤhrung gebracht und nun getrennt331 werden, ſich nicht mehr im Nullzuſtande oder im ungeladenen Zuſtande befinden, ſondern das Zink iſt poſitiv-electriſch, das Kupfer iſt negativ-electriſch geworden. Da dieſer electriſche Zu - ſtand aus der bloßen Beruͤhrung hervorgeht, ſo hat man dieſe Electricitaͤt Contact-Electricitaͤt, Beruͤhrungs-Electricitaͤt, ge - nannt. Sie beruht auf dem Naturgeſetze, daß in der Beruͤhrung eben ſo gut ein gewiſſer Antheil poſitiver Electricitaͤt vom Kupfer auf das Zink uͤbergeht, wie bei der Reibung vom Reibzeuge auf das Glas, und daß nach der Trennung beider Metalle der geſtoͤrte Gleichgewichtszuſtand, das Uebermaaß an poſitiver Electricitaͤt im Zink, das Uebermaaß an negativer Electricitaͤt im Kupfer, hier eben ſo kenntlich wird, wie es am Glaſe und Reibzeuge, ſo - bald die geriebenen Theile aus der Reibung hervorgehen, der Fall iſt.
Die beiden Arten, den obigen Verſuch anzuſtellen, ſcheinen etwas Verſchiedenes darzubieten. Nimmt man zwei Platten AB, CD (Fig. 100.) um die Kupferplatte zum kupfernen Condenſator uͤberzutragen, ſo muͤſſen die Beruͤhrungsflaͤchen moͤglichſt groß und eben ſein; bringt man dagegen die Zinkplatte ſelbſt an die kupferne Condenſatorplatte, ſo koͤmmt es auf die Groͤße der Beruͤhrungs - flaͤche gar nicht an. Dieſe anſcheinende Verſchiedenheit iſt leicht zu verſtehen. Es iſt gewiß, daß vorzuͤglich an den Beruͤhrungs - puncten dieſer veraͤnderte Zuſtand eintritt; haben alſo die Platten AB, CD, (Fig. 100.) ſich in 10 Quadratzoll Flaͤche beruͤhrt, ſo traͤgt man zehnmal ſo viel negative Electricitaͤt mit der Kupfer - platte zum Condenſator, als wenn die Beruͤhrungsflaͤche nur 1 Quadratzoll betragen haͤtte. Hier erhellt alſo die Nothwendig - keit großer Beruͤhrungsflaͤchen und genauer Beruͤhrung; am Con - denſator dagegen iſt die Beruͤhrung eines Punctes genug, wenn die Condenſatorplatte von Kupfer, die beruͤhrende Maſſe dagegen Zink iſt. Obgleich naͤmlich die wichtigſte Wirkung nur in dem Beruͤhrungspuncte A (Fig. 101.) ſtatt findet*)Daß dies der Fall ſei, hat Fechner durch beſonders darauf ge - richtete Verſuche gezeigt., und hier die poſitive Electricitaͤt auf der Platte AZ die in AK entwickelte negative Electricitaͤt gebunden haͤlt, ſo iſt doch dieſes Gebundenſein332 hier eben ſo wenig als auf der Belegung der electriſchen Flaſche ſo vollkommen, daß alle Wirkung auf die entferntern Puncte auf - gehoben wuͤrde. Bei A iſt die Kupferplatte AK wegen der Be - ruͤhrung des Zinks, weil das Zink einen beſtimmten Vorzug an poſitiver Electricitaͤt fordert, negativ, und dieſer Zuſtand erſtreckt ſich in ſchwaͤcherem Maaße bis an die Firnißflaͤche DE, wo die negative Electricitaͤt durch die in der obern Platte angezogene po - ſitive Electricitaͤt gebunden wird; wegen dieſer Anziehung und der dadurch verminderten Gegenwirkung laͤßt der beruͤhrte Punct A etwas mehr negative Electricitaͤt nach DE gelangen und nimmt dagegen aus AZ negative Electricitaͤt auf, damit in A die Diffe - renz zwiſchen dem immer durch Ableitung bei Z auf Null erhalte - nen Zink und dem Kupfer die gehoͤrige Groͤße behalte; und dieſe Mittheilung, dieſe Ladung des Condenſators, dauert, der Kleinheit der Beruͤhrungsflaͤche ungeachtet, fort, bis der Condenſator ſo ſtark geladen iſt, als es nach dem Grade der in A angehaͤuften negativen Electricitaͤt geſchehen kann. Uebrigens iſt die hiezu erforderliche Zeit nur eine ſehr kurze.
Ich will hier von den mannigfaltigen Abaͤnderungen dieſes Fundamentalverſuches, deren Zweck vorzuͤglich war, zu zeigen, daß Reibung und Druck an dieſer Beruͤhrungs-Electricitaͤt keinen An - theil habe, nichts ſagen, ſondern nun zu dem gegenſeitigen Ver - halten der verſchiedenen Metalle uͤbergehen. Bisher habe ich im - mer nur Zink und Kupfer genannt, weil dieſe Metalle ihrer bedeu - tenden Wirkſamkeit wegen vorzuͤglich angewandt werden; aber dieſe Wirkſamkeit, dieſe electromotoriſche Einwirkung, findet in einigem Grade zwiſchen allen Metallen und zwiſchen allen den Koͤrpern ſtatt, die wir, nach Volta's Anleitung, Leiter der erſten Art oder auch Electromotoren nennen wollen. Bei ihnen naͤmlich iſt es ein Naturgeſetz, daß der eine Koͤrper bei der Beruͤhrung ein beſtimmtes Uebermaaß an poſitiver Electricitaͤt, der andre an nega - tiver Electricitaͤt aufnimmt. Dieſe beſtimmte Differenz iſt bei jeden zwei Metallen eine andre, aber bei zwei beſtimmten Metallen immer dieſelbe, zum Beiſpiel wenn Silber und Kupfer einander beruͤhren, und man die hier im Silber hervortretende negative333 Electricitaͤt 1 Grad nennt, alſo auch die im Kupfer hervortre - tende poſitive 1 Gr.; ſo iſt bei der Beruͤhrung von Eiſen und Silber jenes 3 Gr. poſitiv, Silber 3 Gr. negativ, bei der Beruͤh - rung von Blei und Silber, Blei 7 Gr. poſitiv, Silber 7 Gr. negativ, bei der Beruͤhrung von Zink und Silber, Zink 12 Gr. poſitiv, Silber 12 Gr. negativ*)Nach Volta's Angaben. Gilb. Ann. X. . Aber nicht bloß iſt dieſe Dif - ferenz immer dieſelbe bei zwei beſtimmten Metallen, ſondern auch die Reihenfolge der Metalle iſt ſo beſtimmt, daß man aus der Pruͤfung, wie groß die Differenz zwiſchen Silber und Blei und zwiſchen Silber und Zink iſt, die Differenz zwiſchen Blei und Zink ſicher folgen kann. War naͤmlich fuͤr Silber und Zink Sil - ber 12 Gr. negativ, fuͤr Silber und Blei Silber 7 Gr. negativ, ſo iſt gewiß fuͤr Blei und Zink Blei 5 Gr. negativ, und ſo in allen andern Faͤllen. Silber und Kupfer bieten indeß noch nicht den ſtaͤrkſten Gegenſatz gegen Zink dar, ſondern Platin ſteht weiter nach der negativen Seite, Graphit noch weiter, Mangan-Oxyd oder Braunſtein noch weiter, ſo daß bei der Beruͤhrung von Braun - ſtein mit Silber jener ungefaͤhr 10 Gr. negativ, bei der Beruͤh - rung von Braunſtein mit Zink jener ungefaͤhr 22 Gr. negativ werden wuͤrde, wenn wir die vorige Angabe von Graden, die wenigſtens den wahren Verhaͤltniſſen nahe koͤmmt, beibehalten wollen.
Aus dieſen, ſchon von Volta angegebenen, Beſtimmungen geht als Folgerung der Satz hervor, daß bei einer Beruͤhrungskette mehrerer electromotoriſchen Leiter, deren erſter mit der Erde in Verbindung iſt, ſtatt daß die uͤbrigen iſolirt gehalten zur Beruͤh - rung gebracht werden, der electriſche Zuſtand des letzten gar nicht von den Mittelgliedern der Reihe abhaͤngt. Silber an Zink beruͤh - rend erhielt nach den obigen Angaben 12 Gr. negative Electri - citaͤt; wir wollen nun die Kette ſo bilden, daß Silber an Eiſen, Eiſen an Blei, Blei an Zink beruͤhre, ſo fordert Zink einen Vor - zug von 5 an poſitiver Electricitaͤt vor dem Blei, Blei einen Vor - zug von 4 vor dem Eiſen, Eiſen einen Vorzug von 3 vor dem Silber, und es iſt folglich, wenn das Silber mit der Erde in Verbindung ſteht, alſo = 0 iſt, Eiſen = + 3, Blei = + 7,334 Zink = + 12, gerade eben ſo wie bei der unmittelbaren Beruͤhrung von Zink und Silber.
Aus dieſem Grunde erhaͤlt man am Condenſator keine Spur von Electricitaͤt, wenn man die kupferne Condenſatorplatte mit einer auf Kupfer liegenden Zinkplatte ſo beruͤhrt, daß dieſes Kupfer mit der Erde in Verbindung ſteht, waͤhrend das Zink bloß von den beiden Kupferplatten beruͤhrt wird. Mag naͤmlich immer das auf dem Kupfer liegende Zink ſeinen Vorzug an poſitiver Electri - citaͤt haben, ſo iſt doch nicht das mindeſte Beſtreben da, dieſe Electricitaͤt an die Condenſatorplatte abzugeben, da der Ruheſtand der electriſchen Materien erſt eintritt, wenn das Zink ſeinen ge - buͤhrenden Ueberſchuß an poſitiver Electricitaͤt hat, ſowohl uͤber das an der einen als an der andern Seite liegende Kupfer, und daher koͤmmt das obere Kupfer eben ſo gut auf den Nullzuſtand, als das untere. Aus dieſem Grunde bedurften wir einer andern Condenſatorplatte, um die dem Zink vom Kupfer her zu Theil gewordene Ladung auf den Condenſator hinuͤber zu fuͤhren, weil das vom Kupfer her geladene Zink keine Spur von Beſtreben zei - gen kann, ſeine Ladung an eben ſolches Kupfer abzugeben; wollte man alſo die Verſuche mit Silber, Eiſen, Blei, anſtellen, ſo muͤßte man Condenſatorplatten von jedem dieſer verſchiedenen Me - talle anwenden.
Aber dieſe anſcheinende Nothwendigkeit wird gehoben, wenn man einen Leiter der zweiten Art als zwiſchen liegenden Koͤrper anwendet. Die feuchten Leiter naͤmlich, Waſſer, Salz-Aufloͤſun - gen, durchnaͤßtes Papier u. a., haben die Eigenſchaft hier bloß als Leiter, nicht electromotoriſch, zu wirken, und heißen daher Leiter der zweiten Art. Die Erfahrung zeigt dieß, und die Frage, ob gar keine von der bloßen Leitung verſchiedene Wirkung hier ein - trete, kann fuͤr jetzt bei Seite gelaſſen werden. Dieſe Erfahrung liegt in folgendem Verſuche. Sie wiſſen, daß eine Zinkplatte auf die kupferne Condenſatorplatte keine poſitive Electricitaͤt hinuͤberſen - det, wenn die Zinkplatte Z eine mit der Erde in Verbindung ſtehende Kupferplatte K beruͤhrend, (Fig. 102.) mit ihrer andern Seite die Condenſatorplatte L beruͤhrt; aber bringen Sie jetzt ein genaͤßtes335 Papier zwiſchen Z und L, ſo daß Z nirgends in metalliſcher Be - ruͤhrung mit L iſt; ſo kann der Condenſator, bei dem Ihnen be - kannten Verfahren, eben ſo gut mit der in Z vorhandenen poſiti - ven Electricitaͤt geladen werden, wie es geſchehen konnte, wenn L eine Zinkplatte war. Der Grund, warum ohne jene Zwiſchenlage keine poſitive Electricitaͤt von Z nach L uͤberging, war, daß Z eben ſo gut ſeinen Vorzug an poſitiver Electricitaͤt von L als von K forderte, ſo lange bei metalliſcher Beruͤhrung die Contact-Elec - tricitaͤt wirkſam ſein konnte; wir ſehen alſo, daß dieſe Wirkſamkeit ganz weggefallen iſt durch den zwiſchen liegenden feuchten Leiter, und daß hier die in Z angezogene poſitive Electricitaͤt ganz ge - woͤhnlich geleitet nach L uͤbergeht, daß Z in dem Beruͤhrungs - puncte an K ſich immer aufs neue mit der dem Zink gebuͤhrenden Menge von + E verſieht, und daß dieſes Hinuͤberleiten ſo lange ſtatt findet, bis L und Z beide mit ſo viel + E geladen ſind, als die Ladung des Condenſators fordert. Hiermit iſt alſo die Wirkung dieſer Leiter der zweiten Art deutlich dargethan.
Und jetzt, da wir die ganze Wirkung der einzelnen Theile dieſer einfachen galvaniſchen Kette aus den Verſuchen mit dem Condenſator kennen, iſt es der Muͤhe werth, noch einen Ruͤckblick auf den erſten Galvaniſchen Verſuch zu werfen, und zu uͤberlegen, wie Volta's Scharfſinn ſchon in dieſem alles das finden konnte, was ich Ihnen bisher angegeben habe. Jener Galvaniſche Verſuch beſtand darin, daß der Froſchſchenkel einen feuchten Leiter zwiſchen zwei ungleichartigen Metallen bildete, und den Uebergang von Electricitaͤt verrieth, ſobald dieſe Metalle ſich beruͤhrten. War nun der Gedanke einmal gefaßt, daß in der Be - ruͤhrung der Metalle eine Aenderung des Electricitaͤtszuſtandes entſtehe, ſo ließ die Zuckung, als Wirkung des erſten Stoßes dieſer Electricitaͤt, ſich erklaͤren, und es war auch klar, daß bei dauernder Schließung des durch die zwei Metalle und den thieriſchen Koͤrper gebildeten Kreiſes das Durchſtroͤmen der Electricitaͤt eben ſo ohne neue Zuckung ſtatt finden koͤnne, wie wir bei feſtem Anhalten an dem Conductor der fortgeſetzt wirkſamen Electriſirmaſchine keinen neuen Funkenſchlag erhalten*)Von dem Zucken beim Oeffnen der Kette koͤmmt ſpaͤter die Erklaͤrung vor.. Es war alſo ein electriſcher336 Strom, der — wenn Kupfer und Zink die beiden Metalle ſind, und wir auf den poſitiv-electriſchen Strom ſehen, — vom Ku - pfer zum Zink uͤbergehend den thieriſchen Leiter trifft, und dann kreiſend ſeinen Lauf unaufhoͤrlich fortſetzt. Daß es Electricitaͤt ſei, wurde beſtaͤtigt, da alle Beobachter fanden, daß die Zuckungen erfolgten, wenn auch die zwei Metalle nur durch andre Leiter der Electricitaͤt mit dem thieriſchen Theile, der durch ſein Zucken die Veraͤnderungen kenntlich machte, verbunden waren, und daß die Zuckungen nicht erfolgten, wenn ein Nichtleiter der Electricitaͤt die Verbindung unterbrach.
Fragen wir nun, wie ſich die Schließung eines ſolchen Kreiſes verhalten wuͤrde, wenn die drei Koͤrper, aus denen er ſich bildet, alle drei der electromotoriſchen Claſſe der Koͤrper, welche eine be - ſtimmte Reihenfolge bilden, angehoͤrten; ſo finden wir, und auch Volta uͤberſah dies ſehr bald, daß da kein electriſcher Strom entſtehen koͤnnte. Wir wollen ſtatt des Froſchſchenkels Eiſen an - wenden und Silber, Zink, als die den Kreis ſchließenden Metalle nehmen, ſo wiſſen Sie, daß Zink 9 Gr. poſitive Electricitaͤt als Vorzug vor dem Eiſen, Eiſen 3 Gr. poſitive Electricitaͤt als Vor - zug vor dem Silber verlangt; alſo ſchon vor dem Schluſſe der Kette koͤnnen wir, da das Eiſen vom Silber am einen, vom Zink am andern Ende beruͤhrt wird, dem Silber Null, dem Eiſen +3, dem Zink +12 beilegen; und es iſt nun klar, daß die Schließung keinen Uebergang von Electricitaͤt veranlaßt, da Zink ſeinen gebuͤh - renden Ueberſchuß = +12 vor dem Silber ſchon hat, alſo keine Aenderung bei der Beruͤhrung eintritt*)Eine ſehr geringe Aenderung moͤchte allenfalls vorgehen, weil noch ein neuer Beruͤhrungspunct hervorgebracht wird; aber keines - weges der maͤchtigere Kreislauf der electriſchen Materien, der jene Wirkungen hervorbringt.. Der feuchte Leiter mußte alſo, da die Beruͤhrung jenen Uebertritt electriſcher Materie veranlaßte, auf eine andre Art, als die Leiter der erſten Art wir - ken, er mußte nicht der Reihenfolge der electromotoriſchen Leiter angehoͤren.
Indeß, wenn auch dieſe Ueberzeugung ſchon durch jenen erſten Verſuch begruͤndet iſt, ſo hat doch Volta, waͤhrend ſein337 Scharfſinn dieſes erkannte, auch dieſe Eigenthuͤmlichkeit der Leiter der zweiten Art durch zahlreiche Verſuche, die ich hier nicht weiter anfuͤhren kann, ſor〈…〉〈…〉 ltig bewieſen.
Um aber von jenen Verſuchen zu der wichtigen Kenntniß, daß eine Verſtaͤrkung der galvaniſchen Erſcheinungen moͤglich ſei, zu gelangen, mußte noch ein andrer neuer Lehrſatz aufgeſtellt und bewieſen werden. Diejenigen Verſuche, die wir unter dem Namen des Volta'ſchen Fundamentalverſuchs zuſammen gefaßt haben, zeigten, daß bei der Beruͤhrung von Kupfer und Zink das Gleich - gewicht der electriſchen Materien erſt eintrat, wenn das Zink ſich einen beſtimmten Antheil an poſitiver Electricitaͤt zugeeignet hatte, und daß dieſes entweder geſchehen konnte, indem Kupfer 0 und Zink in jenem vollen Grade poſitiv, oder indem Zink 0 und Kupfer in jenem vollen Grade negativ wurde, oder indem beide iſolirt zur Beruͤhrung gebrachte Metalle entgegengeſetzt electriſch wurden, wo dann Zink den halben Grad der poſitiven und Kupfer den hal - ben Grad der negativen Electricitaͤt erreichte. Dieſe feſte Diffe - renz der electriſchen Spannung, die wir vorhin annaͤhernd fuͤr Sil - ber und Zink durch 12 ausdruͤckten, und die alſo entweder Silber 0, Zink + 12, oder Silber - 12, Zink 0, oder Silber - 6, Zink + 6 gab, fuͤhrte zu der Vermuthung, daß auch bei andern electriſchen Zuſtaͤnden, als dem natuͤrlichen, jene Differenz in der Beruͤhrung beider Metalle ſtatt finden moͤge, und mit dieſer Ver - muthung war, wenn ſie ſich beſtaͤtigte, das Mittel zur Verſtaͤrkung der bei einem Plattenpaare oder bei der einfachen galvaniſchen Kette ſo ſchwachen Electricitaͤt gefunden.
Bringt man naͤmlich auf die Zinkplatte Z (Fig. 103.) eine Kupferplatte K, auf dieſe eine Platte angefeuchteter Pappe W und auf ſie eine zweite Zink - und eine zweite Kupferplatte Z′, K′; ſo muß, wenn jene fuͤr Zink und Kupfer geforderte Differenz auch bei andern Graden der Electricitaͤt immer dieſelbe bleibt, K′ dop - pelt ſo ſtark negativ-electriſch ſein, als K, und dieſes muß ſich am Condenſator zeigen laſſen. Dieſe Ueberzeugung ſtuͤtzt ſich darauf, daß das untere mit der Erde in Verbindung ſtehende Zink fuͤr ſichIII. Y338einen beſtimmten Vorzug an poſitiver Electricitaͤt vor dem Kupfer fordert, daß alſo, da das untere Zink Z auf Null erhalten wird, das Kupfer K in dieſem beſtimmten Grade, den ich jetzt als - 1 anſehe, negativ iſt; die feuchte Schichte aber vermittelt zwiſchen K und Z′ einen gleichen electriſchen Zuſtand und auch Z′ iſt in dem Zuſtande - 1, das heißt, Z′ hat einen Grad negativer Electricitaͤt. Wird nun erſt K′ aufgelegt, ſo nimmt Z′ ihm ſo - gleich poſitive Electricitaͤt, und laͤßt nicht eher einen Ruheſtand der electriſchen Materien eintreten, bis das Zink ſeinen gehoͤrigen Vor - zug an poſitiver Electricitaͤt hat, das heißt, wie wir vermuthen duͤrfen, da die Leitung durch die unteren Schichten immerfort ſtatt findet, nicht eher bis K′ um 2 Grade negativ iſt. Unſre Ver - muthung nimmt naͤmlich an, das Gleichgewicht finde ſtatt, wenn K′ = - 2, Z′ = - 1, K = - 1, Z = 0 iſt, oder wenn die Ladungs-Differenz er ſich beruͤhrenden Electromotoren ihrer eigenthuͤmlichen Natur gemaͤß iſt. Schließen wir nach eben dem Princip weiter fuͤr den Aufbau von vier Schichten (Fig. 103.), ſo muß fuͤr Z = 0, K = - 1, Z′ = - 1, K′ = - 2, Z″ = - 2, K″ = - 3, Z‴ = - 3, K‴ = - 4 ſein, weil der feuchte Leiter zwiſchen K, Z′, zwiſchen K′, Z″, zwi - ſchen K″, Z‴, die Gleichheit vermittelt.
Dieſe Schluͤſſe waren hypothetiſch, — ſo muͤßte es erfolgen, wenn der Lehrſatz, daß in jedem Falle die ſich beruͤhrenden Me - talle, Zink, Kupfer, die beſtimmte Differenz fordern, richtig iſt, — aber dieſe hypothetiſchen Schluͤſſe beſtaͤtigte nun Volta durch Pruͤfung jeder einzelnen Schichtung am Condenſator auf das voll - kommenſte, und in ihrer Beſtaͤtigung lag die Entdeckung der vol - taiſchen Saͤule. Volta uͤberſah jetzt, daß eine Schichtung von hundert Plattenpaaren die Wirkung auf das Hundertfache ver - ſtaͤrken muͤſſe, und es laͤßt ſich vollkommen einſehen, daß, waͤhrend das Erſtaunen aller Phyſiker die Entdeckung der Saͤule als die unerwartetſte und uͤberraſchendſte feierte, Volta mit voller Wahr - heit ſagen konnte, die Wirkungen der Saͤule haͤtten ſeinen Er - wartungen Genuͤge gethan, aber ihn nicht uͤberraſcht, da die Reihe von Entdeckungen, auf welche die Entdeckung der Saͤule ſich gruͤn - dete, ihm ſchon im Voraus den Erfolg verbuͤrgte.
Die electriſche Saͤule, die voltaiſche Saͤule, deren Entdeckung ich Sie neulich Schritt fuͤr Schritt zu verfolgen veranlaßt habe, beſteht, wie Sie aus dem Vorigen uͤberſehen haben, in einer wie - derholten Schichtung der drei Koͤrper, aus denen wir die erſten Schichten hervorgehen ließen. Zwei Metalle, und zwar ſolche Me - talle, die bei der Beruͤhrung recht bedeutende Zeichen von Electri - citaͤt geben oder die in der Reihe der Electromotoren weit von ein - ander entfernt ſind, und als dritter Koͤrper eine naſſe Tuchſcheibe oder Pappſcheibe, werden in immer gleicher Ordnung auf einander gelegt, und die Menge dieſer Plattenpaare beſtimmt den Grad der entſtehenden Electricitaͤt. Obgleich aber jeder feuchte Leiter die Stelle des dritten Koͤrpers einnehmen kann, ſo iſt doch Waſſer weniger gut, als ein mit Saͤuren oder Salzen geſchwaͤngertes Waſſer, geſchickt, diejenigen Wirkungen hervorzubringen, welche am meiſten die Aufmerkſamkeit der Phyſiker erregten, naͤmlich die ſtarken koͤrperlichen Empfindungen, die man bei der Schließung vielſchichtiger Saͤulen wahrnimmt, die chemiſchen Erſcheinungen u. ſ. w. Volta glaubte dieſe vollkommnere Wirkung einzig der beſſeren Leitung, welche die Saͤuren und Salze gewaͤhren, zu - ſchreiben zu muͤſſen, und wenn auch nicht ganz allein in ihr die Urſache der ſtaͤrkern Wirkung liegt, ſo traͤgt ſie doch mit dazu bei, und wir wollen fuͤr jetzt uns mit dieſer Auskunft befriedigen.
Sobald die Saͤule bekannt wurde, (am Ende des Jahres 1799) beſchaͤftigten ſich die Phyſiker mit allen den Eigenſchaften, wodurch ſie ſich auszeichnet; ich werde aber zuerſt bei den Unter - ſuchungen verweilen, die mit der Entdeckung im naͤchſten Zuſam - menhange ſtehen, naͤmlich bei denen, welche die electroſcopiſchen Eigenſchaften betreffen. Volta hatte dieſe waͤhrend des ganzen Fortganges ſeiner Unterſuchung beobachtet, aber fuͤr die uͤbrigenY 2340Naturforſcher war es eine neue Beobachtung, daß wirklich der Zink - pol der Saͤule, dasjenige Ende naͤmlich, gegen welches zu man in der Ordnung Kupfer, Zink, feuchter Leiter fortſchreitet, poſitive Electricitaͤt, der Kupferpol negative Electricitaͤt darbot. Es war den Phyſikern eine neue Beobachtung, daß dieſe Electricitaͤt am Condenſator verſtaͤrkt eben die Erſcheinungen, wie die gewoͤhnliche Electricitaͤt, darbot, daß man electriſche Flaſchen — wenn gleich ſehr ſchwach — durch ſie laden, die Lichtenbergiſchen Figuren durch ſie darſtellen konnte, u. ſ. w.
Wenn man die Saͤule auf einer iſolirenden Unterlage auf - ſtellte, ſo konnte man entweder die Electricitaͤt am oberen Ende auf ihren vollen Grad ſteigen laſſen, wenn man dem untern Ende eine Ableitung gab, oder die Electricitaͤt des obern Endes auf die Haͤlfte herabſetzen, wenn man die Iſolirung des unteren Endes herſtellte. In dieſer ungeſchloſſenen Saͤule naͤmlich, wo keine Leitung außer der Saͤule die beiden Pole in Verbindung ſetzt, tritt der Ruheſtand der electriſchen Materien dann ein, wenn jede Zinkplatte ihren gehoͤrigen Vorzug an poſitiver Electricitaͤt hat, und daß dieſes, wenn Kupfer unten liegt, Zink darauf liegt, und dann der feuchte Leiter das zweite Plattenpaar trennt, ſo geſchieht, daß die erſte Zinkplatte einen beſtimmten Grad, die Zinkplatte der zweiten Schichtung zwei Grade poſitiver Electricitaͤt erlangt, habe ich fuͤr den Fall, daß unten eine Ableitung ſtatt findet, ſchon fruͤher angegeben. Beruͤhrt man aber oben und unten ableitend die Saͤule und uͤberlaͤßt ſie iſolirt ſtehend nun wieder ſich ſelbſt, ſo findet man von der Mitte aus die poſitive Ladung deſto ſtaͤrker, je hoͤher man hinaufgeht, die negative deſto ſtaͤrker, je tiefer man hinabgeht, ſo daß die Saͤule aus hundert Plattenpaaren nun Null in der Mitte, + 50 am Zink-Ende, (welches ich als das obere annahm,) - 50 am Kupfer-Ende zeigt, ſtatt daß ſie, unten mit Ableitung verſehen, oben + 100 angab. Setzt man irgend eine Mittelſchichte mit der Erde in Verbindung und laͤßt beide Enden iſolirt; ſo zeigt jedes Ende den Grad von Electricitaͤt, der ſeiner Schichtenzahl entſpricht. War z. B. in der Saͤule aus 100 Plattenpaaren, wo Kupfer unten, Zink oben iſt, die 70ſte Schichte von unten herauf abgeleitet; ſo mußte oben die + E 30 Gr. und unten die - E 70 Gr. haben, wenn wir mit dem341 Namen eines Grades immer die ſehr ſchwache Electricitaͤt bezeichnen, die ſich ſchon bei der aus einem Plattenpaare beſtehenden Kette zeigt. Dieſe Regel findet ſich, ſo weit die geringe Staͤrke der Electricitaͤt eine genaue Abmeſſung erlaubt, vollkommen beſtaͤtigt.
Bisher habe ich immer den Leiter der zweiten Art als einen feuchten Leiter erwaͤhnt; aber wenn es bloß auf Beobachtung der electroſcopiſchen Erſcheinungen ankoͤmmt, ſo laſſen ſich auch Papier - ſchichten, die wir trocken nennen, wenn ſie gleich dies nicht im vollkommenſten Sinne ſein duͤrfen, anwenden. Die große Veraͤn - derlichkeit, welcher die feuchten Saͤulen unterworfen ſind, ließ wuͤn - ſchen, daß man eine Anordnung trockener Saͤulen finden moͤge, und Marechaux, Behrens und andre hatten ſchon die Moͤg - lichkeit ſolcher Saͤulen gezeigt, als Zamboni eine ſehr paſſende Anordnung angab, die unter dem Namen Zamboni's Saͤule in allgemeinen Gebrauch gekommen iſt.
Dieſe trockne Saͤule beſteht aus eben ſolchen Schichtungen von unaͤchtem Goldpapier und Silberpapier, wie vorhin die Me - talle und der feuchte Leiter ſie darboten. Die Metallſeiten dieſer Papiere, deren Metall meiſtens Kupfer bei dem einen, Zink bei dem andern, iſt, werden in Beruͤhrung gebracht, das anſcheinend trockene Papier vertritt die Stelle des feuchten Leiters, und wenn man alſo dieſe Doppelſchichten, deren jede naͤmlich ſchon aus un - aͤchtem Goldpapier und Silberpapier beſteht, ſo auf einander legt, daß immer dieſelbe Papierſorte zu unterſt koͤmmt; ſo hat man eine richtig geordnete Saͤule, in welcher das Kupfer des Gold - papiers mit dem Zink des Silberpapiers in metalliſcher Beruͤhrung iſt, dann aber die Papiermaſſe des Silberpapiers und die daran anliegende Papiermaſſe des Goldpapiers die Stelle des Leiters der zweiten Art einnehmen. Damit die Metallflaͤchen ſich innig be - ruͤhren, werden die Papiere, nachdem ſie richtig geordnet ſind, mit Seidenfaͤden feſt zuſammengebunden. Dieſe Saͤulen, denen Zam - boni durch einen Ueberzug von ſchwefelſaurem Zink an der einen und Braunſtein (Mangan-Oxyd) an der andern Seite noch mehr Kraft gab, die man aber gewoͤhnlich bloß aus jenen Papieren bil - det, laſſen ſich nun leicht zu mehreren tauſend Plattenpaaren auf -342 bauen, und ſie zeigen dann die Wirkungen des Anziehens und Abſtoßens vollkommen deutlich. Stellt man zwei ſolche Saͤulen AB, CD, (Fig. 104.) neben einander, und zwar ſo angeordnet, daß in AB das Goldpapier mit ſeiner Metallſeite auf der Metall - ſeite des Silberpapiers liegt, in CD dagegen die umgekehrte Ord - nung ſtatt findet, ſo iſt bei A das negative, bei C das poſitive Ende der Saͤule. Wenn die Kugeln E, F, mit den obern Schich - ten der Saͤulen in guter Leitungsverbindung ſtehen, ſo zeigen ſie dieſe beiden Electricitaͤten, und man pflegt zwiſchen ihnen das nur wenig oberhalb ſeines Schwerpunctes bei H unterſtuͤtzte Pendel GI aufzuſtellen, deſſen oberer Theil eine Metallkugel, die Stange IG dagegen Glas iſt; bringt man das Metall I mit E in Beruͤh - rung, ſo wird es negativ und von E abgeſtoßen, zugleich aber von F angezogen, und das Pendel ſetzt ſich daher, wechſelsweiſe die obern Pole der Saͤulen ausladend, in eine nie aufhoͤrende oſcilli - rende Bewegung. Die Fortdauer dieſer Bewegung beruht darauf, daß in beiden Endpuncten durch die electromotoriſche Wirkung aller Schichten ſogleich, oder wenigſtens in einem kurzen Zeitverlaufe, diejenige Electricitaͤt wieder hervortritt, die dieſem Pole der Saͤule zukoͤmmt. Damit dieſe Erneuerung der Wirkung ſchnell genug eintrete, muß man die Platten ziemlich groß (3 Zoll im Durchmeſſer oder daruͤber,) nehmen, und damit die Wirkung uͤberhaupt ſtark genug ſei, muß man mehrere tauſend Plattenpaare anwenden. Mit 8000 Plattenpaaren hat man dem Pendel Kraft genug gege - ben, um ein leichtes Uhrwerk zu treiben, das, ſo lange nicht Aen - derungen in der Saͤule vorgehen, (indem etwa durch zu viele Feuch - tigkeit die Metalle ihren Glanz verlieren oder durch allzu ſtarkes Austrocknen die Leitung zu ſchwach wird,) ſeinen Gang ziemlich gleichmaͤßig fortſetzt.
Wenn man jenes Pendel wegnimmt, und bei E zwei Gold - blaͤttchen aufhaͤngt, ſo ſtoßen dieſe einander ab, und die Pruͤfung mit angenaͤhertem Glaſe oder Siegellack zeigt, ob E die poſitive oder negative Electricitaͤt habe. Bringt man an E oder F eine iſolirte Metallſcheibe, ſo kann man mit dieſer die Electricitaͤt auf ein auch entfernter ſtehendes Electrometer uͤbertragen. Stellt man den Knopf einer Verſtaͤrkungsflaſche nahe an die bei E aufgehaͤngten Goldblaͤttchen, ſo ſieht man, wie dieſe ſich an dem Knopfe aus -343 laden, und dabei genau die Geſetze der gewoͤhnlichen Electricitaͤt befolgen. Steht naͤmlich die Flaſche iſolirt, ſo hoͤren die Gold - blaͤttchen bald auf, durch ihr zuerſt immer erneuertes Annaͤhern die Ladung fortzuſetzen; beruͤhrt man aber dann die aͤußere Belegung der Flaſche und zieht dadurch die innen entſtandene Ladung gegen die innere Oberflaͤche des Glaſes, ſo ſetzen die Goldblaͤttchen ihr Zufuͤhren electriſcher Materie fort, und erſt nach langer Zeit, wenn naͤmlich die Flaſche ganz geladen iſt, hoͤrt, wofern unterdeß der aͤußern Belegung Ableitung gegeben wurde, die Fortſetzung der Ladung auf. Dieſe Ladung iſt nun allerdings immer noch eine ſchwache Ladung; aber bei einer Saͤule von 2000 Plattenpaaren und einer Flaſche von 2 Quadratfuß Belegung iſt ſie doch hinrei - chend, um, wenn man die Finger, ehe man die aͤußere Belegung und den Knopf der Flaſche beruͤhrt, ſtark mit ſalzigem Waſſer be - feuchtet hat, bei der Ausladung mit ſo benetzten Fingern eine merk - liche Empfindung, einen ſchwachen Schlag, zu geben. — Mehr kann man nach der immer noch ſehr geringen Groͤße der electroſco - piſchen Erſcheinungen nicht erwarten.
Die vollkommene Ladung der trockenen Saͤule ſtellt ſich nicht, wie bei den feuchten Saͤulen, in einem Augenblicke her, ſondern die Zeit, welche dazu erfordert wird, iſt deſto groͤßer, je kleiner die Papierſcheiben ſind. Bohnenberger bediente ſich zur Ladung einer electriſchen Flaſche von 59 Quadratzoll Belegung einer Saͤule von 4000 Doppelplatten, die nur 8 Quadratlinien groß waren, und bewirkte die Ladung erſt in 170 Minuten; dagegen brachten 2000 Doppelplatten von 432 Quadratlinien dieſe Ladung in 7 Minuten zu Stande und 4000 Doppelplatten wuͤrden alſo nur 3½ Minuten gebraucht haben; die 54 mal ſo großen Papiere be - wirkten alſo die Ladung in einer Zeit, die nur $$\frac{1}{49}$$ der Zeit betrug, deren die kleinern bedurften, und man irrt nicht ſehr, wenn man die Zeit umgekehrt proportional der Plattengroͤße und Plattenzahl ſetzt. Der Grund dieſer ungleich ſchnellen Ladung iſt auch ziemlich einleuchtend. Die Langſamkeit der Ladung beruht auf mangelhafter Leitung, und es finden ſich gewiß in der großplattigen Saͤule nach Verhaͤltniß ihres Querſchnittes mehr gut leitende Puncte, alſo ſchnellere Ladung.
344Daß die hier ſtatt findende Wirkung dem Weſentlichen nach dieſelbe ſei, wie bei den feuchten Saͤulen, laͤßt ſich gar nicht zwei - feln, indeß haben Zamboni, Bohnenberger u. a. auch durch beſtimmte Verſuche nachgewieſen, daß eine mit naſſen Lei - tern aufgebaute Saͤule beim allmaͤhligen Austrocknen zwar auf - hoͤrt, chemiſche Wirkungen zu zeigen und auf das Gefuͤhl zu wir - ken, aber fortfaͤhrt, die electriſche Spannung eben ſo wie fruͤher, jedoch mit langſamerer Erneuerung, zu zeigen, ſo wie es die trockene Saͤule thut.
Da ich von den chemiſchen und phyſiologiſchen Wirkungen der feuchten Saͤule noch nichts geſagt habe, ſo koͤnnte ich dieſe Wir - kungen auch hier unerwaͤhnt laſſen; indeß will ich doch kurz bemer - ken, daß ſehr vielſchichtige und großplattige trockne Saͤulen aller - dings auch chemiſch wirken, daß ſie da, wo das Pendel an die Kugeln E, F, (Fig. 104.) anſchlaͤgt, einen im Dunkeln ſicht - baren Funken geben, und daß dieſe Wirkungen nur darum ſehr ſchwach bleiben, weil die Electricitaͤt ſich zu langſam erſetzt, der electriſche Strom in der geſchloſſenen Saͤule nicht ſchnell genug thaͤtig iſt, um dieſe Wirkungen auffallender hervorzubringen.
Hier findet nun endlich auch das hoͤchſt empfindliche Electro - meter ſeine Erklaͤrung, deſſen man ſich gern ſogleich vom Anfange der Electricitaͤtslehre an bedient. Es iſt von Behrens zuerſt angegeben, aber von Bohnenberger in der bequemſten Form dargeſtellt, und beſteht entweder (wie Fig. 105.) aus zwei trock - nen electriſchen Saͤulen, AB, CD, deren entgegengeſetzte Pole unten einander gegenuͤber liegen, und zwiſchen denen das leicht bewegliche Goldblaͤttchen herab haͤngt, oder (wie Fig. 106.) aus einer electriſchen trocknen Saͤule AB, von deren beiden Polen Leiter AC, BD, hinaufgefuͤhrt ſind, um zur Anziehung und Ab - ſtoßung des Goldblattes EF zu dienen. In beiden Faͤllen haͤngt das Goldblatt, nach der poſitiven und negativen Seite gleich ſtark angezogen, ruhig, ſo lange man ihm keine Electricitaͤt ertheilt; hat man aber auch nur die ſchwaͤchſte Electricitaͤt durch Mitthei - lung oder Vertheilung dem Goldblaͤttchen zugefuͤhrt, ſo bewegt es ſich ſchnell gegen den negativen Pol, wenn dieſe Electricitaͤt345 poſitiv war, und gegen den poſitiven Pol, wenn ſie negativ war. Bringt man auf dem Leiter G einen Condenſator an, ſo dient dieſes Electrometer, nach der Ladung des Condenſators und dem Auf - heben der obern Platte des Condenſators, um die allerſchwaͤchſten Grade von Electricitaͤt kenntlich zu machen.
Bringt man die Leiter C, D, (Fig. 106.) einander ziemlich nahe, ſo iſt es kaum moͤglich, das Goldblatt zur Ruhe zu bringen, weil, bei der geringſten Abweichung von der Mitte, es nach der naͤhern Seite, auch ohne von außen her electriſirt zu ſein, angezo - gen wird, dann aber dort eine Ladung erhaͤlt und nach der andern Seite gezogen wird, wo dieſelbe Urſache zu einem neuen Ueber - gange nach jener abermals eintritt. Auch wenn die Entfernung zwiſchen C, D, groß genug iſt, pflegt, wenn das Anſchlagen an einer Seite ſtatt gefunden hat, gern noch ein zweites an der andern zu erfolgen, daß aber das erſte Anſchlagen die Entſcheidung giebt, ob die dem Goldblatte ertheilte Electricitaͤt poſitiv oder negativ war, verſteht ſich von ſelbſt.
Ich habe bisher nur von derjenigen Schichtung der verſchie - denen Plattenpaare, welche die Form der Saͤule giebt, geredet; aber da es nur darauf ankoͤmmt, die zwei Metalle abwechſelnd mit einem feuchten Leiter in gleichmaͤßiger Ordnung in Wirkſamkeit zu bringen, ſo ſind mehrere andre Anordnungen moͤglich. Bei dem Aufbauen der Saͤule iſt das eine Unbequemlichkeit, daß, vorzuͤglich wenn man etwas ſtaͤrker geſaͤuertes und geſalzenes Waſſer an - wendet, ſchon waͤhrend des Aufbauens, das bei groͤßern Saͤulen nicht ſo ſchnell zu vollenden iſt, eine ſtarke chemiſche Wirkung auf die Metalle eintritt, wodurch die Platten Veraͤnderungen erleiden, ferner daß die immer etwas ungleichen Pappſchichten oder Tuch - ſchichten keine genaue Gleichheit geſtatten, daß das Austrocknen die dauernde Wirkſamkeit der Saͤule hindert, u. ſ. w. Volta gab daher ſchon unter dem Namen Becher-Apparat eine Anord - nung an, die in Folgendem beſteht. Man ſtellt (Fig. 107. ) Glaͤſer A, B, C, D, auf, in deren erſtes die mit dem Leitungs - drathe L verſehene Kupferplatte K geſetzt wird; ihr gegenuͤber346 ſteht in demſelben Glaſe die Zinkplatte Z, welche durch einen an - geloͤtheten Metalldrath M mit der zweiten Kupferplatte K verbun - den iſt; dieſe zweite Kupferplatte ſteht in einem zweiten Glaſe und hat eine zweite Zinkplatte gegenuͤber, und ſo geht es durch ſo viele Glaͤſer, als man will, fort. Werden nun alle Glaͤſer mit einer leitenden Fluͤſſigkeit gefuͤllt, ſo iſt die voltaiſche Kette fertig.
Um die Erſcheinungen bequem zu uͤberſehen, nehme ich an, daß auch am letzten Leitungsdrathe I eine Kupferplatte k ſich befinde; dann giebt k an die im Glaſe D ſtehende Zinkplatte wegen der metalliſchen Beruͤhrung die dem Zink zukommende poſitive Electricitaͤt, die ich als +1 anſehe; eben dieſe electriſche Span - nung wird durch die Fluͤſſigkeit der in eben dem Glaſe D ſtehenden Kupferplatte mitgetheilt, dieſe aber kann nicht +1 an Electricitaͤt beſitzen, ohne daß die mit ihr in metalliſcher Beruͤhrung ſtehende, in C eingetauchte Zinkplatte +2 an poſitiver Electricitaͤt habe; die Kupferplatte in C erhaͤlt durch die leitende Fluͤſſigkeit auch +2, und kann nur dann eine Electricitaͤt von dieſer Spannung ent - halten, wenn die Zinkplatte im Glaſe B +3 hat; daß eben ſo die Zinkplatte im Glaſe A +4 haben wird, erhellt von ſelbſt. Waͤre bei K keine Verbindung mit der Erde, ſo wuͤrde das Geſetz der Verſtaͤrkung daſſelbe bleiben, nur wuͤrde dann am einen Ende negative, am andern Ende poſitive Spannung hervortreten.
Ganz dieſer Anordnung aͤhnlich ſind die Trog-Apparate, wo in einer Reihe getrennter einzelner Zellen die Plattenpaare auf - geſtellt ſind. Sie muͤſſen aus Porcellan oder Glas ſein, damit das geſaͤuerte Waſſer jeder einzelnen Zelle durchaus nicht in leiten - der Verbindung mit dem Waſſer einer andern Zelle ſtehe, weil offenbar, wenn in das Waſſer eines Glaſes C (Fig. 107.) meh - rere Plattenpaare tauchten, dieſe alle nur einen und denſelben Grad electriſcher Ladung erhalten wuͤrden. Bei dieſen aber hat man, vorzuͤglich auf Wollaſtons Angabe, eine weſentliche Ver - beſſerung angebracht, die bei den geſchichteten Saͤulen nicht ſtatt findet. Es iſt ein, ſpaͤter noch naͤher zu unterſuchender Erfahrungs - ſatz, daß man mit Vortheil beiden Seiten der Zinkplatte Kupfer - platten gegenuͤber ſtellen kann und daß die Wirkung dadurch un - gefaͤhr dieſelbe wird, wie bei doppelt ſo vielen Plattenpaaren; wenn man daher entweder in jede Zelle eine Zinkplatte Z und eine dieſe347 von beiden Seiten umgebende Kupferplatte K (Fig. 108.) ein - taucht, oder auch kupferne Gefaͤße K, K ', ſo wie Fig. 109. zeigt, neben einander ſtellt, und in jedes Gefaͤß eine Zinkplatte taucht, dann aber die Verbindungen von Z nach K', von Z 'nach K' ', von Z' 'nach K' '' u. ſ. w. zu Stande bringt, ſo hat man einen Apparat, der ſich vorzuͤglich gut zu Anſtellung der Verſuche eignet. In dieſen Trog-Apparaten muß das Zink außerhalb der Fluͤſſigkeit mit dem Kupfer in metalliſcher Beruͤhrung ſein, in der Fluͤſſigkeit hingegen muͤſſen die Platten nur einander gegenuͤber ſtehen, damit die electriſchen Stroͤme durch die Fluͤſſigkeit von der einen Platte zur andern uͤbergehen. Aus dieſem Grunde richtet man die Zink - platten ſo ein, daß ſie an der unmittelbaren Beruͤhrung gehindert werden; denn wenn (Fig. 108. ) Z nicht bloß mit K ', ſondern auch mit K in metalliſcher Beruͤhrung waͤre, ſo haͤtten K und K' gleiche electriſche Ladung.
Da es uns jetzt nur um einen oft wiederholten Wechſel der drei die Kette bildenden Koͤrper zu thun iſt, ſo uͤbergehe ich hier noch diejenige Verbindung der Platten im Trog-Apparate, wo alle Platten gleich einem einzigen ſehr großen Plattenpaare ange - wandt werden, wovon ich bei den Waͤrme-Erſcheinungen in der Schließung der Saͤule reden werde.
Welche von dieſen verſchiedenen Anordnungen des Apparates man nun auch anwende, ſo iſt der Zuſtand, ſowohl in der unge - ſchloſſenen Saͤule als in der geſchloſſenen, in allen dieſen Apparaten uͤbereinſtimmend; beide Zuſtaͤnde aber ſind ſehr weſent - lich verſchieden. Alle bisherigen Betrachtungen betrafen nur die electriſche Spannung, die electroſcopiſchen Erſcheinungen, welche bei der ungeſchloſſenen und iſolirten Saͤule an beiden Polen um ſo ſtaͤrker entgegengeſetzt hervortreten, je groͤßer die Anzahl der Plattenpaare iſt; aber dieſe Kennzeichen der electriſchen Spannung hoͤren ſogleich faſt gaͤnzlich auf bei der Schließung der Kette. Bringt man naͤmlich an dem Zinkpole der Saͤule einen Metalldrath an und bringt dieſen mit dem Kupferpole in fortwaͤhrende Beruͤhrung; ſo muß offenbar (Fig. 110.) die in Z angehaͤufte poſitive Electri - citaͤt ſich durch ZMK nach K fortbewegen; und da in dem Au -348 genblicke, wo dadurch die unterſte Kupferplatte in den Nullzuſtand verſetzt wird, die naͤchſte Zinkplatte wieder ihren Vorzug an poſi - tiver Electricitaͤt fordert, ſo geht der poſitiv-electriſche Strom nicht allein von Z durch M nach K, ſondern auch von K durch die Saͤule nach Z, ſo daß ein unaufhoͤrlicher Kreislauf ſtatt findet; und eben ſo macht die negativ-electriſche Materie ihren Kreislauf in entgegen - geſetzter Richtung in der geſchloſſenen Saͤule. Der Leiter ZMK heißt der Schließungsdrath, der ſchließende Leiter. Wird dieſer, die Enden der Saͤule verbindende, Leiter nicht als metal - liſcher Leiter ohne Unterbrechung fortgefuͤhrt, ſondern der menſch - liche Koͤrper als Theil dieſes Leiters in die geſchloſſene Kette gebracht, ſo beobachten wir an der geſchloſſenen Saͤule die phyſiologiſchen Er - ſcheinungen, welche der electriſche Strom auf unſern Koͤrper her - vorbringt; macht ein fluͤſſiger Koͤrper einen Theil des Leiters ZMK aus, ſo giebt dies Gelegenheit zu Beobachtung der chemiſchen Wir - kungen; laͤßt man den electriſchen Strom durch ſehr duͤnne Draͤthe uͤbergehen oder auch durch die Luft uͤberſchlagen, ſo erhaͤlt man die Erſcheinungen der Erhitzung, des Verbrennens, der Funken.
Bei allen dieſen Erſcheinungen, welche die geſchloſſene Saͤule darbietet, koͤnnen wir die Frage aufwerfen, wie ſie von der An - zahl der Plattenpaare, wie ſie von der Groͤße der Platten, wie ſie von der ungleichen Wirkſamkeit des feuchten Koͤrpers in der Saͤule, endlich wie ſie von der Beſchaffenheit des die Schließung bewirkenden Leiters ſelbſt abhaͤngen. Eigentlich kaͤme auch noch die Frage hin - zu, wie ſie von der Wahl der beiden verſchiedenen Metalle abhaͤn - gen, aber dieſe uͤbergehe ich, da bei ganz gleicher Einwirkung des fluͤſſigen Leiters die Wirkſamkeit wohl genau dem Maaße der elec - tromotoriſchen Thaͤtigkeit angemeſſen ſein wuͤrde; ich werde daher auch faſt immer nur von Zink und Kupfer, als den beiden in An - wendung gebrachten Metallen, reden, da ſchon aus dem Vorigen erhellt, daß Zink und Platin oder gar Zink und Mangan-Oxyd noch wirkſamer, Kupfer und Silber dagegen nur in ſehr ſchwachem Grade wirkſam ſein wuͤrden; und folglich ſich leicht auf die Wir - kung jeder Saͤule ſchließen laͤßt, die aus dieſen Koͤrpern beſtaͤnde.
Die Anordnung der Betrachtungen, welche ſich auf die ver - ſchiedenen Wirkungen der Saͤule beziehen, hat einige Schwierig - keit, da die Betrachtung der einen Wirkung ſo nahe mit der Be - trachtung der andern verwandt iſt; ich muß daher Sie um Ver - zeihung bitten, wenn ich zuweilen eine Bemerkung machen muß, die erſt ſpaͤter ihre volle Erklaͤrung findet.
Die phyſiologiſchen Wirkungen waren es, die nach der Ent - deckung der voltaiſchen Saͤule zuerſt das Erſtaunen der Phyſiker erregten, da man die fruͤher beobachteten ſo ſehr ſchwachen Ein - wirkungen auf die Sinne hier in unerwartet ſtarkem Maaße geſtei - gert ſah. Schon fruͤher, bald nach den erſten galvaniſchen Ver - ſuchen, hatte Volta auf zwei durch Silber und Zink vermittelſt der einfachen galvaniſchen Kette hervorgehende Einwirkungen auf die Sinnes-Organe aufmerkſam gemacht. Man nimmt naͤmlich einen eigenthuͤmlichen Geſchmack auf der Zunge wahr, wenn man das eine Ende eines Silberſtaͤbchens an die untere Seite der Zunge und das eine Ende eines Zinkſtaͤbchens an die obere Seite der Zunge bringt, dann aber die beiden andern Enden der Metalle mit einander in Beruͤhrung bringt; und eben ſo laͤßt das Auge uns die Wirkung des electriſchen Stromes gewahr werden, wenn man jene beiden Metalle mit beiden Augenwinkeln in Beruͤhrung bringt, indem dann, wenn die beiden andern Enden der Metalle ſich beruͤhren, vor dem geſchloſſenen Auge eine ſchwache Licht-Er - ſcheinung voruͤbergeht. Statt dieſer Erſcheinungen bietet aber die Saͤule nun viel ſtaͤrkere und auffallendere dar.
Beruͤhrt man mit benetzten Fingern die beiden Pole einer Saͤule, die aus 50 oder mehr Plattenpaaren beſteht, ſo empfindet man im Augenblicke der erſten Schließung der Kette einen, bei kleinen Saͤulen bloß in den beruͤhrenden Fingern, bei groͤßern Saͤu - len auch bis zu entferntern Theilen der Hand und des Armes fuͤhl - baren Schmerz, der auch waͤhrend der dauernden Schließung, we - gen der in jedem Augenblicke wechſelnd mehr oder minder innigen Beruͤhrung, fortdauert. Die Empfindung iſt, wenn man auch an beiden Polen auf ganz gleiche Weiſe beruͤhrt, ungleich an beiden Polen, und man hat dieſe Ungleichheit dadurch zu beſchreiben ge - ſucht, daß man ſagte, die Empfindung am negativen Kupferpole350 ſei ſo, als ob der Finger von der Saͤule her nach allen Richtungen ſchneidend durchdrungen werde, am poſitiven Zinkpole ſei dagegen die Empfindung dumpfer, als ob der Finger eingeengt ſei. Rit - ter glaubt bei dauernder Schließung der Saͤule am negativen Pole das Gefuͤhl der Kaͤlte, am poſitiven Pole ein Gefuͤhl von Waͤrme bemerkt zu haben; aber hierin ſtimmen andre Beobachter nicht ganz ein, und ich ſelbſt, obgleich ich jene erſte Beſchreibung der Empfindung nicht unpaſſend finde, habe doch in Beziehung auf Waͤrme und Kaͤlte keinen ſo entſchiedenen Gegenſatz finden koͤnnen. Ritter fand hier uͤberall genaue Gegenſaͤtze, theils in den Sin - nes-Erſcheinungen, welche beide Pole bei dem Schließen der Kette darbieten, theils in den Empfindungen, die an demſelben Pole beim Schließen und Oeffnen der Kette vorkommen; ſo ſtrenge kenntlich ſcheinen mir dieſe Gegenſaͤtze nicht, obgleich das wohl allerdings richtig iſt, daß beim Oeffnen der Kette durch die Lebens - thaͤtigkeit der Organe das Gefuͤhl eines Zuſtandes hervortritt, der ſich als dem durch jenen unnatuͤrlichen Reiz erregten entgegen - geſetzt der Empfindung darbietet. Auf der Zunge giebt der vom poſitiven Pole herkommende Drath einen ſauern, ſtechenden Ge - ſchmack, der vom negativen Pole herkommende Drath einen alca - liſchen; uͤber den Urſprung dieſes Geſchmacks aus der anfangenden Zerſetzung der Feuchtigkeiten auf der Zunge geben die chemiſchen Erſcheinungen noch mehr Aufſchluß; daß aber beim Oeffnen der Kette ſich die entgegengeſetzte Geſchmacks-Empfindung wahrneh - men laͤßt, muß gewiß aus der eben erwaͤhnten Gegenwirkung des Organs erklaͤrt werden. Der Lichtblitz vor dem Auge zeigt ſich bei einer maͤßigen Anzahl Plattenpaare ſchon deutlich, wenn man zwei von beiden Polen ausgehende Leiter an benetzte Stellen der Schlaͤfe bringt.
Von Humboldt, Ritter, Moſt und andre haben eine große Menge hierher gehoͤriger Verſuche angeſtellt, die ich nicht wei - ter anfuͤhre, da fuͤr die Geſetze der electriſchen Erſcheinungen ſelbſt wenig belehrende Folgerungen daraus hervorgehen. Merkwuͤrdig ſcheint mir indeß der Beweis, den Marianini fuͤr den Satz, daß die Zuckung der Froſchſchenkel beim Wiederoͤffnen der Kette nicht von einem Zuruͤckſtroͤmen der Electricitaͤt herruͤhrt, aufgeſtellt hat. Allerdings naͤmlich zeigt der Froſchſchenkel auch beim Oeffnen351 der Kette eine Zuckung, und dieſes glaubte man durch ein Zuruͤck - ſtroͤmen der Electricitaͤtsſtroͤme erklaͤren zu muͤſſen; Marianini bemerkt aber, daß dieſes Zucken faſt eben ſo eintrete, wenn man die Kette nicht unterbricht, ſondern durch eine zweite Schließung den Strom bloß bei dem Froſche vorbei leitet; indeß geſteht er zu, daß vielleicht in den thieriſchen Theilen ſelbſt einige angehaͤufte Electricitaͤt ſein koͤnne, die beim Unterbrechen oder beim Vorbei - leiten des Stromes eine eintretende Veraͤnderung des electriſchen Zuſtandes zur Folge haben kann.
Es gehoͤrte wohl hieher, etwas von der Einwirkung des vol - taiſchen Stromes und der Beruͤhrungsſchlaͤge auf die Geſundheit zu ſagen; aber der Gegenſtand ſcheint noch viel zu wenig eroͤrtert, als daß man eine andre Regel als die, nur ja keine zu ſtarken Wir - kungen in irgend einem Falle anzuwenden, geben koͤnnte. Ich gehe dagegen zu einigen Bemerkungen uͤber die Urſachen dieſer phy - ſiologiſchen Wirkungen und uͤber die Umſtaͤnde, welche ihre Staͤrke beſtimmen, uͤber.
Um zuerſt die unerwartete Verſchiedenheit zu erklaͤren, die ſich zwiſchen der Saͤule und der gewoͤhnlichen Electricitaͤt darin zeigt, daß jene bei kaum bemerkbarer electroſcopiſcher Einwirkung doch ſo empfindliche Schlaͤge giebt, ſcheint folgende Bemerkung am meiſten geeignet. Es iſt bekannt, daß man die groͤßeſte Batterie an einer Electriſirmaſchine nicht ſtaͤrker — ja kaum ſo ſtark — laden, das iſt, das Electrometer nicht zu hoͤherem Steigen bringen kann, als eine kleinere Flaſche, und dennoch kann die Wirkung jener furchtbar ſein, waͤhrend die Wirkung dieſer geringfuͤgig iſt; wir ſehen alſo, daß es bei der Empfindung, die der gewoͤhnliche electriſche Schlag erregt, nicht auf die Spannung allein, mit wel - cher die Electricitaͤt uͤberzugehen ſtrebt, ſondern auch ganz vorzuͤglich auf die Menge der in einem ſehr kurzen Zeitraume uͤbergehenden Electricitaͤt ankoͤmmt, daß alſo eine ſehr große Batterie nur zu einem ſehr ſchwachen Grade geladen zu ſein brauchte, um die em - pfindlichſten Schlaͤge zu geben. Dieſe Bemerkung leitet zu dem Schluſſe, daß die Menge der electriſchen Materien, welche ſich in352 einer gut aufgebauten, die Leitung der Electricitaͤt ſtark befoͤrdern - den Saͤule durch dieſe fortbewegt, ungemein groß ſein muß, und hierauf bezieht ſich Volta's Vergleichung der electriſchen Saͤule mit einer unendlich großen, aber ſehr ſchwach geladenen Batterie. Die feuchte Saͤule iſt, ſo lange ſie ſich in voͤlliger Wirkſamkeit befin - det, ſo ſehr geeignet, den unausgeſetzteſten und lebhafteſten electri - ſchen Strom hervorzubringen, daß ſie uns in jedem Augenblicke einen neuen Stoß giebt, und alſo ſo wirkt, wie eine ſehr große, ſich immer wieder ladende Batterie. Da die trockene Saͤule eine viel zu traͤge Durchleitung der electriſchen Stroͤme geſtattet, ſo kann ſie eben ſo wenig als eine ſo ungemein ſchwach geladene und dabei kleine Flaſche auf das Gefuͤhl wirken.
Daß aber mit vermehrter Spannung auch die phyſiologiſchen Wirkungen zunehmen, das heißt, daß Saͤulen aus vielen Platten - paaren wirkſamer ſein muͤſſen, verſteht ſich wohl von ſelbſt, und wirklich nimmt auch, wie es ſcheint unbegrenzt, die Staͤrke der Schlaͤge mit der Anzahl der Plattenpaare zu. In genauem Ver - haͤltniſſe kann indeß die Wirkung wohl nicht mit der Anzahl der Plattenpaare ſtehen, weil bei vielplattigen Saͤulen auch der Wider - ſtand offenbar zunimmt, den der electriſche Strom leidet; aber wenn deshalb auch nicht bei 500 Plattenpaaren die ohnehin ſchwer abzumeſſende phyſiologiſche Wirkung 5 mal ſo groß als bei 100 Plattenpaaren iſt, ſo iſt die Zunahme der Wirkung dennoch groß genug. Der Widerſtand iſt viel geringer, wenn die feuchten Leiter nicht aus Waſſer allein, ſondern aus mehr oder minder ſtar - ken Aufloͤſungen von Salz, am liebſten noch verbunden mit Saͤu - ren, beſtehen, und es iſt daher natuͤrlich, daß die phyſiologiſchen Wirkungen durch die Wahl ſolcher feuchter Leiter ſehr geſteigert werden.
Man hat eine Zeit lang in dem Irrthume geſtanden, daß große Platten bei gleicher Anzahl keine ſtaͤrkere Schlaͤge geben, als kleine; aber es iſt offenbar, daß der durch 10 Quadratzoll Ober - flaͤche bewirkte electriſche Strom zehnmal ſo maͤchtig, als fuͤr 1 Quadratzoll ſein muß, daß alſo großplattige Saͤulen, wenn zu - gleich der Platten viele ſind, ganz gewiß wirkſamer ſein muͤſſen. Jener Irrthum entſtand daher, daß man die Pole der Saͤule ſo beruͤhrte, daß in der Schließung ſelbſt zu viel Widerſtand war,353 und die in hinreichendem Reichthum vorhandene electriſche Materie doch nur einen minder raſchen Strom bilden konnte. Wenn man beide Enden einer ſehr großplattigen Saͤule mit einem ſehr duͤnnen Drathe beruͤhren wollte, ſo wuͤrde der electriſche Strom genau ſo aufgehalten werden, wie der Waſſerſtrom, der durch ein einziges Haarroͤhrchen hervordringt; bei dieſem bewirkt ein hoͤherer Waſſer - ſtand, bei jenem bewirkt ein hoͤherer Spannungsgrad der Electri - citaͤt (eine Vermehrung der Plattenpaare,) eine Zunahme der Ge - ſchwindigkeit, aber die Groͤße des Waſſervorraths hilft dort ſo wenig als hier die Groͤße der Platten. Eben dieſe gehinderte Leitung findet ſtatt, wenn man mit unvollkommen befeuchteten Haͤnden oder nur mit der Fingerſpitze beruͤhrend die Electricitaͤt aufnimmt, und in dieſen Faͤllen iſt es alſo wahr, daß großplattige Saͤulen ohne Nutzen angewendet werden; dagegen wenn man mit großen Metallſtuͤcken, die man mit der naſſen Hand recht umfaßt, die Pole der Saͤule beruͤhrt, oder wenn man die Haͤnde in zwei mit geſaͤuertem Waſſer gefuͤllte Gefaͤße untertaucht, und ſtarke Leiter von beiden Polen der Saͤule in beide Gefaͤße taucht und abwechſelnd wieder zuruͤck - zieht, ſo bemerkt man den Vorzug der großplattigen Saͤulen.
Obgleich aber der vermehrte Widerſtand in den die Schließung bewirkenden Leitern ſo ſehr zu Verminderung der Wirkung bei - traͤgt, ſo kann man doch auch den Schlag der voltaiſchen Saͤule durch viele Perſonen, die ſich mit naſſen Haͤnden anfaſſen, durch - leiten, wobei freilich der Schlag an Staͤrke verliert. Auch durch andre lange Leiter wird doch der Schlag nicht allzu ſehr geſchwaͤcht, und Erman hat auf der Havel den Schlag durch 130 Fuß Drath und 130 Fuß Waſſer nur wenig geſchwaͤcht empfunden, als er den einen Pol der Saͤule mit dem Waſſer in Verbindung ſetzte, den andern mit einem langen Drathe verſah, und dann iſolirt in 130 Fuß Entfernung ſtehend den Drath und das Waſſer zugleich beruͤhrte. Buſſe hat eine aͤhnliche Leitung 4000 Fuß weit an - gebracht.
Die Groͤße des Widerſtandes bei der Hinuͤberleitung zum menſchlichen Koͤrper iſt auch gewiß die Urſache, warum Saͤulen aus wenigen Plattenpaaren gar keine Empfindung geben, wenn auch die Platten noch ſo groß ſind. Es iſt naͤmlich eine gewiſſe Span - nung, (man darf wohl die, welche 20 bis 30 Plattenpaaren ZinkIII. Z354und Kupfer bei einer Befeuchtung der Zwiſchenſchichten mit geſaͤuer - tem Waſſer entſpricht, als die durchaus erforderliche anſehen,) nothwendig, um irgend eine Wirkung, die man electriſchen Schlag nennen koͤnnte, hervorzubringen, indem bei geringerer Spannung die Electricitaͤt den Widerſtand beim Uebergange auf den menſch - lichen Koͤrper gar nicht zu uͤberwinden vermag.
Saͤulen von 200 bis 250 Plattenpaaren geben ſchon bei Be - ruͤhrung mit naſſen Haͤnden eine recht empfindliche Wirkung, zu - mal wenn ſie mit ſtark geſaͤuertem oder geſalzenem Waſſer auf - gebaut ſind. Gay-Luͤſſac fand bei einer Saͤule von 600 Plattenpaaren, und Platten von 120 Quadratzoll groß, wo zu Befeuchtung der Zwiſchenlagen Waſſer mit $$\frac{1}{10}$$ Salzſaͤure und $$\frac{1}{10}$$ Schwefelſaͤure angewandt worden, die Schlaͤge mit naſſen Haͤnden kaum ertraͤglich. Grimm toͤdtete mit einer Saͤule von 500 Plattenpaaren einen Bergfinken, indem er ihn 25 Min. lang dem Strome der Kette ausſetzte. Saͤulen von 2000 Plattenpaaren geben, ſelbſt mit trocknen Haͤnden angefaßt, Schlaͤge, die kaum zu ertragen ſind und durch 50 Perſonen, die ſich mit trockenen Haͤn - den anfaſſen, fuͤhlbar bleiben.
Aehnliche Wirkungen, wie dieſe, welche die electriſche Saͤule hervorbringt, wahrſcheinlich auch beruhend auf aͤhnlichen Geſetzen, hat man ſchon lange an den electriſchen Fiſchen gekannt, ja einer derſelben, der Zitterrochen, iſt ſchon den Alten bekannt geweſen. Dieſe Fiſche, unter denen der im Mittellaͤndiſchen Meere lebende Zitterrochen und der in Suͤd-Amerika lebende Zitter-Aal am be - kannteſten ſind, beſitzen die Kraft, electriſche Schlaͤge zu ertheilen; und da ſich in ihnen ein ſonſt nirgens Vorkommendes Organ, das aus Schichtungen, der voltaiſchen Saͤule aͤhnlich, beſteht, findet, ſo vermuthen wir nicht ohne Grund, daß ihre electriſche Wirkſamkeit auf aͤhnlichen Geſetzen, wie die der Saͤule, beruhe. Freilich ſind es hier nicht Schichtungen von ſolchen Koͤrpern, deren electromo - toriſche Thaͤtigkeit wir nachweiſen koͤnnten, ſondern es ſind Haͤute und Fluͤſſigkeiten, ſo wie wir ſie ſonſt im thieriſchen Koͤrper finden; aber die zu dieſem Organe gehenden ſtarken Nerven moͤgen hier die Ladung des Organes bewirken. Dieſe Organe beſtehen bei dem355 Zitterrochen oder Krampfrochen aus Saͤulen, die, aus Haͤuten, zwiſchen denen ſich eine Fluͤſſigkeit befindet, zuſammengeſetzt, von der unteren Seite des Koͤrpers bis an die obere reichen; es ſtehen viele dieſer Saͤulen neben einander, ſo daß man bei großen Rochen uͤber tauſend gezaͤhlt hat. Bei dem Zitter-Aale iſt das Organ im Schwanze und nimmt drei Viertel der oft bis auf 6 Fuß gehenden Laͤnge des Fiſches ein; es gleicht in ſeiner geſchichteten Bildung dem Organe des Zitterrochen.
Dieſe Fiſche beſitzen die Faͤhigkeit nach Willkuͤhr Schlaͤge, den electriſchen aͤhnlich, zu geben; Volta vergleicht die des Rochen mit den Schlaͤgen einer voltaiſchen Saͤule von 60 Plattenpaaren, die Schlaͤge der Aale muͤſſen aber weit heftiger ſein, da ſie Pferde durch Beruͤhrung am Bauche ſo empfindlich, daß dieſe niederſtuͤr - zen, verletzen koͤnnen. Daß dieſe Schlaͤge von den Fiſchen will - kuͤhrlich ertheilt werden, erhellt daraus, daß man den Fiſch in den Haͤnden halten kann, ohne einen Schlag zu erhalten, daß er man - cherlei Bewegungen machen kann, ohne einen Schlag zu ertheilen, daß er dagegen dieſen unter ganz gleichen Umſtaͤnden zuweilen ploͤtz - lich und oft wiederholt ertheilt.
