Die Fortſetzung dieſes Werks, wovon ich hier den zweyten Theil liefere, iſt einzig der auf - munternden Stimme eines hochgeehrteſten juriſtiſchen Publikums zuzuſchreiben, welches ein Buch von der Art nicht nur fuͤr diejenigen, fuͤr welche es zunaͤchſt beſtimmt iſt, ſondern auch ſelbſt fuͤr den practiſchen Juriſten nicht unbrauchbar fand. Feindſelig oder vielleicht nur unuͤberlegt war zwar der Anfall, mit welchem ein von dieſer Seite ſchon bekannter goͤttingiſcher Recenſent das Werk in ſeinem erſten Keime zu erſticken wagte; allein der veraͤchtliche Blick, mit welchem das entſcheidende Publikum laͤchelnd auf dieſen dem jugendlichen Alter eines Mannes von Genie leicht zu verzeihenden Schritt herabſahe, iſt fuͤr mich die ehrenvolleſte Genugthuung. Durch die - ſen Beyfall aufgerichtet, unterwerfe ich demnach ge - troſt auch dieſen zweyten Band dem reifern Urtheil dieſes einſichtsvollern Publikums, welches nicht aus Leidenſchaft und unlautern Abſichten zu handeln gewohnt iſt, ſondern nach richtigern Grund - ſaͤtzen den Werth der Dinge beurtheilt.
Wenn dieſer Theil meines Commentars eine ge - ringere Anzahl von Titeln und Buͤchern der Pan - decten enthaͤlt, als man meinem Verſprechen gemaͤß eigentlich haͤtte erwarten koͤnnen, ſo muß ich zu mei - ner Rechtfertigung hier anfuͤhren, daß ich darunter lediglich dem Verlangen eines großen Theils der Herren Praͤnumeranten zu willfahren geſucht habe, welche mir theils muͤndlich, theils ſchriftlich zu erken - nen gaben, daß bey einer Abkuͤrzung und Zuſammen - draͤngung des Ganzen in ſechs Baͤnde das Werk anGruͤnd -Gruͤndlichkeit und Deutlichkeit verlieren wuͤrde. Maͤn - ner von Anſehen und tiefer Einſicht haben mir in ih - ren Zuſchriften verſichert, daß dieſer Commentar ge - rade alsdann ſeiner Zweckmaͤſigkeit am vollkommen - ſten entſprechen wuͤrde, wenn ich denſelben ſo fort - ſetzen wolle, wie er angefangen worden iſt.
Dem Einwurfe des oben gedachten goͤttingiſchen Herrn Recenſenten, daß denn doch dieſer Commen - tar uͤber ein elendes Pandecten-Compendium geſchrie - ben ſey, glaube ich nicht beſſer begegnen zu koͤnnen, als wenn ich denſelben erſuche, den Titel dieſes Buchs nochmals, jedoch ohne die gewoͤhnliche Fluͤchtigkeit, anzuſehen, welcher ihn ſodann lehren wird, daß ich nicht einen Commentar uͤber Hellfeld, ſondern eine ausfuͤhrliche Erlaͤuterung der Pandecten nach Hellfeld zu ſchreiben die Abſicht habe. Ueber - dem wird es mir der Herr Recenſent nicht uͤbel neh - men, wenn ich aus einem Schreiben eines meiner gelehrten Freunde noch hinzufuͤge, daß willkuͤhrliches Syſtem, und mit jedem Jahrzehnden veraͤnderte Ordnung, ohne Ueberfluß an nuͤtzlichen Materialien, pure Kinderey ſey. Wer meinen großen Hang zur Theorie, ja meine recht eigentliche Lieblingsneigung, in einem jeden Falle, wo es nur die Gelegenheit mit ſich bringt, die Geſetze ſelbſt vor Augen zu nehmen, und ſie zu erklaͤren, oder, um in dem Tone des neuen Civiliſten zu ſprechen, dieſelben zu exegeſiren, aus meinen Schriften erkannt hat, wird es mir gewiß glauben, wenn ich offenherzig geſtehe, daß es mir eine ungleich angenehmere Beſchaͤftigung geweſen waͤ - re, uͤber Herrn Prof. Hugo Lehrbuch und Chreſto - mathie des claſſiſchen Pandectenrechts zu commenti - ren; allein wie wenig ein Buch von der Art ſein Gluͤck je machen duͤrfte, mag eigene Erfahrung den Herrn Verfaſſer lehren. Geſchrieben Erlangen den 4. Maͤrz 1791.
Die Wirkungen eines Privilegiums ſind entweder all - gemeine, welche ſelbiges mit jedem andern Geſetz ge - mein hat, oder beſondere, welche in der beſondern Be - ſchaffenheit der Privilegien ihren Grund haben, und die dem Privilegirten durch daſſelbe ertheilte Befugniß, und die Grenzen der Ausuͤbung betreffen. Zu den Wir - kungen der erſtern Art gehoͤrt,
1) daß ein Privilegium erſt von der Zeit an gilt, da es ertheilet worden iſt. Es kann daher auf Hand - lungen, die ſchon vor der Ertheilung deſſelben geſchehen ſind, ſo wenig, als ein Geſetz, gezogen werden. (§. 21.) Denn die L 7 Cod. de Legib. redet ausdruͤcklich auch von Conſtitutionen, zu denen Privilegien unzweifelhaft gehoͤren. Man ſetze alſo, der Landesherr habe eine Hand - werkszunft errichtet, und dieſer das ausſchlieſſende[Pri - vilegium] ertheilet, eine gewiſſe Waare zu verfertigen, ſo muͤſſen ſich zwar von nun an alle derſelben enthalten, wel - che vorher, ſo lange es einem Jeden noch frey war, die - ſe Arbeit verfertiget haben1)Einer andern Meinung iſt zwar Leyſer Spec. VII. med. 5. allein D. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 2. Th. S. 109 ff. hat ihn gruͤndlich widerlegt., es kann ihnen jedoch nichtgeweh -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. A21. Buch. 4. Tit. §. 101.gewehret werden, die vor der Bekanntmachung des Pri - vilegiums verfertigte Waaren zu verkaufen. So wie in - deſſen ein jedes andere Geſetz, ad praeterita erſtrecket werden kann2)S. schaumburg in Diſſ. de natura privilegiorum, tam gra - tioſorum, quam conventional. (Ienae 1736.) §. 16. ziegler de Iur. Maieſtat[.]lib. II. cap. 15. §. 43., wenn es der Regent fuͤr gut findet, ſo iſt nun ſolches auch bey den Privilegien keinen Zweifel un - terworfen.
2) Ein Privilegium legt allen andern Unterthanen die negative Verbindlichkeit auf, demſelben nicht entge - gen zu handeln, noch den Privilegirten in der Ausuͤ - bung ſeines Privilegiums zu hindern. Soll jedoch dieſe Verbindungskraft ſtatt finden, ſo muß das Privilegium durch eine Inſinuation oder ſonſt gehoͤrig bekannt gemacht worden ſeyn3)hommel Rhapſod. Vol. IV. Obſ. 533. leyser Meditat. ad Pandect. Vol. XI. Supplem. Spec. V. obſ. XI. . Iſt dieſes geſchehen, welches auch durch den Privilegirten ſelbſt bewuͤrket werden kann, z. B. wenn der Buchhaͤndler das ihm wegen eines gewiſſen Verlags - werks verliehene Privilegium auf dem Titel des Buchs anzeigt, oder nach den Titelblatt ſelbſt abdrucken laͤßt, ſo kann nicht nur gegen Jeden, der auf ſolche Art Wiſ - ſenſchaft deſſelben erhalten hat, wegen einer Verletzung deſſelben geklagt werden4)boehmer in iure Digeſtor. h. t. §. 12. Das Rechtsmittel gegen den Stoͤhrer eines Privilegiums iſt in petitorio, die actio confeſſoria utilis, in poſſeſſorio das Interdictum uti poſſi - detis utile. Siehe Schmidts Lehrbuch von gerichtl. Kla - gen §. 471 ff. und §. 173. berger Oecon. iur. Lib. II. Tit. VI. §. 3. n. 3., ſondern es iſt auch eine jede Handlung fuͤr null und nichtig zu halten, welche gegendaſ -3de Conſtitutionibus Principum. daſſelbe unternommen worden iſt5)cap. 10. X. de elect. Hr. GJR. Boͤhmer in Princip. iuris canon. §. 221.. Selbſt ein richter - liches Erkenntniß iſt nichtig, wenn es dem ausdruͤcklichen Inhalt eines Privilegiums zuwider laͤuft, in ſo fern ſolches von dem Privilegirten im Gericht auf die gehoͤrige Art iſt produciret worden6)c. 21. X. de ſentent. enenckel de privilegiis iuris civilis lib. II. cap. VI. n. 14.. Gleichwie es jedoch von dem Willen des Geſetzgebers abhaͤngt, die allgemeine Ver - bindlichkeit eines Geſetzes in Anſehung eines und des an - dern einzuſchraͤnken, und eine Ausnahme von der Regel zu machen, ſo ſtehet ihm auch die Macht zu, die Wir - kung eines Privilegiums in Anſehung eines oder des an - dern dergeſtalt zu temperiren, daß gegen dieſen das Pri - vilegium nicht gebraucht werden, ſondern derſelbe von der Verbindlichkeit deſſelben befreyet ſeyn ſolle.
4) Privilegien gelten nur in dem Staat desjenigen Regenten, der ſolche verliehen hat. Denn ſie ſind ein Ausfluß der geſetzgebenden Gewalt, welche ihre Wirkung nicht auſſer dem Lande des Regenten aͤuſſern kann. Wenn demnach einer Akademie die peinliche Gerichtsbarkeit ver - moͤge eines Privilegiums zuſtehet, ſo kann zwar in dem Lande der peinliche Gerichtszwang einer ſolchen Univerſi - taͤt durch keine Praͤvention gehindert werden, allein auſ - ſer dem Territorium des Ertheilers iſt der Richter des fori deprehenſionis zur Auslieferung nicht verbunden, wenn derſelbe einen andern Territorialherrn, als die Aka - demie, hat7)S. Quiſtorp Grundſaͤtze des peinl. Rechts 2. Th. §. 584.. Fuͤr Fremde ſind alſo in der Regel Pri - vilegien nicht verbindlich, auſſer in ſo fern ſie in dem Lande des Ertheilers gegen den Privilegirten ihr Recht geltend zu machen ſuchen. So z. B. ſchuͤtzen landesherr -A 2liche41. Buch. 4. Tit. §. 101.liche Moratorien auch wider auswaͤrtige Glaͤubiger, wenn ſie den Schuldner im Lande belangen wollen8)S. Puͤtters Beytraͤge zum Staats - und Fuͤrſtenrecht I. Th. N. XV. Schnaubert Anfangsgr. des Staatsrechts der geſammten Reichslande § 267.. Bis - weilen machen es jedoch Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts noth - wendig, Privilegien auch auſſer dem Staat des Erthei - lers gelten zu laſſen. Dahin gehoͤren diejenigen, welche dem Privilegirten eine gewiſſe Wuͤrde, oder Charakter und Rang geben. Denn die von einem teutſchen Landes - herrn verliehene Wuͤrde und der damit verknuͤpfte Rang, wird bekanntermaßen auch auſſer ſeinem Lande, ſo wie der vom Kaiſer ertheilte Adel, ſelbſt auſſer dem Reiche anerkannt; ein gleiches gilt von akademiſchen Wuͤrden9)Hr. GJR. Puͤtter in den Beytraͤgen 1. Th. N. XI. §. 14. Hofr. Schnaubert in dem angef. Buch §. 272. und Mich. God. wernher lectiſſim. Commentat. ad Digeſta P. I. h. t. §. 3..
Aus der Natur des Privilegiums hingegen folgt,
1) daß der Privilegirte ſich deſſelben bedienen koͤn - ne, ſo weit es ihm verliehen worden iſt. Der Inhalt des Privilegiums, und deſſen richtige Auslegung beſtimmt alſo die Befugniß des Privilegirten10)Zuweilen wird ein Privilegium nach dem Beyſpiel und In - halt eines andern ſchon vorhandenen Privilegiums ertheilet; ein ſolches wird privilegium ad inſtar genennt; man ſehe z. B. L[.]7. C[.]de Advocat. div. iudic. L. un. Cod. de privileg. urb. Conſtantin. Cap. 2. de privil. in 6to. Hier muß der Um - fang und die Wirkung des Privilegiums nach dem privile - gio exemplari beurtheilt werden. S. Chriſtoph Adam Rinder Diſſ. de privilegiis ad inſtar. Altorf. 1714.. Jedoch darf auch
2) das5de Conſtitutionibus Principum.2) das Privilegium dem ſchon vorher erworbenen Recht eines Dritten keinen Eintrag thun, denn ein Pri - vilegium iſt allemal zu verſtehen, ſalvo iure tertii cuiuscunque quaeſito11)L. 2. §. 16. D. ne quid in loco publico. L. 4. Cod[.]de emancipat. — nec in cuiusquam iniuriam beneficia tribuere, moris eſt. So ſollen auch nach der neueſten Wahlcap. art. 15. §. 3. die contra ius tertii, und ehe derſelbe daruͤber vernommen, ſub - et obreptitie erhaltene privilegia caſſirt wer - den. Dem ungeachtet aber giebt es doch Privilegien, die ohne Nachtheil anderer dritter Perſonen nicht denkbar ſind. Ein Beyſpiel geben die Moratorien, die privilegia de non ap - pellando, das Reichsritterſchaftliche Retractsrecht, u. d. m. Es laͤßt ſich indeſſen dieſes ſonderbare Phaͤnomen gar leicht erklaͤren, wenn man erwaͤgt, daß nur allein die gemeine Wohlfahrt oder ſonſt die hoͤchſte Billigkeit der - gleichen Privilegien-Ertheilung zu rechtfertigen vermoͤge. Daß jedoch auch alsdann noch erſt die Intereſſenten dar - uͤber gehoͤret werden muͤſſen, iſt allerdings zu behaupten. S. Hrn. Geh. R. Gerſtlachers Corpus iuris germanici oder Abhandlung von den Geſetzen, Ordnungen, Friedensſchluͤſ - ſen, ꝛc. des teutſchen Reichs IV. Band (Stuttgart 1789.) S. 367 u. ff.. Ob nun gleich
3) die Wirkung eines Privilegiums ſich nicht ſo weit erſtreckt, daß der Privilegirte andere, denen ein gleiches Privilegium verliehen worden iſt, von dem Ge - brauch deſſelben ausſchlieſſen koͤnne, weil der Regent mehreren einerley Privilegien ertheilen kann, (§. 104.) ſo ſtehet doch dem Privilegirten ohne Zweifel ein Ver - bietungsrecht zu, vermoͤge deſſen er alle und jede, welche nicht das naͤmliche Privilegium haben, das ihm ertheilet iſt, von der Anmaßung einer ſolchen Befugniß, als dem Privilegirten zuſtehet, ausſchlieſſen kann12)Hr. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrger - lichen Rechts 2. Th. S. 113. und Hofr. hartleben in Me - ditat. ad Pandect. Spec. XII. med. 4.. Endlich
A 34) daß61. Buch. 4. Tit. §. 101.4) daß der Privilegirte, wenn er ſelbſt keinen Ge - brauch von der ihm durch ſein Privilegium verliehenen Gerechtſame machen will, ſolche einen andern pachtweiſe uͤberlaſſen koͤnne, hat wohl an ſich keinen Zweifel. Es koͤnnen ſogar perſoͤnliche Privilegien verpachtet werden13)leyser Meditat. ad Pandect. Specim. X. med. 2., weil dadurch nicht das Recht des Privilegiums ſelbſt dem Paͤchter abgetreten, ſondern ihm nur die Ausuͤbung deſ - ſelben uͤberlaſſen wird14)wasmuth in Diſſ. de privilegiorum natura generatim, et in ſpecie de modis, quibus finiuntur vel amittuntur Cap. I. §. 17.. Allein eine andere Frage iſt, ob auch das Recht des Privilegiums ſelbſt einem andern dergeſtalt cediret werden koͤnne, daß es in der Per - ſon des Privilegirten, oder auf der Sache deſſelben gaͤnz - lich aufhoͤre, und auf die Perſon oder Sache des Ceßio - nars uͤbergehe? Mich duͤnkt, daß dieſe Frage zu vernei - nen ſey. Denn iſt das Privilegium ganz perſonell, ſo laͤßt ſich ſolches von der Perſon, welcher es verliehen worden iſt, nicht trennen15)voet. in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 13. W. V. wiese in Diſſ. de iuribus ex ceſſione tam valida quam invalida. (Roſt. 1780.) §. 10., zumal wenn es einen ge - wiſſen Zuſtand derſelben zum Grunde hat, wie z. B. das privilegium aetatis, privilegium miſerabilium perſo - narum, u. ſ. m. Hierher gehoͤrt die Stelle des Paulus16)L. 68. D. de Reg. Iur. aus deſſelben libro ſing. de dotis repetitione: in omnibus cauſis id obſervatur, ut ubi perſonae conditio locum facit beneficio, ibi, deficiente ea, beneficium quoque deficiat. Es kommt nicht darauf an, ob das perſoͤnliche Privilegium auf die Erben gehe, oder nicht, denn die Regel, quidquid poteſt ad heredes transmitti, illud quoqueeſt7de Conſtitutionibus Principum. eſt ceſſibile, findet nicht ohne allen Unterſchied ſtatt, wie man z. B. ſchon daraus ſiehet, weil der Adel auf die eheliche Deßcendenz fortgepflanzt wird, und dennoch nicht cediret werden kann. Iſt indeſſen ein Privilegium ſo perſonell, daß es nicht einmal auf die Erben gehet, ſo hilft es auch dem Ceßionar nichts, wenn er ſich gleich von dem Cedenten eine Vollmacht geben lieſſe, und auf ſolche Art das ihm abgetretene Recht in des Cedenten Namen, als procurator in rem ſuam, geltend machen wollte17)L. 42. D. de adminiſtr. et peric tut. et curat. lauter - bach in Colleg. Th. Pract. Pandect. Lib. XVIII. Tit. IV. §. 56 ff. hertius in Diſſ. de tranſitione privilegii perſonalis ad alios §. 13. Opuſc. Vol. I. T. III. p. 31. Einer andern Meinung iſt jedoch wasmuth in Diſſ. de privilegior. natu - ra etc. §. XIV. ff..
Wenn nun aber das Privilegium ohne Ruͤckſicht der Perſon, lediglich mit einer gewiſſen Sache oder For - derung, an welcher daſſelbe klebt, verknuͤpft iſt, ſo ge - het zwar ſolches mit der Sache oder Klage auf einen jeden andern, welchem dieſelbe uͤberlaſſen und abgetreten wird18)L. 68. D. de Reg. iur. verb. ubi vero genus actio - nis etc. L. 1. §. 43. D. de aqua quotid. ; aber von der Sache ſelbſt kann es dennoch nicht getrennt, noch durch Ceſſion auf eine andere Sa - che gebracht werden, weil dieſes gegen den Begrif eines Real-Privilegiums ſtreiten wuͤrde. Denn ſolches kommt blos dem Beſitzer der privilegirten Sache zu, und erreicht nur mit der gaͤnzlichen Zerſtoͤrung derſelben ſeine End - ſchaft19)hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 93. n. I. .
Da die hier zuerſt vom Verf. vorgetragene Einthei - lung der Privilegien in guͤnſtige und unguͤnſtige ſchon oben vorgekommen20)S. im 1. Th. §. 98. S. 538. f.; ſo will ich hier nur noch bemerken, daß die Meinung derjenigen, welche dieſe Ein - theilung verwerfen, und entweder alle Privilegien fuͤr ver - haßt21)loͤhlein Progr. privilegia titulo oneroſo etiam extraneo quaeſita revocari poſſe. , oder alle fuͤr favorabel halten wollen22)S. Obſervationes Halenſes T. III. Obſ. 15., offen - bar irrig, und ſchon von andern widerlegt worden ſey23)hartleben in Meditat. ad Pandect. Specim. XII. med. 2. Laz. Car. woelker in Diſſ. de privilegiis odioſis et poena - libus. Altorf. 1718. Die Bodenſche oder Beckmann - ſche Diſſertat. iſt ſchon oben 1. Th. S. 539. Not. 21. ange - fuͤhret worden..
Ferner werden die Privilegien in conventionel - le und grazioͤſe eingetheilt, je nachdem dieſelben ent - weder durch einen ordentlich verabredeten Vertrag, oder ohne einem ſolchen durch die bloſe Gnade des Regenten erworben worden ſind24)Io. Gottfried schaumburg Diſſ. de natura privilegiorum tam gratioſorum quam conventionalium. Ienae 1736.. Sind Privilegien der erſtern Art unentgeldlich ertheilt worden, ſo werden ſie gratuita genennt, iſt aber pacisciret worden, daß der Privilegirte gegen Bezahlung einer beſtimmten Summe, oder gegen ein anderes Aequivalent das Privilegium erhalten ſolle, ſo[heißt] das unter einem ſolchen titulo oneroſo ertheilte Privilegium ein conventionale oneroſum25)Nicht eine jede Abgabe, die ein Privilegiatus fuͤr das er - haltene Privilegium zahlt, macht ſolches ſofort zu einem con -ven -.
End -9de Conftitutionibus Principum.Endlich pflegt man die Privilegien auch noch in affirmative und negative einzutheilen. Erſtere werden diejenigen genennt, wodurch dem Privilegirten eine beſondere Gerechtſame, z. B. Monopo - lium, Gerichtsbarkeit, iſt verliehen worden. Letztere aber ſind ſolche, wodurch eine Befreyung von gewiſſen Verbindlichkeiten (Steuerfreyheit), oder ein Aufſchub in Anſehung derſelben (Moratorium oder Anſtandsbrief) bewirkt werden ſoll26)Hofr. Schnaubert in den Anfangsgr. des Territorial - Staatsrechts §. 262. S. 173. f..
Das Recht, Privilegien zu ertheilen, iſt ein Stuͤck der geſetzgebenden Gewalt. Es kann alſo eigentlich nur der Regent im Staat, welchem die geſetzgebende Gewalt zuſtehet, Privilegien verleihen27)Andr. Flor. rivini Diſſ. de principali beneficio in conce - dendis privilegiis. Vitemb. 1754.. Sehen wir jedoch auf die heutige Verfaſſung unſers teutſchen Reichs, ſo werden wir in Betref des Rechts Privilegien zu ertheilen, die in ganz Teutſchland gelten ſollen, etwas auſſerordentliches gewahr, was ſich mit jener Regel ſo wenig, als mit der Grundverfaſſung des teutſchen Staats - koͤrpers vereinbaren laͤßt. Denn wenn gleich vermoͤge derſelben der Kaiſer ohne Zuthun der Staͤnde des Reichs ſonſt keine geſetzgebende Gewalt ausuͤben darf, ſo ſtehetA 5ihm25)ventionali oneroſo, wenn ſelbige in gar keinem Verhaͤltniß mit den Vortheilen ſtehet, die ſich der Privilegirte von dem Privilegium zu verſprechen hatte. Siehe Sam. stryck Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo quaeſitis. Halae 1704.101. Buch. 4. Tit. §. 103.ihm doch das Recht, Privilegien zu ertheilen, welche im ganzen Reiche gelten, als ein beſonderes Reſervat zu28)Moſer teutſches Staatsrecht IV. Th. Kap. 56. von Guͤnderrode Abhandl. des teutſchen Staatsrechts III. Buch 7. Kap. Carl Fried. Gerſtlacher Corp. iur. germ. publici et priv. oder Abhandl. von Geſetzen ꝛc. des teutſchen Reichs IV. Band 9. Kap. pūtter Inſtitut. iur. publici §. 224.. Indeſſen ſind dem Kaiſer auch hierin durch die Wahl-Capitulation allerhand Einſchraͤnkungen geſetzt worden, welche aber, wenigſtens nicht uͤberall, befolget zu werden pflegen. Die weitere Eroͤrterung liegt hier auſ - ſer meiner Sphaͤre. Jedoch habe ich hier noch zweyerley zu bemerken; I) daß der Werth eines aus kaiſerlicher Verguͤnſtigung erlangten Rechts nicht ſowohl nach der heutigen Beſchaffenheit der kaiſerlichen Gewalt, als nach der Zeit, da das Recht verliehen worden, zu beurtheilen ſey. Daher ſind aͤltere kaiſerliche Privilegien, anfangs innerhalb der Grenzen der kaiſerlichen Machtvollkommen - heit ertheilt, auch noch jetzt ordentlicher Weiſe guͤltig, wenn gleich neuere Geſetze die kaiſerliche Gewalt ſeitdem mehr eingeſchraͤnkt, oder wenigſtens vorjetzo, ob der Kai - ſer ſolche Rechte annoch zu verleihen befugt ſey, gezwei - felt werden koͤnnte29)S. Hrn. GJR. Puͤtters auserleſene Rechtsfaͤlle. 2. Ban - des 3. Th. Reſp. CCXXVI. n. 116. S. 803. lochner Select. iuris univerſi P. I. pag. 37. f. f. Ge. Erasm. kobes Diſſ. de effectu hodierno privilegiorum aevi antiquioris ad il - luſtr. art. VIII. §. 21. Capit. Caeſar. Altorf. 1766.. II) Da die Ausuͤbung und Wir - kung kaiſerlicher Privilegien, die vom Kaiſer Mittelbaren ertheilet worden ſind, der Landeshoheit ſubordinirt iſt, ſo kann und darf von einem kaiſerlichen Privilegium nicht eher Gebrauch im Lande gemacht werden, als wenn dem Landesherrn, falls er ſolches verlangt, eine Anzeige da -von11de Conſtitutionibus Principum. von gemacht, und daſſelbe von ihm anerkannt, oder gar beſtaͤttiget worden iſt. Denn kein kaiſerliches Privile - gium darf zur Schmaͤlerung oder zum Nachtheil der Lan - deshoheit und Landesverfaſſung gereichen30)Wahlkap. Art. I. §. 9. VII. 4. XXII. 5. Schnaubert Anfangsgruͤnde des Territorial-Staatsrechts §. 263..
Ob bey erledigten Kaiſerthron auch die Reichs - Vikarien in gleicher Maaße, wie der Kaiſer, Privi - legien ertheilen koͤnnen, iſt zwar in dem bekannten Reichs - geſetz, worin die Grundlage der Vikariats-Gerechtſame ruhet,31)Gold. Bulle Tit. V. nicht deutlich entſchieden; indeſſen, da man h. z. T. auſſer jenem Geſetz, und was aus demſelben durch eine gerechte Schlußfolge hergeleitet werden kann, auch ein geſetzmaͤſiges Herkommen als rechtliche Norm zu Beurtheilung der Reichs - Vikariats-Gerechtſame gelten laͤßt,32)S. Kurzgefaßte Eroͤrterung einiger Staatsrechts-Fragen, die Reichsvikariate betreffend. Frankf. und Leipz. 1790. 8. N. I. Welches iſt die rechtliche Norm, wornach die Reichsvikariats-Gerechtſame zu beurthei - len ſind? ſo kann wenigſtens aus dieſem Grunde den Reichs - Vikarien jenes Recht nicht abgeſtritten werden. 33)S. griebner de iuribus Vicarior. Imp. illis in primis, quae perperam a nonnullis in dubium vocantur, in ſelect. Opuſc. iuris publici T. II. Sect. I. §. 29. ſqq. Lib. Bar. a. wern - her ſelect. Obſervat. forens. Tom. I. P. III. Obſ. 116. n. 361. ff. S. 601. f. pūtter Inſtitut. iur. publ. germ. §. 465. Gerſtlacher Corp. I. P. et P. a. a. O. S. 372. und Ano - nymi Tractat. de Sereniſſim. Imp. Vicariis eorumque iuribus, ex legibus fundamental. et hiſtoria Imp. confectus. 1790. 8. §. 8.Es fehlt daher nicht an Beyſpielen, daß die Reichs. Vika - rien Univerſitaͤten beſtaͤtiget, Standes-Erhebungen er -theilet,121. Buch. 4. Tit. §. 103.theilet, Titulaturen gegeben, kaiſerliche Hofpfalzgrafen, Doctoren und Notarien gemacht, Privilegia impreſſo - ria ertheilet, Minderjaͤhrigen die Rechte der Volljaͤhrig - keit (veniam aetatis) gegeben, ehrloſe fuͤr ehrlich erklaͤrt, und uneheliche legitimiret haben. 34)spener Iure publ. Th. 6. S. 57. Moſer von kaiſerlichen Regierungs-Rechten S. 830. f. und in der Nachleſe zum Compend. iuris. publici pag. 208. auch im Staatsrecht Th. VIII. S. 50. ff. Vorzuͤglich aber vergleiche man hier des Herrn Rath Joſ. Edlen von Sartori Reichs-Vicariatiſches Staats-Recht (Augsburg 1790. 8.) Kap. 3. §. 87 — 93. und Kap. 7. §. 134. u. 144.In den einzelnen Reichslanden kann jeder Reichsſtand vermoͤge der Landes - hoheit ſeinen Unterthanen Privilegien ertheilen,35)Inſtr. Pac. Osnabr. Art. VIII. §. 1. und zwar iſt der Landesherr bey der Ausuͤbung dieſes Rechts ordentlicher Weiſe durch die Concurrenz der Landſtaͤnde nicht eingeſchraͤnkt, es waͤre denn, daß das Object des Privilegiums ſo beſchaffen, daß dabey, vermoͤge der Lan - desverfaſſung der ſtaͤndiſche Conſens erfordert werde. 36)Moſer von der Landeshoheit in Gnaden-Sachen Kap. 9. §. 5.
Dahingegen koͤnnen nun alle diejenigen, welchen keine Landeshoheit, mithin auch keine geſetzgebende Gewalt zu - ſtehet, keine Privilegien ertheilen. Hierher gehoͤren I) Erbprinzen; das Privilegien eines Erbprinzen kann wenigſtens fuͤr die Zeit, wo er noch nicht zur Re - gierung gelangt, nicht gelten, ob es gleich denſelben in der Folge, nachdem er zur Regierung gekommen, ver - bindet, inſoferne nur derſelbe zur Zeit der Verleihung ſchon im Stande geweſen iſt, ſich vermittelſt eines Ver - trags verbindlich zu machen;37)leyser Meditat. ad Pandect. Specim. X. med. 10. was - muth in der oben angefuͤhrten Diſſertation §. VI. II) apanagirteHerrn;13de Conſtitutionibus Principum. Herrn; III) unmittelbare Glieder des Reichs, die kei - ne Reichsſtaͤnde ſind; und IV) mittelbare Obrigkeiten und hohe Landes-Collegien, in ſo - weit ihnen nicht etwa das Recht, ein geringes und nicht viel bedeutendes Privilegium zu ertheilen, z. E. die Er - gaͤnzung der Volljaͤhrigkeit, ausdruͤcklich verliehen wor - den waͤre.
Noch kann die Frage entſtehen, ob ein Landesherr an einem Orte, wo er bereits einem ein gewiſſes Privi - legium, z. B. das Privilegium der Gaſtgerechtigkeit ge - geben, einem andern ebenfalls ein ſolches Privilegium zu ertheilen, und alſo noch einen zweyten Gaſthof neben dem erſten errichten zu laſſen, befugt ſey? 38)Ueber dieſe Frage findet ſich ein Erlangiſches Fakultaͤtsurtel in dem neuen Leipziger Magazin fuͤr Rechtsge - lehrte herausgegeben von C. A. Guͤnther und C. F. Ot - to auf das Jahr 1786. 2. St. N. V. S. 165. ff. in wel - chem dieſelbe bejahend entſchieden worden iſt.Die Rechtsgelehrten ſind desfalls nicht einerley Meinung;39)Man vergleiche hier hartleben Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. XII. med. 4. und wasmuth cit. Diſſ. §. X. mich duͤnkt jedoch, daß die bejahende Meinung unſers Herrn Verfaſſers keinen gegruͤndeten Zweifel unterwor - fen ſey. Denn unmoͤglich kann in einem zweifelhaften Fall angenommen werden, daß ſich der Landesherr durch die Ertheilung eines Privilegiums in ſeinen Hoheitsrech - ten habe einſchraͤnken und die Haͤnde binden wollen;40)leyser in meditat. ad Pandect. Vol. I. ſpec. X. med. 4. ſagt: Tunc enim, cum privilegium quoddam maieſtati principis,autmit -141. Buch. 4. Tit. §. 104.mithin iſt kein Privilegium im Zweifel ausſchlieſſend zu verſtehen,41)S. Conſil. ICtor. Halenſ. T. II. lib. II. Conſ. 105. n. 4. 10. wenn nicht entweder der Landesherr ſich hierzu durch einen Vertrag ausdruͤcklich verbindlich ge - macht, daß er ſich ſeines Rechts, andern Einwohnern deſſelbigen Orts ein aͤhnliches Privilegium zu ertheilen, kuͤnftig nicht weiter bedienen wolle, oder das verliehene Privilegium ſchon ſeiner Natur nach ausſchlieſſend und ſo beſchaffen waͤre, daß es durch ein anderes aͤhn - liches Privilegium vereitelt werden wuͤrde. Denn durch das Privilegium ſoll ja der Privilegirte weiter nichts er - langen, als in gewiſſer Ruͤckſicht nicht nach dem gemei - nen Recht beurtheilt zu werden. Bleibt ihm dieſer Vor - theil ungekraͤnkt, ſo hindert dem Landesherrn, einem andern ein gleiches Privilegium zu ertheilen, ſonſt nichts, als ſein ausdruͤckliches Verſprechen. Wie wenn ich aber in einer Sache, die vorher jedem frey war, ein Privile - gium bekomme, iſt dieſes nicht als ein excluſivum zu zu betrachten? Nein, auch denn nicht, wenn gleich dem Privilegium die Clauſel ausdruͤcklich waͤre einverleibt wor - den, daß ſonſt niemand an demſelbigen Ort eines ſolchen Rechts z. B. eines Gaſtungs und Her - bergsrechts, ſich anmaßen ſolle; indem dieſe Stelle offenbar nur den Sinn hat, daß kein anderer, nicht eben ſo privilegirter Einwohner des Orts ſich eigenmaͤchtig je - nem Privilegium zuwider unterfangen ſolle, Gaſtwirth - ſchaft zu treiben; keinesweges aber kann ſie ſo ausgelegt werden, daß der Privilegirte hierdurch ein privilegium excluſivum haben, und auſſer ihm niemand ein aͤhnli - ches Gaſthofs-Privilegium bekommen ſolle. Es kommtauch40)aut iuribus regalibus nocere videtur, quantum fieri poteſt, re - ſtringendum eſt Accedit, quod nemo privatus, nedum Prin - ceps, facultati ſibi competenti renunciaſſe praeſumatur. 15de Conſtitutionibus Principum. auch nicht einmal in einigen Betracht, wenn durch die Ertheilung eines neuen aͤhnlichen Privilegiums demjeni - gen, der ſchon ein aͤlteres an dem Orte hat, einiger Ge - winnſt entzogen werden ſollte. Denn da der Landesherr in einem ſolchen Fall ſich ſeines Rechts bedient, ſo thut er ihm nicht unrecht42)Nemini enim iniuriam facit, qui ſuo iure utitur, L. 55. D. de Reg. Iuris. leyser a. a. O. und hartleben a. a. O..
Es iſt ferner in der Lehre von Privilegien eine Fra - ge von praktiſcher Wichtigkeit, was Rechtens ſey, wenn mehrere privilegirte Perſonen mit einan - der concurriren, welche um ſo mehr naͤhere Eroͤrte - rung verdient, je leichter man hierin durch Mißverſtand der Geſetze irre gefuͤhrt werden kann. Die Rechtslehrer pflegen hier als Regel feſtzuſetzen, daß, wenn mehre - re privilegirte Perſonen mit einander con - curriren, dieſelben nicht nach Maaßgabe ih - rer Privilegien, ſondern nach gemeinem Rechte muͤſſen beurtheilet werden43)Privilegiatus contra privilegiatum non ſuo privilegio, ſed iure communi utitur. . Allein pruͤft man dieſen Satz nach den Geſetzen, ſo findet man, daß er ſein Daſeyn nicht geſetzlicher Beſtimmung, ſon - dern blos dem Irrthum der Rechtslehrer verdankt, der geſetzlichen Entſcheidung aber dergeſtalt zuwider laͤuft, daß vermoͤge derſelben vielmehr der entgegen ſtehende Satz: daß ein Privilegirter gegen den andern nach ſeinem Privilegio allerdings zu beurtheilen ſey, wonicht161. Buch. 4. Tit. §. 105.nicht wegen einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit eine Ausnahme von der Regel ſtatt findet, angenommen werden muͤſſe44)Die beyden neueſten Schriften uͤber dieſe Materie, die ich vorzuͤglich empfehlen kann, ſind Io. Siegfr. wientzek Com - mentat. de vero ſenſu L. 11. §. 6. et 7. et L. 12. π. de minorib. iuncto examine regulae: privilegiatus contra privile - giatum non utitur iure ſuo. Uratislaviae 1778. 4. und Joa - chim Heinrich Chriſtian Luͤders naͤhere Betrachtung der Lehre von der Concurrenz mehrerer Privilegien; im Nieder - ſaͤchſiſchen Archiv fuͤr Jurisprudenz und iu - riſtiſche Litteratur, herausgegeben von D. J. C. Kop - pe. 2. Band (Leipzig 1788.) N. 34. S. 485 — 495.. Zwar pflegt zur Beſtaͤtigung jener gemeinen Regel die Stelle aus Ulpian lib. 11. ad Edi - ctum45)L. 11. §. 6. D. de minorib. Item quaeritur, ſi minor ad - verſus minorem reſtitui deſiderat, an ſit audiendus? Et Pom - ponius ſimpliciter ſcribit, non reſtituendum. Puto autem in - ſpiciendum a Praetore, quis captus ſit. Proinde ſi ambo cap - ti ſunt, verbi gratia minor minori pecuniam dedit, et ille per - didit: melior eſt cauſa ſecundum Pomponium eius, qui acce - pit, et (vel) dilapidavit, vel perdidit. angefuͤhrt zu werden, in welcher dieſer roͤmiſche Juriſt die Frage aufwirft, ob ein Minderjaͤhriger gegen einen andern Minderjaͤhrigen von der Rechtswohlthat der Reſtitution Ge - brauch machen koͤnne? und weil Pomponius, deſ - ſen Meinung Ulpian hier zuerſt anfuͤhrt, dieſes ſchlecht - weg verneint, ſo glaubt man daraus folgern zu koͤnnen, daß, ſo wie in einem ſolchen Colliſionsfall die Reſtitution nicht in Anwendung komme, es in aͤhnlichen Faͤllen auch in Anſehung der uͤbrigen Privilegien wenigſtens in der Regel eben ſo gehalten werden muͤſſe; wenn nicht et - wa der hier von Ulpian angegebene Fall, den ſie nur als Ausnahme von der Regel gelten laſſen, eintrete;daß17de Conſtitutionibus Principum. daß naͤmlich der eine Privilegirte bey dem im Streit be - fangenen Geſchaͤfte Vortheil zu erlangen der andere aber Schaden abzuwenden trachte. Allein bey naͤherer Pruͤfung des gedachten Fragments zeigt ſich deutlich ge - nug, daß es ſo wenig dem Ulpian als dem Pomponius eingefallen, die unterbleibende Anwendung der Privilegien im Colliſionsfall zur Regel zu machen, vielmehr erklaͤrt ſich erſter ausdruͤcklich dahin, daß ſtets das Privilegium der einen Parthey in Ausuͤbung kommen muͤſſe, und zwar derjenigen, die aus dem Geſchaͤft Schaden erlitten; und ſelbſt in dem Fall, wenn beyde Partheyen durch Aus - uͤbung ihrer Rechtswohlthat Schaden von ſich abzuwen - den ſuchen, alſo beyde in pari cauſa ſich befinden, ſtim - men Ulpian und Pomponius darin uͤberein, daß ſodann der Minderjaͤhrige in den vorigen Stand zu ſe - tzen ſey, der etwas von dem andern empfangen, ohne es zu ſeinem Nutzen zu verwenden46)Man glaubt zwar, nach der gewoͤhnlichen Vorſtellungsart, daß in dem Fall, ſi ambo capti ſunt, keiner von beiden reſti - tuirt werden koͤnne. Selbſt Cujaz dachte ſo, welcher daher in Comment. ad Tit. Dig. de minoribus Tom. II. Operum (Ha - noviae 1602.) S. 169 ſich folgendermaßen erklaͤrt: Si uter - que captus ſit, ceſſant Praetoris partes, et vero ſi minor mi - nori crediderit, et is pecuniam ſtatim perdiderit, ſatius eſt, rem[a] Praetore intactam relinqui, ne dum vult uni ſubvenire, in alterum iniurius eſſe videatur: quoniam et is, qui accepit, captus eſt propterea, quod pecuniam amiſit, et is, qui dedit, propter exceptionem aetatis. Quare neutri reſtitutione data, melior erit cauſa eius, qui accepit, et conſumſit. Allein ſchon Anton Faber erinnerte dagegen in ſeinen Rationalibus ad Pandect. ad L. 11. §. 6. D. de minorib. ſehr gruͤndlich: male dici in hoc caſu, a praetore rem intactam relinqui: nam non poteſt fieri, ſagt er, ut non teneatur is, qui pecuniam accepit,licet.
UmGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. B181. Buch. 4. Tit. §. 105.Um jedoch nun zur Beſtimmung derjenigen Grund - ſaͤtze, aus welchen die Concurrenz der Privilegien zu be - urtheilen iſt, naͤher zu ſchreiten, ſo wird es, um allen Mißverſtand zu vermeiden, noͤthig ſeyn, die ſpeciellen, oder eigentlich ſo genannte Privilegien, von den ge - nerellen oder den beſondern Rechten zu unter - ſcheiden. Wenn demnach der Landesherr mehrern Indi - viduen gleiche Privilegien ertheilet hat, ſo ſind es entwe - der ſolche, die neben einander ausgeuͤbt werden koͤnnen, ohne ſich in ihrer Anwendung hinderlich zu ſeyn, oder es ſind die Privilegien von der Art, daß die Ausuͤbung des einen Privilegiums mit der Ausuͤbung des andern nicht beſtehen kann. Im erſtern Fall verbleiben beyde Privilegien in ihrer Kraft, und kann kein ius commune eintreten. Keiner der Privilegirten kann und darf in dieſem Fall den andern, der ein gleiches Privilegium hat, verhindern, ſich deſſelben zu bedienen. Geſetzt alſo, Ca - jus hat in einer Stadt das Recht erlangt, eine Apotheke zu halten, Titius erhaͤlt hierauf ein gleiches Privilegium. Hier ſind beyde Privilegien von der Art, daß ſie ſich in ihrer Ausuͤbung nicht im Wege ſtehen, folglich bleiben ſie beyde in ihrer Kraft, und keiner kann dem andern die rechtmaͤſige Ausuͤbung ſeines Privilegiums verwehren. Wenn nun aber, welches der andere Fall iſt, unter meh -rern46)licet eam conſumſerit, ſi non ei ſuccurratur per reſtitutionem. Wem ſonſt, als ſeiner Reſtitutionswohlthat hat es alſo in dieſem Fall der minderjaͤhrige Beklagte zu verdanken, daß er von der Verbindlichkeit, das empfangene Geld zu erſtat - ten, frey iſt? Denn nach dem ſtrengen Recht muͤßte er al - lerdings bezahlen. L. 43. D. de Obligat. et Action. L. 101. D. de Verb. Obligat. S. Io. Guil. marckart Interpretat. receptarum iuris civ. lectionum Lib. I. cap. 21. Marc. lyck - lama à nyholt Membranar. lib. VII. Eclog. 15. und Frid. behmer novum Ius Controverſ. Tom. I. Obſ. 47. S. 313. ff.19de Conſtitutionibus Principum. rern Privilegien eine wirkliche Colliſion eintritt, ſo daß die Ausuͤbung des einen nicht ohne Abbruch des an - dern geſchehen kann, z. B. der Fuͤrſt hat dem A. ein Monopolium in ſeinem Lande ertheilet, eben dieſes hat er auch an B. verliehen, ſo hat man in einem ſolchen Fall darauf zu ſehen, ob das eine Privilegium aͤlter als das andere iſt, oder ob die collidirenden Privilegien zu glei - cher Zeit ertheilet worden, und alſo von gleichem Alter ſind. Iſt erſteres, ſo ſtehet die Regel feſt, daß das juͤngere Privilegium dem aͤltern weichen muß47)leyser Medit. ad Pand. Spec. X. med. 11. hommel Rha - pſodia Quaeſtion. Forenſ. Vol III. Obſ. 469. S. 104. An - derer Meinung ſind Gebb. Chriſt. bastineller in Diſſ. de eo, quod iuſtum eſt in privilegiorum colliſione. (Vitemb. 1727.) §. XIII. und Hr. Geh. R. Nettelbladt in Syſtem. elem. iurisprud. poſit. Germ. commun. general. §. 483. Allein die Regel: lex poſterior derogat priori, findet aus den oben an - gefuͤhrten Gruͤnden bey Colliſion der Privilegien keine An - wendung. Vielmehr heißt es hier: poſterius privilegium prio - ri contrarium pro ſubreptitio habendum. cap. 1. de conſtitut. in 6to. . Denn die Verleihung des juͤngern gereicht hier offenbar zum Nachtheil des aͤltern, da doch bey Er - theilung eines jeden Privilegiums die ſtillſchweigende Clau - ſel: ſalvo iure tertii zum Grunde liegt48)L. 7. C. de precib. imp. offerend. . Auch die Geſetzgeber ſelbſt geſtehen ausdruͤcklich, quod Principi in cuiusquam iniuriam beneficia tribuere moris non ſit49)L. 4. Cod. de Emancip. Ja es fehlt nicht an deutlichen Geſetzen, wel - che auch bey Colliſion gleicher Privilegien die Regel an - nehmen, daß der Vorzug der Zeit den Vorzug des Rechts beſtimme50)Nov. XCI. cap. 1. Cap. 19. X. de praeſcript. Cap. 54. de Reg. Iur. in 6to. . Jedoch leidet dieſes billig eineB 2Aus -201. Buch. 4. Tit. §. 105.Ausnahme, wenn das aͤltere Privilegium nur auf eine widerrufliche Art waͤre verliehen worden, in wel - chem Fall alsdann daſſelbe durch die Ertheilung des neuern fuͤr aufgehoben gehalten werden muß. Im zwey - ten, aber faſt undenkbaren, Fall, wenn beyde Privile - gien zu gleicher Zeit ertheilet worden, wuͤrde kein Grund vorhanden ſeyn, weshalb einer dem andern die Ausuͤbung ſeines Privilegiums verwehren koͤnnte, vielmehr muͤſſen ſodann beyde Theile gegen einander nach gemeinem Rech - te beurtheilet werden; das heißt hier, ſie bedienen ſich bey - de ihres Privilegiums in ſo fern, daß ſie ſich zwar einan - der nicht, aber doch alle andern von eben dem Rechte ausſchlieſſen. Koͤnnen die Partheyen ſich hieruͤber in Guͤte nicht vereinigen; ſo thun ſie, ſtatt einen Proceß deßhalb anzufangen, beſſer, wenn ſie ſich ſupplicirend an den Landesherrn unmittelbar wenden, und um hoͤchſte Be - ſtimmung, wie es bey vorwaltender Colliſion mit der Ausuͤbung ihrer Privilegien gehalten werden ſolle, an - ſuchen50)Richtig ſchreibt daher bastineller a. a. O. §. 16. Haec (ſe quomodo privilegiorum colliſio tollenda vel temperanda) cum ad curam et officium Principis pertineant, conſequitur, Principem hac de cauſa duntaxat adeundum eſſe ſuppliciter, non litem intendi oportere privatam privilegio, iuſte in exer - citio ſuo collidenti. .
Ich ſchreite nun zu der Lehre von der Concurrenz der ſogenannten beſondern Rechte, wohin z. B. die Rechte der Minderjaͤhrigen, Kirchen, Frauensperſonen, u. ſ. w. gehoͤren51)S. hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 8.. Auch hier koͤnnen wir zur Regel annehmen, daß derjenige, welchem ein beſonderes Recht zuſtehet, ſich deſſelben gegen den andern, der eineglei -21de Conſtitutionibus Principum. gleiche Rechtswohlthat zu genieſſen hat, bedienen koͤn - ne, ſo lange nicht der Fall eintritt, daß ſolches wegen einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit nicht geſchehen kann. Wir wollen jedoch die hierher gehoͤrigen einzelen Faͤlle noch genauer entwickeln. Wenn iura ſingularia mit ein - ander concurriren, ſo kommt es zufoͤrderſt darauf an, ob ſie ſo beſchaffen, daß ſie einander in ihrer Anwendung nicht hin - derlich ſind, weil nur eine Parthey in dem Fall ſich befindet, wo ihr ein beſonderes Recht nach den Geſetzen zuſtehet, die andere aber nicht; oder ob ſie wirklich mit einander collidi - ren, d. i. ob ſie ſo beſchaffen ſind, daß der Gebrauch des einen ohne Nachtheil des andern nicht beſtehen kann. Im erſtern Fall hat es keinen Zweifel, daß die concurrirende beſondern Rechte beſtehen, folglich derjenige, welchem ein ius ſingulare zuſtehet, ſich ſeines Rechts gegen den an - dern bedienen koͤnne, in ſo fern das beſondere Recht, ſo der andere ebenfalls zu genieſſen hat, nicht darunter lei - det. Dies koͤnnen folgende Faͤlle, die wir in unſern Ge - ſetzen finden, beweiſen.
Der Grund von dieſen Entſcheidungen iſt leicht ein - zuſehen. Denn wenn gleich in den genannten Faͤllen bey - de Partheyen privilegirt ſind, ſo befindet ſich doch nur uͤberall die eine in dem Fall, wo ihr die Geſetze ein be - ſonderes Recht geben, mithin wird die der andern Par - they in einem aͤhnlichen Fall zuſtehende Rechtswohlthat nicht geſchmaͤlert. So findet z. B. das Bellejaniſche Senatus Conſultum nicht ſtatt bey der Frau, welche das Geld anleihet, und zu deren Sicherheit die Buͤrg - ſchaft geleiſtet wird, ſondern nur bey derjenigen, dieſich23de Conſtitutionibus Principum. ſich verbuͤrgt hat; und eben ſo hat nur die Kirche ſich ihrer Wohlthat zu erfreuen, gegen welche ver - jaͤhrt wird, nicht welche verjaͤhrt; u. ſ. w.58)Diejenigen, welche fuͤr die Regel ſtreiten: privilegiatus contra aeque privilegiatum non utitur iure ſuo, wollen zwar dagegen die L. 8. pr. und L. 41. §. ult. D. de Excuſat. an - fuͤhren, aber vergeblich. Das erſte Geſetz giebt den Solda - ten nach ihrer ehrenvollen Entlaſſung (Veterani) die Frey - heit von Uebernehmung der Vormundſchaften, ſagt aber aus - druͤcklich, daß dieſes Privilegium gegen Soldatenkinder keine Anwendung finden ſolle. Allein wo concurrirt denn hier ein Privilegirter mit einem andern Privilegirten? Da das Pri - vilegium wegen der Befreyung von Vormundſchaften den Ve - teranen, nicht aber deren Kindern ertheilt iſt. Es iſt alſo dieſer Fall fuͤr nichts anders als eine Einſchraͤnkung jenes Privilegii der Soldaten anzuſehen. Und eben das gilt auch von dem andern Geſetz..
Wenn nun aber beyde Partheyen in dem Fall ſich befinden, wo ihnen nach den Geſetzen ein beſonde - res Recht zuſtehet, von der einen aber doch die ihr zuſtehende Rechtswohlthat gegen die andere nicht ausge - uͤbt werden kann, ohne derſelben zu nahe zu treten, und ſelbige zu ſchmaͤlern; ſo iſt nun eine wahre Colliſion dieſer Rechtswohlthaten vorhanden, bey welcher man auf folgende Punkte zu ſehen hat.
I) Ob die colliditende Rechtswohlthaten von einer oder von verſchiedener Art ſind. Iſt letzteres, ſo verſteht ſich von ſelbſt, daß die ſchwaͤchere der ſtaͤrkern weichen muͤſſe. Fuͤr die ſtaͤrkere Rechts - wohlthat wird aber diejenige gehalten, welche die Geſetze mehr beguͤnſtigen. Wir finden hiervon in den Geſetzen mancherley Beyſpiele. So verliehrt das Vellejaniſche Senatus Conſultum gegen einen Minderjaͤhrigen ſeineB 4Kraft,241. Buch. 4. Tit. §. 105.Kraft, wenn der Hauptſchuldner nicht bezahlen kann, fuͤr welchen die Weibsperſon ſich verbuͤrgt hat59)L. 12. D. de minorib. . — Eben ſo wenig kann auch das Macedonianiſche Senatus Conſul - tum einem Minderjaͤhrigen entgegen geſetzt werden, wenn dieſer einem andern, der zwar majorenn, aber noch in vaͤterlicher Gewalt iſt, Geld in Anlehn gegeben hat60)L 3. §. 2. D. de SCto Macedon. L. 11. §. 7. D. de Mi - norib. . Die Geſetze ſagen: magis aetatis ratio, quam Senatus con - ſulti habenda eſt. Iſt ein beſonderes Recht blos nach dem Beyſpiel eines andern eingefuͤhret worden, ſo ſtehet es der eigenen Rechtswohlthat des andern nach, ſie ſey entwe - der in der Minderjaͤhrigkeit, oder auch nur in einem Se - natus Conſultum gegruͤndet. So z. B. kann auch den Staͤdten das Macedonianiſche Senatus Conſultum ent - gegen geſetzet werden61)L. 15. D. de SCto Macedon. et Dionyſ. gothofredus in Not. ad h. L. lit. k. . — Und wenn ein Minderjaͤh - riger mit einer Kirche in Colliſion kommt, ſo hat das Recht des Minderjaͤhrigen den Vorzug62)Cap. 1. X. de in int. reſtitut. hartleben Spec. XIII. meditat. 8. Reg. 3. S. 266..
II) Wenn nun aber beſondere Rechte von gleicher Art in Colliſion kommen, deren eins nicht mehr beguͤn - ſtiget iſt, als das andere; ſo iſt entweder das Recht des einem aͤlter und eher entſtanden, als das Recht des andern, oder das Recht der beyden Partheyen iſt zuei - ner Zeit, und durch einerley Geſchaͤft begruͤndet wor - den. Im erſtern Fall entſcheidet der Vorzug der Zeit, und das aͤltere Recht der einen Parthey hatvor25de Conſtitutionibus Principum. vor dem juͤngern der andern Parthey den Vorzug63)Nov. XCI. cap. 1. — Sicut enim, ſi duo debita publica fuiſſent, neceſſario antiquum praeponeretur poſteriori: ita et hic privilegia neceſſarium eſt priori doti dare prio - ra, et tum ſecundae, ut, quod antiquius et tempore prius eſt, amplius obtineat robur et privilegium. . So iſt z. B. das Vorzugsrecht der Kinder erſter Ehe wegen des Brautſchatzes ihrer verſtorbenen Mutter ſtaͤr - ker, als das ihrer Stiefmutter wegen ihres Eingebrach - ten64)L. 12. §. 1. Cod. qui potior. in pignor. — Exceptis vide - licet contra novercas antetioris matrimonii filiis, quibus pro dote matris ſuae iam quidem dedimus hypothecam contra pa - ternas res, vel eius creditores: in praeſenti autem ſimilem praerogativam ſervamus, ne ius, quod poſteriori da - tum eſt uxori, hoc anteriori denegetur. . Im letztern Fall, wenn beyde Partheyen bey dem zur Sprache ſtehenden Geſchaͤfte Schaden erlitten, wel - chen ſie durch Ausuͤbung ihrer Rechtswohlthat von ſich abzuwenden ſuchen, mithin beyde in gleicher Lage ſich be - finden; ſo iſt nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Geſetze fuͤr den Beklagten zu ſprechen, und derſelbe nach ſeinem beſondern Rechte zu beurtheilen. Hierher gehoͤrt folgen - der vom Ulpian65)L. 11. §. 6. D. de minorib. entſchiedener Rechtsfall. Wenn ein Minderjaͤhriger von einem andern Minderjaͤhrigen Geld aufnimmt, dies aufgeliehene Geld aber verſchwendet, oder ſonſt keinen Nutzen davon gehabt hat, alſo nach erhobe - ner Klage gegen die Anleihe Reſtitution ſucht, um einen Schaden von ſich abzuwenden, der ihm durch Bezahlung des nicht genutzten Geldes erwachſen wuͤrde; dann der Klaͤger replicando auf die naͤmliche Rechtswohlthat aus dem naͤmlichen Grunde ſich beruft; ſo ſoll in dieſem Col - liſionsfall der Beklagte nur allein mit ſeinem Reſtitutions -B 5Ge -261. Buch. 4. Tit. §. 105.Geſuch gehoͤret, und Klaͤger damit abgewieſen werden. Hier iſt es ſchlechterdings unmoͤglich, beyde Minderjaͤh - rige zu ihrem beſondern Rechte zu verhelfen66)Ich kann nicht umhin, hier eine Stelle aus der oben ange - fuͤhrten Commentation des Wientzeck, zumahl da ſolche nicht in aller Haͤnden ſich befindet, anzufuͤhren, weil ſo viele große Rechtsgelehrten behaupten, daß in dem gegebenen Fall keiner von beyden Minderjaͤhrigen von ſeiner Rechtswohlthat Gebrauch machen koͤnne, ſondern das gemeine Recht eintreten muͤſſe. Die Stelle lautet Cap. I. §. 1. S. 12. folgender Maaſ - ſen: Cum autem in ſpecie noſtra dicitur, minorem, qui mu - tuam pecuniam accepit, non teneri (hoc enim ſibi volunt ver - ba: d. L. melior eſt cauſa eius, qui accepit, iet vel dilapidavit vel perdidit) neceſſe eſt, ut ob reſtitu - tionem in integrum ei conceſſam obligatio ad reſtituendum ceſ - ſet. Summo itaque iure dici poteſt: in caſu, ſi uterque minor captus eſt, unum eorum reſtitui. Aſt quae - ritur hic, cur, in ſpecie propoſita, alter minor non etiam reſtituatur, cum tamen quoque laeſus ſit, quippe qui pecu - niam mutuam dedit, quam non recuperat? Reſpondeo, hic reſtitutionem plane eſſe impoſſibilem, hancque ob cauſam ceſſare. Si enim minor, qui accepit, in integrum reſtituitur, huius reſtitutionis hic eſt effectus, ut ſolvere, quod proprie deberet, non teneatur. Iam ſi minor, qui dedit, etiam reſtitui debe - ret, reus ad ſolvendum tamen obligatus eſſet. Sic itaque ſimul et non ſolvere et ſolvere deberet, quod per principium contra - dictionis eſt abſurdum. , folglich muß das beſondere Recht auf Seiten des Beklagten vor - gehen, welchen uͤberhaupt in Colliſionsfaͤllen die Geſetze mehr beguͤnſtigen als den Klaͤger67)L. 125. D. de Reg. Iur. . Mit dieſer Ent - ſcheidung ſtimmt auch Paulus68)L. 34. pr. D. de Minorib. auf das genaueſte uͤberein, wenn er ſagt: Si minor viginti quinque annis filiofamilias minori pecuniam credidit, melior eſt cauſacon -27de Conſtitutionibus Principum. conſumentis: niſi locupletior ex hoc inveniatur litis conteſtatae tempore is qui accepit. Hieraus erhellet zugleich, daß wenn der Minderjaͤhrige, der das Geld empfangen, ſolches wirklich zu ſeinem Nutzen verwandt haͤtte, und folglich zur Zeit der Litis Conteſtation ſich dadurch locupletior befaͤnde, derſelbe in dieſem Fall mit der vorgeſchuͤtzten Einrede der Reſtitution nicht zu hoͤren, vielmehr der minderjaͤhrige Glaͤubiger gegen die An - leihe in den vorigen Stand einzuſetzen ſeyn wuͤrde69)Eben dieſes giebt auch Ulpian in den Worten der oben angefuͤhrten L. 11. §. 6. D. de minorib. puto autem a Prae - tore inſpiciendum, quis captus ſit? zu verſtehen. Captus heißt ſoviel als laeſus. L. 3. §. 3. L. 7. pr. L. 9. §. 2. L. 29. pr. D. de minorib. Sonſt heißt capi ſoviel als fraudari et decipi. S. erissonius de Verb. Significat. v. capere n. 7. S. 154.. Denn hier trachtet der Beklagte bey dem zur Sprache ſtehenden Geſchaͤfte nur etwas zu gewinnen. Er befindet ſich alſo eigentlich nicht in dem Fall, in welchem die Geſetze den Minderjaͤhrigen die Reſtitutions-Wohlthat geben. Wohl aber der Klaͤger, welcher dadurch nur lediglich einen Scha - den zu verhuͤten ſucht, den er durch die Nichtwiederbe - zahlung der Anleihe erleiden wuͤrde. Folglich geſtatten die Geſetze nur dieſem den Gebrauch ſeiner Rechtswohl - that.
Aller Grund von dem Verluſt verliehener Privilegien iſt entweder in der Beſchaffenheit des Privilegii ſelbſt, oder in dem Geſetzgeber, oder in derprivi -281. Buch. 4. Tit. §. 106.privilegirten Perſon anzutreffen69)D. Joh. Chriſt. Quiſtorps Gedanken uͤber die Frage: welches ſind die vornehmſten Grundſaͤtze, worauf es bey Be - ſtimmung der Faͤlle, da Privilegien aufhoͤren koͤnnen, haupt - ſaͤchlich ankommt? in deſſelben kleineren juriſt. Schriften 1. Sammlung (Buͤtzow u. Wismar 1772. 8.) N. IV. I. G. F. wasmuth Diſſ. de privilegiorum natura, in ſpecie de modis, quibus finiuntur vel amit - tuntur. Goettingae 1787. Cap. II. hartleren Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. . Aus dem erſtern Grunde faͤllt
Endlich
Hiernaͤchſt kann nun auch der Grund von dem Ver - luſt des verliehenen Privilegiums in dem Willen des Geſetzgebers anzutreffen ſeyn, indem er das Privi - legium wiederruft. In wie fern aber Privilegien wiederruffen werden koͤnnen? iſt ſehr ſtreitig. Einige raͤumen dem Landesherrn hierin ein freyes unumſchraͤnk - tes Recht ein76)Io. Guil. gadendam Diſſ. de legibus praeſertim ſpeciali - bus ſeu privilegiis, quatenus mutari aut revocari iure poſſint. Erlangae 1743. Allein kuhn in Diſſert. de privilegii con - ventionalis irrevocabilitate Heidelberg 1760. hat dieſe irrige Meinung in ihrer ganzen Bloͤße dargeſtellt.. Andere77)Auſſer Hellfeld hegt dieſe Meinung unter andern auch Quiſtorp in der angefuͤhrten Abhandlung S. 102. u. ff. machen einen[Unterſchied] zwiſchen Privilegien, die lediglich ihren Grund in der Gnade des Regenten haben, und ſolchen, die auf einem Vertrage beruhen, wodurch ſich der Privilegirte anhei - ſchig gemacht hat, dagegen etwas wieder zu leiſten. Sie behaupten, daß zwar letztere nicht ohne eine beſondere und gerechte Urſach, erſtere aber nach Gefallen widerrufen werden koͤnnten. Denn die Gnade eines Regenten habe keine beſtimmte Grenzen. Allein dieſer Grund iſt ſo we - nig uͤberzeugend, als wenn andere Rechtsgelehrten ſagen, gratioͤſe Privilegien haͤtten die Natur eines Precariums78)Z. B. hartleben Spec. XIII. med. 6. welchen aber Hr. Reg. Rath Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerli - chen Rechts 2. Th. S. 151. gruͤndlich widerlegt hat.. Denn indem der Regent ein Privilegium aufhebt, ertheilt er keine Gnade. Alſo finden hier allerdings Grenzenſtatt31de Conſtitutionibus Principum. ſtatt79)Ganz recht ſagt daher gundling in Iure Naturae et Gent. cap. XII. §. 45. gratuita privilegia libere quidem promittuntur, ſed poſtquam promiſſa, valide ſunt ſervanda. . Zudem macht ja die Ertheilung und Anneh - mung eines grazioͤſen Privilegiums wohl ohnſtreitig einen Vertrag aus. Vertraͤge muͤſſen aber dem Staat eben ſowohl als ſeinen Buͤrgern heilig ſeyn80)gebauer in Diſſ. de privilegiis §. 19. Struben rechtli - che Bedenken 2. Th. Bd 80.. Zwar kommt ein grazioͤſes Privilegium mit einem Precarium darin uͤberein, daß beydes eine Art der Freygebigkeit iſt, ſo aus Gunſt gegen Jemanden ausgeuͤbt wird81)L. 1. D. de preeario ſagt: Precarium eſt quidem genus li - beralitatis, ſed diſtat a donatione, eo, quod, qui donat, ſic dat, ne recipiat; at qui precario concedit, ſic dat, quaſi tunc recepturus, cum ſibi libuerit precarium ſolvere. . Allein die Widerruflichkeit unterſcheidet das Precarium deutlich ge - nug von einer Schenkung, die an ſich unwiderruflich iſt. Meiner Meinung nach kommt es bey der obigen Frage darauf an, ob ſich der Ertheiler des Privilegiums den Widerruf vorbehalten habe, oder nicht. Iſt erſteres, wel - ches durch die Clauſeln: auf Wohlgefallen, bis auf Widerruf, bis auf weitere Verfuͤgung, oder der uns, unſern Erben und Nachkommen zuſtehenden Macht zu mindern oder gar aufzuheben, vorbehaͤltlich, zu erkennen gegeben wird, ſo kann dergleichen Privilegium nach dem Wohlgefallen des Ertheilers zu aller Zeit wi - derrufen werden. Denn ein ſolches Privilegium nimmt die Natur eines Precarium an. So wie jedoch ein Pre - carium nicht gleich mit dem Tode deſſen, der etwas auf dieſe Art gegeben hat, aufhoͤrt82)L. 8. §. 1. L. 12. §. 1. D. de precario. , ſo iſt ein gleichesauch321. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108.auch von einem ſolchen Privilegium anzunehmen; es waͤ - re denn, daß aus dem Inhalt deſſelben deutlich zu erſehen, daß der Regent bey Ertheilung des Privilegiums blos auf ſeine Perſon Ruͤckſicht genommen, welches inſonder - heit auch daraus abzunehmen iſt, wenn er blos von ſich und ſeinem Willen redet. In dieſem Falle hoͤrt das Pri - vilegium allerdings mit dem Tode des Ertheilers auf, ohne daß ein Widerruf des Nachfolgers noͤthig iſt83)Cap. 5. de Reſcript. in 6to. L. 4. D. locati. Siehe klock Tr. de Contributionibus Cap. XVI. Sect. I. n. 120. ſqq. voet in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 25. leyser Spec. XI. med. 3. hartleben Spec. XIII. med. 2. et 3. Eichmann Erklaͤrung des buͤrgerl. Rechts 2. Th. S. 152. ff. Chriſt. Henr. breuning Quaeſtio iuris controv. an privilegia conceſſa titu - lo gratioſo morte concedentis exſpirent? Lipſiae 1776.. Im letztern Fall, da Privilegien nicht ad beneplaci - tum verliehen worden ſind, kann ſolche der Regent nur alsdann aufheben, wenn entweder ſolche allgemeine Ur - ſachen, die alle und jede Vertraͤge unguͤltig machen, vor - handen ſind, z. B. Veraͤnderung der Umſtaͤnde, Nichter - fuͤllung der Bedingung, unter welcher das Privilegium iſt ertheilet worden; oder auch ein ertheiltes Privilegium dem Wohl des Staats zuwider iſt. Nam ſalus reipublicae ſuprema lex eſt. Und es iſt alsdann kein Unterſchied, das Privilegium mag durch einen oneroͤſen oder lucrati - ven Titel erworben worden ſeyn84)Cap. 16. de Reg. Iur. in 6to. Nov. LXXXI. c. 2. Conſil. Tubingenſ. Vol. V. Conſ. 58. n. 123. ſqq. Vol. VH. C. 29. n. 32. ſqq. stryck in Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo quaeſitis. Cap. III. §. 5. leyser Spec. L. med. 10. wern - her ſelect. Obſervat. forenſ. T. II. Part. X. Obſ. 377. hom - mel Rhapſod. Quaeſtion. Forenſ. Vol. III. Obſ. 469.. Dem Recht und der Billigkeit iſt es jedoch gemaͤß, einen ſolchen Unterthan, der durch den Widerruf eines titulo oneroſo erworbe -nen33de Conſtitutionibus Principum. nen Privilegiums ſein Recht verliehrt, den Schaden zu erſetzen, den er hierdurch leidet; denn der Staat beſitzt das Geld, was der Privilegirte fuͤr die Ertheilung des Privilegiums zahlen muͤſſen, ſobald daſſelbe aufgehoben worden iſt, ſine cauſa85)L. 1. §. 2. D de condict. ſine cauſa: — Sive ab initio ſine cauſa promifſum eſt, ſive fuit cauſa promittendi, quae finita eſt, dicendum eſt condictioni locum fore. , und kann es, ohne offenbare Ungerechtigkeit, nicht behalten. Mit Zinſen kann indeſ - ſen der Privilegirte ſein Geld nicht zuruͤckfordern, weil er dafuͤr den Genuß des Privilegiums gehabt hat; auch kommt der Gewinn, der ihm dadurch entgeht, in keinen Betracht86)stryck in Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo quaeſit. Cap. III. § 23. hommel Rhapſod. Quaeſt forens. Vol. III. Obſ. 469. n. 5. S. 106 gaertner Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. medit. 36. S. 61..
Nicht weniger iſt der Nachfolger in der Re - gierung, er mag durch Erb - oder Wahlrecht dazu ge - langt ſeyn, die von ſeinem Vorfahrer verliehene Privile - gien, ſie moͤgen grazioͤſe oder convenzionelle ſeyn, in ſo weit zu halten verbunden, als ſie dem Staat ſelbſt ver - bindlich ſind87)wasmuth in der mehrmahls angefuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 29. u. 30. Chriſt. Jacob von Zwierlein Nebenſtunden 1. Th. S. 66 ff.. Denn der Regent ertheilt Privilegien vermoͤge der Landeshoheit, und als Repraͤſentant ſeines Landes. Dieſes Land und die damit verknuͤpfte Hoheit kommt nach dem Tode des Regenten an deſſelben Nach - folger. Hieraus folgt alſo, daß jeder Nachfolger in der Landeshoheit verbunden iſt, die rechtmaͤſigen Regierungs - handlungen ſeines Vorfahren, wenn Dritte daraus einunwi -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. C341. Buch. 4. Tit. §. 109.unwiderrufliches Recht erworben haben, mithin auch deſ - ſen Privilegien, gelten zu laſſen88)wernher ſel. Obſ. for. T. I. Part. V. Obſ. 161. Puͤt - ters Beytraͤge zum T. St. u. F. R. 1. Th. N. 9. Io Pet. de ludewig de obligatione ſucceſſorum in principatu. Halae 1714 Cap. IV. Schnaubert Territorial-Staatsrecht. 2. Buch 12. Hauptſt..
Endlich kann es Faͤlle geben, da in dem Privi - legirten ſelbſt der Grund von dem Verluſt ſeines Pri - vilegiums anzutreffen iſt. Dahin gehoͤrt
I) wenn er ſich ſeines Privilegiums unwuͤrdig macht. Es kann dieß auf zweyerley Art geſchehen,
Ferner II) leider es keinen Zweifel, daß ein Privile - girter ſowohl ausdruͤcklich ſich ſeines Privilegiums begeben, als durch ſeine Handlungen ſolches be - weiſen koͤnne96)L. 29 Cod. de pactis. Cap. 6. X. de privil. , und hierdurch das Privilegium verloh - ren gehe. Nur in ſo fern das naͤmliche Privilegium mehrern gemeinſchaftlich zuſtuͤnde, wuͤrde die Renuncia - tion des einen den uͤbrigen Theilhabern nicht praͤiudici - ren koͤnnen97)Quod pluribus commune eſt, unius renunciatione interverti nequit. S. boehmer Conſultat. ad Deciſion. Tom. III. P. II. Deciſ. 7. n. 6.. Denn man kann nur ſeines Rechtsſich93)viſſimos abuſus, et 2) ob praemiſſam comminatio - nem locum habeat. Man vergleiche auch hierbei wiestner in Praelect. et Exercit. acad. iuris eccleſiaſt. Lib. V. Tit. 33. art. IV. n. 56. 57. püttmann c. l. S. 201. und wasmuth in der angef. Diſſ. Cap. II. §. 22. S. 45. f.37de Conſtitutionibus Principium. ſich begeben98)L. 41. D. de minorib. Unicuique licet contemnere haec, quae pro se introducta ſunt. . Es iſt auch uͤbrigens die Begebung al - lemal nach der Strenge auszulegen99)voet in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 22.. Es kann daher aus dem bloßen Nichtgebrauch allein, wenn gleich der Privilegirte Gelegenheit gehabt, ſich ſeines Privilegiums zu bedienen, noch nicht gleich eine ſtillſchweigende Bege - bung deſſelben fuͤr die Zukunft gefolgert werden, weil mehr als eine Urſach vorhanden ſeyn kann, warum es in einem gewiſſen Fall dem Privilegirten nicht gefiel, von ſeinem Privilegium Gebrauch zu machen. Vielmehr iſt die ſtillſchweigende Begebung im Zweifel nur von dem gegenwaͤrtigen einzelen Fall zu verſtehen, in welchem ſich der Privilegirte ſeines Privilegiums nicht bedient hat; ſo lang nicht noch ein anderer Grund hinzutritt, woraus ein gaͤnzlicher Verluſt des Privilegiums erwachſen kann100)Die Geſetze beſtaͤtigen meinen Satz deutlich. Denn ſo ſagt L. 2. D. de Veteranis. Honeſte ſacramento ſolutis data im - munitas non labefactatur, ſi quis eorum voluntate ſua hono - rem aut munus ſuſceperit. L. 12. Cod. de Excuſat. Volun - tariae tutelae munera privilegiis nihil derogant. Das heißt, wie Cujaz in Recitat. Solemn. ſ. Commentar. in Cod. dieſes Geſetz erklaͤrt: Si omiſſa excuſatione, quae mihi iure competit, mea ſponte tutelam cuiusdam pupilli ſuſcepero, non ideo mi - nus me potero excuſare a tutela nova, ſi deferatur. Er ziehet hieraus die Folge: non amitti privilegium, ſi ſemel vel ite - rum non ſim uſus privilegio meo. Ferner L. 2. Cod. de bis, qui ſponte publica munera ſubeunt. (lib. X. Tit. 43.) Qui publici muneris vacationem habent, ſi aliquem honorem, ex - cepto decurionatu, (vid. L. 1. eod.) ſponte ſuſceperit, ob id quod patriae ſuae utilitatibus ceſſerit, vel gloriae cupidi - tate pauliſper ius publicum relaxaverit, competens pri - vilegium non amittit. Pauliſper heißt hier pro ea vi -ce,. C 3Es381. Buch. 4. Tit. §. 110.Es fragt ſich alſo, ob und wenn Privilegien durch den Nichtgebrauch verlohren gehen koͤnnen? Die Rechtsgelehrten ſind deshalb verſchiede - ner Meinung. Einige halten Privilegien fuͤr res merae facultatis, die durch Nichtgebrauch anderer geſtalt nicht erloͤſchen koͤnnten, als wenn von Seiten eines andern, dem daran gelegen, daß das Privilegium aufhoͤre, ein Widerſpruch geſchehen, und der Privilegirte ſich dabey beruhiget habe. Nur diejenigen Privilegien nehmen ſie aus, die nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Geſetze in An - ſehung des Gebrauchs in eine beſtimmte Zeit waͤren ein - geſchraͤnket worden1)S. Chriſt. claproth Diſſ. de rebus merae facultatis (Goet - tingae 1745.) §. 13. Car. Frid. dieterich Syſtem. elemen - tar. iurisprud. civ. privatae P. l. Tit. 1. Part. general. §. 19. p. 30. nettelbladt Syſtem. elem. Iurisprud. poſitivae Ger - manor. commun. generalis. §. 472. (Halae 1781.) . Z. B. das Privilegium, Markt halten zu duͤrfen2)L. 1. D. de nundinis. . Allein dieſe Theorie kann meines Erachtens wenig Beyfall finden, wenn man ſich an den Begriff einer rei merae facultatis noch erinnert, den ichan100)ce, et caſu, in quo privilegio ſuo non eſt uſus. Ius publicum aber zeigt dasjenige Recht an, quod in privilegio immunita - tis iure communi Veteranis vel aliis conceſſo conſiſtit. Hier - aus laͤßt ſich urtheilen, was von der Meinung derjenigen zu halten ſey, welche behaupten, daß negative Privilegien, welche in der Befugniß eine ſonſt nothwendig auszuuͤbende Verbindlichkeit zu unterlaſſen, beſtehen, durch ein einiges dem Privilegium gerade zuwiderlaufendes und wiſſentlich unter - nommenes Faktum erloͤſchen; ich will mich deshalb auf Fran - ciſc. de amaya Commentar. in tres poſteriores libros Codicis Imp. Iuſtiniani. Tom. I. (Lugduni 1639. fol.) lib. X. Tit. 43. n. 12. ſqq. vorzuͤglich bezogen haben, der dieſen Irrthum am gruͤndlichſten widerlegt hat. Mit mir ſtimmt auch voet in Comment. ad Pandect. h. t. §. 22. uͤberein.39de Conſtitutionibus Principium. an einem andern Ort meines Commentars3)S. den 1. Theil dieſes Commentars S. 113. ff. ſchon ent - wickelt habe, und ſodann in Erwaͤgung ziehet, daß die Geſetze ſelbſt den Grund, aus welchem Privilegien durch Nichtgebrauch erloͤſchen, in einer ſtillſchweigenden Begebung ſetzen4)Cap. 6. et 15. X. de privileg. In der leztern Stelle heißt es: Cum enim tanto tempore contra indulta privilegia deci - mas ſolverint, eis renunciaſſe tacite praeſumun - tur. Dieſem iſt nicht entgegen, wenn in L. 12. Cod. de Sa - croſ. Eccleſiis geſagt wird: privilegia, quae generalibus con - ſtitutionibus univerſis Sacroſanctis Eccleſiis orthodoxae reli - gionis retro Principes praeſtiterunt, firma et illibata in perpetuum decernimus cuſtodiri; denn dies iſt nicht von einzeln ſpeciellen Privilegien zu verſtehen, ſondern von ſolchen beſondern und zum gemeinen Beſten aller Kirchen eingefuͤhr - ten Rechten, die zum ius publicum gehoͤren, und ob utili - tatis publicae rationem beſtaͤndig aufrecht erhalten werden muͤſſen, wie ſchon Tob. Iac. reinharth in Diſſ. de eo, quod circa amiſſionem iurium et privilegiorum per non uſum iuſtum eſt, (Erfordiae 1734.) §. XVIII. richtig bemerkt hat. Ein gleiches iſt von den can. 1. et 2. Cauſ. XXV. qu. 2. in Gra - tians Decret zu ſagen; wovon Ant. Dad. alteserra in Innocentio III. ſ. Commentar. in ſingulas Decretales huius - ce Pontificis, quae per libros V. Decretal. ſparſae ſunt. (Lu - tetiae Pariſior. 1666.) Lib. V. Tit. 33. cap. 15. S. 591. nach - zuſehen iſt. Sehr gruͤndlich widerlegt auch wasmuth in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 25. jenen Irrthum, daß Privilegien fuͤr res merae facultatis zu halten.. Es koͤnnen alſo Privilegien aller - dings durch Nichtgebrauch ihre Endſchaft erreichen. Nur fragt ſich’s, was dazu erfordert werde? Ich bin der Meinung, daß ein Unterſchied zu machen ſey zwiſchen affirmativen Privilegien, welche dem Privilegirten die Befugniß geben, eine nach dem gemeinen Recht ſonſt nicht geſtattete Handlung unternehmen zu duͤrfen, und zwiſchen negativen Privilegien, welche den Pri -C 4vile -401. Buch. 4. Tit. §. 110.vilegirten von einer nach dem gemeinen Recht ſonſt zu erfuͤllenden Verbindlichkeit befreyen. Privilegien der letz - tern Art koͤnnen durch Nichtgebrauch anderer geſtalt nicht erloͤſchen, als wenn die Erforderniſſe einer extinctiven Ver - jaͤhrung vorhanden ſind. So wie nun zu einer ſolchen Verjaͤhrung, auſſer den Zeitraum, binnen welchen man keinen Gebrauch von ſeinem Recht gemacht, noch inſon - derheit Handlungen erfordert werden, welche dem Recht desjenigen, gegen welchen verjaͤhret wird, gerade zuwi - derlaufen5)S. Aem. Lud. homberck zu Vach Diſſ. de praeſcriptio - ne extinctiva cum interitu iurium per non uſum haud confun - denda. (Marburgi Cattor. 1750.) und nettelbladt in Sy - ſtem. elem. iurispr. poſitiv. Germanor. commun. general. §. 467.; ſo iſt nun auch zur extinctiven Praͤſcription negativer Privilegien erforderlich, I) daß der Privilegir - te dasjenige freywillig, und ohne ſich jemalen ſeines Pri - vilegiums zu bedienen, geleiſtet und erfuͤllt haben muͤſſe, wovon ihn das Privilegium befreyet; z. B. er hat dieje - nigen Steuren, oder Zehnden und andere Abgaben frey - willig entrichtet, wovon er doch vermoͤge ſeines Privile - giums eine Befreyung erhalten. II) Daß durch dieſe dem Privilegium zuwider unternommene Handlungen ein Anderer, der nach dem gemeinen Rechte befugt iſt, alle nicht eben ſo Privilegirte, zur Leiſtung derjenigen Schul - digkeit anzuhalten, wovon der Privilegirte eine Befreyung erhalten, in den Quaſi-Poſſeß geſetzt worden ſey, dieſe Praͤſtation auch von dem Privilegirten zu verlangen; und III) daß derſelbe dieſen Quaſi-Poſſeß eine ſo lange Zeit hindurch ohne alle Weigerung des Privilegirten ausge - uͤbt habe, als die Geſetze nach dem Unterſchied der Per - ſon, gegen welche verjaͤhret wird, zu einer Verjaͤhrung uͤberhaupt erfordern; alſo gegen eine Kirche 40 Jahr, ge -gen41de Conſtitutionibus Principum. gen einen andern Privilegirten aber binnen 10 oder 20 Jah - ren, es waͤre denn, daß das Privilegium einer ſol - chen Perſon verliehen worden, welcher die Geſetze die Rechte der Minderjaͤhrigen angedeihen laſſen, in welchem Fall das ihr zuſtehende negative Privilegium erſt nach 30 Jahren erloͤſchen wuͤrde6)Andr. Chriſt. roesner Diſſ. de praeſcriptione iuris negativi, gonzalfz tellez in Commentar. in Decretal. Gregorii IX. T. IV. Lib. V. Tit. XXXIII. ad cap. 6. X. de privileg. n. 6. pag. 489.. Der Beweiß dieſer Theo - rie liegt in den Cap. 6. und 15. X. de privilegiis. In dem erſtern Kapitulum reſcribirt der Papſt Alexander III. an das Ciftercienſer Kloſter St. Andraͤ folgender Geſtallt. Si de terra, quam habetis in parochia canonicorum de Plautio per XXX. annos eis decimas perſolviſtis: eas ſibi de caetero integre perſolvatis. Licet enim privilegiorum Rom. Eccleſ. beneficio fratribus Ciſter - ciens. ordinis indultum fuerit, quod de laboribus ſuis nullas decimas perſolvere debeant; de privilegio ta - men indulto, tanto tempore vobis detrahere volui - ſtis: cum liberum ſit unicuique ſuo iuri renuntia - re, eoque modo non poteſtis vos in hac parte tueri. Das andere Kapitulum iſt vom Papſt Innocenz III. wir wollen nur folgende Worte aus demſelben excerpiren. Si abbas et monachi ſufficienter oſtenderint, quod a Templariis decimas de terris praedictis per XL. an - nos continuo perceperint ſine lite, vos ad praeſta - tionem ipſarum Templarios compellatis. Cum enine tanto tempore contra indulta privilegia decimas ſolverint, eis renunciaſſe tacite praeſumuntur. In beyden Kapiteln iſt von einem negativen Privilegium de non ſolvendis de - cimis die Rede, dergleichen die Ciſtercienſer Moͤnche undC 5Tem -421. Buch. 4. Tit. §. 110.Tempelherrn von den Paͤpſten erhalten hatten. Erſtere hatten demungeachtet dreyßig Jahre lang fuͤr ihre in der Parochie der Canonicorum de Plautio gelegene Laͤnde - reyen, und letztere ſchon vierzig Jahre die Zehenden ent - richtet. Und nun, da ſie auf einmal dieſe Abgabe ver - weigerten, ſpricht der Papſt, ſie ſeyen ſchuldig, den Ze - henden ferner zu reichen, und moͤgen ſich nicht weiter auf ihr Privilegium berufen; denn da ſie nun ſchon ſo lange Zeit keinen Gebrauch davon gemacht, ſo haͤtten ſie ſich deſſelben ſtillſchweigend begeben, und ihr Privilegium durch extinctive Verjaͤhrung verlohren. — Es findet ſich hierbey nur die einzige Schwierigkeit, wie Papſt Alexan - der III. die Ciſtercienſer Moͤnche ſchon wegen eines dreiſ - ſigjaͤhrigen Nichtgebrauchs ihres Privilegiums fuͤr verlu - ſtig erklaͤren koͤnnen, da doch gegen Kirchen und Kloͤſter ſchon damalen die vierzigjaͤhrige Praͤſcription eingefuͤhrt war7)S. Cap. 8. X. de praeſcript. Nach der Vorſchrift der aͤl - tern Concilienſchluͤſſe fand zwar auch gegen Kirchen und geiſt - liche Stiftungen die dreißigjaͤhrige Verjaͤhrung ſtatt. Man vergleiche in Gratians Dekrete Can. 1. Cauſ. XIII. qu. 2. und Can. 1. Cauſ. XVI. qu. 3. Allein Juſtinian fuͤhrte in der Folge die vierzigjaͤhrige Verjaͤhrung ein. Nov. CXXXI. cap. 6. und dieſe wurde auch durch die neuern Kirchenge - ſetze und Canonen der Concilien beſtaͤtiget. can. 1. 2. und 3. Cauſ. XVI. qu. 4. Dennoch aber blieb auch nach Juſtinians Zeiten in manchen Kirchen und Dioͤceſen, z. B. in Spanien und Frankreich, die vormahlige dreißigjaͤhrige Verjaͤhrung im Gebrauch. Siehe can. 3. 4. 6. u. 10. Cauſ. XVI. qu. 3. So iſt die in den einzelnen Verordnungen unſers kanoniſchen Ge - ſetzbuchs desfalls vorkommende Antinomie zu heben. Conf. Franc. florens in Operib. iurid. ab Ignat. Chriſtoph. lor - ber a stoerchen Norimbergae 1756. editis: Tom. II. S. 72. ff. und Car. Sebaſt. berardus in Gratiani canones. Part. I. S. 189. (edit. Venet. 1777.). Einen Schreib - oder Druckfehler anzunehmen,halte43de Conſtitutionibus Principum. halte ich bey der einſtimmigen Leſeart aller Handſchriften und Ausgaben unſerer Decretalen fuͤr bedenklich8)Dieß muthmaſet wasmuth cit. Diſſertat. Cap. II. §. 26. S. 65.. Es muß alſo wohl einen andern Grund gehabt haben, wa - rum der Papſt gegen das Ciſtercienſer Kloſter St. Andraͤ eine dreyßigjaͤhrige Verjaͤhrung fuͤr hinreichend hielt. Vielleicht hat Boͤhmer in der unten excerpirten Note9)ad Cap. 6. X. de privileg. Not. 72. — Forſan alexan - der III. ideo etiam elegit iuris veteris doctrinam, ut eo citius exſpiraret Ciſtercienſium immunitas a decimis, quam directo revocare noluit, ſed tantum eius uſum reſtrinxit. Haec enim admodum eo tempore in invidiam deducta, ut in Con - cilio Lateranenſi III. graviſſimae contra eam motae fuerint querelae, quas recenſet ſuccincte manrique in Annal Ciſterc. Tom. III. ad annum MCLXXIX. c. 3. et quarum ipſe Pon - tifex mentionem facit in cap. 9. X. de decimis, adeo ut ami - cabilem compoſitionem cum epiſcopis fratribus Ciſtertii ſuaſerit potius, quam rigidam immunitatis propugnationem, poſtquam bona eorum in immenſum creverant. die Sache am beſten getroffen.
Ich ſchreite zu den zweyten Fall, wenn von affir - mativen Privilegien die Frage iſt. Dieſe koͤnnen durch den bloßen Nichtgebrauch erloͤſchen10)S. Sam. stryck Diſſ. de non uſu iuris quaeſiti. rec. Lip - ſiae 1698. Cap. II. n. 40. ſqq. und Cap. III. hartleben in Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 5. S. 253., 1) wenn es dem Privilegirten nicht an Gelegenheit gefehlet, von ſeinem Privilegium Gebrauch zu machen11)mevius in Deciſ. Part. II. Deciſ. 1. wernher in Obſer - vat. forens. Tom. I. Part. I. Obſ. 108. Daher bewirkt z. B. das Verfallen der Gerichtsplaͤtze keinen Verluſt der Gerichis - barkeit ſelbſt, wenn keine Verbrechen ſeit langer Zeit began - gen worden, die dort haͤtten geruͤget werden koͤnnen. S. Quiſtorp Grundſaͤtze des T. peinl. Rechts 2. Tb. §. 568.; er auch 2) in441. Buch. 4. Tit. §. 110.in der Ausuͤbung deſſelben durch nichts gehindert wor - den12)Denn es iſt eine bekannte Regel: non valenti agere non currit praeſcriptio L. 1. Cod. de ann. except. Cap. 10. X. de praeſcript. R. I. de 1654. §. 172. z. B. wenn wegen graſſi - render Peſt keine Meſſen und Jahrmaͤrkte gehalten werden koͤnnen, ſo kann dieſer Nichtgebrauch keinen Verluſt des pri - vilegii nundinarum nach ſich ziehen. carpzov Part. II. De - ciſ. 116. boehmer Conſ. T. III. P. 2. Dec. 7. n. 8.; gleichwohl 3) ſich deſſelben uͤberall freywillig nicht bedienet hat13)Ein anderes waͤre, wenn in dem Privilegium die Clauſel enthalten „ ſolches nach freyen Willkuͤhr zu ge - brauchen “wovon pfeffinger in Vitriario illuſtrat. T. III. p. 1248. Beyſpiele geſammelt hat, ein ſolches Privilegium wuͤrde freylich durch Nichtgebrauch nie erloͤſchen koͤnnen. enenckel de privileg. Lib. III. Cap. 18. n. 33. lauter - bach Colleg. Th. Pr. Pandect. h. t. §. 52. in fin. Daher iſt in kaiſerlichen Begnadigungen, wenn deren Nichtgebrauch un - ſchaͤdlich ſeyn ſoll, die beſondere Clauſel: ut non uſus non praeiudicet, auch dafuͤr zu erlegende Taxe, gewoͤhnlich, wie aus Moſers Staatsrechte T. IV. S. 178. zu erſehen iſt.; 4) dieſer Nichtgebrauch durch einen ſo langen Zeitraum gedauert, als nach den Geſetzen erfor - derlich iſt; und endlich auch 5) Jemanden daran gelegen iſt, daß das Privilegium aufhoͤre14)Dieſem iſt daher auch der Beweis aufzulegen, daß der Privilegirte ſich ſeines Privilegiums freywillig und aus Nach - laͤßigkeit nicht bedient habe. philippi in Uſu practico In - ſtitut. Iuſtinianear. Lib. I. Tit. II. Eclog. 22. n. 8.. Nun fragt ſich’s aber noch, welcher Zeitraum nach den Geſetzen erfordert werde, wenn affirmative Privilegien durch bloßen Nicht - gebrauch ſollen verlohren gehen? Dies iſt unter den Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig. Denn auſſer der L. 1. D. de nundinis15)modestinus lib. 3. Regularum. Nundinis impetratis a Prin - cipe, non utendo qui meruit, decennii tempore uſum amittit. findet ſich keine ganz allgemeine und be -ſtimm -45de Conſtitutionibus Principum. ſtimmte Entſcheidung jener Frage in unſern Geſetzen. Kein Wunder, wenn daher die Rechtsgelehrten auch hie - rin nicht einig ſind. Die meiſten ſowohl aͤltern als neuern Rechtsgelehrten behaupten nun, daß affirmative Privile - gien ſchon durch einen zehenjaͤhrigen Nichtge - brauch erloͤſchen koͤnnen16)frommann in Diſſ. de revocatione privilegior. licita (Tub. 1704.) th. XI. stryck de nonuſu iuris quaeſiti. Cap. III. n. 10. ſqq. boehmer Conſ. T. III. P. II. Dec. 7. puffen - dorff de Privilegiis Cap. I. §. 141 — 144. und in Obſervat. iuris univ. T. III. Obſ. 188. §. 42. lauterbach in Colleg. theor. pr. Pandect. h. t. §. 52. ludovici in doctrina Pan - dect. h. t. §. 12. heineccius in Elem. iuris civ. ſec. ord. Pandectar. h. t. §. 120. hartleben in Meditat. ad Pand. c. l. womit zu verbinden Erlangiſche juriſt. Littera - tur de a. 1778. I. Band S. 151. ff. gaertner in Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. med. 37. Quiſtorp kleine juriſt. Schriften. S. 119. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. 2. Th. S. 173. ff. und hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 100.. Denn dies ſey wenigſtens von dem Privilegium, Markt halten zu duͤrfen, nach der angefuͤhrten L. 1. auſſer allem Zweifel. Warum ſollte nun dieſes Geſetz nicht auch in Anſehung anderer Privi - legien zur Richtſchnur dienen koͤnnen? Man muͤſſe in Er - waͤgung ziehen, daß jenes Geſetz aus modestini libris Regularum genommen ſey. In ſolchen Buͤchern aber haͤtten die roͤmiſchen Rechtsgelehrten Regeln und Saͤtze nach gemeinen Rechtsgruͤnden vorgetragen, keine Aus - nahmen von den Geſetzen. So lange man nun nicht dar - thun koͤnne, daß aus einem beſondern Grunde in Anſe - hung des privilegii nundinarum jene rechtliche Dispoſi - tion gemacht worden, ſo lange muͤſſe dafuͤr gehalten wer - den, daß dieſelbe auf einem allen Privilegien gemeinen Grundſatze beruhe. Hierzu komme endlich noch, daß auchDienſt -461. Buch. 4. Tit. §. 110.Dienſtbarkeiten, welche doch eine gewiſſe Aehnlichkeit mit den Privilegien haben, durch einen zehnjaͤhrigen Nicht - gebrauch verlohren gehen17)L. 13. Cod. de Servitut. .
Allein dieſer Gruͤnde ungeachtet fehlt es nicht an Rechtsgelehrten18)lynker in Commentar. iuris civ. Lib. I. Tit. IV. §. 15. leyser in Meditat ad Pandect. Vol. I. Spec. XI. Coroll. 2. und Vol. VII. Spec. CCCCLVII. med. 6. et 7. Tob. Iac. rein - harth in ſelect Obſervat. ad Chriſtinaei Deciſion. Vol. III. Obſ. 28. pag. 42. ſqq. Struben rechtliche Bedenken V. Th. Bed. 76. S. 159 f. Puͤtter auserleſene Rechtsfaͤlle II. Ban - des 4. Th. Reſp. 236. n. 11. et 18. Iac. rave Princip. univ. doctr. de praeſcriptione §. 156. und Lud. God. madihn in Principiis Iuris Rom. (Francof. cis Viadrum) Part. I. Prae - cogn. §. 17., die aus nicht minder wichtigen Gruͤn - den zur Regel annehmen, daß affirmative Privilegien erſt durch einen Nichtgebrauch von dreyßig Jahren erloͤ - ſchen, und bey dem Privilegium, Jahrmarkt zu halten, nur eine Ausnahme von der Regel machen. Denn erſt - lich redet doch die Verordnung ganz allgemein, nach welcher Rechte und Anſpruͤche erſt binnen dreyßig Jah - ren praͤſcribiret werden19)L. 3. C. de praeſcript. XXX. vel. XL. annor. . Folglich muß ſie auch bey Privilegien ihre Anwendung finden, ſo weit die Geſetze keine Ausnahme in Anſehung derſelben gemacht haben. Nun iſt die Ausnahme allemal ſtreng und nach den Wor - ten zu erklaͤren. Zweytens folgt es nicht, weil die L. 1. de nundirtis aus Modeſtins Rechtsregeln genom - men iſt, ſo iſt dieſelbe eine allgemeine Vorſchrift fuͤr alle Privilegien. Es waͤre wenigſtens unerklaͤrbar, warum Modeſtin gerade der Jahrmaͤrkte beſonders gedachthaben47de Conſtitutionibus Principum. haben ſollte. Die L. 1. kann allerdings allgemeine Re - gel fuͤr die privilegia nundinarum ſeyn, und in ſo fern in den libris Regularum der roͤmiſchen Juriſten einen Platz verdienen; aber deswegen kann ſie doch auch Ausnahme in Ruͤckſicht aller andern Arten von Privilegien ſeyn; dies iſt kein Widerſpruch. Es Folgt auch nicht, daß Mode - ſtin ſelbſt dieſe Ausnahme gemacht habe. Sie kann ei - ne beſondere Verordnung eines roͤmiſchen Geſetzgebers eben ſowohl als ein Gewohnheitsrecht zum Grunde ha - ben. Wiſſen wir doch von mehreren roͤmiſchen Rechtsſaͤ - tzen den eigentlichen Urſprung nicht. Drittens hat es mit Jahrmaͤrkten die beſondere Beſchaffenheit, daß dieſel - be den Kaufleuten des Orts zum Nachtheil gereichen, indem dadurch Fremde des ihnen ſonſt nicht zuſtehenden iuris commerciorum theilhaftig gemacht werden20)coccejus in iure controverſo. Lib. L. Tit. XI. Qu. 1. reinharth in Diſſ. de amiſſione iurium et privilegiorum §. 23.. Solche Privilegien haben eher das Anſehen einer Dienſt - barkeit. Deswegen ſind aber nicht alle Privilegien von der Art. Denn Privilegien ſind vielfaͤlltig in der Ab - ſicht ertheilet, das gemeine Beſte zu befoͤrdern. Sie thun es auch oͤfters wirklich21)Struben rechtl. Bedenken II. Theil, Bed. 80. S. 300. u. 301., und iſt daher vielmehr ihre Conſervation, als deren Verluſt zu befoͤrdern. De - nen Kirchen, und nach dem Gerichtsgebrauch auch Staͤd - ten ſchadet jedoch nur ein vierzigjaͤhriger Nichtgebrauch22)gail. Lib. II. Obſ. 60. n. 12. boehmer in Conſ. Tom. III. P. II. Dec. 5. n. 3. et Part III. Dec. 661. n. 16. auch gaert - ner in Meditat. pract. ad Digeſta Spec. I. med. 37. S. 63..
Mit dieſem Titel geht nun die eigentliche Lehre des Pandecten-Rechts an. Dieſe reduciren die roͤmiſchen Juriſten auf drey Hauptgegenſtaͤnde, Perſonen, Sa - chen und Klagen23)L. 1. D. b. t. Daß ſich dieſe Eintheilung allerdings recht - fertigen laſſe, wenn man ſie nur recht erklaͤrt, hat Ulric. huber in Digreſſionibus Iuſtinianeis Lib. IV. c. 1. S. 255. gezeigt.; und machen den Anfang mit dem iure perſonarum, quia hominum cauſa omne ius conſtitutum eſt, wie Hermogenian24)L. 2. D. eodem. wobey Ioſeph. finestres et de mon - salvo in Hermogeniani iuris Epitomar. libros VI. Commen - tar. T. I. pag. 217. nachgeſehen zu werden verdient. ſich hieruͤber aus - druͤckt. Das Irrige der gewoͤhnlichen Erklaͤrungen vom iure perſonarum und ſtatu haben auch ſchon andere Rechtsgelehrten25)Vorzuͤglich empfehle ich hier die leſenswuͤrdige Abhandlung in des H. Kammergerichts-Aſſeſſors von Reinhard Samm - lung juriſtiſcher, philoſophiſcher und kritiſcher Aufſaͤtze 1. Ban - des (Buͤtzow u. Wismar 1777.) IV. Stuͤck N. VI. S. 263 — 281. und Hn. Rath Majers Einleitung in das Privat-Fuͤrſten - recht uͤberhaupt (Tuvingen 1783.) Kap. 2. §. 23. u. folgg. eingeſehen, und ſich die Berichtigung dieſer Lehre angelegen ſeyn laſſen, die in aller Abſicht wichtig iſt. Nach der richtigern Theorie iſt nun Ius per -ſona -49de Statu Hominum. ſonarum der Inbegriff derjenigen Rechte und Verbindlichkeiten, die eigentlich und haupt - ſaͤchlich Perſonen zu ihrem Gegenſtande ha - ben, und ſich in der ihnen anklebenden ver - ſchiedenen Qualitaͤt und Eigenſchaft, die man den ſtatum nennt, gruͤnden. Es kommt alſo hier auf die Eroͤrterung folgender vier Fragen an.
Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo verſtehet man zwar unter Perſon im weitlaͤuftigen Verſtande einen jeden Menſchen; allein im Sinn des roͤmiſchen Rechts unterſcheidet man zwiſchen Menſchen und Perſonen, und nennt eine Perſon einen ſolchen Menſchen, der als ein moraliſches oder freyhandelndes Weſen betrachtet, Rechte und Verbindlichkeiten in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hat. Einer ſolchen Perſon wird eine Sache entgegen geſetzt, worunter man im iuriſtiſchen Verſtande alles dasjenige begreift, was dem Menſchen Nutzen bringt, und alſo ein Gegenſtand menſchlicher Rechte ſeyn kann, dabey aber keine Perſon iſt. Aus dieſem Begriff wird man ſogleich einſehen, warum die roͤmiſchen Sclaven fuͤr keine Perſo - nen, ſondern fuͤr Sachen gehalten wurden. Denn wenn man ſie gleich fuͤr Menſchen erkannte, ſo hielt man ſie doch darum fuͤr keine Perſonen, weil man ſie nicht als moraliſche Weſen, ſondern als Dinge anſah, die blos zum Nutzen und Gebrauche der Menſchen, eben ſo wieGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Ddas501. Buch. 5. Tit. §. 111.das Vieh, waͤren, und weil ſie uͤberall keine Rechte in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hatten26)L. 3. §. 1. D. de cap. minut. — Servile caput nullum ius habet. L. 32. u. 209. D. de R. I. Quod attinet ad ius ci - vile, ſervi pro nullis habentur. L. 41. D. de peculio. Nec ſervus quicquam debere poteſt, nec fervo poteſt deberi. .
In Anſehung der zweyten Frage, iſt zufoͤrderſt im Allgemeinen zu bemerken, daß eine Perſon der Gegen - ſtand eines Rechts alsdann ſey, wenn ſie dasjenige iſt, worauf ſich ein Recht oder eine Verbindlichkeit un - mittelbar bezieht; und das kann auf zweyerley Art geſchehen. Es kann naͤmlich entweder dieſelbe Perſon, welcher das Recht zuſtehet, auch zugleich der Gegenſtand des Rechts ſeyn; oder es kann eine andere Perſon der Gegenſtand eines ſolchen Rechts ſeyn. Im erſten Fall iſt es ein ius in propriam perſonam; dahin gehoͤrt, daß ich ein freyer Menſch bin, oder daß ich Majorenn und mein eigener Herr bin, und keinen Curator brauche, ſon - dern meinen Sachen ſelber vorſtehen kann. Im andern Fall iſt es ein ius in perſonam alterius; dahin gehoͤren z. B. die Rechte, welche ein Vater uͤber ſeinen Sohn, ein Vormund uͤber ſeinen Muͤndel, u. dergl. hat. Die vornehmſten Arten, wie ein Recht eine Perſon zum naͤch - ſten Object haben kann, ſind:
1) Wenn ein Recht ſich auf die Geburt eines Men - ſchen beziehet; z. B. daß der eine noch Embryo, der an - dere ſchon geboren, der eine freyer 〃 der andere leibeig - ner 〃 der eine ehelicher 〃 der andere unehelicher 〃 der eine ehrlicher 〃 der andere unehrlicher Geburt und Herkunft iſt.
2) Wenn ein Recht ſich auf eine natuͤrliche Quali - taͤt des Leibes oder der Seele bezieht; z. B. daß ein Menſchmaͤnn -51de Statu Hominum. maͤnnlichen der andere weiblichen Geſchlechts iſt, der eine einen geſunden und untadelhaften Koͤrper hat, der andere aber einen fehlerhaften und gebrechlichen Koͤrper, der ei - ne den Gebrauch ſeiner Vernunft hat, der andere nicht.
3) Wenn ein Recht in der Freyheit, ſeine Hand - lungen nach eigenem Wohlgefallen einzurichten, beſteht. Z. B. daß Jemand ſui iuris iſt, und nicht mehr unter vaͤterlicher Gewalt ſtehet, und deshalb Rechte hat, die die filii familias nicht haben.
4) Wenn ein Recht in der Gewalt, die freyen Hand - lungen eines andern zu dirigiren, beſtehet. Z. B. das Recht der vaͤterlichen Gewalt, das Recht eines Vormunds uͤber ſeinen Pupillen.
5) Wenn ein Recht den aͤuſſerlichen Zuſtand eines Menſchen auf ſolche Art betrifft, daß ſeine Perſon dabey hauptſaͤchlich in Betrachtung kommt. Hierher gehoͤren diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche aus der Lebensart eines Menſchen, der Beſchaffenheit ſeines Ge - werbes, ſeiner Profeſſion und Handthierung, ferner aus ſeinem guten Namen, oder der Religion, die einer hat, entſtehen. Endlich
6) wenn die Rechte und Verbindlichkeiten aus einer ſolchen Geſellſchaft herflieſſen, die ſich hauptſaͤchlich auf die Perſonen beziehet, dergleichen die eheliche Geſellſchaft iſt.
Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche zum iu[re]perſonarum gehoͤren, ſind alſo ſo mancherley, als eine Perſon der Gegenſtand eines Rechts ſeyn kann, und thei - len ſich daher in viele Claſſen. Eine jede dieſer Claſſen ſetzt bey der Perſon, der dieſe Rechte und Verbindlich - keiten zukommen, eine gewiſſe Qualitaͤt voraus, vonD 2wel -521. Buch. 5. Tit. §. 112.welcher ſie abhangen. Eine ſolche Qualitaͤt nun, um deren willen einem Menſchen gewiſſe Rechte und Ver - bindlichkeiten zukommen, die zum iure perſonarum ge - hoͤren, nennt man den Statum hominis27)Die wenigſten Begriffe der Rechtsgelehrten vom ſtatus ho - minis ſind richtig. Am laͤcherlichſten aber nimmt ſich der Be - griff unſers Autors aus, wenn er ſagt: statum hominis conſtituunt mutabilia, ob quorum exiſtentiam homini certa competunt iura. Gehoͤrt nicht zum ſtatus hominis, daß Jemand wetblichen oder maͤnnlichen Geſchlechts iſt? Dieſen Zuſtand kann man doch gewiß nicht aͤndern. Auch iſt der Begriff, wel - chen ſich andere Rechtsgelehrte vom ſtatus hominis machen, wenn ſie ſich darunter eine Qualitaͤt, von welcher Rechte und Verbindlichkeiten abhangen, vor - ſtellen, viel zu unbeſtimmt. Denn nach dieſem Begriff wird es ſchwer ſeyn ius perſonarum von dem iure rerum gehoͤrig zu unterſcheiden. Z. B. daß ich Eigenthuͤmer von einer Sa - che bin, iſt ja ohnſtreitig eine Qualitaͤt, von welcher Rechte abhangen, z. E. die Sache zu nutzen und zu gebrauchen, ſie zu beſitzen, daruͤber zu disponiren, ſie zu vindiciren, u. ſ. w. Nach jenem Begriffe muͤßten alſo auch dieſe Rechte zum iure perſonarum gehoͤren, da doch jeder Juriſt ſolche zum iure re - rum zaͤhlt.. Soviel zur Beantwortung der dritten Frage. Endlich die vierte Fra - ge, wie vielerley der ſtatus hominis ſey? wird der folgende §. eroͤrtern.
