Schon in einer Vorrede zu einigen kleinen Abhandlungen des verſtorbenen Hofrath und Profeſſor Gleditſch, welche ſich noch unter der Preſſe befinden, habe ich dem gelehrten Publi - kum verſprochen, die noch vorgefundenen Ar - beiten des ſeligen Mannes durch den Druck be - kannt zu machen.
Dieſes ſoll jezt mit einigen botaniſchen Ab - handlungen geſchehen, welche den erſten Band ausmachen werden. Dieſen werden noch ei - nige kleine vermiſchte Schriften folgen, um da - durch Liebhabern in dieſem Fache Gelegenheit zu geben, ihren angefangenen Fleiß und Arbeit weiter auszufuͤhren und fortzuſetzen.
EsEs iſt in dieſen Abhandlungen keine Ver - aͤnderung vorgenommen, ſondern alles nach des ſeligen Mannes eigenen Aufſatz beybehalten wor - den. Die mehreſten Aufſaͤtze ſind bey der Koͤnigl. Akademie der Wiſſenſchaften vorgeleſen, groͤß - tentheils aber in den Memoiren der Akademie noch nicht gedruckt worden.
Gerhard Koͤnigl. Geheimer Oberfinanz-Kriegs - und Domainenrath.
Der Blumenſtaub, welcher ſonſt unter dem Na - men des beſchwaͤngernden oder befruchtenden Stau - bes, wie auch des Blumenmehls bekannt iſt, wird an - derweit genitura florum aut plantarum, ſemen maſculum et florale, ferner pollen, pollen anthe - rarum, pulvis floralis et antherarum, und endlich eſſentia florum von etlichen genennet. Er beſtehet aus einer Menge von uͤberaus kleinen und hohlenASaa -2Saamengefaͤßen, wie die Vergroͤßerungsglaͤſer zei - gen, in denen eine hoͤchſt zarte Subſtanz von ganz beſonderer wirkſamer Art enthalten iſt, deren Un - terſuchung und wahre Beſtimmung unſern Sinnen wo nicht ganz, doch zum Theil faſt unmoͤglich, oder wenigſtens uͤberaus ſchwer faͤllt, und dahero, wie es ſcheinet, noch lange Zeit, auch wohl groͤßten - theils, verborgen bleiben duͤrfte. Dieſes nur er - waͤhnte vegetabiliſche befruchtende Saamenweſen wird in denjenigen kleinen beſondern organiſchen Blumentheilchen erzeuget, ernaͤhret und zu ſeiner Vollkommenheit gebracht, welche durch ihre erſtau - nende Menge den ſogenannten Blumenſtaub eigent - lich ausmachen, und in ihnen ſo lange aufbehalten, bis es endlich bey gewiſſer Gelegenheit und auf ei - nen beſtimmten Zeitpunkt mit eben ſolcher Gewalt und Geſchwindigkeit partienweiſe heraus faͤhret, als das verduͤnnte Waſſer aus einer erhitzten Dampfkugel.
Angezeigte kleine Saamengefaͤßgen ſind alle - zeit hohl, und ſitzen nach einer beſondern regelmaͤßi - gen Ordnung auf uͤberaus kurzen und zarten Faͤden an der ganzen innern Flaͤche der Blumen-Staub - kapſeln, (antherarum) dermaßen dicke an einan - der, daß ſie dieſelbe voͤllig bedecken. Bey der na - tuͤrlichen Eroͤfnung der antherarum werden ſie un - ter der Geſtalt eines Rauches oder Staubes, in dem ſie ploͤtzlich herausſchnellen, mit einiger Gewalt und Geſchwindigkeit in großen Partien davon abgeriſ -ſen,3ſen, welches ſo oft wiederholt wird, bis die ganze Blumenſtaubkapſel davon leer geworden iſt. Die Geſtalt mehr gedachter kleiner Saamengefaͤßgen findet ſich bey verſchiedenen Blumengeſchlechtern auch etwas verſchieden, und bey den aͤhnlichen zei - get ſich bald eine groͤßere bald eine geringere Gleich - heit. Insgemein beſtehet aller Blumenſtaub aus ſolchen kleinen Saamengeſaͤßchen, Blaͤschen, oder Kuͤgelchen, wie man ſie nennen will, welche voll - kommen rund, und dabey mit zarten Stacheln und Haͤkgen verſehen ſind. In etlichen Arten beſtehet er aus doppelten Blaͤschen, oder auch laͤnglichrun - den, eyfoͤrmigen, durchbrochenen Platten und da - bey gezackten, ferner aus nierenfoͤrmigen, eckigten und irregulaͤrgewundenen Blaͤschen.
Derjenige Blumenſtaub aber, welcher in einer jeden einzelnen Saamenſtaubkapſel beyſammen ge - funden wird, oder auch in einer ganzen Blume oder Gattung von dieſem Geſchlechte, dieſer iſt bey natuͤrlichen Umſtaͤnden allemahl von einerley Ge - ſtalt, Groͤße und Eigenſchaft, ohne, daß ſich von dem, was ich hier angegeben habe, jemahls das Gegentheil finden ließe; wie man ſich denn da - von durch die Vergroͤßerungsglaͤſer ſehr leicht uͤber - zeugen kann.
Was das in oftgenannten Gefaͤßchen enthal - tene hoͤchſt zarte, wirkſame und befruchtende Saa - menweſen betrift, das man im eigentlichen Ver - ſtande und mit mehrerem Rechte genituram flora -A 2lem4lem nennen koͤnnte, als, daß man deſſen Huͤlſe zu - gleich mit unter dieſen Namen begreift; ſo zeigen die Vergroͤßerungsglaͤſer ebenfalls, daß es eine ſehr feine, durchſichtige, ſchleimige, etwas membranoͤſe und wohl temperirte Maſſe ſey, in welcher eine große Menge der allerzarteſten und dunkelſten run - den Staͤubchen oder Koͤrperchen gleichſam einge - wickelt iſt, die dem Auge durch ein gemeines Glas als die allerkleinſten Punkte vorkommen. Wenn nun die Staubkuͤgelchen von einer Feuchtigkeit be - ruͤhrt werden, ſo nimmt man gar bald wahr, daß das in ihnen verſchloſſene Saamenweſen in we - nigen Augenblicken innerhalb derſelben in eine ſchnelle und heftige Bewegung geraͤth, im Heraus - ſchnellen die Kuͤgelchen dermaßen auseinander ſtoͤ - ßet, und, daß dieſe ſelbſt nach Art der Billardku - geln gegen, an und untereinander fahren, im Her - umwalzen aber zerplatzen, ihre Geſtalt und Groͤße zugleich in etwas veraͤndern, und mitten unter die - ſer Revolution das ſchleimige und haͤutige Saa - menweſen von ſich ſpruͤtzen, welches alsdenn außer denenſelben dem Saamen einiger Waſſerthiere uͤber - aus gleichet, wie ſolches von Mr. Needham ganz richtig bemerket worden iſt; und wie ich verſchiede - ne mahl wahrgenommen, ſo hat es ſich eine Weile nach dem Herausſprutzen als eine ſehr ſubtile, oͤhlige, punktirte Haut uͤber das Waſſer gezogen, in wel - ches die Kuͤgelchen gelegt worden waren. Mr. Juſſien hat auch von dem Staubmehle des Hanfseinen5einen ſchwimmenden fetten Saft im Waſſer aufſpruͤ - tzen ſehen.
Ich muß geſtehen, daß ſich bey Betrachtung ſolcher Erſcheinungen, und bey Ueberlegung ſo vieler uͤbereinſtimmenden Umſtaͤnde der Befruchtung, in der That viele Spuren von Aehnlichkeit und noch groͤßere Gruͤnde vor die Gleichheit der Generation zwiſchen denen Thieren und Pflanzen finden, ſogar daß hitzige Naturforſcher Muͤhe haben, ihre Ver - muthungen von gewiſſen Wahrheiten zu unterſchei - den. Indeſſen werde ich ganz aufrichtig hier das - jenige vorlegen, und mit einigen gegruͤndeten Muthmaßungen unterſtuͤtzen, was mir bey mei - nen Verſuchen vorgekommen iſt. Vielleicht wer - den dieſe die Meynungen, welche andere von der Befruchtung und dem befruchtenden Blumenſtaube ſchon vor mir, oder mit mir zugleich gehabt, ent - weder in groͤßeres Licht ſetzen, oder doch wenigſtens die dabey vorkommenden Uebereilungen und Schwierigkeiten mehr und mehr entdecken. Denn was iſt wohl bey einigen Gelehrten leichter, oder vielmehr gewoͤhnlicher, als ſich bey dergleichen Ver - ſuchen im Obſerviren und Schließen zu uͤbereilen, und aus Vergnuͤgen uͤber eine ungewoͤhnliche Neuigkeit Vermuthungen mit Wahrheiten zu ver - wechſeln.
Die eigentliche Befruchtung des Ovarii, wel - ches bey den Pflanzen durch den Blumenſtaub in ihren Blumen geſchiehet, iſt eine Sache, die dieA 3Natur -6Naturforſcher ſowohl in unſern gegenwaͤrtigen als kurz vorhergehenden Zeiten zu mancherley Verſu - chen verleitet hat, unter welchen ihnen einige wohl gelungen ſind, an vielen aber kann man aus ſichern Gruͤnden zweifeln. Verſchiedene haben uns zwar ſehr vieles bereden wollen, das uns in Erſtaunen ſetzen koͤnnte, wenn es wuͤrklich erwieſen waͤre; allein, bey genauerer Unterſuchung ihrer Schrif - ten hat ſich gefunden, daß die auctores, wie ge - woͤhnlich, zum Theil nicht ſelbſt, oder ohne die Verſchiedenheit des wahren Baues in denen[Blu - men] zu kennen, zum Theil aber, nicht mit der ge - hoͤrigen Vorſicht gearbeitet haben, ſondern viel - mehr mit fremden Augen geſehen, und, aus an - derer Scribenten noch nie erwieſenen Verſuchen uͤbereilte Schluͤſſe gezogen, ſo, wie es der Vor - theil und die Beſchaffenheit ihrer verſchiedenen Lehrgebaͤude etwa zu erfordern geſchienen.
So gewiß indeſſen die Befruchtung des Ovarii durch den Blumenſtaub bey den Pflan - zen an und vor ſich iſt, ſo iſt ſie dennoch noch lange nicht dermaßen ausgemacht, daß man von einer richtigen und ungezweifelten Theorie ſprechen duͤrf - te? Das, was ich hier ſage, wird niemand in Zweifel ziehen, der da weiß, daß wir zur Zeit we - der die wahren Eigenſchaften, Kraͤfte und Actio - nen des befruchtenden Blumenſtaubes, noch die wahre Beſchaffenheit des Ovarii, nebſt deſſen Zu - behoͤr und andern Umſtaͤnden recht gehoͤrig[kennen],wel -7welche ſich insbeſondere in dieſem organiſchen Blu - mentheile, bey und nach der vigoureuſen Pro - jection des Blumenſtaubes, nebſt der uns noch nicht voͤllig bekannten Art des Eindringens dieſes hoͤchſt ſubtilen und wuͤrkſamen befruchtenden Saa - menweſens nach einander zutragen. Vielleicht er - fahren wir von allen dieſen kuͤnftighin nach aller an - gewandten Muͤhe nur das wenigſte, vielleicht aber niemals das weſentliche?
Was Malpighius, Jungius, Camerarius, Burghart, Rajus, Grewius, Vaillant, Mor - land und deren Nachfolger von allen Blumenthei - len ſowohl uͤberhaupt, als von dem befruchtenden Blumenſtaube und dem Unterſchiede des Geſchlech - tes bey den Pflanzen insbeſondere vermuthet, geur - theilet und in oͤffentlichen Schriften abgehandelt, iſt bekannt, und gar leicht abzuſehen, wie dieſe Maͤnner aus der nach und nach mehr entdeckten Blumenſtructur, und Unterſuchung derer un - fruchtbaren und fruchtbaren Blumen, wenn ſie auch nur ganz gemeine Erfahrungen dabey zu Huͤlfe genommen, auf ihre davon gehabte Gedanken ver - fallen muͤſſen. Dieſen Vorgaͤngern bin ich behut - ſam gefolget, und habe durch Verſuche ſo viel gefun - den, welches das, was ſie davon ſchon vor mir ver - muthet gehabt, groͤßtentheils bekraͤftiget. Zu an - derer Zeit habe ich Entdeckungen gemacht, welche den erſtern Erfindungen offenbar widerſprechen; wenigſtens habe ich aus ihren Erfahrungen undA 4Ver -8Vermuthungen diejenigen Schluͤſſe nicht allezeit zie - hen koͤnnen, die ſie geglaubet. Ich kann nicht ſa - gen, welche von beyderley Erfahrungen, nehmlich denen bekraͤftigenden oder verneinenden, mir die an - genehmſten geweſen ſind, da ich von ihnen den Nu - tzen gehabt, daß ich keiner Obſervation getrauet, wenn ſie von mir nicht etlichemahl wiederholet wer - den koͤnnen, und daß ich mich vor unrichtigen Schluͤſſen in Acht genommen. Demnach habe ich es gewagt, an vielen dergleichen Umſtaͤnden, wel - che ſo oft vor ganz unſtreitig ausgegeben worden ſind, bis zu einem richtigern Erweiſe, noch auf ei - nige Zeit mit Grunde zu zweifeln.
Mr. Needham, welcher ſeine Verſuche mit vieler Vorſicht angeſtellet, und ſeine mikroſkopiſchen Entdeckungen mit großer Beſcheidenheit mitgethei - let hat, ſcheint den Eifer derer Forſchenden uͤber vorerzaͤhlte Umſtaͤnde ganz von neuem rege gemacht zu haben, da er allem Anſehen nach, zu einer meh - rern Erkenntniß des Blumenſtaubes und der daher entſtehenden Pflanzenbefruchtung einen ſo guten Beytrag gethan hat, faſt zu gleicher Zeit, da ich mit eben dergleichen Arbeiten beſchaͤftiget geweſen bin. Dahero glaube ich nichts uͤberfluͤßiges zu thun, wenn ich deſſen Entdeckungen und Muthma - ßungen in gegenwaͤrtiger Abhandlung mit den mei - nigen vergleiche, und mich uͤber diejenigen Punkte erklaͤre, in denen ich mich vor der Hand nochvon9von ihm in etwas abzugehen genoͤthiget geſehen habe.
Wenn man nun alſo das, was der beruͤhmte Leuwenhoek ſchon ehemals von ſeinen ſogenannten Saamenthierchen bey verſchiedenen maͤnnlichen Thieren wahrgenommen, und, was Mr. Needham von den Milchgefaͤßen des Calmars entdeckt hat, hier annimmt, und als gewiß vorausſetzt, und bey - derley Entdeckungen mit den Umſtaͤnden von dem befruchtenden Blumenſtaube, in ſo weit uns ſolche bekannt worden ſind, behutſam vergleichet; ſo wird man an der Aehnlichkeit der Generation, die ſich zwiſchen den Koͤrpern des Thier - und Kraͤuter - reichs findet, wenige Urſache zu zweifeln haben, wie oben bereits gedacht worden iſt. Denn, man beliebe nur das, was uns Mr. Needham von den Milchgefaͤßen des Calmars geſaget, wohl zu er - waͤgen, und gegen die Umſtaͤnde zu halten, welche ſich bey denen mit Waſſer angefeuchteten Blumen - ſtaube oder Staubkuͤgelchen ereignen, als:
ſo wird man von ſelbſt auf eine gewiſſe Ueberein - ſtimmung eines innerlichen verborgenen BauesA 5oder10oder Mechaniſmi verfallen, der ſich wahrſcheinli - cherweiſe bey beyden befinden muß; folglich wird man kaum zweifeln, daß der Blumenſtaub mit den Milchgefaͤßen des Calmars, ingleichen den Leuwen - hoͤckiſchen Saamenthierchen einen ſehr aͤhnlichen Nutzen und Gebrauch haben koͤnnen.