Wenn man den Zitterrochen nur an einer Seite beruͤhrt, ſo erhaͤlt man nur matte Schlaͤge, ſtaͤrkere dagegen, wenn man beide Seiten beruͤhrt. Liegt der Fiſch auf einer metallenen Schuͤſſel, ſo hat man vom Schlage nichts zu fuͤrchten, wenn man bloß die Schuͤſſel beruͤhrt; aber wenn man dieſe beruͤhrt und zugleich die obere Seite, ſo kann man den Schlag vollkommen ſtark erhalten. Dagegen wenn die obere Seite mit einer Metallplatte bedeckt iſt, welche mit jener Schuͤſſel in metalliſch leitender Verbindung ſteht, ſo kann man beide Metallplatten beruͤhren, ohne die Wirkung des Schlages zu empfinden; es erhellt alſo, daß der Leiter fuͤr die Elec - tricitaͤt hier eine eben ſo gegen die Schlaͤge ſichernde Schließung bewirkt, wie es bei der Schließung der voltaiſchen Saͤule der Fall iſt, deren electriſcher Strom durch einen Metalldraht hinreichende Ableitung findet. Der Schlag wird mehreren Perſonen zugleich ertheilt, wenn ſie, ſich bei den Haͤnden faſſend, die Schließung, welche von der oberen Seite nach der untern geht, bilden. Der Zitter-Aal giebt im Waſſer ſeinen Schlag bis zu bedeutenden Ent - fernungen.
Z 2356Der Fiſch muß ein eigenthuͤmliches Gefuͤhl fuͤr die Leitung, die den Schlag moͤglich macht, haben, wenigſtens ſcheint dies aus folgendem von Walſh angeſtellten Verſuche zu erhellen. Walſh fuͤhrte zwei Metalldraͤthe, aus dem Gefaͤße mit Waſſer, worin der Fiſch ſich befand, zu zwei andern mit Waſſer gefuͤllten Gefaͤßen; waren nun die letztern durch Leiter verbunden, ſo kam der Fiſch gern zu den Metalldraͤthen heran, um den Schlag zu ertheilen; aber er zeigte keine Neigung, den Schlag zu ertheilen, wenn dieſe Leitung unterbrochen war.
Der Schlag geht ſo ſchwer durch den geringſten mit Luft gefuͤllten Zwiſchenraum uͤber, daß man faſt durchaus keinen Fun - ken ſieht; nur wenn die Unterbrechung des leitenden Metalles aͤußerſt geringe iſt, kann man im Dunkeln den Funken erkennen Die hier wirkſame Electricitaͤt iſt alſo von aͤußerſt geringer Span - nung, ſo daß jedes Hinderniß der Leitung den Uebergang vollkom - men aufhaͤlt; da ſie aber dennoch ſo maͤchtig wirkt, ſo muß die Menge der in Thaͤtigkeit geſetzten Electricitaͤt wohl ſehr groß ſein.
Am Electrometer oder mit Huͤlfe des Condenſators kann man keine Spur von Electricitaͤt gewahr werden, ohne Zweifel deswegen, weil hier keine dauernde Ladung, ſondern nur eine ploͤtzliche Erzeu - gung von Electricitaͤt ſtatt findet, und weil der Fiſch keine Elec - tricitaͤt hervorbringt, wenn, wie es beim Condenſator geſchehen muß, die Leitung unterbrochen iſt. Eben dieſe nur momentane Erregung der Electricitaͤt, wobei aber die Menge der in Bewegung geſetzten electriſchen Materie ſehr groß iſt, mag auch, wie Davy glaubt, die Urſache ſein, warum der electriſche Schlag des Zitter - rochen keine electromagnetiſchen Wirkungen zeigt, ſo wenig als chemiſche Wirkungen.
In der Reihe neuer Entdeckungen, m. h. H., zu welchen Volta's Saͤule Veranlaſſung gegeben hat, nehmen diejenigen, welche die chemiſchen Wirkungen betreffen, einen vorzuͤglichen Platz ein, und ſo wie wir es neulich ſehr belehrend fanden, Volta bei jedem einzelnen Fortſchritte ſeiner Entdeckungen zu folgen, ſo wer - den wir hier vorzuͤglich Davy's philoſophiſchen Sinn in der Wahl des richtigen Weges zu neuen Entdeckungen zu bewundern Gelegenheit haben.
Doch nicht Davy, ſondern Carlisle und Nicholſon waren die erſten, welche eine chemiſche Wirkung der Saͤule wahr - nahmen, und die erſten Unterſuchungen daruͤber anſtellten. Sie bemerkten in einem auf der letzten poſitiven Platte der Saͤule lie - genden Waſſertropfen ein Entſtehen von Blaͤschen, als der die Schließung der Saͤule bewirkende Drath den Waſſertropfen be - ruͤhrte; die damals ſchon lange bekannte Erfahrung von der bei ſo manchen Veranlaſſungen ſtatt findenden Waſſerzerſetzung ſchien ihnen die Erklaͤrung der Erſcheinung darzubieten, die auch bald in fernern Verſuchen ihre voͤllige Beſtaͤtigung fand. Um dieſe Waſſer - zerſetzung und ebenſo andre chemiſche Wirkungen in Fluͤſſigkeiten hervorzubringen, bedient man ſich oft nur der einfachen Glasroͤhre EF, (Fig. III. ), in welcher die Spitzen der von beiden Polen der Saͤule herkommenden Schließungsdraͤthe AB, CD, einander in einer maͤßigen Entfernung gegenuͤber ſtehen; indem hier die durch die Draͤthe zugeleiteten electriſchen Stroͤme zwiſchen B, D, durch die fluͤſſige Materie gehen, bringen ſie auf dieſe die chemiſchen Wir - kungen hervor, die den Umſtaͤnden nach ſtatt finden koͤnnen. Be - findet ſich reines Waſſer in der Roͤhre und ſind es Platin - oder Golddraͤthe, die ſich im Waſſer gegenuͤber ſtehen, ſo gehen an bei - den Drathſpitzen Blaͤschen hervor; iſt der zum poſitiven Pole der358 Saͤule gehende Drath dagegen von einem leichter oxydirbaren Me - talle, ſo oxydirt dieſer ſich, waͤhrend an dem andern Drathe, der naͤmlich mit dem negativen Pole in Verbindung ſteht, immer auf gleiche Weiſe Blaͤschen hervorgehen.
Dieſe Wahrnehmung zeigt ſchon, daß die Waſſerzerſetzung hier auf eine ungewoͤhnliche Weiſe ſtatt findet, daß naͤmlich am negativen Drathe nur der eine Beſtandtheil, am andern Drathe nur der andre Beſtandtheil ſich uns kenntlich darſtellt. Da dieſe Erſcheinung der Vorſtellung von einer Zerſetzung des Waſſers nicht entſprechend ſchien, ſo glaubten zuerſt einige Phyſiker, man muͤſſe die Lehre von der Waſſerzerſetzung aufgeben; aber ſpaͤtere Verſuche, die auch bei andern Zerſetzungen dasſelbe Geſetz, daß nur der eine Beſtandtheil am einen Pole, der andre Beſtandtheil am andern Pole ausgeſchieden hervorgeht, beweiſen, ließen keinen Zweifel uͤbrig, daß auch hier die wahren Beſtandtheile des Waſſers, als durch Zerlegung des Waſſers hervorgehend, ſich uns darſtellen. Um die beiden Luft-Arten, die bei der Zerlegung des Waſſers ent - ſtehen, abgeſondert zu erhalten, dient, da die Wirkung einer nicht allzu ſchwachen Saͤule ſich weit genug erſtreckt, ein Inſtrument, wo die Draͤthe ſich am untern Ende zweier Roͤhren finden. Es ſei die Roͤhre (Fig. 112) ABC ganz mit Waſſer gefuͤllt, und befinde ſich in das weitere, mit reinem Waſſer gefuͤllte Gefaͤß DE eingetaucht; uͤber die Oeffnungen der Roͤhre ABC ſind zwei oben geſchloſſene, aber ganz mit Waſſer gefuͤllte Roͤhren oder Gloͤckchen AF, CG geſtuͤrzt, damit dieſe die bei B etwa ſich entwickelnde Luft aufnehmen. In dieſe Gloͤckchen ſind die Platindraͤthe FH, GK, durch Einſchmelzen befeſtigt, deren Enden ſich ziemlich tief im un - tern Theile der Roͤhren befinden. Daß die Gefaͤße AF, CG, ſich wegen des auf die Oberflaͤche LM des Waſſers wirkenden Luft - druckes mit Waſſer gefuͤllt erhalten, wenn man ſie angefuͤllt mit ihren Muͤndungen unter die Oberflaͤche LM bringt, brauche ich nicht zu ſagen. Wird nun der eine der Platindraͤthe bei N mit dem einen, der andre bei O mit dem andern Pole der Saͤule in Verbindung geſetzt, ſo bildet ſich eine, theils aus den Metalldraͤ - then NH, OK, theils aus der Waſſermaſſe HBK beſtehende, Schließung der Kette, und indem die electriſchen Stroͤme von der Spitze des einen Draths zur Spitze des andern uͤbergehen, zerſetzen359 ſie das Waſſer ſo, daß bei H die eine Luft-Art, bei K die andre Luft-Art hervorgeht, und jede ſammelt ſich, in ihrer abgeſonderten Roͤhre aufſteigend, ungemiſcht in den Gloͤckchen bei F und G. Die Unterſuchung der ſo aus reinem, ausgekochtem Waſſer hervor - gehenden Luft-Arten zeigt, daß ſie ſowohl der Beſchaffenheit nach, als der Quantitaͤt nach dem entſprechen, was man ſchon ſonſt von der Waſſerzerſetzung wußte, daß naͤmlich dem Raume nach doppelt ſo viel Waſſerſtoffgas als Sauerſtoffgas hervorgeht, und jenes wird am negativen Pole, dieſes am poſitiven Pole, das iſt, das letztere an dem vom Zink herkommenden Drathe ungemiſcht ge - funden.
Obgleich aber auf dieſe Weiſe der eine Beſtandtheil des Waſ - ſers an einem von der Entſtehung des andern Beſtandtheiles weit genug entfernten Puncte hervorgeht, ſo iſt doch auch hier jedes Waſſertheilchen in ſeine zwei Beſtandtheile zerlegt. Wir koͤnnen uns die Waſſertheilchen als eine Kette bildend vorſtellen, wo, in - dem das erſte Theilchen ſein Oxygen an dem poſitiven Drathe her - giebt, das Hydrogen zum zweiten Theilchen uͤbergeht und ſich mit dem Oxygen des zweiten Theilchens verbindet, deſſen Hydrogen zum dritten Theilchen uͤbergeht, und ſo fort bis zum letzten Theilchen, welches ſein Hydrogen als frei geworden am negativen Drathe her - giebt. Dieſe Anziehung des Oxygens zum poſitiven Ende der Saͤule hin, des Hydrogens zum negativen Ende, womit zugleich eine Abſtoßung des andern Beſtandtheiles verbunden iſt, findet ſo ſehr in demſelben Augenblicke durch die ganze zwiſchen liegende Waſſermaſſe ſtatt, daß in dem Zwiſchenraume nicht eine Spur von Freiwerden des andern Beſtandtheiles merklich iſt, und es muß daher dieſer Austauſch, wodurch jedes in der Mitte liegende Theil - chen ſtatt des nach der einen Seite abgegebenen Hydrogen-Antheils und des nach der andern Seite abgegebenen Oxygen-Antheils ſo - gleich den Erſatz in entgegengeſetzten Richtungen empfaͤngt, voͤllig momentan ſein.
Die Waſſerzerſetzung iſt bei Anwendung derſelben voltaiſchen Saͤule deſto ſtaͤrker fortgehend, je naͤher die Drathſpitzen einander360 ſind; aber nach Ermans Verſuche, wo Glasroͤhren mit durch - bohrten Korkſtoͤpſeln zu einer ſehr langen Roͤhre vereinigt ange - wandt wurden, iſt die Waſſerzerſetzung noch merklich, wenn auch 18 Fuß Waſſer ſich zwiſchen den Drathſpitzen einer gut wirkenden, aus 100 Plattenpaaren beſtehenden Saͤule befinden. Wenn die Drathſpitzen ihre immer gleiche Stellung behalten, ſo kann die Menge der aus dem Waſſer hervorgehenden Luft zu einem Maaße der chemiſchen Wirkſamkeit verſchiedener Saͤulen dienen. Biſchoff hat zu dieſem Zwecke, naͤmlich um die Zeit, in welcher ein beſtimm - tes Maaß der beiden Luft-Arten hervorgeht, zu beobachten, mit Vortheil eine vertical ſtehende Roͤhre AB (Fig. 113.) angewandt, in welcher der von oben eintretende eingeſchmelzte PlatindrathCD dem von der Seite eintretenden Drathe EF gegenuͤber ſteht. Iſt hier zu Anfang des Verſuches die Roͤhre mit reinem ausgekochtem Waſſer gefuͤllt, ſo faͤngt, ſobald die Saͤule in Thaͤtigkeit iſt, ein Hinaufſteigen der Luft-Arten von beiden Platindraͤthen D, E, an, und dieſe dauert fort, bis beide Drathſpitzen ſich nicht mehr im Waſſer befinden; bemerkt man alſo den Augenblick, da man die Draͤthe ihre Wirkung anfangen laͤßt, und da ſie wegen auf - gehobener Leitung zwiſchen D, E, aufhoͤrt, ſo hat man die Zeit, in welcher das immer gleiche Luftvolumen bei gleicher aͤußerer Tem - peratur und gleichem Luftdrucke, aber unter verſchiedenen Einwir - kungen der Saͤule hervorgegangen iſt.
Außer der Annaͤherung der Drathſpitzen gegen einander hat auch auf die vermehrte Menge der entwickelten Luft die Art der Metalle Einfluß, aus welchen die Draͤthe beſtehen. Ein Drath von einem in der Reihe der Electromotoren als ſehr ſtark poſitiv erkannten Metalle iſt am poſitiven Pole am wirkſamſten, um viel Waſſerſtoffgas am andern Pole zu erhalten, und dies in ſolchem Grade, daß Marechaux die achtfache Menge Waſſerſtoffgas erhalten zu haben angiebt, als er am poſitiven Pole ſtatt des Gold - drathes einen Zinkdrath anbrachte. Will man an beiden Polen gleiche Draͤthe anbringen, ſo ſind Draͤthe aus einem poſitiven Me - talle beſſer, als die aus einem negativen Metalle, geeignet, um viel Waſſerſtoffgas zu geben. Wenn die Fluͤſſigkeit, die man der Zerſetzung unterwirft, kein reines Waſſer iſt, ſondern Saͤuren oder Salze enthaͤlt, ſo vermehrt ſich die durch Waſſerzerſetzung erhaltene361 Luftmenge in hohem Grade, ſo daß Gay-Luͤſſac bei einem Verſuche aus verduͤnnten Saͤuren viermal ſo viel Gas als aus einem undeſtillirten reinen Waſſer, das nur ſehr wenig Kalktheile enthielt, entwickelte, bei einem andern Verſuche aber, wo ganz reines, von Luft befreites Waſſer angewandt wurde, kaum 1 Maaß Gas erhielt, ſtatt daß 49 Maaß hervorgingen, wenn $$\frac{1}{250}$$ einer geſaͤt - tigten Aufloͤſung von ſchwefelſaurem Natron hinzugethan wurde, und 328 Maaß, wenn dieſe geſaͤttigte Aufloͤſung ſelbſt der Zerſetzung unterworfen wurde*)Gilb. Ann. XXXVIII. 140. . Hiebei kommen indeß, je nachdem man verſchiedene Saͤuren oder Salze anwendet, große Ungleichheiten vor, indem einige Aufloͤſungen bei vermehrter Verduͤnnung immer weniger Gas geben, andre dagegen dieſem Geſetze nicht entſprechen.
Die Gas-Entwickelung nimmt unter ſonſt gleichen Umſtaͤn - den nicht in gleichem Verhaͤltniſſe mit der Anzahl der Platten - paare in der Saͤule zu, ſondern Gay-Luͤſſac fand, daß die erzeugte Luftmenge ſich erſt verdoppelte, als die Anzahl der Platten - paare auf das Achtfache ſtieg. Um die Waſſerzerſetzung in einem nicht deſtillirten und nicht ausgekochten Waſſer deutlich zu zeigen, reichen Saͤulen von 12 Plattenpaaren vollkommen aus und ſelbſt zwei oder drei Schichtungen zeigen ſich ſchon wirkſam. Wendet man Saͤulen mit Platten von verſchiedener Groͤße an, ſo iſt unter ſonſt gleichen Umſtaͤnden die entwickelte Gasmenge der Groͤße der Platten proportional, was auch, da eine Saͤule von 50 mal ſo großen Platten ſo anzuſehen iſt, als ob 50 Saͤulen aus kleinen Platten neben einander ſtaͤnden, nicht wohl anders ſein kann.
In ſehr ſtarkem Maaße aber haͤngt die Menge des entwickel - ten Gas von der Verſchiedenheit der Fluͤſſigkeiten ab, mit welchen die feuchten Leiter in der Saͤule benetzt oder die Zellen des Trog - Apparates gefuͤllt ſind. Je mehr dieſe Fluͤſſigkeiten den ſchnellen Kreislauf des electriſchen Stromes befoͤrdern, deſto wirkſamer zeigt ſich auch in chemiſcher Hinſicht die Saͤule. Wenn bei Gay-Luͤſ - ſacs Verſuchen die dem Waſſer in den Zellen zugeſetzte Salpeter - ſaͤure auf das Doppelte und Vierfache vermehrt wurde, ſo erhielt man immer deſto mehr Gas, und ſo in aͤhnlichen Faͤllen. Trockene Saͤulen bringen nur ſehr geringe Spuren chemiſcher Wirkungen362 hervor, weil die Langſamkeit des in ihnen ſeinen Kreislauf vollen - denden electriſchen Stromes dieſe Wirkungen nicht geſtattet.
Daß nicht das Waſſer allein dieſer Zerſetzung unterworfen ſei, ließ ſich erwarten, und die Erfahrung zeigt, daß alle Salze und aͤhnliche zuſammengeſetzte Koͤrper aͤhnliche Zerſetzungen erleiden. Fuͤllt man die Roͤhre, in welcher die Drathſpitzen einander gegen - uͤber ſtehen, mit einer Aufloͤſung von Bleizucker (eſſigſaurem Blei), ſo erhaͤlt man ſchon in wenigen Augenblicken an dem Drathe des negativen Poles einen Bleiniederſchlag, waͤhrend am poſitiven Dra - the ſich, ſo weit es die Natur des Metalles erlaubt, die Einwir - kung der dort hervorgehenden Saͤure zeigt. Das Salz wird alſo zerlegt, und zwar ſo, daß Blei am negativen, Saͤure am poſitiven Pole hervorgeht. Verwechſelt man die Draͤthe, ſo daß man den Drath, an welchem die feinen Bleiſpaͤnchen ſich angehaͤngt haben, ohne ihn zu erſchuͤttern, an das Zink-Ende der Saͤule knuͤpft, und den andern Drath dagegen an das Kupfer-Ende, ſo verſchwindet allmaͤhlig das an jenem niedergeſchlagene Blei, indem es ſich in der Fluͤſſigkeit aufloͤſt, und ein neuer Niederſchlag von Blei zeigt ſich nun an dem jetzt negativen Drathe. Eben dieſes Niederſchlagen des Metalles erfolgt in allen aͤhnlichen Faͤllen am negativen Drathe, und der ſaure Beſtandtheil geht dagegen zum poſitiven Drathe uͤber.
Wenn man die beiden Roͤhren (Fig. 114.) mit einem durch etwas Lackmußtinctur gefaͤrbten Waſſer fuͤllt, ſo findet man, nach - dem die Thaͤtigkeit der mit den beiden Draͤthen gehoͤrig geſchloſſe - nen Saͤule eine Zeit lang gedauert hat, die Faͤrbung an dem poſi - tiven Drathe geroͤthet, zum Zeichen, daß alles, was von ſauren Beſtandtheilen in dem ſelten von allen Salzen ganz freien Waſſer war, nebſt dem bei der Zerſetzung des Waſſers dorthin uͤbergehen - den Oxygen, ſich nach dem poſitiven Drathe hin begeben hat. Fuͤllt man die Roͤhren mit Veilchenſyrup, der bekanntlich ſeine blaue Farbe in Roth verwandelt, wenn Saͤure, in Gruͤn, wenn alcaliſche Stoffe zu ihm gemiſcht werden, ſo ſieht man am poſitiven Drathe die Roͤthung, am negativen Drathe das Gruͤn ſo hervorgehen,363 daß die Fluͤſſigkeit in der einen Roͤhre roth, in der andern gruͤn wird, mit dem auffallendſten Gegenſatze.
In allen aͤhnlichen Verſuchen ſpricht ſich ganz unbezweifelt die Regel aus, daß das Oxygen und die in den Salzen enthaltenen Saͤuren mit großer Gewalt zum poſitiven Pole der Saͤule, der Waſſerſtoff, die Alcalien, die Erden, die Metalle, zum negativen Pole der Saͤule hingezogen werden. Auf dieſer Zerſetzung der Fluͤſſigkeiten beruht auch der ſaure Geſchmack, den man auf der Zunge am poſitiven Drathe, der alcaliſche, den man am negati - ven Drathe wahrnimmt.
Dieſe Wirkung der Saͤule uͤberwindet die gewoͤhnlichen che - miſchen Einwirkungen, wenn die Saͤule maͤchtig genug iſt. Es iſt bekannt, wie leicht ſich Zink, Eiſen und andre Metalle in ver - duͤnnter Schwefelſaͤure aufloͤſen, aber dennoch bleiben ſie in dieſer Saͤure unangegriffen, wenn ſie ſich als Leiter von dem negativen Pole her in dieſer Saͤure befinden; denn da unter dieſen Umſtaͤn - den das etwa ſchon in der Saͤure aufgeloͤſte Metall an dieſem Pole ſich metalliſch niederſchlaͤgt, ſo findet eine Sicherung des Metalles gegen Aufloͤſung offenbar ſtatt. Am poſitiven Pole dagegen uͤbt eine auf das Metall ohnehin ſchon wirkende Saͤure eine vermehrte Gewalt aus.
Aber nicht bloß an voltaiſchen Saͤulen zeigen ſich dieſe chemi - ſchen Wirkungen, ſondern ſelbſt an einfachen galvaniſchen Ketten. Wenn man in eine Aufloͤſung von Kupfervitriol (ſchwefelſauerm Kupfer) in Waſſer einen Platindrath bringt, ſo zeigt dieſer keine Veraͤnderung; aber wenn man einen Platindrath und einen Eiſen - drath nahe an einander liegend und ſo, daß beide ſich in einigen Puncten beruͤhren, in die Aufloͤſung bringt, ſo belegt ſich der Platindrath mit einem Ueberzuge von Kupfer. Im letztern Falle entſteht naͤmlich ein electriſcher Strom, indem die poſitive Electri - citaͤt vom Platin zum Eiſen in den Puncten, wo die metalliſche Beruͤhrung ſtatt findet, und dann durch die Aufloͤſung zuruͤck zum Platin ſtroͤmt; das in der einfachen galvaniſchen Kette den nega - tiven Pol darbietende Platin zieht daher aus der Aufloͤſung das364 Metall an ſich, ſtatt daß die Saͤure zum Eiſen oder uͤberhaupt zum poſitiven Metalle uͤbergeht.
Ein andrer Verſuch, der eben ſo leicht anzuſtellen iſt, beſteht in folgendem. Man troͤpfle zu einem Glaſe voll Waſſer nur ſo wenig Schwefelſaͤure, daß das ſo wenig geſaͤuerte Waſſer noch keine Wirkung zeigt, keine Luftblaͤschen hervorbringt, wenn man auch Zink oder Kupfer hineinbringt; aber nun bringe man Zink und Kupfer ſo, daß die eingetauchten Metalle an ihrem untern Theile von einander entfernt gehalten, oben mit den Fingern zu - ſammen gedruͤckt werden, in dieſes Waſſer, ſo geht aus dem Ku - pfer ein Strom von Blaͤschen hervor, weil der jetzt vom Kupfer zum Zink, vom Zink durch das Waſſer zum Kupfer zuruͤck gehende poſitiv-electriſche Strom dem Kupfer die Eigenſchaft des negativen Poles, den Waſſerſtoff des Waſſers ſtark an ſich zu ziehen, ertheilt, und dieſer hier frei wird, waͤhrend die Saͤure und das ausgeſchie - dene Oxygen ſich zum Zink hinuͤberziehen.
Ein ſchon 1792 von Fabroni bekannt gemachter Verſuch, daß Zink allein im Waſſer liegend ſich langſamer oxydire, als Zink, das auf Kupfer oder Silber liegt, gehoͤrt ganz in eben dieſe Claſſe von Erſcheinungen. Und ſo wie hier das Zink der Oxyda - tion in verſtaͤrktem Maaße unterworfen wird, weil es unter den beiden ſich beruͤhrenden Metallen dasjenige iſt, welches den poſiti - ven Pol der electriſchen Kette bildet, ſo kann man dagegen ein Me - tall gegen die Oxydation ſichern, wenn man ein mehr poſitives Me - tall mit ihm in Verbindung bringt. Eiſen wird in einem nur wenig geſaͤuerten Waſſer oxydirt, und das Waſſer zerſetzt ſich; bringt man aber Zink in Beruͤhrung mit Eiſen in das Waſſer, ſo bleibt das Eiſen unangegriffen, weil das Oxygen ſich nun dem Zink zu wendet.
Dieſe Sicherung gegen Oxydation hat Davy zu einer prac - tiſch vortheilhaften Anwendung benutzt. Es iſt bekannt, daß man Schiffe durch einen Kupferbeſchlag gegen die Seewuͤrmer zu ſichern pflegt; aber dieſes Kupfer wird ſehr bald gruͤn und zeigt im Laufe laͤngerer Zeit eine ſo ſtarke Oxydation, daß es aufgeloͤſt wird, und ſeinen Zweck nicht mehr erfuͤllt. Da dieſe Oxydation hier ein365 Metall trifft, das ziemlich weit nach der negativen Seite ſteht, ſo ſchien es leicht, es durch Verbindung mit einem poſitiven Metalle zu ſichern. Davy uͤberzeugte ſich, daß die Einwirkung des Meer - waſſers auf das Kupfer nur eintrat, wenn das Meerwaſſer nicht von Luft befreit war, daß aber dieſe Einwirkung voͤllig gehindert wurde, wenn man auch nur $$\frac{1}{150}$$ der Kupfer-Oberflaͤche mit Eiſen belegte. Bei Verſuchen, die an Schiffen, welche weite Seereiſen machten, angeſtellt wurden, fand ſich, daß eine ſolche Armirung mit Eiſenplatten, wenn dieſe $$\frac{1}{35}$$ der Kupfer-Oberflaͤche betrugen, ſo maͤchtig die entgegen geſetzte Wirkung hervorbrachte, daß nun ein Niederſchlag der im Meerwaſſer enthaltenen Erden und alca - liſchen Subſtanzen am Kupfer ſtatt fand. Dieſer Niederſchlag an dem allzu ſehr in negativ-electriſchen Zuſtand verſetzten Kupfer war ſo bedeutend, daß der Nachtheil einer ſtarken Anſiedelung von Seegewaͤchſen an demſelben daraus erwuchs; aber dieſe entgegen - geſetzten Nachtheile wurden vermieden, wenn Guß-Eiſen, deſſen Groͤße ungefaͤhr $$\frac{1}{150}$$ der Kupferflaͤche betrug, an dieſer befeſtigt wurde, und das Guß-Eiſen erhielt ſich lange genug unzerſtoͤrt wirkſam.
Eine aͤhnliche practiſche Anwendung dieſer Kenntniſſe findet bei den Leitungsroͤhren fuͤr Waſſer ſtatt. Sind dieſe von Blei und an ihren Zuſammenſetzungen mit einer Loͤthung verſehen, die mehr negativ-electriſch iſt, ſo ſchlagen ſich in einem kalkhaltigen Waſſer dieſe erdigen Beſtandtheile in der Gegend der Loͤthungen nieder, und verſtopfen die Roͤhren; man muß daher an Stellen, die man ſo waͤhlt, daß ſie keiner Verſtopfung unterworfen ſind, ein noch mehr negatives Metall anbringen, damit dieſes den Nieder - ſchlag auf ſich ziehe.
In mehreren der angefuͤhrten Verſuche zeigte ſich ein Hin - uͤberfuͤhren der einzelnen Beſtandtheile nach den beiden Polen der electriſchen Saͤule; aber dieſes Hinuͤberfuͤhren, wenn gleich ſchon fruͤher von Berzelius und Hiſinger beachtet, ward erſt durch Davy vollſtaͤndig ins Licht geſtellt. Eine als wichtig bekannt gemachte, aber unrichtig ausgelegte Entdeckung gab zu dieſen Ver -366 ſuchen die naͤchſte Veranlaſſung. Pacchiani naͤmlich glaubte aus vollkommen reinem Waſſer am poſitiven Pole eine Saͤure, die er fuͤr Salzſaͤure hielt, dargeſtellt zu haben, und da man die Zu - ſammenſetzung der Salzſaͤure nicht kannte, aber ſie als aus Oxy - gen und einem andern Grundbeſtandtheile zuſammengeſetzt anſah, ſo ſchien es nicht unglaublich, daß dieſer zweite Beſtandtheil Hy - drogen ſein koͤnne, und daß die Salzſaͤure aus eben den Beſtand - theilen wie das Waſſer, aber in anderm Verhaͤltniſſe gemiſcht, beſtehen moͤge. Am andern Drathe zeigte ſich Natron, deſſen Urſprung man gleichfalls ſchon glaubte erklaͤren zu koͤnnen. Dieſe, von mehrern Phyſikern als richtig anerkannten Erfolge zogen Da - vy's Aufmerkſamkeit auf ſich. Auch er fand, wenn zwei Glas - roͤhren voll deſtillirten Waſſers, mit Blaſe als leitender Subſtanz in Verbindung geſetzt, der Wirkung der voltaiſchen Saͤule aus - geſetzt waren, an dem an das poſitive Ende angebrachten Gold - drathe eine ſalpeterſalzſaure Gold-Aufloͤſung, am negativen Dra - the eine Natron-Aufloͤſung, glaubte aber bald ſich zu uͤberzeugen, daß hier die Salzſaͤure der thieriſchen Subſtanz ihren Urſprung verdanke, und daß das Natron aus dem Glaſe, welches da, wo der Drath es beruͤhrte, ſtark angefreſſen war, herruͤhre. Um dieſe Vermuthung zu pruͤfen, wurden zwei Achatbecher und ein Stuͤck Amianth, das zur leitenden Verbindung beider dienen ſollte, mit deſtillirtem Waſſer ausgekocht, und dann in dieſen Bechern deſtil - lirtes Waſſer mit Anwendung von Platindraͤthen der Einwirkung des electriſchen Stromes ausgeſetzt; da ſich aber auch hier Saͤure am einen, Natron am andern Pole zeigte, ſo ſchien dieſer Verſuch die Meinung von der Entſtehung dieſer Subſtanzen aus dem rei - nen Waſſer zu beſtaͤtigen. Davy uͤberlegte indeß, daß, da ſich hier lange nicht ſo viel Alcaliſches als beim Glaſe zeigte, wohl ſelbſt die kleinſten dem Achate anhaͤngenden fremden Theilchen zu einem ſolchen Erfolge Anlaß geben koͤnnten, und daß ſich dies bei oͤfterer Anwendung derſelben Becher und desſelben Amianths entſcheiden muͤſſe, indem das reine Waſſer immer gleiche Subſtanzen hergeben muͤſſe, die am Achat zufaͤllig anhaͤngenden Theilchen aber ſich erſchoͤpfen wuͤrden. Wirklich nahm bei den folgenden Verſuchen die Menge der alcaliſchen Subſtanz ab, da ſie aber doch immer noch in einigem Maaße hervorging, und auch die Erzeugung von367 Saͤure fortdauerte, ſo ſchloß Davy, daß im Waſſer hiezu die Veranlaſſung liegen moͤge, wenn gleich eine Verſtaͤrkung des Er - folges als abhaͤngig von den Gefaͤßen nicht zu verkennen war. Dem reinen Waſſer konnte man bei dieſer Ungleichheit, die in den Ge - faͤßen ihren Urſprung hatte, die Entſtehung jener Stoffe nicht wohl mehr zuſchreiben; es mußte alſo unterſucht werden, ob das deſtil - lirte Waſſer vollkommen rein ſei, und zu dieſem Zwecke ward die - ſelbe Quantitaͤt Waſſer in kleinen goldenen Gefaͤßen lange Zeit dem electriſchen Strome ausgeſetzt. Da ſich hiebei nur eine, ſehr ſchnell merklich werdende, aber immerfort klein bleibende Menge von Alcali zeigte, ſo ließ ſich ſchließen, daß dieſer Stoff in beſtimm - ter Menge dem Waſſer beigemiſcht geweſen war; und dies beſtaͤ - tigte ſich, als aus dem abermals langſam deſtillirten Waſſer ein kleiner alcaliſcher Ruͤckſtand uͤbrig blieb, das nun erhaltene deſtillirte Waſſer aber kaum noch die leiſeſten Spuren eines alcaliſchen Stof - fes, ſelbſt bei lange dauernder Einwirkung des electriſchen Stromes, zeigte. So war die Entſtehung des alcaliſchen Stoffes deutlich nach - gewieſen, und da ein Stuͤckchen Glas in die Goldbecherchen gelegt, unter Einwirkung des electriſchen Stromes, immer wieder bedeu - tende Mengen des alcaliſchen Stoffes gab, da Marmor auf aͤhn - liche Art wirkte, ſo blieb kein Zweifel, daß die zerſetzende Kraft des electriſchen Stromes dieſe Subſtanz den Gefaͤßen oder den ein - getauchten Koͤrpern entreiße.
Ueber die Entſtehung der am poſitiven Pole hervorgehenden Saͤure, die bei Anwendung thieriſcher Subſtanzen zur Leitung ſich als Salzſaͤure und Salpeterſaͤure, ohne Anwendung jener Subſtanzen als Salpeterſaͤure, zeigte, war hiedurch noch nichts entſchieden; aber da das Waſſer immer waͤhrend der Einwirkung der Saͤule atmoſphaͤriſche Luft abſorbiren konnte, ſo war Davy's Vermuthung, daß der Stickſtoff der atmoſphaͤriſchen Luft mit Sauerſtoff verbunden als Salpeterſaͤure dem poſitiven Pole zu gehe, ſehr natuͤrlich, und ſie fand ſchon darin, daß ſich am nega - tiven Pole einige Spuren von Ammoniak (einer Verbindung von Stickſtoff und Waſſerſtoff) zeigten, eine vorlaͤufige Beſtaͤtigung. Vollkommen aber wurde dieſe Vermuthung beſtaͤtigt, als die im luftleeren Raume und die in einem mit Waſſerſtoffgas gefuͤllten Raume angeſtellten Verſuche keine Erzeugung von Saͤure mehr368 zeigten; und ſo war die Erklaͤrung des Verſuches von Pacchiani gaͤnzlich auf laͤnger bekannte Principien zuruͤckgefuͤhrt und ſeine Meinung uͤber die Zuſammenſetzung der Salzſaͤure widerlegt.
Aber dieſe Reihe von Verſuchen hatte die wichtige Kenntniß, daß die im Waſſer nicht aufloͤslichen Koͤrper dennoch von der elec - triſchen Einwirkung zerſetzt wuͤrden, ergeben, und dieſe Erfahrung weiter zu pruͤfen war Davy's naͤchſtes Beſtreben. Zwei Ge - faͤße aus Alabaſter (ſchwefelſaurem Kalk) wurden mit reinem Waſſer gefuͤllt und durch einen feuchten Leiter verbunden; nach einer maͤßig langen Einwirkung der voltaiſchen Saͤule war in dem Gefaͤße, das den negativen Drath enthielt, Kalk, in dem andern Schwefelſaͤure; vom Alabaſter war alſo ein Theil in ſeine Beſtandtheile zerlegt und einer dieſer Beſtandtheile in das eine Gefaͤß, der andre in das andre Gefaͤß hinuͤber gefuͤhrt. Zahlreiche andre Verſuche zeigten eben das; aber dieſes Hinuͤberfuͤhren in die Ferne verdiente noch genauer unterſucht zu werden. Es wurde in dem Gefaͤße, das den poſitiven Drath aufnahm, deſtillirtes Waſſer, in dem Ge - faͤße, das den negativen Drath aufnahm, eine Aufloͤſung von ſchwefelſaurem Kali der Wirkung der electriſchen Stroͤme ausgeſetzt, zwiſchen dieſen Gefaͤßen aber ein Gefaͤß mit Waſſer, das mit Lackmuß gefaͤrbt war, aufgeſtellt; dieſe Gefaͤße wurden ſo durch feuchte Leiter verbunden, daß der poſitiv-electriſche Strom vom Waſſer durch das gefaͤrbte Waſſer zu der Aufloͤſung, der negativ - electriſche Strom von der Aufloͤſung ſchwefelſauern Kali's durch das gefaͤrbte Waſſer gehen mußte, und dennoch war nach kurzer Zeit das Waſſer am poſitiven Drathe mit Schwefelſaͤure gemiſcht, ohne daß in dem gefaͤrbten Waſſer ſich der ganze von der Saͤure durchlaufene Weg durch eine Roͤthung der Lackmußtinctur kenntlich gemacht haͤtte; die Roͤthung fand da zuerſt ſtatt, wo das letzte Ziel des Hinſtrebens der Saͤure lag, in der Naͤhe des poſitiven Drathes, und nach und nach erſt verbreitete ſich dieſe Roͤthung ruͤckwaͤrts weiter, aber ohne in dem Theile des Mittelgefaͤßes, der der ſchwefelſauern Kali-Aufloͤſung am naͤchſten war, irgend eine Veraͤnderung der Farbe hervorzubringen. Bei einem andern Ver - ſuche war das Mittelgefaͤß mit einer Ammoniak-Aufloͤſung gefuͤllt, aber auch hier fand keine Verbindung der durch dieſe Aufloͤſung gehenden Schwefelſaͤure mit derſelben ſtatt, ſondern die Saͤure369 ward durch die Aufloͤſung hindurch gefuͤhrt. Offenbar alſo findet eine ſo unaufgehaltene Fortfuͤhrung der Saͤure nach dem poſitiven Pole zu ſtatt, daß die Verbindung, in welche ſie mit dem im Mittelgefaͤße enthaltenen alcaliſchen Stoffe einzugehen im Begriff iſt, in jedem Augenblicke von Theilchen zu Theilchen wieder ge - trennt wird, und daher dieſe Verbindung kaum durch die geringſten Spuren kenntlich wird; und allerdings wuͤrde ja ein im Mittel - gefaͤße enthaltenes Salz ſeine Saͤure nach der poſitiven Seite ab - geben, weshalb aus gleichem Grunde das im Entſtehen begriffene Salz auch in jedem Augenblicke wieder zerſetzt werden muß, und die Verbindung der Saͤure mit dem alcaliſchen Stoffe auf keine dauernde Weiſe zu Stande koͤmmt. Nur in dem Falle, da das Salz, welches ſich im Mittelgefaͤße nach den gewoͤhnlichen Geſetzen bilden ſollte, unaufloͤslich im Waſſer iſt und daher ſogleich bei ſeiner Entſtehung zu Boden faͤllt, aͤndert ſich der Erfolg. Wurde die Aufloͤſung von ſchwefelſauerm Kali am negativen Drathe, reines Waſſer am poſitiven Drathe angebracht, und es befand ſich im Mittelgefaͤße geſaͤttigtes Barytwaſſer, ſo gelangte faſt nicht der kleinſte Theil der Schwefelſaͤure zum poſitiven Drathe hin; es hatte naͤmlich die durch die Kraft der electriſchen Anziehung aus der Aufloͤſung ſchwefelſauern Kali's ausgeſchiedene Schwefelſaͤure zwar ihren Weg gegen den poſitiven Drath zu angetreten, aber da ſie im Mittelgefaͤße Schwer-Erde antraf, mit der ſie bei ihrem Eintritte in dasſelbe ein zu Boden fallendes Salz bildet, ſo war ſie aus dem electriſchen Strome entfernt worden, und die Hinuͤberfuͤhrung hatte hier ihr Ende erreicht. Alle aͤhnliche Verſuche hatten gleichen Er - folg, und die Natur dieſer Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe war ſo in das vollkommenſte Licht geſtellt, und auch das war noch klarer geworden, was ich ſchon vorhin uͤber die Waſſerzerſetzung und den Grund des getrennten Hervorgehens der Beſtandtheile des Waſſers geſagt habe.
Davy hat ein gleiches Hinuͤberfuͤhren der Stoffe auch durch die gewoͤhnliche Electricitaͤt hervorgebracht, indem er den electriſchen Strom einer Electriſirmaſchine durch aͤußerſt feine Platinſpitzen in eine Aufloͤſung ſchwefelſauern Kali's eintreten ließ, die in zwei mit feuchtem Asbeſt verbundenen Gefaͤßen enthalten war; auch hierIII. A a370erſchien Kali um die negativ-electriſche, Saͤure um die poſitiv - electriſche Spitze.
Dieſen Unterſuchungen, die ich, weil ſie ſo muſterhaft aus - gefuͤhrt ſind, etwas ausfuͤhrlicher glaubte darſtellen zu muͤſſen, fuͤgte Davy noch eine andre Reihe von Verſuchen hinzu. Die große Gewalt, welche die Electricitaͤt in mehreren der vorigen Verſuche als wirkend zur Zerſetzung der Koͤrper gezeigt hatte, ließ Davy vermuthen, daß man durch ſie die Beſtandtheile derjenigen Koͤrper, die ſich durch die bisherigen Mittel noch nicht hatten zerlegen laſſen, werde kennen lernen. Aus dieſem Grunde ſetzte er zuerſt Kali, ſpaͤter Natron, der Wirkung ſtark wirkender voltaiſcher Saͤulen aus, und ſah aus beiden am negativen Drathe glaͤnzende Metall - kuͤgelchen hervorgehen, die unter Stein-Oel aufbewahrt ihren Metallglanz behielten, an der Luft dagegen ſich ſogleich wieder oxy - dirten und durch dieſe Oxydirung in Kali im einen, in Natron im andern Falle verwandelt wurden; mit Waſſer in Beruͤhrung ge - bracht zerſetzten ſie, wegen ihrer ſehr großen Verwandtſchaft zum Sauerſtoff, das Waſſer. Es zeigte ſich alſo nun, daß die fuͤr unzerlegbar gehaltenen Alcalien eine metalliſche Baſis enthalten, die aber zum Oxygen eine ſo große Verwandtſchaft hat, daß ſie ſich ſehr ſchwer davon trennen laͤßt, und ſich bei jeder Gelegenheit ſogleich wieder damit verbindet; dieſe Metalle, deren Eigenſchaften Davy naͤher unterſuchte, unterſcheiden ſich von allen andern Metallen, ſie ſind auch unter ſich verſchieden, und die verſchiedenen Erd - Arten bieten aͤhnliche Grundſtoffe dar. Doch die weiter fortgeſetzte Reihe neuer Entdeckungen uͤber die Beſtandtheile der Koͤrper kann ich hier nicht vollſtaͤndiger anfuͤhren, da ich ohnehin ſchon fuͤrchte, bei dieſem Gegenſtande zu lange verweilt zu haben*)Davy's Unterſuchungen ſtehen in Gilb. Ann. XXVIII. 1. 161. XXXI. 113.. Nach Davy's Meinung koͤnnten wohl dieſe metalliſchen Grundſtoffe der Erden, wenn ſie irgendwo in der Tiefe unoxydirt vorhanden waͤren, beim Zutritt von Waſſer, durch ihre Verbindung mit dem Sauerſtoff und durch die dabei eintretende Verbrennung des Waſſer - ſtoffgas, zu Erdbeben und vulcaniſchen Ausbruͤchen Anlaß geben; aber dieſe Meinung hat keinen allgemeinen Beifall gefunden.
371Um die Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe ſelbſt zu ſehen, braucht man nur eine Saͤule von 60 Plattenpaaren, etwa 4 Quadratzoll groß, mit Pappenſchichten, die mit ziemlich ſtarker Kochſalz-Auf - loͤſung befeuchtet ſind, in Thaͤtigkeit zu ſetzen, die Draͤthe in zwei mit blauen Pflanzenſafte gefuͤllte Gefaͤße zu fuͤhren, und dieſe mit einem Mittelgefaͤße, in welchem ſich in Waſſer aufgeloͤſtes ſchwefelſaures Kali befindet, durch befeuchtete Baumwolle oder feuch - tes Papier zu verbinden; es dauert nicht ſo ſehr lange bis die blaue Fluͤſſigkeit in dem Gefaͤße am negativen Drathe vollkommen gruͤn wird, die Fluͤſſigkeit am poſitiven Drathe ſich etwas mehr geroͤthet zeigt, zum Zeichen, daß das Salz im Mittelgefaͤße zerlegt, ſeine verſchiedenen Beſtandtheile den beiden Polen zugeſendet hat. Man koͤnnte auch die Aufloͤſung ſchwefelſauern Kali's ſo ſtellen, daß ſie den poſitiven Drath aufnaͤhme, das Mittelgefaͤß und das den negativen Drath enthaltende Gefaͤß mit jener blauen Fluͤſſig - keit fuͤllen, und die Verbindung zwiſchen den drei Gefaͤßen durch feuchte Leiter bewirken; dann wuͤrde man die blaue Fluͤſſigkeit am negativen Drathe gruͤn werden, im Mittelgefaͤße blau bleiben ſehen. Zu dieſem Verſuche dient, als vorzuͤglich gut die Farben - Aenderung zeigend, ein Aufguß warmen Waſſers auf die recht braunen, faſt rothen, jungen Blaͤtter des gewoͤhnlichen braunen Kohles.
Dieſe Erfahrungen, daß unter der Einwirkung der voltaiſchen Saͤule gewiſſe Beſtandtheile der Koͤrper zum poſitiven Pole, andre zum negativen Pole hin gezogen werden, veranlaßten ſchon Davy, ſogleich an die angefuͤhrten Entdeckungen eine Theorie zu knuͤpfen, welche die chemiſchen Verwandtſchaften der Koͤrper mit den Eigen - ſchaften, die ſie hier zeigen, in Verbindung ſetzt, und dieſe electro - chemiſche Theorie iſt nachher von Berzelius weiter ausgebildet worden. Die electriſche Kraft der Saͤule uͤberwindet die anziehende Kraft der Verwandtſchaft, indem ſie die ſehr feſt verbundenen Be - ſtandtheile des Waſſers trennt, indem ſie aus den Salz-Aufloͤſun - gen die Saͤure zum einen den alcaliſchen oder metalliſchen Beſtand - theil zum andern Pole hinuͤberzieht, indem ſie die Schwefelſaͤure in Schwefel und Sauerſtoff zerlegt, u. ſ. w. Je groͤßer die Ver -A a 2372wandtſchaft zweier Stoffe iſt, eine deſto ſtaͤrkere electriſche Kraft wird auch zur Trennung erfordert, ſo daß die Kraft der Verwandt - ſchaft ſich dem Grade nach als vergleichbar mit der Kraft der Elec - tricitaͤt darſtellt. Die einzelnen Stoffe haben aber nicht eine un - bedingte Neigung zum einen oder andern Pole, ſondern es giebt Koͤrper, die aus gewiſſen Verbindungen geſchieden zum poſitiven Pole, in andern Faͤllen zum negativen Pole hingezogen werden. Der Sauerſtoff geht in allen bekannten Faͤllen zum poſitiven Pole hin und uͤberlaͤßt alle mit ihm verbundene Koͤrper, ſobald die Zer - ſetzung erfolgt, dem negativen Pole; andre Stoffe dagegen ſind nach verſchiedenen Graden bald der Hinuͤberfuͤhrung nach dem einen, bald der Hinuͤberfuͤhrung nach dem andern Pole unterworfen. Die Koͤrper zeigen ſich hier alſo als in ihren kleinſten Theilen electriſch, und zwar ſo, daß ſie in ihren Verbindungen einen aͤhn - lichen Gegenſatz darbieten, wie es die Electromotoren in der Be - ruͤhrung thun; man kann daher nicht geradezu den einen Stoff poſitiv -, den andern negativ-electriſch nennen; ſondern die Koͤr - per bieten eine Reihenfolge dar, in welcher der eine mehr dem negativen Ende, der andre mehr dem poſitiven Ende nahe ſteht. Der Schwefel zum Beiſpiel, welcher ſich in der Schwefelſaͤure als der poſitive Koͤrper zeigt und zum negativen Pole der Saͤule hin - geht, waͤhrend der mit ihm verbundene Sauerſtoff zum poſitiven Pole gezogen wird, muß in der Hydrothionſaͤure ganz gewiß als negativ erſcheinen, weil er hier mit dem Waſſerſtoff, als einem dem poſitiven Ende der Reihe der Koͤrper viel naͤher ſtehenden Koͤrper verbunden iſt; und ſo wird in allen Faͤllen der Koͤrper dem poſitiven Pole zugehen, der als der negative in Vergleichung gegen den andern erſcheint. Nach Berzelius nimmt das Ka - lium, die metalliſche Baſis des Kali, unter allen bekannten Koͤr - pern den aͤußerſten Platz unter den poſitiven ein, ſo wie der Sauerſtoff bis jetzt unbedingt als der am meiſten negative Koͤrper anerkannt iſt.
Dieſes alles veranlaßt uns, die Beſtandtheile der Koͤrper, ſelbſt in ihrer Verbindung mit einander noch als entgegengeſetzt electriſch anzuſehen, wo es dann begreiflich iſt, daß bei einer hin - reichend ſtarken electriſchen Einwirkung auf ſie, der den Umſtaͤnden nach negative Beſtandtheil dem poſitiven Pole zu geht, der poſitive373 dem negativen Pole zu. Aber auch bei dem Eingehen in chemiſche Verbindungen und bei den bloß auf chemiſchem Wege erfolgenden Zerſetzungen laſſen ſich die Urſachen der Verbindungen auf eben die Gruͤnde zuruͤckfuͤhren. Der Sauerſtoff hat ein großes Beſtreben ſich mit den Metallen zu verbinden, weil ſeine negativ-electriſche Beſchaffenheit bei der Beruͤhrung des Metalles, welches dagegen poſitiv wird, ſtark hervortritt; das Kalium und Natrium, als die am meiſten poſitiven Koͤrper, ſind hiezu am meiſten geneigt. Die Saͤuren, weil ſie ihres Oxygens wegen ſich ſo ſehr zum nega - tiven Zuſtande hinneigen*)Die Hydrogenſaͤuren aus aͤhnlichem Grunde, weil Chlor zum Beiſpiel faſt am Ende der negativen Reihe, dem Sauerſtoff zunaͤchſt, ſteht. haben eine ſtarke chemiſche oder elec - triſche Anziehung zu den Metallen, Erden u. ſ. w. Wenn dieſe Anziehung ſehr heftig iſt, wenn die chemiſche Verbindung mit vor - zuͤglicher Gewalt geſchieht, ſo giebt die Vereinigung beider Elec - tricitaͤten auch hier wie in unſern, eigentlich ſo genannten, elec - triſchen Experimenten, eine Feuer-Erſcheinung, und die Entzuͤn - dungen ſind der Erfolg dieſes electriſchen Funkens, ſo daß nun ein Grund erhellt, warum die mit großer Gewalt erfolgenden chemi - ſchen Verbindungen zu Verbrennung, zu Licht - und Waͤrme-Ent - wickelung, Anlaß geben. Findet eine Verbindung zwiſchen zwei Koͤrpern ſtatt, die in der Reihe der Koͤrper nicht gar weit aus einander ſtehen, ſo trennt ein dritter, entfernter ſtehender Koͤrper dieſe Verbindung durch Wahlverwandtſchaft. Blei zum Beiſpiel iſt mit der Eſſigſaͤure im eſſigſauren Blei allerdings innig verbunden; aber wenn in eine Aufloͤſung des eſſigſauern Bleies im Waſſer ein Zinkſtab eingetaucht wird, ſo zeigt das Zink ſich als das mehr poſi - tive Metall, indem es von der Saͤure angezogen und aufgeloͤſt wird, wogegen das Blei ſich ausſcheidet. Das Blei ſetzt ſich hier an den Zinkſtab an, und ſobald nur das erſte Theilchen frei gewor - den iſt, bilden nun Zink und Blei eine durch die Aufloͤſung ge - ſchloſſene einfache galvaniſche Kette, in welcher das Blei den negati - ven Pol darbietet, weil Blei in der Beruͤhrung mit Zink negativ - electriſch wird; wegen dieſes Zuſtandes ſetzt ſich ein Theilchen Blei an das andre und bildet den Bleibaum. Auf aͤhnliche Weiſe er -374 klaͤren ſich die Erſcheinungen, wo ein Koͤrper aufgeloͤſt und der andre dafuͤr niedergeſchlagen wird, indeß bleibt der Chemie hier die Erklaͤrung im Einzelnen vorbehalten, da theils die Ueber - windung der Cohaͤſionskraͤfte einen großen Theil der wirkenden Kraͤfte erfordern kann, wodurch dann die Aufloͤſung gehindert wird, theils die Einwirkung mehrerer Koͤrpertheilchen eines an ſich we - niger entgegengeſetzt electriſchen Koͤrpers gar wohl ſtaͤrker ſein kann, als die Einwirkung weniger Theilchen eines entfernter ſtehenden Koͤrpers; und ſo kommen hier noch viele einzelne Umſtaͤnde in Be - trachtung. Als Beiſpiel ſolcher Ueberlegungen theile ich nur eines mit. Wenn ein Metall in Waſſer getaucht wird, ſo iſt die An - ziehung des Waſſerſtoffs gegen den Sauerſtoff in den Waſſer - theilchen zu ſtark, als daß beide getrennt werden ſollten und eine Waſſerzerſetzung entſtaͤnde; aber wenn Saͤure zum Waſſer kommt, ſo iſt der Gegenſatz zwiſchen dem geſaͤuerten Waſſer und dem Me - talle verſtaͤrkt, wodurch dies in Stand geſetzt wird, das Oxygen an ſich zu reißen und das Waſſer zu zerſetzen.
Dieſe Theorie erklaͤrt eine Menge einzelner Erſcheinungen, ja ſie giebt zugleich einen Aufſchluß uͤber die Reihenfolge der elec - tromotoriſch wirkenden Koͤrper, indem ſie einen Grund uͤberſehen laͤßt, warum diejenigen Metalle die am ſtaͤrkſten poſitiven ſind, deren Oxyde am meiſten Verwandtſchaft zu den Saͤuren zeigen; — dieſe ſtaͤrkere Verwandtſchaft zu den Saͤuren iſt naͤmlich ſelbſt durch die electro-poſitive Natur des Metalles beſtimmt. Dagegen bleibt uns allerdings noch manches dunkel, woruͤber die ſinnliche Wahrnehmung keine unmittelbare Belehrung geben kann. Die Koͤrpertheilchen ſind aufs innigſte verbunden und zeigen ſich den - noch in entgegengeſetzt electriſchem Zuſtande, obgleich man denken ſollte, es muͤßte hier eine Ausgleichung beider Electricitaͤten ſtatt finden. Die Koͤrpertheilchen bleiben in dieſem entgegengeſetzten Zuſtande, obgleich ſie im Augenblicke der Verbindung in ſo vielen Faͤllen durch eine Licht-Erſcheinung eine theilweiſe Vereinigung beider Electricitaͤten zeigen. Alle Koͤrper nehmen ihren beſtimm - ten Platz in dieſer electriſchen Reihenfolge der Koͤrper ein, und dennoch giebt es Leiter der zweiten Art, die in unſern electriſchen Saͤulen keine electromotoriſche Wirkſamkeit zeigen. — Ueber dieſe Schwierigkeiten hat vorzuͤglich Fechner Aufſchluß zu geben ge -375 ſucht, und ſeine Bemerkungen verdienen wohl erwaͤhnt zu werden. Was die Frage betrifft, warum die Beſtandtheile nach der Ver - einigung ſo feſt vereinigt bleiben, wenn auch im Augenblicke der Verbindung beide Electricitaͤten ſich durch eine Feuer-Entwickelung neutraliſiren; ſo antwortet Fechner darauf, die electromotoriſche Wirkung beſtehe eben darin, daß ein Theil der poſitiven Electri - citaͤt des einen Koͤrpers ſich mit einem Theile der negativen Elec - tricitaͤt des andern im Uebergange zwiſchen beiden neutraliſire, wo dann der erſtere negativ, der andre poſitiv zuruͤckbleibe. Dieſe Er - klaͤrung hat manches fuͤr ſich, aber da die Theilchen nicht bloß in ihrer Verbindung entgegengeſetzt electriſch ſind, ſondern durch eine auch nach der Trennung ſtatt findende electriſche Beſchaffenheit dem Anziehen des einen oder andern electriſchen Poles folgen, da ſie durch ihre eigenthuͤmliche Natur zur Verbindung angetrieben wer - den, alſo ſchon eine Kraft des Anziehens vor der Vereinigung, — vermuthlich alſo ein entgegengeſetzt electriſcher Zuſtand — da ſein muß; ſo ſcheint mir damit doch noch nicht alle Dunkelheit gehoben zu ſein. In Ruͤckſicht der zweiten Schwierigkeit, daß die fluͤſſigen Leiter in der voltaiſchen Saͤule nicht electromotoriſch wirken, da doch vorzuͤglich die, welche eine ſtarke chemiſche Wirkung zeigen, nach der electro-chemiſchen Theorie einen recht ſtarken electromo - toriſchen Gegenſatz zeigen ſollten, bemerkt Fechner folgendes. Die Fluͤſſigkeiten zeigen ſich in der Saͤule darum nicht als Electro - motoren, weil bei der Beweglichkeit ihrer Theilchen ein Hinuͤber - fuͤhren der Beſtandtheile nach beiden Polen ſtatt findet. Moͤchte naͤmlich auch zum Beiſpiel eine geſaͤuerte Fluͤſſigkeit im Ganzen negativ werden an dem Metalle, ſo wird doch gewiß der am mei - ſten negative Beſtandtheil gegen das poſitive, der am meiſten po - ſitive Beſtandtheil gegen das negative Metall gezogen, und ſo folgt jener dem poſitiven Strome und befoͤrdert ihn, ſtatt daß der andre dem negativen Strome folgt und ihn befoͤrdert, ohne daß es dabei darauf ankommt, welche electromotoriſche Wirkung der fluͤſſige Koͤr - per, wenn man ihn von der Beweglichkeit ſeiner Theile befreien koͤnnte, ausuͤben wuͤrde. Dieſe Anſicht hat das fuͤr ſich, daß ſie zeigt, wie die chemiſche Einwirkung der Fluͤſſigkeit zu einer Be - dingung der Thaͤtigkeit der Saͤule wird, obgleich in den Elec - tromotoren ſelbſt der eigentliche Grund der electriſchen Stroͤme376 liegt; die von Volta entdeckte Differenz des electriſchen Zuſtandes beider Metalle iſt die Urſache des Hinuͤberfuͤhrens der Stoffe, und dieſes macht ferner den durch die ganze Saͤule gehenden electriſchen Strom moͤglich, indem da, wo keine Hinuͤberfuͤhrung eintritt, keine wirkſame Kette gebildet werden kann. Einige Bemerkungen, die ich kuͤnftig anfuͤhren werde, geben dieſer Anſicht noch mehr Befeſtigung.
Dieſe Aufklaͤrung uͤber einen ſchwierigen Punct der Theorie der Saͤule vermindert wenigſtens die Schwierigkeit, wenn ſie ſie auch nicht voͤllig hebt. Fuͤr die trockne Saͤule, in welcher Koͤrper, deren Theile uns unbeweglich erſcheinen, die Leiter der zweiten Art darſtellen, paßt jene Erklaͤrung nicht, und doch waͤre es wohl gewagt, bei ihr ein andres Erklaͤrungsprincip anzunehmen. Man hat ein ſolches angenommen, und Davy ſelbſt deutete darauf hin, naͤmlich daß die Zwiſchenſchichten zwiſchen den Electromotoren, als Halbleiter, iſolirend fuͤr ſo ſchwache Electricitaͤten wirken, und daß daher in der zweiten Zinkſchichte durch Vertheilung mehr poſitive Electricitaͤt, unter dem Einfluſſe des durch die Zwiſchenſchichte ge - trennten negativen Kupfers, condenſatoriſch hervorgerufen werde; aber dieſe Theorie ſcheint unzulaͤſſig, da dann dickere Zwiſchen - ſchichten aus jenen Halbleitern gebildet, viel nachtheiliger der Ver - ſtaͤrkung der Saͤule entgegen wirken muͤßten, als es nach den Er - fahrungen der Fall iſt.
Ich verlaſſe dieſe ſchwierigen Gegenſtaͤnde, zu denen ich noch bei einer andern Gelegenheit zuruͤckkehren muß, und fuͤge jetzt noch einige merkwuͤrdige Erſcheinungen hinzu, die bei den chemiſchen Wirkungen der Saͤule vorkommen.
Unter den zahlreichen Merkwuͤrdigkeiten, welche die Zerſetzun - gen und Verbindungen unter dem Einfluß der electriſchen Stroͤme darbieten, will ich hier nur eine erwaͤhnen.
Wenn man in Aufloͤſungen von Metallſalzen die beiden Polar - draͤthe einander gegenuͤber ſtellt, ſo haͤngt ſich in vielen Faͤllen das Metall in Blaͤttchen, die ſich an einander anſetzen, in andern mehr ohne beſtimmte Form an, und die Oxydirung am andern Drathe377 oder die Verbindung des dortigen Metalls mit Saͤuren zeigt ſich gegen die Spitze zu ohne beſonders merkwuͤrdige Bildung. Bringt man dagegen einem Metalldrathe, am beſten einem ſehr fein geſpitz - ten, gegenuͤber eine ſchoͤn polirte Metallplatte an, ſo zeigen ſich in vielen Faͤllen die ſchoͤnſten farbigen Kreiſe, die von ihrem Entdecker Nobili die nobiliſchen Figuren heißen. Nobili hat zahlreiche einzelne Faͤlle unterſucht und die Erfolge angegeben; ich werde mich begnuͤgen, einige wenige zu erzaͤhlen.
Wenn man eine Saͤule von etwa 12 Plattenpaaren mit einer nicht allzuſchwach wirkenden ſalzigen Fluͤſſigkeit aufbauet, und den Drath des negativen Poles mit einer Platinplatte in Verbindung ſetzt, die mit einer Schichte in Waſſer aufgeloͤſten Bleizucker bedeckt iſt, dann aber die Spitze des vom negativen Pole kommenden Dra - thes in dieſe Aufloͤſung taucht, ſo daß die Spitze nur ½ oder 1 Linie vom Platin entfernt iſt, ſo bilden ſich in wenigen Augenblicken die ſchoͤnſten Farbenkreiſe um den Mittelpunct, gegen welchen hin der Drath in unverruͤckter Lage feſtgehalten wird. Die Farbenfolge iſt: In der Mitte eine dunkle Flaͤche mit drei violetten und gruͤnen Ringen umgeben, dann zwei Ringe, die vom Violett zu innerſt zu Roth, Gelb, Gruͤn, Blau, Violett uͤbergehen, ferner ein Ring, wo nach dem Roth und Gelb, Weiß und dann Blau, Violett folgt, endlich noch ein ſehr mit Violett gemiſchtes Roth und dann Orange. Die aͤußern Farbenfolgen nehmen viel mehr Raum ein, als die innerſten Ringe.
Dieſes Experiment iſt wegen der Sicherheit und Schnellig - keit, mit welcher es auf polirtem Platin gelingt, vorzuͤglich ange - nehm; und wenn man keine Platinplatte hat, ſo dient die Ober - flaͤche der mit einem ſehr duͤnnen Platin-Ueberzuge verſehenen Porcellangefaͤße ſehr gut dazu. Mehr Zeit fordert ein gleicher Ver - ſuch auf polirtem Silber, wo uͤbrigens, wenn man den electriſchen Strom lange genug auf denſelben Punct gehen laͤßt, Ringe von aͤhnlicher Farbenfolge, doch nicht ſo uͤberaus ſchoͤn wie im vorigen Falle, hervorgehen.
Bei den letztern iſt merkwuͤrdig, daß ſie durch das vom hellen Himmel reflectirte Licht andre Farben zeigen, als wenn man ſie in einer Richtung ſieht, wohin jene reflectirten Strahlen nicht gelan -378 gen. Eben jene Aufloͤſung giebt auch auf polirtem Stahl Farben - ringe.
Auf poſitivem Silber gehen auch, wenn es ſich unter einem recht ſtark gefaͤrbten Aufguß von braunem Kohl befindet, ſchoͤn gefaͤrbte Ringe hervor. Auf Stahl habe ich dagegen dieſe nicht erhalten koͤnnen.
Dieſe Ringe ſind genau concentriſche Kreiſe, wenn die Wir - kung regelmaͤßig ſtatt gefunden hat. Sie finden ſich in zahlrei - chern Faͤllen ſchoͤn ausgebildet, wenn die Metallplatte poſitiv iſt, aber auch das negative Metall giebt, (zum Beiſpiel wenn Silber unter der Aufloͤſung eſſigſauern Kupfers liegt) in einigen Faͤllen ſchoͤne Ringe. Ohne Zweifel entſtehen ſie durch hoͤchſt duͤnne Schich - ten eines Koͤrpers, der ſich auf dem Metalle anſetzt oder der mit Huͤlfe dieſes Metalles ſelbſt entſteht, und ſind folglich wohl mit dem Anlaufen des Stahles zu vergleichen. Aber was bei dem fuͤr Eſſigſaͤure und andre Saͤuren unangreifbaren Platin dieſe Veraͤn - derungen hervorbringt, weiß ich nicht zu erklaͤren.
Ganz dieſen Erſcheinungen auf negativen Metallen verwandt iſt diejenige Erſcheinung von Farbenringen, die man erhaͤlt, wenn man auf Platin oder Silber eine Aufloͤſung des ſchwefelſauern Kupfers in Waſſer gießt und das Metall mit einer Zinkſpitze in der Aufloͤſung beruͤhrt. Es entſtehen ſogleich um den beruͤhrten Punct Ringe, die offenbar auch hier von der Wirkung einer gal - vaniſchen einfachen Kette abhaͤngen, in welcher das die Ringe dar - bietende Metall das negative iſt. In den Ringen tritt Kupferroth und Gelb beſonders hervor. Offenbar iſt es hier niedergeſchlagenes Kupfer auf dem negativen Metalle, das ſich beſonders in der Mitte ſehr feſt mit dem Silber vereinigt.
Noch eine Erfahrung, die mit den bisher abgehandelten Ge - genſtaͤnden in Verbindung ſteht, will ich hier zum Schluſſe an - fuͤhren. Man hatte ehmals einen, unter andern von Cuthbert - ſon angefuͤhrten, Verſuch mit der Electriſirmaſchine als ſehr ent - ſcheidend fuͤr die frankliniſche Theorie angeſehen, der ſo angeſtellt wird, daß man der Kugel des poſitiv geladenen electriſchen Leiters A379 gegenuͤber eine andre Kugel B mit Ableitung zur Erde (Fig. 120.) aufſtellt, und zwiſchen beide eine Lichtflamme C bringt. Dieſe wird nach der negativen Seite hinuͤber gezogen, belegt die Kugel B mit Ruß und erhitzt dieſe weit ſtaͤrker, als die poſitive Kugel A. Der Schluß ſchien natuͤrlich, daß hier die, nach Franklins Meinung, einzige electriſche Materie von A nach B ſtroͤme und die Flamme mit ſich fortreiße. Aber dieſer Schluß iſt von Brande ſehr beſtimmt widerlegt worden, indem die Phosphorflamme gerade die entgegengeſetzten Phaͤnomene zeigt. Statt alſo hier von dem kenntlichen Hinuͤberſtroͤmen der electriſchen Materie zu reden, muß man aus dieſen Verſuchen ſchließen, daß die im Brennen des Phosphors entſtehende Phosphorſaͤure von dem poſitiv-electriſchen Koͤrper angezogen wird, und dies auch bei benzoeſaurem Dampfe und in andern Faͤllen ſtatt findet, daß dagegen die aus Waſſerſtoff und Kohlenſtoff beſtehenden Flammen, vorzuͤglich die des Camphers, von dem negativ-electriſchen Koͤrper angezogen werden, welches auch deutlich bei der Flamme des Kalium der Fall war.
Die chemiſchen Wirkungen der Saͤule fuͤhren zu einer ſo mannigfaltigen Reihe von Unterſuchungen, daß es mir nicht allein unmoͤglich ſein wird, dieſe erſchoͤpfend darzuſtellen, ſondern es ſogar ſchon ſchwierig ſcheint, das Wichtigſte in einer fuͤr alle einzelne Gegenſtaͤnde recht paſſenden Anordnung mitzutheilen. Indeß werde ich ſuchen, diejenige Anordnung zu waͤhlen, welche die Ueberſicht am meiſten erleichtert.
Daß auch die Fluͤſſigkeiten, die ſich zwiſchen den Schichtungen der Saͤule ſelbſt befinden, eine Zerſetzung erleiden muͤſſen, laͤßt ſich leicht einſehen. Sobald naͤmlich die Saͤule geſchloſſen iſt, be - findet ſich jede feuchte Zwiſchenſchichte, ſie ſei nun als Befeuchtung eines lockern Koͤrpers in der aufgebauten Saͤule, oder ſie ſei voͤllig380 fluͤſſig in den Zellen des Trog-Apparates zwiſchen den Metall - platten enthalten, in dem poſitiven und negativen electriſchen Strome, wo alſo die Saͤuren und das Oxygen dem poſitiven Me - talle zugefuͤhrt werden, der Waſſerſtoff und die Alcalien dem ne - gativen Metalle. Vermoͤge dieſer Zerſetzung wird die Oxydirung des Zinkes und ſeine Verbindung mit den Saͤuren, die ſchon durch gewoͤhnliche chemiſche Wirkung eintreten wuͤrde, in hohem Grade befoͤrdert, und auch die Kupfer-Oberflaͤche leidet durch die ihr zu - gefuͤhrten Stoffe Veraͤnderungen. Jene Aufloͤſung des Zinkes in der Feuchtigkeit der Zwiſchenſchichten bringt als entferntern Erfolg ein Hindurchgehen des Zinks durch dieſe und einen Zinkniederſchlag auf dem Kupfer hervor, indem ſich auch in Beziehung auf dieſes in der Fluͤſſigkeit der Zwiſchenſchichten neu aufgeloͤſte Metall die zerſetzende Kraft der electriſchen Stroͤme und das Hinuͤberfuͤhren des Metalles nach der negativen Seite aͤußert.
Dieſe ſichtbaren Veraͤnderungen ſchwaͤchen nun in hohem Grade die Wirkſamkeit der Saͤule, und dies ſcheint davon abzuhaͤn - gen, daß ſie theils die Zinktheile auf dem Kupfer niederlegen und ſo dem an beiden Seiten, wenn auch nur theilweiſe, mit Zink in Beruͤhrung geſetzten Kupfer ſeine electromotoriſche Wirkſamkeit rauben, theils in die Stroͤmungen der hinuͤbergefuͤhrten Theilchen, die zu Unterhaltung der electriſchen Stroͤme weſentlich ſind, eine Stockung bringen, theils andre Stoffe erzeugen und die Leitung der electriſchen Stroͤme in der geſchloſſenen Kette hindern. Aller - dings liegen hierin Gruͤnde fuͤr eine Schwaͤchung der Wirkung, aber da dieſe Schwaͤchung ſchon weit eher in bedeutendem Grade eintritt, ehe die Veraͤnderungen ſich ſtark genug zeigen, denen man eine merklich verminderte electromotoriſche Wirkung beilegen koͤnnte, ſo haben ſich an die Beobachtungen uͤber dieſe abnehmende Kraft der Saͤule wichtige Einwuͤrfe gegen Volta's Theorie an - geſchloſſen.