Die Qualitaͤt, die man den ſtatum hominis nennt, kann nun zweyerley ſeyn, entweder eine natuͤrliche, phyſi - ſche Eigenſchaft, die der Menſch von Natur hat, oder eine aͤuſſerliche moraliſche Eigenſchaft, die bey dem Men - ſchen, welchem dieſelbe anklebt, ein gewiſſes geſellſchaftli - ches Verhaͤltniß vorausſetzt, wovon Rechte und Verbind -lich -53de Statu Homanum. lichkeiten abhangen. Hieraus entſtehet die Eintheilung des ſtatus in naturalem und adventitium, wie ihn Ev. otto28)In Commentar. ad pr. Inſtit. de iure perſonarum pag. 49. (edit. Chriſtph. Frid. harpdrechti Frfti et Lipſiae 1743.) nennt, oder civilem in weitlaͤuftigen Verſtande genommen. Dieſer beyderley Status iſt nun wieder man - cherley. Da wir jedoch vom ſtatu naturali29)S. Franc. Car. conradi Exerc. de iure perſonarum ex diſcrimine hominum naturali vario Lipſiae 1727. Godofr. Reinold. koeselisius de iure perſonarum ex ſtatu hominum naturali. Ibid. 1733. et Sam. puffendorf de ſtatu hominum naturali, in Eius diſput. academ. ſel. erſt bey dem §. 114. weiter handeln werden, ſo wollen wir jetzo nur den ſtatum adventitium in ſeine Claſſen eintheilen. Mich duͤnkt, es laſſe ſich dieſer moraliſche oder Ge - ſellſchafts zu ſtand des Menſchen nach Verſchieden - heit der beyden vorzuͤglichſten Geſellſchaften, in welchen der Menſch ſich befindet, naͤmlich des buͤrgerlichen Staats, und der Kirche, in den ſtatum civilem in eigentlichen Verſtande und den ſtatum eccleſiaſticum eintheilen, je nachdem jener ſtatus entweder darin beſteht, daß Jemand Mitglied einer buͤrgerlichen Staatsgeſellſchaft iſt, und des - halb gewiſſe Rechte und Verbindlichkeiten hat, die vom Befinden im Staat abhangen, oder darin beſtehet, daß Jemand Mitglied einer kirchlichen Geſellſchaft iſt, und deshalb gewiſſe Rechte und Verbindlichkeiten in der Kir - che hat. Hier handeln wir jedoch nur von dem erſtern, denn die Lehre vom ſtatu eccleſiaſtico gehoͤrt ins Kirchen - recht30)Hiervon handelt Hr. GJR. boehmer in Principiis iuris canonici Part. Spec. Lib. I. Tit. I. S. 57. ff. (edit. 1785.). So verſchieden nun auch der Status civilis ſeyn kann, da ſich eine große Mannichfaltigkeit ſolcher moraliſcher Eigenſchaften denken laͤſſet, welche Rechte undD 3Ver -541. Buch. 5. Tit. §. 113.Verbindlichkeiten im Staat wirken, ſo nahmen die Roͤ - mer doch nur dreyerley Hauptgattungen an, und theil - ten daher den ſtatum civilem ein in ſtatum libertatis, civi - tatis, und familiae, je nachdem Jemand entweder ein freyer Menſch, oder ein Buͤrger, oder ein Mitglied einer gewiſ - ſen Familie iſt, er ſey nun entweder paterfamilias oder filiusfamilias. In unſerm heutigen iure perſonarum zaͤhlen wir jedoch mehrere ſtatus civiles. Z. B. daß ei - ner in gutem Ruf ſtehet, ein anderer ehrlos oder unruͤch - iſt, (ſtatus exiſtimationis) wovon libro III. Tit 2. Ferner daß der eine von Adel der andere aber nur von buͤrger - lichen Stande iſt, (ſtatus nobilitatis) desgleichen daß einer ein Soldat, der andere keiner iſt, (paganus) u. ſ. f.
Nur denjenigen, welcher einen ſolchen buͤrgerlichen Zuſtand hatte, wovon die roͤmiſche Juriſten reden, nann - ten die Roͤmer eine Perſon; den buͤrgerlichen Zuſtand ſelbſt aber caput. Dieſe Benennung begriff alſo den Zu - ſtand der Freyheit, des Buͤrgerrechts, und des Familien - rechts unter ſich. Wer keinen von dieſen drey Civil-Staͤn - den hatte, den ſahen ſie fuͤr keine Perſon an, ſondern rechneten ihn zur Claſſe der Sachen. Dahin gehoͤrten die roͤmiſchen Sclaven. Man ſagte von dieſen, ſie haͤt - ten nullum caput31)§. 4. I. de cap. minut. Daraus zogen die roͤmiſchen Juri - ſten die Folge, eine poena capitis finde bey Sclaven richt ſtatt, wie aus L. 12. §. 4. D. de accuſat. M. Ant. mure - tus in Obſervat. iuris lib. ſing. Cap. 2. T. IV. Theſ. Otto - niani p. 143. und Io. Guil. marckart in Probabil. receptar. lecti -, und hielt ſie gleichſam fuͤr buͤrger -lich55de Statu Homanum. lich tod32)L. 209. D. de R. I. Servitutem mortalitati fere compa - ramus. . Denn ſie hatten gar keine buͤrgerliche Rech - te im Staate. Heut zu Tage nehmen wir das Wort Perſon in zweyerley Bedeutung, erſtlich fuͤr einen Menſchen, mit einer gewiſſen Qualitaͤt betrachtet, in An - ſehung welcher er beſondere Rechte und Verbindlichkeiten in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hat; und zweytens fuͤr eine ſolche moraliſche Eigenſchaft ſelbſt, welche man den ſtatum nennt; ſo z. B. ſagt man, ein Menſch habe meh - rere Perſonen zugleich, wovon ich hernach reden werde. Die Perſonen werden nun nach ihren mancherley Ver - haͤltniſſen in der buͤrgerlichen Geſellſchaft verſchiedentlich eingetheilt. Sie ſind
I) entweder Individual oder moraliſche Per - ſonen. Naͤmlich alle moͤgliche Verhaͤltniſſe der Menſchen gegen einander koͤnnen nur von zweyerley Art ſeyn; ein - fach oder zuſammengeſetzt: je nachdem entweder hier mehrere Menſchen mit ihrer Thaͤtigkeit ſich vereini - gen, um damit ein Gemeinbeſtes zu befoͤrdern, oder dort jeder derſelben ſein Individualbeſtes mit ungetheilter Thaͤ - tigkeit fuͤr ſich beſorgt. Jeder einzelne Menſch nun, ſo - fern er, auſſer dem Socialverhaͤltniſſe, fuͤr ſich als ein ſelbſtſtaͤndiges moraliſches, freyhandelndes Subject be - trachtet wird, das nach ſeinen ungetheilten KraͤftenD 4ſein31)lection. P. II. p. 17. bemerkt haben. Denn poena capita - lis hieß im Sinn des roͤmiſchen Criminalrechts nicht allein Todesſtrafe, ſondern auch jede Strafe, die den Verluſt des buͤrgerlichen Zuſtandes zur Folge hatte. L. 14. §. 3. D. de bon. libertor. L. 2. pr. L. 28. pr. D. de poenis. §. 2. I. de publicis iudic. Man ſehe uͤbrigens Gundlings Gedanken uͤber die Worte: Servus non habet caput, in Deſſelben von Stol - len herausgegebenen Sammlung kleiner teutſch. Schriften (Halle 1737.) N. XXIV. S. 465 — 482.561. Buch. 5. Tit. §. 113.ſein eigenes Individualbeſtes zu bewuͤrken trachtet, wird eine Individualperſon genannt. Hingegen mehrere Menſchen zuſammen genommen, ſofern ſie, auſſer ihren Individualverhaͤltniſſe, als Glieder einer Geſellſchaft be - trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver - einigung, mit vereinten Kraͤften ein Gemeinbeſtes zu be - wirken ſuchen, machen eine moraliſche Perſon oder Ge - ſellſchaft aus33)Mayer a. a. O. Kap. II. §. 24. Man vergleiche auch Io. Nic. hertii Diſſ. de pluribus hominibus perſonam unam ſuſtinentibus. in Eius Opuſcul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag. 61 — 90..
II) Betrachtet man die Menſchen als Mitglieder ei - nes Staats, ſo kann ihre Perſon entweder eine oͤffent - liche oder privat Perſon ſeyn. Ein jedes ſelbſtſtaͤndi - ges Subject im Staate, es ſey ein einzelner Menſch oder eine ganze Geſellſchaft, im buͤrgerlichen Socialverhaͤlt - niß gegen den Staat betrachtet, zu deſſen Wohl und Be - ſten es ſeine Thaͤtigkeit anwendet, und deswegen beſon - dere Rechte und Pflichten hat, ſtellt eine oͤffentliche Perſon im Staate vor. Der Fuͤrſt hat dieſe, wie je - der Staatsbeamte, nur mit dem Unterſchiede, daß der Fuͤrſt, als Repraͤſentant des Staats, die, ſolcher Per - ſon nach, habende Zuſtaͤndigkeiten iure proprio hat, und darin freylich keine dergleichen Einſchraͤnkungen lei - der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen iſt, als welche nur ein ius adminiſtratorium zum Grunde hat. Auſſer dem Verhaͤltniſſe des Staats betrachtet, hat hingegen jeder Buͤrger, ſelbſt der Fuͤrſt, nur eine Privatperſon, wornach er Freyheit und Eigenthum hat, und damit ſein eigenes Individual-Intereſſe und Beſteszu57de Statu Hominum. zu befoͤrdern berechtiget iſt34)Mayer in der angef. Einleitung in das Privat-Fuͤrſtenrecht Kap. IV. . Ich bemerke endlich noch,
III) daß ein Menſch oft mehrere Perſonen in ſich vereinigen kann. In einem ſolchen Fall hat man ſtets darauf zu ſehen, in welcher Perſon ein ſolcher Menſch handelt. Denn nur die Rechte kommen in Betracht, die ihm nach derjenigen Perſon zuſtehen, in Anſehung deren er eine Handlung unternommen. Es ſchadet auch einem ſolchen Menſchen dasjenige, ſo er in Anſehung der einen Perſon zu thun verpflichtet war, nichts in Anſehung ſei - ner andern Perſon. Man ſetze den Fall, daß Jemand filiusfamilias und dabey Vormund eines Pupillen waͤre. Der Vater enterbe ihn in ſeinem Teſtament, dem Pupillen ſeines Sohnes aber vermache er ein Legat. So kann er als Vormund fuͤr ſeinen Pupillen aus dem vaͤterlichen Teſtament das Legat verlangen und in Empfang nehmen, und hernach doch noch fuͤr ſich das Teſtament ſeines Va - ters als ein pflichtwidriges (inofficioſum) anfechten35)§. 4. Inſtit. de inoff. teſtamento. , ohne daß ihm die Einrede, er habe durch den Em - pfang des Legats das Teſtament einmal als guͤltig anerkannt, entgegen geſetzt werden kann. Ein ſolcher Menſch kann auch buͤrgerliche Rechts-Hand - lungen, zu deren Verrichtung ſonſt zwey verſchiedene Perſonen erfordert werden, der Regel nach vor ſich ſelbſt verrichten, wenn er beyde Perſonen vorſtellt. Ein ſchoͤ - nes Beyſpiel hat Paulus lib. IV. ad Sabinum36)L. 3. D. de adopt. et emancipat. : Si Con - ſul vel Praeſes filiusfamilias ſit; poſſe eum apud ſe - metipſum vel emancipari, vel in adoptionem dari,D 5con -581. Buch. 5. Tit. §. 114.conſtat. Am beſten hat dieſe Materie der unten ange - fuͤhrte Herr37)Io. Nicol. hertii Diſſ. de uno homine plures ſuſtinente per - ſonas. Gieſſae 1699. in Opuſcul. Vol. I. Tom. III. p. 41 — 64. , auseinander geſetzt.
Der natuͤrliche Zuſtand der Menſchen iſt ſehr mannichfaltig, und es entſtehen daher verſchiedene Ein - theilungen der Menſchen. Ich will hiervon zuerſt uͤber - haupt, und hernach von jedem einzelen ſtatu naturali ins beſondere handeln. Die vornehmſten Arten des na - tuͤrlichen Zuſtandes der Menſchen ſammt denen daraus herfließenden Eintheilungen der letztern ſind folgende:
I) Status nativitatis, nach welchem die Menſchen in ſchon gebohrne, und ſolche, die noch Embryonen ſind, eingetheilet werden, von dieſem wird ad hunc §. gehandelt werden. Die Gebohrnen ſind entweder lebendig, oder todgebohrne, wovon §. 115. Sie ſind ferner entweder eheliche, oder uneheliche, wovon §. 116.
II) Status ſexus, in Anſehung deſſen die Menſchen entweder Manns - oder Weibsperſonen ſind. §. 117.
III) Status integritatis, nach welchem die Menſchen
IV) Status aetatis, nach welchen die Menſchen ent - weder Minderjaͤhrige oder Majorenne ſind. Er - ſtere werden wieder in puberes und impuberes, letzere aber in ſenes, und ſolche, die es noch nicht ſind, eingetheilet, wovon ad Tit. VI. §. 130. gehandelt werden wird.
Nun zuerſt vom Statu nativitatis. In Ruͤckſicht die - ſes Zuſtandes theilt man die Menſchen in ſchon gebohr - ne, und noch ungebohrne oder Embryonen ein, und verſtehet unter den letztern jede von der Mutter noch nicht abgeſonderte Leibesfrucht. Einen ſolchen Embryo hielten zwar die aͤltern Roͤmer nach den Grundſaͤtzen der Stoiker noch nicht fuͤr einen Menſchen, ſondern nur fuͤr einen Theil der muͤtterlichen Eingeweide38)L. 9. §. 1. D. ad Leg. Falcid. L. 1. §. 8. D. de cognat. L. 1. §. 1. D. de ventre inſpic. Man vergleiche hierbey S. H. de idsinca Varior. iuris civ. cap. XIV. Edm. meril - lius Lib. I. Obſervat. cap. 16. Ev. otto in vita Papiniani. Cap. IX. p. 220. vorzuͤglich aber Hr. GJR. walch in not. ad eckhardi Hermenevt. iuris Lib. I. Cap. IV. §. 137. pag. 227 — 234. und Frid. Guil. boers de Anthropologia IC. Rom. ſtoica. Lugd. Bat. 1778. 8., daher man auch die Abtreibung der Leibesfrucht nicht als einen Tod - ſchlag, ſondern nur als eine Beleidigung fuͤr den Mann anſahe39)marcian. L. 4. D. de extraord. crim. eam, quae data opera abegit, a Praeſide in temporale exilium dandam: indignum enim videri poteſt, impune eam maritum liberis fraudaſſe. Man ſehe hier nach Io. Franc. ramos in Errorib. Triboniani depoe -, ſie waren indeſſen doch dafuͤr beſorgt, daßdieſe601. Buch. 5. Tit. §. 114.dieſe ſpes animantis, wie ſich der roͤmiſche Juriſt Mar - cellus40)L. 2. D. de mortuo infer. ausdruckt, nicht zerſtoͤret werden moͤge, weil doch wenigſtens in Zukunft noch ein Menſch daraus wer - den41)Noch Juſtinian ſagt in L. 14. C. de fideic. libert. par - tus, dum in ventre portatur, homo fieri ſperatur. und durch deſſelben Geburt der Staat einen Zu - wachs erhalten kann42)L. 1. §. 15. D. de ventre in poſſeſſion. mittendo: partus non tantum parenti, cuius eſſe dicitur, verum etiam Reipu - blicae naſcitur. . Daher verbieten ſchon die Ge - ſetze der Pandecten, eine ſchwangere Perſon zu beerdi - gen, wenn ſie nicht zuvor geoͤfnet, und die Frucht von ihr genommen worden iſt43)L. 2. D de mortuo infer. Vortreflich erlaͤutern dieſes Geſetz Zach. huber in der Diſſ. de lege regia, quam recitat Marcel - lus cap. ſecundo Pandectar. de mortuo inferendo: in eius Diſſertat. iuridic. et philolog. Part. I. Diſſ. IX. pag. 235 — 262. und Hr. Geh. J. R. walch ad Eckhardi Hermenevt. iuris a. a. O. S. 232. ff.. Es ſoll auch nach einer Verordnung des K. Hadrian eine Verbrecherin, welche ſchwanger iſt, nicht ehender als nach der Niederkunft hin - gerichtet werden44)L. 18. D. b. t. L. 3. D. de Poenis. Man ſehe hierbey nach Aegid. menagius in iuris civ. amoenitatibus cap. 21.. Sie darf auch waͤhrend ihrer Schwangerſchaft ſo wenig gefoltert, als mit der Tortur bedraͤuet werden45)paulus lib. I. Sententiar. Receptar. Tit. XII. §. 5. L. 3. D. de poeniſ. . Ja angeſehene Rechtsgelehrten wol - len ſogar, daß zur Verhuͤtung eines Aborts und ande -rer39)poena parricidii. (Lugd. Bat. 1752. 4. ) pag. 241. ſqq. Corn. van bynckershoeck in curis ſecundis pag. 87. Ger. oelrichs in Ael. Marciano. Lib. I. c. 7. p. 42. und franc. de amaya in Obſervat. iuris lib. III. Cap. I. §. 2.61de Statu Hominum. rer Unfaͤlle einer ſchwangern Perſon nicht einmal ein peinliches Urtheil eroͤfnet werden ſolle46)paulus a. a. O. hommel in Diſſ. de cauta publicatione ſententiae crimin. §. 17. und Hr. GR. koch Inſtitut. iuris crim. §. 908. not. 2..
Ueberhaupt ſorgen die Geſetze fuͤr ein ungebohren Kind eben ſo wohl, als ob es ſchon das Licht der Welt erblickt haͤtte, wenn es auf deſſen eigene Vortheile an - kommt47)L. 7. D. h. t. L. 231. D. de Verb. Signif. Auſſer der ſchon von Verf. angefuͤhrten Doͤringiſchen Schrift ver - dienen noch folgende angefuͤhrt zu werden: Chriſt. wildvo - gel Diſſ. de iure Embryonum. Ienae 1693. Caſp. verdyn Diſſ. de iure eorum, qui in utero ſunt. pagenstecker Vi - ſiones de ventre. Brem. 1714. Arn. Flor. Theod. mallinkrot Diſp. de ſtatu nondum natorum, indeque dependentibus iuribus et obligationibus. Gieſſae 1759. und Gottfr. Heinr. Mau - chart uͤber die Rechte des Menſchen vor ſeiner Geburt. Frkf. und Leipzig 1782. 8.. Denn ſo koͤnnen ſolche ungebohrne Kinder, ja ſie muͤßen vom Vater zu Erben eingeſetzet werden, wenn das Teſtament nicht unguͤltig ſeyn ſoll48)§. 5. I. de exhered. liberor. L. 4. C. de liberis praeterit. L. 1. C. de poſtumis beredib. inſtit. vel. exhered. Frid. Lud. doering Diſſ. de iuribus, quae naſcituris et poſtumis intuitu ſucceſſionis competunt. Erf. 1769. §. IV. ſqq. ; Ferner wenn der Erblaſſer eine Witwe hinterlaͤßt, welche ſchwan - ger iſt, und die uͤbrige Erben auf die Theilung der Erb - ſchaft dringen, ſo muß dem noch ungebohrnen Kinde ſein Theil ſo gut, wie den ſchon gebohrnen, ausgeworffen werden, und zwar nehmen die Geſetze hier den moͤglichen Fall, daß drey Kinder zur Welt gebohren werden koͤnnen, bey beſtimmung des Erbtheils an, und wollen daher, daß fuͤr die noch ungebohrne Kinder drey Theile bis zur Geburt aufbehalten werden ſollen49)L. 3. D. Si pars hereditat. petat. . Auch kann der Vater ſeinem noch ungebohrnen Kinde einen Vormundim621. Buch. 5. Tit. §. 114.im Teſtamente ernennen50)§. 4. I. de tutelis. ; nicht weniger demſelben auf den Fall, da es nach ſeinem Tode lebendig zur Welt gebohren wuͤrde, und unmuͤndig verſtuͤrbe, einen Folge - Crben ſetzen51)§. 4. I. de pupillari ſubſtitut. . Noch ungebohrne Kinder, wenn ſie außer der Ehe empfangen worden, ſind ferner auch ſchon im Mutterleibe den ehelich gebohrnen gleichzuachten, wenn ſich die Eltern waͤhrend der Schwangerſchaft hey - rathen52)L. 11. Cod. de natural. liberis. . Daß auch andere Rechte, z. B. Pfandrecht, fuͤr ſelbige erworben werden koͤnnen, hat keinen Zwei - fel53)Chriſt. wildvogel Diſſ. de iure poſthumorum. Ienae 1700. Cap. III. Billig hat jedoch Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. H. Faſc. I. Spec. XVI. med. 3. S. 9. die Regel: quod naſciturus, quandocunque de eius favore agitur, pro nato habendus ſit, durch den Beyſatz eingeſchraͤnkt: niſi qualitas, quod ſit embryo, tollat requiſita ad iura et obli - gationes neceſſaria. Sic, licet favorabile ſit, beneficio eccleſia - ſtico potiri, certum tamen eſt ex iure canonico, quod em - bryoni beneficium eccleſiaſticum conferri haud poſſit. . Ein Dritter hingegen kann durch ein ſolches Kind vor deſſelben lebendiger Geburt kein Recht erwer - ben54)L. 7. D. h. t. in verb. — quamquam alii, antequam naſ - catur, nequaquam proſit. . Es wird auch das Kind im Mutterleibe in ei - nem ſolchem Fall nicht in Rechnung angenommen, da es auf eine beſtimmte Anzahl von Kindern ankommt, wie z. B. bey Ablehnung einer angetragenen Vormund - ſchaft55)L. 2. §. 6. D. de Excuſat. . Dem Embryon bleiben alſo alle vortheilhafte Rechte bis zu ſeiner Geburt vorbehalten, in ſo fern naͤm - lich ſolche nur Bezug auf ihn, nicht aber auf einen Drit - ten haben. Jedoch wird billig vorausgeſetzt,
I) daß63de Statu Hominum.I) daß die Geburt des Kindes mit dem Zeitpunct uͤbereinſtimme, da ihm das Recht angefallen, und daß folglich damals die Frucht ſchon in Mutterleibe geweſen ſey56)S. Mauchart a. a. O. §. 10.. Dieß wird nach der Zeit beurtheilt, in welcher nach der von den Geſetzen angenommenen Beſtimmung ein vollkommenes Kind zur Welt gebohren werden kann, wovon ich beym folgenden §. reden werde.
II) Daß der Embryo als eine vollkommene und le - bendige Geburt zur Welt komme57)L. 2. et 3. C. de poſtum. hered. inſtit. . Was aber hierzu erfordert werde, wird ebenfalls der folgende §. lehren; und
III) daß dieſe Geburt eine menſchliche Geſtalt habe. Denn eine Mißgeburt, (monſtrum, prodigium) hat keine buͤrgerlichen Rechte58)L. 14. D. h. t. Non ſunt liberi, qui contra formam huma - ni generis converſo more procreantur: veluti ſi mulier mon - ſtroſum aliquid aut prodigioſum enixa ſit. . Ob aber eine Geburt fuͤr ein Monſtrum zu halten ſey, wird aus dem Kopf beur - theilt. Man nennt daher eine Mißgeburt diejenige Ge - burt, welche keinen menſchlichen Kopf hat, ſondern den Kopf eines unvernuͤnftigen Thieres z. B. einen Hunds - oder Schweinskopf59)L. 135. D. de Verb. Signif. . Solche Mißgeburten werden in unſern Geſetzen fuͤr keine Menſchen gehalten60)L. 14. D. de ſtatu hom. Im. weber Diſſ. de iure monſtro - rum Gieſſae 1712. Ier. Eberb. linck Diſſ. an monſtra ex ho - minibus nata ſint homines? Argentor. 1732.. Denn die alten Philoſophen nahmen an, daß die der Vernunft faͤhige Seele in dem Kopfe des Menſchen ihren Sitz habe, und alſo nur vermittelſt deſſelben freye Handlun -gen641. Buch. 5. Tit. §. 114.gen hervorbringen koͤnne. Keine menſchliche Seele koͤnne alſo mit einem ſolchen Koͤrper in Verbindung ſtehen, wel - cher keinen menſchlichen Kopf hat. Solche monſtroͤſe Geburten koͤnnen folglich auch nach den Geſetzen keine menſchlichen Rechte erwerben, daher auch diejenigen weg - fallen, welche ihnen die Geſetze, ehe ſie noch gebohren waren, auf den Fall ihrer Geburt zueigneten, und koͤnnen mithin durch ſie auf andere nicht weiter transmittiret werden. So iſt die Vorſchrift unſerer Geſetze61)Solche Mißgeburten erklaͤren auch die Geſetze fuͤr untuͤchtig, ein Teſtament zu brechen, worin der poſtumen Kinder keine Erwaͤhnung geſchehen iſt. L. 3. C. de poſthumis heredib. inſtit. vel exheredand. . Allein verſchiedene unſerer Rechtsgelehrten wollen an der heuti - gen Anwendung derſelben zweifeln62)hommel in Rhapſod. quaeſtion. forens. Vol. VI. Obſ. 905. S. 588. und in Epitome iuris ſacri (Lipſine 1777.) Cap. XIII. §. 9. hartleren in Meditat. ad Pandect. Spec. XVI. med. 2.. Sie haben ſich durch die Meinung einiger neuern Aerzte63)boerner in Inſtitut. medicin. legalis §. 69. kannegieser Inſtitut. medicin. forens. Cap. I. §. 88. ludwig Inſtitut. medic. for. §. 155. u. 406. verleiten laſ - ſen zu glauben, daß auch in einem Monſtrum eine ver - nuͤnftige Seele wohnen koͤnne. Denn was aus menſch - lichen Saamen erzeugt worden, das ſey Menſch. Die Vorſchriften Juſtinians koͤnnten uns auch in rebus phyſicis nicht verbinden, ſobald wir durch die Aerzte be - lehret wuͤrden, daß ſie auf falſchen Grundſaͤtzen beruhe - ten64)Stryck in Uſu Mod. Pandect. h. t. §. 14.. Sogar unter den roͤmiſchen Juriſten habe es ſchon Leute gegeben, die eben ſo gedacht, und deren Mei - nung auch ins roͤmiſche Geſetzbuch aufgenommen wordenſey65de Statu Hominum. ſey65)L. 135. D. de Verbor. Signif. wo geſagt wird: partum monſtroſum parentibus prodeſſe. . — Ich kann mich jedoch von dieſer Meinung nicht uͤberzeugen. Denn der Geiſt jener Geſetze iſt ohne Zweifel dieſer, daß eine ſolche Mißgeburt darum von den Rechten der Menſchen ausgeſchloſſen ſeyn ſolle, weil ihr der Charakter der Menſchheit fehlt. Da nun der Menſch von andern Thieren ſich vorzuͤglich darin un - terſcheidet, daß er der Vernunft in einem hohen Grade faͤhig iſt; dieſe Faͤhigkeit aber eine gewiſſe feine Organi - ſation des Gehirns vorauszuſetzen ſcheint, ſo hat man da - raus den richtigen Schluß gemacht, daß mit eben die - ſer Organiſation der Charakter der Menſchheit ſo genau verbunden ſey, daß er ohne ſie nicht beſtehen koͤnne. Da aber dieſe Organiſation auf keine andere Art als aus dem Bau des Schedels, in ſofern er mit dem bey Menſchen gewoͤhnlichen uͤbereinſtimmt, vermuthet werden kann, ſo muß man dieſen Theil der Phyſiognomonic hier zum Grunde legen, und annehmen, daß nur in einem auf ge - woͤhnliche Art gebaueten menſchlichen Schedel eine der Vernunft guͤnſtige Organiſation des Hirns ſtatt finden, in einem Schedel aber, deſſen Bau mit der Figur ande - rer Thier-Schedel uͤbereinſtimmt, eine dem Denken un - guͤnſtige Organiſation verknuͤpft ſey. Sodann iſt ja uͤberhaupt die Geſtalt eines menſchlichen Angeſichts ein ſo weſentliches Stuͤck der Menſchheit, daß ohne dieſelbe eine Geburt ohnmoͤglich fuͤr eine menſchliche gehal - ten werden kann, wenn man auch annehmen wollte, daß in einem Monſtrum eine vernuͤnftige Seele wohnen koͤn - ne. Allein auch dieſes laͤßt ſich nicht erweiſen. Quod vero invincibiliter ignoramus, perinde eſt, ac ſi nonexiſte -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. E661. Buch. 5. Tit. §. 114.exiſteret. Zwar ſchlaͤgt Teichmeyer66)Inſtitut, medicin. legal. pag. 86. vor, man ſolle warten, bis etwa mit der Zeit aus weitern Handlungen einer ſolchen Geburt gewißer geſchloſſen werden koͤnne, ob in ihr eine vernuͤnftige Seele wohne oder nicht? Allein die Frage muß gemeiniglich bald entſchieden wer - den, da ſolche Geburten ſelten lange leben, und wenn ſie ſterben, ſogleich uͤber die Erbfaͤhigkeit geſtritten wird. Endlich iſt die Stelle Ulpians67)L. 135. D. de Verb. Signif. ulpianus lib. IV. ad Legem. Iuliam et Papiam. Quaerat aliquis, ſi portentoſum vel mon - ſtroſum vel debilem mulier ediderit, vel qualem viſu vel vagi - tu novum, non humanae figurae, ſed alterius magis animalis, quam hominis partum, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat? Et magis eſt, ut haec quoque parentibus proſint: nec enim eſt, quod eis imputetur, quae qualiter potuerunt, ſtatutis obtempe - raverunt, neque id, quod fataliter acceſſit, matri damnum in - iungere debet. Ich darf hier die Verbeſſerung des Nicol. ca - tharini lib. III. Obſervation. et Coniecturar. cap. 15. T. VI. Theſauri iuris civ. et canon. Meermanniani pag. 787. nicht unbemerkt laſſen, welcher ſtatt der Worte, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat, vielmehr folgendermaßen leſen will, an quae enixa eſt, prodeſſe ei debeant. worauf die Gegner ſich beziehen, nichts weniger als ihrer Meinung guͤnſtig. Denn ſie beziehet ſich, wie derſelben Ueberſchrift lehrt, auf das Juliſche und Papiſche Geſetz, nach welchem Belohnungen fuͤr fruchtbare, aber auch Strafen fuͤr un - fruchtbare Ehen waren beſtimmt worden. Zu den letztern gehoͤrte z. B. daß Ehegatten, die in einer unfruchtbaren Ehe gelebt haben, mehr nicht als den zehenden Theil ih - rer Guͤter von einander erben68)ulpianus Fragm. Tit. XV. , und von dem, was ihnen von Andern in einem letzten Willen war hinter -laſ -67de Statu Hominum. laſſen worden, nur die Helffte bekommen ſollten69)sozomenus Hiſt. Eccl. lib. I. c. 9. heineccius in Com - ment. ad Leg. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 21. S. 344.. Die - ſen Strafen entgiengen, wie billig, ſolche Eltern, die zwar Kinder gezeugt, ſolche aber durch den Tod wieder verlohren hatten. Ein jedes ſolches Kind, verſchafte den Ehegatten bey ihrer kuͤnftigen Erbfolge unter ſich eine Zulage von einer decima, ja drey derſelben machten die Ehegatten faͤhig, ut inter ſe ſolidum capere poſſent, wie Ulpian70)Fragm. Tit. XVI. §. 1. beym schulting in Iurisprud. vet. Antejuſtin. pag. 611. ſagt. Billig war es nun, dieſe Vorthei - le auch ſolchen Ehegatten angedeihen zu laſſen, welche zwar nach ihren Kraͤften moͤglichſt ſich beſtrebt, Kinder zu erzeugen, allein doch nur eine Mißgeburt zur Welt ge - bracht haben. Denn was koͤnnen ſie fuͤr dieſen Ungluͤcks - fall71)So erklaͤren dieſe Stelle Ulpians auch Iac. gothofre - dus in Commentar. ad Leg. Iul. et Pap. cap. 12. heinec - cius in Commentar. ad eand. Leg. lib. II. c. 14. pag. 264. Ioſ. fernandez de retes ad L. 1. et 2. Cod. de iure libe - rorum cap. I. Tom. VI. Theſ. Meermanniani pag. 89. Franc. ramos del manzano ad Leg. Iul. et Pap. lib. IV. Reliqu. 34. Tom. V. Theſ. Meermann. pag. 502. Luc. van de poll in lib. ſing. de exheredatione et praeteritione Rom. et hod. (Ultraj. 1712.) Cap. XXXIX. §. 13. p. 247. Pet. de greve in Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora, (Noviomagi 1660.) Exercit. I. §. XVI. S. 15. Ant. schulting in Enarrat, par - tis primae Digeſtor. h. t. §. 3. Vol. IV. Commentat. Academ. Halae editar. pag. 48. u. a. m. Auf ſolche Art faͤllt alſo nun - mehr aller Widerſpruch zwiſchen paulus in L. 14. D. de ſta - tu hom. und ulpianus in L. 135. D. de Verb. Signif. weg, und ich kann daher ſo wenig dem Em. merillius, welcher in Obſervation. lib. I. cap. 33. eine Verſchiedenheit der Mei -nun -? Wie laͤßt ſich nun aber wohl hieraus der SchlußE 2machen,681. Buch. 5. Tit. §. 114.machen, daß auch eine Mißgeburt fuͤr einen Menſchen zu halten, ſo Rechte erwerben, und ſolche auch wieder auf andere transmittiren koͤnne.
Von den Mißgeburten ſind nun fehlerhafte Gebur - ten wohl zu unterſcheiden, welche man portenta oder oſten - ta72)L. 38. D. de Verb. Signif. nennt. Dahin muͤſſen diejenigen gerechnet wer - den, deren Kopf zwar menſchlich, aber doch auf irgend eine Art mißgeſtaltet iſt, z. B. deren Schedel ſchief, oder ſpitz iſt, auch die eine haͤßliche Phyſiognomie des Geſichts haben, verunſtaltete Naſe, Mund, Kinn u. ſ. w. Man rechnet hierher auch mißgeſtaltete Geburtstheile; desglei -chen71)nungen unter jenen beyden roͤmiſchen Juriſten annimmt, recht geben, als dem wissenbach de Emblematibus Triboniani pag. 339. beytreten, welcher die L. 14. fuͤr interpolirt haͤlt. Man vergleiche Ant. schulting in Not. ad Iul. Pauli libr. IV. Sentent. Receptar. Tit. IX. not. 12. Iurisprud. vet. Antejuſtin. S. 415. und Io. wybo in Triboniano defenſo ad L. 14. D. de Statu hom. Allein Hr. Geh. J.R. walch in Notis ad eck - hardi Hermenevtic. iuris lib. I. cap. V. §. 199. S. 372. glaubt nicht einmal, daß es noͤthig ſey, zu den Ueberſchriften jener beyden Stellen der Pandecten ſeine Zuflucht zu nehmen. Schon ihr Inhalt zeige deutlich, daß in beyden eine ganz verſchiedene Frage entſchieden werde. Ubi paullo curatius, ſagt er, perpendamus ulpiani verba, ſolummodo quaeſtionem in medium profert, num matri quoque ita proſit monſtrum, quod in lucem edidit, ut ex eo colligendum ſit, illam ſtatutis obtemperaſſe; et ideo non potuit, quin omnino haec adfirmetur quaeſtio; paulus autem verbis, quae L. 34. D. de ſtatu ho - minum habentur, quaeve etiam lib. IV. Receptar. Sentent. Tit. IX. §. 3. exhibentur, ita ſunt comparata, ut ſolum, qui ſunt liberi, definiant, hocque a numero liberorum monſtra exclu - dant. Man wird indeſſen, ohne die Ueberſchrift zu Huͤlfe zu nihmen, uͤber dieſe Stellen nie ein vollkommenes Licht ver - breiten.69de Statu Hominum. chen wenn die Geburt mehr oder weniger Glieder hat, als ſonſt gewoͤhnlich iſt73)Genus oſtentorum, quoties quid contra naturam naſcitur. tribus manibus forte aut pedibus: ſagt L. 38. cit. . Wo nun auf ſolche Art bey einer Geburt einzelne Theile von der gewoͤhnlichen Zahl, Figur, Groͤße, Verhaͤltniß, Verbindung, abweichen, der Kopf uͤbrigens menſchlich iſt, ſo kann derſelben der Cha - rakter der Menſchheit nicht abgeſprochen werden, welchen auch ſelbſt thieriſche Glieder nicht umſtuͤrzen koͤnnen74)L. 14. D. h. t. Verb. — Partus autem, qui membrorum huma - norum officia ampliavit, aliquatenus videtur effectus: et ideo inter liberos connumerabitur. Ueber die L. 14. kann uͤbrigens nach - geſehen werden Barth. chesius in Interpretat. iuris lib. I. c. 27. n. 10. in Iurispr. Rom. et Attica. Tom. II. . Solche fehlerhafte Geburten erlangen daher nicht nur alle Rechte, welche Menſchen zuſtehen, ſondern bringen ſolche auch, wenn ſie ſterben, wieder auf andere.
Geborne Menſchen ſind in Anſehung der Geburt wie - der auf verſchiedene Art einzutheilen.
I) Koͤnnen ſie entweder lebendige oder todge - borne ſeyn. Erſtere werden diejenigen genannt, welche, nach ihrer gaͤnzlichen Abſonderung von Mutterleibe, Zei - chen des Lebens von ſich gegeben haben. Dahingegen ein todgebohrnes Kind ein ſolches genennt wird, wel - ches noch vor der voͤlligen Abſonderung von Mutterleibe, es ſey nun waͤhrend der Geburt, oder ſchon vorher, das Leben verlohren hat. Eine ſolche tode Geburt tritt in keine buͤrgerliche Rechte, und heißet daher auch nicht mitE 3Recht701. Buch. 5. Tit. §. 115.Recht ein Kind75)L. 129. D. de Verb. Signif. Qui mortui naſcuntur, neque nati, neque procreati, videntur; quia nunquam liberi appellari potuerunt. . Dies iſt nur ein Vorzug der le - benden Geburt. Ein chriſtliches Begraͤbniß kann indeß auch den todgebornen Kindern nicht abgeſprochen werden, in ſo fern ſie von chriſtlichen Eltern ſind gezeugt wor - den76)Nam hos non contemtus religionis, ſed articulus neceſſitatis a myſterio baptismi excludit, ſagt Auguſtin de unico baptis - mo lib. IV. c. 22. beym gratiano Can. 34. Diſt. 4. de Conſecrat. . Soll nun alſo ein Kind fuͤr lebendiggebo - ren gehalten werden koͤnnen, ſo wird zweyerley dazu er - fordert:
I) daß das Kind voͤllig und ganz geboren ſey77)L. 3. C. de poſtum. hered. inſtit. vel exhered. — hoc tan - tummodo requirendo, ſi vivus ad orbem totus proceſſit. To - tus wird hier von einem ſolchen ſoetu verſtanden, qui iam to - tus exiit ex utero, in ipſo antea non extinctus partu: wie es sichard. ad h. L. und Luc. van de poll in lib. de exhere - dat. et praeterit. Cap. XXXVII. n. 10. richtig erklaͤren. Hier - aus ziehet daher lauterbach in Colleg. th. pract. Pandect. h. t. §. XXVII. die richtige Folge: Si ergo in ipſo partu in - fans moriatur, et non tetus ad orbem vivus procedat, nec ſuc - cedere poteſt, nec hereditatem ad heredes transmittere.. Ob es uͤbrigens auf die gewoͤhnliche natuͤrliche Art zur Welt gekommen, oder ausgeſchnitten, oder mit der Zange von der Mutter geholet worden, iſt nach den Rechten gleich viel78)L. 141. D. de Verb. Signific. Ueber dieſes Geſetz verglei - che man van de poll a. a. O. cap. 39. §. 5.. Denn auch denen Ausſchnittlin - gen legen unſere Geſetze die Rechte wirklich geborner Kin - der ausdruͤcklich bey. So wird z. B. durch einen ſolchenAus -71de Statu Hominum. Ausſchnittling des Vaters Teſtament gebrochen79)L. 12. D. de liber. et poſtum. Quod dicitur filium natum rumpere teſtamentum, natum accipe, etſi exſecto ven - tre editus ſit: nam et hic rumpit teſtamentum. Und es kann dem Kinde nichts benehmen, wenn Paulus in L. 132. §. 1. D. de Verb. Signif. ſagt: Falſum eſt, eam peperiſſe, cui mor - tuae filius exſectus eſt. Denn dieſes beziehet ſich wieder auf jene Lex Iulia et Papia, wie die Ueberſchrift dieſer Stelle lehrt. Wenn naͤmlich ein Latinus mit einer Latina ein Kind gezeugt, und dieſes ein Jahr alt worden, ſo erlangten die El - tern das ius Quiritium, desgleichen erwarb vermoͤge eines der Legi Papiae beygefuͤgten Senatusconſultums eine Freyge - laſſene das ius Quiritium, wenn ſie drey Kinder zur Welt ge - boren hatte. Wie wenn ſie nun zwey bey ihren Leben gebo - ren, das dritte aber ihr nach ihrem Tode aus dem Leibe ge - ſchnitten worden, ſo entſtand die Frage, ob ſie als roͤmiſche Buͤrgerin verſtorben, und alſo einen Erben nach dem roͤmi - ſchen Buͤrgerrecht hinterlaſſen haͤtte? Dies laͤngnet Paulus; und zwar mit Recht, wenn man bey der ſtrengen Bedeutung des Worts gebaͤhren ſtehen bleibt. S. Luc. van de poll cit. lib. cap. 39. §. 4. S. 243. und heineccius in Comment. ad Leg. Iul. et Pap. Popp. lib. II. c. 9. Jedoch will es Tha - deus piso Soacius variar. Reſolut. lib. II. c. 6. n. 12. u. 13. auch von dem Fall verſtehen, wenn einer Frauensperſon et - was unter Bedingung waͤre vermacht worden: ſi pepererit. . Er kann die Querel eines pflichtwidrigen Teſtaments anſtel - len80)L. 6. pr. D. de inoff. teſtam. ; und wird zur muͤtterlichen Erbſchaft gelaſſen81)L. 1. §. 5. D. ad SCtum Tertull. van de poll cit. libro cap. 39. §. 3..
II) Daß das Kind, nach dem es voͤllig von der Mutter abgeſondert iſt, deutliche Le - benskennzeichen von ſich gebe. Nur ein Augen - blick iſt hier in Ruͤckſicht auf die wirkliche Erwerbung der aufbewahrten Rechte entſcheidend, wenn auch gleich das Kind in den Haͤnden der Wehmutter, ſobald es nurE 4aus721. Buch. 5. Tit. §. 115.aus Mutterleibe heraus iſt, ſterben ſollte82)L. 3. Cod. de poſtum. hered. inſtit. vel exhered. . Kennzei - chen des Lebens bey neugebohrnen Kindern ſind nun Stimme, Puls und gewiſſe Handlungen, die das geborne Kind ausuͤbt. Hierher gehoͤrt oͤffnen und bewegen der Augen, und freywillige Bewegung der Glieder83)Campers Abhandlung von den Kennzeichen des Lebens und des Todes bey neugebornen Kindern.. Zwar wird von einigen Aerzten vorgegeben: daß das Bewegen der Glieder auch als Zuckung bey einem in der Geburt ſterbenden, und gleich darauf ans Tageslicht tretenden Kinde ſtatt haben koͤnne84)eschenbach Medecin. legal. pag. 194. roederer de Suf - focatis. ; allein wenn gleich dieſe Meinung als menſchenfreundlich in ſo fern alle Achtung verdient, als ſie nur dahin zielt, bey der Unterſuchung eines angegebenen Kindermords die deſſelben verdaͤchtige Mutter mit der Tortur zu verſchonen, ſo verdient ſie doch hier, wo blos von der Erbfaͤhigkeit des Kindes die Re - de iſt, keinen Beyfall, indem in einem ſolchem Falle im Zwei - fel immer eher anzunehmen iſt, daß die nach der Geburt ge - ſehene Bewegungen des Kindes freywillig, als daß ſie con - vulſiviſch geweſen, mithin das Kind allerdings lebendig ge - bohren worden ſey. Uebrigens darf hier nicht unbemerkt bleiben, daß uͤber die eigentlichen Lebenskennzeichen unter den Secten der alten roͤmiſchen Juriſten ein Streit gewe - ſen85)Gotfr. mascovius de Sectis Sabinianorum et Proculianor. in iure civili. Cap. IX. §. 16. pag. 202. ſq. . Die Proculianer nahmen an, daß ein Kind fuͤr todgebohren zu halten ſey, wenn es nach der Geburt nicht geſchrien haͤtte. Die Sabinianer behaupteten hinge - gen, daß ein lebendiges Kind auch ohne Stimme koͤnne ge - bohren werden, wenn andere Zeichen des Lebens vorhan -den73de Statu Hominum. den ſind. Juſtinian86)L. 3. C. de poſtum. heredib. inſtit. Quod certatum eſt apud veteres, nos decidimus. Cum igitur is, qui in ventre portaba - tur, praeteritus fuerat, qui ſi ad lucem fuiſſet redactus, ſuus heres patri exiſteret, ſi non alius eum antecederet, et naſcendo ruptum teſtamentum faceret: ſi poſtumus in hunc quidem or - bem devolutus eſt, voce autem non emiſſa ab hac luce ſubtractus eſt, dubitabatur, ſi is poſthumus ruptum facere te - ſtamentum poſſet? Et veterum animi turbati ſunt, quid de pa - terno elogio ſtatuendum ſit. Cumque Sabiniani exiſtimabant, ſi vivus natus eſſet, etſi vocem non emiſit, rumpi te - ſtamentum: apparetque, quod et ſi mutus fnerat, hoc ipſum faciebat: eorum etiam nos laudamus ſententiam, et ſancimus, ſi vivus perfecte natus eſt, licet illico, poſtquam in terram ce - cidit, vel in manibus obſtetricis deceſſit, nihilominus teſtamen - tum rumpi: hoc tantummodo requirendo, ſi vivus ad orbem to - tus proceſſit, ad nullum declinans monſtrum vel prodigium. Es iſt dieſe Verordnung eine von den ſo genannten funfzig Deciſionen des Kaiſers Juſtinian. Die eigentliche Streit - frage, woruͤber die Sabinianer und Proculianer disputirten, war dieſe: ab ein nachgebornes Kind, das ſeine Stimme nicht hat hoͤren laſſen, dennoch das Teſtament des verſtorbenen Vaters uͤber den Haufen werfe? Am beſten er - laͤutert dieſe Deciſion Em. merillius in Expoſition. in L. deciſiones Iuſtiniani. (Neapoli 1720. 4.) N. XXVIII. p. 79. ſq. Wenn dieſer jedoch die Worte: poſtquam in terram cecidit, von dem alten Gebrauch der Wehmuͤtter, die neugebornen Kinder auf die Erde zu legen, erklaͤren will, ſo ſcheint mir die Erklaͤrung des raguellus doch natuͤrlicher zu ſeyn, wel - cher die angefuͤhrten Worte von einer ſolchen Geburt verſte - het, qui in terram prolabitur non exceptus ab obſtetrice. Man vergleiche auch Luc. van de poll de exhered. et praeteritione c. XXXVII. §. 14. pag. 233. entſchied dieſen Streit, und beſtaͤttigte die Meinung der letztern. Nach dieſer geſetz - lichen Entſcheidung haͤlt man daher auch heutiges Tages eine Geburt fuͤr lebendig, wenn ſie gleich keinen Laut,E 5aber741. Buch. 5. Tit. §. 115.aber doch durch Bewegung des Koͤrpers, der Augen, der Arme, der Fuͤße, oder auf eine andere Art Zeichen des Lebens von ſich gegeben hat.
Eine lebendige Geburt, welcher die Rechte eines Kindes zugeeignet werden ſollen, muß jedoch nicht allein Lebenszeichen von ſich geben, ſondern auch lebens - faͤhig, (vitalis) ſeyn. Vitalitaͤt beſteht nun darin, wenn eine Geburt in ihrer Ausbildung und Vervollkomm - nung ſo weit gediehen, daß bey ihr die Moͤglichkeit, das Leben außer der Mutter fortzuſetzen, vorhanden iſt87)S. teichmeyer Inſtitut. medic. legal. pag. 57. §. 6. Ge. Chriſtoph. baumgaertner Diſſ. de differentiis partus vivi et vitalis Altorf. 1747. faselii elem. medecin. for. §. 30.. Hat ſie hingegen denjenigen Grad der Ausbildung und Vervollkommnung noch nicht erreicht, der zur Fortſetzung des Lebens erfordert wird, ſo wird eine ſolche Geburt eine unzeitige, ein Abortus, genennt, und dieſe iſt nicht erbfaͤhig88)L. 2. C. de poſthum. hered. inſtitut. — Uxoris abortu teſtamentum mariti non ſolvi, iuris evidentiſſimi eſt. paulus Sentent. Receptar. lib. IV. Tit. IX. §. 6. Abortus vel aba - ctus venter partum efficere non videtur. beym schulting Iurispr. Antejuſtin. p. 417. Eine fuͤr den Juriſten wichtige Schrift iſt D. W. G. Ploucquet uͤber die phyſiſche Er - forderniſſe der Erbfaͤhigkeit der Kinder. Tuͤbingen 1779. 8.. Die Hauptfrage iſt nun, wie lange ein Kind in Mutterleibe getragen werden muͤſſe, um je - nen Grad der Ausbildung zu erreichen, der zur Lebens - faͤhigkeit erfordert wird89)S. Alphons. a carranza de partu naturali et legitimo. Ludg. 1629. 4. und Car. Annib. fabrotti Exercit. I. de tempore partus humani, in Theſ. iur. rom. Ottonis. T. III. ? Die Geſetze beſtimmen da - zu ein halbes Jahr, oder hundert, zwey und achtzig Ta -ge75de Statu Hominum. ge90)L. 3. §. 12. D. de ſuis et legitim. heredib. De eo autem qui centeſimo octogeſimo ſecundo die natus eſt, hippocra - tes ſcripſit, iuſto tempore videri natum. und erklaͤren nach der Meinung des Hippocra - tes91)In dem Buch von der ſiebenmonatlichen Frucht (περι ἑπταμηνȣ) Einige wollen den Polybus fuͤr den Verfaſſer dieſes Buchs halten. Dies kann uns jedoch hier gleichviel ſeyn, da einmal die Geſetze ſelbſt die dem Hyp - pokrates zugeſchriebene Meynung beſtaͤttiget haben., ein Kind fuͤr lebensfaͤhig, welches zu Anfang des ſiebenten Monats iſt gebohren worden92)L. 12. D. de ſtatu hominum: Septimo menſe naſci perfectum partum, iam receptum eſt propter auctorita - tem doctiſſimi viri hippocratis. paulus Sententiar. Receptar. Lib. IV. T. 9. §. 5. Septimo menſe natus matri prodeſt: Sc. in SCto Tertulliano. . Bey die - ſer geſetzlichen Beſtimmung muß es nun auch heutiges Tages um ſo mehr das Bewenden haben, da ſie ſelbſt durch die Erfahrung beſtaͤttigt iſt. Denn Beyſpiele von ſolchen Kindern, die im ſiebenten Monat gebohren und wirklich aufgewachſen ſind, haben Schenck93)Obſervat. Med. Lib. IV. Obſ. 154. und Schurig94)Embryologia p. 292. geſammlet. Hieraus folgt, daß eine Ge - burt, die jenes Hippocratiſche Ziel in Mutterleibe nicht erreicht hat, und im ſechsten, fuͤnften, ja vierten Monat gebohren worden, fuͤr einen Abortus zu halten ſey. Hierinnen ſtimmen auch die Zeugniſſe der beruͤhmteſten ſowohl aͤltern95)plinius Hiſtor. Nat. lib. VH. c. 5. Ante ſeptimum men - ſem haud unquam vitalis eſt. foesius ad hippocratem Lib. VI. de morbis vulgar. c. II. Solent vero abortiones fere ante ſep - timum in omnes menſes cadere. als neuern Schriftſteller96)van swieten Commentar. in Aphor. Boerhavii ad §. 1296. Ante ſeptimum menſem expulſus foetus raro vel nunquam ſuper -ſtes uͤberein. Beſon -761. Buch. 5. Tit. §. 115.Beſonders laͤßt ſich hieruͤber Zacchias97)Quaeſtion. Medico-legal. Lib. I. Tit. II. [Quaeſt. ]X. n. 19. Qui ante ſeptimum naſcuntur menſem, vel naſcuntur mortui, quia abortivi ſunt, neque donationem neque teſtamentum rum - pere debent, quia habendi ſunt, ac ſi nunquam nati eſſent. Nec abſtaret, quod quis in ſexto menſe naſceretur, et per aliquot horas, aut etiam dies viveret, ut fieri poſſe non eſt ita impoſſibile, quin aliquando non contingat, — nam quia hic par - tus habet cum vita talem repugnantiam, ut vivere nullo modo poſſit, niſi ex miraculo, idcirco abortivus dici debet, neque te - ſtamentum neque donationem rumpet. heraus, wel - cher behauptet, daß wenn ein Kind im ſechsten Monat lebendig gebohren wuͤrde, und ſogar einige Tage lebte, ſolches dennoch fuͤr einen Abortus gehalten, und von den Rechten eines Kindes ausgeſchloſſen werden muͤſſe. Der Grund hiervon iſt, weil die Erfahrung aller Zeiten ge - lehrt hat, daß ein vor dem ſiebenten Monat gebohrner Foͤtus niemals fortlebe, und einiges Alter erreiche, und alſo einem Todtgebohrnen gleichgehalten werden muͤſſe. Man huͤte ſich indeß, ein unreifes Kind mit einem Abortus zu verwechſeln, oder ein vollkommen reifes Kind mit einem ſolchen, das lebensfaͤhig iſt, fuͤr eins zuhal -96)ſtes manet, hinc tales ſub abortus nomine comprebendere ſo - lent Medici Cum vero plurima exempla habeantur foetuum ſeptimeſtrium, qui diu non tantum ſupervixerum, ſed et ad bonam ſenectutem pervenerunt, hinc tales partus non ampl[i]us vocantur abortus, ſed ſimpliciter tantum praematuri. Des - gleichen sauvages Noſolog. Method. T. III. p. 11. abor - tus eſt foetus nondum vitalis ex utero excluſio. Immaturus ſeu nondum vitalis eſt foetus, qui ſeptimum ſaltem vitae ſuae a conceptione menſem non attigit, aut ſi attigerit, debilior eſt, quam ut eo tempore excluſus extra uterum vivere queat. ludwig Inſtitut. Medicin. For. §. 222. abortum ſtrictiore vocis ſignificatione appellamus eum, qui ante initia ſeptimi men - ſis naſcitur. 77de Statu Hominum. halten. Denn unreif iſt jedes Kind, das vor der gewoͤhnlichen Geburtszeit zur Welt kommt, und daher Zeichen an ſich traͤgt, welche beweiſen, daß es im Mut - terleibe nicht ſo weit vervollkommnet worden ſey, als es einem ganz reifen Kinde zukommt98)Von den Kennzeichen eines reifen und unreifen Kindes han - delt Ploucquet in der angefuͤhrten Schrift §. 33 — 37.. Nimmt man nun an was durch unzaͤhlige Erfahrungen beſtaͤtigt iſt, daß die Ausbildung und Vervollkommnung eines Foetus in neun Monaten, oder in neun und dreyßig bis vierzig Wochen, von der Empfaͤngniß an gerechnet, vollbracht werde, nach deren Verlauf die Geburt des Kindes gewoͤhnlich zu erfolgen pflegt99)roederer de temporum in graviditate et partu aeſtimatio - ne §. VI. de haller Elem. phyſiol. Lib. XXIX. p. 421., ſo kann freylich ein ſiebenmonat - liches Kind fuͤr kein ſo vollkommen reifes Kind, als ein neun monatliches gehalten werden, vielmehr wird erſteres noch die Zeichen der Unvollkommenheit an ſich haben100)Dan. hoffmann Annotat. ad govey de generatione foe - tus p. 104. Si ſeptimo vel octavo menſe lucem ſalutet foetus, ſigna ac teſtimonia imperfectionis ac immaturitatis afferet. Ploucquet. a. a. O. §. 35.. Da indeſſen nicht jedes unreife Kind ein Abortus iſt1)Frid. hoffmann Opp. med. T. III. p. 177. Immaturum, nondumque vitalem per abortum excretum foetum a partu ſep - timeſtri vel octimeſtri diſtinguimus. roederer Elem. Artis Obſtetr. §. 716. Qui inter ſeptimi et noni menſis, a prima conceptione, finem contingit partus, praematurus vocatur; abortus vero, quando ante dictum tempus embrye excidit. , ſo ſchadet jene Unvollkommenheit der Erbfaͤhigkeit des Kindes nichts, wenn nur das Kind wenigſtens denjenigen Grad der Ausbildung erreicht hat, daß es eines weiternLebens781. Buch. 5. Tit. §. 115.Lebens faͤhig waͤre2)Dies iſt die wahre Bedeutung des Ausdrucks partus per - fectus in L. 12. D. b. t. Es iſt alſo daſelbſt von keiner vollkommenen reifen Geburt die Rede. S. martianus in Comment. ad Hippocratis librum de natura pueri p. 31. ſq. baumgaertner cit. Diſſert. §. 24. und cocceji Iure civ. controv. Tit. de his, qui ſui vel alien. iuris ſunt. Qu. 3. n. II. S. 77.. Und dafuͤr wird nach der von den Geſetzen angenommenen Hippocratiſchen Meinung ein ſieben monatliches Kind gehalten3)L. 12. D. h. t. Et ideo credendum eſt, eum, qui ex iuſtis nuptiis ſeptimo menſe natus eſt, iuſtum filium eſſe. Zweyer - ley erfordert hier Paulus, wenn ein Kind pro filio iuſto, d. i. fuͤr ein ſolches, welches die Rechte eines Kindes erwerben kann, gehalten werden ſoll. I) Ut ſit ex iuſtis nup - iis procreatus; II) ut ſit perfectus, d. i. vitalis, und dazu wird erfordert, daß es nicht vor den ſiebenten Monat zur Welt gekommen ſey.. Hat ein Kind dieſes Alter im Mutterleibe erreicht, ſo kommt es weiter nicht darauf an, wie lang das Kind nach der Ge - burt gelebt habe. Es wird daher, wenn es auch, wie Juſtinian4)L. 3. C. de poſtum. hered. inſtit. cocceji ius civ. controv. Tit. hoc Qu. 5. ſagt, in den Haͤnden der Wehmutter, ſo - bald es nur aus Mutterleibe heraus iſt, ſterben ſollte, dennoch fuͤr Crbſchaftsfaͤhig zu halten ſeyn, und die Erb - ſchaft nach ſeinem Tode auch auf ſeine Erben transmit - tiren. Und damit ſtimmen auch die alten teutſchen Rech - te5)S. Saͤchſiſches Landrecht lib. I. Art. 33. S. Lehn - recht Art. 20. Auctor Vetus de beneficiis. Art. 44. Ale - manniſches Lehnrecht cap. 14. Ferner Erfurter, Goslariſche, Luͤneburgiſche und andere mehrere Statuten beſtaͤttigen dieſes. Man vergleiche Hrn. GJR. Walch Diſſ. de infante herede Ienae 1768. uͤberein, welche zur Erwerbung und Transmißionder79de Statu Hominum. der Erbſchaft eines Kindes erfordern, daß das Kind die vier Waͤnde des Hauſes beſchrien habe, weil ſolches lautes Schreien des Kindes fuͤr ein vorzuͤgliches Kenn - zeichen der Lebensfaͤhigkeit deſſelben gehalten wurde. Nach dieſen Gruͤnden kann demnach der Widerſpruch derjenigen Rechtsgelehrten6)Sam. stryck de iure ſenſuum Diſſ. I. §. 4. berger Oecon. iuris p. 38. in keinen Betracht kommen, welche ſich durch eine mißverſtandene Stelle des Ulpians7)L. 12. §. 1. D. de lib. et poſthum. ha - ben irre fuͤhren laſſen, zu glauben, daß das Leben des Kindes nach der Geburt allein ſchon zur Erbfaͤhigkeit ge - nuͤge, wenn es gleich nicht lebensfaͤhig geweſen ſey. Denn wenn Ulpian daſelbſt die Frage bejahend entſcheidet, ob ein Kind, welches ſo weit gebohren iſt, daß man deutliche Lebenskennzeichen an ihm verſpuͤhrt, (cum ſpiritu) das Teſtament des Vaters unguͤltig mache, ſi non integrum animal editum ſit? ſo iſt daſelbſt gar nicht von einer un - zeitigen, ſondern von einer verſtuͤmmelten Geburt die Rede, welche koͤrperliche Maͤngel hat8)Weſtphal Theorie des R. R. von Teſtamenten §. 944.. Eine ſolche kann dennoch, dieſer Maͤngel ungeachtet, die Rechte eines Kindes erlangen, wenn es nur ſonſt lebensfaͤhig iſt. Und dieß iſt auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten9)Sam. de cocceji in iure civ. controv. Lib. I. Tit. VI. Qu. 3. Io. Frid. eisenhart Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. T. I. §. 2. und vorzuͤglich Hr. Hofr. oeltze in Commentat. de partu vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmiſſionis he - reditatis. Ienae 1769. Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. II. Faſc. I. Specim. XVI. medit. 1. haͤlt zwar auch dafuͤr, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eineErb -. Noch iſt folgendes zu bemerken:
I) Ent -801. Buch. 5. Tit. §. 115.I) Entſtehet Zweifel, ob ein Kind lebendig geboh - ren worden ſey, und die Geburt iſt auf die gewoͤhnliche Art, und zu der Zeit geſchehen, da das Kind fuͤr lebens - faͤhig gehalten wird, ſo wird ein ſolches eher lebendig als tod gebohren vermuthet10)Luc. van de poll de exheredatione et praeteritione Cap. 37. §. 2. lauterbach in Colleg. theor. pract. Pandectar. h. Tit. §. XXVII. . Jedoch findet dieſe Vermu - thung nur in buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, nicht in peinli - chen Sachen ſtatt, denn da kommt alles auf die gericht - liche Beſichtigung der Geburt, und das Gutachten der Aerzte an11)S. Quiſtorp in den Grundſaͤtzen des T. peinlichen Rechts 1. Th. 6. Abſchn. 5. Cap. §. 270. Von der in ſolchem Fall gewoͤhnlichen Lungenprobe handeln Ploucquet in der Ab - handlung uͤber die gewaltſame Todesarten §. 151. Wilh. Hun - ter in den wichtigen Bemerkungen uͤber die Ungewißheit der Merkmale, ob uneheliche Kinder einen gewaltſamen Tod er - litten. Joh. Gottl. Kuͤhn iſt die Waſſerlungen-Probe rich - tig? Breslau 1786. 8. Car. Frid scholl Diſſert. med. for. qua occaſione recentiorum quarundam obſervationum concluſio ex ſubſidentia pulmonum recens nati foetus examinatur. Stutt - gardiae 1786. u. a. m..
II) Wenn ein Kind vor den ſiebenten Monat ge - bohren worden, aber doch ſo lange leben ſollte, bis jener vorgeſchriebene Termin erfuͤllt iſt, und es ſtuͤrbe alſo erſt nach Vollendung deſſelben, ſo iſt es der Billigkeit gemaͤß, einer ſolchen Geburt die Kinds - und Erbrechte angedei - hen zu laſſen12)teichmeyer Inſtitut. Medicin. legal. p. 50. In caſu vero, quo quarto, quinto vel ſexto menſe partus naſcitur, ille ſecun -dum
III)9)Erbſchaft nicht transmittire; doch behauptet er, daß eine le - bendige Geburt dieſe Erbfaͤhigkeit habe, wenn gleich die Vi - talitaͤt fehle. Allein wie kann die Vitalitaͤt fehlen, ohne daß ein Kind ein partus abortivus ſey?
81de Statu Hominum.III) Wenn maͤnnliche Zwillinge gebohren wer - den, und man weiß nicht, welcher von beyden der Erſt - gebohrne ſey; ſo will man im Zweifel dafuͤr halten, daß der ſtaͤrkere fuͤr den Erſtgebohrnen gelten muͤſſe13)zachias Quaeſt. Med. leg. Lib. IX. Tit. XII. Qu. 5., aus dem Grund, weil der lebhaftere, und ſtaͤrkere ſich den Weg zuerſt bahne, und den Ausgang ſuche. Allein da ſich eines Theils die mehrere oder mindere Staͤrke bey neugebohrnen ſchwerlich ſchaͤtzen laͤſſet, andern Theils nur die Lage in der Mutter die Erſtgeburt unter Zwillingen beſtimmt14)Ploucquet uͤber die phyſ. Erforderniſſe der Erbfaͤhig - keit §. 56. S. 123., ſo kann wohl in einem wirklich zweifelhaf - ten Falle nur durchs Loos die Erſtgeburt und derſelben Recht entſchieden werden15)Chriſt. wildvogel Diſſ. de iure gemellorum. Ienae 1703. recuſ. Ibid. 1741. Ren. Paul. Ios. pin. Diſſ. quis inter fra - tres gemellos pro primogenito habendus ſit? eisenhart In - ſtitut. iuris germ. privati Lib. I. Tit. I. §. 2. hartleben Meditat. ad Pandect. Specim. XVI. med. 7. Eſtor in der buͤrgerl. Rechtsgelehrſamkeit der Teutſchen §. 69. a. a. O..
Die Menſchen ſind II) in Anſehung der Geburt auch noch in eheliche oder rechtmaͤſige und uneheliche oderun -12)dum rigorem tam diu immaturus abortivusque manet, donec 180. dierum terminum attigerit, quo ipſo omnium ſtatim iurium com - pos fit, quando vero ante illud temporis ſpatium ſpiritum red - dit, nec ſucceſſionis ius ei competit, nec teſtamentum is rumpit. Siehe auch Ploucquet uͤber die phyſiſche Erforderniſſe der Erbfaͤhigkeit der Kinder §. 73. S. 161.Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. F821. Buch. 5. Tit. §. 116.unrechtmaͤſige einzutheilen16)S. Henr. bocer Diſſ. de ſtatu legitime vel illegitime na - torum, in eius diſput. iurid. Henr. linck Diſp. de partu hu - mano, legitimo et illegitimo. Ien. 1669. Chriſt wildvogel Diſſ. de partu legitimo. lenae 1710. Chriſt. rickmann Diſſ. de partu legitimo. Ienae 1767. Car. Frid. kaltschmied Diſſ. eiusd. arg. Ienae 1752.. Erſtere werden diejeni - gen genannt, welche aus einer rechtmaͤſigen, wahren, oder vermeintlichen, Ehe ſind erzeugt worden. Diejeni - gen hingegen, welche aus einem unehelichen Beyſchlaf, oder einer ſolchen ehelichen Verbindung, welcher die Ge - ſetze die rechtmaͤſigen Wirkungen einer Ehe nicht beyle - gen17)§. 12. I. de nupt. L. 11. D. de ſtatu hom. , ſind erzeugt worden, werden uneheliche, un - rechtmaͤſige Kinder genennt18)In unſern Geſetzen werden ſie spurii genennt, worunter in allgemeiner Bedeutung alle und jede unrechtmaͤſige Kinder verſtanden werden. caius Inſtitut Lib. I. T. IV. §. 8. L. 23. D. de ſtatu hom. L. 25. D. de captiv. et poſtl. reverſ. §. 12. I. de nupt. eduard caldera Variar. Lection. lib. IV. c. 3. Tom. III. Theſ. Meermann. p. 663. Sie heiſ - ſen auch ἀπάτορες, quaſi ſine patre filii wie caius und iu - stinianus §. 12. I. cit. bemerken. Wahrſcheinlich iſt hiervon der Name Spurius abzuleiten, denn man bezeichnete die unehe - lichen Kinder mit den Buchſtaben s. p. das iſt ſine patre, ſo abbreviirte man auch den bekannten roͤmiſchen Vornamen Spu - rius, kein Wunder, wenn durch Verwechſelung das Wort Spu - rius allgemeine Benennung der unehelichen Kinder wurde. Dies beſtaͤtigt auch Plutarch Quaeſt. Rom. pag. 288. Wenn uͤbri - gens die Spurii quaſi ſine patre filii genennt werden, ſo bezie - het ſich das auf jenen bekannten Satz: pater eſt, quam iuſtae nuptiae demonſtrant: L. 5. D. de in ius voc. Nun aber ge - ben die Geſetze uͤber unehelich erzeugte Kinder keine vaͤterli - che Gewalt. §. 12. I. de nupt. L. 3. D. de bis qui ſui velal. . Wenn Hellfeldſagt:83de Statu Hominum. ſagt: illegitimi dicuntur, qui ex illicito concubitu ex - tra iuſtum matrimonium ſunt nati; ſo iſt dieſer Begriff wenigſtens nach dem roͤmiſchen Rechte nicht richtig. Denn die im Concubinate oder aus einer Sclaven-Ehe (Con - tubernium) erzeugte Kinder wurden unſtreitig zur Claſſe der unrechtmaͤſigen Kinder gerechnet19)Denn beyde werden liberi naturales genennt. L. 4. Cod. de interdict. matrim. L. 5. C. de natural. lib. , und doch waren ſie nicht aus einem unerlaubten Beyſchlaf gebohren20)L. 5. in fin. Cod. ad SCtum Orphit. wo der Concubinat eine conſuetudo licita genennt wird. S. winckler Diſſ. de genuino concubinatus ex mente Leg. Rom. conceptu. Lipſiae 1744.. Die Worte ex illicito concubitu muͤſſen alſo ſchlechterdings aus dem Begriff wegbleiben, wenn er nicht offenbar zu eng werden ſoll. Solchemnach ſind nun uneheliche Kin - der21)Gabr. palaeoti Tr. de nothis ſpuriisque filiis. Hagae Com. 1655. 8. Io. Matth. martini libell. acad. de favore liberorum naturalium fecundum principia religionis noſtrae non extendendo, multo minus ad adulterinos et inceſtuoſos appli - cando. Buetzovii 1781. §. 3. I. L. E. pûttmann in Diſſ. de querela inoff. teſtam. fratrib. atque fororibus contra ſpu - rios haud compet. S. 4 — 10.
I) ſolche, die auſſer der Ehe erzeugt ſind, und dieſe bekommen verſchiedene Namen, je nachdem ſie ent - weder aus einer Blutſchande, oder aus einem Ehe - bruch, oder von einer Hure, oder von einer Ge - ſchwaͤchten unverleumdeten Weibsperſon, oder aus ei - nem Concubinat gebohren worden ſind. Die unehelichen Kinder der erſtern Art heiſſen inceſtuoſi, der andern,F 2adul -18)al. iur. ſunt. Uneheliche Kinder werden auch nothi Nov. Iuſtin. 74. u. 89. und im Canoniſchen Recht manzeres c. 10. §. 6. X. de renunc. genannt.841. Buch. 5. Tit. §. 116.adulterini, der dritten vulgo quaeſiti, Hur-Kinder, der vierten ſpurii im eigentlichen Verſtande, Jungfern - Kinder, der fuͤnften naturales in eigentlicher Bedeu - tung.
II) Die aus einer unrechtmaͤſigen Ehe erzeugt ſind. Dahin rechnen die Roͤmer
a) die aus der ehelichen Geſellſchaft ſolcher Eltern erzeugte Kinder, welche kein ius connubii, das iſt, die Faͤhigkeit nicht hatten, eine roͤmiſche Ehe einzugehen, oder fortzuſetzen; folglich
b) Werden auch diejenigen Kinder im roͤmiſchen Recht fuͤr unrechtmaͤſig erklaͤrt, welche aus einer ohne Einwilligung des Vaters geſchloſſenen Ehe ſind gebohren worden25)L. 11. D. b. t. Paulus reſpondit, eum qui vivente patre et ignorante de coniunctione filiae conceptus eſt, licet poſt mortem avi natus ſit, iuſtum filium ei, ex quo conceptus eſt, eſſe non videri. apuleius lib. VI. ſagt daher: Nuptiae patre non conſentiente factae, legitimae non poſſunt videri, ac per hoc ſpurius iſte naſcetur. . Endlich
c) ſol -85de Statu Hominum.c) ſolche Kinder, die aus einer Ehe erzeugt ſind, welcher es an der in den Geſetzen vorgeſchriebenen Form mangelt26)Princ. et §. 12. I. de nupt. Iuſtas autem nuptias inter ſe cives Romani contrahunt, qui ſecundum praecepta legum coeunt. — Si adverſus ea, quae diximus, aliqui coierint: nec vir, nec uxor, nec nuptiae, nec matrimonium, nec dos intelligitur. Itaque ii, qui ex eo coitu naſcuntur, in poteſtare patris non ſunt; ſed tales ſunt, (quantum ad patriam poteſtatem pertinet) quales ſunt ii, quos mater vulgo concepit. Nam nec hi pa - trem habere intelliguntur, unde ſolent ſpurii appellari. . Zu welchen heutiges Tages inſonderheit diejenigen zu zaͤhlen ſind, welche aus einer unter chriſt - lichen Privatperſonen eingegangenen ſogenannten Gewiſ - ſens-Ehe, das iſt, einer ſolchen, welche vermittelſt blo - ſer Erklaͤrung des Eheconſenſes, ohne Beobachtung kirch - licher Form, iſt geſchloſſen worden, gebohren ſind. Denn Privatperſonen koͤnnen eine blos buͤrgerliche Ehe ohne die kirchliche Form nicht ſchlieſſen27)hert. Diſſ. de matrimonio inſtaurato et conſcientiae. Sect. II. §. 5. in Opuſc. Vol. II. T. 3. p. 256. Schott Einleitung in das Eherecht §. 173. hofacker Principia iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 537.
Die Rechte ſolcher unehelich gebohrnen ſind nun verſchieden;
I) im Verhaͤltniß gegen den Staat war die un - eheliche Geburt nach roͤmiſchen Rechten mit keinen nach - theiligen Folgen verknuͤpft. Auch uneheliche Kinder hat - ten die Rechte der Buͤrger, wenn ſie nur von einer freyen Mutter waren gebohren worden28)L. 3. C. Soluto matrim. quemadm. dos petatur. Hoto - mann de ſpuriis et legitim. cap. 3. hat dieſes gegen Anton Faber ſehr ausfuͤhrlich gezeigt. Man vergleiche auch hei - neccius in Commentar. ad Leg. Iul. et Pap. Poppaeam. Lib. II. c. IV. §. 4. S. 169. denn die unehelicheF 3geburt861. Buch. 5. Tit. §. 116.geburt folgt dem Stand der Mutter29)vlpian. Fragm. Tit. V. §. 8. Connubio interveniente, li - beri ſemper patrem ſequuntur; non interveniente connubio, matris conditioni accedunt. celsus L. 19. D. h. t. Vulgo quaeſitus matrem ſequitur. ulpianus L. 24. D. eodem. Lex naturae haec eſt, ut qui naſcitur ſine legitimo matrimonio, matrem ſequatur, niſi lex ſpecialis aliud inducit. Ueber dieſe Stelle verdient Barth. chesius in Interpretat. iuris lib. I. c. 27. n. 10. Iurispr. Rom. et Att. T. II. nachgeſehen zu werden. Durch Verwechſelung der Zahl iſt dieſes Allegat irrig zur No - te 74. S. 69. gekommen.. Sie konn - ten daher, wenn ſie gleich aus einer Blutſchande geboh - ren waren, doch zu den anſehnlichſten Staatsbedienun - gen gelangen. Non enim impedienda eſt dignitas eius, qui nihil admiſit, ſagt Papinian30)L. 6. pr. D. de decurionib. et filiis eor. Eben ſo denkt auch Ulpian L. 2. §. 7. eodem. Nullum patris delictum innocenti filio poenae eſt, ideoque nec ordine decurionum, aut caeteris honoribus, propter eiusmodi cauſam, prohibetur. . Ein Ausſpruch, wel - cher der Denkungsart der Roͤmer Ehre macht. Nur al - lein in dem Fall, da bey der Bewerbung um eine Ehren - ſtelle ein unehelich gebohrner Competent mit einem ehelich gebohrnen certirte, mußte der erſtere nachſtehen31)L. 3. §. 2. D. eodem. . Ob ſich die Sache heutiges Tages anders verhalte, iſt ſtrei - tig. Soviel iſt richtig, die alten teutſchen Rechte halten die unehelichen Kinder nicht fuͤr Buͤrger des Staats, ſon - dern fuͤr Fremde und Leibeigene32)puffendorf Obſervat. iuris univ. Tom. III. Obſ. XIII. §. 5.. Sie waren Leibei - gene der teutſchen Koͤnige und Kaiſer, und wurden des - wegen auch Koͤnigs-Kinder genennt33)haltaus Gloſſar. germ. voc. Koͤnigskinder. Wieſand juriſtiſches Woͤrterbuch h. voc. . Starben ſie, ohne eheliche Leibeserben zu hinterlaſſen, ſo verfielihre87de Statu Hominum. ihre Verlaſſenſchaft an die kaiſerliche und koͤnigliche Cam - mer34)Siehe eine Urkunde K. Maximilians I. vom Jahr 1518. in Luͤnigs Reichsarchiv Part. Spec. IV. contin. 2. Th. 45. Ab - ſchn. S. 545. Unterſchiedene teutſche Reichsſtaͤnde haben dieſe Rechte uͤber uneheliche Kinder in ihren Laͤndern, theils mit der Landeshoheit durch das Herkommen, theils durch kai - ſerliche Begnadigungen an ſich gebracht. Man vergleiche Hek - tor Wilhelm von Guͤnderrode Abhandl. uͤber das Recht einiger teutſchen Staͤnde, die in ihren Laͤndern ſterbende un - eheliche Kinder zu beerben; in Deſſelben von Dr. Ernſt Ludwig Poſſelt herausgegebenen ſaͤmmtlichen Wer - ken des teutſchen Staats - und Privatrechts 2. Band (Leipzig 1788. 8.) S. 176 — 186.. Die aͤltern teutſchen Rechte erklaͤren ferner al - le, die unehelich gebohren ſind, fuͤr anruͤchtig und recht - los35)Saͤchſiſches Landrecht 1. Buch, Art. 38. heinec - cius in Elem. Iur. Germ. Lib. I. §. 391. beſonders ſehe man Phil. Lud. huth Specim. iur. germ. de his, qui notantur in - famia. Altorf. 1723. §. XI. ; die alſo weder zu weltlichen noch geiſtlichen Wuͤr - den, ja nicht einmal zu Handwerken gelaſſen wurden. Selbſt das paͤbſtliche Recht beguͤnſtiget dieſe Anruͤchtig - keit unehelicher Kinder, da es dieſelben fuͤr irregulaͤr erklaͤrt36)Cap. 14. et 18. X. de filiis presbyteror. . Ob man nun wohl in unſern Tagen ange - fangen hat, dieſe Anruͤchtigkeit unehelicher Kinder aus guten Gruͤnden zu beſtreiten37)Man ſehe unter andern: Bittſchrift der unehelich erzeugten Buͤrger Teutſchlands an die teut - ſchen Landesherrn. Eslingen 1784. 8. auch v. sel - chow in Elem. iur. germ. §. 209. und Ge. Steph. wiesand in Pr. de conditione ſpuriorum recte aeſtimanda, in Opuſculis (Lipſiae 1782. 8.) S. 263 — 274., ſo haben ſich doch jene alte teutſche Gewohnheiten, aller Unbilligkeit ungeachtet, in lebhaften Gebrauch erhalten, wie uns die taͤgliche Pra -F 4xis881. Buch. 5. Tit. §. 116.xis lehrt38)Herr von selchow in Diſſ. contin. ſelecta capita doctrinae de infamia. (Goett. 1770.) ſagt daher Sect. II. §. 13. ganz recht. Quamquam nulli omnino dubio obnoxium ſit, has ipſas veterum de ſpuriis opiniones ab omni aequitatis ſenſu quam longiſſime abeſſe, conſtantiſſimo tamen fori uſu ſervata eſt pri - ſtini iuris diſciplina. Siehe auch Joh. Andr. Frommann in Diſquiſit. de levis notae macula §. 14 — 16. und Hr. Prof. Plitt in Diſſ. de levis notae macula ſec. ius germ. Marburg. 1784. §. 20.. Daher haben die Teutſchen, um jenen Schandfleck der unehelichen Geburt hinwegzuraͤumen, ſo - gar eine eigene Art der Legitimation eingefuͤhrt, wel - che keine weitere Wirkung hat, als daß ſie uneheliche Kin - der faͤhig macht, in Guͤlden Zuͤnfte und andere Collegia aufgenommen zu werden, und uͤberhaupt im Staat als legitim zu paßiren; von welcher ich zu ſeiner Zeit ad §. 145. handeln werde. Nur die ehemalige Leibeigen - ſchaft der unehelichen Kindern mit ihren Folgen iſt heuti - ges Tages groͤßtentheils erloſchen39)de selchow in Diſſ. cit. Sect. II. §. 12. S. 51.. Werden aber Unehelichgebohrne
II) im Verhaͤltniß gegen die Eltern betrachtet, ſo kommt es zuerſt darauf an, ob ſie aus einer blutſchaͤnde - riſchen Ehe gebohren ſind, oder aus einem andern unrecht - maͤſigen Beyſchlafe. Erſtere koͤnnen auf die Rechte der Kinder nach roͤmiſchen Geſetzen gar keinen Anſpruch ma - chen. Sie koͤnnen weder die Eltern beerben, noch von ihnen Alimente fordern40)L. 6. Cod. de inceſt. nupt. Nov. 12. c. 3. Nov. 89. cap. 15.. Jedoch hat das canoniſche Recht dieſe Strenge in ſofern gemildert, daß ſolchen Kindern wenigſtens der nothduͤrftige Unterhalt von den Eltern gereicht werden muß41)Cap. 4. X. de eo qui duxit etc. . Im letztern Fall findetein89de Statu Hominum. ein Unterſchied der Rechte ſolcher unehelicher Kinder in Anfehung beyder Eltern ſtatt,
a) auf Seiten des Vaters.
46)Ob ſich dieſe Ausſchlieſſung der unehelichen Kinder von der vaͤterlichen Erbſchaft ſogar aus Gruͤnden der Chriſtlichen Re - ligion rechtfertigen laſſe, iſt eher zu verneinen, als zu bejahen,wie
wie in der Lehre vom Erbrecht weiter ausgefuͤhrt werden wird.b) Auf Seiten der Mutter findet zwiſchen ehelichen und unehelichgebohrnen Kindern nach gemeinem Recht kein Unterſchied der Rechte ſtatt. Eine Mutter darf auch uneheliche Kinder in ihrem Teſtament nicht ohne recht - maͤſige Urſach enterben, oder praͤteriren. Sonſt koͤnnen ſie das Teſtament ihrer Mutter als pflichtwidrig anfech - ten47)L. 29. §. 1. D. de inoff. teſtam. Man ſehe auch Luc. van de poll de exheredat, et praeteritione cap. XL. et XLI. . Sie beerben auch, wie eheliche Kinder, die Mutter, wenn ſelbige ohne Teſtament verſtirbt48)Hr. Geh. R. koch de ſucceſſione ab inteſtato civ. §. 31. u. ff..
Es iſt nun noch uͤbrig, auch von den aͤchten oder ehelichen Kindern zu handeln. Fuͤr ſolche hielten die Roͤmer nur diejenigen Kinder, die ex iuſto matrimo - nio ſ. ex iuſtis nuptiis erzeugt worden. Iuſtum matri - monium aber beſtand nach dem aͤchten Begriff derſelben, wie Ulpian49)Fragm. Tit. V. §. 2. 3. et 4. beym schulting in Iuris - prud. vet. Antejuſt. p. 577. bezeugt, darin, ſi inter eos, qui nup - tias contrahunt, connubium ſit: et tam maſculus pu - bes, quam femina potens ſit: et utrique conſentiant, ſi ſui iuris ſunt; aut etiam parentes eorum, ſi in po - teſtate ſunt. Connubium eſt uxoris iure ducendae facultas. Connubium habent cives Romani cum ci - vibus Romanis: cum Latinis autem et peregrinisita,46)wie der Verfaſſer der ſchoͤnen Abhandlung de religione chriſtiana in foro civili caute adplicanda, multo minus ad illegitime natos a ſucceſſione excludendos uſurpanda, in des H. D. Koppe nie - derſaͤchſiſchen Archiv fuͤr Jurisprudenz und juriſt. Litteratur I. Band N. 13. S. 136 — 160. gegen die oben angefuͤhrte Schrift des Herrn JuſtizR. Martini gruͤndlich ausgefuͤhrt hat.91de Statu Hominum. ita, ſi conceſſum ſit. Dieſe blos roͤmiſche Begriffe koͤn - nen nun aber freylich heutiges Tages nicht mehr zum Maaßſtab dienen, um darnach die aͤchte Geburt der Kin - der zu beurtheilen. Wir rechnen demnach heutiges Ta - ges zu den rechtmaͤſigen Kindern,
I) diejenigen, welche aus einer Ehe ſind gezeuget worden, die nach Vorſchrift der Kirchengeſetze unter Chri - ſten guͤltig geſchloſſen worden iſt50)Man nennt eine ſolche Ehe ein matrimonium ratum. S. H. GJR. Boͤhmers Princip. iuris canon. §. 350. Zu einer ſolchen Kirchlich foͤrmlichen Ehe erfordert das Tri - dentiniſche Concilium bey den Katholiken die Erklaͤ - rung des Eheconſenſes vor dem Pfarrer und zween Zeugen, das proteſtantiſche Kirchenrecht aber die Trauung. boeh - mer l. c. §. 349. Jedoch verdient beherzigt zu werden, was Hr. Prof. Robert in den rechtlichen Gedanken uͤber den Begriff der Ehe, Frankf. u. Leipzig 1787. S. 108. gegen den Ausdruck matrimonium ratum erinnert hat..
II) Die aus einer nach Vorſchrift der buͤrgerlichen Geſetze guͤltig geſchloſſenen Ehe gebohrne Kinder51)Eine ſolche Ehe nennt man ein matrimonium legitimum. Nun muß zwar eine jede Ehe, auch das matrimonium ratum, den Vorſchriften der buͤrgerlichen Geſetze im Staat gemaͤß ein - gegangen werden, wenn ſie anders nicht unguͤltig ſeyn ſoll, indeſſen pflegt man doch vorzuͤglich und eigentlich diejenige Ehe eine bloſe buͤrgerliche Ehe zu nennen, die ohne die kirch - liche Form blos nach der Vorſchrift der buͤrgerlichen Geſetze im Staat guͤltig geſchloſſen worden iſt. Schott Eherecht §. 169., da - hin gehoͤren die rechtmaͤſigen Kinder ſolcher Eheleute, welche keine Chriſten ſind, als Judenkinder, desgleichen die aus einer ohne die prieſterliche Einſegnung vor derObrig -921. Buch. 5. Tit. §. 116.Obrigkeit errichteten, und gerichtlich beſtaͤttigten Ehe gebohrne Kinder, wie z. B. in Holland gebraͤuchlich iſt52)S. Benthems Hollaͤndiſchen Kirchen - und Schulenſtaat. S. 314. u. S. 347..
III) Die in einer vermeintlichen Ehe erzeugte Kinder53)c. 2. et 14. X. qui filii ſint legitimi. . Man nennt eine vermeintliche Ehe (matrimonium putativnm) eine ſolche Ehe, die zwar we - gen eines derſelben entgegenſtehenden oͤffentlichen vernich - tenden Hinderniſſes an ſich betrachtet, null iſt, aber doch darum, weil ſelbige zwiſchen Perſonen, denen entweder beyderſeits, oder nur wenigſtens eines Theils dies Hin - derniß nicht bekannt war, foͤrmlich geſchloſſen und voll - bracht worden iſt, in der Zwiſchenzeit, und ſo lang ſie nicht obrigkeitlich getrennt wird, alle rechtliche Wirkun - gen hervorbringt, die nach gemeinen Rechten einer guͤl - tigen wahren Ehe zukommen54)S. Io. Nic. hert Diſſ. de matrimonio putativo in Opuſcul. Vol. I. T. I. p. 348 — 408. Ern. Chriſt. westphal Diſſ. de veris caſibus matrimonii putativi. Halae 1758. und Gottfr. mascov Prol. de matrimonio putativo. H. GJR. Boͤhmer Princip. iur. can. §. 386. und Schott Eherecht §. 138.. Es wird alſo hierbey jederzeit eine wirklich und foͤrmlich geſchloſſene Ehe zum voraus geſetzt, daher einem unehelichen Beyſchlaf, geſetzt auch, daß auf Seiten des einen ſchuldloſer Irrthum, oder Mangel der Einwilligung, wie bey der Nothzucht, oder einem andern ſtuprum involuntarium, weder Zurech - nung noch Strafe ſtatt finden ließe, die Wirkung und Rechte einer vermeintlichen Ehe nicht beygelegt, noch die aus einem ſolchen Beyſchlaf erzeugte Kinder den recht -maͤſi -93de Statu Hominum. maͤſigen und erbfaͤhigen Kindern gleichgeachtet werden koͤnnen55)Ich habe dieſen Satz gegen eine Meinung des H. GR. Kochs de ſucc. ab int. §. 36. in meiner Comment. de con - ditione liberorum ex ſtupro violento aut nec violento nec volun - tario procreatorum quoad ſucceſſionem ab inteſtato recte aeſti - manda, §. 12 — 14. ſo im IV. Faſcikel meiner Opuſculor. (Erlangen 1790. 8. ) befindlich iſt, zu vertheidigen ge - ſucht, wo ich uͤberhaupt die Materie von der vermeintlichen Ehe in mehreres Licht geſetzt habe.. Zu den rechtmaͤſigen Kindern werden endlich
IV) auch die von hohen Standesperſonen evangeli - ſcher Religion56)Unter katholiſchen Standesperſonen iſt freylich die Gewiſſens - ehe an den Orten, wo das Tridentiniſche Concilium gilt, einer groͤßern Schwierigkeit ausgeſetzt, denn dieſes erklaͤrt ſchlech - terdings Seſſ. XXIV. cap. 1. de reformat. matrim. eine jede eheliche Verbindung fuͤr nichtig und kraftlos, welche anders als in Gegenwart des Pfarrers und zweener oder dreyer Zeu - gen iſt eingegangen worden. P. Benedikt XIV. in Con - ſtitut. Satis nobis §. 6. et 7. de an. 1741. erlaubt eine Ge - wiſſensehe nur denn, wenn eine gravis, urgens, et urgen - tiſſima cauſa eine Diſpenſation rechtfertiget. Man ſehe Paul. Ioſ. a riegger Inſtitut. iurisprud. eccleſiaſt. P. IV. §. LXXIII. et LXXIV. S. 47. (edit. Vindobon. 1777.), als von regierenden Reichsfuͤrſten oder Reichsgrafen, aus einer ſogenannten Gewiſſens-Ehe erzeugte Kinder nach der gemeinen Meinung der Rechts - gelehrten, und dem Reichsherkommen gerechnet57)S. Franc. Ge. dietterich Tract. de legitimis natalibus inter Illuſtres praeſumendis. Argentorati 1776. und vorzuͤglich Chriſt. Ignat. wiese in der unter Io. Ge. schloer Vorſitz zu Maynz 1782 vertheidigten Diſſertation, welche betitelt iſt: Vindiciae legitimorum natalium liberorum, e matrimoniis S. R. I. Principum Comitumve Auguſtanae Confeſſioni addicto - rum, ſolo mutuo conſenſu matrimoniali, neglecta omni ſolemni -tate. Dennevan -941. Buch. 5. Tit. §. 116.evangeliſche Reichsſtaͤnde, denen die biſchoͤflichen Rechte in ihren Landen ſelbſt zukommen, ſind an die Kirchen - form nicht ſo ſchlechterdings gebunden, daß ſie ſich nicht davon dispenſiren koͤnnten58)Hr. GJR. Boͤhmer in Princip. iuris canon. §. 224. ſchreibt ganz recht: Status Imperii Evangelici ius diſpenſandi in cau - ſis eccleſiaſticis propriis exercent, perinde ac Pontifex. . Es iſt auch kein Reichs - geſetz vorhanden, welches ihnen die Verbindlichkeit, ſich trauen zu laſſen, auferlegte. Es kann daher eine von ſolchen hohen Standesperſonen vermittelſt bloßer Erklaͤ - rung des wahren Eheconſenſes, ohne Beobachtung der kirchlichen Form, wirklich geſchloſſene Ehe keinesweges fuͤr unguͤltig oder unrechtmaͤſig gehalten werden, zumal ſelbſt die hoͤchſten Reichsgerichte noch jederzeit fuͤr die Wirkſamkeit einer ſolchen Gewiſſens-Ehe unter erlauch - ten Perſonen erkannt, und die darinn erzeugte Kinder fuͤr rechtmaͤſig erklaͤrt haben59)Beyſpiele ſolcher Reichsgerichtlichen Erkenntniſſe findet man beym feltmann in Tr. de impari matrimonio P. I. Cap. 3. n. 430. not. 2. klock in Relat. Cameral. Relat. XV. n. 114 — 119. de cramer in Obſervat. iuris univerſi T. II. Obſ. 515. Merkwuͤrdig iſt das neueſte Reichshofraths-Concluſum in Sachen der Grafen von Leiningen vom 15. Februar 1782. ſo in der vorhin angefuͤhrten Maynzer Diſſertation Cap. II. §. XXV. abgedruckt ſtehet..
Ein Kind muß alſo aus rechtmaͤſiger Ehe erzeugt ſeyn, wenn es fuͤr ein rechtmaͤſiges, eheliches Kind ge - halten werden ſoll. Hierzu wird nun aber noch inſonder -heit57)tate eccleſiaſtica contractis, natorum. Es iſt zwar Hr. G. Tr. R. Gatzert in Proluſ. de S. R. I. Principum Comitumve liberis ex matrimonio conſcientiae illegitimis. Gieſſae 1773. einer andern Meynung, allein Deſſelben Gruͤnde ſind in der angefuͤhrten Maynzer Diſſertation genau erwogen und gruͤnd - lich widerlegt worden.95de Statu Hominum. heit erfordert, daß das Kind zu rechter Zeit gebohren worden ſey. Es kommt demnach bey Beurtheilung der Rechtmaͤſigkeit eines Kindes vorzuͤglich darauf an, zu wiſ - ſen, welches der rechte Zeitpunkt der ehelichen Geburt ei - nes Kindes ſey? Die Geſetze haben nun hierin zu Be - gruͤndung einer rechtlichen Vermuthung fuͤr die Recht - maͤſigkeit der Geburt einen doppelten Termin beſtimmt, naͤmlich einen terminum a quo, und einen terminum ad quem. Erſterer iſt der Anfang des ſiebenden Mo - nats nach vollzogener Ehe60)Es gehoͤrt hierher die bekannte Stelle aus pauli lib. 19. Reſponſor. in L. 12. D. h. t. wo es heißt: Septimo menſe naſci perfectum partum, jam receptum eſt propter auctorita - tem doctiſſimi viri Hippocratis: et ideo credendum eſt, eum qui ex iuſtis nuptiis ſeptimo menſe natus eſt, iuſtum filium eſſe. Es entſtehet hier die Schwierigkeit, wie der hier be - ſtimmte Zeitpunkt einer ſieben monatlichen Geburt zu berech - nen ſey, welche dadurch noch vergroͤſſert wird, daß Hippo - crates, auf deſſen Anſehen die Entſcheidung teſer Geſetzſtelle gegruͤndet wird, bey Berechnung jenes Zeitpunkts mit ſich ſelbſt nicht eins iſt, indem er einem ſiebenmonatlichen Kind bald 204, bald 210, bald 182 Tage giebt. Um dieſer Schwie - rigkeit abzuhelfen, ſo haben nun unſere Geſetze ſolches an ei - nem andern Ort deutlicher beſtimmt, naͤmlich L. 3. § fin. D. de ſuis et legitim. hered. welche ſo lautet: Qui centeſimo octo - geſimo ſecundo die natus eſt, hippocrates ſcripſit, et D. pius Pontificibus reſcripſit, iuſto tempore videri na - tum. Da nun dieſe 182 Tage einen Zeitraum von ſechs Monat, jeden Monat fuͤr 30 Tage gerechnet, und zwey Tage ausmachen, ſo ergiebt ſich hieraus, daß eine ſiebenmonat - liche Frucht diejenige ſey, welche nach ſechs Monaten, und zwar in den erſtern Tagen des ſiebenten Monats zur Welt kommt.; letzterer aber das Ende des zehnten Monats61)L. 3. §. 11. D. de ſuis et legitim. hered. Poſt decem men - ſes mortis natus, non admittetur ad legitimam hereditatem. Hier -. Wenn alſo ein Kind nur we -nig -961. Buch. 5. Tit. §. 116.nigſtens zu Anfang des ſiebenden Monats nach einge - gangener Ehe zur Welt kommt, ſo wird es nach rechtli - cher Vermuthung fuͤr ehelich, und der Ehemann fuͤr deſ - ſen Vater gehalten; und wenn eine Witwe, oder eine geſchiedene Ehefrau noch binnen den naͤchſten zehen Mo - naten nach des Mannes Tode oder nach der Eheſchei - dung ein Kind zur Welt bringt, ſo paßirt dieſes auch noch fuͤr des verſtorbenen oder geſchiedenen Ehemanns Kind62)muͤller ad Leyſerum T. I. Obſ. 79.. Wenn in dieſen Faͤllen der Ehemann oder deſſen Erben ein ſolches Kind, als ehelich und rechtmaͤ - ſig, nicht erkennen wollen, ſo muͤſſen ſie dieſe, fuͤr das Kind geſetzlich ſtreitende Vermuthungen, durch tuͤchtigen Gegenbeweiß heben, auſſerdem genießt das Kind alle die Rechte einer rechtmaͤſigen Geburt63)Schott im Eherecht §. 185.. Da indeſſen der Geiſt jener geſetzlichen Beſtimmungen ohne Zweifel die - ſer iſt, weil es phyſiſch moͤglich iſt, daß das Kind binnen dieſer Zeit von dem Ehemann, der fuͤr den Vater deſſel - ben gehalten wird, durch ehelichen Beyſchlaf hat gezeugt werden koͤnnen64)Man ſiehet dies, was den geſetzlichen Terminum a quo an - betrift, ſehr deutlich aus dem vom Paulus oben angefuͤhr - ten Entſcheidungsgrunde: Septimo menſe naſci perfectum par - tum, iam receptum eſt propter auctoritatem hippocratis. In Anſehung des geſetzlichen Termini ad quem beziehe ich mich auf L. 6. et 7. D. de ſuis et legitim. heredib. wo zur Erb - faͤhigkeit eines nach des Ehemanns Tode gebohrnen Kindes erfordert wird, ut ſit vivo eo conceptus, quia conceptus quo - dammodo in rerum natura eſſe exiſtimatur; und auf Nov. XXXIX. cap. 2. wo Juſtinian ſagt: daß ein im eilftenMo -, ſo folgt, daß, wenn dieſe Moͤglich -keit61)Hiermit ſind zu verbinden L. 29. pr. D. de lib. et poſtum. L. 4. Cod. de poſthum. heredib. inſtituend. vel exhered. 97de Statu Hominum. keit nach den unveraͤnderlichen Geſetzen der Natur ſchlech - terdings nicht angenommen werden kann, das Kind fuͤr legitim nicht zu halten ſey. Weil nun die gewoͤhnlich angenommene Geburtszeit eines voͤllig reifen und ausge - tragenen Kindes erſt nach neun und dreißig bis vierzig Wochen, von der Empfaͤngniß an gerechnet, einfaͤllt65)roederer in Elem. artis obſtetriciae §. 217. Hunc ter - minum, finem nempe trigeſimae nonae, et nonnunquam quadra - geſimae hebdomatis, partui maturo natura, uti accuratior ob - ſervatio docet, conſtituit. , mithin im ſiebenten Monat eine Frucht zwar ſchon ſo vollkommen ſeyn kann, daß ſie auch wohl auſſer Mutter - leibe eines weitern Lebens faͤhig waͤre, aber doch nimmer die Reife eines vollkommenen neunmonatlichen Kindes er - reicht haben, vielmehr jederzeit ſichtbare Merkmale der Unvollkommenheit an ſich tragen wird66)roederer im angefuͤhrten Buch §. 219. Ante nonum etiam menſem foetus maturus cenſendus non eſt. Vitalis quidem ſe - ptimo menſe eſſe poteſt, recte tamen a maturo diſtinguitur. Vagitum enim infantibus ſolemnem immaturus puer non edit, ſed ſimilem fere ſonum ſuſpiriis adultorum obtuſis. Continuo ſomno indulget; vix, niſi a cruciatu moveatur, vagit, niſique excitetur, evigilatur, cibumque appetit. Multum vagiunt, quibus inteſtina (doloribus colicis) dolent. Frigoris adeo im - patiens eſt, ut manus mox pedesque frigeant, niſi externo calore foveantur. Debilis etiam, et convulſionibus aptus, ni omni cura et blandiſſime nutriatur. Er giebt hierauf §. 220. folgende Kennzeichen einer unreifen Geburt an: 1) tota cu -tis -; ſo iſt unlaͤug -bar,64)Monat nach des Ehemanns Tode von deſſelben Witwe zur Welt gebrachtes Kind darum nicht fuͤr rechtmaͤſig gehalten werden koͤn - ne, quod non eſſet poſſibile dicere, partum de defuncto eſſe. Ne - que enim in tantum tempus conceptionis extenſum eſt: oder wie es Hombergk beſſer uͤberſetzt: Neque enim graviditas in tantum tempus protenditur. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. G981. Buch. 5. Tit. §. 116.bar, daß, wenn entweder im ſiebenten Monat nach voll - zogener Ehe ein vollkommen reifes Kind gebohren wuͤrde, der Ehemann aber den fruͤhen Beyſchlaf ſo wenig einge - ſtehen, als das Kind fuͤr das ſeinige anerkennen wollte, oder die Witwe im zehnten Monat nach des Mannes To - de ein noch unreifes Kind zur Welt gebracht haͤtte, ein ſolcher Partus keinesweges nach rechtlicher Vermuthung fuͤr ein aͤchtes Kind des Ehemanns gehalten werden koͤn -ne66)tis, in extremis maxime artubus et facie, rubet vel purpurea eſt, quin quandoque livet. Sanguis per tenerrimam epider - miam pellucet. Manuum palmae pedumque plantae purpureo vel livido colore ſplendent. 2) Mollis et longa lanugo cor - puſculo inſtrata eſt, partibus praecipue faciei lateralibus et dorſo. 3) Corpuſculum plerisque in caſibus macilentum, minus toroſum; artus graciles, tenuesque; mobilis contracta et arida cutis, quae vix aliquid, quin nihil pinguedinis, ſed nudos muſculos velat. 4) Magnus fons pulſatilis, et cranii oſſa ex facili mobilia. 5) Facies deformis, ſenilis quaſi, cum con - ſpicuis lineamentis et rietu oris magno latoque. Totius em - bryonis ingratus aſpectus et odor. Labia et aures tenerrima epidermide tectae, colore rubrae; obſcurae vel roſeae: aures pertenues membranis ſimiles, cum exigua auricula pendente. Ex mento et naſi bulbo tubercula ſebacea, velut colliculi al - bicantes, prominent. Lingua intenſa rubet. 6) Oculi clauſi, palpebrae conniventes, quae haud multum aperiuntur, cum aver - ſo a lumine infante tenebrae fiunt. Immaturi embryones cir - cumſpicere vivide, velut alii infantes, non ſolent. 7) Capitis capilli albicantes vel flavescentes et nitentes: ungues etiam ma - nuum pedumque breves, teneri, molles, facile plicandi, velut tenuis chartae folia, ultra digitos non prominentes, vix line - am longi. Cilia et ſupercilia tenerrima et laeviſſima. 8) Scro - tum rubicundum et tumens, teſticulis vacuum eſſe ſolet, qui nonnunquam ſupra pubis oſſa in inguinibus reperiuntur, raro unus vel alter in ſcroto. 9) Pondus immaturi foetu, ad ſex libras non aſcendit, ſaepe intra quintam libram ſubſiſtit, alias inter quintam ſextamque libram medium eſt. 99de Statu Hominum. ne67)hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 544. S. 428. Struben rechtliche Bedenken V. Th. Bed. 86. S. 179. Ploucquet uͤber die phyſiſche Erforderniſſe der Erbfaͤhigkeit eines Kindes §. 38. u. 39.. Hieraus erhellet alſo, daß man bey rechtlicher Beurtheilung der Rechtmaͤſigkeit eines Kindes auf zweyerley zu ſehen habe; I) auf den Zeitpunkt der Geburt, und II) auf die Beſchaffenheit des Kindes, naͤmlich ob das Kind reif oder unreif ſey68)Ploucquet a. a. O.? Der eine Umſtand darf ſchlechterdings von dem andern nicht getrennet werden, wenn nicht gegen die Abſicht der Geſetze gehandelt, und offenbare Ungerechtigkeit veranlaſ - ſet werden ſoll69)Ploucquet §. 31.. Denn es wuͤrde ſonſt oft einem Mann ein unrechtmaͤſiges Kind aufgedrungen werden, wenn man den Ausſpruch jenes Geſetzes: ſeptimeſtris eſt legitimus, ſo ſchlechthin ohne weitere Einſchraͤnkung anwenden duͤrfte; und wenn gleich das Geſetz nach der Lehre des Hippocra - tes ein ſiebenmonatliches Kind, als ein vollkommenes (partum perfectum) annimmt; ſo kann doch dieſes von einer ſolchen Vollkommenheit und Reife, dergleichen nur ein neunmonatliches Kind faͤhig iſt, darum nicht verſtan - den werden, weil eines theils eine ſolche Erklaͤrung nicht mit dem Lehrſyſtem des Hippocrates70)Ich will nur eine Stelle aus Hyppocrates Buche de ſeptimeſtri partu cap. 5. herſetzen, woraus man ſehen wird, daß er von keinem vollkommenen reifen Kinde redet. Et ſu - pervivunt quidem ſeptimeſtres, ſagt er, verum pauci etiam ex his educantur. Neque enim craſſitudinem habent, quam perfectiſſimihabent,, als welcher nur von einem lebensfaͤhigen Kinde redet, uͤbereinſtim - men, andern Theils aber den unveraͤnderlichen GeſetzenG 2der1001. Buch. 5. Tit. §. 116.der Natur entgegenſtreiten wuͤrde71)Man vergleiche hier de cocceii ius controvers. lib. I. T. VI. Qu. 3. a verbis: Aſtalia quaeſtio eſt, an ſeptimo coniugii menſe editus pro legitimo ſit habendus? pag. 79. vorzuͤglich aber Pet. Ludw. rehrmann in Comment. de termino naſ - cendi naturali unico filiationis et paternitatis fundamento. Goet - tingae 1784.. Nach Maasgebung dieſer Grundſaͤtze koͤnnen nun noch allerhand wichtige Rechtsfragen mit leichter Muͤhe entſchieden werden.
Man ſetze, eine Witwe habe ſich gleich im erſten Monat nach des Mannes Tode wieder verheyrathet, und nach ſieben oder acht Monaten, von dieſer zweyten Hoch - zeit an gerechnet, ein Kind gebohren72)Die Rechtsgelehrten haben bey Entſcheidung dieſer Rechts - frage viele Schwierigkeiten gefunden. Man findet die ver - ſchiedenen Meinungen in der unter Io. Guolfgang. kippingii Vorſitze von Joh. Kopp vertheidigten Diſſ. de partu dubio, quem ſcilicet vidua intra dies lugubres enixa eſt. Helmſtadii 1744. Er ſelbſt haͤlt §. XII. dafuͤr, daß nach der Regel: pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant, im Zweifel der ge - genwaͤrtige Ehemann fuͤr den Vater des Kindes zu halten ſey. Allein es kommt hier zunaͤchſt auf die Beſchaffenheit des Kindes an, ob dieſes reif oder noch unreif iſt.. Nun entſteht die Frage, fuͤr weſſen Kind der Partus zu halten ſey? fuͤr des verſtorbenen, oder des gegenwaͤrtigen Mannes Kind? Es kommt darauf an: ob das nach ſieben oder acht Mo - naten in der zweyten Ehe gebohrne Kind, voͤllig reif ſey, oder nicht, im erſtern Fall iſt anzunehmen, daß esvon70)habent, et labores in utero non diu ante toleraverunt, ut te - nues evaſerint. Ueberhaupt hat auch die Unvollkommenheit eines ſiebenmonatlichen Kindes, gegen ein neunmonatliches gehalten, ſchon das ganze Alterthum erkannt, wie fabrot - tus de iuſto partu, in ottonis Theſ. Iur. Rom. T. III. p. 1162. erwieſen hat.101de Statu Hominum. von dem verſtorbenen erzeugt ſey; im zweyten Fall hinge - gen erkennt es den zweyten Mann ſeiner Mutter fuͤr ſei - nen Vater73)S. Ploucquet in der angefuͤhrten Schrift §. 39. S. 98 und 99..