Daß indeſſen nur gedachte Bewegung, nebſt dem Auseinanderwickeln, Zerreißen und der Ver - aͤnderung der Geſtalt und Lage bey den Saamen - thierchen nach Leuwenhoͤks Vermuthung von der großen Subtilitaͤt derſelben entſtehen ſollte, dage - gen ſtreitet deſſen eigener Verſuch, nach welchem er dieſelben 5 Monate hindurch auf einer Glaßtafel conſervirt haben will, wie ihm Mr. Needham ganz recht zur Laſt leget. Auch bey den Staubkuͤgel - chen koͤnnte dieſer Umſtand nicht dargethan, noch we - niger aber als ein Grund von ihrer Bewegung an - gegeben werden, weil ſie nehmlich, wenn ſie nicht mit Waſſer befeuchtet werden, uͤberaus dauerhaft ſind; wovon man den Umſtand beſonders zu mer - ken hat, welchen Hr. Prof. Ludwig zu Leipzig in Diſſert. de Sexu Plantarum, von der bey den Moh - ren gewoͤhnlichen Art die Palmen zu befruchten, anfuͤhrt, und in meiner Abhandlung de foecundatione artificiali in Palma dactylifera foemina, folio fla - belliformi ſuſeepta ein mehreres finden wird. So - bald aber die Kuͤgelchen ins Waſſer kommen, und in Bewegung gerathen, ſo ſcheinet es, als ob ſich die Menge von hoͤchſt ſubtilen athomis ſper -mati -11maticis auf einmahl auf das ſchnellſte aus ihrer ſchleimig membranoͤſen Matrize und mit Gewalt ab - reißen und auswickeln wollte, welches in einer feuchten Luft nicht geſchiehet, und alſo ihre Dauer - haftigkeit mehr beſtaͤtiget.
Was aber die oft erwaͤhnte Aehnlichkeit der Generation bey dem Thier - und Pflanzenreiche be - trift, welche ſich ſo verſchiedentlich offenbaret, ſo iſt es gut, wenn man weder dieſelben weiter an - nimmt, noch extendirt, als ſie wuͤrklich erwieſen iſt, und alſo mit den Obſervationen behutſam verfaͤhrt, ſo wie man denn den weſentlichen Unterſchied beyder Naturreiche beſtaͤndig vor Augen haben muß, um ſich eben dadurch in ſeiner Unterſuchung und Beur - theilung dieſer Aehnlichkeit richtige und der Natur gemaͤße Grenzen zu ſetzen; außerdem wird uns die Einbildung leicht auf falſche und unnatuͤrliche Vor - ſtellungen von einer ſolchen Aehnlichkeit leiten, wel - che im eigentlichen Verſtande niemahls exiſtirt, und wir muͤſſen endlich auf das Laͤcherliche verfallen, zuletzt aber gar außer den Zirkel der Naturlehre ge - rathen, nicht zu gedenken v. gr. gaudia florum, Sponſalia plantarum legitima, aperta und clande - ſtina, aeſtruvenerem plantarum, adveterium ne - ceſſarium mariti, coniuges, meretrices vegetabiles cet. dergleichen etlichen an ſich ſonſt großen und verdienten Maͤnnern, als zu weit getriebene Fiktionen noch dann und wann vorgeworfen werden wollen; welche Umſtaͤnde ſich indeſſen auf ziemlichleb -12lebhafte Vergleichungen und Gleichheiten gruͤnden, wenn man davon etwas freundlicher und beſcheide - ner urtheilen will.
Unterdeſſen da die Erzeugung der Pflanzen und ihre Befruchtung durch den Blumenſtaub in der Naturlehre einen wichtigen Punkt ausmacht, ſo muß ſie ſich nothwendig auf wichtige Obſervatio - nen gruͤnden, und durch dergleichen beſtimmt wer - den, indem bloße Conjecturen oder auch an - dere nur ſcheinbar mit einander uͤbereinſtimmende Fictionen, die mit Gewalt herbeygezogen werden, hier nicht gelten koͤnnen; es mag im uͤbrigen mit den Entdeckungen in einer ſo wichtigen Sache ſo ſparſam hergehen, als es immer will. Vor allen Dingen muͤſſen wir, um des rechten Zwecks nicht zu verfeh - len, uns anlegen ſeyn laſſen, diejenigen Theile in den Blumen, mit denen in ihnen enthaltenen we - ſentlichen Subſtanzen, und ihren Functionen, wel - che zur Foͤcundation bey denen Pflanzen das ihrige beytragen, genauer kennen lernen; denn dieſe ſind uns noch nicht ſo, wie man ſich etwa einbilden koͤnnte, und ſo weit es zu unſerem Endzweck noͤthig iſt, be - kannt genug.
Was den Blumenſtaub insbeſondere angehet, hat Mr. Needham meinen Beduͤnken nach nicht uͤbel geurtheilet, wenn er ſaget, daß man die Vermuthung wegen einer ſo ſcheinbaren Aehn - lichkeit, die ſich bey der Generation zwiſchen den Thieren und Pflanzen findet, bald zu mehrerer Ge -wiß -13wißheit bringen wuͤrde, wenn man eine groͤſſere Art deſſelben zur Unterſuchung haben koͤnnte, oder, wie er ſich eigentlich daruͤber auszudruͤcken beliebet: „ er zweifle nicht, daß ſeine Conjectur nicht „ ſollte zu verſchiedenen Aufſchluͤſſen dienen, „ mit welchen man dieſelbe ins kuͤnftige wuͤrde „ vermehren koͤnnen, wenn man dahin gelan - „ gen ſollte, auf etliche Pflanzen einen ſolchen „ Staub (pollen antherarum) zu entdecken, „ welcher in Abſicht auf denjenigen, den man „ gemeiniglich auf den Pflanzen bemerket, eben „ ſo groß waͤren, als die Milchgefaͤße des Cal - „ mars, in Abſicht auf die Saamenthierchen „ ſind. Alsdenn (faͤhrt er fort) wuͤrde man „ im Stande ſeyn, weit richtigere Obſervatio - „ nen uͤber die Beſchaffenheit des Blumenſtau - „ bes zu machen, und mit ſeinen eigenen Au - „ gen ſo etwas zu ſehen, worauf man jetzo kei - „ ne andere als nur noch muthmaßliche Schluͤſſe „ ziehen kann, NB. wegen der Kleinigkeit „ der Kuͤgelchen, woraus dieſer Staub be - „ ſtehet. ‟
Wenn man bey der Unterſuchung und Er - kenntniß des Blumenſtaubes blos allein beruhen kann und will, ſo wird hier wenig zu erinnern ſeyn, nicht aber, wenn es von der ganzen Foͤcundation und Generation gelten ſoll, als, wozu das piſtil - lum mit ſeinen Theilen gehoͤrt, und dennoch werden ſich dabey ſolche Schwierigkeiten ereignen, die ſichdurch14durch mikroſkopiſche Entdeckungen wohl nicht alle - zeit heben laſſen duͤrften; wie die Arbeiten einem jeden, der ſie ohne Vorurtheile unternimmt, leicht zeigen werden. In Anſehung des Blumenſtaubes muß die Erfahrung allerdings vor die Needhamiſche Meynung ſprechen, indem die bekannten Arten deſſelben, ſie moͤgen fein oder auch etwas groͤber ſeyn, nicht deutlich und hinreichend genug ſind, daß ſich durch ſie etwas genau beſtimmen ließe, wenn ſie auch gleich eine blaue, dunkelrothe, braune oder ſchwarze Farbe haben; denn, hier muß die Groͤße allerdings nothwendig ſeyn.
Es ſind mir zwar mit einigen Arten des fei - nen Blumenſtaubes, als von Chelidonio und Aqui - legia officinali auch andern noch feinern, die Ver - ſuche ſo wohl gelungen, daß ich die Bewegung und Veraͤnderung der Kuͤgelchen im Waſſer habe ſehen koͤnnen, indem ich etliche Tropfen mit einigen Vor - theil darauf gebracht habe, ohne, daß mein Auge waͤre verhindert worden, diejenigen wenigen Au - genblicke genau zu bemerken, in welchen die bewun - derungswuͤrdige Bewegung und Veraͤnderung an denen ins Waſſer gebrachten Staubkuͤgelchen ſich zu ereignen und ſogleich wieder zu endigen pfleget. Aber, ſo etwas deutlich zu beſtimmen, als hier ei - gentlich verlangt wird, dazu habe ich noch keine un - ter allen von mir zeithero unterſuchten Arten des Blumenſtaubes hinreichend gefunden.
Es15Es hat mich unterdeſſen eben wegen Erman - gelung einer ſolchen groͤßern Art des Blumenſtau - bes ſowohl die Cultur der Pflanzen, als meine Auf - merkſamkeit bey dem jaͤhrlichen Einſammlen derſel - ben auf die Gedanken gebracht: ob man nicht etwa durch Kunſt gewiſſe Arten von Pflanzen dahin brin - gen koͤnnte, daß ſie groͤßere Blumen truͤgen, und in dieſen groͤßere antheras und piſtilla bekaͤmen? Unter denen Gartenpflanzen finden ſich ſchon ver - ſchiedene, welche von Natur nicht allein große Blumen bringen, ſondern auch in ſolche Abaͤnde - rungen (varietates) ausarten, welche noch weit mehr vergroͤßerte Blumen haben; dergleichen fin - den ſich unter denen Tulipanen, Lilien, Kayſerkro - nen, Kuͤrbiſſen, Glocken, Malven und andern, welche aus den Saamen beſonders erzogen werden; auch ſogar, unter denen Fruchttragenden Baͤumen, beſonders dem Steinobſte. Bey etlichen faͤllt dieſe Vergroͤßerung auf die ganze Blume uͤberhaupt, bey andern auf die Blumenblaͤtter oder auch dem Kelch, manchmahl alleine auf die antheras und den Blu - menſtaub, oder nur auf das piſtillum insbeſondere, ohne, daß man dabey Mißgewaͤchſe wahrnehmen koͤnnte.
Ich muß bekennen, daß mir ſolche Varietaͤ - ten von vergroͤßerten Blumen bey mikroſkopiſchen Verſuchen die beſten Dienſte geleiſtet haben, beſon - ders deswegen, weil ich bey ihnen das Ova - rium nicht allein viel beſſer beobachten koͤnnen, alsbey16bey andern, ſondern auch, weil es mir verſchiedene - mahle gegluͤckt, den Eingang in das Ovarium und ſelbſt die unten im Stylo zunaͤchſt am Ovario im Eindringen begriffene befruchtende Saamenſubſtanz aus den Staubkuͤgelchen genauer zu betrachten. Dieſe letztere Obſervation verdienet ihrer Wichtig - keit halber bey vielerley Blumenarten mit Vorſicht ſehr oft wiederholet zu werden; denn, wenn ſie von andern geſchickten Maͤnnern verificirt werden ſollte, ſo haͤtte man dadurch in der That in einer ſehr wichtigen Sache einen großen Schritt gethan!
Unter den wilden Pflanzen finden ſich oͤfters auch beſondere Abaͤnderungen, welche geringe, nie - drige Stauden, kleine magere Stiele und Blaͤtter, aber dabey 3 bis 4mahl ſo große Blumen als bey ihren natuͤrlichen Gattungen gewoͤhnlich ſind, her - vorbringen; dergleichen finden ſich insbeſondere un - ter denen Gewaͤchſen, welche in Gebirgen und zwar in einer Gegend mehr, als in der andern, leben. Selbſt die Betrachtung uͤber unſere Getreidearten beſtaͤrken mich in meinen Gedanken, die ich von der durch die Kunſt zu bewirkenden Blumenvergroͤſſe - rung gehabt hatte, da ſich durch die Cultur ihre Buͤſchel, Aehren, Blumen und Saamen vergroͤſ - ſern, welche bey verabſaͤumter Cultur wieder ge - ringer und kleiner werden, daß daher die Fa - bel entſtanden iſt, der Weitzen und Rocken veraͤndre ſich in Treſpe.
Da17Da ich alſo in dieſer Sache einige nicht unge - gruͤndete Beobachtungen vor mir habe, nach welcher die Pflanzen durch Cultur in allerley Erdboden, und durch verſchiedene zufaͤllige Umſtaͤnde dahin gebracht werden koͤnnen, daß ſie bald ihre ganzen Blumen und Fruͤchte, bald nur deren einzelne Theile, gegen die ſonſt natuͤrliche Proportion, ſehr anſehnlich vergroͤßern; da es auch ferner ſeine Richtigkeit hat, daß einige Blumen 1) Wegen der poroͤſen Textur ihrer Pflanzen, 2) eines in ihnen uͤberfluͤßigen kraͤf - tigen Nahrungszweiges halber, 3) in einem ſehr fetten und wohltemperirten Boden, 4) insbeſon - dere, unter denen, welche ſich in den beſten Fruͤh - lingsmonaten oͤfnen, vielmehr als andre zu einer Vergroͤßerung oder Extenſion geneigt ſind; da man endlich aus der Erfahrung noch dieſes beyfuͤgen kann, daß Baͤume welche ſonſt wegen Menge der Blumen und Fruͤchte dermaßen geſchwaͤchet wor - den ſind, daß ſie kleinere Fruͤchte getragen, ſobald ihnen zu rechter Zeit entweder das uͤberfluͤßige Tra - geholz genommen, oder die mehreſten Bluͤthknospen ausgebrochen werden, groͤßere Fruͤchte und neue Zweige bringen: ſo fraͤgt es ſich, ob man ihnen nicht durch Handgriffe in etwas zu Huͤlfe kommen koͤnnte, damit ſie ſich beſonders im Ovario antheris und dem Blumenſtaube vergroͤßerten?
Da nun die Erfahrung gezeiget, daß dieſes unterweilen von ſelbſt geſchehe, ſo wuͤrde man durch Verſuche nach und nach vielleicht auf diejenigenBSpu -18Spuren geleitet werden, die die Gelegenheit und wahren Urſachen einer ſolchen ſpecialen Abaͤnde - rung der Blume endlich entdecken muͤſten. Dieſe Bemuͤhung wuͤrde in ihrer Art ſich reichlicher ver - gelten, als viele andere, und durch die Entdeckung die groͤßeſten Naturforſcher uͤberaus verbinden, we - gen der gluͤcklichen Folgen, von denen uns Mr. Needham im vorhergehenden gleichſam einen Vor - ſchmack gegeben hat.
Aus dem, was ich in dieſer Abhandlung von dem Blumenſtaube bereits angezeiget habe, wird man ſich eines Theils von denen Urſachen leicht uͤberzeugen koͤnnen, welche eigentlich die Naturfor - ſcher antreiben, ſich einen ſo merkwuͤrdigen Blu - mentheil ſo genau als moͤglich bekannt zu machen; anderntheils wird man auf die Nothwendigkeit die - ſer Erkenntniß daraus ſchließen. Sobald man nun von oftgedachten Blumenſtaube durch richtige Verſuche eine naͤhere Kenntniß erlanget, ſo wird man bald einſehen, daß die Meynung, welche der beruͤhmte Tournefort zu ſeiner Zeit, ehe nehmlich noch der Nutzen der Blumentheile beſſer bekannt war, und nach ihm einige Anhaͤnger davon gehabt, dermaßen ſchlecht gegruͤndet ſey, daß ſie, wie ich aus der Betrachtung uͤber etliche Blumenarten bald zeigen werde, keiner muͤhſamen Widerlegung von noͤthen habe.
Denn, woher laͤßet ſich nach Mr. Tourne - forts Vorgeben behaupten, daß die Stamina oderBlu -19Blumenſtaubgefaͤße nichts anders bey den Blu - men ſind, als eine Art von (excernirenden) ausfuͤh - renden Gefaͤßen? Woher weiß man ferner, daß die in ihnen befindlichen Staubkuͤgelchen nichts anders waͤren oder ſeyn koͤnnten, als ein Excrement oder Auswurf desjenigen Saftes, welcher ſonſt zur Nahrung der zarten Frucht beſtimmt iſt? Gewiß dieſe Meynung ſtehet auf ſchwachen Gruͤnden, nach welchen aber, wenn ſie dennoch guͤltig ſeyn ſollten, eben niemand beſonders verdacht werden koͤnnte, wenn er das Ovarium auch vor ein vas excretorium florale hielte, und die darinnen befind - liche Saamen gleichfalls vor beſondere Blumenex - cremente ausgaͤbe.