Dieſe Einwuͤrfe fanden eine neue Stuͤtze darin, daß die Wirkſamkeit der electriſchen Saͤule ohne Zutritt des Sauerſtoffgas gar nicht ſtatt zu finden ſcheint. Die geſchloſſene Saͤule abſorbirt das Sauerſtoffgas, und wenn ſie ſich in einem eingeſchloſſenen381 Raume befindet, ſo hoͤrt ihre Wirkſamkeit ganz auf, wenn alles Sauerſtoffgas verzehrt iſt, und ihre Wirkſamkeit erneuert ſich wie - der, wenn man einen Vorrath von Sauerſtoffgas wieder in die umgebende Luft hineinbringt. Um dieſes zu zeigen, hat man nur noͤthig, uͤber eine voltaiſche Saͤule, die mit ſalzigem Waſſer auf - gebaut iſt, und auf einer Unterlage in einem mit Waſſer gefuͤllten Teller ſteht, nachdem ein Schließungsdrath zu Verbindung beider Pole angebracht iſt, ein cylindriſches Glas, das durch die Saͤule großen Theils ausgefuͤllt wird, zu ſtuͤrzen, damit die die Saͤule umgebende Luft voͤllig abgeſperrt ſei. Man findet dann, daß nach einigen Stunden das Waſſer in dem Glaſe aufgeſtiegen, die Luft alſo vermindert iſt; in laͤngerer Zeit erreicht dieſe Abſorption ihr Ziel, und wenn man dann die noch uͤbrige Luft unterſucht, ſo findet man ſie ihres Sauerſtoffs beraubt. Wenn man die Ein - richtung ſo gemacht hat, daß ſich am Schließungsdrathe ein zur Waſſerzerſetzung dienendes Roͤhrchen befindet, das die Enden der Schließungsdraͤthe aufnimmt, ſo bemerkt man, daß die Waſſer - zerſetzung aufhoͤrt, wenn das Sauerſtoffgas der umgebenden Luft verzehrt iſt, daß ſie aber wieder anfaͤngt, wenn man neues Sauer - ſtoffgas in das die Saͤule bedeckende Gefaͤß gelangen laͤßt, wogegen Hydrogengas und andre keinen Sauerſtoff enthaltende Luft-Arten keine Verſtaͤrkung der Wirkungen der geſchloſſenen Saͤule hervor - bringen. Die Abſorption des Sauerſtoffs iſt bei kleinplattigen Saͤulen, oder eigentlich bei Saͤulen, deren der Luft ausgeſetzte Oberflaͤche in Vergleichung gegen den Querſchnitt groͤßer iſt, bedeu - tender. Die Urſache dieſer Abſorption, ſo wie der eigentliche Grund ihres Erfolges in Beziehung auf die Wirkſamkeit der Saͤule, iſt noch nicht voͤllig aufgeklaͤrt; doch kommen wir noch auf mehrere ſich hieran anſchließende Erfahrungen.
Dieſe offenbare Abhaͤngigkeit der Wirkung der Saͤule von der Gegenwart des Oxygen hat zu mehreren Einwuͤrfen gegen die Theorie Volta's Veranlaſſung gegeben. Es bietet ſich naͤmlich allerdings die Frage dar, ob nicht, da die Entſtehung und Fort - dauer des electriſchen Stromes ſo deutlich an die chemiſche Einwir - kung der Fluͤſſigkeit auf die Platten geknuͤpft iſt, dieſe chemiſche382 Einwirkung als der erſte Urſprung aller hier vorkommenden Er - folge anzuſehen ſei. Unter allen, die ſich fuͤr dieſe Anſicht zu erklaͤ - ren geneigt waren, iſt wohl niemand weiter gegangen als de la Rive, welcher geneigt iſt, ſelbſt den voltaiſchen Fundamental - verſuch als von chemiſchen Bedingungen abhaͤngend anzuſehen. Parrots Einwuͤrfe, die auf der Meinung beruhen, daß dieſer Fundamentalverſuch uͤberhaupt nicht eine eigenthuͤmliche Ent - ſtehungs-Art der Electricitaͤt nachweiſe, uͤbergehe ich, da es jetzt nicht mehr moͤglich iſt, irgend noch daran zu zweifeln, daß bei trockner Beruͤhrung von Zink und Kupfer Electricitaͤt auf die fruͤher ſchon angegebene Weiſe hervorgehe. Aber de la Rive bemerkt, die Beruͤhrung des Fingers und die Einwirkung der atmoſphaͤriſchen Luft koͤnne wohl auf die allerdings hervorgehende Beruͤhrungs - Electricitaͤt Einfluß haben, und ſeine Verſuche, glaubt er, zeigen, daß in Hydrogengas der voltaiſche Verſuch nicht gelinge. Da de la Rive die Beruͤhrung der Hand an den Metallen vermeiden wollte, ſo bediente er ſich einer hoͤlzernen Zange, alſo eines, da dieſe nicht feucht ſein durfte, ſehr unvollkommenen Leiters, und hierin lag wohl die Urſache, warum er eine ſchwache oder gar keine Electricitaͤt bei der Beruͤhrung der beiden Metalle erhielt. Pfaff und Becquerel haben eben die Verſuche ſo angeſtellt, daß weder die Hand noch die atmoſphaͤriſche Luft einwirken konnte, und haben dennoch am Condenſator eben die Anzeigen von Electricitaͤt erhal - ten, die Ihnen ſchon bekannt ſind. Becquerel naͤmlich be - diente ſich eines Condenſators, deſſen eine Platte ſorgfaͤltig ver - goldet war, ſo daß hier Gold ſtatt des Kupfers angewandt wurde; die zweite Condenſatorplatte beſtand zwar aus Zink, ſie war aber der Einwirkung der Luft und der feuchten Hand dadurch entzogen, daß ſie an allen Seiten vollkommen mit Firniß uͤberdeckt war, und nicht ſie, ſondern nur ein an ſie angeloͤthetes Platinſtaͤbchen beruͤhrt wurde. Hier waren alſo Gold und Platin die beiden Me - talle, die bei der Ladung des Condenſators beruͤhrt wurden, — beides Metalle, die gewiß der Oxydation ſo wenig ausgeſetzt ſind, daß niemand ihrer Oxydation waͤhrend der Beruͤhrung die Wir - kungen zuſchreiben wird, die ſich hier darbieten. Und dennoch erhielt hier die vergoldete Condenſatorplatte eine negative Ladung, wenn man, waͤhrend die Zinkplatte ſich auf der untern Conden -383 ſatorplatte aufgeſetzt befand, das Platinſtaͤbchen mit der Erde in leitende Verbindung ſetzte, und dann nach gehoͤriger Ladung des Condenſators die obere Condenſatorplatte hob; alſo hatte die Zinkplatte, durch die in der Loͤthung ſtatt findende Beruͤhrung des Platins, poſitive Electricitaͤt angenommen, obgleich die Zinkplatte nirgends der Luft ausgeſetzt war. Pfaff ſtellte den voltaiſchen Verſuch in einer Glocke an, die mit Waſſerſtoffgas oder andern Luft-Arten gefuͤllt war; zwei durch luftdichte Faſſungen in dieſen innern Raum der Glocke hinein reichende Handgriffe waren ſo ein - gerichtet, daß der eine zum Laden des Condenſators, der andre zum Abheben der obern Platte diente. Die eine Platte des Con - denſators beſtand aus Zink, die andre aus Kupfer und die Ladung geſchah dadurch, daß ein Kupferdrath mit der obern und untern Platte zugleich, vermittelſt des aus der Glocke hervorreichenden Handgriffes, in Beruͤhrung geſetzt, nachher aber entfernt wurde; waͤhrend der Beruͤhrung mußte die Zinkplatte poſitive Electricitaͤt von der untern Platte erhalten, wie wir es nach Volta's An - ſicht immer gefunden haben, und die untere Platte mußte, nach dem Aufheben der oberen, ſich negativ zeigen, und dieſes fand ſich auch wirklich ſo, es mochte die den Condenſator umgebende Luft feucht oder trocken ſein, und Oxygen enthalten oder nicht. So kann dieſer Einwurf alſo wohl als gehoben angeſehen werden, und die Entſtehung der Contact-Electricitaͤt zeigt ſich als unabhaͤngig von der Gegenwart des Oxygen.
Schwieriger iſt die Beantwortung der Frage, wie die Ent - ſtehung und Unterhaltung des electriſchen Stromes in der geſchloſ - ſenen Saͤule an die Oxydirung der Metallplatten geknuͤpft ſei, und ob ſie ſo daran geknuͤpft ſei, daß dieſe als ein weſentliches Erforderniß muͤſſe angeſehen werden. Um hieruͤber etwas zu ent - ſcheiden, hat ſchon Davy eine Reihe von Verſuchen angeſtellt, die ich bald nachher anfuͤhren werde; hier begnuͤge ich mich, fol - gende zwei Arten von Verſuchen anzugeben. Wenn die Wirk - ſamkeit der Saͤule von der oxydirenden Einwirkung als der we - ſentlichen Urſache abhinge, ſo muͤßten die am ſtaͤrkſten ange - griffenen Platten nach dem Maaße dieſer Veraͤnderung auch auf einerlei Weiſe den electriſchen Strom hervorbringen, das iſt aber nicht der Fall, wie folgender Verſuch von Ohm zeigt. Wenn384 man in einer gebogenen Roͤhre den untern gekruͤmmten Theil mit Asbeſt, der mit verduͤnnter Salpeterſaͤure befeuchtet iſt, aus - fuͤllt, damit die Fluͤſſigkeiten in beiden Schenkeln zwar in leitender Verbindung ſtehen, aber doch nicht zu einander uͤbergehen koͤnnen, wenn man dann den einen Schenkel mit verduͤnnter Salpeterſaͤure, den andern mit einer ganz geſaͤttigten Aufloͤſung von Zink in Salpeterſaͤure fuͤllt; ſo iſt es bekannt, daß Kupfer in jene einge - taucht aufgeloͤſt wird, waͤhrend Zink in die letztere eingetaucht, we - gen der vollkommenen Saͤttigung, gewiß nicht angegriffen wird; dennoch aber entſteht, wenn Zink und Kupfer durch einen metalli - ſchen Leiter in Verbindung geſetzt werden, und das Kupfer in die verduͤnnte Saͤure, das Zink in die geſaͤttigte Zink-Aufloͤſung ge - taucht wird, eben der electriſch-poſitive Strom vom Kupfer zum Zink, wie wir ihn ſonſt zu finden gewohnt ſind. Ganz aͤhnliche Verſuche von Berzelius, Marianini u. a. beweiſen dasſelbe.
Eine andre Art von Beweis gegen die Oxydationstheorie geben Verſuche von Fechner, in welchen eben ſo wie in den eben angefuͤhrten der Multiplicator, deſſen Einrichtung ich erſt ſpaͤter beſchreiben kann, angewandt ward, um die Richtung und Staͤrke des electriſchen Stromes zu beſtimmen. Wenn man in einen Trog-Apparat eine Anzahl Plattenpaare ſo einſenkt, daß ſie dem Geſetze der Saͤule gemaͤß in gleicher Ordnung fortgehen, aber nun eine eben ſo große Anzahl entgegengeſetzt geordneter Plattenpaare hinzufuͤgt; ſo muͤſſen dieſe, wenn man ſie als eine einzige zuſam - menhaͤngende Reihe behandelt*)Naͤmlich ſo, daß Zink, Kupfer, Waſſer; Zink, Kupfer, Waſſer; Kupfer, Zink, Waſſer; Kupfer, Zink, Waſſer, die Reihen bilden. und eine Schließung anbringt, gewiß ohne alle Wirkung ſein, wenn man ſie gleich tief in die Fluͤſſigkeit einſenkt; dagegen ſollte man nach der Oxydationstheorie erwarten, daß die ſich gegenſeitig voͤllig zerſtoͤrende Gleichheit der Wirkung aufhoͤre, wenn die nach der einen Richtung geordnete Folge tiefer als die entgegengeſetzt geordnete eingetaucht wird; aber dieſes iſt nicht der Fall, ſondern es entſteht auch dann kein electri - ſcher Strom. Nach Volta's Theorie iſt das ganz richtig, in - dem zehn Schichtungen Kupfer, Zink, feuchter Leiter einen zehnfach385 verſtaͤrkten electriſchen Strom nach der einen Richtung hervorbrin - gen ſollten, dem aber der zehnfach verſtaͤrkte electriſche Strom von der entgegengeſetzten Seite her das Gleichgewicht haͤlt, auch wenn dort die Groͤße der Platten oder ihres befeuchteten Theiles eine andre iſt. Nach dieſer Theorie ſteht die Wirkung der groͤßern und kleinern Platten ſich ſo gegenuͤber, wie in der Hydroſtatik der Druck des Waſſers in einer weiten und in einer engen Roͤhre, wo die Hoͤhe des Waſſers dieſelbe iſt. Eben dieſes Gleichgewicht beſteht auch noch, wenn eine der entgegengeſetzten Reihen von Platten - paaren in Waſſer, die andre in ein mit Salzſaͤure geſaͤuertes Waſſer getaucht iſt; aber hier beſteht das Gleichgewicht nur kurze Zeit, und ſehr bald wirkt die Saͤure ſchwaͤcher, (gegen die Anſicht der Oxydationstheorie), welches gewiß davon herruͤhrt, daß die veraͤn - derte Oberflaͤche der Metalle in der Saͤure eine Verminderung der electromotoriſchen Thaͤtigkeit zur Folge hat.
Dies wird zur Widerlegung der Anſicht, daß der electriſche Strom ſich nach dem Maaße der ſtaͤrkern oxydirenden Einwirkung auf die Zink-Oberflaͤche beſtimme, wohl zureichen. Auf andre Betrachtungen, die ſich hieran anſchließen, komme ich noch wieder zuruͤck.
An dieſe Unterſuchungen uͤber den Zuſammenhang der chemi - ſchen Wirkungen auf die Plattenpaare mit den electriſchen Erſchei - nungen der Saͤule knuͤpfen ſich andre Verſuche Davy's, die hier angefuͤhrt zu werden verdienen. Davy machte bei dem Auf - bauen einer Saͤule von Gold und Silber die Bemerkung, daß, wie ſich erwarten ließ, dieſe Saͤule wenig Wirkung that, wenn Waſſer der feuchte Leiter war; weil jene zwei Metalle in der Reihe der Electromotoren einander zu nahe ſtehen; aber wenn Salpeterſaͤure als feuchter Leiter diente, ſo brachte dieſe Saͤule viel groͤßere Wir - kungen hervor. Davy ſah dieſen Verſuch zuerſt als der Oxyda - tionstheorie guͤnſtig an, weil die ſtarke Wirkung der Salpeterſaͤure auf Silber und die geringe Wirkung auf Gold hier den Gegenſatz zu bewirken ſchien; da er aber nachher von dieſer Anſicht zuruͤck - gekommen iſt, ſo will ich nur die Schluͤſſe, die wichtiger ſind, hierIII. B b386ausheben. Eine Saͤule, worin die feuchten Schichten theils mit Waſſer, theils mit Salpeterſaͤure benetzt waren, gab, wenn man Zinn unten, dann Salpeterſaͤure, dann Waſſer, auf einander ſchich - tete und ſo die Saͤule fortbaute, dann aber von der obern und untern Schichte die Schließungsdraͤthe in eine Roͤhre mit Waſſer leitete, am untern Drathe Oxygengas, am obern Hydrogengas; es war alſo von der Saͤure zum Zinn ein poſitiver Strom entſtanden, der die angegebenen Wirkungen hervorbrachte, und es ließ ſich dies ſo anſehen, als ob Saͤure und Metall in eine electromo - toriſche Thaͤtigkeit geſetzt waͤren, wobei die Saͤure negativ, das Metall poſitiv wird. Dieſe Anſicht wurde durch die Beruͤhrung der Metalle an trockene Saͤuren, Boraxſaͤure, Sauerkleeſaͤure u. ſ. w. beſtaͤtigt; Kupfer, mit dieſen in Beruͤhrung gebracht, wird poſitiv, wogegen die Saͤure negativ gefunden wird. Die entge - gengeſetzte Wirkung zeigen die alcaliſchen Stoffe und der Schwefel - waſſerſtoff, der in dieſer Hinſicht jenen aͤhnlich iſt. Es ſei ein voltaiſcher Becher-Apparat, in welchem Waſſer im einen und eine alcaliſche Fluͤſſigkeit im andern Becher und ſo fort abwechſelnd ſich in den Bechern befinden, aufgeſtellt; der erſte Becher ſei mit dem zweiten durch einen feuchten Leiter, der zweite mit dem dritten durch ein Metall, der dritte mit dem vierten durch einen feuchten Leiter, der vierte mit dem fuͤnften durch ein Metall verbunden, u. ſ. w.; dann wird der poſitiv-electriſche Strom vom Metalle zu der alca - liſchen Fluͤſſigkeit uͤbergehen und der ſo angeordnete galvaniſche Apparat ſeine Wirkſamkeit zeigen. Hier zeigen alſo auch Fluͤſſig - keiten eine electromotoriſche Thaͤtigkeit auf ganz beſtimmte Weiſe.
Mit dieſen Verſuchen ſtimmen ſpaͤtere, welche an der ein - fachen galvaniſchen Kette mit Huͤlfe des electromagnetiſchen Multi - plicators angeſtellt ſind, uͤberein. Wenn man Platin an der einen Seite mit einer in Kali-Aufloͤſung getraͤnkten Pappſcheibe, an der andern mit einer in Saͤure getraͤnkten Pappſcheibe in Verbin - dung ſetzt, ſo wird, wenn ein Leitungsdrath jene feuchten Scheiben verbindet, der poſitive Strom vom Metalle zum Kali und von der Saͤure zum Metalle gehen; oder wenn man jene zwei befeuchteten Scheiben K (Kali), S (Saͤure) (Fig. 115.) auf einander legt und die oberhalb und unterhalb liegenden Platinſcheiben durch den Leitungsdrath verbindet, ſo geht der Strom ſo wie die Figur an -387 zeigt, naͤmlich vom Metalle zum Kali, von der Saͤure zum Metalle.
Daß dieſe Einwirkung der fluͤſſigen Koͤrper nun gar wohl eine Aenderung in der durch die zwei Metalle hervorgebrachten Richtung des Stromes bewirken koͤnne, iſt einleuchtend. Eiſen und Kupfer, die ſich als Electromotoren einigermaßen nahe ſtehen, bringen bei der Beruͤhrung einen nur ſchwachen electriſchen Strom, wo der poſitive Strom vom Kupfer zum Eiſen geht, hervor; dieſer Strom zeigt ſich bei Saͤulen, die mit Waſſer oder mit Aufloͤſun - gen von Neutralſalzen aufgebauet ſind, dieſem Geſetze gemaͤß; aber wenn man die Saͤule mit geſaͤttigter Kalilauge oder mit liquider Schwefelleber aufbauet, ſo hat der Strom die entgegengeſetzte Rich - tung, weil nun der vom Kupfer zum Kali gehende Strom ohne Zweifel maͤchtiger als der vom Kupfer zum Eiſen und vom Eiſen zum Kali gehende Strom iſt. Daß uͤbrigens hiebei der fluͤſſige Leiter immer ſo fern, als ſeine Theile beweglich ſind, in einer an - dern Weiſe ſeine Wirkſamkeit ausuͤbt, als feſte Leiter, brauche ich nicht zu erwaͤhnen.
Wir haben bisher den Urſprung des electriſchen Stromes ken - nen zu lernen geſucht, und ihn dem Weſentlichen nach immer als von der electromotoriſchen Wirkſamkeit der Koͤrper abhaͤngig gefun - den; aber wir muͤſſen auch nach den Hinderniſſen fragen, die ſich dieſem Strome entgegenſetzen, und die Betrachtung derſelben wird uns noch einige Huͤlfsmittel zur Aufklaͤrung der noch uͤbrigen Dunkelheiten gewaͤhren. Daß der electriſche Strom, weder in der Saͤule ſelbſt, noch im Schließungsdrathe, ſo fortgeleitet wird, daß man dieſe Leitung als durchaus ungehindert anſehen koͤnnte, iſt ſchon oͤfter erwaͤhnt worden, und laͤßt ſich bei minder guten Schließungsleitern, z. B. wenn die Schließung durch eine laͤngere Waſſermaſſe bewirkt wird, daran erkennen, daß da die Enden der Saͤule und die ihnen zunaͤchſt liegenden Theile des leitenden Waſ - ſers eine deutliche Ladung zeigen. Da nun auf dem ſchnellen Fort - ſtroͤmen des electriſchen Stromes ein großer Theil der Wirkungen beruht, ſo iſt es wichtig, die Hinderungen dieſes Fortſtroͤmens ken - nen zu lernen.
Bb 2388Daß in der Saͤule ſelbſt immer, ſie ſei nun in Form der Saͤule aufgebauet oder in einem Trog-Apparate angeordnet, ein Widerſtand ſtatt finde, davon kann man ſich durch Verſuche leicht uͤberzeugen. Wenn man naͤmlich die Kraft des electriſchen Stro - mes durch paſſende Mittel abmißt*)Dieſes geſchieht am beſten durch die electromagnetiſchen Wir - kungen; aber auch die Menge des bei der Waſſerzerſetzung entwickelten Gas kann einigermaßen dazu dienen., ſo findet man ſie abnehmend, wenn man den Abſtand der Platten von einander im Trog-Ap - parate vermehrt, und es ergiebt ſich daraus ein Mittel, den ungleich großen Leitungswiderſtand verſchiedener Fluͤſſigkeiten zu vergleichen, wenn man durch weitere Abſtaͤnde in der beſſer leitenden Fluͤſſig - keit Gleichheit der Wirkung mit der naͤhern Stellung in der ſchlechter leitenden Fluͤſſigkeit hervorbringt.
Dieſe Verſuche, wo der Abſtand der Platten im Trog-Ap - parate geaͤndert wird, zeigen, daß der Widerſtand einer beſtimmten Fluͤſſigkeit dieſem Abſtande proportional iſt. Dieſer Widerſtand zeigt ſich bei groͤßern Platten minder wirkſam als bei kleinern, und iſt bei kleinern Platten alsdann bedeutender, wenn die fluͤſſige Maſſe nur eben den Durchſchnitt hat, wie die Platten ſelbſt. Dieſer eigentliche Leitungswiderſtand der Fluͤſſigkeiten laͤßt ſich auch da - durch beſtimmen, daß ein fluͤſſiger Koͤrper einen Theil des Schlie - ßungsleiters ausmacht. Die fluͤſſigen Koͤrper leiten ſehr ungleich. Waſſer iſt ein ſehr ſchlechter Leiter, deſſen Leitungsfaͤhigkeit aber ſchon durch wenig darin aufgeloͤſtes Kochſalz und noch beſſer durch darin aufgeloͤſten Salmiak geſteigert wird. Pfaff hat Verglei - chungen zwiſchen der Leitung der Metalle und fluͤſſiger Leiter ange - ſtellt, und gefunden, daß concentrirte Salmiak-Aufloͤſung einen Querſchnitt von 6 Quadratzoll haben mußte, um eben ſo gut zu leiten als ein Eiſendrath von $$\frac{1}{41000}$$ Quadratzoll Querſchnitt, ſo daß man alſo den Leitungswiderſtand in jener Fluͤſſigkeit 250000 mal ſo groß als im Eiſen angeben kann.
Mit dieſem Leitungswiderſtande in der Fluͤſſigkeit verbindet ſich aber noch der Widerſtand beim Uebergange aus der Fluͤſſigkeit in die Metallplatten. Daß dieſer ſehr merklich iſt, hat ſchon Marianini dadurch gezeigt, daß er die durch Hineinbringung unwirkſamer Metallplatten herabgeſetzte Kraft des electriſchen Stro -389 mes nachwies, aber Fechner hat dieſen Gegenſtand viel vollſtaͤn - diger behandelt. Der wichtige Umſtand, daß die Wirkſamkeit der voltaiſchen Apparate ſo beſtimmt von der chemiſchen Einwirkung der Fluͤſſigkeit auf die Platten abhaͤngt, ſcheint ganz auf dieſem Leitungswiderſtande des Uebergangs zu beruhen. Dieſelbe Fluͤſſig - keit zeigt ſich nicht als gleich gut leitend oder als gleich gut die Wirkung der Saͤule befoͤrdernd bei allen zur Saͤule angewandten Metallen, (und dies iſt es, worauf ich fruͤher hindeutete, als ich Volta's Meinung uͤber die ungleiche Wirkung der Fluͤſſigkeiten anfuͤhrte,) ſondern die Metalle, die einer ſtaͤrkern chemiſchen Ein - wirkung unterworfen ſind, gewaͤhren derſelben Fluͤſſigkeit den Vor - zug einer beſſern Leitung; und dabei iſt allerdings das gewiß, daß die Innigkeit der Beruͤhrung, das eigentliche Einbringen der Fluͤſ - ſigkeit in die Oberflaͤche des feſten Koͤrpers, ſehr nahe verbunden iſt mit der chemiſchen Einwirkung. Hierauf alſo ſcheint es zu beru - hen, daß ein voͤllig luftfreies, ganz reines Waſſer, wenn der Zu - tritt des Sauerſtoffgas ausgeſchloſſen iſt, ganz und gar keine Wir - kung einer aus Kupfer - und Zinkplatten gebauten Saͤule geſtattet, und daß nach dem Abſorbiren alles Sauerſtoffs aus der umgeben - den Luft die Wirkſamkeit der in andern Luft-Arten eingeſchloſſenen Saͤule aufhoͤrt.
Dieſer Leitungswiderſtand iſt, wie Fechner umſtaͤndlich zeigt, im erſten Anfange der Wirkſamkeit der Kette gleich fuͤr die negativen und fuͤr die poſitiven Metalle in der Kette; aber nach laͤngerer Wirkung zeigt ſich das negative Metall als den groͤßern Leitungswiderſtand im Uebergange gebend. Die Verſuche hieruͤber ſind ſo angeſtellt, daß bei den vergleichenden Verſuchen das eine Mal die beiden wirkſamen Platten K, Z in beſtimmtem Abſtande (Fig. 116.) aufgeſtellt und durch den bei U in Queckſilber tauchen - den Leitungsdrath verbunden wurden, wogegen das andre Mal (Fig. 117.) außer den wirkſamen Platten K, Z, noch die unwirk - ſamen Z′, Z′, in eben den fluͤſſigen Leiter eingeſchoben wurden, und die Verbindung durch die Queckſilbergefaͤße U, U, U, ſtatt fand; ſo daß in beiden Faͤllen die Leitung zwiſchen LM nicht un - terbrochen war. Hatte man nun hier im erſten Falle den Ab - ſtand KZ eben ſo groß als die Summe der Abſtaͤnde KZ, Z′Z′, im zweiten Falle, ſo konnte der eigentlich ſo zu nennende390 Leitungswiderſtand der Fluͤſſigkeit nicht ungleich ſein, war uͤber - dies die Verlaͤngerung des metalliſchen Schließungsleiters LM unbedeutend, ſo konnte die veraͤnderte Wirkſamkeit nur von jenem Uebergange auf Zwiſchenplatten abhaͤngen. Jener eben vorhin ausgeſprochene Satz wurde nun dadurch bewieſen, daß bald Zink - platten, bald Kupferplatten, an der Stelle Z′Z′, als Zwiſchen - platten angewandt wurden. Und hieraus erklaͤrt ſich der ſchon fruͤher erwaͤhnte Umſtand, daß man in den voltaiſchen Trog-Ap - paraten zwar mit Vortheil (Fig. 108.) der Zinkplatte an beiden Seiten eine Kupferplatte gegenuͤber ſtellen, ja dieſe Kupferplatten ſogar mit Vortheil groͤßer als die Zinkplatte nehmen kann, dagegen aber keinen dauernden Vortheil erhaͤlt, wenn man umgekehrt einer Kupferplatte gegenuͤber an beiden Seiten Zinkplatten aufſtellt. Nach Fechners Verſuchen iſt auch dieſer Gegenſatz nur richtig in Beziehung auf den laͤngern Fortgang des Verſuches, auf die laͤnger dauernde Schließung der Kette, ſo daß im erſten Anfange der Wirkſamkeit die große Kupferplatte der kleinen Zinkplatte zu - geordnet nicht mehr wirkt, als die große Zinkplatte der kleinen Kupferplatte zugeordnet; ſpaͤter aber, wo der Leitungswiderſtand am Kupfer zunimmt, das Zink leichter einen electriſchen Strom unterhaͤlt, wenn dieſer den groͤßern Widerſtand uͤberwindend ſich auf viele Kupfertheile ergießen kann, als umgekehrt. Ich ſagte, dieſe Ungleichheit ſei nun erklaͤrt; aber freilich bedarf der Umſtand ſelbſt noch der Erklaͤrung, warum dann die Kupfer-Oberflaͤche, die doch geringere chemiſche Veraͤnderungen erleidet, ſich hier als ſtaͤr - ker veraͤndert in ihrer Wirkſamkeit zeigt.
Dieſe Erklaͤrung wird zwar durch die Ladungsphaͤnomene, die man ſchon fruͤh an den Platten der Saͤule bemerkt hat, auch nicht herbeigefuͤhrt; aber dennoch reihen ſich dieſe Erſcheinungen ſo an die eben betrachteten an, daß ſie wohl hier am beſten ihre Stelle finden. Die Kupferplatten naͤmlich, obgleich ſie bei laͤngerem Ver - weilen in der Saͤule nicht ſo ſehr zerſtoͤrt, durch chemiſche Einwir - kung nicht ſo ſehr veraͤndert ſind, als die Zinkplatten, ja ſogar Goldplatten, die der ſichtbaren chemiſchen Veraͤnderung ſo ſehr we -391 nig unterworfen ſind, zeigen nach laͤngerem Verweilen in der ge - ſchloſſenen Kette einen merklich veraͤnderten electromotoriſchen Zu - ſtand. Statt daß zwei Stuͤcke gleichen Metalles, zwei gleiche Kupferſtuͤcke zum Beiſpiel, zu Hervorbringung eines electriſchen Stromes gar nicht geeignet ſein ſollten, erhaͤlt man einen deutlichen electriſchen Strom, wenn man ein Stuͤck Kupfer, das lange nicht in der electriſchen Kette geweſen iſt, mit einem zweiten Stuͤcke Kupfer, das ſo eben aus einer laͤngere Zeit geſchloſſen gebliebenen Kette heraus genommen ward, zu einer einfachen Kette verbindet; hier zeigt ſich das mit Zink zu einer wirkſamen Kette vereinigt geweſene Kupfer als poſitiv-electriſch gegen das gewoͤhnliche Ku - pfer. Man hat dies eine Ladungs-Erſcheinung genannt, obgleich es nicht ſo heißen ſollte, da bloß der electromotoriſche Zu - ſtand des Kupfers ein andrer, in der Reihenfolge mehr nach der poſitiven Seite hin geruͤckt, geworden iſt.
Schon Ritter bemerkte dieſe Erſcheinung, auf welche ſich die ſecundaͤren Saͤulen oder die von ihm ſogenannten Ladungs - ſaͤulen gruͤnden. Ritters Entdeckung war folgende. Wenn man eine gewoͤhnliche Saͤule (Fig. 118. ) ZK aus Kupfer, Zink, feuchtem Leiter aufbauet, und auf ſie noch Schichtungen von Ku - pfer und feuchten Leitern allein K′K″ (naͤmlich: Kupfer, feuchter Leiter, Kupfer, feuchter Leiter, u. ſ. w.) legt, dann aber die Schließung KLK″ einige Zeit dauern laͤßt, ſo daß der electriſche Strom durch die an ſich unwirkſame Saͤule K′K″ mit hindurch geht; ſo zeigt nun dieſe, wenn man ſie hierauf fuͤr ſich allein ſchließt, indem man den Leiter K′K″ anbringt, die Erſcheinungen einer wirkſamen Saͤule, deren Wirkungen freilich bald abnehmen und endlich verſchwinden, aber doch deutlich genug ſie als in einen electriſch wirkſamen Stand verſetzt zeigen. Dieſe Wirkſamkeit be - ruht darauf, daß die Kupferplatten in der Saͤule K′K″ an ihren beiden Seiten eine ungleiche electromotoriſche Beſchaffenheit haben, ſo daß dieſe zwei Seiten als ein verbundenes, wirkſames Platten - paar anzuſehen ſind. Hat eine ſolche ſecundaͤre Saͤule ſich lange Zeit in Verbindung mit der wirkſamen Saͤule ZK befunden, ſo ſchwaͤcht ſie den electriſchen Strom in dieſer; denn da die Platten K′K″ an ihrer nach Z zugewandten Seite ſich als mehr poſitiv in Vergleichung gegen die andre Seite zeigen, ſo wirkt der hiedurch392 angeregte poſitive Strom dem in der Saͤule ZK wirkſamen Strome entgegen, alſo ſchwaͤchend, und ſo erhellt, wie auch die Kupferplat - ten in der aus Zink und Kupfer erbauten wirkſamen Saͤule ZK ſelbſt nach und nach beitragen, den electriſchen Strom aufzu - halten.
So fuͤhrt alſo dieſe Unterſuchung uns wieder zuruͤck zu der allmaͤhligen Abnahme der Wirkung der voltaiſchen Saͤule und zu der Frage, wovon dieſe abhaͤnge. Wenn man dieſe Veraͤnderun - gen kennen lernen will, ſo muß man ſich lieber der Trog-Apparate als der Saͤulen bedienen, indem in den letztern allzuleicht Neben - umſtaͤnde einwirken und auch das allmaͤhlige Austrocknen der Plat - ten eine nicht eigentlich in der Natur der Wirkſamkeit der Saͤule begruͤndete Verſchiedenheit hervorbringt. Bei der Saͤule kann es ſich, wenn auch nur eine Zwiſchenplatte minder feucht iſt, ereig - nen, daß dadurch die Wirkſamkeit gehemmt wird, bei ihr erfordert es zuweilen einige Zeit, ehe die Feuchtigkeit die trocken aufgelegten Metallplatten innig beruͤhrt, u. ſ. w. Aber darin ſtimmen alle Apparate, in welchen nach dem voltaiſchen Principe zwei Metalle durch fluͤſſige Leiter verbunden ſind, uͤberein, daß ihre zu Anfang ſtarke Wirkung ſich bei fortdauernder Schließung ſehr vermindert. Dieſe Abnahme der Wirkung iſt deſto merklicher, je beſſer durch eine gute Schließungsleitung ohne Unterbrechung die Wirkſamkeit des electriſchen Stromes erhalten wird; ſie iſt geringer, wenn man ſich ſchlechterer Schließungsleiter bedient, ſo wie ſie durch die Aufhebung der Schließung am beſten gehemmt wird. Wenn auch die Platten im Troge der Einwirkung der ſauern oder ſalzigen Fluͤſ - ſigkeit ausgeſetzt bleiben, aber keine Schließung der Kette ſtatt fin - det; ſo ſtellt ſich die waͤhrend der Schließung ſchon herunter gegan - gene Thaͤtigkeit der Saͤule wieder her, und es findet alſo wirklich ein Wechſeln der Kraft in der Kette ſtatt. Ohm und Fechner haben dieſe Veraͤnderungen, die man mit dem Namen des Wo - gens in der Kette belegt hat, naͤher unterſucht. Dabei iſt nun die Beobachtung des letztern hoͤchſt merkwuͤrdig, daß, wenn gleich die auf die electromotoriſche Thaͤtigkeit der Platten einwir - kende, durch chemiſche Urſachen entſtehende Veraͤnderung ihrer393 Oberflaͤche, wenn gleich der durch Aufloͤſung des Metalles veraͤn - derte Zuſtand der Fluͤſſigkeit, auf dieſe Wirkungs-Abnahme Ein - fluß hat, doch die Hauptwirkung in dem vermehrten Leitungs - widerſtande des Ueberganges zu liegen ſcheint, und daß dieſer an den negativen Platten am meiſten zunimmt. Fechner, deſſen mit dem Multiplicator angeſtellten Verſuche geſtatteten, von Minute zu Minute die Kraft der Saͤule wahrzunehmen, fand, daß eine Bewegung der Zinkplatte in der Fluͤſſigkeit keine Aenderung in der Kraft der Saͤule hervorbrachte, wogegen eine Bewegung der Kupfer - platte in der Fluͤſſigkeit, oder ein Umruͤhren der Fluͤſſigkeit in der Naͤhe der Kupferplatte, oder gar ein Abwiſchen derſelben, waͤhrend ſie in der Fluͤſſigkeit blieb, mit dem Barte einer Feder, die ſchon heruntergeſetzte Wirkſamkeit der Kette wieder erhoͤhete. Wenn man eine mit Salmiak-Aufloͤſung in den Zellen in Thaͤtigkeit geſetzte Kette ſo lange geſchloſſen gelaſſen hat, daß ſie eine große Abnahme der Wirkung zeigt, ſo ſtellt theils ein Aufheben der Schließung, theils noch weit ſchneller ein Herausheben der Kupferplatten, ſo daß ſie mit der Luft in Beruͤhrung kommen, die Wirkſamkeit der Saͤule her. — Offenbar iſt alſo die atmoſphaͤriſche Luft oder viel - mehr das Sauerſtoffgas wirkſam zu Unterhaltung der Thaͤtigkeit der Saͤule, ihr Einwirken auf die negativen Platten, welches noch keinesweges erklaͤrt iſt, macht, daß der vermehrte Widerſtand, wel - chen der electriſche Strom bei dem Uebergange zu dieſen Platten leidet, ſich wieder vermindert und auch der urſpruͤngliche electromo - toriſche Zuſtand hergeſtellt wird*)Obgleich man den letztern Umſtand gleichfalls beruͤckſichtigen muß, ſo ſcheint mir doch, daß Fechners Verſuche deutlich zeigen, man duͤrfe nicht, wie Ohm geneigt iſt es zu thun, jenen Widerſtand im Uebergange und ſeine Veraͤnderungen aus den Augen laſſen.. — Der electriſche Strom ſelbſt bringt jene Aenderung hervor; denn wenn Plattenpaare, theils in der einen, theils in der entgegengeſetzten Richtung verbunden, ihre electriſchen Stroͤme ſelbſt zerſtoͤren oder unwirkſam machen, ſo zei - gen dieſe Plattenpaare, auch bei laͤngerer Dauer ihrer Eintauchung und der Schließung dieſer unwirkſamen Kette, ſich, zu einer wirk - ſamen Kette verbunden, nicht ſchwaͤcher in ihrer Wirkung. — — Doch alle dieſe, am reichlichſten von Fechner gelieferten, wichtigen394 Beitraͤge zu einer kuͤnftigen Erklaͤrung dieſer, ſich an einander anreihenden Erfahrungen laſſen uͤber den eigentlichen Grund der Erſcheinungen noch viele Dunkelheit uͤbrig, wenn ſich gleich zwi - ſchen dieſem Wogen in der galvaniſchen Kette, zwiſchen der Ladung der negativen Platten und andern hier angefuͤhrten Erſcheinungen ein unverkennbarer Zuſammenhang zeigt.
Die Erſcheinungen, welche von den chemiſchen Wirkungen der voltaiſchen Saͤule abhaͤngen, fuͤhrten mich zu einer ſo langen Reihe von einzelnen Betrachtungen, daß ich den Faden unſerer Unterſuchungen, naͤmlich die Darſtellung der mannigfaltigen Wirk - ſamkeit der Saͤule, faſt ganz verloren zu haben ſcheine. Ich nehme dieſen Faden wieder auf, indem ich zu einer neuen Reihe von Er - ſcheinungen, den Licht-Erſcheinungen und Waͤrme-Erzeugungen durch die Saͤule uͤbergehe, woran ſich noch manche Unterſuchungen uͤber die Leitung des electriſchen Stromes durch Metalldraͤthe an - knuͤpfen. Einige vereinzelter da ſtehende Erfahrungen moͤgen zu - letzt den Beſchluß dieſer Lehre machen.
Bei den erſten Unterſuchungen uͤber die voltaiſche Saͤule war es von mehreren Beobachtern als eine ſehr auffallende Abweichung der electriſchen Erſcheinungen der Saͤule von denen der Reibungs - Electricitaͤt angeſehen worden, daß jene bei ſo ſtarken Einwirkun - gen auf das Gefuͤhl keine Funken gab. Man fand nun zwar bald, daß die Funken keinesweges ganz fehlten, aber dennoch zeig - ten ſie ſich darin vom gewoͤhnlichen electriſchen Funken abweichend, daß ſie bei den damals einzig angewandten kleinplattigen Saͤulen ſich nur mit einiger Schwierigkeit hervorbringen ließen und eine nur ganz unmerkliche Schlagweite hatten. Man bemerkte bald, daß die Pappſchichten zwiſchen den Platten mit einer ſtark geſalze - nen Fluͤſſigkeit, mit Salmiak-Aufloͤſung zum Beiſpiel, befeuchtet395 ſein muͤßten, daß man alſo die Lebhaftigkeit des electriſchen Stro - mes durch eine den Leitungswiderſtand moͤglichſt vermindernde Fluͤſſigkeit befoͤrdern muͤſſe, um Funken zu erhalten. Man be - merkte auch, daß der Funke nur an den feinſten Spitzen leicht her - vorgehe, daß er mit einem wirklichen Verbrennen der zur Beruͤh - rung gebrachten Theile verbunden ſei, und eben darum auch ſehr verſchiedene Farben zeige. Auf dieſen Erfahrungen beruht die Vorſchrift, daß man das Ende des Schließungsdraths mit den feinen Spitzchen eines Stuͤckes Blattgold verſehen zur Beruͤhrung bringen ſolle, damit der Uebergang durch einen Leiter von ſehr kleinem Querſchnitte geſchehe und zugleich auch das leichte Metall - blaͤttchen ſich leicht entzuͤnde. Auch die Befoͤrderung der Funken dadurch, daß man das Ende des Drathes in der Lichtflamme mit Ruß uͤberzieht, oder ein mit Ruß uͤberzogenes Silberſtuͤck zu Her - vorlockung der Funken anwendet, beruhen eben hierauf, da die feinen Rußtheile ſich leicht, einzelne Funken gebend, entzuͤnden. Am beſten geſchieht dies in der Lichtflamme ſelbſt, wenn man die an den Draͤthen angelegte Rußbedeckung in der Lichtflamme, wo die Erhitzung das Funkengeben erleichtert, einander gegenuͤber ſtellt. Hier bilden ſich zugleich in der Flamme Dendriten aus Ruß, naͤmlich in die Laͤnge gedehnte, wachſende, Rußfaͤden, die ſich einander anziehen.
Bei Saͤulen, wo die Platten nicht uͤber 3 oder 4 Quadratzoll Oberflaͤche haben, kann man unter 80 bis 100 Plattenpaaren nicht auf das Erſcheinen von Funken rechnen, dagegen reichen 30 Platten von 1 Quadratfuß groß, mit einer maͤßig ſtark ge - ſaͤuerten oder geſalzenen Fluͤſſigkeit zu Befeuchtung der Zwiſchen - platten, vollkommen aus, um die herrlichſten Funken-Erſcheinun - gen und Verbrennungen von Metallblaͤttchen hervorzubringen. Laͤßt man naͤmlich eine von der unterſten Platte heraufgehende Leitung ſich neben der obern Platte ſo endigen, daß hier ein Ge - faͤßchen mit Queckſilber das Ende des Leiters ausmacht, taucht man dann das eine Ende eines ſtarken Drathes in das Queckſilber und befeſtigt an das andre Ende ein Blatt aͤchten oder unaͤchten Goldes oder aͤchten oder unaͤchten Silbers, um damit die obere Platte zu beruͤhren, ſo verbrennt das Metallblatt mit den ſchoͤnſten Farben. Vor allen zeichnet ſich das aͤchte Silber durch das ſchoͤnſte396 Smaragdgruͤn aus. Die Farbe des Lichtes beim Verbrennen richtet ſich nicht allein nach dem verbrennenden Metallblaͤttchen, ſondern es koͤmmt dabei auch auf das Metall an, mit welchem das Blaͤtt - chen in Beruͤhrung koͤmmt, indem, wenn die Beruͤhrung an einer Queckſilber-Oberflaͤche ſtatt findet, dieſes immer ein Hinneigen zu einem blaͤulichen Lichte hervorzubringen ſcheint. Nach Singer geht ſelbſt das ſchoͤne Smaragdgruͤn des brennenden Silbers bloß dadurch in glaͤnzendes Weiß uͤber, daß man das Silberblatt durch Schließung mit Kohle, welche das Silber beruͤhrt, zum Verbrennen bringt, und aͤhnliche Verſchiedenheiten zeigen ſich oft unter veraͤn - derten Umſtaͤnden. Laͤßt man den Leitungsdrath ſich in eine ſehr feine Stahlſpitze endigen, oder befeſtigt man mit guter Leitung eine Naͤhnadel daran, deren Spitze die Beruͤhrung macht, ſo verbrennt dieſe Spitze unter dem Ausſpruͤhen rother Funken, die aus dem Verbrennen des Eiſens hervorgehen. Unter der Einwirkung ſehr ſtarker Apparate giebt das Verbrennen der Kohle vorzuͤglich glaͤn - zende Erſcheinungen, wie Davy angiebt; und obgleich zur erſten Hervorbringung des Gluͤhens der Kohle eine ſehr große Annaͤherung erforderlich war, ſo ging doch, unter der Wirkung des von Davy angewandten ſehr ſtarken Apparates, ſpaͤter, ſelbſt wenn die Kohlen - ſpitzen 4 Zoll von einander entfernt waren, ein Feuerſtrom zwiſchen ihnen uͤber, der vermuthlich durch losgeriſſene Kohlentheilchen un - terhalten wurde.
Der Grund, warum die voltaiſche Saͤule eine ſo ſehr geringe Schlagweite hat, ſo daß ſelbſt bei 1200 Plattenpaaren die Spitzen, die den Funken bewirken ſollen, bis auf ¼ Linie oder ⅓ Linie ange - naͤhert werden muͤſſen und bei ſchwaͤchern Saͤulen faſt gar kein Abſtand kenntlich bleibt, iſt offenbar die geringe Spannung, mit welcher hier die Electricitaͤt nach außen wirkt. Eine ſchwach gela - dene Batterie aus electriſchen Flaſchen, die nur leichte Goldblaͤttchen zu heben und dadurch ihre Ladung darzuthun vermoͤchte, wuͤrde ſchwerlich uͤberhaupt einen Funken geben, weil, wenn ſie auch noch ſo groß waͤre, die aus allen Flaſchen ſich vereinigende Electricitaͤt vermuthlich viel zu langſam zuſtroͤmte; wenn alſo die, in electro - ſcopiſcher Hinſicht nicht ſtaͤrker geladene voltaiſche Saͤule dennoch Funken zeigt, ſo liegt das in dem mit ungemeiner Schnelligkeit, wenn gleich mit ſchwacher Spannung, uͤbergehenden Strome der397 Electricitaͤt, und es erhellt leicht, daß eine moͤglichſte Herabſetzung des Leitungswiderſtandes weſentlich iſt, um dieſen ſchnellen Strom zu unterhalten, weshalb zum Funkengeben der Saͤule recht ſtark geſalzene oder geſaͤuerte Fluͤſſigkeiten vorzuͤglich brauchbar ſind.
Schon dieſe, auch an maͤßigen Saͤulen ſich zeigenden, Er - ſcheinungen des Verbrennens der Metalle beweiſen deutlich, daß eine Erhitzung des Leitungsdrathes ſtatt findet, und dieſer zeigt ſich bei groͤßern Apparaten durch das Gluͤhen laͤngerer Metalldraͤthe noch deutlicher. Schon ein Trog-Apparat von 10 Kupfergefaͤßen, in welche 10 Zinkplatten von 1 Quadratfuß eingetaucht ſind, bringt Stahldrath von ⅓ Linie dick in 3 bis 4 Zoll Laͤnge zum vollen Gluͤhen, und Draͤthe von 1 Linie dick werden bedeutend erhitzt. Mit 200 Plattenpaaren von 64 Quadratzoll brachte Wilkinſon 60 Zoll ⅙ Linie dicken Stahldrath zum Gluͤhen und ſogar zum Verbrennen. Aber noch auffallendere Erfolge haben Childern und Hare erhalten. Childern brachte 21 Zinkplatten, jede von 32 Quadratfuß, zwiſchen zwei Kupferplatten, und mit der maͤchtigen Wirkung dieſes Apparats wurden 5½ Fuß Platindrath von $$\frac{4}{3}$$ Linie dick in das vollſte Rothgluͤhen verſetzt, ein Platinſtaͤb - chen von 2 Linien dick und 2¼ Zoll lang gluͤhete nicht nur, ſondern ſchmolz endlich, die ſehr ſchwer ſchmelzbaren Metalle und Metall - Oxyde (Tantalum-Oxyd, Titan-Oxyd, Molybdaͤn-Oxyd und andre) wurden geſchmolzen und zum Theil reducirt. Hare glaubt mit ſeinem Deflagrator die Kohle in einen Zuſtand der Schmelzung verſetzt zu haben, und ſogar noch auffallendere Erſcheinungen, daß naͤmlich aus der Verfluͤchtigung der Kohle Koͤrper, die ſich dem Diamant nahe aͤhnlich zeigten, hervorzugehen ſchienen, giebt er an*)Schweigg. Jahrb. IX. 106. . Mit ſo großen Apparaten gelingt auch das Zerſetzen des Kali und das damit verbundene Verbrennen des Kaliummetalls am beſten.
Sobald man anfing, dieſe Waͤrme-Erzeugung durch die voltaiſche Saͤule naͤher zu unterſuchen, fand man, daß ſie, ſo wie398 die Schoͤnheit der Funken, die immer mit Verbrennung begleitet ſind, weit mehr von der Groͤße, als von der Zahl der Platten - paare abhaͤnge. In welchem Maaße dies der Fall ſei, daruͤber ſind, theils wegen der Schwierigkeit, dieſe Verſuche oft zu wieder - holen, theils wegen der Schwierigkeit, ſie im ſtrengſten Sinne vergleichbar anzuſtellen, noch nicht genug Beſtimmungen vorhan - den. Ungefaͤhr ſcheint die Drathlaͤnge, die man mit verſchiedenen Apparaten zum Gluͤhen bringt, der Anzahl der Platten propor - tional zu ſein, aber bei doppelt ſo großen Platten auf das Vier - fache, bei dreimal ſo großen Platten auf das Neunfache u. ſ. w. zu wachſen. Aus dieſem Grunde fand man es zu dieſen Verſuchen zweckmaͤßig, nicht bloß ſich großer Platten zu bedienen, ſondern auch die Trog-Apparate etwas anders als zu den uͤbrigen Ver - ſuchen einzurichten, worauf ich fruͤher*)21ſte Vorleſ., als ich die Trog-Ap - parate beſchrieb, deren Zinkplatten an beiden Seiten Kupferplatten gegenuͤber haben, ſchon hindeutete. Wenn es der Zweck iſt, einen oft wiederholten Wechſel des Ueberganges vom Kupfer zum Zink zu bewirken, ſo muß man (Fig. 109.) jede Zinkplatte Z mit dem folgenden Kupfergefaͤße K 'verbinden; wenn man dagegen nur eine einfache Kette, dieſe aber aus großen Platten beſtehend ver - langt, ſo verbindet man (ſo wie Fig. 119. zeigt,) alle Zinkplatten Z durch einen Metallſtab AB und bringt auch die Kupfergefaͤße durch metalliſche Leiter D, D, D, in Verbindung. Dieſe letztere Anordnung dient, um den bei AC aufgeſpannten duͤnnen Drath gluͤhend zu machen; denn durch ihn muß der vom Kupfer zum Zink, von allen Kupfergefaͤßen zu allen Zinktafeln, hinuͤbergehende Strom poſitiver Electricitaͤt hindurch gehen, und da eben dieſer Strom an den ſaͤmmtlichen Oberflaͤchen des Zinks und Kupfers durch die die Gefaͤße fuͤllende Fluͤſſigkeit einen ſo ſehr freien Ueber - gang, um ſeinen Kreislauf zu vollenden und vom Zink zum Ku - pfer zuruͤckzukehren, findet, ſo iſt die Schnelligkeit des durch CA gehenden Stromes gewiß ungemein groß. Nach dieſem Principe, eine große Anzahl Kupferplatten, und ſo auch eine große Anzahl Zinkplatten in Beziehung auf ihre Wirkung zu einem einzigen Plattenpaare zu verbinden, iſt Hare's Deflagrator oder399 Calorimotor (Waͤrme-Erreger) eingerichtet, und wirklich laſſen ſich ſchon mit 10 Zinkplatten von 1 Quadratfuß Groͤße, denen alſo Kupferplatten oder Kupfergefaͤße von reichlich 2 Quadrat - fuß gegenuͤber ſtehen, ſehr bedeutende Wirkungen hervorbringen.
Man hat zu eben dem Zwecke vorgeſchlagen, eine einzige ſehr große Zinkplatte von einer eben ſo großen Kupferplatte durch duͤnne Holzſtaͤbchen zu trennen und dann beide zuſammen zu wickeln; dieſe ſpiralfoͤrmig aufgewickelte Doppelplatte, die in keinem Puncte eine metalliſche Beruͤhrung der beiden Platten darbieten muß, laͤßt ſich dann in ein großes Cylinderglas tauchen, und wenn man dies mit geſaͤuertem Waſſer fuͤllt, oben aber zwiſchen der Zink - und Kupferplatte den zum Gluͤhen oder zum Schmelzen zu bringenden Drath ausſpannt, ſo muß wieder der ganze electriſche Strom, den das eine Metall in jedem Augenblicke, weil es ſeinen beſtimmten Vorzug an poſitiver Electricitaͤt fordert, zu ſich hinuͤber veranlaßt, durch den duͤnnen Drath gehen.
In allen dieſen einfachen, nur aus einem Plattenpaare beſtehenden, Ketten muß aber die Verbindung der durch metalliſche Leitung vereinigten Theile auf das vollkommenſte ſtatt finden. Iſt unter den Leitungsdraͤthen D (Fig. 119.) nur einer, der durch einen leichten Ueberzug von Fett oder einem andern fremden Koͤr - per nicht zur wahren innigen Beruͤhrung an beiden Gefaͤßen ge - langt, ſo findet in ihm kein Uebergang der Electricitaͤt ſtatt, und die durch ihn anſcheinend mit in die Verbindung gezogenen Gefaͤße tragen nichts zur Wirkung bei. Man thut daher wohl, entweder alle dieſe Verbindungen durch Anloͤthen ganz zuverlaͤſſig zu Stande zu bringen, oder an jedes Kupfergefaͤß kleine Schaͤlchen anzuloͤthen, welche, nachdem ſie zu jedem Verſuche mit Queckſilber gefuͤllt ſind, jene Draͤthe aufnehmen; wenn ſo eine metalliſche Verbindung ſtatt findet, ſo hat der unaufhoͤrlich von allen entferntern Gefaͤßen her ſich zudraͤngende electriſche Strom Leitung genug, wobei er auch die Draͤthe oder Staͤbchen D, die nicht zu duͤnn ſein duͤrfen, ſtark erhitzt; aber einen Uebergang durch ſchlechte Leiter, durch einen Ueberzug von Fett oder von Oxyd, macht dieſer, mit ſo ſchwacher Spannung vordringende, Strom nicht, ſelbſt wenn dieſer Ueberzug nur die unmerklichſte Dicke hat. Aber indem ſo ein Strom von ungeheurer Breite, naͤmlich ſo breit als die ſaͤmmtlichen einander400 im geſaͤuerten Waſſer gegenuͤber ſtehenden Metallflaͤchen, in den hoͤchſt engen Canal, den der duͤnne Leitungsdrath darbietet, hin - uͤber geleitet, in dieſem alſo zur ſchnellſten Bewegung genoͤthiget wird, leidet nun auch dieſer Strom einen großen Widerſtand, und gewiß wird ſeine Staͤrke dadurch vermindert. Dies iſt ein Um - ſtand, der nachtheilig fuͤr die zu bewirkenden Erſcheinungen iſt; aber in eben demſelben Umſtande liegt auch von der andern Seite die Moͤglichkeit dieſer Waͤrme-Erſcheinungen. Haͤtten wir irgend einen Koͤrper von einer wirklich unendlich zu nennenden Lei - tungskraft, ſo wuͤrde ſelbſt der ſchnellſte Strom der Electricitaͤt mit vollkommener Leichtigkeit, ohne irgend einen Widerſtand, durch ihn hindurchgehen, und, ſo viel wir uͤberſehen, dann uns gar keine Zeichen des Durchgangs durch Waͤrme-Erzeugung darbieten; aber indem ein Widerſtand ſtatt findet, entſteht dieſe fuͤhlbare Waͤrme. Obgleich alſo von der einen Seite der Strom geſchwaͤcht wird durch den Widerſtand, ſo wird doch ſeine ſichtbare Wirkung, vor - ausgeſetzt daß dieſer Widerſtand nicht zu groß iſt, eben durch ihn vermehrt. Dies iſt der Grund, warum bei gleicher Dicke des Lei - tungsdrathes ſehr oft dieſer gluͤhend wird, wenn es ein Platindrath iſt, und nicht gluͤhend, wenn es ein Silberdrath iſt. Ein Experi - ment, wo ein aus gleich dicken Stuͤcken zuſammengeſetzter Silber - drath und Platindrath, ſo naͤmlich, daß der electriſche Strom aus dem Platindrathe zum Silber und aus dieſem wieder zum Platin uͤbergeht, die Leitung bildet, zeigt dies recht deutlich, indem hier, bei richtig gewaͤhlter Dicke des Drathes, die Platinſtuͤcke gluͤhen, waͤhrend die Silberſtuͤcke nicht zum Gluͤhen kommen.
Die Leitungsfaͤhigkeit der Koͤrper nimmt ab durch die Er - hitzung. Davy hat dies durch mehrere Verſuche gezeigt. Waren zwei Schließungsdraͤthe angebracht, deren einer, im Waſſer unter - brochen, eine Waſſerzerſetzung bewirkte, der andre aber, ein $$\frac{1}{19}$$ Linie dicker Platindrath, ohne Unterbrechung fortging; ſo ward die Saͤule, zu deren Schließung beide Draͤthe dienten, durch den letz - tern vollkommen entladen, wenn er, in kaltem Oele fortgehend, ſich nicht erhitzen konnte; dagegen wenn er ſich erhitzte oder wenn er erwaͤrmt wurde, fing der Waſſerzerſetzungs-Apparat an, Luft zu entwickeln, zum Zeichen, daß jener Drath nicht mehr Leitung genug gewaͤhrte. Ein noch auffallenderer Verſuch iſt folgender. 401Wenn ein nicht zu kurzer Platindrath als Schließung des vol - taiſchen Kreiſes ſich fortwaͤhrend rothgluͤhend erhaͤlt, ſo erhitzt man einen Theil dieſes Drathes durch eine Weingeiſtflamme bis zum Weißgluͤhen und ſieht dann den uͤbrigen Theil ſeine Roth - gluͤhehitze verlieren; dagegen, wenn man einen Theil des rothgluͤ - henden Drathes durch Eis abkuͤhlt, ſo gelangt der uͤbrige Theil durch den electriſchen Strom zum Weißgluͤhen. In dem einen Falle naͤmlich erſchwert die Erhitzung des Drathes mit der Wein - geiſtflamme den Zutritt des electriſchen Stromes, und dieſer, mit verminderter Gewalt durch den uͤbrigen Theil des Drathes gehend, unterhaͤlt nicht mehr die Rothgluͤhehitze; im andern Falle iſt die Strecke des Drathes, in welcher die Leitung gehindert wird, ver - kuͤrzt, der geſammte electriſche Strom iſt alſo verſtaͤrkt, und bringt den unabgekuͤhlten Theil zum Weißgluͤhen.
Wenn man die neulich ſchon erwaͤhnten Mittel anwendet, um die Staͤrke des electriſchen Stromes in der geſchloſſenen Saͤule zu beſtimmen, ſo kann man, wenn in der Saͤule ſelbſt alle Umſtaͤnde gleich bleiben, die Aenderung der Staͤrke des Stromes, ſo fern ſie von dem Schließungsdrathe abhaͤngt, unterſuchen. Die Staͤrke des Stromes iſt, bei gleich bleibender electromotoriſcher Thaͤtigkeit drr Saͤule, den ſaͤmmtlichen Leitungswiderſtaͤnden umgekehrt pro - portional, und wenn man fuͤr den Widerſtand im Schließungs - drathe vorausſetzt, daß er der Laͤnge des uͤberall gleich dicken Dra - thes proportional ſei, ſo geben zwei Verſuche mit ungleichen Laͤngen ſolcher Draͤthe, die ſonſt gleich ſind, an, welcher Antheil den ſaͤmmt - lichen uͤbrigen Widerſtaͤnden, welcher hingegen dem Schließungs - drathe beizulegen ſei. Zahlreiche Verſuche von Ohm und Fech - ner beſtaͤtigen, daß man ſo den Widerſtand beider Theile richtig beſtimmt*)Ein Beiſpiel wird dies erlaͤutern. Bei einem Verſuche Fech - ners nahm die Kraft des Stromes von 1000 auf 433 ab, wenn der Leitungsdrath auf das 11fache verlaͤngert wurde, und die Kraft nahm von 1000 auf 266 ab, wenn der Leitungsdrath bis zum 23½ maligen. Dieſe Verſuche zeigen ferner, daß Draͤthe von glei -III. Cc402cher Materie und gleich lang nur halb ſo viel Widerſtand geben, wenn ihr Querſchnitt doppelt ſo groß iſt, nur ein Drittel des Wi - derſtandes, wenn ihr Querſchnitt dreimal ſo groß iſt, daß es dabei auf die Groͤße der Oberflaͤche nicht ankoͤmmt, alſo die Electricitaͤt ſich hier nicht, wie im Ruhezuſtande auf geladenen Koͤrpern, auf die Oberflaͤche begiebt, ſondern auch im Innern des Leitungs - drathes fortgeht. Es iſt leicht zu uͤberſehen, daß man durch ſolche Verſuche auch die Ungleichheit des Leitungswiderſtandes verſchiedener Koͤrper findet; denn wenn man faͤnde, daß ein Schließungsdrath von Zink bei beſtimmter Laͤnge und Dicke genau eben ſo viel Wi - derſtand leiſtete, als der geſammte Widerſtand in der Saͤule ſelbſt betraͤgt, daß dagegen ein gleicher Kupferdrath nur ein Drittel des Widerſtandes leiſtete, der in der Saͤule ſtatt findet; ſo haͤtte man das Verhaͤltniß 1 zu 3 als Verhaͤltniß der Leitungsfaͤhigkeit fuͤr Zink und Kupfer.
Becquerel hat noch ein andres Mittel angewandt, um die Leitung der Schließungsdraͤthe zu vergleichen, indem er die Wirkung des electriſchen Stromes durch einen kuͤrzern, ſchlechter leitenden Drath nach einer Richtung und durch einen laͤngern, beſſer leitenden Drath nach der entgegengeſetzten Richtung fortgeleitet, compenſirte; doch darauf werde ich an einer andern Stelle zuruͤck - kommen muͤſſen.
Laͤßt man den electriſchen Strom durch mehrere Schließungs - draͤthe zugleich gehen, ſo theilt er ſich genau dem Leitungsvermoͤgen gemaͤß. Die Mittel naͤmlich, welche die Staͤrke des electriſchen Stromes angeben, zeigen, daß er ſich unter zwei gleich-artige Draͤthe, deren einer aber viermal ſo lang iſt, ſo theilt, daß dieſer einen Theil und der kuͤrzere vier Theile bekoͤmmt. Eben ſo ver - haͤlt es ſich bei ungleich dicken Draͤthen oder bei Draͤthen von un -*)verlaͤngert wurde. Die Rechnung zeigt, daß der Leitungswiderſtand in der Saͤule ziemlich nahe 7 mal ſo groß, als in der einmaligen Laͤnge oder in der anfaͤnglichen Laͤnge des Leitungsdrathes war. Alſo im erſten Falle der Widerſtand 7+1, im zweiten Falle 7+11, im drit - ten 7+23½; die Zahlen 18 ∶ 8 verhalten ſich, wie 1000 zu 444 (ſtatt 433) die Zahlen 30½ ∶ 8 verhalten ſich, wie 1000 zu 262 (ſtatt 266) alſo beinahe voͤllig den Verſuchen gemaͤß.403 gleicher Materie, daß naͤmlich immer der zehnmal ſo gut leitende Drath auch zehnmal ſo viel electriſche Materie fortfuͤhrt, als der mit ihm zugleich angewandte ſchlechter leitende Drath.
Eine auffallende Beobachtung Ermans hat lange die Phy - ſiker in einige Verlegenheit wegen der Erklaͤrung geſetzt. Wir ſind naͤmlich durch ſo viele Erfahrungen geleitet zu der Ueberzeugung gelangt, daß ein Zuleiten und Ableiten der electriſchen Materien nicht wohl ſo ſtatt finden koͤnne, daß die eine beſſer oder minder gut als die andre fortgeleitet werde, ſondern beide ſchienen hierin ganz gleichen Geſetzen zu folgen; jene Beobachtung Ermans aber ſcheint Ausnahmen von dieſer Regel anzugeben. Erman ſtellte eine voltaiſche Saͤule iſolirt auf, und verſuchte, ob auch die Wein - geiſtflamme ſich als Leiter der Electricitaͤt zeige. Sie wiſſen, daß die iſolirt aufgeſtellte Saͤule, wenn ſie an beiden Enden mit Elec - trometern verſehen iſt, uns am Zink-Ende eine gegenſeitige Ab - ſtoßung der Goldblaͤttchen durch poſitive Electricitaͤt, am Kupfer - Ende durch negative Electricitaͤt zeigt, und es iſt offenbar, daß eines dieſer Electrometer auf Null herabgehen mußte, wenn die Flamme, als Leiter der Electricitaͤt, einen Theil der am einen Pole angebrachten Ableitung ausmachte. Wirklich erfolgte dies, wenn man den vom einen Pole ausgehenden Leitungsdrath ſich in der Flamme endigen und einen zweiten von einem andern Puncte der Flamme bis zur Erde gehen ließ; und was damit immer ver - bunden iſt, daß das am andern Pole der Saͤule angebrachte Elec - trometer nun auf die doppelte Spannung ſteigt, trat auch hier ein. So zeigte ſich alſo die Weingeiſtflamme als ein Leiter an jedem einzelnen Pole der Saͤule; aber wenn man die Flamme iſolirt aufgeſtellt als Verbindung der Enden beider Schließungsdraͤthe an - brachte, wenn ſowohl der vom Zinkpole als der vom Kupferpole kommende Drath ſich in der iſolirten Flamme endigte und die Flamme hier als Leiter dienen ſollte, ſo ſank nur am poſitiven Pole das Electrometer auf Null und am negativen kam es dagegen zu der doppelten Divergenz, ſo als ob dieſer iſolirt waͤre. Die Flamme zeigte ſich alſo als unipolarer poſitiver Leiter, aber als die negative Seite nicht entladend. Gleiche Wirkung zeigten alle unſreCc 2404gewoͤhnlichen Flammen, welche auf Entbindung von Kohlenſtoffgas und Waſſerſtoffgas beruhen, wogegen die Flamme des Schwefels gar nicht, und die Flamme des Phosphors als die negative Electri - citaͤt unipolar leitend erſchien. Eben ſo iſt auch die Seife eine die negative Electricitaͤt unipolar leitende Subſtanz.
Zu dieſen Verſuchen Ermans hat kuͤrzlich Ohm einige neue hinzugefuͤgt, die eine Aufklaͤrung des Raͤthſelhaften in jenen zu gewaͤhren ſcheinen. Ohm fand naͤmlich, daß auch die concen - trirte Schwefelſaͤure negativ unipolar leite, daß dies aber nur dann vollkommen deutlich ſtatt finde, wenn der vom poſitiven Pole kommende Drath aus Meſſing oder Zink beſteht, wogegen ein Gold - oder Platindrath am poſitiven Pole die unipolare Wirkung aufhebt. (Einige andre Metalle geben nicht ſo entſchiedene Er - folge.) Den Grund von dieſer Unipolaritaͤt fand Ohm darin, daß ſich am Zink und Meſſing in der Schwefelſaͤure ein harter Ueberzug am poſitiven Drathe bildet, der ſehr ſchnell die Leitung an dieſer Seite aufhebt, und aͤhnlichen Umſtaͤnden ſchreibt er auch die bei der Seife und bei den Flammen beobachteten Erſcheinungen zu, wodurch, wenn ſich dieſe Meinung beſtaͤtigt findet, das Raͤthſel - hafte groͤßten Theils wegfiele.
Brande hat dieſe unipolaren Erſcheinungen mit den fruͤ - her*)Am Ende der 22. Vorl. erwaͤhnten Beobachtungen an Flammen in Verbindung ge - ſetzt, und allerdings ſchließt ſich der von Erman beobachtete Ge - genſatz der Wirkungen der Alcoholflamme und der Phosphorflamme an jene an; aber eine Erklaͤrung, wie Brande ſie verſucht, ſcheint ſich daraus nicht herleiten zu laſſen.
Ich muß zum Schluſſe der Unterſuchungen uͤber die galva - niſchen Erſcheinungen hier noch ein von Erman ſchon bemerktes, von Herſchel, Nobili, Pfaff und andern weiter unterſuch - tes Phaͤnomen erwaͤhnen, das noch nicht erklaͤrt iſt, und das, bei der Ungewißheit, die uͤber die eigentliche Natur desſelben ſtatt findet, hier ſeinen Platz finden mag.
405Wenn man die von den beiden Polen einer nicht zu ſchwa - chen voltaiſchen Saͤule*)Pfaff hat nur 24 zweizollige Plattenpaare angewandt; mit 50 etwas groͤßern Plattenpaaren gelingt der Verſuch ſehr leicht. ausgehenden Draͤthe, die hier ſich am liebſten in Platindraͤthe endigen muͤſſen, mit Queckſilber, uͤber wel - chem ſich eine alcaliſche Aufloͤſung befindet, in Verbindung ſetzt, ſo entſtehen auffallende Bewegungen, die, je nachdem der eine oder der andre Drath bis in das Queckſilber reicht oder beide ſich in der daruͤber ſtehenden Fluͤſſigkeit endigen, verſchieden ſind. Ich begnuͤge mich, von dieſen Erſcheinungen, die ungleich ſind fuͤr eine uͤber dem Queckſilber ſtehende alcaliſche und eine ſaure Fluͤſſigkeit, nur einige zu erzaͤhlen.