Ob eilfmonatliche oder noch ſpaͤtere Geburten recht - maͤſig ſeyn koͤnnen? iſt eine Frage, welche ſowohl die Federn der Aerzte als der Rechtsgelehrten beſchaͤftiget hat74)Man vergleiche puͤttmann de partu undecimeſtri Lipſiae 1779. Aug. a leyser Diſſ. de poſtumo anniculo ſeu duode - cimeſtri Viteb. 1748. und deſſelben Meditat. ad Pandect. Spec. XV. med. 1. heisteri Differt. qua partus tredecime - ſtris pro legitimo habitus proponitur, et ſimul partui nullum certum tempus in univerſum tribui poſſe, oſtenditur: in schle - gel Collect. opuſculor. ſelector. ad medicin. for. ſpectant. Vol. II. n. VIII. nebel Diſſ. de partu tredecimeſtri legiti - mo. Heidelberg. 1731. und wernher Obſ. for. T. III. P. 3. Obſ. 36.. Nach den Geſetzen75)L. 3. §. 11. D. de ſuis et legit. hered. Nov. XXXIX. c. 2. und der Meinung der neuern Aerzte76)Ploucquet uͤber die Erbfaͤhigkeit der Kinder. §. 40. Rud. Aug. vogel Diſſ. de partu ſerotino valde dubio. vor - zuͤglich aber Io. Bern. schnobel Diſſ. de partu ſerotino in me - dicina forenſi temere nec affirmando nec negando. Ienae 1786. iſt ſie zu verneinen. Beyde ſtimmen darinn uͤberin, daß der hoͤchſte Zeitpunct einer rechtmaͤſi - gen Geburt der zehnte Monat nach des Mannes Tode oder nach erfolgter Eheſcheidung, oder ſeit der Abweſenheit des Mannes ſey. Da dies ſchon eine ſeltene Ausnahme iſt, ſo darf jener Zeitpunct um deſto weniger weiter hin - aus erſtrecket werden. Zwar hat man Beyſpiele von zwoͤlf-dreyzehen-ja vierzehnmonatlicher Schwanger - ſchaft wiſſen wollen, auch Gruͤnde aufgeſucht, um die Moͤglichkeit einer ſolchen ſpaͤten Geburt zu vertheidigen;G 3allein1021. Buch. 5. Tit. §. 116.allein die meiſten dieſer Gruͤnde ſind ſo beſchaffen, daß ſie vielmehr die Geburt befoͤrdern, wenn ſie auch dem Wachsthum des Foͤtus nicht guͤnſtig ſind; ſie wuͤrden alſo zwar ſoviel zuwege bringen, daß ein Kind mager, kraͤnklich, und ſchwach auf die Welt kaͤme, aber weder an der Reife ſelbſt wuͤrde etwas fehlen, noch wuͤrde die Ge - burtszeit dadurch verzoͤgert werden. Ueberhaupt aber ha - ben die meiſten Hiſtoͤrchen, wodurch die Moͤglichkeit ſol - cher Verſpaͤtungen beſcheiniget werden will, ſo viel Ver - daͤchtiges, daß man in der That nicht ſehr geneigt wird, ihnen Glauben beyzumeſſen. Daher ſie auch Koͤderer77)Elem. art. obſtetr. pag. 218. „ Tantum abeſt, ut hae cau - ſae foetus moram in utero retardent, ut potius accelerent. Vi - duae quidem vanis hisce ſpeciebus illicitam venerem defende - re, hereditates aucupari, imo medicos nimis credulos vel lu - eri cupidos in ſuas partes trahere ſtudent, ſed mera haec ſunt ludibria, praetereaque nihil. “ Adde alberti ſyſtem. iurisprud. medicae T. I. Cap. VII. §. 19. alle verwirft. Der Richter aber darf um ſo weniger da - rauf achten, weil ihm der geſetzliche Termin eine eben ſo noͤthige als ſichere Maasregel giebt, uͤber den er daher nach eigener Willkuͤhr nicht hinaus gehen darf78)S. Schott im Eherecht §. 185. in Not **** S. 410..
Weil indeſſen K. Juſtinian79)Nov. XXXIX. cap. 2. Die Worte undecimo menſe perfe - cto ſind in der Bulgate nicht richtig uͤberſetzt, es muß eigent - lich heiſſen ſub finem und ecimi menſis, wie Luc. van de poll de exheredat. et praeterit. cap. 38. emendirt, und Hombergk zu Bach auch wirklich uͤberſetzt hat. nur ein ſolches Kind, ſo nach des Mannes Tode gegen dem Ende des eilften Monats gebohren worden, fuͤr illegitim erklaͤrt;ſo103de Statu Hominum. ſo wird nach der gemeinen Meinung80)cujacius ad Sent. Recept. Pauli lib. IV. Tit. 9. §. ſepti - mo menſe. fabrottus in der oben angefuͤhrten Exerc. I. p. 38. raguellus in Commentar. ad L. ult. C. de poſthum. hered. inſtit. carpzov Iurisprud. Forens. P. IV. Conſt. 27. def. 15. gaertner meditat. pract. ad Pandect. Specim. I. Obſ. 61. Luc. van de poll a. a. O. §. 13. S. 239. struv Syntagm. iur. civ. h. t. Exerc. III. th. 4. u. a. m. der Rechtsgelehr - ten angenommen, daß ein im Anfang des eilften Monats zur Welt gebohrnes Kind noch fuͤr rechtmaͤſig zu halten ſey; ob es gleich nicht an Rechtsgelehrten fehlt, welche mit mehrern Grunde behaupten, daß Juſtinian das alte Recht hierin nicht abgeaͤndert habe81)huber Praelect. ad Dig. h. t. §. 4. boehmer Introduct. in ius Digeſtor. h. t. §. 5..
Noch iſt jedoch zu bemerken uͤbrig, daß dasjenige, ſo wir von dem zur Beurtheilung der rechtmaͤſigen Ge - burt eines Kindes geſetzlich beſtimmten Zeitpunct geſagt haben, nur alsdann hauptſaͤchlich ſeine Anwendung fin - de, wenn hieruͤber ein Streit obwaltet, und die Frage iſt, was im Zweifel nach rechtlicher Vermuthung an - zunehmen ſey. Denn erkennt der Ehemann das ihm von ſeiner rechtmaͤſigen Ehefrau gebohrne Kind fuͤr das ſeinige, ſo hat es kein Bedenken, daß ein ſolches Kind fuͤr ehelich und rechtmaͤſig zu achten ſey, es mag zu einer Zeit in der Ehe gebohren worden ſeyn, zu welcher es wolle82)voet in Commentar. ad Pandect. lib. I. Tit. VI. §. 5. Pla - ne ſi quis ante nuptias in furtivos cum puella complexus ruens, eam deinceps matrimonii vinculo legitime ſibi ſociaverit, nec anticipata gaudia ipſe diffiteatur; non dubium, quin vel con - feſtim a nuptiis contrectis, aut ipſo nuptiarum die editus, le - gitimis liberis adſcribendus ſit, ſubſequente connubii foedere omnem conceptionis maculam tollente. Adde hofacker Prin - cip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 544. fin. und gaert - ner in Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. med. 59.. G 4In1041. Buch. 5. Tit. §. 116.In ſolchem Fall verordnet Juſtinian83)L. 11. Cod. de natural. liber. Nov. 89. c. 8. in fine. daß nicht wei - ter auf die Zeit der Conception, ſondern nur der Geburt geſehen werden ſolle. Sancimus ſagt er84)Nov. 89. cap. 8. in fine. , ut non tempus conceptus, ſed partus inſpiciatur, propter filiorum utilitatem. Kommt es uͤbrigens auf dem Be - weiß der rechtmaͤſigen Herkunft eines Kindes an, ſo die - nen hierzu die ſogenannten Geburtsbriefe, wodurch die eheliche Geburt eines Menſchen von dem Richter des Geburtsorts bezeuget wird85)Von ſolchen Geburtsbriefen handeln Henr. linck in Diſſ. de litteris natalitiis Ien. rec. 1732. Desgleichen Claproth in der Rechtswiſſenſchaft von freywilligen Gerichtshandlun - gen (Goͤttingen 1789.) 2. Abſchn. 2. Hauptſt. 7. Tit. S. 149 — 157. und Hr. von Truͤtſchler in der Anwei - ſung zur vorſichtigen und foͤrmlichen Abfaſſung rechtl. Aufſaͤ - tze uͤber Handlungen der willkuͤhrl. Gerichtsbarkeit. (2. Aufl. Leipzig 1786.) 1. Th. 2. Hauptabth. 3. Hauptſt. §. 53. S. 300.. In Ermangelung der - ſelben muß der Beweiß darauf gerichtet werden, daß die Eltern des Kindes in rechtmaͤſiger Ehe gelebt, und das Kind entweder waͤhrend derſelben gebohren worden, oder falls es erſt nach aufgehobener Ehe zur Welt gekommen, daß es binnen derjenigen Zeit gebohren worden ſey, wo die Geſetze es noch fuͤr ein Kind des verſtorbenen oder geſchiedenen Ehemanns gehalten wiſſen wollen. Als Be - weißmittel koͤnnen in einem ſolchen Fall Zeugniſſe aus den Kirchenbuͤchern, welche, in ſofern ſie von verpflichte - ten Perſonen in Amts-Sachen ausgeſtellet werden, als oͤffentliche Zeugniſſe gelten86)hommel in Rhapſod. quaeſtion, for. Vol. II. Obſ. 364.; oder auch andere ehrba - re und glaubwuͤrdige Zeugen, als Wehmuͤtter, Ge -vat -105de Statu Hominum. vattern, Nachbaren, welche von der Geburt des Kindes, von deſſen Rechtmaͤſſigkeit die Frage iſt, genugſame Wiſ - ſenſchaft haben, auch Domeſtiquen und Anverwandte87)Cap. 3. X. qui matrimon. accuſ. poſſ. leyser Meditat. ad Pandect. Vol. V. Spec. CCCXXVI. med. 7., gebraucht werden. Es iſt auch ſchon hinreichend, wenn nur ſoviel dargethan werden kann, daß das Kind von demjenigen, der fuͤr den rechtmaͤſigen Vater deſſelben aus - gegeben wird, wie ein eheliches Kind ſey erzogen und ge - halten worden88)Nov. 117. cap. 2. Cap. 10. X. de probat. . Denn hieraus entſtehet wenigſtens eine rechtliche Vermuthung, welche ſo lange gilt, bis ſie durch Gegenbeweiß entkraͤftet wird89)Frid. Io. stock Diſſ. de probatione filiationis. Ienae 1702. Cap. III. Th. 2. und vorzuͤglich hofacker in Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 547 — 550. S. 431. f. f..
Ad verba: Minime vero nati ex deſponſatis. Noch iſt die Frage zu eroͤrtern, ob Brautkinder fuͤr le - gitim und erbfaͤhig zu halten ſind? Hieruͤber iſt viel geſtritten worden. Man ſetze z. B. daß einer ge - ſetzmaͤſig verlobten Braut der Braͤutigam vor der Copu - lation abſtuͤrbe, und ſie ſich von ihm ſchwanger befaͤnde; iſt das von ihr zur Welt gebrachte Kind fuͤr ehelich, und folglich fuͤr den rechtmaͤſigen Erben ſeines Vaters zu hal - ten? Fuͤr die bejahende Meinung ſtimmen die mehreſten Rechtsgelehrten90)S. Ferd. Chriſtoph harpprecht in Diſſ. de iure libero - rum a deſponſatis ante benedictionem ſacerdotalem, nec ex poſt ſubſecutam procreatorum. idem in Diſſ. de probatione filiationis ex concubitu conſponſorum ante hierologiam nec ex poſt ſubſecutam, et de iure talis prolis, in eius Diſſertat. Academ. Vol. I. Diſſ. XXXIII. et XXXIV. Io. Frid. eisen -hart; und es iſt nicht zu laͤugnen, daßG 5die -1061. Buch. 5. Tit. §. 116.dieſelbe wenigſtens von Seiten der Billigkeit alle Empfeh - lung verdient. Denn warum ſoll dem Kinde dieſer Um - ſtand, daß die Trauung bey deſſen Eltern durch einen Zufall unmoͤglich gemacht wurde, zum Nachtheil gerei - chen? Man wuͤrde ja offenbar Brautkinder denen aus einem Stuprum erzeugten Kindern gleich ſtellen, dies aber ſcheint hart, und gegen die Abſicht der Geſetze zu ſeyn, welche vielmehr den billigen Grund, daß durch den Beyſchlaf zwiſchen guͤltig verlobten Perſonen der Ehekon - ſens thaͤtig erklaͤret worden ſey, ſelbſt zu Gunſten ſolcher Kinder anerkennen91)L. 22. C. de nupt. cap. 12. X. qui filii ſint legitimi. Im Cap. 30. X. de ſponſalib. wird dem Beyſchlaf zwiſchen guͤltig verlobten Perſonen die Wirkung eines matrimonii praeſumti beygelegt.. Es iſt daher auch dieſe Lehre durch den Gerichtsgebrauch92)Conſil. Marburg. Vol. III. 34. hert Reſponſ. Vol. I. Reſp. 209. 456. mevius Deciſ. P. II. D. 81. stryck de ſucceſſ. ab inteſt. Diſſ. I. cap. 2. §. 1. gaertner meditat. pract. ad Pand. Spec. I. med. 55., ja in einigen Landen ſo - gar durch ausdruͤckliche Geſetze beſtaͤttiget worden93)Z. B. in Preußiſchen vi Reſcripti de 22. Febr. Reſp 1768. S. Hrn. Prof. woltaer Obſervat. iur. civ. et Brandenb. Faſc. I. Obſ. 10. in Saͤchſiſchen, vi Deciſ. Elect. 49. S. wernher Obſ. for. T. I. P. III. Obſ. 41. n. 5. und in Wuͤr - tenbergiſchen Landen vi Reſcr. de 1695. S. die oben angefuͤhrte andere Harpprechtiſche Diſſ. de probatione filiationis Cap. II. Th. XI. Daßin -90)hart Diſſ. de nato ex ſponſa Helmſt. 1750. Car. Phil. Io. Zeller Diſſ. de partu ſponſae legitimo. Goettingae 1785. de cramer in Obſervat. iur. univerſi T. II. Obſ. 515. a leyser Meditat. ad Pandect. Spec. CCXCVIII. med. 4. Struben rechtl. Bedenken III. Th. Bed. 131. §. 4. S. 456. Hr. G.J.R. boehmer in Princip. iuris canon. Lib. III. Sect. II. Tit. II. §. 352. Schott im Eherecht §. 150. hofacker in Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 545 u. a. m.107de Statu Hominum. indeſſen dieſe Meinung auch mit den Grundſaͤtzen einer aͤchten Rechtstheorie uͤbereinſtimme, moͤchte wohl ſchwer - lich erwieſen werden koͤnnen. Von dieſer Seite verdient daher die verneinende Meinung der Rechtsgelehrten94)Dieſer Meinung ſind Io. voetius in Commentar. ad Pan - dect. Lib. I. Tit. VI. §. 10. Gottl. Ger. titius in Iure pri - vato lib. VII. cap. I. §. 15. Iuſt. Henn. boehmer in Iur. Eccleſ. Proteſt. Lib. IV. Tit. 3. §. 50. lauterbach in Colleg. Th. Pract. Pandect. Lib. XXIII. Tit 2. §. 4. Tob. Iac. reinharth in ſelect. Obſervat. ad Chriſtinaeum Vol. VI. Obſ. 10. p. 26 27. Aug. Rud. Ieſ. bunemann Diſſ. de ſpon - ſae partu ſpurio. Goettingae 1753. G. Nic. grimmeisen Diſſ. de liberis ob deficientem in parentibus benedictionem ſa - cerdotalem non legitimis. Altorf. 1731. Vorzuͤglich aber ſehe man die gruͤndliche Abhandlung uͤber der Brautkinder Succeßions-Faͤhigkeit in den Guͤtern ihrer Vaͤter in dem Archiv fuͤr die theoretiſche und practiſche Rechtsgelehrſamkeit, herausgegeben von Theodor Hage - mann und Chriſtian Auguſt Guͤnther IV. Th. (Braun - ſchweig 1789.) N. VII. S. 177 — 217. mehreren Beyfall. Denn Verloͤbniß iſt doch noch keine Ehe, giebt auch kein Recht zum Beyſchlaf, mithin iſt der von verlobten Perſonen anticipirte Concubitus eine eben ſo leichtfertige Beywohnung, wie jedes Stuprum. Rechtmaͤſige eheliche Kinder ſind nur diejenigen, welche aus rechtmaͤſiger Ehe erzeugt ſind; eine ſolche aber laͤßt ſich unter Proteſtanten ohne die prieſterliche Trauung, und unter Catholiken ohne die Erklaͤrung des Ehekonſen - ſes vor dem competenten Pfarrer und zwey Zeugen nicht gedenken; ohne dieſe Form iſt nach heutigem Kirchen - recht keine Ehe von buͤrgerlicher Wirkung, ſie iſt vielmehr null und nichtig, und kann daher auch keine Rechtmaͤſig - keit der Geburt den Kindern geben. Der Satz des roͤ - miſchen Rechts: conſenſus facit nuptias95)L. 30. D. de Reg. Iur. findet heutigesTa -1081. Buch. 5. Tit. §. 116.Tages eben ſo wenig, als die Lehre der Decretalen, daß ein Eheverloͤbniß durch die darauf erfolgte fleiſchliche Ver - miſchung auch ohne Trauung in eine wahre Ehe verwan - delt werde96)Cap. 15. 30. 32. X. de ſponſalib. , ſtatt97)Hr. G. J. R. Boͤhmer in Princip. iur. canon. §. 362. not. d. und Car. Sebaſt. berardus in Commentar. in ius ec - cleſ. univ. Tom. III. (Venet. 1778. 4.) Diſſ. II. Cap. IV. Quaeſt. I. auch Hofmann im Handbuch des teutſchen Ehe - rechts (Jena 1789.) VIII. Hauptſt. §. 72 S. 233.; mithin koͤnnen Stellen des roͤmi - ſchen und kanoniſchen Rechts, die ſich auf jene Lehren lediglich beziehen, auf unſere Zeiten nicht mehr angewen - det werden. Es ſind auch wirklich die fuͤr die gegenſei - rige Meinung angefuͤhrte Geſetzſtellen dieſer letztern Be - hauptung gar nicht entgegen, ſie unterſtuͤtzen dieſelben vielmehr noch buͤndiger. Denn in beyden oben angefuͤhr - ten Texten ſowohl dem cap. 12. X. Qui filii ſint legitimi als der L. 22. C. de nupt. liegt der Satz zum Grunde, daß nur aus guͤltiger Ehe ein rechtmaͤſiges Kind gebohren werde. Es war in beyden Texten die Frage von der Rechtmaͤſigkeit der Geburt eines Kindes. Dieſe hing von der Guͤltigkeit der Ehe ſeiner Eltern ab; und weil dieſel - be durch Zeugen außer allen Zweifel geſetzt werden konn - te, ſo wurde fuͤr das Kind erkannt. Hier iſt alſo von keinen Brautkindern die Rede98)Merkwuͤrdig ſind die Worte des cap. 12. cit. receptis teſti - bus a filio eiusdem R. productis, quibus legitime comproba - vit, praedictum R. matrem ſuam in capella S. Sergii adfidaſſe. Adfidare gehoͤrt zur barbariſchen Latinitaͤt des mittlern Zeital - ters, und bedeutet ſoviel als ſich durch Zuſage und gegebenes Wort verbindlich machen. S. lindembrog in Gloſſario h v. In - ſonderheit aber hieß feminam adfidare in uxorem ſoviel als einem Weibe die eheliche Treue verſprechen. gonzalez ad cap. 2. X. decon -. Aber verdient denndoch109de Statu Hominum. doch nicht wenigſtens die ganz unſchuldige Frucht eines zu fruͤhen Beyſchlafs Mitleiden, und muß nicht die Sa - che ſchon aus dieſer Urſach zu ihrem Beſten entſchieden werden? O ja, Mitleiden verdienen allerdings Brautkin - der; aber iſt denn das auch ein rechtlicher Grund ihnen was zuzuſprechen, das ihnen von Rechtswegen nicht ge - buͤhrt?
Ich laſſe es jedoch gelten, wenn in dem Fall, da der Braͤutigam verurtheilt geweſen, die verlobte und geſchwaͤn - gerte Braut zu ehelichen, und darauf, ehe ſolches geſche - hen, verſtorben waͤre, das Kind durch ein rechtliches Er - kenntniß fuͤr aͤcht und ſucceßionsfaͤhig rechtskraͤftig iſt er - klaͤret worden99)puffendorf in Obſervat. lur. univerſi Tom. IV. Obſ. 245. I. H. boehmer Iur. Eccl. Proteſt. Lib. IV. Tit. 3. §. 49.. Denn ein rechtskraͤftiger Urtheilsſpruch gilt auch in Sachen, die den Zuſtand der Perſon betref - fen, fuͤr eine rechtliche Wahrheit100)L. 25. D. h. t. .
§. 117.98)conſanguinit. Merkwuͤrdig iſt es ferner, daß dieſes Ehever - ſprechen in einer Capelle geſchehen, ohnfehlbar alſo in Gegen - wart eines Geiſtlichen; mithin iſt wohl kein Zweifel, daß das Kind, uͤber deſſen eheliche Geburt nach dem Inhalt des Ca - pitels geſtritten wurde, ein aus rechtmaͤſiger Ehe gezeugtes Kind geweſen. gonzalez tellez in Comment. ad cap. hoc 12. X. qui filii ſint legitimi. Noch weniger Zweifel iſt bey der L. 12. C. de nupt. vorhanden; wenn man die Worte mit Aufmerkſamkeit lieſet, nullus exiſtimat, ob id deeſſe recte alias inito matrimonio firmitatem, vel ex eo natis liberis iura poſſe legitimorum auferri.
Ein anderer natuͤrlicher Zuſtand der Menſchen iſt der Status ſexus, in Anſehung deſſen dieſelben entweder maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts ſind. Ob es nicht noch eine dritte Menſchengattung gebe, naͤmlich ſol - che, welche beyderley Geſchlechts zugleich ſind, iſt noch nicht entſchieden. Man pflegt ſie Zwitter oder Herma - phroditen zu nennen. Die Geſetze unſerer Pandecten ge - denken ihrer an verſchiedenen Orten. Sie ſtellen den Grundſatz feſt, daß man die Hermaphroditen zu demje - nigen Geſchlechte rechnen muͤſſe, welchem ſie am aͤhnlich - ſten ſind1)L. 10. D. h. t. ulpianus lib. I. ad Sabinum. Quaeritur, Hermaphroditum cui comparamus? et magis puto, eius ſe - xus aeſtimandum, qui in eo praevalet. S. Caſp. bau - hinus de hermaphroditorum monſtroſorumque partuum na - tura. Oppenhem. 1614. Io. Henr. felz Diſſ. de iure androgi - norum. Argentor. 1717. Io. Ulr. cramer Probl. de prae - ſtantia ſyſtematis harmoniae praeſtabilitae in materia iuris de Hermaphroditis, qui utroque ſexu potentes dicuntur; in eius Opuſc. T. IV. n. VIII. guyot Repertoire de lurisprud. art. Hermaphrodit. und Pet. Franc. monet Diſſ. de iure cir - ca hermaphroditos, Argentorati. 1788.. Sind ſie alſo dem uͤberlegenen Geſchlechte nach maͤnnlich, ſo werden ſie als Mannsperſonen anzuſe - hen ſeyn. Waͤren aber die Kennzeichen des weiblichen Geſchlechts, Geburtstheile, Stimme, Bruͤſte, und uͤbriger koͤrperlicher Bau, bey ihnen herfuͤrſtechender, ſo wuͤrde man ſie zu dieſem Geſchlecht rechnen muͤſſen. Nach Maaß - gabe jenes Grundſatzes entſcheiden nun die Geſetze alle die ſie betreffende Rechtsfragen, wobey es auf den Unterſchied des Geſchlechts ankommt. Z. B. ob ein Hermaphroditals111de Statu Hominum. als Teſtaments-Zeuge gebraucht werden koͤnne2)L. 15. §. 1. D. de teſtibus. paulus lib. III. Sententia - rum. Hermaphroditus an ad teſtamentum adhiberi poſſit, qua - litas ſexus incalescentis oſtendit. ? Die neuern Aerzte3)tissot Onaniſme P. 66. duverney Oeuvres anatomiques T. II. p. 369. valmont de bomare Dictionn. d’Hiſtoire natur. art. Hermaphrod. teichmeyer medicin, legal S. 99. faselius elem. medicin. legal. §. 40. Arnaud uͤber die Hermaphroditen. u. a. m. wollen es jedoch gaͤnzlich laͤugnen, daß es wahre Zwitter gebe. Die weitere Unterſuchung liegt auſſer meiner Sphaͤre. Ich kehre alſo zu der obigen Eintheilung der Menſchen in Manns - und Weibsper - ſonen4)Ich bemerke hier nur, daß die Benennungen mulier und fe - mina in unſern Geſetzen von allen Perſonen weiblichen Ge - ſchlechts, ohne Unterſchied, ſie moͤgen ledig oder verbeurathet, Jungfern oder Witwen ſeyn, gebraucht werden; ſo wie in ei - ner eben ſo weitlaͤuftigen Bedeutung das Wort vir alle Per - ſonen maͤnnlichen Geſchlechts, Maͤnner und Knaben bezeich - net. L. 25. §. 9. D. de auro arg. leg. L. 81. §. 1. D. de legat. 3. L. 2. D. ad SCt. Vellej. In der eigentlichen Be - deutung aber nehmen die Geſetze das Wort mulier fuͤr eine ſolche Weibsperſon, die keine Jungfer mehr iſt, und ſetzen das Wort virgo entgegen. L. 11. §. 1. D. de contrab. emt. L. 11. §. 5. D. de act. emt. vend. L. 13. D. de manumiſſ. vind. zuruͤck, und ſetze zufoͤrderſt als allgemeinen Grundſatz voraus, daß ordentlicher Weiſe Manns - und Weibsperſonen einerley Rech - te zu genießen haben, in ſofern nicht die Ge - ſetze ausdruͤcklich dem einen Geſchlecht vor dem andern Vorzuͤge zugeſtehen5)L. 9. D. h. t. . Denn be - ſondere Rechte ſind Ausnahmen, dieſe aber werden be - kanntlich nicht vermuthet. Hieraus folgt, daß wenn einGe -1121. Buch. 5. Tit. §. 117.Geſetz uͤberhaupt etwas verordnet, ohne die Weibsperſo - nen auszunehmen, ſolches auch mit auf dieſelben zu er - ſtrecken ſey6)L. 1. D. de Verb. Signif. Verbum hoc: Si quis, tam maſcu - los quam feminas complectitur. . So z. B. kommen die den Erben zu Gun - ſten verordnete Rechtswohlthaten allerdings den weibli - chen Erben ſo gut als den maͤnnlichen zu ſtatten. Ja wenn auch in einem Geſetz nur des maͤnnlichen Geſchlechts vorzuͤglich waͤre gedacht worden, ſo iſt deswegen das weib - liche nicht gleich fuͤr ausgeſchloſſen anzuſehen, wenn nicht das Gegentheil entweder aus dem Geiſt und dem Gegen - ſtande des Geſetzes, oder aus andern Geſetzen deutlich erhellet7)L. 195. pr. D. de Verbor. Signif. Pronunciatio ſermonis in ſexu maſculino ad utrumque ſexum plerumque porrigitur. Die Anwendung davon wird in L. 116. 163. §. 1. L. 172. L. 201. D. de Verb. Sign. und L. 62. D. de legat. 3. gemacht.. So z. B. hat das zwoͤlftafel Geſetz, welches dem Paterfamilias das Recht, ein Teſtament zu machen, giebt, die Materfamilias8)cicero pro Caecinna cap. 6. ulpianus Fragm. Tit. XX. §. 15. S. treckel Tr. de origine atque progreſſu teſta - mentifactionis praeſertim apud Rom. Cap. III. §. 4. S. 60. gewiß ſo wenig, als das weibliche Geſchlecht von der Inteſtat-Erbfolge ausſchlieſ - ſen wollen9)Dies hat wenigſtens D. Io. Chriſtph. duisberg in der ele - ganten Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud vet. Rom. Halae 1788. §. 2. gegen die Meinung des Hrn. Prof. Hugo in Comment. de fundamento ſucceſſionis ab inteſtato ex iure Rom. antiquo et novo. Goett. 1785. §. 4. ſq. ſehr gruͤndlich erwieſen., wenn gleich die Ausdruͤcke ſuus heres agnatus proximus vorzuͤglich das maͤnnliche Geſchlecht andeuten10)Daß das zwoͤlftafel Geſetz bey der Erbfolge keinen Unter - ſchied des Geſchlechts habe machen wollen, beſtaͤttigen Pau -lus. Dahingegen kann unter dem ausdruͤcklichge -113de Statu Hominum. genannten weiblichen Geſchlecht das maͤnnliche nicht be - griffen werden11)L. 81. princ. D. de legat. 3.. Pomponius haͤlt es wenigſtens fuͤr eine Sache von ſchlimmen Folgen12)L. 45. in fin. princ. D. de legat. 2. Exemplo peſſimum eſt, feminino vocabulo etiam maſculos contineri. ; und was Ley - ſer13)Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 4. dagegen angefuͤhrt hat, kann jenen rechtlichen Satz nicht umſtoßen14)Man ſehe hier vorzuͤglich hartleben in Meditat. ad Pan - dect. Spec. XVII. med. 3. welcher jedoch den Fall ausnimmt, da aus der Abſicht des Geſetzgebers, des Teſtators, oder der Contrahenten ganz deutlich erhellet, daß unter der ausdruͤck - lichen Benennung des weiblichen Geſchlechts auch das maͤnn - liche mit verſtanden ſeyn ſolle..
Es iſt nun alſo Ausnahme von der Regel, wenn die Geſetze in manchen Stuͤcken dem maͤnnlichen Ge - ſchlecht Vorzuͤge vor dem weiblichen geben, in andern Faͤllen aber dem weiblichen Geſchlecht wieder Vortheile zugeſtehen, an welchen das maͤnnliche keinen Antheil nimmt. Der ſeel. Canzler Boͤhmer15)Introd. in ius Digeſtor. h t. hartleben c. l. med. 5. §. 3. giebt die Re - gel, daß in oͤffentlichen und Familien-Sa - chen das maͤnnliche, in Privat-Sachen hin - gegen, wo es auch die Schwaͤche des Ge - ſchlechts ankommt, das weibliche Geſchlecht mehr Vortheile zu genieſſen habe. So wer - den Frauensperſonen bekanntermaßen zu Verrichtungen ei - nes gerichtlichen Anwalds ſo wenig als eines peinlichen Anklaͤgers zugelaſſen; ſie koͤnnen nicht zu oͤffentlichenAem -10)lus Sentent. Receptar. Lib. IV. Tit. VIII. §. 23. und Ju - ſtinian §. 3. I. de legitima agnator. ſucceſſ.Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. H1141. Buch. 5. Tit. §. 117.Aemtern gelangen; werden ferner in allen denienigen Faͤl - len nicht als Zeuginn zugelaſſen, da die Geſetze der Feyer - lichkeit des Geſchaͤftswegen mehr als zwey Zeugen erfor - dern; ſie koͤnnen, auſſer einer Mutter und Großmutter, nicht zu Vormuͤnderinn unmuͤndiger Kinder beſtellet wer - den; ſie ſind der Gewalt ihrer Ehemaͤnner unterworfen; haben an den Rechten der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt keinen Antheil, in ſofern ſich dieſelbe vorzuͤglich uͤber das Vermoͤgen der Kinder erſtreckt; eine Mutter kann daher ihrem unmuͤndigen Kinde nicht pupillariter ſubſtituiren, das iſt, demſelben auf den Fall, wenn es in der Unmuͤn - digkeit ſterben wuͤrde, durch Teſtament einen Nacherben ſetzen; bey der Succeßion in Familien Fideicommiſſe wer - den ſie von dem Mannsſtamm des Stifters ausgeſchloſ - ſen, u. d. m. In dieſen Faͤllen hat alſo das maͤnnliche Geſchlecht vorzuͤglichere Rechte. Allein wenn Frauenzim - mer eher muͤndig werden als Mannsperſonen, und daher auch eher heyrathen und teſtiren koͤnnen; wenn ihnen die Unwiſſenheit der Rechte nicht zugerechnet wird, in ſo - fern ſie ſolche blos in der Abſicht vorſchuͤtzen, um einen Schaden oder eine Strafe abzuwenden; wenn ferner die Geſetze ihnen zur Sicherheit ihres Brautſchatzes ein mit beſonderem Vorzuge begabtes Unterpfandsrecht in den Guͤtern ihrer Ehemaͤnner geben; wenn ſie aus ihrer Buͤrg - ſchaft nicht belangt werden koͤnnen; ſo ſind das Vorthei - le, die die Geſetze den Frauenzimmern fuͤr den Manns - perſonen zugeſtehen16)Von den beſondern Rechten der Weibsperſonen handeln Io. Volck. Bechmann Diſſ. de privilegiis mulierum. Jena 1720. Theod. Ge. Guil. emminghaus Comm. de praecipuis feminarum in Germania iuribus. Ienae 1751. Henr. bale - mann Diſſ. de foemina ex antiquitatibus legibusque Romanis, germanicis, et praeſertim Lubecenſibus. Altorf. 1756. Joh. Chri -. Nicht unbillig fragt man ie -doch,115de Statu Hominum. doch, welches die Quelle dieſer ſo verſchiedenen als beſon - dern Rechte des ſchoͤnen Geſchlechts ſey17)Hiervon handelt Henr. Theoph. schellhaffer in Meditat. de origine ac fonte iuris circa mulieres diverſi, von den ei - gentlichen Gruͤnden des verſchiedenen Rechts der Weiber. Lipſiae 1738.? Dieſe Fra - ge wird von den Rechtslehrern nicht uͤbereinſtimmend be - antwortet. Leyſer18)Leyſer Spec. XIII. med. 1. ſchreibt den Urſprung der mehre - ſten weiblichen Rechte der Eiferſucht zu. Quiſtorp19)In der angefuͤhrten Abhandlung S. 70. hingegen glaubt, daß ſie vielmehr in einer beſondern Zaͤrt - lichkeit und Hochachtung ihren Grund haͤtten. Allein es haben ſchon andere20)Roͤslin in der angefuͤhrten Abhandlung 1. Buchs 2. Ab - ſchnitt §. 1 — 6. hartleben Meditat. ad Pandect. Spc. XVII. med. 1. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 2. Th. S. 281. f. f. richtiger eingeſehen, daß ſich die vorzuͤglichen Rechte des ſchoͤnen Geſchlechts nicht aus ei - ner einzigen Quelle herleiten laſſen. Die Geſetzgeber ſelbſt haben bey Beſtimmung dieſer beſondern weiblichen Rech - te verſchiedene Gruͤnde ihrer Legislation angegeben. Die erſte und vorzuͤglichſte Quelle iſt unſtreitig in dem in - nern Charakter des weiblichen Geſchlechts zu finden, vermoͤge welchem den Frauensperſonen eine gewiſſe Schwaͤche des Geſchlechts und SchamhaftigkeitH 2in16)Chriſtoph Quiſtorp von den Gerechtſamen des ſchoͤnen Geſchlechts nach gemeinen buͤrgerlichen und beſonders nach Mecklenburgiſchen Lehnsgeſetzen und Gewohnheiten, in Deſ - ſelben kleinen juriſt. Schriften (Butzow. u. Wis - mar 1772.) N. III. S. 69 — 98. vorzuͤglich aber Carl Ludw. Chriſtoph Roͤslin Abhandlung von beſondern weiblichen Rechten. I. Band Manheim 1775. II. Band Ebendaſelbſt 1779. gr. 8.1161. Buch. 5. Tit. §. 117.in vorzuͤglichen Grade zugeſchrieben wird. Dieſe wird in unſern Geſetzen nicht nur als die Urſach angegeben, warum Frauenzimmer keine Buͤrgſchaft guͤltig uͤberneh - men koͤnnen, ſondern warum ſie auch uͤberhaupt von oͤffen - lichen Aemtern ausgeſchloſſen ſind21)L. 2. D. ad SCtum Vellejan. L. 2. D. de Reg. Iur. . Unter jener Schwaͤche des Geſchlechts, oder wie ſich die Geſe - tze eigentlich ausdruͤcken, ſexus imbecillitas22)L. 2. §. 2. D. ad SCtum Vellej. , infirmi - tas foeminarum23)Cit. L. 2. §. 3. D. eodem. , iſt jedoch nicht Mangel des Ver - ſtandes, als welcher ihnen von den Geſetzen keinesweges abgeſprochen wird24)L. 12. §. 2. D. de iudiciiſ. , auch nicht natuͤrliche Schwach - heit des Koͤrpers zu verſtehen, ſondern vielmehr a) eine ge - wiſſe gutmuͤthige Neigung, ſich andern gefaͤllig zu bewei - ſen, eine den Frauenzimmern natuͤrliche Guͤte des Herzens, vermoͤge welcher ſie ſich im Vertrauen auf die Redlichkeit des Schuldners nur gar zu leicht pflegen bewegen zu laſſen, eine Interceßion zu uͤbernehmen, wobey nur die gute Ab - ſicht obwaltet, durch ein gegebenes Wort Jemand zu die - nen, uͤbrigens aber kein wirklicher Schade befuͤrchtet wird25)Man vergleiche hierbey vorzuͤglich Hrn. Prof. Webers Beytraͤge zu der Lehre von gerichtlichen Klagen und Einreden. (Schwerin und Wismar 1789. 8. ) 3te Betrachtung S. 36. u. folg.. Aus dieſem wahren Grunde will daher der Vellejaniſche Rathſchluß nur das Frauenzimmer in den Faͤllen ſchuͤtzen, wo ſie eine fremde Verbind - lichkeit uͤbernahmen, und ſich aus bloßer Gefaͤlligkeit der Gefahr unterzogen, etwas zu bezahlen, welches zu ver - lieren ſie weder die Abſicht, noch anders woher eine Ver -bind -117de Statu Hominum. bindlichkeit auf ſich haͤtten26)Dies iſt eine Bemerkung von ſehr wichtigen practiſchen Folgen. Denn hieraus laͤßt ſich erklaͤren, warum die Frauens - perſonen, welche etwas dafuͤr erhalten haben, daß ſie eine fremde Verbindlichkeit uͤbernehmen moͤchten; oder aber bey Uebernehmung fremder Verbindlichkeiten nicht ſowohl Gefahr laufen, als vielmehr wirklich die Abſicht und den Willen ha - ben, das Ihrige zu des Schuldners Beſten aufzuopfern, mit - hin aus bloßer Freygebigkeit (donandi animo) fuͤr ihn inter - cediren, ſich jener weiblichen Rechtswohlthat nicht bedienen koͤnnen. In dem Titel de SCto Vellejano werde ich dieſes weiter ausfuͤhren.. b) Heißt auch Schwaͤ - che des weiblichen Geſchlechts eine von der Er - ziehung ſowohl als der dieſem Geſchlecht weſentlichen Be - ſtimmung des Kindergebaͤhrens herruͤhrende Unfaͤhigkeit, maͤnnliche Arbeiten, welche eine ausdauernde Anſtren - gung des Koͤrpers, und oͤffentliche Aemter, welche Ein - ſichten und Gelehrſamkeit erfordern, zu verſehen27)Von dieſer Sexus imbecillitas handelt schellhaffer in der angefuͤhrten Diſſertat. §. VIII. u. ff. ſehr gruͤndlich.. Ich erwaͤhnte oben der dem weiblichen Charakter eigenen Schamhaftigkeit. Dieſe fuͤhren die Geſetze ſelbſt an mehr als einem Orte als eine Quelle weiblicher Rech - te an. Z. B. wenn der Praͤtor in ſeinem Edict den Frauensperſonen vor Gericht als Fuͤrſprecherin zu er - ſcheinen verbietet, ſo wird zum Grunde dieſes Verbots angegeben, ne, contra pudicitiam ſexui congruentem, alie - nis cauſis ſe immiſceant28)L. 1. §. 5. D. de poſtulando. . Eben dieſen Grund der Keuſchheit fuͤhrt auch Juſtinian29)Nov. CXXXIV. cap. 9. an, wenn er ver - ordnet, daß keine Weibsperſon zur gefaͤnglichen Haft gebracht, ſondern ſelbige auch in den groͤbſten Verbrechen entweder nur in ein Kloſter geſteckt, oder anderer Wei -H 3ber1181. Buch. 5. Tit. §. 117.ber Aufſicht uͤbergeben werden ſolle; naͤmlich ut non per huiusmodi occaſiones inveniantur circa caſtitatem in - iuriatae; obgleich dieſes heutiges Tages bey uns nicht mehr im Gebrauch iſt30)Ludovici Einleitung zum peinlichen Proceß II. Cap. §. 8..
Eine andere entferntere Quelle des beſondern weibli - chen Rechts war, daß Weibsperſonen ehemals bey den Roͤmern auf den Verſammlungen des Volcks nicht er - ſcheinen durften, woraus theils eine dem ſchoͤnen Ge - ſchlecht unſchaͤdliche Unwiſſenheit der Geſetze31)Roͤslin in der angefuͤhrten Abhandlung 2. Band. S. 17. u. 18. §. 9., theils die Unfaͤhigkeit derſelben, bey einer feyerlichen Handlung als Zeuginn gegenwaͤrtig zu ſeyn32)Als etwas merkwuͤrdiges erzaͤhlt daher Gellius Noct. Attic. VI. 7. daß die Tarratia, eine Beſtalin, das ius teſti - monii dicendi durch die Lex Horatia erhalten. S. treckel de origine teſtamentifactionis §. XVIII. p. 105. §. LXIII. p. 208. u. §. LXXI. p. 225. ſqq. reinold Varior. c. 5. in Opuſc. S. 73., herfließt.
Eine weitere Hauptquelle beſonderer weiblicher Rech - te iſt die geſetzliche Oberherrſchaft des Ehe - manns uͤber die Frau, und die uͤberhaupt durch die Ehe entſtehende genaueſte und innigſte Vereinigung zwi - ſchen Eheleuten. Denn ſo wie deshalb zwar die Frau an der Wuͤrde und dem Stande des Mannes Antheil nimmt, deſſen Namen fuͤhrt, und den naͤmlichen Ge - richtsſtand hat; ſo entſtehen daraus auch wieder auf der andern Seite manche unangenehme Folgen. Denn da die Frau ſelbſt der Gewalt des Mannes unterworffen iſt33)Nach den Fragmenten des Antejuſtinianiſchen Rechts wur - de eine Ehefrau, die ſich in manu mariti befand, ſogar wie eine filiafamilias angeſehen. Man ſehe caii Inſtitut. lib. II. Tit. VIII. prine. vlpiani Fragm. Tit. XXII. §. 14.,ſo119de Statu Hominum. ſo kann ſie keine ſolche Gewalt uͤber ihre Kinder haben, dergleichen die Geſetze nur dem Vater geben. Eine wich - tige Folge davon iſt, daß Frauensperſonen keine ſuos heredes haben koͤnnen34)vlpianvs in Fragm. Tit. XXVI. §. 7. paulus in L. 4. §. 2. D. de bonor. poſſ. contra tab. averanius in Interpre - tat iuris Lib. III. c. XXVI. n. 9. p. 490., quia foeminae in poteſtate li - beros non habent, wie Juſtinian35)§. 3. Inſt. de beredum qualit. et diff. Auch dies iſt von wichtigen Folgen, denn aus dieſer Urſach kann eine Mutter ihre Kinder rite praͤteriren, odne daß das Teſtament deshalb nichtig wird, ihre Praͤterition hat die Wirkung einer Exhere - dation §. 7. I. de exheredat. liberor, Aus eben dieſer Urſach ſagt paulus L. 4. §. 2. D. de bon. poſſ. contr. tab. ad te - ſtamenta ſoeminarum Edictum contra tabulas bonorum poſſeſ - ſionis non pertinet; und ein gleiches iſt von der bonorum poſ - ſeſſione unde liberi zu behaupten. S. schulting ad Vlpia - ni Fragm. Tit. XXVI. §. 7. not. 24. Iurisprud. Antej. p. 667. ſagt. Da ferner die Ehefrau durch ihre Verheyrathung den Namen ihrer Familie, mit dem Namen, Stand und Wuͤrde ihres Mannes vertauſcht, und die Kinder, welche die Haus - mutter waͤhrend der Ehe zur Welt bringt, nicht zu ihrer, ſondern allemal zur Familie des Vaters gerechnet wer - den36)L. 196. §. 1. D. de Verbor. Signif. , ſo erhaͤllt hieraus der Ausſpruch Ulpians37)L. 195. §. 5. D. codem. goeddeus in Comment. ad h. L. ſein Licht, mulier familiae ſuae finis eſt; und eben dies iſt auch der Grund, warum Frauensperſonen in Fami - lien Fideicommiſſe und ſolche Guͤter, welche nach der Abſicht des Erwerbers bey ſeiner Familie, das heißt, ſei - nen maͤnnlichen Nachkommen unverſehrt verbleiben ſol - len, ſo lang ein maͤnnlicher Succeſſor vorhanden iſt, weder ſuccediren, noch ſolche Guͤter, wenn ſie auſſer der Fami -H 4lie1201. Buch. 5. Tit. §. 117.lie veraͤuſſert worden ſind, retrahiren koͤnnen. Denn durch ſie wird die Familie nicht erhalten.
Daß uͤbrigens manche weibliche Gerechtſame nur Billigkeit zum Grunde haben, beweiſen die Worte des K. Juſtinian38)L. 12. §. 1. Cod. qui pot. in pignore. : Quis mulierum non miſereatur prop - ter obſequia, quae maritis praeſtant, propter partus pericu - lum et ipſam liberorum procreationem, pro quibus multa in legibus noſtris inventa ſunt privilegia; ich will auch nicht gerade laͤugnen, daß Zaͤrtlichkeit und Eiferſucht, vielleicht auch Juſtinians Gemahlin die Theodora an einigen Vor - zuͤgen und Rechten des ſchoͤnen Geſchlechts Antheil ha - ben koͤnne39)Roͤslin in der angefuͤhrten Abhandlung I. Th. S. 14. und II. Th. S. 55..
Ein dritter natuͤrlicher Zuſtand iſt der Status inte - gritatis, in Anſehung deſſen die Menſchen in vollkom - mene, und unvollkommene Menſchen eingetheilt werden40)S. Io. Henr. falkenhagen Diſſ. de habitu ſtatus integri - tatis ad ſtatum familiae in re tutelari ſpectato. Goettingae 1753.. Erſtere ſind entweder vollkommen in Anſe - hung der Eigenſchaften des Koͤrpers, oder in Anſehung der Eigenſchaften der Seele; im erſtern Fall werden ſie geſunde und tuͤchtige Leute, in zweyten Fall aber vernuͤnftige genennt, worunter alſo diejenigen ver - ſtanden werden, welche den voͤlligen Gebrauch des Ver - ſtandes und der Vernunft haben. Die Geſetze41)L. 2. D. Qui teſtam. facere poſſ. L. 20. D. de iniuſt. rup - to et irr. teſt. nen - nen dieſen Zuſtand integritas mentis, den erſtern aber cor - poris ſanitas. Unvollkommene Menſchen ſind ſolche, ent - weder in Anſehung des Koͤrpers oder in Anſehung der Seele. Im erſten Fall ſind ſolche Menſchen entwedermit121de Statu Hominum. mit einem beſtaͤndigen und unheilbaren Mangel behaftet, oder ſie laboriren nur an einem zeitigen Mangel der Geſundheit. Im erſten Fall werden ſie fehlerhafte, oder gebrechliche Perſonen, untuͤchtige Leute; (vitioſi) z. B. Kruͤppel, Taube, Stumme, Blinde u. d. im andern Fall aber Kranke42)L. 101. §. 2. D. de Verb. Signif. wo morbus und vitium ſo unterſchieden werden, daß erſteres eine temporalis corpo - ris imbecillitas, letzteres aber ein perpetuum corporis impedi - mentum ſey. Unterweilen nehmen jedoch die roͤmiſchen Juri - ſten das Wert Morbus in einer ſo weitlaͤuftigen Bedeutung, daß es auch vitium mit unter ſich begreift. S. coelius sa - binus in L. 1. §. 7. D. de aedilit. edicto, und massurius sabinus beym Gellius Noct. Attic. IV. 2. genennt. Unvollkom - mene in Anſehung der Seele, welche den voͤlligen Ge - brauch des Verſtandes und der Vernunft nicht haben, werden dementes43)S. stryck Diſſ. de dementia et melancholia. im weitlaͤuftigen Sinn genennt, und ſind wieder ſehr verſchiedener Art. Denn der Mangel der geſunden Vernunft, und die Verwirrung der Seelen - kraͤfte hat verſchiedene Grade, und es iſt ſchwer, einen richtigen Maaßſtab zu finden, um die Grade des Verſtan - des und deſſen Mangel, auch die Verdunkelung und Ver - wirrung deſſelben deutlich zu beſtimmen. Man pflegt ſie gemeiniglich in ſolche, die der Vernunft voͤllig beraubt ſind, und ſolche, die zwar Vernunft, aber nur im gerin - gen Grade haben, einzutheilen. Erſtere werden Sinn - loſe, oder Wahnſinnige, mente capti44)L. 9. C. de Impub. et aliis ſubſtitut. L. 25. C. de nupt. festus de Verb. Signif. v. mente captus. , inſani45)L. 7. §. 3. D. ad L. Iul. Majeſt. L. 1. Cod. ſi quis Imp. maledix. ,H 5fa -1221. Buch. 5. Tit. §. 117.fatui46)L. 2. D. de poſtul. L. 21. D. de reb. auct. iud. poſſid. genennt; und dieſe theilt man in furioſos, Tol - le, Raſende, und dementes im eigentlichen Verſtande, Alberne, Wahnwitzige ein; die letzteren unterſchei - den ſich jedoch von den erſtern nur durch ein ruhigeres Verhalten47)L. 8. §. 1. D. de tutor. et curat. dat. L. 27. §. 5. D. de recept. §. 3. 4. I. de Curat. L. 25. Cod. de nupt. S. Paul. zacchias in Quaeſtion. medico. legal. Lib. II. T. l. qu. 9. n. 3. 15. 16. Ulr. huber Digreſſion. Iuſtinian. Lib. III. cap. 18. §. 2. und beſonders Guſt. Bernh. becmann in Diſſ. de acquiſitione hereditatis dementi delatae. Goettingae 1772. §. 2. 3. 4.. Menſchen die nur einen geringen Ge - brauch ihres Verſtandes und der Vernunft haben, wer - den in Einfaͤltige, und kindiſche Perſonen ein - getheilt. Erſtere haben zwar Vernunft und Beurthei - lungskraft, allein nur im geringern Grade, als andere Menſchen, inzwiſchen haben ſie Begriffe von Gegenſtaͤn - den, die in die Sinne fallen, haben auch Begriffe vom Guten und Boͤſen, und laſſen ſich durch Strafen in Zaum halten, obwohl ſie ſelten Kennzeichen eines geuͤbten Ver - ſtandes und einer reifen Beurtheilungskraft zu erkennen geben. Kindiſche Perſonen hingegen haben nicht mehr Verſtand als Kinder, und unterſcheiden ſich von dieſen nur durch das Alter und den Gebrauch der Spra - che, haben im uͤbrigen eine ſchwache Beurtheilungskraft ſo daß ſie ſelten ihre Handlungen auf die gehoͤrige Art und Weiſe verrichten, oder vernuͤnftig handeln, deſto haͤu - figer und gewoͤhnlicher aber ſich unordentlich und ver - kehrt in ihren Handlungen beweiſen. Solche Perſonen werden daher mit den ſinnloſen in eine Claſſe geſetzt.
Unter dieſen Menſchen, die wir jetzt in Anſehung des Status integritatis in vollkommene und unvoll -kom -123de Statu Hominum. kommene eingetheilt haben, findet nun eine große Ver - ſchiedenheit der Rechte ſtatt.
I) Kranke48)Io. Henr. berger Diſſ. de privilegiis aegrotorum: in Diſ - ſertat. Select. N. XVI. ſind entſchuldiget, wenn ſie eine Vormundſchaft uͤbernehmen ſollen, auch wenn ſie einen ge - richtlichen Termin verſaͤumen; ſie bekommen auf ihr Ge - ſuch einen Curator; ſie duͤrfen ferner nicht gefoltert wer - den, in ſofern ſie durch den Gebrauch der Tortur un - vermeidlichen Lebensgefahren ausgeſetzt ſeyn wuͤrden. Sind ſolche Perſonen mit anhaltenden ſchweren Krank - heiten behaftet, ſo werden ſie zu den mitleidswuͤrdi - gen Perſonen gerechnet, die einen befreyeten Gerichts - ſtand zu genießen haben49)L. un. Cod. quando Imp. inter pupillos. .
II) Kruͤppel und gebrechliche Perſonen ha - ben ebenfalls in vielen Stuͤcken andere Rechte als ſolche Menſchen, die einen vollkommenen und wohlgebildeten Koͤrper haben50)Chriſtoph. Lud. crell Diſſ. de corporis integri robuſti et proceri privilegio. Vitemb. 1730. rec. 1746.. Denn erſtere ſind z. B. von der Lehns - folge ausgeſchloſſen51)II. F. 36. Saͤchſ. Landrecht lib. I. Art. 4. Einen Commentar uͤber dieſe letztere Stelle giebt Job. Fried, Joachim in der fortgeſetzten Sammlung vermiſchter An - merkungen des Staats - und Lehnrechts. N. VI. §. 3. ff.; koͤnnen zum geiſtlichen Stand nicht ordinirt werden52)Vid. Tit. Decret, de corpore vitiat, non ordinandis. , u. d. m. Auch haben Tau - be und Stumme, desgleichen Blinde bey Teſtamen - ten, Contracten, und in andern Faͤllen, z. B. wenn es auf Glaubwuͤrdigkeit und Tuͤchtigkeit zum Zeugnißable -gen,1241. Buch. 5. Tit. §. 117.gen, oder auf Faͤhigkeit zum Amt eines Fuͤrſprechers vor Gericht u. d. ankommt, manche beſondere Rechte, wo - von wir zu ſeiner Zeit handeln werden53)Sam. stryck Tr. de iure ſenſuum. Frfti 1701. 4. Frid. Henr. Maximil. kersten Diſſ. de viſu privatis eorumque iuribus Lipſiae 1773. Joh. Paul Kreß juriſt. Betrach - tung von dem Recht der Taub - und Stummgebohrnen. Helm - ſtaͤdt 1765. 4..
III) Raſende, wahnwitzige und kindiſche Perſonen koͤnnen keine rechtliche Geſchaͤfte und buͤr - gerliche Handlungen guͤltig unternehmen, wozu der Ge - brauch des Verſtandes erfordert wird, es waͤre denn, daß ſolches zur Zeit eines vernuͤnftigen Zwiſchenraums (dilu - cidi intervalli) geſchehe, doch muß dieſer Zwiſchenraum ſo lange anhalten, bis die ganze Handlung vollendet iſt, und vollſtaͤndig erprobet ſeyn54)L. 9. C. qui teſtam. facere poſſ. Aus dieſem Geſetz erhellet zugleich, daß die roͤmiſchen Juriſten darinn uneinig geweſen, ob eine Handlung, ſo zur Zeit des dilucidi intervalli unter - nommen wurde, guͤltig ſey? Man ſehe davon Em. meril - lius in Expoſition. in L. Deciſiones Iuſtiniani N. XII. . Nur zu einer ſolchen Zeit, ſonſt nicht, koͤnnen ſie Vertraͤge ſchlieſſen, Teſta - mente machen u. d. m. Zu oͤffentlichen Aemtern ſind ſie jedoch ſchlechterdings untuͤchtig, ob ſie gleich vernuͤnf - tige Zwiſchenraͤume haben. Solche Perſonen koͤnnen auch keine Rechte erwerben, wobey es auf eigene Willenserklaͤ - rung ankommt, z. B. keine Erbſchaft acquiriren, in ſo - fern eine Antretung hierzu erforderlich iſt55)L. 63. D. de acquir, vel omitt. hered. . Sie be - kommen ferner einen Vormund; u. d. m. Einfaͤlti - ge Perſonen hingegen koͤnnen zwar rechtliche Hand - lungen guͤltig vornehmen, wobey es eben nicht auf hellen Verſtand ankommt, z. B. einen Contract ſchließen, einTe -125de Statu Hominum. Teſtament errichten, doch iſt man geneigter die Einrede des Betrugs und der liſtigen Ueberredung gegen ihre Ge - ſchaͤfte gelten zu laſſen, als bey vollkommen vernuͤnftigen Perſonen. Curatoren duͤrfen ihnen auch nur in dem Fall beſtellet werden, wenn die Schwachheit des Verſtan - des zu einer ſolchen Stufe der Bloͤdigkeit geſtiegen, daß ſie die Verwaltung des eigenthuͤmlichen Vermoͤgens be - hindert, ſonſt nicht56)hommel Rhapſod. Quaeſtion. forens. Vol. II. Obſ. 283. Struben rechtliche Bedenken 1. Th. Bed. 138.. Vorzuͤglich wichtig iſt jedoch der Unterſchied zwiſchen voͤllig wahnſinnigen, einfaͤltigen und kindiſchen Leuten in peinlichen Faͤllen, wenn von Zu - rechnung und Beſtrafung begangener Verbrechen die Re - de iſt; die Ausfuͤhrung dieſes Puncts gehoͤrt aber nicht hierher57)Man vergleiche inzwiſchen Quiſtorp Grundſaͤtze des T. peinl. Rechts 1. Th. 2. Abſchn. 2. Kap. §. 39. boehmer in Obſervat. Select. ad Carpzovii practic. nov. rer. crim. P. III. Qu. 145. Obſ. 1. (von Reder) peinliches Recht nach den neueſten Grundſaͤtzen vollſtaͤndig abgehandelt (Offenbach am Mayn 1783.) I. Th. V. Kap. §. 7. 8. 9. Dorn Ver - ſuch eines practiſchen Commentars uͤber das peinliche Recht. 1. Band S. 72. f..
Zum Beſchluß dieſer Materie muß ich noch folgen - de Anmerkungen hinzufuͤgen.
a) Im Zweifel vermuthet man von einem jeden, daß er den voͤlligen Gebrauch des Verſtandes und der Ver - nunft habe, bis das Gegentheil erwieſen iſt58)Chriſtoph Lud. crellii Obſervationes de probatione ſanae mentis, Vitembergae 1737.. Unſinn und Wahnwitzigkeit wird daher nie praͤſumirt, ſondern muß von dem erwieſen werden, der aus dieſem Grundeauf1261. Buch. 5. Tit. §. 117.auf die Zernichtung eines rechtlichen Geſchaͤfts dringt59)L. 5. Cod. de codicill. . Ob nun gleich die Albernheit aus den Handlungen und aͤuſſerlichen Kennzeichen beurtheilt werden muß, ſo geben jedoch alberne Verordnungen eines Teſtierers nicht immer einen zureichenden Beweiß einer vermuthlichen Wahnſin - nigkeit deſſelben, indem vielmehr unſere Geſetze zu Gun - ſten der letzten Willensverordnungen ſolche vielfaͤltig fuͤr nicht geſchrieben gehalten wiſſen wollen, um das Teſta - ment bey Kraͤften zu erhalten60)Beyſpiele hiervon geben L. 45. D. de beredib. inſtit. L. 113. §. 5. D. de legat. 1. L. 40. §. 2. D. de auro arg. mund. Man vergleiche uͤbrigens Marq. freher Veriſimil. Lib. I. c. 26. in Theſ. iur. Rom. Ottoniano T. I. p. 898. und H. Prof. püttmanni Diſp. de ineptis morientium voluntatibus. Lipſiae 1774..
b) Iſt es jedoch einmal entſchieden, daß ein Menſch wirklich verruͤckt ſey, ſo vermuthet man, daß er es im - mer ſey, bis erwieſen worden, daß er Zwiſchenraͤume habe, wo er, von der Wahnwitzigkeit befreyt, ſeines Verſtandes wieder maͤchtig iſt61)Chriſt. thomasii Diſſ. de praeſumtione furoris atque de - mentiae. Halae 1719.. Hierzu iſt das Zeug - niß des Richters oder Notarius hinreichend, wenn das Geſchaͤft des Bloͤdſinnigen, von deſſen Guͤltigkeit die Frage iſt, zur Zeit eines ſolchen vernuͤnftigen Zwiſchen - raums vor ſelbigen vollzogen worden iſt. Sonſt aber wird das Zeugniß und Gutachten eines Arztes erfordert. Die - ſes muß jedoch umſtaͤndlich die koͤrperliche Beſchaffenheit, die Reden oder Handlungen enthalten, woraus der geſun - de Verſtand geſchloſſen werden ſoll62)S. Io. Zach. platneri Progr. medicos de inſanis et fu - rioſis audiendos eſſe, in schlegel Collect. opuſcul. ſelect. ad medicin. forens. ſpectant. Vol. II. N. X. . Ein Beweiß,der127de Statu Hominum. der ſich blos auf die Meinung gemeiner Zeugen gruͤndet, iſt mißlich63)H. Hofr. Claproths Rechtswiſſenſchaft von richtiger u. vorſichtiger Eingehung der Vertraͤge 1. Th. 1. Abſchn. 1. Hptſt. §. 6. S. 12. u. 13..
c) Es giebt Perſonen, welche in unſerm Rechte den Verruͤckten gleich geachtet werden. Dahin gehoͤren die - jenigen, welche fuͤr Verſchwender gerichtlich erklaͤrt worden ſind64)L. 6. D. de Verb. Obl. L. 40. D. de Reg. Iur. L. 12. §. 2. D. de tut. et curat. dat. §. 1. 2. I. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. . Dieſe Vergleichung gilt jedoch nur in Abſicht der Verwaltung der Guͤter, nicht aber in Ab - ſicht begangener Verbrechen65)Ferd. Aug. hommel Diſſ de temperandis poenis ob imbecil - litatem intellectus. Lipſiae 1755. §. XIV. . Endlich
d) zufaͤlliger Verluſt des Verſtandes beraubt nie - manden ſeines Standes oder Wuͤrde, ſo wenig als der Rechte an ſeinem ſonſtigen Vermoͤgen66)L. 20. D. h. t. ulpianus lib. 38. ad Sahinum: Qui fu - rere coepit, et ſtatum et dignitatem, in qua fuit, et magi - ſtratum et poteſtatem videtur retinere: ſicut rei ſuae domi - nium retinet. Adde L. 31. §. 4. D. de uſurp. et uſucap. . Es werden auch die von voͤllig vernuͤnftigen Perſonen guͤltig einge - gangene Rechtshandlungen dadurch nicht unguͤltig, daß ſie in der Folge ihren Verſtand verlohren haben67)§. 1. I. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. Neque teſta - mentum recte factum, neque ullum aliud negotium recte ge -ſtum. .
Die Lehre von dem Unterſchied der Perſonen in Ab - ſicht des Alters, welche der Ordnung nach eigentlich jetzt abgehandelt werden ſollte, traͤgt unſer Verfaſſer erſt im folgenden Titel vor.
Der buͤrgerliche Zuſtand im Sinn des roͤmiſchen Ci - vilrechts iſt nun dreyfach, entweder Zuſtand der Frey - heit, (ſtatus libertatis) oder des Buͤrgerrechts, (civi - tatis) oder der Familie (familiae). Von einem jeden derſelben muß jetzt beſonders gehandelt werden. Zuerſt alſo vom Zuſtande der Freyheit. In Abſicht auf die - ſen ſind die Menſchen entweder freye, oder Sclaven. (Servi) Letztere werden dlejenigen genennt, die ſich mit Recht in dem Eigenthum und der Gewalt eines Herrn befinden. Ich ſage mit Recht, denn wer mit Unrecht in die Sclaverey gerathen, und darin gehalten wird, be - findet ſich zwar in ſervitute, allein er iſt kein Servus68)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen. Lib. I. Tit. 3. §. 64.. Was iſt nun aber Servitus? Juſtinian ſagt69)§. 2. I. de inre perſonar. : ser - vitus eſt conſtitutio iuris gentium, qua quis dominio alieno contra naturam ſubiicitur. Conſtitutio iuris gentium heißt hier, die Sclaverey iſt eine Anſtalt, die ſich bey allen geſitteten Voͤlkern findet. Eben ſo erklaͤrt es auch Cajus70)L. 1. §. 1. D. de bis, qui ſui vel al. iuris funt. . Contra naturam aber heißt nicht, ſie ſtrei - tet gegen das Naturrecht, ſondern ſie iſt keine natuͤrliche, ſondern blos zufaͤllige Qualitaͤt des Menſchen71)Man ſehe hier vorzuͤglich Ge. Steph. wiesand, oder viel - mehr Chriſt. Gottfr. meissneri Diſſ. de ortu et progreſſuſer -. Dennvon67)ſtum, poſtea furor interveniens perimit. Adde L. 20. §. 4: D. qui teſtam. fac. poſſ. 129de Statu Hominum. von Natur ſind alle Menſchen freygebohren, wie Ju - ſtinian an einem andern Orte ſeiner Inſtitutio - nen72)§. 2. I. de iure nat. gent. et civ. ſagt. Sclaverey iſt alſo der zufaͤllige, bey allen geſitteten Nationen bekannte, Zuſtand eines Men - ſchen, daß er ſich in dem Eigenthum und der Gewalt ei - nes Herrn befindet. Das Recht aber, uͤber einen Men - ſchen und deſſen Kraͤfte, als uͤber ſeine eigenthuͤmliche Sache zu ſeinem Nutzen nach Gefallen zu disponiren, heißt dominica poteſtas. Der Sclaverey wird die Freyheit entgegen geſetzt. Dieſe libertas, von welcher der Name liber homo abſtammt, iſt aber, wie Juſtinian ſagt73)§. 1. I. de iure perſonar. naturalis facultas eius, quod cuique facere libet, niſi ſi quid vi aut iure prohibetur. Freye Menſchen werden alſo diejenigen genennt, welche weder der Herr - ſchaft noch dem Eigenthum eines andern rechtmaͤßig un - terworfen ſind. Solche ſind nun entweder freygebohrne oder freygelaſſene. Im folgenden §. wird die Lehre von der roͤmiſchen Sclaverey weiter auseinander ge - ſetzt.
Bey allen Veraͤnderungen, die den Zuſtand der roͤ - miſchen Sclaverey von Zeit zu Zeit betroffen haben, bey allen Einſchraͤnkungen, die die neuere roͤmiſche Rechts -gelehr -71)ſervitutis ſecundum ius naturae et civile. Lipſiae 1762. §. X. XI. u. XII. Sonderbar iſt die Erklaͤrung des M. lycklama a nyholt Membranar. lib. IV. Eccl. 11. S. 427. wo er die Worte contra naturam erklaͤrt contra libertatem animi, und die vorhergehende Worte qua quis ſo verſtehet: qua homo corporeus. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. J1301. Buch. 5. Tit. §. 119.gelehrſamkeit der herrſchaftlichen Gewalt geſetzt hat74)Zur allgemeinen Ueberſicht aller viciſſitudinum ſervitutis ro - manae empfehle ich die ſynchroniſtiſchen Tabellen in der oben ſchon angefuͤhrten Meißneriſchen oder Wieſandſchen Diſputation., iſt es doch immer Grundſatz des roͤmiſchen Rechts geblie - ben, daß Sclaven zwar Menſchen, aber keine Per - ſonen im Staate ſind75)Ant. faber in Iurisprud. Papinianea Lib. I. Tit. 1 — 7.. Als Menſchen betrachtet, ließ man ihnen daher diejenigen Rechte angedeyen, die nach dem Naturrecht unter Menſchen ſtatt finden76)L. 32. D. de Reg. Iur. Hieruͤber hat vortreflich commen - tirt Ge. d’arnaud in Diſſ. de iure Servorum. (Leovardiae 1744. 4 ) Cap. IV. et V. . So war es z. B. nicht erlaubt, einen fremden Sclaven ohne rechtmaͤſige Urſach zu toͤdten. Hatte ihn Jemand getoͤder, und es war aus Fahrlaͤßigkeit, oder aus einem groben Verſehen geſchehen, ſo verfiel der Thaͤter in die Strafe des Aquiliſchen Geſetzes77)L. 2. pr. D. ad L. Aquil. ; hatte er ihn aber aus Vorſatz umgebracht, ſo wurde der Moͤrder eben ſo nach dem Corneliſchen Geſetz vom Todtſchlag gerichtet, als wenn er eine freye Perſon getoͤdtet haͤtte78)L. 1. §. 2. D. ad L. Cornel. de Sicar. Und zwar hatte die Strafe des Corneliſchen Geſetzes auch alsdann noch ſtatt, wenn gleich der Todſchlaͤger ſeiner Verbindlichkeit aus dem Aquiliſchen Geſetz ſchon ein Genuͤge geleiſtet hatte. L. 23. §. 9. D. ad L. Aquil. §. 11. I. eodem. . So beſtrafte ferner der Praͤtor die einem fremden Sclaven zugefuͤgte Iniurie79)L. 15. §. 35. D. de iniur. Nach dem ſtrengen Civilrecht hieß es zwar: Servis ipſis nullam fieri iniuriam, §. 3. Inſt. de iniuriis. Allein der Praͤtor hat dies geaͤndert. §. 7. I. eodem. . Bey den Sclaven-Ehen kamnicht131de Statu Hominum. nicht minder, wie bey Buͤrger-Ehen, Blutsfreundſchaft und Schwaͤgerſchaft in Betracht80)L. 14. §. 2. et 3. D. de ritu nuptiar. . Auch das Zeug - niß eines Sclaven war zulaͤßig, wenn es an andern Be - weißmitteln mangelte81)L. 7. D. de teſtibus. , nur daß die Tortur bey Sclavenzeugniſſen die Stelle des Eides vertreten muß - te82)L. 9. D. de quaeſtionib. Man ſehe nach Ger. noodt Pro - babil. iuris civ. Lib. I. cap. XIII. §. 15.. Indeß konnte man doch dem Sclaven den Eid deferiren, und ſchwur derſelbe, daß ſein Herr nichts ſchuldig ſey, ſo konnte ſich hernach der Herr mit der Einrede des Eides ſchuͤtzen83)L. 23. L. 25. D. de iureiur. . Sclaven wurden auch aus ihren Vergehungen obligirt84)L. 14. D. de obligat. et action. , ja ſie wurden ſogar, wenn gleich nur naturaliter, d. i. nach dem Na - turrecht, verpflichtet, wenn ſie einen Contract mit Je - mand geſchloßen85)L. 14. D. cit. . Daher konnten ſich nicht nur an - dere vor eine ſolche Schuld guͤltig verbuͤrgen86)L. 13. D. de condict. indeb. §. 1. I. de fideiuſſ. , ſondern hatte auch jemand vor den Sclaven bezahlt, oder hatte der Sclave nach der Manumißion ſelbſt bezahlt, was er ſchuldig war, ſo hatte keine Zuruͤckforderung ſtatt87)L. 13. D. cit. Nur gegen den Sclaven ſelbſt fand keine Klage ſtatt, auch nicht einmal nach der Manumißion, wenn die Schuld in der Sclaverey gewuͤrkt worden. paulus Re - cept. Sentent. lib. II. tit. XIII. §. 9..
Nur keine buͤrgerlichen Rechte geſtattete man den Sclaven im Staate. Quod attinet ad ius civile, ſagtJ 2Ulpi -1321. Buch. 5. Tit. §. 119.Ulpian88)L. 32. D. de Reg. Iur. , ſervi pro nullis habentur. Sie konnten da - her keine oͤffentlichen Aemter bekleiden89)Hatte ein Sclave durch Irrthum oder Betrug, wie jener Fluͤchtling Barbarius Philippus beym Ulpian in L. 3. de off. Praetor. ein oͤffentliches Amt erſchlichen, ſo aͤn - derte dies ſeinen Zuſtand nicht, L. 11. C. de lib. cauſ. ob - gleich deſſen Handlungen, die er waͤhrend ſeines Amts unter oͤffentlicher Auctoritaͤt verrichtet, um des gemeinen Beſtens willen, nicht reſcindirt wurden, L. 3. cit. L. 2. C. de ſen - tent ct interlocut omnium Iud. Man vergleiche Auguſt. cam - piani de officio et poteſtate Magiſtratuum Rom. et iurisdi - ctione (Auguſtae Taurinor 1724. 4. ) pag. 225 — 231., aus ihren Con - tracten hatte keine buͤrgerliche Klage ſtatt, weder ſie ſelbſt konnten klagen, noch von andern vor Gericht belangt werden. Kurz, in Abſicht auf den Staat waren ſie keine Perſonen, weil ſie kein buͤrgerliches Leben (caput) hatten, welches die Roͤmer in dem Genuß der Rechte der Freyheit, der Buͤr - gerrechte, und der Familienrechte ſetzten. Sie waren al - ſo gleichſam buͤrgerlich tod90)L. 209. D. de Reg Iur. . Man betrachtete ſie in dieſer Ruͤckſicht nur als Sachen, die zum Nutzen und Gebrauch der Menſchen waͤren. Der Sclave hatte daher kein Eigenthum, ſetzte ihn jemand zum Erben ein, ſo gehoͤrte die Erbſchaft dem Herrn. Er hatte eben deswe - gen auch kein ius teſtamentifactionis, war im Commerz, ſein Herr konnte ihn verkaufen, einem andern in Teſta - ment vermachen, verſchenken, verpfaͤnden u. d.91)S. Laur. pignorius Comm. de Servis et eorum apud veteres miniſteriis. Amſtelod. 1674.. Je - doch darf der Unterſchied zwiſchen oͤffentlichen Scla - ven (Servi publici populi Romani) die zum Eigen - thum des geſammten Staats gehoͤrten, und privat Sclaven nicht aus der Acht gelaſſen werden92)D’ arnaud cit. Diſſertat. cap. XIV. . Oef -fent -133de Statu Hominum. fentliche Knechte des roͤmiſchen Staats konnten ein eige - nes Vermoͤgen erwerben, und waren Teſtamentsfaͤhig; ſie konnten wenigſtens uͤberdie Haͤlfte desjenigen, ſo ſie be - ſaßen, einen letzten Willen errichten93)ulpianus in Fragm. Tit. XX. §. 16. Servus publicus po - puli Romani parte dimidia teſtamenti faciendi ius habet. . Allein dieſes fiel bey privat Sclaven weg. Nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte hatte der Herr ſogar das Recht uͤber Leben und Tod des Sclaven94)D’ arnaud c. Diſſ. cap. VI. ; allein der Mißbrauch grauſamer Herren verurſachte, daß man es unter den Kaiſern ab - ſchafte. Lex Petronia vom Jahr der Erb. Roms 737. fuͤr deren Urheber man den Tribun L. petronius haͤlt95)D’ arnaud cap. VII. , verbot zuerſt, ſeine Sclaven nach eigenem Gefallen zum Thiergefechte zu beſtimmen96)L. 11. §. 1. 2. D. ad L. Cornel. de Sicar. Man ſehe Herm. noordkerk Specim. lectionum ſ. Disquifitio de lege Petronia. Amſtelodami 1731. 8.. Zadrian unterſagte hierauf den Herren die Toͤdtung ihrer Sclaven gaͤnzlich; haͤtte ein Sclave das Leben verwuͤrkt, ſo ſollte ihm der Richter das Todes-Urtheil ſprechen97)spartian. in vita Hadriani c. 18.. Antonin der Fromme verordnete auch, daß ein Herr, der ohne Urſach ſeinen Sclaven umgebracht, eben ſo beſtraft werden ſollte, als wenn jemand einen fremden Sclaven getoͤdet haͤtte. Nicht weniger ſollte ein Herr, der ſeinen Sclaven koͤrper - lich mißhandelt, gezwungen werden ihn zu verkaufen98)L. 1. §. 2. L. 2. D. de bis, qui ſui vel alien. iuris ſuas. §. 2. I. eodem. . Dahingegen waren aber auch Sclaven verbunden, ſelbſt mit Aufopferung ihres eigenen Lebens, den Herrn zu ver - theidigen99)L. 1. §. 28. D. de SCto Silaniano. . Sclaven, welche davon liefen, wenn ihrJ 3Herr1341. Buch. 5. Tit. §. 119.Herr angefallen wurde, da ſie ihn haͤtten helfen koͤnnen, wurden am Leben geſtraft100)paulus Sentent. Recept. lib. III. Tit. V. §. 8. L. 3. §. 4. D. de SCto Silan. Man vergleiche hierbey Weſtphal Theorie des R. R. von Teſtamenten. §. 1241. und folgg. S. 886. ff..
Man wurde uͤbrigens Sclave durch die Geburt von einer ſclaviſchen Mutter, durch Gefangenſchaft im Krie - ge, oder zur Strafe1)§. 3. I. de iure perſonar. . Dahin gehoͤrte, wenn ein freyer Menſch, uͤber zwanzig Jahre alt, ſich hatte als Sclaven verkaufen laſſen, um den Kaͤufer zu betruͤgen2)G. d’ arnaud Diſſ. de his, qui pretii participandi cauſa ſe - ſe venumdari patiuntur. Sie iſt der oben Not. 76. angefuͤhr - ten Differtat. beygefuͤgt S. 84 — 128., — wenn eine freye Weibsperſon nicht von einem fremden Scla - ven ablaſſen wollte, nachdem ihr der Herr dieſes Scla - vens dreymal dieſen Umgang unterſagt hatte, vermoͤge ei - nes gewiſſen Claudianiſchen Rathſchluſſes3)Eine vollſtaͤndige Erlaͤuterung dieſes Claudianiſchen Rath - ſchluſſes geben d’ arnaud in var. coniectur. iuris civ. lib. I. cap. XX. p. 135 — 146. und Andr. Guil. cramer in Diſſ. de SCto Claudiano ad Taciti Annal. XII. 53. praeſide Adolph. Frid. trendelenburg habita Kiliae Holſator. 1782., welches je - doch Juſtinian wieder aufhob4)§. 1. I. de ſucceſſionih. ſublat. quae fiebant per bonor. ven - dition. et ex SCto Claudiano. Siehe auch mercerius Opi - nion. lib. I. c. 9.; — wenn ein Freyge - laſſener ſich undankbar gegen ſeinen Patron betrug5)S. Iac. Henr. born Diſſ. de poenis ingratorum libertorum apud Romanos. Lipſiae 1738., — wenn ein roͤmiſcher Buͤrger eines peinlichen Verbrechens wegen am Leben geſtraft werden ſollte. Im letztern Fal - le mußte man den Delinquenten zuvor fuͤr einen Scla -ven135de Statu Hominum. ven erklaͤren, und dieſe Art der Sclaverey hieß Servitus poenae6)§. 3. I. quib. mod. ius pat. poteſt. ſolvitur. Von dieſer Servitus poenae handelt ſehr ausfuͤhrlich Hr. G.J.R. Walch in Diſſ. de donatione capite damnati. Ienae 1766. §. 2. Man vergleiche auch noodt Probabil. Lib. III. cap. 12.. Eine Folge derſelben war die Confiscation der Guͤter. Juſtinian hat ſie jedoch voͤllig aufgehoben7)Nov. XXII. cap. 8..
Die Lehre von der Freylaſſung der Sclaven, folgt erſt in 40. Buch der Pandecten nach.
Auch in unſern Teutſchland iſt die Eintheilung der Menſchen in freye, liberos, und unfreye, ſervos, ſchon von den aͤlteſten Zeiten her uͤblich geweſen8)S. Chriſt. thomasii Diſſ. de hominibus propriis et liberis germanorum. Halae 1701. Ebendeſſelben Diſſert. de uſu practico diſtinctionis hominum in liberos et ſervos. Halae 1711.. Zu den letztern zaͤhlte man vorzuͤglich die Leibeigenen. Der Ur - ſprung derſelben iſt nicht von den ehemaligen roͤmiſchen Sclaven herzuleiten9)Iuſt. Henn. boehmer Tr. de iure et ſtatu hominum proprio - rum a Servis germaniae non Romanis derivando, et de uſu huius doctrinae. Halae 1754. 4.. Denn ſchon tacitus10)De moribus Germanor. cap. 25. Servis, non in noſtrum mo - rem deſcriptis per familiam miniſteriis, utuntur. Suam quis - que ſedem, ſuos penates regit. Frumenti modum dominus, aut pecoris, aut veſtis, ut colono, iniungit: et ſervus hacte - nus paret. Caetera domus officia uxor ac liberi exſequuntur. lehrt uns einen zweyfachen Unterſchied der alten roͤmiſchen und teutſchen Knechte. Erſtens; die alten teutſchen KnechteJ 4wur -1361. Buch. 5. Tit. §. 120.wurden nicht ſo, wie bey den Roͤmern, zu gewiſſen be - ſtimmten haͤuslichen Geſchaͤften gebraucht, ſondern ein jeder hatte ſeine eigene Wohnung, und ſtand nur ſeinem Hausweſen vor. Zweytens; dem Leibherrn mußten ſie von den ihnen anvertraueten Aeckern und Grundſtuͤcken gewiſſe beſtimmte Abgaben an Getraide oder Vieh ent - richten, das uͤbrige aber, und was ſie ſonſt durch ihren Fleiß erwarben, war ihr Eigenthum. Roͤmiſche Scla - ven hingegen hatten kein Eigenthum. Darinn haben jedoch die Leibeignen der Teutſchen mit den Sclaven der Roͤmer eine Aehnlichkeit, daß ſie fuͤr ihre Perſon im Eigenthum ihres Herrn ſich befinden, und daher von dem - ſelben veraͤuſſert werden koͤnnen, und zwar an einigen Orten nur mit den Hoͤfen, worauf ſie geſetzt ſind, an andern aber auch ohne das Gut. Sie muͤſſen ferner fuͤr ihre Perſon dem Leibherrn gewiſſe Dienſte und Zin - ſen leiſten. Uebigens iſt ihr Zuſtand nach der Verſchie - denheit der Provinzen und Orte in Teutſchland ſehr ver - ſchieden; in einigen haͤrter, in andern aber ertraͤglicher. Da dieſe Materie eigentlich in das teutſche Recht gehoͤrt, ſo will ich nur einige wenige Grundſaͤtze hiervon vortra - gen, die als ganz allgemeine Wahrheiten gelten koͤn - nen11)Man vergleiche uͤbrigens Io. Nic. hert Diſſ. de hominibus propriis, in Opuſc. T. I. Vol. II. pag. 108. ſqq. Ioach. pot - giesseri Commentar. iuris germ. de ſtatu ſervorum veteri pe - rinde atque novo. Lemgoviae 1736. 4. (Joh. Chriſt. Palm) Entwurf des Leibeigenthumsrechts. Hannover 1746. 4. Struben Bedenken IV. Th. N. 15. Cramer Neben - ſtunden Th. CII. n. VI. und Th. CXVII. n. 9. Eſtors klei - ne Schriften V. St. N. 5. de balthasar de hominibus pro - priis eorumque origine natura, et iure in Pomeran. et Rug. Greifswald. 1779. Weſtphal teutſches Privatrecht. I. Th. 32.. Dahin gehoͤrt
I) daß137de Statu Hominum.I) daß ein Leibeigener ſeinen Hof, wo - rauf er geſetzt iſt, nur ſo lange, als es dem Gutsherrn gefaͤllig iſt, beſitze, und er, wenn dieſer ihm den Hof wieder abzunehmen, und ihn auf einen andern zu ſetzen, oder wohl gar zu andern Geſchaͤften zu beſtimmen, vor gut findet, hierunter ohne Wiederrede ge - horſamen muͤſſe. Denn Leibeigene ſind bloße Wir - the der ihnen eingeraͤumten Hoͤfe, das Eigenthum gehoͤrt der Gutsherrſchaft. Dieſe muß alſo auch berechtiget ſeyn, ihnen den Hof nach ihrem Gefallen aufzuſagen. Der Leibeigne aber iſt verbunden, dasjenige Fach, wozu ihn der Gutsherr beſtimmt hat, ſchlechterdings zu uͤber - nehmen.
II) Leibeigene ſind nicht befugt, den ein - mal in Beſitz habenden Hof dem Herrn wi - der deſſen Willen aufzuſagen, ſondern muͤſ - ſen in dem ſelben ſo lange, als es der Herr verlangt, verbleiben. Dies ſetzt jedoch voraus, daß das Gut von ſolcher Beſchaffenheit ſey, daß der Be - ſitzer deſſelben darauf, wo nicht einen reichlichen, doch wenigſtens nothduͤrftigen Unterhalt, vor ſich und die Sei - nigen finde. Fluͤchtlinge kann der Herr, wo er ſie fin - det, reclamiren, welches Recht das Beſatzungsrecht, oder die Abforderung und Abfolgung der Leibeignen ge - nennt wird12)mevii Bedenken von Zuſtand und Abforderung der Bauers - leute. Stralſund 1653. 4..
J 5III)11)32. Abhandl. S. 337. f. und Hrn. von Benekendorfs Oeconomia forenſis Tom. V. 8. Hauptſtuͤck, §. 196. ff.
1381. Buch. 5. Tit. §. 120.III) Auch die Kinder der Leibeigenen duͤrfen ohne ausdruͤckliche Einwilligung der Herrſchaft, keine andere Lebensart, als diejenige, worinn ſie gebohren wer - den, erwaͤhlen, und koͤnnen ſich daher unter dieſem Vorwande der Unterthaͤnigkeit nicht entziehen. Haben ſie ſich wider der Herr - ſchaft Willen zu einer Profeßion begeben, ſo hat es kei - nen Zweifel, daß ſie als Fluͤchtlinge abgefordert werden koͤnnen. Haͤtte ſich aber ein Unterthan ohne ausdruͤckli - che Einwilligung des Gutsherrn dem Studiren gewidmet, ſo kann zwar derſelbe, wenn er die Studien bereits ab - ſolviret haben ſollte, wegen des Vorrechts der hoͤhern Wiſſenſchaften, davon nicht zuruͤckgenommen werden; in - zwiſchen liegt ihm doch allerdings ob, dem Herrn, wenn ſolcher nach der Strenge mit ihm verfahren will, vor ſeine Freylaſſung ein billiges Loßgeld zu erlegen. Denn daß der Leibeigne auch hierdurch das dem Leibherrn auf ſeine Perſon zuſtehende unwiderſprechliche Eigenthums - recht wider deſſelben Willen nicht benehmen koͤnne, wird mir jeder zugeben.
IV) Kein Leibeigener Unterthan, er ſey maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts darf ſich ohne Vorbewußt und Einwilli - gung der Gutsherrſchaft verheyrathen. Fuͤr dieſen Conſeus muß er ein Stuͤck Geld bezahlen, welches Bedemund, Frauenzins, Klauenthaler, ma - ritagium, marchetta13)Die Etymologie dieſer Woͤrter unterſucht Io. Guil. hoff - mann Obſervation iuris germ. Lib. I. cap. VII. S. 81. u. folg. Man vergleiche auch grupen in uxore Theodisca cap. I. , genennt wird. Solche Ehen ha - ben die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen, und geben demleib -139de Statu Hominum. leibeigenen Ehemann die Rechte der vaͤterlichen Gewalt uͤber ſeine Kinder. Jedoch darf er die Kinder wider des Gutsherrn Willen nicht zu einer Lebensart beſtimmen und erziehen, wodurch dem Herrn an ſeinen Rechten geſcha - det wird. Es ſind auch die Eltern diejenigen Kinder, deren ſie nicht ſelbſt zu ihren eigenen Dienſten beduͤrfen, der Herrſchaft auf derſelben Verlangen vorzuͤglich in Dienſt zu geben gehalten.
V) Leibeigene koͤnnen zu Erfuͤllung ih - rer Schuldigkeit, welche in Verrichtung der Leibdienſte, und Entrichtung des Leib - zinſes beſtehen, durch angemeſſene Zuͤchti - gungen genoͤthiget werden, welches man den Dienſtzwang nennt. Eine wahre buͤrgerliche oder Cri - minalgerichtsbarkeit ſtehet jedoch deshalb der Herrſchaft uͤber ihre Leibeigene nicht zu, in ſofern ſie ihr nicht be - ſonders verliehen worden iſt. Uebrigens haben die Leib - eigne im Zweifel ungemeſſene Dienſte zu lei - ſten14)boehmer D. de iure et ſtatu hominum propriorum Sect. III. §. 13. stryck Uſ. Mod. Pandectar. tit. de operis libertor. mevius P. IV. Dec. 131.. Jedoch koͤnnen allerdings Einſchraͤnkungen ſtatt finden. Haͤufig ſind die Leibdienſte durch ausdruͤckliche Geſetze, oder durch Gewohnheitsrechte, oder durch Ver - traͤge beſtimmt.
VI) Aus der Verlaſſenſchaft des ver - ſtorbenen Leibeigenen gebuͤhrt dem Leib - herrn das mortuarium, welches man im Teutſchen das Hauptrecht, Trauerrecht, Weidmal, Erbrecht, die todte Hand, Baulebung, den Sterbe-Fall u. ſ. f. nennt1401. Buch. 5. Tit. §. 120.nennt15)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſſ. de iure mortuario, in bonis defuncti hominis proprii, eius domino competente, vulgo Haupt Recht, Haupt-Fall. Tübingae 1685. in Diſſertat. acade - micar. Vol. II. N. LIX. p. 577 — 664. Carl Gottlieb Knorrens kurze Nachricht von dem Urſprung und Beſchaf - fenheit des Erbrechts, oder Hauptfalls, auch Unterſuchung der Urſach, warum dieſes Recht tode Hand benennet wor - den ſey? in Deſſelben rechtlichen Anmerkungen (Halle 1752. 8.) N. XXII. Weſtphal teutſches Privatrecht I. Th. 38. Abhandlung. S. 421. und Otto Ludw. von Eich - mann Sammlung kleiner Abhandlungen aus der Rechtsge - lehrſamkeit ꝛc. (Halle 1782. 8.) N. XIII. . Was und wie viel aber der Herr bekommt, iſt nicht uͤberall gleich. An einigen Orten beſtehet dieſer Todtenzoll in der Haͤlfte, dem dritten oder vierten Theil der Erbſchaft. An andern Orten hat der Herr das Recht, eine einzelne Sache, und zwar die beſte von der Art, aus dem Nachlaß des Leibeignen zu verlangen; an ſolchen Orten wird alsdann dieſe Abgabe Budtheil oder Beſt - theil, und wenn die einzelne Sache entweder das beſte Pferd, der beſte Ochſe, oder unter dem ſonſt vorhande - nen vierfuͤßigen Vieh das beſte Stuͤck iſt, Beſthaupt, wenn ſie aber das beſte Kleid iſt, Gewandfall genennt.
Soviel uͤbrigens die gewoͤhnlichſten Entſtehungs - arten der Leibeigenſchaft anbetrift, ſo ſind deren vor - zuͤglich drey, Heyrath, Geburt und freywillige Ergebung oder Addiction. Alſo
a) wenn eine vorhin freye Weibsper - ſon einen leibeigenen Mann heyrathet, ſo wird ſie hierdurch nach der Regel, vermoͤge welcher das Weib den Stand des Mannes annimmt, ebenfalls in die Leibeigenſchaftgezo -141de Statu Hominum. gezogen. Denn die Leibeigenſchaft haftet eigentlich auf dem Mann, und nach den Verbindlichkeiten, die demſelben gegen die Herrſchaft obliegen, muß auch die Verpflichtung, worinn deſſen ganze Familie in Anſehung des Gutsherrn ſtehet, beurtheilet werden. An einigen Orten wird jedoch auch eine freye Mannsperſon dadurch leibeigen, wenn ſie wiſſentlich eine leibeigne Weibsperſon heyrathet. Daher die Spruͤchwoͤrter entſtanden ſind: trittſt du mein Huhn, wirſt du mein Hahn, oder die unfreye Hand zieht die freye nach ſich.
b) Wenn Kinder von leibeigenen Eltern ſind erzeugt worden, ſo werden ſie durch die Geburt leibeigen, und zwar folgen die ehe - lichen Kinder dem Vater, die unehelichen aber der Mutter, nach der Regel: partus ſequitur ventrem.
c) Wenn ein vorhin freyer Menſch ſich freywillig in die Leibeigenſchaft begiebt, ſo kann ſolches auf zweyer - ley Art geſchehen: 1) ausdruͤcklich durch einen Er - gebebrief; 2) ſtillſchweigend, wenn er ſich an einen ſolchen Orte, wo die Luft eigen macht, nie - dergelaſſen, und daſelbſt Jahr und Tag gewohnt hat16)Ferd. Aug. hommel Diſſ de ſervitutis per pactum conſti - tutione. Lipſiae 1736. Io. Phil. carrach Diſſ. de addictio - ne in ſervitutem ſpontanea. Halae 1753.. Die bloſe Annehmung eines der Leibeigenſchaft unterwor - fenen Hofes iſt wenigſtens nicht uͤberall als eine ſtill - ſchweigende Ergebung in die Leibeigenſchaft anzuſehen, wenn nicht entweder beſondere Geſetze, oder der Gutsherr ſelbſt bey Annehmung des Guts es zur Bedingung ge - macht, daß der Annehmer ſich der Leibeigenſchaft unter -wer -1421. Buch. 5. Tit. §. 120.werfe17)Hr. von Benekendorf in Oeconomia forenſi a. a. O. §. 415. u. 416.. Daß uͤbrigens die vor der Ergebung erzeugte Kinder durch die Addiction des Vaters den Stand ihrer Freyheit nicht verlieren, hat ſchon Mevius18)in Deciſion. Part. VI. deciſ. 335. gruͤnd - lich ausgefuͤhrt. Sollen dieſe ebenfalls als Leibeigene angeſehen werden koͤnnen, ſo wird ſchlechterdings erfor - dert, daß ſie in das Vornehmen ihres Vaters ihre Einwilligung gegeben haben, und auch dieſe Ein - willigung kann nur alsdann von Wirkung ſeyn, wenn ſie zu der Zeit, da der Vater ſich ergeben hat, ſchon ihre Volljaͤhrigkeit erreicht haben.
Denen Leibeigenen werden nun die Freyen entge - gen geſetzt, welche unſere Vorfahren in Freygebohr - ne, ingenuos, und Mittelfreye, libertinos, eintheil - ten. Nur diejenigen werden im teutſchen Rechte Frey - gebohrne genennt, welche nicht nur von freyen Eltern in rechtmaͤſiger Ehe erzeugt worden ſind, ſondern deren Großeltern von vaͤterlicher und muͤtterlicher Seite auch ſchon eine freye Geburt gehabt haben19)von selchow lib. fing. de iuribus ex ſtatu ingenuorum in Germania pendentibus Cap. I. Ge. Lud. roehmer Progr. de ingenuorum natalium probatione. Goettingae 1761. und Eben - derſelbe in Diſſ. de impari matrimonio ex iure liberorum ex eo natorum circa ſucceſſ. feudal. §. VI. ff.. Von dieſen ſagt man, daß ſie unbeſcholten an ihrer Geburt waͤren, und nannte ſie, weil uͤber eine ſolche freye Geburt nichts ging, Hoͤchſtfreye20)Ius Provinc. Alemannieum cap. 49. Ingenuus, das ſpricht in Latein der Hoͤchſtfrey, und libertinus, Mittelfrey. Wel -. Dieſe waren entweder nohiles,Ade -143de Statu Hominum. Adeliche im alten Verſtande, von welchen der heutige hohe Adel in Teutſchland abſtammt; oder ingenui militares, Ritterbuͤrtige, von denen der Urſprung des heutigen niedern Adels ſich herſchreibt; oder miniſte - riales, welche in nicht militaͤriſchen Dienſten ſtanden; oder ingenui in ſpecie ſic dicti, zu welchen die freyen Buͤr - ger und freyen Bauern gehoͤrten21)von selchow in der angefuͤhrten Schrift Cap. I. §. 6 — 19. und §. 20 — 24. Ebenderſelbe auch in Element. iuris germ. §. 228. Von den Rechten der Freygebohrnen in Teutſch - land handelt auſſer Hr. von Selchow, auch ſehr ausfuͤhr - lich Hr. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤr - gerlichen Rechts 2. Th. S. 320 — 330.. Mittelfreye hin - gegen wurden diejenigen genennt, welche entweder ſelbſt erſt aus der Leibeigenſchaft auf rechtmaͤſige Art ſind ent - laſſen worden, oder deren Eltern oder Großeltern, ent - weder beyder, oder wenigſtens einer Seits, die Freylaſ - ſung erhalten haben22)boehmer in der angefuͤhrten Diſſertat. §. VII. und Ge. Frid. wache in Diſſ. de voce Mittelfreyen. Halae 1763. Adde gebaueri Commentat. de libertinitate veterum Germ. Goettingae 1759.. Dieſe haben nun entweder ei - ne vollkommene Freyheit durch die Manumißion erhal - ten, oder eine unvollkommene Freyheit, wie die meiſten Bauern in Teutſchland haben23)Iuſt. Henn. boehmeri Diſſert. de libertate imperfecta ruſti - corum in Germania. Halae 1733. rec. 1739..
§. 121.20)Welcher Mann von ſeinen vier Ahnen, das iſt, von ſeinen alten zweyen Muͤttern, und zweyen Altervaͤtern, und von Vater und Mutter unbeſcholten iſt an ſeinem Recht, den kann Niemand geſchelten an ſeiner Geburt, er habe denn ſein Recht verwirkt.
Weder mit roͤmiſchen Sclaven, noch teutſchen Leib - eigenen iſt des heutige Miethgeſinde zu verwechſeln. Denn unſere Bediente, Maͤgde, Gutſcher, Koͤchinnen u. ſ. f. ſind freye Leute, die ihre Dienſte einer Herrſchaft ver - miethen, und von derſelben Lohn und Koſt erhalten24)Man pflegt ſie zwar auch Domeſtiquen, Hausge - noſſen, Hausleute zu nennen; doch darf damit der roͤmiſche Begriff von domeſticis nicht confundirt werden. domesticos nannten die Roͤmer alle diejenigen, welche zu dem Hauſe eines Paterfamilias gerechnet wurden, und in dieſer Ruͤckſicht auf irgend eine Art mit demſelben in Verbin, dung ſtanden. Man rechnete daher zu denſelben nicht nur alle Arten von Knechten, Dienſtboten, die Freygelaſſenen, und Clienten; ſondern auch den Hausvater ſelbſt, Hausſoͤhne und Toͤchter, Schweſtern und Bruͤder; und auch die Hausfrau, wegen der Herrſchaft ihres Ehemannes uͤber ſie. S. Ian. langlaeus in Semeſtr. Lib. III. c. 2. Der Unterſchied iſt beſonders beym Hausdiebſtahl von Wichtigkeit. S. gün - ther Diſſ. de furto domeſtico. Lipſiae 1785.. Ihre Rechte und Verbindlichkeiten ſind lediglich aus dem Mieth-Contract herzuleiten, den ſie mit ihrer Herrſchaft geſchloſſen haben25)Die beſte und ausfuͤhrlichſte Schrift hiervon iſt Io. Volk. Bechmann Diſp. de iure famulorum hodierno, quatenus veteri Servorum iuri convenit, aut ab eo diſcrepat. Ienae 1672. Die uͤbrigen Schriften als Io. Th. schefferi Diſſ. de iure famulorum, stryck, und harpprecht Diſſ. de iuribus domeſticorum ſind ſeicht.. Sie ſind ſchuldig, bey Leiſtung der Dienſte die gehoͤrige Vorſichtigkeit zu beobachten, thun ſie aus Mangel derſelben Schaden, ſo muͤſſen ſie ſolchen erſetzen. Die Herrſchaft kann auch verlangen, daß ſie die Miethzeit aushalten muͤſſen, und iſt berech -tiget,145de Statu Hominum. tiget, ſie zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten. Ob aber der Herrſchaft auch das Recht zuſtehe, das Geſinde begange - ner Vergehungen, oder ſeiner Halsſtarrigkeit wegen, zu zuͤchtigen? wird von einigen verneinet26)stryck in Uſu Mod. Pandectar. h. t. §. 12. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 2. Th. S. 356., von den mei - ſten aber beiahet27)Bechmann in der angef. Schrift Cap. IV. §. 51. schef - fer cit. Diſſert. Cap. III. §. 3. leyser in Meditat. ad Pan - dect. Vol. I. Spec. XVI. med. 4. müller ad Leyſerum Obſ. 86. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 70. S. 85. der dritten Auflage u. a. m.. Aus der Natur des Mieth-Con - tracts laͤßt ſich freylich kein Zuͤchtigungsrecht herleiten, auch keine Geſetze ſprechen fuͤr die Herrſchaft28)L. un. C. de emendat. ſervor. gehoͤrt ſo wenig als L. un. C. de emendat. propinquor. hierher, denn erſteres Geſetz redet von Sclaven, letzteres von minderjaͤhrigen Verwandten, wel - che unartig ſich betragen. L. 13. §. 4. D. locati aber erlaubt nur einen Lehrmeiſter den ihm anvertrauten Lehrpur - ſchen durch vernuͤnftige Zuͤchtigung zum Fleiß, Aufmerkſam - keit und Ordnung anzuhalten; redet alſo auch nicht vom Mieth - geſinde.. Da inzwiſchen bey manchen rohen Leuten der Endzweck des Mieth-Contracts unmoͤglich zu erreichen waͤre, wenn alle Uebertretungen der Befehle des Herrn nur die Richter ahnden duͤrften, ſo erlaubt man heutiges Tages der Herr - ſchaft eine maͤßige Zuͤchtigung29)mevius ad Ius Lubecanſe P. III. Tit. VIII. Art. 10. n. 13. 15. Glafey Vernunft - und Voͤlkerrecht S. 920. Struben rechtliche Bedenken. III. Theil, Bed. 39. S. 153.. Sollte jedoch dieſel - be ihr Geſinde ohne Urſach mißhandeln, ſo hat es keinen Zweifel, daß auch Bediente zur Anſtellung der Inju -rien -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. K1461. Buch. 5. Tit. §. 122.rien-Klage wider ihre Herrſchaft zuzulaſſen, und ihnen alle rechtliche Genugthuung angedeyen muͤſſe30)leyser Meditat. ad Pandect. Vol. VIII. Spec. 546. med. 13. 14. Traugott thomasius in Diſſ. an ſervi et ancillae actionem iniuriarum habeant? Quiſtorp Gundſaͤtze des peinl. Rechts I. Th. §. 309..
Ein Mittelding zwiſchen vollkommen freyen Leuten und Leibeigenen ſind, wenigſtens in der Regel, die heu - tigen gemeinen Bauern in Teutſchland31)S. Io. Ioach. storren Diſp. de iuribus ruſticorum Lugd. Batav. 1707. Io. Wilh. goebel de iure et iudicio ruſticorum fori germ. Helmſt. 1742. von Beneckendorf Oecono - mia Forenſis. Tom. V. 8. Hauptſt. 2. Abſchn. §. 233. ff. und 5. u. 6. Abſchnitt.. Sie kommen großentheils von den ehemals freygelaſſenen Leibeigenen un - ſerer Vorfahren her; dies iſt wenigſtens die Meinung der mehreſten teutſchen Rechtslehrer32)Ioach. Iac. reineccius in Commentat. de ruſtico quondam ſervo. Ienae 1745. I H. boehmer de imperfecta libertate ruſticor. in Germ. estor de praeſumtione contra ruſticos in cauſis operarum. pertsch de diviſione operarum in deter - min et indeterminatas. engau in Iur. Germ. lib. I. Tit. 4. eisenhart in Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. Tit. 6. §. 3. u. a. m., und wenn gleich ric - cius33)in Spicilegio iuris germanici Lib. I. Tit. 4. §. 56. pag. 134. et ſeqq. , mit verſchiedenen andern beruͤhmten Rechts -gelehr -147de Statu Hominum. gelehrten34)grupen Diſceptat. Forenſ. in Obſervat. von Dienſten. de senckenberg de conditione ſervorum in Semeſtrib Gieſſenſ. hauschild de praeſumtione pro libertate naturali ruſticor. und Ant. Lud. seip Diſſ. de ſtatu ruſticorum ex medii aevi rationibus caute diiudieando. Goettingae 1749., hieran zweifeln wollen, ſo beweiſen doch deren Gruͤnde nur ſo viel, daß nicht alle unſere Bauern von ehemaligen Leibeigenen abſtammen, welches ihnen auch niemand heutiges Tages abſtreiten wird35)Man ſehe hierbey vorzuͤglich nach Hrn. D. Schroͤters Abhandlung von der ehemaligen Knechtſchaft der Bauern in Teutſchland, in den Erlangiſchen gelehrten Anzei - gen auf das Jahr 1752. Nr. XXXXV. et XXXXVI. S. 353 — 368. In dieſer Schrift ſind die Zweifel des ric - cius gegen die gemeine Meinung gruͤndlich erwogen und ge - hoben worden.. Es kommt nun darauf an, wer eigentlich ein Bauer zu nen - nen ſey? Wolff Friedrich Schroͤdter36)in Diſp. de notione ruſticorum Germaniae. Goettingae 1743. hat hier - von eine eigene Disputation geſchrieben, worinn er §. IX. die Bauern folgendermaßen beſchreibt: ſunt illi homines, qui in rure vivunt, ruraque colunt. Allein ſchon Hr. Prof. Weſtphal37)im teutſchen und reichsſtaͤndiſchen Privatrecht 1. Th. 26. Ab - handlung S. 241. u. ff. hat dagegen erinnert, daß der Bauer - Knecht, der Dorf-Edelmann, Land-Paͤchter, Prieſter und vielerley andere Leute dadurch zu Bauern gemacht wuͤrden, die doch keine ſind. Dieſer gruͤndliche Rechts - gelehrte behauptet vielmehr, daß lediglich der Beſitz eines Bauergutes, oder der Bauerlaͤnderey, den Bauer mache, alſo eigentlich derjenige ein Bauer zu nennen ſey, der ein Bauergut, oder Bauerlaͤnderey beſitzt38)Man unterſcheide alſo einen Bauer von einem ſolchen, der zwar auf dem Lande wohnt, aber doch eigentlich keinBauer. K 2Es1481. Buch. 5. Tit. §. 122.Es kommt nicht darauf an, wie viel es ſey, obgleich der, ſo zwey oder vier Pferde halten kann, im vorneh - mern Verſtande Bauer heißt. Was iſt aber ein Bauergut, Bauerlaͤnderey? Das iſt ein ſolches Gut oder Land, ſo zum Ackerbau und Viehzucht be - ſtimmt, zugleich auch den Steuern und Bauerbe - ſchwerden unterworfen iſt39)Klaproth Abhandlung de praediis ruſticorum in Deſſel - ben Sammlung juriſt. philoſoph. und kritiſcher Abhandlungen 2. Stuͤck. von Buri ausfuͤhrliche Ab - handlung von den Bauerguͤthern. Gieſſen 1769. 4. stru - ben de iuribus villicorum. Hannov. 1768. 4. und ziegler de praediis cenſiticis ruralibus. Vitemb. 1687.. Bauerbeſchwerden aber ſind Grundzins und Dienſte oder Froh - nen40)breuning Diſſ. de falſa praeſumtione libertatis ruſticorum a cenſu et operis. . Eine Gemeinheit von ſolchen Laͤnderbeſitzern, oder Bauern, die zum Ackerbau und Viehzucht vereiniget iſt, wird ein Dorf41)fritsch de ſtatu et iure pagorum Germaniae. genennt, und dieſe Doͤrfer ſind entweder unmittelbare, Reichsdoͤrfer42)Ernſt Ludw. Wilhelm von Dacheroͤden Verſuch eines Staatsrechts, Geſchichte und Statiſtik der freyen Reichsdoͤr - fer in Teutſchland. Leipzig 1785. 8., oder mittel - bare, Landdoͤrfer, je nachdem dieſelben entweder den hoͤchſten Reichsgerichten unmittelbar, oder den Gerichten in einem Lande unterworfen ſind. Letztere werden wiederin38)Bauer iſt. Auf die Wohnung und Beſchaͤftigung allein kommt es nicht an. So wie denn auch das Leben auf dem Dorfe zum Begriff des Bauers nicht weſentlich nothwendig iſt. Der Bauer wuͤrde, wenn er auch in die Stadt zoͤge, aber doch ſeine Bauerwirthſchaft noch continuirte, nicht aufhoͤren ein Bauer zu ſeyn. Weſtphal a. a. O. §. 1.149de Statu Hominum. in Amtsdoͤrfer, und in Gerichtsdoͤrfer eingetheilt, von welchen jene unter den herrſchaftlichen Beamten ſtehen, dieſe aber den Patrimonialgerichten einer Gutsherrſchaft unterworfen ſind. Darnach ſind die mittelbaren Bauern entweder herrſchaftliche Bauern, welche auch Amtsbauern, Kammerbauern genennt werden, oder Gutsbauern, welche man auch adeliche Hinter - ſaſſen, und Gerichtsbauern nennt.
Gemeine Bauern ſind nun von Leibeigenen darinn unterſchieden, daß ſie in Anſehung ihres perſoͤnlichen Zu - ſtandes freye Leute ſind. Ihre Pflichten und Abgaben ruͤhren blos von ihren Beſitzungen her, und dauern da - her auch nicht laͤnger, als ſie ſolche innen haben, oder an den Ort ihrer Beſtimmung bleiben. Sie koͤnnen auch wider ihres Herrn Willen wegziehen, und den Ort ihrer Geburt und Beſtimmung verlaſſen.