Eine etwas aͤhnliche Beſchaffenheit hat es beynahe mit einer ganz neuerlich bekannt geworde - nen Meynung, da man ſich nicht geſcheuet, von denen Blumen und Blumentheilen vorzugeben, als waͤren ſie keine ſolche Partieen, welche natuͤrli - cherweiſe von den Pflanzen hervorgebracht werden muͤſten, ſondern vielmehr ſolche, die aus einer feh - lerhaften Eigenſchaft der Pflanzen entſtuͤnden. Man muß ſich billig wundern, daß bey ſo aufge - klaͤrten Zeiten, da nehmlich der Bau der Blumen zuſammt ihren Nutzen, den ſie bey der Befruch - tung, bey der Nahrung und der Erhaltung des Saamens haben, bekannter worden iſt, wider ſol - che Wahrheiten gehandelt wird, welche mehr na - tuͤrlich uͤbereinſtimmendes enthalten, als daß ſieB 2mit20mit bloßen Fictionen die doch ſelten uͤber etliche Monate lang unter den Gelehrten gelten koͤnnen, ſo - gleich uͤber den Haufen geworfen werden koͤnnten.
Allein, was nennet man bey denen Pflanzen natuͤrlich? und was iſt unnatuͤrlich oder fehlerhaft? und woher ſtehet es zu beweiſen, daß Blumen und Fruͤchte unnatuͤrliche Pflanzenproducte ſind? Wo - her weiß man, daß die Pflanzen ohne dergleichen jaͤhrlich zu bringen, natuͤrlicherweiſe bis ins unend - liche beſtaͤndig haͤtten fortwachſen koͤnnen und ſol - len? Woher kommt es, daß die Pflanzen bey Hervorbringung ihrer Blumen und Fruͤchte jaͤhr - lich einerley Ordnung halten, und in dieſer einerley Structur beſtaͤndig beybehalten? Kann man ſo et - was allgemeines etwas beſtaͤndiges und gewiſſes wohl von einer fehlerhaften Eigenſchaft erwarten? Was faget man zu dem Colchico, oder auch zu denjenigen Baͤumen, deren Blumen ihre Zweige nicht terminiren? Wie reimet man dieſe Meynung mit demjenigen ewigen natuͤrlichen Geſetze und Vermoͤgen vernuͤnftig zuſammen, daß allen Pflan - zen gegeben worden iſt, und, nach welchen jede Art ihre beſondern Fruͤchte und fruchtbare Saamen tra - gen ſoll, und, wie wird es hier um die Folgen und Schluͤſſe ſtehen, welche aus dieſer vorgegebenen fehlerhaften Eigenſchaft der Pflanzen auf andere noch wichtigere Wahrheiten gezogen werden koͤnn - ten und muͤſten. Gewiß, wenn man bey ſtreiten - den Theilen bey oͤffentlichen Diſputationen um be -ſondere21ſondere Erdichtungen verlegen waͤre, ſo koͤnnte der - gleichen Fiction einem wohl in der Geſchwindigkeit und aus Noth, um einen Praͤſes und ſeinen Reſpon - denten konfus zu machen, helfen; aber, außerdem wird ſich eigentlich kein Naturforſcher damit das geringſte zu thun machen, da ſie ſich durch beſtaͤndige Wider - ſpruͤche von ſelbſt widerleget. So ungegruͤndet aber dieſes Vorgeben nur immer ſeyn kann, eben ſo muß die vorerzaͤhlte Meynung des Tourneforts einen Kenner des wahren Blumenbaues allezeit vorkom - men. Da ich nun den ſo genannten befruchtenden Blumenſtaub zu einem Hauptvorwurfe meiner ge - genwaͤrtigen Betrachtung erwaͤhlet habe, deſſen Mey - nung aber dennoch heute zu Tage gewiſſermaßen ihre Vertheidiger findet, ſo wird es nicht uͤberfluͤßig ſeyn, zu zeigen, daß ſie weder in der Vernunft noch Erfahrung gegruͤndet ſey.
Der Blumenſtaub beſtehet, wie ich ſchon vorher geſaget habe, aus einer erſtaunenden Menge der allerkleinſten organiſirten uͤberaus dauerhaften Gefaͤße oder Behaͤltniſſe, welche gemeiniglich die Geſtalt eines Korns, Eyes, oder einer Kugel haben, und mit einer ganz beſonders lebhaften, wuͤrkſa - men, ſchleimigen, membranoͤſen und mehr oder weniger durchſichtigen Maſſe angefuͤllet ſind. In dieſer Maſſe lieget eine große Menge von den allerſubtilſten athomis oder corpuſculis ſperma - ticis, welche darinnen gleichſam eingewickelt zu ſeyn ſcheinen. Wenn wir nun hierzu dasje -B 3nige22nige fuͤgen, was unſere Sinnen durch die Vergroͤ - ßerungsglaͤſer von einer beſondern Bewegung die - ſes Blumenſtaubes im Waſſer entdecken, nebſt dem, was theils mit dieſer Bewegung zugleich ver - bunden iſt, theils unmittelbar darauf erfolget; und wenn wir alſo gehoͤrig mit dieſen angefuͤhrten Um - ſtaͤnden diejenigen Begriffe vergleichen, welche man ſich von allen und jeden nur erdenklichen trocknen oder fluͤßigen Arten von Excrementen immer ma - chen kann, die nehmlich zu verſchiedener Zeit aus den Saͤften der Pflanzen ſeparirt werden; ſo wird man darinnen dasjenige gewiß nicht finden, was Mr. Tournefort ſich etwa von dem Blumenſtaube vorgeſtellet haben mag.
Es iſt wahr, daß ſich auf gewiſſen Arten von Blaͤttern und Blumen, in einem gewiſſen Alter, oder bey beſonderer Jahrszeit und Witterung ein zaͤher durchſichtiger oder verhaͤrteter kuglicher Staub findet, welcher ganze Partien uͤberziehet, und bald Schleim, Harz, oder auch Zucker iſt; allein der - gleichen Staub iſt von dem wahren Blumenſtaube in allen und jeden voͤllig unterſchieden, daß man kaum glauben ſollte, daß ſich jemand darauf im Ernſte beziehen koͤnnte. Indeſſen ſaget doch der große Stahl in Fundamentis Chymiae dogmaticae et experimentalis de ſemine Lycopodii. pag. 116. §. 44. interim nihil aliud eſt, quam tenerrima corticalis ſcobs, qua foliorum rudimenta prima alias ſtipari ſolent. Wer aber hat wohl jemahlsbeſon -23beſonders conſtruirte oder wirklich organiſirte Excre - mente geſehen, die aus irgend einem Safte waͤren abgeſchieden worden?
Wollte man dem ohngeachtet die ſtamina pro organis florum excretoriis und den pulverem an - therarum pro excremento ſucci nutrititii teneri fructus ausgeben, ſo, wie ſolches von denen necta - riis florum propriis mit mehrerm Grunde geſche - hen kann, ſo wuͤrde man ſeine Meynung wenig - ſtens durch ſolche Exempel von Blumen wahr - ſcheinlich zu machen ſuchen muͤſſen, bey welchen e. g. die ſtamina mit dem piſtillo auf einem thala - mo oder receptaculo floris proprio und alſo in ei - ner Blume ganz nahe beyſammen, oder doch nicht eben allzuweit auseinander ſtehen. Dergleichen Exempel koͤnnten aber doch nur denen vielleicht beym erſten Anblick vor die Meinung des Mr. Tourne - fort wahrſcheinliche Zeugniſſe enthalten, die ſich we - der um ſtructuram partium floris noch deren End - zweck und Nutzen ſonderlich bekuͤmmern.
Allein, wie wuͤrde man ſeinen Erweiß bey ſolchen Pflanzen gruͤndlich genug fuͤhren, deren ſtamina und piſtilla nicht, wie bey denen vorherge - henden geſagt worden, in einem thalamo floris proprio mit einander verbunden ſind, ſondern viel - mehr, in verſchiedenen durch beſondere Schuppen, Federn, Wolle, oder blaͤtterige Scheidewaͤnde ganz von einander abgeſonderten Blumen in einem tha - lamo und calyce communi neben einander ſtehen,B 4der -24dergleichen man bey den meiſten Compoſitis und ih - ren verwandten Blumenarten ſehen kann?
Geſetzt, man gedaͤchte ſich hier durch einige Fictionen von dem Erweiſe in etwas loszumachen, ſo bleiben dennoch zweyerley Hauptarten von Pflan - zen uͤbrig, welche die Sexualiſten in ihrem Syſte - mate Monoicas und Dioicas, andere aber Relativas nennen, in welchen die ſtaubtragenden Blumen ganz und gar von denen getrennet ſind, welche die piſtilla haben.
Mit den Blumen der erſtern Art von Pflan - zen verhaͤlt es ſich alſo, daß einige davon, welche nehmlich die antheras mit dem Blumenſtaube tra - gen, ohne, daß darauf weiter eine Frucht erfolgen ſollte, von den uͤbrigen abgeſondert, und auf an - dern Zweigen hervorkommen, die andern Blumen hingegen, welche zwar auf eben der Pflanze, aber nicht nahe bey den erſtern wachſen, ſind bloß mit Piſtillen verſehen, und bringen ihre Fruͤchte, ohne daß die antherae mit ihnen in einem Kelche bey - ſammen waͤren. Hierher gehoͤren unter andern, die Eiche, Elſe, Birke, Roth - und Weißbuche, Haſelſtaude, Tanne, Fichte, der Wunderbaum, nebſt denen Kuͤrbiſſen, Gurken, Melonen, etlichen Grasarten, und dergleichen. Wie kann nun bey dieſen Pflanzengeſchlechtern das Staubmehl der Blumen vor ein Excrement aus dem zur Nahrung der zarten Frucht beſtimmten Nahrungsſafte ge - halten werden, da die Frucht und das Mehl aufvor -25vorbeſagte Art gar nicht in einer Blume beyſam - men ſind?
Die letztere Blumenordnung begreift lauter ſolche Pflanzen unter ſich, davon die ſtaubtragen - den oder maͤnnlichen Blumen der einen natuͤrlichen Gattung allezeit in einer beſondern Pflanze allein wachſen, und diejenigen, welche die Fruͤchte brin - gen, und daher weibliche Blumen genennet wer - den, in einer andern von der vorigen ganz und gar abgeſonderten Pflanze hervorkommen. Derglei - chen hierher gehoͤrige Geſchlechter ſind unter andern folgende die bekannteſten: nehmlich, das Bingel - kraut, der Spinat, Hopfen, Hanf, der Wachol - der - und Ibenbaum, Melonenbaum, Weiden und Pappeln und etliche Arten des Palmbaumes. Dieſe Pflanzen werden hoffentlich genugſam im Stande ſeyn, den Ungrund von dem, was Mr. Tournefort von dem Blumenſtaube vorgegeben, grundlich zu widerlegen; indem bey allen derglei - chen Pflanzen die Frucht und derjenige Saft, aus welchem der Staub excernirt worden ſeyn ſoll, nie - mahls beyſammen geweſen ſind.
So ſchlechte und irrige Gedanken einige dem - nach in vorigen und neuern Zeiten von dem Blu - menſtaube und deſſen Nutzen gehabt, und noch ha - ben moͤgen, ſo ſind die Naturkundiger aus ſorgfaͤl - tigen Verſuchen dennoch eines andern belehrt wor - den, bis auf ſehr wenige, die entweder Sachen zu ſehen verlangten, dergleichen ſelbſt noch nicht ein -B 5mahl26mahl bey der Befruchtung der Thiere offenbar wor - den oder jemahls werden koͤnnen, oder aber, denen es, die Wahrheit zu ſagen, an Gedult und Auf - merkſamkeit gefehlt hat. Denn dieſer Blumen - ſtaub, der den Namen des befruchtenden mit allem Rechte erhalten, findet ſich wie die Erfahrung zei - get, in natuͤrlichen Umſtaͤnden, bey welchen er zu geſetzter Zeit allemahl da ſeyn kann und muß, bey allen und jeden bluͤhenden Pflanzen in beſonders fuͤr ihm beſtimmten und gebauten Gefaͤßen; in die - ſen wird er ſorgfaͤltig gebildet, verwahret, zu ſeiner Vollkommenheit gebracht, und ſo lange aufbehal - ten, bis er im Stande iſt, durch ſeine gewoͤhnliche erſtaunende Vivacitaͤt die Befruchtung des Ovarii zu bewirken. Alte und neuere Erfahrungen ſetzen das, was ich hier ſage, außer Zweifel, und bekraͤf - tigen auf hunderterley Weiſe, ſo viel, daß er nie - mahls fehle, gefehlet habe, und fehlen koͤnne, wenn fruchtbare Saamen zugegen ſind; im Gegentheil aber, wo er fehle oder unwirkſam ſey, oder durch einen Umſtand von Seiten des Piſtilli an ſeiner Wirkung verhindert werde, daß entweder lauter unfruchtbare Saamen erfolgen, oder aber, wie es bey verſchiedenen Pflanzenarten oͤfters geſchiehet, nicht einmahl Fruͤchte, als welches zweyerley iſt.
Daß ſich indeſſen verſchiedene von den neu angehenden Naturforſchern einbilden, das Gegen - theil von dem, was hier geſaget worden iſt, durch Gegenerfahrungen darzuthun, geſchiehet aus ſol -chen27chen Urſachen, die ich in vorhergehenden ſchon be - ruͤhrt habe. Es werden allerdings Erfahrungen angeſtellet, aber ſehr ſelten ganz ohne Vorurtheile, daß alſo dasjenige gar nicht geſucht und gefunden werden kann, was wider eine eigene vorgefaßte Meynung ſtreitet, ſondern faſt allezeit das, was man eben zu ſehen und zu erfahren zum voraus ge - wuͤnſchet hat. Ich weiß wohl, daß etliche vorge - ben, als haͤtten ſie in ihren Gaͤrten von den weibli - chen Pflanzen des Spinats, Hanfs und Bingel - krautes einen fruchtbaren Saamen gezogen, ohne, daß ſich zu der Zeit ihre maͤnnlichen Pflanzen dabey be - funden. Ferner ſagen ſie, es gaͤbe in einigen morgen - laͤndiſchen und abendlaͤndiſchen Gegenden gewiſſe Palmen, welche Datteln truͤgen, ohne, daß ſie, wie ſonſt in der Barbarey und andern Laͤndern ge - woͤhnlich iſt, mit dem Blumenſtaube auf eine kuͤnſt - liche Art zuvor befruchtet oder beſtreuet wuͤrden. Und hieraus, was ſie als gewiß annehmen, und durch eigene Verſuche angemerkt zu haben denken, glauben ſie (ohne fernere Unterſuchung, Auslegung und Anwendung der wahren Umſtaͤnde) es ſey die Lehre von der Befruchtung des Blumenſtaubes ge - nugſam widerleget, und koͤnne fuͤr weiter nichts als ein Spielwerk paſſiren, womit ſich die Gelehr - ten beluſtigen. Was ſoll man aber davon ſagen, daß etliche von denen, welche den Nutzen des Blu - menſtaubes durch Erfahrungen in oͤffentlichen Schrif - ten widerleget zu haben glauben, die maͤnnlichen,weib -28weiblichen und Zwitterpflanzen offenbar miteinander verwechſelt, folglich weder recht gekannt, noch mit Aufmerkſamkeit unterſuchet, als durch welches Verſehen nothwendig der Lehre von der Befruch - tung der Blumen, wider die Abſichten der Gegner, mehr Vortheil als Schaden zugewachſen iſt.