Man thut reines Queckſilber in ein flaches Glasgefaͤß, ein Uhrglas zum Beiſpiel, und gießt auf dasſelbe eine Aufloͤſung von aͤtzendem Kali; man laͤßt dann den vom poſitiven Pole kommenden Drath ſich in der Fluͤſſigkeit, etwas entfernt vom Queckſilber, endi - gen und den negativen Drath dagegen in das Queckſilber eintau - chen; ſo nimmt das Queckſilber ſtatt ſeiner convexen Geſtalt eine mehr abgeplattete an, und in der Fluͤſſigkeit entſteht ein Strom, deſſen Richtung in Fig. 121. die Pfeile angeben. Stehen naͤmlich der poſitive Drath A und der negative B ſich ungefaͤhr im Durch - meſſer des Glaſes gegenuͤber, ſo geht von A nach B ein grader Strom, der ſich gegen B zu theilt und Wirbel nach beiden Seiten hin hervorbringt, ſo daß die Bewegung ſo fortdauert, wie die Figur angiebt und die Drehung beider Wirbel ſehr lebhaft iſt. Stehen A, B, ſich nicht im Durchmeſſer gegenuͤber, ſo zieht der eine Wirbel ſich zuſammen oder verſchwindet auch ganz, indem der urſpruͤngliche Strom immer faſt gerade vom poſitiven zum nega - tiven Drathe hinuͤber geht. Hat man die Draͤthe eine Zeit lang in der angegebenen Eintauchung gelaſſen und zieht nun den nega - tiven Drath aus dem Queckſilber heraus bis in die Fluͤſſigkeit zu - ruͤck, ſo dauert der Strom noch eine geraume Zeit fort, und nach Herſchels genauer Unterſuchung ſo lange, bis das bei der vori - gen Schließung reducirte und mit dem Queckſilber amalgamirte Kaliummetall ſich wieder oxydirt und in Alcali verwandelt hat.
Hat man den negativen Drath in das Queckſilber eingetaucht406 und den poſitiven Drath nicht weit vom Rande des Gefaͤßes grade zur Beruͤhrung mit dem Queckſilber gebracht, ſo zieht dies ſich zu - ruͤck, um ſeine gewoͤhnliche convexe Geſtalt anzunehmen, und da es dann nicht mehr in Beruͤhrung mit dem poſitiven Drathe bleibt, ſo entſteht das Beſtreben, wieder zur abgeflachten Form zuruͤckzu - kehren, dadurch aber eine neue Beruͤhrung und ein wechſelndes Ausdehnen und Zuſammenziehen.
Daß bei der Schließung, wo nur der negative Drath bis in das Queckſilber reicht, das Queckſilber ganz unoxydirt bleibt, ver - ſteht ſich von ſelbſt, weil dann die ganze Queckſilbermaſſe den ne - gativen Pol darſtellt, von welchem das Oxygen fortgetrieben wird. Auch daß aus der Kalilauge ſich Kaliummetall reduciren und mit dem Queckſilber amalgamiren kann, iſt nicht unerwartet, da bei entſtehender Zerſetzung des Kali offenbar das reine Metall dem negativen Pole zu geht. Aber worauf dieſe Stroͤmungen beruhen, erhellt daraus nicht.
Laͤßt man gleich zu Anfang den poſitiven Drath in das Queckſilber eintauchen und den negativen ſich in der Fluͤſſigkeit endigen, ſo wird, wenn das Queckſilber ſich unter einer Kali - Aufloͤſung befindet, die Oberflaͤche des Queckſilbers ſogleich gelb und ſehr bald dunkelbraun; ſobald man aber den poſitiven Drath aus dem Queckſilber bis in die Fluͤſſigkeit hervorzieht und dagegen den negativen Drath in das Queckſilber eintaucht, ſo verſchwindet bei einer ſtark wirkenden Saͤule ſehr ſchnell dieſe Haut und das Queckſilber nimmt ſeinen Spiegelglanz wieder an, und auch dabei aͤndert ſich die convexe Form des Queckſilbers im Augenblicke des Verſchwindens des Oxydes.
Nobili bemerkt, daß, wenn beide Draͤthe ſich oberhalb des Queckſilbers in der Fluͤſſigkeit endigen, ſich den Draͤthen gegenuͤber Bewegungen zeigen, die eben ſolche Figuren darſtellen, wie man ſie farbig hervorgebracht auf den feſten Metallplatten ſieht, wenn man ihnen gegenuͤber durch feine Draͤthe die Schließung bewirkt. Dieſe Bewegungen habe ich nicht deutlich wahrnehmen koͤnnen; dagegen ſcheint zuweilen, wenn der negative Drath ſich oberhalb des Queckſilbers befindet, unter dieſem ein mit verſchiedenen Farben ſchillender Ring in der auf dem Queckſilber entſtehenden Haut her - vorzugehen.
407Die Erſcheinungen, die in andern Faͤllen hervorgehen, will ich hier nicht anfuͤhren, da die in ihnen ſtatt findende Mannigfal - tigkeit noch nicht zu einer weitern Erklaͤrung gefuͤhrt hat. Auch in dem eben beſchriebenen Experimente treten zuweilen neben den regelmaͤßigen Bewegungen noch andre ein, die von der zufaͤlligen Lage der Draͤthe gegen die Raͤnder des Queckſilbers abhaͤngen.
Zu den Erſcheinungen, welche der electriſche Strom der gal - vaniſchen Kette darbietet, gehoͤrt noch eine, die vielleicht an Merk - wuͤrdigkeit alle andern uͤbertrifft, die Einwirkung des electriſchen Stromes auf die Magnetnadel; aber von dieſer kann ich nicht eher umſtaͤndlich reden, bis ich Sie mit den Eigenſchaften des Magnets und mit den mannigfaltigen Erſcheinungen, welche der Magnet ſelbſt und der Magnetismus der Erde uns darbietet, bekannt ge - macht habe.
Ich muß mit den bekannteſten Erſcheinungen, die ſchon ſeit Jahrtauſenden bekannt ſind, anfangen, naͤmlich daß es einige Eiſen-Erze giebt, welche die beſondre Eigenſchaft beſitzen, Eiſen bei der Beruͤhrung mit einer gewiſſen Gewalt feſtzuhalten und kleine Eiſentheile auch aus der Ferne an ſich zu ziehen. Dieſes ſind die natuͤrlichen Magnete oder Magnetſteine. Ihre Wirkung geht nicht bloß durch die Luft bis in einige Ferne, ſondern ſie wird auch durch Glas, Holz und Metalle nicht aufgehalten, nur wenn man eine Eiſenplatte zwiſchen den Magnet und die anzuziehende Eiſenfeile bringt, zeigen ſich die Wirkungen veraͤndert und geſchwaͤcht. Die Staͤrke dieſer Kraft iſt bei den natuͤrlichen Magneten ſehr ungleich. Es giebt kleine Magnete, die dadurch, daß ſie ein Ge - wicht tragen, welches gegen ihr eignes ſehr groß iſt, merkwuͤrdig408 ſind*)Newton ſoll einen 3 Gran ſchweren Magnet gehabt haben, der 746 Gran trug. Journ. of the roy. Inst. 1831. Mai. , und unter den groͤßern uͤben manche eine ſehr große Gewalt, ſelbſt bis auf bedeutende Entfernungen, bis zu 2 Fuß Entfernung merklich, aus.
Das Eiſen iſt nicht das einzige Metall, auf welches der Ma - gnet anziehend wirkt, ſondern auch das reine Nickel iſt dieſer Wir - kung auf ganz aͤhnliche Weiſe unterworfen. Mit dem reinen Ko - balt ſind wenige Verſuche angeſtellt, die aber zeigen, daß auch dieſes Metall zu den dem Magnete angehoͤrigen Metallen zu rechnen iſt; Ritter behauptet eben dies vom Magneſium und Uranium, und bemerkt dabei, daß alle dieſe Metalle ſo ſehr ſchwer ſchmelzbar und darin einander einigermaßen aͤhnlich ſind. Das Eiſen behaͤlt ſelbſt in den Eiſenſalzen und in den meiſten Miſchungen mit andern Metallen ſeine Eigenſchaft vom Magnete angezogen zu werden; ein Meſſingdrath, der nur ſehr wenig Eiſen enthaͤlt, zeigt, an einem Seidenfaden aufgehaͤngt, daß er der Anziehung des Magnetes folgt. Dagegen bemerkt ſchon van Swinden, daß ſehr wenig Antimon dem Eiſen beigemiſcht dieſem ſeine Anziehbarkeit raube, und eben das behauptet Ritter vom Arſenik; Seebecks Verſuche uͤber Verbindungen von Antimon und Eiſen beſtaͤtigen dies, und zugleich zeigt Seebeck, daß eben ſo das Kupfer in der Verbindung mit Nickel dieſem ſeine Anziehbarkeit raube, daher auch das Argentan, obgleich es ſo viel Nickel enthaͤlt, nicht erheblich vom Magnet gezo - gen wird.
Noch auffallender aber als dieſes iſt Le Baillifs und Becquerels Erfahrung, daß Wismuth und Antimon vom Magnete abgeſtoßen werden, — eine Erfahrung, die auch Brug - manns ſchon an dem dunkeln und faſt violett gefaͤrbten Wis - muth machte, waͤhrend er an andern Wismuth-Arten eine An - ziehung bemerkte**)Gilb. Ann. VIII. 18. Poggend. Ann. X. 203. 292. .
Wenn man den Magnetſtein in Eiſenfeile legt, ſo bedeckt er ſich damit nicht gleichfoͤrmig, ſondern es ſind gewoͤhnlich zwei ein -409 ander gegenuͤber liegende Seiten, die ſich am ſtaͤrkſten damit bele - gen. Haͤngt man den Magnet ſo auf, daß dieſe Seiten in hori - zontaler Richtung einander gegenuͤber ſtehen, ſo findet man, daß er eine beſtimmte Stellung, ſo daß jene Seiten ſich ungefaͤhr nach Norden und Suͤden wenden, annimmt. Der Magnet hat alſo einen Nordpol und einen Suͤdpol. — Dieſe Eigenſchaft des Magne - tes iſt erſt ſpaͤt bemerkt worden, und wie man glaubt, den Chineſen eher bekannt geweſen; in Europa iſt ſie erſt im dreizehnten Jahr - hundert bekannt geworden und Flavio Gioja aus Amalfi um das Jahr 1300 wird immer als derjenige genannt, der den Compaß, die Anwendung des Magnets zu Beſtimmung der Welt - gegenden, erfunden hat; doch ſchreibt Gilbert dem Marco Polo das Verdienſt zu, die Richtung des Magnets nach Norden, auf die er im Orient aufmerkſam gemacht war, den Europaͤern bekannt gemacht zu haben. Bei den unvollkommenen Mitteln, die Himmelsgegenden durch einen auf einem Brettchen befeſtigten und ſo auf Waſſer ſchwimmenden Magnet zu beſtimmen, will ich indeß nicht verweilen, ſondern ſogleich auf die Mittel kommen, die uns zu viel bequemerer Anwendung des Magnetes dienen.
Schon wenn man den natuͤrlichen Magnet in Eiſenfeile legt, macht man die Bemerkung, daß er ſich mit derſelben nicht ſo uͤber - zieht, wie etwa ein naſſer Koͤrper mit Sandkoͤrnern, wenn man ihn mit Sand beſtreut; die feinen Eiſentheile legen ſich nicht jedes einzeln an, ſondern, als ob ſie kleine Nadeln bildeten, reihen ſich mehrere, vom Magnete abwaͤrts, an einander, ſo daß die Eiſen - theilchen ſelbſt wieder einander anzuziehen ſcheinen. Noch auffal - lender wird dies, wenn man Eiſendraͤthchen oder auch ſtaͤhlerne Nadeln nimmt; obgleich dieſe fuͤr ſich allein keine Kraft, einander anzuziehen, beſitzen, ſo haͤngt ſich doch, wenn die erſte vom Ma - gnete getragen wird, an ſie gern die zweite und an die zweite auch noch wohl die dritte. Der Verſuch laͤßt ſich aber noch weiter fort - ſetzen, indem unter der Einwirkung eines hinreichend ſtarken Ma - gnetes ein Stab von weichem Eiſen oder ungehaͤrtetem Stahle, wenn er auch einen Fuß lang und laͤnger iſt, an ſeinem andern410 Ende Eiſenfeile anzieht, wenn ſein eines Ende an einem hinreichend ſtarken Magnete anliegt. Das Eiſen erlangt alſo, ſo lange es unter der nahen Einwirkung des Magnetes iſt, ſelbſt magnetiſche Kraft; aber das weiche Eiſen verliert ſie ſogleich wieder, wenn man es vom Magnete entfernt, und eben das gilt vom weichen Stahle; der gehaͤrtete Stahl dagegen bleibt in einigem Grade magnetiſch, die Naͤhnadel, die am Magnete eine andre anzog, behaͤlt dieſe anziehende Kraft in einigem Grade auch in der Folge. Bei einem recht ſtarken Magnete geht jene Wirkung noch weiter, indem ſelbſt ohne Beruͤhrung, ja in 6 Zoll, 10 Zoll Entfernung, ein unmagnetiſches Eiſen, ein groͤßerer Schluͤſſel zum Beiſpiel, ganz erhebliche Stuͤcke Eiſen zu tragen im Stande iſt, aber auch dieſe Kraft behaͤlt das Eiſen nur in der Naͤhe, unter dem Einfluſſe des Magnets.
Wir wollen dieſe merkwuͤrdige Erfahrung ſogleich dazu be - nutzen, kuͤnſtliche Magnete zu verfertigen. Die Naͤhnadel, die eine Weile von einem ſtarken Magnete angezogen an ihm hing, iſt ein kleiner Magnet geworden, ſie faͤhrt fort, Eiſenfeile anzuziehen, und was noch merkwuͤrdiger iſt, wenn man ſie an einem feinen Seidenfaden im Schwerpuncte aufhaͤngt, ſo zeigt ſie nach Norden, auch ſie hat ihren Nordpol und Suͤdpol erhalten. Natuͤrlich fra - gen wir, welches Ende der Nadel iſt denn Nordpol geworden? — und jeder Verſuch beantwortet uns dieſe Frage ganz entſchieden da - hin, daß der am Nordpole des Magnets anhaͤngende Theil der Nadel ein Suͤdpol wird, hingegen das am Suͤdpole anhaͤngende ein Nordpol, daß alſo die Nadel in ihrem beruͤhrenden Theile den Pol erhaͤlt, welcher dem beruͤhrten Magnetpole entgegengeſetzt iſt, daß der entferntere Theil der Nadel dagegen dem Magnetpole, wo ſich die Nadel befindet, gleichnamig iſt. Den Reichthum von Lehr - ſaͤtzen, zu denen dieſe wenigen Erfahrungen den Weg bahnen, muͤſ - ſen wir nach und nach weiter kennen zu lernen ſuchen.
Die Erfahrung, daß weicher Stahl nur unter der dauernden Einwirkung des Magnetes ſich magnetiſch zeigt, nachher aber alle Kraft wieder verliert, noͤthigt uns, zu Verfertigung kuͤnſtlicher Magnete uns des gehaͤrteten Stahles zu bedienen. Ueber den Grad und die Art der Haͤrtung ſind die Kuͤnſtler nicht ganz einig; Horner giebt fuͤr Magnetnadeln die Vorſchrift, als am meiſten411 bewaͤhrt, daß die Stahlnadel vollkommen gehaͤrtet und bis zur ſtroh - gelben Farbe angelaſſen, oder beſſer noch aus der Weißgluͤhehitze in ſiedendem Lein-Oel abgeloͤſcht werde. So harter Stahl nimmt aber nicht ſo leicht durch bloße Beruͤhrung den Magnetismus an, ſondern das Beſtreichen hat ſich hier als erfolgreicher gezeigt und die Kunſt dieſes Beſtreichens iſt auf mehr als eine Weiſe vollkom - mener gemacht worden.
Aber ehe ich dazu uͤbergehe, muß ich Sie noch mit einer an - dern merkwuͤrdigen Eigenſchaft des Magnets bekannt machen. Wir ſind dahin gelangt, aus jeder duͤnnen Stahlnadel einen Magnet zu machen, und haben geſehen, daß dieſe Nadel mit ihrem Suͤdpole feſt an dem Nordpole des Magnets hing; laſſen Sie uns jetzt eine dieſer magnetiſchen Nadeln horizontal aufhaͤngen, und den Nordpol einer zweiten dem Suͤdpole der erſten naͤhern, ſo ſehen wir eine ſtarke gegenſeitige Anziehung, dagegen wenn wir den Nordpol der zweiten dem Nordpole der erſten naͤhern, dieſe ſich mit bedeutender Kraft einander abſtoßen. Ich ſtelle den Verſuch mit zwei Nadeln, die ungefaͤhr beide gleich ſtark magnetiſirt ſind, an, weil, wenn Sie den Suͤdpol einer kleinen Stahlnadel gegen den Suͤdpol eines ſehr ſtarken Magnetes bringen, jener nicht bloß angezogen wird, ſondern, wie die nachherige Unterſuchung beim Aufhaͤngen zeigt, zu - gleich in einen Nordpol verwandelt iſt.
Dieſe Erfahrungen erinnern ſo ſehr an die Ihnen bekannten electriſchen Erſcheinungen, daß ich nicht unterlaſſen kann, die Ueber - einſtimmungen etwas naͤher nachzuweiſen. Wenn wir ſtatt des Magnets einen geladenen electriſchen Koͤrper SN nehmen und ihm einen iſolirten Leiter AB (Fig. 122.) gegenuͤber ſtellen, ſo hat A die entgegengeſetzte, B die gleichnamige Electricitaͤt zu der, welche ſich in N findet, und voͤllig ſo iſt hier A ein Suͤdpol, B ein Nord - pol, wenn N ein Nordpol war. Dort zogen ſich die entgegengeſetzt electriſirten Koͤrper an, wie hier der Nordpol den Suͤdpol anzieht, dort ſtießen ſich die gleichartig electriſirten Koͤrper ab, wie es hier bei Suͤdpol gegen Suͤdpol und bei Nordpol gegen Nordpol der Fall iſt. Die Analogie geht noch weiter, wenn wir das weiche Eiſen412 oder den weichen Stahl den electriſchen Leitern und dagegen den harten Stahl den Nichtleitern vergleichen. Wenn NS ein Nicht - leiter fuͤr die Electricitaͤt iſt, ſo findet, waͤhrend ein andrer Koͤrper AB ihm gegenuͤber geſtellt wird, in ſeiner eignen Electricitaͤt keine merkliche Veraͤnderung ſtatt; in AB aber, wenn AB ein guter Leiter iſt, findet ſich, ſogleich im Augenblicke der ohne Beruͤhrung eintretenden Einwirkung, in B die zu N gleichnamige, in A die entgegengeſetzte Electricitaͤt, und ſo verhaͤlt ſich es hier mit dem Magnetismus im weichen Eiſen; dagegen wenn AB ein Nicht - leiter iſt, ſo wird nur erſt nach langer Einwirkung, durch Anzie - hung und Abſtoßung der von N aus wirkenden poſitiven Electri - citaͤt, die negative Electricitaͤt in A geſammelt, die poſitive nach B hin gedraͤngt, und eben ſo tritt im harten Stahle die magnetiſche Wirkung langſam ein. Aber gerade ſo, wie der Leiter AB wieder unelectriſch iſt, nach Entfernung des electriſirten Koͤrpers, ſo iſt das weiche Eiſen unmagnetiſch nach der Entfernung des Ma - gnets; und ſo wie der Nichtleiter AB, wenn er einmal durch lange und kraͤftige Einwirkung des electriſirten Koͤrpers in A negativ, in B poſitiv geworden waͤre, nun lange Zeit ſeine electriſchen Eigen - ſchaften behalten wuͤrde, ſo thut es der gehaͤrtete Stahl, wenn er einmal magnetiſch geworden iſt. Ja es ereignet ſich wohl in dem Nichtleiter AB, daß die poſitive Electricitaͤt, nur nach a zuruͤck - gedraͤngt, dort eine Zone poſitiver Electricitaͤt bildet, und ſo wech - ſelnde Zonen beider Electricitaͤten auf einander folgen; und eben ſo ereignet es ſich in laͤngeren Stahlnadeln AB, daß ſich, wie man es nennt, Folgepuncte bilden, naͤmlich ein Wechſeln meh - rerer magnetiſcher Pole, ſo daß A Suͤdpol, a Nordpol iſt, und weiterhin ſich ein neuer Suͤdpol findet.
Ich werde auf dieſe Vergleichung des Magnetismus mit der durch Vertheilung hervortretenden Electricitaͤt noch oͤfter zuruͤckkom - men muͤſſen, ſo wie die einzelnen Erſcheinungen die Veranlaſſung geben; hier aber muß ich ſogleich auch eine ſehr auffallende Ver - ſchiedenheit in der Wirkungs-Art des Magnetismus und der Electricitaͤt bemerklich machen, naͤmlich die, daß der Magnetismus nichts darbietet, was ſich mit der Mittheilung der Electricitaͤt ver - gleichen ließe. Schon die durch Jahre langen Zeitverlauf im har - ten Stahle ſich nicht ausgleichende Trennung des nordpolariſchen413 und ſuͤdpolariſchen Zuſtandes an den entgegengeſetzten Enden des Magnetes, iſt offenbar dem nicht entſprechend, was ein Nichtleiter der Electricitaͤt darbieten wuͤrde, indem, auch abgeſehen von dem Verluſte in der Luft, es unmoͤglich ſcheint, daß ein Siegellackſtab in SI, verbunden mit dem Glasſtabe IN (Fig. 123.) fuͤr immer negativ bleiben ſollte, waͤhrend IN poſitiv-electriſch waͤre, ſondern es vielmehr als ganz gewiß erſcheint, daß in langer Zeit die Elec - tricitaͤt den Leitungswiderſtand uͤberwinden und eine Ausgleichung der poſitiven und negativen Ladung hervorbringen wuͤrde. Und ſo wie hier kein Uebergang der beiden Magnetismen, wenn ich dieſen Ausdruck gebrauchen darf, von einem Pole zum andern ſtatt findet, eben ſo findet auch, ſelbſt bei der genaueſten Beruͤhrung, keine Mittheilung des nordpolariſchen Zuſtandes (Fig. 122.) von N an AB, keine Mittheilung, die der electriſchen Ladung durch Ueber - gang zu vergleichen waͤre, ſtatt, ſondern bei der engſten Beruͤhrung bleiben es immer nur Wirkungen, die der durch Vertheilung ent - ſtandenen Electricitaͤt entſprechen, welche wir in dem Stabe AB wahrnehmen.
Dieſe Einwirkung des Magnetes, welche wir der Verthei - lungs-Electricitaͤt entſprechend finden, iſt jedoch nicht bloß in der Beruͤhrung, ſondern ſchon in einiger Entfernung deutlich zu bemer - ken. Wenn man einen ſtarken, in die Form eines Huf-Eiſens SN (Fig. 124.) gebogenen Magnet ſo legt, daß der eine Pol ober - halb des andern liegt, und nun ein weiches Eiſen, einen großen Schluͤſſel zum Beiſpiel, vertical uͤber dieſem Pole haͤlt, ſo traͤgt der Schluͤſſel ziemlich bedeutende Stuͤcke Eiſen. Iſt naͤmlich S ein Suͤdpol, ſo wird ſowohl des groͤßern Eiſens sn unterer Theil als des kleinern tm unterer Theil nordpolariſch, t und n haͤngen daher als entgegengeſetzte Pole an einander. Haͤlt man dagegen zwei oben an demſelben Faden haͤngende Eiſendraͤthchen ab, cd, (Fig. 125.) uͤber dem Pole des Magnetes, ſo ſtoßen ſich die un - tern Enden ſtark ab, weil b, d, gleichnamige Pole ſind.
Dieſe Bemerkungen mußte ich der Verfertigung kuͤnſtlicher Magnete vorausſchicken, um die Mittel, wodurch wir Nordpole und Suͤdpole, auch dann, wenn ſie nicht am Ende des Stabes414 liegen, unterſcheiden, als bekannt vorausſetzen zu koͤnnen. Die Verfertigung kuͤnſtlicher Magnete waͤre nun freilich ſchon durch das einfache Mittel der Beruͤhrung an einem ſtarken Magnete moͤglich, ja ein ſehr ſtarker Magnet koͤnnte einen kuͤrzern Stahlſtab ſelbſt ſchon aus einiger Ferne in den magnetiſchen Zuſtand verſetzen, wenn dieſer mit ſeinem einen Ende gegen einen Pol des Magnets gekehrt waͤre; aber dieſe Methode wuͤrde an ſich ſchwierig und Zeit raubend ſein, uͤberdies aber ſehr leicht, zumal bei etwas laͤngern Staͤben, das Entſtehen von Folgepuncten, von mehrern Abwech - ſelungen der Pole, deren einige in der mittlern Gegend des Stabes laͤgen, zur Folge haben. Man hat daher ſchon lange auf andere Methoden gedacht, unter denen das einfache Beſtreichen die aͤlteſte iſt. Die Erfahrung zeigt naͤmlich, daß, auf eine uns nicht weiter erklaͤrliche Weiſe, die Erſchuͤtterung den Stahl leichter disponirt, magnetiſch zu werden, und daß man einen Magnet erhaͤlt, wenn man mit einem Pole eines ſtarken Magnetes uͤber die ganze Laͤnge des Stahlſtabes, beruͤhrend und einigen Druck ausuͤbend, hinſtreicht. Iſt (Fig. 126. ) N der Nordpol des Magnetes, und man fuͤhrt dieſen von A nach B fort und hebt ihn erſt ab, wenn er uͤber das Ende B hinaus koͤmmt, ſo iſt B ein Suͤdpol; um aber den neuen Magnet zu verſtaͤrken, bringt man den Nordpol, ent - fernt von AB, wieder nach A, ſtreicht abermals nach B zu, ent - fernt ihn wieder, und giebt ſo ſo viele Beſtreichungen als man fuͤr noͤthig haͤlt. Es ſcheint, als ob hier entgegengeſetzte Wirkungen entſtehen und ſich beinahe aufheben muͤßten; aber die Erfahrung zeigt, daß dieſes doch nicht der Fall iſt. Bliebe naͤmlich der Nord - pol N immer in A, ſo wuͤrde A ein Suͤdpol und B ein Nordpol; ſo wie N fort ruͤckt, iſt die Entſtehung eines Suͤdpols immer da am meiſten beguͤnſtigt, wo N gerade beruͤhrt, und wenn N lange Zeit in a verweilte, ſo koͤnnte es ſich gar wohl ereignen, daß a ein Suͤd - pol wuͤrde, waͤhrend A und B beide Nordpole gaͤben*)Man koͤnnte dies bemerken, wenn man den Suͤdpol einer klei - nen Radel an a braͤchte, und dieſen abgeſtoßen ſaͤhe. aber wenn der Strich nach B fortgeht, ſo iſt B ein Suͤdpol und zeigt ſich bei der Unterſuchung als ſolcher, waͤhrend A zum Nordpole geworden iſt. Faͤngt man zum zweiten Male bei A wieder den Strich an,415 ſo ſcheint es, man zerſtoͤre die vorige Wirkung; aber wenn man nur nicht N zu lange in A verweilen laͤßt und die Operation im - mer nicht eher endigt, bis der Strich in B angekommen iſt, ſo ſchadet dieſes nichts. Wenn wir uns vorſtellen, daß die kleinſten Theile des Magnetes oder die Theilchen der in ihnen enthaltenen magnetiſchen Materie eine Aenderung der Lage annehmen, ſo ſcheint es, daß dieſe durch die Erſchuͤtterung des Beſtreichens in jedem Augenblicke diejenige Aenderung der Lage erhalten, die der Stellung des Magnetes gemaͤß iſt, ja daß ſie durch das nahe Voruͤbergehen des Magnetes an ihnen vollkommener zu der Aenderung der Lage veranlaßt werden, als wenn der Magnet bloß aus der Ferne, am einen Ende beruͤhrend, auf ſie gewirkt haͤtte. Indeß wenn auch dieſe Vorſtellung von der Aenderung der Lage jedes feinen Theil - chens bloß eine hypothetiſche iſt, ſo iſt wenigſtens der Erfolg ge - wiß, daß bei jedem von A nach B mit dem Nordpole N vollendeten Striche der Nordpol bei A, der Suͤdpol bei B ſich verſtaͤrkt hat. Folgepuncte koͤnnen auch hier entſtehen, und man wuͤrde ſie ſogar abſichtlich hervorrufen koͤnnen, wenn man an einem beſtimmten Puncte a mit dem Nordpole verweilte und uͤber die benachbarten Puncte ohne ſcharfe Beruͤhrung wegeilte, um die in a entſtandene Suͤdpolaritaͤt nicht wieder zu zerſtoͤren.
Als Verbeſſerungen dieſer Methode ſind nach und nach fol - gende bekannt geworden. Knight, der ſich ſchon im Beſitz ſehr ſtarker Magnetſtaͤbe befand, legte (Fig. 127.) zwei Magnetſtaͤbe mit ihren ungleichnamigen Polen an einander, ſo daß N, der Nord - pol des einen, den Suͤdpol s des andern beruͤhrte; auf ſie ward der zu magnetiſirende Stahl AB ſo gelegt, daß jene beiden Pole in ſeiner Mitte lagen. Schon durch die Beruͤhrung ward nun die Haͤlfte B eingermaßen in den nordpolariſchen Zuſtand verſetzt, die Haͤlfte A in den ſuͤdpolariſchen Zuſtand, und wenn man nun mit einem etwas ſtaͤrkern Andruͤcken beide Magnete gegen die Enden A, B, aus einander zog, ſo ward B ein ſtarker Nordpol, A ein ſtarker Suͤdpol. Offenbar fand hier jene entgegengeſetzte Wirkung nicht ſtatt, die bei der vorigen Methode den ſchon hervorgebrachten Nordpol in einen Suͤdpol ſchien verwandeln zu muͤſſen; ſondern es mußte, je weiter s gegen B, N gegen A ruͤckte, deſto mehr der416 nordpolariſche Zuſtand, die nordpolariſche Stellung der Theilchen, in jener Haͤlfte, die ſuͤdpolariſche in dieſer Haͤlfte geſtaͤrkt werden.
Duhamel brachte bei dieſem Verfahren eine doppelte Ver - aͤnderung an, indem er erſtlich (Fig. 128.) an die Enden des zu magnetiſirenden Stahlſtabes AB Staͤbchen von weichem Eiſen AC, BD, anlegte, die durch einen zweiten Stahlſtab CD ver - bunden wurden, und indem er zweitens den auf die Mitte auf - geſetzten und gegen die Enden fortgefuͤhrten Magneten NS, sn, eine geneigte Stellung gab. Der Vortheil, welchen die Staͤbchen weichen Eiſens gewaͤhren, iſt ſehr einleuchtend; denn wenn durch den erſten Strich, den s nach B und N gleichzeitig nach A gemacht hat, in B auch nur ein ſchwacher Nordpol, in A ein ſchwacher Suͤdpol entſtanden iſt, ſo erhalten die weichen Eiſen BD, AC, ſogleich auch Polaritaͤt und der in B erregte nordpolariſche Zuſtand wird durch den an B anliegenden Suͤdpol des weichen Eiſens BD feſter gehalten. Es iſt dies grade ſo, wie die Wirkung eines durch Vertheilung electriſch gewordenen Leiters BD, deſſen in B frei gewordene negative Electricitaͤt ſtark beitraͤgt, die in AB bei B erregte poſitive Electricitaͤt hier zu binden, und ſo ſehr als moͤg - lich auf dieſen Punct zu concentriren. Mag nun alſo auch der bei dem zweiten Striche nach dem Abheben bei B in der Mitte wieder aufgeſetzte Suͤdpol in einigem Grade der in B entſtandenen Nordpolaritaͤt entgegen wirken, ſo ſchadet dies, weil ſie bei B gebun - den gehalten wird, weniger, und der zweite und jeder folgende Strich erhoͤhet deſto ſicherer den magnetiſchen Zuſtand. Das zu - gleich erfolgende Aufſetzen beider Pole in der Mitte bewirkt, daß die dem eigentlichen Zwecke entgegengeſetzte Wirkung ſehr viel min - der nachtheilig wird, indem der Nordpol N in der Mitte aufge - ſetzt aus A und B Nordpole, der Suͤdpol s in der Mitte aufgeſetzt aus A und B Suͤdpole zu machen ſtrebt; aber auch die geneigte Stellung, die Kater ſo verlangt, daß der Winkel der Magnete mit dem Stahlſtabe bedeutend unter 30 Grade ſei, hilft dieſes mit bewirken; denn indem s und beim Anfange des Striches ziemlich gleich weit von B entfernt ſind, bringen ſie gemeinſchaftlich faſt gar keine Wirkung auf B hervor, und B iſt daher unter dem Einfluſſe des Nordpols N eher geneigt nordpolariſch zu werden, weil n und s faſt nichts bewirken.
417Jene Bindung des ſchon entſtandenen Magnetismus hat Aepinus noch verſtaͤrkt, indem er nicht weiches Eiſen, ſondern ſtarke Magnete an beide Enden des zu magnetiſirenden Stahls an - brachte. Wird B (Fig. 129.) von einem Suͤdpole beruͤhrt, ſo erhaͤlt und verſtaͤrkt dieſer den durch das Beſtreichen in B erweckten Nordpol. Aepinus fuͤhrte zugleich den Doppelſtrich ein, der darin beſteht, daß man die beiden in einer maͤßigen Entfernung von einander ſtehenden Pole n und s′ in derſelben Entfernung von einander zuerſt beide von der Mitte gegen das eine Ende, ſodann, ohne abzuheben, gegen das andre Ende und ſo hin und her fuͤhrt, endlich aber beide zugleich in der Mitte abhebt. Durch dieſes Ver - fahren entſteht bei B ein Nordpol, weil dieſe Haͤlfte mehr unter der Einwirkung des Suͤdpols s′, dagegen die andre mehr unter der Einwirkung des Nordpols n bleibt. Dieſe Methode ſcheint mir doch immer wenigere Vorzuͤge als die vorige zu beſitzen.
Noch eine Methode der Magnetiſirung iſt der Strich in die Runde, wo man zwei Stahlſtaͤbe AB, CD, (Fig. 128.) zugleich magnetiſirt. Beide ſind durch weiche Eiſen AC, BD, verbunden und die in immer gleichem Abſtande erhaltenen beiden Pole N, s, werden von A nach B, D, C, A, B, und ſo weiter fortgefuͤhrt; fuͤhrt man zuletzt den Nordpol N bis uͤber B hinaus und endigt hier, ſo iſt B ein Suͤdpol, A ein Nordpol, und an CD, C ein Suͤdpol, D ein Nordpol, weil wieder die letzte Wirkung die Ent - ſcheidung giebt.
Coulomb hat dieſe Methoden alle genau unterſucht und die von Duhamel und Aepinus am zweckmaͤßigſten gefunden. Statt einzelner ſtarker Magnete nahm er aber eine Verbindung mehrerer, deren Nordpole mit weichem Eiſen verbunden den Suͤd - pol des zu verfertigenden Magnets beruͤhrten, und eben ſo ward eine Verbindung von ſtarken Magneten mit dem Suͤdpole an dem hervorzubringenden Nordpole angebracht. Auch zum Beſtreichen dienten mehrere verbundene Magnete. Durch dieſes Mittel kann man ſelbſt mit Huͤlfe ſchwaͤcherer Magnete ſtarke Magnete hervor - bringen; denn wenn man eine Anzahl gut gehaͤrteter Stahlſtaͤbe nach einander ſo weit magnetiſirt, als es mit Huͤlfe des ſchwachen Magnetes moͤglich iſt, ſo erhaͤlt man dadurch, daß man nun einen derſelben der Wirkung der uͤbrigen, die theils an den Enden beruͤh -III. Dd418ren, theils zum Beſtreichen angewandt werden, ausſetzt, einen ſtaͤrkern Magnet, und kann ſo die Magnetiſirung bis zu der Staͤrke, die man als voͤllige Saͤttigung anſieht, treiben. Es erhellt hier - aus, daß der Magnetismus nicht durch Uebergang oder Mitthei - lung an den neuen Magnet ertheilt wird, ſondern es verhaͤlt ſich ſo, wie es in einem faſt gar nicht leitenden Koͤrper mit der Electricitaͤt ſein wuͤrde. In dem zwiſchen ſtark electriſirten Koͤrpern liegenden Koͤrper wuͤrden naͤmlich durch Vertheilung die beiden Electricitaͤten immer mehr hervortreten, aber hierdurch wuͤrde auch in jenen Koͤrpern nicht nur keine Schwaͤchung, ſondern vielmehr eine Staͤr - kung der entgegengeſetzten Electricitaͤten ſtatt finden.
Aus dieſen Ueberlegungen wird es auch klar, warum man an natuͤrlichen Magneten Armirungen anbringt und warum dieſe aus weichem Eiſen ſind. Dieſe (Fig. 130.) an die Pole des Magnetes angelegten Eiſenplatten AB, CD, haben nicht allein den Zweck, in E, F, bequemere Puncte zum Anhaͤngen der Gewichte, die der Magnet tragen ſoll, darzubieten, ſondern ſie tragen auch bei, die magnetiſche Kraft in dieſen Puncten zu vereinigen, den Magnet zu ſtaͤrken, indem ſie die Trennung des Nordpolariſchen und Suͤd - polariſchen oder der beiden Magnetismen dadurch, daß die am Magnete anliegenden Eiſentheile die entgegenſetzten Pole erhal - ten, befoͤrdern. War AB die nordpolariſche Seite des Magnetes, ſo iſt das Ende E der Armirung gleichfalls ein Nordpol. Da dieſe Einwirkung durch weiches Eiſen am vollkommenſten hervortritt, ſo waͤhlt man zur Armirung weiches Eiſen.
Auch das Eiſen, das man an EF anhaͤngt, um es mit den Gewichten zu belaſten, die der Magnet tragen ſoll, muß weiches Eiſen ſein, damit es ſich ſogleich beim Anhaͤngen in den polariſchen Zuſtand verſetze, der am meiſten geeignet iſt, die magnetiſchen Kraͤfte in den Polen des Magnetes ſelbſt hervorzurufen. Offenbar liegt in dieſem vollkommeren Hervorrufen der magnetiſchen Kraͤfte durch ein beide Pole vollkommen gut beruͤhrendes Eiſen und in dem beſſeren Anziehen der Endflaͤchen des Magnetes auch der Vor - zug der Huf-Eiſen-Form, die man dem Magnete mit ſo großem Vortheil giebt. Auch der Umſtand, daß der Magnet an Kraft gewinnt, wenn man das weiche Eiſen EF immer mit ihm in Ver - bindung laͤßt, iſt nun erklaͤrt.
Unter den kuͤnſtlichen Magneten verdienen die Magnetnadeln, ihrer großen Nuͤtzlichkeit wegen, beſonders angefuͤhrt zu werden. Ihre Beſtimmung iſt bekanntlich, daß ſie, in der Mitte unterſtuͤtzt, ſich horizontal drehen und in die Richtung, wozu die magnetiſche Kraft ſie antreibt, ſtellen koͤnnen. Man giebt ihnen durch Beſtreichen die magnetiſche Kraft und kann bei ihnen durch die Zeit der Oſcil - lationen die Staͤrke der erlangten Kraft beſtimmen. Da man bei ihnen leichte Beweglichkeit und vollkommen genaue, immer gleiche Ruͤckkehr in die Stellung, welche den magnetiſchen Kraͤften gemaͤß iſt, verlangt; ſo verdienen die Umſtaͤnde, wodurch dieſe Zwecke erreicht werden, noch eine naͤhere Betrachtung.
Daß die Spitze, auf welcher die mit einer Hoͤhlung oder mit einem Huͤtchen verſehene Nadel ruht, moͤglichſt ſcharf und moͤglichſt hart, um nicht abgenutzt zu werden, ſein muß, verſteht ſich von ſelbſt. Man hebt, um dieſe Abnutzung zu vermeiden, gern die Nadel von der Spitze ab, wenn ſie außer Gebrauch iſt, und dieſe Abhebung muß ſo eingerichtet ſein, daß die Nadel bei dem Wieder - auflegen im genau richtigen Puncte unterſtuͤtzt wird und ohne Stoß dieſe richtige Lage wieder erhaͤlt. Um die Leichtigkeit der Bewegung zu befoͤrdern, wuͤrde es vortheilhaft ſcheinen, die Nadel recht leicht zu nehmen, damit die Reibung deſto geringer ſei; aber dieſem Vortheile ſteht der große Nachtheil, daß eine ſehr leichte Nadel eine allzu geringe magnetiſche Kraft annimmt, entgegen. Coulomb hat uͤber die angemeſſenen Verhaͤltniſſe der Nadel viele Verſuche angeſtellt, und giebt eine Breite von 1 Linie gegen 3 Zoll Laͤnge als zweckmaͤßig an; eine erhebliche Dicke giebt man der Nadel nicht, weil eine doppelt ſo dicke Nadel nicht zweimal ſo viel magnetiſche Kraft erlangt, als die von einfacher Dicke. Dagegen hat man vorgeſchlagen, zwei Nadeln, einige Linien von einander entfernt, in genau gleicher Richtung zu verbinden, damit ihre ver - einigte Richtungskraft mit deſto mehr Gewalt die Nadel zu der richtigen Stellung zuruͤckfuͤhre. Etwas entfernt von einander muͤſſen ſie ſein, da ſonſt die einander nahen gleichnamigen Pole eine gegenſeitige Schwaͤchung der Kraft hervorbringen, aus eben den Gruͤnden, welche die Staͤrkung der Kraft in der Naͤhe eines ent -Dd 2420gegengeſetzten Poles (des Nordpoles in der Naͤhe des Suͤdpoles eines andern Magnets) bewirkten.
Die Staͤrke der Richtungskraft einer Magnetnadel laͤßt ſich aus der Zeit ihrer Oſcillationen, wenn ſie entfernt von Eiſen und Magneten aufgeſtellt iſt, beurtheilen. Woher auch die Kraft ent - ſtehe, welche die Nadel zu ihrer beſtimmten Richtung zuruͤckfuͤhrt, ſo befolgen doch gewiß die Oſcillationen eben die Geſetze, wie die des Pendels; denn die wirkende Kraft iſt offenbar eine mit der Richtung, welche die Nadel annehmen muß, parallel wirkende, und alle Erfolge ſind daher denen vergleichbar, die Sie fruͤher bei dem Pendel kennen gelernt haben. Auch hier gilt es, und ein leichter Verſuch dient dafuͤr zum Beweiſe, daß die Oſcillationen der Nadel gleichzeitig ſind, die Nadel mag um einen Grad oder um zehn Grade von ihrer Richtung abweichen. Auch hier gilt es, daß die Zeit einer Oſcillation auf die Haͤlfte herabgeht, wenn die die Rich - tung der Nadel bewirkende Kraft zu dem Vierfachen waͤchſt; denn je maͤchtiger die Kraft wirkt, deſto ſchneller zieht ſie die Nadel zu ihrer richtigen Stellung zuruͤck, deſto kuͤrzer iſt die Oſcillationszeit, jedoch nicht in einfachem umgekehrtem Verhaͤltniſſe, ſondern der eben angegebenen Regel gemaͤß. Wie die Zeit der Oſcillationen von der Laͤnge und dem Gewichte der Nadel abhaͤngt, will ich hier uͤbergehen, und dagegen nur bei den Erfahrungen, welche die ungleiche Kraft einer und derſelben Nadel betreffen, noch verweilen.
Es iſt offenbar, daß eine ſchwach magnetiſirte Nadel, die vielleicht nur durch einen einzigen Strich eines Magnets aus dem voͤllig unmagnetiſchen Zuſtande herausgetreten iſt, nur ſehr lang - ſame Oſcillationen machen wird, weil ſie nur mit geringer Kraft in die beſtimmte Richtung gezogen wird; erhaͤlt ſie durch fortgeſetz - tes Beſtreichen eine vermehrte Kraft, ſo werden ihre Oſcillationen ſchneller, aber nach und nach erreicht dieſes eine Grenze und man ſagt dann, die Nadel ſei geſaͤttiget, weil, wie es ſcheint, ſie unfaͤhig iſt, nun noch einen ſtaͤrkern Grad von Magnetismus an - zunehmen. Iſt die Nadel von ſehr gut gehaͤrtetem Stahle, ſo behaͤlt ſie die einmal erlangte Kraft faſt ganz unveraͤnderlich, minder har - ter Stahl aber verliert nach und nach ſeine Kraft, vorzuͤglich wenn er ſich in der Naͤhe andrer Magnete ſo befindet, daß ſie ſeine Kraft421 vermindern oder wenn er ſich in unrichtiger Lage gegen die Erde befindet.
Die verſchiedenen Aufſtellungen der Nadel, um ſie bequem zu gebrauchen, muß ich doch noch erwaͤhnen. Will man die Magnet - nadel in ganz ruhiger Stellung mit moͤglichſt großer Genauigkeit beobachten, ſo iſt es vortheilhaft, ihr eine ſolche Form zu geben, daß eine auf ihrer obern Flaͤche gezogene feine Linie die eigentliche genaue magnetiſche Richtung anzeige. Die Nadel muß dann mit ſehr großer Sorgfalt magnetiſirt ſein, damit beim Beſtreichen die eigentliche magnetiſche Axe der Nadel nicht durch eine ſchiefe Rich - tung des Streichens von dieſer Linie abweiche. Befindet ſich dann die Nadel in einem eingetheilten Kreiſe aufgeſtellt, deſſen Mittel - punct mit ihrem Drehungspuncte zuſammentrifft, ſo kann man vermittelſt eines Microſcops den Theilungspunct des Kreiſes genau ableſen, auf dem jene Linie einſpielt. In dieſem Falle muß der getheilte Kreis durch aſtronomiſche Mittel genau geſtellt ſein, damit man die Lage der Nadel gegen den aſtronomiſchen Meridian mit aller Strenge beſtimme.
Der Compaß, wie der Schiffer ihn gebraucht, hat faſt im - mer die Einrichtung, daß auf die Nadel der in ſeine 32 Wind - ſtriche oder auch noch in kleinere Theile getheilte Kreis aufgeklebt iſt, wobei ſich dann die Stelle, die dem Nordpuncte entſpricht, durch eine beſtimmte Bezeichnung kenntlich macht. Damit der Compaß bei den Schwankungen des Schiffes immer horizontal bleibe, hat das Kaͤſtchen LM, worin er ſich befindet, eine doppelte Aufhaͤn - gung. Es iſt naͤmlich zuerſt (Fig. 131.) mit der Axe AB in einen Ring eingehaͤngt und um dieſe Axe beweglich; der Ring ſelbſt aber dreht ſich um die Axe CD, welche auf jene ſenkrecht iſt, und iſt dadurch in dem groͤßern Kaſten befeſtigt. Hierdurch wird bewirkt, daß bei einer Hebung oder Senkung von C in Vergleichung gegen D eine Drehung um AB eintritt; bei einer Hebung des Punctes A eine Drehung um CD, und bei einer Hebung oder Senkung in einer gegen AB und CD ſchiefen Richtung eine Drehung um beide Axen.
Fuͤr die Zwecke des Feldmeſſers eignet ſich ſehr gut die Schmalkalderſche Bouſſole (Fig. 132.), welche den Vor - theil gewaͤhrt, die Theilungen des Kreiſes zugleich mit dem Gegen -422 ſtande, nach welchem man viſirt, beobachten zu koͤnnen. Beim Feldmeſſen naͤmlich iſt es der Zweck des Gebrauches der Bouſſole, zu wiſſen, welchen Winkel irgend eine Linie, nach welcher man viſirt, mit dem Meridiane macht, und dieſer Zweck koͤnnte erreicht wer - den, wenn man die horizontal aufgeſtellte Bouſſole ſo richtete, daß das Viſirlineal, AB, in deſſen Richtung der Nullpunct des ein - getheilten Kreiſes liegen muͤßte, auf den beſtimmten Gegenſtand zielte, und wenn man dann nachſaͤhe, welchen Winkel die Magnet - nadel zeigt; aber folgende Einrichtung erleichtert die Beobachtung. Die Magnetnadel iſt unter einem auf ſie befeſtigten eingetheilten Kreiſe angebracht, und dieſer Kreis kann da, wo das Norden der Magnetnadel liegt, ſeinen Nullpunct haben. Vor der Diopter B, an welcher das Auge ſich befindet, iſt ein unter 45 Gr. geneigter Spiegel, an dieſe Diopter befeſtigt, angebracht, damit das Auge, horizontal uͤber A nach dem Gegenſtande blickend, auch die Zahlen des eingetheilten Kreiſes im Spiegel grade vor ſich ſehe. Waͤhrend nun das Viſirlineal auf die bekannte Weiſe gegen den abzuviſiren - den Punct gerichtet und ſo feſtgeſtellt iſt, giebt man, ohne die Stellung des Auges zu aͤndern, Achtung, vor welchem Grade des im Spiegel geſehenen Kreiſes die uͤber den Spiegel weg geſehene Viſirlinie einſpielt, und hat ſo die verlangte Richtung.
Da die Nordpolaritaͤt am einen Ende des Magnets, die Suͤdpolaritaͤt am andern Ende hervortritt; ſo laͤßt ſich leicht erwar - ten, daß der Magnet in der Mitte neutral iſt. Dieſes iſt auch wirklich ſo der Fall, daß in der Mitte keine magnetiſche Kraft merklich iſt. Wenn man etwas laͤngere Stahlnadeln magnetiſirt, ſo ſind ſie nur gegen die Enden zu im Stande Eiſenfeile zu tragen, und belegen ſich in der Mitte nicht damit. Wenn man zwei ma - gnetiſirte Nadeln ſo an einander legt, daß der Nordpol der einen den Suͤdpol der andern beruͤhrt, ſo bilden ſie nur einen Ma - gnet, der am Verbindungspuncte keine erhebliche Kraft hat, Ei - ſen anzuziehen, und dies offenbar deswegen, weil hier Nordpol und Suͤdpol zugleich wirken, alſo die dem Magnete zu gewandte423 Seite des Eiſenſtaͤubchens weder die eine noch die andre Polaritaͤt erlangt.
Dieſe ungleiche Staͤrke des Magnetismus oder die ungleiche Vertheilung der magnetiſchen Kraͤfte am Ende und gegen die Mitte des magnetiſirten Stabes kann man mit Coulombs Drehwaage auf folgende Weiſe genauer unterſuchen. Es ſei (Fig. 133. ) AB eine an dem Faden LM der Drehwaage horizontal aufgehaͤngte Magnetnadel, A ihr Nordpol; man laſſe dieſe in ihrer natuͤr - lichen Stellung ſo zur Ruhe kommen, daß der Faden ungedreht iſt, und bringe nun in ſenkrechter Richtung gegen ſie den Magnet SN an, deſſen Nordpol den Nordpol jener Nadel beruͤhrt. Da die gleichnamigen Pole ſich abſtoßen, ſo nimmt der Drath LM eine Drehung an und man muß durch Zuruͤckdrehen die Nadel AB zwingen, ſich dennoch an N anzulegen; die Groͤße dieſer Zuruͤck - drehung, welche naͤmlich erforderlich iſt, um die Abſtoßung zu hin - dern, giebt das Maaß der abſtoßenden Kraft der beiden auf ein - ander wirkenden Pole. Stellt man nun den Verſuch zuerſt am aͤußerſten Ende des Magnets, dann immer weiter gegen die Mitte zu an, ſo findet man, daß die Kraft in einer geringen Entfernung vom Ende am ſtaͤrkſten iſt, dann aber gegen die Mitte ſehr ſchnell abnimmt. Durch dieſes Mittel erhaͤlt man zwar nicht im ſtreng - ſten Sinne die Kraft jedes einzelnen Punctes, ſondern die ver - einigte Kraft auch der benachbarten Puncte, indeß laͤßt ſich doch das Geſetz der Austheilung der magnetiſchen Kraͤfte gar wohl aus dieſen Verſuchen herleiten, zumal da die Einwirkung der nur etwas bedeutend weiter entfernten Puncte ſchon bald geringe wird. Ein zweites Mittel, um dieſe Kenntniß der Kraͤfte der einzelnen Puncte zu erhalten, beſteht darin, daß man kleine Magnetnadeln in der Naͤhe der einzelnen Puncte eines groͤßern Magnetes oſcilliren laͤßt, und aus der Schnelligkeit der Oſcillationen die Kraft der Anziehung beſtimmt.
Bei dieſer Unterſuchung findet man, daß die ſtaͤrkſten Puncte oder die eigentlichen Pole nicht ganz am aͤußerſten Ende des Ma - gnetes liegen, und auf dieſen Umſtand muß man bei manchen Un - terſuchungen Ruͤckſicht nehmen. Chriſtie ſtellte zu anderm Zwecke den Verſuch an, daß er einen magnetiſirten Stab, in wel - chem dieſe Pole gleich entfernt von beiden Enden lagen, dadurch424 ſchwaͤchte, daß er mit dem Nordpole eines ſtarken Magnets einmal oder zweimal gegen den Nordpol zu ſtrich; dann ruͤckte der wahre Nordpol des ſo verſchlechterten Magnets gegen die Mitte zu, der Suͤdpol aber naͤherte ſich mehr dem andern Ende; bei zwei ſolchen Strichen oder mehrern ging der Nordpol ſtark gegen die Mitte zu und es entſtand ein zweiter Suͤdpol an dem vorher nordpolariſchen Ende, ſo daß man hier deutlich die nach und nach erfolgende Um - kehrung der Pole kennen lernte.
Wenn man ſo die Staͤrke jedes einzelnen Punctes eines Magnetes kennt, ſo kann man auch die Abhaͤngigkeit der abſtoßen - den Kraft gleichnamiger Pole von dem Abſtande beſtimmen. Statt naͤmlich (Fig. 133.) den verticalen Magnet SN ganz nahe an die andre Nadel zu bringen, ſtellt man ihn neben dem Endpuncte der Nadel, aber in einiger Entfernung, auf; zwingt durch Drehung des Fadens die Nadel in die beſtimmte Entfernung zuruͤck, und lernt ſo die Kraft kennen. Wenn man dies fuͤr ungleiche Abſtaͤnde von der Nadel thut, und dabei auch auf die Einwirkung der be - nachbarten Puncte durch gehoͤrig gefuͤhrte Rechnung Ruͤckſicht nimmt; ſo findet man, daß die Wirkung der magnetiſchen Kraft auf ein Viertel herabgeht, wenn die Entfernung ſich verdoppelt, auf ein Neuntel, wenn die Entfernung ſich verdreifacht, u. ſ. w. Mit Huͤlfe dieſes Geſetzes und der vorhin angegebenen Beſtimmung der ungleichen Austheilung des Magnetismus in jedem Magnete, iſt es moͤglich, die Lage, welche eine Magnetnadel in der Naͤhe eines Magnetes erhalten muß, zu beſtimmen, indem man die Ab - ſtoßung der gleichnamigen Haͤlfte von Punct zu Punct, und eben ſo die Anziehungen der ungleichnamigen Haͤlften, berechnet, und die Summen zu Beſtimmung der Gleichgewichtslage anwendet. Auf aͤhnliche Art kann man auch die geſammte Kraft der Einwirkung auf eine Nadel und folglich die Schnelligkeit der Oſcillationen, welche ſie unter dieſer Einwirkung machen muß, beſtimmen und mit Verſuchen vergleichen.
Bei der Magnetiſirung durch den einfachen, von einem Ende bis zum andern gehenden, Strich bietet ſich ein Gedanke dar, den425 Brugmanns und van Swinden weiter verfolgt haben. Wenn man (Fig. 134.) in A mit dem Nordpole zu beſtreichen anfaͤngt, ſo iſt A im erſten Augenblicke gewiß ſuͤdpolariſch, aber am Ende des Striches, wenn N in B angekommen iſt, findet ſich A nordpolariſch; es muß alſo, waͤhrend N fortruͤckt, einen Punct a geben, wo N ankoͤmmt, wenn A keines von beiden iſt. Brug - manns fand, daß dieſer Punct, der in Beziehung auf A der Indifferenzpunct heißen muͤßte, bei dickeren Staͤben ent - fernter vom Ende A iſt, als bei duͤnneren Staͤben, daß ſich aber noch ein zweiter Indifferenzpunct b in Beziehung auf B findet, der naͤher gegen B zu liegt und die Eigenſchaft hat, daß B weder Nord - pol noch Suͤdpol iſt, wenn man von A bis b ſtreicht und hier den Magnet abhebt. Van Swinden hat noch eine neue Bemer - kung hinzugefuͤgt, daß naͤmlich, wenn man in A mit dem Nordpole zu beſtreichen anfaͤngt, B nordpolariſch iſt, daß dieſer Nordpol B verſtaͤrkt wird, wenn man etwas naͤher von A gegen B fort - ruͤckt, daß es aber einen Punct c giebt, wo man, um die nord - polariſche Kraft in B am ſtaͤrkſten hervorzurufen, den Magnet ab - heben muß, indem bei dem Fortruͤcken bis b das Ende B ſeinen polariſchen Zuſtand wieder verliert. Jenen Punct c nennt van Swinden den Culminationspunct, den Punct der groͤß - ten Staͤrke. Dieſe Erfahrungen ſind bemerkenswerth, indeß, da die Lage aller dieſer drei Puncte von der Dicke und Haͤrtung des Stabes abhaͤngt, ſo iſt ihre Kenntniß von keiner weitern Wichtigkeit.
Die unter dem Einfluſſe eines Magnetes entſtehende Magne - tiſirung des Stahles und — zu dieſem Zwecke noch beſſer — des weichen Eiſens bietet noch mehrere, zuerſt unerwartet ſcheinende, aber ſich doch leicht erklaͤrende Erſcheinungen dar, die man, nach Brugmanns Anleitung, leicht darſtellen kann. Man ſtellt eine Magnetnadel AB (Fig. 135.) auf, deren natuͤrliche Richtung AB darſtellt; man naͤhert ihrem Nordpole A gegenuͤber den Nordpol N eines Magnetes NS und wartet, bis die Nadel, die nun etwas am Nord-Ende abgeſtoßen wird, in einer andern Lage ab zur Ruhe koͤmmt; man legt ein weiches Eiſen CD ungefaͤhr in die in der Figur angegebene Stellung und ſo, daß D ſich nicht zu verruͤcken braucht, wenn C mit N zur Beruͤhrung gebracht wird; nachdem man jetzt die Nadel ihre ruhige Lage hat erlangen laſſen, bringt man C426 zur Beruͤhrung des Poles N, und nun vergroͤßert ſich die Abſtoßung des Nordpoles bedeutend, beinahe ſo als wenn der Nordpol des Magnetes nach D geruͤckt waͤre. Der Grund iſt einleuchtend, es wird naͤmlich D zu einem Nordpole, der, wenn er auch nicht ſo ſtark als N ſelbſt iſt, doch ſeiner Naͤhe wegen ſtark abſtoßend auf die Nadel wirkt.
Hat man wieder die Nadel AB durch den angenaͤherten Nord - pol N in die Lage ab gebracht, und legt nun den Eiſenſtab EF, ſo wie Fig. 136. zeigt, an den Magnet, ſo kehrt die Nadel etwas naͤher zu der Stellung AB zuruͤck, weil E ein Suͤdpol geworden iſt, der auf ab eine entgegengeſetzte Wirkung hervorbringt.
Wenn man an dem von der Nadel am meiſten entfernten Pole des Magnetes N (Fig. 137.) eine Stange weiches Eiſen GH anbringt, ſo verſtaͤrkt ſich die Wirkung des der Nadel zuge - kehrten Poles; ward alſo A vom Suͤdpole S angezogen, ſo wird, wenn das lange Eiſen GH angebracht iſt, die Nadel noch mehr ihre Richtung aͤndern. Offenbar deswegen, weil der Nordpol N doch etwas abſtoßend auf a wirkte, dieſe Kraft aber nun durch den an N hervorgebrachten Suͤdpol G aufgehoben, S alſo in ſeiner Wirkung geſtaͤrkt wird.
Aehnliche Wirkungen zeigen ſich auch auf die an einem Ma - gnete haͤngenden Koͤrper. Haͤngt (Fig. 138.) an dem Pole N des Magnetes ein Eiſen E und man bringt ein Eiſen AB von bedeu - tender Groͤße mit N in Beruͤhrung, ſo faͤllt E herab, weil der bei A entſtehende Suͤdpol, wenn N ein Nordpol iſt, auf den in dem obern Puncte von E entſtandenen Suͤdpol abſtoßend wirkt und E alſo zwei widerſtreitenden Kraͤften unterworfen iſt, die in den mei - ſten Faͤllen ſich hinreichend aufheben werden, um der Einwirkung der Schwere auf E nicht mehr zu widerſtehen. Auf aͤhnliche Weiſe macht man den Pol eines Magnetes kraftlos, indem man eines ſtaͤrkern Magnetes gleichnamigen Pol naͤhert. Der ſchwaͤchere Magnet laͤßt dann die Eiſenfeile fallen, die an ihm hing.
Um die Frage, nach welchen Geſetzen denn die Kraft wirke, die den, bloß der Einwirkung der Erde ausgeſetzten, Magnet in ſeine beſtimmte Richtung bringt, vollſtaͤndig zu beantworten, muͤſ - ſen wir, m. h. H., Mittel aufſuchen, um zu entſcheiden, ob dieſe Kraft genau nach Norden, vor allem aber, ob ſie genau nach hori - zontaler Richtung ihre Wirkung ausuͤbt. Bis dahin nahmen wir immer die zur horizontalen Aufſtellung beſtimmte Magnetnadel als ſchon magnetiſirt und dann ſo unterſtuͤtzt an, daß ſie horizontal blieb; wir wollen jetzt eine vollkommen unmagnetiſche Nadel zu erhalten ſuchen und dieſe im ſtrengſten Sinne in ihrem Schwer - puncte aufhaͤngen. Ich erwaͤhne hier die Schwierigkeiten nicht, die es hat, eine Stahlnadel vollkommen unmagnetiſch zu erhalten, obgleich es, wie ich ſpaͤter bemerken werde, ſo leicht geſchieht, daß ſie unter der Bearbeitung ſchon magnetiſch wird, ſondern nehme an, die Nadel AB (Fig. 139.) ſei genau ſo gearbeitet, daß die ho - rizontale Axe C durch den Schwerpunct geht. Sie wiſſen, daß damit zugleich geſagt iſt, daß die Nadel nicht bloß in der horizon - talen Lage, ſondern in jeder Lage, die man ihr giebt, ruhend bleibt, indem die Schwerkraft keine Drehung um die Axe bewirkt. Dieſe voͤllig aͤquilibrirte Stahlnadel nun wird magnetiſch gemacht, ſo daß B der Nordpol, A der Suͤdpol iſt; wenn man ſie alsdann wieder mit der Axe C auflegt, ſo findet das Gleichgewicht nicht mehr ſtatt, ſondern das nordpolariſche Ende B ſenkt ſich herab und die Nadel koͤmmt, (in unſern Gegenden wenigſtens) in einer ſtark geneigten Stellung zur Ruhe, und daß dieſe Stellung nicht eine zufaͤllige iſt, zeigt ſich dadurch, daß die Nadel um dieſe ſchiefe Stellung Oſcillationen macht, wie das Pendel um die verticale Stellung.
Um mit dieſer Neigungsnadel die wahre Richtung der auf die Nadel wirkenden magnetiſchen Kraft zu finden, giebt es zwei Mittel. 428Das beſte waͤre, die Axe C an einem langen und feinen Faden aufzuhaͤngen, damit die Nadel durch nichts gehindert wuͤrde, in jeder Beziehung dem Antriebe zu folgen, den die auf die Magnet - nadel wirkende Richtungskraft darbietet; das zweite waͤre, der auf einer Unterlage ruhenden Axe C verſchiedene Stellungen bald nach der einen, bald nach der andern Weltgegend zu geben und in jeder dieſer Stellungen die Neigung der Magnetnadel zu beobachten. Waͤhlt man die erſte Methode, ſo findet man, daß die Nadel in derjenigen Vertical - Ebne ruhend bleibt, die wir ſchon aus der Stellung der horizontalen Nadel als die magnetiſche Richtung, als den magnetiſchen Meridian kennen, und daß ſie in dieſer Ebne einen beſtimmten Neigungswinkel, in Sachſen ungefaͤhr von 67 Grad, mit dem Horizonte macht. Bei Anwendung der zweiten Methode findet man, wenn die Ebne, in welcher ſich die Nadel frei bewegt, der magnetiſche Meridian iſt, eben jene Neigung von 67°; aber je mehr die Stellung der Axe C von der gegen dieſen Meridian ſenkrechten Richtung abweicht, das heißt, je mehr die Ebne, in welcher die Nadel ſelbſt ihre Bewegung macht, nach Oſten und Weſten zu geht, deſto mehr ſtellt ſich die Nadel in die verti - cale Lage, und erreicht dieſe, wenn die Drehungs-Ebne der Nadel ganz genau ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian iſt.
Da unſere Nadel im genauen Schwerpuncte aufgehaͤngt iſt, ſo koͤmmt bei ihrer Stellung die Schwerkraft gar nicht in Be - trachtung und die Richtung der frei ſchwebenden Nadel iſt uͤberein - ſtimmend mit der Richtung der magnetiſchen Kraft, welche allein auf die Nadel wirkt. Da dieſe nach CA wirkende Kraft ungefaͤhr mit dem Horizonte einen Winkel von 67° macht, ſo iſt ſie, nach Grundſaͤtzen der Statik, anzuſehen, als ob ſie aus einer horizon - talen Kraft, die ungefaͤhr ⅖ der ganzen Kraft (CD = ⅖ CA) iſt, (Fig. 140.) und aus einer $$\frac{92}{100}$$ der ganzen Kraft (CE = $$\frac{92}{100}$$ ⋅ CA. ) betragenden Verticalkraft zuſammengeſetzt waͤre, oder ſie kann durch zwei ſolche Kraͤfte erſetzt werden. Befindet ſich die Axe der Nadel in der Lage, daß die Drehung in der vertica - len Ebne des magnetiſchen Meridians geſchieht, ſo wirkt die ge - ſammte magnetiſche Kraft der Erde, — denn ſo duͤrfen wir die hier wirkſame Kraft wohl nennen, — zur Zuruͤckfuͤhrung der Nadel in ihre genau richtige Lage, die Oſcillationen der Nadel429 werden daher hier ſchneller ſein, als in jeder andern Stellung; weicht dagegen die Drehungs-Ebne, die ich noch immer als verti - cal, die Lage der Axe der Nadel als genau horizontal, vorausſetze, vom magnetiſchen Meridiane ab, ſo muͤſſen wir ſo rechnen. Im - mer bleibt die vertical wirkende Kraft (Fig. 140. 141. ) CE in gleicher Staͤrke wirkſam; aber wenn (Fig. 141. ) DCF einen in der horizontalen Ebne gezeichneten rechten Winkel bedeutet, CD der magnetiſche Meridian iſt, und die Nadel ihre Bewegungen in der Vertical-Ebne GCE macht, ſo muß man die Horizontalkraft CD in zwei, gleichfalls horizontale, auf einander ſenkrechte Seiten - kraͤfte CH, CI, zerlegen, und nur CI traͤgt zur Drehung der Nadel bei, weil CH nichts als einen unmerklichen Druck auf den einen Endpunct der Drehungs-Axe hervorbringt. Da nun CI deſto kleiner wird, je mehr CG ſich der rechtwinklichen Stellung gegen den magnetiſchen Meridian naͤhert, ſo iſt, eben ſo fortſchrei - tend, die horizontale, auf die Nadel wirkende Kraft deſto kleiner, und wenn die Nadel ſich ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian bewegt, ſo iſt gar keine Horizontalkraft mehr wirkſam, weshalb dann die Nadel ſich, wegen der noch immer auf ſie wirkenden Ver - ticalkraft, vertical ſtellt. Beobachtet man die Oſcillationszeiten einer recht guten, mit moͤglichſt geringer Reibung an der Axe ſich drehenden, Nadel, ſo zeigen auch dieſe, daß die Kraft, welche in der Stellung von Oſt nach Weſt, (dies naͤmlich auf den magne - tiſchen Nordpunct bezogen,) die Nadel zur verticalen Stellung zieht, nur ungefaͤhr neun Zehntel derjenigen iſt, mit welcher die Nadel zu ihrer Neigungsſtellung im Meridiane ſelbſt zuruͤck gefuͤhrt wird.
Giebt man eben dieſer Nadel dadurch, daß man die Axe der Nadel in einer verticalen Stellung feſthaͤlt, die Lage einer horizon - talen Nadel, ſo iſt die Horizontalkraft es allein, welche die Nadel zum Meridiane zuruͤckfuͤhrt; die Oſcillationen der Horizontalnadel werden alſo noch langſamer ſein, ſo daß eine Nadel die 10 Schwin - gungen in beſtimmter Zeit in ihrer natuͤrlichen Inclinationslage machte, nur etwa 6 in eben der Zeit in horizontaler Stellung macht.