Es giebt jedoch Bauern in Teutſchland, welche manchmal von den ordentlichen Bauerverbindlichkeiten, die in Zinſen und Frohnen beſtehen, entweder ganz oder doch groͤßtentheils frey ſind, ſolche werden freye Bauern, Freyſaſſen, Freymaͤnner, und ihre Guͤter Freyguͤter, Freydingsguͤter genennt43)Siehe Hrn. von Beneckendorfs Oeconom. forenſ. V. Th. 8. Hauptſt. 6. Abſchnitt. von buri Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehnrechts IV. Fortſetzung N. XX. S. 284.. Solche Bauern ſind je - doch eine ſeltene Erſcheinung in Teutſchland, mithin kann dem Bauer, wenn er eine dergleichen Freyheit vor - ſchuͤtzen will, darunter keine rechtliche Vermuthung zu ſtatten kommen, ſondern es ſtehet ihm vielmehr die Ver -K 3muthung1501. Buch. 5. Tit. §. 123.muthung des Gegentheils entgegen44)Man vergleiche Hrn. von Buri Erlaͤuterung des in Toutſch - land uͤblichen Lehnrechts IV. Fortſetzung Cap. III. §. 2. N. V. Quaeſt. 3. S. 43. und H. von Beneckendorf Oeconom. forenſ. a. a. O. §. 504. 505.. Denn Frey - bauern waren auch bey unſern Vorfahren etwas ſeltenes. Sie waren auch dazumal der Verfaſſung der teutſchen Landwirthſchaft, und den zu alten Zeiten lebenden Guͤ - terbeſitzern nicht angemeſſen. Dieſe ſuchten ihren Acker nur blos durch ihre Knechte zu beſtellen. Nun haben dieſe zwar, was ihre Perſonen anbetrift, hin und wieder ihre Freyheit erhalten, die Guͤter aber ſind doch den vori - gen Laſten unterworfen geblieben, folglich iſt die Vermu - thung immer wider den Beſitzer. Da nun uͤberdieß auch in unſern Tagen Freybauern noch immer den kleinſten Theil derjenigen, die den Acker bauen, ausmachen, ſo iſt offenbar, daß ein Bauer im zweifelhaften Falle ſich mit keiner praeſumtione libertatis behelfen koͤnne, ſon - dern derſelbe ſeinen vorgegebenen Zuſtand entweder durch Briefe und Urkunden, oder durch Darthuung eines zur rechtlichen Verjaͤhrung hinreichenden Beſitzes, erweißlich machen muͤſſe.
Alle Bauerguͤter, welche nicht die Natur und Kenn - zeichen wahrer Freyguͤter an ſich haben, verpflichten ihre Beſitzer, zum Nutzen der Gutsherrſchaft Dienſte zu ver - richten, welche man Frohnen oder Frohndienſte nennt45)Io. Andr. frommann Diſſ. de ſubditorum maxime ruſti - corum operis. Tubing. 1671. grupen von Dienſten undBeden. Man151de Statu Hominum. Man vermiſche dieſe Bauer-Frohnen nicht mit andern Dienſten, die der Bauer entweder als Unterthan ſei - nen Landesherrn leiſtet, z. B. Kriegsfuhren46)Reinh. hille Diſſ. de principum Germaniae circa operas ru - ſticorum territoriales iuribus, eorumque praeſcriptione. Mar - burgi 1789.; oder die er als Gemeinde-Mitglied zu thun hat, z. B. Gemeinde-Wege, Gemeinde-Bruͤcken zu erhalten; oder wozu er als Parochian verbunden iſt, z. B. bey dem Bau der Kirche oder Pfarrwohnung, ferner bey Kirch - viſitationen. Die Frohndienſte der Bauern ſind nun von verſchiedener Art. Man theilt ſie
a) in Spann - oder Zugdienſte, und in Hand - und Fußdienſte ein, je nachdem ſie entweder mit Zug - vieh, oder ohne ſolches entweder mit der Hand, wie z. B. das Schneiden oder Maͤhen des Getraides, Dreſchen, u. d. oder blos zu Fuße, wie z. B. das Botenlaufen, verrichtet werden. Diejenigen Bauern die zu Spanndienſten oder auch zu Spann - und Handdienſten zugleich verpflichtet ſind, werden Spaͤnner oder Anſpaͤnner, und an den meiſten Orten im eigentlichen Verſtande Bauern genennt. Nach dem allgemeinen Grundſatz, vermoͤge welchen die Dienſte der Bauern nach der Groͤße ihres Ackerwerks und nach dem Verhaͤltniß ihrer Nahrungen eingerichtet ſeyn muͤſſen, theilt man die Anſpaͤnner wieder ein in Vollſpaͤnner, Halb -K 4ſpaͤn -45)Beden in Obſervat. p. 1005. B. Fr. R. Lauhn von den Frohndienſten der Teutſchen. Frankfurt 1760. puffendorf Obſervat. iuris univ. T. I. Obſ. 121. vorzuͤglich aber ley - ser Meditat. ad Pandect. Spec. CCCCXVI. CCCCXVII. CCCCXVIII. und CCCCXIX. und H. von Beneckendorf in Oeconom. For. a. a. O. 8. Abſchn. u. folgg.1521. Buch. 5. Tit. §. 123.ſpaͤnner und Viertelſpaͤnner, oder welches einerley iſt, in Voll-Halb - und Viertelbauern ein. Denn die Groͤße des Ackers, ſo die Bauern oder Spaͤnner beſitzen, iſt oft ſehr verſchieden. Der eine beſitzt vier, der andere drey, noch andere nur zwey, und einige wohl gar blos eine Hufe. An einigen Orten, wo die Dienſte der Bauern nicht nach Tagen, ſondern nach gewiſſen Arbei - ten und Ackergeſchaͤften beſtimmt ſind, trift man noch ei - ne andere Verſchiedenheit und Benennung der zu Ge - ſpanndienſten verpflichteten Bauern an. Man theilt ſie daſelbſt ein in Fuhrſpaͤnner, welche alles zu dem herr - ſchaftlichen Ackerwerk benoͤthigte Fuhrwerk verrichten muͤſ - ſen, Pflugſpaͤnner, welche alle Pflugarbeit auf dem herrſchaftlichen Acker zu verrichten ſchuldig ſind, und Eggſpaͤnner, welche alles Eggen, was zur Beſtellung des herrſchaftlichen Ackers erfordert wird, beſtreiten muͤſ - ſen. Eine Dienſteinrichtung, die alle Empfehlung und Nachahmung verdient. Denn jeder Bauer hat dabey ſeine beſtimmte Arbeit, und wenn er ſolche vollbracht hat, kann er ohne weitere Hinderniſſe vor das Seinige ſor - gen. An einigen Orten ſind die Bauern mit vier, an andern mit drey und an vielen nur mit zwey Pferden zu Hofe zu dienen verbunden. Hieraus entſteht abermals der Unterſchied zwiſchen vierſpaͤnnigen, dreyſpaͤnnigen und zweyſpaͤnnigen Bauern.
Diejenigen Bauern die nicht ſo viel Laͤnderey beſi - tzen, daß ſie Zugvieh darauf halten koͤnnen, und daher nur blos zu Hand - und Fußdienſten verbunden ſind, wer - den Coßaͤthen, Kaͤtner, Hinterſaſſen, Gaͤrtner u. ſ. w. genennt.
b) Sind153de Statu Hominum.b) Sind die Frohnen entweder Manns - oder Weiberdienſte, oder ſolche, welche eben ſo gut von Weibs - leuten, als Mannsperſonen verrichtet werden koͤnnen. Zu der erſtern Claſſe gehoͤrt z. B. Holzfaͤllen, Hexelſchneiden, Getraide einfahren u. d. m.; zu der zweyten gehoͤren al - le Arten des Wietens oder Jaͤtens, und ſaͤmmtliche zur Zubereitung des Flachſes erforderliche Geſchaͤfte, auch das Garn - und Wollſpinnen u. d.; zu der dritten endlich das Schneiden des Getraides, das Dreſchen und dergl. Mannsdienſte werden jedoch ihren Werth nach, wenn es auf deſſen Beſtimmung ankommt, weit hoͤher als Wei - berdienſte geſchaͤtzt, und ein Gutsherr iſt daher dieſe vor jene anzunehmen nicht verbunden.
c) Theilt man die Frohnen in ordentliche und auſſerordentliche ein*)Weſtphal teutſches Privatrecht 1. Th. 33. Abhandl.. Jene ſind, welche zum oͤkono - miſchen Gebrauch dienen, und jaͤhrlich vorkommen, dieſe aber, welche einen ſolchen Endzweck nicht haben, und nur manchmal verlangt werden. Zu letztern ge - hoͤren Baufrohnen47)S. gemeinnuͤtzige juriſt. Beobachtungen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und Elſaͤſſer. V. Band. N. II. S. 22. ff. und Frid. behmeri nov. ius controverſ. T. II. Obſ. 130., Jagddienſte48)Man ſehe hiervon die ſchoͤne Schrift des Hrn. Prof. seuf - fert operae venatoriae ad territoriales quatenus referendae ſint? Wirceburgi 1790. 8. u. d. Soviel aber die ordentlichen Bauerdienſte anbetrift, ſo muͤſſen die Anſpaͤnner pfluͤgen, eggen, Getraide und Heu ein - fahren, Duͤnger auf dem Acker bringen, u. ſ. w. die Handfroͤhner aber muͤſſen ſchneiden, dreſchen, graben, behacken, Heu und Grummet machen, Miſt breiten, pflanzen, Holz ſchlagen, Hexel ſchneiden, Boten laufen. u. ſ. w.
Zuletzt theilt man die Bauerndienſte auch noch in gemeſſene und ungemeſſene ein49)S. Io. Ge. pertsch Diſſ. de diviſione operarum in deter - minatas et indeterminatas, earumque exactione. Ienae 1731.. Ungemeſ - ſene Frohnen nennt man diejenigen, wo die Beſitzer der Bauerhoͤfe zu allen Zeiten, wenn ſie von der Herrſchaft gefordert werden, zu Dienſte erſcheinen, und alles, was zur Beſtellung und Nutzen des herrſchaftlichen Guts er - forderlich iſt, verrichten muͤſſen50)Von den ungemeſſenen Dienſten der teutſchen Bauern han - delt ausfuͤhrlich Hr. von Benekendorf in Oeconomia Forens. V. Th. 8. Hauptſt. 9. Abſchnitt.. Wenn hingegen die Dienſte der Bauern entweder nach Tagen, oder nach ge - wiſſen Arbeiten und Verrichtungen beſtimmt ſind, ſo werden ſie geſetzte Dienſte, oder gemeſſene Frohnen genennt51)Von dieſen iſt gleichfalls nachzuſehen Hr. v. Beneken - dorf a. a. O. 10. Abſchnitt.. Wo nun gemeſſene Frohnen ſind, da muß es auch bey der einmal gemachten Beſtimmung genau bleiben, und kann alſo den Bauern nichts mehr aufer - leget werden52)S. Melch. Dethmar. grollmanni Commentat. de opera - rum debitarum mutatione P. I. II. et III. Gieſſae 1751. 4. de selchow Element. iuris germ. privati §. 351.. Es kann in Anſehung ſolcher Dienſte nicht einmal der Landesherr durch Geſetze Aenderungen zum Nachtheil der Gutsherrſchaften machen, in ſofern dieſelben ſchon ein ius quaeſitum haben, gewiſſe Froh - nen auf eine gewiſſe Art zu fordern; es waͤre denn, daß wegen der noͤthigen oͤffentlichen Abgaben, oder des elen -den155de Statu Hominum. den Zuſtandes, in welchen die Bauern durch uͤbermaͤßi - ge Dienſte gerathen ſind, das Beſte des Landes erforder - te, eine Aenderung in Anſehung der bisherigen Bauern - Dienſte vorzunehmen53)S. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 2. Th. S. 378.. Die Entſcheidungsnormen bey Beſtimmung der gemeßenen Dienſte geben die Dienſtre - giſter, desgleichen die Hof - und Annehmungsbriefe der Unterthanen. Dieſe haben einen unſtreitigen Ver - trag zwiſchen der Herrſchaft und ihren dienſtpflichtigen Unterthanen zum Grunde. Die Herrſchaft eignet da - durch einen ihrer Unterthanen den Beſitz eines unter ih - rer Gerichtsbarkeit liegenden Bauernguths zu, und die - ſer macht ſich dagegen anheiſchig, derſelben gewiſſe Dien - ſte und Abgaben dagegen richtig zu leiſten. Die Dienſt - regiſter, oder wie ſie auch an manchen Orten genennet werden, die Dienſturbarien aber enthalten ein genaues Verzeichniß ſowohl der Schuldigkeiten der Unterthanen gegen die Herrſchaft, als auch desjenigen, was die letztere denen erſtern beſonders an Deputat u. d. zu entrichten verbunden iſt. In Ermangelung derſelben muß auch ein vieljaͤhriges Herkommen und Obſervanz hierunter zur Richtſchnur dienen. Auch die Verjaͤhrung kann zuweilen ungemeſſene Dienſte in gemeſſene verwandeln, wenn die Erforderniße derſelben vorhanden ſind. Haͤtte freylich eine Bauerngemeinde, die ſonſt zu ungemeſſenen Dien - ſten verpflichtet war, binnen 30 Jahren woͤchentlich nur drey Tage gedienet, ſo wuͤrde dieſes zu einer Verjaͤhrung der ungemeſſenen Dienſte noch nicht genug ſeyn, wenn nicht auch zugleich erwieſen werden koͤnnte, daß die Herrſchaft binnen dieſer Zeit zwar mehr Dienſt-Tage gefordert, ſolche aber nicht geleiſtet worden waͤren, unddie -1561. Buch. 5. Tit. §. 124.dieſelbe ſich dabey ſeit rechtsverjaͤhrter Zeit beruhiget haͤtte. Denn eine ſolche Praͤſcription erfordert, a) daß die als verjaͤhrt angegebene Schuldigkeit wirklich gefor - dert, ſolche aber b) von den Dienſtpflichtigen verwei - gert worden ſey, und daß c) die Herrſchaft binnen rechtsverjaͤhrter Zeit dazu ſtillgeſchwiegen habe54)S. rave de praeſcriptione §. 117. grollmann in Com - mentat. cit. P. II. Cap. IV. §. 42. 43. Beyde halten die Verfließung einer Zeit von 10 oder 20 Jahren zu ſolcher Verjaͤhrung fuͤr hinreichend, andere erfordern jedoch eine Zeit von 30 Jahren.. Der bloſe Beſitz kann nur in poſſeſſorio ſchuͤtzen, in petito - rio kommt er nicht mehr in Betracht.
Wie wenn es aber an den vorhin bemerkten Beſtim - mungsgruͤnden mangeln ſollte, und die Herrſchaft des - halb behauptet, daß ihr das Recht, ungemeſſene Dienſte zu fordern, zuſtehe, die Bauern aber ſolche Dienſte zu leiſten verweigern, ſo entſteher ſehr oft die Frage, ob in einem ſolchen zweifelhaften Falle gemeſ - ſene oder ungemeſſene Dienſte der Bauern zu vermuthen? Die Rechtslehrer ſind in Entſcheidung dieſer Frage nicht einig, und wir finden daruͤber dreyer - ley Meinungen. Die meiſten glauben, daß in einem ſol - chen Fall ungemeſſene Dienſte zu vermuthen waͤren55)von Buri Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehn - rechts IV. Fortſetzung 3. Cap. N. V. Quaeſt. 4. S. 44. ff. a leyser Meditat. ad Pand. Spec. 417. med. 5. coroll. S. 1081. mevius P. IV. Dec. 131. reinharth Obſervat. ſelect. ad Chriſtinaeum Vol. II. Obſ. 33. Cramer Neben - ſtunden X. Th. N. 11. pertsch cit. Diſſertat. §. 38. estor in Comment. de praeſumtione contra ruſticos in cauſis opera - rum. §. 16. und Ebenderſelbe in der teutſchen Recht[ſ]- gelehrſamkeit 1. Th. 56. Hauptſt. §. 402. Schroͤter von der ehemaligen Knechtſchaft der Bauern in Teutſchland § 11. vonDenn157de Statu Hominum. Denn die meiſten Bauern waren ehemals Leibeigene. Als ſolche mußten ſie ungemeſſene Dienſte leiſten. Durch ihre Loßlaſſung erhielten ſie nun zwar ihre natuͤrliche Freyheit, allein in Anſehung ihrer Pflichten und Schul - digkeiten wurde nichts geaͤndert. Die Freygelaſſenen be - hielten die vorigen Guͤter unter der Bedingung, daß ſie der Gutsherrſchaft ferner dienen, und den bedungenen Zinnß fortgeben ſollten. Unſere heutige Bauern beſitzen dieſe Guͤter noch; alſo liegt ihnen auch die Obliegenheit zu Frohnen ob, weil dieſelbe mit dem Beſitz ihrer Guͤter und dem Bauernſtand verknuͤpft iſt. Aufhebung oder Einſchraͤnkung des Dienſtes iſt eine Aenderung und des Bauers Einwendung. Er muß ſie alſo auch beweißen. Die Vermuthung ſtreitet folglich immer fuͤr die Herr - ſchaft. Dieß ſind die Gruͤnde fuͤr die gemeine Meinung. Demungeachtet aber behaupten doch viel Rechtsgelehr - te56)schroedter Diſſ. de notione ruſticorum Germaniae §. XVIII. seip Diſſ. de ſtatu ruſticor. ex medii aevi rationibus caute di - iudicando Cap. III. §. X. riccius in Spicilegio iuris germ S. 137. u. folgg. gemeinnuͤtzige iuriſtiſche Beobachtungen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und Elſaͤßer V. Band N. II. §. 24. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts II. Th. S. 387. u. a. m. das Gegentheil, ſie halten dafuͤr, daß ein Herr ſeinen Bauern nur diejenigen Frohnen anſinnen duͤrfe, deren rechtlichen Erwerb er darthun koͤnne. Die Ver - muthung ſey alſo im zweifelhaften Fall nur fuͤr gemeſſene Dienſte. Denn fuͤr die natuͤrliche Freyheit ſtreite dieVer -55)von Benekendorf Oecon. For. a. a. O. 9. Abſchnitt §. 566. ff. Weſtphal teutſches Privatrecht I. Th. 32. Abh. §. 1. 2. 3. hofacker Principior. iuris civ. Rom. Germ. Tomi II. P. I. §. 1162. n. II. u. a. m. Daß dieſe Meinung auch in den Gerichten angenommen ſey, beſtaͤrkt mûller in ſeiner Practica civili Marchica Reſ. 99. §. 70. mit verſchiede - nen Erkenntniſſen.1581. Buch. 5. Tit. §. 124.Vermuthung, nicht fuͤr die Dienſtbarkeit57)Man beruft ſich deshalb auf das Saͤchſiſche Landrecht III. Buch Art. 32. wo es heißt: „ welch einkommen Mann (advena) ſich frey nennet, den ſoll man fuͤr frey halten, man mag ihn denn das mit Gezeugen vorlegen; (donec per teſti - monium hoc reprobetur) wer ſich aber frey nennet, und daß ein Andrer ſpricht, er ſey ſein eigen, alſo daß er ſich ihm er - geben hab, das mag jener mit ſeinem Eide wohl unſchuldig werden, es ſey dann fuͤr Gericht geſchehen. “. Nun aber ſind Bauern freye Leute. Frohnen ſchraͤnken die Frey - heit ein; Einſchraͤnkungen derſelben aber koͤnnen nicht vermuthet, ſondern muͤſſen von dem, der einen Nutzen hieraus zu ziehen glaubt, bewieſen werden. Zudem waͤ - ren die Bauern ihren Urſprung nach keinesweges Leibei - gene, ſondern meiſt freye, ja freygebohrne geweſen. Denn ſollte der Zuſtand der heutigen Bauern aus einer geſche - henen Freylaſſung herruͤhren, ſo muͤßte dieſelbe erſt er - wieſen werden, welchen Beweiß man aber noch bis jetzt vermiſſe. Geſetzt aber auch, daß durch Freylaſſung die heutigen Bauern ihre Freyheit erlangt haͤtten, ſo wuͤrde dennoch daraus nicht folgen, daß ſie ungemeſſene Dienſte zu thun ſchuldig waͤren, weil nicht einmal alle Leibeigene ohne Unterſchied ungemeſſene Dienſte geleiſtet haͤtten. Ueberhaupt aber ſey der aͤchte hiſtoriſche Grund der Froh, nen vielmehr aus wechſelsweiſen wirklichen oder ſtilſchwei - genden Vertraͤgen der Guts - und Schutzherrn als aus einer urſpruͤnglichen Leibeigenſchaft abzuleiten, wie denn auch an Orten, wo die Leibeigenſchaft nie in Uebung ge - weſen, Frohnleiſtungen angetroffen wuͤrden. Allein da - gegen laͤßt ſich einwenden, daß hier von freyen Leuten, die gar keine Frohnen thun, nicht die Rede ſey, ſondern der Streit iſt von Bauern, die ſich zu frohnen nicht wei - gern, und fragt ſich nur, ob ſie gemeſſene oder ungemeſ -ſene159de Statu Hominum. ſene Frohnen thun muͤſſen. Sodann aber betrift ja die Freyheit der Bauern nur ihre Perſon, nicht die Beſchwe - tungen. Es iſt richtig, daß nicht alle Bauern von ehe - maligen Leibeigenen abſtammen; aber doch die meiſten. Dies lehrt uns die teutſche Geſchichte. Es iſt auch ſchon von andern gruͤndlich erwieſen worden, daß theils eine ausdruͤckliche theils eine ſtillſchweigende Freylaſſung ge - ſchehen ſey58)von Buri a. a. O. S. 26. u. folgg.. Und wenn gleich ehemals zuweilen Leib - eigene gemeſſene Dienſte thaten, ſo war es doch nur Aus - nahme von der Regel, ſo wie denn daraus, daß gemeſſene Dienſte oft durch Vertraͤge zwiſchen den Bauern und der Gutsherrſchaft beſtimmt worden ſind, noch nicht folgt, daß aus dieſer Quelle alle Verbindlichkeit der heu - tigen Bauern zu Frohnleiſtungen nur allein herzuleiten ſey. Ueberhaupt hebt die heutige Verſchiedenheit der Ge - wohnheiten nicht auf, daß etwas als die Regel vermu - thet werde59)Conf. hellfeld Repertor. iuris priv. voc. Bauerndienſte §. 5. folgg.. Nun giebt es zuletzt noch Rechtsgelehr - te, welche der Meinung ſind, daß in theſi weder die Vermuthung fuͤr ungemeſſene noch fuͤr gemeſſene Dienſte der Bauern behauptet werden koͤnne, ſondern alles auf die Verſchiedenheit der Gegenden und Laͤnder ankom - me60)Hr. v. selchow in Element. iuris germ. privati §. 350. not. 5. Otto Ludw. von Eichmann Abhandl. ob, im Fall es zweifelhaft iſt, gemeſſene, oder ungemeſſene Dienſte der Bauern zu vermuthen? in Deſſelben Sammlung kleiner Abhandlungen aus der Rechtsgelehr - ſamkeit ꝛc. N. XII. S. 159. folgg. u. Hr. Hofr. Schnau - bert in der neueſten iuriſt. Bibliothek 2. Band (Gießen 1783.) S. 591. und folgg.. Allein da es uns eben darum zu thun iſt, ineinem1601. Buch. 5. Tit. §. 124.einem wirklich zweifelhaften Falle einen ſichern Grundſatz zu haben, ſo ſiehet ein jeder wohl von ſelbſt ein, daß durch dieſes Temperament nichts entſchieden werde. Ich fuͤge hier noch folgende Bemerkungen hinzu.
I) Auch ungemeſſene Dienſte ſind nicht dem bloßen Willkuͤr der Herrſchaft uͤberlaſſen. Der Bauer muß ſo viel Zeit uͤbrig behalten, daß er ſeine eigne Wirthſchaft beſorgen, und nicht nur ſeinen Lebensunterhalt ſich erwer - ben, ſondern auch die herrſchaftlichen Abgaben entrichten kann61)Weſtphal teutſches Privatrecht 1. Th. 32. Abhandlung §. 4..
II) Beſchweren ſich die Bauern, daß die Herrſchaft ihr Recht, ungemeſſene Dienſte zu fordern, mißbrauche, ſo iſt nichts noͤthiger und billiger, als daß der Richter dergleichen ungemeſſene Dienſte dergeſtalt maͤßige, daß die Bauern dabey nicht zu Grunde gehen, die Herrſchaft aber auch in ihren Gerechtſamen dadurch nicht allzuſehr eingeſchraͤnkt werde. Die Billigkeit einer ſolchen richter - lichen Ermaͤßigung iſt von allen Rechtslehrern anerkannt worden62)leyser in Meditat. ad Pand. Vol. VI. Spec. 418. hoeck - ner Diſſ. de operarum indeterminatarum determinatione. Lipſ. 1720. stryck de abſu iuris quaeſiti Cap. I. n. 35.. Es kommt nur darauf an, was bey dieſer Ermaͤßigung fuͤr Grundſaͤtze anzunehmen ſind63)Vorzuͤglich empfehle ich hier wiederum des Hrn. v. Bene - kendorfs Oeconom. Forens. a. a. O. 8. Hauptſt. 9. Ab - ſchnitt §. 578. folgg.. Hier hat nun der Richter auf zweyerley Ruͤckſicht zu nehmen; einmal auf die in der herumliegenden Gegend eingefuͤhr - te Gewohnheit, und zweytens auf die Moͤglichkeit, dievon161de Statu Hominum. von der Herrſchaft verlangte Dienſte leiſten zu koͤnnen. Um jedoch dieſe Moͤglichkeit der geforderten ungemeſſenen Dienſte auszumitteln, kommt es nicht ſowohl auf einen oͤkonomiſchen Anſchlag der Bauerhoͤfe, als vielmehr da - rauf an, daß
a) der Richter unterſuche, wie viel ein Bauer, welcher uͤber die Unertraͤglichkeit der ihm angemutheten ungemeſſenen Dien - ſte klagt, von der in Beſitz habenden Nah - rung ſowohl an Geſinde als Geſpann wirth - ſchaftlich unterhalten koͤnne. Sodann liegt ihm
b) ob, einen Ueberſchlag zu machen, wie viele Zeit er mit ſeinem Geſinde und Ge - ſpann zur Beſtreitung ſeiner eigenen noͤ - thigen Wirthſchaftsgeſchaͤfte gebraucht.
Hat er ſich von dieſen beyden Stuͤcken vollkommen orientiret, ſo wird ihm alsdann, die in Klage gebrachte ungemeſſene Dienſte auf eine billige und gerechte Art zu maͤßigen, nicht ſchwer fallen. Er darf nur diejenige Zeit, die der Bauer zur Beſtellung ſeines eigenen Ackers noͤ - thig hat, von den Dienſtragen des ganzen Jahrs abzie - hen, ſo wird ſich von demjenigen, was die Herrſchaft noch mit Recht an Dienſten fordern kann, der Calculus von ſelbſt ergeben64)In Anſehung des Bothenlaufens der Coßathen hat das Cammergericht zu Berlin in Sachen des Rittmei - ſters von Grothuſen gegen ſeine Unterthanen des Laͤnd - gens Baͤrwalde de 22. Aug. 1764. und 10. April 1765. fuͤr Recht erkannt: daß ihnen auf eine Reiſe von einer halben Meile eine Laſt von 15 bis 18 Pfunden, auf eine weite - re Reiſe aber nur eine Laſt von 10 Pfunden aufzubuͤr - den. S. Frid. behmeri novum Ius Controvers. T. II. Obſ. 131..
III)Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. L1621. Buch. 5. Tit. §. 124.III) Die Herrſchaft kann wider den Willen der Bauern die Dienſte eben ſo wenig in Geld verwandeln, als dieſelbe, ſtatt der zu leiſtenden Dienſte, ein Dienſt - geld anzunehmen, verbunden iſt65)S. leyser Specim. CCCCXIX. med. 1. grollmann in Commentat de operarum debitar. mutatione P. I. Cap. II. §. 11. und folgg. balthasar de operis ruſticor. cap. XVI. S. 97. Cramer Nebenſtunden Th. XXII. N. 8. Hr. von Buri in der Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehn - rechts IV. Fortſetzung 3. Cap. N. V. Qu. 9. S. 63. und die Verfaſſer der Meditationen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien. 3. Band 138. Meditat.. Dieſen Satz recht - fertiget die Vernunft und Analogie der Rechte von ſelbſt. Denn ſo wenig der Schuldner wider Willen des Glaͤu - bigers ihm eine andere Sache ſtatt der ſchuldigen hin - geben kann, eben ſo wenig kann auch der Glaͤubiger von dem Schuldner eine andere, als die ihm ſchuldige Sache, fordern66)L. 2. § 1. D. de rebus cred. L. 74. D. de Reg. Iuris. Es iſt jedoch billig der Fall auszunehmen, wenn Natural - frohnen z. B wegen Entlegenheit des Orts von dem Guts - herrn ganz und gar nicht gebraucht werden koͤnnen. S. wern - her Obſervat Forenſ. T. I Part V. Obſ. 28.. Es ſind alſo auch hier ſowohl auf Seiten des Dienſtherrn als der Dienſtpflichtigen gleiche Verbind - lichkeiten und gleiche Rechte. Endlich
IV) wenn Unterthanen auch lange Zeit ſtatt der zu leiſtenden Naturaldienſte jaͤhrlich ein gewiſſes Geld be - zahlt haben, ſo koͤnnen ſie dennoch hernach allemal wieder angehalten werden, die Dienſte in natura zu leiſten67)S. leyser Specim. CCCCXIX. med. 4. u. Spec. DCLXV. med. 29. Struben rechliche Bedenken IV. Th. Bed. 17. a. puffendorf Obſervat. iuris univ. Tom. I. Obſ. 224. T. II. Obſ. 71. wernher Obſervat. Forenſ. Tom. II. Part. IX. Obſ. . Denn163de Statu Hominum. Denn es blieb in einem ſolchen Fall doch immer in der Herrſchaft Willkuͤhr, ob ſie die Dienſte in natura for - dern, oder ſtatt derſelben ein gewiſſes Dienſtgeld anneh - men wollte. Folglich kann denen Dienſtpflichtigen hier - unter keine Verjaͤhrung zu ſtatten kommen. Vielmehr iſt im Zweifel zu vermuthen, daß der Herr um ſeines Vortheils willen bisher die Frohnen ſich habe in Gelde abtragen laſſen. Es ſind jedoch folgende Faͤlle allerdings auszunehmen, wo es bey dem Dienſtgelde bleiben muß: naͤmlich a) wenn die Bauern ihren Gutsherrn, da er die Frohnen in natura wieder gefordert hat, dieſelbe mit dem Vorgeben, daß ſie hierzu nicht verbunden waͤren, verweigert haben, und der Dienſtherr dreyßig Jahr da - zu ſtille geſchwiegen68)S. die angefuͤhrten Meditationen §. 2. puffendorf T. I. Obſ. 224. S. 553. balthasar de operis Subditor. Cap. 10. und rave de praeſcriptione §. CXVII. Schol. 2.. b) Wenn die Bauern die Lei - ſtung der Dienſte dem Herrn gegen die Erlegung eines gewiſſen jaͤhrlichen Geldes auf ewig abgekauft haben69)muͤller Practica Civ. Marchica Reſol. 99. §. 25.. Weil aber ſolches ſo wenig aus der Laͤnge der Zeit, als aus der immer aͤhnlichen Bezahlung einerley Summe des Dienſtgeldes zu ſchlieſſen, ſondern die Vermuthung im - mer fuͤr den Herrn iſt, daß er das Geld nicht aus Schul - digkeit, ſondern aus eigenem Willkuͤhr genommen; ſo ſind die Bauern ſchuldig, dieſes ihr Vorgeben zu erwei - ſen, oder wenigſtens ſolche Umſtaͤnde fuͤr ſich beyzubrin - gen, wodurch die fuͤr den Herrn ſtreitende VermuthungL 2auf -67)Obſ. 64. von Buri Erlaͤuterung des Lehnrechts a. a. O. Quaeſt. 10. S. 67. Cramer Wezlar. Nebenſtunden Th. XXXI. N. 8. Weſtphal teutſches Privatrecht 34. Ab - handlung 8. Anmerkung S. 366. Meditationen uͤber verſchie - dene Rechtsmaterien 3. Band 137. Meditat. S. 119.1641. Buch. 5. Tit. §. 125. u. 126.aufgehoben wird70)von Buri a. a. O. S. 68.. Endlich c) wenn ſeit undenklichen Zeiten Dienſtgeld iſt gegeben worden, dergeſtalt, daß niemand weiß, ob jemals Dienſte in natura ſind ent - richtet worden71)leyser Spec. CCCCXIX. med. 5. et Spec. DCLXV. med. 30.. Noch mehrere dieſe Materie betref - fende Rechtsfragen wird man beym Buri72)a. a. O. Qu. 11. 12. 13. 14. u. ff. finden, ſo wie denn auch unſer Hr. Autor ſelbſt §. 647 noch eine eigentlich hierher gehoͤrige Frage vorbringt, welche wir daſelbſt eroͤrtern werden.
Der andere beſondere buͤrgerliche Zuſtand iſt der Status civitatis73)Chriſt. Frid Ge. meisteri Diſſ. de ſtatu civitatis eiusque iuribus. Goettingae 1751. Dieſe naͤmliche Schrift iſt auch unter Johann Andr. Hanneſens Namen als ein liber ſingularis Goͤttingen 1752. 4. erſchienen. Man verglei - che auch des ſeel. Appellationsraths plattner unter Carl Ferdinand Hommels Vorſitze gehaltene Diſſ. de uſu hodierno diviſionis hominum in cives et peregrinos. Lipfiae 1750. Es hat zwar Io. Gotth. tilsner als Supplement je - ner Plattneriſchen Schrift eine hiſtoricam Tractationem de peregrini et civis notione Lipſiae 1786. edirt, allein da dieſe Schrift zur weitern Aufklaͤrung dieſer Materie gar nichts bey - traͤgt, und unverſtaͤndlich geſchrieben iſt, ſo kann man ſie ohne Schaden ungeleſen laſſen.. Nach dieſem werden die Menſchen in ſolche, welche das Buͤrgerrecht in einem Staate haben, Cives, und ſolche, welche daſſelbe nicht haben, Peregrinos, eingetheilt. Wir wollen zuerſt von demRoͤmi -165de Statu Hominum. Roͤmiſchen Buͤrgerrechte handeln, und den Unterſchied zwiſchen Cives und Peregrinos nach dem Roͤmiſchen Rechts - ſyſtem auseinander ſetzen74)Chriſt. Frid. von haven de cive Romano. Hafniae 1710. Car. sigonius de antiquo iure civium Romanorum, in Tom. I. Operis de antiquo iure populi Romani. Halae 1715. 8. und Ezech. spanhemii Orbis Romanus. Londini 703. et cum praefat. Io. Gottl. heineccii, Halae et Lipſiae 1728. 4.. Der Begriff eines civis romani war nicht immer der naͤmliche. Man muß die Zeiten vor den Kr. Antoninus Caracalla, und die nach denſelben unterſcheiden. Vor den Zeiten jenes Kai - ſers gab man nur dem freyen Roͤmer den Namen civis, der in Rom ſelbſt ſeinen Wohnſitz hatte, und ent - weder durch die Geburt, wenn beyde Eltern ſchon Buͤrger waren, oder durch die Manumißion auf die alte hergebrachte Art vor der Obrigkeit, oder in einem Teſtamente, oder durch Einzeichnung in die Buͤrger-Rollen beym Cenſus, oder endlich durch eine Gnade des Auguſts das Buͤrgerrecht erhalten. Solche roͤmiſche Buͤrger wurden Quirites genennt, nicht vom Quirin, wie Juſtinian75)§. 2. I. de iur. nat. gent et civ. lehrt, ſondern von der Sabiner Hauptſtadt Cures76)livius lib. I. c. 13. dionys. halicarn. lib. II. p. 111. plutarchus in Romulo p. 30. et in Numa p. 61.. Alle Nicht-Roͤmer, die in Italien, den Municipien und in den roͤmiſchen Pro - vinzen, alſo auſſerhalb Rom, wohnten, oder zwar in Rom lebten, aber weder freye Menſchen waren, noch ein Buͤrgerrecht hatten, hießen Peregrini. Zu dieſen rechne - te man alſo vor den Zeiten Antonins auch Municipes und Provinciales77)Gelegentlich bemerke ich hier, daß Ulpian in der L. 190. D. de Verb. Signif, eine Beſchreibung von Provinzia -len. Die Quirites genoſſen nun ſehr anſehn -L 3liche1661. Buch. 5. Tit. §. 125. u. 126.liche Rechte und Vorzuͤge vor den Nicht-Roͤmern, wel - che in ihrem ganzen Umfang genommen das ius qui - ritium in eminenten Verſtande, oder ius civitatis ro - manae bildeten78)Io. Henr. mylii Diſſ. de iure Quiritium, in eius Opuſcul. Academ. Io. Frid. christii de iure Quiritium coniectura, inſert. eius Noctibus Academ. Specim. II. (Halae 1727. 8.) Obſ. 6. Corn. Valer. vonck Obſervation. miſcellan. Cap. 24. adiect. eius Specimini Critico in varios Auctores. Trajecti ad Rhen. 1744. 8. et Franc. Car. conradi Commentat. de iure Quiritium a civitate Rom. non diverſo. Helmſt. 1744.. Die Vorzuͤge des Iuris Quiritium waren von doppelter Art; einmal ſolche, die ſich auf die Verfaſſung und Regierung des roͤmiſchen Staats bezo - gen, iura publica Quiritium, dahin gehoͤrten ius militiae, cenſus, tribus, ſuffragiorum, munerum et honorum publicorum; zum andern ſolche, welche die oͤffentliche Einrichtung des Staats nicht betrafen, iura privata Quiritium. Zu dieſen zaͤhlte man das ius ſacrorum, agnationis, gentilitatis, uſucapionis, mancipii, connu - bii, patriae poteſtatis, teſtamentifactionis, capiendi - que ex teſtamento u. d. von welchen die angefuͤhrten Schriftſteller Sigonius und Spannheim demjenigen, der hiervon ein mehreres wiſſen will, weitere Aufklaͤrung geben werden. Manche jener Vorrechte verſtattete man nun zwar auch den Richt-Roͤmern, als denen Latinis, auch manchen Municipien, und manchen Provinzen, allein imVer -77)len giebt, wobey die Ausleger viele Schwierigkeiten gefun - den haben. Conradi in Parergis lib. IV. n. II. hat jedoch alle Dunkelheit gehoben. Der Sinn jener Stelle iſt: Pro - vincialen heißen nur diejenigen, welche in der Provinz wirk - lich ihren Wohnſitz haben. Diejenigen alſo, die zwar in ei - ner Provinz gebohren waren, aber ihr Domicilium veraͤndert hatten, gehoͤrten nicht hierher. Mit ſolchen Frauenzimmern durften ſich daher auch die Gouverneurs der Provinzen ver - heyrathen, nur nicht mit Provinzialinnen.167de Statu Hominum. Verhaͤltniß gegen das ius Quiritium war es doch nur ein ſehr unvollkommenes Buͤrgerrecht. ius quiritium war daher ein volles roͤmiſches Buͤrgerrecht, ius civitatis optimum maximum, und quirites hießen nur diejenigen, welche das volle Buͤrgerrecht hatten, und von dieſen ſag - te man, ſie waͤren optima lege cives Romani. Ein unvoll - kommenes Buͤrgerrecht hingegen nannte man ſchlechtweg ius civitatis79)vonck Obſervat. Miſcellan. a. a. O., dahin gehoͤrte z. B. ius latit, ius italicum80)sigonius de antiquo iure Italiae Cap. IV. und Chriſt. Gottl. schwarz Diſſ. de iure italico. Altorfii rec. 1741.. Kr. Antoninus Caracalla81)spanhem. Orb. Rom. Ex II cap. 1., oder wie andere wollen Marcus Aurelius82)Io. Paul mahner Commentat. de M. Aurelio Antonino, conſtitutionis de civitate univerſo orbi Romano datae auctore. Halae et Helmſt. 1772. 8. gab allen frey - gebohrnen Unterthanen des roͤmiſchen Reichs das Buͤrgerrecht83)L. 17. D. h. t. Excerpta dionis Valeſiana pag. 745.. Ob der große Gedanke eines allgemei - nen Buͤrgerrechts vernuͤnftiger Menſchen unter dem Ge - biete der Vernunft, oder Eigennutz ihn zu dieſer Ver - ordnung veranlaſſet habe, laſſe ich dahin geſtellet ſeyn, weil gewiß Niemanden daran etwas gelegen ſeyn wird. Seit dieſer Zeit ward nur Auslaͤndern, Sclaven und Freygelaſſenen, die nicht auf die alte hergebrachte Art waren manumittiret worden, der Name Peregrini beyge - legt. Bis endlich auch Juſtinian den Unterſchied zwi - ſchen Freygebornen und Freygelaſſenen ganz aufhob, und auch denen letztern das roͤmiſche Buͤrgerrecht ertheilte84)Nev. LXXVIII. c. 5.. So blieben alſo nur noch Auslaͤnder und Sclaven in der Claſſe der Peregrinorum, und in dieſer Ruͤckſicht warL 4der1681. Buch. 5. Tit. §. 127.der Unterſchied inter Cives et Peregrinos auch noch un - ter Juſtinian von Wirkung.
Uebrigens wurden die Rechte und Verbindlichkeiten der Peregrinorum nach dem Ius Gentium beſtimmt, wie ich an einem andern Ort dieſes Commentars ſchon ge - zeigt habe85)1. Th. §. 11. S. 89. Adde van der hoop Diſſ. de iure peregrinorum. Lugd. Batavor. 1759..
Wir haben auch ein teutſches Buͤrgerrecht, welches in dem Inbegriff der Praͤrogativen beſtehet, ſo teutſche Reichsgenoſſen fuͤr Fremden zu genieſſen haben. Denn wenn gleich Kaiſer Friedrich II. in der Avth. Omnes peregrini Cod. communia de Succeſſion. den Unterſchied zwiſchen Fremden und Einheimiſchen quoad uſum iuris communis aufgehoben hat, und alſo Fremden vermoͤge dieſer Verordnung der Regel nach dieſelbigen Rechte, wie den Buͤrgern zuſtehen, z. B. in Anſehung der Erbſchaf - ten, ſo leidet doch dieſes Geſetz ſeine Ausnahme, wenn durch gemeine Reichs - oder ſpecielle Landesgeſetze denen einheimiſchen Buͤrgern in Teutſchland gewiſſe Vorrechte vor den Auslaͤndern zugeſtanden werden. Und dieſe ſind es eben, welche in ihren Umfange das teutſche Buͤr - gerrecht ausmachen86)Io. Andr. hoffmann Diſſ. I. de iuribus indigenarum Ger - maniae, praeſ. Io. Rud. engau habita Ienae 1747. eiusdem Diſſ. II. de indigenis eorumque praerogativis Marburgi 1758. schilter Diſſ. de iure peregrinorum (inſert. eiusdem Exer - citat. ad Pandect. p. 103.) Frid. Wilh pestel Diſſ. iuſti - tia et benignitas legum germanicarum erga peregrinos exami - nata. Rintel 1754.. Man nimmt nun in Teutſch - land ein dreyfaches Buͤrgerrecht ein.
a) Ein169de Statu Hominum.a) Ein allgemeines teutſches Buͤrgerrecht, wel - ches darinn beſteht, wenn jemand uͤberhaupt ein Teut - ſcher, oder Mitglied des teutſchen Reichs iſt, und deshalb gewiſſe Rechte und Vorzuͤge fuͤr Fremden zu genieſſen hat. Dahin gehoͤrt, daß zu des Kaiſers und Reichs-Aemtern nur Teutſche gelangen koͤnnen; Niemand vom Kaiſer in Fuͤrſten - oder Grafenſtand erhoben werden kann, als wer dem teutſchen Reich unterworfen iſt; auch die geiſt - lichen Beneficien nur an Teutſche vergeben werden duͤr - fen87)Joh. Jacob Moſer von der Auslaͤnder Faͤhig - und Unfaͤhigkeit zu teutſchen geiſtlichen Wuͤrden. 1783. 4. u. ſ. m. Wer iſt denn aber im Sinne des teut - ſchen Staatsrechts ein Teutſcher? Es kommt dabey nicht immer nothwendig auf den Ort der Geburt oder des Aufenthalts an, ſondern der Beſitz unmittelbarer Reichsguͤter wird erfordert, um das Recht der Reichs - ſtandſchaft erlangen oder ausuͤben zu koͤnnen. In dieſem Betracht ſind Teutſche 1) auswaͤrtige wirkliche Beſitzer eines mit der Reichsſtandſchaft begabten Landes; 2) auch derſelben ſaͤmmtliche Stammsverwandte, welche Kraft der kaiſerlichen Reichslehenbriefe, oder ſonſt ein ungezwei - feltes Recht zur Erbfolge in ein ſolches teutſches Reichs - land haben. Bey andern wird die teutſche Her - kunft fuͤr hinreichend gehalten, jedoch wird bey dem niedern Adel zugleich auf die teutſchen Ahnen geſe - hen, um zu teutſchen geiſtlichen Wuͤrden in Erz - und Hochſtiftern zu gelangen. Indes iſt manchmal durch Poſtulation eine Ausnahme von der Regel gemacht worden .88)Moſer in der angefuͤhrten Schrift §. 15 — 24..
L 5b) Ein1701. Buch. 5. Tit. §. 127.b) Ein Provinzial-Buͤrgerrecht, welches die Vor - zuͤge der einheimiſchen Unterthanen eines teutſchen Lan - desherrn fuͤr den Fremden z. B. in Erwerbung der Guͤ - ter, in Befoͤrderungen, Stipendien u. d. in ſich begreift. Endlich
c) ein Stadt-Buͤrgerrecht, worunter man den Inbegriff von Rechten und Vorzuͤgen verſtehet, welche die Buͤrger einer Stadt fuͤr andern Einwohnern, die kei - ne Buͤrger ſind, zu genieſſen haben; z. B. das Recht ein Haus zu beſitzen, buͤrgerliche Nahrung zu treiben, u. ſ.w89)de selchow in element. iuris germ. Lib. I. Cap. II. Tit. I. §. 216. ſqq. . Dieſes kann entweder ein volles oder nicht volles Buͤrgerrecht ſeyn. Die das erſtere haben, werden Stadt-Buͤrger, im Gegentheil die das letztere haben, nur Schutzverwandte (incolae) genennt. Man er - wirbt es durch die Geburt90)Nicht uͤberall wird jedoch das Stadtbuͤrgerrecht durch die Geburt erworben, ſondern in den meiſten Staͤdten Teutſch - lands hat der Sohn eines Buͤrgers nur manche Vortheile bey der Bewerbung um das Buͤrgerrecht vor andern, die nicht Meiſtersſoͤhne ſind. S. riccius in ſpicileg. iuris germ. Lib. I. Tit. VI. m. 2. p. 267. puffendorf Obſervat - iuris univ. T. I. Obſ. 8c. Allein in manchen Staͤdten Teu[t]ſchlands z. B. in Nuͤrnberg kann man auch von Geburt ein Buͤr - ger ſeyn. S. D. Io. Alb. colmar Diſſ. de iure civitatis No - rimbergenſis. Altdorf 1781., wenn der Vater zur Zeit derſelben ſchon Buͤrger geweſen, oder durch die Aufnahme. Daher ſind die Buͤrger in dieſer Ruͤck - ſicht entweder gebohrne (originarii) oder aufgenom - mene (recepti)91)Henr. hildebrand Diſſ. de iure civium originariorum. Altdorf. 1724.. Das mehrere hiervon gehoͤrt in das teutſche Staats - und Privatrecht.
Die Roͤmer nannten den dreyfachen buͤrgerlichen Zu - ſtand, naͤmlich den Zuſtand der Freyheit, des Buͤrger - rechts, und der Familie, caput92)In einem andern Verſtande wurde das Wort caput fuͤr den Menſchen ſelbſt genommen, in dieſer Bedeutung unter - ſcheiden unſere Geſetze zwiſchen caput liberum L. 1. D. de tutelis, und caput ſervile, L. 3. §. 1. D. de cap. minut. ; und den Verluſt eines ſolchen buͤrgerlichen Zuſtandes capitis deminutio - nem93)Ueber dieſe Materie ſind nachzuſehen Ulr. huber in De - greſſion. Inſtinian. Lib. III. cap. 6 — 10. dompierre de ion - quieres in Specim. de Reſtitutionibus in integrum, Lugd. Batav. 1767. 8. Tit. V. S. 334 — 360. Carl Adolph Freyherr von Braun von der Eintheilung der capitis de - minutionis, in den Erlang. gelehrten Anzeigen auf das Jahr 1751. Num. 3. und in Schotts juriſt. Wo - chenblatt 3. Jahrg. N. XIV. Franc. Car. conradi de minima capitis deminutione, in Parergis Lib. II. N. II. p. 164 — 193. und Hr. Prof. Roberts kleine juriſt. Abhandlungen. Mar - burg 1789. 8. N. III. . Dieſe war nun nach der Lehre des roͤmiſchen Juriſten Paulus94)L. ult. D. de cap. minut. welche auch Juſtinian95)Tit. Inſtitut. de capitis deminut. uͤber welchen Titel Ian. a costa, Theod. marcilius, und Ev. otto in Commentar. verglichen werden koͤnnen. ange - nommen, dreyerley; maxima, media und minima. Erſtere beſtand in dem Verluſt aller den buͤrgerlichen Zuſtand des Roͤmers beſtimmender Rechte, alſo in dem Verluſt der Freyheit, des Buͤrger - und Familien-Rechts. Eine ſolche Capitis Deminution erlitten diejenigen Buͤrger, ſo in die Sclaverey verfielen, es mochte nun durch die Ge -fan -1721. Buch. 5. Tit. §. 128.fangenſchaft, oder durch eine Strafe geſchehen. Die ca - pitis deminutio media aber beſtand darin, wenn, der Frey - heit unbeſchadet, nur das Buͤrgerrecht verlohren wurde. Dieſe hinderte nicht, daß man in einer andern Republick wiederum ein Buͤrgerrecht gewinnen konnte. Es war vielmehr ehemals bey der aquae et ignis interdictione darauf gerechnet, daß ein ſolcher in einer andern Repu - blick das Buͤrgerrecht ſuchen, und eben dadurch das Roͤ - miſche, indem man nach den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Staatsrechts nicht in zwey Republicken zugleich Buͤrger ſeyn konnte, verliehren ſollte96)Die Beweißſtellen aus Cicero findet man beym heinec - cius in Syntagm. Antiquitat. Rom. iurisprud. illuſtr. Lib. I. Tit. XVI. §. 10.. Nach dem neuern Rech - te erlitten dieſe mittlere capitis deminutionem beſonders diejenigen, welche ins Exilium geſchickt oder auf eine Inſel verbannt wurden, (deportati)97)Herm. cannegieter Obſervat. iuris Rom. Lib. I. c. 8. 9.. Wer eine ſol - che Capitis deminutionem maximam oder mediam er - litten hatte, wurde in Abſicht auf den Staat fuͤr buͤrger - lich todt gehalten, denn er hoͤrte dadurch auf, eine Per - ſon im Staate zu ſeyn98)Emund. merillius Obſervat. lib. IV. cap. 21.. Endlich die capitis deminu - tio minima beſtand blos in dem Verluſt der Familienrech - te, ohne daß dadurch die Freyheit oder das Buͤrgerrecht verlohren gieng. Dieſe war wieder zweyerley. Entwe - der man verlohr durch Arrogation, oder Legitimation das eigene Familienrecht (ius familiae proprium), oder man verlohr durch Emancipation oder Adoption das ge - meinſchaftliche Familienrecht (ius familiae commune). Das eigene Familienrecht hat ein Hausvater, der nebſt ſeiner ehelichen Hausfrau, Kindern, Enkeln und was ſonſt in der haͤuslichen Verfaſſung unter ſeinenBefeh -173de Statu Hominum. Befehlen ſtehet, eine Familie ausmacht; aber auch dem - jenigen wird ein eigenes Familienrecht zugeſchrieben, ja ihm die Benennung Hausvater beygelegt, der in einer Haushaltung die Herrſchaft d. i. das Recht zu befehlen hat, wenn er auch gleich keine Kinder haͤtte, ja wohl gar ſelbſt noch unmuͤndig waͤre99)L. 195. §. 2. D. de Verb. Significat. — iure proprio familiam dicimus plures perſonas, quae ſunt ſub unius poteſta - te, aut natura, aut iure ſubiectae, utputa patremfamilias, ma - tremfamilias, filiumfamilias, filiamfam. quique deinceps vicem eorum ſequuntur, utputa nepotes et neptes, et deinceps. pa - ter autem familias appellatur, qui in domo dominium ha - bet: recteque hoc nomine appellatur, quamvis filium non ha - beat: non enim ſolam perſonam eius, ſed et ius demonſtra - mus. Denique et pupillum patremfamilias appellamus, et cum paterfamilias moritur, quotquot capita ei ſubiecta fuerunt, ſin - gulas familias incipiunt habere: ſinguli enim patrumfamiliarum nomen ſubeunt: idemque eveniet et in eo, qui emancipatus eſt, nam et hic ſui iuris effectus propriam familiam habet. . Ein gemeinſchaft - liches Familienrecht aber haben diejenigen, welche von einem gemeinſchaftlichen Ahnherrn abſtammen, und aus einem Hauſe ſind, oder zu einem Geſchlecht gehoͤ - ren, und uͤberhaupt Agnati genennet werden100)L. 195. §. 2. cit. communi iure familiam dicimus om - nium adgnatorum: nam etſi, patrefamilias mortuo, ſinguli ſin - gulas familias habent; tamen omnes, qui ſub unius poteſtate fuerunt, recte eiusdem familiae appellabuntur, qui ex eodem domo et gente proditi ſunt. . Denn ſolche werden nicht nur ſchon bey Lebzeiten des Patrisfa - milias, unter deſſen Gewalt ſie ſtehen, gewiſſermaßen als Miteigenthuͤmer von deſſelben Vermoͤgen angeſehen, und erlangen daher durch die Erbfolge, welche ihnen auch ohne Teſtament gebuͤhrt, eigentlich kein neues, ſondern nur ein freyes Eigenthum an der Verlaſſenſchaft ihres Vaters1)L. 11. D. de liberis et poſthumis hered. inſtit. vel exhered. weßhalb ſie auch ſui, oder domeſtici here -des1741. Buch. 5. Tit. §. 128.des genennt werden2)§. 2. I. de heredum qualitate et different. merillius Ob - ſervat. lib. I. c. 36. voorda Interpretat. et Emendat. iuris Rom. lib. I. c. 4. püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing. c. VIII. S. 66. u. folgg., ſondern vermoͤge dieſes gemein - ſchaftlichen Familienrechts beerben ſich auch dieſe Agnaten unter einander ſelbſt3)bynkershoek Obſervat. iur. Rom. Lib. II. cap. I. und duisberg Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud uet. Rom. §. 6. ſqq. . Wer ſich nun arrogiren laͤßt, hoͤrt auf ſein eigener Herr (paterfamilias) zu ſeyn, und kommt in eines andern Gewalt, er verliehrt alſo dadurch das eigene Familienrecht. Wer hingegen emancipirt wird, verliehrt hierdurch das gemein - ſchaftliche Familienrecht, naͤmlich das ius ſui here - dis, ehemals gieng dadurch auch das Agnationsrecht zu Grunde, und der emancipirte wurde in Anſehung ſei - ner Familie als ein extraneus angeſehen. In beyden Faͤllen geſchahe alſo eine Capitisdeminution. Denn nicht zu gedenken, daß ehemals niemand bey den Roͤmern eman - cipirt werden konnte, niſi, wie Paulus4)L. 3. §. 1. D. de capite minut. ſagt, in imagina - riam ſervilem cauſam deductus; denn die Emancipation ge - ſchahe durch einen Verkauf; ſo war ja auch der capite minutus gleichſam ein neuer Menſch geworden; denn durch die Emancipation ward er ſelbſt Paterfamilias, und Haupt einer eigenen Familie; durch Arrogation und Adoption aber Theil und Mitglied einer andern Familie; in Anſehung ſeines vorigen Familienzuſtandes war er alſo gleichſam fuͤr buͤrgerlich tod zu halten5)Conf. conradi in Parergis p. 178. ſqq. und Deſid. heral - dus de rerum iudicatar. auctoritate lib. II. cap. 14. §. 2.. Ein Satz, der fuͤr das Rechtsſyſtem der Roͤmer von den wichtigſten Folgen war. Ehe ich jedoch dieſes weiter ausfuͤhre, muß ich zufoͤrderſt noch einer andern Eintheilung der Capitis -demi -175de Statu Hominum. deminution gedenken, welche Ulpian6)L. 1. §. 4. D. de ſuis et legitim. heredibus. Hiermit ſtimmt auch Calliſtratus uͤberein L. 5. §. ult. D. de extraord. cognition. lehrt. Dieſer theilt naͤmlich die capitis deminutionem ein in magnam et minorem, und nennt die erſtere diejenige, wenn die oͤffentliche Freyheit und das Buͤrgerrecht verlohren wird, letztere aber diejenige, wenn nur blos die Familienrechte veraͤndert werden. Nach dieſer Eintheilung betrachtete man den Zuſtand des Roͤmers in doppelter Ruͤckſicht: a) in Abſicht auf den Staat. In dieſer Ruͤckſicht hatte er gleichſam eine doppelte Perſon, naͤmlich er war freyer Menſch, und zugleich Buͤrger im Staate; und beydes zuſammen machte den ſtatum publicum oder den eigentli - chen ſtatum des roͤmiſchen Buͤrgers im eminentern Sinn dieſes Worts aus7)L. 1. §. 8. D. ad SCtum Tertull. . b) In Abſicht auf den Familien - zuſtand betrachtet, war der roͤmiſche Buͤrger entweder paterfamilias oder filiusfamilias, und dies machte ſeinen ſtatum privatum aus. Der Verluſt des ſtatus publici eines roͤmiſchen Buͤrgers war ſolchemnach capitis deminu - tio magna, die Veranderung des ſtatus privati hingegen, welche mit dem Verluſt des eigenen oder gemeinſchaft - lichen Familienrechts verbunden war, wird capitis deminu - tio minor vom Ulpian genennt. Von dieſer allein iſt auch zu verſtehen, wenn eben dieſer Ulpian8)L. 1. cit. an einem andern Orte ſagt: capitis minutio, ſalvo ſtatu contingens, liberis nihil nocet ad legitimam hereditatem9)Denn es war eine Regel: Die Succeßionsrechte. welche erſt durch neue Geſetze ertheilet ſind, gehen durch die geringſte Capitisdeminution nicht zu Grunde. S. Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen Lib. III. Tit. IV. §. 640.. Denn dasWort1761. Buch. 5. Tit. §. 128.Wort ſtatus wird hier in eminenten Verſtande pro ſtatu civitatis genommen10)Es iſt nicht noͤthig, mit Ger. noodt in Commentar. ad Digeſta Tit. de cap. minut. Operum T. II. p. 121. ſalvo ſta - tu civili zu leſen; wie ſchon dompierre in Specim. de Re - ſtitutionib. p. 336. bemerkt hat..
Die Wirkungen der roͤmiſchen Capitisdeminution beſtanden nun in folgenden.
I) Der Capiteminutus verlohr hierdurch alle buͤrger - liche Klagen und Rechte, die ihm vorher zuſtanden, aber auch gegen ihn hatten keine buͤrgerliche Klagen weiter ſtatt. Denn er wurde in Anſehung des durch die Capi - pitisdeminution verlohrnen vorherigen Zuſtandes gleich - ſam fuͤr buͤrgerlich tod gehalten. Hatte er capitis demi - nutionem magnam erlitten, ſo mußten ſich die Glaͤubi - ger an den Fiscus halten, der das Vermoͤgen des capite minuti eingezogen hatte. Denen Glaͤubigern eines ſol - chen Schuldners hingegen, der nur capitis deminutio - nem minorem erlitten hatte, reſtituirte der Praͤtor ih - re Klagen, wenn ſie deshalb implorirten11)L. 2. pr. et §. 1. D. de capite minut. . Daher iſt nun zu begreifen, warum die Compilatoren der Pandecten den Titel de capite minutis in die Materie von den Re - ſtitutionibus in integrum gebracht haben.
II) Rechte, die durch den Tod erloͤſchen, z. B. uſus - fructus, giengen auch durch die Capitisdeminution ver - lohren; nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte ſogar durch die geringſte, doch hat dies Juſtinian geaͤndert12)paulus Recept. Sentent. lib. III. Tit. 6. §. 29. L. 1. D. quib. mod uſusfruct. L. penult. §. ult. C. de uſufruct. .
III)177de Statu Hominum.III) Die Capitisdeminution vertilgte jedoch nur buͤr - gerliche, nicht die natuͤrlichen Rechte, quia civilis ratio na - turalia iura corrumpere non poteſt13)L. 8. D. de capite minut. S. den I. Th. dieſes Commentars S. 14.. Daher blieben
IV) Capite minuti aus ihren Verbrechen verpflich - tet, die ſie vor erlittener Capitisdeminution veruͤbt hat - ten14)L. 2. §. 3. D. eodem. . Endlich da
V) die geringe Capitisdeminution ſalvo ſtatu publico geſchahe, und keine Veraͤnderung des buͤrgerli - chen Zuſtands verurſachte, ſo hob dieſelbe iura publica nicht auf15)L. 5. §. 2. und L. 6. D. de capite minut. . Es gieng daher durch eine ſolche Capitis - deminution weder das obrigkeitliche Amt verlohren, ſo der capite minutus bekleidete, noch wurde dadurch die Vormundſchaft, welche derſelbe verwaltete, geendiget. Nur allein die geſetzliche Vormundſchaft hoͤrte auf16)L. 7. pr. D. eodem. Tutelas etiam non amittit capitis mi - nutio: exceptis his, quae in iure alieno perſonis poſitis defe - runtur Wie dieſe Worte zu verſtehen ſind, ergiebt ſich zwar aus den nachfolgenden: ſed legitimae tutelae ex duodecim tabulis intervertuntur; allein deswegen haben ſie doch in der Erklaͤrung ſelbſt denen Auslegern viel zu ſchaffen gemacht. Es wuͤrde offenbar zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich hier die ver - ſchiedenen Emendationen und Interpretationen der Rechtsge - lehrten uͤber dieſe Stelle vortragen wollte, es ſey genug, meine Leſer auf Io. van de water Obſervat. iuris Rom. lib. III. c. 13. Herm. noordkerck Obſervat. cap. 3. Abrah. wieling Lectiones iuris civ. lib. I. cap. 9. und in Omiſſis pag. 279. Pet. faber Semeſtrium lib. III. cap. 24. p. 393. lycklama a nyholt Membranar. lib. I. Ecclog. 21. Franc. balduinus in Iurisprud. Mutiana T. I. Iurisprud. Rom etAtti -,weilGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. M1781. Buch. 5. Tit. §. 128.weil ſich dieſelbe auf das Agnationsrecht gruͤndete, ſo auch durch die geringe Capitisdeminution verlohren gieng. Dies iſt die Urſach, warum der Titel von der Capitis - deminution in den Inſtitutionen in die Lehre von der Vormundſchaft mit eingeſchoben worden.
Gewiſſermaßen iſt dieſe Lehre auch noch heutiges Ta - ges anwendbar. Capitis deminutio maxima kann in den Gegenden Teutſchlands allerdings vorkommen, wo die Leibeigenſchaft herrſcht. Zwar ſind unſere Leibeigene von roͤmiſchen Sclaven ſehr verſchieden, allein es wird mir doch ein jeder zugeben, daß ein Menſch ſeine Frey - heit verliehre, wenn er in die Leibeigenſchaft geraͤth17)leyser in Meditat. ad Pandect. Spec. LXII. med. 2.. Man rechnet auch hierher, wenn ein Menſch auf Lebens - lang zum Veſtungsbau, oder Zuchthauſe verurtheilt worden. Denn auch dadurch geht die buͤrgerliche Frey - heit unſtreitig verlohren; obgleich freylich auch hier die Wirkungen der roͤmiſchen capitis deminutionis maxi - mae nicht eintreten koͤnnen, weil eine roͤmiſche Sclave - rey in Teutſchland nicht ſtatt findet. Soviel nun die capitis deminutio media anbelangt, ſo laͤßt ſich dieſe zwar heutiges Tages noch als moͤglich denken18)Einer andern Meinung iſt Frid. Ulr. pestel Exercit. ex - hibens uſum practicum capitis deminutionis mediae. Rintelii1733., in ſo -fern16)Attieae p. 507. u. a. m. zu verweiſen, welche Hr. G.J.R. Walch in den Anmerkungen uͤber eckhardi Hermenevt. iuris S. 61. ſchon angefuͤhrt hat. Die beſte Erklaͤrung unter al - len giebt der Scholiaſt uͤber die Vaſiliken. Dieſer verſtehet unter perſonis in alieno iure pofitis diejenigen, quae remanſe - runt in poteſtate uſque ad mortem patris. Denn daß ius fuͤr poteſtas genommen werde, iſt bekannt. Nach dieſer Erklaͤrung ſind alſo perſonae in alieno iure poſitae keine andern, als ad - gnati proximi non emancipati: ſo wie es auch conradi ver - ſteht in Parergis pag. 191.179de Statu Hominum. fern ſie in dem Verluſt des Buͤrgerrechts beſtehet, und Jemand auch heutiges Tages ſein Buͤrgerrecht in Teutſch - land uͤberhaupt, oder in einem teutſchen Reichsterrito - rium z. B. durch Relegation verliehren kann; inzwiſchen werden dadurch doch immer nur die beſondern buͤrgerli - chen Rechte und Vortheile desjenigen Staats verlohren, deſſen Buͤrger der Verwieſene zu ſeyn aufhoͤrt19)leyser Spec. LXII. med. 7., nicht aber die natuͤrlichen und gemeinen buͤrgerlichen Rechte, als das Recht der Agnation und der Familie, das Suc - ceßionsrecht, das Recht zu contrahiren, ein Teſtament zu machen, die Rechte der vaͤterlichen Gewalt, u. d. als welche heut zu Tage auch denen Fremden zugeſtanden werden20)schilter de iure peregrinor. §. 41. de boehmer in Me - ditat ad Conſtitut. Crim. Carol. Art. 198. §. 4. S. 907. Man ſehe auch Fratr. becmannorum Conſilia et Deciſiones P. II. Conſ. 72. S. 274. wo man einen merkwuͤrdigen Fall finden wird, daß zuweilen der Verluſt des Buͤrgerrechts an einem Ort auch den Verluſt des Erdrechts wirken kan, wenn es der Teſtator zur Bedingung des Erben gemacht hat, an einem gewiſſen Ort wohnhaft zu bleiben, und daſelbſt das Buͤr - gerrecht beyzubehalten.. Man pflegt zwar insgemein die Reichs - acht der roͤmiſchen capitis deminutioni mediae h. z. T. gleichzuachten; allein dieſe iſt noch aͤrger, als der Roͤmer capitis deminutio maxima21)pestel in der angefuͤhrten Diſſertat. §. VIII. . Denn ſie beraubt den Geaͤchteten nicht nur aller buͤrgerlichen Rechte, ſondern macht ihn auch vogelfrey. Jedermann kann ihn unge - ſtraft toͤdten. Endlich ſoviel capitis deminutionem minimam anbetrift, ſo erleiden dieſelbe auch noch heuti -M 2ges18)1733. Allein ich glaube, er hat nicht genug die Sache ſelbſt, und die Wirkungen derſelben unterſchieden. S. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 27. u. folgg.1801. Buch. 6. Tit. §. 129.ges Tages die Arrogirten und Legitimirten, denn ſie hoͤren auf, ſui iuris zu ſeyn, und werden in die vaͤterliche Gewalt gebracht; die Emancipirten aber verliehren zwar, ſelbſt nach dem neuern roͤmiſchen Recht, das Erbrecht nicht, allein doch das ius ſui heredis, mit - hin leiden ſie wenigſtens zum Theil noch die Folgen der capitis deminutionis minimae22)de cocceji in iure civ. controv. Lib. IV. Tit. 5. Qu 2. stryck in Uſu mod. Pandect. Lib. IV. Tit. V. §. 3..
Der dritte beſondere buͤrgerliche Zuſtand nach dem roͤ - miſchen Rechtsſyſtem iſt endlich der Status familiae. Man verſtehet darunter den Zuſtand eines Buͤr - gers, daß er entweder ein eigenes oder ein gemeinſchaftliches Familienrecht hat. (§. 128. S. 172 und 173.) familia heißt naͤmlich hier eine Univerſitas von Perſonen und Sachen, die zu dem Hausweſen eines Paterfamilias gehoͤren, und daher ſeiner Herrſchaft und Gewalt unterworfen ſind23)Sehr ſchoͤne Aufklaͤrungen uͤber Familie und Fami - lienrecht nach dem Syſtem des roͤmiſchen Rechts findetman. Eine181De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Eine Familie nach dieſem aͤchten roͤmiſchen Begriff be - ſtehet alſo a) aus Perſonen. Dieſe ſind, wie Ul - pian24)L. 195. §. 2. D. de Verbor. Significat. Man vergleiche Not. 99. S. 173. ſagt, paterfamilias, materfamilias, filiusfa - milias, filiafamilias, nepotes, neptes u. ſ. w. Alle die - ſe Perſonen werden zwar vermoͤge einer bekannten recht - lichen Fiction als eine Perſon angeſehen25)Einige neuere Rechtsgelehrte wollen zwar dieſe Einheit der Perſon in Zweifel ziehen, als Andr. Flor. rivinus in Diſſ. de figmento fictionis unitatis perſonae inter patrem et filium. Vitemb. 1760. und Lud. God. madihn in Principiis Iuris Rom. Part. I. §. 36. p. 51. Allein die unlaͤugbaren wichtigen und gemein bekannten Wirkungen dieſer Einheit der Perſon zwiſchen den Hausvater und den ſeiner Gewalt unterworſe - nen Perſonen widerlegen jene Grille ſattſam. Man ſehe Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 100. S. 100. der neueſten 3ten Auſtage., aber doch mit dem Unterſchiede, daß dem Hausvater die Herrſchaft und Gewalt in ſeinem Hausweſen zugeſchrieben wird. Daher ſagt Ulpian26)a. a. O. in L. 196. pr. D. eodem wird er Princeps fami - liae genennt.: Paterfamilias appellatur, qui in domo dominium habet. Zur Familie in der ange - fuͤhrten Bedeutung des Worts werden nun auch b) Sa - chen gerechnet. Daher wird das geſammte Vermoͤgen eines Hausvaters in unſern Geſetzen oft Familia ge - nennt. So ſagen z. B. die Geſetze der 12 Tafeln: Paterfamilias uti legaſſit ſuper familia ſua, ita ius eſto27)cicero lib. II. de inventione und auctor ad Herennium lib. I. ,M 3und23)man beym M. Aurel. calvanus de Uſufructu Cap. VIII. n. 8. et ſqq. Luc. van de poll de exharedatione et praeteritione Cap. IV. V. et VI. Die neuere Diſſertat. des Theod. Ioan. Adrian. van lom de Familia. Lugd. Batav. 1785. 4. macht jenen Vorgaͤngern den Rang eben nicht ſtreitig.1821. Buch. 6. Tit. §. 129.und an einem andern Ort ſagen ſie: agnatus proximus familiam habeto28)L. 195. §. 1. D. de Verb. Significat. . Die zur Familie gehoͤrige Sachen waren jedoch bey den Roͤmern von zweyerley Art, eini - ge zum Hausgottesdienſt, andere zur Hauswirthſchaft und Oekonomie beſtimmt. Denn eine jede Familie hat - te ihre Sacra privata, und dieſe waren von den Fami - lienguͤtern unzertrennbar29)cicero de Legibus lib. II. cap. 9. et 19. Conf. woogii Diſſ. de hereditate ſacrorum privatorum, und Franc. Car. con - radi de coemtionibus ſacrorum interimendorum cauſa factis in eius Parergis lib. II. n. 1.. Uebrigens war nicht nur der haͤusliche Gottesdienſt, ſondern auch alles uͤbrige zum Hausweſen gehoͤrige Vermoͤgen denen ſaͤmmtlichen eine Familie ausmachenden Perſonen gemeinſchaftlich, obwohl dem Hausvater, als dem Haupte der Familie, die Ver - waltung und Dispoſition daruͤber allein zuſtund30)Der Kuͤrze halben will ich mich hier auf die elegante Diſ - ſert. des Hieron. van bassen iongbloet de dominio patris - familias. Lugduni Batavor. 1785. 4. bezogen haben, in wel - cher man alle hierher gehoͤrige Beweißſtellen beyſammen fin - den wird.. Ihm wird daher in dieſer Ruͤckſicht vom Ulpian in der oben an - gefuͤhrten Stelle das Familieneigenthum zugeſchrieben, wel - ches ſich auch uͤber das eigene Vermoͤgen der zu ſeiner Fa - milie gehoͤrigen, und unter ſeiner Gewalt ſtehenden Per - ſonen, erſtreckte, und mehr als ein bloſer Nießbrauch war31)Von dieſem dominio ex iure familiae competente, und deſ - ſelben Unterſchiede von dem gemeinen, oder eigentlich ſo genannten Eigenthumsrechte (dominio ex iure proprietatis competente) handelt ausfuͤhrlich Guil. Ioann. ple - vier in Diſſ. de duplici dominio. Lugduni Batavor. 1785. 4.. Denn der Vater nahm nach des Hausſohns Tode deſſelben Nachlaß iure peculii hin, und war nicht ſo -wohl183De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. wohl als Erbe, ſondern wie ein ſucceſſor ex iure pro - prio, iure aperturae oder conſolidationis, anzuſehen, wenn gleich dieſes Vermoͤgen nicht vom Vater herruͤhrte, ſondern im Krieg erworben worden. (peculium ca - ſtrenſe32)L. 9. L. 14. pr. et §. 1. L. 17. pr. L. 19. §. 3. D. et L. L. penult. Cod. de caſtrenſi peculio. Weſtphal in Syſtem des roͤm. Rechts uͤber die Arten der Sachen, Beſitz, Eigen - thum und Verjaͤhrung. §. 860. S. 660..
In Abſicht auf dieſen Familienzuſtand ſind nun die Menſchen entweder ſui oder alieni iuris33)L. 1. pr. D. h. t. . Die erſten ſind ſolche Perſonen, die der Gewalt eines Patrisfami - lias nicht unterworfen ſind, ſondern ein eigenes Familien - recht haben34)Chriſt. thomasii Diſſ. de uſu practico tituli Inſtitut. de his qui ſui vel alieni iuris ſunt. Halae 1712. 4.; und dieſe ſind nach Unterſchied des Ge - ſchlechts entweder patresfamilias oder matresfamilias35)L. 4. D. h. t. Civium Romanorum quidam ſunt patres - familiarum; alii filiifamiliarum: quaedam matresfamiliarum; quaedam filiaefamiliarum. patresfamiliarum ſunt, qui ſunt ſuae poteſtatis, ſive puberes ſive impuberes: ſimili modo matresfamiliarum. . Diejenigen werden nun im Gegentheil homines alieni iuris genennt, die der haͤuslichen Gewalt oder Herrſchaft eines Paterfamilias unterworfen ſind, und dieſe ſind wieder von zweyerley Art, entweder Soͤhne und Toͤchter, die unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen, filii filiaeve fami - lias36)L. 4. cit. filiifamiliarum et filiae, quae ſunt in alie - na poteſtate. Nam qui ex me et uxore mea naſcitur, in meapote -; oder Sclaven und Sclavinnen, die der herrſchaft -M 4lichen1841. Buch. 6. Tit. §. 129.lichen Gewalt eines Paterfamilias unterworfen ſind; Ser - vi et ancillae. Das Corpus der ſaͤmmtlichen Sclaven, die ein Paterfamilias in ſeinem Hauſe hatte, wird daher auch in unſern Geſetzen ſehr haͤufig Familia genennt37)L. 195. §. 3. D. de Verbor. Signific. Hierher gehoͤrt auch der Tit. Pandectar. Si familia furtum feciſſe dicatur. (lib. XLVII. Tit. 6.)
Diejenigen Perſonen alſo, ſo weder der herrſchaftli - chen noch vaͤterlichen Gewalt eines Hausvaters unterwor - fen ſind, werden ſui iuris genennt, und dieſe ſind wieder von zweyerley Art, entweder perfecte tales, wenn ſie das - jenige Alter erreicht haben, nach welchen ſie fuͤr faͤhig geachtet werden, ſich und ihrem Vermoͤgen ſelbſt vorzu - ſtehen, ohne einen Vormund noͤthig zu haben; oder im - perfecte tales, wenn ſie dieſe Faͤhigkeit noch nicht haben. Dieſe letztern ſtehen unter der Tutel oder Curatel. Die erſtern aber nicht, von dieſen ſagen daher unſere Geſetze, neutro iure tenentur, das iſt, ſie ſtehen unter keiner Auf - ſicht, ſondern ſind ſich ſelbſt uͤberlaſſen38)Princip. Inſtitut. de tutelis. . Weil nun unter der Tutel und Curatel Pupillen und Minderjaͤh - rige ſtehen, Majorenne aber in der Regel keinen Vor - mund bekommen, auſſer wenn ſie bloͤdſinnig oder Ver - ſchwender ſind, ſo giebt dies unſern Autor Gelegenheit, nun erſt die Lehre von der Eintheilung der Menſchen in Anſehung ihres Alters vorzutragen, obgleich freylich die - ſelbe eigentlich nicht hierher gehoͤrt.
§. 130.36)poteſtate eſt: item qui ex filio meo et uxore eius naſcitur, id eſt, nepos meus, et neptis, aeque in mea ſunt poteſtate; et pronepos et proneptis et deinceps caeteri.
In Abſicht des Alters39)Die vorzuͤglichſten Schriften uͤber dieſe Materie ſind folgen - de: Dav. scheinemann Diſſ. de tempeſtivitate aetatis huma - nae. Tubing. 1668. Chriſt. wildvogel Diſſ. de aetate et iuribus circa eam obtinentibus. Ienae 1724. Chriſtph. Lud. crell Diſſ. de iure aetatis. Lipſiae 1724. et in Collect. Diſ - ſertat. Faſc. I. N. 4. vorzuͤglich aber Henr. molleri Diſſ. de eo quod iuſtum eſt circa varias hominum aerates. Traje - cti ad Rhen. 1732. et rec. Helmſtadii 1744. 4. werden nun die Men - ſchen in Minderjaͤhrige und Großjaͤhrige eingetheilt. Jene ſind, die das fuͤnf und zwanzigſte Jahr ihres Al - ters noch nicht zuruͤckgelegt haben (minores XXV. annis). Solche minorenne Perſonen ſind ferner entweder noch Kinder (infantes) oder ſolche, welche die Kinderjahre bereits uͤberſchritten haben (infantia maiores). Kinder heiſſen nach dem neuern roͤmiſchen Rechte diejenigen, welche noch nicht ſieben Jahre alt ſind. Ich ſage nach dem neuern roͤmiſchen Rechte, denn ehemals und noch zu den Zeiten derjenigen Rechtsgelehrten, aus deren Schriften die Pandecten compilirt worden ſind, nannte man, ohne ein gewiſſes Alter zu beſtimmen, einen Men - ſchen ſo lange ein Kind, bis er reden konnte40)Es beweiſen dieſes folgende Stellen der Pandecten: L. 65. §. 3. D. ad SCtum Trebell. L. 70. D. de Verb. Obligat. L. 2. D. rem. pup. ſalv. fore. L. 30. §. 2. 4. et 6. D. de fid. libertat. junct. L. 1. §. 15. D. de magiſtr. conv. L. 9. D. de acquir. hered. L. 217. D. de Verb. Signif. L. 5. D. de R. I. In allen dieſen Geſetzſtellen heißt infans is, qui fari non poteſt. Zwar finden ſich ein paar Stellen in den Pandecten, in welchen der fuͤr die Periode der Kindheit be -ſtim -. Kr. M 5Ar -1861. Buch. 6. Tit. §. 130.Arcadius hob jedoch dieſe Ungewißheit des alten Rechts auf, und verordnete, daß ein Menſch bis in das ſiebende Jahr ſeines Alters fuͤr ein Kind gehalten werden ſollte41)L. 8. Cod. Theod. de bon. matern. ; bey welcher Beſtimmung es auch die nachfolgenden By - zantiniſchen Kaiſere gelaſſen haben42)L. 18. pr. et §. 4. Cod. Iuſt. de iure deliber. . Diejenigen, ſo die Kinderjahre bereits uͤberſchritten haben, (infantia maiores) werden wieder in Unmuͤndige (impuberes) und Muͤndige (puberes) eingetheilt. Unmuͤndig iſt eine Mannsperſon vor zuruͤckgelegten vierzehnten; eine Weibs - perſon aber vor zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre. In peinli - chen Faͤllen kommt jedoch dieſer Unterſchied des Geſchlechts nicht in Betracht, denn in ſolchen werden alle diejenigen noch fuͤr unmuͤndig gehalten, welche das vierzehnte Jahr ihres Alters noch nicht erreicht haben43)Art. 164. der Peinl. Gerichts Ord. Carls V. Conf. de boehmer in Meditat. ad art. 164. C. C. C. und Eben - derſelbe in Obſervat. ad Carpzovium P. III. Quaeſt. 143. Obſ. I. . Dieſe Impuberes ſind nun entweder infantiae proximi, oder pu - bertati proximi. So gewiß aber die Geſetze dieſen Unter - ſchied anerkennen44)§. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 13. §. 1. D. de dolo mal[e]. L. 111. D. de div. Reg. iuris. , und ſo wichtig derſelbe in Anſe -hung40)ſtimmten ſieben Lebensjahre bereits Erwaͤhnung geſchiehet, naͤm - lich L. 1. §. 2. D. de adminiſtr. tut. und L. 14. de ſponſal. Allein die Hand des Tribonians iſt darin unverkennbar, wie ſchon Iac. gothofredus in Commentar. ad L. 8. Cod. Theod. de bonis matern. bemerkt, und Moller in der an - gefuͤhrten Diſſertat. Cap. I. §. 3. augenſcheinlich dargethan hat.187De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. hung ſeiner Wirkungen iſt45)Man bedenke z. B. was L. 111. cit. ſagt: pupillum, qui proximus pubertati ſit, capacem eſſe et furandi, et iniuriae faciendae. , ſo wenig treffen wir je - doch davon irgendwo in den Geſetzen eine deutliche und gewiſſe Beſtimmung an. Kein Wunder, wenn daher die Rechtsgelehrten uͤber dieſen Punct nicht mit einander einverſtanden ſind46)Die verſchiedenen Meinungen pruͤft moller in der ange - fuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 1.. Den mehrſten Beyfall ſcheint je - doch die Meinung des Accurſius gefunden zu haben47)Ihm ſtimmen bey, auſſer unſern Verfaſſer, donellus ad L. 127. D. de Verb. Obl. vinnius ad §. 10. Inſt. de inutil. ſtipulat. huber Praelect. ad tit. Dig. de ſtatu hom. §. 6. cocceji iur. civ. controv. Tit. de pactis Qu. 29. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen S. 73. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 70.. Dieſer theilt die ganze Zeit von zuruͤckgelegter Kindheit an, bis zur Pubertaͤt in zwey gleiche Theile. Haben Pu - pillen die eine Haͤlfte dieſes Zeitraums zuruͤckgelegt, ſo nennt er ſie pubertati proximos, in dem entgegen geſetzten Fall aber infantiae proximos. Jedoch macht er einen Un - terſchied in Anſehung des Geſchlechts, naͤmlich wenn ei - ne unmuͤndige Weibsperſon noch nicht 9½, eine unmuͤndi - ge Mannsperſon aber noch nicht 10½ Jahr alt iſt, ſo ſeyn ſie infantiae proximi; haben ſie aber dieſe Jahre ſchon er - reicht, pubertati proximi. Allein meines Erachtens laͤßt ſich dieſer Maasſtab mit dem Geiſt der Geſetze nicht ver - einbaren. Sehr weißlich nehmen die Geſetze hier keine gewiſſe Zahl von Jahren an, ſondern wollen vielmehr al - les auf das Maaß der Leibes - und Seelenkraͤfte ankom - men laſſen, die ſich denn aber freylich bey dem einen jun - gen Menſchen fruͤher bey dem andern ſpaͤter entwickeln. So lange ſich nun alſo Unmuͤndige noch in dem Zuſtandder1881. Buch. 6. Tit. §. 130.der ihrem zarten und jugendlichen Alter natuͤrlichen Ein - falt und koͤrperlichen Schwaͤche befinden, wo man bey ihren Handlungen ſo wenig eine Ueberlegung und Bos - heit, als Kraͤfte zur Ausfuͤhrung derſelben annehmen kann, vielmehr ihre Handlungen uͤberall noch das Ge - praͤge der jugendlichen Leichtſinnigkeit und des Unverſtan - des an ſich tragen, ſo ſind ſie, ohne daß es dabey auf eine beſtimmte Zahl der Jahre ankommt, infantiae proxi - mi, haben aber Unmuͤndige ſchon ein ſolches Maas von Leibes - und Seelenkraͤften erreicht, daß man bey ihren Handlungen Einſicht, bedachtſame Ueberlegung, ja Arg - liſt und Bosheit wahrnimmt, ſo ſind ſie pubertati proxi - mi. Dies iſt die Meinung eines Coraſius48)Miſcellaneor. lib. VI. cap. 23., Goͤd - daͤus49)de contrah. ſtipulat. cap. 7. n. 204., Robertus50)Receptar. Lectionum lib. II. cap. 17. und anderer51)S. moller cit. Diſſert. Cap. II. §. 1. S. 23. beruͤhmter Rechtsgelehrten, welche Jacob Gothofred52)in Commentar. ad L. 111. D. de Reg. Iuris. fuͤr die allerrichtigſte haͤlt, und welcher auch Joſeph Avera - nius53)Interpretation. iuris Lib. II. cap. 14. n. 1. Ich kann nicht umhin, die Worte dieſes eleganten Rechtsgelehrten meinen Le - ſern ſelbſt vor Augen zu legen. Infantiae proximus a proxi - mo pubertati diſtinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal - liditate, malitia. Certiſſimo argumento eſſe poteſt, quod Ve - teres in his diſtinguendis numquam aetatis, ſemper intellectus, et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha - bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut eſſ - doli ac delicti capaces, aut non eſſe. L. 111. D. de R Iur. §. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1. §. 15. D. depoſiti. Quoniam vero ingenii vis in aliis citius,in ſeinen Beyfall giebt. Sie iſt auch in Wahr -heit189De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. heit diejenige Meinung, die ſowohl mit dem roͤmiſchen als teutſchen Geſetzen am meiſten uͤbereinſtimmt. Denn die Geſetze des roͤmiſchen Rechts unterſcheiden bey Unmuͤn - digen, die die Kinderjahre ſchon zuruͤckgelegt haben, zwi - ſchen ſolchen, welche Einſicht und Verſtand (intellectum) haben, und ſolchen, die denſelben noch nicht haben54)§. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. ; desgleichen zwiſchen ſolchen, die einer Bosheit und eines Verbrechens faͤhig ſind, und ſolchen, die es nicht ſind55)L. 13. §. 1. D. de dolo malo. L. 1. §. 15. D. depoſiti. L. 111. princ. D. de Reg. Iur. . Sie erfordern ferner von einem pubertati proximo, daß er nicht mehr weit von der Pubertaͤt entfernt ſey56)L. 14. D. ad SCtum Silanian. . Hiermit ſtimmt auch die peinliche Gerichtsord - nung Carls V.57)Art. 164. Vortreflich erklaͤrt dieſe Stelle der ſel. Hofrath Meiſter in den rechtlichen Erkenntniſſen und Gutachten in peinlichen Faͤllen, I. Th. Deciſ. VI. n. 18. wenn er ſagt, daß die P. G. O. unter den pubertati proximis, die nahe bey vierzehn Jahren alt ſind, nicht alle junge Leute, die von ihrem ſiebenten Jahre an, die Helfte zu ihrem vierzehn - ten Jahre zuruͤckgelegt haben, als welche Berechnung des Alters ohnehin von den Geſetzen nicht vorgeſchrieben ſey, ſondern, wie der Augenſchein lehre, ſolche Perſonen, die bereits im vierzehnten Jahre ſtehen, aber ſolches noch nicht zuruͤckgelegt haben, oder hoͤchſtens auch die, welche in ihrem dreyzehn - ten Jahre dem Eintritte des vierzehnten nahe ſind, verſtehe. uͤberein, welche unter den pubertatipro -53)in aliis ſerius perficitur: idcirco a Veteribus nulla certa aetas eſt definita. Quamobrem exiſtimaverim, veroſimillimam eſſe ſententiam eorum, qui putant, id totum arbitrio iudicis committendum. L. 1. §. ult. D. de iure delib. 1901. Buch. 6. Tit. §. 130.proximis ſolche Perſonen verſtehet, die nahe bey vier - zehn Jahren alt ſind.
Muͤndig (Puberes) werden nun hingegen Perſonen maͤnnlichen Geſchlechts mit dem zuruͤckgelegten vierzehn - ten, Perſonen weiblichen Geſchlechts aber mit dem eben - falls zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre genennt. Warum Weibsperſonen zwey Jahre eher die Pubertaͤt erreichen, iſt wahrſcheinlich dieſe, weil ſie ehe die Zeugungsfaͤhig - keit erlangen, und zum Eheſtande reif werden, als Manns - perſonen, und da das Temperament allerdings auch auf den Verſtand wirkt, ſo glaubten die Alten, daß ſie auch eher geſcheid wuͤrden, als die Mannsperſonen58)S. huber in Digreſſionib. Iuſtinian. lib. II. cap. 13.. Ob nun gleich die Pubertaͤt in Anſehung der Weibsperſonen ſchon vor Juſtinian durch ein gewiſſes Geſetz, naͤmlich durch die Lex Papia Poppaea beſtimmt war59)dio cassius lib. LIV. pag. 531. heineccius in Commen - tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V. §. 2. S. 181. u. folg. merillius in Obſervat. lib. V. cap. 17, Daher kommen ſo viele Stellen in den Pandekten vor, in welchen geſagt wird, daß Weibsperſonen nicht eher als nach zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre mannbar, und tuͤchtig waͤren, ſich zu verehelichen. S. L. 4. de ritu nuptiar. L. 32. § 27, D. de donat, inter vir. et uxor. L. 17. §. 1. de rebus auct. iud. poſſid. Dieſes anfaͤnglich blos wegen der Ehen geſetzlich beſtimmte Alter der weiblichen Muͤndigkeit wurde in der Folge durch die Gutachten der roͤmiſchen Rechtsgelehrten in allen uͤbrigen buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, wo von Muͤndigkeit der Weibsperſonen die Frage iſt, feſtgeſetzt. Z. B. bey Teſta - menten, Pupillar-Subſtitution, Tutelen u. d. L. 5. D qui teſtam. fac. poſſ. L. 2. pr. D. de vulg. et pup. ſubſtitut. L. 11. pr. quod falſ. tutore. L. 3. de cenſib. ; ſo fehlte es doch an einer ſolchen geſetzlichen Beſtimmung in An - ſehung der maͤnnlichen Pubertaͤt vor den Zeiten Juſti -nians191De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. nians gaͤnzlich, daher waren die roͤmiſchen Rechtsgelehr - ten uͤber dieſen Punkt ſehr verſchiedener Meinung60)Man ſehe merillius Obſervat. lib. I. cap. 22. lib. V. cap. 16. lib. VIII. cap. 29. bynckershoek Obſervat. iuris Rom. lib. III. cap. 24. Ulr. huber Digreſſion. Iuſtinian. lib. III. cap. 13. et 14. grotius Florum ſparſione ad Ius Iuſtin. p. 30. de ludwig Different iuris in aetate puberum et maiorum. Halae 1725. gundling in Gundlingianis XXIV. Stuͤck. N. 2. S. 340 — 366. mascov de Sectis Sabinianor. et Proculejanor. Cap. IX. §. 2. ſqq. . Die Caßianer wollten die Pubertaͤt bey Mannsperſonen aus der Beſchaffenheit des Koͤrpers und der Zeugungs - faͤhigkeit beurtheilt wiſſen, und glaubten daher, daß hier - zu eine Beſichtigung noͤthig ſey61)ulpian. Fragm. tit. XI. §. ult. princ. Inſt. quib. mod. tut. finit. . Die Proculejaner hingegen hielten mit Hippocrates und den Stoikern, ohne weitere Beſichtigung, uͤberhaupt ein Alter von vier - zehn Jahren zur maͤnnlichen Pubertaͤt hinreichend62)plutarch lib. V. de placit. Philoſophor. c. 24.. Priscus, ob Neratius oder Javolenus? weiß man nicht, ſuchte jene beyden ſtreitende Secten dadurch zu vereinigen, daß er zwar in Anſehung der Ehemuͤn - digkeit die Meinung der Caßianer, in allen uͤbrigen Faͤllen hingegen, wo es ſonſt auf Muͤndigkeit ankommt, z. B. bey Errichtung eines letztern Willens, die Mei - nung der Proculejaner annahm, und auf ſolche Art gleichſam das Mittel zwiſchen jenen zwey Extremen hielt. Dieſe Meinung muß vor Juſtinians Zeiten den meiſten Beyfall gefunden haben. Man ſiehet dies wenigſtens daraus, weil uͤberall in den Geſetzen der Pandecten, wo von der Muͤndigkeit der Mannsperſonen zu Errichtung eines Teſtaments, Endigung der Tutel, und in andern buͤrgerlichen Rechtsgeſchaͤften, auſſer der Ehemuͤndig -keit,1921. Buch. 6. Tit. §. 130.keit, die Rede iſt, ein Alter von vierzehen Jahren erfor - dert wird63)L. 5. D. qui teſtam. fac. poſſ. L. 2. pr. et L. 15. D. de vulg. et pupill. ſubſtit. L. 11. pr. quod falſo tut. L. 3. D. de cenſ. Cujaz lib. XXII. Obſervat. cap. 20. und Augu - ſtin lib. III. Emendat. cap. 5. wollen zwar jene Stellen fuͤr interpolirt halten; allein ohne genugſamen Grund, denn auch Paulus Receptar. Sent. lib. III. Tit. IV. §. 1. macrobius in Somn. Scipionis lib. I. c. 6. und tertullianus de vel, virgin. cap. 11. ſtimmen mit denſelben aufs genaueſte uͤber - ein. Daß inzwiſchen die Beſtimmung der Pubertaͤt in An - ſehung der Mannsperſonen bis auf Juſtinians Zeiten zweifelhaft geblieben, zeigt merillius lib. V. Obſervat, cap. 16.. Juſtinian billigte endlich die Lehre der Proculejaner, und ſetzte feſt, daß eine Mannsperſon in allen Faͤllen nach zuruͤckgelegten vierzehnten Jahre eben ſo, wie eine Weibsperſon nach zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre, fuͤr muͤndig gehalten werden ſolle64)L ult. Cod. Quando tut. vel curat. eſſe deſinunt. Princ. I. quib. mod. tut. finit. — Pubertatem autem veteres quidem non ſolum ex annis, ſed etiam ex habitu corporis in maſcu - lis aeſtimari volebant. Noſtra autem Majeſtas dignum eſſe ca - ſtitate noſtrorum temporum exiſtimans, bene putavit, quod in foeminis etiam antiquis impudicum eſſe viſum eſt, id eſt, inſpectionem habitudinis corporis, hoc etiam in maſculos ex - tendere. Et ideo noſtra ſancta conſtitutione promulgata, pu - bertatem in maſculis poſt decimum quartum annum completum illico initium accipere diſpoſuimus: antiquitatis normam in foe - minis bene poſitam, in ſuo ordine relinquentes, ut poſt duo - decim annos completos viripotentes eſſe credantur. . So lang jedoch Weibsperſonen noch nicht das vierzehnte, Manns - perſonen aber noch nicht das achtzehnte Jahr erreicht haben, heißt dieſe Muͤndigkeit nur eine unvollkommene (pubertas minus plena); haben ſie aber jenes Alter erreicht, ſo faͤngt alsdann erſt die voͤllige Muͤndigkeit an. Jedoch iſt dieſe letztere immer nur als eine Aus -nahme193De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. nahme von der Regel anzuſehen. Der Regel nach wird die unvollkommene Muͤndigkeit fuͤr hinreichend gehalten. Die Ausnahme findet in folgenden Faͤllen ſtatt. a) Wenn Jemand adoptiren will, ſo muß er 18 Jahr aͤlter ſeyn, als das Kind65)§. 4. I. de adopt. L. 40. §. 1. D. eodem. . b) Wenn einer Perſon die Alimen - te bis zur erlangten Muͤndigkeit verſprochen oder ver - macht worden ſind66)L. 14. §. 1. D. de aliment. legat. Fuͤrtreflich erlaͤutert die - ſes Geſetz Ios. averanius Interpretat. iuris Tom. II. lib. V. cap. 9. Ich will nur ſeine Paraphraſe n. 5. S. 198. her - ſetzen, welche allein ſchon Aufſchluß geben wird: Non con - ſtituit adrianus generaliter, alimenta usque ad pubertatem praeſtanda pueris et puellis deberi usque ad annum decimum octavum ac decimum quartum: ſed in ſpecie definivit hanc aetatem in pueris, ac puellis, qui trajani inſtituto alimenta accipiebant e publico. Qui conſecuti ſunt Principes, hanc de - finitionem aetatis ſervarunt etiam in novis pueris ac puellis, (d. i. bey denen uͤber die beſtimmte Zahl angenommenen Pfleg - kindern) quibus e publico alimenta praeſtari praeceperunt. De alimentis in teſtamento relictis, aut praeſtandis a privatis us - que ad pubertatem nihil definitum fuerat ab Imperatoribus: ſed ulpianus exemplo alimentorum, quae e publico praeſta - bantur, non incivile eſſe dixit, obſervare hoc tempus aetatis: et formam ab adriano datam publicis alimentis, et ab alexandro severo confirmatam, extendit ad alimenta pri - vata a teſtatoribus relicta: et id, ut ait, intuitu pieta - tis. Mela tentaverat alimenta pueris ac puellis relicta ad tempus pubertatis reſtringere, adductus, ut puto, Imperato - rum exemplo: ſed eius opinionem refutavit ulpianus in ea - dem Lege adde merillium lib. III. Obſervat. cap. 29. Den Unterſchied, den uͤbrigens surdus in Tr. de alimentis priv. legat. Cap. 58. n. 8. zwiſchen armen und reichen macht, ver - wirft mit Recht averanius a. a. O. cap. 10.. c) Darf keine Perſon von we - niger als 18 Jahren zum richterlichen Amt gelaſſen wer -den;Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. N1941. Buch. 6. Tit. §. 130.den; die Sentenz eines ſolchen noch nicht vollkommen muͤndigen Richters gilt nicht. Es waͤre denn, daß er vom Landesherrn geſetzt worden, in welchem Fall man ſeine Faͤhigkeit nicht bezweifeln darf67)L. 57. D. de re iudicat. . d) Wenn zur Entſcheidung eines Rechtshandels ein Eyd vor Gericht abzuleiſten, in dieſem Fall wird nach dem Gerichtsge - brauch bey dem Schwoͤrenden die voͤllige Muͤndigkeit er - fordert68)Vide Autorem §. 793.. Auſſer dieſen Faͤllen kann endlich e) zuwei - len ein beſonderes Geſetz, Vertrag oder Teſtament die voͤllige Muͤndigkeit zur Bedingung feſtſetzen.
Ob nun gleich nach meiner Vorſtellungsart die Minderjaͤhrigkeit eigentlich ein dreyfaches Alter in ſich begreift, naͤmlich 1) die Kindheit, 2) das Alter der Unmuͤndigkeit (pueritia, aetas pupillaris,) und 3) die Muͤndigkeit oder Mannbarkeit (pubertas, ſ. ado - leſcentia);69)S. hofacker in Princip. iuris Rom. Germ. Tom. I, §. 242 — 244. ſo darf ich doch nicht unbemerkt laſſen, daß unſere Geſetze die Minderjaͤhrigkeit haͤufig auch nur in zwey Hauptabſchnitte zertheilen, naͤmlich das Alter der Unmuͤndigkeit, und das Alter der Muͤn - digkeit; das erſtere nennen ſelbige aetas prima, und dieſe begreift alsdann ſowohl die Jahre der Kindheit als des Pupillaralters unter ſich; das andere hingegen wird aetas ſecunda genannt70)L. 30. C. de epiſcop. audient. L. 10. C. de impub. et aliis ſubſtitut[.]L 8. §. 3. C. de bon. quae lib. Man ſehe nach brissonius de Verb. Signiflcat. v. aetas. vorzuͤglich aber Aem. Lud. hombergk zu Bach in Diſſ. de diverſo iure patris in pecu[l]o adventitio pro diverſa liberorum aetate ad L. 8. §. 3. C. de bon. quae lib. Marb. 1753. §. XI. et XII. . Beyde Alter ſind in Anſe -hung195De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. hung ihrer Wirkungen und der davon abhangenden Rech - te gar ſehr verſchieden. Dieſes wird ſich jedoch erſt in der Folge zeigen. Hier will ich nur einige ganz allge - meine Bemerkungen hinzufuͤgen.
I) Kinder werden wegen Mangel an Einſicht deſſen, was ſie unternehmen, von den Geſetzen denen Raſenden und Wahnſinnigen gleichgeachtet71)§. 10. I. de inutilib. ſtipulat. L. 209. D. de Verb. Signif. . Ihre Handlungen koͤnnen daher weder Rechte noch Verbindlichkeiten wirken.
II) Unmuͤndige, die zwar uͤber die Jahre der Kind - heit hinaus, aber doch der Kindheit naͤher, als der Muͤndigkeit, (infantiae proximi) ſind, werden in An - ſehung ſolcher Handlungen, die ihnen zum Nachtheil ge - reichen, z. E. wenn ſie unerlaubte Handlungen begehen, denen Kindern gleichgeachtet; iſt hingegen von der Faͤ - higkeit, Rechte zu erwerben, und andere ſich zu verbin - den, uͤberhaupt davon die Rede, was ihnen zum Nutzen gereicht, ſo haben ſie dieſelben Rechte, welche denen pu - bertati proximis zukommen72)§. 10. I. cit. L. 9. D. de acquir. vel omitt. beredit. .
III) Solche Unmuͤndige hingegen, welche der Muͤndigkeit nahe ſind, (pubertati proximi) werden in Anſehung der Moralitaͤt und Strafbarkeit unerlaubter Handlungen mehr nach dem Rechte der Muͤndigen als der Kinder beurtheilt. Man rechnet ihnen nicht nur gro - be Nachlaͤßigkeit zu, ſondern ſie werden auch ſogar eines boͤſen Vorſatzes faͤhig geachtet73)L. 13. §. 1. D. de dolo malo. L. 111. D. de div. Reg. Iuris. , inzwiſchen pflegt man ſolche junge Delinquenten nicht leicht am Leben zu ſtra -N 2fen1961. Buch. 6. Tit. §. 130.fen74)Peinl. Gerichtsordn. Art. 164., wenn nicht etwa die Bosheit bey ih - nen das Alter erfuͤllen moͤchte75)Nach der ſehr richtigen Erklaͤrung des ſel. Hofr. Meiſters in den rechtl. Erkenntniſſen und Gutachten in peinlichen Faͤl - len 1. Th. Deciſ. VI. n. 21. iſt eine das Alter erfuͤl - lende Bosheit weder aus der Groͤße oder Wiederholung des Verbrechens, noch des dadurch geſtifteten Schadens allein zu beurtheilen, weil auch große Vergehungen leicht aus einem der unbeſonnenen Jugend ſo natuͤrlichen Mangel der Ueber - legung, und dem Leichtſinne erfolgen koͤnnen: ſondern es iſt vielmehr eine ſolche Bosheit, die das Alter erfuͤllt, ſodann vorhanden, wenn ein ſolcher junger Menſch die Groͤße ſeiner vorhabenden Miſſethat mit ihren Folgen genugſam ein - zuſehen im Stande geweſen, und wirklich eingeſehen, und dennoch die Bewegungsgruͤnde, welche ihn davon haͤtten ab - halten ſollen, muthwillig aus den Augen geſetzet; imgleichen wenn er das Verbrechen mit einer ſolchen Argliſt und Schlauig - keit, die einen geuͤbten Verſtand, und bedachtſame Ueberlegung vorausſetzet, ins Werk gerichtet hat. S. auch boehmer ad Carpzovium P. 3. Quaeſt. 143. Obſ. 2. kress in Com - mentar. ad Art 164. not. 4.. In An - ſehung erlaubter Handlungen aber, wenn von deren Ver - bindlichkeit die Rede iſt, hat es zwar keinen Zweifel, daß ein ſolcher Unmuͤndiger mit Zuziehung ſeines Vormun - des alle verbindliche Geſchaͤfte guͤltig eingehen koͤnne; befindet ſich indeſſen derſelbe noch in vaͤterlicher Gewalt, ſo kann er nach roͤmiſchen Rechten nicht verbindlich ge - macht werden, wenn gleich der Vater das Geſchaͤft ge - nehmiget76)§. 10. I. de inutil. ſtipulat. — Sed qui in poteſtate pa - rentis eſt impubes, ne auctore quidem patre obligatur, add. L. 141 §. 2. D. de Verb. Oblig. . Es ſtimmen jedoch die heutigen Rechts - lehrer darin uͤberein, daß heutiges Tages dieſer Unter - ſchied nicht ſtatt finde, ſondern die Einwilligung des Va - ters bey den rechtlichen Geſchaͤften eines Unmuͤndigeneben197De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. eben ſo verbindlich, als die Auctoritaͤt des Vormunds, ſey77)arg. L. 18. in fin. Cod. de iure delib. L ult. §. 4. in fin. Cod. de bonis, quae lib. Man ſehe vinnius in Commentar. ad Inſtitut. ad §. 10. n. 6. Inſt. de inutilib. ſtipulat. und zoesius in Commentar. ad eundem §. 10. Inſtitut. S. 519..
Die Minderjaͤhrigkeit dauert uͤbrigens nach roͤmi - ſchen Rechten bis zum Ende des fuͤnf und zwanzigſten Jahres. Dieſe Beſtimmung gruͤndet ſich auf das Laͤto - riſche Geſetz78)Verfaſſer und Zeitalter dieſes Geſetzes ſind nicht gewiß. Gewoͤhnlich ſchreibt man es dem Tribun M. Laͤtorius Plancianus zu, und ſetzt es ins Jahr der Erb. Roms CCCCXC. S. Io. Hieron. hetzer Diſſ. ad Legem Laetoriam. Lipſiae 1749., welches daher auch von den Alten lex quinavicennaria79)L. 2. C. Th. de donat. (lib. VIII. tit. 12.) plautus in Pſeudolo Act. 1. Sc. 3. v. 68. 69. genennet wird. Hier findet kein Un - terſchied des Geſchlechts ſtatt, denn auch Weibsper - ſonen, wenn ſie gleich fruͤher die Pubertaͤt erreichen, werden doch, eben ſo wie Mannsperſonen, erſt nach zu - ruͤckgelegten fuͤnf und zwanzigſten Jahre majorenn. Die Alten nahmen naͤmlich hundert Jahre fuͤr das hoͤch - ſte Ziel des menſchlichen Lebens an80)L. 56. D. de uſufructu, seneca de brevitate vitae cap. 3. et censorinus de die natali cap. 17.. Haͤtte nun der Menſch das erſte Viertel dieſer Lebenszeit zuruͤckgelegt, ſo habe er dasjenige Maas von Leibes - und Seelenkraͤf - ten erlangt, welches erfordert werde, um ſich und ſein Vermoͤgen ſelbſt zu dirigiren. So lehrten wenigſtens Galen und Hippocrates, und es ſcheint, daß Laͤtorius ihre Lehre befolgt habe81)S. moller cit. Diſſertat. Cap. V. §. 2. Hieraus erklaͤrt ſich, wenn Ulpian in L. 1. §. 2. D. de minorib. ſagt: poſthoc. In Teutſchland iſt zwarN 3die -1981. Buch. 6. Tit. §. 130.dieſer Termin der Majorennitaͤt nicht uͤberall angenom - men; denn es giebt Laͤnder, wo die Großjaͤhrigkeit ſchon vor dem 25. Jahre, zuweilen im 21ſten wie z. B. in Sachſen, zuweilen auch noch fruͤher, eintritt; inzwiſchen bleibt doch der roͤmiſche Termin immer die Regel, wo es an beſondern teutſchen Vorſchriften mangelt.