Ich kann alſo gar leicht zugeben, daß es wahr ſey, daß die weiblichen Pflanzen des Spinats, Hopfens, und des Bingelkrautes in einem Garten Saamen tragen, ja fruchtbare Saamen getragen haben, und immer tragen koͤnnen, ohne daß maͤnn - liche Pflanzen in dieſem Garten zugegen ſind, oder, wie es weit wahrſcheinlicher iſt, gefunden worden ſind; allein, da ich mich uͤber Umſtaͤnde und Urſa - chen erklaͤren will, ſo wird man ſehen, daß das oft - genannte Syſtema der Saamenbefruchtung im Pflanzenreiche, demohngeachtet beſtehe und beſte - hen koͤnne. Denn, nicht zu gedenken, daß ſich ohn - geachtet aller Sorgfaͤltigkeit dennoch Pflanzen in ei - nen Garten, oder deſſen Nachbarſchaft und Ge - gend, ſo verſtecken koͤnnen, daß ſie nicht leicht ge - funden werden, und daß ſich der Zufaͤlle halber nie - mand im Ernſte anheiſchig machen kann, vor das Daſeyn oder Wegſeyn von etlichen Pflanzen auf 1 bis 2 Stunden weit zu ſtehen, ſo dienet außerdem fol - gendes, als eine gewiſſe Nachricht: nehmlich, daß man bey den maͤnnlichen Pflanzen ſehr ofte einzeln oder auch haͤufiger gleichſam mit eingeſtreute weib - liche Blumen, und in den weiblichen Pflanzen ver -ſteckte29ſteckte maͤnnliche finde, welches, wie es ſcheint, zu - mahl bey den weiblichen, gewiß aus einer ganz ſon - derbaren natuͤrlichen Vorſorge alſo geordnet ſeyn muß. Eben dieſes findet ſich auch bey allen ſol - chen Pflanzen, bey denen ſonſt die maͤnnliche und weiblichen Blumen auf ganz von einander abgeſon - derten Zweigen und Spitzen hervorkommen, ſo, daß bald die weiblichen Blumenzweige und Spitzen zugleich mit etlichen maͤnnlichen, bald die maͤnnli - chen mit weiblichen verſehen ſind. Daß aber etli - che wenige maͤnnliche Blumen eine ganze Men - ge weiblicher zu befruchten hinreichend ſind, ſolches bezeuget die Beſchaffenheit des in den Staubkuͤgel - chen enthaltenen Saamenweſens uͤberaus deutlich.
Geſetzt auch, daß eine von allen maͤnnlichen Blumen voͤllig reine weibliche Pflanze des Spinats, Haufs, und Bingelkrautes in einen Garten vollkom - men fruchtbare Saamen braͤchte, ohne daß die ſonſt dazu gehoͤrige maͤnnliche Pflanze daſelbſt ge - funden wuͤrde; geſetzt, daß ferner die Lage des Ortes Luft und Wind abhielte, daß alſo der be - fruchtende Staub der weiblichen Pflanze nirgend - her koͤnnte zugefuͤhret werden, ſo kann dieſes den - noch ganz unvermerkt durch die Bienen und an - dere Inſekten geſchehen, wovon uns zum Theil noch nicht einmahl bekannt worden, daß ſie mit dem Blumenſtaube alſo umgehen, und die ihrer Nah - rung ſehr weit nachzufliegen gewohnt ſind. Man kann dieſes des Morgens ſehr fruͤh gewahr werden,wenn30wenn die Biene aus den ſtarkbethauten Blumen, beſonders an den Kuͤrbiſſen, denen Schoten - und Huͤlſentragenden Pflanzen, ingleichen an denen monopetalis anomalis labiatis und rictiformibus als Meliſſe, Origan., Lamium, Betonica, Antir - rhinum cet. ihren Honig und Blumenſtaub abwech - ſelnd ſammeln, da ſie denn eine Menge dieſes Staubes an ihren zottigen Gliedern mit ſich fuͤhren, und im Aus - und Einkriechen damit an das piſtil - lum anſtreichen; wie ich hieruͤber bereits vor 10 Jahren etliche Monate hindurch beſondere Anmer - kungen gemacht, und bereits in meiner kleinen Ab - handlung von dem weiblichen Zwergapfelbaume Er - innerung gethan habe.
Und endlich iſt ja noch ein ſehr merkwuͤrdiger Umſtand bekannt und richtig, welcher ſeiner Wich - tigkeit halber eben die Aufmerkſamkeit erfordert, als alle vorhergehende, wovon des verſtorbenen Hrn. Prof. Gmelins und Hrn. Linnaͤi akademiſche kleine Schriften nachgeſehen werden koͤnnen, nehm - lich 1) daß diejenigen Pflanzen wegen natuͤrlicher uͤbereinſtimmender Gleichheit der Structur in den Blumen ſo nahe verwandt ſind, daß ſie unter einem Geſchlechte nothwendig ſtehen muͤſſen, wie nicht weniger ſolche Pflanzen, welche in einer natuͤrlichen Klaſſe unter die naͤchſt verwandten Geſchlechter ge - hoͤren, daß dieſe ſage ich, einander zufaͤlligerweiſe befruchten, ohne, daß eben die neuen von derglei - chen Befruchtung entſtandenen Pflanzen allezeiteine31eine gar zu merkliche Veraͤnderung aͤußerlich zeig - ten, außer in einigen, oder andern, da gemeiniglich plantae hybridae entſtehen, und ſich gar ſehr von plantis naturalibus unterſcheiden. Hier ſind alle die Wege der Befruchtung, welches ohne Wunder - werk geſchiehet und geſchehen kann, wenn auch eine planta mere foeminea, ohne eine maſculam in der Naͤhe zu haben, fruchtbaren und vollkommenen Saamen bringet, daß alſo Theoria foecundationis naturalis florum durch dergleichen unvollkommene Erfahrungen noch gar nicht widerleget.
Was die vorher angezeigten Palmen betrift, ſo koͤnnen die weiblichen Pflanzen allerdings Fruͤchte bringen, ohne von dem Staube befruchtet zu ſeyn, aber doch nur ſolche, die 1) ihre vollkommene Groͤße nicht haben, 2) keinen guten Geſchmack haben, 3) kei - ne fruchtbare Kerne enthalten, wie man hiervon die Erlaͤuterung in des Pair Labat ſeinen Schriften mit mehrern finden kann; etliche Palmen aber werfen die unvollkommenen Fruͤchte allezeit ab. Es giebt aber auch von der Palme, Chamaerops oder Cha - maeriphes genannt, eine Art mit Zwitterblumen, welche ſich gegenwaͤrtig im botaniſchen Garten der K. Akad. der Wiſſenſchaften befindet, und ſchon 1732 zu Leipzig im Boſiſchen Garten unter meiner Auf - ſicht vollkommen reife Fruͤchte brachte.
Demnach koͤnnen alle vorher angezeigten Be - fruchtungen der weiblichen Pflanzen unter angefuͤhr - ten Bedingungen und Umſtaͤnden ſtatt haben, ohnedaß32daß man allezeit eine beſondre ſtaubtragende Pflanze bey ihnen in der Naͤhe gewahr wird; daß alſo dar - aus verhoffentlich noch nicht erwieſen werden kann, wie andre ſich und uns uͤberreden wollen, der Blu - menſtaub ſey zur Befruchtung der Pflanzen des - wegen unnoͤthig, weil dieſe ohne demſelben na - tuͤrlicherweiſe von ſelbſt geſchehe und geſchehen koͤnne.
Demnach werde ich ſo lange den Blumenſtaub vor einen der allerunentbehrlichſten Blumentheile halten, in welchen eine ganz beſondere Secretion von der alleredelſten vegetabiliſchen Subſtanz ge - ſchiehet, bis mir durch ungezweifelte und unter mei - ner oder anderer glaubhaften Maͤnner Aufſicht ge - machten Verſuchen, dasjenige, was man dagegen ſaget, klaͤrlich wird erwieſen ſeyn. Daß er aber, wie andere Theile zu denen Blumen wirklich ge - hoͤre und kein Excrement der Blumen ſey, kann unter andern auch daher erhellen, weil er in den noch ganz unzeitigen Blumen, innerhalb den Keimen, Knospen, Augen, Zwiebeln, Knollen und Wurzeln vom Anfange mit der uͤbrigen Blu - me zugleich ordentlich gebildet wird, da der Begrif von einem Blumenexcremente noch nicht ſtatt findet. Denn was nicht im kleinen ſchon wirklich da, oder gebildet iſt, kann mit den andern Theilen nicht her - vorwachſen und ſich vergroͤßern; da aber die Staub - kuͤgelchen gleich denen andern Blumentheilen wach - ſen, ſo muͤſſen ſie als beſondere Organe oder Be -haͤlt -33haͤltniſſe zu einer außerordentlichen Maſſe, die erſt vor das kuͤnftige in ihnen abgeſondert werden ſoll, ſchon bey der erſten und zarten Blumenbildung zu - gleich mit gebildet worden ſeyn, daß alſo außer de - nen Ausdehnungen denſelben nichts fehlet.
Von dem was ich hier ſage, und wahrſcheinlich vermuthet hatte, davon haben mich die mit den Vergroͤßerungsglaͤſern bey allerley Blumen gemach - ten Verſuche ſattſam uͤberzeuget, unter denen ich die von Knoll - und Zwiebelgewaͤchſen als die vor - zuͤglichſten gefunden habe. Zu meinen Verſuchen habe ich mir von nur erwaͤhnten Arten vor andern ſolche gewaͤhlet, die gemeiniglich
als von Narciſſen Tulipanen, Amaryllen, Kay - ſerkronen, weißen und rothen Lilien, und den Kuͤr - biſſen, auch ſogar dem Safran und dem Colchico. Von deren innern Beſchaffenheit glaube ich ganz ſicher auf alle andere zarte noch tiefverborgene fruchtbare Blumen ſchließen zu koͤnnen, welche ſich noch innerhalb den Keimen, Augen, Knospen, Knollen, Zwiebeln und Wurzeln in ihrer erſtern Bildung und Auswickelung befinden.
Um mich aber von meiner Vermuthung gewiß zu uͤberzeugen, ſo nahm ich zur Herbſtzeit verſchie -Cdene34dene tragbare Knollen und Zwiebeln, da man ſie eben in die Erde legen wollte, um das kuͤnftige Jahr die Blume zu erwarten. Dieſe ſchnitt ich entweder bis faſt zur Mitte auf verſchiedene Art, doch ſehr behutſam auf, oder die ſchuppichten Zwiebeln blaͤtterte ich voͤllig ab, bis die darinnen befindliche und feſt ineinander gepreßte junge Pflanze mit dem ganzen Blumenbuͤſchel entbloͤſet war. Dieſe Arbeiten continuirte ich bis zum November, und von da wieder bis zum Ausgange des Ja - nuars. So oft ich eine Blume an nur beſagten Pflanzen oͤfnete, ſie mochte auch ſo klein ſeyn, als ſie immer wollte, ſo fielen mir die antherae (Blu - menſtaubgefaͤße) wegen ihrer Groͤße allezeit vor an - dern ins Geſichte, welche weit uͤber die Haͤlfte an - ſehnlicher war, als die Groͤße des Piſtills, ſo daß von ihnen die Blume beynahe ganz allein ausgefuͤl - let zu ſeyn ſchien. Beym Croco verno und an - dern, deren Blumen in haͤutigen gemeinſchaftli - chen Scheiden verſteckt ſind, haben dieſe antherae eine Laͤnge, die noch einmahl ſo viel betraͤgt, als die ganze Blume, und das Piſtill iſt um ein Drittel kuͤrzer, da doch die antherae hernach bey dem bluͤ - henden Croco faſt um die Haͤlfte kuͤrzer ſind, als die Einſchnitte der Blume ſelbſt. Wie es hier faſt ſcheinen will, ſo iſt die Bildung derer antherarum ein Hauptwerk bey einigen Blumenarten, und die anſehnliche Groͤße derſelben, gegen andere Theile, in ſolchen zarten Blumen, ein ſolcher Punkt, deruns35uns auf weit gruͤndlichere Muthmaßung fuͤhrt, als man ſonſt insgemein von ihnen zu haben pfleget.
Was die Faſern betrift, auf denen die anthe - rae ſonſt bey den meiſten Blumen befeſtigt ſind, und die in der geoͤfneten Blume gegen die antheras wohl eine 2, 3, 6 bis 10 und mehrfache Laͤnge haben, ſo fehlen dieſe Faſern oͤfters dem Anſcheine nach, oder ſie ſind doch, ſo lange die Blumen auf vorbeſagte Art noch verſchloſſen liegen, uͤberaus kurz.
Da ich alſo, wie gedacht, die antheras bey denen in ihrer Bildung und Auswickelung ſich be - findenden und verborgenen Blumen von ſo anſehn - licher Groͤße zu ſeyn bemerkte, ſo machte mich die - ſer Umſtand um deſto neugieriger, zu unterſuchen, was es dermahlen mit dem unvollkommenen Blu - menſtaube vor eine Beſchaffenheit haben moͤgte. Zu dieſem Ende nahm ich eben in der Mitte des Jenners eine ziemliche Partie Tulipanenzwiebeln aus der Erde, und aus dieſen auf einmahl alle ihre neugebildeten jungen Pflanzen heraus, von denen ich die mehreſten ſogleich unterſuchte, die uͤbrigen aber ins Waſſer legte, um ſie vor dem Eintrocknen zu verwahren.
Anfangs oͤfnete ich etliche antheras an den Spitzen, und druͤckte die ganzen contenta derſelben durch die gemachte Oefnung behutſam heraus, wel - che einen Klumpen eines dicken weißen und milch - artigen Saftes ſehr deutlich vorſtellten. Bey an - dern antheris oͤfnete ich die Seiten ganz gelinde mitC 2einer36einer Nadel, und nahm mit deren Spitze nur ge - dachte Maſſe heraus; da ich denn gewahr wurde, daß der an der Nadel haͤngende Tropfen oder Klum - pen bey weiten ſo dicke nicht war, als der erſte. Dieſen nun dem erſten Anſehen nach weißen und dicken milchartigen Saft brachte ich unter verſchie - dene gute Vergroͤßerungsglaͤſer, da ich denn daran ſo viel unterſcheiden konnte, daß der Saft aus ei - nem Klumpen ganz kleiner und durchſichtiger Koͤr - perchen beſtand, deren große Menge in einem zaͤ - hen und etwas haͤutig und fettig ſcheinenden We - ſen ſehr feſte in einander lagen, und mit dieſen zu - gleich einen zarten Laͤich von Waſſerinſekten vorſtell - ten; doch war ihre uͤbrige Geſtalt auf dieſe Art nicht leicht zu beſtimmen.
Um alſo dieſe Maſſe weiter unterſcheiden zu koͤnnen, legte ich ein Glastaͤfelchen mit einer Ver - tiefung unter das Vergroͤßerungsglas, in welcher ich ein Paar Tropfen Waſſer brachte und in dieſer mit einer Nadelſpitze eine kleine Portion von oftge - dachter Maſſe zu gleicher Zeit vorſichtig hinein - ſenkte, da ich eben das Auge auf dem Vergroͤße - rungsglaſe haben konnte. Sobald ich nur mit der Nadel in den Waſſertropfen eine kleine Bewegung machte, ſo agirte das Waſſer ſehr geſchwind in den an der Nadel haͤngenden milchartigen Klum - pen, und loͤſete ihn gaͤnzlich auseinander, ſo, daß in Zeit von etwa 2 bis 3 Secunden das ganze Waſ - ſer mit einer uͤberaus großen Menge der allerfein -Kuͤgel -37Kuͤgelchen erfuͤllet war. Dieſe Kuͤgelchen waren der Geſtalt nach etwas weniges von den vollkom - menen Staubkugeln einer bluͤhenden Tulipane un - terſchieden, außerdem aber weiß, und ſo vollkom - men durchſichtig, daß man in ihnen gar nichts truͤ - bes, fleckigtes oder farbiges ſonderlich unterſchei - den konnte, wie man ſonſt bey vollkommen reiſen und ins Waſſer gebrachten Blumenſtaubkugeln, wenn ſie zumahl nach ihrer natuͤrlichen Vivacitaͤt in Bewegung gerathen, deutlich wahrnimmt. Die alſo leer ſcheinenden Kuͤgelchen ſchwommen zwar eine kurze Zeit in den Waſſertropfen, ſetzten ſich aber bald in feſte Klumpen zu Boden.
Zu eben der Zeit oͤfnete ich den Keim, der ſich in der Cavitaͤt eines Wurzelknollens von der ſoge - nannten Kaiſerkrone befindet, und bemerkte an denen, in dieſen feſt verſchloſſenen Blumen folgen - des: nehmlich, daß die 6 Blumenblaͤtter, die die uͤbrigen Theile voͤllig bedeckten, beynahe feſte zu - ſammen verwachſen waren. Die ſtamina beſtun - den aus uͤberaus kurzen Filamenten und ſehr langen antheris, welche letztere beynahe die Laͤnge der gan - zen Blume hatten und noch um den vierten Theil laͤn - ger waren, als das piſtillum. Die antherae ga - ben, da ſie mit einer Nehnadelſpitze etwas tief ver - wundet wurden, einen Saft von ſich, der ſich mit einem dicken, truͤben, halbdurchſichtigen Waſſer vergleichen ließ, doch aber viel duͤnner, als der aus der Tuli - pane, und dabey auch zaͤher war.