Auf dieſe Ueberlegungen gruͤndet ſich eine Aufſtellung der Nadel, welche die Nadel eben ſo der Einwirkung der magnetiſchen430 Richtungskraft entzieht, wie es bei dem gewoͤhnlichen Waage - balken in Beziehung auf die Schwere der Fall iſt. Der Grund, warum wir bei einem gut aͤquilibrirten Waagebalken, der, an einem feinen Faden haͤngend, horizontal ſteht, es laͤcherlich finden, zu fragen, ob er eine beſtimmte Richtung nach Norden oder Oſten unter Einwirkung der Schwere annehmen werde, liegt darin, daß die vertical wirkende Schwerkraft durchaus kein Beſtreben haben kann, die horizontale Richtung des Waagebalkens gegen irgend eine Weltgegend zu beſtimmen; ſtellt man daher die Magnetnadel ſo auf, daß ihre Axe die Richtung der magnetiſchen Kraft, das iſt, die Richtung der Neigungsnadel, hat, ſo iſt hier eben ſo gut wie dort bei dem Waagebalken alle Directionskraft des Magnetismus aufgehoben. Man hat, um diejenigen Wirkungen zu beobachten, die von andern Urſachen abhaͤngen, dieſe aſtatiſche Aufſtellung der Nadel zweckmaͤßig gefunden, und die in Fig. 142. dargeſtellte Einrichtung iſt ſehr angemeſſen, um der Nadel alle verſchiedenen Stellungen und alſo auch die aſtatiſche zu geben. Hier iſt auf der genau horizontal zu ſtellenden Ebne AB ein eingetheilter Kreis, an welchem der mit der verticalen Saͤule DE verbundene Zeiger C die Stellung des ganzen oberen Theiles des Inſtruments angiebt. Dieſe verticale Saͤule laͤßt ſich ſo, daß ſie immer ſenkrecht auf AB bleibt, um ihre Axe drehen, und da ſie den Kreis FG mit der Magnetnadel NS ſo traͤgt, daß man beide zuſammen mit Huͤlfe des bei D angebrachten Halbkreiſes in jede ſchiefe Stellung bringen kann, ſo laſſen ſich alle Erſcheinungen, die ſich in der Lage und den Oſcillationen der Magnetnadel darbieten, hier beobachten. Iſt naͤmlich zuerſt FG vertical geſtellt, welches an dem Halbkreiſe D durch 90° bemerkt iſt, ſo ſieht man in unſern Gegenden die Na - del, mit ihrem Nordpole nach unten, von ungefaͤhr 67° bis 90° ihre Neigung aͤndern, waͤhrend man nach und nach den Zeiger C auf verſchiedene Lagen ſtellt. Hat man den Grad, welchen C angiebt, wenn die Neigung 90° war, angemerkt, ſo findet man C um einen Quadranten fortgeruͤckt, wenn die Neigung am kleinſten iſt, und die letztere Stellung iſt die im magnetiſchen Meridiane, die erſtere bezeichnet das magnetiſche Oſten und Weſten. Stellt man C in dieſer oſtweſtlichen Stellung feſt und veraͤndert nun bei D die Lage des Kreiſes FG, ſo ſieht man die Oſcillationen der431 Nadel immer traͤger werden, und wenn die Ebne FG um 23 Gr. noͤrdlich gehoben gegen den Horizont geneigt iſt, ſo hat die Nadel alle Richtungskraft verloren, ſie iſt in der aſtatiſchen Aufſtellung und hat gar kein Beſtreben, irgend eine beſtimmte Richtung an - zunehmen. Die Ebne, in welcher ſich dann die Nadel bewegt und die dann zugleich durch den Kreis FG dargeſtellt wird, heißt die Ebne des magnetiſchen Aequators, weil ſie ſenkrecht gegen die Linie iſt, in welcher die beiden Pole des Magnetes ihre natuͤr - liche Stellung annehmen, und dieſe Ebne des magnetiſchen Ae - quators ſtellt ſich uns in vieler Hinſicht als merkwuͤrdig dar.
Die bisher bloß in Beziehung auf unſre Gegenden betrachtete Erfahrung, daß die im ſtrengſten Sinne aͤquilibrirte Nadel durch das Magnetiſiren anſcheinend am noͤrdlichen Pole ſchwerer wird, oder durch die Magnetiſirung ſich einer auf unmagnetiſche Koͤrper nicht wirkenden Kraft der Erde unterworfen zeigt, fuͤhrt natuͤrlich zu der Frage, wie ſich die Erſcheinung in andern Gegenden der Erde verhalte. Ich will hier von der naͤhern Beſtimmung, ob es der wahre Nordpunct iſt, gegen den die Nadel ſich wendet, noch nicht reden, ſondern bloß auf die Neigung oder Inclination ſehen. Beobachtet man dieſe in verſchiedenen Gegenden, ſo findet man in der Gegend des Erd-Aequators die Nadel wenig von der horizontalen Stellung abweichend, jenſeits des Aequators dagegen wird der Suͤdpol der Magnetnadel eben ſo gegen die Erde herab gezogen, wie bei uns der Nordpol. Verfolgt man die Beobach - tungen genauer, ſo findet man, daß es eine um die Erde gezogene Linie giebt, wo die Nadel im ſtrengſten Sinne horizontal bleibt, alſo gar keine Neigung hat, und dieſe Linie, die zwar dem Erd - Aequator nahe iſt, aber doch nicht genau mit ihm uͤbereinſtimmt, nennt man den magnetiſchen Aequator der Erde. (S. die Charte Taf. V.) Geht man von dieſer Linie abwaͤrts, ſo nimmt zuerſt die Neigung ſo betraͤchtlich zu, daß ſie in 10 Grad Abſtand vom magnetiſchen Aequator ſchon beinahe 20 Gr. betraͤgt, aber nach und nach muß man immer weiter fortgehen, um ſie auf 30, 40 Gr. zunehmen zu ſehen; in der Gegend der Canariſchen Inſeln432 iſt die Neigung ungefaͤhr 60°, in Ober-Italien 64°, in Paris 68°, in London 69½°, u. ſ. w. Der magnetiſche Aequator der Erde ſelbſt iſt kein groͤßeſter Kreis, ſondern ſcheint, nach den von Hanſteen, Morlet und andern zuſammen geſtellten Beobachtungen eine un - regelmaͤßige Linie zu bilden. Er ſchneidet nicht weit von der weſt - lichen africaniſchen Kuͤſte den Erd-Aequator, geht durch das atlan - tiſche Meer ſuͤdlich von demſelben fort, und entfernt ſich in der Naͤhe der Kuͤſte Braſiliens am meiſten, etwa 15° von demſelben; im großen Suͤdmeere findet ſich, nicht weit von Neu-Guinea, ein zweiter Durchſchnittspunct, und von da geht der magnetiſche Aequator noͤrdlich vom Erd-Aequator fort, noͤrdlich von Borneo und Ceylon vorbeigehend erreicht er in dem Meere zwiſchen der Indiſchen Halb-Inſel und Africa ſeine groͤßte Entfernung vom Erd-Aequator und kehrt ſo zu dem zuerſt erwaͤhnten Durch - ſchnittspuncte zuruͤck. Und ſo wie dieſer magnetiſche Aequator alle die Puncte auf der Erde verbindet, wo die Neigung der Magnet - nadel = 0°, ſo laſſen ſich auch fuͤr alle andern Neigungswinkel die Linien gleicher Neigung (iſocliniſche Linien) ziehen. Dieſe Linien zeigen, je groͤßer die Neigung wird, deſto mehr eine zweimalige Kruͤmmung nach Suͤden und nach Norden, indem, ſo weit die Beobachtungen reichen, im oͤſtlichen Aſien die Neigung in 50° noͤrdl. geographiſcher Breite eben ſo groß iſt als im mittlern Aſien in 53° bis 55° noͤrdl. Breite, und im atlantiſchen Meere in 40° Breite eben dieſelbe Neigung ſtatt findet, wie in Europa in 50° Breite, an der Grenze Aſiens in 57° und in Kamt - ſchatka in 60° Breite. Etwas Aehnliches findet auf der ſuͤdlichen Halbkugel ſtatt. Die punctirten Linien zeigen in der Charte dieſe Linien gleicher Neigung.
Bis hieher habe ich die Beantwortung der Frage, ob es denn Puncte auf der Erde giebt, wo die Magnetnadel, welche vor dem Magnetiſiren voͤllig aͤquilibrirt war, ſich vertical ſtellt, wo die Neigung 90° iſt, aufgeſchoben, um das etwas unerwartet ſcheinende Reſultat, daß es vier ſolche Puncte, zwei im Norden, zwei im Suͤden, giebt, vorzubereiten.
Gehen wir naͤmlich von unſern Gegenden aus, wo die Nei - gung 67° bis 68° iſt, grade nach Norden, ſo muͤßten wir bis nach Spitzbergen (beinahe in 80° Breite) reiſen, um die Nadel433 eine Neigung von 80° erlangen zu ſehen, dagegen hat die Magnet - nadel im noͤrdlichen America ſchon in der Breite von 54° (im ſuͤd - lichſten Theile der Hudſonsbay) eben die Neigung von 80°. Ver - folgt man die Linien auf der Erde, wo die Neigung 83°, 85°, und mehr betraͤgt, ſo findet man immer deutlicher, daß ſie ſich in etwas ovaler Form um einen Punct herumziehen, der ungefaͤhr 100° weſtlich von Greenwich in 71° Norderbreite, etwas ſuͤdlich von der Gegend liegt, wo Parry auf ſeiner Polarreiſe uͤberwinterte. Parry beobachtete eine Neigung von 88¾°, und befand ſich alſo nicht weit von dem Puncte, wo die Neigung 90° betragen muß. Dieſer eine Punct iſt ziemlich genau bekannt und in der Charte (Taf. V.) noͤrdlich von America angegeben. Die Kruͤm - mung der Linien gleicher Neigung in Sibirien deutet auf einen eben ſolchen, aber ſehr im unzugaͤnglichen Norden liegenden, zweiten Punct hin, wo die Neigung 90° iſt, deſſen genaue Lage aber ſchwerer zu beſtimmen iſt, weil wir keine Beobachtungen aus Gegen - den, die ihm ſehr nahe ſind, erhalten koͤnnen. Und eben ſo wie es zwei noͤrdliche magnetiſche Pole der Erde giebt, (denn ſo koͤnnen wir jene Puncte nennen,) ſo zeigen uns die Linien gleicher Neigung auf der ſuͤdlichen Halbkugel, daß es dort einen magnetiſchen Suͤdpol ungefaͤhr in 70° Breite grade ſuͤdlich von Neuholland und einen Suͤdpol in noch groͤßerer Breite ſuͤdweſtlich von der ſuͤdlich - ſten Spitze America's geben muß. Die Zeichnung Tafel V. giebt die ungefaͤhre Lage der vier Pole an.
Die Erde zeigt ſich uns alſo ſelbſt als ein Magnet, als mit einer nur auf die magnetiſirten Koͤrper wirkenden Kraft be - gabt, wodurch in der noͤrdlichen Halbkugel der nach Norden zei - gende Pol der Nadel angezogen wird, in der ſuͤdlichen Halbkugel der nach Suͤden zeigende Pol. Ueberlegen wir nun, daß der Nord - pol eines Magnetes den Suͤdpol des andern anzieht, ſo erhellt, daß wir eigentlich dem Nord-Ende unſerer natuͤrlichen und kuͤnſt - lichen Magnete Suͤdpolaritaͤt beilegen muͤßten, weil dieſer Theil der Nadel vom Nordpole der Erde ſelbſt angezogen wird; und wirklich haben mehrere, vorzuͤglich franzoͤſiſche, Schriftſteller dieſen Ausdruck angenommen, daß ſie das nach Norden zeigende Ende der NadelIII. Ee434ihren wahren Suͤdpol nennen und umgekehrt; indeß da wir uns am liebſten an das halten, was in die Augen faͤllt, ſo trage ich kein Bedenken, der gewoͤhnlichen Art zu reden gemaͤß, den nach Norden zeigenden Pol der Nadel den Nordpol oder das Nord - Ende der Nadel zu nennen, obgleich dies nicht ohne einige Unbe - quemlichkeit iſt, weil eben dieſer Pol in den allernoͤrdlichſten Ge - genden, noͤrdlich vom magnetiſchen Pole der Erde, ſich nach Suͤ - den wendet.
Wir duͤrfen jetzt den Gedanken, daß die Erde ein magnetiſcher Koͤrper iſt, in welchem vier Puncte der Oberflaͤche, oder vielleicht richtiger, zwei durch die Erde gezogne magnetiſche Axen, ſich als vorzuͤglich einwirkend zeigen, noch nicht weiter verfolgen, ſondern muͤſſen zuvor auch die uͤbrigen Erſcheinungen, die Abweichung der Nadel naͤmlich und die Staͤrke der magnetiſchen Kraft, in verſchie - denen Gegenden naͤher kennen lernen; indeß wollen wir den Ge - danken, daß die magnetiſchen Pole der Erde doch in jeder Beziehung merkwuͤrdige Puncte ſein moͤgen, nicht aus dem Auge verlieren.
Ueber die Richtung, in welcher die horizontale Magnetnadel zur Ruhe koͤmmt, habe ich mich bisher immer nur ſehr oberflaͤchlich ausgedruͤckt; aber dieſe Richtung iſt fuͤr die genauere Kenntniß der magnetiſchen Kraft der Erde ſehr wichtig. Damit die auf einer Spitze frei ſchwebende Nadel ſich nicht, der Inclination der ma - gnetiſchen Richtungskraft gemaͤß, von der horizontalen Lage ent - ferne, muß man die horizontalen Nadeln nicht ganz ſtrenge in ihrem Schwerpuncte unterſtuͤtzen, ſondern ſo, daß der Schwerpunct ſich ein wenig gegen den Suͤdpol zu von dem unterſtuͤtzten Puncte entfernt befinde, damit das durch die magnetiſche Kraft bewirkte Sinken des Nordpols aufgehoben werde; reiſet man aber dann mit dieſer fuͤr unſre Gegenden eingerichteten Magnetnadel in Gegenden, wo die Neigung geringer iſt, ſo zeigt ſich das Uebergewicht der ſuͤdlichen Haͤlfte der Nadel, und man muß ein kleines Gewichtchen an die noͤrdliche Haͤlfte befeſtigen, damit nun nicht eine Neigung gegen die Horizontallinie eintrete.
435Daß die Magnetnadel in ihrer natuͤrlichen Stellung bei uns nicht genau nach Norden zeigt, habe ich ſchon erwaͤhnt; der Win - kel, um welchen ſie von Norden, vom Meridiane, abweicht, heißt ihre Abweichung oder Declination. An den meiſten Or - ten der Erde findet eine aͤhnliche Abweichung ſtatt, und zwar ſo, daß der Nordpol der Nadel an einigen Orten, wie bei uns, nach Weſten abweicht, an andern nach Oſten. In unſern Gegenden iſt die weſtliche Abweichung ungefaͤhr 17 Grad. Dieſe Abweichungen ſind nur in der Naͤhe der magnetiſchen Pole der Erde einer ziemlich genau richtigen und leicht zu uͤberſehenden Regel unterworfen, naͤmlich der Regel, daß dort die Spitze der Nadel ſich nach dem naͤchſten magnetiſchen Pole der Erde richtet. Hanſteen hat, in d[e]r Ueberzeugung, daß es nicht wohl anders ſein koͤnne, durch Beobachtungen der Abweichung zuerſt die Lage der Pole zu beſtim - men geſucht, indem er die Durchſchnittspuncte der Richtungslinien aufſuchte, die ihm die Beobachtungen der horizontalen Nadel im noͤrdlichſten America fuͤr den einen Pol, in Sibirien fuͤr den zwei - ten Pol, und ſo in der Gegend ſuͤdlich von Neuholland fuͤr den dritten Pol und in den Gegenden ſuͤdlich von America fuͤr den vier - ten Pol, angaben, und ſo hat er die Lage des am genaueſten be - kannten Poles ſehr nahe richtig beſtimmt. Es iſt einleuchtend, daß die Regel nur in der Naͤhe dieſer Pole guͤltig ſein kann, in - dem eine Magnetnadel, die weit entfernt von den Polen, etwa in der Mitte zwiſchen zweien jener Pole, liegt, offenbar einer nach beiden Nordpolen hin gerichteten Anziehung ihres Nord-Endes unter - worfen iſt; ihre Richtung wird alſo zwar dem ſtaͤrker wirkenden mehr zugewandt ſein, als dem andern, aber doch nicht ſo, daß ſich daraus ſo leicht die wahre Lage des einen oder andern Poles auf eine ſichere Weiſe herleiten ließe*)Ueberhaupt iſt dieſe Angabe unvollkommen, und ſo iſt auch die Lage der auf unſrer Charte eingetragenen Pole nur als einigermaßen der Wahrheit nahe anzuſehen.. Parry ſah, als er ſich noͤrdlich von dem uͤber Nord-America liegenden Pole befand, den Nordpol der Magnetnadel gegen Suͤdweſt oder gegen Suͤdoſt ge - kehrt, ſo wie es ſeine Lage gegen den aus andern Beobachtungen bekannten magnetiſchen Pol forderte.
Ee 2436Schon ſeit Halleys Zeiten, das heißt ſeit dem Ende des ſiebenzehnten Jahrhunderts, hat man es der Muͤhe werth gefun - den, diejenigen Linien auf der Erd-Oberflaͤche aufzuſuchen und aufzuzeichnen, in welchen eine gleiche Abweichung der Magnetnadel vom Meridiane ſtatt findet. Dieſe Linien gleicher Abwei - chung, die man (mit einem wohl nicht ganz paſſenden Namen) iſogoniſche (Linien gleicher Winkel) genannt hat, ſtellen ſonder - bare Figuren dar, und dieſes iſt freilich ſo fern nicht zu verwun - dern, als die Vergleichung der magnetiſchen Richtung mit dem aſtronomiſchen Meridiane zwar eine fuͤr die Anwendung in der Seefahrt bequeme, aber doch nicht eigentlich in der Natur der Sache gegruͤndete iſt. Wenn, wie man in fruͤherer Zeit es anzu - nehmen geneigt ſein konnte, die beiden wahren Pole der Erde auch ihre magnetiſchen Pole waͤren, ſo haͤtte man im Meridiane zu - gleich eine mit der magnetiſchen Kraft der Erde in unmittelbarer Beziehung ſtehende Linie; wenn die Erde zwei magnetiſche Pole, aber entfernt von den Erdpolen haͤtte, ſo wuͤrden die groͤßeſten Kreiſe durch dieſe zwei Pole am beſten geeignet ſein, um die Rich - tung der Nadel auf ſie zu beziehen; aber da die Erde wohl gewiß mehr als zwei magnetiſche Pole hat, ſo iſt es ſchwer anzugeben, auf welche Linien man am beſten die beobachteten Richtungen der horizontalen Magnetnadel beziehen koͤnnte. Aber wie wenig paſ - ſend fuͤr theoretiſche Beſtimmungen dieſe Linien gleicher Abweichung ſind, das erhellt am beſten, wenn man annimmt, die Lage der Umdrehungs-Axe der Erde ſei eine andre, waͤhrend die magne - tiſchen Eigenſchaften der Erde dieſelben blieben; dann haͤtten wir andre aſtronomiſche Meridiane und ganz verſchiedene iſogoniſche Linien, obgleich in dem Magnetismus der Erde keine Aenderung vorgegangen waͤre. Die Betrachtungen, wozu wir hier hingeleitet werden, wollen wir indeß verlaſſen, um nur zuerſt die Erfahrungen in einer klaren Darlegung zu uͤberſehen.
In manchen Orten auf der Erde iſt die Abweichung der Na - del vom aſtronomiſchen Meridiane Null, und dieſe Orte, wo die Magnetnadel genau nach Norden zeigt, bilden zwei zuſammen - haͤngende Linien. Die eine Linie ohne Abweichung geht ungefaͤhr von demjenigen magnetiſchen Nordpole, welcher uͤber437 Nord-America liegt, aus*)Vergl. die Charte Taf. V. , durchlaͤuft in beinahe ſuͤdlicher, nur etwas oͤſtlicher, Richtung das noͤrdliche America, geht dann nach Braſilien, von dem ſie nur den kleinern Theil als oͤſtlich liegend abſchneidet, und geht dann gegen den Suͤdpol zu in unzugaͤngliche Gegenden. Die zweite Linie ohne Abweichung, die ich von Suͤden nach Norden verfolgen will, koͤmmt ziemlich eben ſo von dem unter Neuholland liegenden magnetiſchen Suͤdpole her, wie jene vom einen Nordpole; ſie geht dann (freilich zum Theil ſchlecht beſtimmt, wegen Mangel an Beobachtungen,) grade nordwaͤrts bis in die Gegend von Celebes, bildet aber hier, wie Hanſteen aus den Beobachtungen herleitet, eine Reihe von Kruͤmmungen, zuerſt weſtlich nach Borneo, dann noͤrdlich, ferner weſtlich und dann ſuͤdlich durch Sumatra, weſtlich und dann noͤrdlich durch Ceylon, hierauf nordoͤſtlich durch China, noͤrdlich und etwas weſtlich in das noͤrdlichſte Sibirien, abermals weſtlich, dann ſuͤdlich durch Irkutzk, weſtlich im vierzigſten Breitengrade, nordweſtlich gegen Archan - gelsk und weiter dem Pole zu**)Dieſe Linie iſt in ihren einzelnen Kruͤmmungen noch nicht ſehr genau beſtimmt, uͤberdies habe ich (Tafel V.) zum Theil die aͤltern Beobachtungen nach Hanſteen und die neuern nach Erman ver - einigt zum Grunde legen muͤſſen, was allerdings fehlerhaft iſt.Dieſes Zuſammenfuͤgen ungleichzeitiger Beobachtungen iſt auch bei den uͤbrigen iſogoniſchen Linien als ein Fehler anzuſehen, den man aber nicht wohl vermeiden kann, wenn man einen Ueberblick uͤber das Ganze zu geben wuͤnſcht.. Europa und Africa nebſt den benachbarten Meeren und den benachbarten Theilen Aſiens und America's, ſo weit ſie zwiſchen jenen beiden Linien liegen, haben weſtliche Abweichung; diejenigen Gegenden aber, welche jenſeits jener Linien, auf der Erdkugel ungefaͤhr Europa gegenuͤber bei Kamtſchatka und von da ſuͤdwaͤrts, liegen und zugleich die, welche im noͤrdlichſten Sibirien liegen u. ſ. w. haben oͤſtliche Abweichung.
Gehen wir von der uns weſtlich liegenden Linie ohne Abwei - chung aus, ſo gehen die Linien gleicher Abweichung fuͤr 5°, 10°, 15°, weſtlicher Abweichung beinahe mit ihr gleichlaufend; und eben das gilt fuͤr die weſtlich von Archangelsk und Caſan liegenden Linien gleicher Abweichung, wo dieſe nicht uͤber 15°438 betraͤgt. Dagegen verlaſſen die Linien von 25°, 30° und mehr weſtlicher Abweichung dieſe Parallelitaͤt gaͤnzlich, und gehen von dem americaniſchen Nordpole des Magnetismus zuerſt ſuͤd - lich, denn oͤſtlich laufend, ſehr bald in die genau noͤrdliche Richtung uͤber; und ebenſo finden ſich ſuͤdweſtlich von Neu - holland Linien gleicher Abweichung von 20°, 30°, 40°, die von dem unter Neuholland liegenden Suͤdpole noͤrdlich, dann weſtlich laufend, bald die genaue ſuͤdliche Richtung nehmen. Im mittlern und ſuͤdlichen Aſien, wo die Nulllinie ſo unregelmaͤßige Kruͤm - mungen macht, ſcheinen in ſich zuruͤckkehrende, ovale Linien glei - cher Abweichung zu liegen*)Namentlich unter 130° Laͤnge und 50° Nordbreite.. Was die Linien gleicher oͤſtlicher Abweichung betrifft, ſo laͤßt ſich die Uebereinſtimmung mit den eben betrachteten Linien gleicher weſtlicher Abweichung am beſten uͤberſehn, wenn man die ſtarke Kruͤmmung der aſiatiſchen Null - linie zuerſt aus den Augen laͤßt und vom 60ſten noͤrdlichen Breiten - grade nach Neuholland eine ziemlich ungekruͤmmt fortgehende Linie zieht. Mit dieſer ungefaͤhr gleichlaufend ſind die Linien, wo 4°, 6°, 10° Abweichung ſtatt findet; dann aber folgen im Norden und im Suͤden Linien gleicher Abweichung, die, ganz in den noͤrdlichen und ſuͤdlichen Gegenden bleibend, wenigſtens der Vermuthung, daß ſie von einem der magnetiſchen Pole aus - gehend, dem naͤchſten Erdpole zu gehn, nicht widerſprechen. In den ſtarken Kruͤmmungen der aſiatiſchen Nulllinie ſcheinen auch fuͤr oͤſtliche Abweichung ſolche in ſich zuruͤckkehrende Curven zu liegen, wie fuͤr die weſtliche Abweichung. Aber nun findet ſich noch ein Syſtem in ſich zuruͤckkehrender Curven gleicher oͤſtlicher Abweichung, wozu wir bei den Linien gleicher weſtlicher Abweichung keine genaue Analogie kennen. Im ſtillen Meere naͤmlich wird ein großes Vier-Eck uͤbrig gelaſſen, wohin die von Norden kom - menden und bald nach Norden zuruͤckkehrenden und auch die von Suͤden kommenden und bald nach Suͤden zuruͤckkehrenden Linien gleicher Abweichung nicht gelangen, und das auch von den mit den Nulllinien gleichlaufenden Linien nicht erreicht wird. In dieſem großen Raume, weſtlich von Suͤd-America, iſt ungefaͤhr bei den Marqueſas-Inſeln die Abweichung am kleinſten, und die439 Linien gleicher, zunehmender Abweichung bilden Ovale um dieſen Punct bis zum Anſchließen an die oben erwaͤhnten Grenzen. Viel - leicht giebt es fuͤr weſtliche Abweichung etwas Aehnliches im In - nern von Africa, wo ein kleinerer viereckiger Raum von den Li - nien einer 15° betragenden Abweichung an der Oſt - und Weſtſeite, und von den Linien einer 20° betragenden Abweichung noͤrdlich und ſuͤdlich begrenzt wird. Dieſe africaniſchen Ovale, die in un - beſuchten Gegenden liegen muͤßten und noch ununterſucht ſind, wuͤrden ungefaͤhr da liegen, wo zwei groͤßte Kreiſe ſich durchſchnei - den, deren einer durch die beiden ſtaͤrkſten Pole in Nord-Ame - rica und unter Neuholland, der andere durch die beiden ſchwaͤ - chern Pole geht; und wenn gleich eine eben ſolche Beſtimmung fuͤr die Ovale im ſtillen Meere weniger gut zutrifft, ſo deutet ſie doch einigermaßen die Gegend an, wo dieſe ſich wirklich finden, und an mehr als oberflaͤchliche Uebereinſtimmung iſt hier ohnehin nicht zu denken.
Ich darf dieſen Gegenſtand nicht verlaſſen, ohne noch zu be - merken, welche Schwierigkeiten dieſen Beſtimmungen, die wir bisher benutzt haben, entgegenſtehen. Auf dem feſten Lande ſind dieſe in Beziehung auf die Abweichung unbedeutend, da man die Naͤhe von Eiſenmaſſen vermeiden und die Richtung des Meridians vollkommen genau kennen lernen kann; auf dem Meere aber iſt die Sicherung gegen die Einwirkung des Eiſens im Schiffe minder zuverlaͤſſig, und auch die Beſtimmung des wahren Norden ſchwie - riger. Bei den aͤlteren Beobachtungen der Abweichung iſt oft die Vergleichung der Richtung der Magnetnadel mit derjenigen Rich - tung, in welcher man die Sonne untergehen ſah, benutzt; aber dieſes iſt keine gute Beſtimmung, da bei ſtaͤrkerer Strahlenbrechung, — und Sie wiſſen, daß dieſe ſehr ungleich iſt, — die Sonne in einem etwas noͤrdlicheren Puncte den ſcheinbaren Horizont erreicht.
Die genaue Beſtimmung der Neigung hat weit mehr Schwie - rigkeit. Da naͤmlich die Axe der Nadel, wenn ſie gleich duͤnne iſt, die Reibung an ihrer Oberflaͤche immer doch in einigem Abſtande vom Drehungspuncte leidet, ſo hat die Reibung ein nicht uner -440 hebliches Moment, und hindert die Nadel an der Erlangung der genau richtigen Stellung. Es iſt naͤmlich offenbar, daß die nur noch wenige Minuten von der richtigen Stellung entfernte Nei - gungsnadel mit einer hoͤchſt ſchwachen Kraft zu dieſer richtigen Stellung hingezogen wird, indem, wenn CB die Richtung der Nadel, CA die Richtung der magnetiſchen Kraft iſt, (Fig. 143.) die Linie AB verhaͤltnißmaͤßig diejenige Kraft ausdruͤckt, welche zur Drehung der Nadel beitraͤgt. Wenn dieſe ſo klein wird, daß ſie die Reibung nicht uͤberwinden kann, ſo bleibt die Nadel bald um einige Minuten an der einen Seite, bald um einige Minuten an der andern Seite von der richtigen Stellung entfernt, und die Grenzen dieſer Ungleichheiten lehren uns wenigſtens den Grad der Unſicherheit der Angaben kennen*)Aus dieſem Grunde ſieht man auch die Neigungsnadeln ihre Oſcillationen viel weniger lange fortſetzen, als die horizontalen Nadeln, obgleich die langſamen Oſcillationen der letztern eine ſchwaͤcher wir - kende Kraft anzeigen.. Da dieſe Unſicherheit davon herruͤhrt, daß zuletzt keine merkliche, den Ausſchlag gebende Kraft vorhanden iſt; ſo hat Mayer eine andere Einrichtung der Nei - gungsnadeln empfohlen, die auch Sabine nach vielmaliger prac - tiſcher Anwendung zweckmaͤßig gefunden hat. Statt naͤmlich, wie wir es fruͤher vorausſetzten, die Nadel fuͤr alle Stellungen zu aͤqui - libriren, oder ſie genau im Schwerpuncte aufzuhaͤngen, wird ſie nur wie ein Waagebalken fuͤr die horizontale Stellung abgeglichen und (Fig. 144) mit einem angelegten Blaͤttchen GH abſichtlich an der untern Seite ſchwerer gemacht. Wird nun die Nadel ma - gnetiſirt, ſo ſinkt ihr noͤrdlicher Theil herab; aber die Nadel nimmt nun nicht die eigentliche Stellung der Neigungsnadel an, ſondern indem (Fig. 145, wo das angelegte Stuͤck GH der beſſeren Ver - ſtaͤndlichkeit wegen ſehr breit dargeſtellt iſt), der in C liegende Schwer - punct gehoben wird; bleibt AB weniger geneigt, als die Richtung ED der magnetiſchen Kraft es fordert; dieſe Kraft naͤmlich zoͤge B herabwaͤrts, aber da dann der Schwerpunct C gehoben werden muͤßte, ſo tritt ein Gleichgewicht ein. Um aus dieſer unrichtigen Neigung die richtige abzuleiten, muß man die Nadel in ihrer Un - terlage umlegen; dann nimmt ſie eine zu nahe mit der Vertical -441 linie uͤbereinſtimmende Lage an, wie Fig. 146. zeigt, indem die nach ED wirkende Kraft des Magnetismus nun B zu heben ſucht und dem Beſtreben des Schwerpunctes C herabzuſinken, auf die entgegengeſetzte Art entgegenwirken muß. Daß ſich aus zwei ſolchen Beobachtungen die wahre Neigung finden laͤßt, erhellt wohl, jedoch wird vorausgeſetzt, daß die unmagnetiſirte Nadel fuͤr die horizon - tale Stellung ganz genau berichtiget war; wenn das ungewiß iſt, ſo muß man durch neues Beſtreichen der Nadel den Nordpol in einen Suͤdpol verwandeln und jene beiden Beobachtungen wieder - holen. Dieſe Einrichtung giebt den Vortheil, daß die Nadel, wie Sabine beſtaͤtigt fand, mit großer Genauigkeit immer dieſelbe Stellung annimmt, weil die Drehungskraft, ſelbſt nahe bei der Gleichgewichtsſtellung, noch ziemlich erheblich bleibt.
Die bisherigen Unterſuchungen betrafen die Richtung der magnetiſchen Kraft an jedem Orte auf der Erde, und dieſe iſt durch Neigung und Abweichung ſo angegeben, daß man alle Be - ziehungen, die bloß die Richtung der magnetiſchen Kraft be - treffen, dadurch kennen lernt. Aber auch die Staͤrke der magne - tiſchen Kraft iſt in verſchiedenen Gegenden ungleich. Um hieruͤber Verſuche anzuſtellen, muß man ſehr vollkommen gehaͤrtete Magnet - nadeln haben, damit man ſicher ſei, daß dieſe an ſich ſelbſt als un - veraͤnderlich duͤrfen angeſehen werden; die Verſuche uͤber ihre Oſcillationszeiten geben dann die Beſtimmungen uͤber die Ungleich - heit der wirkenden magnetiſchen Kraft. Bedient man ſich einer ſolchen Neigungsnadel, die nach allen Richtungen aͤquilibrirt war, ehe ſie magnetiſirt wurde, ſo dienen die Oſcillationszeiten unmit - telbar zu Beſtimmung der Kraft, indem ſchnellere Oſcillationen groͤßere Kraft anzeigen; bedient man ſich der horizontalen Nadel, ſo muß man bedenken, daß die horizontal wirkende magnetiſche Kraft vorzuͤglich da, wo die Neigung der Magnetnadel bedeutend iſt, geringer iſt, daß alſo die Beſtimmung der geſammten ma - gnetiſchen Kraft erſt aus dieſer Ruͤckſicht auf die Neigung her - vorgeht.
Eine in der natuͤrlichen Richtung der magnetiſchen Kraft oſcillirende Nadel machte in Peru unter dem magnetiſchen Ae -442 quator der Erde in 10 Minuten 211 Oſcillationen, in Paris in eben der Zeit 245 Oſcillationen; die magnetiſche Kraft in Peru, unter dem magnetiſchen Aequator, verhielt ſich alſo zu der in Paris, wie 211 ⋅ 211 = 44521 zu 245 ⋅ 245 = 60025, das iſt, wie 1 zu 1,3482. Die horizontale Nadel ſchwingt dagegen in Paris langſamer, weil bei der ſtarken Neigung der Nadel, welche 69° betraͤgt, die horizontal wirkende Kraft nur etwas mehr als ein Drittel der geſammten magnetiſchen Kraft iſt, in mehr noͤrd - lichen Gegenden ſind die horizontalen Oſcillationen noch traͤger, obgleich die geſammte Kraft in den noͤrdlichen Gegenden noch mehr zunimmt.
Die Beobachtungen zeigen, daß die magnetiſche Kraft am ſchwaͤchſten iſt um den magnetiſchen Aequator der Erde, daß ſie im Allgemeinen mit der Neigung der Nadel zunimmt, daß ſie aber doch keineswegs bei gleicher Neigung gleich oder auf jeder iſocliniſchen Linie in jedem Puncte gleich iſt. Schon Hanſteen hat bemerkt, daß, wenn man auf den Linien gleicher Neigung von Europa nach America fortgehe, man in America viel groͤßere In - tenſitaͤten finde, und Erman zeigt, daß im magnetiſchen Aequator im weſtlichen Theile des atlantiſchen Meeres die magnetiſche Kraft nur ¾ derjenigen iſt, die 100 Grade weſtlicher im ſtillen Meere ſtatt findet. Da nun, wenn man von dieſem Puncte einer ſo geringen Intenſitaͤt noͤrdlich und ſuͤdlich fortgeht, man zu ſtaͤrkern Graden der magnetiſchen Kraft gelangt, ſo haben die Li - nien gleicher Kraft, die iſodynamiſchen Linien, ſo fern ſie ſo geringen Kraͤften angehoͤren, Durchſchnittspuncte mit dem magnetiſchen Aequator; dagegen haben die Linien gleicher Kraft, wo die Kraft merklich uͤber $$\frac{4}{3}$$ jener ſchwaͤchſten Intenſitaͤt ſteigt, keine Durchſchnittspuncte mit dem magnetiſchen Aequator, ſondern bilden in der noͤrdlichen Halbkugel Linien, die ſich in Ame - rica und im oͤſtlichen Aſien ſuͤdlicher ziehn, in den zwiſchenliegenden Gegenden etwas noͤrdlichere Gegenden erreichen. Auch dieſe iſo - dynamiſchen Linien, die in der Charte ganz ausgezogen und mit 0,8; 1,0; 1,2; 1,4; bezeichnet ſind, wenden in den vom Ae - quator entfernten Gegenden auffallend ihre concaven Seiten gegen die Gegenden, wo die vier magnetiſchen Pole liegen, aber die Lage der Puncte, die man als der Mitte dieſer Concavitaͤten ent -443 ſprechend anſehn moͤchte, ſtimmt keinesweges genau mit den fruͤher aufgefundenen Polen uͤberein; ſondern wir werden hier darauf aufmerkſam gemacht, daß die Puncte einer ſenkrechten Stellung der Magnetnadel nicht ſo gradezu die magnetiſchen Pole der Erde ſind.
In den noͤrdlichſten Gegenden von America iſt die magne - tiſche Kraft ziemlich viel uͤber das Doppelte derjenigen, die am magnetiſchen Aequator an der Weſtkuͤſte Africa's ſtatt findet. Der Punct der groͤßten Intenſitaͤt im noͤrdlichen America muß nach Hanſteens Zuſammenſtellungen ungefaͤhr 80° von Paris weſtlich, im 55° noͤrdlicher Breite liegen; nach Ermans Beobach - tungen liegt ein eben ſolcher Punct groͤßeſter Intenſitaͤt in Si - birien, in groͤßerer Breite als 60° und 120° oͤſtlich von Paris. Dieſe Puncte groͤßter Intenſitaͤt ſtimmen nicht genau mit denen, die wir nach den Angaben der Richtung der Magnetnadeln Pole nennen wollten, uͤberein. Auf der ſuͤdlichen Halbkugel ſind we - nigere Beſtimmungen der Intenſitaͤt des Magnetismus bekannt, indeß weiß man, daß ſuͤdlich von Neuholland die magnetiſche Kraft faſt eben ſo groß, als in Nord-Amerika und Sibirien iſt, ſo wie es die Naͤhe des dortigen Poles zu fordern ſcheint*)Die Linien gleicher Kraft ſind in Taf. V. meiſtens von Erman entlehnt, (Poggend. Ann. XXI. ) doch habe ich in Neuholland und dem noͤrdlichſten America einige Beſtimmungen von Hanſteen beigefuͤgt. Die Zahlen 0,8; 0,9; 1,0; 1,2; 1,4; 1,6; geben die Verhaͤltniſſe der magnetiſchen Kraft an..
Die Unterſuchungen uͤber die Intenſitaͤt der magnetiſchen Kraft ſind erſt in der neueſten Zeit durch von Humboldt in ihrer Wichtigkeit dargeſtellt und ſeitdem weiter verfolgt worden. Offenbar geben ſie uns wichtige Belehrungen uͤber die Austhei - lung der magnetiſchen Kraft der Erde, und muͤſſen ſehr weſentlich beitragen, unſre Kenntniſſe uͤber den Erdmagnetismus zu berich - tigen und eine Theorie aller dieſer Erſcheinungen herbeizufuͤhren.
Die neulich betrachteten Erfolge der Einwirkung der ma - gnetiſchen Kraͤfte auf unſre Magnetnadeln ſollten uns nun billig zu der Beantwortung der Frage fuͤhren, welche Austheilung der magnetiſchen Kraͤfte in der Erde ſelbſt ſtatt findet; aber um hiebei nichts aus den Augen zu laſſen, was die Beobachtungen darbieten, muß ich noch bei den Aenderungen, welche die Richtung und Staͤrke der magnetiſchen Kraft im Laufe der Zeit erleidet, ver - weilen.
Die Inclinationen der Nadel ſind in fruͤherer Zeit ſelten und nicht vollkommen genau beobachtet worden, indeß ſind doch auch dieſe aͤlteren Beobachtungen zu mehrern wichtigen Beſtimmungen zureichend. In London war um oder kurz nach dem Anfange des vorigen Jahrhunderts die Neigung gegen 75° und jetzt iſt ſie nicht voͤllig 69¾°; in Paris war ſie 1671 75°, 1754 72¼°, 1806 69° 12′, 1827 68°. Ebenſo iſt ſie in allen Gegenden Deutſchlands im Abnehmen. Die Linie ohne Neigung ſcheint nach den neueſten Beobachtungen ihre Durchſchnittspuncte mit dem Aequator und ihre groͤßte Entfernung vom Aequator etwas weſt - licher zu haben, als es nach den von Hanſteen fuͤr das Jahr 1780 geſammelten Beobachtungen der Fall war. Dieſes wuͤrde auf ein Fortruͤcken der magnetiſchen Erdpole nach Weſten hinzu - weiſen ſcheinen, und ſo viel wenigſtens iſt klar, daß, wenn der am ſtaͤrkſten wirkende Nordpol der Erde im noͤrdlichen America ſich von Europa weiter nach Weſten entfernt, jeder Ort in Eu - ropa immer mehr in Linien geringerer Neigung hineinruͤckt, wie Sie bei einem Blicke auf die Charte leicht uͤberſehn.
Noch auffallendern Aenderungen iſt die Abweichung unter - worfen. Sie iſt in fruͤhern Zeiten in unſern Gegenden oͤſtlich geweſen, iſt dann weſtlich geworden und kuͤrzlich hat die weſtliche445 Abweichung ihren groͤßeſten Werth erreicht; jetzt iſt ſie noch immer weſtlich, aber abnehmend. Von Paris und London haben wir am laͤngſten fortgeſetzte Beobachtungen. In Paris betrug die Ab - weichung oͤſtlich 11° im Jahre 1580, die Nadel zeigte genau nach Norden im Jahre 1666, ihre weſtliche Abweichung war 10° im Jahre 1712, 20° im Jahre 1771, und erreichte gegen das Jahr 1819 beinahe 23°. In London betrug 1580 die oͤſtliche Abwei - chung 11 Grad, 1657 fand weder oͤſtliche noch weſtliche Abweichung ſtatt, 1692 war die weſtliche Abweichung 6°, 1750 ungefaͤhr 18°, 1797 war ſie 24° und nahm nun ſehr langſam zu, ſo daß die Nadel 1819 die groͤßte weſtliche Abweichung, etwas mehr als 24½°, erreichte; ſeitdem iſt dort die Declination in langſamem Abnehmen. Im oͤſtlichen Deutſchland iſt die Abweichung ſchon laͤnger abnehmend und hat ſich ſeit 1814 ſtark vermindert.
Dieſe Aenderungen der Abweichung an jedem Orte bringen im Fortgange der Zeit die auffallendſten Aenderungen der Linien gleicher Abweichung hervor, und dieſe Aenderungen ſind vorzuͤglich darum zu merken, damit man ſich nicht verleiten laſſe, ſolche Un - regelmaͤßigkeiten, wie ſie jetzt die Linie ohne Abweichung in Aſien zeigt, fuͤr bloße Folge oͤrtlicher Einwirkungen der Gebirge und der unveraͤnderlichen Theile der Erde anzuſehen. Im Jahre 1600 ging die Linie ohne Abweichung von Africa beinahe genau noͤrdlich bis nach Finnland und Lappland, wo ſie ſich weſtlich wandte und dann an der Suͤdoſtkuͤſte von Island vorbei, ſuͤdlich auf die Nord - kuͤſte von Suͤd-America zulief. Sie umſchloß in Europa ovale Linien gleicher Abweichung, in deren Mitte England mit 9° oͤſt - licher Abweichung lag. Im Jahre 1700 hatte ſich dieſe ſtarke Kruͤmmung mit den eingeſchloſſenen ovalen Linien gleicher Abwei - chung ganz verloren, und der regelmaͤßigere Theil der Linie ohne Abweichung hatte ſich auf die Weſtſeite Africa's hin begeben, von wo ſich dieſe Linie in maͤßiger Kruͤmmung nach der Kuͤſte von Nord-America wandte. Dagegen ſcheint im Jahre 1700 die durch das oͤſtliche Aſien gehende Linie ohne Abweichung frei von den Kruͤmmungen geweſen zu ſein, die ſie jetzt angenommen hat. Die ſchon ſeit 1700 durch das atlantiſche Meere gehende Linie ohne Abweichung hat ſich immer mehr gegen die Kuͤſte von Bra - ſilien hin gezogen und hat ſie, nach Erman, jetzt wirklich erreicht. 446Daß mit dieſen Aenderungen auch entſprechende Aenderungen der uͤbrigen Linien gleicher Abweichung verbunden geweſen ſind, ver - ſteht ſich von ſelbſt. So lange die weſtlich von Europa liegende Linie ohne Abweichung, die ſich von uns entfernt, uns noch nahe war, ruͤckte jeder Ort in Europa nach und nach in Linien groͤßerer weſtlicher Abweichung hinein; jetzt iſt die Linie groͤßeſter Abwei - chung uͤber unſre Gegenden hinausgeruͤckt und die Linien kleinerer weſtlicher Abweichung kommen in unſre Gegenden, deſto mehr, je naͤher die aſiatiſche Linie ohne Abweichung zu uns heran koͤmmt.
Daß auch die Intenſitaͤt des Magnetismus in unſern Gegen - den abnimmt, hat man erſt neuerlich bemerkt. Wenn, wie es ſcheint, der fuͤr unſere Gegenden wirkſamſte Pol ſich von uns ent - fernt, ſo iſt es natuͤrlich, daß wir eben ſo nach und nach zu Linien geringerer Intenſitaͤt gelangen, wie zu Linien geringerer Neigung, wenn gleich dieſe nicht genau mit einander uͤbereinſtimmen.
Legrand hat in Hinſicht auf die Aenderungen der Abwei - chung und Neigung die Bemerkung mitgetheilt, daß man ſie in Verbindung betrachten muͤſſe, um ſie einfacher zu uͤberſehen. Die wahre Richtung der magnetiſchen Kraft aͤndere ſich in Paris gleich - foͤrmig und durchlaufe eine Kegelflaͤche, die an der Spitze einen Winkel von 17° 19 'bilde; ſeit 1666, wo die Abweichung in Paris = 0 war, bis 1819, wo ſie am groͤßeſten war, habe die Richtung der Nadel auf dieſer Flaͤche 69° 9'durchlaufen, und wenn man darnach die Abweichung und Neigung fuͤr die einzelnen Jahre berechne, ſo finde man Zahlen, die bei der Inclination hoͤch - ſtens 17', bei der Declination hoͤchſtens 36 'von den Beobachtun - gen abweichen. Wenn ſich die Richtigkeit dieſer Bemerkung, daß man die Aenderung der Richtung der magnetiſchen Kraft als gleich - maͤßig finde, auch fuͤr andre Orte beſtaͤtigte, ſo wuͤrde die Axe, um welche herum ſich dieſe Richtungslinien gleichfoͤrmig bewegen, eine fuͤr jeden einzelnen Ort ſehr wichtige Linie ſein.
Die Abweichung nimmt nicht von einem Tage zum andern und von einer Stunde zur andern gleichmaͤßig zu oder ab, ſon - dern ſchon Wilke, Caſſini u. a. fanden, daß die horizontale447 Nadel um 2 bis 3 Uhr Nachmittags am meiſten weſtlich ſtand und fruͤh Morgens am meiſten oͤſtlich. Beaufoy fand fuͤr London 8½ Uhr als die Zeit der geringſten weſtlichen Abweichung, 1½Uhr als die Zeit der groͤßeſten Abweichung, und der Unterſchied betrug um das Jahr 1820 in London 9 Minuten. Auch Beob - achtungen an andern Orten auf der noͤrdlichen Halbkugel ſtimmen hiermit uͤberein.
Barlow hat eine neue Methode befolgt, um die taͤglichen Variationen merklicher zu machen, indem er die Kraft der Nadel durch Magnete, in ihrer Naͤhe angebracht, ſchwaͤchte. Es iſt naͤm - lich offenbar, daß wenn die Nadel AB (Fig. 147.) genau nach Norden gerichtet iſt, und man ihrem Nordpole den Nordpol N eines Magnetes naͤhert, dieſer ſie aus ihrer Richtung zu treiben ſtrebt, alſo die Richtungskraft nach Norden hin ſchwaͤcht. Iſt dieſes in bedeutendem Maaße geſchehen, und man laͤßt den Ma - gnet ganze Tage in gleicher Stellung, ſo werden die taͤglichen Schwankungen der Magnetnadel viel ſtaͤrker und gehen auf mehrere Grade. Dabei hat Barlow noch eine andre Bemerkung ge - macht. Wenn man durch nahe gebrachte Magnete die Nadel in andern Richtungen, abweichend vom magnetiſchen Meridiane, zur Ruhe bringt, ſo ſind die Schwankungen der Nadel im Laufe des Tages bei jeder dieſer Stellungen anders, und es giebt eine Stel - lung der Magnetnadel, bei welcher gar keine taͤglichen Schwankun - gen eintreten; dieſe iſt in London merklich vom magnetiſchen Nor - den abweichend von NNW nach SSO gerichtet. Allerdings ſcheint dieſe Linie von Wichtigkeit zu ſein; aber man muß beden - ken, daß in allen den Verſuchen, wo die Nadel in Ruͤckſicht ihrer Richtungskraft geſchwaͤcht iſt, ſie von einer Menge Nebenum - ſtaͤnde abhaͤngig gemacht wird, (weshalb ſchon Caſſini die Schwankungen ſchwacher Nadeln unregelmaͤßig fand,) daß ferner die Kraft der Magnete ſelbſt bei der groͤßern Tageswaͤrme eine geringere iſt, und daß daher auf dieſe Verſuche und Beobachtungen noch kein allzu großes Gewicht gelegt werden darf.
Was die Urſache dieſer taͤglichen Aenderungen der ohne fremde Stoͤrung beobachteten Nadel betrifft, ſo darf man ſie wohl in der ungleichen Erwaͤrmung der Erde ſuchen. Jeder Magnet wirkt etwas ſchwaͤcher, wenn er warm iſt; dehnen wir dieſe Erfahrung448 auf die verſchiedenen Theile der Erde aus, ſo muͤſſen Vormittags die oͤſtlichen Theile der Erde weniger anziehend wirken, die weſt - liche Abweichung muß zunehmen und ungefaͤhr um dieſelbe Zeit, wie die groͤßte Tageswaͤrme, ihr Maximum erreichen. Chriſtie hat die taͤglichen Aenderungen durch eine Reihe thermomagneti - ſcher Verſuche mit dieſen ſpaͤter erſt zu erwaͤhnenden Erſcheinungen in Verbindung geſetzt; ich weiß aber nicht, ob man ſeine Schluͤſſe als recht genuͤgend anſehen kann.
Auch die magnetiſche Kraft der Erde iſt taͤglichen Wechſeln unterworfen und Hanſteen findet ſie um 4 bis 5 Uhr Nachm. am ſtaͤrkſten, um 11 Uhr Morgens am ſchwaͤchſten. Foſter aber, der auf Spitzbergen die Oſcillationen ſowohl der Neigungs - nadel, als der horizontalen Nadel zu verſchiedenen Tagesſtunden beobachtet hat, findet aus 11taͤgigen Beobachtungen, daß die Nei - gungsnadel kurz nach Mitternacht am ſchnellſten, um 3 Uhr Nach - mittags am langſamſten vibrirte, ſtatt daß bei der horizontalen Nadel faſt genau das Umgekehrte eintrat. Bei jener mußte man eine Zunahme der Kraft um $$\frac{1}{116}$$ von Mittag bis Mitternacht, bei dieſer ein Abnehmen der Kraft um $$\frac{1}{70}$$ in eben der Zeit anneh - men. Dieſer anſcheinende Widerſpruch hebt ſich, wenn man um Mittag die ganze magnetiſche Kraft, ſo wie die Neigungsnadel ſie angiebt, am kleinſten, zugleich aber die Neigung als um mehr als 10 Min. kleiner als um Mitternacht annimmt, indem bei geringer werdender Neigung der in horizontaler Richtung wirkende Theil der Kraft groͤßer wird.
Auch nach den Jahreszeiten iſt die Aenderung der Abweichung etwas verſchieden; Caſſini fand vom Januar bis April die weſt - liche Abweichung groͤßer als in den Sommermonaten.
Neben dieſen ziemlich regelmaͤßigen Veraͤnderungen der Ab - weichung treten auch zuweilen ploͤtzliche Veraͤnderungen ein. Beau - foy hat dieſe zuweilen bei Gewittern bemerkt; auffallender und beſtimmter, (obgleich nicht ohne Ausnahme,) gehen ſie bei Nord - lichtern hervor, worauf ich nachher noch zuruͤckkomme.
Bei ſo zahlreichen Beobachtungen uͤber Richtung und Staͤrke der magnetiſchen Kraft der Erde ſollte man glauben, daß es nicht449 ſchwer ſein muͤßte, uͤber die Art der Einwirkung der Erde, uͤber die Lage ihrer magnetiſchen Pole u. ſ. w. etwas ganz Genaues an - zugeben. Gleichwohl hat dieſes große Schwierigkeit. Ein Theil dieſer Schwierigkeiten entſteht daraus, daß wir practiſcher Zwecke wegen unſre Aufmerkſamkeit vorzuͤglich auf die Lage der horizonta - len Nadel gegen den aſtronomiſchen Meridian jedes Ortes richten, obgleich es ziemlich deutlich zu erhellen ſcheint, daß dieſe Meridiane in keinem natuͤrlichen Zuſammenhange mit dem Magnetismus der Erde ſtehen; und wir wuͤrden vielleicht eine etwas beſſere Ueberſicht der Erſcheinungen gewinnen, wenn wir die Richtungen der ma - gnetiſchen Kraft an verſchiedenen Orten auf eine fuͤr die Natur der Sache angemeſſenere Weiſe zuſammen zu ordnen wuͤßten.
Wir haben einige Kenntniß von vier magnetiſchen Polen aus den fruͤher mitgetheilten Angaben geſchoͤpft; aber wir ſind noch weit davon entfernt, ihre genaue Lage zu kennen. Bleiben wir zuerſt bei den Puncten ſtehen, die man ſcheinbare Pole nennen koͤnnte, ſo wuͤrden ſie durch Beobachtung der nahe an 90° kom - menden Neigung, und durch Beobachtung der Puncte, nach wel - chen die Abweichungsnadeln in der Nachbarſchaft dieſer Pole ge - richtet ſind, wohl zu beſtimmen ſein; aber es laͤßt ſich ziemlich leicht uͤberſehen, daß dieſe Puncte nicht ſo gradezu die wahren magnetiſchen Pole der Erde ſind. Deuten naͤmlich, wie es ſehr den Anſchein hat, die ſaͤmmtlichen magnetiſchen Erſcheinungen auf der Erde darauf hin, daß die Erde zwei magnetiſche Axen hat; ſo laͤgen die wahren Pole da, wo dieſe Axen oder ihre Verlaͤngerun - gen die Oberflaͤche der Erde treffen. Offenbar aber ſteht die Nadel im noͤrdlichen America nicht ganz ſo, wie es die dahin gerichtete magnetiſche Axe fordert, ſondern die zweite Axe uͤbt auch einige Wirkung aus, und der von beiden Nordpolen der Erde angezogene Theil der Nadel nimmt eine mittlere Richtung zwiſchen beiden auf ihn wirkenden Kraͤften an. Da wir demnach die genaue Lage der Endpuncte der magnetiſchen Axen nicht kennen, ſo muͤſſen wir die geographiſche Laͤnge und Breite der wahren vier Pole als unbe - kannte, aus den Beobachtungen erſt zu beſtimmende, Groͤßen an - ſehen; und zu dieſen acht unbekannten Groͤßen kommen noch vier, naͤmlich die Tiefe der vier wirkſamſten Endpuncte jener Axen unter der Oberflaͤche der Erde, und endlich das Verhaͤltniß der magne -III. Ff450tiſchen Kraͤfte beider Axen. Dieſe Groͤßen muͤßten, unter der Vor - ausſetzung, daß jene zwei magnetiſchen Axen ſich in Hinſicht der Austheilung des Magnetismus in ihnen ungefaͤhr wie unſre kuͤnſt - lichen Magnete verhalten, aus den vorhandenen Beobachtungen berechnet werden, und Hanſteen hat es in der That verſucht, ſolche Beſtimmungen aus den Beobachtungen herzuleiten. Aber ſo ſehr ſchaͤtzenswerth dieſe Arbeit iſt, ſo kann ſie doch, zumal bei der Einwirkung mancher Nebenumſtaͤnde auf die Beobachtungen, nur mit großer Schwierigkeit durchgefuͤhrt werden, und es moͤchte daher wohl rathſam ſein, die Frage, ob die Annahme zweier ma - gnetiſcher Axen der Wahrheit ziemlich entſpreche, auf einem in - directen Wege zu pruͤfen. Dies koͤnnte ſo geſchehen, daß man nur obenhin den vorhin genannten Groͤßen ihre Werthe, ſo wie ſie ungefaͤhr zu ſein ſcheinen, beilegte, daraus aber, welches viel leichter iſt, fuͤr zahlreiche Orte die Intenſitaͤt, Inclination und Declina - tion berechnete; dieſe Berechnung wuͤrde zeigen, wie die Puncte der ſenkrechten Stellung der Magnetnadel gegen die angenommenen Pole liegen, welche Formen die Linien gleicher Neigung, gleicher Abweichung, gleicher Kraft, erhalten, und ſo koͤnnte man gewiß deutlich erkennen, ob die Hypotheſe, welche zwei magnetiſche Axen, gleichſam zwei große Magnete im Innern der Erde, annimmt, Reſultate, der Wahrheit nahe entſprechend, giebt. Daß man bei dieſer Unterſuchung auf mehrere große Schwierigkeiten geraͤth, hat indeß ſchon Hanſteen gezeigt.
Hier muß ich mich begnuͤgen zu zeigen, daß die Unterſuchung ſich nicht als ganz außer den Grenzen der Ausfuͤhrbarkeit liegend anſehen laͤßt, und dazu mag folgende Betrachtung dienen, die ſich durch Experimente erlaͤutern laͤßt. Wenn man neben einem ſtar - ken Magnete AB (Fig. 148.), der in der Richtung des magneti - ſchen Meridians liegt, eine Magnetnadel CD ſo aufſtellt, daß die Mittelpuncte beider in der auf AB ſenkrechten Linie EF liegen, ſo bleibt gewiß die Nadel CD in der richtigen Stellung, weil ihr Nordpol D eben ſo ſtark vom Nordpole B abgeſtoßen wird, als ihr Suͤdpol C vom Suͤdpole A, und eben dieſe Gleichheit in Beziehung auf die Anziehung gegen die ungleichnamigen Pole ſtatt findet. Bringt man dagegen die Magnetnadel nach GH, ſo wird gewiß der Suͤdpol G vom Nordpole B angezogen, H dagegen von A an -451 gezogen, und wenn die Einwirkung ſtark genug iſt, um die Ein - wirkung des Erdmagnetismus zu uͤberwinden, ſo wird der Nord - pol H ſich ſogar bis in eine ſuͤdliche Richtung hin ablenken laſſen. Es iſt leicht einzuſehen, daß eine Berechnung der Einwirkung aller Theile des Magnetes auf alle Theile der Nadel ſich ausfuͤhren und daraus die Lage der Magnetnadel ſich beſtimmen ließe, und daß eben ſo, man mag nun eine oder zwei magnetiſche Erd-Axen vor - ausſetzen, die Beſtimmung der Abweichung und Neigung der Ma - gnetnadel auf der Erde ausfuͤhrbar waͤre. Wenn man eine ganze Folge von kleinen Magnetnadeln neben dem Magnete aufſtellte, ſo wuͤrden ſie ſich in eine regelmaͤßige Linie ſtellen, die man, be - freit von der Einwirkung des Erdmagnetismus, durch folgenden Verſuch zeigt. Man legt (Fig. 149.) einen ſtarken Magnet SN unter eine horizontale Glasplatte und laͤßt ſeine Eiſenfeile auf dieſe fallen, ſo ordnet ſie ſich in lauter kleine Nadeln, die ohngefaͤhr ſolche Linien bilden, wie Fig. 149. darſtellt. Jedes Theilchen Eiſenfeile bildet hier einen kleinen Magnet, deſſen Nordpol a gegen den Suͤdpol, der Suͤdpol b gegen den Nordpol des großen Magne - tes angezogen wird, aber wegen der ungleichen Entfernung iſt die Gewalt dieſer Anziehungen ungleich und die Nadeln nehmen die mannigfaltigen Stellungen an, welche die krummen Linien zeigen. Legt man zwei ſtarke Magnete gegen einander geneigt unter das Glas, ſo entſtehen mannigfaltige, aber immer zu den vier Polen in regelmaͤßiger Beziehung bleibende, krumme Linien.
Die in der neueſten Zeit unternommenen Reiſen in die Naͤhe des im noͤrdlichen America liegenden magnetiſchen Poles haben auf einen Umſtand, den man fruͤher nicht ſehr beachtet hatte, auf - merkſam gemacht. Obgleich naͤmlich fruͤhere Seefahrer ſchon ge - funden hatten, daß auf dem Schiffe eine nicht genaue Ueberein - ſtimmung zwiſchen den unter verſchiedenen Umſtaͤnden beobachteten Stellungen der Magnetnadel ſtatt findet, ſondern dieſe ihre Richtung gegen die Weltgegenden etwas aͤndert, wenn das Schiff ſeine Rich - tung bedeutend aͤndert, obgleich Flinders aus ſeinen Beobachtun - gen bei Neuholland geſchloſſen hatte, daß dieſe Unſicherheit in derFf 2452Richtung der Magnetnadel da bedeutender werde, wo die Neigung der Nadel ſehr groß iſt; ſo wurde es doch 1820 als etwas Uner - wartetes angezeigt, daß Roß bei ſeiner Aufſuchung einer nord - weſtlichen Durchfahrt die Declination der Nadel viel anders gefun - den habe, wenn das Schiff oſtwaͤrts, als wenn es weſtwaͤrts ſe - gelte. Man bemerkte indeß bald, daß jede fremde Einwirkung auf die Magnetnadel da am wirkſamſten ſein muͤſſe, wo die Richtungs - kraft geringer iſt, daß aber die Richtungskraft da, wo die Neigungs - nadel ſenkrecht iſt, ganz und gar verſchwindet, alſo in der Naͤhe dieſer Gegenden auch nur ſehr geringe ſein kann. Die Beobachtung zeigte auch, daß die horizontale Nadel dort ſo traͤge war, daß ſie kaum die Reibung zu uͤberwinden vermochte, und nur, wenn man durch kleine Erſchuͤtterungen der Unterlage, worauf ſie ruhte, die Wirkung der Reibung abwechſelnd unterbrach, ziemlich auf eine immer gleiche Richtung zuruͤckkam.
Als Urſache jener, von der Lage des Schiffes herruͤhrenden, Aenderungen mußte man offenbar das Eiſen im Schiffe anneh - men; aber wir ſind gewohnt, das Eiſen als ganz gleich wirkend auf beide Pole anzuſehen, und wenn wir darin Recht haͤtten, ſo koͤnnten etwas entferntere Eiſenmaſſen, die vom Nordpole der Na - del nicht viel mehr oder minder als vom Suͤdpole entfernt ſind, nicht erheblich auf ſie einwirken. Dieſe gleiche Wirkung der Eiſen - maſſen auf beide Pole findet aber nicht ſtatt, wie Barlow durch eigends darauf gerichtete Verſuche zeigte. Stellt man naͤmlich die Nadel auf einem horizontalen Tiſche auf, uͤber welchem eine große eiſerne Kugel in einem Kreiſe, deſſen Centrum genau uͤber der Mitte der Magnetnadel liegt, herumgefuͤhrt werden kann; ſo zeigt ſich, daß bei gewiſſen Stellungen der Kugel der Nordpol, bei an - dern der Suͤdpol der Nadel angezogen wird. Um ſogleich die Regel zu uͤberſehen, denken Sie ſich auf jenem Tiſche eine Linie durch den Mittelpunct der Nadel ſenkrecht gegen ihre Richtung, alſo nach dem magnetiſchen Oſt und Weſt, gezogen; legen Sie durch dieſe Linie eine geneigte Ebne, die ſich nordwaͤrts unter einem Winkel von 23° geneigt*)23° fuͤr unſre Gegenden, etwa 20° in London. erhebt; ſo haben Sie die Ebne des magneti - ſchen Aequators, die Ebne ſenkrecht auf die Neigungslinie des Ma -453 gnets. So lange nun die eiſerne Kugel ſich oberhalb dieſer Ebne befindet, wird der Suͤdpol der Nadel gegen ſie angezogen; befindet ſich der Mittelpunct der Kugel in dieſer Ebne, ſo iſt keine Anzie - hung merklich; ſenkt man die Kugel unter dieſe Ebne, ſo wird der Nordpol gegen ſie angezogen. Dieſe Erſcheinungen finden bei weichem Eiſen unbedingt ſtatt, wenn die Eiſenmaſſe nicht in allzu große Naͤhe zu einem Pole der Nadel heran koͤmmt. Bei einem auch nur wenig verſtahlten und gehaͤrteten Eiſen iſt dagegen ein ſo beſtimmtes Hervorgehen des der Lage entſprechenden magneti - ſchen Zuſtandes unſicher, und es iſt uͤberdies leicht der Fall, daß der angewandte Koͤrper ſelbſt etwas magnetiſch iſt; daher iſt Guß - Eiſen am beſten zu dieſem Verſuche.
Das weiche Eiſen zeigt ſich hier ſelbſt als Magnet, indem der untere Theil der Maſſe nordpolariſch wirkt, der obere ſuͤdpolariſch, und beide Theile in der Mitte des Koͤrpers durch eine Ebne ſenk - recht auf die Richtung der Neigungsnadel getrennt werden. Jeder eiſerne Ofen bietet Ihnen Gelegenheit dar, ſelbſt den Verſuch an - zuſtellen, am beſten, wenn er eine Seite hat, die nicht zu weit von der Richtung des magnetiſchen Meridians abweicht. ABCD ſei dieſe Ebne (Fig. 150.), ich will annehmen, die Oſtſeite des Ofens, D in Norden, B in Suͤden. Naͤhert man nun aus der Ferne eine Magnetnadel horizontal gegen D, ſo wird der Suͤdpol ſtark ange - zogen; geht man nach A fort, ſo dreht ſich die Nadel und der Nordpol wird angezogen; etwas Aehnliches findet in allen obern und untern Puncten ſtatt; aber wenn man die Nadel gegen die Mitte E zufuͤhrt und von da unter 23° geneigt, nach F oder G, ſo zeigt die Eiſenmaſſe keine Einwirkung. Da man bei einer feſt - ſtehenden Maſſe an zufaͤllige Magnetiſirung denken koͤnnte, ſo iſt es beſſer, den Verſuch mit kleinern Maſſen zu wiederholen, wo ſich immer zeigt, daß der obere Theil immer ſuͤdpolariſch wirkt, der untere nordpolariſch, welcher Theil der Maſſe auch die obere Stelle einnehme. Bedient man ſich eines eiſernen Lineals oder einer eiſernen Stange, ſo muß man (weil dieſe leicht durch Haͤrtung faͤhig ſein koͤnnen, ſelbſt magnetiſch auf dauernde Weiſe zu werden,) ſich vorher uͤberzeugen, daß beide Enden ganz gleich wirken; iſt das der Fall oder iſt auch das Lineal vollkommen ungehaͤrtet, ſo laͤßt ſich der Verſuch bequem ſo zeigen. Man legt das eine Ende454 des Lineals mit der ſcharfen Kante an den Oſtpunct des Kaͤſtchens, worin die Magnetnadel ſich befindet, und richtet das Lineal ver - tical aufwaͤrts, dann wird der Suͤdpol der Nadel angezogen; man neigt den obern Theil nach Norden hin, immer mehr und mehr herab, ſo nimmt dieſe Ablenkung der Nadel ab, und wird Null, wenn das Lineal 23° gegen den Horizont geneigt iſt; koͤmmt es unter dieſe Neigung, ſo faͤngt der Nordpol an, ſich dem Eiſen zu naͤhern, obgleich noch immer derſelbe Punct des Lineals an dem Kaͤſtchen anliegt; dieſes Ende zeigt ſich alſo bald als Suͤdpol, bald als Nordpol, bloß nach der Lage des ganzen Eiſenſtabes wechſelnd. Das weiche Eiſen iſt unter der Einwirkung der Erde in ſeinem untern Theile eben ſo nordpolariſch, wie es der untere Theil der Neigungsnadel iſt; aber die Eigenſchaft des weichen Eiſens, den unter Einwirkung eines Magnetes entſtandenen magnetiſchen Zu - ſtand ſogleich wieder zu verlieren, zeigt ſich auch hier bei der Aen - derung der Lage.
Barlow ſtellte ſeine Verſuche zunaͤchſt zum Nutzen der Schifffahrt an, und dachte daher auf Mittel, wie man dieſe un - richtige Ablenkung der Nadel im Schiffe corrigire. Offenbar wa - ren es die bei der jetzigen Einrichtung der Schiffe zahlreichen und großen Eiſenmaſſen, die, jetzt mehr als ehmals, dieſe Ablenkungen bewirkten, und dieſe Einwirkung iſt ſo ſtark, daß ſie ſelbſt in den engliſchen Haͤfen uͤber 10 Gr., in den noͤrdlichen Gegenden aber mehr als 40° Ablenkung bewirken kann. Man uͤberzeugt ſich von dieſer Einwirkung, wenn man auf dem im Hafen liegenden, mit dem Steuer nach Norden gekehrten Schiffe nach einem Gegen - ſtande viſirt und den Richtungswinkel mit der Magnetnadel be - ſtimmt, hierauf aber das Schiff um 90° nach der einen und um 90° nach der andern Richtung wenden laͤßt; dann aͤndert die Nadel ihre Stellung und jener Richtungswinkel wird bei jeder Lage des Schiffes anders gefunden. Daß dieſe Unſicherheit, ob man nach Norden oder nach Nord-Oſt ſteuert, nicht gleichguͤltig iſt, brauche ich nicht erſt zu bemerken. Barlow uͤberlegte nun, daß eine nahe, wenn gleich kleinere, Maſſe die Einwirkung jener großen Maſſen ausgleichen koͤnne, und erfand daher ſeine Corrections - platte, deren richtige Stellung man, ehe das Schiff den Hafen verlaͤßt, durch Verſuche beſtimmt. Dieſe Eiſenplatte wird naͤmlich455 in der Naͤhe der Magnetnadel, die auf dem Schiffe in der Naͤhe des Steuers immer an demſelben Orte bleibt, befeſtigt, und ihre feſte Stellung ſo gewaͤhlt, daß bei dem eben angegebenen Verſuche die Drehung des Schiffes keine Wirkung mehr zeigt; dann ſind, weil die großen Eiſenmaſſen im Schiffe auch ihre Lage behalten, dieſe Wirkungen fuͤr immer compenſirt. Die Erfahrung hat voͤllig die Wichtigkeit dieſer nuͤtzlichen Erfindung beſtaͤtigt, indem ſelbſt in den noͤrdlichen Gegenden die Lage der Nadel bei allen Wen - dungen des Schiffes nur um 3 oder 4 Grade ſchwankte, wenn man die Platte an ihrer Stelle ließ, obgleich Schwankungen von 40° eintraten, wenn man die Platte wegnahm.