Zuweilen ergaͤnzt auch der Landesherr den Mangel der Volljaͤhrigkeit durch ein Privilegium, welches man veniam aetatis nennt82)Nic. myler ab ehrenbach Etologia. Tub. 1664. 4. de cramer D. de iure principis concedendi veniam aetatis (in Opuſc. Tom. II. p. 572.) Io. Car. koenig Differentiae iuris Rom. et Germ. in concedenda venia aetatis. Marburg 1753.. Nach dem roͤmiſchen Rechte werden hierzu wenigſtens 20 Jahre bey einer Manns - perſon, und 18 Jahre bey einer Weibsperſon, im - gleichen Zeugniſſe uͤber die gute Auffuͤhrung und den or - dentlichen Lebenswandel des Supplicanten erfordert83)L. 2. Cod. de his qui veniam aetatis. S. Andr. van dam Diſſ. ad Legem ſecundam Cod. de his, qui veniam aetatis im - petrarunt. Lugduni Batavor. 1785. 4.. Wer dieſes Privilegium erhalten hat, wird hierdurch zwar von der Curatel frey, ehe er noch 25 Jahr alt iſt, und genießt in ſofern die Rechte der Volljaͤhrig - keit, daß er nun alles ohne Curator thun kann, was er zuvor nicht anders, als mit Einwilligung des Curators, guͤltig thun konnte. Allein die freye Dispoſition uͤber ſein unbewegliches Vermoͤgen bekommt der Impetrant anders nicht, als wenn ihm ſolche zugleich und ausdruͤck -lich81)hoc tempus (XXV. annor. ) virilem vigorem compleri; und wenn in den Geſetzen von denen, die die Großjaͤhrigkeit er - reicht haben, geſagt wird, ſie waͤren ad ſuam aetatem, ad ſtatum ſuum gekommen. L. 2. D. de negot. geſt. L. 77. §. 14. D. de legat. 2. Eben deswegen wird auch die Majorennitaͤt in unſern Geſetzen aetas perfecta, plena, robuſta, genennt. S. brissonius de Verbor. Signif. v. actas. 199De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. lich verliehen worden iſt. Dies nennt man die voll - kommene oder auſſerordentliche Jahrgebung. Ohne dieſelbe iſt die Einwilligung der Obrigkeit erforderlich, wenn ein ſolcher Minderjaͤhriger, der durch ein landesherr - liches Privilegium fuͤr majoreun erklaͤrt worden iſt, un - bewegliche Guͤter verkaufen oder verpfaͤnden will84)L. 3. Cod. de his, qui ven. aet. . Auch bleibt ihm der Charakter der Minderjaͤhrigkeit, wenn von Uebernehmung einer Vormundſchaft85)S. wildvogel Diſſ. de tutore minore, qui veniam aeta - tis impetravit. Ienae 1674. Struben rechtliche Bedenken III. Th. Bed. 32., oder eines andern oͤffentlichen Amts, wozu die geſetzliche Voll - jaͤhrigkeit erfordert wird, die Rede iſt86)myler cit. libro cap. VI. et VII. . Gleichwie denn auch die venia aetatis demjenigen nichts hilft, dem etwas unter der Bedingung der Großjaͤhrigkeit in einem letzten Willen iſt vermacht oder geſchenket worden. Da - her iſt ein ſolcher Menſch, der veniam aetatis erhalten hat, in verſchiedener Ruͤckſicht majorenn und minorenn zugleich87)Ern. Io. Frid. Mantzel Diſſ. de eo, qui eſt maior - et minorennis ſimul. Roſtochii 1747. 4..
Die Volljaͤhrigen werden nun wieder in junge und alte Perſonen88)Ge. Ad. struv de iuribus ac privilegiis ſenectutis. Ienae 1664. Ern. Gottfr. Chriſt. klügel Diſſ de Senectute non honorata, praeſ. Andr. Flor. rivino Vitembergae habita 1759. et Chriſt. Henr. breuning Diſſ. quatenus ſenectus liberet a contumacia, ſi citatus non compareat. Lipſiae 1772. eingetheilt. Wenn aber das Alter (Senectus) ſeinen Anfang nehme, haben unſere Geſetze nirgends allgemein beſtimmt; es war auch in der ThatN 4nicht2001. Buch. 6. Tit. §. 131.nicht moͤglich, einen allgemeinen Termin fuͤr das eintre - tende Alter feſtzuſetzen, weil die Erfahrung lehrt, daß ſich daſſelbe bey dem einen fruͤher, bey dem andern ſpaͤter, aͤuſſert. Es kommt alſo hierbey alles auf das Ermeſſen des Richters an89)zacchias Quaeſtion. Medico-Legal. Lib. I. Tit. 1. Qu. 9. carpzov Pract. rer. crim. P. III Qu. 144. n. 13., welcher bey ſeinem Urtheil uͤber das Alter eines Menſchen vorzuͤglich auf die Leibes - und Ge - muͤthskraͤfte deſſelben zu ſehen hat90)Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 56. u. folgg.; wenn nicht etwa die gemeinen oder beſondern Rechte in dieſem oder jenem Fall beſonders beſtimmt haͤtten, wenn ein Menſch fuͤr alt gehalten werden ſolle. So z. B. nehmen die roͤmiſchen Geſetze an, daß man nach zuruͤckgelegten ſechzigſten Jahre zum Zeugungsgeſchaͤft nicht mehr aufgelegt ſey, und erlauben daher, in einem ſolchen Alter zu adoptiren91)L. 15. §. 2. D. de adoption. . Sie ſprechen ferner denjenigen, welcher ſiebenzig Jahr alt iſt, von der Uebernahme der Vormundſchaften frey92)§. 13. Inſt. de excuſat. tutor. L. 2. §. 1. D. eodem. L. 3. D. de iure immunitat. L. un. Cod. qui aetate ſe excuſant. u. ſ. w. In Sachſen wird ein Menſch fuͤr alt gehalten, wenn er das ſechzigſte Jahre uͤberſchritten hat93)Saͤchſiſch Landrecht B. I. Art. 48..
Perſonen, welche von der vaͤterlichen Gewalt frey, aber noch unmuͤndig ſind, werden Pupillen, Muͤndel oder Muͤndlinge94)L. 239. pr. D. de Verb. Significat. pupillus eſt, qui, cum impubes eſt, deſiit in patris poteſtate eſſe aut morte, aut emancipatione. genennt. Solche junge Leute, wennſie201De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſie auch uͤber die Jahre der Kindheit hinaus ſind, haben doch noch nicht diejenige Ueberlegung und Einſicht, um ſich ſelbſt, und ihrem Vermoͤgen vorzuſtehen. Sie koͤn - nen in rechtlichen Geſchaͤften auch noch keinen vollkom - menen und verbindlichen Conſens fuͤr ſich erklaͤren. Es iſt vielmehr ein Mangel in ihrer Perſon vorhanden, der durch die Auctoritaͤt eines Beyſtandes ergaͤnzet werden muß. Pupillen muͤſſen alſo einen Vormund bekommen, der die Aufſicht uͤber ihre Perſon und Guͤter fuͤhrt. Dies er - heiſchet ſelbſt das Wohl des Staats, damit ſolche junge und noch unverſtaͤndige Leute nicht um ihr Vermoͤgen kom - men. Ob nun gleich Puberes nach roͤmiſchen Geſetzen fuͤr ſolche Perſonen angeſehen werden, die ſich auch oh - ne Beyſtand verbindlich machen koͤnnen95)L. 101. D. de Verb. Oblig. L. 3. Cod. de in int. reſtitut. minor. Io Guil. marckart Interpretat. receptarum iuris civ. lectionum lib. I. cap. 21. ſagt daher ganz richtig: Pubes eſt integra perſona, quae integrum conſenſum declarare poteſt, quod ad obligandum minorem ſufficit. Curatoris conſenſus id efficit, ut difficilior fiat reſtitutio. ; (perſonae in - tegrae) ſo fehlt es ihnen doch an Erfahrung und genug - ſamer Faͤhigkeit zu ihrer eigenen Leitung, ſie koͤnnen da - her leicht hintergangen werden. Die Geſetze haben des - wegen in Anſehung ihrer eine Curatel (cura mino - rum) nicht nur einzufuͤhren fuͤr gut befunden, ſondern geben ihnen auch im Fall erlittener Verletzung die Rechts - wohlthat der Wiederherſtellung in vorigen Stand. Hier - von wird zu ſeiner Zeit mit mehrern gehandelt werden.
Diejenigen Perſonen hingegen, welche der Gewalt eines Hausvaters unterworfen ſind, (homines alieni iuris) warenN 5bey2021. Buch. 6. Tit. §. 132.bey den Roͤmern theils Kinder vom Hauſe (filii filiaevefa - milias,) theils Sclaven und Sclavinnen. Unter beyden war ein merklicher Unterſchied. Sclaven wurden in Ab - ſicht des Staats fuͤr keine Perſonen angeſehen, und hatten uͤberall keine buͤrgerlichen Rechte im Staate. (S. 231. u. folg.)96)L. 20. §. 7. D. Qui teſtam. fac. poſſ. Conf. Ioſ. finestres Hormogenian. T. I. S. 253.. Allein Filii familias waren in Ruͤckſicht des Staats freye Menſchen und Buͤrger. Sie hatten alle Rechte und Pflichten roͤmiſcher Buͤrger. Sie konn - ten daher oͤffentliche Aemter im Staate bekleiden; zu Vor - muͤndern unmuͤndiger Kinder beſtellet werden97)L. 9. D. h. t. Princ. Inſt. qui teſtam. tutores dari poſſ. L. 6. in fin. D. quod cuiusq. univ. L. 2. D. de munerib. , und wenn ſie nur ſonſt iuſtae aetatis waren, mit allen und jeden Perſonen auſſer der Familie Contracte ſchlieſ - ſen, auch nach dem civil Recht daraus verpflichtet wer - den98)§. 6. I. de inutil. ſtipulat. L. 39. D. de obligat et action, L. ult. §. 2. D. de Verb. Obligat. L. 18. D. de caſtrenſi pecul. L. 6. et ult. Cod. de bon. quae lib. §. 4. I. et L. 2. D. quod cum eo qui in aliena poteſt. . Bekleidete der Sohn ein obrigkeitliches Amt, ſo hatte ihm in Sachen, die die Verwaltung deſſelben angiengen, der Vater nicht nur nichts zu befehlen, ſon - dern es konnte im Gegentheil der Sohn von Amtswegen dem Vater Befehle ertheilen, und ihn zu ſeiner Schul - digkeit anhalten99)L. 13. §. ult. L. 14. D. ad SCtum Trebell. S. I. Th. die - ſes Commentars §. 13. S. 96. 97.. Allein im Verhaͤltniß gegen den Paterfamilias, deſſen Gewalt beyde unterworfen waren, finden wir eine Aehnlichkeit unter beyden. Doch getraue ich mir nicht mit unſern Hrn. Verfaſſer zu behaupten, daß ihr Zuſtand, in dieſem Verhaͤltniß betrachtet, voͤlliggleich203De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. gleich geweſen. Es iſt wahr, daß Kinder, die der Vater noch in ſeiner Gewalt hatte, in allen Faͤllen innerhalb der Familie nicht als Perſonen angeſehen wurden, ſondern, wie die Sclaven, ſich gewiſſermaßen in dem Eigenthum des Vaters befanden100)caius lib. I. Inſt. Tit. 6. §. 3. L. 1. §. 2. D. de Ret Vindicat. L. 14. §. 13. D. de furt. Weber Entwickelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit. 3. Abth. §. 88. S. 31. Ioſ. finestres Hermogenian. Tom. I. S. 533.; daher konnte der Paterfami - lias durch ſeine Kinder, wie durch ſeine Sclaven, acqui - riren1)Pr. et §. 1. I. per quas perſonas cuique acquir. ; zwiſchen dem Vater und den Kindern, die noch unter ſeiner Gewalt ſtanden, konnte keine buͤrgerliche vollguͤltige Verbindlichkeit ſtatt finden2)Es iſt eine bloße natuͤrliche Verbindlichkeit, wel - che nach roͤmiſchen Rechten zwiſchen den Vater und ſeinen Kindern eintreten kann. Hierher gehoͤrt vorzuͤglich die bekann - te Stelle aus den Schriften des Afrikanus in L. 38. D. de condict. indeb. welche ſo viele Ausleger von Zeit zu Zeit beſchaͤftiget hat. Die einzelen Schriften findet man im li - penius und Schotts Supplement. unter condictio indebiti. Jedoch vermiße ich Chriſtoph. David. gerlach Diſſ. unter dem Titel: celeberrima atque Intricata Lex frater a fratre 38. princ. D. de condict. indebiti noviter ac dilucide explicata. Tubingae 1738. 4. Vorzuͤglich empfehle ich aber Iac. cuja - cius ad Africanum Tract. IX. ; ſie konnten kei - ne Vertraͤge unter einander ſchlieſſen3)§. 6. I. de inutil. ſtipulat. ; keinen gerichtlichen Proceß mit einander fuͤhren4)L. 4. D. de iudic. L. 7. D. de Obl. et Acr. . Denn Vater und Kin - der wurden nicht als verſchiedene, ſondern als eine Perſon angeſehen5)merillius lib. III. Obſervat. cap. 4. . Allein dem ungeachtet hatten doch Kinder vom Hauſe Familienrechte, welche mit dem wichtigſten Vortheilen verbunden waren. In dieſerRuͤck -2041. Buch. 6. Tit. §. 133.Ruͤckſicht wurden die Kinder ſchon bey Lebzeiten des Va - ters gewiſſermaßen als Herrn des vaͤterlichen Vermoͤgens angeſehen, und wurden daher nach des Vaters Tode ip - ſo iure Erben deſſelben, ohne daß eine Erklaͤrung und Erbſchaftsantretung hierzu noͤthig war6)Siehe oben S. 173. und folg. auch aueranius Interpretat. iuris Lib. I. cap. IX. vorzuͤglich aber Ioſ. finestres in Prae - loctionib. Cervar. ſ. Commentar. academ. ad Tit. Pandectar. de liberis et poſthumis Part. I. Cap. II. §. 7 — 11.. Alſo war doch wohl, wenigſtens in Ruͤckſicht dieſes Familienrechts, der Zuſtand der Kinder beſſer, als der Zuſtand der Sclaven.
Da Filii und Filiaͤ Familias unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen, ſo giebt uns dies Veranlaſſung, dieſe wich - tige Lehre7)Die vorzuͤglichſten Schriften ſind Phil. paschalis de viri - bus patriae poteſtatis. Uratislaviae 1672. fol. Pet. aerodius de iure patrio (adiect. eiusdem Pandect. rer. iudicat.) Abrah. a kerckraad de iure patrio Vltraj. 1708. 8. thomash Diſſ. de uſu practico Tit. Inſtitut. de patria poteſtate. Beſon - ders Hanns Ernſt von Globig Preißſchrift uͤber die Gruͤnde und Graͤnzen der vaͤterlichen Gewalt. Dresden und Leipzig 1789. 8. jetzt abzuhandeln. Wir muͤſſen nun zufoͤr - derſt die wahre Beſchaffenheit der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt mit ihren Veraͤnderungen und Modificationen kennen lernen, die ſie durch die neuern roͤmiſchen Geſetze erlitten hat.
Nach aͤltern roͤmiſchen Rechten war die vaͤterliche Gewalt ein alleiniges Vorrecht des roͤmiſchen Hausva -ters205De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ters8)Ius poteſtatis, quod in liberos habemus, ſagt iustinianus §. 2. I. de patr. pot. proprium eſt civium Romanorum: nulli enim alii ſunt homines, qui talem in liberos habeant poteſta - tem, qualem nos habemus. Ueber den eigentlichen Sinn die - ſer Worte vergleiche man den Ianus a costa in Comment. ad h. §. 2.. Die Hausmutter hatte daran keinen Antheil9)ulpian. Fragm. Tit. VIII. §. 8. L. 5. C. de adopt. . Denn da der Paterfamilias als das Haupt der Fami - lie angeſehen wurde, deſſen Herrſchaft alle zur Familie gehoͤrige Perſonen unterworfen waren, ſo ſchien es un - ſchicklich zu ſeyn, der Mutter einen Antheil an der vaͤter - lichen Gewalt zu verſtatten, da ſie ſelbſt durch die Ehe in eine ſo ſtrenge Gewalt des Mannes gekommen war, daß ſie in Verhaͤltniß gegen denſelben nur wie eine Fi - lia Familias betrachtet wurde10)S. oben die Not. 33. zum §. 117. Seite 118.. Dieſe vaͤterliche Gewalt war nun Anfangs nach der Verfuͤgung des Ro - mulus beynahe von graͤnzenloſen Umfange. Der Vater hatte nicht nur die haͤusliche Gerichtsbarkeit uͤber ſeine Kinder, und konnte ſogar ein Recht uͤber Leben und Tod derſelben ausuͤben11)Abrah. wielingii Diſſertat, de iure antiquo vitae ac necis parentum in liberos. Amſtelod. 1723. 4. Cornel. van byn - ckershoek Opuſc. de iure occidendi, vendendi, et exponendi liberos apud vet. Romanos in eius Opuſculis varii argumenti Lugd. Batavor 1719. 4. N. III. S. 145 — 231., weßhalb mit Recht die vaͤterliche Gewalt eine maieſtas patria von den Alten12)valerius maximus Lib. VII. c. 7. ex 5. livius lib. IV. cap. 45. genennt wird; ſondern auch ein voͤlliges Eigenthumsrecht ſtund dem Vater uͤber die Perſon und das Vermoͤgen ſeinerKin -2061. Buch. 6. Tit. §. 133.Kinder zu13)Ich weiß zwar wohl, daß dieſes unter den neuern Rechts - gelehrten controvers iſt. Gebauer in Diſſert. I. do patria poteſtate cap. 2. laͤugnet, daß die vaͤterliche Gewalt nach roͤmiſchen Rechte ein Eigenthum geweſen ſey, und dieſe Mei - nung vertheidigen auch Frid. Chriſt. iensen in Diſſert. de pa - tria Romanor. poteſtate pro Gebauero. Suerin Buzov. et Wis - mar. 1784. 8. Chriſt. Aug. guͤnther in Diſſ. de patria vet. Romanor. poteſtate ex iure dominii non repetenda Lipſiae 1786. und Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 81. u. folgg. Hingegen ſtimmen mit mir uͤberein bynckershoeck in Opuſc. cit. cap. I. und Car. Guil. robert de Bynckershoeckii eique contraria Gebaueri doctrina de patria poteſtate Rom. antiqua modeſtum iudicium Wetzlar 1782. 4. und Ebenderſelbe in den kleinen juriſt. Abhandlungen n. II. und dieſe Meinung gruͤndet ſich ſowohl auf das deutliche Zeugniß des dionys. halicarnas. lib. VIII. n. 403. p. 546. in fin (edit Sylburg.) Apud Romanos filiis nullae ſunt poſſeſſiones propriae vivis patribus; ſed licet pa - tribus et pecuniis filiorum et corporibus facere, quod lubet; und des lactantii divinar. Inſtitut. lib. IV. cap 3. als auch darauf, daß Ulpian in L. 195. §. 2. D. de Verb. Signif. dem Paterfamilias uͤberhaupt ein dominium zuſchreibt; die Kinder ferner in den XII. Tafelgeſetzen res genennt werden, ulpian. Fragm. Tit. XI. §. 14. S. gothofred ad Tab. V. c. 1. in IV. Fontib. iuris civ. p. 78. und ihre Entlaſſung aus der vaͤterlichen Gewalt ritu mancipationis interveniente ge - ſchehen mußte. Nun war ja mancipatio nach der Erklaͤrung Ulpians Fragm. tit. 19. §. 3. alienatio rerum mancipi. Ueber alle dem aber waren ja auch die Wirkungen des Eigenthums unverkennbar vorhanden, wie ſchon der §. ſelbſt lehrt.. Denn er konnte die Kinder verkaufen, ja den Sohn dreymal verkaufen, weil er das erſte und zweytemal wieder in die vaͤterliche Gewalt zuruͤckfiel, wenn ihn der Kaͤufer freyließ14)dionys. halicarn. lib. II. n. 73. S. 97.. Ferner dem Vater ge - hoͤrte alles, was die Kinder waͤhrend der vaͤterlichen Ge -walt207De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. walt erwarben15)§. 1. I. per quas perſon. cuique acquir. . Sie hatten ſo wenig, als die Scla - ven, ein Eigenthum. Der Vater konnte das Kind, wenn es durch unerlaubte Handlungen Schaden anrichtete, no - xae dare16)§. 7. I. de noxalib. actionib. , d. i. ſolches zum Schadens-Erſatz dem Be - leidigten an Zahlungsſtatt uͤbergeben; er konnte auch, wenn ein anderer das Kind bey ſich hatte, und es dem Vater vorenthielt, daſſelbe iure Quiritium vindiciren17)L. 1. §. 2. D. de Rei Vindicat. Ueber den wahren Sinn dieſer von vielen mißverſtandenen Stelle ſehe man nach noodt in Commentar. ad Dig. tit. de rei vindicat. Tom. II. Operum pag. 192., oder das Interdictum de liberis exhibendis18)Vid. Tit. D. de liberis exhibendis. (Lib. XLIII. Tit. 30.) anſtellen, welches nach der Meinung des Paulus19)L. 2. §. 2. D. de interdict. gleichfalls ein Eigenthum vorausſetzt. (proprietatis cauſam continet) Durch die XII. Tafelgeſetze und Auctoritaͤt der roͤmiſchen Rechtsgelehrten wurden dieſer vaͤterlichen Gewalt ſogar Wirkungen beygelegt, die ſich noch nach des Vaters Tode aͤuſſern. Dahin gehoͤrt das Recht des Vaters, ſeinen unmuͤndigen Kindern einen Vormund im Teſta - ment zu beſtellen, und denenſelben pupillariter zu ſubſti - tuiren, d. i. ihnen einen Erben auf den Fall zu ſetzen, wenn ſie in der Unmuͤndigkeit ſterben wuͤrden20)Man vergleiche hier vorzuͤglich Ge. Sam. madihn Diatribe iuris civ. viciſſitudines ſubſtitutionis impuberum complexa. Halae 1769. §. §. VIII — X. .
Ob nun gleich die Kinder, ſo lange ſie in der vaͤter - lichen Gewalt waren, nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte nichts Eigenes beſitzen konnten21)Anton faber Coniecturar. iuris civ. Lib. VII. cap. XI. p. 183. ſqq. will zwar behaupten, der Sohn ſey nach dem aͤltern roͤmiſchen Recht alsdann allerdings faͤhig geweſen, et - was Eigenes zu acquiriren, wenn der Vater den Erwerb des Sohns nicht haben wollte. Allein die Beweißſtellen ſind aus den neuern roͤmiſchen Rechten entlehnt.; ſo gab doch zuweilen ein Vater ſeinem Sohne ein Stuͤck Geld in die Haͤnde, oder er ſchafte ihm Waaren an, um damit zu handeln22)Chriſt rau hiſtoria iuris civ. de peculiis. Lipſiae 1770. §. III. folgg.. Ein ſolches Vermoͤgen, was eine Perſon, die unter der Gewalt eines Hausvaters ſtand, von dem Vermoͤgen deſ - ſelben abgeſondert, und auf Rechnung deſſelben beſaß, hieß Peculium23)In einer andern Bedeutung wird dieſes Wort in der L. 79. §. 1. D. de legat. 3. genommen, wenn es daſelbſt heißt: pe - culium appellatur, quod praeſidii cauſa ſeponitur. Hier iſt peculium eben das, was man im Teutſchen einen Noth - Pfennig nennt, wie es auch averanius Interpretat. iuris lib. II. c. 28. n. 15. u. folg. erklaͤrt. In dieſer Bedeutung kann auch ein Paterfamilias ein peculium haben, wovon Chri - ſtoph. Lud. crellii Obſervationes de peculio perſonarum ſui iuris Vitemberg. 1751. 4. zu bemerken ſind. Auſſer dieſen Fall aber laͤßt ſich ein eigentliches Peculium nur bey ſolchen Per - ſonen gedenken, die in der Gewalt eines Patrisfamilias ſte - hen, dergleichen Kinder, Sclaven und ehemals auch Eheweiber waren, die in manum mariti gekommen. S. rav cit. Diſſ. §. 4. 5. 6.. Ulpian24)L. 5. §. 3. D. de peculio. nennt es puſilla pecunia,ſive,209De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſive patrimonium puſillum, jedoch mehr um die urſpruͤng - liche Beſchaffenheit und Unbedeutſamkeit deſſelben, als den Urſprung des Worts dadurch anzuzeigen. Denn das Wort ſelbſt kommt wohl eher von pecus her25)isidorus Origin. Lib. V. c. 25. Peculium a pecudibus dictum eſt, in quibus conſtabat univerſa veterum ſubſtantia. festus ſagt: peculium ſervorum a pecore dictum eſt, ut pecunia patrum familiae. S. menagius Amoen. Iuris cap. 39.; weil der Reichthum der Alten hauptſaͤchlich in Vieh beſtand. Das Kind hatte jedoch nur die Verwaltung des ihm von dem Vater uͤberlaſſenen Peculiums, und konnte zwar mit andern daruͤber Vertraͤge ſchlieſſen26)Vid. Tit. Inſtit. quod cum eo, qui in aliena poteſtate eſt, nego - tium geſtum eſſe dicitur. Der Praͤtor gab aus dem Contract des Sohns eine Klage gegen den Vater, welche actio de pe - culio hieß; von dieſer wird unten ad Tit. de peculio lib. XV. Tit. 1. gehandelt werden., keinesweges aber ſolches verſchenken27)L. 7. pr. D. de donat. Ein anders war es, wenn es der Vater ihm erlaubte, vid. §. 2 dictae L. 7.. Denn Eigenthum und Gewinn gehoͤrten dem Vater. Dieſer konnte es daher auch dem Kinde nach ſeinem Gefallen wieder nehmen, und einem Andern zuwenden28)§. 1. I. per quas perſonas cuique acquiritur. L. 4. pr. D. de peculio. . Daß dem Vater an den Ge - ſchenken, ſo er ſeinen Kindern machte, das Eigenthum verblieb, das gruͤndete ſich nun zwar, den roͤmiſchen Ge - ſetzen nach, zunaͤchſt in der erdichteten Einheit der Per - ſon und des Vermoͤgens, ſo zwiſchen beyden ſtatt fand; allein es laͤßt ſich allerdings mit Grunde behaupten, daß wenn auch jene Einheit der Perſonen und Guͤter nicht le - gal geweſen waͤre, doch noch ein anderer Grund dazu,ſowohlGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. O2101. Buch. 6. Tit. §. 134.ſowohl im Rechte der Natur, als in den roͤmiſchen Rech - ten ſelbſt zu finden ſeyn wuͤrde. Denn wenn der Vater ſeinen noch nicht ausgeſonderten Kindern, die ohnehin noch alles Noͤthige von ihm zu erwarten und zu erhal - ten berechtiget waren, ein Geſchenk machte, ſo konnte er natuͤrlicher Weiſe dabey keine andere Abſicht haben, als daß die Sache erſt dermaleinſt, wenn ſie von dem Va - ter ausgeſondert, und ſich ſelbſt uͤberlaſſen waͤren, ihnen gehoͤren ſollte. Es ſind alſo der Natur nach gleich An - fangs nicht Geſchenke, ſondern blos zu kuͤnftigen Ge - ſchenken beſtimmte Sachen. Dieſer natuͤrliche Rechts - grundſatz wird auch ſchon von den Kaiſern Diocletian und Maximian29)L. 11. Cod. de donationibus. als richtig angenommen, wenn die - ſelben folgendermaßen reſcribiren: non eſt incerti iu - ris, in eum, qui in ſacris familiae tuae remanet, de - ſtinationem magis paternae voluntatis factam, quam per - fectam donationem perveniſſe. Hieraus laͤßt ſich auch erklaͤren, warum dem Kinde das Peculium alsdann un - wiederruflich verblieb, wenn es der Vater bey der Eman - cipation deſſelben nicht zuruͤcknahm30)L. 31. §. 2. D. de donationib. . Die Schenkung die die Mutter ihren Kindern machte, ſo noch in vaͤterli - cher Gewalt waren, war wenigſtens nach dem Rechte der Pandecten31)L 3. §. 4. D. de donat. inter vir. et uxor. Si mater filio, qui in patris poteſtate eſt, donet, nullius momenti erit donatio; quia patri quaeritur. S. Archiv fuͤr die theoretiſche und praktiſche Rechtsgelehrſamkeit herausgege - ben von Hagemann und Guͤnther I. Th. (Braunſchweig 1788. 8.) N. VI. S. 190 — 197. fuͤr die Kinder ohne Wirkung; und das Eigenthum kam an den Vater. Was die Rechte des Codex hierin geaͤndert, wird ad §. 136. gezeigt werden.
Fragt man nun nach den Urſachen, warum man dem Vater in jener Kindheit des roͤmiſchen Staats ſo unbeſchraͤnkte Rechte uͤber die Perſon und Guͤter der Kin - der, ja ſogar das Recht uͤber Leben und Tod derſelben geſtattete; ſo wird ſich daraus ergeben, warum dieſe graͤnzenloſe vaͤterliche Gewalt von keiner langen Dauer habe ſeyn koͤnnen. Denn da eines Theils die Verfaſ - ſung des Gerichtsweſens und die vollſtreckende Gewalt noch ſchwankend und unbeſtimmt war; und andern Theils die Policey, mit ihren gelinden Vorkehrungen, die Gele - genheit zu ſittlichen Ausſchweifungen bey einem ſo rohen Volke ſo wenig verhuͤten als vermindern konnte; ſo war keine andere Stuͤtze der allgemeinen Sicherheit uͤbrig; und man hatte mit Recht das Vertrauen, daß die dem Va - ter in ſeinem Hauſe nachgelaſſene Herrſchaft zur Aufrecht - erhaltung des noch ſchwantenden Staatsgebaͤudes das mei - ſte beytragen wuͤrde, zumal die natuͤrliche Liebe vernuͤnftiger Vaͤter gegen ihre Kinder den Geſetzgebern Buͤrge war, daß die Eltern keinen Mißbrauch mit dieſem ihnen uͤber - laſſenen Recht machen wuͤrden. Denn was Papinian32)L. 22. §. 4. D. ad L. Iul. de adulter. bey einer andern Gelegenheit ſagt: plerumque pietas pater - ni nominis conſilium pro liberis capit, hat die Erfahrung von jeher beſtaͤttiget. Allein, auch ohne jene Ruͤckſicht, war es bey dem neu errichteten roͤmiſchen Staate natuͤr - lich, daß die Haͤupter der Familien, deren jedes einen An - theil an der geſetzgebenden Gewalt hatte, ſich die unbe - ſchraͤnkte Herrſchaft in ihren Haͤuſern vorbehielten, dieO 2ſie2121. Buch. 6. Tit. §. 135.ſie in dem Stande ihrer Unabhaͤngigkeit auszuuͤben ge - wohnt waren. Auch war es um der Auswaͤrtigen wil - len nothwendig, die Rechte des roͤmiſchen Buͤrgers ſo glaͤnzend, als moͤglich, zu machen, um Fremde anzurei - zen, ſich dieſes Buͤrgerrechts theilhaftig zu machen, und durch dieſes Mittel die Bevoͤlkerung des damals noch klei - nen Staats zu befoͤrdern. So wie nun aber Geſetze mit den Zeitumſtaͤnden ſich aͤndern, ſo wurden auch in der Folge mit der veraͤnderten Staatsverfaſſung Roms die Rechte der vaͤterlichen Gewalt ſehr eingeſchraͤnkt. Denn ſo wurde i) dem Vater das Recht uͤber Leben und Tod ſeiner Kinder gaͤnzlich genommen. Die ei - gentliche Zeitperiode, zu welcher dieſes geſchehen, iſt un - gewiß. Gerhard Noodt33)in Iulio Paulo Tom. I. Operum pag. 565. glaubt, es ſey zu den Zei - ten der Kaiſer Valentinian, Valens und Gratian geſchehen34)L. 8 C ad L. Cornel. de Sicar. . Cornelius van Bynkershoͤk35)in Opuſc. de iure occidendi, vend. et exponendi lib. hinge - gen meint, daß ſchon zu Trajans, Hadrians und An - tonins des Frommen Zeiten dem Vater jenes Recht genommen worden ſey. Allein da Hadrian nur den Mißbrauch deſſelben beſtraft hat36)L. 5. D. de Lege Pompeia de parricidio. ſo muß das Recht ſelbſt zu ſeinen Zeiten wohl noch nicht abgeſchaft gewe - ſen ſeyn; und wenn dem Vater durch verſchiedene Se - natusconſulte unter Hadrian die Verbindlichkeit, ſeine Kinder zu ernaͤhren, eingeſchaͤrft worden iſt37)L. 5. pr. et §. 1. D. de agnoſc, et alend. lib. , ſo laͤßt ſich daraus nur ſo viel ſchlieſſen, daß der Vater nicht ha - be tyranniſch uͤber das Leben und Tod der Kinder gebieten duͤrfen. Soviel iſt indeſſen richtig, daß zu den Zeiten des K. Alexander Severus dem Vater dieſes Recht nicht mehrgeſtat -213De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. geſtattet worden iſt. Denn Paulus38)L. 11. in fin. D. de liberis et poſthum. gedenkt deſſel - ben nur als eines ehemaligen Rechts, und K. Alexan - der Severus39)L. 3. Cod. de patr. poteſt. giebt blos dem Vater ein Recht, die Kinder zu zuͤchtigen. Wenn aber vaͤterliche Zuͤchtigun - gen an dem ungerathenen Sohne nichts mehr fruchten, ſondern zur Beſtrafung und Bezaͤhmung deſſelben ſchaͤr - fere Ahndungen noͤthig ſeyn; ſo ſoll das Kind der Obrig - keit uͤbergeben, und dieſer die Beſtimmung einer angemeſſe - nen Strafe uͤberlaſſen werden. Jedoch iſt auch hierbey dem Vater ein gewiſſes Beyſtimmungs - oder Einwilli - gungsrecht vorbehalten worden, vermoͤge deſſen er durch Interceſſion entweder Milderung oder Schaͤrfung der zu - erkannten Strafe bewirken kann40)Dies iſt der Sinn der Worte der angefuͤhrten L. 3. filium Praeſidi provinciae oblaturus, dicturo ſententiam, quam tu quoque dici volueris. .
II) Wurde auch das Recht, die Kinder zu ver - kaufen, eingeſchraͤnkt. Denn der dreymalige Verkauf der Soͤhne ward durch die Rechtsgelehrten zum bloſen Symbol, und als Foͤrmlichkeit bey Emancipation derſel - ben beybehalten. Es kann ſeyn, daß man durch die Grundſaͤtze der Stoicker von der Wuͤrde des Menſchen zuerſt veranlaßt wurde, den Verkauf der Kinder fuͤr un - ſchicklich zn halten. Kr. Conſtantin erlaubte nur allein neugebohrne Kinder zu verkaufen, wenn die El - tern in der aͤuſſerſten Armuth waͤren41)L. 2. Cod. de patribus, qui filios ſuos diſtrax. Io. Phil. dattii diatr. de venditione liberorum occaſione dictae L. 2. Cod. Ulmae 1700. 8. (in Theſ. Meermann. T. II.) . Juſti - nian hob endlich auch die Foͤrmlichkeit des ScheinkaufsO 3bey2141. Buch. 6. Tit. §. 136.bey der Emancipation der Kinder auf42)L. 6. Cod. de emancipat. liberor. . Nicht weni - ger wurde
III) das Recht, die Kinder, wenn ſie durch unerlaubte Handlungen Schaden anrichten, zur Entſchaͤdigung zu uͤbergeben (noxae datio filiorum filiarumque familias) aufgehoben43)§. 7. I. de[ noxalib.] action. . Welcher Vater koͤnnte auch dieſes zugeben, ſagt Juſtinian, da er bey der Ueberlaſſung des Sohnes jederzeit mehr, als der Sohn, verliehret; bey den Toͤchtern aber die Vorſor - ge fuͤr ihre Keuſchheit dergleichen nicht verſtattet.
Beſonders aber iſt auch das Erwerbungsrecht des Vaters durch Einfuͤhrung der mancherley Arten von Peculien43)Io. Tob. carrach Differentiae iuris rom. et germ. in pe - culio in primis filiorum familias. Halae 1745. lauterbach Diſſ. de peculiis filiorum fam. unter den roͤmiſchen Kaiſern ſehr einge - ſchraͤnkt worden. Hier wollen wir jedoch nur uͤberhaupt dieſe Gattungen aus einander ſetzen. Denn die Rechte in Anſehung derſelben werden wir erſt im 15. Buch Tit. I. kennen lernen. Man theilt nun das Peculium oder Sondergut der Kinder, welche noch in vaͤterlicher Gewalt ſind, nach der verſchiedenen Art und Weiſe, wie es erworben wird, in militare und paganum ein. Pecu - lium militare nennt man dasjenige Vermoͤgen, was Kin - der per militiam ſagatam vel togatam erwerben. Mili - tia ſagata heißt der Soldatenſtand oder Kriegsdienſt. Unter der militia togata hingegen verſtehet man die Aus - uͤbung freyer Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, ferner die Ver -wal -215De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. waltung einer oͤffentlichen Civil - oder geiſtl. Bedienung. Da - her iſt nun das militaͤriſche Peculium zweifach a) caſtrenſe, welches der Sohn im Soldatenſtande und bey Gelegenheit des Kriegsdienſtes erworben hat; b) quaſi caſtrenſe, was Kinder durch freye Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, oder durch oͤffentliche Bedienungen und Wuͤrden, die ſie im Staat be - kleiden, erworben haben. Zum peculium caſtrenſe rechnet man 1) was der Vater ſeinem in Kriegsdienſt tretenden Soh - ne zur Equipage geſchenkt hat44)L. 4. pr. et L. 11. D. de peeulio caſtr. L. 1. Cod. de caſtrenſi peculi[o]militum et praefectianor. ; 2) was der Sohn als Soldat im Krieg erbeutet, oder von ſeinem Sold erſpart hat45)L. 11. D. L. 1. Cod. cit. : 3) eine Erbſchaft oder Vermaͤchtniß, ſo ihm von ſeinen Kriegskammeraden iſt hinterlaſſen worden46)L. 5. D. de caſtr. pec. . Iſt ihm von andern eine Erbſchaft oder Legat zugefallen, ſo wird dieſes kein peculium caſtrenſe47)L. 16. §. 1. D. eod. L. 1. C. eodem. , wenn auch gleich der Teſtierer ausdruͤcklich verordnet haͤtte, daß das Ver - maͤchtniß fuͤr ein peculium caſtrenſe angeſehen werden ſolle48)L. 8. D. eodem. . Endlich gehoͤrt auch noch 4) dasjenige hierher, was der Sohn mit dem Gelde, ſo er als Soldat verdient hat, erkauft49)L. 3. D. L. 1. in fin. Cod. eod. . Denn das peculium der Kinder iſt ei - ne univerſitas juris50)L. 20. §. 10. D. de hereditat. petit. Man ſehe uͤbrigens retes de peculio caſtrenſi beym meermann Theſ. iur. civ. et canon. T. VI. , bey welcher die Regel gilt: resO 4in2161. Buch. 6. Tit. §. 136.in locum pretii ſuccedit. Zum peculium quaſi caſtrenſe hingegen rechnet man 1) was der Vater oder ein anderer dem Sohne zum Studieren geſchenkt oder vermacht hat51)S. Io. God. bauer Diſſ. de peculio quaſi caſtrenſi ſtudio - ſorum. Lipſiae 1726. 4. Ein anders, jedoch aus unbedeuten - den Gruͤnden, behauptet Io. Tob. richter in Diſſ. de ſumti - bus ſtudiorum ad peculium quaſi caſtrenſe non pertinentibus. Lipſiae 1752.. 2) Was ein Sohn als Advocat, oder Doctor oder als practiſcher Arzt durch ſeine Kenntniſſe und Wiſſenſchaf - ten erwirbt, oder als Schriftſteller verdient. 3) Was er durch ſeine oͤffentliche Civilbedienung z. B. als Secreta - rius, als Stall - oder Fechtmeiſter, u. ſ. w. oder durch ſeine geiſtliche Wuͤrde oder auch nur bey Gelegenheit der - ſelben erwirbt. 4) Was dem Sohne in Ruͤckſicht ſeiner gelehrten Kenntniſſe und Wiſſenſchaften geſchenkt wird; u. dgl .52)L. 14. C. de advocat. div. iudic. L. fin. Cod. de inoff. teſtam. . Ehe ich weiter gehe, bemerke ich nur noch, daß ſich der eigentliche Urſprung des peculii caſtrenſis und quaſi caſtrenſis mit vollkommener Gewißheit nicht beſtimmen laſſe. Den Urſprung des peculii caſtrenſis wollen einige vom Julius Caͤſar, andere vom Kr. Au - guſt herleiten, andere ſetzen ihm ſogar in die Zeiten der freyen Republik53)rau Hiſtor. iur. civ. de peculiis §. VII. . Das peculium quaſi caſtrenſe hingegen betreffend, ſo halten verſchiedene den K. Theo - doſius den Juͤngern fuͤr den Urheber deſſelben; allein daß es weit aͤlter ſeyn muͤſſe, erhellet daraus, weil ſchon Ulpian in verſchiedenen Stellen der Pandecten54)L. 3. §. 5. D. de bonor. poſſeſſ. L. 1. §. 15. D de collat, bonor. L. 7. §. ult. D. de donat. L. 1. §. 6. D. ad SCtum Tre - bell. Zwar will Franz Balduin in Iuſtiniano lib. III. p. 208. dieſe Stellen fuͤr interpolirt halten, allein daß Triboniandaran deſ - ſelben Erwaͤhnung thut55)rau cit. Diſſ. §. VIII. .
Das217De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.Das peculium paganum, welches nun dem militari ent - gegen geſetzet wird, iſt wieder zweyerley, entweder profecti - ti[u]m oder adventitium[]. Unter dem erſtern verſtehet man ſolche Guͤter, die den Kindern entweder vom Vater ſelbſt, oder durch deſſelben Veranlaſſung und um des Vaters Willen von andern zugefloſſen ſind56)Io. wieger Diſſ. de peculio profectitio. Argentor. 1754.. Dahin gehoͤrt, wenn der Vater dem Sohn einen Handel etablirt, und dieſer in der vaͤterlichen Gewalt verbleibt. Ferner wenn der Vater fuͤr das Kind in die Lotterie einſetzt, ſo ge - hoͤrt der Gewinnſt, wenn ſelbigen der Vater dem Kinde laͤßt, zum peculio profectitio57)Fratr. beccmannorum Conſilia et Deciſion. Part. II. Deciſ. 50. n. 32. S. 91.. Auch wenn der Va - ter Jemanden gedient hat, und letzterer um des Vaters willen dem Kinde ein Geſchenk macht, weil der Vater fuͤr ſeine Bemuͤhung nichts nehmen wollte, ſo wird die - ſes Geſchenk zum peculio profectitio gerechnet58)franskius Reſolut. lib. II. cap. 27.. Die - ſe Art des Peculiums iſt unſtreitig die aͤlteſte, wenn man auch kein aͤlteres Beyſpiel deſſelben, als das, ſo beym Plautus59)In Mercatore Act. I. Sc. I. v. 59. Conf. galvanus de Uſufructu cap. VII. n. 7. rau Diſſ. cit. §. VI. vorkommt, findet. Ob es uͤbrigens ein peculium profectitium gebe, woran der Mutter das Eigenthum zuſtehet? iſt ſtreitig. In der unten ange -O 5fuͤh -55)daran keinen Theil habe, iſt von Iac. gothofredus ad L. 3. C. Th. de poſtul. Ant. schulting in Iurisprud. Anteiuſt. p. 470. Not. 27. und Ioſ. finestres in Praelect. Cervarienſ. ſ. Commentar. academ. ad tit. Pandectar. de acquir. vel omitt, hereditate P. II. cap. V. §. 42. p. 330. erwieſen worden.2181. Buch. 6. Tit. §. 136.fuͤhrten Schrift60)Abhandl. uͤber die Frage: ob es ein peculium profectitium gebe, wovon der Mutter das Eigenthum zuſte - het? im Archiv fuͤr die theoret. und pract. Rechtsgelehrſ. I. Th. N. VI. S. 190. wird ſolches beiahet. Allein ich kann mich davon nicht uͤberzeugen. Das peculium profecti - tium iſt ja unſtreitig eine Wirkung der roͤmiſchen vaͤter - lichen Gewalt. An dieſer aber hat die Mutter weder nach roͤmiſchen61)§. 3. I. de Pat. Pot. §. 10. I. de adopt. noch teutſchen Rechten Antheil62)Ferd. Aug. hommel Diſſ. de uſu hod. patriae poteſtatis rom. in foris Germ. Lipſiae 1732. Cap. III. §. 90.. Die Schenkung, die die Mutter denen Kindern waͤhrend der vaͤterlichen Gewalt macht, iſt nach der L. 25. Cod. de donat. inter vir. et uxor. zwar wiederruflich, aber das macht ſie noch zu keinem peculium profectitium. End - lich dasjenige Vermoͤgen, das die Kinder anders woher, als vom Vater oder durch denſelben erlangt haben, wird peculium adventitium63)Scip. gentilis Tract. de bonis maternis Hanov. 1616. 8. Caſp. Chriſt. kober Diſſ. de peculio adventitio regulari ſ. ordinario. Altorf. 1705. genennt. Dahin gehoͤren muͤt - terliche Geſchenke, muͤtterliche Erbſchaft, oder was den Kindern von muͤtterlichen Großeltern zufaͤllt, ferner die Erwerbung der Kinder durch Handwerksdienſte, Gluͤcks - ereigniſſe, und dergleichen64)L. 1. 2. Cod. de bonis matern. L. 4. et 6. Cod. de bon, quae lib. . Den Urſprung deſſelben leitet man von Conſtantin den Großen her65)Iac. gothofredus Commentar. ad Tit. Cod. Theod. de bonis maternis. . Allein Galvan66)De Uſufructu. cap. VII. n. X. hat gezeigt, das es aͤlter ſey. Conſtantinwollte219De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. wollte nur, daß das muͤtterliche Vermoͤgen der Kinder Eigenthum verbleiben ſollte67)L. 1. 2. Cod. Theod. de bon. matern. . Was aber die Kinder von andern Perſonen erbten, war ſchon zu Ulpians Zei - ten ihr peculium adventitium68)L. 16. §. 11. L. 50. D. ad SCtum Trebell. L. 52. D. de acquir. vel. omitt. hered. . Juſtinian69)L. 6. C. de bon. quae. lib. be - ſtimmte durch eine allgemeine Conſtitution noch genauer, was dazu gerechnet werden ſollte, wie ſchon oben gezeigt worden iſt.
In Anſehung der Rechte dieſer mancherley Gattun - gen von Peculien bemerken wir hier in der Kuͤrtze nur ſoviel:
a) Daß das peculium profectitium, ſo lang die Kinder in der vaͤterlichen Gewalt ſind, ganz der Dispoſition des Vaters unterworfen ſey. Er hat das Eigenthum und den Genuß. Die Kinder aber haben nichts als die Ad - miniſtration deſſelben, und dieſe iſt nach dem Willkuͤhr des Vaters ſtets wiederruflich70)§. 1. I. per quas perſon. cuiq. acq. Princip. I. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. L. 7. D. de denat. L. 4. pr. D. de pecul. .
b) Das peculium militare hingegen iſt ein freyes Eigenthum der Kinder, und ſtehen ihnen dieſerhalb alle Rechte eines Patrisfamilias zu. Sie koͤnnen daruͤber frey ſowohl unter den Lebendigen, als auf den Todesfall dis - poniren71)L. 2. D. ad SCtum Macedon. L. 10. D. de caſtr. pecul. L. 15. §. 1. eodem. L. 4. D. de iudic. L. 3. Cod. de cuſtr. pec. . Der Sohn kann alſo auch daruͤber ein Te -ſta -2201. Buch. 6. Tit. §. 136.ſtament machen72)Princ. Inſtit. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. , und hat dabey das beſondere Recht, daß gegen dieſes Teſtament keine querela inofficioſi ſtatt findet, wenn auch gleich die naͤchſten Blutsfreunde darin waͤren ausgeſchloſſen worden73)L. ult. Cod. de inoff. teſtam. Es wollen zwar einige be - haupten, als ob dieſes Geſetz durch die Nov. 115. cap. 4. aufgehoben worden ſey, man ſehe unter andern die Medi - tationen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien von zweyen Rechtsgelehrten II. Band Medit. 85. Allein ſchon bauer in der oben angefuͤhrten Diſſert. de pecu - lio quaſi caſtrenſi ſtudioſor. §. XXXIII. hat dieſe Meinung widerlegt.. Nur in Anſehung der - jenigen Soͤhne, welche Geiſtliche ſind, hat Juſtinian ein anders verordnet; dieſe ſollen ihren Kindern, und wenn ſolche nicht vorhanden ſind, ihren Eltern wenigſtens den Pflichttheil laſſen74)Nov. 123. cap. 19.. Stirbt der Sohn ohne Teſta - ment, ſo kann ſich der Vater das peculium caſtrenſe nach neuern roͤmiſchen Rechten nicht mehr, wie ehedem75)L. 2. L. 19. §. 3. D. L. 5. Cod. de caſtr. pecul. Siehe oben S. 182. u. Not. 32., iure peculii und vermoͤge der vaͤterlichen Gewalt anmaſ - ſen, ſondern es faͤllt an die Inteſtaterben76)Princ. Inſtit. quib. non eſt permiſſ. facere teſtam. Nov. 118. cap. 2. in fin. S. vinnius in Commentar. ad dict. Princ. Inſtitut. quib. n. eſt perm. fac. teſt. n. 4. und beſonders Guil. ranchinus in Tr. de Succeſſion ab inteſtato Cap. XI. §. 3. (edit. Breuning. Lipfiae 1771. 8.) . Endlich
c) ſoviel das peculium adventitium anlangt, ſo ſte - het den Kindern zwar das Eigenthum, dem Vater aber, ſo lang die Kinder in deſſelben Gewalt ſind, die Ver -wal -71)pec. Conf. maiansii Diſputat. T. I. Diſſ. XIV. lyncker Diſſ. de iuribus peculii militaris. 221De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. waltung, und ein geſetzliches Benutzungsrecht zu77)Aem. Lud. homberck zu Vach Diſſ. de diverſo iure pa - tris in peculio adventitio pro diverſa liberorum aetate ad L. 8. §. 3. Cod. de bon. quae lib. Marburgi 1753. 4. Car. Adolph. braun Diſſ. de uſusfructus parentum in bonis libe - rorum tam de iure Rom. quam Germ. genuino fundamento. Ienae 1743. 4. F. E. a puffendorf de uſufructu paterno in bonis liberorum adventitiis Tom. I. Obſervat. iuris univ. Obſ. 98.. Ein mehreres hiervon wird in dem Titel de peculio vorkommen. Hier will ich nur noch bemerken, daß es Faͤlle gebe, in welchen die Kinder auch in Anſehung ihrer Adventizien ein freyes Eigenthum, obgleich nur unter den Lebendigen, ausuͤben koͤnnen. Dahin gehoͤrt z. B. wenn dem Kinde etwas mit einer den Nießbrauch des Vaters ausſchlieſſen - den Bedingung iſt vermacht oder geſchenket worden; deß - gleichen wenn der Sohn gegen den Willen des Vaters eine ihm zugefallene Erbſchaft antritt, und andere mehr, welche unſer Herr Auctor unten §. 910. anfuͤhren wird. In dieſen Faͤllen, wo der Vater keinen Nießbrauch von dem peculio adventitio ſeiner Kinder hat, nennt man daſſelbe extraordinarium, irregulare, auch plenum78)lauterbach Diſſ. de peculio adventitio irregulari. Frid. heusinger Commentat. de iure peculii adventitii extraordi - narli. Iſenaci 1751. 8.. Die - ſe verſchiedenen Rechte der Peculien finden auch noch heu - tiges Tages ſtatt79)S. Traug thomasii Progr. de uſu peculii practico Lipſiae 1770. hinter der oben angefuͤhrten Rauiſchen Diſſert. de hiſtor. peculiorum. de selchow Elem. iur. Germ. privati §. 493..
Wir haben nun die roͤmiſche vaͤterliche Gewalt nach ihren mancherley Veraͤnderungen und Einſchraͤnkungenken -2221. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.kennen gelernt. Es iſt alſo nur noch uͤbrig, von der Be - ſchaffenheit der heutigen vaͤterlichen Gewalt80)Chriſt. thomasii Tract. de uſu iuris paterni Romanor. ſe - cundum mores Germaniae. Ienae 1744. 4. Ferd. Aug. hommel Diſſ. de uſu hodierno patriae poteſtatis Romanae in Foris Ger - maniae. Lipſiae 1732. 4. Güntb. Alb. renz Diſſ. de mixtura iuris rom. et germ. in materia patriae poteſtatis. Tubingae 1735. 4. Io. Eſ haenschel Diſſ. de genuino fundamento et effectibus patriae poteſtatis Lipſiae 1761. 4. Io. Godofr. krausii Progr. de effectibus patriae poteſtatis hodiernis. Vitembergae 1733. 4. Weſtphal teutſches Privatrecht 2. Theil 49. Abhandl. S. 95. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. S. 435. folgg. zu handeln. Unſere heutige vaͤterliche Gewalt hat durch Vermiſchung der roͤmiſchen und teutſchen Rechte ihr Daſeyn erhalten; ſie ſtehet nicht dem Vater allein zu, ſondern die heutigen Rechte und Sitten laſſen auch die Mutter, ob zwar nicht gleichen, aber doch gewiß keinen geringen Antheil, daran nehmen81)Nic. Chriſtph. lyncker Diſp. de matris poteſtate in libe - ros. Ienae 1688. 4. Io. Iac. rothhahn Diſſ. de materna poteſtate in liberos ex Germanor. legibus et more. Goettingae 1772. 4.. Der Inbegriff al - ler den Eltern uͤber die Kinder zuſtehenden, und fuͤr - nehmlich auf den Zweck der Erziehung ſich beziehen - den, Rechte iſt demnach die vaͤterliche oder vielmehr el - terliche Gewalt nach heutigen Rechten. Bey Zer - gliederung derſelben kommt es auf drey Fragen an: I) Welche elterliche Rechte ſind gemeinſchaftlich? II) Wel - che ſtehen dem Vater ausſchließlich zu? III) Was nimmt ſonſt der Gerichtsgebrauch aus dem neuern Rechte in Anſehung dieſer Lehre an, und was iſt davon in Teutſchland nicht mehr zu gebrauchen. ?
Die223De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.Die erſte Frage anlangend, ſo ſetzen wir als Grund - ſatz des heutigen Rechts feſt, daß diejenigen Rechte der elterlichen Gewalt, die ſich uͤber die Per - ſon der Kinder erſtrecken, beyden Eltern ge - meinſchaftlich zuſtehen. Dies iſt teutſchen Rechtens. Denn wenn gleich nach dem neuern roͤmiſchen Recht82)L. 4. D. de curat. furios. Furioſae matris curatio ad filium pertinet, pietas enim parentibus, etſi inaequalis eſt eorum po - teſtas, aeque debebitur. adde §. fin. I. de Nupt. der Mutter einige Gewalt uͤber ihre Kinder beygelegt wird, ſo war doch dieſe in der That nur Schattenwerk83)püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing. Cap. X. . Daher die neuern roͤmiſchen Geſetze noch uͤberall den Satz einſchaͤrfen, daß eheliche Kinder in des Vaters Gewalt ſeyen, und der Mutter keine vaͤter - liche Gewalt uͤber ihre Kinder zuſtehe84)§. 3. I. de patr. poteſt. §. 10. I. de adopt. L. 5. Cod. eodem. . Die nach heutigen Rechten beyden Eltern uͤber die Perſon ihrer Kinder zuſtehenden Rechte und Pflichten beziehen ſich nun uͤberhaupt auf alles, was die Sorge fuͤr die Gluͤckſeeligkeit der Kinder erheiſcht. Beyden Eltern liegt demnach
1) die Pflicht ob, ihre Kinder zu guten Menſchen zu erziehen, und ſie zum buͤrgerlichen Leben zu bilden. Beyde Eltern haben daher auch das Recht, die Hand - lungen der Kinder zu leiten, in ſoweit es der Zweck der Erziehung erfordert, und die dazu dienliche Verfuͤgungen zu machen. In Anſehung des jedem der Eltern zuſtehen - den Antheils an der Erziehung ihrer Kinder ſcheint uͤbri - gens ſelbſt die Natur folgende Grenzlinie zu bezeichnen, daß der Saͤugling, das noch ſtammelnde, noch mit un -ge -2241. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.gewiſſen Schritten folgende Kind, wenigſtens bis nach zuruͤckgelegten vierten Jahre, der alleinigen Aufſicht und Pflege der Mutter zu uͤberlaſſen; weil der Vater nur dann erſt ſeine Erziehung, ſeinen Unterricht anfangen kann, wenn die Sprachorgane und mit ſelbigen die Ver - ſtandskraͤfte ſich entwickeln. Ihr gebuͤhrt auch die Erzie - hung der Toͤchter, in ſoweit ſolche die beſonderen weib - lichen Geſchaͤfte in ſich faßt; und wenn daruͤber zwiſchen Vater und Mutter Streit entſtehet, ſo iſt die Praͤſum - tion fuͤr die Mutter, ſo lange der Vater nicht darthun kann, daß es ihr an Kraͤften oder an Willen fehle, ihrer Obliegenheit ein Genuͤge zu leiſten85)S. von Globig Preißſchrift uͤber die Graͤnzen der vaͤter - lichen Gewalt S. 99.. Dahingegen kann die Mutter bey den uͤbrigen Angelegenheiten der Toͤchter ſowohl, als bey der Erziehung der Soͤhne, inſonderheit wenn es auf den wichtigſten Schritt von beyden, wo - durch ſie das vaͤterliche Haus verlaſſen, ankommt, nur als Rathgeberin auftreten: dem Vater gebuͤhrt die Ent - ſcheidung; und die Obrigkeit darf den Widerſpruch der Mutter in einem ſolchen Fall nicht achten, ſo lange das Kind ſelbſt ſich dem Willen des Vaters unterwirft86)leyser meditat. ad Pandect. Spec. XVIII. med. 3.. Sollte aber das Kind auf Seiten der Mutter ſeyn; ſo hat der Widerſpruch von beyden allerdings ſo viel Ge - wicht, daß der Richter zwiſchen ſelbigen und dem Vater entſcheiden muß87)von Globig Preißſchrift S. 100.. Da auch der Religionsunterricht der Kinder ein ſehr wichtiges Stuͤck ihrer Erziehung iſt, ſo entſtehet die Frage, in welcher Religion die Kinder zu unterrichten, wenn die Eltern verſchiedener Religionſind225De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſind88)Franc. Ant. dürr Diſſ. de poteſtate patria circa religionem liberorum. Moguntiae 1755. (in Ant. schmidt Theſauro iu - ris Eccles. potiſſimum Germ. Tom. VI. Diſſ. XVIII. S. 674. folgg.) Struben rechtl. Bedenken I. Theil Bed. 144.? Dieſe wichtige Frage iſt auf dem Friedens Executions Congreß zu Nuͤrnberg im Jahr 1650.89)S. von Meiern Acta pacis executionis publ. Tom. II. Lib. 12. §. 12. S. 681. und L. 13. §. 3. und 21. S. 804. Moſer R. Hofraths Concluſa P. VII. S. 1037. und Eſtor Anfangsgruͤnde des gemeinen und Reichs-Proceſſes Tit. 135. §. 1083. S. 412. mit beyder der katholiſchen und evangeliſchen Staͤnde Einſtim - mung dahin entſchieden worden, daß die Kinder beyder - ley Geſchlechts in des Vaters Religion erzogen werden ſollen, bis ſie die Unterſcheidungsjahre90)Worinn dieſe Unterſcheidungs-Jahre (anni diſcre - tionis) beſtehen, nach deren Erreichung die Geſetze es den Kindern freyſtellen, die vaͤterliche Religion, in der ſie erzo - gen worden ſind, zu aͤndern, und zu einer andern geſetzlich gebilligten Religion uͤberzugehen, iſt ſo wenig im Religions - als Weſtphaͤliſchen-Frieden beſtimmt worden. Auch bey den Nuͤrnbergiſchen Friedens-Executions - Tractaten konnte man ſich daruͤber nicht vergleichen. S. Meiern Acta Pacis Execut. P. II. p. 804. 812. 813. 815. 825. u. 871. Nun iſt es zwar eine gemeine Meinung der Rechtsgelehrten, als ob durch ein Concluſum Corporis Evan - gelicorum unter den Evangeliſchen das vierzehnte Jahr fuͤr den Unterſcheidungszeitpunct ſey feſtgeſetzet worden; Allein man behauptet dieſes ohne genugſamen Grund, in dem vielmehr das Corpus Evangelicorum jederzeit den Grundſatz eifrigſt ver - theidiget hat, daß man bey Kindern, die uͤber wichtige ihr zeitli - ches und ewiges Wohl betreffende Sachen ſich entſchlieſſen ſollen, ſolche hinlaͤngliche Jahre erfordere, da ein reifes Judicium ſich zu aͤuſſern pflegt, und wirklich ſich aͤuſſert, und daß es hoͤch - ſtens moͤglich ſey, bey einem vierzehenjaͤhrigen Kinde ſolcheVer - (annos diſcre -tionis)Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. P2261. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.tionis) erreicht haben. Jedoch kann durch Ehevertraͤge etwas anders feſtgeſetzt werden91)Fried. Ulr. pestel Diſſ. num pacta dotalia, quibus cau - tum, ut maſculi patris, feminae matris religione imbuantur, ſint ſervanda? Rintelii 1752. 4.. So wie es denn auch in manchen Laͤndern, z. B. in Heſſen, der Pfalz, Oettingen, u. ſ. m.92)Moſer von der Landeshoheit im Geiſtlichen IV. B. V. Cap. §. 38. S. 485. u. f. beſondere Verordnungen giebt, vermoͤge deren der Sohn in der Glaubenslehre des Va - ters, die Tochter aber in der Religion der Mutter erzo - gen werden muß93)Chriſt. Jac. von Zwierlein Abhandl. ob ein Landesherr befugt, eine Verordnung zu geben, nach welcher die aus ver - miſchten Ehen erzeugte Kinder ſo getheilt werden, daß die Soͤhne dem Glauben des Vaters, die Toͤchter der Mutter folgen? im Deſſelben Nebenſtunden I. Th. IX. Ab - handl. S. 171. folgg.. Zur Erziehung der Kinder gehoͤrt auch ferner die Beſtimmung der kuͤnftigen Lebensart der - ſelben94)pufendorf Iur. Nat. et Gent. Lib. VI. cap. 2. §. 13. Iat. Frid. ludovici de iure et iurisprud. domeſtica cap. III. §. 4. winbom D. quatenus liberi parentibus circa vitae genus eli - gendum obedire debeant. Upſ. 1734.. Koͤnnen ſich die Eltern hieruͤber guͤtlich nicht vereinigen; ſo kommt es vorzuͤglich auf den Vater an, zu beſtimmen, welche Handthierung oder Kunſt der Sohnerler -90)Verſtandskraͤfte, und eine ſolche Wiſſenſchaft anzutreffen, um von den Gruͤnden einer Religion urtheilen zu koͤnnen. S. Stru - ben rechtl. Bedenken I. Th. S. 336. 337. Daher iſt eine Pruͤfung ſolcher Kinder jederzeit erforderlich, wie auch der ſeel. Canzler boehmer Tom. I. Reſp. 1. 2. 3. und in lur, Eccleſ. Proteſt. T. III. p. 276. ſehr gruͤndlich ausgefuͤhrt hat. Man vergleiche uͤbrigens hierbey noch von Steck Abhandl. von den zur Religions-Aenderung erforderlichen Unterſchei - dungsjahren; in Deſſelben Abhandlungen aus d. teutſch. Staats - und Lehn-R. Halle 1757. n. I. 227De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. erlernen ſolle. Denn dieſem trauet man in einem ſol - chen Fall eine reifere Beurtheilungskraft zu, daß er beſ - ſer wiſſen muß, als die Mutter, welches mêtier der Neigung und dem Talent des Sohnes am angemeſſeſten iſt. So lang nun Kinder in dem Zuſtande der Unmuͤn - digkeit ſich befinden, muͤſſen ſie den Unterricht, welchen die Eltern ihnen geben, das Gewerbe, wozu ſie beſtimmt werden, ohne Widerrede annehmen, und duͤrfen ſich bey der Obrigkeit deßhalb nicht beſchweren, weil man ihnen die gehoͤrige Beurtheilungskraft noch nicht zutrauen kann. Allein haben ſie die Muͤndigkeit erreicht, ſo darf ihr Widerſpruch bey der Wahl ihres kuͤnftigen Gewerbes nicht ganz aus der Acht gelaſſen werden, weil darauf das Gluͤck des kuͤnftigen Buͤrgers, und deſſen Mit - wirkung zum allgemeinen Beſten beruhet. Es muß we - nigſtens in ſolchem Fall uͤber die Rechtmaͤßigkeit der Wei - gerung von dem Richter geurtheilt werden95)von Globig Preisſchrift S. 112. 113.. Wenn Eltern dem Kinde den Unterricht vorenthalten, deſſen es bedarf, um dereinſt, nach ſeinem Stande und ſonſtigen Verhaͤltniſſen, als ein brauchbares Mitglied der buͤrger - lichen Geſellſchaft zu erſcheinen, ſo kann das Kind daruͤ - ber bey der Obrigkeit Beſchwerde fuͤhren, und letzere iſt befugt, dieſe Mißbraͤuche zu ahnden.
2) Beyde Eltern koͤnnen gleiche Ehrerbietung von den Kindern verlangen96)hommel cit. Diſſ. de uſu hod. pat. pot. Cap. III. §. 64 — 68.. Kinder werden daher ſo wenig gegen den Vater als gegen die Mutter mit ſolchen Klagen und Rechtsmitteln gehoͤrt, welche der ſchuldigen Ehrerbie - tung zuwider laufen, wohin z. B. das Geſuch der Wieder - herſtellung in den vorigen Stand, inſonderheit die Klage des Betrugs, ferner der Eyd vor Gefaͤhrde (iuramentum ealumniae) und dergleichen zu rechnen ſind. Auch duͤr - fen die Kinder ſo wenig gegen die Mutter als gegen denP 2Va -2281. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.Vater zur Zeugniſſes-Ablegung genoͤthiget werden; und die Mutter iſt ſo gut befugt, das Kind wegen einer ihr zugefuͤgten groben Verbal oder Real-Iniurie zu ent - erben, als der Vater.
3) Beyden Eltern ſtehet das Recht zu, die Kinder zu zuͤchtigen97)hommel cit. Diſſ. §. 69. rothhahn Diſſ. cit. de mat. poteſtate in lib. §. 46.. Dieſe Zuͤchtigung des ungehorſamen Kindes darf ſich jedoch nie ſo weit erſtrecken, daß ſelbi - ges elend und ſiech geſchlagen, mithin ein unbrauchbares Mitglied der buͤrgerlichen Geſellſchaft werde. Indeß muß doch allemal praͤſumirt werden, daß die Eltern aus Ue - bereilung und Nachlaͤßigkeit gefehlet haben, wenn ſie die Graͤnzen der kindlichen Zuͤchtigung uͤberſchritten haben ſollten, indem das Band der Liebe, welches Eltern und Kinder zuſammenknuͤpft, grobe und anhaltende Mißbraͤu - che nicht vermuthen laͤßt. Daher darf die Obrigkeit we - gen angeblicher Mißbraͤuche dieſer Art nicht von Amts - wegen inquiriren, und die Eltern zur Rechenſchaft vor - fordern: ſie muß erwarten, bis das gemißhandelte Kind, oder deſſen Verwandte klagen; und ſo lange dies nicht geſchiehet, ſind die Eltern allemal durch die gegruͤndete Praͤſumtion geſchuͤtzt, daß ſie aus gerechten Urſachen ge - ſtraft haben. Auch die Klage des Kindes iſt nicht an - ders anzuhoͤren, als wenn ſie ſofort durch ſichtbare Merk - male der erlittenen Mißhandlung oder durch Zeugniſſe dargethan wird98)von Globig Preißſchrift S. 93. u. f.. In keinem Fall kann jedoch den Eltern erlaubt werden, ordentliche Gefaͤngniſſe zur Be - ſtrafung der Kinder anzulegen, und eine richterliche Ge - walt uͤber ſie auszuuͤben. Denn die Teutſchen haben nie dem Vater eine haͤusliche Gerichtsbarkeit uͤber ſeine Kinder eingeraͤumt99)de selchow Elem. iuris germ. privati §. 489.. Wenn es demnach auf ſchaͤrfe -re229De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. re Ahndungen ankoͤmmt, ſo iſt die Huͤlfe der Obrigkeit zu ſuchen. Dieſe muß zwar das Urtheil der Eltern an - erkennen, wenn es gelinder iſt, als die ſonſt in den Ge - tzen beſtimmte Strafe. Haͤrtere Urtheile aber ſind nach den Geſetzen zu ermaͤßigen. Dies ſetzt jedoch voraus, daß die geklagte Vergehung erwieſen ſey; und die bloße Anzeige der Eltern, (welche zwar eine, dem halben Be - weiß gleich kommende, Praͤſumtion wirkt) darf dem Rich - rer in ſo wichtigen Faͤllen nicht zum alleinigen Anhalt dienen100)von Globig Preißſchrift S. 94.. Es iſt daher eine ganz irrige Meinung ei - niger Rechtslehrer1)leyser meditat. ad Pand. Spec. XVII. m. 3., ob ihnen gleich unſer Auctor bey - pflichtet, daß die Eltern befugt waͤren, die Einſperrung ihres Kindes in ein Zuchthaus, ohne vorherige richter - liche Unterſuchung und Erkenntniß zu verlangen, welche von neueren Rechtsgelehrten mit Recht verworfen wird2)de selchow Elem. iuris german. privati §. 491. von Glo - big Preißſchrift S. 94. Schott Einleitung in das Ehe - recht §. 189. not. *** S. 427.. Wenn ein dritter beleidigter Buͤrger als Anklaͤger gegen ein Kind auftritt, welches ſchon in dem Alter ſteht, da ihm Verbrechen zugerechnet werden koͤnnen; ſo iſt ſelbi - ges von den Eltern zur geſetzmaͤſigen Ahndung auszulie - fern. Die Obrigkeit darf ihnen dieſes Strafrecht um ſo weniger einraͤumen, da es gewiſſermaßen ihnen zur Laſt zu legen iſt, wenn das ſchon zu den Jahren der Ver - nunft gelangte Kind, welches ſie zur Beobachtung ſelbſt der unvollkommenen Pflichten des Buͤrgers beſtaͤndig an - fuͤhren ſollten, ſogar die heiligen Rechte des Menſchen und des Buͤrgers verletzt3)von Globig Preißſchrift S. 92.. Ja die Eltern verdienen ſelbſt daruͤber angeſehen und beſtraft zu werden, wennP 3ſie2301. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.ſie durch Anreitzung oder unverzeihliche Nachſicht die Ge - legenheit zu ſolchen unerlaubten Handlungen ihrer Kinder gegeben haben ſollten4)rothhahn Diſſ. de materna poteſt. in liberos §. 46. S. 111..
4) Kinder koͤnnen ohne der Eltern Einwilligung kei - ne verbindliche Handlung unternehmen5)Schott Eherecht §. 189.. Sie ſind vielmehr bey allen Handlungen, welche auf die Erhal - tung des Hausweſens, mithin auf die ganze Familie ſich beziehen, zu voͤlligem Gehorſam den Eltern verpflichtet. Alle Handlungen dieſer Art, welche ohne Einwilligung der Eltern unternommen werden, ſind null und nichtig; und kein Eyd, noch der dabey eintretende Schaden eines dritten, kann ſolchen eine Verbindlichkeit geben6)von Globig Preisſchrift S. 113.. Des - wegen koͤnnen Kinder, die noch unter der elterlichen Ge - walt ſtehen, ohne Wiſſen und wider Willen der Eltern eine guͤltige Eheverbindung nicht ſchlieſſen7)de selchow Elem. iuris germ. privati §. 416. et 491. roth - hahn cit. Diſſert. §. 25 — 34. Tob. Iac. reinharth Diſſ. de arbitrio patris et iure matris in nuptias filiarum Erf. 1732. Em. Io. Fr. manzel Diſſ. de aequali utriusque parentis iure qua conſenſum in ſponſalia liberorum. Roſtochii 1760.. Ob nun gleich im Fall einer verſchiedenen Geſinnung der Eltern des Vaters Einwilligung oder Nichteinwilligung dem Willen der Mutter vorgehet, ſo iſt doch nach teutſchen Rechten und Sitten der Mutter Einwilligung alsdann unſtreitig fuͤr nothwendig zu halten, wenn der Vater ge - ſtorben, oder verhindert iſt, ſeine Einwilligung zu erthei - len8)Schott Eherecht §. 93. Not. ** Hofmann Handbuch des teutſchen Eherechts 2. Hauptſt. §. 10. S. 28..
5) Bey -231De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.5) Beyden Eltern ſtehet das Recht zu, von den Kindern alle diejenigen haͤußlichen Dienſte zu ver - langen, welche die Eltern ſelbſt verrichten9)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſput. de operis liberorum, quas ſuis parentibus debent ac praeſtant: in eiusdem Diſſer - tat. Academ. Vol. I. n. 1.. Schon der Zweck der Erziehung berechtiget die Eltern hierzu, damit die Kinder vom Muͤſſigang abgehalten, und zum Fleiß gewoͤhnt werden. Es findet auch hier jene Theilung der elterlichen Gewalt ſtatt, deren ich ſchon oben gedacht habe, daß bey den Dienſten des Sohns vorzuͤglich der Wille des Vaters, bey den Dienſten der Tochter aber der Wille der Mutter zur Richtſchnur die - nen muß. Die Kinder ſind jedoch nur zu ſolchen haͤuß - lichen Dienſten verbunden, die ſich fuͤr ſie ſchicken, mit - hin nicht zu knechtiſchen oder Geſinde Dienſten, wodurch das Kind unter den Stand, wozu es nach ſeiner Geburt beſtimmt iſt, herabgewuͤrdiget werden, und die zu ſeinem Unterricht und ſittlichen Ausbildung erforderliche Zeit verliehren wuͤrde10)von Globig Preisſchrift S. 118. harpprecht cit. Diſ - ſertat. §. XXVI. . Indeſſen kann ein beſonderer Noth - fall auch hier eine Ausnahme von der Regel machen. Ob das Kind auch zu kuͤnſtlichen und handwerks - maͤſigen Arbeiten gehalten ſey? iſt eine Frage, die von den Rechtsgelehrten verſchiedentlich entſchieden wird. Unſer Herr Verfaſſer behauptet, kuͤnſtliche Dienſte koͤnnten die Eltern nur in dem Fall verlangen, wenn ſie den Kindern Alimente geben. Allein nach der Meinung Leyſers11)Meditat, ad Pandect. Specim. XVII. med. 2. koͤnnen die Eltern von den Kindern dergleichen Dienſte gar nicht fordern. Ich glaube, daß das Kind allerdings verpflichtet ſey, den Eltern mit ſeiner erlernten ProfeßionP 4und2321. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.und Wiſſenſchaft in ſo weit beyzuſtehen, als ſie deſſen zum Unterhalt der Familie beduͤrfen. Denn die natuͤr - liche Billigkeit erfordert dieſe gegenſeitige Unterſtuͤtzung, und einigen Erſatz fuͤr den Aufwand, welchen die Eltern bey dem Unterricht des Kindes gewagt hatten, und das, was ſie dabey an haͤußlichen Arbeiten entbehren muſten12)von Globig Preisſchrift a. a. O.. In ſo weit kann auch das Kind keine Verguͤtung fordern; zumal wenn daſſelbe ſeiner Jugend oder anderer Umſtaͤnde halber, ein mehreres mit ſeiner Dienſtleiſtung nicht ver - dienen koͤnnte, als denen Eltern die Erziehung und der Unterhalt deſſelben koſtet13)Struben rechtliche Bedenken III. Th. Bed. 49.. Wenn jedoch das Kind ſchon ein ſolches Alter und Faͤhigkeit erreicht haͤtte, daß es ſich ſelbſt mit ſeiner erlernten Profeſſion oder Kunſt unter andern Leuten ſeinen Unterhalt zu verſchaffen im Stande waͤre, ja noch mehr verdienen koͤnnte, als der Unterhalt, den es dafuͤr von ſeinen Eltern genießt, aus - macht; der Sohn bleibt aber bey den Eltern, und lei - ſtet ihnen ſolche Dienſte, zu denen ſie ſonſt einen Faktor, oder Handelsdiener, oder einen Geſellen halten und loh - nen muͤßten; er erſpart ihnen alſo das Geſellenlohn, ſo gebuͤhret einem ſolchen Kinde allerdings eine billige Be - lohnung, die daſſelbe auch noch bey der kuͤnftigen Elter - lichen Erbtheilung in Anregung bringen, und vorausfor - dern kann, weil es zum Beſten der Miterben wirklich gearbeitet hat14)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſſ. de ſalario pro operis liberorum praeſtando: in eiusd. Diſſertat. Academ. Vol. I. n. 2. renz mixt iuris rom. et germ. in materia patriae pote - ſtat. §. XIX. Chr. Henr. breuning Diſſ. an pater teneatur liberis ad mercedem praeſtandam propter operas praeſtitas. Lipſiae 1772. Struben a. a. O. Eichmann Erklaͤ - rungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 177. u. ff..
6) Bey -233De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.6) Beyde Eltern haben ferner das Recht, die Her - ausgabe und ungehinderte Verabfolgung ihres Kindes von demjenigen zu verlangen, der ihnen daſſelbe wieder - rechtlicher Weiſe vorenthaͤlt15)Vid. Tit. D. et C. de liberis exhibendis et duecndis[.]Schmidts Lehrbuch von gerichtlichen Klagen §. 410 ff.. Merkwuͤrdige Beyſpiele hiervon wird man bey Faber16)Staats-Canzley Th. LVI. c. 5. Th. LVII. c. 3. Th. LIX. c. 2. Th LX. c. 4. und Moſer17)R. Hofraths-Concluſa T. I. S. 747. 755. T. III. S. 922. T. VI S. 2. add Conſil. Tubingenſ. Vol. I. Conſ. 86. finden. Es verſtehet ſich zwar von ſelbſt, daß auch hier die rich - terliche Huͤlfe imploriret werden muͤſſe, und zwar muß die Obrigkeit durch den kuͤrtzeſten Weg des Proceſſes die Eltern wieder in den verlohrnen Beſitzſtand ſetzen. Aber auch die Selbſthuͤlfe, welche dieſe in ſolchem Fall aus - uͤben, iſt nicht ſo zu ahnden, wie die Selbſthuͤlfe zur Wiedererlangung des Eigenthums; da nicht bloſe Eigen - thumsrechte, ſondern ſelbſt Pflichten der Natur, und die im Staate autoriſirte haͤußliche Gewalt der Eltern, eine ſolche Anmaßung entſchuldigen18)von Globig Preisſchrift S. 95.. Endlich
7) iſt nach teutſchen und heutigen Rechten eine Mut - ter ſo gut als der Vater befugt, ihren unmuͤndigen Kin - dern in ihren letzten Willen einen Vormund zu beſtellen; es findet auch in Anſehung der obrigkeitlichen Beſtaͤtti - gung kein Unterſchied ſtatt19)renz mixtur. iur. rom. et germ. in mat. pat. poteſt. theſ. 16, rothhahn Diſſ. de materna poteſtate in liberos §. 44..
Soviel hiernaͤchſt die oben (S. 222.) aufgeworfene zweyte Frage betrift, ſo iſt folgendes Principium zu be - merken: diejenigen Rechte der vaͤterlichen Ge -P 5walt,2341. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.walt, welche dem Vater nach dem roͤmiſchen Recht uͤber das den Kindern zuſtehende be - ſondere Vermoͤgen eingeraͤumt werden, ſind auch noch heutiges Tages beſondere und ei - gene Rechte des Vaters, an welchen die Mutter in der Regel keinen Antheil nimmt. Nach dieſem Grundſatz hat daher
1) der Vater auch noch nach heutigen Rechten or - dentlicher Weiſe den alleinigen Nießbrauch von den Guͤtern der Kinder, ſo lange dieſelben in vaͤterlicher Gewalt ſind20)Weſtphal im teutſchen Privatrecht II. Th. S. 96. §. 3. puffendorf Obſervat. iuris univ. T. I. Obſ. 98. §. 14. wernher Obſervat. Forenſ. Tom. I. Part. III. Obſ. 141. Lud. Godofr. madihn Princip. iur. Rom. Part. V. §. 3.. Der Mutter ſtehet ein ſolches Recht anders nicht zu, als wenn ihr ſolches entweder die beſondern Statu - ten und Geſetze eines Orts oder Landes geben21)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſſ. de uſufructu ſtatutario materno, qua conſtituendo. eiusdem Diſſ. de impedimentis uſusfructus[ſtatutarii] mat. modisque eundem conſtitutum ſol - vendi; idem de uſusfr. ſtatutarii materni eidemque combina - tae adminiſtrationis adiunctis, et effectibus lucroſis. idem de uſusfr. ſtatutar. mat. effectibus oneroſis; in eiusdem Diſſer - tation. Academicar. Vol. II. N. 76. 77. 78. et 79. Aem. Lud. hombergk zu vach Diſſ. de uſufructu parentum in Haſſia, ſpeciatim de uſufruetu materno Marburgi Cattor. 1770. idem de uſufructu materno in Haſſia, atq. diverſis eiusd. cauſis, ſpeciatim de parentali poteſtate. Ibid. 1776. idem de uſufr. materno in Haſſia, atq. div. eiusd. cauſis, ſpeciatim de com - munione bonorum, unione prolium, iure devolutionis. Ibidem 1777. idem de fatis, ſtatu et conditione uſusfr. materni in Haſſia. Ibidem 1778. Io. Gottl. heineccii Diſſ. de uſufructu materno iuris german. et maxime Hamburgenſis. in eius Opuſc. variis. (Halae 1735. 4.) Exerc. XV. Frid. Lud. penzen -kuf -, oderdie -235De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. dieſelbe nach des Mannes Tode die Erziehung und Ver - pflegung der Kinder uͤbernimmt, in welchem Fall die Mutter ſo viel Nutzen aus den Guͤtern der Kinder zu ziehen berechtiget iſt, als jene erfordert. Ein anders iſt der Nießbrauch, der wegen Gemeinſchaft der Guͤter dem uͤberlebenden Ehegatten an dem geſammten Vermoͤgen verbleibt. Dieſer hat mit der vaͤterlichen Gewalt keine Verbindung.
2) Auch nur allein der Vater hat heutiges Tages das Recht, den Kindern pupillariſch zu ſubſtitui - ren, das heißt, ihnen durch Teſtament auf den Fall ei - nen Erben zu ernennen, wenn ſie in der Unmuͤndigkeit ſterben ſollten22)carpzov Iurispr Forenſ. P. III. Conſt. 8. def. 16. wern - her ſelect. Obſervat. Forenſ Tom. I. Part. V. Obſ. 157. n. 2. 3. schilter Praxi Iur. Rom. Ex. XXXVIII. §. 88. Zwar will rothhahn in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. §. 12. behaupten, daß nach heutigen Rechten auch der Mut - ter das Recht der Pupillar-Subſtitution zuſtehe; allein aus den von ihm angefuͤhrten beſondern Rechten einiger teutſchen Reichslande laͤßt ſich noch kein gemeines teutſches Recht in Anſehung dieſes Puncts herleiten..
Was endlich die dritte Frage (S. 222.) anlangt, ſo nimmt der heutige Gerichtsgebrauch faſt alles an, was das neuere roͤmiſche Recht von der vaͤterlichen Gewalt verordnet; und nur dasjenige faͤllt heutiges Tages weg, was aus dem ehemaligen Eigenthum des Vaters uͤber ſeine Kinder, und der haͤußlichen Ge - richtsbarkeit deſſelben auch ſelbſt im neuernroͤmi -21)kuffer Diſſ. de uſu matri competente, ad L. 2. Tit. 33. Re - format. Noricae. Erlangae 1760. Io. Caſp. heimburg Diſſ. de uſufructu materno in bonis adventitiis liberorum. Ienae 1763. rothhahn D. de mat. poteſt. in liberos §. 15 — 23.2361. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.roͤmiſchen Recht noch uͤbrig geblieben. Denn in Teutſchland hat nie der Vater ein Eigenthum oder eine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder gehabt23)heineccius in Elem. iuris Germ. Lib. I. §. 169. 170. puf - fendorf in Obſervat. iuris univ. Tom. I. Obſ. 99. §. 8. Struben rechtliche Bedenken II. Th. Bed. 68. S. 254. de selchow Elem. iuris German. privati hodierni. §. 489.. Daher koͤnnen auch keine Folgen davon angenommen werden. Alſo kann
1) der Vater nach heutigen Rechten ſeine neuge - bohrne Kinder auch in der aͤuſſerſten Noth und Duͤrftig - keit nicht verkaufen.
2) Eben deßwegen kann auch die den Eltern zuſte - hende Klage, wodurch ſie die Verabfolgung ihrer Kin - der von demjenigen verlangen, der ſie ihnen vorenthaͤlt, keine eigentliche Vindications-Klage genennt wer - den.
3) Auch die erdichtete Einheit zwiſchen Vater und Kindern iſt in Teutſchland nicht zu gebrauchen24)Ge. beyer Delineat. iuris Germ. Lib. I. cap. 26. §. 41. rothhahn Diſſ. cit. §. 9. Weſtphal teutſches Privatrecht 2. Th. S. 95. Bern. Aug. gaertner in Meditat. practic. ad Pandect. Specim. I. med. 75.. Es gelten alſo Vertraͤge zwiſchen ihnen25)Gottl. Ger. titius in Diſſ. de contractibus patris et libe - rorum in poteſtate eius exiſtentium. Lipſiae 1713. Chriſt. Henr. breuning Diſſ. an fictio unitatis perſonae hodie noceat pacto inter patrem et filium inito? Lipſiae 1771. Chriſt. Gottl. einert Diſſ. de valore donationum inter parentes et liberos. Lipſiae 1773.. Zwar wollen verſchiedene heutige Rechtsgelehrten das Gegentheil darum behaupten, weil das roͤmiſche Recht hierin durch keincon -237De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. contraires teutſches Geſetz ſey aufgehoben worden26)leyser Specim. XXI. med. 5. wernher Obſ. forens. T. I. P. V. Obſ. 189. hommel Diſſ. de uſu hod patr. poteſt. Cap. III. §. 78. renz cit. Diſſ. Th. 20. Hoͤpfner Com - mentar uͤber die Inſtitutionen §. 104. S. 105. müller ad Leyſerum Tom. I. Obſ. 103. Die Verfaſſer der Medita - tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien III. Band 132. Meditat.. Allein wenn gleich das roͤmiſche Recht allerdings als ein ſubſidiariſches Geſetzbuch in der Regel eine guͤltige Richt - ſchnur abgiebt, um vorkommende Faͤlle darnach zu ent - ſcheiden; ſo kann es doch in ſolchen Vorſchriften, deren weſentlicher Grund bey uns gaͤnzlich wegfaͤllt, nicht fuͤg - lich zur Anwendung kommen. Daher denn auch die mehreſten heutigen Rechtslehrer hierin mit mir uͤberein - ſtimmen27)berger Oeconom. iuris Lib. I. Tit. 3. theſ. 16. Stru - ben rechtl. Bedenken II. Th. Bed. 68. S. 254. Adolph Diet. Weber Entwickelung der Lehre von der natuͤrl. Ver - bindlichkeit III. Abtheil. §. 88. S. 31. Fiſcher Lehrbegriff der Kameral - und Policeyrechte I. Th. §. 163. Unſer Herr Verfaſſer §. 138. und die bereits Not. 24. u. 25. angefuͤhrte Schriftſteller.. Ein gleiches gilt auch von den Vertraͤgen, welche Kinder, die noch unter vaͤterlicher Gewalt ſtehen, nicht mit dem Vater, ſondern unter ſich eingehen; inſo - fern nehmlich, wie von ſelbſt vorausgeſetzt wird, den vaͤterlichen Rechten dadurch kein Eintrag geſchiehet28)Nach roͤmiſchen Rechten konnten die Kinder, die noch unter vaͤterlicher Gewalt ſtanden, nicht einmal unter einander buͤr - gerlich guͤltige Vertraͤge ſchließen. Denn im Grund war es eben ſo viel, als ob ſie mit dem Vater paciſcirten. L. 38. D. de condict. indeb. Allein ſelbſt nach neuern roͤmiſchen Rech - ten, ſeitdem die peculia adventitia eingefuͤhrt wurden, ließ ſich dieſer Satz nicht mehr ohne Einſchraͤnkung behaupten. Hoͤpfners Commentar §. 736.. Aus2381. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.Aus eben der angefuͤhrten Urſache kann auch nach heuti - gen Rechten ein Proceß zwiſchen Eltern und Kindern ſtatt finden. Z. B. wenn das Kind uͤber grauſame Be - handlung oder Verweigerung des noͤthigen Unterhalts gegen den Vater Klage erhebt; oder wenn ſich der Vater wiederrechtlich den Nießbrauch an ſolchen Guͤtern der Kinder anmaßt, daran ihm nach gemeinem Recht kein Uſusfructus zuſtehet, ſo kann das Kind desfalls bey der Obrigkeit klagen29)beyer Delineat. iuris german. Lib. I. cap. XXVI. §. 48. rothhahn cit. Diſſert. §. 11. renz cit. Mixt. iur. rom. et germ. Theſ. XXII. . Ob das ius ſuitatis ſolcher Kinder, die bis an den Tod ihres Vaters in deſſelben Gewalt ge - blieben, vermoͤge deſſen ſie die vaͤterliche Erbſchaft ipſo iure acquiriren, ja, ohne es gewußt zu haben, daß ih - nen dieſelbe zugefallen, ſolche auf ihre Erben transmitti - ren, heutiges Tages ceßire? iſt ebenfalls controvers. Bocris30)Joh. Heinrich Bocris kurzgefaßter Beweiß, daß die Suitas heredis in Teutſchland wenig oder gar keinen Nutzen zeige, dahingegen zur Verwirrung der vaterlaͤndiſchen Rechte und Bekraͤnkung der Partheyen wahren Gerechtſame ein großes mitwirke. Altdorf 1744. 4. behauptet dieſes. Allein hierin widerſpricht die taͤgliche Praxis31)stryck Uſ. Mod. Pandect. Lib. XXIX. Tit. II. §. 2. renz mixt. iur. rom. et germ. in materia patr. pot. §. 25. et 32..
4) Da die Teutſchen dem Vater nie eine richterli - che Gewalt uͤber ſeine Kinder eingeraͤumt haben, ſo iſt die hierauf ſich beziehende actio tributoria heutiges Tages ganz ungewoͤhnlich; wie ich Lib. XIV. Tit. 4. umſtaͤnd - licher zeigen werde32)Weſtphal a. a. O. S. 96. stryck Uſ. Mod. Pandect. tit. de tribut. act. §. 1. lauterbach Coll. theor. pr. Pan - dect. eodem tit. §. 7. Hoͤpfner Commentar §. 1152..
Die roͤmiſche oder buͤrgerliche vaͤterliche Gewalt wird nun auf dreyerley Art erworben, naͤmlich durch rechtmaͤſige Ehe, durch Legitimation und Adoption. Da die Lehre vom Eherecht erſt im 23. Buch der Pan - decten vorkommt, ſo begnuͤge man ſich vorjetzt mit folgen - den Prinzipien.
1) Ueber Kinder, die man in rechtmaͤſiger Ehe ge - zeugt hat, erwirbt man die vaͤterliche Gewalt ipſo iure33)L. 3. D. h. t. In poteſtate noſtra ſunt liberi noſtri, quos ex iuſtis nuptiis procreaverimus: quod ius proprium civium Romanorum eſt. . Denn die Geſetze halten die waͤhrend einer geſetzmaͤßigen Ehe gebohrnen Kinder fuͤr Kinder ehelichen Herkom - mens34)L. 6. D. eod. filium eum definimus, qui ex viro et uxore eius naſcitur. , und den Ehemann fuͤr den rechtmaͤſigen Va - t[e]r derſelben35)L. 3. §. 1. D. de agnoſc. et alend. liberis. , nach der bekannten Regel: Pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant. Es muͤſſen nur nicht Gruͤnde einer phyſiſchen Unmoͤglichkeit eintreten, die die - ſe rechtliche Vermuthung aus dem Wege raͤumen.
2) Wenn demnach der Fall vorkaͤme, daß Mann und Frau nach Zeit und Ort dergeſtalt von einander entfernt geweſen, daß ſich keine moͤgliche Vermiſchung denken lieſ - ſe, und der Mann nach einer langen z. B. zehenjaͤhrigen Abweſenheit ein jaͤhriges Kind zu Hauſe faͤnde, das ſei - ne Frau unterdeſſen gebohren hat36)L. 6. D. h. t. Si fingamus, abfuiſſe maritum, verbi gratia per decennium, reverſum anniculum inveniſſe in domo ſua; placet nobis Iuliani ſententia, hunc non eſſe mariti filium. ; oder wenn derMann2401. Buch. 6. Tit. §. 139.Mann durch langwierige ſchwere Krankheit und abgezehr - te Kraͤfte ſeit langer Zeit auſſer Stand geſetzt war, der Frau ehelich beyzuwohnen, und derſelbe dennoch zu ſei - nem nicht geringen Erſtaunen die ganz unerwartete Ent - deckung macht, daß ſeine Frau geſegneten Leibes iſt; ſo kann weder in dem einem noch dem andern Fall das von der Frau gebohrne Kind fuͤr ein rechtmaͤſiges Kind des Ehemanns, noch dieſer fuͤr den Vater deſſelben gehalten werden37)L. 6. D. h. t. — Sed mihi videtur, quod et Scaevola pro - bat, ſi conſtet, maritum aliquamdiu cum uxore non concu - buiſſe infirmitate interveniente, vel alia cauſa; vel ſi ea va - letudine paterfamilias fuit, ut generare non poſſit: hunc, qui in domo natus eſt, licet vicinis ſcientibus, filium non eſſe. .
3) Auſſerdem iſt die Vermuthung des Geſetzes, daß der Ehemann Vater des Kindes ſey, welches ſeine recht - maͤſige Gattin waͤhrend der Ehe zur Welt gebracht hat, ſo ſtark, daß dem Vater das dadurch erworbene Recht der vaͤterlichen Gewalt auf keine Weiſe genommen wer - den kann, wenn auch die Frau behaupten ſollte, daß das Kind nicht von ihm, ſondern von einem andern im Ehe - bruch mit ihr erzeugt ſey38)L. 29. §. 1. D. de probat. L. 3. §. penult. D. de iniur. Cap. 9. X. de poenit. cocceji Iur civ. controv. h. t. Qu. 6., dieſe Angabe der Mutter auch dadurch wahrſcheinlich wuͤrde, daß ſie als eine aus - ſchweifende Perſon oͤffentlich bekannt waͤre39)L. 11. §. 8. et 9. D. ad L. Iul. de adulter. voet in Com - ment. ad D. h. t. §. 8., ja ihre Verſicherung eidlich40)Cap. 10. X. de probat. lauterbach in Coll. th. pr. Pand. h. t. §. 9. wernher lect. Comment. ad Pand. h. t. §. 6. und unter den Geburtsſchmerzen bekraͤftiget haͤtte41)voet in Comm. ad Pandect. h. t. §. 7.. Denn kein Geſtaͤndniß darf zumNach -241De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Nachtheil eines Dritten abzielen42)L. 74. D. de R. I. L. ult. in fin. Cod. de accuſat. Cap. 1. X. de confeſſ. cap. 4. et 10. X. de probat cap 10. de teſtib. Claproth Einleitung in den ordentl. buͤrgerlichen Proceß §. 218. S. 266. und der Eid, der ſich uͤberhaupt immer nach der Natur desjenigen Ge - ſchaͤfts richtet, zu welchem er hinzugekommen43)Omne iuſiurandum ſequitur naturam negotii principalis, at - que cum illius defectu aut infirmitate ſimul vitiatur mal - blanc doctr. de iureiurando §. 117. Es iſt uͤberdem bekannt, daß auch der Eid einem Dritten keinen Nachtheil bringen duͤr - fe. Cap. 21. X. de iureiur. , kann von keiner Wirkung ſeyn, wenn das Geſtaͤndniß an ſich unwirkſam iſt.
4) Wenn eine geſchiedene Frau ein Kind zur Welt gebracht hat, ſo wird daſſelbe in Gemaͤßheit des Plancia - niſchen Senatusconſults44)L. 1. §. 1. D. de agnoſc. et alend. liberis. alsdann fuͤr den Filius Fa - milias des geſchiedenen Mannes angeſehen, wenn ſie ihre Schwangerſchaft dem Mann binnen dreißig Tagen nach aufgehobener Ehe gehoͤrig angezeigt, dieſer gegen die De - nunciation ſeiner Frau nicht proteſtiret hat, und dann die Niederkunft der Frau zu einer ſolchen Zeit eintritt, daß man den Beyſchlaf, aus dem der Partus gezeugt wor - den iſt, noch als eine eheliche Kohabitation des von ihr geſchiedenen Gatten annehmen kann.
5) In wiefern der Ehemann dieſe fuͤr ihn und den Stand des Kindes ſtreitende Vermuthungen auch wi - der ſich gelten laſſen, und das von ſeiner rechtmaͤſigen Frau zur Welt gebrachte Kind auch wider ſeinen WillenfuͤrGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Q2421. Buch. 6. Tit. §. 139. u. 140.fuͤr das ſeinige anerkennen muͤſſe, davon iſt hier die Fra - ge noch nicht, ſondern gehoͤrt zum 3. Titel des XXV. Buchs. Allein das iſt hier noch
6) anzumerken, daß nach dem roͤmiſchen Rechte dem Großvater die vaͤterliche Gewalt uͤber die von ſeinem Sohne in rechtmaͤſiger Ehe gezeugte Enkel zuſtehe, wenn naͤmlich der Sohn ſelbſt noch nicht von der vaͤterlichen Gewalt befreyet iſt45)L. 4. D. h. t. Qui ex filio meo et uxore eius naſcitur, id eſt, nepos meus, et neptis, aeque in mea ſunt poteſtate; et pronepos et proneptis, et deinceps caeteri. ; welcher Fall jedoch in unſern Ta - gen ſeltner als zu der Roͤmer Zeiten vorkommen moͤchte.
Die buͤrgerliche oder roͤmiſche vaͤterliche Gewalt wird nun zweytens auch durch die Legitimation46)Die vorzuͤglichſten Schriften uͤber dieſe Lehre ſind Franc. hotomannus de ſpuriis et legitimatione, in eius disputat. iuris civ. volumine uno, Lugduni 1569. et in Operib. T. I. pag. 519. Chriſt. thomasii Diſſ. de uſu pract. doctrinae de legitimatione Halae 1713. Iuſt Henn. boehmer Diſſ. de legitimatione ex damnato coitu natorum Halae 1759. Ge. iordens Diſſ. duae de legitimatione, in fellenberg Iuris - prud antiqua Tom. II. n. 17. p. 325. Ern. Lud. Aug. ei - senhart Diſſ. de legitimatione liberorum illegitimorum prae - cipue ſecundum ius german. hodiernum. Helmſt. 1786. 4. Auſ - ſerdem hat auch hiervon noch ſehr gruͤndlich gehandelt Deſider. heraldus lib. I. rer. et quaeſt. iuris quotid. cap. I. ſqq. et c. 4. Die von einzelnen Gegenſtaͤnden dieſer Materie han - delnde beſondere Schriften werde ich gelegenheitlich anfuͤhren. erworben. Dieſe ſetzt unehelichgebohrne Kinder zum voraus, welche von Geburt in vaͤterlicher Gewalt nicht ſind. Wasiſt243De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. iſt aber Legitimation? Unſer Herr Verf. ſagt, ſie ſey diejenige Handlung, wodurch uneheliche Kinder mit Huͤl - fe einer Fiction zu ehelichen Kindern gemacht werden. Allein dieſer Begrif ſcheint mir nicht ganz adaͤquat. Wozu jener Behelf der Fiction in dem allgemeinen Begrif der Legitimation, da ſich eine ſolche Erdichtung nicht einmal aus roͤmiſchen Rechten mit Beſtand darthun laͤßt? Legi - timation uͤberhaupt iſt vielmehr eine ſolche Hand - lung, wodurch uneheliche Kinder die Rechte der ehelichgebohrnen ganz oder zum Theil erlangen. Dieſe iſt nun von dreyerley Art, die roͤ - miſche, die teutſche und die heutige Legitimation. Nach dem roͤmiſchen Rechte wird die Legitimation, wie - wohl man dieſes Wort in den roͤmiſchen Geſetzen eigent - lich nicht findet47)Es kommt zwar das Wort Legitimatio in den Rubriken des zweyten, achten und neunten Capitels der Nov. 89. vor. Allein es iſt ja bekannt genug, daß jene Rubriken nicht aͤcht ſind, denn in dem griechiſchen Terte finden ſie ſich nicht. S. lauterbach Diſſ. de legitimatione per ſubſequens ma - trimon. Th. 2. Io. wunderlich de legitimatione per oblat. curiae §. 1. not. 6. noltenius haͤlt es daher in Lexico latin. linguae antibar. p. 601. mit Recht fuͤr ein vocabulum barbarum et minus latinum. Allein in Corpore iuris cano - nici kommt es vor c. 13. X. qui fil. ſint. legit. , blos als ein modus acquirendi pa - triam poteſtatem betrachtet, und darunter diejenige buͤrgerliche Rechtshandlung verſtanden, wo - durch Kinder, welche im Concubinate erzeuget worden, in die vaͤterliche Gewalt ihres na - tuͤrlichen Vaters, in welcher ſie von Geburt nicht ſind, mit ihrer Einwilligung gebracht werden, und hierdurch die Familienrechte ehelich gebohrner Kinder erlangen. Dieſe roͤ - miſche Legitimation wurde alſo blos als eine WohlthatQ 2fuͤr2441. Buch. 6. Tit. §. 140.fuͤr den Vater und zu deſſen Nutzen eingefuͤhrt. Sie war vor K. Conſtantins Zeiten gar nicht uͤblich, nur einige wenige Beyſpiele finden wir, da die roͤmiſchen Kai - ſer zuweilen uneheliche Kinder aus bloßer Gnade und extra ordinem durch ein Reſcript fuͤr legitim erklaͤrt haben48)livius lib. XXXVIII. cap. 36. marcian. L. 57. §. 1. D. de ritu nupt. . Allein K. Conſtantin der Große verordne - te zuerſt, daß wenn ein Roͤmer ſeine Concubine, falls ſolche eine freye Perſon iſt, heyrathen wuͤrde, die mit ihr erzeugten Kinder fuͤr ehelich gehalten werden, und der Vater die vaͤterliche Gewalt uͤber ſie erhalten ſoll - te49)Die Verordnung ſelbſt findet ſich zwar im Codex nicht, allein man erkennt ihren Inhalt aus der Verordnung des K. Zeno in L. 5. C. de nat. liberis, wo jener Erwaͤhnung geſchiehet, und ſelbige erneuert wird.. Die Abſicht des Kaiſers dabey war, den Con - cubinat, welcher damalen ſo ſehr uͤberhand genommen hatte, und welchen er den Grundſaͤtzen der chriſtlichen Religion zuwider hielt, wenigſtens zu ſchwaͤchen, da er denſelben auf einmal abzuſchaffen ganz unmoͤglich fand. Er ſuchte alſo die Buͤrger, durch die ihnen verheiſſene Wohlthat zu Schlieſſung rechtmaͤſiger Ehen mit ihren Concubinen anzureizen50)heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Poppaeam. Lib. II. cap. IV. §. 5.. Und damit er ſeine Abſicht deſto eher erreichen moͤchte, ſchraͤnkte er nicht nur das Recht der natuͤrlichen Kinder, aus den Teſtamenten ih - rer Eltern etwas erben zu koͤnnen, auſſerordentlich ein51)Praevidebat enim Imperator, ſchreibt heineccius a. a. O. p. 174. parentes aegre laturos hanc liberorum conditionem, et cum concubina potius facturos iuſtas nuptias, quam ut eam liberosque ex ſe natos, ſe mortuis in mendicitate vivere pate -rentur. ;ſondern245De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſondern er wollte auch die Wohlthat der Legitimation nur denenjenigen Eltern angedeihen laſſen, welche bereits im Concubinate lebten, und ſchon vor ſeiner Geſetzgebung darin Kinder erzeugt haͤtten52)Dies iſt wenigſtens daraus ſehr wahrſcheinlich, weil K. Zeno in L. 5. Cod. de naturalib. lib. die Wirkung der Legi - timation durch die nachfolgende Ehe der Eltern ebenfalls nur auf die zur Zeit ſeiner Geſetzgebung ſchon gebohrne natuͤrliche Kinder einſchraͤnkte, und dabey ausdruͤcklich erklaͤrte, daß er das Conſtantiniſche Geſetz erneuern wolle..