C 3Wenn38Wenn ich den oberen Theil der antherarum abſchnitt, ſo quoll aus dieſer Oefnung ein halbdurch - ſichtiger Tropfen heraus, der unter dem Vergroͤſſe - rungsglaſe im Waſſer eine ungeſtalte Maſſe vor - ſtellte, in der eine Menge von außerordentlich kleinen athomis gleichſam feſte eingewickelt war. Dieſes ſchleimige Weſen ließ ſich wie ein Vogelleim mit der Nadelſpitze zu Faden ziehen, und das Waſſer agirte weit langſamer darin, als bey Tulipanen und andern geſchiehet, ohne daß ich bemerken koͤnnen, daß die darinnen verwickelte Koͤrperchen ſich haͤtten deutlicher, als bey andern, unterſcheiden laſſen.
Ob man nun in dergleichen unzeitigen weißen Staubkuͤgelchen ſchon durch Vergroͤßerungsglaͤſer noch nichts unterſcheiden kann, das zu der Zeit denen athomis ſpermaticis futuri ſeminis, oder eigentlich zu reden, denen zukuͤnftigen Augen oder Keimen der zum Saamen deſtinirten Theilgen aͤhnlich waͤre, ſo iſt doch kaum zu glauben daß ſie leer ſeyn ſollten; eben ſo wie die Saamengefaͤße junger Kinder und Thiere maͤnnlichen Geſchlechts deswegen nicht ganz ledig ſeyn koͤnnen, ob man ſchon zu der Zeit noch keine Saamenthierchen darinnen entdecket.
Das, was ich an den unvollkommenen Staub - kuͤgelchen bemerket, hat mich veranlaßt, hier eine wahrſcheinliche Reflexion zu wagen, welche, wie et - liche im vorhergehenden, auf eine Aehnlichkeit der Ge - neration zwiſchen den Thieren und Pflanzen abzielet. In Betrachtung deſſen, daß ſich eben der vorbeſchrie -bene39bene dicke milchartige Saamenſaft ſchon in denen antheris zu einer ſolchen Zeit befunden hat, da die ganz zarte und neue Pflanze noch in ihrer Gemma oder bulbo cet. ſehr feſt und unausgewickelt verſchloſ - ſen lag, ſo laͤßt ſich dieſer Umſtand gleichfalls mit unvollkommenen contentis, die ſich in den Saamen - gefaͤßen ganz junger Kinder und Thiere befinden, gar wohl in Vergleichung ſetzen. Denn wie bekannt, ſo haben die Naturforſcher, welche ſich mit Unter - ſuchung des maͤnnlichen Saamens bey allerhand Thieren insbeſondere beſchaͤftiget, in den Saamen ſolcher Thiere noch keine Saamenthierchen entdecken koͤnnen, ehe dieſe das zu Fortpflanzung ihres Ge - ſchlechtes beſtimmte natuͤrliche Alter gehoͤrig errei - chet; eben ſo wie ich in dem dicken milchartigen Saa - menſafte bey den Blumen der ganz jungen und un - zeitigen Pflanzen keine germina oder athomos ſper - maticos habe unterſcheiden koͤnnen.
So verhaͤlt es ſich alſo nach meinen wenigen Verſuchen, mit denen unzeitigen und unvollkomme - nen Blumenſtaube vor ſeiner Entwickelung.
Die einzige und wahre jaͤhrliche Werkſtaͤtte der natuͤrlichen Befruchtung des ganzen weitlaͤuftigen Pflanzenreiches beſtehet eigentlich in der Blume und der Frucht: beyde aber zuſammengenommen beſte - hen ferner aus 7 von einander verſchiedenen Haupt - theilen, zu denen ſich bey vielen Pflanzenarten zu - weilen der 8te noch findet. Von dieſen Theilen, welche auf dem gemeinſchaftlichen Befruchtungs - ſtuhle (Thalamo fructificationis) mit einander ver - bunden ſind, unterſcheiden ſich, in Anſehung ihrer Verrichtung und des Nutzens, die zur Blume be - ſonders gehoͤrigen Theile in zweyerley, nehm -lich41lich, in die aͤußern und innern. 1. Die erſtern dienen denen innern Theilen theils zu einer Bedeckung, theils aber dazu, daß ſie von denen zu ganz beſon - dern Abſichten beſtimmten allerfeinſten und reinſten Saͤften die groͤbern abſondern, und den uͤbrigen kleinern Theilen wechſelsweiſe die noͤthige Nahrung verſchaffen. Dergleichen ſind 1. der eigentliche Blumenkelch, (Perianthium) 2. die zarten Blu - menblaͤtter (Petala), die ſich an Farbe, Bau und Schoͤnheit am meiſten unterſcheiden, und zuſam - mengenommen die Corollam ausmachen.
Beyderley Theile ſind in vielen Blumen zu - gleich zugegen, in vielen aber fehlet auch entweder der eine, oder der andere Theil; insgemein trift es die Corollam; den Kelch vermiſſet man ſchon ſel - tener, und zuweilen fehlen beyde ganz. Ihre Stelle wird alsdann durch einen andern Pflanzen - theil erſetzet, der außer der Blume iſt. Sie moͤgen indeſſen zugegen ſeyn oder nicht, ſo gehet in natuͤr - lichen Umſtaͤnden die Befruchtung des Saamens dennnoch mit gluͤcklichem Erfolge vor ſich.
2. Die innern Theile der Blumen ſind die - jenigen, die im allereigentlichſten Verſtande die Blumen ſelbſt ausmachen, und alſo die allerwe - ſentlichſten derſelben ſind, weil ſie zu der Erzeu - gung, Bildung, Nahrung und Befruchtung des kuͤnftigen Saamens einzig und allein gewidmet ſind, und dahero in allen Blumen natuͤrlicherweiſe allezeit zugegen ſeyn, und niemahls fehlen koͤnnenC 5und42und duͤrfen. Dergleichen ſind die Staubhuͤlſen mit oder ohne Stiele. (Antherae cum vel absque Filamentis), und der Blumengriffel (Piſtillum); welcher letztere insgemein aus 3 Theilen, oͤfters aber nur aus 2 Theilen beſonders beſtehet: als nehmlich dem unterſten, dem Ovario oder Eyer - ſtocke, oder dem Behaͤltniſſe des zu befruchtenden Saamens, ferner aus dem mittelſten, nehmlich der Fruchtroͤhre, (Stylo vel Tuba) und dem oberſten und aͤußerſten Theile, nehmlich der Narbe (Stigma), welches ſchon Kircherus in ſeinem Muſeo in der Blume der Valerianae Caudatae Epiſtitium genennet hat.
3. Mit dem 8ten Blumentheile, der ſich un - terweilen bey denen uͤbrigen zur Befruchtung gehoͤ - rigen Theilen findet, zuweilen aber gar nicht, hat es folgende Beſchaffenheit: Da der Honig noch zu - letzt aus der Vermiſchung der uͤbrigen hoͤchſt feinen Blumenſaͤfte dergeſtalt und ſo vollkommen abgeſon - dert werden muß, daß die zur kuͤnftigen Befruch - tung des Saamens beſtimmte Feuchtigkeit, ihre reine und durchdringende Eigenſchaft und die ihr eigentlich und beſonders zukommende Geſtalt des Oehls zugleich erhalten koͤnne, und vollkommen ge - ſchickt gemacht werde, daß ſie durch die Staubfa - den und Huͤlſen eindringen, und ſich, bis zu dem hoͤchſten Grad ihrer Reife, in die Staubkuͤgelchen vertheilen koͤnne: ſo iſt ein beſonderes Werkzeug vorhanden, in welchem dieſe ſo wichtige Abſonde -rung43rung und Sammlung des Honigs noch zuvor ge - ſchiehet. Dieſen hat man den beſondern Namen des (Nectarii), oder der Honigwebe gegeben.
4. Ob nun die Abſonderung des Honigs in allen bekannten Blumen ſchon gewiß iſt, ſo ſind doch die dazu beſtimmten Werkzeuge bey den meh - reſten Arten dermaßen verdeckt und unkenntlich, daß man außer etlichen hoͤchſt zarten Ausgaͤngen, die in den feineſten Oefnungen und Punkten oder Erha - benheiten beſtehen, nichts ſonderliches, auch wohl gar nichts entdecken kann. Sind ſie aber zu fin - den, und von denen uͤbrigen Blumentheilen ganz unterſchieden, ſo bemerket man an ihnen theils eine beſondere Geſtalt und Anzahl, nach welcher ſie mehr oder weniger beſtimmet zu ſeyn ſcheinen, theils ihren Sitz, welchen ſie bald auf einen, bald auf zweyen von den andern Theilen der Befruchtung zugleich haben. Insgemein ſitzen ſie im Grunde der Blume, auf dem Befruchtungsſtuhle (Thala - mo Fructificationis), außerdem aber bald am Blu - menkelche, oder an der Corolla, bald auf dem Blu - mengriffel ſelbſt.
5. Man kennet dieſen Blumentheil noch viel zu wenig, als daß man davon etwas recht zuverlaͤßi - ges ſagen koͤnnte. Es hat indeſſen ein ſehr geſchick - ter Botaniſt unter den Deutſchen, nehmlich der Herr Oberlandshauptmann Baron von Muͤnchhau - ſen zu Schwoͤber im Hannoͤverſchen, vor ohngefaͤhr 16 Jahren die Theorie des Nectarii in einer be -ſondern44ſondern an die hieſige Koͤnigliche Akademie der Wiſſenſchaften eingeſandten Schrift abgehandelt, welche ich, damals vorzuleſen und zu uͤbergeben die Ehre gehabt zu haben, mich mit Vergnuͤgen erin - nere. Herr Linnaͤus hat in ſeiner 1751 herausge - gebenen Philoſophia Botanica pag. 73 — 74. §. 110. desgleichen gethan. Wie denn auch D. Hill in ſei - nem Entwurf eines Lehrgebaͤudes von Erzeu - gung der Pflanzen pag. 22. ſeqq. Tab. II. wegen des Nectarii Amarillidis nachgeſehen zu werden ver - dient, ob gleich deſſen uͤbrige Beobachtungen der Wahrheit widerſprechen.
6. Doch ohne hier von den Befruchtungs - theilen der Pflanzen weitlaͤnftiger zu ſeyn, habe ich mir in gegenwaͤrtiger Abhandlung bloß den Blu - mengriffel zu meinem Vorwurfe ausgeſetzt, uͤber welchen ich einige ſelbſt gemachte Erfahrungen und Beobachtungen in der Fortſetzung dieſer Abhand - lung mitzutheilen willens bin. Dieſer ſo merk - wuͤrdige Theil der Befruchtung befindet ſich bey allen vollkommenen und fruchtbaren Blumen jeder - zeit in ihren Mittelpunkten, niemahls aber etwa anderswo, und außer demſelben, worinnen doch die uͤbrigen Theile der Blume oͤfters abzuwechſeln pflegen. Ob er auch gleich, wie bey verſchiedenen Geſchlechtern der Pflanzen, ſowohl in der Geſtalt Lage und Anzahl, als in der innern und aͤußern Abtheilung, Laͤnge und Staͤrke ſeiner 3 Stuͤcken, aus denen er insgemein beſtehet, faſt alle Arten derVer -45aͤnderung und Abweichung zeiget, ſo veraͤndert ſich dennoch ſein Hauptſitz auf dem Mittelpunkte des Befruchtungsſtuhles, und deſſen feſte Verbindung mit demſelben niemahls. Wie denn die Beſtaͤndigkeit dieſes Zuſtandes dermaßen gewiß iſt, daß noch nie ein einziges Exempel im Pflanzenreiche vorhanden geweſen, wodurch das Gegentheil haͤtte erwieſen werden koͤnnen.
7. Was iſt wohl bekannter, als daß unter andern der Sitz der Staubhuͤlſen (Antherarum) am meiſten abwechsle, und daß man ſie auf allen andern Blumentheilen antreffe? Die uͤbrigen Blu - mentheile ſind von dieſer Veraͤnderung auch nicht ausgenommen; nur der einzige Blumengriffel lei - det dergleichen Abwechslungen ganz und gar nicht.
Es iſt aber ſehr wohl zu merken, daß gedachter Blumengriffel nicht nur aͤußerlich blos auf dem Mittelpunkte des Befruchtungsſtuhles ſitze, und ſich in dieſem endige, ſondern es geſchiehet vielmehr eine richtige Verbindung beyder Theile dadurch, daß ſich dieſer Thalamus Fructificationis durch ſeine beſondere lockere, ſchwammige und celluloͤſe Fort - ſaͤtze durch das Ovarium ſogar bis in den Stylum oder die Befruchtungsroͤhre erſtrecke, als wovon der innere Bau der Fruchtbehaͤltniſſe mit mehrern zeiget.
8. Meiner Meynung nach iſt der Grund der Beſtaͤndigkeit von nur gedachter Verbindung dieſer beyden Theile eben nicht ſchwer zu errathen, wennman46man nur bedenket, daß faſt alle Theile der Blume oder doch die meiſten, nachdem ſie das ihrige uͤber - haupt oder insbeſondere mit der erforderlichen Kraft in der eigentlichen Werkſtatt der natuͤrli - chen Befruchtung beygetragen haben, in gar kur - zer Zeit nacheinander abfallen, vergehen, oder doch wenigſtens in ſo etwas veraͤndert werden, das ſei - nem vorhergehenden Zuſtande groͤßtentheils unaͤhn - lich iſt. Mit dem Blumengriffel hingegen iſt es etwas anders beſchaffen. Denn deſſen unterſter befruchteter Theil, nehmlich Ovarium foecundatum bleibet, wenn auch deſſen 2 obere Theile nicht mehr genaͤhret werden, allezeit nach dem Verbluͤhen der Blumen, bis zur vollkommnern Reife der Frucht und Abſonderung des Saamens, an ſeiner Pflanze feſte ſitzen; und erhaͤlt ihre beſtaͤndige Nahrung blos aus dem Thalamo.
9. Aus mehr gedachter Verbindung des Blu - mengriffels laͤßt ſich leicht einſehen, daß er den groͤßten Theil ſeiner Saͤfte aus der celluloͤſen Ex - panſion des Thalami, welches von einem lockern Gewebe von Gefaͤßen durchdrungen iſt, lediglich erhalten muͤſſe; als von welcher bekannt und aus - gemacht iſt, daß ſich ihre Fortſaͤtze in die allerklein - ſten Zwiſchenraͤumchen der Blumen durch alle ihre Theile erſtrecken, in denen ſie ſo lange wahrgenom - men werden, als die Bildung, Nahrung, Be - wegung und Abſonderung der Saͤfte und folglich die Perſpiration mit gehoͤriger Lebhaftigkeit vorſich47gehet. Die uͤbrigen Blumentheile, welche einen veraͤnderlichen Sitz haben, koͤnnen ihre Saͤfte nicht geradesweges, auch nicht beſtaͤndig aus dem Thalamo fructificationis erhalten, ſondern wenn dieſe zuvor weiter gemiſchet, gereiniget, abgeſondert und verduͤnnet worden ſind, erſt durch diejenigen Theile mit welchen ſie verbunden ſind. Hiervon zeiget die Lage und Verbindung ſolcher Theile, die anato - miſche Unterſuchung, die Maceration, und eine mit Aufmerkſamkeit wiederholte Beobachtung durch Vergroͤßerungsglaͤſer.