Barlow hat uͤbrigens bei Gelegenheit dieſer Verſuche meh - rere wichtige Bemerkungen gemacht, von denen ich einige kurz mit - theilen will. Bei der Herumfuͤhrung der Eiſenmaſſe um die Ma - gnetnadel laͤßt ſich bei jeder Stellung die Ablenkung der Nadel ſtrenge berechnen. Sie iſt am groͤßeſten, wenn die Eiſenmaſſe in Oſten oder Weſten ſteht und die Richtungslinie zu ihr hin um 45° gegen den magnetiſchen Aequator geneigt iſt. Die Ablenkungen nehmen bei nicht zu großen Ablenkungswinkeln umgekehrt wie die Cubi der Entfernungen zu. (Iſt bei dem Abſtande = 1 die Ablenkung = 10°, ſo iſt ſie bei der doppelten Entfernung = $$\frac{10}{8}$$ Gr., bei der dreifachen = $$\frac{10}{27}$$ Gr. u. ſ. w.) Endlich nehmen bei ſoliden Kugeln die Ablenkungen*)Eigentlich die trigonom. Tangenten der Ablenkungswinkel., wenn ſie klein ſind, unter ſonſt gleichen Umſtaͤnden wie die Maſſen zu; aber unerwartet iſt es, daß hohle Eiſenkugeln, wenn die Schale nur nicht allzu duͤnne war, eben ſo ſtark wirkten, als ſolide Kugeln von eben der Groͤße, woraus Barlow glaubte ſchließen zu duͤrfen, daß die magnetiſche Kraft vorzuͤglich nur in den aͤußeren Theilen wirkſam ſei; — eine Folgerung, die ich noch naͤher beurtheilen werde.
Aber auch Folgerungen andrer Art knuͤpfen ſich an dieſe Be - trachtungen. Es iſt eine lange bekannte Erfahrung, daß Stangen, die nicht aus weichem Eiſen oder Stahl ſind, ſondern einige Haͤr - tung haben, wenn ſie lange vertical oder noch lieber in der Rich -456 tung der Neigungsnadel geſtanden haben, ſich dauernd magnetiſch zeigen, wo dann allemal in unſern Gegenden das untere Ende ein Nordpol iſt. Es iſt lange bekannt, daß eine Stange von Stahl, wenn ſie in der Richtung der Neigungsnadel aufgeſtellt und dann gefeilt, mit einem Hammer geſchlagen oder ſonſt in ſtarke Erſchuͤtterung geſetzt wird, ſich ſehr bald magnetiſirt zeigt und dieſen Magnetismus laͤngere Zeit behaͤlt. Genauere Unterſu - chungen haben gelehrt, daß man dieſe Hervorbringung eines ma - gnetiſchen Zuſtandes vermeidet, wenn man die noch voͤllig unma - gnetiſche Stange in der Ebne des magnetiſchen Aequators, das heißt, ſenkrecht auf die Richtung der Neigungsnadel, befeſtigt, und daß man ſie dann haͤmmern und feilen darf, ohne daß ſie magnetiſch wird; ja ſogar, daß die ſchon magnetiſche Stange, zumal wenn ſie von ſchwacher Haͤrtung iſt, ihre Polaritaͤt ver - liert, wenn man ſie in dieſer Richtung gehalten, in Erſchuͤtterung ſetzt. Hierin liegt daher ein Mittel, den ſo leicht in ſchwachem Grade hervortretenden Magnetismus aufzuheben, indeß haͤlt dies bei ſtaͤrker gehaͤrtetem Stahle ſchwer, weil dieſer die einmal er - langte magnetiſche Kraft ſehr feſt haͤlt, ſtatt daß der voͤllig weiche Stahl, ſo wie weiches Eiſen, durchaus keinen dauernden Magne - tismus erhaͤlt, ſondern nur, theils unter dem Einfluſſe der Erde den eben vorhin erwaͤhnten Magnetismus nach der jedesmaligen Lage annimmt, und ſogleich wieder verliert, theils in der Naͤhe eines Magnetes in dem Puncte, welcher ſeinem einen Pole nahe genug iſt, die entgegengeſetzte Polaritaͤt annimmt. Die Faͤlle, wo man in aͤlteren Verſuchen durch einen durch die Nadel gehenden electriſchen Schlag dieſe magnetiſch machte, beruhte auch nur hier - auf, indem ein ganz gleicher Schlag die Nadel unmagnetiſch laͤßt, wenn ſie ſich im magnetiſchen Aequator befindet. Dies alles koͤmmt darauf hinaus, daß auch die Stahltheilchen diejenige Dis - poſition, diejenige Aenderung der Lage oder worin es ſonſt be - ſtehe, unter dem Einfluſſe der magnetiſchen Kraft der Erde an - zunehmen geneigt ſind, die erforderlich iſt, um den Stahl zum Magnet zu machen, daß dies bei jeder Erſchuͤtterung leichter ein - tritt, aber offenbar auf keine merkliche Weiſe eintreten kann, wenn die Stange im magnetiſchen Aequator iſt, weil da die kleinen Magnete, die wir uns als aus den Theilchen des Eiſens gebildet457 vorſtellen, ihre Pole quer gegen die Richtung der Stangen wenden, alſo von keiner erheblichen Wirkſamkeit werden.
Scorrsby gruͤndet hierauf einen Rath, wie man nach dem Verluſte der Magnetnadel, wenn man nur Meſſer oder an - dern Stahl bei ſich hat, ſich einen Magnet, alſo auch eine Ma - gnetnadel, verſchaffen kann. Man ſtellt den Stahlſtab in die doch ungefaͤhr bekannte Richtung der magnetiſchen Neigung, und macht ihn durch Schlaͤge magnetiſch; kann man ihn dabei auf eine Maſſe weiches Eiſen aufſetzen, ſo iſt es noch beſſer, und wenn man ſo mehrere Magnete erhalten hat, kann man ſie durch gegenſei - tiges Beſtreichen ſtaͤrken.
Schon Canton beobachtete, daß die Erwaͤrmung die Kraft des Magnetes ſchwaͤcht. Brachte er zwei Magnete in die Naͤhe einer Magnetnadel und beobachtete die Stellung, in welcher ſie zur Ruhe kam; ſo folgte ſie, ſobald man den einen erwaͤrmte, mehr der Anziehung oder Abſtoßung des andern; der waͤrmere war alſo ſchwaͤcher geworden. Eben dies ergiebt ſich, wenn man die Oſcillationen einer mehr oder minder erwaͤrmten Magnet - nadel, die bloß der natuͤrlichen Kraft des Erdmagnetismus un - terworfen iſt, beobachtet; ſie oſcillirt langſamer, wenn ſie warm iſt. Kupfer fand, daß mit jedem Grade der Waͤrme die Kraft gleichmaͤßig abnahm, aber bei der Abkuͤhlung ſich nicht in dem - ſelben Grade, wie vorher, wieder erneuerte.
Bei der Weißgluͤhehitze verliert ein magnetiſirter Stahlſtab alle Kraft und erlangt ſie auch nach dem Abkuͤhlen nicht wieder, wenn man ihn dann ungehaͤrtet laͤßt. Wird der Stahl abgeloͤſcht, ſo muß er dabei in einer mit dem magnetiſchen Aequator uͤberein - ſtimmenden Lage ſein, wenn er nicht ſchon hiedurch wieder etwas magnetiſch werden ſoll. Auf dieſen Umſtaͤnden beruht die Schwie - rigkeit, eine zur Neigungsnadel beſtimmte Stahlnadel voͤllig zu be - arbeiten und ſie doch ſo lange, bis ſie genau aͤquilibrirt iſt, von allem Magnetismus frei zu erhalten. Aber nicht bloß dieſe Wir - kung hat das Gluͤhen, ſondern im Zuſtande des Weißgluͤhens iſt zugleich das Eiſen ohne Wirkſamkeit auf den Magnet, und dieſes iſt um ſo merkwuͤrdiger, da ein weicher Eiſenſtab ſich bei einer nur458 bis zum Rothgluͤhen ſteigenden Hitze als den Wirkungen des Erd - magnetismus ſtaͤrker unterworfen zeigt. Seebeck, der dieſes ſehr genau unterſucht hat, fand eine vertical gehaltene weißgluͤhende Eiſenſtange ohne alle Wirkung auf die Magnetnadel; aber als nahe an der Stelle, wo die Stange in der Mitte mit der Zange gehalten wurde, die Abkuͤhlung anfing, zeigte ſich der untere Theil des kurzen abgekuͤhlten Stuͤckes nordpolariſch, das obere ſuͤdpolariſch; bei fortgehender Abkuͤhlung ruͤckten die Pole gegen die Enden zu, und erreichten das Ende, als das dunkelrothe Gluͤhen nur noch ſchwach am Tageslichte ſichtbar war. Dieſe polariſche Wirkung der beiden Haͤlften des Eiſens war, nachdem es in verticaler Stellung ge - halten ſich abgekuͤhlt hatte, ſtaͤrker als vor dem Gluͤhen.
Dieſe Verſuche zeigen, daß die Dispoſition der einzelnen Theilchen zur Erlangung der Polaritaͤt unter dem Einfluß der Erde groͤßer iſt waͤhrend ſolcher Erhitzung, die das Rothgluͤhen nicht uͤberſteigt, daß aber die Weißgluͤhhitze, vielleicht weil ſie das Metall dem fluͤſſigen Zuſtande naͤher bringt, dieſe Anordnung der Theilchen nicht mehr geſtattet.
Daß man wegen dieſes Einfluſſes, der auch bei geringern Waͤrmegraden ſchon ſehr merklich iſt, Verſuche uͤber die Inten - ſitaͤt der magnetiſchen Kraft der Erde nicht ohne Ruͤckſicht auf die Temperatur der Nadel, deren Oſcillationen man beobachtet, an - ſtellen darf, laͤßt ſich leicht uͤberſehen. Barlocci's Beobachtung, daß ein kuͤnſtlicher Magnet, nachdem er dem Sonnenlichte aus - geſetzt geweſen, mehr Gewicht trage, bedarf noch mehrſeitiger Pruͤ - fung. Daß man die magnetiſche Kraft der Erde als auf gleiche Weiſe von der Waͤrme abhaͤngig angeſehn und daraus die taͤglichen Aenderungen der Richtung der Magnetnadel erklaͤrt hat, iſt ſchon angefuͤhrt worden*)Hier muͤßte wohl auch die angebliche Magnetiſirung durch den violetten Lichtſtrahl am beſten ihren Platz finden; aber die Verſuche daruͤber ſcheinen mir noch allzu zweifelhaft, um davon zu reden..
Ich habe vorhin die Nordlichter, als Stoͤrungen der Ma - gnetnadel hervorbringend, erwaͤhnt, und muß daher bei dieſer glaͤn - zenden Natur-Erſcheinung noch etwas laͤnger verweilen. Schon459 bei einer andern Gelegenheit haͤtte ich das Nordlicht erwaͤhnen koͤnnen, naͤmlich bei dem mit ſo mildem, farbigem Lichte ſich dar - ſtellenden Uebergange der Electricitaͤt durch den luftleeren Raum, indem man die Erſcheinungen dieſes Lichtes nicht mit Unrecht den Erſcheinungen des Nordlichts aͤhnlich gefunden hat.
Das Nordlicht, das ſich in den Polargegenden haͤufiger als bei uns zeigt, iſt eine bald mit weißem, bald mit rothem, zuweilen auch mit violettem und gruͤnem Lichte den Himmel erhellende Er - ſcheinung. In den noͤrdlichen Gegenden hat man zuweilen es mit einem Geraͤuſche verbunden beobachtet; in unſern Gegenden iſt es dagegen ganz ohne Laut. Die Licht-Erſcheinungen, welche es darbietet, ſind ſehr verſchieden, indem zuweilen der noͤrdliche Himmel ſich bloß wie von einer Daͤmmerung erhellt zeigt, zuweilen ganze Theile des Himmels mit einem weißen oder farbigen Lichte ploͤtzlich bedeckt ſind, ohne daß man ein ſtrahlenartiges Fortſchießen dieſes Lichtes wahrnimmt, zuweilen dagegen Lichtſaͤulen, wie in Strahlenſchuͤſſen, ſich ſchnell fortzubewegen ſcheinen. Jene ruhig und oft ploͤtzlich entſtehenden Lichtflecke, die oft ganze Sternbilder uͤber - decken, ohne ihre Sterne unſichtbar zu machen, dauern zuweilen eine geraume Zeit, werden allmaͤhlig dunkler und verſchwinden, ohne ihren Ort zu veraͤndern; zuweilen entſtehen ſie ohne kenntliche Ordnung bald in einer, bald in einer andern Gegend, zuweilen treten zwiſchen ihnen ſchmale Lichtſaͤulen hervor, zuweilen aber bilden ſie auch einen unterbrochenen, und zu andern Zeiten auch einen vollſtaͤndigen Bogen. Die Strahlenſchuͤſſe dagegen, wenn ſie recht vollſtaͤndig ſind, gehen als zahlreiche, ſich oft erneuernde feurige Saͤulen hervor, die ſich in einem nicht weit vom Zenith liegenden Puncte zu vereinigen ſcheinen, und dort, was man eine Krone genannt hat, einen Vereinigungspunct aller dieſer leuch - tenden Bogen, bilden. Oefter als dieſe letzte Erſcheinung hat man einen oder mehrere vollſtaͤndige Lichtbogen geſehn, die ſich von Norden gegen das Zenith herauf bewegen, ſo daß ſie ihrer ganzen Ausdehnung nach parallel fortzuruͤcken ſcheinen; gewoͤhnlich iſt dann das unter dieſen Bogen liegende Segment des Himmels von dunkler Faͤrbung, ſo daß man es fuͤr bedeckt halten wuͤrde, wenn nicht doch die Sterne in dieſem Dunkel ſichtbar blieben.
460Ueber die Hoͤhe des Nordlichts giebt es ſehr verſchiedene An - gaben. Da man zuweilen Nordlichter, die im mittlern Europa das Zenith erreichten, in Italien noch bedeutend hoch uͤber dem Ho - rizonte ſah, ſo erhellt, daß ſie in großen Hoͤhen muͤſſen vorkommen koͤnnen; aber in andern Faͤllen ſind ſie gewiß in ſehr niedrigen Regionen. Daß wir jetzt ſo ſelten in unſern Gegenden Nordlichter ſehen, ſcheint nicht daran zu liegen, daß ſie wirklich ſelten ſind, ſondern daran, daß ſie jetzt nie oder ſehr ſelten die Hoͤhe und Aus - dehnung erreichen, wie es zu andern Zeiten der Fall geweſen iſt. Franklin und Hood haben bei ihrem Winter-Aufenthalte im noͤrdlichſten America vom Auguſt 1820 bis Mai 1821 140 Nord - lichter geſehen, aber mehrere derſelben waren nicht uͤber 1½ Meilen von der Erde, indem der eine Beobachter den Lichtbogen 10 Grad hoch ſah, waͤhrend dem andern, nur 11 Meilen entfernten, Beob - achter nichts davon ſichtbar wurde, ſo daß die Duͤnſte am Hori - zonte ihn ſchon verdecken mußten. Dieſe, dort noch immer haͤu - figen Nordlichter ſcheinen auch keine große Ausdehnung zu haben, ſtatt daß in den ſiebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahr - hunderts Nordlichter gleichzeitig in Europa und Nord-America geſehn wurden*)Namentlich 1783 am 29. Maͤrz, 7. Apr. 12. Apr. 27. Apr. S. meine Beitr. z. Witterungskunde S. 29. 115. 270., und einzelne Tage vorkamen, die zugleich durch Suͤdlichter in Suͤd-America und durch Nordlichter in Europa und Nord-America ausgezeichnet waren**)Namentlich 1783 am 27. Apr. und 22. Oct.. Die Bemuͤhungen, die Hoͤhe der Nordlichter zu beſtimmen, haben darum nicht immer ſichern Erfolg gegeben, weil es ſo ſchwer iſt, ſich zu uͤberzeugen, daß zwei Beobachter einen und denſelben leuchtenden Punct beob - achtet haben, deshalb ſind die fruͤhern Beſtimmungen, daß Nord - lichter uͤber 100 Meilen hoch geweſen ſind, zwar nicht gradezu zu verwerfen, aber doch unſicher. Unter neuern Beobachtern haben in England Dalton und Farquharſon Hoͤhenbeſtimmun - gen verſucht; der erſtere giebt aus gleichzeitigen Beobachtungen die Hoͤhe mehrerer Nordlichtbogen auf 100 engliſche, alſo doch uͤber 20 deutſche Meilen an; der andre glaubt, gewoͤhnlich gebe es461 mehrere Nordlichtbogen zugleich und den Berechnungen ſei wegen der Verwechſelung der verſchiedenen Bogen nicht zu trauen; das Nordlicht ſtehe aber mit Wolken, die nicht viel uͤber 2000 Fuß hoch ſein moͤchten, in Verbindung, und die ganzen Nordlichtſtroͤme moͤchten ſich wohl nur einige tauſend Fuß hoͤher hinauf erſtrecken. Eine Behauptung, die mir doch keinesweges auf alle Nordlichter zu paſſen ſcheint.
Doch es iſt hier nicht der Ort, hiebei zu verweilen, und ebenſo laſſe ich auch die Frage, warum die Nordlichter in manchen Zeiten haͤufig und in manchen Zeiten ſelten in unſern Gegenden geweſen ſind, vorbei, um nur von dem zu reden, was wir uͤber ihre Natur vermuthen und uͤber ihre Wirkungen beobachten. Ob ſie electriſch ſind, iſt ungewiß, da ſie in unſern Gegenden keine electriſche Wirkung zeigen, und auch die von Franklin in Nord - America angeſtellten Beobachtungen wohl nicht entſcheidend genug ſind. Deſto ſicherer aber iſt ihre magnetiſche Wirkung. Schon Hiorter hat vor ſechzig Jahren bemerkt, daß die Magnetnadel gewoͤhnlich bei einem Nordlichte ihre Richtung aͤndert und dieſe Beobachtung iſt neuerlich von vielen Seiten her beſtaͤtigt worden, ja Arago hat durch eine bedeutende Anzahl ſeiner in Paris an - geſtellten Beobachtungen gezeigt, daß die Magnetnadel an den Tagen ſich unregelmaͤßig veraͤndert hatte, wo in ſehr entfernten Gegenden Nordlichter beobachtet waren*)Brewſters Einwuͤrfe zeigen nur, daß nicht in allen Faͤllen das Nordlicht ſo einwirkt.. Hanſteen bemerkt, daß die Magnetnadel ſchon vor dem Nordlichte unruhig wird und zuweilen bis 5° von ihrer Richtung abweicht, daß die Inten - ſitaͤt der magnetiſchen Kraft vor dem Nordlichte groͤßer iſt und waͤhrend desſelben wieder abnimmt. Die Magnetnadel ſcheint dann am meiſten unruhig zu ſein, wenn auch die Nordlichtſtrahlen nicht immer gleiche Richtung behalten.
Zu dieſen Beobachtungen koͤmmt nun noch die Bemerkung, daß die Nordlichtbogen faſt genau im magnetiſchen Norden ihre Mitte haben, und daß die Lichtſaͤulen des Nordlichtes mit der Neigungsnadel parallel liegen. Die Nordlichtbogen ſcheinen aus462 kurzen parallelen Saͤulen zu beſtehen, und daher koͤmmt es, wie Farquharſon bemerkt, daß ſie nahe am Zenith weniger breit erſcheinen, weil man da die Saͤulen nicht ihrer ganzen Laͤnge nach ſieht, ſondern die Geſichtslinie ungefaͤhr ihrer Axe parallel iſt. Sie muͤſſen alſo aus einer langen, auf den magnetiſchen Meridian un - gefaͤhr ſenkrechten Reihe ſolcher Lichtſaͤulen beſtehen, und dieſe ganze Reihe ruͤckt, oft mit großer Regelmaͤßigkeit, ſuͤdwaͤrts, be - haͤlt auch zuweilen laͤngere Zeit genau dieſelbe Stellung, wo ſich dann die von Dalton benutzte Gelegenheit findet, ihre Hoͤhe uͤber der Erde zu beſtimmen. In den Gegenden, wo die Magnetnadel mit ihrem Nordpole nach Suͤden gerichtet iſt, naͤmlich noͤrdlich vom magnetiſchen Nordpole der Erde, ſieht man auch die Nordlichter am ſuͤdlichen Himmel. Und nicht bloß die neuern Beobachtungen zeigen, daß die Mitte dieſes Bogens in der Richtung des magneti - ſchen Meridians liegt, ſondern Biot beweiſet aus den Angaben aͤlterer Beobachter, daß dieſe die Mitte der Nordlichtbogen im ge - nauen Norden ſahen, als die Magnetnadel keine Abweichung hatte, 10 Grade von Norden entfernt, als die Abweichung 10° betrug, u. ſ. w. Dalton hat zuerſt darauf aufmerkſam gemacht, daß diejenigen Nordlichter, welche ein Zuſammentreffen der Strahlen - bogen von allen Seiten her in der Naͤhe des Zeniths zeigten, die - ſen Vereinigungspunct, die Nordlichtskrone, allemal ſo weit ſuͤdlich vom Zenith hatten, als es die Richtung der Neigungsnadel fordert. Er knuͤpft hieran und an ſeine uͤbrigen Beobachtungen den Schluß, daß die Nordlichtſtrahlen, wenn ſie nicht in großen ungeordneten Maſſen erſcheinen, der Neigungsnadel oder der Richtung der ma - gnetiſchen Kraft in der Gegend, wo ſie entſtehen, parallel ſind, und alle ſpaͤtern Beobachter ſind geneigt, dieſe Behauptung als richtig anzuſehen; Hanſteen beſtaͤtigt ſie ausdruͤcklich durch eigne und fremde Beobachtungen.
Der eigentliche Hauptſitz der Nordlichter ſcheint in der Naͤhe der vier magnetiſchen Pole der Erde zu ſein, indem Cook ſie in Beziehung auf den unter Neuholland liegenden Suͤdpol ziemlich eben ſo beobachtete, wie wir die Nordlichter ſehen, in - dem Sibirien, wenigſtens ehmals, reich an Nordlichtern war, und am nord-americaniſchen Pole noch jetzt, nach Franklins und Hoods Beobachtungen, ſich zahlreiche Nordlichter zeigen. Nach463 Hanſteens Meinung bilden die in Europa und Nord-America beobachteten Nordlichter Kreiſe um den in America liegenden Nordpol, und zwar in betraͤchtlicher Hoͤhe; dieſe leuchtenden Bogen koͤnnen ſich bis zu 40 Grad auf der Erde vom Pole ausdehnen, und Hanſteen ſucht nachzuweiſen, wie ſich aus dieſen Voraus - ſetzungen die Erſcheinungen an allen Orten erklaͤren laſſen. Aehn - liche Bogen ſind auf der ſuͤdlichen Halbkugel in der Gegend des ſuͤdlich von Neuholland liegenden Poles geſehen worden. Nach Hanſteens Meinung werden die Nordlichtſtrahlen erſt außerhalb der dichtern Atmoſphaͤre leuchtend, ſtatt daß ſie die Atmoſphaͤre, ſo lange ſie in ihr fortgehen, etwas verdunkeln.
So haben wir alſo hier eine leuchtende magnetiſche Er - ſcheinung, die offenbar mit dem Magnetismus der Erde in Ver - bindung ſteht, die auf unſre Magnetnadeln ſo wirkt, wie es ma - gnetiſche Saͤulen in großer Entfernung thun koͤnnten, deren eigent - liche Natur aber uns noch ſehr raͤthſelhaft iſt.
Obgleich wir, wie wir in der Folge ſehen werden, in den elec - tro-magnetiſchen Erſcheinungen Veranlaſſung finden, die Theorie des Magnetismus mit der Theorie der Electricitaͤt in Verbindung zu ſetzen, ſo kann ich doch nicht unterlaſſen, auch hier ſchon einen Verſuch zu einer, die bisher angegebenen Erſcheinungen umfaſſen - den Theorie, die freilich mancher Modificationen beduͤrfte, um ſich an die ſpaͤter anzufuͤhrenden Erſcheinungen anzuknuͤpfen, mitzu - theilen. Poiſſon hat eine ſolche Theorie am meiſten ausgefuͤhrt angegeben und ſie theils auf bekannte Verſuche, theils auf mathe - matiſche Beſtimmungen gegruͤndet.
Daß er wegen der großen Uebereinſtimmung mit der Electri - citaͤt ſich veranlaßt fand, zwei magnetiſche Materien, die noͤrdliche und ſuͤdliche, vorauszuſetzen, iſt Ihnen gewiß nicht unerwartet. 464Dieſe Materien wirken eine auf die Theilchen der andern anzie - hend und die Theilchen einer jeden wirken gegenſeitig abſtoßend auf einander. Die Uebereinſtimmung, die das weiche Eiſen mit den Leitern der Electricitaͤt zeigt, der harte Stahl mit den Nicht - leitern, habe ich ſchon oͤfter erwaͤhnt, und eben ſo die große Ab - weichung von dem, was die Electricitaͤt uns darbot, die naͤmlich darin beſteht, daß nie eine Spur von Mittheilung, von Uebergehen der magnetiſchen Materien, ſtatt findet. Dieſe letztere Eigenthuͤm - lichkeit bewog ſchon Coulomb anzunehmen, daß nur in den kleinſten Theilchen des Eiſens oder Stahles ſich die beiden magne - tiſchen Materien trennen oder verbinden, niemals aber zu einem zweiten Theilchen uͤbergehen. Wir koͤnnen uns daher, nach Poiſ - ſons Anſicht, zur Erleichterung der Vorſtellung, am beſten die Molecuͤle der der Magnetiſirung faͤhigen Koͤrper als durch Zwiſchen - raͤume getrennt denken, durch welche die magnetiſchen Materien nie hindurch gehen. Aber auch jene Molecuͤle ſelbſt ſind von ver - ſchiedenartiger Natur, indem im weichen Eiſen die im gewoͤhn - lichen Zuſtande mit einander neutraliſirten magnetiſchen Materien ſich ſogleich, faſt ohne Widerſtand, trennen, ſobald eine magnetiſche Kraft von außen auf ſie wirkt, wogegen im harten Stahle dieſe Trennung durch eine hindernde Kraft (Coercitivkraft) er - ſchwert wird, und eben ſo nach erfolgter Trennung, das heißt, nachdem der Stahl magnetiſch geworden iſt, die gegenſeitige Ver - bindung beider Materien nicht ſo leicht wieder eintritt. Wenn man annimmt, daß jene magnetiſchen Elemente, die Molecuͤle naͤmlich, deren jedes ſeine magnetiſchen Materien nicht an das naͤchſte mittheilt, in dem einen Koͤrper, dem Eiſen zum Beiſpiel, zahlreicher vorhanden ſind, als in einem andern, ſo laͤßt ſich die ungleiche Einwirkung erklaͤren, welche Koͤrper von verſchiedener Beſchaffenheit durch den Magnet erleiden und ſelbſt auch ruͤckwir - kend ausuͤben. Dieſe Ungleichheit der Wirkung iſt bei Eiſen und Nickel ſehr merklich, indem, nach Gay Luſſac's Verſuchen, eine Eiſenſtange, nahe unter eine oſcillirende Magnetnadel gelegt, die Zeit einer Oſcillation auf die Haͤlfte herabſetzte, waͤhrend eine gleiche Nickelſtange ſie nur auf ⅗ herabſetzte. Auch die ungleiche Einwirkung des Eiſens auf den Magnet bei verſchiedener Tempe - ratur kann wohl hiervon abhaͤngen, wenn naͤmlich das Verhaͤltniß465 der zwiſchen den magnetiſchen Elementen uͤbrig bleibenden Zwiſchen - raͤume zu dieſen Elementen ſelbſt ſich mit der Temperatur aͤndert. Endlich geſtattet dieſe Vorausſetzung einer ungleichen magne - tiſchen Dichtigkeit (wie Poiſſon dieß Verhaͤltniß der dem Magnetismus unterworfenen Elemente zu dem ganzen Volumen nennt), auch, alle Koͤrper als einigermaaßen dem Magnetismus unterworfen anzuſehn, nur mit dem Unterſchiede, daß in den uns unmagnetiſch ſcheinenden entweder die Zahl der magnetiſchen Ele - mente klein oder die Trennung beider Magnetismen ſchwer iſt.
Um nun eine theoretiſche Unterſuchung uͤber die Erſchei - nungen des Magnetismus anzuſtellen, mußte die Frage rechnend beantwortet werden, wie ſich bei groͤßern Maſſen die Erſcheinungen zeigen muͤſſen, wenn wir, den bisher angegebenen Vorausſetzungen gemaͤß, annehmen, daß jedes magnetiſche Element des Koͤrpers ſeine beiden magnetiſchen Materien, ohne etwas davon ausſtroͤmen zu laſſen, behaͤlt, dieſelben aber im unmagnetiſchen Zuſtande ver - miſcht, im magnetiſchen Zuſtande zum Theil ſo getrennt enthaͤlt, daß die nordmagnetiſche Materie am einen Ende, die ſuͤdmagne - tiſche am andern vorwaltend vorhanden iſt. Es laͤßt ſich leicht uͤberſehn, daß wir nach Anleitung der Erſcheinungen annehmen muͤſſen, daß dieſe Zerſetzung, die Trennung der beiden magneti - ſchen Materien, unter der Einwirkung eines Magnetes und ſo auch unter Einwirkung der Erde ſelbſt, in geringem Grade ſtatt finde bei ſchwacher Einwirkung, in ſtaͤrkerm Grade bei ſtarker Ein - wirkung, daß aber ſelbſt bei den ſtaͤrkſten Einwirkungen, die wir kennen, noch immer ein großer Theil unzerſetzter magnetiſcher Materie uͤbrig bleibe, indem wir allen Grund haben zu glauben, daß die Grenze bei allen unſern Verſuchen noch lange nicht er - reicht wird.
Wenn man nun die Einwirkung aller magnetiſchen Kraͤfte auf einen beſtimmten, innerhalb oder außerhalb des magnetiſchen Koͤrpers liegenden Punct angeben will, ſo muß man die beiden Faͤlle unterſcheiden, wo die Trennung der beiden magnetiſchen Fluida dieſes Punctes mit Leichtigkeit ſtatt findet, oder wo im Ge - gentheil eine hindernde Kraft ſich dieſer Trennung widerſetzt. Im erſten Falle muͤſſen, ſobald der ſich ſchnell einſtellende bleibende magnetiſche Zuſtand eingetreten iſt, die ſaͤmmtlichen auf einenIII. Gg466Punct des der Magnetiſirung faͤhigen Koͤrpers wirkenden Kraͤfte ſich gegenſeitig gaͤnzlich aufheben; denn ſo lange dieß nicht der Fall iſt, wuͤrde die Zerſetzung der vereinigten beiden Materien immer noch einen hoͤhern Grad erreichen. Dagegen wenn eine Coercitivkraft ſich der Trennung der magnetiſchen Materien wider - ſetzt, ſo kann das Gleichgewicht in mehreren Faͤllen eintreten, naͤmlich immer, wenn die auf dieſen Punct wirkenden Kraͤfte die widerſtehende Kraft nur nicht uͤbertreffen. Da aber der erſtere Fall der leichtere iſt, ſo verweilt Poiſſon einzig bei demſelben und zeigt, daß fuͤr dieſe unter Einfluß magnetiſcher Koͤrper ſelbſt ſogleich magnetiſch werdenden Koͤrper, das Gleichgewicht der ma - gnetiſchen Materien ſo bedingt iſt, daß, obgleich jedes einzelne ma - gnetiſche Element ſeine magnetiſchen Materien nicht entweichen laͤßt, ſondern ſie polariſch getrennt auf ſeiner Oberflaͤche behaͤlt, dennoch die Geſammtwirkung auf jeden innerhalb des Koͤrpers lie - genden Punct ſich gaͤnzlich aufhebt, und die Geſammtwirkung auf jeden außerhalb liegenden Punct ſo iſt, als waͤre der ganze Koͤrper mit einer duͤnnen Schichte beider magnetiſcher Fluͤſſigkeiten und zwar in getrenntem Zuſtande bedeckt.
Dieſe aus der Theorie fließende Folgerung iſt unſtreitig merk - wuͤrdig, da ſie ſich an mehrere Beobachtungen und vorzuͤglich an eine von Barlow gemachte Erfahrung anſchließt. Ich habe ſchon bei einer andern Gelegenheit erwaͤhnt, daß Barlow die Wirkung hohler Eiſenkugeln auf die Magnetnadel faſt genau eben - ſo groß fand, als die Wirkung eben ſo großer ſolider Eiſenkugeln. Poiſſon zeigt, daß man hieraus mit Unrecht ſchließen wuͤrde, die magnetiſchen Materien begaͤben ſich auf die Oberflaͤche der Kugel, ſondern die auf die angegebene Weiſe den einzelnen Ele - menten eigen bleibenden magnetiſchen Materien uͤben eine gemein - ſchaftliche Wirkung aus, die ſich faſt ganz ſo verhaͤlt, als wenn bloß eine Schichte auf der Oberflaͤche wirkſam waͤre, und dieß iſt um ſo mehr der Fall, je weniger der Raum, den die magnetiſchen Elemente einnehmen, von dem ganzen Volumen des Koͤrpers ver - ſchieden iſt. Bei Barlows Verſuchen betrug die Einwirkung der hohlen Eiſenkugeln zwar faſt eben ſo viel als der ebenſo großen ſoliden Eiſenkugeln, ſo lange die Schale nicht allzu duͤnne wurde, aber die Ablenkung der Magnetnadel ging doch auf zwei Drittel467 herab, als die Dicke der Kugelſchale nur $$\frac{1}{30}$$ Zoll betrug. Nach Poiſſons theoretiſchen Beſtimmungen muͤßte es ſich faſt genau ſo verhalten, wenn die magnetiſche Dichtigkeit in dem vorhin an - gefuͤhrten Sinne $$\frac{49}{50}$$ betruͤge, und ſo muͤßten wir hiernach die Be - ſchaffenheit des Eiſens anſehen.
Dieſes ſind die einzigen Saͤtze, die ich aus Poiſſons Theo - rie mitzutheilen im Stande bin. Die ganze Entwickelung dieſer Theorie hat mehr Schwierigkeit als die, ſonſt in mancher Hinſicht aͤhnliche, Theorie der electriſchen Erſcheinungen, und auch die hy - pothetiſchen Vorausſetzungen ſcheinen weder ſo uͤberzeugend noch ſo einfach; indeß iſt es immer wichtig, auf ſtrenge mathemati - ſchem Wege zu zeigen, daß dieſe Hypotheſe, der durch Einfluß ma - gnetiſch gewordene Koͤrper ſei in ſeiner Wirkung mit einer unend - lichen Menge kleiner polariſcher Nadeln uͤbereinſtimmend, nicht gegen die Erfahrung ſtreitet. Waͤren nicht die Verſuche uͤber die Einwirkung einer Eiſenkugel auf die Magnetnadel darum ſo ſchwierig, weil die Ruͤckwirkung der Magnetnadel auf die zur Ab - lenkung derſelben wirkſame Kugel unvermeidlich iſt, ſtatt daß die Formeln am liebſten dieſe Ruͤckwirkung ganz bei Seite ſetzen; ſo ließe ſich manche Pruͤfung der Theorie durch Anwendung hohler und ſolider Kugeln, die weniger Eiſen in ihrer Miſchung enthielten, in Vorſchlag bringen, und die hohlen Kugeln muͤßten in ihrer Wirkung um ſo mehr von den ſoliden abweichen, je mehr unma - gnetiſche Theile mit dem Eiſen gemiſcht waͤren.
Um die Frage zu entſcheiden, ob außer den als magnetiſch anerkannten Koͤrpern nicht auch andre einige Wirkung auf die Magnetnadel zeigen, hat Coulomb eine Menge von Verſuchen angeſtellt. Er ließ Nadeln von 3 bis 4 Lin. Laͤnge aus andern Metallen und ſelbſt aus Holz an den feinſten Seidenfaͤden zwiſchen den Polen zweier ſtarker Magnete haͤngen, und fand nicht nur, daß ſie vorzugsweiſe die Richtung gegen die Magnete zu annahmen, ſondern daß ſie auch durch ſchnelleres Oſcilliren unter der Einwir - kung der Magnete zeigten, daß ſie nicht ganz gleichguͤltig in Be - ziehung auf die magnetiſche Kraft waren.
Gg 2468Um zu entſcheiden, ob vielleicht eine unmerklich geringe Quantitaͤt Eiſen in der Miſchung dieſer Koͤrper die Wirkung her - vorbringe, verfertigte Coulomb Nadeln aus einer Miſchung von Wachs und Eiſenfeile und fand, daß die Kraft, mit welcher ſie vom Magnete angezogen wurden, der Menge von Eiſen propor - tional war. Da ſich nun die Wirkung des Magnets auf chemiſch reines Silber 415 mal ſchwaͤcher fand, als wenn dem Silber ab - ſichtlich $$\frac{1}{320}$$ an Eiſen beigemiſcht war, ſo ſchloß Coulomb, daß jenes reine Silber ſo wirkte, als ob der 132800ſte Theil an Eiſen beigemiſcht waͤre, und es blieb daher unentſchieden, ob ſo geringe Beimiſchungen von Eiſen unſern chemiſchen Unterſuchungen ent - gehen, oder ob das Silber als abſolut rein dennoch dieſe geringe Wirkung ausuͤbt.
Ein viel neuerer Verſuch von Muncke machte darauf auf - merkſam, daß laͤngere Nadeln ab (Fig. 151.) aus einem, nur wenig Eiſen enthaltenden Meſſingdrathe ſich zwar in die Richtung eines unter ihnen liegenden Magnetes NS ſtellen, wenn oberhalb ein zweiter Magnet ns ſeinen Nordpol n uͤber dem Suͤdpole S des andern Magnetes hat, daß dagegen die Nadel ab eine ſchiefe Stellung gegen beide Magnete annimmt, wenn n ſowohl als S ein Suͤdpol oder n ſowohl als S ein Nordpol iſt. Seebeck wie - derholte dieſen Verſuch auch mit andern Metallmiſchungen, in denen ſich einige Procente Eiſen befanden, und fand den Erfolg immer uͤbereinſtimmend. Auch wenn die Lage der Nadel zwiſchen den Magneten ſo war, daß (Fig. 152. ) SN, sn, die mit gleich - namigen Polen uͤbereinander liegenden Magnete ſind, zwiſchen welchen die Nadel ſich aufgehaͤngt befindet, trat eine eben ſolche Stellung, abweichend von der Richtung der Magnete, ein. Um dieſe Sonderbarkeit aufzuklaͤren, wandte Seebeck Roͤhren mit Eiſenfeile gefuͤllt an, und auch dieſe, ebenſo aufgehaͤngt, kamen zwiſchen den beiden Magneten zur Ruhe, wenn die oberhalb und unterhalb liegenden Pole von entgegengeſetzter Art waren, dagegen kamen ſie in einer ſeitwaͤrts abweichenden Richtung zur Ruhe, wenn die uͤber einander liegenden Pole gleichnamig waren. See - beck erkannte hierin eine Eigenthuͤmlichkeit der Einwirkung der Magnete auf zertheilte Eiſenpartikelchen, und uͤberzeugte ſich von dieſer durch einen andern Verſuch. Wenn man das eine Ende469 eines Eiſenſtabes mit einem Magnete in Beruͤhrung bringt, ſo iſt, wie Sie wiſſen, bis zu bedeutenden Laͤngen des Stabes das an - dere Ende deſſelben magnetiſch; aber wenn man das eine Ende einer mit Eiſenfeile gefuͤllten Glasroͤhre mit einem ſtarken Ma - gnete in Beruͤhrung bringt, ſo zeigt ſchon bei ſehr maͤßiger Laͤnge der Eiſenfeilſaͤule, dieſe am andern Ende gar keine von jener Be - ruͤhrung abhaͤngende, polariſche Einwirkung auf die Magnetnadel; die unter Einfluß jenes Magnetes entſtehende magnetiſche Dispo - ſition der Theilchen erſtreckt ſich alſo in der Eiſenfeile nur bis auf geringe Entfernung. Dieſe Erfahrung erklaͤrt die oben angege - bene Erſcheinung. Iſt naͤmlich a (Fig. 152.) zwiſchen zwei un - gleichen Polen, ſo hat ſich nach der Querrichtung der Nadel oder der mit Eiſenfeile gefuͤllten Roͤhre ein kurzer Magnet gebildet, oder vielmehr, ſo weit die Wirkung reicht, eine Reihe kurzer ver - ticaler Magnete, die vom obern Magnetpole ſo gut als vom untern angezogen werden; dieſe halten alſo das Ende der Nadel zwiſchen ſich feſt. Sind dagegen die oberhalb und unterhalb liegenden Pole gleichnamig, ſo zerſtoͤren ſie gegenſeitig die in verticaler Richtung entſtehenden Wirkungen, das heißt, die obere Seite der Nadel kann nicht ſuͤdpolariſch werden durch Einwirkung des oberhalb an - gebrachten Nordpols, wenn der untere Nordpol aus der obern Seite einen Nordpol zu machen ſtrebt; wendet ſich aber die Nadel ſeitwaͤrts, ſo entſtehen in horizontaler Querrichtung kurze Ma - gnete, die ihre Suͤdpole jenen beiden Nordpolen zuwenden, und dieſe Wirkung iſt weit merklicher, weil die Zahl dieſer kleinen Ma - gnete sn, sn, sn, (Fig. 153.) groͤßer iſt, als ſie bei der Stellung ab (Fig. 154.) ſein wuͤrde, wo nur ein ſehr beſchraͤnkter Theil der nicht feſt verbundenen Eiſentheilchen die polariſche Einwirkung erleidet.
Dieſe von andern Koͤrpern uns dargebotenen Zeichen magne - tiſcher Einwirkung ließen ſich alle auf eine wahrſcheinliche Bei - miſchung von Eiſen zuruͤckfuͤhren; aber eine ziemlich unbedeutend ausſehende Erſcheinung, auf welche Arago zuerſt aufmerkſam wurde, leitete dieſen zu einer Reihe ganz neuer und wichtiger Ent - deckungen. Jene geringfuͤgig zu nennende Erſcheinung iſt folgende. 470Wenn man eine horizontal aufgeſtellte, ſehr leicht bewegliche und ſtark magnetiſirte Stahlnadel in große Schwingungen verſetzt, ſo dauert es lange, ehe dieſe durch einen großen Bogen gehenden Schwingungen um eine bedeutende Anzahl von Graden abnehmen; aber wenn die Nadel ſich ſehr nahe uͤber Kupfer oder einem andern Metalle, ja auch uͤber Waſſer oder Eis bewegt, ſo wird die Weite der Schwingungen ſtark vermindert, ohne daß die Zeit einer Oſcillation merklich abnimmt. Der Verſuch, der ſich bei jeder Wiederholung als richtig zeigt, iſt von Arago, Nobili, See - beck u. a. mit großer Sorgfalt unter verſchieden abgeaͤnderten Umſtaͤnden angeſtellt worden. Arago ließ eine an einem unge - drehten Seidenfaden haͤngende Magnetnadel das eine Mal uͤber einem hoͤlzernen Ringe, das andre Mal uͤber einem kupfernen Ringe ihre Oſcillationen vollenden; in jenem Falle machte ſie 145 Oſcillationen, in dieſem Falle 33, ehe die Weite der Oſcillationen von 90° bis auf 10° herabkam. Kupfer zeigte ſich hier und in allen Faͤllen als vorzuͤglich ſtark einwirkend; aber daß ſelbſt Waſſer und Eis dieſe Wirkung zeigen, ergab ſich aus Arago's Verſuchen, bei welchen eine uͤber einer ebenen horizontalen Eis - flaͤche oſcillirende Nadel ihre Oſcillationen von 53° bis 43° ver - kleinerte, nach 60 Oſcillationen, als die Entfernung von des Eiſes Oberflaͤche 21 Lin. betrug, nach 56, 34, 26 Oſcillationen, als die Entfernung 13, ⅔, ⅓ Linie betrug. Seebeck fand 116 Schwin - gungen, ehe die Nadel uͤber einer Marmorplatte von 45° weiten Oſcillationen bis zu 10° weiten Oſcillationen kam; uͤber einer duͤnnen Zinkplatte reichten 71, uͤber einer noch duͤnnern Kupferplatte reichten 62 Oſcillationen hierzu hin, und als man unter die Kupferplatte noch die Zinkplatte ſchob, 48 Oſcillationen, ja bei 4 Kupferplatten und 4 Zinkplatten uͤbereinander ſchon 25 Oſcillationen. — Eiſen wirkt, wie Seebeck bemerkt, noch ſtaͤrker ein; dagegen eine Verbindung von 4 Th. Antimon und 1 Th. Eiſen die Groͤße der Oſcillationen gar nicht verminderte, obgleich das Antimon allein in einigem Grade dieſe Wirkung zeigt; An - timon dem Kupfer beigemiſcht, Wismuth dem Kupfer beigemiſcht, Nickel dem Kupfer beigemiſcht, vermindern die Einwirkung des Kupfers.
Daß hier nicht etwa die mindere Beweglichkeit der Luft in471 der Naͤhe eines feſten Koͤrpers ein Hinderniß der Bewegung ſei, laͤßt ſich, wenn man es vermuthen wollte, dadurch leicht zeigen, daß die Abnahme der Oſcillationen nach der Natur der Koͤrper verſchie - den iſt, ſo daß Kupfer mehr als Zink, dieſes mehr als Zinn oder Blei die Oſcillationen verkleinert; die Urſache dieſer Erſcheinung, glaubten mehrere Beobachter, laſſe ſich ſehr leicht darin finden, daß kein Koͤrper ohne alle Einwirkung auf den Magnet ſei; auch die Kupferplatte nehme in ſchwachem Grade eine Magnetiſirung unter Einwirkung der Nadel an, und indem ſie dadurch anziehend auf dieſelbe wirke, ſtoͤre ſie die Oſcillation. Arago bemerkt, daß er dieſe Meinung nie geaͤußert habe, weil er ſogleich ſie durch Verſuche gepruͤft und widerlegt habe, und ferner daß die Meinung derer, die Coulombs Verſuche uͤber die Einwirkung des Magnets auf andre Koͤrper hiemit zuſammenſtellen, unrichtig ſei, weil bei Coulombs Verſuchen ſich Blei wirkſamer als Zinn, dieſes wirk - ſamer als Kupfer zeigte, ſtatt daß die hier angefuͤhrten Verſuche gerade das Umgekehrte geben.
Doch dieſe Verſuche fuͤhrten zu groͤßern Verſuchen. Kann die ruhende Kupferplatte durch ihre bloße Naͤhe die Bewegung der Magnetnadel hindern, ſo wird, darf man vermuthen, auch eine rotirende Kupferplatte einer Magnetnadel durch bloße Naͤhe eine rotirende Bewegung ertheilen koͤnnen, und dieſe Vermuthung fin - det ſich wirklich beſtaͤtigt. Man ſtelle die Kupferſcheibe AB, (Fig. 155.) der man eine ſehr ſchnelle Drehung ertheilen kann, horizon - tal auf und gebe der Magnetnadel CD an einem feinen ungedreh - ten Faden eine ſolche Lage, daß die Mitte der Nadel dem Mittel - puncte der Scheibe entſpricht; ſo wird, wenn man AB in eine ſchnelle drehende Bewegung ſetzt, die Nadel ſehr bald dieſer Ro - tation folgen, und entweder, bei maͤßiger Schnelligkeit der Dre - hung, in einer gewiſſen Entfernung vom Meridiane, zur Ruhe kommen, oder bei ſchnellerer Drehung mehrere Umlaͤufe vollenden, bis die gegenwirkende Kraft des gedrehten Fadens keine weitere Drehung geſtattet. Daß nicht etwa der Luftzug uͤber der rotirenden Scheibe dies bewirkt, davon uͤberzeugt man ſich leicht, indem eine zwiſchen der gedrehten Scheibe und der Magnetnadel ruhend blei - bende Glasſcheibe EF die Wirkung nicht hindert, indem eine un - magnetiſche Nadel ſich dieſer Wirkung nicht unterworfen zeigt, und472 andre rotirende Scheiben nach ihrer verſchiedenen Beſchaffenheit ge - ringere Wirkungen als Kupfer zeigen. Die letztere Verſchiedenheit iſt ſo bedeutend, daß zum Beiſpiel unter gleichem Abſtande und bei gleicher Schnelligkeit der Drehung eine Kupferſcheibe die Nadel um 55°, eine Zinkſcheibe ſie nur um 14°, eine Bleiſcheibe nur um 8° ablenkte.
Dieſe von Arago zuerſt angeſtellten Verſuche aͤnderten Bab - bage und Herſchel ſo ab, daß ſie einen ſtarken Magnet, der beide Pole aufwaͤrts kehrte, ſo in rotirende Bewegung ſetzten, daß dieſe Pole um einen in ihrer Mitte liegenden Punct kreiſten, daruͤber aber eine am ungedrehten Faden haͤngende Metallſcheibe angebracht war. Sobald der Magnet rotirte, ſo folgte auch die ſo aufgehaͤngte Metallſcheibe der Drehung. Prevoſt und Colladon hingen uͤber der rotirenden Scheibe zwei verbundene Magnetnadeln auf, und fanden die Ablenkung ganz aufhoͤrend, wenn die Nadeln mit den entgegengeſetzten Polen vereinigt neben einander lagen, wo - gegen die Ablenkung mehr betrug, wenn die gleichnamigen Pole vereinigt waren.
Daß dieſe Erfolge ſich wohl durch eine voruͤbergehende Ma - gnetiſirung des Kupfers und der uͤbrigen Metalle erklaͤren ließen, war leicht zu uͤberſehen; denn wenn der Nordpol des Magnets den unter ihm liegenden Punct der Scheibe ſuͤdpolariſch macht, ſo wird beim Fortruͤcken des Nordpols dieſer Suͤdpol ihm zu folgen geneigt ſein, wenn auch nur die kuͤrzeſte Zeit verfließt, ehe der bei der neuen Stellung des Magnetes unter ihm liegende Punct eine gleiche Suͤdpolaritaͤt annimmt. Aber dieſe Meinung, die ſich allerdings durch ihre Einfachheit empfiehlt, paßt nicht auf alle Erſcheinungen. Arago naͤmlich, von dem ich ſchon erzaͤhlt habe, daß er dieſe Meinung widerlegte, ehe ſie von jemand ausgeſprochen war, ſtellte die richtige mathematiſche Ueberlegung an, daß da, wo eine Kraft wirkſam iſt, es nicht genuͤge, ihre nach einer beſtimmt vorgeſchriebenen Richtung hervorgehende Wirkung zu kennen, ſon - dern man muͤſſe Mittel ſuchen, die eigentliche wa hre Richtung dieſer Kraft, und daraus ihre Wirkung nach jeder Richtung zu finden. In der bewegten Kupferſcheibe erkennen wir eine Kraft,473 welche die Magnetnadel parallel mit der Scheibe fortfuͤhrt; aber damit iſt nicht ausgemacht, daß die geſammte Wirkung der Kraft auf dieſe parallele Richtung beſchraͤnkt ſei, ſondern es iſt noͤthig zu unterſuchen, ob auch eine nach der Richtung des Kreisradius hervorgehende, oder eine auf die Ebene des Kreiſes ſenkrechte Wirkung merklich iſt. Dieſe Unterſuchung hat Arago auf fol - gende Art angeſtellt.
Wenn man eine Neigungsnadel, die ſich um eine feſt mit ihr verbundene horizontale Axe drehen kann, ſo aufſtellt, daß ſie ſich in der von Weſten nach Oſten gerichteten Vertical-Ebne be - wegt, ſo nimmt die Inclinationsnadel eine verticale Stellung an. Giebt man nun (Fig. 156.) dieſer Nadel AB ihren Platz uͤber der rotirenden Scheibe CD, ſo wird ſie, wenn irgend eine vom Mittelpuncte G abwaͤrts oder gegen ihn hin wirkende magnetiſche Kraft in der Naͤhe der Scheibe merklich iſt, die verticale Stellung verlaſſen und uns die nach der Richtung des Kreishalbmeſſers wirk - ſame Kraft kennen lehren. Wenn dieſe Nadel ſo aufgeſtellt ward, daß ihre Drehungs-Ebne ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian war und durch den Mittelpunct der rotirenden Scheibe ging, ſo fand ſich 1. keine Abweichung von der verticalen Richtung, wenn die Nadel uͤber dem Mittelpuncte der Scheibe ſtand, welches ſich von ſelbſt verſteht wegen der nach allen Seiten gleichen Wirkung; 2. wenn die Nadel etwas vom Mittelpuncte entfernt wurde, ſo ward die Spitze gegen den Mittelpunct hin gezogen, und dieſe Wirkung nahm zu bis zu einem gewiſſen Abſtande vom Centro; von da an nahm ſie wieder ab, und es fand ſich zwiſchen dem Mittelpuncte und Umfange ein Indifferenzpunct, dem abermals eine vertical bleibende Stellung der Nadel entſprach; 3) entfernte man die Nadel weiter gegen den Rand der Scheibe hin, ſo ward ihre untere Spitze vom Mittelpuncte abwaͤrts getrieben, und eben das fand noch ſtatt, wenn die Nadel ſich etwas außerhalb der Grenze der Scheibe befand. Dieſe Wirkungen zeigen ſich alſo im Ganzen als abwaͤrts wirkend von dem Kreiſe, den die am meiſten wirkſamen Theile der Scheibe durchlaufen. Der mittlere Raum der Scheibe aͤußert, als langſam bewegt, nur wenig Wirkung, und ſo lange die Nadel innerhalb desjenigen Ringes bleibt, den man den Ring der vollkommenſten Wirkſamkeit nennen moͤchte, wird474 ſie von dieſem nach innen abgeſtoßen; befindet ſie ſich uͤber dieſem Ringe der vereinigten Wirkſamkeit, ſo bleibt ſie vertical; geht ſie uͤber ihn hinaus, ſo treibt jene unbekannte Kraft des Rotations - magnetismus ſie hinauswaͤrts.
Aber auch die dritte Richtung, naͤmlich die auf die Ebne der Scheibe ſenkrechte Kraft, mußte unterſucht werden. Hierzu bediente ſich Arago eines doppelten Mittels. Zuerſt naͤmlich ward wieder die Neigungsnadel, die aber durch ein kleines Ge - gengewicht gezwungen wurde, die horizontale Stellung ab anzu - nehmen, (Fig. 157.) angewandt; und indem nur ihre eine Haͤlfte a der Wirkung der Scheibe ausgeſetzt wurde, zeigte ſich eine auf dieſe Haͤlfte abſtoßend wirkende Kraft, ſo daß ſie gehoben wurde. Eben dies ergab die zweite Art, den Verſuch anzuſtellen, wo naͤm - lich an einem Waagebalken FG (Fig. 158.) ein Magnet AB auf - gehaͤngt und mit ſeinem einen Pole der Scheibe genaͤhert ward; dieſer Magnet wurde zuruͤckgeſtoßen, er mochte ſich befinden, uͤber welchem Puncte des Radius man wollte.
Dieſe Verſuche waren es, die Arago bewogen, jene Mei - nung, daß der Nordpol des Magnetes in den naͤchſten Puncten des Kupfers eine Suͤdpolaritaͤt errege, als unzureichend anzuſehn, indem die Kraft, die jeder bewegte Punct der Scheibe annimmt, zwar nach der Richtung der Tangente des Kreiſes vorwaͤrts, aber ſowohl nach der Richtung des Radius als ſenkrecht auf die Scheibe abwaͤrts, Entfernung bewirkend, gerichtet iſt.
Ehe dieſe Verſuche bekannt wurden, hatte Barlow ſchon eine andre, gleichfalls merkwuͤrdige Reihe von Verſuchen angeſtellt. Er ward durch ſeine Verſuche uͤber die Einwirkung der Eiſenmaſſen auf die Magnetnadel auf die Frage gefuͤhrt, ob bewegte Eiſen - maſſen ſich ebenſo verhielten, wie ruhende, und dies veranlaßte ihn, eine große eiſerne Kugel in ſchnelle Umdrehungsbewegung zu ſetzen und dann ihre Einwirkung auf die Magnetnadel zu beobach - ten. Die Drehungs-Axe lag horizontal, und es ergab ſich, wenn die Richtungskraft der Magnetnadel durch nahe ſtehende Magnete ſo gut wie ganz aufgehoben war, daß der Nordpol ſich der gedreh - ten Kugel naͤherte, wenn die Nadel ſich neben dem herabwaͤrts gehenden Theile der Kugel befand, dagegen der Suͤdpol ſich naͤherte,475 wenn die hinaufwaͤrts gehende Seite der Kugel der Nadel am naͤchſten war. Stellte man die Nadel etwas hoͤher als die durch die Axe gehende Horizontal-Ebne, ſo blieb die Nadel ſenkrecht ge - gen die Axe gerichtet, mit dem Nordpole nach der Kugel zu, wenn die Drehung herabwaͤrts ging oder die obern Theile gegen die Na - del zu gingen; dies fand ſtatt, bis die Nadel neben dem 54ten Grade der Kugel ſtand; bei hoͤherer Stellung drehte ſich die Nadel und kehrte ihren andern Pol gegen die Kugel. Eine aͤhnliche Veraͤnde - rung fand ungefaͤhr bei 54° auch ſtatt, wenn man die Nadel hin - abwaͤrts ihre Stellung aͤndern ließ.
Dieſe Verſuche wuͤrden wohl zweckmaͤßiger ſo angeſtellt, daß man die Drehungs-Axe der Richtung der Neigungsnadel parallel ſtellte, damit die Wirkung der Rotation ſich reiner von dem Ein - fluſſe des Erdmagnetismus trennte; denn bei der horizontalen Lage der Axe bringen offenbar die in der hoͤchſten Stellung ſuͤdpolariſch wirkenden Eiſentheilchen noch etwas von dieſer ihnen ertheilten Veraͤnderung des Zuſtandes mit, indem ſie ſich herab bewegen.
Poiſſon hat einen theoretiſchen Verſuch gewagt, dieſe Er - ſcheinungen des Rotationsmagnetismus zu erklaͤren. Die Bemer - kung iſt zuerſt einleuchtend, daß der Einfluß ruhender Koͤrper darum ein anderer ſein kann, weil die kurze Zeit, innerhalb welcher die magnetiſchen Fluida in den Elementen des Eiſens und ſo auch in den kleinſten Theilen andrer Koͤrper ihre angemeſſene Austhei - lung erlangen, zu kurz iſt, um uns kenntlich zu ſein, wogegen uns in dem Einfluß der bewegten Koͤrper grade dieſer noch in der Ver - aͤnderung begriffene, gleichſam aufgeregte, Zuſtand der magnetiſchen Materien kenntlich werde. Es iſt im Allgemeinen wohl denkbar, daß dieſe Einwirkung, wo nach Poiſſons Vorſtellung die magne - tiſchen Materien in dem ganzen innern Raume der magnetiſchen Elemente ſich im getrennten Zuſtande befinden moͤgen, viel ſtaͤrker ſein kann, als es der Fall iſt, wenn dieſe getrennten magnetiſchen Materien ſich auf die Oberflaͤchen jedes magnetiſchen Elementes begeben haben; aber es ſcheint mir fuͤr jetzt noch unmoͤglich, in bloßen Worten von den Schluͤſſen, die Poiſſon in Beziehung auf die durch die Bewegung veraͤnderten magnetiſchen Erſcheinun - gen an ſeine Vorausſetzungen knuͤpft, einen Begriff zu geben. 476Seine Rechnung fuͤhrt ihn zu Folgerungen, die mit Barlows Verſuchen, vorzuͤglich mit dem Erfolge, daß der Nordpol ſich an der herabwaͤrts gehenden Seite der Kugel naͤherte, uͤbereinſtimmen. Er bemerkt dabei, daß, obgleich die Theorie eine beinahe gleiche Wirkung nach außen fuͤr ſolide und hohle Eiſenkugeln von gleichem Durchmeſſer giebt, wenn dieſe ruhen, doch dieſe Wirkung fuͤr rotirende Kugeln ſehr ungleich wird, ſo daß es der Muͤhe werth waͤre, Verſuche mit hohlen rotirenden Kugeln anzuſtellen, und allenfalls damit Verſuche zu verbinden, wo ſtatt des Eiſens Koͤr - per genommen wuͤrden, die eine geringere Menge Eiſen in ihrer Miſchung enthielten.
Dieſe wenigen Hindeutungen auf das, was die Theorie hier zu leiſten verſucht hat, glaubte ich mittheilen zu muͤſſen; aber die genauere Ueberlegung, mit welchem Rechte man einige Erfolge der Verſuche als Criterium der Uebereinſtimmung der Theorie mit der Erfahrung anſehen darf, waͤhrend man andre Erfolge der Verſuche als Grundlage der Zahlenrechnung und als gegebene Groͤßen be - nutzen muß, — dieſe Ueberlegung anzuſtellen iſt hier unmoͤglich und doch verdiente ſie wohl recht ſtrenge angeſtellt zu werden. Ueberhaupt habe ich dieſen Theil der Theorie am wenigſten mit Ueberzeugung auffaſſen koͤnnen.
Unter den uͤber dieſen Gegenſtand angeſtellten Beobachtungen ſcheinen mir die von Chriſtie noch eine Erwaͤhnung zu verdie - nen, welche das ſchon von Arago gefundene, unerwartete Reſul - tat, daß der Zuſammenhang der Theile des rotirenden Koͤrpers von ſo großem Einfluſſe iſt, in ein vorzuͤglich helles Licht ſetzen. Chri - ſtie bediente ſich eines Apparates, wo auf einer ſehr feſten Unter - lage eine Axe vertical aufgerichtet ſtand (Fig. 159.) und neben ihr zwei Magnete, die mit gleichen Polen A, B, nach oben gerichtet, in gleichem Abſtande von der Axe C, nach einander gleiche Wir - kung auf die daruͤber haͤngende Scheibe auszuuͤben beſtimmt waren. Die Scheibe von Kupfer DE hing an einem langen Metallfaden, und da ſie durch die Bewegung der Magnete mit in Drehung ge -477 ſetzt wurde, ſo diente die Drehungskraft des Drathes, welche endlich die weitere Rotation der Scheibe hinderte, als ein Maaß der Kraft, mit welcher die Magnete die Scheibe zur Drehung antrieben. Die Magnete wurden bei den verſchiedenen Verſuchen bald der Axe naͤher, bald entfernter, alſo dem Rande der Scheibe naͤher ruͤckend, aufgeſtellt, und nun beobachtet, wie viele Umlaͤufe und Theile eines Umlaufes der an dem Faden und an der Scheibe befeſtigte Zeiger durchlief, ehe die Scheibe, wegen zu ſtarker Drehung des Fadens, eine ruͤckgaͤngige Drehung anfing. Hier zeigte ſich nun, daß die nahe am Mittelpuncte aufgeſtellten Magnete die Kupfer - ſcheibe weniger maͤchtig mit fortzogen, daß ſie in der Mitte des Halbmeſſers ſtehend 6 Umdrehungen, auf drei Viertel des Halb - meſſers ſtehend 8¼ Umdr. bewirkten, aber nahe am Rande ſtehend kaum 4 Umdrehungen. Da nun ſchon andre Verſuche von Arago ſowohl als von Babbage und Herſchel gezeigt hatten, daß Einſchnitte in die Scheibe die Wirkung ſehr aͤnderten, ſo ließ Chri - ſtie einen Ring von ¼ des Halbmeſſers breit am Rande ſo abtren - nen, daß er anfangs noch an vier Stellen, dann nur an zwei Stellen, endlich gar nicht mehr mit dem innern Kreiſe zuſammen - hing. Dieſes hatte den Erfolg, daß der unter dem mittlern Theile des Ringes rotirende Magnet die Scheibe nur ungefaͤhr mit ⅔ der Kraft, die er auf die unzerſchnittene Scheibe gezeigt hatte, fortzog, als der Ring noch an vier Zoll breiten Stellen feſtſaß, und nur kaum mit ⅓ jener Kraft, als der Schnitt die Trennung ganz voll - endet hatte. Wurde die Scheibe durch mehrere concentriſche Schnitte getheilt, ſo ward durch das bloße Zerſchneiden faſt eben das bewirkt, wie durch das voͤllige Wegnehmen der etwas entfern - tern innern Theile. Die Magnete befanden ſich einen Zoll vom Rande der 4⅕ Zoll Halbmeſſer habenden Scheibe, und es wurden nach und nach Schnitte auf 0,7 Zoll, 1,2 Zoll, 1,7 Zoll, und 2,2 Zoll vom Mittelpuncte angebracht; die Kraft, die zuerſt eine ge - wiſſe Drehung = 100 hervorbrachte, als die Scheibe ganz war, ſank auf 94 nach dem innern Schnitte, auf 88 nach dem zweiten Schnitte, auf 76 nach dem dritten, auf 58 nach dem vierten Schnitte herab, und als der 2 Zoll breite Ring, der zuletzt außen noch uͤbrig blieb, allein angewandt wurde, zeigte der unter ſeiner Mittellinie kreiſende Magnet auf ihn eben die Wirkung, wie vor -478 hin, als die mittlern bloß durch den Schnitt abgetrennten Stuͤcke noch mit jenen zugleich der Wirkung unterworfen wurden.
Dieſe Verſuche und mehrere aͤhnliche zeigen deutlich, daß die Continuitaͤt eine wichtige Bedingung bei der Hervorbringung dieſer magnetiſchen Wirkungen iſt. Ich mag nicht wagen, irgend eine hypothetiſche Meinung an dieſe Erfahrung anzuknuͤpfen, aber ich leugne nicht, daß mir dieſe Erfahrung mit der Meinung, daß auch bei der Bewegung die magnetiſchen Materien nur eben jene un - endlich kleine Ortsveraͤnderung erleiden, die wir ihnen bei dem dauernden Magnetismus in ruhenden Koͤrpern zuſchrieben, nicht gut zuſammen zu ſtimmen ſcheint*)Die neueſten, noch nicht vollſtaͤndig bekannt gemachten Unter - ſuchungen Faraday's deuten darauf hin, daß electriſche Stroͤme unter der Einwirkung des Magnetes bei der Drehung entſtehen, und dieſe Verſuche werden uns vielleicht bald einer Einſicht in dieſe noch ſehr dunkeln Erſcheinungen naͤher fuͤhren..
Noch einmal kehre ich zu der galvaniſchen Kette zuruͤck, um Sie mit den wunderbaren Erſcheinungen bekannt zu machen, die aus der magnetiſchen Einwirkung der Electricitaͤt hervorgehen.
Es war eine alte Erfahrung, daß der Blitz oder der electriſche Schlag Stahlnadeln magnetiſch machen, gelegentlich die Pole einer Magnetnadel umkehren koͤnne, u. ſ. w.; aber obgleich darin eine magnetiſche Wirkung der Electricitaͤt kenntlich zu werden ſchien, ſo fuͤhrten doch genauere Unterſuchungen zu der Ueberzeugung, daß die Wirkung der Electricitaͤt hier wenig von dem, was auch andre Erſchuͤtterungen unter dem magnetiſchen Einfluſſe der Erde hervor - bringen, verſchieden ſei, daß man es nicht in ſeiner Gewalt habe, den Nordpol an einem beſtimmten Ende der Nadel hervorzubrin -479 gen, und daß eine Stahlnadel ſenkrecht gegen die Richtung der Neigungsnadel gehalten auch durch den electriſchen Schlag, der durch ſie geht, nicht electriſch werde. Die voltaiſche Saͤule mit ihrer entſchiedenen Polaritaͤt gewaͤhrte anfangs die Hoffnung, daß hier endlich der lange geahndete Zuſammenhang zwiſchen Electrici - taͤt und Magnetismus deutlich hervorgehen werde; aber auch dieſe Hoffnung ſchien durch eine zwanzigjaͤhrige Reihe von Verſuchen, die nichts zu Beſtaͤtigung eines ſolchen Zuſammenhanges beigetra - gen hatten, vereitelt.
Endlich hatte der auch ſonſt durch große Verdienſte um die Naturlehre ausgezeichnete Oerſtaͤdt das Gluͤck, eine Entdeckung zu machen, die unſre Kenntniſſe um ſehr vieles erweitert und den Grund zu einem ganz neuen Theile der Electricitaͤtslehre gelegt hat. Er fand naͤmlich, daß eine voͤllig beſtimmte und gleichmaͤßige Einwirkung des electriſchen Stromes auf die Richtung der Magnet - nadel ſtatt finde, wenn jener nicht durch die Nadel ſelbſt, ſondern auf eine angemeſſene Weiſe neben ihr vorbei geht. Dieſes Experi - ment gab (1820) den ſeitdem ſehr weit fortgefuͤhrten electromagne - tiſchen Unterſuchungen ihren Urſprung.
Man bringt den Schließungsdrath einer galvaniſchen Kette in horizontaler Richtung uͤber oder unter einer Magnetnadel, am liebſten mit ihrer natuͤrlichen Stellung von Norden nach Suͤden parallel, an; ſo findet, ſobald der electriſche Strom den Schließungs - drath durchlaͤuft, eine Ablenkung der Magnetnadel ſtatt, die ent - gegengeſetzt iſt fuͤr eine oberhalb und eine unterhalb des Stromes ſtehende Nadel, und wieder entgegengeſetzt fuͤr eine oberhalb ſte - hende, wenn der poſitive Strom nach Norden und wenn er nach Suͤden den Leiter durchlaͤuft. Da hier immer von der Richtung des Stromes die Rede iſt, ſo iſt es gewoͤhnlich geworden, immer nur den poſitiven Strom, der in der metalliſchen Beruͤhrung vom Kupfer zum Zink geht, zu erwaͤhnen, indem jeder leicht uͤberſieht, was ſich daran in Beziehung auf den negativen Strom anſchließt. Auch hat Ampère es bequem gefunden, den Namen Rheo - phoren, Traͤger des electriſchen Stromes, fuͤr den Schließungs - leiter, in welchem die Electricitaͤt fortſtroͤmt, einzufuͤhren.
480Der Verſuch laͤßt ſich bequem auf folgende Weiſe anſtellen. Es ſei (Fig. 160. ) AB ein kupfernes Gefaͤß von etwa 6 Zoll breit und hoch, deſſen Boden ſich in genauer Beruͤhrung mit dem Metallſtreifen CDEF befindet; an dieſem Metallſtreifen iſt oben bei F, aber ſo, daß das Gefaͤß nicht damit in Beruͤhrung iſt, ein horizontaler Ramen von Metall angeloͤthet, auf den die in das Gefaͤß und ohne Beruͤhrung mit dem Gefaͤße einzuſenkende Zink - platte ſich mit einem an der letztern befeſtigten Rande aufſtuͤtzt. Auf den beiden horizontalen Theilen des Metalles CDEF ſtehen Magnetnadeln, und wenn man will, koͤnnen auch nahe unterhalb CD und unterhalb EF Magnetnadeln angebracht werden, die man jedoch nicht alle zugleich anbringen kann, weil dies eine gegen - ſeitige Stoͤrung zur Folge haben wuͤrde. Fuͤllt man jenes Kupfer - gefaͤß mit einem geſaͤuerten Waſſer, und taucht die Zinkplatte, die nur wenig kleiner als der Querſchnitt AB des Gefaͤßes iſt, in dasſelbe ein, ſo entſteht der electriſche Strom vom Kupfer AB nach der Richtung CDEF gegen das Zink zu, und dieſer Strom dauert, weil er durch das geſaͤuerte Waſſer wieder zum Kupfer uͤbergeht, unaufhoͤrlich fort. Iſt nun der Apparat ſo geſtellt, daß CD die Richtung von Norden nach Suͤden iſt, ſo beſteht der Er - folg des Verſuches darin, daß ſogleich beim Entſtehen des electri - ſchen Stromes die Magnetnadel G uͤber dem von Norden nach Suͤden gehenden electriſchen Strome ihren Nordpol nach Weſten ablenkt, daß die Magnetnadel H uͤber dem nach Norden zu gehen - den electriſchen Strome mit dem Nordpole oͤſtlich abgelenkt wird, und daß eine bei G unter dem Strome ſtehende Nadel oͤſtlich, eine bei H unter dem Strome ſtehende Nadel weſtlich abgelenkt wuͤrde.