Fuͤr eben dieſe Abſicht arbeiteten auch die Kaiſere Zeno53)L. 5. Cod. de nat. lib. — Hi vero, qui tempore huius ſacratiſſimae iuſſionis necdum prolem aliquam ex ingenuarum concubinarum conſortio meruerint, minime huius legis bene - ficio perſruantur: cum liceat easdem mulieres ſibi prius iure matrimonii copulare, — et legitimos filios, utpote nuptiis praecedentibus, procreare. , und Anaſtaſius54)L. 6. C. codem. vom Jahr 508.. Allein K. Juͤſtinus gieng noch weiter. Er erneuerte nicht allein das Geſetz des Anaſtaſius, ſondern er raͤumte auch eins der vor - zuͤglichſten Hinderniſſe aus dem Wege, wodurch die loͤb - liche Abſicht ſeiner Vorfahren oft vereitelt worden war. Er verbot naͤmlich, uneheliche Kinder durch den Weg der Arrogation in die vaͤterliche Gewalt zu bringen, und ſolchen hierdurch die Familien Rechte in Anſehung ihresQ 3natuͤr -51)rentur. Daß Conſtantin das Erbrecht der natuͤrlichen Kinder wirklich in dieſer Abſicht eingeſchraͤnkt habe, iſt aus der Verordnung des K. Valentinian L. 1. Cod. Theod. de natur. fil. zu erſehen; worin aber dieſe Einſchraͤnkungen beſtanden haben? unterſucht Iac. gothofredus in Comment. ad Cod. Theodoſ. Tom. I. Lib. IV. Tit. 6. S. 393. edit. Ritter. 2461. Buch. 6. Tit. §. 140.natuͤrlichen Vaters mittheilen zu laſſen55)L. 7. Cod. eodem, vom Jahr 519. — non arrogationum vel adoptionum praetextus, quae ulterius minime ferendae ſunt, cum nimis ſit indignum, nimis item impium, flagitiis praeſidia quaerere, ut et petulantiae ſervire liceat; et ius no - menque patris, quod eis denegatum eſt, id altero legis colore praeſumant. Dieſe Conſtitution wird irrig von einigen dem K. Juſtinian zugeeignet. Allein man ſehe relandi faſtos Conſulares pag. 686.. Juſtinian erweiterte im Gegentheil das Recht der Legitimation eben ſo ſehr, als es ſeine Vorfahren zu Aufhebung des Con - cubinats eingeſchraͤnkt hatten. Denn die Erfahrung hat - te ihn gelehrt, daß alle Verfuͤgungen ſeiner Vorfahren fruchtlos geweſen waren, ein Uebel auszurotten, was viel zu tiefe Wurzeln geſchlagen hatte. Ueberdem war der Unterſchied zwiſchen einer rechtmaͤſigen Ehefrau und einer Concubine, ſeitdem die ehemalige Form und Feyerlichkeit bey Schließung der roͤmiſchen Ehe auſſer Gebrauch ge - kommen, ſo unbedeutend geworden, daß es jetzt ſchwer war, beyde von einander zu unterſcheiden56)Man vergleiche hier vorzuͤglich Corn. Wilh. de rhoer Diſſertationes de effectu religionis Chriſtianae in iurisprud. Roman. Faſcic. I. (Groeningae 1776. 8.) Diſſert. IV. §. 19. pag. 133. ſq. . Hierzu kam, daß ſelbſt die Geiſtlichkeit den Concubinat verthei - digte, und ſolchen durch Concilien-Schluͤße erlaubte, ja durch ihr eigenes Beyſpiel lehrte, daß derſelbe wenig - ſtens den Grundſaͤtzen der chriſtlichen Religion nicht zu - wider laufe57)can. 4. Diſt. 34. can. 6. Cauſ. XXXII. qu. 2. bingham Origin. Eccleſ XI. 5. 2. du cange in Gloſſar. v. Concubi - na, iortin Remarks on Eccleſiaſtical hiſtory Tom. III. pag. 226 und 228.. Kurz dieſe und mehrere dergleichen Gruͤnde58)Wovon de rhoer a. a. O. nachzuſehen iſt. bewogen den K. Juſtinian, daß er nichtnur247De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. nur das Recht, durch nachfolgende Ehe die mit einer Concubine erzeugte Kinder zu legitimiren, als eine beſtaͤn - dige und zu jeder Zeit guͤltige Art der Legitimation ein - fuͤhrte59)L. 10. Cod. de natur. lib. , welche ſich auch auf die noch kuͤnftig im Con - cubinat zu erzeugende Kinder erſtrecken ſolle; ſondern auch auf den Fall, da die Ehe mit der Concubine nicht ſtatt finden moͤchte, noch eine neue Art der Legitimation durch Fuͤrſtliche Begnadigung per reſcriptum prin - cipis) erfand60)Chriſt. Henr. hiller Diſſ. qua legitimatio per reſcriptum Principis Iuſtiniano Imp. tamquam auctori atque inventori vin - dicatur. Tub. 1723.. Wir werden davon zu ſeiner Zeit aus - fuͤhrlicher handeln. Soviel vorjetzt vom Begrif und zur Geſchichte der roͤmiſchen Legitimation. Nicht zum Nu - tzen des Vaters, ſondern der Kinder iſt hingegen die teutſche Legitimation eingefuͤhret worden, welche dem Vater keine vaͤterliche Gewalt uͤber ſeine unehelichen Kin - der giebt, ſondern blos den Schandfleck der unehelichen Geburt tilgt, und die Kinder faͤhig macht, in Gilden, Zuͤnfte, und andere Kollegien aufgenommen zu werden, und uͤberhaupt im Staat als legitim zu paſſiren. Auch von dieſer wird unten beym §. 145. ein mehreres vorkom - men. Endlich die heutige Legitimation iſt diejenige Handlung, wodurch uneheliche Kinder ſo - wohl die Familienrechte ehelich gebohrner, als auch gewiſſe buͤrgerliche Rechte, die ſie auſ - ſerdem wegen Anruͤchtigkeit haͤtten entbehren muͤſſen, erlangen, und zwar entweder beyde zuſammen, oder nur letztere, mit Ausſchluß der erſtern61)S. eisenhart in der angef. Diſſertat. Cap. II. §. 6.. Daher iſt die Legitimation nach heu - tigen Rechten entweder eine vollkommene (plena) Q 4oder2481. Buch. 6. Tit. §. 140.oder eine unvollkommene (minus plena)62)von Truͤtſchler Anweiſung zu vorſichtiger und foͤrml. Abfaſſung rechtl. Aufſaͤtze. I. Th. S. 301. nach der zweiten verb. Auflage.. Noch iſt die Frage kuͤrzlich zu eroͤrtern, ob die Legitimation auſſer der Ehe gebohrner Kinder ſich in einer roͤmiſchen Erdichtung gruͤnde63)Ueber dieſe Frage hat Joh. Jacob Prehn in der beym Verf. angefuͤhrten Abhandlung, Roſtock 1777. 4. am neue - ſten geſchrieben.? nach der gewoͤhnlichen Lehre der Rechtsgelehrten wird dieſe bejahet. Man ſagt, es wer - de vermoͤge einer rechtlichen Fietion angenommen, als ob ein auſſer der Ehe gebohrnes Kind in rechtmaͤſiger Ehe erzeugt worden. Weil nun bey einer jeden Fiction der Geſetze immer eine moraliſche Moͤglichkeit desjenigen voraus geſetzet wird, ſo als wahr angenommen werden ſoll, ſo koͤnnten nur blos ſolche uneheliche Kinder legiti - miret werden, deren Eltern zur Zeit des Beyſchlafs und der Conception eine rechtmaͤſige Ehe nach denen Geſetzen freygeſtanden haͤtte. Daher komme es nun, daß keine im Ehebruch, Blutſchande und andern dergleichen uner - laubten Beyſchlaf erzeugte Kinder legitimirt werden koͤnn - ten64)Man ſehe Io. strauch Diſſertat. ad ius Iuſtinian. IV. §. 3. Pet. Diet. volkmann in Diſſ. de legitimatione partus, a parentibus ſedulo occultati, eiusque adulterini per ſubſequens matrimonium. Gieſſae 1761. §. X. ſq. Hr. Oberappell. R. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciuſiſchen Inſtitu - tionen §. 136. u. a. m.. Allein dieſer Theorie ſtehen ſtarke Zweifel ent - gegen, daher ſie von vielen aͤltern und neuern Rechtsleh - rern65)Andr. alciatus Paradoxor. lib. III. cap. 12. vinnius in Commentar. ad §. ult. I. de nupt. stryck Uſ. Mod. Pan -dectar. als ungegruͤndet verworfen wird. Denn erſt -lich249De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. lich wozu brauchten die roͤmiſchen Geſetzgeber den Behelf einer Fiction, die die Legitimation als eine Wohlthat fuͤr den Vater einfuͤhrten? War ihr Wille allein nicht kraͤftig genug? Zwar bedienten ſich die roͤmiſchen Rechtsgelehrten ſolcher Erdichtungen oͤfters, wenn ſie von der Strenge der Geſetze abwichen, um ihre aufgeſtellten Saͤtze damit zu coloriren66)Ant. Dad. alteserra de fictionibus iuris, Paris 1659. 4. et ex recenſ. eisenharti Halae 1769. 8. Chriſt. Iac. zahn Diſſ. de fictionibus iuris Rom. Tubingae 1787. praeſide Chriſt. gmelin defenſa. ; allein nicht von dieſen, ſondern von den roͤmiſchen Kaiſern ſelbſt iſt ja die Legitimation eingefuͤhrt worden. Konnten nun dieſe nicht ohne Fiction kraft ihrer geſetzgebenden Gewalt den unehelichen Kindern die Rechte ehelich gebohrner unter gewiſſen Beſtim - mungen beylegen? Zweytens wuͤrde, wenn man eine ſolche retrotractiviſche Fiction annehmen wollte, hier - aus offenbar folgen, daß die aus einem Stuprum erzeug - te Kinder (ſpurii) nach dem Civilrecht haͤtten legiti - mirt werden koͤnnen, weil deren Eltern zur Zeit des Beyſchlafs die Ehe frey ſtund; und doch erſtreckte ſich die Wohlthat der Legitimation auf dieſe nach roͤmiſchen Rech - ten nicht. Drittens hat Juſtinian vermoͤge der Nov. 78. cap. 4. ſogar die Legitimation durch nachfolgende Ehe zu - gelaſſen, wenn gleich die Mutter zur Zeit der Conception oder der Geburt der Kinder noch Sclavin geweſen, wie reimt ſich dieß mit jener retrotractiviſchen Erdichtung zuſam - men? Selbſt diejenigen, welche ſie annehmen, muͤſſenQ 5daher65)dectar. h. t. §. 11. beſonders aber I. H. boehmer in Diſſ. de legitimat. ex damnato coitu nator. §. 14. und Car. Seb. berardus in Commentar. in Ius Eccleſ. univ. Tom. III. Diſſert. VI. Qu. 2. pag. 174.2501. Buch. 6. Tit. §. 141.daher geſtehen, daß Juſtinian dieſelbe aufgehoben habe. Es iſt alſo der ganze Streit daruͤber unnuͤtz67)Zum Beſchluß will ich nur noch eine Stelle aus dem ange - fuͤhrten berardus uͤber dieſe Materie herſetzen, da dieſes Buch nicht ſonderlich bekannt worden iſt. Quaenam abſurda, ſagt dieſer a. a. O. emergere potuiſſent, inducta huius generis fictione, facile eſt demonſtrare, uno propoſito exemplo. Ni - mirum proponatur filius-familias eam in concubinam ſibi ad - ſciviſſe, quam ideo uxorem non duxerat, quia pater nuptiis cum ea contrahendis diſſenſiſſet. Interea ex ea concubina nati ſunt liberi, iidemque iuxta Iuris Rom. etiam Iuſtinianei prin - cipia naturales. Mortuo patre filius ſui iuris effectus, cum concubina ſua nuptias contraxit Quoties in hac ſpecie finge - retur, ad tempora concubinatus retrotrabi nuptias, quis non videret, filios in concubinatu ſuſceptos habitum iri tanquam ſuos avo, eidemque quaſi poſthumos agnaſci? At vero hoc poſthumorum genus toti Romanae vel ipſi recentiori Iuſtinia - neae iurisprudentiae prorſus incognitum eſt, et novis inaudi - tisque controverſiis occaſionem praeberet. .
Es kommt nun in der weitern Abhandlung dieſer Materie zuerſt auf die Frage an, welchen unehelich gebohrnen die Wohlthat der Legitimation eigentlich zu Theil werde? Unſer Verf. behauptet, daß ſelbige nur denen im Concubinat und aus einem Stu - prum erzeugten Kindern zu ſtatten komme. Allein we - der adulterini noch inceſtuoſi koͤnnten legitimirt werden, weil ſich bey ſolchen Kindern nicht fingiren laſſe, daß ih - re Eltern zur Zeit des Beyſchlafs bereits in rechtmaͤſiger Ehe gelebt haͤtten. Man muͤſſe auch die mit einer Hure erzeugten Kinder (vulgo quaeſiti) von jener Wohlthat ausſchlieſſen, weil bey dieſen der Vater faſt immer unge -wiß251De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. wiß ſey. Mich duͤnkt, daß dieſe Theorie nur zum Theil wahr, uͤbrigens aber auf ein falſches Principium ge - bauet ſey. Man unterſcheide zufoͤrderſt das roͤmiſche und canoniſche Recht, deren Grundſaͤtze hierin nicht mit einander uͤbereinſtimmen. Nach dem roͤmiſchen Recht konnten nur allein die im Concubinat68)Concubinat heißt im Sinn des Roͤm. Rechts die haͤus - liche Verbindung einer ledigen Mannsperſon mit einer unver - heyratheten Weibsperſon, welche in der Abſicht, Beyſchlafs halber, jedoch ohne eheliche Form und Affection, beyſammen zu wohnen, auf eine nach den Geſetzen erlaubte Art einge - gangen worden. S. jordens Diſſ. I. de Legitimat. Cap. III. §. 2. erzeugte Kinder (naturales) legitimirt werden; andere unehelich gebohrne nicht69)§. fin. I. de nupt. tot. tit. Cod. de natural. lib. Nov. 89. cap. fin. . Fragt man nach dem Grunde dieſer Verord - nung, ſo laͤßt ſich hiervon dreyerley Urſach angeben. Denn erſtlich ſollte die Legitimation das Mittel werden, den da - mals ſo ſehr unter den Roͤmern in Schwange gehenden Concubinat indirecte abzuſchaffen70)heineccius in Comment. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. cap. 4. §. 5.. Nun aber war aller andere uneheliche Beyſchlaf, auſſer dem Concubinat, ſchon an ſich geſetzwidrig. Sodann ſollte dieſelbe zugleich eine Wohlthat fuͤr den Vater ſeyn, damit er dadurch die vaͤ - terliche Gewalt uͤber ſeine uneheliche Kinder erlangen moͤchte. Allein Wohlthaten ertheilen die Geſetze keinem Verbrecher. Ueberdem iſt bey denen aus einem andern un - ehelichen Beyſchlaf, auſſer dem Concubinat, erzeugten Kin - dern der Vater entweder ungewiß, oder ein ſolcher, quem habere non licet, wie Modeſtin71)L. 23. D. de ſtatu hom. ſich ausdruͤckt. Nun darf aber das eine ſo wenig, als das andere bey ei - ner roͤmiſchen Legitimation ſeyn. Alſo die aus einerBlut -2521. Buch. 6. Tit. §. 141.Blutſchande, oder aus einem Ehebruch, oder mit einer geſchwaͤchten honetten Weibsperſon aus einem Stuprum erzeugte Kinder, waren nach roͤmiſchen Recht von der Wohlthat der Legitimation ganz ausgeſchloſſen. Allein nach dem canoniſchen Recht, welchem wir heutiges Ta - ges in dieſer Materie ohne allen Zweifel den Vorzug ge - ben, koͤnnen alle Arten von unehelichen Kindern legiti - mirt werden, auch diejenigen, welche aus einem Stuprum, Fornication, Ehebruch oder Inceſt gebohren worden ſind72)Man ſehe hieruͤber nach I. H. boehmer in Iur. Eccleſ. Proteſt. Lib. IV. Tit. 17. und in Diſſ. de legitimat. ex damnato coitu nator. in Exercit. ad Pandect. T. I. n. 20 a pufen - dorf Obſervat. iur. univ. T. I. Obſ. 163. volkmann in Diſſ de legitimat. partus adulterini per ſubſeq. matrimon. §. 14 ſqq. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 592.. Dies hat nun zwar in dem Fall nicht den min - deſten Zweifel, wenn die Legitimation ohne Ehe durch ein landesfuͤrſtliches Reſcript73)cap. 13. X. qui filii ſint legit. berardus in Commentar. in Ius Eccleſ. univ. Tom. III. Diſſ. VI. Qu. 2. pag. 176. geſchiehet. Allein deſto mehr wird daruͤber geſtritten, wenn die Legitimation durch eine Ehe erfolgen ſoll. Hier ſind angeſehene Rechtsgelehrten74)S. berardus c. l. pag. 175. Franc. sarmiento Lib. I. ſelectar. Interpretat. cap. V. n. 10 perez Praelect. ad Codic. tit. de natural. liberis n. 12. Lud. God. madihn Princip. iuris Rom. P. V. §. 5. pag 10. u. a. m. der Meinung, daß das canoniſche Recht die Wohlthat der Legitimation zwar in ſo fern weiter, als im roͤmiſchen Recht geſchehen, ausgedehnet habe, daß nicht nur die im Concubinat, ſondern auch aus einem Stuprum oder For - nication (ſpurii et vulgo quaeſiti) erzeugte Kinder ſelbſt durch die nachfolgende Ehe der Eltern legitimirt werdenkoͤnn -253De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. koͤnnten75)cap. 1. et 6. X. qui filii ſint legitimi. . Allein die aus einem Ehebruch oder aus ei - ner Blutſchande gebohrne Kinder habe auch ſelbſt das ca - noniſche Recht von dieſer Wohlthat ausdruͤcklich ausge - ſchloſſen, wenn gleich denen Eltern die Ehe waͤre erlaubt worden. Unſer Autor ſcheint ebenfalls von dieſer Mei - nung nicht abgeneigt zu ſeyn, wie aus den Noten y und z erhellet. Die Vertheidiger derſelben gruͤnden ſich in der bekannten Decretale des Pabſts Alexander III. cap. 6. X. qui filii ſint legitimi, welche folgendermaßen lautet: Tanta eſt vis matrimonii, ut, qui antea ſunt geniti, poſt contractum matrimonium legitimi habeantur. Si autem vir, vivente uxore ſua, aliam cognoverit, et ex ea prolem ſusceperit; licet poſt mortem uxoris ean - dem duxerit; nihilominus ſpurius erit filius, et ab heredi - tate repellendus; praeſertim ſi in mortem uxoris pri - oris alteruter eorum aliquid fuerit machinatus. Nun ſpricht zwar dieſer Text ganz expreſſiv gegen die Legitima - tion der im Ehebruch erzeugten Kinder durch die nachfol - gende Ehe der Eltern; allein wir duͤrfen hierbey nicht aus der Acht laſſen, daß die vorliegende paͤbſtliche Entſchei - dung aus ſolchen Grundſaͤtzen gefloſſen ſey, welche von den Paͤbſten der folgenden Zeit wieder abgeaͤndert worden ſind. Man unterſcheide alſo die verſchiedenen Zeitperio - den der paͤbſtlichen Verordnungen von einander, und man wird bemerken, wie behutſam die Paͤbſte bey allmaͤh - liger Erweiterung der Wohlthat, uneheliche Kinder durch die Ehe der Eltern legitim zu machen, verfahren, und wie ſie in Abaͤnderung der Vorſchriften des roͤmiſchen Rechts nur ſtuffenweiſe fortgeruͤckt ſind. Es ſcheint, daß die da - malen taͤglich immer mehr uͤber Hand genommene Miß - braͤuche des Concubinats endlich auch ſelbſt die Aufmerk - ſamkeit der Paͤbſte rege gemacht haben, um auch ihrerSeits2541. Buch. 6. Tit. §. 141.Seits zu Ausrottung deſſelben dienliche Anſtalten zu tref - fen. Der erſte Schritt hierzu, den ihnen die Klugheit rieth, geſchahe dadurch, daß ſie den Satz aufſtellten, Con - cubinat und Stuprum ſey von einander weiter nicht ver - ſchieden. Um nun dieſem Satze mehr Publicitaͤt zu ge - ben, war es eine nothwendige Folge, nunmehro auch eben dasjenige von denen aus einem Stuprum erzeugten Kindern gelten zu laſſen, was die roͤmiſchen Rechte inſon - derheit von natuͤrlichen im Concubinat gebohrnen Kindern verordnet hatten. Dies geſchahe zuerſt von Pabſt Alex - ander III. indem er die aus einem Stuprum oder For - nication gebohrne Kinder wegen der Ehe ihrer Eltern fuͤr legitim erklaͤrte76)cap. 1. X. qui fil. ſint legit. Man ſehe hieruͤber vorzuͤg - lich berard a. a. O. S. 174. und folg.; und dieſe neue Wirkung lediglich der Kraft des Ehe Sacraments zuſchrieb77)In append. concilii Lateranenſis III. part. 39. de anno 1179. beym Harduin Tom. VI. Concilior. p. 2. pag. 1819. wor - aus das cap. 6. X. qui fil. ſint legit. genommen iſt, heißt es: tanta eſt vis ſacramenti. . Eine zweyte ganz natuͤrliche Folge aber hiervon war, daß dieſe Wirkung der Ehelichmachung nur da Statt finden konn - te, wo die Ehe ſelbſt unter den Eltern moͤglich war. Nun war zu den Zeiten des Pabſts Alexander III. die Ehe zwiſchen den Ehebrecher und der Ehebrecherin ſowohl nach den Kirchenkanonen78)can. 1. Cauſ. XXXI. qu. 1. c. 4. et 5. Cauſ. XXX. qu. 1. als nach den roͤmiſchen Ge - ſetzen79)L. 27. Cod. ad L. Iul. de adult. Nov. 134. c. 12. noch ſchlechterdings verboten, am wenigſten aber wurde ſie geduldet, wenn der ehebrecheriſche Gatte gegen den unſchuldigen Gatten Lebensnachſtellung verſucht hatte. Und daß auch Pabſt Alexander III. dieſen Grundſaͤtzengetreu255De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. getreu geblieben, erhellet aus ſeiner eigenen Verordnung im cap. 1. X. de eo, qui duxit in matrimonium, quam pol - luit per adulterium ganz deutlich. Wie konnte er nun al - ſo bey den zu ſeiner Zeit herrſchenden Grundſaͤtzen anders reſcribiren, als daß ein im Ehebruch erzeugtes Kind durch die Ehe der Eltern nimmer legitimiret werden koͤnne, zu - mal wenn, wie in dem cap. 6. noch angefuͤhret wird, der Ehebrecher ſeiner unſchuldigen Ehegattin nach dem Leben geſtanden haben ſollte? Der Grund der Entſcheidung war hier offenbar kein anderer, als weil die Ehe an ſich unter den Eltern nicht beſtehen konnte80)Dieſer Entſcheidungsgrund wird auch in der original De - cretale beym Harduin a. a. O. ausdruͤcklich beygefuͤgt. Denn da ſchließt ſich dieſe paͤbſtliche Verordnung mit den Worten: quoniam inter ſe legitimum matrimonium contrahere non potuerunt; welche aber in dem cap. 6. cit. der Grego - rianiſchen Decretalenſammlung weggelaſſen ſind.. Allein in der Folge der Zeit iſt unter Innocenz III. von jener Strenge der Kirchendisciplin etwas nachgelaſ - ſen, und das ehemalige ganz allgemeine Verbot der Ehe wegen vorher begangenen Ehebruchs nur auf zwey Faͤlle eingeſchraͤnkt worden; naͤmlich a) wenn der ehebrechende Gatte, noch zu Lebzeiten ſeines unſchuldigen Gatten, den Mitverbrecher die Ehe verſprochen, und b) wenn derſelbe ſeinem unſchuldigen Ehegatten nach dem Leben getrachtet hatte81)Eybel in der Einleitung in das katholiſche Kirchenrecht IV. Theil I. Band Cap. 13. §. 362. not. e. Schott Ehe - recht §. 99.. In allen uͤbrigen Faͤllen hingegen kann nach dem neuern paͤbſtlichen Recht der untreue Ehegatte ſeinen Mitverbrecher rechtmaͤſig heyrathen, ja eine ſolche Ehe wird in cap. 6. X. de eo, qui duxit in matrim. quam poll. per adult. ausdruͤcklich fuͤr ein legitimum matrimoniumerklaͤrt.2561. Buch. 6. Tit. §. 141.erklaͤrt. Hieraus folgt nun, deucht mir, von ſelbſt, daß in einem ſolchen Fall, da die Ehe zwiſchen den Ehebre - cher und der Ehebrecherin den Rechten nach ſtatt finden kann, auch die im Ehebruch erzeugte Kinder hierdurch le - gitimiret werden82)Eben dies behauptet auch Schott in der Einleitung in das Eherecht §. 187. add. Rud. Chriſt. henne Diſſ. de legi - timatione liberorum per ſubſequens matrimonium §. 13. und stryck in Uſ. Mod. Pandectar. h. t. §. 12., und dies um ſo mehr, da die Wir - kung der Legitimation in dem oben angefuͤhrten cap. 6. X. qui filii ſint legit. der Kraft der Ehe lediglich zuge - ſchrieben wird, mithin es ungereimt ſeyn wuͤrde, die Ehe ſelbſt unter den Eltern geſetzlich zu erlauben, und ihr doch die Wirkungen abzuſprechen. Aus eben den Gruͤn - den trage ich auch kein Bedenken, mit Boͤhmer83)in Iur. Eccleſ. Proteſtant. Tom. IV. Lib. IV. Tit. 17. §. 18. und in Diſſ. de legitimatione ex damnato coitu nator. §. 17. ſqq. findet man eine Menge von Beyſpielen, wo uneheliche Kin - der von allerley Art durch die nachfolgende Ehe legitimirt worden ſind., Stryk84)Uſ. Mod. Pandectar. h. t. §. 13. und andern mehrern Rechtsgelehrten85)Paul. Ioſ. a riegger Inſtitutionnm iurisprud. eccleſ. P. IV. §. 197. Schott im Eherecht §. 187. S. 415. u. a. m. zu behaupten, daß nach canoniſchen und heutigen Rechten die in Blutſchande erzeugte Kinder durch nachfolgen - de Ehe ihrer Eltern legitimirt werden koͤnnen, in ſofern naͤmlich dieſelbe durch Dispenſation zugelaſſen werden kann.
Zur Guͤltigkeit einer jeden Legitimation wird nun zweyerley erfordert. I) Die Einwilligung der Intereſſen - ten; und II) die geſetzlich vorgeſchriebene Form. Soviel den erſten Punct betrifft, ſo muͤſſen wir wieder das roͤ - miſche Recht von dem canoniſchen und heutigen Rechte wohl unterſcheiden. Nach roͤmiſchen Rechten wird ſowohl die Einwilligung des Vaters als der Kinder erfordert. Denn durch Legitimation erlangen die unehelichen Kinder die Familienrechte der ehelichgebohrnen, mithin auch ein Erbrecht in Anſehung ihres natuͤrlichen Vaters; nun kann man doch dieſem wider ſeinem Willen keine Erben ob - trudiren. Allein durch die Legitimation wird auch der Zuſtand der unehelich gebohrnen in gewiſſer Abſicht ver - ſchlimmert. Denn ſie hoͤren auf ſui iuris zu ſeyn, was ſie vorher waren, und kommen in die vaͤterliche Gewalt ihres natuͤrlichen Vaters. Iſt es nun, ſagt Juſti - nian86)Nov. 89. cap. 11. Io. mercerius lib. II. Opinionum et Obſerv. cap. 8. in ottonis Thesaur. Iur. Rom. Tom. II. p. 1594. et iordens de legitimatione Diſſ. II. cap. I. , den Vaͤtern nicht erlaubt, die Kinder wider ihren Willen aus der vaͤterlichen Gewalt zu entlaſſen, ſo kann es auch eben ſo wenig recht ſeyn, ſie wider ih - ren Willen in die vaͤterliche Gewalt zu bringen. Nach canoniſchen und heutigen Rechten aber muͤſſen wir zwiſchen der vollkommenen und unvollkommenen Legiti - mation unterſcheiden. Zur letztern iſt die Einwilligung des Vaters nicht erforderlich, ſondern ſelbige kann auch ohne die - ſe auf das bloſe Anſuchen der Mutter oder des VormundsoderGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. R2581. Buch. 6. Tit. §. 142.oder der Kinder ſelbſt geſchehen. Denn ſie wird lediglich in der Abſicht geſucht, daß der Flecken der Geburt gehoben wer - de, und das Kind im Staat als legitim paßire87)Gabr. schweder Diſſ. de iure liberorum inſcio vel non con - fentiente patre legitimatorum. Tüb. 1705. madihn in Princip. iuris Rom. P. V §. 4. am Ende.. Iſt im Gegentheil von einer vollkommenen Legitimation die Rede, welche zugleich in der Abſicht geſchiehet, daß die unehe - lichen Kinder dadurch die voͤlligen Familienrechte der ehe - lich gebohrnen erhalten ſollen, ſo kommt es wieder darauf an, ob ſelbige durch die Ehe der Eltern erfolgt, oder durch ein landesherrliches Reſcript bewirkt wird. Im er - ſten Fall wird heutiges Tages in Gemaͤßheit des canoni - ſchen Rechts die Einwilligung der Kinder nicht fuͤr noͤ - thig gehalten88)Eben dieſer Meinung ſind thomasius in Diſſ. de uſu pract. doctrinae de legitimatione. Cap. II. §. 3. not. d. I. H. boeh - mer in Diſſ. de legitimat. ex damnato coitu nator. §. 26. Paul. Ioſ. a riegger Inſtitut. iurisprud. eccles. Part. IV. §. 198. Eybel katholiſches Kirchenrecht IV. Th. I. Band §. 367. not. b. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th. §. 142. S. 217.. Denn in dem cap. 6. X. qui filii ſint legit. wird blos der Ehe dieſe Kraft allein zugeſchrieben, daß die vorher auſſer derſelben erzeugten Kinder hierdurch zu ehelichen Kindern gemacht werden. Nun koͤnnen die Kinder durch ihren Widerſpruch die Ehe ihrer Eltern keinesweges hindern, mithin auch die geſetzlich damit verknuͤpfte Wirkung um ſo weniger hintertreiben, je mehr die Legitimation fuͤr ſie vortheilhaft iſt. Hieraus folgt aber auch zugleich, daß eine ausdruͤckliche Willenserklaͤ - rung von Seiten der Eltern in Betref der Legitimation ihrer unehelichen Kinder bey Schließung ihrer Ehe nichterfor -259De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. erfordert werde89)Nach roͤmiſchen Rechten duͤrfte uns wohl die bey Schlieſ - ſung einer ſolchen Ehe, wodurch die ſchon vorher auſſer der - ſelben erzeugte Kinder legitimirt werden ſollten, erforderliche confectio inſtrumentorum dotalium, eines andern belehren; wie vinnius in Commentar. ad §. ult. I. de nuptiis und noodt in Comm. ad Pandect. tit. de his, qui ſui vel al. iuris ſunt, pag. 27. gezeigt haben. Allein daß dieſe ſchriftliche Ehe - pacten zur Legitimation durch die nachfolgende Ehe heutiges Tages nicht erforderlich ſeyn, wird beym §. 143. bemerkt werden. Man ſehe nach volkmann Diſſ. de legitimat. par - tus a parent. ſed. occultati eiusque adult. per ſubſ. matrimon. §. XII. . Im letztern Fall bleibt es hingegen bey der Verordnung des roͤmiſchen Rechts, und wird da - her der Kinder Einwilligung, ſie ſey nun eine ausdruͤck - liche oder ſtillſchweigende, hierzu auch heutiges Tages erforderlich ſeyn, zumahl man Wohlthaten niemanden aufzudringen pflegt90)hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 596..
Hiernaͤchſt zweytens die Form der Legitimation anlangend, ſo hatten die Roͤmer bekanntlich drey Arten derſelben, naͤmlich die durch nachfolgende Ehe; durch Beſtimmung zum Decurio; und durch ein landesfuͤrſtliches Reſcript91)Ge. Chriſt. gerauer Excuss. IV. ad lib. prim. Inſtitut. Iuſtinian. S. 263 — 303.. Die erſte iſt von K. Conſtantin den Großen eingefuͤhrt worden, und ge - ſchahe nach roͤmiſchen Rechten dadurch, wenn ein Roͤmer die Concubine auf eine geſetzmaͤſige Art heyrathete, mitR 2wel -2601. Buch. 6. Tit. §. 143.welcher er vorher auſſer der Ehe Kinder gezeugt hatte92)Hierher gehoͤrt vorzuͤglich der raͤtzelhafte §. 13. I. de nupt. wo Juſtinian nicht nur ſeiner eigenen Verordnung zu - ſchreibt, daß natuͤrliche Kinder dadurch, daß ihr Vater die Concubine, mit welcher er ſie erzeugt hat, dotalibus inſtru - mentis compoſitis, heyrathet, in die vaͤterliche Gewalt gebracht wuͤrden, ſondern auch noch hinzufuͤgt: Quod et aliis liberis, qui ex eodem matrimonio fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Dieſe Worte haben den Auslegern bey - nahe unuͤberwindliche Schwierigkeiten verurſacht. Denn es verſteht ſich ja von ſelbſt, ſagt man, daß die Kinder, die ich mit meiner ehemaligen Concubine nun in rechtmaͤſiger Ehe zeuge, in meiner vaͤterlichen Gewalt ſind, was brauchte Ju - ſtinian ſolches beſonders zu verordnen? Man hat alſo hier eine Ungereimtheit zu entdecken vermeint, die anders nicht, als durch Emendation, gehoben werden koͤnne. Cujaz las da - her zuerſt: Quod, ſi alii liberi ex eodem matrimonio fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Nun ſey der Sinn folgender. Es ſolle keine Aenderung der durch die Le - gitimation einmal erworbenen Rechte machen, wenn gleich hernach in derſelbigen Ehe noch mehr Kinder waͤren gezeugt worden. Dieſe ſollten ihrer ehelichen Geburt halber keinen Vorzug vor jenen haben. So verſtand auch Bynkershoͤk lib. II. Obſerv. iur. Rom. cap. 11. den Juſtinian, jedoch emendirte er etwas beſcheidener. Er lieſet naͤmlich folgender - maßen: quod, ut aliis liberis, qui ex eodem matrimonio po - ſtea fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Mehrere Emendationen anderer Rechtsgelehrten findet man beym Gebauer in dem angefuͤhrten Excurs. IV. ad Inſtit. Allein die neuern Ausleger halten wegen der uͤbereinſtimmen - den Leſeart aller Handſchriften eine Aenderung im Text theils fuͤr unſchicklich, theils aber auch fuͤr unnoͤthig. Man ſehe püttmann Interpretat. et Obſerv. cap. 15. Wenn es in den mehrgedachten Worten des §. ult. Inſtit. ſtatt fuerint procrea - ti hieße fuerint editi, ſo wuͤrde ich geneigt ſeyn zu glauben,Ju -. Vor den Zeiten Juſtinians ſetzte dieſelbe als Bedingungvor -261De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. voraus, daß noch keine ehelichgebohrne Kinder vorhan - den waren93)L. 5. L. 6. Cod. de natural. liberis. ; allein Juſtinian dehnte ſie auch in ſo fern mehr aus, daß er ſelbige ohne Unterſchied zuließ, wenn gleich aus einer ſchon vorhergegangenen rechtmaͤſi - gen Ehe Kinder vorhanden ſeyn ſollten94)Nov. 12. cap. 4. et Nov. 89. cap. 8.. Nur daruͤber ſtreitet man ſich noch, ob zu dieſer Art der Legitimation ſchriftliche Ehepacten (inſtrumenta dotalia) erforderlich geweſen ſeyn? Ich glaube aber, daß nach roͤmiſchen Rechten dieſe Frage ſchlechterdings bejahet werden muͤſſe95)S. cuiacius Obſ. iuris Rom. lib. XIII. cap. 4. schul - ting in Enarrat. partis pr. Digeſtor. h. t. §. 9. gebauer in Excurs. cit. §. 9. iordens Diſſ. II. de legitimat. cap. 3. gudelinus de iure noviſſimo lib. I. cap. 9. Hoͤpfner im Commentar lib. I. Tit. 10. §. 139.. Denn einmal reden die Geſetze, die dieſes vorſchreiben, ganz deutlich und uͤbereinſtimmend96)§. ult. I. de nupt. §. 2. I. de hered. quae ab inteſt. def. L. 5. L. 6. L. 10. et 11. C. de natur. lib. Nov. 12. c. 4. Nov. 18. cap. 11. Nov. 19. Nov. 74. praefat. et §. 1. 2. Nov. 78. c. 4. Nov. 89. cap. 1. §. 1.. Sodann hatteR 3die -92)Juſtinian habe auf ſeine Verordnung in L. 11. C. de nat. lib. gezielt, wo er die Frage entſcheidet, ob ein ſchon vor der Ehe empfangenes, aber waͤhrend derſelben gebohrnes Kind, ebenfalls fuͤr rechtmaͤſig zu halten ſey? Es iſt daher wohl am rathſamſten, mit Hrn. Prof. Puͤttmann a. a. O. S. 70. anzunehmen, daß Juſtinian hier, ſo wie mehrmalen, ohne Grund ſich geruͤhmt habe, etwas neues verordnet zu haben. In der L. 10. C. de nat. lib. auf welche Verordnung Ju - ſtinian ohne Zweifel gezielt hat, wollte er nur die auſſer der Ehe mit einer Concubine gezeugten Kinder denen nachher noch in der rechtmaͤſigen Ehe von ebenderſelben gebornen Kin - dern gleich machen, damit ſich letztere ihrer ehelichen Geburt halber keinen Vorzug vor den erſtern anmaßen moͤchten.2621. Buch. 6. Tit. §. 143.dieſes auch ſeinen guten Grund. Denn da der Con - cubinat zu den Zeiten der Kaiſer der Ehe ſo aͤhnlich war, daß man ihn ſchwer davon unterſcheiden konnte, ſo war ein evidentes Zeichen unumgaͤnglich noͤthig, um den Concubinat in eine rechtmaͤßige Ehe zu verwandeln. Hierzu ſchickten ſich nun die inſtrumenta dotalia am be - ſten, weil man die dos ſchon immer als ein aͤchtes Kenn - zeichen einer rechtmaͤßigen Ehe angeſehen hatte97)plautus in Trinummo Act. III. Scen. 2. v. 62. ſqq. sue - tonius in vita Claudii c. 26. et. 29. Daher wird ſogar die dos oft fuͤr nuptiae ſelbſt in unſern Geſetzen gebraucht. §. 2. I. de hered. quae ab inteſt. defer. Man vergleiche auch hei - neccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 13. pag. 255. wiesand in Opuſcul. Spec. VI. n. 2. und ge - bauer Exc. IV. §. 4. in fin. . Heu - tiges Tages finden jedoch in Anſehung der Legitimation durch die nachfolgende Ehe mancherley Abweichungen vom roͤmiſchen Recht ſtatt. Denn erſtens wird zu dieſer Art der Legitimation nach canoniſchen und heutigen Rechten nicht mehr erfordert, daß man mit der Perſon gerade im Concubinat gelebet haben muͤſſe, die man ehelichen will, ſondern es findet dieſelbe heutiges Tages uͤberhaupt ſtatt, wenn Jemand die Perſon, mit der er im uneheli - chen Beyſchlaf, es ſey im Stuprum, oder Ehebruch, oder Inceſt Kinder erzeugt hat, auf eine rechtmaͤßige Art hey, rathet. Es muß nur alſo eine rechtmaͤßige Ehe unter den Eltern moͤglich ſeyn98)Rud. Chriſt. henne Diſſ. de legitimatione liberorum pe - ſubſequens matrimonium. Erf. 1754. §. 10. ff. hofaker Princip. iur. civ. Rom. germ. T. I. §. 594., und dieſe wirklich erfolgen. Iſt dieſes, ſo kommt auf die Zeit, zu welcher die Ehe geſchloſſen wird, nichts an, wenn ſie auch zur Zeit einer toͤdlichen Krankheit, ja auf dem Sterbebette erſt erfolgenſoll -263De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſollte99)iordens Diſſ. II. de legitimat. cap. 5. Steph. waga Diſſ. de eo quod iuſtum eſt circa matrimonium in articulo mortis contractum. Regiom. rec. 1747. boehmer Diſſ. de legitimat. ex damn. coitu nat. §. XXVII. . Denn einmal iſt kein entgegenſtehendes Ge - ſetz vorhanden; und dann iſt es doch auch bey einem toͤd - lich kranken Menſchen immer noch zweifelhaft, ob er wirklich ſterben werde; in einem ſolchen zweifelhaften Falle aber muß in Gemaͤßheit des canoniſchen Rechts im - mer eher fuͤr als wieder die Ehe geſprochen werden100)Cap. fin. X. de ſentent. et re iud. cap. 3. in fin. X. qui matr. accuſ. poſſ. cap. 4. X de reſtitut in integr. ; zu - mal wenn favorliberorum dabey in Betrachtung kommt1)L. 11. Cod. de natural. lib. cap. 6. X. qui fil. ſint. legitim. . Hiernaͤchſt ſtimmen zweytens darin alle heutige Rechtsge - lehrte uͤberein, daß die Errichtung ſchriftlicher Ehepacten zur Guͤltigkeit einer Legitimation durch nachfolgende Ehe heutiges Tages nicht erfordert werde, ſondern hierzu die zu Schlieſſung einer rechtmaͤßigen Ehe vorgeſchriebene kirchliche oder buͤrgerliche Form genuͤge2)lauterbach Diſſ. de legitimatione per ſubſequens matrimo - nium §. 25. boehmer cit. Diſſertat. §. 25. stryk Uſ. mod. Pandect. lib. I. Tit. 6. §. 10. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 594.. Im Mittel - alter gehoͤrte zwar unter die Feyerlichkeiten einer ſolchen Ehe auch die Gegenwart der Kinder. Die Mutter pflegte ſie waͤhrend der Trauung mit ihrem Mantel zu bedecken, woher die Benennung Mantelkinder3)Carl Gottl. Knorrens Nachricht von denen Mantelkindern, in deſſelben rechtlichen Abhandlungen und Gutachten n. I. grupen de uxore theodisca cap. VI. ric - cius in Spicileg. iuris germ. pag. 458. ff., die noch imR 4vori -2641. Buch. 6. Tit. §. 143.vorigen Jahrhundert nicht ungewoͤhnlich war4)So z. B. iſt des Herzogs Heinrich Julius zu Braun - ſchweig und Luͤneburg Verordnung vom Ehebruch und Hu - rerey, wie auch von den Mantelkindern vom Jahr 1693. Corp. Conſtitut. Luneb. P. IV. Cap. 8. p. 51. bekannt, wel - che in dem Gandersheimiſchen Landtagsabſchie - de vom Jahr 1601. nochmals beſtaͤttiget wurde.. Es wur - de auch wohl das Altartuch, oder eine andere zu den Ein - ſegnungen der Eheleute beſonders beſtimmte Decke, wel - che palla, oder pallium geheiſſen5)Die hierher gehoͤrigen Stellen hat du fresne in Gloſſa - rio P. III. voc. Palla Pallium geſammlet., uͤber ſie mit ausge - breitet6)S. Chriſt. Gottl. schwarz Diſſ. de antiquo ritu legitiman - di liberos per pallium. Altorf. 1747.. Allein dieſer alte Gebrauch iſt nach und nach abgekommen, daher heutiges Tages7)heineccius in Elem. iur. germ. lib. I. §. 158. volkmann cit. Diſſ. §. XVIII. die Gegenwart der Kinder bey der Trauung nicht nothwendig erfordert wird. Ob nicht auch durch nachfolgende Sponſalien eine Ehelich - machung geſchehen koͤnne? iſt ſtreitig. Mevius8)Part. II. Deciſ. 81. und Hommel9)Rhapſod. quaeſtion. for. Vol. VI. Obſ. 706. haben dieſes zu behaupten geſucht. Erſterer nimmt an, daß die prieſterliche Trauung zu Schlieſſung der Ehe nicht weſentlich nothwendig, ſondern ſponſalia de praeſenti hinreichend waͤren. Letzter aber beruft ſich auf den Gerichtsgebrauch. Allein Hofacker10)Princip. iur. civ. c. loc. not. d. und Puͤtt - mann11)Miſcellaneor. ad ius pertinentium Specim. I. Lipſiae 1785. Cap. IV. de opinata ſpuriorum legitimatione per ſubſecuta ſpon - ſalia. verwerfen dieſe Meinung, und, wie ich glaube, mit Grund. Denn in den Geſetzen iſt ſie nicht gegruͤn -det,265De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. det. Die Texte12)Cap. 30. 31. 32. X. de ſponſal. cap. 12. X. qui fil. ſint legit. des canoniſchen Rechts, welche den ſponſalibus de praeſenti die Kraft der Ehe beylegen, finden hier keine Anwendung; denn in denſelben wird vorausgeſetzt, daß guͤltige Sponſalien vorhergegangen, und der Beyſchlaf darauf gefolgt ſey. Es iſt auch uͤber - haupt die Lehre des canoniſchen Rechts von den ſponſali - bus de praeſenti durch das neuere Kirchenrecht, ſowohl unter Katholicken als Proteſtanten in Teutſchland aufge - hoben worden13)Hr. geh. JuſtizR. Boͤhmer Princip. iuris Canonici. §. 362. und Hommel ſelbſt in Epitome ſacri iuris Cap. LIII. §. 35. not. a ſagt: rectius dixeris, hodie ſponſalia de praeſenti nul - la ſupereſſe, quia ipſum Concilium Tridentinum Seſſ. XXIV. de reform. cap. I. matrimonium quodvis irritum habet, abſente parocho contractum, nec ſolus amplius conſenſus nuptias per - ficit. . Der vorgegebene Gerichtsgebrauch aber iſt eben ſo ungegruͤndet. Die gemeine Meinung ſtehet alſo feſt, daß auſſereheliche Kinder zwar durch nach - folgende Ehe, aber keinesweges durch bloſe Verlobung ihrer Eltern da, wo die prieſterliche Trauung zur Recht - maͤſigkeit der Ehe nothwendig iſt, ehelich gemacht werden koͤnnen.
Die zweyte Art der Legitimation per oblatio - nem curiae hat den K. Theodoſius den juͤngern zum Urheber14)Io. wunderlich de legitimatione per oblationem curiae liber ſingularis. Ienae 1759.. Sie beſtund darin, wenn ein Roͤmer ſeinen natuͤrlichen Sohn zum Decurio beſtimmte, und ihn daher in das Verzeichniß der Decurionen eintragen ließ; oder ſeine natuͤrliche Tochter an einen Decurio verheyratete15)L. 3. C. de natur. lib. Nov. 89. c. 2.. R 5De -2661. Buch. 6. Tit. §. 143.Decuriones oder Curiales hießen die Magiſtratsperſonen in den Municipal-Staͤdten der Roͤmer. Dieſe machten ein beſonderes Collegium aus, welches Curia genennt wur - de. Ihr Amt war ſo laͤſtig, daß unter heidniſchen Kai - ſern der Decurionat oft eine Strafe fuͤr Chriſten wurde16)brissonius in ſelect. ex iure civ. antiquitat. lib. IV. c. 13.. Jederman ſcheuete ſich daher fuͤr dieſe Wuͤrde oder viel - mehr Buͤrde. Man muſte alſo die Leute durch mancher - ley Privilegien zum Decurionat zu reitzen ſuchen. Zu dieſen gehoͤrte nun auch die Legitimation durch die Beſtimmung zum Decurio. Dieſe Art der Legi - timation faͤllt heutiges Tages gaͤnzlich weg, obwohl im Mittelalter die Geiſtlichkeit die oblationem curiae coe - leſti ſ. monaſterio an deren Stelle geſetzt zu haben ſcheint17)schwarz Diſſ. cit. §. 19.. Denn ſie hielt dafuͤr, daß ein uneheliches Kind, welches die Eltern dem Kloſterleben gewidmet, hier - durch eben ſo, wie per oblationem curiae, legitimirt werde18)covarruvias de matrim. Part. II. Cap. 8. §. 7. n. 6. verwirft jedoch dieſe Art der Legitimation ſchlechterdings.. Daher hebt nach canoniſchen Rechten eine feyerliche, von Staate und von der Kirche genehmigte Profeß alle aus unehelicher Geburt entſtandene Weichhin - derniſſe in ſo weit, daß der Profeßus die ordines und Kirchen-Pfruͤnden, auch ohne weitere Diſpenſation, nur keine Praͤlaturen und Domwuͤrden, zu erlangen faͤhig wird19)Cap. I. de fil. presbyt. riegger Inſtitut. iurisprud. eccles. P. III. §. 589. Eybel katholiſch Kirchenrecht IV. Th. I. Bd. 11. Hauptſt. §. 334..
Endlich die dritte Art der Legitimation geſchiehet durch fuͤrſtliches Reſcript. Juſtinian fuͤhrte die - ſelbe blos in den Faͤllen ein, wo die Ehe mit der Concu -bine267De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. bine nicht moͤglich war20)Nov. 74. c. 1. 2. Nov. 89. cap. 9. Mart. Gottl. pauli Diſſ. de Legitimatione per reſcriptum principis. Gedani 1756.; z. B. wenn die Concubine geſtorben, oder ſich mit einem andern bereits verheyra - thet hatte. Es durften auch keine ehelichen Kinder vor - handen ſeyn, denn dieſen hat Juſtinian in ſeinen Ge - ſetzen ein vollkommenes Recht beygelegt, daß keine Un - ehelichgebohrnen zu ihren Nachtheile voͤllig legitimirt wer - den ſollen. Deßgleichen ſollte nur der Vater ſich an den Fuͤrſten wenden, und von ihm ein dergleichen Reſcript auswirken, nicht die Mutter, auch nicht die unehelichen Kinder, es waͤre denn, daß der Vater denen Kindern in ſeinem Teſtamente befohlen haͤtte, um die Legitimation beym Fuͤrſten anzuhalten21)Nov. 74. cap. 2.. Dies hieß legitimatio per teſtamentum, und war nichts anders, als eine Art der Legitimation, die durch ein Fuͤrſtliches Reſcript geſchie - het, indem die Kinder ſolche nur auf das im Teſtament von ihrem Vater geſchehene Verlangen nachſuchten22)iordens in Diſſ. I. de legitimat. cap. 8. puͤttmann Miſ - cellaneor. ad ius pertinent. Spec. II. cap. 7. p. 10.. So nach roͤmiſchen Rechten. Allein unſere Regenten pflegen ſich an dieſe Vorſchriften des K. Juſtinians nicht ſonderlich zu binden23)griebner D. de iure legitimandi Principum Imp. in Opuſc. T. I. Sect. I. . Wie konnte auch Juſti - nian der geſetzgebenden Gewalt ſeiner Nachfolger Schran - ken ſetzen? Daher findet die Legitimation per reſcriptum heutiges Tages ſtatt, wenn es auch gleich moͤglich waͤre, die Perſon zu heyrathen, mit welcher man die unehelichen Kinder erzeugt hat24)thomasius in Diſſ. de us. pr. doctr. de legitimatione C. II. §. 5. stryk Us. Mod. Pandectar. h. t. §. 17. Lud. God. madihn Princip. iuris Rom. Part. V. §. 7.. Auch ſtehet das Daſeyn derehe -2681. Buch. 6. Tit. §. 143.ehelichen Kinder ihr nicht mehr im Wege25)thomasius e. l. stryck c. l. §. 16. madihn c. l. ; obwohl in dieſem Fall von den heutigen Rechtsgelehrten behauptet wird, daß der Vater ſeinen unehelichen Kindern das Suc - ceſſions-Recht nur alsdann beylegen laſſen koͤnne, wenn beygebracht wird, daß der Pflichttheil der ehelich gebohr - nen unverkuͤrzt erhalten werde26)stryck de Succeſſ. ab int. Diſſ. I. cap. 2. §. 74. gail lib. II. Obſ. 142. carpzov P. II. Conſt. 6. def. 27. hof - acker Princip. iur. civ. Rom. T. I. §. 597. not. e. von Truͤtſchler Anweiſung zur vorſichtigen und foͤrmlichen Ab - faſſung rechtlicher Aufſaͤtze inſonderheit uͤber Handl. der will - kuͤhrlichen Gerichtsbarkeit. I. Th. 2. Hptabth. 3 Hauptſtuͤck §. 54.. Nicht weniger koͤnnen heutiges Tages alle Arten unehelicher Kinder per reſcrip - tum principis legitimiret werden; auch die, welche aus einem Ehebruch, Fornication, Inceſt, oder Stuprum ge - bohren worden27)Cap. 13. X. qui fil. ſint legit. stryk Us. mod. §. 15. thomasius c. l. madihn c. l. . Es kann endlich dieſe Legitimation nach heutigen Rechten auch von den Kindern ſelbſt, oder den Vormuͤndern ohne Einwilligung des Vaters geſucht werden, in ſo fern ſie naͤmlich nur in der Abſicht geſche - hen ſoll, daß der Flecken der unehelichen Geburt geho - ben werde28)madihn c. l. §. 4.. Denn eine vollkommene Wirkung kann ihr ohne die Einwilligung des Vaters nie zugeſchrieben werden29)stryck c. l. §. 18.. Daß der Vater ſeinen Willen auch noch heutiges Tages in ſeinem Teſtament erklaͤren koͤnne, hat keinen Zweifel; dahingegen der Umſtand, daß ein Vater das von ihm auſſer der Ehe erzeugte Kind wie ein eheliches Kind im Hauſe gehalten und erzo - gen, auch im Teſtament zum Erben ernannt habe, denRech -269De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Rechten nach kein modus legitimandi iſt, wodurch daſ - ſelbe die Rechte eines ehelichen Kindes ohne Fuͤrſtliches Reſcript erhalten koͤnnte30)Fratr. becmannorum Conſil. et Deciſ. P. II. Conſ. LXXXV. n. 20. S. 403..
Die Wirkungen, welche die Legitimation nach roͤmi - ſchen Rechten hervorbringt, ſind verſchieden. Sie aͤuſ - ſern ſich
I) auf Seiten des Vaters darin, daß derſelbe dadurch
a) die vaͤterliche Gewalt erlangt. Iſt nun dieſe gleich vor und nach den Zeiten Conſtantins des Großen ſehr gemindert worden, ſo iſt ſie doch immer noch mit ſehr wichtigen Vortheilen verknuͤpft. Man den - ke nur an die Rechte des Vaters in Anſehung des Pecu - liums ſeiner Kinder.
b) Erhaͤlt auch dadurch der Vater ein neues Erbrecht in Anſehung der legitimirten Kinder. Denn wenn gleich der Vater den natuͤrlichen Kindern nach roͤ - miſchen Rechten auch ſuccedirt, ſo iſt doch dieſes Erb - recht ziemlich eingeſchraͤnkt, und beynahe ganz unbedeu - tend, wie zu ſeiner Zeit in der Lehre von der Erbfolge vorkommen wird. Allein den legitimirten Kindern ſucce - dirt nun der Vater eben ſo, wie ſeinen ehelichen Kindern, ohne Unterſchied, die Legitimation mag durch die Ehe oder durch fuͤrſtliches Reſcript geſchehen ſeyn.
II)2701. Buch. 6. Tit. §. 144.II) Auf Seiten der Kinder beſtehen die Wirkun - gen nach roͤmiſchen Rechten darin:
a) ſie leiden dadurch eine Capitis-Deminu - tion, indem ſie der vaͤterlichen Gewalt unterworffen werden.
b) Sie erlangen dadurch die Familienrechte in Anſehung ihres natuͤrlichen Vaters. Dieſe werden auch den Enkeln zu Theil, wenn nach dem Tode des natuͤr - lichen Sohns, von welchem ſie in rechtmaͤßiger Ehe ſind gezeugt worden, der Großvater ſeine Concubine geheyra - thet31)Ant. schulting in enarrat. partis primae Digeſtor. h. t. §. 10. cocceji in iure civ. controv. h. t. Qu. 13.. Ob die legitimirten Kinder auch den Adel des Vaters erhalten, iſt nach roͤmiſchen Rechten wenigſtens nicht zu bezweifeln. Denn Juſtinian32)Nov. LXXXIX. cap. 9. verb. ut ſub poteſtate eius conſi - ſtant, nihil a legitimis filiis differentes. will ſchlech - terdings, daß die einmal legitimirten Kinder von den ehelichgebohrnen in gar nichts unterſchieden ſeyn ſollen. Allein deſto mehrern Zweifeln iſt dieſe Frage nach dem heutigen Recht unterworffen. Zwar behauptet Riccius33)vom landſaͤßigen Adel in Deutſchland II. Th. Cap. II. §. 8. S. 289., daß, wenn beyde Eltern von Adel waͤren, und dieſe her - nach einander ehelichten, das von denſelben auſſer der Ehe erzeugte Kind vermoͤge des erfolgten Eheverbindniſ - ſes ebenfalls fuͤr aͤcht adelich gehalten werden muͤſſe; und aus einem von Moſer34)Einleitung zu dem Reichs-Hofraths-Proceß 3. Th. 3. Cap. §. 13. S. 271. angefuͤhrten Reichs-Hofraths - Concluſo in Sachen von Kuͤnsperg contra Woh - ſern, nunc Kuͤnsperg ſiehet man, daß auch derReichs -271De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Reichshofrath denen durch nachfolgende Ehe legitimirten Kindern hierin favoriſirt. Allein neuere Rechtsgelehrte35)Io. Ge. cramer Tr. de iuribus ac praerogativis nobilita - tis avitae eiusque probatione Cap. IV. §. 2. Henr. Gad. bauer Diſſ. legitimationem per ſubſequens matrimonium nobilitatem germanorum iure non reſtaurare. Lipſiae 1776. hofacker Princip. iur. civ. T. 1. §. 597. widerſprechen dieſer Meinung aus ſo wichtigen Gruͤnden, daß ich dieſen beyzutreten keinen Anſtand finde. Denn nach teutſchen Rechten kann der Adel nur auf zweyerley Art erworben werden; entweder durch eheliche Ge - burt, wenn Kinder von einem adelichen Vater in recht - maͤßiger Ehe ſind erzeugt worden36)Saͤchſ. Lehnrecht cap. XXI. Landrecht Lib. III. art. 72. der Sohn behaͤlt des Vaters Schild und Adel zu Lehn - recht, ſo fern er ehelich gebohren iſt; — das ehe - lich und freygebohrne Kind behaͤlt ſeines Vaters Heerſchild. oder durch einen Adelsbrief. Die Fiction, als ob das auſſer der Ehe gebohrne, und durch nachfolgende Ehe legitimirte Kind, waͤhrend derſelben erzeugt worden, iſt weder in den Ge - ſetzen gegruͤndet, noch von den Teutſchen angenommen. Ganz recht ſagt daher menestrier37)Claud. Franc. menestrier Cap. I. du Blaſon de la No - bleſſe. : la baſtardiſe eſt entierement exclüe des preuves de Nobleſſe d’Allemagne et de Pays has.
c) erhalten auch legitimirte Kinder durch die Ehe - lichmachung nach roͤmiſchen Rechten ein Erbrecht, ver - moͤge deſſen ſie nicht nur dem Vater, ſondern auch denen vaͤterlichen Anverwandten, wie eheliche Kinder und recht - maͤßige Blutsfreunde ſuccediren38)Nov. XII. cap. 4. Nov. LXXXIX. cap 8. u. 9. hoe - acker Princip. iur. civ. T. I. §. 597. not. d. . Die curiae oblatiſuc -2721. Buch. 6. Tit. §. 144.ſuccedirten jedoch nur ihrem Vater, nicht aber den uͤbri - gen Aſrendenten39)L. 9. Cod. de nat. lib. . Daß Kinder, welche durch die nach - folgende Ehe der Eltern legitimirt worden, auch heuti - ges Tages ſo gut als ehelich gebohrne ſuccediren, iſt auſ - ſer Zweifel40)koch de ſucceſſ. ab inteſt. civ. §. 28. (edit. VII. Gieſſae 1790. 8.). Eben ſo gewiß iſt es auch, daß die von dem Vater durch ein landesherrliches Reſcript ausgewirk - te Ehelichmachung denen legitimirten Kindern ein voll - kommenes Erbrecht in dem Fall mittheile, wenn keine ehelichen Kinder vorhanden ſind, oder ſolche erſt nach ge - ſchehener Legitimation gebohren worden41)koch c. l. §. 29. Lud. God. madihn Princip. iur. Rom. P. IV. theoriam de iure hereditario cont. §. 61. pag. 48.. Sehr ſtrei - tig iſt hingegen die Frage, ob der Regent durch ſein Re - ſcript auch ad effectum ſucceſſionis legitimiren koͤnne, wenn eheliche Kinder zur Zeit der verlangten Legitima - tion bereits vorhanden ſind? Einige beiahen dieſe Frage, und ſchreiben einer ſolchen landesherrlichen Ehelichmachung die vollkommenſte Wirkung zu42)Ge. Henr. ayrer Diſſ. de reſcripto legitimationis Princi. pis, pleniſſimum effectum tribaente, legitimi licet liberi extent. Goett. 1748. koch de Succ. ab inteſtato §. 29.. Andere behaupten, daß in dem vorliegenden Fall denen ehelichgebohrnen Kin - dern der Pflichttheil zum voraus gebuͤhre43)Dies iſt die gemeine Meinung der Rechtsgelehrten, welche auch Ge Sam. madihn in Diſſ. de legitime natorum portione legitima in ſucceſſione cum legitimatis, Halae 1755. verthei - diget.. Noch an - dere halten zwar dieſen Vorzug der ehelichen Kinder fuͤr ungegruͤndet, jedoch duͤrften letztere durch eine ſolche Ver - mehrung der Anzahl der Kinder an ihrem Pflichttheilekei -273De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. keinen Schaden leiden44)Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th. S. 250. hofacker c. l. §. 597. not. e. . Es koͤnne daher, glauben ſie, die Legitimation nicht bewirken, daß bey der kuͤnfti - gen Succeſſion die ehelichen Kinder weniger erhalten, als der Pflichttheil ausgemacht haben wuͤrde, wenn die Legi - timation nicht erfolgt waͤre. Endlich giebt es Rechtsge - lehrten, welche der Meinung ſind, daß die legitimirten Kinder in dem bemerkten Fall gar kein Erbrecht erhiel - ten45)pufendorf Obſervat. iur. univ. Tom. I. Obſ. 241. §. 6. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciſchen Inſtitutio - §. 688. eisenhart in Diſſ. cit. de legitimat. lib. illeg. C. III. §. 17.; und dieſe Meinung iſt nach roͤmiſchen Rechten wohl unſtreitig die richtigſte. Denn einmal ſoll die Legitimation unehelicher Kinder durch fuͤrſtliches Re - ſcript nach der Abſicht des K. Juſtinian46)Nov. 89. cap. 8. in dem Fall gar nicht ſtatt finden, wenn eheliche Kinder vorhan - den ſind, gewiß aus keiner andern Urſach, als weil die - ſen die Legitimation zum Nachtheil gereichen, und ihnen durch Concurrenz der legitimirten Kinder ihr kuͤnftiges Erbrecht geſchmaͤlert werden wuͤrde. Hieraus folgt von ſelbſt, daß wenn dergleichen Legitimation demohngeachtet geſchehen, ſolche denen legitimirten Kindern zum Nach - theil der ſchon zur Zeit der geſchehenen Legitimation vor - handen geweſenen ehelichen Kinder kein Erbrecht beylegen koͤnne. Zum andern hat Juſtinian auch dem Vater ausdruͤcklich unterſagt47)Nov. LXXXIX. cap. 12. §. 2. — Sancimus, ut, ſiquidem quispiam habuerit filios legitimos, non poſſit filiis naturalibus eorumque matri ultra unam relinquere unciam, aut donare na - turalibus aut concubinae. , ſeinen natuͤrlichen Kindern,inGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. S2741. Buch. 6. Tit. §. 144.in dem Fall, da er zugleich ehelich gebohrne hat, durch Schenkung oder Teſtament mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu hinterlaſſen. Kann alſo der Vater auch nicht durch Schenkung, Teſtament und andere dergleichen Dispoſi - tionen das Erbrecht der ehelichgebohrnen Kinder zum Vor - theil der unehelichen ſchmaͤlern, ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſ - ſen, daß er letztere zum Nachtheil der erſtern auch nicht durch ein Reſcript legitimiren laſſen koͤnne. Allein die Frage iſt nur, ob dies auch bey uns noch ſtatt finden koͤnne. ?
Man muß, duͤnkt mich, hier zwey Fragen unterſchei - den. Erſtlich: was im Zweifel zu vermuthen, daß der Regent gewollt habe? Zweytens: ob ſich die Gewalt des Regenten ſoweit erſtrecke, uneheliche Kinder auf des Vaters Verlangen voͤllig und ad effectum ſucceſſionis zu legitimiren, ohngeachtet eheliche Kinder vorhanden ſind? Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo glaube ich, man muͤſſe im Zweifel immer vermuthen, daß der Regent dasjenige gewollt habe, was dem gemeinen Rechte am ge - maͤßeſten iſt. Hat daher der Vater den Umſtand, daß eheliche Kinder vorhanden ſind, in ſeiner Supplic ver - ſchwiegen, ſo daß die von demſelben ausgewirkte Legiti - mation unter der Clauſel: ohngeachtet eheliche Kin - der vorhanden, (non obſtantibus liberis legitimis) nicht ertheilet worden iſt, ſo iſt das Reſcript fuͤr erſchlichen zu halten, und kann den ehelichen Kindern um ſo weniger praejudiciren, je bekannter es iſt, daß Privilegien ſine praeiudicio et diminutione iuris tertii verſtanden wer - den muͤſſen48)caill pract. obſervat. Lib. II. Obſ. 142. n. 10. stryk Us. Mod. Pand. h. t. §. 16. fin. . Die zweyte Frage anlangend, ſo laſſen ſich fuͤr die bejahende Meinung folgende Gruͤnde anfuͤh - ren. Erſtens, iſt es auſſer allen Zweifel, daß ein Re -gent275De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. gent heutiges Tages uneheliche Kinder durch ſein Reſcript legitimiren koͤnne, es moͤgen eheliche Kinder vorhanden ſeyn, oder nicht. Warum ſoll nun der Regent ſeinen Reſcript nicht eben die Wirkung beylegen koͤnnen, die Ju - ſtinian der Ehe beygelegt hat49)Nov. XII. cap. 4. Nov. LXXXIX. cap. 8. madihn cit. Diſſ. §. XI. et in Princip. iur. Rom. P. V. §. 5. not. a. ? Man wende nicht ein, daß nach dem Geſetz des Juſtinians der landesherr - lichen Ehelichmachung keine vollkommene Wirkung zuge - ſchrieben werden duͤrfe, wenn zur Zeit der verlangten Le - gitimation ſchon eheliche Kinder vorhanden geweſen ſind. Denn wie konnte Juſtinian der geſetzgebenden Gewalt ſeiner Nachfolger Schranken ſetzen? Zweytens haben eheliche Kinder eigentlich nur ein ius quaeſitum auf den Pflichttheil; dieſer darf ihnen weder entzogen noch ge - ſchmaͤlert werden. Das uͤbrige Vermoͤgen kann der Va - ter zuwenden, wem er will. Hat nun gleich Juſtinian dem Vater, wenn er zugleich ehelichgebohrne Kinder hat, ſeinen natuͤrlichen Kindern, mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu hinterlaſſen nicht erlaubt, ſo bindet doch dieſe geſetz - liche Vorſchrift keinesweges unſere Landesherrn, daß ſie nun eben deswegen ſolche uneheliche Kinder auch nicht vollkommen legitimiren duͤrften, zumahl heutige Rechts - gelehrten uͤberhaupt noch daran zweifeln, ob jene Vor - ſchrift bey uns, ſelbſt auf Seiten des Vaters, annoch gelten koͤnne50)mommel Rhapſod. quaeſtion. forens. Vol. II. Obſ. 373. welche die Ueberſchrift hat: Si pater vel mater legitimos libe - ros in portione legitima inſtituat, licere ei omne reliquum pa - trimonium illegitimis aut concubinae legare. Add. Ge. Steph. wiesand in Opuſcul. pag. 274. not. m. . Es laͤßt ſich alſo nach heutigen Rech - ten wohl rechtfertigen, wenn unſer Verf. ſagt: his (ſc. liberis legitimis) vero extantibus, non ſuccedunt legiti - mati per reſcriptum, niſi pater id voluerit, et princeps di -S 2ſerte2761. Buch. 6. Tit. §. 145.ſerte iuſſerit, nur ſetze man hinzu: modo liberis iam na - tis legitima ſalva maneat.
Auſſer den angefuͤhrten Wirkungen hat die Legitima - tion auf Seiten der unehelichen Kinder in Teutſchland auch noch dieſe Wirkung, daß ſie durch Ehelichmachung von aller Anruͤchtigkeit, die ihnen von ihrer unehelichen Geburt anklebt, befreyet werden, und daher der Regel nach auf alle buͤrgerliche Rechte im Staat Anſpruch ma - chen koͤnnen. Dieſe Wirkung konnte bey den Roͤmern darum nicht ſtatt finden, weil uneheliche Kinder der buͤr - gerlichen Rechte bey ihnen an ſich ſchon nicht verluſtig waren. (§. 116.) Allein die Teutſchen dachten hierin anders. Sie hielten dafuͤr, daß die uneheliche Geburt einen Schandfleck mache, und daher ein uneheliches Kind eine Art von Verachtung und Geringſchaͤtzung verdiene, weshalb es unwuͤrdig ſey, in Zuͤnfte, Handwerke und an - dere ehrliche Collegien aufgenommen zu werden. Um die - ſen Flecken der unehelichen Geburt zu tilgen haben daher die Teutſchen eine eigene Art der Legitimation eingefuͤhrt, welche ſonſt weiter keine Rechte, alſo weder dem Vater die vaͤterliche Gewalt, noch dem legitimirten Kinde die Familienrechte giebt, ſondern daſſelbe nur blos in Abſicht auf den Staat zu Erlangung buͤrgerlicher Rechte legitim und faͤhig macht. Man nennt daher dieſe Art der Legiti - mation die teutſche, oder unvollkommene, zum Unterſchied der roͤmiſchen oder vollkommenen, welche den legitimirten Kindern alle Rechte der ehelich - gebohrnen mittheilt. Wir bemerken dabey, daß diejenige Legitimation, welche durch die Ehe geſchiehet, ihrer Na -tur277De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. tur nach allemal plena iſt, dahingegen diejenige, welche durch ein fuͤrſtliches Reſcript heutiges Tages bewirkt wird, zuweilen plena, zuweilen minus plena ſeyn kann. Es moͤgen jedoch uneheliche Kinder durch nachfolgende Ehe, oder durch Landesherrliches Reſcript ſeyn legitimirt wor - den, ſo iſt in dem einen wie in dem andern Fall die Wir - kung immer dieſe, daß ſie nicht nur, den ehelichen gleich, verlangen koͤnnen, in Innungen, Handwerken und andern Gemeinheiten aufgenommen zu werden51)Reichsſchluß vom J. 1731 von Abſtellung der Hand - werksmißbraͤuche §. 11., ſondern auch faͤhig ſind, zu oͤffentlichen Ehrenſtellen und Wuͤrden zu gelangen, ſofern nicht etwa vermoͤge beſonderer Geſetze ei - ne rechte, natuͤrliche und eheliche Geburt ausdruͤcklich er - fordert wuͤrde, wie z. B. zu Beiſitzerſtellen bey dem Kammer - gericht52)Cammergerichtsordnung P. I. Tit. 3. §. 1. Reichs - hofrathsordn. Tit. I. §. 3., zu denen Legitimirte nicht admittiret werden53)Anderer Meinung ſind zwar Mich. Godfr. wernher in lectiſſ. Commentat. ad Digeſt. h. t. §. 14. und Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 245. lit. β); allein ihre Gruͤnde uͤberzeugen nicht. Man ſehe eisenhart Diſſ. cit. §. XIV. auch mynsinger Obſ. Cameral. Cent. IV. Obſ. 31. blum Proc. Cam. Tit. VII. n. 31..
Vollkommen legitimirte Kinder erlangen durch die Legitimation zwar die nach gemeinen Rechten mit der rechtmaͤſigen Geburt verknuͤpfte Vortheile; allein diejeni - gen werden ihnen nicht mitgetheilt, welche ihren Grund in beſondern Vorrechten einer rechtenS 3Geburt2781. Buch. 6. Tit. §. 146.Geburt haben, in ſofern eheliche Competenten vorhan - den ſind, welche ſchon vor geſchehener Legitimation und gleich mit ihrer Geburt ein Recht darauf erworben ha - ben. Denn die Legitimation muß immer ſalvo iure ter - tii quaeſito verſtanden werden. Hieraus folgt,
1) daß legitimirte Kinder nicht in Lehen ſuccediren. In den bekannten Text des longobardiſchen Lehnrechts II. F. 26. §. 11. werden dieſelben in folgenden Ausdruͤ - cken von der Lehenfolge ausgeſchloſſen: Naturales filii, licet poſtea ſiant legitimi, ad ſucceſſionem feudi nec ſoli, nec cum aliis admittuntur. Nun wird zwar dieſer Text von den Rechtsgelehrten auf mancherley Art limitirt, in - dem einige denſelben nur von ſolchen, die erſt nach dem Anfall der Succeßion legitimirt worden, verſtehen wollen; Andere hingegen zwiſchen Unehelichgebohrnen, die durch nachfolgende Ehe, und denen, welche durch ein Reſcript legitimirt worden ſind, einen Unterſchied machen, und je - nen Text nur auf die letztern einſchraͤnken, erſtere hinge - gen fuͤr Lehnsſucceßionsfaͤhig halten54)Die verſchiedenen Meinungen der Rechtsgelehrten ſammt Pruͤfung derſelben findet man in Eichmanns Erklaͤrun - gen des buͤrgerlichen Rechts. 3. Th. S. 260 — 281. und Schnauberts Erlaͤuterung des in Teutſchlands uͤblichen Lehnrechts 2. Fortſetzung. (Braunſchweig 1788. 4.) S. 382 — 387.. Allein weder der Zuſammenhang des Textes, und Allgemeinheit der darin gebrauchten Ausdruͤcke, noch die Natur der Lehen, vermoͤge welcher nur diejenigen, welche von dem erſten Erwerber des Lehns durch Mannsperſonen im Wege einer ordentlichen Ehe abſtammen, ein gegruͤndetes Recht haben, in der gehoͤrigen Ordnung in demſelben zu ſucce - diren, erlaubt hier eine dergleichen einſchraͤnkende Er -klaͤrung279De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. klaͤrung55)Dieſer Meinung ſind auch Io. God. bauer in Diſſ. de ſucceſſio - ne legitimatorum per nuptias exule in feudis. Lipſine 1734. Ge. Henr. ayrer Pr. de excluſione legitimatorum a ſucceſſione feudali. Goetting. 1755. Io. Ge. estor Diſſ. de generato extra nuptias cum equeſtri vel plebeia, matrimonio licet ante partum vel coniugio poſt illum ſecuto, in ſeudis nec iure ger - manico nec longobardico ſuccedente. Marb. 1771. Schorcht von der Unfaͤhigkeit der Mantelkinder zur Lehnfolge. Jena 1780. pufendorf Obſ. iur. univ. T. I. Obſ. 90. Struben rechtl. Bed. III. Th. Bed. 53. puͤttmann Obſervat. iur. feud. cap. 22.. Jedoch gehoͤrt die weitere Eroͤrterung dieſer Streitfrage nicht hierher.
2) Erlangen legitimirte Kinder das Recht der Erſtgeburt nicht, wenn der Vater zur Zeit der Legitima - tion ſchon eheliche Kinder hatte56)gail Lib. II. Obſ. 141. leyser Spec. XIX. med. 3. wern - her lectiſſ. Commentat. ad Dig. P. I. h. tit. §. 11. gaert - ner in Meditat. practic. Specim. I. medit. 63. pag. 94..
3) Koͤnnen auch legitimirte Kinder nicht in Fa - milienfideicommißen ſuccediren57)knipschild de fideicommiſſ. fam. cap. VIII. n. 350.. Doch findet hier, ſo wie auch bey Lehen, alsdann unſtreitig eine Ausnahme ſtatt, wenn diejenigen, denen durch Zulaſſung der legiti - mirten Kinder ein Nachtheil erwaͤchſt, in die Succeßion derſelben willigen.
Einige Rechtsgelehrten wollen die Legitimirten auch von dem Anſpruche auf Familienſtipendien ausſchließen, ſo lange ehelichgebohrne Agnaten, die Genußfaͤhig, vor - handen ſind, es waͤre denn, daß diejenigen, die eigentlich ein Recht auf ſolche Stipendien haben, es geſchehen laſ - ſen wollten, daß den Legitimirten dieſelben ebenfalls zuS 4Theil2801. Buch. 6. Tit. §. 146. u. 147.Theil wuͤrden58)Eichmann in den angef. Erklaͤrungen S. 282. f.. Allein Stipendien gehoͤren zu den milden Stiftungen59)Ern. Godofr. Chriſt. klügel Diſſ. de extenſis piarum cau. ſarum privilegiis. (Vitemb. 1761. 4.) §. XII. pag. 19., denn ſie ſind zum Nutzen der Studierenden beſtimmt, um ihnen die Studierkoſten zu erleichtern. Nun ſind milde Stiftungen ſo zu erklaͤren, daß niemand ohne erhebliche Urſach davon ausgeſchloſ - ſen werde60)arg. L. 12. D. de R. I. Joh. Chriſt. Siebenkees Ab - handl. von Stipendien und den Rechten derſelben (Nuͤrn - berg 1786. 8.) §. 7. S. 11.. Mithin, wer zu der Familie des Stif - ters gehoͤrt, iſt berechtigt, auf das fuͤr dieſelbe geſtiftete Stipendium Anſpruch zu machen. Vollkommen legitimir - te erhalten aber die Familienrechte. Zudem wird das Wort Familie bey Stipendien in einem ſo weiten Um - fange genommen, daß auch Verwandte von Seiten der Toͤchter darunter begriffen werden61)cocceji Conſil. T. II. Reſp. 444. n. 1. boehmer Conſult. T. I. Reſp. 196. Siebenkees a. a. O. §. 56. S. 83.. Agnaten haben alſo bey Familienſtipendien keinen Vorzug62)Io. Chriſt. claproth Diatr. de ſtipendiis familiae. §. 49. (rec. Gieſſae 1770. 4.). Sie koͤn - nen folglich auch die legitimirten Kinder hiervon nicht ausſchlieſſen, da nicht zu erweiſen iſt, daß das Recht auf Familienſtipendien ſeinen Grund in einem Vorrecht der rechtmaͤſigen Geburt habe63)claproth cit. Diatr. §. 46. Siebenkees in der angef. Abhandlung §. 57..
Die Legitimation durch Reſcripte gehoͤrt unſtreitig zu den Privilegien. Alſo muß ſie in der Regel bey demRegen -281De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Regenten ſelbſt geſucht werden, wenn nicht derſelbe etwa auch andern Perſonen oder gewiſſen Collegien die Ausuͤ - bung dieſes Hoheitsrechts uͤbertragen. In Teutſchland ſtehet das Recht, durch Reſcripte zu legitimiren,
1) dem Kaiſer zu. Die teutſchen Kaiſer haben ſich dieſes Rechts, vermuthlich nach dem Beyſpiel der roͤ - miſchen Kaiſer und Paͤbſte64)Innocenz III. eignet den Paͤbſten das Recht zu legitimi - ren ſowohl in ſpiritualibus als ſecularibus zu. cap. 13. X. qui filii ſint legit. , ſchon ſeit dem XIII. Jahr - hundert bedient. Aus dieſem Jahrhundert iſt wenigſtens das aͤlteſte bis jetzt bekannte Beyſpiel von K. Friedrich II. welcher die beyden Soͤhne der Graͤfin Margarethe von Flandern, Johann und Balduin, die ſie mit ei - nem Canonikus Burchard von Avesnis gezeugt hatte, im Jahr 1243. durch ein Reſcript legitimirte65)S. Edmundi martene et Urſini durandi Theſaur. nov. anecdotor. T. I. pag. 1021. ſqq. und riccius in Spicileg. iur. germ. pag. 464.. In der Folge ertheilten ſie dieſes Recht auch den Hofpfalz - grafen66)Dieſe Hofpfalzgrafen ſind oͤffentliche, phyſiſche oder moraliſche, Perſonen, denen vermoͤge ausdruͤcklicher Conceſ - ſion des Kaiſers oder der Reichsvikarien das Recht zuſtehet, gewiſſe in ihrem Diplom benannte kaiſerliche Gerechtſame aus - zuuͤben. Den Urſprung derſelben ſucht man vergeblich bey den Roͤmern. Denn die Ueberſchrift des Tit. 34. lib. I. Cod. de officio comitis ſacri palatii iſt falſch, und die unter dem - ſelben Titel befindlichen Geſetze gehoͤren zu dem naͤchſtvorher - gehenden de officio comitis rerum privatarum, wo ſie auch in Haloanders Ausgabe ſtehen. Der Urſprung derſelben iſt vielmehr bey den Franken zu finden. Sie waren bey dieſen die oberſten Beamten in den koͤniglichen Pfalzen, und daherhießen. Daher pflegt heuriges Tages der KaiſerS 5dieſes2821. Buch. 6. Tit. §. 147.dieſes Hoheitsrecht auf eine doppelte Art auszuuͤben, entweder ſelbſt und unmittelbar, oder durch die ſogenann - ten kaiſerlichen Hofpfalzgrafen. Bey unehelichen Kin - dern der Reichsunmittelbaren uͤbt naͤmlich der Kaiſer die - ſes Recht allein aus, und er pflegt ſich daſſelbe in Hof - pfalzgraf-Diplomen ausdruͤcklich vorzubehalten67)Beyſpiele findet man beym pfeffinger in Vitriario illuſtra - to T. III. p. 110. ſqq. Von der Legitimation der perſona - rum illuſtrium handelt die neuſte Wahlcapitulation Art. 22.. Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel, aber nicht das neueſte, iſt, da K. Ferdinand III. 1654. den vom Grafen Anton von Oldenburg mit dem Fraͤulein von Ungnad erzeug - ten Sohn legitimiret, und zum Grafen von Oldenburg erhoben hat68)pfeffinger c. l. Die kaiſerliche Legitimationsurkunde fuͤr den Sohn des Grafen von Oldenburg findet ſich nun abge - druckt hinter cramer Tr. de iuribus et praerogativis nobili - tatis avitae pag. 197. ſq. . Allein noch neuere Beyſpiele ſolcher kaiſerlicher Legitimationen von den Jahren 1715, 1716, und 1718, geben die Herren von Kuͤnsberg, von Greß, und Graf von Sayn und Witgenſtein69)S. Moſer in der Sammlung merkw. Reichs-Hofr. Con - cluſor. T. I. p. 286. T. II. p. 714. T. IV. p. 426.. Der Kai -ſer66)hießen ſie palatini. Die Teutſchen ahmten hierin den Fran - ken nach, und beſtellten ebenfalls Pfalzgrafen des kaiſerlichen Hofs oder Pallaſtes. Durch die Ausbildung der Landesho - heit fiel das Anſehen dieſer kaiſerlichen Richter. An ihre Stelle traten die jetzigen Hofpfalzgrafen, die nur einen Schat - ten der Rechte jener aͤltern und eigentlichen beſitzen, naͤmlich nur ſo viel, als dem Kaiſer uͤbrig geblieben iſt, und dieſer ihnen ausdruͤcklich ertheilet hat. S. Chr. crusius in Prol. de antiquit. comitum palatinor. in Opuſc. a klotzio Alten - burgi 1765. edit. n. XII. und Puͤttmann Progr. de pote - ſtate comitum palatinor. valde reſtricta. Lipſiae 1784.283De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſer uͤbt nun dieſes Hoheitsrecht heutiges Tages theils durch die Reichshofcanzley, theils durch den, auch fuͤr Gnadenſachen vorzuͤglich beſtellten, Reichshofrath70)Herr von Selchow Einleitung in den Reichshofraths - Proceß S. 133. Das Cammergericht darf ſich hierunter kei - ner Concurrenz anmaßen. tafinger Inſtitut. iurispr. cam. §. 387. aus. Die auf ſolche Art bey dem Kaiſer ſelbſt ausge - wirkte Legitimation behauptet ihre Guͤltigkeit uͤberall in ganz Teutſchland. Bey den kaiſerlichen Pfalzgra - fen kommt alles auf ihre Comitiv an71)gribner Diſſ. de iure legitimandi comitum palatinorum in terris principum imperii (in Opuſc. T. I. Sect. 2.). Dieſe be - ſtimmt den Umfang ihrer Befugniſſe auch in Anſehung der Legitimation unehelicher Kinder. Da nun hier von der Ausuͤbung eines Hoheitsrechts die Rede iſt, ſo kann in Gemaͤßheit unſerer ſchon bey anderer Gelegenheit deß - halb geaͤuſſerten Grundſaͤtze (S. den I. Th. dieſes Com - mentars §. 99. S. 547.) in einem zweifelhaften Falle keine andere als eine einſchraͤnkende Erklaͤrung ſtatt fin - den. Daher geben die Hofpfalzgraͤflichen Legitimationen der Regel nach nur buͤrgerliche, nicht aber Familien - oder Erbfolgsrechte; wenn nicht das Recht, vollkommen zu le - gitimiren, aus der Comitiv deutlich erhellet72)gail lib. II. obſ. 142. berger Oeconom. iur. Lib. I. Tit. 3. §. 13.. Allein auch in dieſem Fall wird man den Hofpfalzgraͤflichen Le - gitimationen die Wirkung der Erbfolge ohne landesherr - liche Einwilligung nicht beylegen koͤnnen73)a pufendorf Obſervat. iur. univ. T. I. Obſ. 241. §. 12. woltaer Obſervat. iur. civ. et Brandenb. Faſcic. I. Obſ. 11.. Denn die Landesherren koͤnnen unmoͤglich Eingriffe der Pfalzgrafen in ihre Rechte zugeben, woraus nicht nur vielfaͤltig Nach -theil2841. Buch. 6. Tit. §. 147.theil fuͤr andere Perſonen, ſondern auch fuͤr die Landes - herren ſelbſt entſtehet74)Puͤttmann in dem angef. Programm. de selchow in Elem. iur. germ. priv. hod. §. 497.. Kein Wunder, wenn daher in einigen Laͤndern, z. B. in Kurſachſen, den Pfalzgra - fen das Recht zu legitimiren, gar nicht geſtattet wird75)Kurſaͤchſ. Reſcript vom 30. May 1740. in Supplem. Cod. Aug. T. I. pag. 663.. Hieraus folgt aber weiter, daß wenn auch in einem Lande die Hofpfalzgraͤflichen Legitimationen zugelaſſen werden, dieſelben dennoch, da ihr Endzweck ohnehin nur der buͤr - gerliche gute Ruf iſt, den Rechten des Landesherrn, als eines Dritten, nicht nachtheilig ſeyn, mithin auch einen Landesherrn an der Ausuͤbung des Rechts, die Verlaſſen - ſchaften der Uneheliggebohrnen an ſich zu ziehen, ſofern naͤmlich ein ſolches in einem Lande eingefuͤhrt ſeyn ſollte, nicht hindern koͤnnen76)S. von Guͤnderrode Abhandl. uͤber das Recht einiger teutſchen Staͤnde, die in ihren Laͤndern ſterbende uneheliche Kinder zu beerben. §. 12. in Deſſelben ſaͤmmtlichen Werken aus dem T. Staats - und Privatrecht II. Band S. 184..
2) Stehet auch den Reichsſtaͤnden das Recht zu legitimiren in ihren Laͤndern unſtreitig zu77)Moſer von der Legitimation unehelich gebohrner Perſonen, in ſ. Tractat von der Landeshoheit in Gnaden - ſachen K. II. S. 6. ff.. Der Grund dieſes Rechts liegt in der denen Reichsſtaͤnden ver - moͤge ihrer Landeshoheit zuſtehenden geſetzgebenden Ge - walt, und dem daraus fließenden Recht, Privilegien zu ertheilen. Daher iſt es ein offenbarer Irrthum, wenn Gribner78)in Diſſ. de iure legitimandi Comit. Palatinor. §. 6. dieſes Befugniß den Reichsſtaͤdten nur als -denn285De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. denn zugeſtehen will, wenn ſie daſſelbe durch kaiſerliche Verguͤnſtigung, oder undenkliche Verjaͤhrung erlangt ha - ben; da die Reichsgeſetze denſelben die Landeshoheit aus - druͤcklich beylegen79)Inſtr. Pac. Osnabr. Art. V. §. 29. et Art. VIII. §. 4. Conf. wildvogel Diſſ. de ſuperioritate territoriali civitatum impe - rialium. , es auch nicht an Beyſpielen fehlt, daß ſie das Recht zu legitimiren, eben ſo wie andere Lan - desherren, ohne allen Widerſpruch des Kaiſers, ausge - uͤbt haben80)Ein Beyſpiel von Hamburg findet man in Ge. anckel - mann Diſſ. de ſucceſſione ab inteſtato liberor. nat. et ſpurior. in bona matris. Cap. I. Sect. I. §. 4.. Ja man kann ſolches ſogar den unmittel - baren Reichsrittern nicht abſprechen81)eisenhart Diſſ. de legitimat. liberor. illegitimor. Cap. II. §. 12. pag. 25.. Denn ſowohl die Reichsgeſetze als hoͤchſten Reichsgerichte geſtehen denenſelben die landesherrlichen Rechte aus - druͤcklich zu82)Inſtr. Pac. Osnabr. Art. V. §. 28. Wahlcapitulat. Art. XV. §. 8. J. J. Moſers N. Geſchichte der Reichs - ritterſchaft II. Th. S. 103. Joh. Ge. Kerner allgemeines poſitives Staats-Landrecht der unmittelbaren freyen Reichs - ritterſchaft. I. Abſchn. I. Kap. §. 20. f. II. Abſchn. II. Kap. 2. Hauptſt. §. 67. u. 68.. So gewiß es nun iſt, daß die Le - gitimation unehelicher Kinder zu den landesherrlichen Rechten gehoͤrt, ſo wenig iſt daran zu zweifeln, daß Landesherren auch uneheliche Kinder landſaͤßiger Gra - fen und Edelleute legitimiren koͤnnen83)eisenhart cit. Diſſ. §. 12. pag. 25. ſqq. . Allein eine andere Frage iſt, ob ihnen auch dieſes Recht in An - ſehung ihrer eigenen auſſerehelichen Kinder zuſtehe? Die Entſcheidung derſelben beruhet darauf, ob ſie die Lan -des -2861. Buch. 6. Tit. §. 147.deshoheit uͤber dieſelben haben? Iſt nun die Mutter keine reichsunmittelbare Perſon, ſo wird wohl niemand dem Landesherrn das Recht, die mit derſelben erzeugte Kinder zu legitimiren, abſprechen. Wie aber, wenn die Mut - ter eine reichsunmittelbare Perſon iſt? Hierin iſt die Praxis, wie Moſer84)Compend. I. Publici pag. 323. geſteht, zwar ſehr ungewiß; weil indeſſen Unehelichgebohrne dem Stand der Mutter folgen, mithin ebenfalls fuͤr reichsunmittelbare Perſonen zu halten ſind, ſo iſt zu behaupten, daß nur der Kaiſer ſie legitimiren koͤnne85)eisenhart cit. loc. pag. 26.. Eben ſo gewiß es nun auch, daß ein Landesherr in einem fremden Lande dieſes Befug - niß nicht ausuͤben koͤnne. Ob aber die von einem Lan - desherrn in ſeinem Lande ertheilten Legitimationen ihre Wirkungen auch in anderer Reichsſtaͤnde Landen und Ge - bieten aͤußere, iſt ſehr ſtreitig. Die meiſten Rechtsge - lehrten ſtreiten fuͤr die verneinende Meinung, weil die geſetzgebende Gewalt ihre Kraft nicht auſſer dem Lande des Geſetzgebers aͤuſſere, und daher keine vermoͤge der - ſelben vorgenommene Handlung einen andern Regenten oder deſſelben Unterthanen nothwendig verbinde86)stryck Uſ. Mod. Pand. h. t. §. 14. I. H. boehmer doctr. Digeſt. h. t. §. 15. voet de ſtatutis Sect. IV. cap. 3. §. 15. anckelmann Diſſ. cit. Cap I. Sect. I. §. 4. not. t. Moſer im teutſchen nachbarlichen Staatsrecht. B. IV. Kap. 8. §. 6. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. III. Th. S. 299. u. a. m.. An - dere bejahen hingegen jene Frage ſchlechthin87)hert Diſſ. de colliſione legum Sect. IV. §. 14. gribner Diſſ. de iure legitimandi principum imp. §. 12 — 21. myler ab ehrenbach de Princip. et Statib. Imp. Rom. Germ. P. II. Cap. 54. §. 10. mascov Princip. iuris publici p. 773. edit. noviſſ. ; undgruͤnden287De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. gruͤnden ſich theils auf die Regel: Quotiescunque de conditione ac ſtatu perſonae incidit quaeſtio, viden - dum eſt, quo inter ſuos quisque loco aeſtimetur; (S. 1. Th. dieſes Commentars §. 74. S. 388.) theils behaupten ſie, daß die genaue Verbindung, in welcher ſich die ſaͤmmtlichen Staͤnde des teutſchen Reichs befinden, es nothwendig erfordere, die von einem teutſchen Landesherrn ertheilten Legitimationen auch in andern teutſchen Reichs - landen zu reſpectiren. So viel iſt richtig, daß die be - jahende Meinung der Klugheit gemaͤßer iſt; denn indem ein Landesherr die rechtmaͤſigen Verfuͤgungen eines aus - waͤrtigen Regenten auch in ſeinem Lande als guͤltig aner - kennt, ſichert er zugleich ſeine eigenen Rechte, weil auſſer - dem Retorſionen unvermeidlich ſind. Allein die Frage iſt, ob die von einem Reichsſtand geſchehene Legitima - tion auch auſſerhalb ſeines Landes reſpectirt werden muͤſſe? Mir ſcheint Herrn Hofr. Hartlebens88)in Meditat. ad Pandectas Vol. I. P. I. Specim. IX. med. 4. pag. 158. Ent - ſcheidung die richtigſte zu ſeyn. Ich will ſie mit ſeinen eigenen Worten anfuͤhren. Legitimatus a Principe ter - ritorii A. pro legitimo ubique agnoſcendus erit, niſi intereſſe publicum aliud exigat, et talis legitimatus ex obtenta legitimatione ſua ius aliquod in praeiudi - cium civium territorii B. evincere velit. Hinc, cum talis legitimatus iura ſucceſſionis in alio territorio in praeiudicium civium praetendere vult, merito actio - nis ſuae repulſam patietur. Dieſe Entſcheidung iſt auf den Grundſatz gebauet89)a. a. O. pag. 157.: quod quaeſtio de ſtatu et qualitate ſubditorum temporariorum ex legibus ipſorum patriis tam diu ſit diiudicanda, donec civi - tatis, ubi ſubditus temporarius commoratur, inter -ſit,2881. Buch. 6. Tit. §. 147.ſit, hu῀nc ſtatum aut qualitatem in eo non agnoſci. Der Erweis dieſes Satzes iſt folgender: Demonſtratum eſt in medit. 1. et 3. omne in ſubditos temporarios imperium ex voluntatis ſubiectione tacita oriri, eius - que ſubiectionis fundamentum eſſe ſalutem rerum publicarum; proinde iniurium in ſubditos tempora - rios fore principem, qui aliquid, quod huic pacto tacito contrarium eſſet, ſtatueret. Fluit ex hoc, quod, quando ſalus civitatis, in qua ſubditus tem - porarius commoratur, non exigit ſtatum et qualita - tem, quae ipſi vi legum patriarum competunt, in eo non agnoſci, etiam voluntaria ſubiectio tacita ſic explicari nequeat, ut huic ſtatui, et qualitati cen - ſeatur renunciatum fuiſſe; proinde intuitu huius ſta - tus et qualitatis ſubditus temporarius pro non ſub - dito ſit habendus, ſicque ſtatum, qui ipſi vi legum patriarum competit, etiam in alieno territorio reti - neat. Aemulationem certe ſaperet, et omne ſocia - litatis et commercii vinculum deſtrueretur, ſi ſub - ditis temporariis negarentur qualitates illae perſo - nales vi legum patriarum competentes, quas ipſi de - negandi nulla prudens ratio ſuppetit. Ex his pro - num erit, caſus in foro obvenientes decidere. Sic nobilitatus ab uno Principe ubique pro nobili haben - dus erit; reipublicae enim non intereſt, hanc quali - tatem ei denegare, ſicque etiam ſubiectio tacita eo extendi nequit, ut hinc huic praerogativae cenſea - tur renunciatum. Aliud dicendum foret, ſi huic nobilitati annexa eſſent privilegia in praeiudicium tertii tendentia, v. c. quod Nobilis rigori cambiali non ſit ſubiiciendus; hoc enim privilegium in Nobili non agnoſci, ſicut reipublicae intereſt, ita etiam in ſubdito temporario non erit agnoſcendum. Aus die -ſen289De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſen Grundſaͤtzen wird nun auch der andere Fall von der Wirkung einer vom Landesherrn ertheilten Legitimation auſſerhalb Landes entſchieden, wovon ich die hier folgen - den Worte ſchon oben angefuͤhret habe. Man vergleiche hiermit, was ich an einem andern Ort meines Commen - tars (S. 3. dieſes zweyten Theils) uͤberhaupt von den Wirkungen der Privilegien auſſer dem Territorium des - jenigen Regenten, der ſolche ertheilet hat, geſagt habe90)Siehe auch thomasii Diſſ. de uſ. pract. doctr. de legiti - matione Cap. II. §. 4. not. b. .
Uebrigens laͤſſet ſich aus demjenigen, was ich von dem Recht zu legitimiren geſagt habe, die Frage, wem dergleichen Befugniß nicht zuſtehe, von ſelbſt entſchieden. Man erinnere ſich nur an dasjenige, was davon an einem andern Ort (S. 12.) in Anſehung der Privilegien uͤberhaupt vorgekommen iſt.
Zuletzt traͤgt unſer Verfaſſer noch den Satz vor: Quamnam vero legitimationem princeps concedere velit, an plenam, an minus plenam, ab eius pendet voluntate. Hier - bey entſtehet die Frage, ob der Landesherr auch ſolche uneheliche Kinder, die aus einem Ehebruch oder einem unehelichen inceſtuoſen Beyſchlaf ſind erzeugt worden, durch ſein Reſcript vollkommen legitimiren koͤnne? Verſchiedene Rechtsgelehrte wollen dieſes laͤugnen91)Hr. von Truͤtſchler in der Anweiſung zur vorſichtigen und foͤrmlichen Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze 1. Th. 2. Haupt - abth. 3. Hauptſt. §. 55. not. a. S. 302. God. Lud. madihn in Princip. iuris civ. P. V. §. 5. in fin. , allein, wie ich glaube, ohne genugſamen Grund. Man hat auch hier vergeſſen die Frage, was zu vermuthen ſey, daß der Re - gent gewollt habe, von der, wie weit ſich ſeine Gewalterſtrecke,Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. T2901. Buch. 7. Tit. §. 148.erſtrecke, zu unterſcheiden. Wenn nun gleich im Zwei - fel nicht leicht zu vermuthen, daß der Landesherr ſolchen Kindern, die im Ehebruch oder Blutſchande ſind erzeugt worden, durch ſeine Legitimation auch ein Erbrecht ha - be mittheilen wollen, weil ſolche Kinder gewoͤhnlich nur ad effectum delendae maculae legitimirt zu werden pflegen92)Chriſt. thomasius in Diſſ. cit. Cap. II. §. 6.; ſo iſt doch ſchlechterdings nicht zu begreiffen, warum ein Landesherr nicht befugt ſeyn ſolle, ſolche Kin - der auf ausdruͤckliches Anſuchen des Vaters plene zu le - gitimiren, da doch der Vater ſie in ſeinem Teſtament zu Erben einſetzen kann93)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciſchen Inſti - tutionen. Lib. II. Tit. 14. §. 487. n. 3..
Die roͤmiſche vaͤterliche Gewalt kann endlich nach Vor - ſchrift der buͤrgerlichen Geſetze auch durch Annahme an Kindes Statt oder Adoption94)Ant. farer Iurisprud. Papinianea Tit. X. und Chriſt. tho - masii Diſſ. de uſu pract. tit. I. de adoptionibus. Halae 1714. erlangt werden. Man glaube indeß nicht, daß die Adoption in jedem Falldieſe291De adoptionibus, emancipationibus etc. dieſe Wirkung haben muͤſſe. Denn wenn z. B. ein Herr ſeinen Sclaven an Kindes Statt annahm95)Wenn naͤmlich bey den Roͤmern ein Herr ſeinen Sclaven vor Gericht fuͤr ſeinen Sohn erklaͤrte, ſo wurde nach dem §. 12. I. h. t. ein ſolcher Sclave zwar frey, allein die Rechte eines Sohns erlangte er dadurch nicht. oder eine Mutter zum Troſt fuͤr den Verluſt ihrer Kinder vom Kaiſer die Erlaubniß erhielt, ein fremdes Kind zu adop - tiren96)L. 5. C. b. t. ſo wirkte die Adoption in dieſen Faͤllen keine vaͤ - terliche Gewalt. Eben ſo iſt es nach dem neuern roͤm. Recht, wenn ich eine ſolche Perſon, die kein Deſcendent von mir iſt, an Kindes Statt annehme. Allein die Adop - tion kann auch eine Urſach werden, die vaͤterliche Gewalt zu verlieren, wie unten §. 156. vorkommen wird. Was iſt nun aber Adoption? Der Begriff unſers Hrn. Ver - faſſers, nach welchem ſie diejenige feyerliche Hand - lung iſt, da eine Perſon zum Sohn oder Toch - ter angenommen wird, welche von Natur in dieſem Verhaͤltniß nicht ſtehet; iſt ganz unrich - tig. Denn ich kann ja meinen Sohn emancipiren, und ihn hernach doch wider durch Adoption zum Sohn an - nehmen97)L. 12. L. 41. D. eod. . Vielmehr iſt Adoption diejenige buͤr - gerliche Rechtshandlung, dadurch unter oͤf - fentlicher Auctoritaͤt eine Perſon an Kindes oder Enkels Statt angenommen wird, die, als ſolche, die Kindesrechte vorher nicht hatte. Alle Adoption muß alſo unter oͤffentlicher Aucto - ritaͤt geſchehen. Denn nehme ich privatim ein fremdes Kind an, erziehe, verpflege und halte ich auch ſolches, wie mein Kind, ja erklaͤrte ich ſogar vor Zeugen, daß ich daſſelbe fuͤr mein Kind annehmen wolle, ſo hat dochT 2dieſe2921. Buch. 7. Tit. §. 148.dieſe Handlung die Rechte und Wirkungen der Adoption nicht98)wernher Commentat. ad Dig. h. t. §. 3.. Das auf ſolche Art angenommene Kind heißt nicht adoptivus ſondern alumnus, ein Pflegkind99)Frid. Gottl. struve Diſſ. de iure alumnorum. Ienae 1716., und kann auf diejenigen Rechte keinen Anſpruch machen, welche die Geſetze den Adoptivkindern ertheilen. Dem Pflegkinde ſtehet daher kein Erbrecht zu100)ludovici uſ. pract. diſtinctionum iuridicar. Lib. I. Tit. VII. diſt. 3. — Alumnus non ſuccedit, niſi teſtamento heres ſcri - ptus ſit, quamvis etiam ut heres ſcribatur, nulla iura exi - gant. . Es kann nicht einmal nach dem Tode ſeines Pflegvaters die Ali - mente weiter fordern1)Nam alimenta a vivo praeſtari ſolita non debebuntur, niſi expreſſe relicta, arg. L. 14. §. 2. D. de aliment. vel cib. legas. leyser Specim. XX. medit. 4.; auch iſt die Ehe mit einer alum - na nicht verboten2)L. 26. C[o]d. de nupt. Eine adoptiv Tochter darf man hin - gegen nicht heyrathen §. 1. 2. I. de nupt. S. stryck Uſ. Mod. Pandectar. h. t. §. 1.. Die Adoption durch Teſta - ment, deren in unſern Geſetzen zwar nirgends, aber in den roͤmiſchen Klaßikern3)cicero in Bruto c. 58. dio cassius lib. XLVI. cap. 47. appianus lib. III. de Bello Civ. p. 586. suetonius in vita Caeſaris c. 83. Idem in vita Auguſti c. 102. in vita Tiberii cap. 6. Idem in Galba cap. 17. verſchiedentlich Erwaͤhnung ge - ſchiehet, war keine wahre Adoption4)Man vergleiche Cujaz lib. VII. Obſervat. cap. 7. Briſ - ſon de Formulis lib. VII. n. XXVI. Ulrich Huber Digreſ - ſion. Iuſtinian. P. I. lib. II. c. 23. §. 2. Zacharias Huber Diſſ. de teſtamento Iul. Caeſaris, quod Suetonius refert in eius vita cap. 83. Cap. II. §. 3. in eius Diſſertat. iurid. P. I. p. 136. Trotz de memoria propagata Cap. IV. §. 1. Her - mann Cannegieter Obſervat. iur. Rom. lib. II. c. 20. u. a. m., ſondern nur Ein -ſetzung293De adoptionibus, emancipationibus etc. ſetzung eines Erben unter der Bedingung, des Teſtirers Namen anzunehmen5)S. Chriſt. Gottl. richter Exerc. iur. civ. de conditione nominis ferendi ultimis voluntatibus adſcripta. Lipſiae 1780. §. 6. et 7.. Auf Seiten des Teſtators war ſie von keiner rechtlichen Wirkung, weil ſie als teſtamen - tariſche Dispoſition erſt nach den Tode deſſelben gelten konnte. Die auf ſolche Art Adoptirten erlangten hier - durch auch weder Kindes - noch Familienrechte. Sie er - hielten nur die Erbſchaft des Teſtirers, und ſeinen Na - men; ja auch dieſen waren ſie zu fuͤhren, nicht in jedem Fall verbunden6)suetonius in vita Tiberii c. 6. L. 63. §. 10. D. ad SCtum Trebell. richter cit. Diſſ. §. 4.. Daher ließ man zuweilen eine ſol - che Adoption vom Volk durch eine Lex Curiata beſtaͤtti - gen, wovon das Beyſpiel des Octavius bekannt iſt, den Caͤſar in ſeinem Teſtament adoprirt hatte7)dio cassius a. a. O. und appianus a. a. O..
Die eigentliche oder wahre Adoption iſt nun zweyer - ley, entweder Arrogation, wenn der Anzunehmende ein homo ſui iuris, oder Adoption in engerer Bedeu - tung, wenn derſelbe ein filius familias iſt8)ulpianus in Fragm. VIII. 1. et modestinus L. 1. §. 1. D. h. t. . Wie die - ſe beyde Arten in Anſehung ihrer Form und Wirkung verſchieden ſind, wird unten an ſeinem Ort geſagt wer - den.
Bey der Adoption uͤberhaupt kommt es nun beſon - ders auf folgende drey Hauptgrundſaͤtze an:
T 3I) Die2941. Buch. 7. Tit. §. 149.I) Die Adoption iſt nur ein ſubſidiari - ſches Mittel, die vaͤterliche Gewalt zu erwer - ben, und blos zum Behuf fuͤr die erfunden, welche ſich keine Hoffnung auf leibliche Kin - der mehr zu machen haben9)theophilus in Paraphr. gr. Inſtitut. Iuſtin, ad pr. de adopt. .
II) Sie ahmet die Natur nach10)§. 4. I. h. t. ; das heißt, die Aufnahme an Kindesſtatt darf wieder kein na - tuͤrliches Verhaͤltniß verſtoſſen. Es muß alſo der Natur nach nicht unmoͤglich ſeyn, daß der Anzunehmende mein Kind oder Enkel, wofuͤr er angenommen wird, ſeyn koͤnne. Denn man fingirt, als ob Adoptans das Adoptivkind ge - zeugt habe; oder das ſolches von ſeinem Deſcendenten ſey gezeugt worden. Daher ſagt nun Cajus11)Inſtitut. lib. l. Tlt. 5. pr. in schulting iurispr. Antejuſt. pag. 42. Papinian L. 23. D. de lib. et poſtum. nennt die Adoption imaginem naturae. : Adop - tio naturae ſimilitudo eſt, ut aliquis filium habere poſſit, quem non generaverit; und Javolen12)L. 16. D. h. t. druckt ſich hie - ruͤber folgender maßen aus: adoptio in bis perſonis locum habet, in quibus etiam natura poteſt habere. Endlich
III) Die Adoption darf weder dem anzu - nehmenden Kinde noch einem Dritten zum Nachtheil gereichen.
Alle drey Saͤtze ſind fruchtbar an Folgen. Aus dem erſten folgt,
1) daß diejenigen der Regel nach nicht adoptiren koͤnnen, welche Alters halben ſelbſt zum Kinderzeugen annoch tuͤchtig ſind. Dahin gehoͤren Mannsperſonen, diedas295De adoptionibus, emancipationibus etc. das ſechzigſte Jahr noch nicht zuruͤckgelegt haben. Denn die roͤm. geſetze nehmen an, daß man bis in das ſech - zigſte Jahr noch Kinder zeugen koͤnne13)L. 15. §. 2. D. eod. . Da es indeſ - ſen ganz wieder die Denkungsart des roͤm. Volks zu ſeyn ſchien, daß man einen Menſchen zur Ehe und Kinderzeu - gung noͤthigen wolle14)L. 5. C. de ſponſalib. — in contrahendis nuptiis libera po - teſtas eſſe debet. ; ſo ſchraͤnken die Geſetze unſerer Pandecten jenes ſechzigjaͤhrige Alter nur auf Arroga - tionen ein, weil bey dieſen freylich der Staat immer eher gefaͤhrdet iſt, als bey bloßen Adoptionen15)Ant. faber in Rational. in L. 15. §. 2. D. h. t. macht hier - bey die richtige Bemerkung: per arrogationem fit iniuria Rei - publicae, quia familia amittitur, quod non eſt ferendum niſi ex cauſis. Aliud ergo in aliis adoptionibus iuris eſt. . Da - her ſagt Ulpian16)L. 15. cit. in dieſer Ruͤckſicht: in adrogatio - nibus cognitio vertitur, num forte minor ſexaginta annis ſit, qui adrogat; quia magis liberorum creationi ſtudere debeat17)Ant. faber ad h. l. — ut repleatur liberis hominibus civi - tas, nec fictos liberos quaerat, qui poteſt habere veros, niſi accipiat eos a vero patre, quo caſu adoptatus quidem mutat familiam, ſed nulla familia amittitur. ; jedoch werden auch hierbey noch Aus - nahmen gemacht; niſi forte morbus aut valetudo in cauſa ſit, aut alia iuſta cauſa adrogandi, veluti ſi coniunctam ſi - bi perſonam velit adoptare. Bey den eigentlichen und bloßen Adoptionen iſt alſo ein ſechzigjaͤhriges Alter in An - ſehung des adoptirenden Vaters um ſo weniger erforder - lich, da derſelbe nach neuern roͤm. Recht die vaͤterliche Gewalt nur alsdann erlangt, wenn der Anzunehmende ein Verwandter in abſteigender Linie iſt, ein andererT 4aber,2961. Buch. 7. Tit. §. 149.aber, der kein Deſcendent vom Adoptivvater iſt, in der Ge - walt des leiblichen Vaters ohnehin verbleibt.
2) Folgert man insgemein aus jenem Satz, daß auch diejenigen nicht adoptiren koͤnnen, welche ſchon ehe - liche leibliche Kinder in ihrer vaͤterlichen Gewalt haben18)L. 17. §. 3. D. h. t. L. 3. C. eodem. . Allein daß dieſes wenigſtens nicht ohne Ausnahme zu ver - ſtehen ſey, laͤßt ſich ſchon daraus abnehmen, weil an an - dern Orten unſerer Pandecten die Frage entſchieden wird, ob der Adoptivſohn ſeines Adoptivvaters leibliche Tochter heyrathen duͤrfe19)L. 17. pr. D. de ritu nuptiar. ? Die Geſetze wollen alſo nur, daß niemand ohne einem hinreichenden Grund frem - de Kinder adoptire, der ſchon leibliche Kinder hat, ne aut illorum, quos iuſtis nuptiis procreavit, deminuatur ſpes, quem unusquisque liberorum obſequio parat ſibi; aut qui adoptatus fuit, minus percipiat, quam dignum erit eum conſequi. Hieraus folgt, daß wenn die Adoption denen leiblichen Kindern zu keinem Nachtheil gereicht, derſelben im Wege Rechtens nichts entgegenſtehe20)S. Bern. Henr. reinoldi Variorum cap. XLII. in Opuſcul. a Iuglero editis p. 230 — 234.. Man ſetze alſo, daß Jemand ein großes Vermoͤgen, und dazu nur ein einziges Kind, eine Tochter, habe, durch welche ſein Nahme nicht fortgepflanzt werden kann; oder daß dieſer Vater einen bloͤdſinnigen, oder ungerathenen Sohn ha - be, wer wollte wohl unter dieſen Umſtaͤnden daran zwei - feln, daß es einem ſolchem Vater erlaubt ſey, ein frem - des Kind zu adoptiren21)lauterbach Colleg. th. pr. Pandectar. h. t. §. 7. Mich. God. wernher in lect. commentat. ad Dig. h. t. §. 5. pag. 51. Jo. Tob. richter in ſelectior, iuris principiis Diſſ. II. (Lipſiae1747.)? Und nun iſt es kein Wider -ſpruch,297De adoptionibus, emancipationibus etc. ſpruch, wenn Paullus22)L. 23. in fin. D. h. t. ſagt: filiae meae is, quem adoptavi, frater fit: quoniam in familia mea eſt filia: nup - tiis tamen etiam eorum prohibitis.