10. Die Betrachtung uͤber jezt erzaͤhlte Um - ſtaͤnde, iſt von großer Wichtigkeit, weil alle die Blumentheile ihren beſondern Bau und Lage ha - ben, und deren Gefaͤße wiederum mit einer beſon - dern Direction verſehen ſind, welche unter einander bald eine groͤßere bald eine geringere Aehnlichkeit oder Verſchiedenheit zeigen, vermoͤge welcher ſie nach Maßgabe der Halleriſchen Verſuche nicht alle und jede Saͤfte, die in den uͤbrigen Theilen der Pflan - zen befindlich ſind, geradesweges annehmen und durchſetzen, ſondern vielmehr andere und ganz von einander verſchiedene, durch Vermiſchen, Verdi - cken, Verduͤnnen, Abſondern und andere dergleichen Wirkungen in denen Blumen erzeugen, unter de - nen ſich auch einige von denen uͤbrigen weit edlere befinden, welche nehmlich im hoͤchſten Grade ſubtil ſind, und eine ausnehmende Kraft haben, in die allerkleinſten neugebildeten und unbegreiflich zar -ten48ten organiſchen Theilchen des innerhalb dem Eyerſtock liegenden Saamenſtoffes einzudringen, dieſe in ihren allerzarteſten Zuſtande, bey und waͤh - rend ihrer fernern Bildung, auf das allerfeinſte zu naͤhren, und dann ſo lange fortzufahren, bis ſich dergleichen Theilchen in eine groͤßere Flaͤche ausbrei - ten, dichter werden, und aus andern Gefaͤßen groͤ - bere Saͤfte anzunehmen im Stande ſind. Hierin - nen ſetze ich nach meinen Begriffen das Wahre und Weſentliche der Befruchtung des Saamens und der Erzeugung der Pflanzen, ſo lange, bis ich mit Gewißheit eines andern uͤberfuͤhrt ſeyn werde. Wer weiß, wie es eigentlich bey denen Thieren damit zu - gehet, von deren Erzeugung ich mit dem Herrn v. Reaumuͤr und andern feſtiglich glaube, daß das - jenige, was man ſich von ihnen in dieſem Punkte am allergewiſſeſten zu wiſſen ſchmeichelt, noch lange vor ſo ausgemacht und unwiderſprechlich nicht gehalten werden koͤnne, als man davon insge - mein denket.
11. Was nun den Blumengriffel weiter be - trift, ſo iſt dieſer ſeit einiger Zeit weit aufmerkſa - mer betrachtet worden, als vor dieſen. Hierzu hat nicht etwa blos deſſen beſondere Geſtalt und La - ge bey denen Blumenliebhabern Gelegenheit gege - ben, ſondern vornehmlich deſſen unterſter Theil, welchen die gelehrten Naturforſcher ſchon vor unſe - rer Zeit fuͤr den Vterus und deſſen innere Abthei - lungen fuͤr das Ovarium der Blumen erkannt hat -ten,49ten, aus welchem Grunde denn der darinnen be - findliche unzeitige Saamenſtoff von ihnen ſchon veſiculae colliquamenti ſ. inchoamenta ſeminum genen - net worden war. Hingegen hat man von der wah - ren Erzeugung und Befruchtung dieſes in ſeinen Behaͤltniſſen verborgenen Saamens ſelbſt noch faſt lauter dunkle und verwirrte Begriffe behalten. Da - her es auch nicht zu bewundern iſt, wenn dieſe ſo wichtige Wahrheit weder ganz in Zweifel gezogen worden, noch den erwuͤnſchten Beyfall erhal - ten hat.
12. Der obere und mittlere Theil des Grif - fels (Stigma et Stylus) ſchienen ſonſt von jeher nicht eben bey allen eine gleiche oder auch die erforderliche Aufmerkſamkeit nach ſich zu ziehen, indem dieſe Theile, als bloße Fortſaͤtze des Vteri und Ovarii flo - ralis betrachtet, vielleicht nur die Perſpiration deſ - ſelben befoͤrdern, vielleicht aber den Blumen uͤber - haupt zur Zierde dienen ſollten; ſolche Gedanken hatten ſehr viele davon. Die aus der Befruch - tung entſtehende Nothwendigkeit ihres Daſeyns hin - gegen, war noch wenig oder gar nicht bekannt. Die neuen Naturforſcher haben endlich auch dieſen Hauptpunkt durch ihre mit den Vergroͤßerungsglaͤ - ſern angeſtellte Beobachtungen nach und nach beſſer entdeckt, und gar viele Zweifel entſchieden.
13. Dieſe bemerkten zum Theil, daß kurz vor oder nach dem natuͤrlichen Aufbrechen der Blumen der obere auch wohl der mittlere Theil desDGrif -50Griffels zur Haͤlfte mit dem Blumenſtaube faſt alle - zeit mehr oder weniger bedeckt war, gewiſſe Arten ausgenommen. Sie wurden ferner gewahr, daß daſelbſt die Staubkuͤgelchen eine Zeitlang aufgehal - ten wurden, und daß der Ort des Griffels, auf welchem der Staub ſaß, mit einer klebrigten Feuch - tigkeit uͤberzogen war. Eben dieſer Staub veraͤn - derte ſich nach einiger Zeit, kurz darauf fiel er auf den Grund der Blumen, die Staubfaͤden vergien - gen mit ihrem Zubehoͤr, oder fielen auch mit andern Theilen gar ab und die obern Theile des Griffels ver - aͤnderten ſich gleichfalls auf verſchiedene Weiſe: nur der untere Theil deſſelben wurde ſtaͤrker und von Zeit zu Zeit anſehnlicher, und ſchien, indem der Reſt der uͤbrigen Blume immer unſcheinbarer wurde, alle Nahrung allein an ſich zu ziehen. End - lich kam die Frucht zu ihrer Vollkommenheit und Reife, deren befruchtete Saamen junge Pflanzen hervoxbrachte.
14. Das Gegentheil von allen dem, was ge - ſagt worden iſt, fiel ihnen bald in die Sinne, ſo - bald ſich kein Staub auf dem Griffel bey vorer - waͤhnten Umſtaͤnden befand, und durch Zufaͤlle oder Kunſt davon abgehalten worden war, wie denn ein gleiches wahrgenommen wurde, ſo oft die Narbe und Roͤhre des Griffels etwas unnatuͤrli - ches an ſich hatte, oder die Staubfaden beſonders vor ihrer Eroͤfnung verdorben oder verſtuͤmmelt ge - weſen waren. Und wie konnte wohl in einem ſol -chen51chen Zuſtande eine Befruchtung erfolgen? Aus dieſen Umſtaͤnden kamen die Naturforſcher endlich auf alle moͤgliche Verſuche, die Befruchtung des Saamens in den Griffel durch Kunſt nach Gefal - len zu veraͤndern, zu hindern und zu befoͤrdern, und dadurch erhielten ſie eine weit mehrere Gewiß - heit in dieſer hoͤchſt wichtigen Sache, als man zu - vor nie gehabt hatte.
15. Dieſe Verſuche waren wegen Gewißheit der Hauptſache zwar entſcheidend genug, allein, wegen des wahren Ortes an dem Griffel durch wel - chen die Befruchtung geſchaͤhe, und was die be - fruchtende Materie ſey, daruͤber blieben die Mey - nungen getheilt, und etliche hielten das letztere gar vor ein unergruͤndliches Geheimniß der Natur. Viele blieben bey der bloßen Verwunderung ſtehen, andere ſchrieben und beteten ihren Lehrmeiſtern nach, und erlaͤuterten dasjenige mit Figuren, was weder ihre Meiſter noch ſie jemahls geſehen hatten, und andere nach ihnen, außer den Figuren, niemahls werden zu ſehen bekommen haben. Was den Ort der Befruchtung betrift, ſo nahmen die meiſten die Narbe des Griffels, andere aber die Fruchtroͤhre davor an.
Die nachfolgenden Naturforſcher, welche die Verſchiedenheiten und Abweichungen des innern und aͤußern Baues nach ihrer wahren Beſchaffen - heit beſſer kannten, und dahero bey ganzen natuͤrli - chen Klaſſen und Ordnungen der Pflanzen, etwasD 2beſſer52beſſer zu vergleichen und aufmerkſamer zu beobach - ten gewohnt waren, ſahen gar wohl ein, daß, ob gleich die Narbe des Griffels bey ſehr vielen Blu - men insgemein der Ort der Befruchtung ſey, ſeyn koͤnne und muͤſſe, man dennoch dieſer Befruchtung eben keine ſo allgemeine und enge Grenzen zu ſetzen Urſach habe, ſowohl jedes vorangefuͤhrten Umſtandes halber uͤberhaupt, als auch da die Griffel innerlich und aͤußerlich ſo viele natuͤrliche Wege zeigten, durch wel - che eine befruchtende Materie nach dem Innern des Ovarii zu dem unreifen Saamenſtoffe ganz leicht und ſicher gelangen koͤnnte. Dieſes, wie ſie aus richti - gen Vegriffen und Erfahrungen und nach einer im Pflanzenreiche gewoͤhnlichen Aehnlichkeit darthun konnten, ſagten ſie, waͤre der Natur zu Erreichung ihrer Hauptendzwecke immer einerley, ob die Be - fruchtung durch lange, enge und ſubtile uns unbe - greifliche Wege geſchaͤhe, oder durch ganz kurze Kanaͤle, oder ein cellenfoͤrmiges Gewebe und andere dergleichen; ſie moͤgten nun ganz oben und au - ßen an der Narbe anfangen, oder ſich in der Roͤhre des Griffels, oder in dem markigen Weſen und dem Saa - men ſelbſt oͤfnen. Ja wie ſie davor hielten, ſo koͤnn - ten dieſe Werkzeuge unmittelbar auf der aͤußern Flaͤche des Ovarii, oder innen in einer Duplicatur und ſo weiter ſitzen, indem nur alle moͤgliche Ab - weichungen in der Hauptſache ſelbſt weder etwas zu hindern noch zu befoͤrdern im Stande ſind. Und in der That ſo koͤnnen ſich die mit Warzen beſetztenund53und mit einer Feuchtigkeit uͤberzogenen Fortſaͤtze der Narbe von außen nach den innern Theilen ſehr weit erſtrecken.
17. Es giebt ferner noch gewiſſe Faͤlle, wo man ſehr große Ovaria antrift, deren uͤberaus klei - ne, ſchmale, ſpitzige, und faſt unmerkliche Raͤnder aͤußerlich mit Warzen beſetzt ſind, und wo man keine beſondere Befruchtungsroͤhre weiter gewahr wird, die ſich der Laͤnge nach in das Ovarium ſelbſt oͤfnen ſollte, wie es doch ſonſt bey vielen andern Blumen wahrgenommen wird. Allein dieſer Bau widerſpricht den andern im geringſten nicht, die Roͤhre mag gegenwaͤrtig ſeyn, und das Ovarium mit der Narbe verbinden oder nicht, die Narbe iſt der obere Ausgang der Roͤhre, und die Roͤhre eine Fortſetzung von der erſten, welche ſich in das Ova - rium endiget, oder in daſſelbe gar hinein gehet, oder aber bald durch einen offenen Kanal, bald ei - nen Spalt, oder porum mit demſelben dergeſtalt verbunden iſt, daß entweder vermittelſt einer wirk - lichen Hoͤhle oder contextus celluloſi allezeit eine wirkliche Communikation bemerket wird.
18. Man wird ſich aber in der That aus dieſer und vielen andern Schwierigkeiten ſehr wohl helfen, wenn man gewiſſe Umſtaͤnde unterſcheidet, wenn man ferner denjenigen Theil des Blumengriffels, welchen die Botaniſten nach ihren angenommenen Grundſaͤtzen bey dieſer oder jener Blumenart vor das Stigma oder die Narbe des Griffels halten,D 3alle -54zeit noch genauer unterſuchet, und unter andern wohl bemerket, wo deſſen mit Warzen beſetzte aͤußere Flaͤche anfaͤngt, und ſich nach inn - oder auswaͤrts in gewiſſe Vertiefungen, Winkel, Spalten und und Kanaͤle endiget. Ferner auch wenn man ins - beſondere unterſuchet, ob dieſer Theil mit ſeinen Warzen in die Befruchtungshoͤhle continuire, und ob dieſer Theil der Laͤnge nach zur Zeit der wirkli - chen Befruchtung dergeſtalt offen ſey, daß er durch eine Art der Oefnung mit dem Ovario communiciren kann. Dieſe und andere Unterſuchungen muß man nicht allein wegen der Abweichungen des Baues im Blumengriffel fleißig fortſetzen, die ſich bey ganz natuͤrlichen Klaſſen und Pflanzenordnungen in voͤllig natuͤrlichen Umſtaͤnden dennoch finden, ſondern auch wegen der ſehr haͤufigen ganz unnatuͤrlichen Zufaͤlle, welche einen Naturforſcher ſehr oͤfters be - truͤgen, und bald ofne Kanaͤle, bald verſchloßene Eingaͤnge zeigen, wo doch ſonſt keine von beyden da ſeyn koͤnnen und ſollen.
19. Es moͤgen indeſſen die Theile des Blu - mengriffels alle moͤgliche Abweichungen zeigen, und eine Geſtalt, Groͤße, Lage, Abtheilung, Staͤrke und Anzahl haben, welche ſie immer wol - len, daß ſie ſogar dadurch dermaßen unkenntlich werden, daß ſie ſich von keinen Botaniſten richtig beſtimmen laſſen, ſo kann ſich ein Naturforſcher dennoch allezeit helfen. Denn wenn er unter an - dern findet, kurz zuvor, oder in dem Augenblicke,oder55oder auch ſogleich hernach, wenn die meiſten Arten von Blumen aufbrechen, daß die Griffel derſelben bald an den einen bald an dem andern Theile mit einer oͤhligen Feuchtigkeit uͤberzogen ſind, (es ſey wo es wolle), ſo hat er zweyerley Hauptumſtaͤnde zugleich richtig gefunden, nehmlich das Stigma oder die Narbe, als das rechte wahre Werkzeug der natuͤrlichen Befruchtung: dieſes Werkzeug aber hat er zugleich in ſolchen Zuſtande angetroffen, in welchen es ſeyn ſoll, wenn der Griffel diejenige Vollkommenheit erreichet, nach welcher er ſich nun - mehro geoͤfnet hat, und alſo zur Befruchtung des Saamenſtoffs tuͤchtig geworden iſt.
20. Dieſe Befruchtung geſchiehet manchmal ſogleich, unter waͤhrender Betrachtung und in wenig Augenblicken, bey gewiſſen Arten von Blumen, oder ſie hat, wie insgemein vor dem Aufbrechen ſchon angefangen, und wird nur fortgeſetzt oder noch etliche mahl wiederholet. Hiervon erhaͤlt man die Gewißheit, wenn man auf dem mit einer Feuchtigkeit uͤberzogenen Theile des Griffels die Kuͤgelchen des Blumenſtaubes zugleich antrift. Iſt aber bey vorbeſagten Zuſtande der Blumen gedachte Feuchtigkeit noch nicht auf dem Griffel zu ſpuͤren, ſo iſt auch der Zeitpunkt der Befruchtung noch nicht gegenwaͤrtig. Auf angezeigte Art laͤßet ſich die unter den Naturforſchern in vorigen Zeiten obwaltende Streitigkeit gluͤcklich heben, und der Theil und Ort der Befruchtung richtig beſtimmen,D 4wel -56welches in natuͤrlichen Umſtaͤnden niemahlen truͤgen kann, wenn man ſich auch in andern Nebenſachen bey einigen beſondern Pflanzengeſchlechtern irren ſollte.
21. Ueber dasjenige, woruͤber im 15ten 16ten und 17ten §. die Rede geweſen iſt, fand ſich noch ein Umſtand, welcher die Meynungen der Naturforſcher theilte. Dieſe zweifelten nehmlich zwar nicht an der Wirklichkeit der Befruchtung des Griffels, aber dieweil ihnen die befruchtende Materie ſelbſt noch immer verborgen blieb, und der Blumenſtaub aus Kugeln und Blaſen beſtand, deſſen wahre Beſchaf - fenheit den meiſten noch unbekannt war, ſo hielten einige unter ihnen dafuͤr, die ganzen Staubkugeln draͤngen ein, und befruchteten den Saamen. Die andern aber hatten weit vernuͤnftigere Gruͤnde fuͤr ſich, und behaupteten, daß eine ſubtile Materie aus den Kugein des Saamenſtaubes die Befeuch - tung bewirkte. Die erſtern bekuͤmmerten ſich in - deſſen gar nicht eigentlich um die Wege und deren proportionirliche Weite, durch welche die ganzen Kugeln des Staubes eindringen koͤnnten und ſollten, wie ſie denn auch nicht betrachteten, was die Huͤlſe mit ihren Contentis, wenn ſie auch ganz in den Saa - menſtoff dringen koͤnnte, darinnen nuͤtzen wuͤrde. Und ob ſchon niemand einſahe, wie eine ſolche gro - be Huͤlſe oder Blaſe dergleichen hoͤchſt feine und ſonſt impenetrable Kanaͤle (vaſcula omnium minu - tiſſima ei plus quam capillaria halituoſa) paſſirenkoͤnnte,57koͤnnte, welche keine andern Koͤrper, als die allerfluͤ - ßigſten, und zwar unter keiner andern, als einer wahren dampfartigen Geſtalt einzunehmen, und von ſich zu laſſen im Stande ſind.