Ich verweile jetzt nicht dabei, dieſe Erfahrungen unter ein einfacheres Geſetz zu bringen, indem ſich das Geſetz bald von ſelbſt ergeben wird.
Die Wiederholung dieſes wichtigen Verſuches beſchaͤftigte bald alle Phyſiker, und man fand bald, daß der Schließungsleiter nicht bloß auf die Nadel wirke, ſondern gradezu ſelbſt magne - tiſch ſei.
481Arago machte ſogleich bei der Wiederholung des Oerſtaͤdt - ſchen Verſuches die Bemerkung, daß der Schließungsdrath ſeines ſtarken galvaniſchen Apparats Eiſenfeile anzog und ſich rund um damit belegte; ſobald aber die Verbindung unterbrochen ward, hoͤrte dieſe magnetiſche Wirkung des die Schließung bildenden Meſſingdrathes auf. Dieſe Anziehung war nur auf Eiſenfeile wirkſam, nicht auf Kupferfeile oder andre Koͤrper, und unterſchied ſich daher deutlich von der gewoͤhnlichen electriſchen Anziehung; und die Art, wie die Eiſenfeile ſich anlegte, den Drath gleichſam umwickelte, unterſchied ſich auffallend von der in Nadeln auslau - fenden Anordnung der Eiſenfeile, die wir unter der Einwirkung des Magnetes bemerken. Das weiche Eiſen erhielt keinen dau - ernden Magnetismus durch die Beruͤhrung des Drathes, Stahl - nadeln aber wurden durch den Schließungsdrath, er mochte von Silber, Kupfer oder einem andern Metalle ſein, ſo magnetiſirt, daß ſie dauernd ihre magnetiſche Kraft behielten. Als Arago dieſe Erfolge an Ampère mittheilte, ſagte ihm dieſer, eine Reihe andrer Verſuche leite ihn zu der Vermuthung, daß die Stahlnadel iſolirt innerhalb eines ſchraubenfoͤrmig gewundenen Leitungsdrathes noch beſſer magnetiſch werden wuͤrde. Dieſer Verſuch, den ich ſpaͤter erſt beſchreiben werde, gelang vollkommen und gab ein Mittel, auch mit der Electriſirmaſchine Stahlnadeln magnetiſch zu machen; fuͤhrte aber auch zugleich die Theorie Ampère's auf eine ſehr empfehlende Weiſe in die Welt ein.
Die eben erwaͤhnten Verſuche Ampère's betreffen eine Wirkung der electriſchen Stroͤme, die von der Wirkung der gela - denen Koͤrper gaͤnzlich verſchieden iſt, obgleich ſie gleichfalls ſich durch Anziehung und Abſtoßung aͤußert. Der Leitungsdrath einer geſchloſſenen galvaniſchen Kette zeigt in der Regel keine Ladung, ſondern, wenn die Schließung und Leitung vollkommen iſt, be - merkt man an Goldblaͤttchen keine gegenſeitige Abſtoßung, wenn ſie auch mit dem den electriſchen Strom leitenden Drathe in Ver - bindung ſind. Wenn man den Leitungsdrath ſo fortfuͤhrt, daß er parallel mit einem beweglichen Drathe iſt, ſo zeigt jener keine An -III. Hh482ziehung oder Abſtoßung gegen dieſen, ſo lange der letztere mit keiner galvaniſchen Kette in Verbindung ſteht; dagegen wenn beide Draͤ - the, parallel neben einander, electriſche Stroͤme leiten, ſo ziehen ſie einander an, wenn die parallelen Stroͤme nach gleicher Richtung gehen, und ſtoßen ſich ab, wenn die Stroͤme nach entgegengeſetzten Richtungen gehen. Da man bei dieſen Verſuchen ſehr darauf achten muß, daß die Leitung des electriſchen Stromes durch nichts aufgehalten werde, ſo muß man den beweglichen Leitungsdrath, den ich den beweglichen electriſchen Strom nennen will, um eine Axe, die in einem mit Queckſilber gefuͤllten Gefaͤßchen ſteht, ſich bewegen laſſen, und dieſe Regel iſt hier, wo man eine mit ſo geringer Kraft zum Uebergange wirkende Electricitaͤt anwendet, faſt allemal zu befolgen. Fig. 161. ſtellt einen ſolchen Leiter vor, der auf den beiden feinen Spitzen A, B, die in Queckſilber eintauchen, ruht, und der ſich daher um die Verticallinie PQ drehen kann. Der in das Queckſilber A von U her hinein geleitete electriſche Strom nimmt ſeinen Weg nach ACDEFB, und fließt dann vom Queckſilber in B durch den Leiter BR gegen den andern Pol der Kette. Befindet ſich nun neben CD, ſo daß CD ſich durch Drehung um die Axe AB gegen LM annaͤhern kann, ein feſter Lei - tungsdrath LM parallel mit CD, ſo wird der electriſche Strom CD angezogen, wenn beide Stroͤme LM, CD, gleiche Richtung haben, alſo in beiden die poſitive Electricitaͤt entweder herauf oder herab - ſtroͤmt, dagegen wird CD von LM abgeſtoßen, wenn die paral - lelen Stroͤme entgegengeſetzte Richtungen haben. Damit bei der Beruͤhrung der Draͤthe die Stroͤme nicht in einander uͤbergehen, nimmt man zu dieſen Verſuchen mit Seide umſponnene Draͤthe, die alſo zwei iſolirt fortgehende Stroͤme leiten, wenn auch die Be - deckungen von Seide ſich beruͤhren. Die beiden Stroͤme LM, CD, koͤnnen als Schließungsdraͤthe einer und derſelben galvani - ſchen Kette oder als Schließungsdraͤthe zweier Ketten genommen werden, immer iſt die Erſcheinung dieſelbe. Wenn L mit BR in Verbindung ſtaͤnde, ſo durchliefe derſelbe electriſche Strom von U kommend zuerſt den beweglichen Leiter ACDEFB, dann den feſten Leiter BRLM und die Erſcheinung wuͤrde ſich unter dieſen Umſtaͤnden vollkommen gut darſtellen.
Dieſe Erfahrungen ſind aber nur einzelne Faͤlle, die in fol -483 gendem viel mehr umfaſſenden Lehrſatze mit enthalten ſind. Wenn zwei electriſche Stroͤme ſo neben einander liegen, daß ſie die Schen - kel eines ſpitzen Winkels bilden, daß ſie naͤmlich verlaͤngert ſich ſchneiden wuͤrden, ſo ziehen die Stroͤme ſich an, wenn ſie beide NO und PQ (Fig. 162.) von der Spitze R des Winkels ab oder beide gegen dieſelbe zu gehen; dagegen ſtoßen ſie ſich ab, wenn der eine ST (Fig. 163.) gegen die Spitze zu, der andre WX von der Spitze ab fließt. Auch zu dieſem Verſuche koͤnnte der wie in Fig. 161. aufgehaͤngte Leitungsdrath dienen, wenn ein horizontaler Strom in der Naͤhe von DE in ſchiefer Richtung floͤſſe; um aber ganz der Angabe des Lehrſatzes treu zu bleiben, iſt diejenige Ein - richtung des frei beweglichen Leiters angemeſſener, die man in Fig. 164. ſieht. Es erhellt leicht, daß der nach beiden Seiten aͤquilibrirte Drath, der bei Z, Y in Queckſilber eingetaucht iſt, ſich leicht um die Axe ZY dreht. Iſt nun in eben der Horizontal - Ebne, in welcher UX ſich bewegt, ein feſter horizontaler Lei - tungsdrath, der ſo gebogen iſt, daß ein Theil von ihm den nicht ganz bis an U reichenden Schenkel VW des Winkels XUW dar - ſtellt, ſo legt ſich UX an VW an, wenn beide Stroͤme vom Scheitel ab oder zum Scheitel hin fließen, und im Gegentheil vergroͤßert ſich der Winkel und ſucht ſich bis 180° zu vergroͤßern, wenn die Stroͤme entgegengeſetzt ſind.
Endlich findet noch eine aͤhnliche Anziehung und Abſtoßung ſtatt, wenn auch die beiden Stroͤme nicht als Schenkel eines Win - kels, ſo naͤmlich, daß ſie verlaͤngert ſich ſchneiden wuͤrden, anzu - ſehen ſind; ſondern wenn ſie in zwei ſich bei der Verlaͤngerung nicht ſchneidenden graden Linien fortfließen; auch dann haben ſie ein Beſtreben zur moͤglichſt nahen parallelen Richtung zu gelangen; ſie ziehen ſich daher an, wenn ſie beide von dem Puncte weg oder beide gegen den Punct zu fließen, wo ſie ſich am naͤchſten kommen, und es findet dagegen Abſtoßung ſtatt, wenn der eine Strom gegen dieſen Punct zu, der andre von ihm ab fließt.
Man kann dieſe Wirkungen, die bei einem einfachen Strome ſehr ſchwach ſind, verſtaͤrken, wenn man einen laͤngern Schließungs - drath ſo beugt, daß er mehrmals den Strom in gleicher Richtung fortfuͤhrt. Mit Seide umſponnene Draͤthe ſchicken ſich hiezu am beſten, weil ſie, ohne die Stroͤme in einander uͤbergehen zu laſſen,Hh 2484ganz nahe an einander anliegen duͤrfen, und es iſt leicht zu uͤber - ſehen, wie man (Fig. 161.) den Drath LM bei M kruͤmmen und in hinreichender bedeutender Entfernung hinauf leiten, dann dicht neben LM wieder herableiten und dies mehrmals wiederholen koͤnnte, um in LM einen vervielfachten herabgehenden Strom zu erhalten. Dieſer Strom uͤbt eine verſtaͤrkte Wirkung aus; da - gegen verliert der Strom alle Kraft, wenn man ihn von L nach M herab und nahe an LM anliegend von M nach L hinauf leiten wollte, woraus dann zugleich erhellt, daß die anziehende Kraft paralleler gleichlaufender Stroͤme genau ſo groß iſt als die abſtoßende Kraft paralleler entgegengeſetzter Stroͤme.
Hieraus erhellt die Moͤglichkeit, einem electriſchen Strome ſeine Wirkſamkeit nach gewiſſen Richtungen ganz zu rauben, waͤh - rend ſie in anderer Beziehung fortbeſteht. Iſt zum Beiſpiel (Fig. 168. ) AB ein Leitungsdrath, deſſen Kruͤmmungen alle in einer Ebne liegen, ſo geht der Strom in AC eben ſo weit rechts als in CD links, und da dieſe Stroͤme einander ſehr nahe und entgegen - geſetzt ſind, ſo wuͤrden ſie zuſammen auf einen neben ihnen hori - zontal vorbei fließenden Strom gar keine Wirkung der Anziehung oder Abſtoßung ausuͤben; aber da der Strom in dieſen Kruͤmmun - gen von A nach D herabwaͤrts gelangt, ſo wird ein verticaler, gleichfalls herabwaͤrts gehender Strom keinesweges unwirkſam ſein, ſondern dieſe Stroͤme ziehen ſich an. Daß dieſe letztere Wirkung eben ſo ſtatt finde, als ob der Strom vertical von A nach D herab - ginge, hat Ampère durch einen eignen Verſuch nachgewieſen, in - dem er einen graden verticalen Strom, der, wie CD Fig. 161, beweglich war, zwiſchen zwei verticalen Stroͤmen aufſtellte, deren einer grade herab ging, der andre ſich in einer Ebne hin und her kruͤmmte, welche ſenkrecht gegen die Ebne war, in der die zwei graden Stroͤme und die Hauptrichtung des gekruͤmmten lagen. Hier fand er, daß der grade Strom an der einen Seite und der eben ſo entfernte, gekruͤmmte Strom an der andern Seite mit gleicher Kraft auf den beweglichen Strom einwirkten, ſo daß dieſer nach keiner Seite angezogen ward. Dieſer Verſuch fuͤhrte zu dem Satze, daß die Wirkung der electriſchen Stroͤme genau eben ſo ſich zerlegen laſſe, wie es die Statik von andern Kraͤften lehrt, daß naͤmlich ein (Fig. 165.) von A nach C fließender Strom ſo wirke,485 wie zwei Stroͤme, deren einer AD horizontal, der andre DC ver - tical iſt. Daraus geht auch hervor, daß ein ſchraubenfoͤrmig um einen Cylinder gewundener Strom ACB (Fig. 165.) eben die Wirkungen ausuͤbt, wie ein in der Axe des Cylinders fort gehender grader Strom verbunden mit eben ſo vielen kreisfoͤrmigen Stroͤ - men als die Zahl der Schraubenwindungen; und wenn man den von A durch den Schraubendrath nach B geleiteten Strom durch den graden Drath BA zuruͤck leitet, ſo iſt die Wirkung des der Axe parallelen Stromes zerſtoͤrt und die ganze Wirkung auf die Umkreiſungen zuruͤckgefuͤhrt. Andre Verſuche, welche zeigen, daß ſich die Anziehung zweier parallel nach einerlei Richtung fließender Stromtheile umgekehrt verhaͤlt, wie das Quadrat des Abſtandes, kann ich hier wohl uͤbergehen.
G. G. Schmidt hat dieſen Verſuchen Ampère's einige ſehr merkwuͤrdige hinzugefuͤgt, wo die Stroͤme der Reibungs-Electri - citaͤt eine ganz gleiche Anziehung und Abſtoßung zeigen. Er bediente ſich zweier belegter Platten AB, CD, (Fig. 166.), deren eine mit dem Conductor E ſo in Verbindung ſtand, daß die Seite F poſitiv geladen wurde. Sie wiſſen, daß alsdann durch den Leiter GH, der zu der andern belegten Platte hinuͤbergeht, ein Strom poſitiver Electricitaͤt von G nach H fließt, um die Belegung H der zweiten Platte poſitiv zu laden, und daß beide Platten zugleich geladen werden, wenn von der Belegung der zweiten Platte an der Seite I eine Ableitung IK ſtatt findet. Statt des einen Leiters GH, wurden aber hier zwei, naͤmlich ein feſtſtehender GH und ein an ſeidenen Faͤden aufgehaͤngter LM horizontal neben jenem ange - bracht; der letztere war an den Enden mit Spitzen verſehen, um ſo die von der Belegung G einſtroͤmende Electricitaͤt aufzunehmen und auf die Belegung H uͤberſtroͤmen zu laſſen. So ging in bei - den Leitern ein electriſcher Strom nach gleicher Richtung und der bewegliche Strom LM wurde wirklich von GH angezogen.
Um entgegengeſetzte Stroͤme hervorzubringen, wurden zwei gleiche belegte Platten, UV, WZ gleich ſtark geladen und nun die poſitiv geladenen Seiten gegen einander gekehrt. Sie wiſſen, daß ein Leiter AB (Fig. 167.), der mit einer Spitze verſehen iſt, die Platte UV ausladet, wenn unterdeß eine Verbindung KL mit der Erde auf der andern Seite ſtatt findet; gegen dieſe Spitze E zu486 geht alſo ein poſitiv-electriſcher Strom von A nach B. Bringt man eben ſo einen an ſeidenen Faͤden haͤngenden Leiter CD an der andern belegten Platte an, der frei beweglich iſt und bei D durch eine Spitze die poſitive Electricitaͤt ausſtroͤmen laͤßt, ſo gehen die Stroͤme AB, CD nach entgegengeſetzten Richtungen, und Schmidt fand, daß ſie ſich wirklich abſtoßen.
Dieſe wenigen Erfahrungen reichen aus, um die Hypotheſe zu verſtehen, durch welche Ampère die Einwirkungen auf die Magnetnadel erklaͤrt. An jene Erfahrungen knuͤpft ſich naͤmlich ohne alle Hypotheſe der nothwendige Schluß, daß ein beweglicher electriſcher Strom, der in der Ebne ABCD (Fig. 169.) einen Kreislauf oder lieber zahlreiche Kreislaͤufe neben einander vollendet, ſeine Ebne dem graden Leiter EF parallel ſtellen wird, wenn auch in dieſem ein electriſcher Strom fortgeht, und zwar wird ſich der kreisfoͤrmige Strom ſo ſtellen, daß die Richtung des Stromes in ſeinen naͤchſten Theilen mit der Richtung des Stromes in EF uͤbereinſtimmt, das iſt, A wird links, B rechts liegen, wenn der Strom EF von links nach rechts und in AB von A nach B geht, wogegen AB ſich umwenden wuͤrde, wenn der Strom EF wegge - nommen wuͤrde und dagegen der Strom ef unterhalb von e nach f ſtroͤmte, indem, wenn B an der linken Seite liegt, der untere Strom mit ef gleichlaufend wird.
Hieran ſchließt ſich nun die Betrachtung, daß die Magnet - nadel ihre Stellung unter oder uͤber einem electriſchen Strome ganz genau ſo nimmt, wie eine Reihe umkreiſender electriſcher Stroͤme ſie nehmen wuͤrde, alſo die Hypotheſe, der Magnetismus beſtehe in einer um den Magnet oder die Magnetnadel ſtatt fin - denden Umkreiſung der electriſchen Materie. Ohne uͤber die Frage, ob dieſe Hypotheſe wahrhaft das Weſen des Magnetismus aus - druͤcke, zu entſcheiden, kann man wenigſtens das mit Sicherheit behaupten, daß die Erſcheinungen ſich ohne Ausnahme auf das vollkommenſte uͤberſehen laſſen, wenn man dieſe Hypotheſe an - nimmt, und ich werde daher kuͤnftig von den den Magnet um - kreiſenden electriſchen Stroͤmen ſo reden, als ob ſie unbezweifelt487 vorhanden waͤren, und alle Erſcheinungen mit dieſer Hypotheſe vergleichen. Dieſe Stroͤme muͤſſen den Magnet ſo umkreiſen, daß ſie, wenn der Magnet in ſeiner richtigen Stellung mit dem Nord - pole nach Norden gekehrt iſt, an der obern Seite von Weſten nach Oſten, an der Oſtſeite herabwaͤrts, an der untern Seite von Oſten nach Weſten, an der Weſtſeite hinaufwaͤrts gehen, und dieſe Regel laͤßt ſich in die wenigen Worte faſſen: Die Umſtroͤmungen um den Magnet ſind der taͤglichen Bewegung der Sonne entgegen - geſetzt. Um mit dieſen Umkreiſungen vertraut zu werden, uͤber - legen Sie alſo, daß fuͤr die verſchiedenen Stellungen des Magnets die Richtung der Umkreiſungsſtroͤme folgende iſt: fuͤr die Stellung des Nordpoles nach Suͤden der Strom an der obern Seite von Oſten nach Weſten, an der Weſtſeite herab; fuͤr die Stellung des Nordpols nach Oſten der Strom an der obern Seite von Norden nach Suͤden an der Suͤdſeite herab; bei verticaler Stellung des Magnetes, wenn der Nordpol oben iſt, geht der Strom von der Suͤdſeite nach der Oſtſeite, Nordſeite, Weſtſeite; bei verticaler Stellung, wenn der Suͤdpol oben iſt, geht der Strom von Norden nach Oſten, Suͤden, Weſten. Dies alles laͤßt ſich leicht aus der erſten Regel herleiten, die daher als der einfachſte Ausdruck fuͤr dieſe Hypotheſe anzuſehen iſt.
Die Erfolge des Oerſtaͤdt'ſchen Verſuches beſtehen darin, daß ein mit der natuͤrlichen Lage der Magnetnadel paralleler Lei - tungsdrath den Nordpol der Nadel nach Weſten ablenkt, wenn der poſitive Strom unter der Nadel von Norden nach Suͤden geht; die nach Weſten abgelenkte Nadel hat nach unſerer Hypotheſe an der untern Seite ihre electriſchen Stroͤme von Norden nach Suͤden, alſo ſucht die Nadel dieſe Stellung, damit die Uebereinſtim - mung der Richtung zwiſchen ihren Stroͤmen an der untern Seite und dem unter ihr angebrachten electriſchen Strome ſtatt finde. Koͤmmt dagegen (Fig. 160.) der von E nach F gehende electriſche poſitive Strom von Suͤden her, ſo lenkt die uͤber ihm ſtehende Nadel ſich oſtwaͤrts ab, weil dem Nordpole nach Oſten gekehrt electriſche Stroͤme an der untern Seite von Suͤden nach Norden entſprechen. So laſſen ſich alle einzelne Faͤlle des Oerſtaͤdt'ſchen Verſuches durchgehen. Bedient man ſich bei dieſem Verſuche einer aſtatiſch aufgeſtellten Nadel und fuͤhrt den electriſchen Strom von488 Norden nach Suͤden uͤber ſie hin, ſo ſtellt die Nadel ſich genau nach einem rechten Winkel mit dem Nordpole nach Oſten; bei horizontal aufgeſtellten Nadeln tritt dies wegen der entgegen wir - kenden Richtungskraft des natuͤrlichen Magnetismus nicht voll - kommen ein, ſondern die ablenkende Kraft des Stromes treibt die Nadel nur ſo weit ſeitwaͤrts, bis beide Kraͤfte einander das Gleich - gewicht halten.
Die Hypotheſe, die Magnetnadel gleiche einem Syſteme um - kreiſender electriſcher Stroͤme um die Nadel, ſcheint Ihnen viel - leicht etwas voreilig aufgeſtellt, da nur eine einzige Reihe von Ver - ſuchen bisher zu ihr hinleitete; aber unſtreitig gewinnt dieſe Hypo - theſe gar ſehr an Begruͤndung, wenn ich Ihnen zeige, daß ſich aus einem Glasſtabe eine nach Norden weiſende kuͤnſtliche Magnet - nadel machen laͤßt, wenn man den Glasſtab mit electriſchen Stroͤ - men umwindet. Nimmt man naͤmlich einen Glasſtab AB und umwickelt ihn in zahlreichen Schraubenwindungen vom einen Ende bis zum andern mit einem mit Seide uͤberſponnenen Silberdrathe oder Kupferdrathe, laͤßt man dann die Enden CD, EF, in grader Richtung wieder bis zur Mitte zuruͤckgehen, (Fig. 170.) und loͤthet eine Kupferplatte K an den einen, eine Zinkplatte Z an den an - dern; ſo hat man, ſobald dieſe Verbindung an einem ungedrehten Faden bei W aufgehangen wird, und K, Z in geſaͤuertes Waſſer getaucht werden, eine ſich in den magnetiſchen Meridian ſtellende Nadel. Die Richtung, wie die Nadel ſich ſtellt, koͤnnen Sie leicht ſelbſt finden, wenn Sie ſich erinnern, daß unſre Hypotheſe der richtig nach Norden gekehrten Magnetnadel poſitiv-electriſche Stroͤme hinaufwaͤrts gehend an der Weſtſeite zuſchrieb. Nehmen Sie in unſrer Zeichnung an, daß von C aus die Umwickelung CG gegen uns zugekehrt ſei, ſo iſt in CG, und ſo in allen einzelnen Umwickelungen, ein gegen uns zu liegender aufwaͤrts gehender po - ſitiver Strom, der vom Kupfer K durch den Leitungsdrath nach dem Zink Z geht, ſobald KZ in geſaͤuertes Waſſer getaucht iſt; die Nadel wird ſich alſo ſo ſtellen, daß dieſe hinaufwaͤrts gehenden Stroͤme an der Weſtſeite liegen und A wird alſo ein Nordpol,489 B ein Suͤdpol. — Und genau ſo findet es ſich. — Laͤgen die Um - wickelungen umgekehrt, ſo daß CG hinter der Nadel einen hinauf - ſteigenden Strom, GH vor der Nadel einen herabſteigenden gaͤbe, ſo wuͤrde die Nadel die gegen uns gekehrte Seite der Zeichnung nach Oſten wenden, und A waͤre ein Suͤdpol.
Dieſer Verſuch laͤßt ſich mit ſo einfachen Mitteln ausfuͤhren, daß er deswegen ganz vorzuͤglich empfohlen zu werden verdient; Ampère hat ihn aber noch vollkommener dargeſtellt. Sind naͤmlich die wirklichen electriſchen Stroͤme, die wir in einem Schließungsdrathe fortleiten, einer eben ſolchen Einwirkung von Seiten der magnetiſchen Kraft der Erde unterworfen, wie unſre Magnetnadeln, ſo wird ſich dies wohl auch auf eine ſolche Weiſe, wie ſie bei unſern Inclinationsnadeln ſtatt findet, zeigen, das heißt, die umkreiſenden Stroͤme werden ſich nicht allein ſenkrecht gegen die Richtung des magnetiſchen Meridians, ſondern auch ſenkrecht gegen die Richtung der Neigungsnadel ſtellen. Um dieſe Vermu - thung zu pruͤfen, bediente Ampère ſich eines beinahe in voͤlligem Gleichgewichte aufgehaͤngten electriſchen Stromes, der ſich um eine horizontale Axe drehen konnte, und an dem ſich dann deutlich das Beſtreben, jene Stellung anzunehmen, zeigte. Am beſten iſt es, zu dieſem Zwecke die Queckſilbergefaͤße (Fig. 171. ) A, B, die jedes mit einem Pole der Saͤule in Verbindung ſtehen, in der Richtung des magnetiſchen Oſt und Weſt horizontal neben ein - ander aufzuſtellen, damit die Axe CD horizontal und gegen den magnetiſchen Meridian ſenkrecht ſei. Geht dann der electriſche Strom von D nach EFGHIKC, ſo daß GH von Oſten nach Weſten geht, und iſt der ganze Leitungsdrath durch die Glasſtaͤbchen LM, N, aͤquilibrirt, ſo hebt GH ſich nach Suͤden. In der Neigungs - nadel naͤmlich, die ihre herabgeſenkte Spitze gegen Norden kehrt, gehen, wie wir annehmen, die umkreiſenden electriſchen Stroͤme an der unteren Seite, das iſt an der gegen Suͤden gekehrten Seite, von Oſten nach Weſten, und dieſer Lage aͤhnlich hebt ſich auch in unſerm wirklichen electriſchen Umkreiſungsſtrome der von Oſten nach Weſten fließende Strom ſuͤdwaͤrts.
Um die Wirkung verſtaͤrkt zu zeigen, hat Schweigger folgende Einrichtung vorgeſchlagen. (Fig. 172. ) In dem Kreiſe ABC iſt ein mit Seide umſponnener Leitungsdrath ſo aneinander490 gelegt, daß der electriſche poſitive Strom zahlreiche Umlaͤufe, alle in gleicher Richtung von A nach BC, machen muß, und dieſer Strom haͤngt leicht beweglich auf einer Metallſpitze D, um ſich leicht nach allen Weltgegenden zu ſtellen, und ſelbſt, wenn eine Aequilibrirung angebracht iſt, ein Streben zu der eben angezeigten Abweichung von der verticalen Richtung kenntlich zu machen. Um dieſen Zweck zu erreichen, ſteht die metallene Spitze D bei F mit dem einen Pole der Saͤule in Verbindung, damit der poſi - tive Strom bei F eintrete. Auf D ruht das metallene Huͤtchen E, ſo daß der poſitiv-electriſche Strom in E eintritt und von da in den Ring ABC nach der Richtung AB uͤbergeht. Auf dieſem Huͤtchen E liegt ein iſolirendes Plaͤttchen gh und auf dieſem ſteht das Gefaͤß L mit Queckſilber; das Ende des umkreiſenden Drathes U iſt mit dieſem Queckſilber in Verbindung, ſo daß der poſitive Strom in das Queckſilber und von da vermittelſt der bloß einge - taucht erhaltenen Spitze k zu dem negativen Pole der Saͤule uͤber - geht. Da hier die Bewegung auf der Spitze D mit voͤlliger Leich - tigkeit ſtatt findet, und der umkreiſende Lauf des electriſchen Stromes immer gleich fortdauert, dieſer werde in eine oder in die andre Stellung gewandt, ſo nimmt er von ſelbſt diejenige Rich - tung an, die ihm durch irgend eine Kraft ertheilt wird. Eine ſolche Kraft iſt diejenige, die den Magnet nach Norden richtet, und die, wenn unſre Vergleichungen richtig ſind, den electriſchen Strom ſo ſtellen muß, daß der herabgehende AB die Oſtſeite einnimmt und daß der untere Theil des Stromes ſich ſuͤdwaͤrts von der Ver - ticallinie entfernt; — und dieſe Stellung gegen die Weltgegenden zeigt ſich vollkommen deutlich, die Hebung nach Suͤden aber ſo weit als es die Aequilibrirung und die ganze Einrichtung des Ap - parats erlaubt. Je mehr Umkreiſungen der Strom in dem aus Drathwindungen beſtehenden Ringe macht, deſto ſtaͤrker iſt die Wirkung.
Wenn man zwei kreisfoͤrmige electriſche Stroͤme voͤllig be - weglich neben einander aufhaͤngt, ſo werden ſie, wenn wir jetzt von dem Einfluſſe der magnetiſchen Kraft der Erde abſehen, ſich ſo ſtellen, daß die Richtung des Stromes in beiden gleich iſt. Wollte491 man ſie genau neben einander ſo aufhaͤngen, daß im einen oben der Strom links, im andern rechts, alſo im einen der an der linken Seite liegende Strom herab, im andern herauffloͤſſe, ſo wuͤrden ſie ſo nicht ruhen, ſondern ſich abſtoßen und erſt zur Ruhe kommen, wenn die Stroͤme gleichlaufend ſind. Bei zwei mit electriſchen Stroͤmen umwickelten Cylindern AB, CD (Fig. 173.), die ihre Enden gegen einander kehrten, wuͤrde es ebenſo ſeyn, ſie wuͤrden an Faͤden L, M, aufgehaͤngt, zur Ruhe kommen, wenn ihre gegen uns zu liegenden Stroͤme entweder in beiden herauf oder in beiden herab gingen. Behalten wir den einen umwickelten Cylinder AB und haͤngen in CD einen Magnet auf, deſſen Nordpol C iſt, ſo wendet dieſer uns ſeine Weſtſeite zu, wo wir hinaufwaͤrts gehende electriſche Stroͤme annehmen; der Cylinder AB muß alſo ſo zur Ruhe kommen, daß auch in ihm die hinaufwaͤrts gehenden Stroͤme uns zugekehrt ſind. Der Verſuch zeigt dieß wirklich; — und der mit electriſchen Stroͤmen umwickelte Cylinder wird zugleich mit dieſem Ende gegen den Nordpol C des Magnets gezogen, grade als ob B ein Suͤdpol einer Magnetnadel waͤre. Der Magnet wirkt alſo auf die electriſchen Stroͤme ſo wie auf einen zweiten Magnet, und ein umkreiſender Strom wirkt ſo auf den Magnet wie auf einen andern umkreiſenden Strom, ſo daß ſich die Ueber - einſtimmung zwiſchen den magnetiſchen Phaͤnomenen und denen der electriſch umkreiſenden Stroͤme immerfort beſtaͤtigt findet.
Einige Einwendungen, die ſich im erſten Augenblicke darzu - bieten ſcheinen, widerlegt eine naͤhere Betrachtung. Es ſcheint naͤmlich, wenn wir (Fig. 174.) den Suͤdpol S des einen Magnets grade neben den Nordpol n des andern bringen, daß dieſe ſich ab - ſtoßen muͤßten, weil hier herabgehende Stroͤme an der Seite a den hinaufgehenden an der Seite b zu gekehrt ſind; aber die geſammte Wirkung aller bis nach c, d, hin liegenden[ Stroͤme] iſt dennoch, die Ebnen der Umſtroͤmungen ſo parallel zu ſtellen, daß in beiden die obern Theile der Stroͤme parallel, die unteren Theile der Stroͤme parallel u. ſ. w. ſind. Dies zeigt ſich bei wirklichen mit umkreiſenden Stroͤmen verſehenen Nadeln, und es erhellt daher, daß es nicht der Hypotheſe entgegen iſt, wenn auch in dieſer Lage Nordpol und Suͤdpol zweier Magnete ſich ebenſo gut, wie Nordpol und Suͤdpol zweier Nadeln mit umkreiſenden Stroͤmen anziehen.
492Man hat dieſe Anziehung in mehreren Verſuchen gezeigt, unter denen ich nur noch einen von de la Rive anfuͤhren will. Dieſer bediente ſich eines ſchwimmenden electriſchen Stromes, welcher der Wirkung eines Magnets ausgeſetzt wurde. Denken Sie ſich naͤmlich in das Korkſtuͤck AB (Fig. 175.) einen metal - lenen Streifen L, an welchem in K Kupfer, in Z Zink angeloͤthet iſt, eingeſetzt; ſo geht, ſobald die Theile K, Z, in geſaͤuertes Waſſer getaucht ſind, auf welchem AB ſchwimmt, ein electriſcher Strom von K durch L nach Z. Haͤlt man nun einen ſtarken Magnet mit ſeinem Nord-Ende von vorne her gegen den Ring L gerichtet, ſo zieht er den Schwimmer heran und dieſer nimmt ſeine Stellung ſo, daß das Ende des Magnets ſich bis in den Ring L erſtreckt; haͤtte man dagegen den Suͤdpol des Magnets ſo gehalten, daß der Suͤdpol vom Beobachter vorwaͤrts gerichtet und der herabgehende Strom LZ rechts liegt, ſo wird der Schwim - mer abgeſtoßen und ſucht ſich zu drehen, bis der hinaufwaͤrts - gehende Strom an der rechten Seite iſt, wo er dann angezogen wird. Dies iſt wieder richtig, denn der von mir abwaͤrts, vor - waͤrts gerichtete Suͤdpol hat ſeine hinaufwaͤrts gehenden Stroͤme nach unſrer Hypotheſe an der rechten Seite.
Nach allen dieſen Uebereinſtimmungen hat es mir vom erſten Augenblicke der Bekanntmachung der Ampère'ſchen Theorie an geſchienen, daß es kaum moͤglich ſei, eine gluͤcklichere, allen Er - ſcheinungen noch beſſer entſprechende Hypotheſe aufzuſtellen, und alle folgenden Unterſuchungen beſtaͤtigen dies ſo ſehr, daß ich hoffe, Sie werden dieſer meiner Meinung Ihre Zuſtimmung geben.
Die electriſchen Stroͤme ziehen ſich einander an oder ſtoßen ſich ab; ſie werden vom Magnet angezogen und vom Magnet ab - geſtoßen; ſie zeigen unter der Einwirkung der Erde genau ſo wie der Magnet eine polariſche Richtung gegen die Himmelsgegenden; — das war der Inhalt der neulich mitgetheilten Folgerungen aus den Verſuchen; aber die Electricitaͤt dient auch zum Magnetiſiren der Stahlnadeln, und dieſer Gegenſtand ſoll uns jetzt beſchaͤftigen.
Ich ging neulich von der kurzen Bemerkung, daß Arago Stahlnadeln mit Huͤlfe des electriſchen Leitungsdrathes magnetiſirt, und daß Ampère dazu ſchraubenfoͤrmig gewundene Schließungs - draͤthe empfohlen habe, zu den wichtigen Entdeckungen Ampè - re's uͤber; jetzt aber kann ich aber jene Verſuche leichter angeben und erklaͤren. Wenn ich eine Stahlnadel ihrer Laͤnge nach ſo uͤber die Querrichtung eines Leitungsdrathes wegziehe, daß der electriſche Strom von rechts nach links unter der ſo beſtrichenen Stahlnadel fortfließt; ſo iſt die Stahlnadel magnetiſirt, und das von mir ab - waͤrts gehaltene Ende der Nadel ein Nordpol geworden. — Die Magnetnadel hat aber, indem ich mir ihren Nordpol von mir abwaͤrts gehalten denke, ſolche Umkreiſungsſtroͤme, nach der Theorie Ampère's daß ſie an meiner rechten Seite, welches jetzt die natuͤrliche Oſtſeite der Nadel iſt, herab und an der untern Seite von meiner rechten nach meiner linken Seite gehen; dieſe magne - tiſirte Nadel iſt alſo ſo magnetiſirt, als ob der von rechts nach links unter ihr vorbeifließende wirkliche electriſche Strom auch in ihr ſelbſt an der untern Seite einen gleichen Strom und dieſem gemaͤß einen Umkreiſungsſtrom hervorgebracht haͤtte. Findet nun dies ſchon ſtatt, wenn die Nadel nur auf jenem Strome in der Querrichtung auflag; wie viel mehr wird es der Fall ſein, wenn der Strom umkreiſend um alle Theile der Nadel geleitet wird! — Dieſer Schluß, welcher dem Vorſchlage Ampère's zum Grunde494 lag, iſt ſo vollkommen wahr, daß man ihn durch eine Reihe von Verſuchen beſtaͤtigt findet, bei denen man nur vermeiden muß, daß der electriſche Strom nicht die Nadel der Laͤnge nach durchlaufe, indem er da gaͤnzlich unwirkſam ſein wuͤrde, ja ſogar den ſchon erlangten Magnetismus zerſtoͤren kann. Nimmt man aber, da - mit kein Uebergang der Electricitaͤt auf die Nadel ſelbſt ſtatt finde, einen mit Seide umſponnenen Drath als Leitungsdrath, und windet dieſen in Form eines Schraubenganges um die Stahl - nadel; ſo macht der electriſche Strom, wenn er mit hinreichender Staͤrke den Drath durchlaͤuft, die Nadel magnetiſch, und zwar iſt diejenige Seite der Nadel ihre Oſtſeite, wo der poſitiv-electriſche Strom, um die horizontale Nadel kreiſend, herabwaͤrts geht. Und nicht bloß der Schließungsdrath der einfachen galvaniſchen Kette oder der voltaiſchen Saͤule kann hier als Leiter des electriſchen Stromes dienen, ſondern man kann auch eine electriſche Flaſche durch die Leitung dieſes Drathes ausladen, oder einen Strom durch Reibung erregter poſitiver Electricitaͤt ſo umkreiſend fortleiten; auch dann hat man nicht bloß eine ſicher hervorgebrachte Magneti - ſirung, ſondern auch eine Magnetiſirung, bei welcher die Lage der Pole voͤllig ſicher beſtimmt iſt, und bei gleichbleibender Lage der Nadel iſt immer dasjenige Ende ein Nordpol, welches nach Ver - ſchiedenheit der Richtung der Umwickelung ein ſolcher werden muß. Auf die Lage der Nadel ſelbſt gegen Norden oder Oſten koͤmmt dabei nichts an. Dies nun iſt eben etwas, was man fruͤher mit electriſchen Schlaͤgen durchaus nicht zu leiſten vermochte, da dieſe, wenn man ſie durch die Nadel gehen ließ, wie ich fruͤher erwaͤhnt habe, nur eben ſo wie andre Erſchuͤtterungen unter Einfluß des Erdmagnetismus wirkten, aber bei der Lage der Nadel in der Ebne des magnetiſchen Aequators auch eben ſo unwirkſam wie andre Schlaͤge waren.
Dieſe Magnetiſirungen ſind auf hoͤchſt mannigfaltige Weiſe ausgefuͤhrt worden, und jede neue Anordnung gewaͤhrt eine neue Belehrung; indeß kann ich hier nur noch bei einigen wenigen Abaͤnderungen des Verſuches verweilen. Pfaff in Erlangen ließ den electriſchen Strom durch Spiraldraͤthe, (Fig. 176.) die in einer Ebne liegen, gehen, und fand hier, daß die Nadel Nn, die beinahe durch den Mittelpunct geht, alſo gegen die Windungen495 des Stromes beinahe ſenkrecht iſt, zwei Nordpole in N und n erhielt, wenn die Nadel auf der Spirale lag und der Strom von K in den Mittelpunct, von dort aber durch die Umlaͤufe nach Z geleitet wurde. Dies iſt ganz richtig; denn der electriſche Strom, den wir als den Magnet umkreiſend anſehen, geht unten von der Oſtſeite nach der Weſtſeite der Nadel, alſo wird nS ein Magnet, deſſen Suͤdpol S, deſſen Nordpol n iſt, dem unter ihm von der Oſtſeite O nach der Weſtſeite W fließenden Strome gemaͤß; aber umgekehrt wird SN ein Magnet, der ſeinen Nordpol in N hat, weil der hier von o nach w eintretende Strom es ſo fordert, und dieſer o zur Oſtſeite der Nadel macht.
Aus denſelben Grundſaͤtzen erklaͤrt ſich auch folgender anfangs unerwartet ſcheinender Verſuch. Wenn man einen in ſich ſelbſt zuruͤckkehrenden Ring ABC von Stahldrath (Fig. 177.) ſo auf - ſtellt, daß der Leitungsdrath ſenkrecht gegen die Ebne desſelben durch ſeinen Mittelpunct D gefuͤhrt wird; ſo zeigt der Ring, nach - dem man Entladungsſchlaͤge durch D hat gehen laſſen, keine ma - gnetiſche Kraft; aber wenn man den Ring zerſchneidet, ſo iſt jedes Stuͤck ein Magnet und die Pole aller Stuͤcke finden ſich in derſelben Richtung liegend. Waͤre bloß der Stahldrath AB da und ginge der poſitive Strom in D von oben nach unten, ſo wiſſen wir, daß die nach dem Mittelpuncte zu gekehrte, dem herabgehen - den Strome zu gekehrte Seite eine Oſtſeite des Magnets, alſo B ein Nordpol, A ein Suͤdpol wuͤrde; waͤre bloß der Stahldrath AC da, ſo wuͤrde durch denſelben Strom die innere Seite eine Oſtſeite und A ein Nordpol; alle einzelnen Theile des Drathes wuͤrden alſo ſaͤmmtlich ihre innere Seite als eine Oſtſeite zeigen und der Suͤdpol jedes naͤchſten Stuͤckes wuͤrde an den Nordpol des andern Stuͤckes grenzen, woraus eine voͤllige Aufhebung der magnetiſchen Wirkungen, ſo lange der Ring ganz bleibt, hervorgeht. Eben ſo hat man den Schlag durch den Mittelpunct einer Stahlſcheibe gehen laſſen, deren einzelne Theile ſich dann erſt nach der Zer - legung magnetiſch zeigen.
Savary hat bei Verſuchen, wo der electriſche Schlag in einem gradlinigten Drathe ſenkrecht gegen die Richtung der Stahl - nadel an ihr vorbe gefuͤhrt wurde, die Bemerkung gemacht, daß nur bei der Beruͤhrung und in großer Naͤhe die Pole der Nadel ſo496 werden, wie es dieſen Beſtimmungen gemaͤß iſt, daß etwas entfernter vom Leitungsdrathe liegende Nadeln bei ganz gleichen Schlaͤgen entgegengeſetzte Pole erhalten, daß aber auch dies nur bis zu einer gewiſſen Grenze ſtatt findet und noch entferntere Nadeln ihre Pole wieder ſo haben, wie die nahe am Leitungsdrathe liegenden, ja dieſer Wechſel der Pole kann ſogar noch oͤfter vorkommen. Bei ſehr duͤnnen Leitungsdraͤthen fand ein ſolcher Wechſel nicht ſtatt, und der Erfolg war uͤberhaupt nach der Laͤnge und Dicke des Leitungsdrathes, auch nach der Dicke und Haͤrtung der Stahl - nadeln verſchieden. Aus den uͤbrigen Verſuchen Savary's will ich nur noch die ausheben, wo die zu magnetiſirenden Nadeln in metalliſchen Umhuͤllungen lagen. Arago hatte gefunden, daß die in Glasroͤhren innerhalb eines ſchraubenfoͤrmigen Leitungs - drathes liegenden Stahlnadeln eben ſo gut magnetiſch wurden, als wenn dieſe iſolirende Umhuͤllung nicht da war; dagegen fand Sa - vary, daß eine Stahlnadel, die ſich in einem Cylinder von ſtar - kem Kupfer befand, nicht magnetiſirt wurde, wenn der electriſche Schlag, ohne auf das Kupfer uͤbergehen zu koͤnnen, in ſchrauben - foͤrmigen Umwindungen außerhalb des Kupfers fortging. Das Kupfer hinderte alſo bei bedeutender Dicke den Einfluß des electri - ſchen Stromes auf die Stahlnadel, bei geringerer Dicke ward dieſe Hinderung geringer, und bei ſehr geringer Dicke fand ſich die ein - geſchloſſene Nadel ſogar ſtaͤrker magnetiſch, als die uneingeſchloſſen daneben liegende. Da die Geſetze, nach welchen ſich alle dieſe Un - gleichheiten richten, noch nicht recht klar erhellen, ſo glaube ich hier nicht weiter bei dieſen Verſuchen verweilen zu duͤrfen, und fuͤge nur noch hinzu, daß Kupferſeile und Eiſenſeile als dichte Umhuͤl - lung der Nadeln gebraucht, keine erhebliche Wirkung zeigten und hier alſo eben die Ungleichheit der Wirkung feſter Maſſen und zer - theilter Maſſen, wie bei dem durch Rotation hervortretenden Ma - gnetismus, ſichtbar wird. Savary glaubt, jene Wechſel in den Wirkungen deuteten auf Vibrationen hin.
Zu dieſen Verſuchen hat Sturgeon noch einen ungemein ſchoͤnen Verſuch hinzugefuͤgt. — Man haͤtte wohl ſchon fruͤher auf den ſo nahe liegenden Gedanken geleitet werden ſollen, daß, wenn Stahl ſich unter dem Einfluſſe eines umkreiſenden electriſchen Stromes dauernd magnetiſch machen laſſe, weiches Eiſen, weil es497 dem magnetiſchen Einfluſſe ſo leicht nachgiebt, waͤhrend dieſes Einfluſſes noch viel mehr magnetiſche Kraft zeigen muͤſſe. Dieſer Gedanke war es ohne Zweifel, der Sturgeon zu dem Verſuche leitete, um einen in die Form eines Huf-Eiſens gebogenen Stab ABC weichen Eiſens (Fig. 178.) einen ſtarken Kupferdrath ſchrau - benfoͤrmig zu wickeln, einen kraͤftigen electriſchen Strom dieſen durchlaufen zu laſſen und dann das Eiſen AC als angehaͤngten Anker dieſem Electromagnete darzubieten. Der Verſuch gehoͤrt zu den uͤberraſchendſten, die man ſehen kann, wegen des ſchnellen Wechſels einer ſchnell entſtehenden und ſchnell verſchwindenden Magnetiſirung. Wenn alles zum Verſuche vorbereitet iſt, aber die Leiter, die von den Queckſilbergefaͤßen D, E aus, worin die En - den des Kupferdrathes ſich befinden, zu den beiden Polen des gal - vaniſchen Apparates gehen und dort in Queckſilber eingetaucht die Leitung des Stromes bewirken ſollen, noch nicht angebracht ſind; ſo iſt das Eiſen unmagnetiſch oder nach oͤfterem Gebrauche allen - falls nur ſo unbedeutend magnetiſch, daß das Eiſen AC doch im - mer faſt mit gar keiner Kraft an dem gekruͤmmten Stabe anhaͤngt; aber bringt man nun die leitende Verbindung zu Stande, ſo iſt die Anziehung ſogleich ſo groß, daß ſie Laſten, die ungemein bedeu - tend ſind, traͤgt. Ein gebogener Eiſenſtab von etwa 20 bis 24 Zoll Laͤnge und ½ Zoll Dicke mit 170 Windungen ſtarken Kupfer - draths umwunden, erhaͤlt, mit Huͤlfe eines galvaniſchen Apparates von einer Zinkplatte, die lange keinen Quadratfuß groß zu ſein braucht, und zwei eben ſo großen Kupferplatten, faſt im Augen - blick der anfangenden Wirkung des Stromes eine Tragkraft von 20 Pfund, die aber in einem Momente verloren iſt, wenn man den einen Leitungsdrath oder beide aus den Queckſilberſchaͤlchen aushebt, und ſich augenblicklich wieder herſtellt, wenn der Kreislauf des Stromes hergeſtellt iſt. Welcher Pol dieſes kuͤnſtlichen Ma - gnetes Nordpol, welcher Suͤdpol iſt, will ich nicht umſtaͤndlich an - geben, da die Anleitung zu dieſer Beſtimmung im Vorigen gegeben iſt, und dieſe Anleitung ſich allemal richtig zeigt.
Dagegen muß ich die rieſenmaͤßige Ausfuͤhrung dieſes Ver - ſuches noch erwaͤhnen, die von einigen americaniſchen Naturfor - ſchern zu Stande gebracht iſt. Sturgeon ſelbſt hat jenen Ver - ſuch ſchon etwas mehr im Großen ausgefuͤhrt, indem er einenIII. Ii498groͤßern Eiſenſtab mit mehreren Lagen von ſchraubenfoͤrmigen Lei - tungsdraͤthen umwickelte und dieſe Lagen durch Seide von einander trennte; aber ſehr viel weiter haben dies Henry und ten Eyck getrieben. Sie nahmen eine gehoͤrig gekruͤmmte, drei Zoll dicke, 30 Zoll lange weiche Eiſenſtange von 60 Pfund ſchwer, und wand - ten 26 einzelne 31fußige Kupferdraͤthe zur Umwickelung an, ſo daß die in Schraubengaͤngen das Eiſen umkreiſenden Windungen 728 Fuß betrugen; die uͤbrig bleibenden Enden wurden ſo zuſam - men geloͤthet, daß alle 26 den poſitiven Strom empfangenden vereinigt und eben ſo alle 26 den poſitiven Strom wieder zur gal - vaniſchen Kette hinuͤberfuͤhrenden Draͤthe vereinigt und zuſammen an die Metalle geloͤthet wurden, welche die Elemente der galvani - ſchen Wirkung darboten. Wurden dieſe Draͤthe, die alle auf gleiche Weiſe in mehreren Schichten uͤbereinander gewickelt waren, und zwar an den Enden des Eiſens am dichteſten, mit einem Platten - paare von 4 $$\frac{7}{9}$$ Quadratfuß durch Loͤthung feſt verbunden, und die - ſes Plattenpaar in geſaͤuertes Waſſer getaucht; ſo konnte dieſer Magnet 2000 Pfund tragen und war alſo ſtaͤrker als man nur je einen Magnet zu erhalten gehofft hat.
Von dieſen Erſtaunen erregenden Wirkungen laſſen Sie uns jetzt auf nuͤtzliche Anwendungen uͤbergehen, die man von den elec - tromagnetiſchen Apparaten gemacht hat, um die Geſetze der Wir - kung der electriſchen Stroͤme genauer kennen zu lernen. Schweig - gers Multiplicator, ein Inſtrument, das auch den Namen Galvanometer erhalten hat, iſt hiezu von vorzuͤglichem Nutzen. Die Einrichtung dieſes Inſtrumentes, das ich ſchon fruͤher zuweilen genannt habe, obgleich ich es noch nicht beſchreiben konnte, iſt fol - gende. Eine an dem ungedrehten Seidenfaden AB (Fig. 179.) haͤngende Magnetnadel NS befindet ſich zwiſchen den uͤber und unter ihr fortgehenden, zahlreichen Umwickelungen eines mit Seide uͤberſponnenen Metalldrathes, deſſen Enden K, Z mit den beiden Koͤrpern, die zu Erregung des electriſchen Stromes dienen ſollen, in Verbindung geſetzt werden. Haben nun dieſe Umwickelungen die Stellung nach der Richtung des magnetiſchen Meridians, ſo bleibt die Nadel in Ruhe zwiſchen dieſen Windungen des Multi -499 plicators ſo lange kein electriſcher Strom den Drath durchlaͤuft; ſobald aber von K nach LMZ ein poſitiv-electriſcher Strom erregt wird, ſo ſtellt ſich die Magnetnadel ſo, daß ihre Oſtſeite den her - abgehenden Stroͤmen, ihre Weſtſeite den hinaufgehenden Stroͤmen zugewandt iſt, und ihre Ablenkung vom Meridiane macht uns das Vorhandenſein dieſer Stroͤme kenntlich. Die Empfindlichkeit dieſes Inſtrumentes wird deſto mehr vergroͤßert, je zahlreicher die Umwickelungen, deren die Figur nur wenige darſtellt, ſind; denn da der electriſche Strom dieſe Umwickelungen nach einander durch - laͤuft, ſo uͤbt jeder dieſer Stroͤme ſeine ablenkende Wirkung aus, und die Vervielfachung der Wirkungen iſt bei hundert Windungen nur darum nicht vollkommen die hundertfache, weil theils der laͤngere Leitungsdrath durch vermehrten Widerſtand den Strom um etwas ſchwaͤcht, theils es nicht moͤglich iſt, alle hundert Umwickelun - gen gleich nahe und gleich vortheilhaft anzubringen; indeß, wenn wir dieſe Umſtaͤnde, als doch nur wenig bedeutend, aus den Augen laſſen, ſo koͤnnen wir bei hundert Umwickelungen von einer hun - dertfachen Vervielfachung der Wirkungen ſprechen. Die Ablenkun - gen der Nadel werden auf einem in Grade getheilten Kreiſe abge - leſen.
Die Empfindlichkeit des Inſtrumentes wird noch erhoͤht, wenn man außerhalb der Windungen des Multiplicators an demſelben Faden und mit der erſten Nadel durch ein feines Staͤbchen feſt ver - bunden, noch eine zweite Magnetnadel ns in genau entgegen - geſetzter Richtung anbringt, wo dann der getheilte Kreis ſich nahe unter sn befindet. Dieſe beiden Nadeln, obgleich ſie ſtark magne - tiſirt ſein muͤſſen, haben dann vereinigt faſt gar keine Richtungs - kraft, indem nur der Unterſchied ihrer etwas ungleichen Drehungs - kraͤfte ſie zu der richtigen Stellung in den magnetiſchen Meridian zuruͤckfuͤhrt; eben darum aber reicht dann auch die allerſchwaͤchſte ab - lenkende Kraft hin, um beide vereinigte Nadeln vom Meridian zu entfernen, und die Einwirkung der Stroͤme L fuͤhrt die umgekehrt geſtellte Nadel sn nach eben der Seite, nach welcher die Stroͤme L und M die unten ſtehende Nadel NS, (die ich als die etwas ſtaͤr - kere annehme,) fuͤhren. Ein Multiplicator mit zwei Nadeln giebt die kleinſten Spuren eines electriſchen Stromes an; doch bemerkt Nobili, daß die Zuckungen des Froſches ſelbſt noch da in ſchwa -Ji 2500chem Maaße erfolgen, wo der Multiplicator aufhoͤrte, deutliche Ablenkungen zu zeigen.
Die naͤchſte Anwendung, die man von dieſem Multiplicator machen kann, iſt nun die Pruͤfung zweier Metalle, ob der poſitive Strom vom erſten zum zweiten oder vom zweiten zum erſten geht. Man will zum Beiſpiel wiſſen, ob der poſitive Strom vom Kupfer zum Silber oder umgekehrt geht; ſo nimmt man eine Silberplatte und eine Kupferplatte, legt ein angefeuchtetes Papier zwiſchen beide, und druͤckt nun den Drath K an das Kupfer, den Drath Z an das Silber. Indem dies geſchieht, ſieht man die Nadel die - jenige Ablenkung annehmen, die einem von Z nach MLK gerich - teten Strome entſpricht, oder die Nadel wird nach eben der Seite abgelenkt, wie es der Fall ſein wuͤrde, wenn man in K Zink und in Z Kupfer anbringt. Da der Multiplicator ſelbſt fuͤr die klein - ſten Unterſchiede der electromotoriſchen Wirkſamkeit eine Entſchei - dung giebt, ſo kann man mit ſeiner Huͤlfe ſelbſt uͤber Faͤlle ent - ſcheiden, wo die electromotoriſche Thaͤtigkeit nur ſehr geringe iſt, zum Beiſpiel, ob ſich, wie ich fruͤher erwaͤhnt habe, zwiſchen einer lange Zeit nicht gebrauchten Kupferplatte und einer Platte, die ſo eben aus einer wirkſamen voltaiſchen Saͤule genommen wird, ein electriſcher Strom erzeugt, und ſo in aͤhnlichen Faͤllen.
Die Wirkung, welche ſich hier, wegen der zahlreichen auf die Nadel wirkenden electriſchen Stroͤme des Multiplicators, zeigt, iſt ſo groß, daß die ſo hoͤchſt bewegliche Nadel oft mehrere ganze Um - laͤufe in Folge des bei der Beruͤhrung der Metalle entſtehenden electriſchen Stromes macht; dieſes iſt Folge der Gewalt, mit wel - cher die Ablenkung hervorgebracht wird, durch welche die Nadel ſehr weit uͤber das eigentliche Ziel, naͤmlich die gegen den Meridian ſenkrechte Stellung, hinausgefuͤhrt wird. — Daß man die Nadel zu Abweichungen nach entgegengeſetzten Seiten zwingt, wenn man an die durch naſſes Papier getrennten zwei Metalle bald K an das Kupfer, Z an das Zink bringt, bald die entgegengeſetzte Anordnung waͤhlt, brauche ich wohl kaum zu erwaͤhnen.
Der Multiplicator kann aber nicht allein angewandt werden, um zu ſehen, ob der poſitive Strom durch den Leitungsdrath von K nach Z oder von Z nach K geht; ſondern er dient auch zur Meſſung der Staͤrke des Stromes, und in dieſer Hinſicht habe ich501 ihn mehrmals bei Gelegenheit der Verſuche Fechners erwaͤhnen muͤſſen. In den fruͤheren Unterſuchungen iſt wohl die Menge des entwickelten Gas bei der Waſſerzerſetzung, oder die Laͤnge des zum Gluͤhen kommenden Drathes, als Maaß der Kraft eines galvani - ſchen Apparates angegeben; aber dieſe und aͤhnliche Beſtimmungen erlauben keine ſonderliche Genauigkeit. Die Einwirkung auf die Magnetnadel koͤnnte nun auf mehrere Art zum Maaße der Kraft des Stromes dienen, entweder indem man bei nicht allzu beweg - lichen Nadeln den Abweichungswinkel beſtimmte, oder indem man die an einem zarten Faden haͤngende Nadel nach Art der Cou - lombſchen Drehwaage behandelte und die Kraft der Ablenkung mit der Drehungskraft des Fadens ins Gleichgewicht ſetzte, oder indem man die Oſcillationen der Nadel beobachtete. Die letzte Methode, die Fechner mit Recht als am meiſten zu Vergleichun - gen geeignet waͤhlte, bedarf einer genauern Erklaͤrung. Wir nah - men bisher immer an, daß die electriſchen Stroͤme in der Richtung des magnetiſchen Meridians uͤber und unter der Nadel fortliefen, und daß dieſe daher zu einer gegen den Meridian ſenkrechten Rich - tung hin abgelenkt werde; fuͤr die jetzt zu beſchreibenden Verſuche dagegen iſt es nothwendig, die Umſtroͤmungen ſenkrecht auf den Meridian und ſo ſtatt finden zu laſſen, daß der herabgehende po - ſitive Strom an der Oſtſeite der Nadel herabgeht, der unter ihr hin fließende von Oſten nach Weſten u. ſ. w. Bei dieſer Stellung der Stroͤme wird die Nadel gar nicht von ihrer Richtung abge - lenkt; aber eben die Kraft, welche ſie im vorigen Falle zu derjeni - gen Stellung in Beziehung auf die Umſtroͤmungen hinzog, in wel - cher ſie ſich jetzt ſchon befindet, eben die Kraft zeigt ſich nun durch ſchnelleres Oſcilliren der Nadel. Die Kraft der electriſchen Um - ſtroͤmung beſteht darin, daß ſie die Nadel in die gegen die Ebne der Umſtroͤmungen ſenkrechten Richtung zu bringen ſtrebt; wenn alſo durch eine fremde Gewalt die Nadel von dieſer Richtung ent - fernt wird, ſo kehrt ſie mit deſto groͤßerer Schnelligkeit zu derſelben zuruͤck, je groͤßer die Kraft der electriſchen Stroͤme iſt, und die Groͤße dieſer Kraft laͤßt ſich alſo aus der Schnelligkeit der Oſcilla - tionen berechnen. Bei einem Verſuche Fechners machte die Magnetnadel, ehe ſie dem electriſchen Strome ausgeſetzt wurde, 4 Schwingungen in 15 Sec. und nachher, als die Wirkung des502 electriſchen Stromes die Oſcillationen beſchleunigte, brauchte ſie nur 33 Sec. zu 56 Oſcillationen; im erſten Falle alſo 56 Schwin - gungen in 210 Secunden, im andern Falle eben ſo viele in 33 Sec. Die Kraͤfte verhalten ſich wie die Quadrate dieſer Zahlen, alſo die allein wirkende magnetiſche Kraft der Erde zu der aus dieſer und der Einwirkung des Stromes zuſammen geſetzten Kraft wie 33 ⋅ 33 = 1089 zu 210 ⋅ 210 = 44100, das iſt wie 1 zu 40, 49; die Kraft, mit welcher die Einwirkung des electriſchen Stromes die Nadel zu ihrer Lage zuruͤckfuͤhrte, war alſo 39½ mal ſo groß, als die Kraft, mit welcher der Erdmagnetismus auf die Nadel wirkte.
Aus dieſer Anwendung des Multiplicators laͤßt ſich in jedem Falle die Groͤße der Kraft des electriſchen Stromes beſtimmen. Ihre Abnahme nach beſtimmter Zeit der Schließung der Saͤule, ihre Erneuerung, nachdem die Schließung unterbrochen worden oder uͤberdies die Platten der Luft ausgeſetzt worden, ihre Aen - derung, wenn man laͤngere Schließungsdraͤthe anwendet u. ſ. w.
Hier laͤßt ſich nun auch der Verſuch deutlich machen, den ich fruͤher als paſſend, um die ungleiche Leitung verſchiedener Metalle zu beſtimmen, erwaͤhnt habe. Wenn man naͤmlich zwei mit Seide umſponnene Draͤthe von gleicher Dicke aber von verſchiedenen Metallen neben einander zu den Windungen des Multiplicators anwendet und durch den einen den electriſchen Strom von K nach Z, durch den andern von Z nach K gehen laͤßt; ſo ſchwaͤchen dieſe entgegengeſetzten Stroͤme offenbar die Wirkung auf die zwiſchen den Windungen des Multiplicators liegende Magnetnadel gegenſeitig. Sind die Draͤthe nicht bloß gleich dick und gleich lang, ſondern auch von gleich gut leitenden Metallen, ſo muͤſſen die Wirkungen voͤllig aufgehoben werden; ſind ſie gleich dick und gleich lang, aber die Metalle ungleich leitend, ſo wird die Wirkung des beſſer leitenden ſich dadurch kenntlich machen, daß die Magnetnadel nach der Seite abgelenkt wird, wohin der ſtaͤrkere Strom im beſſer leitenden Me - talle ſie abzuweichen noͤthiget; giebt man aber dem beſſer leitenden Metalle nach und nach eine groͤßere Laͤnge und vermehrt man ſo den Leitungswiderſtand, ſo bringt man immer naͤher eine Gleichheit beider Stroͤme hervor, und wenn man faͤnde, daß der eben ſo dicke Silberdrath ſechsmal ſo lang als der Platindrath ſein muͤßte, um503 die Gleichheit der Stroͤme zu bewirken, ſo wuͤrde man dem Platin einen 6 mal groͤßern Leitungswiderſtand als dem Silber beilegen.
Bei mehreren Verſuchen, die man angeſtellt hatte, um die Einwirkung eines Stromes der durch Reibung erregten Electricitaͤt auf die Magnetnadel zu beobachten, konnte man mit dem Multi - plicator keine ſolche bemerken, und wußte ſich dieſe Verſchiedenheit nicht recht zu erklaͤren. Colladon hat aber gezeigt, daß ſich die Wirkung allerdings wahrnehmen laͤßt, wenn man nur hindert, daß die mit zu ſtarker Spannung die Iſolirungen durchbrechende Elec - tricitaͤt nicht von einer Windung des Multiplicators zur andern uͤbergeht. Colladon wandte einen mit doppelter Seide genau umſponnenen Multiplicatordrath an, und ließ eine electriſche Bat - terie von 4000 Quadratzoll Oberflaͤche nur ſo ſchwach laden, daß man an dem Electroſcop der Flaſchen eine geringe Divergenz be - merkte. Wurde nun das eine ſpitzig auslaufende Ende des Mul - tiplicatordrathes dem Knopfe der Batterie, iſolirt gehalten, genaͤ - hert, waͤhrend das andre Ende an der aͤußern Belegung anlag, ſo zeigte die Ablenkung der Magnetnadel den electriſchen Strom an, und zwar fand dieſe Ablenkung nach entgegengeſetzten Seiten ſtatt, wenn die Enden der Draͤthe vertauſcht und dadurch die Richtung des Stromes eine entgegengeſetzte wurde. Auch der durch Drehung einer Electriſirmaſchine hervorgebrachte Strom von Electricitaͤt vom geladenen Leiter zum iſolirten Reibzeuge zuruͤck, brachte, wenn er durch den Multiplicatordrath geleitet wurde, eine Ablenkung der Nadel hervor, und endlich ließ ſich auch bei einem herannahenden Gewitter die atmoſphaͤriſche Electricitaͤt auf dieſe Weiſe wahrneh - men, als man eine hoch ſtehende, iſolirte Metallſpitze ſo mit dem Multiplicator in Verbindung ſetzte, daß die von jener aus der Atmoſphaͤre angenommene Electricitaͤt durch den Multiplicator zur Erde geleitet wurde.
Die meiſten Verſuche, von denen ich Sie bis jetzt unter - halten habe, bezogen ſich auf horizontale Leitungsdraͤthe oder auf Draͤthe, die in ſchraubenfoͤrmigen Windungen dem electriſchen Strome zahlreiche Umkreiſungen geſtatteten. Die Wirkungen eines einzelnen neben der Magnetnadel herabwaͤrts oder hinaufwaͤrts gehenden electriſchen Stromes ſchienen ſich nach den bisherigen An - gaben immer ziemlich leicht beſtimmen zu laſſen; aber dennoch bieten ſich hier ganz neue Erſcheinungen dar, die von Faraday zuerſt beobachtet worden ſind.
Wenn die horizontale Magnetnadel in ihrer natuͤrlichen Stel - lung im magnetiſchen Meridiane ſich befindet; ſo muß, allen bisher betrachteten Erſcheinungen zu Folge, ein an ihrer Oſtſeite herab - waͤrts gehender electriſcher Strom ſie anziehen, ein an ihrer Weſt - ſeite herabwaͤrts gehender electriſcher Strom ſie abſtoßen. Dieſes findet ſich auch wirklich ſo; aber wenn man den Leitungsdrath an der Seite der Magnetnadel nahe bis an die Enden bringt, ſo kehrt ſich die Wirkung um und die Anziehung des an der Oſtſeite herab - gehenden Stromes geht in Abſtoßung uͤber. Dies beruht offenbar auf der ſchon fruͤher erwaͤhnten Entfernung des wahren Poles der Nadel von ihrem Ende, wodurch (Fig. 180) es ſich ſo verhaͤlt, als ob sN ein kleiner Magnet mit dem Nordpole in N, dem Suͤd - pole in s, waͤre, und als ob die nach Ampère anzunehmenden Umkreiſungen zwar in der Mitte des Magnetes ihre volle Wirk - ſamkeit zeigten, an den aͤußerſten Enden aber ein umgekehrter Er - folg eintraͤte. Jene Beobachtung fuͤhrt nun zu der Ueberzeugung, daß ein beweglicher Leitungsdrath eine Bewegung um den Pol der Magnetnadel anfangen muß; denn ein verticaler hinaufgehender Strom, deſſen bloßen Querſchnitt ich in A zeichne, weil der Drath ſenkrecht gegen die Ebne des Papieres gehen ſoll, wird durch die505 Abſtoßung in der Gegend B nach AC fortruͤcken, weil offenbar die abſtoßenden Stroͤme um die Mitte des Magnetes wirkſamer ſind, als die wenigen zwiſchen B und N liegenden, und daher ein Fort - ruͤcken nach dem Ende hin veranlaſſen; iſt aber A bis neben N gekommen, ſo geht er weiter dem Ende zu und wird zugleich ange - zogen. So faͤngt er alſo an, den wahren Nordpol N zu umkreiſen und wuͤrde auch auf der andern Seite dieſen Umlauf fortſetzen, wenn gleich das Anſtoßen an den Magnet wiederholte Umlaͤufe hindert. Dies war die erſte Ueberlegung, die zu einer Kenntniß der von ſelbſt entſtehenden Rotationen fuͤhrte, welche Faraday ſogleich auch noch vollkommener darſtellte, die wir aber nun mit andern Betrachtungen in Verbindung ſetzen wollen.
Ampère bemerkte naͤmlich ſogleich, daß die von ihm gefun - denen Anziehungen und Abſtoßungen electriſcher Stroͤme dieſe Ro - tationen als nothwendigen Erfolg unter beſtimmten Umſtaͤnden angaͤben. Um dieſes mit der voͤlligſten Ueberzeugung einzuſehen, braucht man nur zu uͤberlegen, was geſchehen wird, wenn (Fig. 181.) der electriſche Strom AB, der gegen den zweiten electriſchen Strom CD zu fließt, ſo angeordnet iſt, daß er eine mit CD parallele Be - wegung annehmen kann. Die Anziehung und Abſtoßung electri - ſcher Stroͤme befolgt, wie Sie ſchon wiſſen, das Geſetz, daß ſie ſich anziehen, wenn beide gegen die Spitze des Winkels E zu fließen, aber ſich abſtoßen, wenn einer gegen dieſe zu, der andre von ihr abwaͤrts ſtroͤmt; die Wirkung des Stromes ED auf AB iſt alſo eine andre als die Wirkung des Stromes CE; wenn man die Wirkung gleich entfernter Puncte m, n, auf einen Punct I be - trachtet, ſo iſt die Wirkung von n nach nI abſtoßend, die Wirkung von m nach Im anziehend; die eine und die andre tragen daher bei, den Strom AB nach Ik hin zu treiben, und dieſer Strom muß, wenn er keine andre Richtung annehmen, wohl aber von AB nach ab fortruͤcken kann, zu dieſem Fortruͤcken angetrieben werden. Am - père nennt hier den Strom CD unbegrenzt, den Strom AB begrenzt, weil es erforderlich iſt, daß der erſtere an beiden Seiten entgegengeſetzt wirke, daß AB dagegen ſich nicht bis an den Durch -506 ſchnittspunct E oder bis uͤber ihn hinaus erſtrecke, indem, wenn dies geſchaͤhe, die fortruͤckende Bewegung (wegen entgegengeſetzter Einwirkung auf beide Enden) nicht eintreten wuͤrde. Unſre Be - trachtungen ergeben alſo die Regel, daß ein begrenzter Strom AB, der gegen den unbegrenzten CD zu fließt, neben dieſem in einer Richtung, der Richtung des letztern entgegengeſetzt, fortgetrieben wird, oder auf dem unbegrenzten Strome zuruͤck ruͤckt; und ganz eben ſo erhellt, daß, wenn der Strom AB von dem unbegrenzten Strome CD abwaͤrts floͤſſe, jener ein Beſtreben haben wuͤrde, die - ſen zu begleiten, weil jetzt der Theil ED anziehend, CE dagegen abſtoßend wirken wuͤrde.