3) Folgt aus obigem erſten Grundſatze weiter, daß diejenigen, welche der vaͤterlichen Gewalt nicht faͤhig ſind, auch nicht eigentlich adoptiren koͤnnen. Daher ſind Weibsperſonen zur wahren Adoption unfaͤhig23)§. 10. I. h. t. L. 5. pr. Cod. h. t. . Denn wenn gleich eine Mutter, die leibliche Kinder ge - habt, und durch den Tod verlohren hat, nach einem ge - wiſſen Reſcript der K. Diocletian und Maximian24)L. 5. Cod. cit. Ob durch dieſes Reſcript der Kaiſer Dio - cletian und Maximian denen Weibsperſonen zuerſt der Weg zu adoptiren ſey geoͤffnet worden, iſt zweifelhaft. Gerh. Noodt in Comment. ad Dig. h. t. und Gundling ad τὰ προτα Dig. Tit. eod. §. 17. glauben dieſes. Allein ſchon Ulpian in L. 29. §. 3. D. de inoff. teſtam. gedenkt der Adoption der Weibsperſonen durch kaiſerliches Reſcript, und zwar auf eine ſolche Art, daß man ſieht, ſie muͤſſe zu ſeinen Zeiten etwas ganz bekanntes geweſen ſeyn. Ulpian aber lebte laͤngſt vor Diocletian. Ueberdem iſt das Reſcript der K. Diocletian und Max. gar nicht in den Ton abge - faßt, als ob dadurch ein neues Recht habe eingefuͤhrt werden ſollen, ſo uͤberhaupt in den Reſcripten der Kaiſer nicht ge - ſucht werden muß, wie ich ſchon an einem andern Ort dieſes Commentars (I. Th. §. 37. S. 259.) bemerkt habe. Viel -leicht zuT 5ihrem21)1747.) §. 2. gehet noch weiter: Immo, ſagt er, ſi liberi le - gitimi non laedantur in legitima portione, adoptionem adhuc, attamen reſcripto Principis interveniente, fieri poſſe arbitror; cum enim pater liberis ſuis legitimis omnia praeter legitimam bona iuſte auferat, non eſt, cur eatenus adoptandi facultatem patri denegemus. 2981. Buch. 7. Tit. §. 149.ihrem Troſt bey dem Landesherrn die Erlaubniß auswir - ken kann, fremde Kinder anzunehmen, auch dieſe Adop - rion denen Kindern die Pflichten der Liebe und Ehrfurcht gegen ihre Adoptivmutter auflegt, und ihnen den Namen derſelben, ja die Hoffnung, dieſelbe zu beerben, giebt, ſo erlangt doch dadurch die Mutter nicht die Rechte der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt uͤber dieſe von ihr adoptir - ten Kinder25)Chriſt. Henr. breuning Diſſ. de adoptione feminarum. Lipſiae 1773.. Allein, ob dies auch noch heutiges Ta - ges gelte, iſt ſtreitig. Unſer Verfaſſer meint, daß bey uns einer Weibsperſon das Recht vollkommen zu adop - tiren darum nicht abgeſprochen werden koͤnne, weil eine Mutter der vaͤterlichen Gewalt nach heutigen Rechten faͤ - hig ſey. Andere gehen noch weiter, und behaupten, daß heut zu Tage Weibsperſonen auf jeden Fall guͤltig adop - tiren koͤnnten, und daß dieſes Recht nicht mehr auf den Fall eingeſchraͤnkt werde, da ſelbige bereits Kinder gehabt, welche wieder geſtorben ſind26)Hr. von Truͤtſchler in der Anweiſung zur vorſicht. u. foͤrml. Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze. I. Th. 2. Hauptabtheil. 3. Hauptſt. §. 60. S. 306.. Ja Beck27)in libro ſingul. de Novellis Leonis, earumque uſu et aucto - ritate Cap. II. §. 58. pag. 198. (ex recenſ. D. Car. Frid. ze - pernick Halae 1779. 8.) Auch iſt Breuning cit. Diſſ. §. 9. dieſer Meinung. iſt der Meinung, daß zu einer ſolchen Adoption nicht einmal die landesherrliche Beſtaͤttigung bey uns erforderlich ſey. Ich kann indeß keiner dieſer Meinungen beytreten. Denn die erſte widerlegt ſich aus demjenigen, was ich oben vondem24)leicht iſt dieſe Wohlthat der weiblichen Adoption unter Antonin den Frommen aufgekommen, der uͤberhaupt die Adoptionen durch kaiſerliches Reſcript eingefuͤhrt haben ſoll. S. van de water Obſervat. iur. Rom. lib. III. cap. 16.299De adoptionibus, emancipationibus etc. dem heutigen Gebrauch der roͤm. vaͤterlichen Gewalt ge - ſagt habe, von ſelbſt. Bey der andern kommt alles da - rauf an, ob der Landesherr die Adoption beſtaͤttiget. Denn daß die Gewalt des Landesherrn ſich ſo weit erſtre - cke, in einem ſolchem Fall Gnade fuͤr Recht ergehen zu laſſen, wird Niemand laͤugnen28)L. 38. D. h. t. . Der dritten Meynung end - lich ſtehet entgegen, daß das roͤm. Recht keinesweges durch den bloßen Gebrauch, ſondern durch ausdruͤckliche Verordnungen teutſcher Reichsgeſetze angenommen wor - den ſey, daher auch in jedem einzelnen Fall demſelben ge - maͤß erkannt werden muß, wenn man nicht darthut, daß etwas darin Enthaltenes ſich auf unſere Verfaſſung gar nicht ſchickt, oder durch einen widrigen Gebrauch abge - ſchaft worden, welches keinesweges zu vermuthen. Zwar will ſich Beck auf die Auctoritaͤt einer Novelle des Kai - ſers Leo des Philoſophen29)Nov. XXVII. berufen, in welcher allen und jeden Weibsperſonen das Recht, auch ohne landes - herrliche Genehmigung, zu adoptiren verſtattet worden; allein da die Leoniſche Novellen bey uns in Teutſchland nicht eingefuͤhrt ſind30)S. des H. Stadt-Direct. D. zepernick Comment. quibus ex cauſis Novellae Leonis ſapientis in Germania receptae dici nequeant, hinter Becks angef. Tractat S. 403 ff., ſo kann hieraus ein heutiger Nichtgebrauch des roͤmiſchen Rechts ohnmoͤglich hergelei - tet werden31)Zepernick in der angef. Commentation Cap. I. §. 15.. Aus dieſem Grunde ſtimme ich lieber der Meinung des Vicecanzler Strubens32)in den rechtl. Bedenken II. Th. Bed. 62. Man ſehe auch Schmidts oͤffentliche Rechtsſpruͤche N. XXV. S. 171. ff. bey, wel - cher bey der Adoption der Weibsperſonen auch noch heutzu3001. Buch. 7. Tit. §. 150.zu Tage die landesherrliche Beſtaͤttigung fuͤr noͤ - thig haͤlt.
Auch der zweyte Grundſatz: die Adoption ah - met die Natur nach, iſt nicht minder fruchtbar an Folgen. Es wird jedoch zuvoͤrderſt noͤthig ſeyn, den ei - gentlichen Sinn dieſes Grundſatzes noch etwas genauer zu beſtimmen, damit man ihn nicht weiter ausdehnt, als die Abſicht der Geſetzgeber iſt. Schon Hermann Can - negieter33)Obſervat. iuris Rom. Lib. II. cap. 20. pag. 223. bemerkte gegen Huber, daß gedachter Grund - ſatz nicht uͤberall, ſondern nur hauptſaͤchlich in den von Tribonian §. 4. und 5. J. h. t. beſtimmten Faͤllen ſeine Anwendung finde, in uͤbrigen aber nichts ſo ungereimtes und unnatuͤrliches gedacht werden koͤnne, was nicht durch Adoptionen zu bewerkſtelligen ſey. So z. B. iſt es ein der Natur nach unaufloͤsbares Raͤthſel, daß ein Großva - ter einen Enkel haben koͤnne, der ihm von zwey Soͤhnen iſt erzeugt worden, und daß dem ungeachtet dieſes durch Adoption moͤglich gemacht werden koͤnne, lehrt Ulpian34)L. 15. §. 1. D. h. t. Qui duos filios, et ex altero eorum nepotem habet: ſi vult nepotem, quaſi ex altero natum ſic adoptare: poteſt hoc efficere, ſi eum emancipaverit, et ſic adoptaverit, quaſi ex altero natum, facit enim hoc quaſi qui - libet, non quaſi avus: et qua ratione quaſi ex quolibet natum poteſt adoptare, ita poteſt et quaſi ex altero natum. Durch die in dieſem Adoptionsfall erforderliche Emancipation wurde der Enkel in Anſehung des Großvaters nach dem Civilrechte wie ein extraneus betrachtet, und konnte nun wie jeder andrer an Enkelsſtatt angenommen werden. L. 55. in fin. D. de Rit. nupt. L. 41. D. h. t. . Ferner301De adoptionibus, emancipationibus etc. Ferner, daß auch diejenigen, welche nie verheyrathet ge - weſen, (coelibes) adoptiren koͤnnen, ſagt Paulus35)L. 30. D. h. t. adde vlpianum Fragm. Tit. VIII. §. 6. Jedoch iſt dieß nur von ledigen Manns - aber nicht Weibs - perſonen zu verſtehen. S. Herm. cannegieter in Obſer - vat. iur. Rom. lib. II. cap. 17.; und eben derſelbe haͤlt es nicht fuͤr wiederrechtlich, an Enkelsſtatt zu adoptiren, wenn man gleich keinen Sohn hat36)L. 37. pr. D. eod. . Aber auch andere, blos hiſtoriſche Schriftſteller, liefern uns Beyſpiele von ſolchen ungereimten Adoptionen. So nahm Calligula ſeinen Bruder Tiberius an Soh - nesſtatt an37)sueton. in Callig. cap. 15. . Hieraus erhellet, wie ich glaube, deut - lich, daß die Nachahmung der Natur in der Adoption nicht ſo zu erklaͤren ſey, als ob alles dasjenige zunaͤchſt und unmittelbar bey dem Adoptirenden da - ſeyn und angetroffen werden muͤſſe, was der Natur nach erfordert wird, wenn der Anzunehmende von der Natur ſelbſt in dasjenige Familienverhaͤltnis und den - jenigen Verwandſchaftsgrad geſetzt werden ſollte, in wel - chen derſelbe durch die Adoption gebracht wird; nein, ſondern es ſollen nur nicht ſolche Umſtaͤnde auf Seiten des Adoptirenden, noch zwiſchen ihn, und denjenigen, welchen er zum Sohn oder Enkel annehmen will, ſolche Verhaͤltniſſe vorhanden ſeyn, unter welchen die bey der Adoption zum Grunde liegende Fiction, daß erſter den letztern gezeugt habe, oder letzter durch einen Deſcenden - ten des erſtern ſey gezeugt worden, ſchlechterdings nicht ſtatt finden koͤnnte, ſondern einen offenbaren Widerſpruch enthalten wuͤrde38)Eben ſo erklaͤrt obgedachten Grundſatz auch Chriſtoph. Lud. crell in Obſervat. de adoptione in locum fratris non mon -ſtroſa. Hieraus folgt nun
1) Daß3021. Buch. 7. Tit. §. 150.1) Daß Caſtraten39)S. D. Joh. Chriſt. Conr. Schroͤters vermiſchte juriſt. Abhandlungen II. Band S. 230 ff., denen die zur Zeugung noͤthigen Theile genommen worden, eben darum, weil ſie zum Kinderzeugen unfaͤhig ſind, nicht adoptiren koͤn - nen40)§. 9. I. h. t. . Es hat zwar K. Leo41)Nov. XXVI. denenſelben das Rechtzu38)ſtroſa. (Vitemberg. 1748.) obſ. 7. pag. 42. Die hierher ge - hoͤrigen Worte ſind: Nimirum in adoptionibus et omnibus fictionibus iuris hoc demum monſtroſum eſt, ſi fingamus ali - quid, ad quod efficiendum vires naturae ſimpliciter et abſolute non comparatae ſunt, ſeu quod per rerum naturam effici non poſſet, quamvis omnia media in promtu eſſent et adhiberentur: ſen quod in ipſa definitione ſua contradictionem continet: ut ſi quis fingeret, hominem, natu maiorem, eſſe filium eius, qui natu minor eſt, et a minore generatum, hoc enim natura nunquam efficere poſſet, quamvis omnia media adhiberentur: ideoque adoptio filii, natu maioris, a minore ſuſcepta dici - tur monſtroſa, quia adoptio debet naturam imitari. Sed ad imitationem naturae hoc non deſiderat iustinianus, ut omnia illa proxime et immediate adſint, et inve - niantur in adoptantibus, quae naturaliter adeſſe debe - rent, ſi adoptandus a natura in illo gradu familiae conſti - tuendus eſſet, in quem ille adoptatur, Hoc enim, ſi poſcere - mus, multa monſtroſa admiſſa eſſent a iustiniano in adoptio - nibus. — Certius eſt, ad imitationem naturae hoc duntaxat requiri, ut adſint remota illa inſtrumenta, ſine qui - bus naturaliter effici non poſſet, ut adoptandus ex familia noſtra ſanguinem et originem duceret. Sic in adoptione filii ſufficit facultas generandi, quamvis uxorem quis non habeat, quae immediate ad ſobolem procreandam requiritur. Sic in adoptione nepotis hoc unicum videtur neceſſarium, ut ea aetate ſit adoptans, in qua poſſet filium habere, qui ipſi ne - potem generare potuiſſet, et hunc octodecim annis aetatis ſupe - raret, quamvis avus ſibi ipſe nepotem ſine filio naturaliter facere non poſſit. 303De adoptionibus, emancipationibus etc. zu adoptiren aus Urſachen, die ich nicht weiter unterſu - chen mag42)Man ſehe Ulrich Huber in Eunomia Rom. ad L. 2. D. h. t. p. 65., ertheilt; allein da nur das roͤm. Juſtinia - niſche Recht in Teutſchland eingefuͤhrt iſt, ſo kann jene Leoniſche Verordnung in keinen Betracht kommen43)S. zepernick a. a. O. S. 492. ff.. Daß jedoch der Landesherr durch ein Reſcript einem Ca - ſtraten die Erlaubniß zu adoptiren ertheilen koͤnne, iſt auſſer Zweifel. Wir muͤſſen aber von den Caſtraten die Spadonen unterſcheiden, worunter im eigentlichen Verſtande diejenigen verſtanden werden, die zwar die Zeu - gungsglieder in der gehoͤrigen Beſchaffenheit haben, aber dennoch kraͤnklicher Umſtaͤnde oder koͤrperlicher Gebrechen halber zum Zeugungsgeſchaͤft untuͤchtig ſind44)Von dem Unterſchiede zwiſchen Caſtraten und Spado - nen ſind zu vergleichen Ant. augustinus Emendat. lib. III. c. 5. Iac. curtius Εικαςων lib. I. c. 27. u. Em. meril - lius Obſervat. lib. I. c. 25. Jedoch werden dieſe Benennun - gen zuweilen verwechſelt, wie ſchon Ge. Caſp. kirchmaier in Opuſc. de latinitate Digeſtorum et Inſtitut. Opuſc. V. p. 242. (edit. Halenſ. 1772. 8. ) bemerkt hat.. Solche koͤnnen ſchon nach gemeinen Rechten adoptiren45)L. 2. §. 1. L. 40. §. 2. D. h. t. .
2) Ich kann keinen adoptiren, der aͤlter iſt, als ich46)L. 15. §. 3. D. t. ; ſondern wenn ich ein Kind an Sohnes oder Tochter ſtatt annehmen will, ſo muß ich achtzehn Jahre aͤlter, und will ich einen an Enkelsſtatt annehmen, ſo muß ich ſechs und dreyßig Jahre aͤlter ſeyn47)L. 40. §. 1. D. h. t. §. 4. I. eod. . Warum die Geſehe gerade die volle Pubertaͤt zur Adoption erfor -dern,3041. Buch. 7. Tit. §. 150.dern, hat den ganz natuͤrlichen Grund, weil es nicht genug iſt, daß jemand Kinder zeugen koͤnne, ſondern dabey auch in einem ſolchen Alter ſtehen muß, daß nach rechtlicher Fiction angenommen werden kann, er habe das Adoptiv - kind ſelbſt gezeugt. Wird nun gleich eine Mannsperſon nach zuruͤckgelegten vierzehnden Jahre fuͤr tuͤchtig gehalten, Kinder zu erzeugen, ſo hat man doch ſelten ſchon vor dem achtzehenden Jahre Kinder48)Ant. faber in Iurisprud. Papinian. Tit. X. Princ. III. Il - lat. 2. — Vel ipſo naturae exemplo induci neceſſe fuit, ſagt dieſer elegante Rechtsgelehrte, ut non tam cito, nec ante ple - nam pubertatem filium per adoptionem habuiſſe quis videretur, ſiquidem in eo plus poteſt adoptio, quam matrimonium, quod filium certo et indubitato facit, qui ex matrimonio cum con - trahitur, tantum ſperatur. Atqui certum eſt, ſaltem poſt plenam pubertatem eſſe quemlibet capacem generandi. . Jedoch will Pu - fendorf49)in Obſervat. iur. univ. Tom. IV. Obſ. 63. §. 5. behaupten, daß heutiges Tages auf jenes geſetzlich vorgeſchriebene Alter nicht mehr ſo genau geach - tet, ſondern fuͤr hinreichend gehalten werde, wenn nur der Adoptivvater Alters halber das angenommene Kind zu gouverniren vermoͤge.
3) Darf auch die Adoption nicht auf beſtimmte Zeit in ihrer Wirkung eingeſchraͤnkt werden. Denn man zeugt nicht Kinder, daß ſie nur auf gewiſſe Zeit es ſeyn ſollen50)Nec enim moribus noſtris convenit, ſagt Paulus L. 34. in fin. D. h. t. filium temporalem habere. Faber in Iurispr. Papinian. a. a. O. Illat. IV. erklaͤrt die Worte moribus no - ſtris von den moribus populi romani; allein ich verſtehe es uͤberhaupt von der Natur und Sitten der Menſchen.. Jedoch hindert dieſes keinesweges, daß man Adoptivkinder wieder emancipiren kann. Nur koͤnnen ſie alsdann nicht von neuen an Kindesſtatt angenommenwer -305De adoptionibus, emancipationibus etc. werden, wenn ſie einmal emancipiret worden ſind51)L. 37. §. 1. D. h. t. . Hat man im Gegentheil ein leibliches Kind emancipirt, ſo kann ein ſolches wieder adoprirt werden52)L. 12. L. 41. D. h. t. , und es bleibt auch ſodann ein leibliches Kind ſeines Vaters53)L. 23.[p]r. D. de lib. et poſtum. .
4) Man kann auch keinen dergeſtalt adoptiren, daß er vermoͤge rechtlicher Fiction als unſer Vater oder Bru - der angeſehen werden koͤnne54)L. 7.[C]. de hered. inſtit. . Denn dieß laͤuft ge - gen allen Begriff der Adoption, und ſtreitet gegen die Vernunft, und Natur, daß ein Sohn den Vater oder ein Bruder den andern gezeugt habe. Nun will zwar Trell55)in Diſſ. all. de adoptione in locum fratris non monſtroſa. bey einer Adoption in locum fratris nichts wi - dernatuͤrliches finden. Denn koͤnnen nicht zwey Freun - de den Vertrag unter ſich errichten, daß einer bey den andern Bruders Stelle vertreten ſolle, nicht anders, als wenn ſie beyde von einem Vater und einer Mutter waͤ - ren gezeugt worden? Allein wenn man dieſes auch zuge - ben wollte, ſo kann doch dergleichen Vertrag keine wahre Adoption genennt werden. Derſelbe wird auch weder Fa - milien - noch Succeßionsrechte wirken, wenn nicht ſolches ausdruͤcklich verabredet worden, und die landesherrliche Beſtaͤtigung nebſt der Einwilligung derjenigen, die ein Intereſſe dabey haben, hinzugekommen iſt. Trell nimmt alſo das Wort Adoption in ganz uneigentlicher Bedeu - tung. Der Nutzen einer ſolchen Annehmung an Brudersſtatt ſoll auch nach ſeiner Meinung nur darinbeſtehen,Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. U3061. Buch. 7. Tit. §. 150.beſtehen, ut fratres adoptivi, wie er ſagt56)cit. Diſſ. Obſ. VII. pag. 40., iure ſociorum et aequalitatis ſingularis inter ſe utantur.
Wir ſchreiten endlich zum dritten Axiom, vermoͤge deſſen die Adoption weder dem Anzunehmenden ſelbſt, noch einem Dritten zum Nachtheil ge - reichen darf. Auch hieraus fließen wichtige Folgen her. Denn ſo ſoll
1) ein Vormund ſeinen Pupillen nicht an Kindes - ſtatt annehmen, weil ſonſt ein treuloſer Vormund, der uͤbel gewirthſchaftet hat, und mit der Rechnung nicht be - ſtehen kann, eine dergleichen Adoption zum Schaden ſei - nes Pupillen leicht mißbrauchen koͤnnte, um von der Ab - legung der Rechnung loßzukommen57)L. 17. pr. D. h. t. . Findet ſich da - her nach vorhergegangener Unterſuchung, daß von dieſer Seite kein Nachtheil fuͤr den Pupillen zu beſorgen, viel - mehr die Adoption demſelben vortheilhaft ſey, ſo kann ſie ohne allen Zweifel durch ein landesherrliches Reſcript erlaubt werden.
2) Soll auch eben deswegen kein Armer einen rei - chen adoptiren, denn man beſorgt, daß eine ſolche Adop - tion bloß aus Intereſſe geſchehe. Sollte inzwiſchen des Adoptirenden guter Lebenswandel, deſſelben bekannte red - liche Neigung und aufrichtige Abſichten alle widrige Ver - muthung ausſchlieſſen, ſo kann auch eine ſolche Adoption zugelaſſen werden58)L. 17. §. 4. D. h. t. .
3) Kann man zum Nachtheil ſeines Sohnes kei - nen Fremden als Enkel aufnehmen, weil man ſeinem Sohnekeinen307De adoptionibus, emancipationibus etc. keinen Erben wider ſeinen Willen aufdringen kann59)§. 7. I. h. t. . In dieſem Fall iſt daher die Einwilligung deſſelben ſchlech - terdings nothwendig*)L. 6. D. h. t. , weil auſſerdem der adoptirte Enkel nach dem Tode des Großvaters nicht in des Sohnes Ge - walt kommt, mithin auch deſſelben Erbe nicht werden kann60)L. 11. D. h. t. .
4) Die Aufnahme eines Unmuͤndigen muß nicht zum Nachtheil des von dem leiblichen Vater beſtimmten Folge-Erbens geſchehen**)L. 17. §. 1. D. eod. . Endlich
5) kann die Beſtaͤtigung einer unguͤltigen Adoption beym Landesherrn nicht ohne Einwilligung derjenigen ge - ſucht werden, die hierdurch einen Schaden erleiden wuͤr - den61)L. 38. u. 39. D. h. t. .
Die Wirkungen der Adoption ſind verſchieden. Es kommt zunaͤchſt darauf an, ob ſie von einer Manns - perſon, oder von einer Weibsperſon geſchehen iſt. Im letztern Fall wirkt ſie zwar keine roͤmiſche vaͤterliche Gewalt, doch koͤnnen der Adoptivmutter diejenigen Rechte der elterlichen Gewalt nicht abgeſprochen werden, welche nach heutigen Rechten einer Mutter uͤber ihre leibliche Kinder zuſtehen. (§. 137. u. 138.) Das angenommene Kind erwirbt hierdurch ein Erbrecht, aber nur in Anſe - hung der Mutter, nicht der muͤtterlichen Aſcendenten; auch nur in Anſehung der erſtern alsdann, wenn ſie ohne Teſtament verſtirbt62)koch de ſucceſſione ab inteſtato, §. 42. S. 92. (edit. VII.) . Die Mutter ſelbſt ſuccedirt je - doch dem Adoptivkinde nicht63)koch cit. Tr. §. 67.. Iſt hingegen die An -U 2nehmung3081. Buch. 7. Tit. §. 151.nehmung an Kindesſtatt von einer Mannsperſon geſche - hen, ſo iſt zwiſchen Arrogation und eigentlicher Adoption ein Unterſchied zu machen. Die erſtere be - wirkt nach buͤrgerlichen Geſetzen
1) eine Verwandſchaft, die jedoch kein Recht der Blutsfreundſchaft, ſondern nur ein Agnations - recht giebt64)L. 23. D. h. t. . Sie aͤuſſert ſich
a) zwiſchen den Arrogator und den arrogirten Kinde, und zwar auf Seiten des erſtern unter dem Nahmen pa - ternitas, auf Seiten des letztern aber unter dem Nahmen Suitas65)§. 1. I. de Nupt. ;
b) zwiſchen den arrogirten Kinde und den leiblichen Kindern des Arrogators, unter dem Nahmen fraterni - tas66)L. 23. D. h. t. L. 17. pr. D. de ritu nupt. jedoch werden dieſe Geſchwiſter nur als conſan - guinei angeſehen67)Hat jedoch der Arrogator ſchon einen Enkel von ſeinem Sohne, und will noch ein fremdes Kind zum Enkel annehmen, ſo entſtehen unter beyden Enkeln die Rechte der Conſanguini - taͤt anders nicht, als wenn die Annehmung ausdruͤcklich und unter der Bedingung geſchehen, daß der Arrogirte als ein von des Arrogirenden Sohne und deſſelben Frau gebohrner Enkel angeſehen werden ſolle. L. 44. D. h. t. ;
c) zwiſchen den arrogirten Kinde, und den Agna - ten des Arrogators, unter dem eigentlichen Namen ag - natio. Mit allen denjenigen aber, welche blos Cognaten vom Arrogator ſind, contrahirt das angenommene Kind keine Verwandſchaft. Die Mutter des Arrogirenden wird alſo nicht als Großmutter des arrogirten Kindes angeſehen, denn ſie iſt nur eine cognata von dem Arro -gator,309De adoptionibus, emancipationibus etc. gator, und gehoͤrt uͤberdem im eigentlichen Verſtande nicht zur Familie deſſelben, wie Paulus ſagt68)L. 23. D. h. t. . (§. 129.) Auch wird die Frau des aufnehmenden Vaters hierdurch nicht in das Verhaͤltniß einer rechten Mutter geſetzt, ſon - dern das angenommene Kind bleibt in der natuͤrlichen Verbindung mit ſeiner leiblichen Mutter. Daher ſucce - dirt auch das arrogirte Kind weder der Frau noch den muͤtterlichen Aſcendenten des Arrogirenden69)koch cit. Tract. §. 41., obwohl die buͤrgerlichen Geſetze die Ehe unter ihnen verbieten70)L. 23. cit. L. 35. §. 1. D. de rit. nupt. Dieſes legale Ehehinderniß iſt auch im canoniſchen Rechte anerkannt cap. un. X. de cognat. legali. S. riegger Inſtitut. iurisprud. eccleſ. P. IV. §. 131..
2) Wirkt die Arrogation ein wechſelſeitiges Erbrecht zwiſchen den Perſonen, zwiſchen welchen durch dieſelbe ein Agnationsrecht entſtanden iſt71)L. 10. §. 5. Cod. de adopt. . Das ar - rogirte Kind ſuccedirt dem arrogirenden Vater iure ſui heredis72)koch a. a. O. §. 41.; denen uͤbrigen Agnaten deſſelben aber iure agnationis73)Schon appian. de bello civ. lib. III. p. 33. ſagte: Adopta - ti idem, quod nativi filii, ius habent ergo ſuorum patrum agnatos. . Der Unterſchied iſt, daß in dem letztern Fall dem Arrogirten das ihm zuſtehende Erbrecht durch Teſtament der Agnaten nach Willkuͤhr kann entzogen wer - den, allein nicht in dem erſtern Fall, da er iure ſuitatis dem Arrogator beerbt, wenn nicht eine rechtmaͤſige Enter - bungsurſach vorhanden iſt74)Ant. faber Rational. in Pandect. T. I. ad L. 7. D. h. t. — Agnatum enim heredem nemo invitus habet, cum poſſit teſta -mento. Denen leiblichen Kindern desU 3Arro -3101. Buch. 7. Tit. §. 151.Arrogatoris ſuccedirt jedoch das arrogirte Kind eher nicht, als wenn die Ordnung an den Halbgeſchwiſtern iſt75)koch cit. Tr. §. 84..
3) Auf Seiten des Arrogatoris wirkt ferner die buͤrgerliche Aufnahme an Kindesſtatt die vaͤterliche Gewalt. Hat der Arrogirte Kinder, ſo werden auch dieſe der vaͤterlichen Gewalt des Arrogatoris unterwor - fen76)L. 2. §. 2. D. u. §. 11. I. h. t. . Jedoch haben die Geſetze bey Ausuͤbung der - ſelben dem Arrogator manche Einſchraͤnkungen in dem Fall vorgeſchrieben, wenn der Arrogirte noch unmuͤndig iſt. Z. B. in Anſehung der Pupillar-Subſtitution. Denn ſo kann der arrogirende Vater dem aufgenomme - nen Kinde keinen Folge-Erben ernennen, auſſer auf das vierte Theil, was es nach der Verordnung des Divus Pius aus ſeinem Vermoͤgen zu hoffen hat77)L. 22. §. 1. D. h. t. . Desglei - chen in Anſehung der Emancipation, wovon zu ſeiner Zeit ein mehreres.
4) Der arrogatus leidet zwar durch die Aufnahme an Kindesſtatt eine Capitisdeminution, aber kei - nen Verluſt an ſeiner buͤrgerlichen Wuͤrde, wenn gleich Arrogator geringern Standes ſeyn ſollte78)L. 35. D. h. t. L. 15. §. ult. D. ad municipal. . Daneben aber erlangt das arrogirte Kind
5) den Namen79)trotz de memoria propag. pag. 243. , Stand und Wuͤrde des Arrogators80)L. 5. et 6. D. de Senator. Ant. faber in Rational. ad h. L. und uͤberhaupt die Rechte der Familiein74)mento eum excludere. At ſuum heredem habet quis, ut in - vitum, ita invitus; cum non poſſit eum exheredare, niſi ex certis cauſis. 311De adoptionibus, emancipationibus etc. in Anſehung des Wahlvaters, in ſofern ſie nicht vom iure ſanguinis unmittelbar abhaͤngen81)L. 23. D. de adopt. . Ob das ar - rogirte Kind auch den Geſchlechtsadel des Vaters erhal - te? iſt nach roͤmiſchen Rechten ſtreitig. Die meiſten wollen dieſes behaupten82)Ulr. huber Digreſſ. Iuſtinian. Lib. II. c. 24. §. 3. hei - neccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 1. §. 4. pag. 113. Ant. schulting in Enarrat. part. I. Dige - ſtor. h. t. §. 13. Ern. Mart. chladenius de gentilitate vet. Rom. Cap. IX. pag. 102. ſqq. u. a. m.; allein andere glauben ſolches mit mehreren Grunde verneinen zu koͤnnen83)Herm. cannegieter in Obſervat. iur. Rom. lib. II. cap. 18. harpprecht in Commentar. ad §. 12. I. h. t. ibique allegati. . Die letztere Meinung iſt wenigſtens nach den heutigen Rech - ten die richtigſte, wie ich beym folgenden §. zeigen werde.
Soviel endlich die Wirkungen der eigentlichen Adoption anbetrift, ſo iſt nach dem juſtinianeiſchen Recht ein Unterſchied, ob ſie von einem Aſcendenten des Anzunehmenden z. B. dem Großvater vaͤterlicher oder muͤtterlicher Linie, oder von einem andern geſchiehet84)L. penult. Cod. de adopt. . Nur im erſtern Fall wirkt die Adoption nach neuern Recht die vaͤterliche Gewalt; jedoch nur uͤber den Adoptirten. Denn deſſelben Kinder bleiben in der Ge - walt ihres leiblichen Großvaters85)L. 40. pr. D. h. t. Adrogato patrefamilias liberi, qui in eius erant poteſtate, nepotes apud adrogatorem efficiuntur: ſimulque cum ſuo patre in eius recidunt poteſtatem. Quod non ſimiliter in adoptione contingit: nam nepotes ex eo in avi naturalis retinentur poteſtate. . Es waͤre denn,U 4daß3121. Buch. 7. Tit. §. 151.daß ſie erſt nach geſchehener Adoption waͤren gebohren worden86)L. 27. D. eod. ex adoptivo natus adoptivi locum obtinet in iure civili. Ant. faber in Rational. ad h. L. . Da ferner in dieſem erſtern Fall der Adop - tirende ſeinen Enkel oder Enkelin an Sohnes oder Toch - terſtatt annimmt, ſo wird durch eine ſolche Adoption eine doppelte Verwandſchaft gewirkt, nehmlich eine buͤrgerli - che und natuͤrliche zugleich, die in Abſicht auf die In - teſtat-Erbfolge ihre beſondere Wirkung hat. Denn wenn z. B. der muͤtterliche Großvater ſeinen Enkel adoptirt, ſo bleibt zwar das natuͤrliche Verwandſchaftsverhaͤltniß, vermoͤge welchem der Adoptirende der Großvater, das angenommene Kind aber deſſelben Enkel iſt, allein es tritt nun noch eine neue buͤrgerliche Verbindung hinzu, nach welcher der Enkel civiliter als Sohn des adop - tirenden Großvaters, der Großvater aber als deſſelben Vater angeſehen wird. Dies hat weiter die Folge, daß des Adoptirenden leibliche Tochter, welche nach natuͤrli - chen Verwandſchaftsverhaͤltniß des adoptirten Kindes Mut - ter iſt, jetzt civiliter als deſſelben Schweſter, der Adop - tirte aber als frater civilis ſeiner leiblichen Mutter ange - ſehen wird, obwohl die natuͤrliche Verbindung zwiſchen Mutter und Sohn hierdurch im mindeſten nicht aufge - hoben wird. Nun ſetze man den Fall, der adoptirende Großvater ſtuͤrbe, ſo ſuccediren beyde, der Enkel und deſſelben Mutter, in capita ab inteſtato. Der Enkel als Adoptivſohn, deſſelben leibliche Mutter aber als Toch - ter des Verſtorbenen. Der Enkel bekommt alſo jetzt als Adoptivſohn die Halbſcheid der Verlaſſenſchaft, da er auſ - ſerdem als Enkel von ſeiner Mutter wuͤrde ausgeſchloſſen worden ſeyn. Man nehme ferner den Fall an, die Mut - ter dieſes Enkels ſey ſchon vor dem Großvater oder, ei - gentlich zu reden, vor ihrem Vater verſtorben, habeaber313De adoptionibus, emancipationibus etc. aber auſſer dem adoptirten Enkel noch drey andere Kinder hinterlaſſen. So bekommt der vom Großvater adoptirte Enkel, tanquam filius civilis, die Halbſcheid, in die andere Haͤlfte aber ſuccediren die nicht adoptirten Enkel, als Repraͤſentanten des muͤtterlichen Stamms. Allein da durch die Adoption die natuͤrliche Verbindung nicht aufge - hoben wird, mithin vermoͤge derſelben der adoptirte Enkel ein leiblicher Enkel vom Großvater bleibt, ſo wird er nun auch noch als Enkel des verſtorbenen Großvaters mit den uͤbrigen ſeinen Antheil an der andern Haͤlfte der groß - vaͤterlichen Erbſchaft mit Recht verlangen koͤnnen87)Man vergleiche hier die leſenswuͤrdige Abhandlung des Herrn Canzlers Koch de cognatis duplicibus, welche hinter Deſſel - ben Tractat de Succeſſione ab inteſtato (Gießen 1790.) das Auctarium III. S. 231 — 274 iſt..
Eine ſolche Adoption, die von einem Aſcendenten geſchiehet, giebt ferner dem Adoptirten das ius ſui heredis, was ihm auch nicht durch das Teſtament des Adoptiv - vaters kann genommen werden, wenn nicht eine recht - maͤſige Enterbungsurſach vorhanden iſt88)L. 10. pr. Cod. h. t. . Daß jedoch der adoptirende Großvater den an Kindesſtatt angenom - menen Enkel ebenfalls beerbe, iſt auſſer Zweifel, nur muß das Band der Adoption nicht etwa durch Emanci - pation getrennet worden ſeyn89)koch de Succ. ab int. §. 65..
Wenn im Gegentheil die Adoption von einem an - dern geſchehen, der nicht Aſcendent von dem angenomme - nen Kinde iſt, ſo wirkt dieſelbe weder auf Seiten des Adoptirenden die vaͤterliche Gewalt90)Petr. de greve in Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora (Noviomagi 1651.) Exerc. I. Obſ. 20. p. 18. in fin. ſqq. iſtzwar noch auf SeitenU 5des3141. Buch. 7. Tit. §. 151.des Adoptirten die Familienrechte, ſondern giebt letztern nur das ius ſui heredis alsdann, wenn der Adoptivva - ter ohne Teſtament verſtirbt. Denn macht dieſer ein Teſtament, ſo kann er das adoptirte Kind gaͤnzlich uͤbergehen91)L. 10. §. 1. Cod. h. t. koch c. Tr. §. 39.. Der Adoptivvater bekommt aber durch dieſe Adoption gar kein Erbrecht. Denn das Kind bleibt in der Gewalt und Familie ſeines leiblichen Vaters, und wird daher von deſſelben leiblichen Eltern beerbt92)koch c. Tr. §. 64.. Die Geſetze kennen auch hier wegen einer buͤrgerlichen Ver - wandſchaft kein Ehehinderniß, als welches uͤberhaupt nach neuern roͤmiſchen und canoniſchen Rechten nur durch die Arrogation entſtehen kann93)Ganz richtig ſagt daher Paul. Ioſ. a riegger Inſtitut. iurispr. ecclef. P. IV. §. 131. das Hinderniß der geſetzlichen Verwandſchaft beſtehe in connexione perſonarum, ex arroga - tione proveniente, und verwirft die Meinung derjenigen, welche behaupten, daß dergleichen Ehehinderniß auch aus einer jeden andern unvollkommenen Adoption entſtehe. Ihm ſtimmt auch Eybel im kathol. Kirchenrecht IV. Th. 1. Band 13. Hauptſt. §. 362. not. d. n. 17. S. 443. bey..
Ich muß zuletzt noch etwas zur Erlaͤuterung der Juſtinianiſchen Verordnung in L. 10. Cod. de adoptionibus hinzufuͤgen, weil man dieſelbe insgemein fuͤr dunkler haͤlt, als ſie wirklich iſt. Juſtinian erzaͤhlt im Eingange der - ſelben, daß ein alter Streit unter den roͤmiſchen Rechts - gelehrten uͤber eine zweifelhafte Rechtsfrage die Veran - laſſung dazu gegeben habe. Die Streitfrage war dieſe, ob ein adoptirtes Kind ſich gegen das Teſtament ſei - nes leiblichen Vaters, darin ſelbiges von dieſem praͤ -teriret90)zwar einer andern Meinung; allein L. 10. C. h. t. redet zu deutlich fuͤr die gemeine Meinung, als daß jene Grille des Greve uns irre machen koͤnnte.315De adoptionibus, emancipationibus etc. teriret worden, der Inofficioſitaͤtsklage bedienen koͤnne, wenn das praͤterirte Kind zu der Zeit, da der leibliche Vater ſtarb, ſich noch in der Gewalt und Familie des Adoptivvaters befunden? Dieſer letzte Umſtand machte eben die Entſcheidung der Frage zweifelhaft. Denn waͤ - re das Adoptivkind zur Zeit des Abſterbens ſeines leibli - chen Vaters ſchon emancipirt, und hierdurch auch von der vaͤterlichen Gewalt des Adoptivvaters befreyet gewe - ſen, ſo haͤtte die Frage gar keine Schwierigkeit gehabt, weil ſodann dem praͤterirten Kinde die bonorum poſ - ſeſſio contra tabulas zu ſtatten gekommen waͤre94)§. 10. I. de hereditat. quae ab int. deferuntur. . Papinian ſprach nun dem Kinde in dem vorliegenden Fall die Inofficioſitaͤtsklage rund ab. Sein Entſchei - dungsgrund war, quod filius ad patrem adoptivum totam ſpem extendere debeat, non ſucceſſionem patris naturalis mo - leſtare. Ein Grund, den hernach Juſtinian ſelbſt zum Entſcheidungsgrunde ſeiner Verordnung macht. Das Kind hatte ſich einmal von der Familie ſeines leiblichen Vaters losgeſagt, und wurde in Anſehung deſſelben, ſo - lange es in der Familie des Adoptivvaters war, wie ein extraneus angeſehen95)§. 4. I. de exheredat. liberor. ; ja es konnte ſich uͤber das Te - ſtament ſeines leiblichen Vaters um ſo weniger beklagen, weil ihm ja derſelbe einen andern Vater zum Verſorger angewieſen hatte96)L. 17. D. de bon. poſſ. contr. tab. . Aus dieſen Gruͤnden hatte auch Ulpian Papinians Meinung angenommen97)L. 8. §. 10. D. eod. tit. . Allein Paulus laͤugnete nicht ſchlechterdings, daß dem Adop - tivſohne die Inofficioſitaͤtsklage gegen das Teſtament ſei - nes leiblichen Vaters zuſtehe, nur glaubte er nicht, daßdas3161. Buch. 7. Tit. §. 148.das Kind viel damit ausrichten werde98)Juſtinian druͤckt ſich folgendergeſtalt aus: Paulus autem ſine effectu derelinquit. . Indeſſen, daß ſie wirklich zuweilen mit gluͤcklichem Erfolg gegen das Teſtament des leiblichen Vaters bey denen Centum - virs angeſtellet worden, beweißt das Beyſpiel des roͤm. Ritters M. Ancus Carſeolanus beym Valerius99)Lib. VII. cap. 7., welchen auch ſein Vater nach geſchehener Adoption praͤ - teriret hatte. Martian endlich machte einen Unterſchied, ob der Adoptivvater arm, oder ein vermoͤgender Mann ſey. Im erſtern Fall koͤnne der praͤterirte Sohn die Inofficioſitaͤtsklage gegen das Teſtament ſeines leiblichen Vaters anſtellen; weil hier der Vater ſeinen Sohn offen - bar hintergangen hat, daß er ihn von einem Unvermoͤ - genden hat adoptiren laſſen. Im letztern Fall hingegen habe der Sohn nicht Urſach ſich zu beklagen, da er aus den Guͤtern ſeines Adoptivvaters noch ſein Erbtheil zu hoffen habe100)Vermuthlich hatte Martian hiervon im 4ten Buch ſei - ner Inſtitutionen gehandelt, wie ſich aus der L. 30. D. de inoff. teſtam. ſchließen laͤßt.. Allein wie? wenn nach dem Tode des leiblichen Vaters auch der Adoptivvater das Kind eman - cipirte? Was half es nun dem Kinde, wenn auch der Adoptivvater noch ſo reich war? Die Hoffnung zur Erb - ſchaft deſſelben war nun fuͤr das Kind auf immer ver - lohren. Sonach konnte es alſo leicht geſchehen, daß das Adoptivkind weder den leiblichen, noch den Adoptivva - ter beerbte. Dieß ſuchte nun Juſtinian durch dieſe neue Verordnung zu verhuͤten, worinn er will, daß nur in dem Fall, wenn die Adoption von einem Aſcendenten, z. B. von dem muͤtterlichen Großvater geſchehen, die Verbindung mit dem leiblichen Vater, ſo lange naͤmlichdas317De adoptionibus, emancipationibus etc. das Kind in der Gewalt und Familie des Adoptivvaters bleibt, aufhoͤren, und daſſelbe auf deſſen Erbſchaft allein ſeine Hoffnung richten ſollte. Denn wuͤrde das Kind vom Adoptivvater emancipirt, ſo ſolle es zu ſeinem leib - lichen Vater zuruͤckkehren, und in Anſehung deſſelben ſei - ne verlohrne Kindesrechte wieder erhalten. Ob jedoch dem emancipirten Kinde auch noch nach dem Tode ſeines leiblichen Vaters, wenn dieſer etwa das Kind im Ver - trauen auf die Erbſchaft des Adoptivvaters praͤterirt haͤtte, der Weg zur Succeſſion deſſelben offen ſtehen ſolle, hat Juſtinian wenigſtens deutlich nicht beſtimmt. Indeſſen glaubt es Emund Merillius in der unten angefuͤhrten Stelle1)in Expoſitionib. in L. Deciſiones Iuſtiniani N. XIV. pag. 43. (edit. Neapol. 1720. 4.) Quod ſi filius parentibus in adoptio - nem datus ab iis poſtea emancipatus fuerit, vult iustinia - nus, filium reverti ad patrem naturalem, hoc eſt, ad ſuc - ceſſionem ipſius. Non ſatis quidem expreſſit, utrum reverti poſſit filius adoptivus emancipatus ad ſucceſſionem patris na - turalis, ſive vivus, ſive mortuus ille fuerit: ſed quia ſupra id vitium in diſtinctione martiani propoſuit, ſane et illud emendare voluit, ut ſcilicet filius emancipatus ab adoptivo patre ex aſcendentibus, mortuo patre naturali, ad ſucceſſionem ipſius revertatur, quamvis in aliena familia fuerit eo tempore, quo pater moreretur. nicht ohne Grund. Wenn hingegen die Adop - tion von einem Extraneus geſchehen, ſo ſolle das Adoptiv - kind die voͤlligen Kindesrechte in Anſehung ſeines leibli - chen Vaters behalten, und zwar nicht blos in Betracht der Inteſtat-Erbfolge, ſondern auch der Teſtamentari - ſchen, wie auch der denen unbilliger weiſe enterbten Kin - dern zuſtehenden Inofficioſitaͤtsklage. In Anſehung des Adoptivvaters aber ſoll das Kind nur ſui heredis ius ad eius ſucceſſionem ab inteſtato erhalten: non etiam legitima iura ad familiam extranei patris adoptivi,wie3181. Buch. 7. Tit. §. 151. u. 152.wie Juſtinian ſich ausdruͤckt, nec ipſa ad eum com - munionem aliquam habeat; ſed quaſi extraneus ita ad illam familiam inveniatur.
Daher entſtehet nun die Eintheilung der Adop - tion im engern Verſtande in die vollkommene und unvollkommene. Erſtere geſchiehet von einem Aſ - cendenten, und wirkt auf Seiten des Adoptivvaters die vaͤterliche Gewalt, auf Seiten des aufgenommenen Kin - des aber ein vollkommenes ius ſui heredis; letztere hin - gegen geſchiehet von einem extraneus, und wirkt wei - ter nichts, als ein Recht zur Inteſtat-Erbfolge auf Sei - ten des Adoptirten2)Von dem Unterſchiede zwiſchen der alten und Juſtinianeiſchen Adoption handelt merillius c. l. pag. 44. ſehr ausfuͤhrlich..
Die Adoption wirkt kein ius ſanguinis, wie Pau - lus3)L. 23. D. h. t. ſagt. Mithin werden diejenigen Rechte, welche ſich lediglich auf Blutsfreundſchaft gruͤnden, denen Adop - tivkindern nicht zu Theil, wenn gleich die Adoption eine vollkommene, oder eine Arrogation ſeyn ſollte. Denn auch dieſe giebt denen Adoptirten nur die gemeinen Fa - milienrechte, welche der Diſpoſition des Vaters unter - worfen ſind4)Mich. God. wernher in lect. Commentat. ad Dig. h. t. §. 6. pag. 54. leyser Spec. XX. med. 3.. Hieraus folgt,
1) daß Adoptivkinder den Adel des Vaters nicht erlangen5)Car. Gottl. knorre Different. iur. Rom. et Germ. in nobi - litate adoptiva. Halae 1721. 1745. riccius von dem land -ſaͤßigen. Denn dieſer wird nur durch einenatuͤr -319De adoptionibus, emancipationibus etc. natuͤrliche, eheliche Geburt, nicht aber durch eine recht - lich erdichtete, erworben. Es muß alſo dem Adoptiv - kinde der Adel von demjenigen beſonders ertheilet wer - den, welchem das Recht zu adeln zuſtehet.
2) Succediren Adoptivkinder nicht in Fideicom - mißguͤtern6)Io. Caſp. heimburg in Diſſ. ſiſt. iuris comm. et germ. diffe - rentias in doctr. de fideicommiſſis. (Ienne 1743.) Cap. III. §. 13. Eichmann a. a. O. S. 335. ff.. Denn dieſes Recht ſtehet nur denen - jenigen zu, die der Geburt nach zur Familie des Stif - ters gehoͤren. Man kann auch nicht annehmen, daß der Stifter eines Fideicommißes, wenn er ſich desfalls nicht deutlich ausgedruͤckt hat, unter ſeinen rechtmaͤſigen Fideicommißerben zugleich adoptirte Kinder mit verſtan - den habe, da ſolche keine wahre, ſondern nur erdichte Kinder ſind7)L. 76. D. condit. et demonſtrat. . Ein anders waͤre freylich zu behaupten, wenn die Agnaten, deren Intereſſe darunter leidet, das Adoptivkind des letztern Beſitzers zulaſſen wollten. Denn dieſe koͤnnen ſich ja ihres Rechts begeben.
3) Werden die an Kindesſtatt angenommenen auch von der Lehnfolge ausgeſchloſſen8)Ern. Frid. knorre Diſſ. de ſucceſſione adoptivorum in feuda. Halae 1753. Hofr. Schnaubert in der Erlaͤuterung des in Deutſchland uͤblichen Lehnrechts 2. Fortſetz. §. 123.. Der Grund da - von iſt theils die ausdruͤckliche Verordnung des Longo - bardiſchen Lehnrechts9)II. F. 26. §. 8., theils weil die Lehnsfolge ein auf dem Blut des erſtern Erwerbers haftendes Rechtiſt5)ſaͤßigen Adel in Teutſchland. II. Th. Kap. 5. de selchow in Elem. iur. germ. privati §. 498. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 330.3201. Buch. 7. Tit. §. 152.iſt10)H. GJR. boehmer in Princip. iur. feudalis Cap. VII. §. 120.. Jedoch ſind folgende Ausnahmen zu bemerken, wo denen Adoptirten die Lehnfolge unſtreitig zu geſtat - ten iſt11)Car. Henr. moeller in uſu practico diſtinction. feudal. Cap. XV. Diſtinct. 3.. a) Wenn die Adoption mit Einwilligung des Lehnsherrn und der Agnaten, oder b) der Erwerb des Lehns mit der ausdruͤcklichen Bedingung geſchehen, daß auch die Adoptirten eines Erbfolgerechts ſich darin zu erfreuen haben ſollen; oder c) dieſelben vermoͤge des be - ſondern Lehnhofrechts ſucceßionsfaͤhig ſind.
4) Stehet auch denen Adoptivkindern kein Recht zu, die vom Adoptivvater oder deſſen Verwandten auſſer der Familie veraͤuſſerten Guͤter mittelſt der Erbloſung (ius retractus gentilitii) in Anſpruch zu nehmen12)Carl Fried. Walch’s Naͤherrecht II. Hauptſt. I. Ab - ſchn. I. Abſatz §. 5. S. 265. berlich Concl. Pract. P. II. Concl. 39. n. 20.. Denn auſſerdem, daß dieſer Retract nur denenjenigen zuſtehet, welche mit dem Verkaͤufer von dem Erwerber zugleich auf eine rechtmaͤſige Art abſtammen, ſo war auch denen Teutſchen die Annehmung an Kindesſtatt vor Einfuͤh - rung des roͤm. Rechts voͤllig unbekannt, und die in der Folge, nach Vorſchrift der Geſetze, an Kindesſtatt an - genommene ſind niemalen bey den Teutſchen denen Bluts - verwandten gleichgeſtellet worden.
5) Haben Adoptivkinder auch eben ſo wenig die Rechte der Meiſtersſoͤhne zu genieſſen13)schilter in prsxi iur. Rom. Ex. 3. thef. 17. leyser Specim. XX. med. 3.. Denn faſt bey allen Zuͤnften haben die Meiſtersſoͤhne, wennſie321De adoptionibus, emancipationibus etc. ſie bey ihres Vaters Handwerk verbleiben, ſehr betraͤcht - liche Vorrechte, welche ſich auf mancherley Weiſe aͤuſ - ſern14)Joh. Fried. Chriſtoph Weiſſer’s Recht der Hand - werker (Stutgart 1780. 8.) 8. Abſchn. §. 87.. Sie beſtehen gemeiniglich darinnen, a) daß dieſelben fuͤr das Ein - oder Ausſchreiben, auch fuͤr das Meiſterrecht entweder gar nichts, oder doch nicht ſo viel, als ein anderer, bezahlen; b) entweder gar nicht, oder nicht ſo lang, wie ein anderer, wandern; c) eine kuͤrzere Zeit in der Lehre bleiben, und d) die Sitz - oder Mut - jahre nicht erſtehen duͤrfen. Zur Theilnahme an dieſen Rechten aber wird erfordert, daß man ein leiblicher Sohn eines Meiſters ſey, mithin ſind Adoptivſoͤhne ſchon von ſelbſt davon ausgeſchloſſen.
Hieraus erhellet alſo, daß der Unterſchied zwiſchen ehelichen leiblichen und adoptirten Kindern noch immer ſehr betraͤchtlich iſt. Zwar ſagt Juſtinian15)§. 8. Inſtit. de Adoptionib. : In plu - rimis cauſis aſſimilatur is, qui adoptatus vel arrogatus eſt, ei, qui ex legitimo matrimonio natus eſt; und Niemand wird dieſes bezweifeln, man denke ſich nur unter der Adoption eine vollkommene. Allein eben dieſer Kaiſer bemerkt auch an einem andern Ort ſeiner Inſti - tutionen16)§. 11. Inſtitut. de bereditat. quae ab inteſt. def. Conf. Ian. a costa in Comm. ad h. loc. einen auffallenden Unterſchied. Minus ergo iuris, ſagt er, habent adoptivi, quam naturales. Nam - que naturales emancipati beneficio Praetoris gradum libero - rum retinent, licet iure civili perdant. Adoptivi vero eman - cipati et iure civili perdunt gradum liberorum, et a Prae - tore non admittuntur, et recte: naturalia enim iura civilis ratio perimere non poteſt, nec quia deſinunt ſui heredes eſſe,poſſuntGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. X3221. Buch. 7. Tit. §. 132. u. 153.poſſunt deſinere filii filiaeve, aut nepotes neptesve eſſe, Adoptivi vero emancipati extraneorum loco incipiunt eſſe: quia ius nomenque filii filiaeve, quod per adoptionem conſe - cuti ſunt, alia civili ratione, id eſt, emancipatione perdunt.
Ein anderer wichtiger Unterſchied zwiſchen leiblichen und adoptirten Kindern aͤuſſert ſich noch beſonders bey Fideicommiſſen und Vermaͤchtniſſen, die auf dem Fall, wenn der Erbe ohne Kinder ſterben ſollte, hinterlaſſen worden ſind. Eine ſolche Bedingung iſt nur von leiblichen Kindern zu verſtehen17)L. 17. §. 4. D. ad SCtum Trebell. averanius Interpretat, iur. lib. IV. c. 1. n. 11., und kann daher, wie Papinian im 6. Buch ſeiner Gutachten ſagt18)L. 76. D. de condit. et demonſtr. , von dem Erben durch Aufnehmung eines frem - den Kindes nicht vereitelt werden. Mehrere Differenzen zwiſchen leiblichen und adoptirten Kindern hat Janus Brants19)in Diſſ. de convenientia et differentia liberorum naturalium et adoptivorum. Lugduni Batavor. 1785. 4. in der unten angezeigten Schrift angefuͤhrt.
So viel nun hiernaͤchſt die Form und Erforder - niſſe einer guͤltigen Adoption anbetrift, ſo iſt zwiſchen der eigentlich ſo genannten Adoption und der Arrogation ein Unterſchied zu machen. Die erſtere erfordert
1) die Einwilligung des Adoptirenden, weil dieſem kein Erben aufgedrungen werden kann.
2) Den323De adoptionibus, emancipationibus etc.2) Den Conſens des leiblichen Vaters, weil dieſer, wenn die Adoption eine vollkommene iſt, die vaͤterliche Gewalt verliert20)L. 5. D. und L. fin. Cod. h. t. . Auf Seiten des Kindes wird eine ordentliche Einwilligung nicht erfordert, ſondern fuͤr hin - reichend gehalten, wenn es nur nicht widerſpricht. Daher kann auch ein Infans adoptirt werden21)L. 42. D. h. t. . Der Conſens des Vaters ergaͤnzt in dieſem Fall die Ein - willigung des in die Adoption gegebenen Kindes um ſo mehr, als zu vermuthen iſt, daß der leibliche Vater dieſe Adoption nicht werde geſchehen laſſen, wenn dieſelbe ſeinem Kinde nicht vortheilhaft waͤre22)faber Rational. in Pand. ad cit. L. 42. h. t. .
3) Die Einwilligung des Sohnes, wenn deſſelben Vater ein fremdes Kind als einen von ihm gebohrnen Enkel annehmen will23)L. 6. D. de adopt. ; der Grund hiervon iſt, ne ei invito ſuus heres adgnaſcatur, wie Juſtinian ſagt24)§. 7. I. eodem. .
4) Die obrigkeitliche Beſtaͤtigung. Dieſelbe ge - ſchiehet aber heutiges Tages auf die Art, daß a) der Richter das Anbringen der Intereſſenten protocollirt, oder den eingereichten Adoptionsaufſatz zu den Acten nimmt; b) in beyden Faͤllen unterſucht, ob der Adoptirende denen Rechten nach zu adoptiren befugt, und die legale Ein - willigung des leiblichen Vaters vorhanden, auch das Wahlkind damit zufrieden ſey; und c) wenn ſich ſolches findet, ſo wird die Einwilligung und Beſtaͤtigung beym muͤndlichen Anbringen, in Geſtalt eines Decrets, ver -X 2abfaßt,3241. Buch. 7. Tit. §. 153.abfaßt, bey dem ſchriftlichen hingegen dem Aufſatz angehaͤn - get25)H. von Truͤtſchler in der Anweiſung zur vorſichtigen und foͤrml. Abfaſſung rechtl. Aufſaͤtze I. Th. 2. Hauptabtheil. 3. Hauptſt. §. 60. Die hierher gehoͤrigen Formulatien findet man in der gedachten Anweiſung S. 350. N. VII. der 2. vermehrten und verbeſſerten Auflage Leipzig 1786.. Hieraus laͤßt ſich nun die Frage leicht entſcheiden, ob die Beſtaͤtigung der Adoption von einem jeden Richter geſchehen koͤnne? oder ob dieſelbe gerade von dem com - petenten Richter geſchehen muͤſſe? Herr Geh. Rath Nettelbladt26)im Verſuch einer Anleitung zu der ganzen practiſchen Rechts - gelahrtheit II. Th. §. 964. S. 497. (nach der dritten ſtark vermehrten Auflage Halle 1784.) behauptet das erſtere. Allein da dieſe Beſtaͤtigung eine Unterſuchung der Sache zum voraus ſetzt, und daher als eine Handlung der gemiſcht willkuͤhr - lichen Gerichtsbarkeit an den competenten Richter gebun - den iſt; ſodann aber auch die deutliche Vorſchrift der Geſetze vorhanden iſt, nach welcher von dem competenten Richter die Beſtaͤtigung erfolgen ſoll27)L. fin. Cod. h. t. Veteres circuitus in adoptionibus, quae per tres emancipationes, et duas manumiſſiones in filiis, aut per unam emancipationem in caeteris liberis fieri ſolebant, cor - rigentes ſive tollentes, cenſemus licere parenti, qui liberos, in poteſtate ſua conſtitutos, in adoptionem dare deſiderat, ſine vetere obſervatione emancipationum et manumiſſionum hoc ipſum actis intervenientibus apud competentem iudi - cem manifeſtare, praeſente eo, qui adoptatur, et non contradicente, nec non eo, qui eum adoptat. In die - ſem Geſetz wird zugleich die alte Feyerlichkeit der Adoption, die durch ſolennen Scheinverkauf und darauf erfolgte Frey - laſſung des Kindes (emancipatio) geſchahe, und von welcher Cicero Orat. pro domo c. 13. ſq. und Gellius Lib. V. Noct. Atticar. c. 19. auch Georg d’arnaud var. coniectu -rar. ; ſo iſt dieMei -325De adoptionibus, emancipationibus etc. Meinung dererjenigen, ſo das letztere behaupten, wohl unſtreitig vorzuziehen28)stryck Uf. Mod. Pand. h. t. §. 5. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 358. Hr. von Truͤtſchler a. a. O. §. 59. Not. a. . Unmittelbare haben daher heutiges Tages ſolche Beſtaͤtigung bey dem Reichskam - mergericht, oder Reichshofrath zu ſuchen. Mittelbare Perſonen hingegen wenden ſich an die Gerichte ihrer Lan - desherrn, unter denen ſie ſtehen. Denen Pfalzgrafen kann jedoch, da hier kein kaiſerliches Reſervatrecht vor - handen, das Recht, Adoptionen mittelbarer Perſonen zu beſtaͤtigen, nicht zugeſtanden werden. Dahero auch die Reichsſtaͤnde die Guͤltigkeit ihrer Beſtaͤtigungen nicht anerkennen29)stryck Uſ. Mod. Pand. h. t. §. 3. Hr. von Truͤtſchler a. a. O. §. 59. S. 305.. Uebrigens fallen heutiges Tages die bey den Roͤmern und Teutſchen in den aͤltern Zeiten uͤblich geweſenen Adoptions-Feyerlichkeiten ganz weg30)Von den ehemaligen Feyerlichkeiten der Adoption bey den Teutſchen handeln heineccius elem. iur. germ. T. I. lib. I. §. 152. Eſtor in der buͤrgerl. Rechtsgelahrtheit der Teut - ſchen Hauptſt. 117. §. 891. Dreyer in Nebenſtunden S. 260..
Die Arrogation hingegen erfordert auſſer der Einwilligung der Intereſſenten, naͤmlich des Arrogiren - den, und desjenigen, welcher arrogiret wird, noch in - ſonderheit die oberherrliche Beſtaͤtigung31)L. 2. pr. D. h. t. . InX 3den27)rar. iuris civ. lib. II. cap. 25. p. 384. nachzuſehen ſind, gaͤnz - lich aufgehoben. Vielleicht hatten den Kaiſer die in den Ge - ſetzen der Pandecten hin und wieder vorkommende, und auf jenen ritus mancipationis ſich beziehende Formeln dazu ver - anlaßt. S. Fr. balduin in Iuſtiniano lib. III. p. 270. 271.3261. Buch. 7. Tit. §. 153.den aͤltern Zeiten der Roͤmer war ſogar die Beyſtimmung des ganzen roͤmiſchen Volks noͤthig, und die Arrogation mußte auf den comitiis curiatis vorgenommen werden. Denn hier galt es das Caput eines freyen Roͤmers, wel - ches ohne Genehmigung des Volks nicht diminuirt, und der Gewalt eines andern unterworfen werden konnte, zumal da die vaͤterliche Gewalt ehemals ein Recht uͤber Leben und Tod der Kinder begriff. Der innige Antheil, welchen der Arrogirte an den ſacris familiae des Arro - gatoris erhielte, machte zugleich die Auctoritaͤt des colle - gii Pontificum nothwendig. Der ganze Act geſchahe durch feyerliche Formeln; wovon Brißonius32)de formulis et ſolennibus Pop. Rom. verbis lib. VIII. n. 36. pag. 701. (edit. Fr. Car. conradi Halae et Lipſiae 1731. fol.) nachzu - ſehen iſt. Nicht nur zu den Zeiten des roͤm. Freyſtaats, ſondern noch unter den Kaiſern geſchahen die Arroga - tionen vor dem Volk. Denn noch Cajus33)Lib II. Inſtitut. Tit. 3. §. 3. beym schultino in Iuris - prud. Antejuſt. pag. 103. Dieſem iſt die L. 2. D. h. t. welche aus caji lib. I. Inſtitutionum entlehnt iſt, nicht entgegen. Denn die Stelle iſt offenbat interpolirt, wie man aus Cajus Inſtitutionen lib. I. Tit. V. §. 1. beym schulting c. l. pag. 42. deutlich ſiehet. Ohne Zweifel hat Tribonian ſtatt populus nach der Jurisprudenz ſeiner Zeiten das Wort princeps ſubſtituirt, wie Abrah. wieling in lection. iuris civ. lib. II. Cap. VII. pag. 108. laͤngſt bemerkt hat. und Ul - pian34)Frag. Tit. VIII. §. 2. 3. 5. gedenken derſelben ausdruͤcklich. Auch Gel - lius35)Noct. Atticar. lib. V. cap. 19., welcher des Cajus Zeitgenoſſe war. Jedoch er - ſchienen ſchon ſeit Cicero’s Zeiten die Curien nicht mehrſelbſt,327De adoptionibus, emancipationibus etc. ſelbſt, ſondern wurden durch 30 Lictoren repraͤſentirt36)Orat. agrar. II. contra Rullum cap. 12. Conf. wieling in lection. iur. civ. lib. I. Cap. III. pag. 12. und lib. II. Cap. VII. pag. 109.. Nach neuern roͤmiſchen Recht wird die Genehmigung des Kaiſers erfordert. Denn durch die Lex Regia erhiel - ten die roͤmiſchen Kaiſer nicht nur die hoͤchſte Gewalt im Staate, die ſonſt in den Haͤnden des Volks war, ſon - dern ſie bekleideten auch das Amt eines Pontifex Maxi - mus. Daher wurde ihre Auctoritaͤt fuͤr hinreichend ge - halten, welche ſie durch Reſcripte zu ertheilen pflegten. Wenn ehe jedoch die ehemalige Arrogatio per popu - lum aufgehoͤret habe, und Principis auctoritas an de - ren Stelle getreten, laͤßt ſich mit vollkommener Gewiß - heit nicht beſtimmen37)Man vergleiche Herm. noordkerk Obſervation. decad. cap. VII. pag. 139. ſqq. Ioan. van de water Obſervat. iur. Rom. lib. III. cap. 16. Abr. wieling lection. iuris civ. lib. II. cap. 7. Herm. cannegieter Obſervat. iur. Rom. lib. II. cap. 19.. Sehr wahrſcheinlich aber iſt es, daß der K. Antoninus Pius zuerſt die Arrogation der Unmuͤndigen und Weibsperſonen durch kaiſerliches Reſcript erlaubt habe38)ulpian Fragm. Tit. VIII. §. 5. beym schulting p. 590. L. 8. §. 15. D. de inoff. teſtam. L. 17. §. 1. ſqq. L. 18. ſqq. L. 32. §. 1. D. de adopt. ; denn beyde konnten ehemals, wie Gellius39)lib. V. cap. 19. bezeugt, vor dem Volk nicht arrogirt werden. Die Kaiſer Diocletian und Maximian40)L. 2. L. 6. L. 8. et 9. Cod. de adoption. aber verordneten endlich, daß Arrogationen uͤberhaupt anderergeſtalt nicht als durch fuͤrſtliches Reſcript geſche - hen ſollten, und eine auf ſolche Art geſchehene Arroga -X 4tion3281. Buch. 7. Tit. §. 153.tion ſollte eben ſo guͤltig ſeyn, ac ſi per populum iure an - tiquo facta eſſet41)L. 2. Cod. h. t. .
Nach heutigen Rechten will man zwar behaupten, daß auch bey Arrogationen des Richters Beſtaͤtigung hinreichend ſey42)schilter Exerc. ad Pand. II. th. 16. lauterbach in Tractat. de voluntaria iurisdictione (Tubingae 1658.) Th. VIII. n. 6. Hr. von Truͤtſchler in der oͤfters angefuͤhrten An - weiſung 1. Th. 2. Hauptabtheil. 3. Hauptſt. §. 59. not. e. S. 305.; allein es laͤſſet ſich nicht erweiſen, daß das roͤmiſche hierin durch ein ausdruͤckliches Geſetz, oder durch einen allgemeinen und unbeſtrittenen Gerichs - gebrauch abgeaͤndert worden ſey. Nach der richtigern Meinung der Rechtsgelehrten43)stryck Uſ. Mod. Pandect. h. t. §. 6. cocceji iure con - trov. h. t. Quaeſt. 2. Nettelbladt pract. Rechtsgelahrt - heit §. 965. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutio - nen §. 150. Eichmann in den Erklaͤr. des buͤrg. Rechts III. Th. S. 351. iſt daher die Einwilli - gung des Oberherrn im Staat zur Guͤltigkeit einer Ar - rogation auch noch heutiges Tages erforderlich. Unmit - telbare des Reichs ſuchen dieſe Beſtaͤtigung beym Kaiſer; Mittelbare aber bey ihrem Landesherrn. Denen Pfalz - grafen kann das Recht Arrogationen zu confirmiren we - nigſtens in den Landen der Reichsſtaͤnde wegen des dar - aus entſtehenden Nachtheils nicht geſtattet werden44)horn lur. Publ. cap. 44. §. 6. gribner in Opuſc. iuris publici T. I. Sect. II. §. 14. pag. 56. püttmann Progr. de poteſtate comit. palatinor. valde reſtricta. .
Unmuͤndige konnten vor den Zeiten des K. Anto - ninus Pius auf keine Weiſe arrogirt werden45)vlpianus Fragm. Tit. VIII. §. 4.. Die Urſache hiervon war, weil die Arrogation ſowohl die per - ſoͤnliche Gegenwart des Anzunehmenden46)L. 24. D. h. t. Neque abſens, neque diſſentiens arrogari poteſt. , als deſſel - ben ausdruͤckliche Willenserklaͤrung zu ihrer Guͤltigkeit erforderte47)gellius lib. V. cap. 19. Adrogantur ii, qui, quum ſui iuris ſunt, in alienam ſeſe poteſtatem tradunt, eiusque rei ipsi auctores fiunt. Der Arrogandus wurde deshalb mit einer gewiſſen Formel von dem Oberprieſter befragt, welche Cicero pro domo cap. 29. anfuͤhrt. Von dieſer und andern bey einer Arrogation ehemals uͤblich geweſenen feyerlichen Fragen und Antworten ſoll auch die Handlung ſelbſt den Na - men Arrogatio erhalten haben, wie aus L. 2. pr. D. h. t. zu erſehen iſt.. Nun konn[t]en Unmuͤndige weder auf den Volks-Comitien erſcheinen, noch eine guͤltige Einwilli - gung ertheilen. Man hielt es auch fuͤr unrecht und ge - faͤhrlich, dem Vormunde eine ſolche Gewalt uͤber ſeinen Pupillen zu geſtatten, daß er, wie Gellius48)a. a. Ort. ſich aus - druͤckt, ein caput liberum, fidei ſuae commiſſum, alie - nae ditioni unterwerfen koͤnne. Jedoch verwechſele man mit Unmuͤndigen nicht Minderjaͤhrige (puberes, mi - nores viginti quinque annis). Dieſe konnten ſchon laͤngſt vor Antoninus Pius arrogirt werden. Denn ſo ſagt Gellius a. a. O. adrogari non poteſt, niſi iam veſticeps, das heißt, wie es Feſtus erklaͤrt, pubertate verſtitus. Es war hierzu in den aͤltern Zeiten nicht einmal dieX 5Ein -3301. Buch. 7. Tit. §. 154.Einwilligung des Curators erforderlich, welches jedoch Divus Claudius mit Recht geaͤndert49)Modeſtin in L. 8. D. h. t. ſagt: Quod, ne curatoris auctoritas intercederet in adrogatione, ante tenuerat, ſub Divo Claudio recte mutatum eſt. Ueber den eigentlichen Sinn und die Interpunction dieſes Geſetzes wird viel geſtritten. Man ſehe nach wieling in lectionib. iuris civ. lib. II. cap. 8. pag. 113., und Juſti - nian nochmals beſtaͤtiget hat50)L. ult. Cod. de auctorit. praeſt..
Allein K. Antoninus Pius51)vlpianus in Fragm. Tit. VIII. §. 4. S. frommann Diſſ. de impuberum arrogatione. Tubing. 1663. und Greg. maiansius Diſputat. T. I. N. 12. erlaubte zuerſt die Arrogationen der Unmuͤndigen durch fuͤrſtliches Reſcript, jedoch nur unter folgenden Einſchraͤnkungen.
1) Soll zuvoͤrderſt unterſucht werden, ob eine an - ſtaͤndige und dem Pupillen vortheilhafte Urſache zur Ar - rogation vorhanden ſey52)§. 3. I. h. t. . Bey dieſer Unterſuchung iſt vorzuͤglich darauf zu ſehen53)L. 17. §. 2. D. h. t. :
a) wie der bisherige Lebenswandel des Arrogirenden beſchaffen geweſen?
b) wie alt der Arrogator ſey, und ob es nicht ſchick - licher und beſſer ſey, daß er ſelbſt heyrathe und Kinder zeuge, als daß er aus einer fremden Familie ein Kind annehme?
c) Wie die Vermoͤgensumſtaͤnde ſowohl des Arro - girenden, als des Pupillen beſchaffen ſind? um aus Ver - gleichung des beyderſeitigen Vermoͤgens zu beurtheilen, ob die Arrogation zum Nutzen des Pupillen gereiche, oderob331De adoptionibus, emancipationibus etc. ob nicht vielmehr der Arrogator nur ſein eigenes In - tereſſe dabey zur Abſicht habe?
2) Sollen die Verwandten des Pupillen mit ihrem Gutachten uͤber die Arrogation gehoͤret werden, und der Vormund des erſtern darein willigen54)L. 2. Cod. eodem. .
3) Soll Arrogator Caution durch Buͤrgen leiſten, daß er, wenn der Pupill waͤhrend der Unmuͤndigkeit ver - ſterben wuͤrde, deſſelben Vermoͤgen denenjenigen zuruͤck - ſtellen wolle, die ſolches geerbt haben wuͤrden, wenn keine Arrogation geſchehen waͤre55)§. 3. I. h. t. L. 18. D. h. t. Dieſe Caution mußte bey den Roͤmern einer oͤffentlichen Perſon, einem Notarius (Ta - bellio) geleiſtet werden. Solche Tabellionen waren anfaͤng - lich ſervi publici, denn es war ein Grundſatz des aͤltern roͤ - miſchen Rechts, daß man nur durch Knechte, Niemand aber durch einen freyen Menſchen Rechte erwerben koͤnne. L. 1. Cod. per quas perſonas nobis acquiritur. Allein die Kaiſer Arcadius und Honorius L. 3. Cod. de tabul. ſcribis - que verordneten, daß kuͤnftig nicht mehr Knechte ſondern freye Perſonen das Amt der Tabellionum verſehen, und auſ - ſerordentlicher weiſe das Recht haben ſollten, fuͤr einem jeden Buͤrger zu ſtipuliren, und demſelben Rechte zu erwerben. S. muretus ad §. 3. Inſtitut. de adopt. Heutiges Tages iſt jedoch nicht mehr noͤthig, daß eine beſondere Perſon dazu genommen werde, welcher das Verſprechen vermittelſt der Buͤrgſchaft geſchiehet. Sondern es braucht nur uͤber die Buͤrgſchaftsleiſtung eine Regiſtratur zu den Acten, welche die Arrogationshandlung enthalten, gemacht zu werden; oder man nimmt den Buͤrgſchein zu den Acten, und macht daruͤber eine Regiſtratur, daß der Ausſteller deſſelben ihn, ſowohl ſeinem Inhalt, als Unterſchrift nach, anerlannt habe. S. Eichmann’s Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Theil, S. 364. folg.. Vermoͤge dieſer Caution erhalten demnach nicht allein die geſetzlichen Er -ben3321. Buch. 7. Tit. §. 154.ben des Pupillen, ſondern auch der von dem leiblichen Vater deſſelben beſtimmte Folgeerbe (Subſtitutus) des Pupillen Verlaſſenſchaft, worauf ſie ſonſt nach dem ſtrengen Recht eigentlich keinen Anſpruch machen koͤnn - ten56)L. 19. pr. D. h. t. His verbis ſatisdationis, quae ab ad - rogatore praeſtari debet: Ad quos en res pertinet, et liber - tatibus proſpectum eſſe, quae ſecundis tabulis datae ſunt, et multo magis ſubſtituto ſervo, item legatariis, nemo dubitat. Nach dem ſtrengen Recht verliehrt eigentlich die Pupillar - Subſtitution ihre Kraft durch die Arrogation, L. 17. §. 1. D. h. t. Allein durch das Rechtsmittel der Caution wird die Erbſchaft des Pupillen dem Folgeerben geſichert. L. 40. D. de vulg. et pup. ſubſtitut. Quemadmodum legitimis heredibus auctoritate Prin - cipali proſpicitur vinculo cautionis, ita ſi forte ſubſtituit na - turalis pater impuberi, ſuccurrendum erit ſubſtituto. Es iſt alſo kein Unterſchied zwiſchen den geſetzlichen Erben des Pu - pillen, und den Subſtituten deſſelben. Daher iſt es falſch, wenn Anton Faber in Iurisprud. Papinian. Tit. X. Prin - cip. I. Illat. 11. pag. 485. ſqq. die oben angefuͤhrte L. 19. h. t. blos auf einen ſubſtitutum ſervum einſchraͤnken, alle andere Pupillar-Subſtituten aber von dieſer Wohlthat der Caution ausſchließen will. Der ganze Zuſammenhang des Geſetzes haͤtte ihn lehren koͤnnen, warum nur des ſubſtituti ſervi vor - zuͤglich gedacht worden, und daß dieſes nicht ausſchließend zu verſtehen ſey. Ganz recht ſagt daher Abraham Wieling in Lectionib. iuris civ. lib. II. cap. 8. S. 116. uͤber die L. 19. h. t. Duplex indicatur cautionis ſenſus: unus directus et pri - marius, ſecundarius alter et per interpretationem a Iuriscon - ſultis adiectus. Priori ſenſu heredes intelliguntur, quibus - cum ſuo iure teſtamenti factio eſt, tum legitimi, tum ſubſti - tuti teſtamentarii. L. 70. §. 1. D. de Verb. Signif. ibique Guil. fornerius: ſenſu vero poſteriori legatarii, aliive a teſtatore honorati; inter quos non ſolum cenſentur ſervi, ſe - cundis tabulis manumiſſi; ſed multo magis qui impuberi a patre ſunt ſubſtituti. Nach dieſer ganz natuͤrlichen und richtigen Erklaͤrung iſt nun auch nicht noͤthig, das Wort ſervo in L. 19. mit.
Es333De adoptionibus, emancipationibus etc.Es verſtehet ſich jedoch, daß der Arrogirte in der Unmuͤndigkeit verſterben muͤſſe, wenn die Wohlthat der Caution von Wirkung ſeyn ſoll57)L. 20. D. h. t. Haec autem ſatisdatio locum habet, ſi impubes deceſſit. . Denn erlebte er die Pubertaͤt, ſo wuͤrde das pupillariſche Teſtament, ſo von dem leiblichen Vater des Pupillen gemacht worden, auf jedem Fall uͤber den Haufen fallen muͤſſen, wenn auch gleich keine Arrogation geſchehen waͤre58)L. 93. D. de legat. 1.. Die - ſem ſtehet auch nicht entgegen; daß der Arrogirte, wenn er gleich die Pubertaͤt erreicht hat, dennoch, ſo lange er in des Arrogators vaͤterlichen Gewalt bleibt, als Filius - familias nicht teſtiren koͤnne. Denn man darf nicht aus der Acht laſſen, daß der Arrogirte nach erlangter Pubertaͤt um ſeine Entlaſſung (Emancipation) anhalten kann59)L. 32. pr. D. adopt. . Thut er nun dieſes nicht, ſondern bleibt gern in der Gewalt ſeines Arrogators, ſo koͤnnen ſich deſſel - ben geſetzmaͤßige Erben uͤber kein Unrecht beſchweren, da ſie es auch nicht haͤtten hindern koͤnnen, wenn der Arro - girte ſich erſt als Pubes haͤtte aufnehmen laſſen60)S. faber in Iurisprud. Papinian. Tit. X. priucip. I. Il - lat. 11. pag. 488. ſq. .
4) Wenn der Arrogator das unmuͤndige Kind ohne rechtmaͤßige Urſache emancipiret, oder im Teſtament ent - erbt, ſo ſoll dem Kinde nicht nur ſein zugebrachtes Ver - moͤgen wieder herausgegeben, ſondern noch uͤberdieß der vierte Theil des Vermoͤgens des Arrogatoris uͤberlaſſenwerden,56)mit Gerh. Noodt in Comment. ad Dig. h. t. auszuſtrei - chen. Man ſehe uͤbrigens nach Ian. a costa in Comment. ad §. 3. I. h. t. u. Weſtphal von Teſtamenten §. 713.3341. Buch. 7. Tit. §. 154.werden, welcher daher die Quarta Divi Pii genennet wird61)§. 3. in fin. I. h. t. L. 2. Cod. eod. L. 8. §. 15. D. de inoff. teſtam. Von dieſer Quarte des D. Pius handeln Ant. faber in Iurisprud. Papinian. Tit. X. Princ. I. Illat. 12. pag. 489 — 502. und Lud. God. madihn in Diſſ. de quarta D. Pii eiusque uſu hodierno. Traj. cis Viadr. 1776.. Dieſe koͤnnen auch die geſetzmaͤßigen Erben des Kindes von den geſetzmaͤßigen Erben des Arrogatoris fordern, wenn das arrogirte Kind nach dem Vater bin - nen den Jahren der Unmuͤndigkeit verſtirbt62)L. 22. pr. D. h. t. . Ja ſelbige gebuͤhret denen Erben des Arrogirten ſogar auch alsdann, wenn gleich derſelbe noch vor dem Arrogator verſtorben waͤre, im Fall naͤmlich das Kind, waͤhrend ſeiner Unmuͤndigkeit, von dem letztern widerrechtlich emancipiret worden ſeyn ſollte63)faber a. a. O. pag. 501. ſagt daher ganz richtig: Quarta D. Pii, licer non aliorum bonorum ſit, quam eorum, quae mortis tempore in adrogatoris hereditate reperientur, tamen iam inde a tempore factae per adrogatorem emancipationis in - iuſtae, ac proinde vivo adhuc adrogatore ipſo debetur, usque adeo ut ſi interim adrogatus decedat, petitionem eius ad he - redem ſuum transmittat. . Die wegen dieſer Quarte zuſtehende Klage iſt nicht die Inofficioſitaͤtskla - ge, ſondern die Condictio ex L. 8. §. 15. D. de inoff. te - ſtamento, oder, wie ſie auch genennt wird, condictio ex conſtitutione Divi Pii64)Schmidt im pract. Lehrbuch von gerichtlichen Klagen, §. 565. ff. S. 269. u. folg.. Dieſelbe wird von dem Arro - girten, oder deſſelben Erben, gegen den Erben des Arro - gatoris, welcher den arrogirten Unmuͤndigen widerrecht - lich emancipirt oder enterbt hat, zu dem Endzweck an - geſtellt, daß Beklagter den dem Klaͤger aus des ver - ſtorbenen Arrogatoris Vermoͤgen gebuͤhrenden viertenTheil335De adoptionibus, emancipationibus etc. Theil65)Von Berechnung dieſer Quarte ſehe man Eſtor’s An - fangsgruͤnde des gemeinen u. Reichsproceſſes III. Th. §. 18. ff. S. 9. u. ff. demſelben mit deſſen eigenen Vermoͤgen, (ſo - fern ſolches noch nicht zuruͤckgeliefert ſeyn ſollte) auszu - haͤndigen, fuͤr ſchuldig erkannt werden moͤge. Haͤtte etwa der Arrogator aus der boͤſen Abſicht, den Arrogir - ten um ſeine Quarte zu bringen, ſein Vermoͤgen durch nachtheilige Veraͤußerungen zu vermindern geſucht, ſo kann das Veraͤußerte, ſo weit Klaͤgern dadurch in dem ihm gebuͤhrenden vierten Theile geſchadet worden, von demjenigen, an welchem die boͤsliche Veraͤußerung ge - ſchehen, mit der actione quaſi Calviſiana oder quaſi Fa - viana wieder zuruͤckgefordert werden66)L. 13. D. Si quid in fraud. patroni factum. S. Schmidt im angef. Lehrbuch §. 570. folgg. S. 297. folg.. Uebrigens darf dieſe Antoniniſche Quarte, wie ſie Frommann67)Diſſ. de quarta Antoniana. Tub. nennt, nicht nach den Grundſaͤtzen, die von dem Pflicht - theile der Notherben gelten, mit welchem dieſelbe ange - ſehene Rechtsgelehrte68)bachov ad Treutlerum Vol. I. Diſp. II. Th. 9. lit. E. Petr. de greve in Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora, Ex - ercit. I. Obſ. 22. S. 21. irrig verwechſelt haben, beur - theilet werden69)Den Unterſchied zwiſchen der Quarte des Divus Pius, und den Pflichttheil der Notherben lehren Ant. faber in Iurisprud. Papinian. pag. 501. Car. Chriſt. zanders in Specim. acad. inaug. exhib. quaeſtiones quasdam iuris civ. Rom. Lugd. Batavor. 1784. Quaeſt. I. u. Lud. Godofr. madihn in Princip. iuris Rom. Part. V. §. IX. pag. 15..
Daß es noch heutiges Tages roͤmiſche Adoptionen gebe, und geben koͤnne, iſt an ſich keinem Zweifel unter - worfen. Denn einmal iſt ihnen kein teutſches Geſetz entge - gen; und dann zweytens kann man auch nicht ſagen, daß die roͤm. Rechtslehre von der Adoption auf Grundſaͤtzen beruhe, die ſelbige in Teutſchland unanwendbar mach - ten70)philippi uſus pract. Inſtitut. Iuſtin. Lib. I. Tit. XI. Eclog. 73.. Vielmehr beweiſen die von ſolchen Adoptionen in den Schriften der practiſchen Rechtsgelehrten vorkom - mende Beyſpiele genugſam den heutigen Gebrauch derſel - ben71)Beyſpiele von Adoptionen unter Privatperſonen haben kulpis de adoptionibus §. VII. I. H. boehmer T. III. P. 2. Reſp. 12. cocceji iure civ. controv. h. t. quaeſt. 9. de cramer Obſ. iur. univ. T. I. Obſ. 26. et T. IV. Obſ. 1235. pufendorf T. III. Obſ. 46. Struben rechtl. Bedenken II. Theil Bed. 62. Eiſenharts Erzaͤhlungen von beſon - dern Rechtshaͤndeln 3. Th. N. 3. stryck Uſ. Mod. Pand. h. t. §. 3. et lib. IV. Tit. V. §. 6. Den Gebrauch der Adop - tion unter Perſonen von hohen und niedern Adel bezeugen Burc. Gotth. struve Iurispr. heroic. P. III. cap. 5. Sect. 1. 2. 3. Joh. Jac. Moſer Familienſtaatsrecht Th. II. Kap. 17. §. 120. und Caſpar Lerch de ordine eq[u]eſtri P. I. n. 12.. Es kann indeſſen nicht gelaͤugnet werden, daß die Faͤlle bey uns in Teutſchland ſo haͤufig nicht ſind, als ſie bey den Roͤmern waren. Denn geſetzlich vorgeſchrie - bene Sorge fuͤr die Erhaltung der ſacrorum familiae privatorum, Strafen kinderloſen Ehen, Streben nach einem plebejiſchen Tribunate, und große Vorrechte der vaͤ - terlichen Gewalt, wodurch die Roͤmer vorzuͤglich zu Adop -tionen337De adoptionibus, emancipationibus etc. tionen gereitzet wurden72)Imm. Gottl. grosseri Diſſ. de praecipuis adoptandi cauſis apud veteres Romanos. Lipſiae 1746., fallen heutiges um ſo mehr weg, da nach dem Juſtinianeiſchen Recht nicht einmal eine jede Adoption die vaͤterliche Gewalt wirkt. Da je - doch Adoptionen in den vorkommenden Faͤllen jederzeit nach den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Rechts zu beurthei - len ſind, wie unſer H. Verf. ganz richtig bemerkt, ſo zweifele ich ſehr, ob Hommel’s73)Rhapſod. quaeſtion. forens. Vol. V. Obſ. 661. n. 5. p. 279. Begriff von der heu - tigen Adoption Beyfall finden moͤchte, wenn er ſagt: mihi adoptio hodierna vix aliud videtur, quam pactum ſucceſſorium ea conditione initum, ut adoptatus nomen adoptantis gerat.
Die teutſche Einkindſchaft (unio prolium) hat zwar in Anſehung ihrer Form und Wirkungen mit der Adoption viel uͤbereinſtimmendes, ſie iſt aber doch noch immer von der letztern ſehr verſchieden74)S. Wilh. Gottl. Tafinger uͤber die Lehre von der Einkindſchaft (Nuͤrnberg 1785. 8.) §. 20 — 25. und §. 32 — 34. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 609. 610. 611., wie zu ſei - ner Zeit umſtaͤndlicher auseinander geſetzt werden wird. (§. 1665.)
Ich bemerke nur noch zum Beſchluß dieſer Lehre, daß der Adoptivname heutiges Tages durch das Wort genannt angedeutet, und dem Familiennamen des Ad - optivkindes beygeſetzt zu werden pflegt, z. B. von Suͤn - derrode genannt von Kellner.
Die vaͤterliche Gewalt kann auf mancherley Art auf - hoͤren75)Ant. faber in Iurisprud. Papinian. Tit. XI. thomasi[s]Diſſ. de uſu practico tituli Inſtitution. quibus modis ius patriae poteſtatis ſolvitur. Halae 1716. de senckenberg Diſſ. iura egreſſus e patria poteſtate rom. et germ. Gieſſae 1743. in eius Semeſtrium Nr. 9.. Sie endiget ſich
1) durch den Tod des Paterfamilias, und zwar dergeſtalt, daß wenn der Vater ſtirbt, die Kinder hierdurch ſui iuris werden. Stirbt aber der Großvater, ſo werden die Enkel anderer Geſtalt nicht ſui iuris, als wenn ihr Vater ſchon vor dem Großvater geſtorben iſt. Denn wenn dieſer noch lebt, und nun erſt durch des Va - ters Tod ſein eigener Herr wird, ſo fallen die Enkel in ihres Vaters Gewalt zuruͤck76)pr. I. quib. mod. ius patr. pot. ſolvit. L. 5. D. de bis qui ſui vel al. iuris ſunt. . Sie wird
2) durch Capitisdeminution (§. 128.) ver - lohren; und zwar a) durch die groͤſſere, welche mit dem Verluſt aller buͤrgerlichen Rechte verbunden iſt; b) durch die geringere, welche durch Arrogation ge - ſchiehet, denn die Kinder des Arrogirten kommen in die vaͤterliche Gewalt des Arrogators (S. 310). Teutſche Leibeigenſchaft und Relegation heben jedoch die vaͤterliche Gewalt nicht auf77)L. 4. D. de interd. et relegat. lauterbach in Colleg. th. pr. Pand. h. t. §. 22. Verſchiedene Rechtsgelehrte machen jedoch in Anſehung der ewigen Landesverweiſung alsdann eine Ausnahme, wenn ſie mit der Fuſtigation ver -bunden. Auch feindliche Gefangenſchaftſetzt339De adoptionibus, emancipationibus etc. ſetzt ſie nur auſſer Activitaͤt, das ius poſtliminii bringt alles wieder in vorigen Stand78)ulpianus Fragm. Tit. X. §. 4. caius Inſtit. lib. I. Tit. 6. §. 2. §. 5. Inſtitut. Iuſtiniani quib. mod. ius p. p. ſol. . Allein Reichsacht wird noch heutiges Tages dem buͤrgerlichen Tode gleich - geachtet79)Cammer-Gerichtsordn. de 1555. P. II. Tit. 9. §. 2.. Die vaͤterliche Gewalt hoͤrt ferner
3) durch freywillige Begebung derſelben auf, welche theils durch Einwilligung in eine vollkommene Adop - tion, (S. 318.) theils durch Emancipation geſchiehet, von welcher §. 157. ff. ein mehreres. Die unvollkom - mene Adoption hebt die vaͤterliche Gewalt nicht auf.
4) Bisweilen befreyen die Geſetze ſelbſt die Kin - der von der vaͤterlichen Gewalt. Die Geſetze haben naͤm - lich verſchiedene Wuͤrden dergeſtalt privilegirt, daß ſie von der vaͤterlichen Gewalt befreyen. Nach roͤmiſchen Rechten gehoͤrt dahin a) die Patriciatwuͤrde. Dieſe Wuͤrde kam erſt unter Conſtantin den Groſen auf, und war denen vornehmſten kaiſerlichen Raͤthen bey Hofe ei - gen80)Octavian. gentilius de patriciorum origine, varietate et iuribus lib. II. cap. I. pag. 143. Mich. Conr. curtius Com - mentar. de Senatu Rom. poſt tempora reipublicae liberae (Ha - lae 1768.) lib. IV. cap. 6. §. 93.. Sie heiſſen daher auch patres imperatoris. Juſtinian81)§. 4. I. quib. mod. ius patr. pot. ſolv. ruͤhmt von ſich, daß er zuerſt durch ſeine Conſtitution82)L. ult. Cod. de Conſulib. Nov. LXXXI. der Patriciatwuͤrde dieſe Praͤrogativ beige -Y 2legt77)bunden iſt. Siehe berger Oecon. iur. lib. I. Tit. III. §. 16. schilter Ex. 3. ad Pand. §. 10. und Io. Tob. richter in ſelect. iur. princip. Diſſ. II. §. 8.3401. Buch. 7. Tit. §. 156.legt habe, daß ſie von der vaͤterlichen Gewalt befreyet. Jedoch macht das Zeugniß des Caſſiodorus83)Variar. epiſt. lib. VI. 2. wo die Worte vorkommen: quod leges illis (Patriciis) tantam reverentiam detulerunt, ut in ſacris poſitus, cum hoc fuerit honore praecinctus, paternae poteſtatis nexibus exuatur. , welcher ſchon vor Juſtinian unter den gothiſchen Koͤnigen Theo - dorich und Atalarich lebte, die Sache etwas zweifelhaft84)Bern. Henr. reinoldus Varior. cap. 19. in Opuſcul. iurid. a iuglero editis pag. 146 — 151. ſucht Juſtinian und Caſſiodor mit einander zu vereinigen..
b) Das Conſulat; c) die praͤtorianiſche Praͤfektur; d) die Praefektur uͤber die Stadt; e) das Feldmarſchallamt (magiſterium militum); f) die Biſchofswuͤrde; g) das Fiſcalat (patrocinium fis - ci), und uͤberhaupt alle Wuͤrden ſollten jenes Privilegium mit ſich fuͤhren, welche von der Verbindlichkeit, Decurio zu werden, befreyeten85)Hiervon iſt L. ult. Cod. de decurionib. nachzuſehen.. Von verſchiedenen dieſer Wuͤr - den wird in eigenen Titeln der Pandekten gehandelt, wovon zu ſeiner Zeit ein mehreres. Man behauptet, daß heutiges Tages die Stelle eines Ober-Officirs86)Io. Balth. L. B. a wernher Obſervat. ſelect. forens. Tom. III. Part. II. Obſ 344. Allein richter cit. loc. §. XI. verwirft dieſe Meinung., ferner die Wuͤrde eines Reichs-Cammergerichts-Beyſitzers, ei - nes Reichs-Hofraths, eines Landesherrlichen geheimen Raths und andere dieſen aͤhnliche Chargen87)berlich Concluſ. pract. Part. II. Concluſ. XI. n. 13. hof - acker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 616. Inſon - derheit geben Siegel im Fuͤrſichtigen Wechſelglaͤubiger Kap. II. §. 15. S. 46. und Io. Tob. richter in ſelect. iuris princip. Diſſ. keineswegesaber341De adoptionibus, emancipationibus etc. aber der geiſtliche Stand88)lauterbach Colleg. pr. Pandect. h. t. §. XXVII. auch nicht die Doktorwuͤrde89)lauterbach c. l. §. 26. harpprecht in Comm. ad In - ſtitut tit. quib. mod. ius p. p. ſolvit. §. 4. kaestner Progr. an doctoralis dignitas liberet a patria poteſtate? Lipſiae 1723. von der vaͤterlichen Gewalt befreyen. Allein mir ſcheint diejenige Meinung die richtigſte zu ſeyn90)de selchow in Element. iuris germ. privati hod. §. 500. not. 3. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 163. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th. S. 388. und L. G. madihn Princip. I. Rom. P. V. §. 20., welche an - nimmt, daß heutiges Tages Wuͤrden und Aemter an ſich von der vaͤterlichen Gewalt nicht befreyen, ſondern nur eine Veranlaſſung dazu geben koͤnnen, wenn naͤmlich der Sohn, welcher ein oͤffentliches Amt erhalten, ſich von dem Vater trennt, und ſeine eigene Haushaltung anſtellt. Es iſt daher unnuͤtz zu unterſuchen, welche heutiges Ta - ges uͤbliche Wuͤrden und Aemter mit denenjenigen, welchen Juſtinian jene mehr gedachte Praͤrogativ beygelegt hatte, zu vergleichen ſeyen?
5) Werde, ſagt unſer Verf., die vaͤterliche Gewalt durch eine ſogenannte Uſurpation verlohren. Allein dies laͤßt ſich mit den Begrif einer Urſurpation nicht ver - einbaren. Uſurpation91)In der Lehre von der Uſucapion hat das Wort usur - patio eine andere Bedeutung, wie Paulus L. 2. D. de uſurpat. et uſucapionib. lehrt. iſt, wie ich mir ſelbige vor - ſtelle, die Anmaſſung und Ausuͤbung eines dem andernY 3zuſtehen -87)Diſſ. 2. §. 9. die Regel: Eine jede heutige Wuͤrde, die mit denjenigen Dignitaͤten, ſo nach dem roͤm. Rechte von vaͤter - licher Gewalt befreyen, uͤbereinkommt und damit verglichen werden kann, habe auch noch heutiges Tages die naͤmliche Wirkung.3421. Buch. 7. Tit. §. 156.zuſtehenden Rechts, ſo dieſer entweder aus Unwiſſenheit, oder, weil er es ſonſt fuͤr gut findet, geſchehen laͤſſet92)H. Geh. Rath. Nettelbladt in Syſtem. elem. iurisprud. poſitivae Germ. comm. generalis §. 473. ſagt: usurpatio eſt iuris alieni ſeu nobis non competentis exercitium. . Von einer ſolchen iſt nun in denen, in der Note d von unſern Verf. angefuͤhrten, Geſetzſtellen93)L. 25. princ. D. h. t. L. 1. Cod. de patr. poteſt. eigentlich die Rede nicht. Dieſe enthalten ſolche Faͤlle, da das Kind ſich als ein homo ſui iuris ohne Widerſpruch des Va - ters aufgefuͤhret hatte, und der Vater eben deswegen, weil er dieſes eine geraume Zeit geſchehen laſſen, oh - ne die Rechte der vaͤterlichen Gewalt in Ausuͤbung zu bringen, ſeines Rechts fuͤr verluſtig erklaͤrt wird. Man ſetze alſo die Tochter oder der Sohn fordere ſein Vermoͤ - gen vom Vater, und unternehme deſſelben Adminiſtra - tion ſelbſt, oder laſſe ſich einen Vormund beſtellen, und der Vater ſchweige zu dem allen eine lange Zeit ſtill, ohne ſich jemahlen ſeiner Rechte zu bedienen, ſo hat der Va - ter durch Nichtgebrauch die vaͤterliche Gewalt ver - lohren, eben ſo gut, als wenn er das Kind emancipi - ret haͤtte, und kann nach dem Tode deſſelben das von dem Kinde hinterlaſſene Teſtament nicht anfechten94)Ant. faber in Rational. in Pand. ad L. 25. D. h. t. stry[k]Diſſ. de non uſu iuris quaeſiti Cap. II. n. 37.. So wie jedoch, wenn ein Recht durch den Nichtgebrauch verlohren werden ſoll, zweyerley erfordert wird; 1) der Verlauf einer gewiſſen Zeit, und 2) die unge - hinderte Gelegenheit, ſich binnen dieſer Zeit ſeines Rechts zu bedienen95)stryr cit. Diſſert. Cap. III. ; ſo iſt auch beydes noͤthig, wenn das Recht der vaͤterlichen Gewalt durch den Nichtgebrauch erloͤſchen ſoll. Das Erforderniß der Zeitiſt343De adoptionibus, emancipationibus etc. iſt jedoch in den Geſetzen deutlich nicht beſtimmt, denn die L 1. Cod. de patr. pot. ſagt nur: cum diu paſſusſis etc. welches die Gloße von einer Zeit von zehen oder zwan - zig Jahren verſtehet96)Arg. L. 16. §. 3. D Qui et a quibus manumiſſi etc. brun - nemann in Commentar. ad L. 1. C. de patr. pot. . Hieraus folgt weiter, daß wenn die Ausuͤbung der vaͤterlichen Gewalt durch Abwe - ſenheit, oder Wahnſinn des Vaters gehindert wird, in ſolchem Fall der Nichtgebrauch keinen Verluſt derſelben nach ſich ziehen koͤnne97)voet in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 12. et 13..
6) Wird auch die vaͤterliche Gewalt zur Strafe verlohren, wegen ſolcher unerlaubter Handlungen des Vaters, wodurch er ſich der vaͤterlichen Gewalt unwuͤr - dig gemacht hat. Hierher gehoͤrt,
a) wenn er die Toͤchter zwingen will, ſich, als Huren, an - dern Preiß zu geben98)L. 6. C. de ſpectac. L. 12. Cod. de epiſcop. aud. . Der Vater macht ſich hierdurch eines lenocinii qualificati ſchuldig, welches nach Vorſchrift der peinl. Gerichtsordnung Carls V.99)Art. 122. mit der Ehrloſigkeit, heutiges Tages aber mit drey - bis vierjaͤhriger oͤffentli - cher Arbeit beſtraft wird100)S. Dorn im practiſchen Commentar uͤber das peinliche Recht §. 217. S. 668. f..
b) Wenn er die Kinder ausſetzt1)L. 2. C. de infant. expoſit. Nov. CLIII. cap. 1..
c) Wenn er zu einer zweyten Ehe ſchreitet, und dieſe blutſchaͤnderiſch iſt2)Nov. XII. cap. 2.. In dieſem Fall ſoll ſogarY 4der3441. Buch. 7. Tit. §. 156.der Vater ſein Vermoͤgen verlieren, und ſolches an die Kinder verfallen ſeyn, welche jedoch dem Vater den noth - duͤrftigen Unterhalt daraus nicht verſagen duͤrfen; Nam licet legum contemptor et impius ſit, tamen pater eſt, ſagt Ju - ſtinian.
Ich fuͤge nun noch folgendes hinzu.
a) Die Enterbung der Kinder hebt die vaͤ - terliche Gewalt nicht auf; daher kann der Vater auch denen enterbten Kindern einen Vormund im Teſtament ernennen, und ihnen pupillariſch ſubſtituiren3)L. 4. pr. L. 26. §. 2. et L. 31. D. de teſtam. tutela. L. 1. §. 2. L. 10. §. 5. D. de vulg. et pup. ſubſtit. . Auch endiget
b) die Ehe der Soͤhne und Toͤchter nach roͤm. Recht die vaͤterliche Gewalt nicht. In Anſehung der Soͤhne iſt die Sache auſſer allen Streit, daß ſie durch ihre Verheyrathung nicht von der vaͤterlichen Gewalt be - freyet worden ſind4)§. 9. I. quib. mod. ius pat. pot. ſolv. . Die Frau, welche einen Filius - familias heyrathete, kam durch die Ehe zugleich in die Gewalt ihres Schwiegervaters, und wurde ſua heres von demſelben5)ulpianus in Fragm. Tit. XXII. §. 14. caius in Collat. legum Moſaicar. et Rom. Tit. XVI. §. 2. gellius Noct. Atticar. Lib. XVIII. cap. 6.. Allein in Anſehung der Toͤchter wird daruͤber geſtritten6)Georg. d’arnaud variar. coniectur. iuris civ. lib. I. cap. 29.. Der Streit iſt jedoch leicht zu ent - ſcheiden, wenn man einen Unterſchied macht, ob die Ehe auf die alte feyerliche Art geſchloſſen worden, wodurch die Frau in manum mariti kam, oder nicht. Im er - ſten Fall gieng die Tochter aus der Familie und Ge -walt345De adoptionibus, emancipationibus etc. walt ihres Vaters. Dieſes beſtaͤtiget Ulpian7)in Fragm. Tit. XI. §. 13. deut - lich, wenn er ſagt, die Frau leide per in manum con - ventionem eine capitis deminutionem minimam, und aͤndere ſtatum familiae paternae; und Cajus8)Inſtitut. Lib. II. Tit. 8. princip. et in Collat. LL. Moſaic. et Rom. Tit. XVI. §. 2. ſagt: uxor, quae in manu mariti eſt, ei ſua heres eſt, quia fi - liae loco eſt. Allein im zweyten Fall wurde durch die Ehe der Tochter die vaͤterliche Gewalt nicht aufgeho - ben9)pufendorf Obſervat. iur. univ. Tom. I. Obſ. 99. voet ad Dig. h. t. §. 13., ſondern nur, ſo lange die Ehe dauerte, ſuſpen - dirt. Sie wachte wieder auf, ſobald die Ehe getrennt worden10)Lud. God. madihn Princip. iur. Rom. P. V. §. 20.. Dies hatte ſehr wichtige Folgen, denn uͤber - lebte die Tochter den Vater, ſo beerbte ſie ihn, und ſtarb ſie vor ihm, ſo fiel die dos profectitia derſelben an den Vater zuruͤck11)L. 6. pr. D. de iur. dot. L. 2. §. 1. D. ſolut. matrim. L. 4. Cod. eodem. Struben rechtl. Bedenken 3. Th. N. XIX. . Wurde die Tochter waͤhrender Ehe von Jemanden beſchimpft, ſo konnte der Vater deshalb ſo gut, als der Ehemann, eine Injurienklage anſtellen12)L. 1. §. ult. D. de iniur. . Ja, war die Tochter Witwe, und noch nicht 25 Jahre alt; ſo konnte ſie, wenn ſie auch die Freyheit der Eman - cipation genoß, dennoch ohne Einwilligung des Vaters zur zweyten Ehe nicht ſchreiten13)L. 18. Cod. de nupt. . Daß die Verhey - rathung der Soͤhne, ſofern ſie nicht zugleich von dem Vater ſcheiden, und eine eigene Haushaltung anſtellen, die vaͤterliche Gewalt heutiges Tages nicht endige, iſt ei -Y 5ne3461. Buch. 7. Tit. §. 156. u. 157.ne von allen Rechtsgelehrten anerkannte Wahrheit14)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 163. S. 164.. Ob aber die Toͤchter durch Verehelichung nach heutigen Rech - ten aus der vaͤterlichen Gewalt gehen, iſt eine Frage, die zwar von einigen verneinet15)madihn a. a. O., von den meiſten heutigen Rechtsgelehrten aber bejahet wird16)voet in Comm. ad Pandect. h. t. §. 13. und pufendorf T. I. Obſ. 99. §. 8 — 10. ibique allegati. . Ein mehreres hiervon wird beym 161. §. vorkommen.