22. Haͤtte man aber die Beobachtungen, die Mr. Bernh. de Juſſien mit dem Blumenſtaube ſchon ehedem im Waſſer gemacht hatte, weiter nach - gedacht, und die Materie etwas genauer beſehen, die ſich in den Kugeln befindet, welche den Blumen - ſtaub ausmachen, ſo haͤtte man bey der im §. 21. erwaͤhnten Meynung nicht bleiben koͤnnen, und man muͤßte ſchon laͤngſt dahin gekommen ſeyn, wohin man erſt jetzo gelanget iſt. Wie aber die Neuig - keiten bey vielen Gelehrten, wenn ſie zumahl bey ſchoͤn ausgedachten Lehrgebaͤuden des einen oder des andern ohne weitere Muͤhe genutzet werden koͤnnen, zur Schande und zum Schaden der Experimentalphy - ſik oͤfters mit weit groͤßerer Begierde als Einſichten angenommen werden, wenn ſie auch gleich aus dem Verfahren und den Arbeiten des Erfinders beym erſten Anblick erſehen koͤnnten, daß er ſich in ein fremdes Feld gewagt, in welchen er nicht zu Hauſe gehoͤrt, ſo ſcheinet ihnen doch die Neuigkeit viel - mahl auf eine kurze Zeit weit angenehmer, als die Wahrheit.
23. Da man ſich alſo noch nicht voͤllig zu zweifeln getrauete, ob die ganzen Blumenſtaubku - geln durch den Griffel in die Saamen zu ihrer Be - fruchtung einzudringen im Stande waͤren, ſo kamD 5der58fleißige Herr Needham mit ſeinen mikroſkopiſchen Obſervationen zum Vorſchein, und ſetzte damit ei - nige Gelehrte von neuen in große Verlegenheit. Dieſem Naturforſcher kam es vor, als ob er auf dem Griffel einer Lilienblume, in der Hoͤhle eines auf der Narbe ſtehenden Waͤrzgens eine ganze ein - gedrungene Staubkugel geſehen haͤtte, von welcher er zugleich eine Figur gab. Dadurch wurde die vorgedachte alte Meynung wieder rege, und man hielte ſie nunmehro voͤllig fuͤr bewieſen, ob gleich, nach Hrn. Needhams Obſervation, niemand dieſe Wahrheit außer deſſen gegebenen Figur weiter fin - den koͤnnen, wenn er auch mit den beſten engliſchen Vergroͤßerungsglaͤſern verſehen geweſen iſt.
24. Nach Hrn. Needham hat ſich ein anderer engliſcher Naturforſcher, nehmlich Hr. D. Hill ge - funden, welcher zwar nichts in die Oefnungen der Waͤrzchen eindringen ſehen, demohngeachtet aber, noch viel weiter bey der Wahrheit vorbey ſpazieret; und ſogar Zeichnungen von ſolchen Umſtaͤnden des befruchtenden Blumenſtaubes nach ſeinen bey ſich gehabten Vorſtellungen gegeben, welche ſo viel be - weiſen, daß er das, was er geſehen, gar nicht ge - kannt hat, folglich gar nicht noͤthig gehabt haͤtte, außer ſeiner falſchen Angabe, noch falſche Saͤtze zu erdichten, welche beyde ein mittelmaͤßiges refle - etirendes Vergroͤßerungsglas zu widerlegen im Stande iſt.
Er59Er will nehmlich eine junge mit einem feinen Wachs umwickelte Pflanze in den Staubkugeln einer gewiſſen Amaryllisblume entdecket haben, dieſe neue Pflanze ſoll 1) durch eine natuͤrliche Oefnung bey jeder Kugel des Blumenſtaubes her - auskommen, 2) durch eben ſo eine Oefnung eines Waͤrzchens auf der Narbe wie Herr Needhams Staubkuͤgelchen hineindringen, und in dem Saa - men zum Keim werden, wovon ſich aber das Unge - reimte von ſelbſt ohne alle Widerlegung ergiebt.
Die Mooſea)Muſci. gehoͤren unter ſolche Gewaͤchsar - ten, um die man ſich nicht eben ſo ſonderlich zu be - kuͤmmern pfleget; außer der bloßen und allererſten Beſtimmung, die von ihnen, durch die Pflanzen - verſtaͤndigen, in der Naturgeſchichte, wie bey allen uͤbrigen Gewaͤchſen bereits geſchehen iſt, in ſo weit dieſe zu ihrer Kenntniß gekommen ſind, und welche vorher richtig geſchehen muß, ehe man zu einer weitern Unterſuchung derſelben gehen, und ſie ge - nauer erkennen lernen kann. Vielleicht iſt man um ſie deſto weniger bekuͤmmert, weil man bey einer ſo gemeinen Sache, wie ſie wirklich ſind, die man deshalb faſt taͤglich zu ſehen gewohnt iſt, nicht mehretwas61etwas ſonderliches zu entdecken oder denken zu koͤn - nen glaubet? Man ſiehet demnach die Mooſe kaum mit einiger Aufmerkſamkeit an, wenigſtens mit kei - ner ſolchen, die ſie allerdings erfordern, ſo daß es vielen, noch bey ihrer Nachlaͤßigkeit, faſt eben ſo ergehet, als andern mit den Arten des Graſes, die ſie doch oͤfters beſſer zu kennen, alle Urſache haͤtten, und dennoch mit einem einzigen ſehr ſchnellen Blick dergeſtalt uͤberſehen, daß ſie von ihnen einen eben ſo dunkeln als unvollkommenen Begrif erlangen, als einer, der aus einer betraͤchtlichen Ferne einen gruͤnen Wald, oder eine ſchoͤne Wieſe betrachtet, ohne daß er außer der gruͤnen Farbe, etwas ſonder - liches zu unterſcheiden im Stande iſt.
Wie ſie denn auch insgemein alle zuſammenge - nommen, mit einem Namen, nehmlich der Mooſe oder das Moos beleget werden, ohne zu wiſſen, daß dieſe Familie von Gewaͤchſen bereits uͤber 200 verſchiedene Gattungen enthalten. Wo werden alſo die ſchoͤnen, und in ihrer Art zum Theil wich - tige Naturbegebenheiten bleiben, zu denen bald dieſe, bald jene Gattungen das ihrige vorzuͤglich beytragen, und zu deren Unterhaltung ſie in der großen und weitlaͤuftigen Naturhaushaltung den Grund legen? ohne ſie wuͤrde manches nicht leicht vor ſich gehen, und ohne deren Erkenntniß wuͤrden manche Vorfaͤlle weder richtig verſtanden noch erklaͤrt werden koͤnnen.
Dieſe62Dieſe alſo den meiſten Menſchen ſehr unvoll - kommen bekannte Naturkoͤrper, machen unter den 7 Hauptklaſſen des Gewaͤchsreiches, eine ganz beſonde - re Ordnung aus. *)Ordo Muſcorum. Das aͤußerliche Anſehen unter - ſcheidet die meiſten Geſchlechter und deren Gattun - gen von allen uͤbrigen Pflanzen, mit welchen ſie etwa einige groͤßere oder geringere Aehnlichkeit ha - ben koͤnnten. Die Anzahl unſerer deutſchen Moos - arten welche nunmehro ziemlich beſtimmt ſind, be - laͤuft ſich ſchon auf 143, diejenigen nicht gerechnet, die nur nach dem Lehrbegrif einiger Botaniſten dazu gehoͤren ſollen, und weit uͤber etliche 40 Gattungen ſteigen. Man wuͤrde ihre Anzahl fuͤr weit groͤßer halten, wenn die haͤufigen Abaͤnderungen nicht beſ - ſer bekannt waͤren; beſonders ſolche, die ſich in ihren verſchiedenen Alter faſt uͤberall zeigen, daß man, um nicht hintergangen zu werden, bey vielen immer etliche Stuͤcke von einer und eben der Moos - art beyſammen haben muß, die die verſchiedenen Grade ihrer Entwickelung deutlich machen.
Alle Mooſe, ob ſie ſchon gegen andere Ge - waͤchſe einen viel einfachern Bau haben, ſind doch gegen die Schwaͤmme**)Fungi. und Flechten***)Algae. , mit wahren und recht deutlich zu unterſcheidenden Wurzeln, Stengeln, Blaͤttern und Fruchtſtielen verſehen, und ihre Blaͤtter gleichen dem innern Ge -webe63webe nach, dem uͤbrigen Pflanzenlaube gar ſehr. Ihre alten Stengel veraͤndern ſich bey ſehr vielen jaͤhrlich nach und nach in Wurzeln; doch giebt es unter ihnen, bey uns, etliche jaͤhrliche Mooſe, die, ſo viel man davon weiß, auf den Triften, den Huͤ - geln und erhabenen Wieſen und Landſtraßen, den Fruchtlaͤndern, und an ſolchen Stellen, wo das Winterwaſſer lange geſtanden, nur in den Fruͤh - lingsmonaten leben, wo ſie ſich in einzeln kleinen dichten Raſenflecken zeigen, und nachher wieder vergehen. Dahingegen iſt der groͤßte Theil der Mooſe immer gruͤnend, dauerhaft, und in ſeinen natuͤrlichen Standorten das ganze Jahr hindurch zu finden.
Wegen ihrer langen Dauer, uͤbergehen ſolche Moosarten eine ſehr große Menge von den ſonſt anſehnlichſten Pflanzen; ſie wachſen in den allerkaͤl - teſten Weltgegenden, auf Groͤnland, Ißland, an den Kuͤſten der Bay Houdſon, Labrador und andern Orten, wo ſonſt nur wenig andere Gewaͤchſe leben koͤnnen. Eben ſo wachſen ſie bey uns, in den Win - termonaten, bey dem niedrigſten Sonnenſtande, in welchen ſogar ſehr viele bluͤhen, und ihre Frucht bringen, weil ſie zu Erhaltung ihres Lebens und Beſoͤrderung ihres Wachsthumes, nur den aller - niedrigſten Grad der Waͤrme noͤthig haben, den man etwa bey unſern Landgewaͤchſen annehmen kann. Nur etliche wenige bluͤhen bey uns vom Ende des Julius an bis zum September; da als -denn64denn die uͤbrigen Mooſe ſtaͤrker wachſen, und bis gegen Ausgang des folgenden Aprils nacheinander bluͤhen. Es kann die Veraͤnderung ihres natuͤrli - chen Standes, und deſſen Verſchiedenheit, auch eine beſtaͤndige naßkalte oder warme Witterung bey dieſen Zeitpunkten manche Ausnahme machen, ſo wie denn die Lage, hohe Felſen, tiefe hangende Klippen, ſchattige Thaͤler mit Quellen und Moraͤſten, oder auch frey und hoch gelegene Berge vieles be - ſtimmen.
In den waͤrmern Jahreszeiten, bey großer Duͤrre, und uͤberhaupt wenn die Sonne ſich ihrem hoͤchſten Stande naͤhert, oder ſich davon noch nicht weit genug entfernt hat, trift man ſie in keinem ſon - derlichen Wachsthume. Sie ſcheinen zu dieſer Zeit faſt in ihrem Wachsthume am unmerklichſten zu werden, und beynahe bey ihren mehreſten Arten ſtill zu ſtehen, und etliche ſind in der That auf einen ſehr großen Grad zuſammengezogen, welk und tro - cken, daß man ſie dem aͤußerlichen Anſehen nach gar vor duͤrre und abgeſtorben halten ſollte, da ſie doch innerlich noch wirklich ein ſchwaches Leben ha - ben; nur, daß ſie in ihrem Wachsthume merklich einhalten. Die nachfolgende kuͤhlere Jahreszeit und gemaͤßigte Feuchte belebet ſie von neuen, daß ſie ſich wieder ausdehnen, ihr natuͤrliches Anſehen wieder annehmen, von neuen wachſen, und bluͤhen, zum Zeichen, daß ſie ſich bey vorgedachten Veraͤnde -rungen65rungen, in dem kleinſten Grade des Lebens, eine gute Zeit erhalten koͤnnen.
Wegen einer ſo dauerhaften Eigenſchaft und eines zaͤhen Lebens koͤnnte man etliche Geſchlechter der Mooſe, gewiſſermaßen, faſt unvergaͤnglich nen - nen, da ſie uͤberdem, ſo viel man weiß, von viel weni - gern Zufaͤllen, von der Witterung und andern Umſtaͤn - den leiden; ob ſie ſchon ſaͤmmtlich nur ihre gewiſſe Zeit uͤberleben koͤnnen, nach welcher ſie wirklich todt gefunden werden. Dieſes bezeugen ſowohl die, bey der Cultur der uͤbrigen Gewaͤchſe mit dem Mooſe, ſtatt der Erde, von mir hieruͤber angeſtell - ten Erfahrungen, nach welchen ſie endlich kurz, ſproͤde und bruͤchig werden, und gar leicht in ein grobes Pulver zergehen, als auch ihre wirkliche Vererdung, und unter Waſſer beſonders, ihre endliche Verwandlung in Torf oder Torfſchlamm. Sie koͤnnen auch abſterben, ehe man dieſes gewahr wird, da ſich die geſammelten Moſe weit uͤber 100 Jahr trocken erhalten laſſen, ohne ihr aͤußerliches Anſehen viel zu aͤndern. Vielleicht wird unſere Auf - merkſamkeit, durch dieſen und etliche vorerwaͤhnte Umſtaͤnde, nur gar zu oft hintergangen, da ſie bey ihrer trocknen Geſtalt, dennoch eine gute Zeit in - nerlich leben koͤnnen, daß wir deshalben zweifelhaft bleiben, bis ſie ihre verborgen gehaltene Lebhaf - tigkeit durch ein verneuertes Wachſen wieder zeigen.
EUnſere66Unſere trockne Sammlungen von Gewaͤchſen koͤnnen zu Erlaͤuterung dieſer lebhaften Eigenſchaft dienen, die wir Herbaria viva nennen. In ſol - chen haben wir Mooſe, von C. Bauhinsa)1593., Bur - ſersb)1591., Petiversc)1692., Moriſonsd)1699., Junger - mannse)1615., Caſp. Schwenkfedsf)1600., Tourne - fortsg)1694. Zeiten, und noch von den naͤchſt verfloß - nenh)in Herb. vivo a me collecto ab anno 1729. 1730. ad 1770. 40 bis 20, 10 bis 8, 3 bis zu 2 Jahren aufbehalten. Dieſe wenn ſie gut geſammlet, be - hutſam getrocknet, und wohl erhalten worden, zei - gen nach ihren wirklich erfolgten Abſterben, noch einen großen Grad von ihrer beſondern Lebhaftig - keit, wenn man ſie in das allerkaͤlteſte Brunnen - waſſer leget, in welchen ſie ſich zuweilen ſchon in 7 bis 8 Stunden, ſonſt in 12, 16 bis 30 Stunden, hoͤchſtens in 4 bis 5 Tagen voͤllig ausbreiten, und ihr voriges lebhaftes Anſehen, und die Geſtalt ſo weit als moͤglich annehmen, daß man ſie, da ſie immer gruͤnend ſind, faſt vor lebendig anſehen koͤnnte, wo man es nicht beſſer wuͤſte. Sie glei - chen hierinnen nicht nur der ſogenannten Roſe von Jerichoa)Anaſtatica hierochuntica. Linn. Sp. Pl. 2. 895. Roſa hierochuntea vulgo dicta. C. P. Pin. 484. ſehr, die um Cairo, in den ſandigenGegen -67Gegenden von Palaͤſtina, und ſonſt an den Ufern des rothen Meeres ihren natuͤrlichen Stand hat, ſondern ſie uͤbertreffen dieſelbe noch deshalb, weil ſie ihre Blaͤtter noch haben, welche an jener laͤngſt abgefallen ſind: doch dehnet ſie ſich auch in 7, 10 bis 12 Stunden im kalten Waſſer voͤllig aus, und ſo oft man will; wenn ſie auch ſchon weit uͤber 100 Jahre in den Naturalienſammlungen aufbehalten worden iſt. Das Ausdehnen der Roſe von Jericho gehet zuletzt um deſto geſchwinder, je oͤfter man ſie etwa hintereinander im Waſſer wieder hat aufquellen laſſen, daß es alsdenn kaum 2 Stunden erfordert*)Unſere Mooſe verdienten wegen der Eigenſchaft, des ſo ſcheinbaren Wiederauflebens im Waſſer nach einer ſo betraͤchtlichen Zeit, den Namen von plantis anaſta - ticis ſ. reſurgentibus ebenfals mit Recht..