Unter den unbegrenzten Stroͤmen verdienen die kreisfoͤrmig in ſich ſelbſt zuruͤckkehrenden Stroͤme vorzuͤgliche Beachtung. Tritt hier (Fig. 182.) der Strom bei A ein und macht nach der Rich - tung ABCD einen oder mehrere von einander iſolirte Umlaͤufe, indem er von D wieder weiter geleitet wird; ſo werden alle Theile eines zweiten von E nach C fließenden Stromes nach B zu ange - zogen, von b her dagegen abgeſtoßen, und der Strom EC hat, wenn er beweglich iſt, ein Beſtreben auf CB zuruͤck zu gehen; ein von C nach E gehender Strom wuͤrde dagegen, weil der Strom Cb eben ſo wie CE von C abwaͤrts ginge, nach b vorwaͤrts gezo - gen werden. Solche um den Mittelpunct des Kreiſes ABCD bewegliche Stroͤme laſſen ſich bequem darſtellen und daher laͤßt ſich die Erſcheinung des Fortruͤckens hier wirklich zeigen.
Waͤre nicht EC beweglich, ſondern waͤre der kreisfoͤrmige Strom ſo aufgehaͤngt, daß er ſelbſt ſich um ſeinen Mittelpunct drehen koͤnnte, ſo wuͤrde, wenn in EC der Strom von E nach C fließt, der Ring ABCD zu einer Rotation angetrieben werden, und dieſes nach derſelben Richtung, nach welcher ſich der Strom im Ringe fortbewegt; denn da die Stroͤme EC, BC beide nach der Spitze des Winkels C gehen, ſo ziehen ſie ſich einander an, das heißt, alle gegen B zu liegende Theile werden nach EC hin gezo - gen, alſo zur Drehung von B nach C angetrieben, wogegen alle bei b liegenden Theile abgeſtoßen, nach der Richtung Cb vorwaͤrts getrieben werden, weil Cb von der Spitze C weg, EC gegen die Spitze C zu fließt.
507Dieſen letztern Satz hat Savary durch einen Verſuch nach - gewieſen, den man leicht verſteht, wenn man bedenkt, daß im Me - talle die Leitung viel ſchneller als im Waſſer iſt, und daß daher das von Waſſer umgebene Metall dennoch einen electriſchen Strom in ſich fortleitet. Savary's Anordnung des Verſuches fordert einen ſtarken voltaiſchen Apparat, damit ein recht kraͤftiger Strom entſtehe. Das Inſtrument (Fig. 183.) beſteht aus einem flachen, kreisfoͤrmigen Metallgefaͤße AB, deſſen Boden im Centrum durch - bohrt iſt und eine durch Glas iſolirte Metallſaͤule IH durchlaͤßt, auf deren Gipfel in einem mit Queckſilber gefuͤllten Schaͤlchen die Metallſpitze U ruht, die einen an dem Buͤgel LGF haͤngenden Metallring FDE traͤgt. Dieſer Ring iſt bei F ſo unterbrochen, daß ein iſolirender Koͤrper die beiden Enden des Metallreifens trennt; vom Ende des Metalles aber geht ein metalliſcher Leiter FGU nach der Spitze zu, ſtatt daß die andre Haͤlfte des Buͤgels LM aus Nichtleitern beſteht. K und C ſind die beiden Puncte, wo die electriſchen Stroͤme eintreten koͤnnen. Iſt nun das Gefaͤß AB mit geſaͤuertem Waſſer gefuͤllt, und der Metallreifen FDE in das - ſelbe (ohne das Gefaͤß zu beruͤhren) eingetaucht, ſo wird der bei C eintretende electriſche Strom auf alle Puncte des Gefaͤßes AB uͤbergehen und, weil er hier keine Ableitung findet, durch das Waſſer uͤberall zu dem Metallringe hinuͤbergehen. Dieſe Stroͤme ſind begrenzte Stroͤme, die ſich nur bis an den Ring erſtrecken, aber ſo wie ſie den Ring erreichen, der beſſern Leitung wegen, zu ihm uͤbergehen und in ihm von D nach F, von E uͤber D nach F, ſaͤmmtlich in einerlei Richtung fließen, weil ſie nur diesſeits der iſolirenden Unterbrechung durch FG nach H und ſo durch HIK zum andern Pole der Saͤule gelangen koͤnnen. Da der Metall - ring ſo aufgehaͤngt iſt, daß er ſich um die feine Spitze U mit voll - kommner Leichtigkeit drehen kann, ſo iſt der kreisfoͤrmige Strom EDF ein beweglicher und er faͤngt daher an ſo zu rotiren, daß D nach F ruͤckt, weil die von D im Ringe nach F zu fließenden Theile des electriſchen Stromes durch die im Waſſer gegen D zu fließen - den Theile fortgeſtoßen, die jenſeits D liegenden aber heran gezogen werden, und dieſes nicht bloß fuͤr D, ſondern fuͤr jeden Punct des Ringes gilt. Dieſes Rotations-Inſtrument wird einerlei Dre - hung geben, man laſſe den poſitiven Strom bei C einfließen und508 bei K ausfließen oder umgekehrt, indem im letztern Falle die ſaͤmmtlichen Stroͤme die entgegengeſetzten Richtungen haben und daher eben die Wirkung hervorbringen. Das Gelingen dieſes Ex-periments zeigt alſo deutlich, daß das Anziehen und Abſtoßen der electriſchen Stroͤme auch dieſe Wirkung, die man nach dem Princip der Zerlegung der Kraͤfte erwarten durfte, in der That hervor - bringt .*)Dies Experiment bedarf eines ſtarken electriſchen Stromes we - gen der Einwirkung des Erdmagnetismus, auf den ich noch zuruͤck - komme, deſſen Einwirkung uͤberwunden werden muß..
Ich koͤnnte nun ſogleich zur Anwendung des Magnets uͤber - gehen, aber um alle Umſtaͤnde genau zu uͤberſehen, erlauben Sie mir noch eine Erweiterung der bisherigen Theorien beizufuͤgen. Auch ein vertical herabgehender Strom wird von einem horizon - talen kreisfoͤrmigen Strome zur rotirenden Bewegung angetrieben, nur darf jener nicht tiefer herabgehen, als der horizontale Kreis - ſtrom, damit nicht die Wirkung des untern Theiles die des obern vernichte. Erſtreckt ſich aber der herabgehende Strom (Fig. 184. ) ED bloß bis D, ſo wird er gegen die nachfolgenden Theile des Kreisſtromes angezogen und von den ſchon vorbeigefloſſenen Theilen AB zuruͤckgeſtoßen; er geht alſo nach der Richtung, welche der Richtung des Stromes ſelbſt entgegen iſt, von A nach C um den Kreisſtrom herum; ein von D nach E hinaufwaͤrts gehender Strom wuͤrde dagegen Umlaͤufe von A gegen B vollenden, weil die von den naͤchſten Puncten A, D beider Stroͤme abwaͤrts gehenden Stroͤme ſich anziehen. Daß dieſe Anziehung nach ſchiefer Rich - tung geſchieht, dennoch aber, durch Zerlegung der Kraͤfte, wie die Statik ſie lehrt, die eben angegebene Wirkung hervorbringt, laͤßt ſich leicht uͤberſehen.
Die Uebereinſtimmung zwiſchen umkreiſenden electriſchen Stroͤ - men und dem Magnete findet ſich nun auch hier wieder beſtaͤtiget. Wenn man einen Magnet vertical ſtellt und zwar mit dem Nord - pole oben, ſo legten wir ihm umkreiſende electriſche Stroͤme bei,509 die in dieſem Falle von Norden nach Weſten, Suͤden, Oſten, lau - fen. Befindet ſich alſo in dem Glascylinder AB (Fig. 185.) unten bei NS ein verticaler Magnet mit dem Nordpole oben, umgeben von einer Queckſilbermaſſe, die den untern Theil des Cylinders ſo fuͤllt, daß der Magnet nur wenig hervorragt; ſo wird, wenn der in das Queckſilber tauchende Drath CD den poſitiv-electriſchen Strom herunterwaͤrts leitet, dieſer Drath Umlaͤufe um den Ma - gnet von Norden nach Oſten, Suͤden machen, ein hinaufwaͤrts gehender Strom dagegen wird, wenn der Nordpol N oben bleibt, die entgegengeſetzte Rotation zeigen; jener geht naͤmlich neben dem den Magnet umkreiſenden Strome ruͤckwaͤrts, der hinaufwaͤrts gehende folgt dem umkreiſenden Strome. Daß der Suͤdpol oben alle Erſcheinungen umgekehrt hervorbringen muß, verſteht ſich von ſelbſt. Dieſe Erſcheinungen wurden, ſogleich nach Faraday's Entdeckung, theils von ihm, theils von Gay-Luͤſſac und Am - père dargeſtellt; ſie erfordern indeß eine nicht zu ſchwache Kraft des voltaiſchen Stromes und reines Queckſilber, um die Hinder - niſſe der Bewegung zu vermindern. Es iſt hier ſowohl der von C nach D herabgehende als der von D nach N durch das Queckſilber gehende poſitive Strom, der auf dem umkreiſenden Strome gegen die Seite, von welcher der Strom koͤmmt, angezogen wird.
Noch uͤberraſchender, weil das Inſtrument keiner beſondern voltaiſchen Saͤule bedarf, ſondern ſelbſt durch eine einfache Kette den electriſchen Strom hervorbringt, ſind die Verſuche mit einem von Ampère angegebenen, nachher von andern in Ruͤckſicht der Form noch verbeſſerten Inſtrumente, das aus einem Kupfergefaͤße und einem darin zur Drehung kommenden Zinkreifen beſteht. Es ſei (Fig. 186. ) AB dieſes Kupfergefaͤß, in deſſen Boden der eine Pol N eines ſtarken Magnetes befeſtigt iſt. Der in der Mitte erhoͤhete Boden umgiebt den Magnet und traͤgt die Saͤule NI, die oben auf einer feinen Spitze I den Buͤgel LIM traͤgt, an welchem unten der kreisfoͤrmige Zinkreifen PQ befeſtigt iſt. Fuͤllt man nun das Gefaͤß mit geſaͤuertem Waſſer, ſo geht vom Kupfergefaͤße der poſitive Strom durch die in der Mitte ſtehende Saͤule aufwaͤrts, in beiden Theilen des Buͤgels aber herabwaͤrts vom Kupfer gegen das Zink und von allen Puncten des Zinkreifens durch das geſaͤuerte Waſſer dem Kupfergefaͤße zu. Da das Gefaͤß in der Mitte einen510 ſo erhoͤheten Boden hat, daß das geſaͤuerte Waſſer dieſes nur ring - foͤrmig umgiebt, wie der Durchſchnitt Fig. 186. zeigt, ſo ſind es die von P nach N und von Q nach N, das iſt von allen Puncten des Zinkreifens nach dem Kupfer zu durch das Waſſer gehenden Stroͤme vorzuͤglich, die, als dem Magnete am naͤchſten, hier wirk - ſam ſind; ſie ſowohl als die in den Armen des Buͤgels herabgehen - den Stroͤme ſind, als gegen die umkreiſenden Stroͤme des Magnets zu gerichtet, geneigt, nach der Richtung zu rotiren, welche den Umkreiſungsſtroͤmen des Magnets entgegengeſetzt iſt, alſo von Nor - den nach Oſten, Suͤden, Weſten, wenn der Nordpol oben iſt. Bringt man, wie die Figur zeigt, um den Suͤdpol S eines ge - kruͤmmten Magnetes genau eben die Einrichtung an, ſo geraͤth dort der Buͤgel mit dem Reifen in eine Rotation, die der bei N entgegengeſetzt iſt. Setzt man dagegen auf die Pole des Magnetes Zinkgefaͤße, in denen an dem Buͤgel ein Kupferreifen ſchwebt, ſo ſind die Drehungen den vorigen entgegengeſetzt, weil nun der vom Kupferringe zum Zink gehende Strom in den Seiten des Buͤgels aufwaͤrts, dann von I gegen das in der Mitte befindliche Zink, ferner im Waſſer von der Mitte abwaͤrts gegen den Kupferreifen geht, die Stroͤme, die wir dem Magnet beilegen, aber ungeaͤndert bleiben.
Dieſes leicht gelingende Experiment, welches bloß feine Spitzen zum Aufhaͤngen bei I, ſorgfaͤltige Reinigung von allem Oxyde und Schmutze an der Stelle, wo bei I der Uebergang erfolgen ſoll, und einen nicht zu ſchwachen Magnet fordert, gehoͤrt zu den auffallend - ſten, weil dieſe von ſelbſt entſtehenden, mit voͤlliger Sicherheit nach beſtimmten Richtungen entſtehenden Rotationen ſo ganz ohne kuͤnſt - liche Nachhuͤlfe, bloß durch eingegoſſenes Waſſer, hervorzugehen ſcheinen.
Man kann auf aͤhnliche Weiſe einen verticalen Magnet um einen Leitungsdrath ſich bewegen laſſen. Wird naͤmlich (Fig. 187.) der Magnet NS durch ein unten daran befeſtigtes Stuͤck Platin in Queckſilber ſchwimmend vertical erhalten, ſo wird er durch den in AB herabgeleiteten electriſchen Strom, der in dem Queckſilber Stroͤmungen von B abwaͤrts bewirkt, theils in drehende, theils in umlaufende Bewegung geſetzt. Was die erſtere betrifft, ſo iſt es offenbar, daß der herabgehende Strom AB auf die Theile DC der511 umkreiſenden von D nach C gehenden Stroͤme anziehend wirkt, und daher D nach C zu fuͤhren, eine Drehung des Magnetes um ſeine Axe zu bewirken ſtrebt; die Umlaufsbewegung aber wird durch alle von B durch das Queckſilber gehenden horizontalen Stroͤme befoͤr - dert. Dieſe ſind ſaͤmmtlich, wenn AB herunterwaͤrts geht, ab - waͤrts von B gegen das Gefaͤß gerichtet; einige gehen, wie BL, an der Seite des Magnetes vorbei, wo die Richtung der Umkrei - ſungsſtroͤme des Magnets mit ihnen uͤbereinſtimmt, und dieſe ziehen alſo die Umkreiſungsſtroͤme und den Magnet ſelbſt an; andre, wie BM, gehen an der Seite des Magnetes vorbei, wo die Umkreiſungsſtroͤme DC die ihnen entgegengeſetzte Richtung ha - ben und ſie ſtoßen daher dieſe Stroͤme und den Magnet ſelbſt ab, der ſich alſo nach der Seite BL zu vorwaͤrts bewegt; andre BN treffen den Magnet und ihr zunaͤchſt an B liegender Theil zieht die gegen D liegenden Puncte des Magnetes vorwaͤrts, ihr zunaͤchſt an N liegender Theil zieht gleichfalls die an der Seite D liegenden Puncte heran, beide alſo tragen bei, um den Magnet nach BL zu fortzuziehen, da bei B der herankommende Strom auf die hinter - waͤrts bei D liegenden Theile anziehend und bei N der abwaͤrts gehende Strom auf die bei D liegenden Theile gleichfalls anziehend wirkt.
Man hat dieſen Rotations-Apparaten die mannigfaltigſten Einrichtungen gegeben, indem z. B. Sturgeon den Magnet ſelbſt durch einen electriſchen Strom, der einen weichen Eiſenſtab umwindet, erſt hervorbringt und ihn dann ſeine magnetiſche Ein - wirkung ausuͤben laͤßt; indem Leuthwaite gleichzeitig ein Um - laufen des Magnetes um den Leitungsdrath und des Drathes um den Magnet ſtatt finden laͤßt; indem Pouillet den in der Mitte bleibenden Magnet ſelbſt als Leiter gebraucht und ihn in eine Rotation um ſeine eigne Axe ſetzt; indem Schweigger zwei Nadeln mit entgegengeſetzten Stroͤmen uͤber einem und dem - ſelben Magnetpole zu entgegengeſetzten Rotationen bringt; indem Barlow ſogar ein groͤßeres Rad damit umtreibt, u. ſ. w.; aber ich glaube genug gethan zu haben, indem ich Ihnen einige Anord - nungen gezeigt habe, die dieſe — man darf wohl ſagen, wunder - vollen — Erſcheinungen vor Augen legen. Ich uͤbergehe daher auch die electro-magnetiſchen Bewegungen, die Davy, Schweig -512 ger und andre im Queckſilber ſelbſt, wenn es electriſchen Stroͤ - men zum Leiter dient, unter dem Einfluſſe des Magnetes haben entſtehen ſehen.
Dagegen muß ich wenigſtens einen derjenigen Verſuche erzaͤh - len, wo electriſche Leiter ohne Magnet und ohne Einwirkung eines zweiten electriſchen Stromes in eine rotirende Bewegung geſetzt werden; dieſe Verſuche geben uns Veranlaſſung, dem Erdmagne - tismus eben die Wirkung wie electriſchen Stroͤmen, die wir uns als die Erde umkreiſend denken, beizulegen. Schweigger hat folgenden ſehr belehrenden Verſuch angegeben. AB (Fig. 188.) iſt ein flaches Gefaͤß, das mit einer leitenden Fluͤſſigkeit gefuͤllt iſt. Die Leitungsdraͤthe KEC, ZFD, fuͤhren, durch Glas - roͤhren von dieſem fluͤſſigen Leiter getrennt, den poſitiven electri - ſchen Strom von K nach C und leiten ihn von D nach Z wieder ab, ſo daß K die Kupferplatte, Z die Zinkplatte einer einfachen galvaniſchen Kette beruͤhren muͤßte. Dieſer electriſche Strom findet ſeine Leitung von C nach D durch zwei auf den feinen Spitzen C, D, horizontal vermittelſt metallener Huͤtchen aufgelegten Nadeln, die jede nur mit einem Ende, indem naͤmlich die am einen Ende gebogene Spitze die Fluͤſſigkeit beruͤhrt, den Strom in die Fluͤſſig - keit hinuͤber leitet oder aus ihm aufnimmt. Iſt der Apparat ſo angeordnet und tauchen die Spitzen n, q, ein, waͤhrend der ent - gegengeſetzte Theil der Nadeln ohne Eintauchung durch ein Gegen - gewicht das Gleichgewicht erhaͤlt; ſo durchlaͤuft der poſitiv-elec - triſche Strom ſeinen Weg von K nach C, dann von C nach n in der Nadel vom Drehungspuncte abwaͤrts, von n nach q in der Fluͤſſigkeit, von q nach D in der zweiten Nadel gegen den Dre - hungspunct zu, und vollendet endlich von D nach Z ſeinen Kreis - lauf. Dieſe Nadeln ſieht man nun, ſobald der electriſche Strom in Thaͤtigkeit geſetzt iſt, Umlaͤufe um die Spitzen C, D, nach ent - gegengeſetzten Richtungen machen und zwar ſo, daß die Nadel m n, in welcher der poſitive Strom vom Mittelpuncte abwaͤrts geht, ſich von Weſten durch Suͤden nach Oſten dreht, die andre dagegen in umgekehrter Richtung.
513Da hier weder ein andrer electriſcher Strom hervorgebracht iſt, noch auch ein Magnet einwirkt, ſo werden wir auf electriſche Stroͤme, welche die Erde ſelbſt umkreiſen moͤgen und die vermuth - lich die Urſache der magnetiſchen Erſcheinungen enthalten, gefuͤhrt. Nach Ampère ſollen wir uns die Erde als mit electriſchen Stroͤmen um die Gegend des Aequators von Oſten nach Weſten umkreiſet vorſtellen, und wir muͤſſen nun ſehen, ob dieſe Hypo - theſe den Erſcheinungen entſpricht. Da ein horizontaler electriſcher Strom, der von einem Mittelpuncte ausgehend nach Suͤden ge - richtet iſt, gegen den Aequator zu geht, ſo wird die Anziehung der nachfolgenden, alſo oͤſtlichen Theile des den Aequator umkrei - ſenden Stromes, dieſen Strom oder die Nadel, welche er durchlaͤuft, von Suͤden nach Oſten ziehen; dagegen wird die nach Norden gerichtete, den Strom vom Aequator abwaͤrts leitende Nadel von Norden nach Weſten, den vorangehenden Stromtheilen folgend angezogen; die nach Oſten gerichtete Nadel wird, weil ihr Strom dem Strome des Aequators entgegengeſetzt iſt, abgeſtoßen nach Norden fortgehen, und in allen Lagen alſo wird die Nadel, in welcher der Strom vom Mittelpuncte aus geht, eine drehende Bewegung von Norden nach Weſten, Suͤden, Oſten, erlangen. Der entgegengeſetzte Fall erhellt dann von ſelbſt*)Wie es ſich fuͤr Experimente, die in der ſuͤdlichen Halbkugel der Erde angeſtellt wuͤrden, verhaͤlt, laͤßt ſich leicht uͤberſehen..
Aber auch die Lagen, in welchen kreisfoͤrmige electriſche Stroͤme vermoͤge der Einwirkung der Erde zur Ruhe kommen, ſtimmen mit dieſer Hypotheſe uͤberein. Wir haben naͤmlich oben geſehen, daß ein der Einwirkung der Schwere ganz entzogener ringfoͤrmiger electriſcher Strom ſich ſenkrecht auf die Richtung der Neigungs - nadel zu ſtellen ſtrebt und zwar ſo, daß der von der noͤrdlichen Seite der Neigungsnadel herabſteigende Strom an der oͤſtlichen Seite liegt; es koͤmmt alſo darauf an, zu ſehen, ob dieſe Stellung der electriſchen Stroͤme der Vorausſetzung von einem die Erde um - kreiſenden electriſchen Strome entſpricht. Iſt dieſer ringfoͤrmige Strom nicht ganz genau in der Stellung, daß der von Norden herabwaͤrts gehende Strom an der Oſtſeite liegt, ſo wird er als ein dem Erd-Aequator ſich naͤhernder Strom auf dieſem zuruͤck -III. K514gehen, das iſt, ſeine Lage ſo weit als moͤglich oͤſtlich nehmen, alſo die Oſtſeite einzunehmen ſtreben; dagegen wird der vom Erd - Aequator, vom Strome des Erd-Aequators, ſich entfernende Strom die Weſtſeite einnehmen. Wir koͤnnen nun hinzuſetzen: ſind unſre Magnete und Magnetnadeln auf aͤhnliche Weiſe von electriſchen Stroͤmen umkreiſet, ſo muͤſſen ſie die Seite, wo die electriſchen Stroͤme hinaufwaͤrts gehen, nach Weſten wenden, und der die Erde umkreiſende von Oſten nach Weſten gerichtete elec - triſche Strom iſt die Urſache, warum in unſern Magnetnadeln der electriſche Strom an der obern Seite von Weſten nach Oſten, an der untern von Oſten nach Weſten geht.
So ließe ſich alſo der ganze Zuſammenhang der Ampère - ſchen Theorie ſo uͤberſehen. Ein electriſcher poſitiver Strom um - kreiſet die Erde in der Gegend ihres Aequators von Oſten nach Weſten. Die Magnetiſirung des Eiſens und Stahles beſteht in einer Erregung umkreiſender electriſcher Stroͤme um den magnetiſirten Stab und zwar ſo, daß die herabgehenden Stroͤme an der Oſtſeite ſind, wenn der Magnet ſeinen Nordpol nach Norden wendet. Unter dieſen Vorausſetzungen muͤſſen die Magnete auf einander und die Erde auf die Magnete ſo einwirken, wie es wirklich der Fall iſt, und unter dieſen Vorausſetzungen muß die gegenſeitige Wirkung des Magnetes und der electriſchen Stroͤme und endlich die Einwirkung der Erde auf die electriſchen Stroͤme genau die Erfolge hervorbringen, die ich angefuͤhrt habe.
Ampère hat indeß, um den Erſcheinungen der Magnete noch vollſtaͤndiger Genuͤge zu thun, noch eine andre Vorausſetzung hinzugefuͤgt. Dieſelbe Erfahrung naͤmlich, die Coulomb und nachher Poiſſon bewog, die beiden magnetiſchen Materien zwar in jedem magnetiſchen Elemente des Koͤrpers getrennt, nicht aber von einem Elemente zum andern uͤbergehend und nicht auf der Oberflaͤche des ganzen Magnetes angehaͤuft anzunehmen, eben dieſe Erfahrung noͤthiget auch Ampère die electriſchen Umſtroͤmungen jedem einzelnen Elemente beizulegen und ſie nicht als die aͤußere Oberflaͤche des ganzen Magnets umkreiſend anzuſehen. Offenbar laͤßt ſich gar wohl zeigen, daß dieſe Umkreiſungen, eben ſo gut als in der Theorie Poiſſons die in jedem Elemente getrennten515 magnetiſchen Materien, eine Geſammtwirkung hervorbringen wer - den, die mit Umkreiſungen um den ganzen Magnet uͤbereinſtimmt; — bei Poiſſon zerſtoͤrt ſich im Innern das Zuſammenwirken der einander nahe liegenden Nordpole und Suͤdpole und es ent - ſteht eine Geſammtwirkung ſo, als ob jene zwei Materien in den beiden Polen angehaͤuft waͤren; hier zerſtoͤren ſich im Innern die Wirkungen der an zwei naͤchſten Theilchen in der Umkreiſung um das eine hinauf, um das andre hinabgehenden Stroͤme, aber alle dieſe Wirkungen vereinigen ſich ſo, als ob die Umſtroͤmungen um den ganzen Magnet liefen.
Ampère's Theorie iſt nicht mit ſo allgemeinem Beifall aufgenommen, als es nach dieſer großen Uebereinſtimmung mit allen Erſcheinungen zu erwarten geweſen waͤre. Einige Einwuͤrfe gegen dieſelbe ſcheinen mir nach und nach von ſelbſt verſchwinden zu muͤſſen, indem das, was man uͤber die nicht vollkommen con - ſequente Durchfuͤhrung der Hypotheſe in den Anwendungen auf die ſich uns deutlich zeigenden Erſcheinungen geſagt hat, wohl bei recht genauer Unterſuchung als unbegruͤndet erſcheinen wird. Eben ſo halte ich dafuͤr, daß einzelne Erſcheinungen, die man als der Hy - potheſe widerſprechend anſah, dieſes nicht ſind, wenn man, wie Ampère es lehrt, die geſammte Wirkung ins Auge faßt und nicht bei einzelnen Umkreiſungsſtroͤmen ſtehen bleibt. Die - jenigen Einwuͤrfe, die man davon hernehmen kann, daß ſchwerlich die Stellung aller Magnetnadeln auf der Erde ſich aus einem einzigen, um die Gegend des magnetiſchen Erd-Aequators die Erde umkreiſenden electriſchen Strome mit Genauigkeit moͤchten berechnen laſſen, daß ſie ſchwerlich alle einem einzigen ſolchen Strome entſprechen, ſind gewiß nicht ungegruͤndet; aber man darf, um ſie zu beantworten, wohl bemerken, daß wir durch Beobachtun - gen zu zwei großen magnetiſchen Axen der Erde ſchienen gefuͤhrt zu werden, ſtatt daß wir bei minder genauer Unterſuchung mit einer, auf den magnetiſchen Aequator ſenkechten Axe auszurei - chen hoffen konnten; eben ſo werden wir wohl auch zu zwei Haupt - ſtroͤmen, die ungefaͤhr als jene Axen umkreiſend angeſehen werdenKk 2516koͤnnten, hin geleitet werden, und jener eine Strom kann nur als die wichtigſten Erſcheinungen darſtellend, wenn es auf Kleinig - keiten noch nicht ankoͤmmt, oder als eine erſte Annaͤherung zu den wirklichen Urſachen der Erſcheinungen angeſehen werden.
Wichtiger ſind die Einwuͤrfe, welche das innere Weſen des Magnetes betreffen. Sind auch alle Erſcheinungen ſo, als ob jene umkreiſenden Stroͤme vorhanden waͤren, ſo wird es uns doch ſchwer, kann man mit Recht ſagen, uns dieſe jedes Element um - kreiſenden Stroͤme als wirklich zu denken; wir begreifen nicht, wie dieſe Stroͤme, in unendlicher Naͤhe bei einander, in entgegen - geſetzten Richtungen neben einander hin gehend, ſich nicht zerſtoͤren; wir begreifen nicht, wie ſie im Eiſen ploͤtzlich erzeugt und ploͤtzlich vernichtet oder in entgegengeſetzte verwandelt werden, warum ſie im Stahle dauernd ſind, warum ſie in andern Koͤrpern, die die Electricitaͤt weder beſſer noch ſchlechter leiten, gar nicht ſo ent - ſtehen, wie es zur Hervorbringung eines Magnetes noͤthig iſt. Dieſen Einwuͤrfen kann man wohl nichts anderes entgegenſetzen, als daß wir uͤberall, wo wir das innere Weſen der Koͤrper erfor - ſchen wollen, auf aͤhnliche Dunkelheiten gerathen, daß auch die andre Vorſtellung von kleinen magnetiſchen Partikeln, die wir uns, um die Erſcheinungen beſſer zu uͤberſehen, machten, gar nicht frei von Schwierigkeiten iſt, und daß die Lehre vom Lichte und von der Waͤrme, wenn wir nach der eigentlichen Beſchaffenheit der Lichtmaterie, der Waͤrmematerie, fragen, uns eben ſolche Schwie - rigkeiten darbietet. Dieſe Schwierigkeiten wegzuraͤumen, hat Am - père ſich nicht bemuͤht, ſondern ſein eigentliches Beſtreben iſt nur auf eine mathematiſche Darſtellung der ſich wirklich deutlich zeigen - den Erſcheinungen gerichtet geweſen, die er ſo durchgefuͤhrt hat, daß er wohl nicht mit Unrecht behauptet, jede kuͤnftige Hypotheſe werde ſich an ſeine Formeln anſchließen muͤſſen, weil dieſe mit ſtrenger Genauigkeit allen Thatſachen entſprechen.
Auf den Einwurf, warum denn der Magnet uns nie elec - triſche Erſcheinungen gezeigt habe, komme ich kuͤnftig noch zuruͤck.
Was andre Theorien betrifft, ſo hat noch keine eine Anwen - dung auf alle Erſcheinungen geſtattet. Am meiſten Beifall ſchien die Meinung zu verdienen, welche den electriſchen Leitungsdrath als einen Transverſalmagnet betrachtet. Man verſteht unter einem517 Transverſalmagnet einen ſolchen, der an der ganzen Seite Ss (Fig. 189.) ſuͤdpolariſch und an der ganzen Seite Nn nord - polariſch iſt. Solche Transverſalmagnete laſſen ſich allenfalls, ob - gleich ſchwierig, durch ein in der Querrichtung vorgenommenes Beſtreichen hervorbringen; aber auch (nach Schmidts Anlei - tung) durch einen electriſchen Schlag, indem man einen Cylinder ganz dicht mit Stahldrath umwickelt und einen ſtarken electriſchen Funken durch die obere Seite desſelben mit der Axe parallel gehen laͤßt, wo man das Ende, in welchem der Funke eintrat, zum Weſt - Ende magnetiſirt, die Seite rechts*)Vorausgeſetzt, daß der Funke gegen den Beobachter zu ging. ſich nach Norden wendend findet. Es iſt offenbar, daß eine Magnetnadel unter einen ſolchen Quermagnet geſtellt in der Querrichtung zur Ruhe kommen muß, ſo wie es in der Naͤhe des Leitungsdrathes geſchieht, aber mit dem wichtigen Unterſchiede, daß bei dem Transverſalmagnete die nordpolariſche Seite nordpolariſch wirkt, man mag uͤber oder unter ihm die Magnetnadel aufſtellen, ſtatt daß der electriſche Strom die uͤber ihm ſtehende Nadel in die eine Richtung, die unter ihm ſtehende in die genau entgegengeſetzte Richtung bringt**)Auch der Umſtand, daß Eiſenfeile vom Leitungsdrathe ſo ange - zogen wird, daß ſie ihn umwickelt, nirgends in Spitzen oder Nadeln nach außen hervortritt, wuͤrde bei dem Transverſalmagnete nicht ſtatt finden, oder nur dann ſtatt finden, wenn dieſer Magnet ſehr ſchmal waͤre und alſo Nordpol und Suͤdpol ganz nahe bei einander laͤgen. Entſtehen dagegen in der Eiſenfeile electriſche Stroͤme, ſo legt jedes, als eine kurze Magnetnadel gedachte, Theilchen ſich quer uͤber die Laͤngen - richtung des Leitungsdrathes und alle zuſammen bringen daher jene Umwickelung hervor.. Die Meinung, der Leitungsdrath ſei ein Transverſalmagnet, ließ ſich daher in ihrer Einfachheit nicht beibehalten, ſondern man fing an, dem Leitungsdrathe vier oder ſechs Pole, entweder zwei oder drei nordpolariſche Seiten der ganzen Laͤnge nach beizulegen; aber nie - mand konnte angeben, daß irgend ein beſtimmter Punct des Umfangs vorzugsweiſe Nordpol, ein andrer mit mehr Recht Suͤdpol heißen koͤnne. Die Vertheidiger dieſer Anſicht ſcheinen ſich zuletzt dabei beruhigt zu haben, daß jede nach der Laͤnge des Leitungsdrathes auf ſeiner oberen Flaͤche gezogene Linie, wenn in ihr der Strom518 ſich vom Beobachter entfernt, an ihrer linken Seite nordpolariſch, an ihrer rechten Seite ſuͤdpolariſch ſei, der Leitungsdrath alſo als mit unzaͤhligen unendlich ſchmalen Quermagneten umgeben ſich zeige. Dem Weſentlichen nach koͤmmt das dann auf Pohls Circularmagnetismus hin, mit dem ich mich nicht habe befreunden koͤnnen. Die uͤbrigen Erſcheinungen durch dieſe Hypotheſe zu er - klaͤren, hat mir immer unmoͤglich geſchienen, und mehrere Phy - ſiker, die ſich zuerſt der transverſalmagnetiſchen Theorie geneigt zeigten, ſind auch zu der Ueberzeugung, daß ſie nicht ausreiche, gelangt*)Zum Schluſſe fuͤhre ich hier noch die Bemerkung an, daß die ſpiralfoͤrmige Windung, die man ſchon laͤngſt als in den Tromben oder Waſſerhoſen bemerkbar angegeben hat, zu dem (namentlich von Horner ausgeſprochenen) Gedanken gefuͤhrt hat, daß die Natur hier einen ſolchen Umkreiſungsſtrom hervorbringe, wie wir ihn in den elec - tromagnetiſchen Experimenten benutzen. Dieſer Gedanke verdient gewiß alle Aufmerkſamkeit, aber mir ſind noch keine Erfahrungen bekannt, die uns genauern Aufſchluß gaͤben, ob die Richtung dieſer Windungen beſtimmt iſt, ob ſie mit der Richtung des Fortruͤckens der Waſſerhoſe in einer Beziehung ſteht, ob die letztere vielleicht ſenkrecht auf den ma - gnetiſchen Meridian iſt u. ſ. w. Wir muͤſſen daher die deutlichere Kenntniß dieſer Erſcheinung erſt von der Zukunft erwarten..
Die durch den Schweigger'ſchen Multiplicator ſo ſehr erleichterte Auffindung, ſelbſt der ſchwaͤchſten electriſchen Stroͤme, hat noch zu einer ſehr merkwuͤrdigen und unerwarteten Entdeckung gefuͤhrt. Seebeck naͤmlich, indem er den durch electromotoriſche Einwirkung zweier Metalle auf einander entſtehenden electriſchen Strom unterſuchte, bemerkte, daß zwei Metalle auch ohne einen feuchten Leiter magnetiſche Einwirkungen hervorbringen koͤnnen, und daß beſonders Antimon und Wismuth ſonderbare Ungleichhei - ten der hervorgebrachten Wirkungen zeigen. Eine Reihe von Ver - ſuchen, wo entweder eines dieſer Metalle oder auch Zink mit Kupfer in Beruͤhrung gebracht wurde, dienten, um die Umſtaͤnde, welche ohne Einfluß waren, kennen zu lernen, und fuͤhrte endlich dahin, ungleiche Erwaͤrmung als die Urſache einer bei trockener Beruͤhrung zweier Metalle hervorgehenden Einwirkung auf die Magnetnadel, oder eines entſtehenden electriſchen Stromes anzu - erkennen. Dieſe Erſcheinungen haben daher den Namen der ther - momagnetiſchen (durch Waͤrme erregten magnetiſchen) oder ther - mo-electriſchen erhalten. Um den Verſuch am einfachſten anzu - ſtellen, verbindet man einen Kupferſtreifen (Fig. 190. ) ABC mit einem Wismuthſtabe AC, bringt auf die Spitze D eine Magnet - nadel und ſtellt den Kupferſtreifen in die Richtung des magnetiſchen Meridians; erwaͤrmt man nun die eine Loͤthungsſtelle C des Wis - muths und des Kupfers, (ich nehme hier an, das untere Ende des ſuͤdlich ſtehenden Wismuths) ſo weicht die Nadel oͤſtlich ab; er - waͤrmt man das obere Ende A des ſuͤdlich ſtehenden an das Kupfer bei A befeſtigten Wismuths, ſo weicht die Nadel weſtlich ab. Wenn Antimon ſtatt des Wismuths angebracht wird, ſo erfolgen beide Erſcheinungen entgegengeſetzt; und dieſer Gegenſatz zeigt ſich nicht bloß bei der Verbindung mit Kupfer, ſondern in jeder aͤhnlichen Verbindung ſcheinen Wismuth und Antimon die beiden aͤußerſten520 Glieder einer Reihenfolge zu ſein, die mit der Reihenfolge der Koͤrper in electromotoriſcher Hinſicht vergleichbar, obgleich eine ganz anders geordnete iſt.
Nach den bisherigen Erfahrungen, wo ein poſitiv electriſcher Strom, wenn er um die nach Norden gerichtete Magnetnadel in der Richtung CDBA gefuͤhrt wird, eine Ablenkung nach Oſten hervorbringt, werden wir alſo ſagen muͤſſen, wenn am Wismuth - Kupfer-Ringe die Verbindungsſtelle C erwaͤrmt wird, ſo entſteht ein poſitiv-electriſcher Strom vom erwaͤrmten Wismuth zum Ku - pfer; eben die Regel findet immer ſtatt, indem eine Erwaͤrmung bei A die entgegengeſetzte Ablenkung, alſo einen entgegengeſetzten Strom, das iſt, wieder vom erwaͤrmten Wismuth zum Kupfer, hervorbringt. Dagegen wenn Antimon und Kupfer einen feſt ver - bundenen Ring bilden, geht der poſitiv-electriſche Strom an der Erwaͤrmungsſtelle vom Kupfer zum Antimon. Verbindet man An - timon und Wismuth, ſo geht an der erwaͤrmten Stelle der poſitiv - electriſche Strom vom Wismuth zum Antimon; und auch fuͤr faſt alle andere unterſuchten Metalle iſt, wenn ſie mit Antimon einen Ring bilden, der electriſche Strom an der erwaͤrmten Stelle gegen das Antimon zu, wenn ſie mit Wismuth einen Ring bilden, der electriſche Strom an der erwaͤrmten Stelle vom Wismuth abwaͤrts gerichtet.
Erwaͤrmt man beide Verbindungspuncte A, C, der beiden Metalle in gleichem Grade, ſo zeigt die Magnetnadel keine Aende - rung, weil die entgegengeſetzten Stroͤme die Wirkung zerſtoͤren. Setzt man (Fig. 191.) den Stab FGH aus Wismuth FG und Antimon GH zuſammen und ſchließt den Ring HIKF durch Ku - pfer oder ein andres Metall; ſo weicht, wenn H gegen Norden gekehrt iſt, der Nordpol oͤſtlich ab, wenn man in G erwaͤrmt, (der Strom vom Wismuth zum Antimon); ſie weicht weſtlich aus, wenn man in H erwaͤrmt (der Strom vom Kupfer zum Anti - mon); ſie weicht weſtlich aus, wenn man in F erwaͤrmt (der Strom von Wismuth zum Kupfer und weiter vom Kupfer zum Antimon); ſie weicht noch ſtaͤrker weſtlich aus, wenn man in F und H zugleich erwaͤrmt, weil der Strom nun nicht allein ange - regt wird bei H vom Kupfer zum Antimon, ſondern auch bei F aufs neue vom Wismuth zum Kupfer uͤberzugehen.
521Abkuͤhlung in einem der Verbindungspuncte bringt die genau entgegengeſetzten Wirkungen hervor, und man verſtaͤrkt daher die Wirkung, wenn man (Fig. 190.) in A eine Erhitzung, in C eine Abkuͤhlung ſtatt finden laͤßt. Die Wirkung findet zwar ſtatt, wenn an der Erwaͤrmungsſtelle ſich dieſe auch nur auf eines der Metalle erſtreckt, beſſer aber iſt es, wenn ſie beide daran Theil haben. Je groͤßer die Differenz der Waͤrme in den Verbindungsſtellen iſt, deſto groͤßer wird die Ablenkung der Magnetnadel.
Sehr große Beruͤhrungsflaͤchen vermehren die Wirkung nicht merklich; aber zu klein duͤrfen dieſe nicht ſein, und vollkommen in - nige Beruͤhrung, am beſten durch Loͤthung, iſt eine weſentliche Be - dingung der Wirkſamkeit.
Die Metalle bilden auch in Beziehung auf dieſe durch un - gleiche Waͤrme in beiden Verbindungspuncten hervorgehenden Er - ſcheinungen eine Reihenfolge. So wie Zink und Mangan-Oxyd ſo ziemlich die Endpuncte der Reihe in electromotoriſcher Hinſicht, um den voltaiſchen Strom hervorzubringen, darſtellen, ſo ſind An - timon und Wismuth unter den bekanntern Metallen die End - puncte der Reihe in thermo-electriſcher Hinſicht, oder bei der Her - vorbringung des ſeebeckiſchen Stromes. In Hinſicht auf dieſe bei - den Metalle ſind alle Beobachter einig; in Hinſicht auf die uͤbrigen haben ſich bei verſchiedenen Verſuchen Verſchiedenheiten in der Reihenfolge ergeben, die entweder von beigemiſchten fremden Be - ſtandtheilen oder von ungleicher Behandlung abhaͤngen moͤgen*)Daß dieſe Ungleichheit der Wirkung beim Platin gaͤnzlich von der Reinheit dieſes Metalles abhaͤnge, und deshalb als Pruͤfungsmittel hiefuͤr dienen koͤnne, hat Seebeck gezeigt.. Wenn man vom Wismuth ausgeht, ſo ſetzt ſelbſt Seebeck einige Arten Kupfer vor dem Silber und Zink, einige Arten nach dem - ſelben; indeß iſt es gewiß, daß auch das Zink ziemlich in der Mitte liegt, und die Reihenfolge iſt ungefaͤhr ſo: Wismuth, Platin, Blei, Silber, Kupfer, Zink, Eiſen, Antimon, welchem noch das Tellu - rium folgt. Nach Seebecks Verſuchen gilt nun freilich auch522 hier, was bei der voltaiſchen Saͤule galt, daß die Staͤrke des elec - triſchen Stromes am groͤßeſten iſt, wenn man die in der Reihe am meiſten gegen beide Enden ſtehenden Metalle verbindet, (vorzuͤglich Wismuth und Antimon,) aber es zeigen ſich auch unerwartete Aus - nahmen, daß z. B. Tellur mit Silber ſtaͤrker wirkt, als Tellur mit Wismuth zu einem Kreiſe verbunden, obgleich aus andern Verſuchen doch ſo unfehlbar erhellt, daß die Stelle des Wismuth weit uͤber dem Silber, die allerentfernteſte vom Tellurium iſt.
Die zahlreichen Verſuche Seebecks uͤber Erze und Metall - miſchungen, uͤber Metallmiſchungen im feſten und im fluͤſſigen Zuſtande u. ſ. w., welche viele einzelne Merkwuͤrdigkeiten darbieten, aber keine allgemeinere Anſichten begruͤnden, muß ich uͤbergehen. Dagegen darf ich die Bemerkung wohl nicht uͤbergehen, daß An - timonſtaͤbe an einer Stelle erwaͤrmt eine magnetiſche Polaritaͤt zeigten und Wismuthſtaͤbe eben ſo angewandt werden konnten. Dieſes beruhte auf einer Ungleichheit ihrer Maſſe und ließ ſich ſo anſehen, als ob die beiden ungleichen Theile, die wir vorhin mit den Enden an einander loͤtheten, hier der ganzen Laͤnge nach an einan - der laͤgen. Daß dieſe Anſicht richtig ſei, zeigte ſich, als ein Kupfer - ſtab und Antimonſtab der ganzen Laͤnge nach auf einander liegend, zuſammen vereinigt wurden; erhitzte man dann beide Enden, waͤh - rend die Mitte kalt blieb, ſo zeigten ſich die Enden polariſch. Eine Kugel von Antimon zeigte ſich, an einzelnen Stellen erwaͤrmt, magnetiſch-polar, und Seebeck knuͤpft hieran Betrachtungen uͤber die Beſchaffenheit der ganzen Erde, die in ihren verſchiedenen Puncten durch die unterirdiſchen Feuer ſo ungleich erwaͤrmt iſt*)Poggend. Ann. VI. I. 133. 253..
Der electriſche Strom, den wir uns durch die ungleiche Er - waͤrmung hier hervorgebracht denken, unterſcheidet ſich ſehr von demjenigen, den die voltaiſche Erregung, die hydro-electriſche Kette, wie man ſie im Gegenſatz genannt hat, hervorbringt, da - durch, daß er nicht ſo leicht die duͤnnern leitenden Koͤrper durch - laͤuft. Ein Schweigger'ſcher Multiplicator, der den Strom in oͤftern Wiederholungen um die Nadel fuͤhrt, iſt hier nicht von dem entſchiedenen Nutzen, ja bei groͤßerer Laͤnge ſcheint er den Strom523 ganz und gar zu hindern, ſo daß man bei 500 Umwindungen keine Wirkung fand, obgleich ſie bei 100 Umwindungen ſtatt fand. Da - gegen zeigt der einfache, aber durch dickere Staͤbe fortgefuͤhrte, Strom ſich ſo bedeutend wirkſam. Aus dieſem Grunde ſind auch die ring - foͤrmigen Zuſammenſetzungen, wo Wismuth, Antimon, Wismuth, Antimon, mehrmals abwechſeln, wie Fig. 192., zwar bei der Er - hitzung in den gehoͤrigen Verbindungspuncten wirkſamer als einfache Ketten, aber dieſes nur dann, wenn die Laͤnge der ganzen Verbindung nicht vergroͤßert wird. Iſt der ganze, vom electriſchen Strome zu durchlaufende Ring EFGHIK aus Antimon EFGH und Wis - muth HIKE zuſammengeſetzt, ſo bringt eine Erwaͤrmung in E und Abkuͤhlung in H eine beſtimmte Ablenkung der Nadel hervor; dieſe wird groͤßer, wenn der eben ſo lange Ring aus den Antimonſtuͤcken EF, GH, IK, beſteht, zwiſchen welchen drei Wismuthſtuͤcke FG, HI, KE, befeſtigt ſind, beſteht, und wenn man nun E, G, I, in eben dem Grade, wie vorhin E, erwaͤrmt, und F, H, K in eben dem Grade, wie vorhin H, abkuͤhlt, waͤre aber der Um - fang im letzten Falle dreimal ſo groß als im erſten Falle genom - men, ſo wuͤrde der wachſende Widerſtand den Vortheil der verviel - fachten Wirkung aufheben.
Dieſer electriſche Strom ſcheint daher mit ſehr geringer Kraft vorzudringen, weshalb er denn auch zwar Contractionen bei Froſch - praͤparaten, aber keine Wirkungen auf das Gefuͤhl, keine erhebliche chemiſche Wirkungen, keinen Funken hervorbringt, und durch die geringſten Hinderniſſe an der Loͤthungsſtelle beider Metalle gaͤnzlich aufgehalten w rd.
Becquerel hat zu Abmeſſung der magnetiſchen Kraͤfte, die bei den thermo-electriſchen Verſuchen thaͤtig ſind, folgendes Verfahren angewandt. Es werden mehrere ganz gleiche, mit Seide umwickelte, Leitungsdraͤthe uͤber der Magnetnadel neben einander angebracht; jeder derſelben bildet auf ganz gleiche Art einen aus zwei Metallen zuſammengeſetzten vollſtaͤndigen Ring, um, wenn man einen der Verbindungspuncte erwaͤrmt, einen thermo-electri - ſchen Strom in ſich fortzuleiten. Beobachtet man nun die Ab - lenkung der Magnetnadel, wenn nur einem der Draͤthe an einem Loͤthungspuncte eine beſtimmte Erhoͤhung der Temperatur, wenn zweien, wenn dreien dieſelbe Erhoͤhung der Temperatur ertheilt524 wird, ſo hat man die einfache, zweifache, dreifache Kraft mit den Angaben der Magnetnadel zuſammengeſtellt. Mit Anwendung dieſer Kenntniß von den wahren Werthen der Kraft des Stromes findet man, daß bei einer Verbindung von an einander geloͤthetem Kupfer - und Eiſendrath die Kraft gleichmaͤßig waͤchſt, wenn man die Temperatur-Unterſchiede der Loͤthungen von 0° bis 140° Cent. zunehmen laͤßt; von 140° an iſt, bei gleicher Zunahme der Temperaturdifferenzen, die Zunahme der Kraft geringer und bei 300° iſt ſie beinahe unveraͤnderlich geworden, ja bei noch hoͤhern Temperaturen ſchien eine entgegengeſetzte Wirkung einzutreten. Andre Draͤthe zu einem Umlaufe verbunden zeigten bis zu andern Temperaturen hin eine mit den Waͤrme-Differenzen gleichmaͤßig ſteigende Kraft, und zwar bis zu deſto hoͤhern Temperaturen, je ſchwerer ſchmelzbar ſie waren. Platindrath mit Eiſendrath gab ſelbſt bis zu 300° Erwaͤrmung, wenn der andre Loͤthungspunct auf 0° erhalten wurde, gleichmaͤßig mit der Waͤrme ſteigende Kraft und Becquerel gruͤndet darauf ein Verfahren, ſehr hohe Temperaturen zu beſtimmen, deſſen nicht vollkommene Sicherheit indeß auch leicht erhellt. Da die oben erwaͤhnten Maaßbeſtim - mungen gezeigt hatten, daß eine Ablenkung der Nadel = 22½° einer $$\frac{14}{3}$$ mal ſo großen Kraft als die Ablenkung = 8° zugehoͤre, da ferner die Erhitzung in der Weingeiſtflamme, an der Stelle, wo das Blau in Gelb uͤbergeht, fuͤr eine Verbindung von Platin - und Eiſendrath eine Ablenkung = 22½° unter eben den Umſtaͤnden hervorbrachte, wo eine Erhitzung von 300° eine Ablenkung = 8° bewirkte, ſo muͤßte 300 ⋅ $$\frac{14}{3}$$ = 1400° die Hitze der Weingeiſt - flamme ſein, wenn die proportionale Wirkung bis ſo hoch hinauf ſtatt faͤnde.
Von Chriſtie's Verſuchen, wodurch er die in den ver - ſchiedenen Tagesſtunden eintretenden Veraͤnderungen des Erdma - gnetismus mit den thermo-electriſchen Erſcheinungen in Verbin - dung zu ſetzen ſucht, ſage ich nichts, da ſeine Folgerungen mir nicht genug Ueberzeugung gewaͤhren.
Auch in Hinſicht auf die Theorie dieſer Erſcheinungen habe ich wenig zu ſagen. Seebeck glaubt, ſie ſtaͤnden den electro - magnetiſchen Theorien, welche den electriſchen Strom als Urſache der Einwirkungen auf die Magnetnadel anſehen, ſehr entgegen,525 weil die eine Spannungsreihe von der andern ſo ſehr abweiche, und ſich keinesweges diejenigen Verſtaͤrkungen oder Schwaͤchungen bei hoͤhern Temperaturen zeigen, die man zu erwarten berechtiget ſcheine. — Wiefern dieſe Einwuͤrfe begruͤndet ſind, oder ſich heben laſſen, ſcheint mir aus unſern jetzigen Kenntniſſen noch nicht zu erhellen; aber ich weiß auch nicht, daß man bis jetzt eine genuͤ - gendere Theorie aufzuſtellen im Stande geweſen ſei.
Ich gehe nun zu den neueſten Entdeckungen uͤber die electri - ſchen und magnetiſchen Erſcheinungen uͤber und werde ſie, da der eigentliche Gang dieſer Entdeckungen, wie naͤmlich Faraday dazu gelangte, noch nicht bekannt iſt, an einen Einwurf gegen Am - père's Theorie, der mir die Veranlaſſung dazu zu enthalten ſcheint, anknuͤpfen. Dieſer Einwurf, auf welchen ich neulich nur hindeutete, beſteht darin, daß wir gar keine electriſche Wirkungen des Magnetes kennen und es daher nicht begreiflich finden, wie jedes Element des Magnetes von electriſchen Stroͤmen umkreiſet ſein ſoll und dennoch dieſe electriſchen Stroͤme keine Art von elec - triſcher Wirkung zeigen. Man konnte hierauf mit Recht antwor - ten, daß ſich hier, wo es auf eine Wirkung unzaͤhliger geſchloſſener Kreiſe electriſcher Umſtroͤmungen ankomme, gar wohl ein eben ſolches Zerſtoͤren der nach außen merkbaren Wirkſamkeit denken laſſe, wie es zum Beiſpiel bei einem magnetiſchen Ringe der Fall iſt, deſſen Magnetismus, weil uͤberall Nordpol und Suͤdpol zu - gleich ſind, uns erſt kenntlich wird, wenn wir ihn zertheilen; indeß war damit doch jene Bedenklichkeit nur abgewieſen und nicht widerlegt.
Ob nun Faraday durch Betrachtungen, die ſich hierauf bezogen, geleitet, neue Unterſuchungen, wie umkreiſende electriſche Stroͤme auf unelectriſirte Koͤrper wirken, unternommen habe, iſt mir unbekannt; ſehr wohl aber ließe ſich denken, daß dieſe Be - trachtung ihn zu derjenigen Kenntniß der Einwirkung electriſcher Stroͤme auf unelectriſirte Leiter gefuͤhrt habe, welche ich jetzt angeben will. Die erſte Entdeckung, die Faraday zu den wichtigen neueſten Entdeckungen leitete, ſcheint die geweſen zu526 ſein, daß ein electriſcher Strom, der einen Metalldrath durch - laͤuft, in einem ihm benachbarten Drathe einen aͤhnlichen, aber nur einen Augenblick dauernden, Strom von entgegengeſetzter Richtung hervorruft, und daß, nach der Entfernung jenes electri - ſchen Stromes, in dem benachbarten Drathe ein neuer electriſcher Strom, gleichlaufend mit dem dieſe Wirkungen hervorbringenden Strome, entſteht. Man kann ſich wundern, daß dieſe Wirkung nicht ſchon lange beobachtet worden iſt, aber die ſehr kurze Dauer dieſer durch Einwirkung entſtandenen Stroͤme enthaͤlt ſchon Grund genug, um zu erklaͤren, warum niemand hierauf aufmerkſam gewor - den iſt*)Daß der Magnet electriſche oder chemiſche Wirkungen hervor - bringen muͤſſe, iſt oft vermuthet worden; aber weder die, die dieſes vermuthet haben, noch die, welche einen ſchraubenfoͤrmigen Leiter um den Magnet gewickelt haben, duͤrfen ſich ruͤhmen, dieſer Entdeckung nahe geweſen zu ſein, (auch Fresnel nicht, der ſelbſt das gaͤnzliche Fehlſchlagen ſeines Verſuches bekannte, Gilb. Ann. LXVI. 410.) denn dieſe ſchnell voruͤbergehenden Wirkungen erwarteten ſie nicht.. Sobald aber Faraday ſie bemerkte, mußte nun ſich gewiß die Ueberlegung hieran anſchließen, daß die den Magnet an - geblich umkreiſenden electriſchen Stroͤme, wenn ſie gleich keine Electriſirung ertheilen koͤnnen, wenn ſie gleich keiner Ableitung ſelbſt durch die beſten Leiter faͤhig ſind, doch vielleicht eine gleiche Einwirkung auf benachbarte Leiter durch Erregung electriſcher Stroͤme in ihnen zeigen koͤnnten. Und dieſe Vermuthung fand ſich beſtaͤtigt. Brachte Faraday den Magnet einem ſchraubenfoͤrmig gewundenen Leiter nahe, ſo zeigte die Einwirkung dieſes Drathes auf die Magnetnadel des Multiplicators einen in ihm entſtandenen electriſchen Strom, ſo wohl bei der Annaͤherung als bei der Ent - fernung des Magnetes.
Dieſe Entdeckung iſt unſtreitig eine der merkwuͤrdigſten, da ſie die erſte iſt, welche eine Electricitaͤt des Magnets verraͤth oder welche zeigt, daß der Magnet, ganz allein wirkend, electriſche Er - ſcheinungen hervorbringt, daß alſo jener Einwurf ſeinen Werth faſt ganz verliert. Nobili hat eine vortheilhafte Anordnung dieſer Verſuche angegeben. Wenn man die beiden Pole eines Huf - Eiſen-Magnetes mit einem weichen Eiſen verbindet, ſo iſt dieſes bekanntlich nun ſelbſt ein Magnet, und man kann den ſchrauben -527 foͤrmigen Drath nicht beſſer anbringen, als wenn man ihn um dieſes Eiſen wickelt und dann ſeine Enden mit dem Drathe des Multiplicators in Verbindung ſetzt. So wie das Eiſen, der Anker am Magnet, die Pole des Magnets beruͤhrt und dadurch zum Magnete wird, zeigt dieſer um das Eiſen gewickelte, alſo in der Naͤhe dieſes ſchnell entſtehenden Magnetes befindliche Drath auf kurze Zeit einen in ihm entſtehenden electriſchen Strom; wird das Eiſen abgeriſſen, ſo hoͤrt der Magnetismus des Eiſens auf und der Multiplicator zeigt einen entgegengeſetzten Strom in jenem Umwickelungsdrathe.
Auf dieſe Weiſe laͤßt ſich der Verſuch mit einem Magnet, der etwa 12 Pfund traͤgt, leicht wiederholen, nur muß man ſor - gen, die Leitungsdraͤthe lang genug zu nehmen, damit man ſicher ſei, den Magnet ſo entfernt zu legen, daß er nicht beim Abziehen und Anlegen des Eiſens ungleich auf die Nadel des Multiplicators wirket. Ein ½ Linie ſtarker Meſſingdrath mit Seide umwickelt und 12 bis 14 Umwindungen um das Eiſen machend, reicht hie - bei zu, und man kann, ſobald nur der Gehuͤlfe das Anlegen und Abziehen puͤnctlich ausrichtet, ſehr bedeutende Ausweichungen der Nadel hervorbringen, wenn man den Wechſel des Anlegens und Abreißens des Ankers ſo ſtatt finden laͤßt, daß allemal die Oſcilla - tion der Nadel nach der Seite, wohin ſie grade geht, verſtaͤrkt wird*)Ich finde es am zweckmaͤßigſten, die Enden des Multiplicator - drathes in zwei Glasgefaͤßen in Queckſilber eingetaucht zu laſſen und auch die beiden Enden des Umkreiſungsdrathes in das Queckſilber dieſer Gefaͤße tauchend, ungeaͤndert feſt zu erhalten; dann hat der Beobachter bloß auf die Nadel zu ſehen, waͤhrend der Gehuͤlfe den Anker des Ma - gnets anlegt und abreißt. Der Verſuch gelingt, wenn man auch den Leitungsdrath da, wo er ohne Seide iſt, mit der trockenen Hand be - ruͤhrt..
Dieſe Verſuche dienen, indem ſie einen Einwurf gegen die Theorie Ampère's heben, ihr zur Beſtaͤtigung; denn auch hier zeigt wieder der Magnet genau dieſelbe Wirkung, wie die umkrei - ſenden electriſchen Stroͤme. Ampère ſelbſt hat in Verbindung mit Becquerel die Verſuche Faraday's wiederholt, und auch mit einem ſtarken ſchraubenfoͤrmig gewundenen Drathe, der einen528 electriſchen Strom leitete, genau die Erſcheinungen, wie bei An - wendung des Magnets erhalten. Auch wenn dieſer electriſche Strom in die Windungen des mit dem Multiplicator verbundenen Drathes gebracht wurde, zeigte die Nadel des Multiplicators nur eine kurz dauernde Ausweichung und kehrte dann zu ihrer ruhigen Stellung zuruͤck, bei der Entfernung des electriſchen Stromes machte ſie eine gleichfalls kurz dauernde Ausweichung nach ent - gegengeſetzter Richtung; — genau wie Faraday es angegeben hatte. Ampère hat ſchon in ſeinen fruͤhern Theorien es noͤthig gefunden, den electriſchen Umſtroͤmungen um den Magnet in der Mitte eine groͤßere Intenſitaͤt als gegen die Enden beizulegen, weil nur ſo ſich alle Erſcheinungen des Magnetes erklaͤren ließen; die Wirkung eines mit gleichen Umkreiſungsſtroͤmen umwickelten Cylinders mußten ſich alſo auch hier etwas von den Wirkungen des Magnetes darin unterſcheiden, daß bei jenem die Enden ſich verhaͤltnißmaͤßig wirkſamer zeigten; und in der That fand ſich, daß zwar auch bei dem Fortſchieben des mit wirklichen electriſchen Stroͤmen umwickelten Cylinders die Wirkung zunahm, bis die Mitte des Cylinders jenen andern Umwickelungsdrath erreichte, aber daß beim Magnet dieſe Zunahme gegen die Mitte ſtaͤrker war. Jeder Umſtand findet ſich alſo ſo wie die Ampère'ſche Theorie es fordert.
Dieſe Erſcheinungen, welche eine beſtimmte Hervorbringung electriſcher Wirkungen durch den Magnet beweiſen, gewaͤhren nun die Hoffnung, auch andre electriſche Wirkungen hervorgehen zu ſehen. Bei der nur momentanen Dauer der electriſchen Stroͤme, welche in den benachbarten Koͤrpern durch die Annaͤherung und Ent - fernung electriſcher Stroͤme und des Magnets erregt werden, laͤßt ſich auf chemiſche Wirkungen am wenigſten rechnen, es muͤßten denn ſolche ſein, die zu ihrem Entſtehen nur die allerkuͤrzeſte Zeit gebrauchen; dagegen hat ſchon Faraday einen Funken her - vorgehen ſehen, und Mittel angegeben, ihn mit Beſtimmtheit zu erhalten. Nobili und Antinori aber haben zuerſt die genauen Umſtaͤnde, von denen er abhaͤngt, bekannt gemacht. Sie fanden naͤmlich, daß zu Hervorbringung desſelben die ſchnelle Unterbrechung529 der Leitung waͤhrend des kurzen Augenblickes, wo die Stroͤme wirkſam ſind, erforderlich ſei, und brachten ihn daher zuerſt ſo her - vor, daß ſie beide Enden des Drathes, in welchem der electriſche Strom durch Einwirkung des Magnetes entſtand, in einem einzi - gen Gefaͤße mit Queckſilber eingetaucht anbrachten, und nun gleich - zeitig das Eiſen vom Magnet abzureißen und den einen Drath aus dem Queckſilber hervorzuziehen ſuchten; geſchah beides faſt in demſelben Moment, ſo zeigte ſich der Funke. Da aber dieſe Gleich - zeitigkeit ſo ſchwer zu erhalten war, ſo waͤhlten ſie nachher ein anderes Verfahren. Legen ſich die beiden Enden des um den Anker gewickelten Drathes, ohne mit dem Anker des Magnetes in leiten - der Verbindung zu ſtehen, vollkommen leitend an beide Pole des in die Form des Huf-Eiſens gekruͤmmten Magnetes an, ſo ma - chen die electriſchen Stroͤme, welche in dem Drathe entſtehen, wenn das weiche Eiſen ploͤtzlich den Magnet beruͤhrend zum Magnet wird, ihren Kreislauf durch den Drath und den Magnet; richtet man es nun ſo ein, daß beim Abreißen des Eiſens gleichzeitig auch die Enden des Drathes ſich vom Magnet trennen, ſo wird der im Augenblicke des Abreißens entſtehende Strom in ſeinem Uebergange gehindert und ſchlaͤgt als Funke uͤber.
Die naͤchſten Erweiterungen unſerer Kenntniſſe, die wir von ferneren Unterſuchungen uͤber dieſe Hervorbringung electriſcher Stroͤme durch den Magnet zu erwarten haben, ſcheinen den bei der Rotation der Metallſcheiben in der Naͤhe eines Magnetes her - vortretenden Magnetismus zu betreffen. Schon Faraday und nachher auch Ampère und Nobili haben hierauf ihre Auf - merkſamkeit gerichtet, und es erhellt ſchon jetzt, daß die ſchnell voruͤbergehenden, nur einen neuen Gleichgewichtszuſtand der elec - triſchen Materien bewirkenden, electriſchen Stroͤme, die der Ma - gnet in ruhenden Koͤrpern hervorbringt, uns nicht leicht merklich werden koͤnnen, daß dagegen in einer Metallſcheibe, deren einzelne Puncte am Magnete ſchnell voruͤbergehen, entgegengeſetzte elec - triſche Stroͤme, damit aber auch ſichtbare Einwirkungen auf den Magnet, entſtehen muͤſſen. In den herannahenden Theilen des bewegten Leiters muͤſſen naͤmlich electriſche Stroͤme den Umkrei -III. L 1530ungsſtroͤmen des Magnets entgegengeſetzt, in den ſich aus der Ein - wirkung des Magnets entfernenden Theilen muͤſſen neue electriſche Stroͤme, denen des Magnetes gleichlaufend, hervorgehen; dieſe muͤſſen von der vorangehenden Seite der Scheibe anziehend, von der nachfolgenden Seite abſtoßend auf den Magnet wirken; ſie muͤſſen durch Unterbrechung des Zuſammenhanges der Theile in ihrer Wirkung geſtoͤrt werden u. ſ. w. Nobili ſowohl als Am - père haben die Erklaͤrungen ſchon weiter fortgeſetzt, aber da die vollſtaͤndige Einſicht in alle Umſtaͤnde noch mehr Verſuche fordert, und Faraday nicht voͤllig mit dieſen Folgerungen zufrieden iſt, ſo will ich hier nicht dabei verweilen.
Aber noch uͤber einen zweiten Gegenſtand duͤrfen wir nun bald beſſer belehrt zu werden hoffen. Das Nordlicht iſt eine leuchtende magnetiſche Erſcheinung, zu der ſich bisher keine aͤhnliche in unſern Verſuchen fand; jetzt, da wir einen magnetiſchen Fun - ken kennen, oder den Magnet einen wahren electriſchen Funken hervorbringen ſehen, ſcheint es weniger raͤthſelhaft, wie ein elec - triſches Licht ganz dem im luftleeren Raume ausſtroͤmenden elec - triſchen Lichte aͤhnlich, magnetiſche Wirkungen zeigen und mit den magnetiſchen Polen der Erde in Beziehung ſtehen kann.
Mit dieſen wichtigen Entdeckungen, mit ſo ſchoͤnen Aus - ſichten auf neue Erweiterungen unſerer Kenntniſſe ſchließe ich die Reihe von Betrachtungen, mit welchen ich Sie zu unterhalten mir vorgeſetzt hatte. Habe ich gleich aus dem unermeßlichen Reich - thum mannigfaltiger Forſchungen Ihnen nur weniges und nur das, was mir zum Ueberſehen des ganzen Syſtemes nothwendig ſchien, nur die Unterſuchungen, die den Zuſammenhang der Er - ſcheinungen am meiſten aufklaͤren, mittheilen koͤnnen, habe ich gleich manches Verdienſt unerwaͤhnt laſſen, und mich begnuͤgen muͤſſen, nur diejenigen Entdeckungen in ihrer Entſtehung und Ausbildung zu verfolgen, die durch ihren Erfolg vorzugsweiſe dies zu verdienen ſcheinen; ſo hoffe ich doch, daß ich Ihnen Gele - genheit genug gegeben habe, nicht nur den Reichthum der Natur an531 merkwuͤrdigen Erſcheinungen, ſondern auch den Scharfſinn man - cher ausgezeichneter Maͤnner zu bewundern und in ihren Bemuͤ - hungen Beiſpiele des aͤchten philoſophiſchen Forſchens, Beiſpiele, die uns als Vorbilder dienen koͤnnen, zu erkennen. Und was den Erfolg unſerer Bemuͤhungen, die Erſcheinungen der Natur in ihrem Zuſammenhange zu uͤberſehen, die Geſetze ihrer Verbindung kennen zu lernen, betrifft, ſo habe ich zwar oft das Bekenntniß ablegen muͤſſen, daß vieles uns noch dunkel ſei, vieles noch zu unterſuchen uͤbrig bleibe; aber dennoch hoffe ich ſagen zu koͤnnen, daß Sie nicht ohne Freude den Reichthum unſerer Kenntniſſe, das gelungene Beſtreben der Phyſiker, die Erſcheinungen in einem Syſteme zu vereinigen, werden kennen gelernt haben, wenn an - ders meine Darſtellung nicht zu mangelhaft geweſen iſt.
Und an die Freude uͤber das, was wir beſitzen, knuͤpft ſich die Hoffnung auf immer reichere Kenntniſſe, auf immer vollendetere Einſicht in die Natur, die, nie erſchoͤpft, dem Menſchengeſchlechte immer neue Wunder darbieten wird. Moͤge nur dieſe vermehrte Einſicht auch durch weiſe Anwendung immer mehr zum Wohl der menſchlichen Geſellſchaft beitragen, moͤge dadurch die Zahl der Leiden, mit denen das menſchliche Geſchlecht umgeben iſt, vermin - dert werden; aber moͤge auch nie die Demuth aus den Herzen der Menſchen entweichen, anzuerkennen, daß ſelbſt die groͤßeſte menſchliche Weisheit nicht zu einer vollkommenen Herrſchaft uͤber die Natur fuͤhrt, und daß wir die Heilung zahlreicher Leiden und Gebrechen, welche die Menſchheit druͤcken, von keiner irdiſchen Hand erwarten duͤrfen.
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Fraktur
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