Ein viel ſtaͤrkerer Grad der Waͤrme zur Wie - derbelebung und des fortzuſetzenden Wachsthumes bey denen Mooſen, als derjenige ſeyn mag, der ihnen bey uns zur Winterszeit uͤbrig gelaſſen und welcher der natuͤrlichſte iſt, trocknet ſie dermaßen aus, daß ſie ganz zuſammengezogen und an ihren Anſehen veraͤn - dert werden, auch faſt duͤrre und abgeſtorben zu ſeyn ſcheinen. Dieſes gehet zwar in verdeckten, feuchten, kuͤhlen und ſchattigen Orten etwas lang - ſamer, auch weniger merklich zu, aber in freyen, erhabenen und waͤrmern deſto geſchwinder vor ſich. Man wird dergleichen Veraͤnderung an gewiſſenE 2Arten68Arten der Mooſe gar bald gewahr, wenn man ſie aus ihren natuͤrlichen Standorten, ſehr geſchwind oder bey warmer Witterung in andere bringet, da ſie ſich nicht lange hernach zuſammen ziehen, welk werden, und eine dabey ſehr unkenntliche und unan - genehme Geſtalt erhalten.
In einem ſo geringen Grade des Lebens, in welchen ſie jaͤhrlich, oder auch ſonſt, durch das all - maͤhlige Zuſammentrocknen verſetzet werden, koͤn - nen ſie ſich eine geraume Zeit befinden, ohne daß ſie eben deswegen aufhoͤren ſollten zu leben. Man kann ihnen vielmehr hernach ihre Lebhaftigkeit wie - der geben, wenn ſie nur nicht wirklich am Feuer, oder ſonſt durch eine ſchnell trocknende Hitze getoͤdet worden ſind. Denn wenn man ſie an ihren erſten ſchattigen, verdeckten, kuͤhlen und gemaͤßigten ſeuch - ten Ort bringet, oder aber dem Regen ausſetzet, oder ins kalte Waſſer leget, ſo leben ſie auf, dehnen ſich aus, und wachſen fort.
Es iſt indeſſen unmerklich genug, daß derglei - chen Mooſe, welche, wie ſchon erwaͤhnet, ohnge - faͤhr ſchon vor 6, 8, 10, 20, 40, 80, 100, 150, auch 200 Jahren wirklich gelebt, und eingeſamm - let worden, nach Verlauf einer ſo langen Zeit, durch das eindringende kalte Waſſer, ſich wieder aus - dehnen und einen ſo großen Grad der Lebhaftigkeit annehmen, daß ſie ſich dadurch den lebendigen uͤber - aus vergleichen laſſen. Dieſe merkwuͤrdige Eigen -ſchaft69ſchaft unterſcheidet die Mooſe von vielen andern be - kannten Gewaͤchſen.
Man kann zwar einige Pflanzen, mit Beybe - haltung ihres lebhaften Anſehens, Glanzes und der Farbe, zuweilen ſo behutſam trocknen, wenn es zumahl geſchwinde genug geſchiehet, und ſie bey ei - ner guten trocknen Witterung abgebrochen oder ein - ſammlet worden ſind; allein ſie ſind nicht im Stande, ſich nach einer gewiſſen Zeit, abwechſelnd wieder zuſammen zu ziehen und wieder auseinander zu dehnen, wie die Mooſe, und die Roſe von Jericho. Alles, was man an ſolchen bemerket, iſt in der erſten Zeit, daß ſie in der Luft runzlich werden, wenn ſie nicht trocken genug worden ſind. Das lauwarme Waſſer thut dazu, beſonders auch an den feinen trock - nen Pflanzen, eine beſondere Wirkung, die es dermaßen erweicht, ſo daß ſie ſich bald ausdehnen, und lebhafter werden, daß ſie ſich mit großerer Deutlichkeit darſtellen, als vorher. Dieſes Mittel wuͤrde noch brauchbarer ſeyn, wenn das warme Waſſer nicht vornehmlich ihre zarteſten ſalzigſchlei - migen Antheile auszoͤge, und davon gefaͤrbt wuͤrde. Den Botaniſten iſt indeſſen dieſer Umſtand immer ſehr betraͤchtlich, wenn ſie ihn bey Unterſuchung der Blumen anwenden, wie Hr. Linnaͤus, Schreber und Solander gethan.
Es iſt ferner eben ſo gewiß, daß ſich verſchie - dene Saamen außer der Erde, 3, 5, 8 bis 12 Jahre lebhaft und fruchtbar erhalten laſſen, undE 3nach70nach Verfluß dieſer Zeit dennoch keimen und wach - ſen, und ich ſelbſt habe eigene wohl gelungene Ver - ſuche mit weit aͤltern, recht wohl reifen und trocknen Saamen gemacht, welche der Zufall, wie ich ſicher wiſſen konnte, weit laͤnger und dergeſtalt, ohne Ver - derbniß vor der warmen und freyen Luft und einer ſtarken Ausduͤnſtung verwahret hatte, daß ſie in ih - ren Huͤlſen und Kapſeln wenig oder nichts durch die Ausduͤnſtung verlohren, wodurch ihre innere naͤhrende Subſtanz etwa ſehr merklich haͤtte veraͤn - dert und unkraͤftig gemacht werden koͤnnen. Faſt einen gleichen Zufall habe ich an etlichen knolligen Wurzeln bemerkt, die ich nach und nach im Schat - ten gelinde lufttrocken gemacht, von denen mir nur die Wurzeln von einer großen Art des Knabenkrau - tesa)Orchis maſcula Rivini. ſ. Orchis galea et alis cinereis. I. B. Hiſt. 2. p. 755. Cynoſorchis latifolia, hiante cuculo maior. C. B. Pin. 80. und die Wurzeln der aſiatiſchen ſchoͤnen Ra - nunkelnb)Ranunculus aſiaticus. Linn. Sp. Pl. 777. Ranunculus grumoſa radice, ramoſus. C. B. Pin. 181. noch erinnerlich ſind. Von dieſen habe ich die erſtern ein ganzes Jahr außer der Erde be - halten, die andern 15 Monate. Beyde ſind gewach - ſen, und haben ihre Blumen gebracht.
Was in vorhergehenden angefuͤhret worden, dienet zur Erlaͤuterung, theils der großen und dauer - haften Lebhaftigkeit der Mooſe, theils zu einer wei -tern71tern Vergleichung mit andern aͤhnlichen Umſtaͤnden, bey etlichen Gewaͤchsarten.
Außer der beſondern Dauerhaftigkeit, und ei - nem wechſelsweiſen Wiederaufleben ſehr vieler Mooſe, wovon vorher eben die Rede geweſen, iſt deren erſtaunende, und wo die Gelegenheit und Witterung dazu vorhanden, faſt uͤbermaͤßige Ver - mehrung, in vielen weitlaͤuftigen Gegenden, auf unſern Gebuͤrgen, Huͤgeln, Wieſen und Triften, in den Landſeen, Moraͤſten und andern Grundſtuͤ - cken, die nach Verſchiedenheit und Lage des Bo - dens, in unſern Forſtrevieren, in Gebirgen und waldigen Bruͤchern, auch insbeſondere in denen mit jungen Holze wohl beſtandenen Oertern, zuwei - len ganz uͤbermaͤßig gefunden wird, in eine beſon - dere Betrachtung zu nehmen. Dieſes wird ſowohl zu phyſikaliſchen Abſichten, als bey der fernern ſchicklichen Anwendung gewiſſer damit verbunde - ner Naturbegebenheiten zu landwirthſchaftlichen An - ſtalten, mit vielen Nutzen geſchehen.
Alle Wirkungen der Natur, die theils ganz offenbar ſind, theils die ſich bey der immerwaͤhren - den Unterhaltung ihrer richtig beſtimmten Ordnung etwa bedenken laſſen, geſchehen in einer ununter - brochenen Zeitfolge, dergeſtalt aufeinander, daß dabey, und dadurch allen moͤglichen Endzwecken zugleich ein Genuͤge geſchiehet. Dabey aber iſt gar nichts Ueberfluͤßiges, nichts Unzureichendes, nichts Schaͤdliches, es muͤßte denn zuweilen ohneE 4ihre72ihre Schuld, durch Zufaͤlle, oder eine von uns ſelbſt zu beſondern Abſichten gemachte Anwendung, erſt dazu werden. Auch dieſes werden einige aus der natuͤrlichen Geſchichte der Mooſe, leicht zu zie - hende beſondere Vorfaͤlle hinreichend erlaͤutern.
Die Mooſe, als Beyſpiele der allerdauerhaf - teſten Gewaͤchſe, haben zwar ſehr verſchiedene Standoͤrter; doch iſt ihnen die Feuchte vor andern beſonders zutraͤglich; ob ſie ſchon auch, bey andern Gelegenheiten, in derſelben und durch dieſelbe zer - ſtoͤret und vererdet werden. Demnach finden ſich die Mooſe auf den hoͤchſten Gebirgen, die faſt be - ſtaͤndig unter den Wolken liegen, deren kahle Gipfel ſie ganz und zuweilen auf 1 bis 2 Fuß hoch uͤberzie - hen, und daſelbſt die haͤufigen luftigen Gewaͤſſer, der daran ſich ſcheidenden ſchweren Wolken beſtaͤndig in ſich nehmen, durch ihr gefilztes Gewebe gleich - ſam filtriren und in die unten liegenden Vertiefun - gen Gruben und Spalten ſammlen laſſen, die ſie zuweilen ganz ausfuͤllen. Hier iſt, der Erfahrung zufolge, nicht ſelten der erſte Anfang der allerklein - ſten, auch in gewiſſen Himmelsgegenden vielleicht, der meiſten Baͤche, dergleichen gar viele auf den Gebirgen, ohne beſondere Quelle zu haben, entſte - hen, und weil ſie aus dem naſſen Mooſe einen be - ſtaͤndigen Zufluß haben, zu fließen ſelten auf - hoͤren.
So betraͤchtlich die Hoͤhe ſolcher Gebirge auch immer ſeyn mag, auf welchen die Mooſe entwedereinen73einen ganz freyen, oder aber ſehr verdeckten Stand haben, eben ſo iſt es mit den tiefen Thaͤlern, den Abgruͤnden und Moraͤſten, im Gegentheil be - ſchaffen, auch mit den Ebenen, die ſich zwiſchen ſolchen Gebirgen, auch ganz unten an dem Fuße derſelben, beſonders an der Nord - oder Weſtſeite befinden, in denen die Mooſe nicht allein faſt alles uͤberzogen und ausgefuͤllet haben, ſondern auch viele von denjenigen Moosarten, und faſt die mei - ſten gefunden werden, die ſich ſonſt auf ihren hoͤch - ſten Gipfeln erhalten. Tiefe Klippen, geſpaltene, abgeriſſene, heruntergeſtuͤrzte Felſen und deren Truͤm - mer, und ſchattige mit Holz und Strauch bewach - ſene Oerter, die am Eingange der Gebirge noch mit Quellen und Suͤmpfen verſehen ſind, haben hier - bey noch ein vieles voraus. Auch die mit Weiß - tannen, Fichten und Kiefern wohl beſtandenen Forſtreviere, die ſich von den Vorgebirgen in die weitlaͤuftige Ebenen ziehen, in wirkliche Landforſte veraͤndern, und zum Theil ſehr ſandig, gruſig, tro - cken und unfruchtbar ſind, werden theils mit ver - ſchiedenen langen, weichen, kriechenden Moosarten, theils mit kurzen, rauhen, ſtruppigten Mooſen ſehr dichte und hoch uͤberzogen.
Dieſe Umſtaͤnde hoͤren nirgend gaͤnzlich auf, ſondern vermehren ſich, oder ſie werden vermindert, nach Verſchiedenheit und der Lage des fetten, derben oder leichten, magern Grundes, ſolange ihr Wachs - thum nicht auf ſolchen Grundſtuͤcken beſtaͤndig un -E 5terbro -74terbrochen wird, welche etwa den Pflug unterwor - fen ſind, oder auch in Wieſen, welche wohl unter - halten werden, und in Waſſern, welche einen zu ſchnellen Lauf haben, und ſehr fleißig gereiniget werden. Denn unſere Wieſen, auch niedrige Fruchtlaͤnder, und Gaͤrten bemooſen leicht, wenn man auf die beſtaͤndige Veraͤnderung des Zu - wachſes gedachter Gewaͤchſe nicht immer auf - merkſam iſt.
Der Sitz der Mooſe iſt in allen vorerwaͤhnten Gegenden, kein ganz beſonderer, wenn nur der Grund und alle diejenigen Koͤrper, auf welchen die Saamen oder jungen Mooſe, bey feuchter Witte - rung anfliegen, einigen Anhalt und Ruhe haben, und ſich gegen Waſſer, Wind und Sturm ſo lange befeſtigen koͤnnen, bis ſie ſich weiter ausbreiten und alles uͤberziehen. Sie wachſen entweder in ganz freyer Luft und Witterung, oder ſie verlangen eini - ge Bedeckung und maͤßige Feuchte, oder ſie befin - den ſich in und unter Waſſer. Da ſie auch ihre meiſte Nahrung aus der Luft und Waſſer an ſich ziehen, ſo iſt der Grund oder der Koͤrper, auf wel - chen ſie wachſen, den meiſten Arten faſt gleich, wenn es auch Knochen, metalliſche Erden, Glas, Schiefer, todtes faules Holz, lebendige und in gu - tem Wachsthum ſtehende Staͤmme, Fels und an - der hartes Geſtein, auch ſelbſt nur Schlaacken ſeyn ſollten.
In75In tiefen Spalten und Ritzen, zwiſchen den den Felſen, in offenen Hoͤhlen, und auf Kalkſtein wachſen die Mooſe ſehr gerne, und an der Wetter - ſeite uͤberziehen ſie alles, worauf ſich ihre Faſern nur ſo forthelfen koͤnnen, und laſſen oft Abdruͤcke von ihrer Geſtalt auf den Steinen zuruͤck. In tie - fen Hoͤhlen, verſchloßnen Roͤhren, Waſſerleitun - gen, und Bergwerken habe ich ſie noch nie antref - fen koͤnnen, wo ſich doch ſonſt noch verſchiedene Arten von Flechten*)Algae. und Schwaͤmmen ſehr gerne vermehren: ſollte es auch in einer betraͤchtlichen Tiefe von 83, 100 bis 130 Lachter an dem Zim - merwerke und Kunſtgezeuge ſelbſt ſeyn. In den Baͤchen, wo eine feine aufgeloͤßte Kalkerde iſt, wer - den ſie, wie andere Koͤrper, davon uͤberzogen.
Die Mooſe werden zwar außer der Gewaͤchs - kunde, im gemeinen Leben, nach Verſchiedenheit der Oerter, in welchen ſie ihren Stand haben, ins - gemein in Berg - Stein - Erd - Baum - Holz - und Waſſermooſe abgetheilet, welchen man faſt mit glei - chem Rechte eine Unterabtheilung in den Feld - Wie - ſe - Wald - und Gartenmooſen zuſetzen koͤnnte. Wenn man aber wahrnimmt, daß anfangs gleich und noch wohl eine lange Zeit hernach, ganze Flaͤ - chen, ſtehende Waſſer und Graben faſt einzig und allein, oder doch vornehmlich mit Moos uͤberzogenwer -76werden, worauf, der Gelegenheit des Bodens und der Witterung halber, vorher keine andre Arten von Gewaͤchſen ihre Nahrung und Aufenthalt haͤt - ten finden oder daſelbſt feſten Fuß faſſen koͤnnen, ſo wird man es in ſeinen Betrachtungen dabey noch nicht ſo leicht bewenden laſſen, ohne auf die Urſa - chen der vielerley auf einander folgenden Erſchei - nungen mit zu denken. Wenn man ferner, unter den mancherley Veraͤnderungen auf der Erde, Tie - fen entſtehen ſiehet, und Abgruͤnde, und Moraͤſte ſich nach und