Hauptſaͤchlich wurde jedoch die vaͤterliche Gewalt bey den Roͤmern durch die Emancipation17)Ger. scheltingae Diſſertat. duae de emancipationibus. Franequerae 1730. 1731. in fellenberg iurisprud. antiqua T. II. n. 18. pag. 461. ſqq. Io. Caſp. heimburg difficillima emancipationis romanae et germanicae capita. Ienae 1742. 4. geendi - get. Man verſtehet aber unter dieſer Emancipation diejenige buͤrgerliche Rechtshandlung, da - durch Kinder, und zwar der Regel nach mit ihrer Einwilligung, durch die ausdruͤckliche und geſetzmaͤſige Erklaͤrung des Vaters aus deſſelben Gewalt entlaſſen werden. Das Wort kommt von mancipium her, quaſi e mancipio da - tio. Mancipium aber hieß ſoviel als Eigenthum18)brissonius de Verb. Signif. v. mancipium. , insbeſondere aber das eigentliche buͤrgerliche Ei - genthum, dominium quiritarium19)Ant. schulting in Iurisprud. Antejuſtin. pag. 619. not. 2.. Ein ſolcheserfor -347De adoptionibus, emancipationibus etc. erforderte einen feyerlichen Act, wodurch das quiritari - ſche Eigenthum auf einen andern Buͤrger uͤbertragen wurde; und dieſe Handlung wurde mancipatio ge - nennt, quaſi rei, quam alter manu capit, traditio, wie es Iſidor20)Lib. V. Originum cap. 25. — Mancipatio dicta eſt, quia res manu capitur. erklaͤrt. Nach dieſer urſpruͤnglichen Be - deutung des Worts wird zwiſchen mancipatio und eman - cipatio kein Unterſchied gemacht. Denn wenn Juſti - nian ſagt21)§. 1. I. de teſtam. ordin. , daß in den aͤltern Zeiten die Teſtamente per emancipationem waͤren errichtet worden, ſo druͤckt Gellius22)Noct. Attic. lib. XV. cap. 27. dieſes aus, per mancipationem. Zu be - bemerken iſt jedoch, daß das Wort mancipatio nur ei - gentlich die Idee eines Verkaufs ausdruͤckte, aber nicht die Bedeutung einer Befreyung aus eines andern Ge - walt hatte. Daher iſt es gekommen, daß die ſolenne Ent - laſſung der Kinder aus der vaͤterlichen Gewalt nie man - cipatio, ſondern allemal emancipatio genennet wird. Und Ulpian23)Fragm. Tit. X. §. 1. unterſcheidet eben darum mancipari und emancipari ſehr accurat, wenn er ſagt: Liberi paren - tum poteſtate liberantur emancipatione, id eſt, ſi po - ſteaquam mancipati fuerint, manumiſſi ſint. Schon aus der Etymologie des Worts erhellet alſo, daß a) ei - ne ausdruͤckliche Erklaͤrung des Vaters zur Eman - cipation erfordert werde. Noch mehr aber beſtaͤtigen uns hierin die Kaiſer Diocletian und Maximian24)L. 3. Cod. de emancipat. wenn ſie ſagen: Non nudo conſenſu patria liberi poteſtate, ſed actu ſolenni uel caſu liberantur: nec cauſae, quibus motuspater3481. Buch. 7. Tit. §. 157.pater emancipavit filium, ſed actus ſolemnitas quaeritur Daher irren diejenigen25)leyser Specim. XXI. med. 2. et CLXIV. med. 5. Georg. Frid. krause Different. emancipationis tacitae romanae et germ. Vitemb. 1759. Car. Frid. walch Introd. in controv. iuris civ. Sect. I. Cap. II. Membr. 2. §. 17. ſehr, welche eine ſtill - ſchweigende Emancipation annehmen26)Sie berufen ſich hauptſaͤchlich auf die L. 25. D. h. t. und L. 1. C. de patr. pot. Allein das erſte Geſetz kann auch eben ſo gut von einer ausdruͤcklichen Emancipation ver - ſtanden werden, welche der Vater nach dem Tode der Tochter unter dem Vorwande anfechten wollte, als ob ſie nicht auf die geſetzliche Weiſe, und in Gegenwart von Zeugen geſchehen ſey. Dieſe Klage ſoll nach dem Tode der Tochter nicht mehr ſtatt finden. Billig, quia ſibi debet imputare (pater), wie Ant. faber in Rational. ad h. L. 25. ſagt, cur non moverit eam quaeſtionem filiae viventi, quae et cauſam ſuam tueri potuiſſet melius, et victa quoque extorquere a patre perpe - tuis obſequiis aliam iuſtamque emancipationem. Nach dem an - dern Geſetz aber ſoll ein Vater, welcher es geſchehen laſſen, daß ſein Sohn ſich lange Zeit als Paterfamilias aufge - fuͤhret, mit der Praͤjudicialklage de patria poteſtate gegen den Sohn nicht mehr gehoͤret werden. Warum? weil die Klage alsdenn verjaͤhrt iſt. Alſo nicht der ſtillſchweigende Wille des Vaters iſt hier die Urſache von Befreyung des Sohns aus der vaͤterlichen Gewalt. S. Eichmann Erklaͤrungen III. Th. S. 389. ff. heimburg cit. Diſſ. §. VII — IX. , wie der ſel Canzler Boͤhmer27)Diſſ. de ſtatu liberorum ſui iuris factorum per ſeparationem vel nuptias Cap. II. §. 15. in Exercitat. ad Pandect. T. I. pag 944. und Diederich von Kuy - ven28)Diſſ. de emancipatione tacita, Romanis incognita. Groe - ningae 1781. gruͤndlich gezeigt haben. b) Muß die vaͤterliche Willenserklaͤrung auch auf eine geſetzmaͤſige Art geſchehen. Daher iſt die Emancipation in Ruͤckſicht ih -rer349De adoptionibus, emancipationibus etc. rer Form von dreyerley Art iſt, naͤmlich die alte, die Anaſtaſianiſche und Juſtinianeiſche.
Die alte Emancipation geſchahe durch feyerlichen Verkauf, und darauf erfolgte Freylaſſung des Kindes. Bey Soͤhnen mußte dieß aber dreymal wiederholt wer - den; andere Kinder, naͤmlich Toͤchter und Enkel, wur - den ſchon durch eine einzige Mancipation und darauf fol - gende Manumiſſion ſui iuris29)ulpian Fragm. tit. X. §. 1. caius Inſtitut. lib. I. Tit. 6. §. 3. . Daß anfaͤnglich jener feyerliche Verkauf ein wahrer, kein Scheinhandel gewe - ſen, haben Oiſelius30)ad caji Inſtitut. lib. I. Tit. 6. §. 3. not. 33. beym schul - ting in Iurispr. Antej. pag. 54. und Scheltinga31)Diſſ. I. de emancipationibus Cap. II. §. 1 — 12. ſehr wahr - ſcheinlich gemacht. Es ſind auch die bekannten Worte jenes Decemviralgeſetzes: Si pater filium ter venumduit, filius a patre liber eſto: unſtreitig noch von einem wirk - lichen Verkauf der Kinder zu verſtehen, wie gegen die Zweifel des Hieron. Aleanders32)ad Caji Inſtitut. lib. I. Tit. VI. §. 3. not. 42. bey schul - ting a. a. O. pag. 56., und Jacob Go - thofred’s33)in Notis ad LL XII. Tabb. Tab. IV. , von Anton Schulting34)ad ulpiani loc. cit. in Iurispr. Antejuſt. pag. 592. not. 5. gruͤndlich iſt erwieſen worden. Allein durch die Auctoritaͤt und Aus - legung der roͤmiſchen Rechtsgelehrten wurde der vorma - lige wirkliche Verkauf in einen erdichteten verwandelt -Die3501. Buch. 7. Tit. §. 158.Die Feyerlichkeit dieſes Acts beſtund nun darin35)cajus Inſtitut. lib. I. Tit. VI. §. 3. aleander ad Ca - jum not. 34. theophilus ad §. 6. I. quib. mod. ius pat. pot. ſolvitur. Barn. brissonius ſelect. ex iure civ. anti - quitat. lib. I. c. 7. beſonders wernher ſelect. Obſervat. fo - renſ. Tom. III. P. I. Obſ. 13. n. 61. ff.. Der Vater verkaufte zum Schein ſeinen Sohn vor der Obrig - keit an einem Buͤrger in Gegenwart einiger Zeugen, deren weniger nicht, als fuͤnf ſeyn durften, auch roͤmiſche Buͤr - ger und alle mannbar ſeyn mußten. Die Formel war: mancupo tibi hunc filium, qui meus eſt. Der Kaͤufer er - grif hierauf den Sohn bey der Hand, zeigte dem Vater deſſelben eine Muͤnze vor, die ohngefaͤhr ein Seſterz ſeyn mochte, und ſprach: hunc ego hominem ex iure Quiritium meum eſſe aio, isque mihi emtus eſt hoc aere aeneaque libra. Nun warf er die Muͤnze in eine Waagſchale, welche eine beſondere Perſon in die Hoͤhe hielt, die hiervon Libripens genennet wurde. Denn ſchon die Geſetze der zwoͤlf Tafeln36)Tab. VI. Res vendita transque data emtori non acquiritor, donicum ſatisfactum eſcit. verordneten, daß der Kaͤufer das Eigen - thum der ihm verkauften, und uͤbergebenen Sache eher nicht erwerben ſolle, als bis er den Verkaͤufer befriediget haͤtte. Nach Empfang des Nummus, der den Kauf - ſchilling vorſtellete, uͤbergab der Vater den Sohn noch - mals an den Kaͤufer, und nun erſt erlangte letzterer ein quiritariſches Eigenthum durch den Spruch des Praͤtors. Des Anteſtatus habe ich bey dieſer Handlung mit Fleiß keine Erwaͤhnung gethan, weil es noch ungewiß iſt, ob derſelbe eine beſondere Perſon vorgeſtellet habe, oder ob er nicht vielmehr mit dem Kaͤufer des Sohnes der naͤmliche geweſen ſey, wie ich mit Auguſtin37)ad LL. XII. Tabb. cap. 52.,Cujaz351De adoptionibus, emancipationibus etc. Cujaz38)Obſervat. lib. VII. cap. 16. und Oiſelius39)in notis ad caji loc. cit. not. 47. penes schulting c. l. pag. 58. welcher letzterer uͤbrigens dieſer Meinung gleichfalls beyſtimmt. aus denen von Chriſtian Wilhelm Kuͤſtner40)in Progr. de anteſtato in mancipationibus. Lipſiae 1742. Allein man vergleiche hierbey, was wernher cit. loco. n. 192. ff. pag. 31. dagegen einwendet, der fuͤr die gemeine Meinung ſtreitet. angefuͤhrten Gruͤnden, jetzt eher glauben moͤchte, als wenn man ihm die laͤcherliche Rolle ſpielen laͤßt, daß er bey der Handlung jedem Zeugen ins Ohr gezwickt, und dabey die Worte ausgeſprochen: me - mento, quod tu in illa cauſa teſtis eris. Doch wieder zur Hauptſache. Der Kaͤufer manumittirte hierauf den Sohn, ſo wie man einen Sclaven freyließ, und der Sohn fiel in des Vaters Gewalt zuruͤck. Dieſer feyer - liche Hokusbokus mußte nun bey Soͤhnen dreymal wie - derholt werden, ehe ſie ſui iuris wurden. Daß jedoch die drey Mancipationen und Manumiſſionen hinter ein - ander und zu einer Zeit erfolgen mußten, war nicht er - forderlich41)paulus lib. II. Receptar. Sentent. Tit. XXV. §. 2.. Daher konnte der Sohn, der nach der erſten oder andern Mancipation von dem Kaͤufer war manumittiret worden, das unterdeſſen errichtete Teſta - ment ſeines Vaters durch die Ruͤckkehr in deſſelben Ge - walt rumpiren42)ulpianus Frag. Tit. XXIII. §. 3.. Merkwuͤrdig iſt es jedoch, daß dem dritten Verkauf ein gewiſſer Vertrag (pactum fiduciae) angehaͤngt wurde, wodurch ſich der Vater vom Kaͤufer auf Treu und Ehrlichkeit verſprechen ließ, daß er ihm den Sohn remancipiren, d. i. ihn jetzt nicht frey -laſſen,3521. Buch. 7. Tit. §. 158.laſſen, ſondern dem Vater wieder verkaufen wollte43)Franc. Car. conradi Diſſ. I. et II. de pacto fiduciae. Helmſt. 1732. et 1733.. Die Formel hiervon war: Ego vero hunc filium meum tibi mancupo, ea conditione, ut mihi remancupes, ut inter bonos bene agier oportet, ne propter te tuamve fidem frau - der. Hiervon bekam der Kaͤufer des Sohns den Namen pater fiduciarius. Die Abſicht dieſes Vertrags war, da - mit der Vater ſelbſt das Patronatrecht erhielte, und ver - moͤge deſſelben ſeinen Sohn beerben konnte. Vermoͤge dieſes Vertrags manumittirte nun alſo der Vater ſeinen Sohn ſelbſt, wobey er ſich einer Ruthe (vindicta) be - diente, wie bey der Manumiſſion der Sclaven gewoͤhn - lich war. So ward der Sohn ſui iuris, der Vater aber deſſelben Patron, obwohl er nicht in allen Stuͤcken wie der Patron eines ehemaligen Sclaven angeſehen wurde44)gaius lib. XV. ad Edictum provinciale ſagt nach L. 2. D. Si a parente quis manumiſſus ſit folgendes hieruͤber: Non usque adeo exaequandus eſt patrono parens, ut etiam Faviana aut Calviſiana actio ei detur: quia iniquum eſt, ingenuis ho - minibus non eſſe liberam rerum ſuarum alienationem. Man vergleiche hierbey Ant. faber in Iurispr. Papinian. Tit. XI. Pr. X. Illat. 4..
Die Wirkung dieſer alten Emancipation war, daß die Kinder dadurch in eine Art von Sclaverey geriethen, die zwar nur erdichtet, (cauſa ſervilis imaginaria) aber doch mit nachtheiligen Folgen fuͤr die Kinder verknuͤpft war. Denn ſie hob die Familien - und Agnationsrechte auf45)L. 3. §. 1. D. de capite minut. L. ult. Cod. de adopt. ; und die von dem Emancipirten gezeugte Enkel, die bey deſſelben Emancipirung in des Großvaters Ge - walt geblieben, fielen nach dem Tode deſſelben nicht indes353De adoptionibus, emancipationibus etc. des emancipirten Sohnes vaͤterliche Gewalt zuruͤck46)Princ. I. quib. mod ius patr. pot. ſolv. . Da nun der Verluſt der Familienrechte capitis deminutio minima genennt wird, ſo war alſo auch dieſe eine Folge der alten Emancipation. Ein emancipirtes Kind wurde demnach nicht mehr als ein Mitglied der Familie, (S. 174.) als ein Agnat angeſehen, und beerbte daher weder ſei - nen Vater noch jemand aus der Familie nach dem civil Recht47)faber cit. loco Princip. X. Illat. 1 — 3.. Auch die Obligationes ſtricti iuris, welche aus einem feyerlichen Verſprechen oder Formularcontract entſtanden, wurden durch die alte Emancipation zernich - tet, daher die Glaͤubiger des Emancipirten die Wiederein - ſetzung in den vorigen Stand beym Praͤtor ſuchen muß - ten, wovon lib. IV. Tit. V. de capite minutis handelt.
Kaiſer Anaſtaſius ſchafte die alte Emancipation nicht ab, ſondern erfand daneben nur einen andern Weg der Loslafſung. Der Vater konnte von nun an ſich an den Kaiſer wenden, und von dieſem durch ein Reſcript die Emancipation erlangen, welches Reſcript dann bey der competenten Obrigkeit inſinuiret wurde. Aus der Conſti - tution dieſes Kaiſers, welche Juſtinian ſeinem Codex ein - verleiben laſſen48)L. 5. Cod. de emancipat. liberor. Die hierher gehoͤrigen Worte ſind: Iubemus licere parentibus, id eſt, patri, avo pa - terno, — ſi liberos, quos habent in poteſtate propria, — per emancipationem, vel abſentes et peregre degentes, vel in iisdem locis ſeu regionibus vel civitatibus commorantes, inidi -, moͤchte man beynahe ſchlieſſen, daßAna -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Z3541. Buch. 7. Tit. §. 159.Anaſtaſius dieſe neue Art der Entlaſſung nur zum Be - ſten abweſender Kinder erfunden habe, mithin dieſelbe in dem Fall, wenn die Kinder in Perſon vor Gericht er - ſcheinen koͤnnten, nicht habe verſtatten wollen. Allein ſo iſt es nicht; ſondern Anaſtaſius hatte ſchon vor je - ner Conſtitution eine andere Verordnung, die zwar im Codex rep. praelect. nicht befindlich iſt, aber von dem Kaiſer ſelbſt verſchiedenemal in andern ſeiner Conſti - tutionen angefuͤhret wird49)L. 18. Cod. de Collationib. L. 11. Cod. de legitim. heredit. beyde Conſtitutionen, in welchen Anaſtaſius ſchon der von ihm eingefuͤhrten Emancipation durch fuͤrſtliches Reſcript Er - waͤhnung thut, ſind aͤlter, als die L. 5. Cod. de emancipat. liberor. wie die Subſcription dieſer Verordnungen zeigt., bekannt gemacht, in wel - cher er einem jeden Vater die Erlaubniß ertheilte, die Emancipation ſeiner Kinder durch ein fuͤrſtliches Reſcript zu bewirken, nur ſollte das Reſcript dem competenten Richter vorgezeigt, und dabey zugleich der zu emancipirenden Kinder Einwilligung zu denen Acten erklaͤret werden. Weil nun nach derſelben das zu eman - cipirende Kind bey der Emancipations-Handlung noth - wendig in Perſon vor Gericht hat gegenwaͤrtig ſeyn muͤſ - ſen, ſo hat Anaſtaſius in der Folge durch die L. 5. C. emancipat. liberor50)Auf dieſe oder vielleicht auf beyde zugleich beziehet ſich Ju - ſtinian in L. 13. Cod. de legit. hered. et L. ult. C. de emancipat. lib. auch fuͤr Abweſende den Weg erfun - den, daß ſie erſt nachher vor einem andern Gericht ihre Einwilligung ertheilen koͤnnten51)Man vergleiche scheltinga Diſſ. I. de emancipationib Cap. IV. §. 1.. Vermoͤge dieſer andernAna -48)iudicio vero non praeſentes, iuris ſui conſtituere maluerint: ſupplicationibus porrectis mereri ſuper hoc divinum oracu - lum: hocque apud competentem iudicem, ad cuius iurisdictio - nem actus emancipationis pertinet, inſinuare, ſuperque pre - cibus a ſemet oblatis apud eum deponere. 355De adoptionibus, emancipationibus etc. Anaſtaſianiſchen Verordnung koͤnnen daher ſogar eigentlich ſogenannte Kinder, die noch nicht rechtsguͤltig conſenti - ren koͤnnen, dennoch durch fuͤrſtliches Reſcript ſui iuris werden52)In der Conſtitution der L. 5. C. de emancipat. heißt es am Schluß: niſi infantes ſint, qui et ſine conſenſu etiam hoc mo - do ſui iuris efficiuntur. , weil zu vermuthen, daß der Oberherr nicht anders die Emancipation geſchehen laſſen wird, als wenn er ſie fuͤr das Kind zutraͤglich findet.
Dieſe Anaſtaſianiſche Emancipation hatte nun uͤbrigens gleiche Wirkungen mit der alten, nur darin war ſie von der letztern verſchieden, daß ein Kind, wel - ches auf die Anaſtaſianiſche Art war emancipiret worden, das Succeßionsrecht in dem Vermoͤgen ſeiner Geſchwi - ſier behielt, welche in der vaͤterlichen Gewalt geblieben waren53)L. 4. C. de legitim, tutela, L. 15. §. 1. Cod. de legitim. hered. . Auch konnte der Vater in ſeiner Supplic ſich[’]s erbitten, daß dem Emancipirten die Familienrechte verbleiben ſollten54)L. 11. Cod. de legitim. heredib. .
Ich komme endlich auf die Juſtinianeiſche Eman - cipation. Juſtinian ſchafte naͤmlich die gewiſſermaßen injurioͤſe Feyerlichkeit der alten Emancipation gaͤnzlich ab55)Juſtinian ſagt in L. ult. Cod. de emancipat. Cum in - ſpeximus in emancipationibus vanam obſervationem cuſtodiri, et venditiones in liberas perſonas figuratas, et circumductiones inextricabiles et iniurioſa rhapismata (kommt her von ῥαπὶς eine Ruthe, und ῥαπίσαι mit Ruthen hauen) quorum nullus ratio - nabilis invenitur exitus: jubemus, huiusmodi circuitu in po - ſterum quiescente, licentiam ei eſſe, qui emancipare vult, vel ex lege Anaſtaſiana hoc facere, vel ſine ſacro reſcripto intra -re,Z 2und3561. Buch. 7. Tit. §. 159.und verordnete, daß die bloße jedoch ausdruͤckliche Wil - lenserklaͤrung des Vaters vor dem competenten Richter, daß ſein Kind von der vaͤterlichen Gewalt frey ſeyn ſolle, eben ſo vollguͤltig ſeyn, nicht weniger der Vater, der auf ſolche Art ſein Kind vor der Obrigkeit emancipirt haͤtte, eben ſo gut ein Succeſſions - recht erhalten ſolle, als wenn er auf die alte feyerliche Art, per contractam fiduciam, Manumiſſor des Kin - des geworden waͤre. Daher ſagt Juſtinian in ſeinen Inſtitutionen56)§. ult. I. de legitim. agnator. ſucceſſ. , durch ſeine Conſtitution ſey der neue Rechtsſatz eingefuͤhret worden: ut emancipationes liberorum ſemper videantur quasi contracta fiducia fieri, cum apud veteres non aliter hoc obtinebat, niſi ſpe - cialiter contracta fiducia parens manumiſiſſet57)Anton Schulting in Not. ad Caji Inſtitut. Lib. I. Tit. VI. §. 3. not. 43. Iurisprud. Antejuſt. pag. 57. macht hierbey gegen Oiſelius, der in dieſen Verordnungen des K. Juſtinians keinen Zuſammenhang finden konnte, die ſehr elegante Bemerkung, daß wenn gleich die alte Solennitaͤt der Emancipation aufgehoben worden, dennoch eine ſolche Fiction, als ob der Vater den Sohn contracta fiducia emancipiret haͤt - te, gar nicht uͤberfluͤßig geweſen ſey. „ Dubitari enim pote - rat, ſagt er, an pater, qui deſierat eſſe adgnatus filio per emancipationem, nunc quidem ut patronus ad eius ſucceſſionem, et, ſi impubes foret, ad tutelam eius vocaretur, cum iam non amplius in uſu eſſet manumiſſio illa, per quam antea pater hoc ius adquiſiverat. Jedoch ſetzt er hinzu: Poſtea adgnatis ſunt exaequati cognati, Nov. CXVIII. ac tunc illa fictio coepit eſſe ſupervacua. “. Wir be -mer -55)re competentis iudicis tribunal, vel eos adire magiſtratus, qui - bus hoc facere permiſſum eſt: et filios ſuos, vel filias, nepotes, vel neptes, vel deinceps progeniem in poteſtate ſua conſtitu - tam, a ſua manu dimittere: et legitima iura omnino habere, etſi non ſpecialiter hoc ſibi ſervaverit. 357De adoptionibus, emancipationibus etc. merken hierbey; a) daß Juſtinian dieſe neue Art den Emancipation eigentlich nur in dem Fall habe verſtatten wollen, wenn die Kinder in dem Gericht zugegen ſind58)Ulr. huber in Praelect. iuris civ. ad Inſtitut. lib. I. T. XII. §. 5. und vorzuͤglich scheltinga Diſſ. I. de emancipat. Cap. IV. §. 8.. Dieß erhellet auch aus der Formel, deren ſich der Vater vor Gericht zu bedienen pflegte, welche nach dem Theo - philius59)in Paraphr. ad §. 6. I. quib. mod. ius p. p. ſolv. folgendermaßen lautete: hunc ego emancipo, et e manu mea dimitto; nach dem Harmenopulus60)in Promptuar iuris civ. Lib. I. Tit. XVII. §. 6. aber: hic ut ſui iuris ſit volo, eumque manu mea dimitto. Daher hat b) Juſtinian zum Beſten der Abweſenden die Anaſtaſianiſche Emancipation ausdruͤcklich beybehalten. Hieraus ergiebt ſich ferner, c) warum die oben erwaͤhnte erſtere Conſtitution des K. Anaſtaſius, nach welcher auch bey derjenigen Emancipation, die durch ein fuͤrſtli - ches Reſcript geſchiehet, die Gegenwart der Kinder vor Gericht erfodert wurde, aus dem Codex repet. praelect. weggelaſſen worden ſey61)scheltinga c. l. ?
Soviel die Wirkungen der juſtinianeiſchen Eman - cipation anbetrift, ſo ſind die Ausleger des roͤm. Rechts darin nicht einig, ob dieſelbe gleichfalls einen Verluſt der Agnations - und Familienrechte, mithin eine Capitis-De - minution zur Folge gehabt habe? Einige bejahen die - ſes62)vinnius in Comm. ad Inſt. tit. de cap. minut. §. 3. Petr. de greve Diſſert. ad Inſt. Exerc. III. Th. 9 hofacker Princip. iur. civ T. I. §. 622. scheltinga Diſſ. I. C. IV. §. 7. et Diſſ. II. §. 2. und G. L. boehmer in Diſſ. de diſcri - mine ſuorum et emancipator. in ſucceſſ. inteſtati iure novo ſub - lato. §. V. , andere laͤugnen es ſchlechterdings63)cujacius in not. ad Ulpian. Tit. X. beym schvlting in Iurisprud. Antejuſt. p. 593. huber in Digreſſ. Iuſtin. lib. III. c. 6.; verſchie -Z 3dene3581. Buch. 7. Tit. §. 159.dene aber nehmen eine mitlere Meynung an64)Ant. schulting in Enarrat. partis prim. Digeſtor. n. t. §. 19 et in Iurisprud Antejuſtin. pag. 593. heimburg Diſſ. cit. §. XXXVII. ; ſie be - haupten, daß der Emancipirte nach dem neuern Recht freylich nicht mehr in eine Art von Sclaverey ge - rathe, wie nach dem aͤltern roͤmiſchen Recht geſchehen ſey; allein er aͤndere doch die Familie, bleibe kein Agnat, und behalte auch das ius ſui beredis nicht; in dieſer Ruͤckſicht wirke alſo die neuere Emancipation allerdings noch eine Capitisdeminution. Allein bedenkt man, daß, wenn gleich Juſtinian die Solennitaͤt der alten Emanci - pation aufgehoben hat, dennoch die Wirkung derſelben verbleiben ſolle, nicht anders, als ob jene Feyerlichkeit wirklich geſchehen waͤre; erwaͤgt man ferner, daß ſelbſt Juſtinian65)§. 9. Inſtitut. de heredit. quae ab inteſtato defer. ſagt, Emancipati iure civili nihil iuris ha - bent, weder das ius ſuorum heredum, weil ſie zur Zeit des Abſterbens ihres Vaters nicht mehr in deſſen Gewalt waren; noch das ius agnatorum, weil ſie durch die Emancipation aufgehoͤrt haben, Agnaten zu ſeyn, und die Familienrechte verlohren haben; Bedenkt man endlich, daß, wenn durch die juſtinianeiſche Emancipa - tion die Agnations - und Familienrechte nicht aufgehoben worden, es unnoͤthig geweſen waͤre, ſolche durch eine aus - druͤckliche Verordnung66)Nov. LXXXI. cap. 2. und als ein beſonderes Privile - gium denen zu erhalten, die durch eine Wuͤrde von der vaͤterlichen Gewalt befreyet wurden, ſo laͤßt ſich, deucht mich, wohl nicht daran zweifeln, daß auch die juſtinia - neiſche Emancipation, wie jede andere, eine Capitisde -minu -63)c. 6. §. 3. ſqq. Ian. a costa in Comm. ad Inſtit. tit. quib. mod. ius p p. ſolv § 6.359De adoptionibus, emancipationibus etc. minution zur Folge gehabt habe. Da indeſſen Juſtinian durch die 118te Novelle den ehemaligen Familien - und Agnations-Nexus bey der Inteſtat-Erbfolge gaͤnzlich auf - gehoben hat, ſo ſuccediren die Emancipirten vermoͤge des Rechts der Blutsfreundſchaft, als welches durch keine Emancipation zernichtet werden kann, ſo gut als die ſui, ohne daß erſtere der Praͤtoriſchen Huͤlfe oder bonorum poſſeſſio weiter benoͤthiget ſind67)boehmer cit. Diſſertat. §. X. .
Die Emancipation erfordert der Regel nach die Einwilligung des Vaters und der Kinder. Sie kann alſo ſo wenig gegen den Willen des erſtern, als der letz - tern geſchehen68)L 31. D. h. t. paulus Sentent Receptar. lib II. T. XXV. §. 5. Nov. LXXXIX cap. 11.. Doch finden verſchiedene Ausnahmen ſtatt. Denn
I) giebt es Faͤlle, wo der Vater gezwungen werden kann, die Kinder zu emancipiren69)Die verſchiedenen Meinungen der Rechtsgelehrten uͤber die Zahl dieſer Faͤlle erzaͤhlt Heimburg cit. Diſſ. §. 15 — 23.. Dahin gehoͤrt,
a) wenn er die Kinder grauſam und barbariſch be - handelt70)L. ult. D. ſi a parente quis manumiſſ mercerius in Opi - nion. lib. II. c. 22..
b) Wenn ihm jemand etwas vermacht, oder ſchenkt, mit dem Beding, daß er ein Kind emancipire; und er das Vermaͤchtniß oder Geſchenk annimmt71)L. 1. § 3 D eodem. L 92 D. de condit. et demonſt. Mar - cian glaubte zwar, daß ein Vater, wenn er von dem Erblaſſergebe -.
Z 4c) Wenn3601. Buch. 7. Tit. §. 160.c) Wenn er einen Unmuͤndigen arrogirt hat, dem - ſelben aber nach erlangter Muͤndigkeit die Arrogation aus einer hinlaͤnglichen Urſache mißfaͤllt72)L. 32. et 33. D. de adopt. .
II) Giebt es Faͤlle, wo Kinder wieder ihren Willen emancipiret werden koͤnnen. Hierher gehoͤrt:
a) wenn71)gebeten worden waͤre, ſein Kind zu emancipiren, hierzu nicht ge - zwungen werden koͤnne: poteſtas enim patria inaeſtimabilis res eſt. S. L. 114. §. 8. D. de legat. 1. Eben ſo dachte auch Pa - pinian, wie Ulpian erzaͤhlt in L. 92. cit. Ja Ulpian muß ſelbſt geſtehen, daß er Anfangs der naͤmlichen Meinung geweſen ſey; allein in dieſer L. 92. aͤndert er ſie wieder, und erklaͤrt ſich nunmehr dahin, daß wenn aus dem Teſtamente erhelle, daß der Teſtirer dem Vater das Legat in keiner an - dern Abſicht habe hinterlaſſen wollen, als um ſein Kind dage - gen zu emancipiren, der Vater, wenn er dieſes Vermaͤchtniß angenommen hat, extra ordinem anzuhalten ſey, daß Kind aus ſeiner Gewalt zu entlaſſen. Neque enim debet circumveniri teſtantium voluntas. Sic deinde hoc accipiendum, quemadmo - dum ſi ſub conditione liberorum emancipandorum ei fuiſſet le - gatum relictum: vel ita ut eos emanciparet. Verſchiedene wol - len die oben angefuͤhrten Worte extra ordinem, von einem fuͤrſtlichen Befehl erklaͤren, wodurch der Vater zur Emancipation zu noͤthigen ſey; z. B. Dionyſ. gothofredus in not. ad d. L. 92. und thomasius in Diſſ. de uſ. pr. tit. I. quib. mod. ius p. p. ſolv. §. 15. not. c. Allein dieſe Er - klaͤrung iſt irrig. Es iſt vielmehr von einer perſecutione ex - traordinaria die Rede, ſo wie bey Fideicommiſſen uͤblich war. L. 178. §. 2. D. de Verh. Signif. S. Heimburg cit. Diſſert. §. 21. Ant. faber in Iurisprud. Papinian. Tit. XI. Princip. X. Illat. 9. Was uͤbrigens die Redensart: ius extra ordinem dicit Praetor: eigentlich bedeute, erklaͤrt ge - bauer in Comment. acad. de iurisdictione ſec. doctrin. Rom. Cap. I. §. 11. Vergleiche auch den I. Th. dieſes Com - mentars §. 1. n. 8. S. 8.
361De adoptionibus, emancipationibus etc.a) wenn ich ein fremdes Kind adoptiret habe, und dieſes muͤndig iſt, ſo kann ich die Verbindung mit dem - ſelben nach Gefallen aufheben73)Dieß laͤßt ſich nicht nur aus L. 10. pr. Cod. de adopt. ſchließen, wo Juſtinian ſagt: Cum enim tanta fragilitas eſt adoptionis, ut poſſit in ipſo die et filius fieri et extraneus per emancipationem inveniri: quis patiatur iura patris natu - ralis nexu divino copulata, ludibrio defraudari; ſondern eben darum ſahe ſich auch zuweilen der leibliche Vater, der ſeinen Sohn adoptiren ließ, durch eine Stipulation vor, wodurch der Adoptivvater ſich zu einer gewiſſen Summe Geldes auf den Fall verbindlich machen mußte, wenn er das angenom - mene Kind ohne Urſach emancipiren wuͤrde. L. 132. pr. D. de Verbor. obligat. scheltinga cit. Diſſ. I. Cap. V. §. 3. S. jedoch Hr. v. Globig uͤber die Grenzen der vaͤter - lichen Gewalt S. 135..
b) Wenn ſich die Kinder undankbar und pflichtwie - drig gegen die Eltern betragen, ja ſich ſolcher ſchwerer Vergehungen gegen dieſelben ſchuldig machen, wegen welcher ſie denen Rechten nach die Enterbung verdient haben74)Luc. van de poll lib. ſing. de exheredat. et praeteritione Rom. et hodierna Cap. VIII. §. 4.. Z. B. wenn Kinder ihre Eltern ſchlagen, denenſelben nach dem Leben ſtehen. Von ſolchen Kindern ſagt Juſtinian75)§. 3. I. de adoptionib. : eos, cauſa cognita, emancipa - tione dignos eſſe; und Theophilus76)in Paraphr. ad §. 3. I. cit. ex verſ. lat. C. A. fabrotti Lugd. Batav. 1715. in ſeiner Pa - raphraſe erlaͤutert dieſes durch folgende Beiſpiele. Quid enim, ſi aut patri adoptivo (es iſt von einem arrogirten Pupillen die Rede) inſidias fecerit, aut aliud quid egerit, propter quod merito ex patris poteſtate abiici debeat? Die - ſem iſt nun zwar nicht entgegen, wenn die Emancipa -Z 5tion3621. Buch. 7. Tit. §. 160.tion in unſern Geſetzen eine Wohlthat, eine Ehre, die der Vater wohlgearteten Kindern erzeigt77)§. 2. I. per quas perſon. cuique acquir. , eine Frey - gebigkeit, die er gegen ſie ausuͤbt78)L. 5. Cod. de emancipat. liberor. genennet wird. Denn dieß hat in ſo fern allerdings ſeine Richtigkeit, als die Emancipirten hierdurch ſui iuris werden, und die Rechte eines Paterfamilias erhalten. In dieſer Ruͤck - ſicht iſt es daher eine Strafe fuͤr emancipirte Kinder, wenn ſie gegen den Vater eine grobe Undankbarkeit be - gehen, daß ſie wieder in die vaͤterliche Gewalt zuruͤckge - zogen werden koͤnnen79)L. un. Cod. de ingrat. liber. . Demohngeachtet aber kann doch die Emancipation auch eine Strafe fuͤr ausgeartete Kinder ſeyn, in ſofern ſie ihnen die Kindes - und Fami - lienrechte raubr, welches inſonderheit der Fall bey adop - tirten Kindern iſt, die hierdurch alle und jede Rechte ver - lieren, welche ſie durch die Adoption erlanget hatten80)§. 4 I. de exberedat. liberor. L. 13. D de adoptionib. L. 1. §. 6. L 3. §. 2. D. de bonor. poſſ. contr tabb. L. 4. pr. D. ſi tabb. teſtam nullae exſtab. Conf. schulting in Enarrat. part. 1. Digeſtor. h. t. §. 21.. Allein wie reimt ſich das mit der L. 6. Cod. de patria po - teſt. nach welcher die roͤmiſchen Geſetze von der abdica - tio, oder der Verſtoßung ungerathener Kinder, nichts wiſſen ſollen? Nach der gewoͤhnlichen Erklaͤrung ſagt man, daß durch dieſes Geſetz eine ſolche Emancipation, die gegen den Willen der Kinder geſchiehet, denn ſo erklaͤren ſie die abdicatio, von nun an verboten worden ſey81)alciatus in Diſpunction. lib. II. cap. 28. Ant. schul - ting in Enatrat. part. I. Digeſtor. h. t. §. 21. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 159. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 416.. Allein wenn gleich dieſe Meinung von der ei -nen363De adoptionibus, emancipationibus etc. nen Seite dadurch zu gewinnen ſcheint, daß Juſtinian in einer gewiſſen Novelle82)Nov. LXXXIX. cap. 11: eben dieß, als einen ganz be - kannten und ausgemachten Grundſatz, annimmt, daß es denen Vaͤtern nicht erlaubt ſeye, die Kinder wieder ihren Willen aus der vaͤterlichen Gewalt zu entlaſſen; ſo ſtrei - ten doch auf der andern Seite ſo wichtige Gruͤnde ge - gen jene Vorſtellungsart, daß man unmoͤglich geneigt ſeyn kann, derſelben beyzutreten. Schon laͤngſt haben Lukas van de Poll83)lib. ſing. de exheredat, et praeterit. Rom. et hod. Cap. I. et VIII. und Chriſtian Heinrich Breu - ning84)in Diſſ. iur. civ. περι ἀποκηρύξεος ſeu de abdicatione ad L. 6. Cod. de patr. poteſt. Lipſiae 1753. 4. gezeigt, daß in der L. 6. Cod. de patr. poteſt. von einer roͤmiſchen Emancipation gar nicht die Rede ſey. Man wird ſich auch hiervon ſo fort uͤberzeugen koͤnnen, ſobald man ſich die Muͤhe geben will, das Geſetz ſelbſt etwas genauer zu betrachten. Die Kaiſer Diocletian und Maximian reſcribiren naͤmlich an einen gewiſſen Hermogenes folgendermaßen: Abdicatio, quae Graeco more ad alienandos liberos uſurpabatur, et ἀποκηρυ - ξις dicebatur, romanis legibus non comprobatur. Hermogenes, an welchen dieſes Reſcript erlaſſen iſt, war ohne Zweifel ein Grieche, und vermuthlich von ſei - nem Vater auf eine ſo ſchimpfliche Art verſtoſſen worden, als die Griechen ἀποκηρυττειν nannten. Weil nun dem verſtoſſenen Sohne vielleicht durch die Haͤrte des Vaters zu nahe geſchehen ſeyn mochte, ſo nahm dieſer ſeine Zu - flucht zu denen Kaiſern, und frug zugleich in ſeiner Sup - plic an, ob, ſeitdem durch die Verordnung des Kaiſers Caracalla allen Unterthanen des roͤm. Reichs die Rechteder3641. Buch. 7. Tit. §. 160.der Buͤrger waͤren mitgetheilet worden, noch eine Hand - lungsart guͤltig ſeyn koͤnne, die nur bey den Griechen gewoͤhnlich, denen roͤmiſchen Geſetzen aber gar nicht an - gemeſſen ſey? Die Kaiſer reſcribiren hierauf, daß ei - neſolche Verſtoßung, (abdicatio ſcilicet ea) welche die Griechen ἀποκηρυξις nennen, von den roͤ - miſchen Geſetzen, nach deren Vorſchrift doch alle legitime Handlungen der roͤm. Buͤrger, ohne Unterſchied ihres Wohnorts, vollzogen werden muͤſſen, nicht gebilliget, und daher auch fuͤr rechtmaͤſig nicht zu halten ſey. Dieß iſt die ganz natuͤrliche Erklaͤrung des Geſetzes, fuͤr deren Richtigkeit die Worte des Reſcripts ſelbſt buͤrgen. Da indeſſen noch alles darauf ankommt, was bey den Griechen ἀποκηρυζις eigentlich geweſen, und welche rechtliche Wir - kungen dieſe Handlung gehabt habe? ſo iſt es noͤthig, hiervon zur[Erlaͤuterung] noch etwas hinzuzufuͤgen. Diejeni - ge Verſtoßung der Kinder, welche bey den Griechen ἀποκηρυξις genennet wurde, war eine feyerliche Handlung inter vivos, dadurch der Vater ſeinen ausgearteten Sohn, der ſich wiederſpenſtig gegen ihn bezeigte, oder durch liederliche Lebensart der Familie Schande machte, von ſich und aus dem vaͤterlichen Haus entfernte, und ihn von nun an nicht mehr vor ſein Kind erkannte85)S. Breuning cit. Diſſ. Cap. III. et IV. . Es war bey den Athenienſern ein ausdruͤckliches Geſetz, welches denen Vaͤtern ein ſolches Recht verſtattete86)Τοὺς γονέας κύριȣς εἶναι ἀποκηρύζαι: Parentibus liberos abdicare ius eſto. . Nur durfte dieſe Abdication nicht ohne eine recht - maͤßige Urſache geſchehen87)lucianus in Abdicato. plato de Legibus lib. XI. liba - nius in Declamat. XXXVI. welcher letztere einen verſtoße -nen, dahero entweder vor Ge -richt365De adoptionibus, emancipationibus etc. ticht88)lucianus in Abdicato: Ideoque iuſſit (legislator), ne libe - ra eſſet ac citra iudicium vindicta, ſed ad iudices vocat et aeſtimatores conſtituit, qui neque per iracundiam, neque per calumniam iudicent, quod iuſtum eſt. , oder in Gegenwart etlicher unpartheyiſcher Zeu - gen89)libanius Declamat. XXXVI. Expellam enim ipſum aedi - bus meis coram vobis teſtibus etc. eine Unterſuchung, ob eine ſolche Urſache vorhanden ſey, angeſtellet werden mußte. Das Abdicationsurteil wurde hierauf durch den Praͤco oͤffentlich bekannt gemacht90)Den Ritus ſelbſt beſchreibt petitus in Legibus Atticis lib. II. Tit. 4. p. 158. wovon die Handlung ſelbſt den Nahmen erhielt. Denn Κήρυξ heißt ſoviel als praeco. Die ganze Handlung war demnach fuͤr den Sohn hoͤchſt ſchimpflich, und be - raubte ihn ſeiner Familien - und Succeſſionsrechte91)lucian. c. l. libanius c. l. cornelius nepos in The - miſtoc. cap. 1. meursius in Them. Attic. Lib. II. c. 13.. Dem Sohne war jedoch erlaubt, gegen eine ſolche Ver - ſtoſſung eine oͤffentliche Vertheidigung zu fuͤhren92)lucianus c. l. quinctilianus Declamat. 378. Conf. Lu - cas van de poll cit. libro Cap. I. § 4.; auſſerdem aber konnte er den Schimpf nicht anders aus - loͤſchen, und ſeine vorigen Rechte wieder erlangen, als wenn er ſich beſſerte, und mit ſeinem Vater wieder aus - ſoͤhnte93)Dieß hieß ἀναλαμβάνεσϑαι ἐις το γὲνος. S. meursius ad Lycophron. v. 450. und casaubonus ad Diogen. Laër - tium in Periandro lib. I. n. 94..
Von87)nen Sohn folgendergeſtalt redend auffuͤhrt: At neque laſci - vus, neque prodigus, neque ſcortator ego ſum, neque aleae mentem adhibeo, quibus de cauſis legislator abdicare iubet.
3661. Buch. 7. Tit. §. 160.Von einer ſolchen Abdication reden nun die Kaiſer in L. 6. Cod. de patr. poteſt. Sie haben jedoch dieſe keinesweges durch ihre Verordnung abgeſchaft, wie Va - lentin Forſter94)in libr. de iurisdictione Romanor. welchen auch ſchon Luc. van de poll cit. libro Cap. VIII. deshalb tadelt. ſich irrig eingebildet hat, ſondern re - ſcribiren nur, daß ſie denen roͤmiſchen Geſetzen nicht ge - maͤß ſey. Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß auch das roͤmiſche Alterthum viele Beyſpiele aufſtellt, daß Vaͤter ihre ungerathene Soͤhne von ſich entfernt, und aus ih - rem Hauſe verſtoſſen haben. Denn ſo rechnet Sueron95)suetonius in vita Auguſti cap. 65. unter die haͤußlichen Unfaͤlle des Auguſt, daß er ſeinen an Sohnes Statt angenommenen Enkel, Agrippa, von ſich entfernen (abdicare) mußte. Eben das beſtaͤtigt der aͤltere Plinius96)Lib. VII c. 45. mit gleichem Ausdruck. So erzaͤhlt ferner Valerius Maximus97)Lib. V. cap. 8. ex. 3. et 4., daß der Roͤmer Titus Manlius Torquatus uͤber ſeinen Sohn Silanus, der in Macedonien Ungerechtigkeiten und Treuloſigkeiten be - gangen hatte, vermoͤge ſeiner hausvaͤterlichen Gewalt Un - terſuchung angeſtellet, und ihm, weil er ihn ſchuldig be - fand, befohlen habe, er moͤchte ihm ſogleich aus den Au - gen gehen, und hinfort ſein Haus, ſo wie den Staat, meiden. Mehrere Beyſpiele hat Brißonius98)Op. de verborum, quae ad ius civ. pertinent, ſigniſicatione ſ. v. Abdicare. S. auch P. aerodius ad Quinctil. Declamat. 260. geſamm - let. Allein dieſe roͤmiſche Abdication war weder de - nen Geſetzen entgegen, noch mit der griechiſchen ἀποκὴρυ - ξις einerley, vielmehr von derſelben nicht nur in Anſe - hung der Form ſondern auch der Wirkung ganz verſchie -den.367De adoptionibus, emancipationibus etc. den. Denn waͤre einmal dieſe Abdication ſchlechter - dings wider die Geſetze geweſen, ſo wuͤrde ohne Zweifel irgend ein alter Schriftſteller, der ihrer erwaͤhnt, ein Wort uͤber ihre Ungerechtigkeit beygefuͤgt, oder wenig - ſtens auf irgend eine Art ſeinen Unwillen zu erkennen gegeben haben. Hierzu kommt, daß Valerius Maxi - mus in dem angefuͤhrten Falle mit dem Manl. Torqua - tus ausdruͤcklich den Gerechtigkeitseifer dieſes Roͤmers ruͤhmt, und ihn als einen der roͤm. Rechte ſehr kundigen Mann ſchildert. Denkt man ſich nun noch inſonderheit den groſſen Umfang von Rechten der roͤmiſchen vaͤter - lichen Gewalt, die ſogar in jenen aͤltern Zeiten ein Recht uͤber Leben und Tod der Kinder begrif, ſo wird man ſchwerlich dieſe Abdication fuͤr eine geſetzwidrige Hand - lung wenigſtens nach den Rechten desjenigen Zeitalters, aus welchem die davon vorkommende Beyſpiele herruͤhren, halten koͤnnen99)van de poll cit. libro Cap. VIII. §. 6. schubart de fatis iurisprud. Rom. Exercit. I. §. 47. pag. 103. ſqq. .
Es war jedoch zum andern die roͤmiſche Abdica - tion von der griechiſchen ἀποκηρυξις ganz verſchieden. Denn die griechiſche war eine oͤffentliche und feyerliche Handlung, die roͤmiſche hingegen nur eine Privathand - lung, welche nicht ſowohl, wie jene, in den Worten ei - nes geſchriebenen Geſetzes, als vielmehr in dem Recht der haͤußlichen Gerichtsbarkeit, dem edelſten Kleinod der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt, gegruͤndet war100)S. breuning in der angef. Diſſ. Cap. IV. pag. 20. und Cap. V. pag. 24.. Die griechiſche ἀποκηρυξις beraubte den ver - ſtoßenen Sohn ſeiner Familien - und Erbrechte; die roͤ - miſche Abdicatio hingegen hob weder die aus der vaͤter -lichen3681. Buch. 7. Tit. §. 160.lichen Gewalt zwiſchen Vater und Kindern entſtehende Verbindung auf, noch entzog ſie denen Kindern ihr Erb - recht, wenn nicht noch eine beſondere Enterbung nach der in den Geſetzen dabey vorgeſchriebenen Form erfolg - te. Denn nirgends findet man in unſern Geſetzen da, wo die verſchiedenen Arten aufgezaͤhlet werden, wie die vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, die Abdication er - waͤhnet. Vielmehr iſt es bekannt, daß der Vater keinen andern Weg hatte, ſein Kind von der vaͤterlichen Ge - walt zu befreyen, als die Emancipation. Dieſe erfor - dert aber gewiſſe in den Geſetzen vorgeſchriebene Feyer - lichkeiten, welche bey der Abdication nicht vorkommen. Blieb nun der abdicirte Sohn in der Gewalt ſeines Vaters, ſo mußte er auch, als ſuus heres, ſein naͤchſter Inteſtat-Erbe ſeyn, in ſofern ihn der Vater nicht auf ei - ne geſetzmaͤſſige Art in ſeinem Teſtament enterbt hatte. So war alſo die roͤmiſche Abdication ungerathe - ner Kinder weiter nichts, als ein in den Rechten der vaͤ - terlichen Gewalt und in der haͤußlichen Gerichtsbarkeit gegruͤndetes Zuͤchtigungs - und Beſſerungsmittel1)Daher wird ſie bey Quintilian Declamat. CCLIX. ſi lii emendatio; bey calpurnius flaccus Declamat. XVIII. aber ira domeſtica genennt..
Es fragt ſich nun noch, ob und in wiefern es heutiges Tages einem Vater erlaubt ſey, ſein Kind zu verſtoſſen? und welche rechtliche Wirkung dieſe Handlung habe2)Eine gruͤndliche und leſenswuͤrdige Abhandlung des Hrn. Prof. Guͤnther’s uͤber dieſe Frage findet man in dem von Ihm und Hrn. Prof. Hagemann herausgegebenen Archiv fuͤr die theoretiſche und practiſche Rechtsge - lehrſamkeit. I. Th. (Braunſchweig 1788. 8.) Nr. XIV. S. 303. — 323.? Was369De adoptionibus, emancipationibus etc. Was die erſte Frage anbetrift, ſo ſind die Rechtsgelehr - ten deßhalb verſchiedener Meinung, indem ſie von eini - gen bejahet3)leyser Meditat. ad Pand. Vol. I. Specim. XVII. Corol. 3. Hoͤpfner im Commentar §. 159., von andern aber verneinet wird4)Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 416. Mich. Godofr. wernher in lectiſſ. Commentat. ad Dig. Lib. I. Tit. VI. § 4. S. 40.. Es kommt vor allen Dingen darauf an, was man ſich von der Verſtoßung der Kinder vor einen Begrif macht. Wenn wir nun bey der Beſtimmung deſſelben auf den teutſchen Sprachgebrauch ſehen, ſo enthaͤlt nach dieſem ohnſtreitig die Verſtoßung eine ausdruͤckliche und deutliche Erklaͤrung der Eltern, daß ſie alle Verbindung mit ihrem ungerathenen Kinde aufheben wollen. Es wird dabey vorausgeſetzt, daß die Eltern dieſen Schritt aus Unwillen, und wieder den Willen der Kinder thun, und dieſe Verſtoßung iſt an ſich nicht unbillig, wenn ſie aus einer erheblichen Urſache geſchiehet. Dahin gehoͤren die geſetzmaͤßigen Enterbungs-Urſachen5)arg. L. 5. §. 11. D. de agnoſc et alend. liberis, Nov. CXV. cap. 3. theophilus in Paraphr. ad §. 3. I. de adoptionib. Es wird zwar gegen den Schluß, der von dem Recht der Enterbung auf das Recht der Verſtoßung gemacht wird, ver - ſchiedenes eingewendet, ſo aber ohne Bedeutung iſt. Denn es kommt hier nicht ſowohl auf die Verſchiedenheit der Hand - lung, die ich ſehr wohl einſehe, und wovon Luc. van de poll lib. cit. Cap. I. §. 4. ſehr umſtaͤndlich handelt, ſondern auf den Grund derſelben an. Da nun dieſer bey beyden der naͤmliche iſt, und in dem ſchnoͤden Undank des Kindes gegen ſeine Eltern liegt, ſo begreife ich nicht, warum Eltern nicht aus der naͤmlichen Urſache ein ungerathenes Kind ſoll - ten verſtoßen duͤrfen, aus welcher ſie ſolches zu enterben be -rechti -. Eine andere Frage aber iſt,obGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. A a3701. Buch. 7. Tit. §. 160.ob die Eltern ein ſolches ausgeartetes Kind, welches ſich durch Undank, Ungehorſam, und andere ſchaͤndliche Ver - gehungen der fernern Erziehung und Huͤlfe der Eltern unwuͤrdig gemacht hat, mit eigener Gewalt verſtoßen, und ſeinem Schickſal Preiß geben duͤrfen? Dieß glaube ich nicht, ſondern halte dafuͤr, daß die Eltern in ſolchen Faͤllen, wo die erlaubte haͤußliche Zuͤchtigung nichts mehr helfen will, die Obrigkeit um ihren Beyſtand er - ſuchen, und auf deren Urtheil es ankommen laßen muͤßen, ob das durch nichts zu beſſernde Kind aller fernern Er - ziehung unwuͤrdig? oder welcher Erziehung daſſelbe, nach verbuͤßter obrigkeitlichen Strafe, noch wuͤrdig zu achten ſey6)Eben dieſer Meinung iſt Hr. Appell. Rath von Globig in der Preisſchr. uͤber die Gruͤnde und Graͤnzen der vaͤterlichen Gewalt. S. 94. und 95.? Denn wenn einem roͤmiſchen Vater eine ſolche Verſtoßung des ungerathenen Sohnes vermoͤge der ihm als Vater zugeſtandenen haͤußlichen Gerichtsbarkeit erlaubt war; ſo kann dieß heutiges Tages darum keine Anwendung finden, weil die teutſchen Rechte dem Vater keine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder zueignen7)Man vergleiche, was ich hiervon ſchon oben ad §. 138. S. 236. bemerkt habe.. Jedoch5)rechtiget ſind. Allein, ſagt man, die Geſetze geben den El - tern darum ein Recht, ihre Kinder aus verſchiedenen Urſachen zu enterben, weil ſie glauben, daß dieſelben, wenn die Kin - der ſich gebeſſert, zu der Zeit, da ſie an den Tod gedenken, keinen Gebrauch davon zum Ungluͤck der letztern machen wer - den. Gut! Koͤnnen denn aber nicht auch Eltern ſich mit ih - ren verſtoßenen Kindern wieder ausſoͤhnen, wenn ſich dieſe gebeſſert haben? Ueberdem da die Verſtoßung an ſich denen Kindern ihr Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen nicht ipſo iure nimmt, ſo kommt es ja noch immer auf die Geſinnung der Eltern an, ob ſie ſich ihres Rechts, das verſtoßene Kind zu enterben bedienen wollen, oder nicht?371De adoptionibus, emancipationibus etc. Jedoch wuͤrde es hinreichend ſeyn, in allen dergleichen Faͤllen blos ſummariſch, und ohne Geſtattung gewoͤhnli - cher Formalitaͤten des gerichtlichen Proceßes, zu verfah - ren8)Hr. v. Globig a. a. O. S. 95..
Die zweyte Frage anlangend, was eine ſolche Verſtoßung fuͤr rechtliche Wirkungen habe? ſo ſind auch hieruͤber die Meynungen der Rechtsgelehrten getheilt. Ich glaube mit Herrn Prof. Guͤnther9)im angef. Archiv S. 318. ff. daß hier eigentlich zwey Fragen zu beantworten ſind: die erſte: was wirkt eine ſolche Verſtoßung in Abſicht der Kinder? die zwey - te: Was wirkt ſie in Abſicht der Eltern?
Die Kinder verliehren zwar dadurch weder das Eigenthum an ihrem peculio adventitio, noch ihr kuͤnftiges Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen. Denn die Ausſchließung der Kinder von der Erbſchaft ihrer El - tern erfordert nothwendig: a) daß ſie in einer letzten Willensverordnung geſchehe, b) daß eine in der 115ten Novelle beſtimmte Urſache dabey zum Grunde liege, und c) daß dieſe Urſache wahr ſey. Dies iſt aber nicht der Fall bey der Verſtoßung. Denn wenn gleich die Eltern eine rechtmaͤſige Urſache zur Enterbung haͤtten, ſo iſt doch eine bloſe Erklaͤrung der Eltern, daß ſie ihr unge - rathenes Kind nicht mehr als ihr Kind anſehen wollten, zur Enterbung deſſelben nicht hinreichend, weil dieſe durch keine Erklaͤrung unter den Lebendigen bewirkt werden kann, ſondern in einem Teſtamente auf eine legale Art geſchehen muß10)mevius in Deciſionib. Part. IV. Dec. 183. Zwar will Me - vius Dec. 184. et 185. und Part. V. Deciſ. 152. et 153. be - haupten, daß die Obrigkeit das Recht habe, Kinder ihresErh -. Allein es fragt ſich, ob ſolche un -A a 2dank -3721. Buch. 7. Tit. §. 160.dankbare Kinder ſich nicht wenigſtens des Rechts, von ihren Eltern fernere Alimente zu fordern, verluſtig ge - macht haben? Auch bey dieſer Frage weichen die Rechts - gelehrten in ihren Meinungen ſehr von einander ab. Herr Prof. Guͤnther11)a. a. O. S. 318. entſcheidet dieſelbe verneinend, weil dieſes Recht natuͤrliche und poſitive Geſetze denen Kindern gegeben haben12)L. 5. §. 7. L. 19. D. de agnoſc. liberis. L. 3. et 4. Cod. de alend. liberis. , und der einſeitige Wille der Eltern ſolches ihnen nicht entziehen koͤnne. Allein ich kann die - ſer Meinung nicht ganz beypflichten. Denn daß Kinder durch groben Undank und Vergehungen gegen ihre El - tern ſich der Alimenten Forderung unwuͤrdig machen koͤn - nen, beweißt das Reſcript an den Trebatius Marinus beym Ulpian13)L. 5. §. 11. D. de agnoſc. et alend. lib. ganz deutlich. Daher behaupten nicht wenig Rechtsgelehrten, daß die geſetzmaͤßigen Enterbungs - Urſachen die Pflicht zur Verpflegung der Kinder aufhe - ben14)Schon bartolus gab die Regel: Ex quibus cauſis poteſt parens ſilium exheredare, ex iisdem poteſt ei denegare ali -menta;. Damit jedoch das undankbare Kind nicht demStaate10)Erbtheils fuͤr verluſtig zu erkennen, wenn ſie gegen ihre El - tern ſich einer Enterbungsurſach ſchuldig gemacht, z. B. ihre Eltern groͤblich injurliret haben, und daß alsdann ihr Erb - theil ihnen von dem Fiskus als unwuͤrdigen genommen wuͤrde, wenn gleich ihre Eltern ſie deßwegen nicht enterbt haͤtten, ſondern ohne Teſtament verſtorben waͤren. Allein dieſe Mei - nung iſt in den Geſetzen nicht gegruͤndet, wie die Gebruͤder Overbeck im 3. Band der Meditationen uͤber ver - ſchiedene Rechtsmaterien Meditat. 170. S. 264 ff. gezeigt haben. Vorzuͤglich aber vergleiche man stryk de ſucceſſione ab inteſt. Diſſert. XII. Cap. II. §. 34. et 35.373De adoptionibus, emancipationibus etc. Staate und ſeinen Mitbuͤrgern zur Laſt falle, ſo bleiben die Eltern auf den Fall, da es ſich ſelbſt ohne derſelben Unterſtuͤtzung noch nicht forthelfen kann, wenigſtens zu den nothduͤrftigſten Alimenten (alimenta naturalia) ver - pflichter15)Eben dieß behaupten hellfeld in iurisprud. forenſi Tom. II. §. 1286. in fin. und Hr. v. Globig in der angef. Preiß - ſchrift S. 95. Not. *) und S. 127..
Was fuͤr Folgen hat nun aber die Loßſagung fuͤr die Eltern? Wenn das verſtoßene Kind noch un - volljaͤhrig iſt, ſo behalten die Eltern zwar die vor - mundſchaftlichen Rechte uͤber daſſelbe, bis es zur Volljaͤhrigkeit gelangt. Denn dieſe beziehen ſich auf die Erziehungsverbindlichkeit der Eltern, und ſind, da ſie von den Geſetzen zum Beſten der Kinder eingefuͤhret worden, kein Gegenſtand der Renunciation. Nach dieſen Grund - ſaͤtzen bleibt auch bey der Verheyrathung ſolcher Kinder die elterliche Einwilligung erforderlich. Allein diejenige Rech - te und Vortheile, welche die Eltern bey Leb - zeiten der Kinder genieſſen, gehen, nach der all - gemeinen Rechts-Analogie durch die Verſtoßung der Kinder zu Grunde, weil ſie ſich derſelben durch die Losſa - gung begeben haben, und, da ſie blos zu ihrem Vortheil eingefuͤhret ſind, auch begeben konnten. Nach dieſer Theorie verliehrt z. B. der Vater den Nießbrauch vonA a 3dem14)menta; wie gothofredus ad L. 5. §. 11. D. de agnoſc. et alend. lib. not. 39 bemerkt hat. Ihm pflichten bey voet in Commentar. ad Pand. Tom. II. Lib. XXV. Tit. 3. §. 18. Io. Ortw. westenberg in Princip. iuris ſecund. ord. Digeſtor. Lib. XXV. Tit. 3. §. 22. und als eine Ausflucht gegen die Alimentationsklage des Kindes fuͤhren eben dieſes boehmer de actionib Sect. II. cap. I. §. 33. und Schmidt im Lehr - buch von gerichtl. Klagen und Einreden §. 347. an.3741. Buch. 7. Tit. §. 160. u. 161.dem Vermoͤgen des verſtoſſenen Kindes, und iſt, in ſofern er etwa als Vormund die Verwaltung deſſelben behielte, daruͤber Rechnung abzulegen verbunden. Das volljaͤhri - ge Kind aber kann auf die Herausgabe deſſelben dringen.
Dahingegen gehet das Erbrecht der Eltern, ſo ihnen auf den Todesfall der Kinder zukommt, durch die Abdication nicht verlohren. Denn a) iſt nicht zu ver - muthen, daß Eltern, die ſich aus Unwillen von ihrem un - gerathenen Kinde losſagen, ſich auch dieſes Rechts, ſo ihnen erſt nach dem Tode der Kinder zuſtehet, haben be - geben wollen, weil jede Entſagung ſtreng ausgelegt wer - den muß. b) Liegt auch der Grund des elterlichen Erb - rechts nicht in der vaͤterlichen Gewalt, ſondern vielmehr in der Blutsverwandtſchaft. Wenn alſo gleich der Va - ter auf diejenigen Rechte Verzicht leiſtet, die ihm vermoͤ - ge der vaͤterlichen Gewalt zuſtehen; ſo hat er dadurch doch noch nicht auf die Rechte der Blutsverwandtſchaft renunciiret. Dem ungeachtet aber fehlt es doch nicht an Rechtsgelehrten, die das Gegentheil behaupten16)muͤller in Obſervat. pract. ad Leyſeri Meditat. ad Pand. T. I. Faſc. I. Obſ. 91..
Nach der Lehre der heutigen Rechtsgelehrten, wel - cher auch Hellfeld beypflichtet, theilet man insgemein die Emancipation in die ausdruͤckliche und ſtillſchwei - gende ein. Man behauptet, daß die Emancipation ſtillſchweigend durch die Heyrath der Toͤchter und die Anſtellung einer eigenen Haushaltung der Soͤhne geſchehe. Einige nennen dieſe auch die teutſche oderſaͤch -375De adoptionibus, emancipationibus etc. ſaͤchſiſche Emancipation. Allein nicht zu gedenken, daß hierdurch auf eine hoͤchſt ungereimte Art der roͤmiſche Sprachgebrauch einem blos reutſchen, von der roͤmiſchen Emancipation ganz verſchiedenen Inſtitute zugeeignet werde17)Umſtaͤndlicher hat dieſes I. H. boehmer in Diſſ. de ſtatu liberorum ſui iuris factorum per ſeparationem vel nuptias. Halae 1721. Cap. II. §. 2. gezeigt. Man vergleiche auch riccius in Spicileg, iuris germ. pag. 475., ſo liegt auch in dieſer gemeinen Vorſtellungs - art eine unverzeihliche Inconſequenz. Den eine ſtill - ſchweigende Emancipation wird diejenige ge - nennt, quae tacito patris conſenſu innititur, wie unſer Verfaſſer ſelbſt ſagt: und doch wird gleich darnach be - hauptet, daß durch Errichtung eines beſondern Hauswe - ſens auch wieder des Vaters Willen deſſelben Gewalt aufgehoben werde. Was nun wider meinen Willen ge - ſchehen und von mir nicht gehindert werden kann; das laͤßt ſich nicht wohl in meiner ſtillſchweigenden Einwilli - gung begruͤnden18)Dieſe Ungereimtheit hat auch ſchon Hr. Prof. Weber in den Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch des roͤm. Rechts §. 20. S. 73. folg. geruͤgt.. Richtiger wuͤrde es ſeyn, wenn man ſagte: daß die Befreyung der Kinder von der vaͤ - terlichen Gewalt nach heutigen Rechten auf eine zwey - fache Art geſchehen koͤnne, entweder durch die Eman - cipation, oder ohne dieſelbe aus geſetzlicher Vor - ſchrift, auch gegen des Vaters Willen. Die Eman - cipation beſtehet heutiges Tages gewoͤhnlich darin, daß der Vater vor dem Richter ſich ausdruͤcklich anerklaͤrt, daß er ſein Kind der vaͤterlichen Gewalt entlaſſen wolle. Es heißt dieſes die Juſtinianiſche Emancipation. Zu - weilen pflegt jedoch der ordentliche Richter uͤbergangen,A a 4und3761. Buch. 7. Tit. §. 161.und unmittelbar bey dem Landesherrn oder den kaiſerli - chen Hofpfalzgrafen die Beſtaͤtigung einer ſolchen Ent - laſſung geſucht zu werden, welches man die Anaſtaſi - ſche Emancipation nennt. Ob nun wohl Beyſpiele von einer ſolchen Emancipation ſowohl unter privat, als erlauchten Perſonen vorgekommen ſind19)Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. R. III. Th. S. 404 f. Moſer Staatsrecht Th. XVIII. S. 38. u. 135. Deßgl auserleſene Neichs-Hofraths-Concluſa 1. Stuͤck S. 33. ff., ſo iſt ſie doch, wie ein beruͤhmter practiſcher Schriftſteller20)Hr. v. Truͤtſchler in der Anweiſung zur vorſichtigen und foͤrml. Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze. I. Th. II. Hauptabtheil. 3. Hptſt §. 63. Not. e. richtig bemerkt, nicht ſehr gewoͤhnlich, noch anzurathen, weil die Landesherrn dergleichen Supplicate an die Collegien, und dieſe an den Richter der erſten Inſtanz entweder zur Verfuͤgung oder Berichtserſtattung zu remittiren pflegen, und alſo eine ſolche Vorbeygehung des Richters nur Aufenthalt und Unkoſten verurſachet; in Anſehung der Pfalzgrafen aber, die bereits oben bey den Legitima - tionen und Adoptionen geaͤuſſerte Bedenklichkeiten obwal - ten. Die juſtinianiſche Emancipation iſt daher heutiges Tages die gewoͤhnlichſte21)Beyſpiele, beſonders unter Privatperſonen, findet man bey Huld ab eyben in Scriptis, quae de iure edidit, (Argentor. 1708. fol.) pag. 27. schilter in Praxi I. R. Ex. III. th. 16. de ludolf Obſervat. forens. P. II. Obſ. 165. wernher Obſ. for. T. I. P. I. Obſ. 9. barth Hodoget. forens. Cap. IV. §. 9 lit C. p. 728. leyser Spec. XXI. med. 3. et muͤller ad Leyſerum T. I. Obſ. 101.. Sie ſetzt die Einwilligung beyder Theile, des Vaters und des zu emancipirenden Kindes, zum voraus, und die Feyerlichkeit derſelben be - ſtehet darin, daß der Richter des Aufenthaltor -tes,377De adoptionibus, emancipationibus etc. tes, mittelſt eines foͤrmlichen Decrets, auf vorhergehen - de Anſuchung darum, dieſelbe beſtaͤtiget22)S. Nettelbladt’s Verſuch einer Anleitung zu der gan - zen practiſchen Rechtsgelahrth. §. 966. S. 498.. Sind es unmittelbare Perſonen, ſo ſuchen ſolche die Beſtaͤtigung entweder beym Reichshofrath, oder bey dem Cam - mergericht, indem die Jurisdiction beyder in dieſem Punct concurrirt23)Hr. v. Truͤtſchler a. a. O. S. 310. Not. d. Jedoch ſind die Beyſpiele davon ſelten24)Man findet dergleichen in Io. Georg. de kulpis Commen - tat. de adoptionib. et emancipationibus Principum §. 58. und Moſer im Familienſtaatsrecht Th. 2. S. 780. ff.. Mit dieſer wahren Emancipation iſt aber das Geſchaͤft nicht zu vermiſchen, da ein Kind, obgleich auch durch den Richter, blos dazu, daß eine gewiſſe Hand - lung zwiſchen Eltern und Kindern ihre Guͤltigkeit erhal - te, oder wenigſtens unangefochten bleiben moͤge, der vaͤ - terlichen Gewalt entlaſſen wird25)Nettelbladt a. a. O.. Sie wird von eini - gen emancipatio minus plena26)S. Io. Ulr. Chriſtph. tresenreuter Diſſ. de emancipa - tione minus plena. Altorf. 1759. 4., von andern aber eman - cipatio particularis27)So nennt ſie unſer Autor, und mit ihm mehrere. genennt. In den Geſetzen iſt die - ſe Art der Emancipation eigentlich nicht gegruͤndet. Viel - mehr iſt ihre Entſtehung dem Wahne zuzuſchreiben, daß wegen Einheit der Perſon, zwiſchen dem Vater und den Kindern, die noch unter ſeiner Gewalt ſtehen, auch noch heutiges Tages keine buͤrgerliche vollguͤltige Verbindlich - keit ſtatt finden koͤnne. Ob ich nun gleich an einem an - dern Ort (S. 236) gezeigt habe, daß ſich die von den Roͤmern erdichtete Einheit zwiſchen dem Vater und ſei -A a 5nen3781. Buch. 7. Tit. §. 161.nen Kindern mit dem Geiſt der teutſchen Sitten nicht wohl vertrage, nach welchen dem Vater nie ein ſolches Eigenthum uͤber ſeine Kinder zugeſtanden, als die roͤ - miſchen Geſetze demſelben ei[nr]aͤumen28)S. engau Elem. iur. germ. Lib. I. Tit. X. membr. 1., mithin, um den Vertraͤgen der Eltern mit ihren Kindern eine ver - bindliche Kraft zu verſchaffen, eine beſondere Emanci - pation eigentlich nicht noͤthig iſt, ſo halte ich doch da - fuͤr, daß man wohl thue, wenn man dieſe Handlung, da ſie von vielen groſſen Rechtsgelehrten auch noch zu un - ſern Zeiten fuͤr nothwendig gehalten wird29)ludolf Obſ. for. T. II. Obſ. 165. Moſer im teutſchen Staatsrecht Theil XXII. p. 431., um kuͤnf - tigen Steitigkeiten vorzubeugen, nicht verabſaͤumet30)Eben dieſer Meinung ſind gundling in Prot. Digeſtor. Lib. I. Tit. VII. §. 10. pag. 93. und Struben in den recht - lichen Bedenken 2. Theil Bed. 68. S. 254. ff.. Ich habe hierbey noch zweyerley zu bemerken:
I) Daß ein Vater ſeinen Sohn wegen ſolcher Hand - lungen allein der vaͤterlichen Gewalt nicht entlaſſen koͤnne, welche zu ihrer Guͤltigkeit den fortdaurenden und unun - terbrochenen Zuſtand eines Paterfamilias erfordern. So z. B. kann der Sohn nicht blos zur Teſtamentser - richtung allein emancipirt werden31)de berger in Oeconom. Iuris Lib. I. Tit. III. §. 16.. Denn es iſt bekannt32)§. 4. I. quib. mod. teſtam. infirm. L. 6. §. 5. D. de iniuſt - rupto et irrite teſtam. , daß, wenn ein Teſtament bis auf den Tod des Teſtirers bey ſeiner Kraft und Guͤltigkeit erhalten werden ſoll, es nicht hinreichend ſey, daß der Erblaſſer zur Zeit der Errichtung deſſelben ein von der vaͤterlichen Gewalt freyer Menſch geweſen iſt, ſondern er muß von dieſemZeit -379De adoptionibus, emancipationibus etc. Zeitpunkt an gerechnet bis auf ſeinen Tod nie in einen ſolchen Zuſtand gekommen ſeyn, der ihn der Teſtamenti - faktion unfaͤhig macht, weil ſonſt ſein Teſtament irri - tum wird. Wenn nun ein Sohn ad ſolum actum teſtandi emancipiret werden koͤnnte, ſo wuͤrde er zwar in dem Zeitraum, da er ſeinen letzten Willen errichtet, wohl als ein Paterfamilias anzuſehen ſeyn, allein er wuͤrde auch dieſe Eigenſchaft wieder verliehren, ſobald die feyerliche Handlung der Teſtamentserrichtung voruͤber iſt. Denn er wuͤrde nach geendigter Handlung wieder ein Filiusfamilias, und hierdurch ſein Teſtament von ſich ſelbſt unguͤltig (irritum) werden, weil ein Teſta - ment uͤberhaupt einen bis auf den Tod des Teſtirers un - unterbrochenen zur Teſtamentserrichtung faͤhigen Zuſtand erfordert. Hieraus folgt alſo, daß ein Vater ſeinen Sohn der vaͤterlichen Gewalt gaͤnzlich entlaſſen muͤſſe, wenn er will, daß der Sohn guͤltig teſtiren ſolle33)Man vergleiche die gemeinnuͤtzigen juriſt. Beob - achtungen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und El - ſaͤßer, 2. Band Nr. XXI. §. 148 — 151. S. 228. ff..
II) Wird die Emancipation blos auf eine einzige Handlung eingeſchraͤnkt, ſo iſt weiter keine Feyerlichkeit dabey zu beobachten, als dieſe, daß der Richter unter - ſuchet, ob beyderſeits die legale Einwilligung vorhanden ſey, und ſodann bey der Abfaſſung oder Beſtaͤtigung des Contracts, um welches willen die Entlaſſung geſchehen, ſolches ausdruͤcklich erwaͤhnet34)Hr. v. Truͤtſchler a. a. O. S. 310. Hr. GR. Net - telbladt a. a. O. S. 499. Es will zwar Heimburg in Diſſ. de emancipat. Rom. et Germ. §. 84. einer ſolchen be - ſondern Loslaſſung aus der vaͤterlichen Gewalt, welche bloß wegen einer gewiſſen Handlung geſchiehet, alle Kraft und Wirkung abſprechen, allein Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th. S. 433. hat ihn gruͤnd[l]ich wider - legt..
Gewoͤhn -3801. Buch. 7. Tit. §. 161.Gewoͤhnlicher iſt es, daß heutiges Tages Kinder durch Anſtellung einer eigenen Haushaltung, und die Toͤchter inſonderheit durch ihre Verheyra - thung aus der vaͤterlichen Gewalt gehen. Thoma - ſius35)thomasius in Diſſ. de quaſi emancipatione Germanorum. Halae 1703. nennt dieſe Art der Befreyung von der vaͤterli - chen Gewalt eine Quaſi-Emancipation. Allein richti - ger wird ſie zu denenjenigen modis gerechnet, welche aus geſetzlicher Vorſchrift auch wider des Vaters Willen deſſelben Gewalt aufheben .36)Hr. Prof. Weber in den angefuͤhrten Reflexionen §. 20. S. 74.. Denn mit der buͤrgerli - chen Volljaͤhrigkeit erlangt der Sohn das Recht, als ein freyes Glied des Staats aufgenommen zu werden. Die Geſetze vermuthen alsdann, daß die Eltern demſelben allen Unterricht ertheilet haben, deſſen er, zur Verwal - tung ſeines Vermoͤgens, und zu ſeinem Fortkommen bedarf. Sobald er dazu eine ſchickliche Gelegenheit fin - det, ſo iſt kein Grund mehr vorhanden, die vaͤterliche Gewalt noch weiter hinauszuſetzen; ja es liegt vielmehr ſelbſt dem Staate daran daß die Vormundſchaft ſeiner Buͤrger nicht ohne Noth verlaͤngert, und nicht dadurch der Betriebſamkeit, der Freyheit im Handel und Wan - del, unnoͤthige Feſſeln angelegt werden. Man kann da - her mit Recht behaupten, daß die Befreyung der Soͤhne von der vaͤterlichen Gewalt durch Errichtung einer eige - nen Wirthſchaft dem Rechte der Vernunft eben ſo ge - maͤß ſey37)Hr. v. Globig in der angef. Preißſchrift S. 119., als ſie in der That eine herrſchende Sitte aller europaͤiſchen Nationen iſt38)Dieß hat grupen in Diſceptat. forens. Cap. II. membr. 2. pag. 91. ſqq. mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen.. Die roͤmiſchen Ge -ſetzgeber381De adoptionibus, emancipationibus etc. ſetzgeber erſtreckten zwar die vaͤterliche Gewalt auf die ganze Lebenszeit des Vaters hinaus, und wenn der Va - ter ja die Kinder noch bey ſeinem Leben ſeiner Gewalt entließ, ſo hatten ſie ſolches als eine beſondere Wohlthat anzuſehen39)dionys. halicarn. lib. II. Antiquit. Rom. pag. 96. (edit. Sylburg.) Romanorum autem legislator (Romulus) omnem poteſtatem patri dedit in filium, idque toto vitae tempore, — etiamſi filius tractet rempublicam, etiamſi magiſtratus geſſerit maximos, etiamſi ſtudii erga rempublicam laudem ſit pro - meritus. . Allein es waren nicht politiſche Gruͤnde, nicht die Abſicht, dadurch die Regierung und die Sitt - lichkeit zu befeſtigen, die Urſache jenes Despotismus, wie Herr von Globig40)a. a. O. S. 120. Not. ***). richtig bemerkt hat; ſondern die Noth und der Eigennutz der Raͤuber, welche den roͤ - miſchen Freyſtaat gegruͤndet hatten, fuͤhrten den Griffel des erſten Geſetzgebers. Und obwohl das Zwoͤlftafelge - ſetz und die Ehrfurcht fuͤr das graue Alterthum demſel - ben das Siegel der Unvergaͤnglichkeit aufdruͤckte, ſo daß auch bey allen nachherigen Milderungen der vaͤter - lichen Gewalt, welche von den roͤm. Kaiſern gemacht wurden, dennoch dem Vater dieſe immerwaͤhrende Herr - ſchaft uͤber ſeine Kinder verblieb41)Daher hatte ein roͤmiſcher Vater auch uͤber des Sohns Kin - der, ſeine Enkel und Enkelinnen, ja uͤber die Kinder dieſer Enkel, ſeine Urenkel, die vaͤterliche Gewalt. §. 3. I. de patr. poteſt. ; ſo haben demunge - achtet ſo wenig die Teutſchen als andere europaͤiſche Na - tionen, welche die roͤmiſchen Rechte unter ſich eingefuͤh - ret, hierin dem Beyſpiel der Roͤmer gefolget. Sie ha - ben es vielmehr als Schuldigkeit der Eltern betrachtet, das erzogene volljaͤhrige Kind ziehen zu laſſen, ja es ſte - het in deſſen Willen, bey jeder ſich ereignenden vortheil -haften3821. Buch. 7. Tit. §. 161.haften Gelegenheit, ſich von den Banden der vaͤterlichen Gewalt los zu machen, und eine eigene Wirthſchaft an - zufangen. Es findet auch in ſolchen Faͤllen das praemium emancipationis, welches bey den Roͤmern in der Haͤlfte der Nutzung der Adventitien beſtand42)§. 2. I. per quas perſonas cuique acquiritur. , heutiges Tages keine Statt43)Aem. Lud. hombergk zu vach Diſſ. de bonis adventitiis liberis ſui iuris factis a patre reſtituendis, nec non de prae - mio emancipationis hodie ceſſante vel non ceſſante. Marburgi 1756. §. 18. pufendorf Obſervat. iur. univ. Tom. I. Obſ. XCVIII. §. 17. ibique allegati DDres, Cramer Wetz - lariſche Nebenſtunden Th. LXXXI. Nr. 7. S. 141. Hoͤpf - ner im Commentar §. 163. S. 164. ibique Not. 11. allegati, v. Globig a. a. O. S. 123. Not. *). Anderer Meinung iſt leyser Spec. 164. med. 5. allein Hombergk hat ihn a. a. O. gruͤndlich widerlegt., weil dieſe Befreyung nicht als eine Wohlthat des Vaters, ſondern der Geſetze billig anzu - ſehen iſt. Es entſtehet jedoch nun die ſehr wichtige Fra - ge, was zur Anſtellung einer eigenen Haus - haltung erforderlich ſey44)Die beyden beſten Schriften uͤber dieſe Materie ſind Ferdin. Chriſtoph. harpprecht Diſp. de ſeparatione liberorum fami - lias ab oeconomia paterna. Tubingae 1689. Vol. I. Diſſerta - tion. Academicar. Diſſ. III. pag. 79 — 126. und Caſp. Gottfr. schepler Diſſ. de iure liberorum vivis parentibus ſui iuris factorum reſpectu ſucceſſionis in bona parentum. Halae 1752. Schade, daß dieſe letztere Schrift, die nur Section. I. ent - haͤlt, unvollendet geblieben iſt.. Ich muß geſtehen, daß es leichter ſey, dieſe Erforderniſſe in abſtracto an - zugeben, als in einzelnen vorkommenden Faͤllen die Beſtimmung, ob eine wahre Abſonderung von dieſer Art vorhanden ſey, richtig zu treffen. Man erfordert nun nach den gemeinen Sitten der Teutſchen zur Errichtung einer eigenen Wirthſchaft,
1) daß383De adoptionibus, emancipationibus etc.1) daß die Kinder diejenige Reife des Alters und Verſtandes erreicht haben muͤſ - ſen, daß ſie ihnen ſelbſt und ihrem Vermoͤ - gen vorzuſtehen im Stande ſind. Ob hierzu ge - rade die Volljaͤhrigkeit noͤthig ſey, iſt ſtreitig, und ſelbſt die teutſchen Statuten enthalten hiervon keine ganz deutliche Beſtimmung. Die gewoͤhnliche Sprache derſelben iſt: daß Kinder zu ihren muͤndigen Jahren gekommen45)Saͤchſiſche Landesordnungen Part. II. Conſt. 10.; — ihre mannbare Jahre erreicht46)Wuͤrtemb. Landrecht P. II. Tit. 18. pag. 304., oder ihr muͤndiges vollkommliches Alter erreicht ha - ben muͤſſen47)Reformat. Francofurt. P. II. Tit. I. §. 8.. Die meiſten Rechtsgelehrten nehmen daher an, daß dieſes von der Großjaͤhrigkeit zu verſtehen ſey48)carpzov Iurispr. Forens. P. II. Conſt. 10. definit. 1. lau - terbach ad Ius Prov. Würtemb. c. l. philippi uſ. pract. Inſtitut Iuſtin. Lib. I. Tit. XII. Eclog. 77. n. 4. stryck Uſ. Modern. Pandectar. h. t. §. 19. schepler cit. Diſſertat. Sect. I. §. 27. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th. S. 424.; andere hingegen halten auch ſchon die vollkommene Muͤndigkeit des Sohnes fuͤr hinrei - chend49)harpprecht cit. Diſſert. §. XX. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 621.. Allein wenn gleich die letztere Meinung dem Buchſtaben der Statuten gemaͤßer zu ſeyn ſcheint, ſo ſtimmt doch die Meinung der erſtern mit der Analo - gie des Rechts beſſer uͤberein, weil Minderjaͤhrige nach teutſchen Rechten50)R. Policeyordn. vom Jahr 1548. Tit. 31. §. 1. und vom Jahr 1577. Tit. 32. §. 1. zur eigenen Verwaltung ihres Ver -moͤgens3841. Buch. 7. Tit. §. 161.moͤgens noch nicht faͤhig gehalten werden. Sollte in - deſſen der Vater ein noch unvolljaͤhriges Kind zu Errich - tung einer eigenen Wirthſchaft von ſich laſſen; ſo wuͤrde ſolches zwar auch hierdurch aus der vaͤterlichen Gewalt kommen, und die Rechte derſelben aufhoͤren, jedoch be - halten die Eltern in einem ſolchen Fall wenigſtens die vormundſchaftlichen Rechte, bis das Kind zur Volljaͤh - rigkeit gelangt51)von Globig a. a. O. S. 123..
2) Wird zur Anſtellung einer eigenen Haushaltung erfordert, daß die Kinder ſich durch Ergreifung eines Gewerbes ihren beſtaͤndigen Unterhalt ſelbſt zu verſchaffen, im Stande ſind, oder wenigſtens von ihrem eigenen Vermoͤgen le - ben koͤnnen.
3) Daß ſie ſich von ihrem noch lebenden Vater wirklich und voͤllig abſondern, und dieß zwar
4) in der Abſicht, zur Familie des Vaters, als derſelben Mitglieder, nicht wieder zu - ruͤckzukommen, und ſich von ihm ernaͤhren zu laſſen, ſondern nun einen eigenen von den Eltern unabhaͤngigen Lebenswandel anzu - fangen. Es iſt jedoch hierzu nicht gerade noͤthig, daß der abgeſonderte Sohn aus der Eltern Hauſe zie - hen, und von denenſelben entfernt in einem beſondern Hauſe wohnen muͤſſe; nein! der Sohn kann in der Eltern Hauſe bleiben, wenn er nur ſonſt eine eigene Haushaltung und beſondere Wirthſchaft fuͤhrt, und nicht mehr von dem Vater unterhalten wird52)harpprecht in cit. Diſſert. §. XXX. XXXII. . Jaes385De adoptionibus, emancipationibus etc. es iſt der eigenen Haushaltung billig gleich zu halten, wenn der Sohn zwar bey dem Vater zu Tiſche gehet, aber dem Vater das Koſtgeld zahlt53)harpprecht cit. Diſp. §. XXXIII. n. 192. Es iſt auch zu dieſer Abſonderung ſo wenig die Beſtaͤtigung des Rich - ters54)Ebenderſelbe §. XII. schepler cit. Diſſ. §. 33., als die Zuziehung von Zeugen erforderlich55)harpprecht c. l. §. XIII. . Ob aber nicht wenigſtens die Einwilligung der Eltern noͤ - thig ſey, wenn der nun volljaͤhrige Sohn den Weg zur eigenen Haushaltung betreten, und von der Eltern Zucht zum Leben eines freyen Buͤrgers uͤbergehen will, iſt ſtrei - tig? Die dieſes bejahen56)schepler cit. Diſſert. §. 31. u. 32. Schott Einleitung in das Eherecht §. 193. stryck Uſ. Mod. Pandectar. h. t. §. 20. Hr. v. Globig in der oͤfters angef. Preisſchrift S. 120., ſetzen den Grund ihrer Behauptung in der Beſchaffenheit der vaͤterlichen Gewalt, welche denen Kindern nicht erlaubt, einen ſo wichtigen Schritt, welcher faſt allemal das Schickſal ihres ganzen uͤbrigen Lebens beſtimmt, ohne den Rath und Beyſtand ihrer Eltern zu thun. Bey den Eltern kommt noch die - ſer wichtige Grund hinzu, daß ſie durch eine ſolche Ab - ſonderung der Kinder einen nicht geringen Verluſt an Rechten und Vortheilen leiden, welche mit der elterli - chen Gewalt verbunden ſind. Nun aber ſcheint es un - billig zu ſeyn, denen Eltern dieſe Rechte wider ihren Willen zu entziehen, zumal da das Geſetz praͤſumiren muß, der Sohn habe die Mittel zu ſeiner neuen Einrich - tung von ihnen erhalten, oder doch wenigſtens durch den von ihm genoſſenen Unterricht erworben. Allein wenn es gleich jederzeit rathſam, und den Pflichten der kind -lichenGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. B b3861. Buch. 7. Tit. §. 161.lichen Dankbarkeit und des Gehorſams allerdings gemaͤß iſt, zur Anſtellung eines eigenen Hausweſens die Einwil - ligung der Eltern zu erfordern, ſo iſt doch nicht zu er - weiſen, daß dieſes eine geſetzliche Nothwendigkeit ſey. Es finden auch die Grundſaͤtze von der roͤmiſchen Emancipa - tion hier keine Anwendung, da die Befreyung von der vaͤterlichen Gewalt durch Errichtung einer eigenen Wirth - ſchaft eine Wohlthat der Geſetze iſt. Ich ſtimme alſo aus dieſen Gruͤnden vielmehr denenjenigen57)harpprecht cit. Diſſ. §. 18. de selchow in element. iuris germ. §. 500. hofacker cit. loco S. 484. Lud. Go - dofr. madihn Princip. iur. Rom. P. V. §. 20. hommel. Rhapfod. Quaeſtion. Forens. Vol. V. Obſ. 667. n. 2. p. 300. bey, wel - che die geſetzliche Nothwendigkeit der elterlichen Einwil - ligung in der Regel laͤugnen, wofern nicht etwa die be - ſondern Geſetze und Gewohnheiten eines Orts oder Lan - des dieſelbe erfordern. Glauben jedoch die Eltern ge - gruͤndete Urſachen zu haben, ſich dem Vorhaben ihres, obwohl majorennen Sohnes, in Errichtung einer eigenen Wirthſchaft, widerſetzen zu koͤnnen, z. B. ſchwache Ver - ſtandskraͤfte des Sohnes, oder deſſen unordentliches, ver - ſchwenderiſches oder ſonſt leichſinniges Betragen, machen es bedenklich, ihm die Fuͤhrung einer eigenen Wirth - ſchaft zu uͤberlaſſen, ſo muͤſſen ſie ihre Bedenklichkeiten der Obrigkeit anzeigen, und es auf dem Ausſpruch der - ſelben ankommen laſſen, ob und in wie fern ſie fuͤr gegruͤndet zu halten ſind58)harpprecht cit. Diſſertat. §. 50.. Hieraus ergeben ſich noch folgende rechtliche Wahrheiten.
I) So lange die Kinder in des Vaters Brodt ſind, und von ihm unterhalten werden, bleiben ſie in deſſelben Gewalt, geſetzt auch daß ſie ſchon die Majorennitaͤt er - langt haͤtten59)harpprecht cit. D. §. 25. heimburg difficill. eman - cipat. rom. et germ. capit. §. 78.. Denn die Volljaͤhrigkeit an ſichendi -387De adoptionibus, emancipationibus etc. endiget die vaͤterliche Gewalt auch nach teutſchen Rechten nicht60)Anderer Meynung iſt zwar voetius in Commentar. ad Pandect. h. t. § 15. allein man kann, was teutſche Sitten anbetrift, ſeinem Zeugniß nicht wohl trauen. Daß indeſſen die erlangte Volljaͤhrigkeit des Kindes auf die Rechte der vaͤ - terlichen Gewalt nicht ohne allem Einfluß ſey, iſt gewiß. Denn was der volljaͤhrige Sohn durch ſeine Arbeiten erwirbt, oder geſchenkt erhaͤlt, darf er nicht mehr ur Maſſe des in der Adminiſtration des Vaters ſich befindenden Vermoͤgens ſchla - gen, dieſes bleibt ſeiner voͤlligen Dispoſition uͤberlaſſen. In ſo weit kann alſo der Sohn auch Schulden kontrahiren. Fer - ner uͤber ein volljaͤhriges Kind duͤrfen die Eltern das Zuͤch - tigungsrecht nicht mehr ausuͤben, welches ſich blos auf die Erziehung und Bildung zum buͤrgerlichen Leben einſchraͤnkt, die alsdann fuͤr vollendet zu achten iſt. Sie muͤſſen daher ihre Klagen bey der Obrigkeit anbringen, obwohl ihnen eine Ue - bereilung in der Hitze des Zorns wohl zu verzeihen iſt. S. Hr. v. Globig in der Preißſchrift S. 122. u. 123., ſondern berechtiget nur den Sohn, bey jeder ſchicklichen Gelegenheit, die ihm den Weg zur eigenen Haushaltung eroͤfnet, ſich der elterlichen Vorſorge und Ge - walt zu entziehen. So lange er jedoch ſeine eigene Wirthſchaft noch nicht angefangen hat, und ſich daher noch bey den Eltern verweilet, entweder weil ihm Mittel und Gelegenheit zur Verſorgung fehlen, oder weil die Eltern und der Magiſtrat den Weg, welchen er gehen will, nicht gut heißen; ſo lange muß die Verwaltung ſeines eigenen Vermoͤgens und deſſen Nutzung noch dem Vater verbleiben; ſo lange iſt der Sohn auch noch zu haͤußlichen Dienſten und zur Unterſtuͤtzung der Eltern mit mit ſeinem Gewerbe verpflichtet. Denn ſolches ſind all - gemeine Vortheile, welche die Geſetze den Eltern billiger - weiſe fuͤr die Beſchwerden der ganzen Erziehung gewaͤh - ren61)v. Globig a. a. O. S. 121. folg.. In wiefern jedoch ein Sohn, der zwar bereitsB b 2voll -3881. Buch. 7. Tit. §. 161.volljaͤhrig geworden, allein ſich von den Eltern, mit An - ſtellung einer eigenen Nahrung und Haushaltung, noch nicht abgeſondert hat, zu ſolchen buͤrgerlichen Handlungen faͤhig ſey, die die Eigenſchaft eines Paterfamilias erfor - dern, iſt ſtreitig. Zwar iſt man darin voͤllig einverſtan - den, daß die Errichtung eines Teſtaments bis auf wirk - lich erfolgte voͤllige Abſonderung des Sohns ſuſpendirt bleiben muͤſſe. Allein die Frage, woruͤber eigentlich ge - ſtritten wird, iſt dieſe; ob ein ſolcher Sohn ohne Genehm - haltung des Vaters Schulden machen, und Wechſel aus - ſtellen koͤnne? und ob, wenn er ſolches gethan, wider denſelben eine Klage ſtatt finde? Die meiſten heutigen Rechtsgelehrten entſcheiden dieſe Frage in der Regel ver - neinend62)S. God. Lud. mencken Diſſ. de uſu ferenſi Scti Macedo - niani in Germania Vitembergae 1715.. Allein ſollte dieß wohl der heutigen Ver - faſſung angemeſſen ſeyn? Der Hauptgrund, warum die Roͤmer das Macedonianiſche Senatusconſultum abgefaſſet haben, war ja, damit das Leben der Vaͤter durch das Schuldenmachen der Kinder nicht in Gefahr komme. Dieſer iſt aber gegenwaͤrtig wenigſtens nicht mehr in der damaligen Staͤrke vorhanden. Denn die chriſtliche Mo - ral hat das Leben der Eltern beſſer, als das Macedonia - niſche Senatusconſultum, geſichert. Hierzu kommt, daß es fuͤr redliche Glaͤubiger, die einen großjaͤhrigen Sohn Gelder leihen, zumal in den Staaten, worinn die Voll - jaͤhrigkeit erſt mit dem 25ſten Jahre den Anfang nimmt, etwas hart zu ſeyn ſcheinet, wenn Letzterer ſich mit der Einwendung, daß er ſich noch nicht aus der vaͤterlichen Gewalt begeben habe, ſchuͤtzen, und durch dieſe Handlung einen um das ihm geliehene Geld bringen kann. Denn denen Kindern ſtehet es ja heutiges Tages nach erlangter Volljaͤhrigkeit frey, ſich aus der vaͤterlichen Gewalt zu be -geben,389De adoptionibus, emancipationibus etc. geben, den Eltern den Nießbrauch ihres Vermoͤgens zu entziehen, und daruͤber ſelbſt zu disponiren, es wird auch zu dieſer Handlung keine foͤrmliche Entlaſſung erfordert; wie kann alſo ein Dritter das Familienverhaͤltniß, worin ein großjaͤhriger Sohn, der ſich vielleicht auf Reiſen be - findet, oder ſonſt ſich außer dem vaͤterlichen Hauſe auf - haͤlt, mit ſeinen Eltern ſtehet; und ob es ihm gefallen, der vaͤterlichen Gewalt zu entſagen, oder ſich derſelben noch zu unterwerfen, immer wiſſen? Dieß ſind die Gruͤnde, aus welchen daher ein beruͤhmter teutſcher Rechts - gelehrter63)von Tevenar Verſuch uͤber die Rechtsgelahrheit IV. Th. XI. Abſchn. S. 590 und folg. jener gemeinen Meynung zu widerſprechen, und dieſelbe einer noch zu ſtrengen Anhaͤnglichkeit an die Begriffe der roͤmiſchvaͤterlichen Gewalt zuzuſchreiben, kein Bedenken getragen hat. Allein mir ſcheinen dennoch die Gruͤnde, die fuͤr die gemeine Meynung ſtreiten, uͤberwie - gender zu ſeyn. Denn das Macedonianiſche Senatus - conſultum iſt doch mit dem roͤmiſchen Rechte unſtreitig in Teutſchland eingefuͤhrt. Es muß folglich einem jeden zu gute kommen, der waͤhrender vaͤterlichen Gewalt Schulden kontrahirt, und ſelbſt kein freyes Vermoͤgen64)Ich nenne hier freyes Vermoͤgen dasjenige, was der voͤlligen Dispoſition der Kinder uͤberlaſſen, und daher dem vaͤterlichen Nießbrauch nicht unterworfen iſt. Dahin gehoͤrt pecu - lium militare, auch peculium adventitium irregulare. Hat der Sohn ein ſolches Vermoͤgen, ſo ceſſirt das SCtum Macedonianum. L. 1. §. fin. L. 2. D. de SCto Macedon. Nov. CXVII. Cap. I. §. 1. Conf. Lud. God. madihn in Princip. iuris Rom. P. V. §. 19. nr. 1. beſitzt. Nun aber hebt die Volljaͤhrigkeit an ſich auch heu - tiges Tages die vaͤterliche Gewalt nicht auf. Die Unwiſ - ſenheit kann den Glaͤubiger gegen die Einrede jenes Rath - ſchluſſes nicht ſchuͤtzen, ſo fern er wiſſen konnte, daß ſeinB b 3Schuld -3901. Buch. 7. Tit. §. 161.Schuldner zur Zeit, als er das Darlehn ſuchte oder em - pfing, noch nicht ſein eigner Herr war65)L. 19. de SCto Macedon. . Denn wer ſich willkuͤhrlich mit jemand in Geſchaͤfte einlaͤſſet, von dem kann man vernuͤnftiger Weiſe fordern, daß er ſich vor - laͤufig um die Verhaͤltniſſe derjenigen Perſon bekuͤmmere, mit welcher er ſich einlaſſen ſoll66)L. 19. pr. D. de Reg. Iuris. . Hat er dieſes nicht gethan, ſo iſt es ſeine Schuld. Ein anderes waͤre es, wenn die Unwiſſenheit des Glaͤubigers rechtliche Ent - ſchuldigung verdiente67)L. 3. D. de SCto Macedon. , oder durch den Betrug des Schuldners ſelbſt waͤre veranlaſſet worden68)L. 1. Cod. eodem. ; wovon in den Tit. ad Senatusconſultum Macedonianum ein mehreres vorkommen wird.
II) Zur Anſtellung einer eigenen Haushaltung iſt nicht genug, wenn die Kinder keine Alimente mehr von den Eltern bekommen, ſondern ſich bey einer Herrſchaft in Dienſt begeben, und von derſelben Lohn und Koſt erhalten, oder der Sohn als Soldat Lehnung, oder als Geſell ein Wochenlohn erhaͤlt, und davon ſich allenfalls ſelbſt ernaͤh - ren kann; oder wenn das Kind ſo viel eigenes Vermoͤgen hat, daß es davon fuͤr ſich leben koͤnnte; ſondern es iſt ſchlechterdings nothwendig, daß die Kinder ſich haͤuslich nieder laſſen, und durch Anſtellung einer beſondern Haus - haltung ſich von den Eltern voͤllig trennen, wenn ſie von der vaͤterlichen Gewalt frey ſeyn wollen69)harpprecht cit. Diſſert. §. 27. wernher in Obſervat. forens. T. I. P. I. Obſ. 9. stryk Us. Mod. Pand. h. t. §. 19. vorzuͤglich aber hommel in Rhapſod. Quaeſtion. For. Vol. I. Obſ. 162.. So langedieſes391De adoptionibus, emancipationibus etc. dieſes noch nicht geſchehen iſt, dauern die Rechte der vaͤterlichen Gewalt fort, wenn auch gleich der Sohn mit des Vaters Bewilligung ein Gewerbe triebe70)harpprecht c. D. §. 23. n. 137., oder ſonſt ſich außer dem vaͤterlichen Hauſe aufhielte71)harpprecht c. l. §. 7. n. 27. ſqq. . Denn die beſondere Wohnung der Kinder hebt die vaͤterliche Ge - walt an ſich nicht auf72)heimburg in der oben angefuͤhrten Diſſertation §. 76..
III) Soviel die Toͤchter anbetrift, ſo iſt zwar uͤberhaupt keinem gegruͤndeten Zweifel unterworfen, daß dieſelben unter den oben angefuͤhrten Umſtaͤnden ebenfalls durch Anſtellung einer eigenen Oeconomie ſui iuris wer - den koͤnnen73)Saͤchſiſch. Landrecht I. Buch Artic. 11. und 13. Conf. harpprecht c. D. §. XIX. n. 101. §. XXIX. n. 176. hommel Rhapſod. Quaeſtion. Forenſ. Vol. V. Obſ. 667. n. 30. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 463. S. 164. u. a. m. Einer andern Meynung iſt jedoch Hr. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th. S. 431.; doch iſt der Fall bey ihnen ſeltener. Denn da das weibliche Geſchlecht wegen ſeines zarten Nerven - baues der Verfuͤhrung am meiſten ausgeſetzt, auch zu ſtrengen Arbeiten und buͤrgerlichen Geſchaͤften nicht recht faͤhig iſt, ſo werden Eltern ihre erwachſene Toͤchter ihrer Aufſicht nicht leicht eher entlaſſen, als bis ſie der Auf - ſicht eines Mannes anvertraut werden koͤnnen74)v. Globig in der Preißſchr. S. 130.. Toͤch - ter gehen daher heutiges Tages gewoͤhnlichermaßen erſt durch die Heyrath aus der vaͤterlichen Gewalt. Hie - rin ſtimmen die Sitten der Teutſchen mit den heutigen Gewohnheiten der uͤbrigen europaͤiſchen Nationen genauB b 4uͤber -3921. Buch. 7. Tit. §. 161.uͤberein, wie Herr von Pufendorf75)Obſervat. iur. univ. Tom. I. Obſ. 99. §. 6 — 10. et T. II. Obſ. 115., ſehr ausfuͤhrlich gezeigt hat. Daß durch die Ehe eines Sohnes allein die vaͤterliche Gewalt noch nicht aufhoͤre, iſt ſchon oben be - merkt worden76)Siehe S. 345. Conf. heimburg eit. Diſſ. §. 79.. Ein anderes iſt, wenn er ſich bey ei - ner Frau einfreyet, die ihre eigene Haushaltung und Handthierung hat, und der Sohn durch Ergreifung die - ſes Gewerbes ſich von dem Vater voͤllig ſcheidet. Z. B. Er heyrathet eine Meiſters-Witwe77)harpprecht cit. Diſſ. §. XXIV. . Verſchiedene Rechtsgelehrte wollen zwar behaupten, daß dieſes heuti - ges Tages auch bey der Verheyrathung der Toͤchter Rech - tens ſey. Sie meynen, daß durch die Verheyrathung derſelben die vaͤterliche Gewalt, ſo lange die Ehe dauert, nur ſuspendiret werde, die Tochter aber nach erfolgter Aufhebung der Ehe, wieder in die vaͤterliche Gewalt zu - ruͤckfalle78)Iuſt. Henn. boehmer in Iur. Eccleſ. Proteſtant. Tom, III. Lib. IV. Tit. II. §. 16. pag. 1248. und mehrere noch aͤltere Rechtsgelehrten, welche mit ihren Gruͤnden Harpprecht in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. §. 51. anzeigt; unter den neuern iſt Prof. Madihn in Princip. iuris Rom. P. V. §. 20. dieſer Meynung.. Allein wenn gleich dieſe Meynung den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Rechts allerdings gemaͤß iſt, (S. oben §. 156. S. 344. folg. ) ſo ſtimmt ſie doch mit den heutigen Sitten und dem Gerichtsgebrauche nicht uͤber - ein, wie Harpprecht79)Cit. Diſſert. §. 52., Voet80)in Commentar. ad Pandect. h. t. §. ult. und inſonderheit Chriſtoph Ludewig Crell81)in Diſſ. de filia vid[u]a ad patrem reverſa. Vitembergae 1754. aus uͤberzeugendenGruͤn -393De adoptionibus, emancipationibus etc. Gruͤnden erwieſen haben. Wenn demnach eine Tochter durch die Heyrath von der vaͤterlichen Familie einmal ab - geſondert iſt, und ſie kehrt auch als Witwe wieder zu ih - res Vaters Hauß und Tiſch zuruͤck, ſo wacht hierdurch die einmal erloſchene vaͤterliche Gewalt nicht wieder auf82)S. Prof. wernher lect. Commentat. ad Dig. h. t. §. 13. S. 61. und hommel Rhapſod. Quaeſtion. For. Vol. V. Obſ. 667. n. 29., ſondern die Tochter bleibt heutiges Tages ſui iuris, und behaͤlt den Stand des verſtorbenen Mannes, bis ſie zur andern Ehe ſchreitet. Hierzu kommt was Ulpian ſagt83)L. 12. D. h. t. : Qui liberatus eſt patria poteſtate, is poſtea in poteſtatem ho - neſte reverti non poteſt, niſi adoptione, welches allerdings hier Anwendung findet.
Ehe ich dieſen §. verlaſſe, muß ich noch eine Be - merkung hinzufuͤgen. Man pflegt es eine ſtillſchwei - gende beſondere Emancipation zu nennen, wenn ein Vater die Obrigkeit erſucht, ſeinen noch minderjaͤhri - gen Sohne, weil er mit demſelben ein gewiſſes Ge - ſchaͤft ſchlieſſen will, einen Curator zu beſtellen, und von der Obrigkeit dieſem Geſuche auch gewillfahret wird84)berger Oecon. iuris Lib. I. Tit. III. §. 16. wernher Obſervat. forens. Tom. I. Part. III. Obſervat. 248. und Gottfr. Reinb. koeselis Diſſ. de tacita eaq. particulari emancipatione iure domeſtico fundata Vit. 1724.. Allein daß dieſer Sprachgebrauch unſchicklich ſey, ergiebt ſich aus den vorgetragenen Grundſaͤtzen von ſelbſt85)Man ſehe nach heimburg cit. Diſſertat. §. 73. 74. u. 75. vorzuͤglich aber Chriſt. Ilenr. breuning Diſſ. an, ſi a patre filio ſuo petatur curator, hoc involvat emancipationem taci - tam. Lipſiae 1770.
Die Wirkungen, die durch Aufhebung der buͤrger - lichen vaͤterlichen Gewalt hervorgebracht werden, ſind theils ſolche, die in einem jeden Fall eintreten, ohne Unterſchied der Art, wie die vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, wir koͤnnen ſie gemeine Wirkungen nennen; theils ſol - che, die in einer beſondern Art der Erloͤſchung ihren Grund haben, beſondere Wirkungen.
I) Gemeine Wirkungen ſind folgende. Die Kinder werden dadurch ſui iuris, und erlangen die Rech - te eines Paterfamilias Sie koͤnnen daher, wenn ſie nur das erforderliche Alter haben, ſelbſt ein Teſtament machen, koͤnnen nunmehr ohne Einwilligung des Vaters auf eine guͤltige Art Schulden kontrahiren, und zur Be - zahlung derſelben angehalten werden, ohne ſich mit dem SCtum Macedonianum weiter ſchuͤtzen zu duͤrfen Die Herrſchaft der Eltern, die haͤuslichen Dienſte, die Be - nutzung des eigenen Vermoͤgens der Kinder hoͤrt gleich - falls auf. Das gewaltfreye Kind kann ſein Muttergut dem Vater abfordern, und ihn zu deſſen Ablieferung mit Recht noͤthigen. Hat der Vater Mobilien und Effecten des Kindes in Verwahrung gehabt, ſo muß das Kind ſolche vollſtaͤndig zuruͤck erhalten. Sind ſie nicht mehr vorhanden, oder durch den Gebrauch abgenutzt, ſo muß dem Kinde der wahre Werth verguͤtet werden. Dieſer wahre Werth wird nach dem Zeitpunkte beſtimmt, wo die Mobilien in des Vaters Gewahrſam gekommen ſind. Der Sohn genießt von nun an die Rechte eines freyen Buͤrgers, er kann nun nach eigenem Gefallen ſein Gewer - be modificiren, und auch der Schritt zum ehelichen Le - ben muß von ſeiner eigenen freyen Wahl abhangen. Zwarwird395De adoptionibus, emancipationibus etc. wird die Pflicht, zur Schließung einer Heyrath die Ein - willigung der Eltern einzuholen, nach der richtigern Mey - nung der Rechtsgelehrten, durch die Endigung der vaͤ - terlichen Gewalt eigentlich nicht aufgehoben, weil ſich die - ſelbe zugleich auf die denen Eltern ſchuldige kindliche Verehrung gruͤndet86)Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. (Berlin und Stralſund 1789.) S. 18. folg. Lud. God. ma - dihn Princip. Iur. Rom. P. V. §. 2. in fin. Einer andern Meynung ſind jedoch harpprecht cit. Diſſ. §. 46. n. 236. und Iuſt. Henn. boehmer in Iur. Eccl. Proteſt. Tom. III. Lib. IV. Tit. II. §. 13. et 14. pag. 1247., welche durch Aufhebung der elterlichen Gewalt nicht vermindert wird; indeſſen kann doch die Nichtbefragung der Eltern nur als Undank durch Entziehung fernerer Unterſtuͤtzung, nicht aber, wie vorher, mit der Nullitaͤt der Handlung ſelbſt geahndet werden87)Hr. v. Globig in der angef. Preißſchrift S. 125.. Die das Gegentheil behaupten, haben nicht bedacht, daß es die Ruhe mancher Familie ſtoͤhren, manche Perſon auf immer ungluͤcklich machen wuͤrde, wenn zur Heyrath eines laͤngſt abgeſonderten, in der Fremde lebenden Sohnes, die Einwilligung der Eltern ein ſo weſentliches Erforderniß ſeyn ſollte, daß in Erman - gelung derſelben laͤngſt geſchloſſene Ehen wieder getrennt werden koͤnnten. Man pflegt es jedoch in einem ſolchen Fall, da die Kinder abweſend ſind, bey einer vermuthe - ten Einwilligung der Eltern nach dem Gerichtsgebrauch bewenden zu laſſen, wenn keine gegruͤndete Urſache eines Widerſpruchs abzuſehen iſt.
II) Beſondere Wirkungen der Befreyung von der vaͤterlichen Gewalt ſind:
a) wenn Kinder durch den Tod des Vaters ſui iuris werden; ſo muß nicht nur einem jeden Kindedas3961. Buch. 7. Tit. §. 162.das Seinige aus dem vaͤterlichen Nachlaß voraus, und zwar ohne allen Abzug, verabfolget werden, ſondern es erben auch ſolche Kinder den Vater iure ſuorum here - dum, das heißt, ſie acquiriren die vaͤterliche Erbſchaft ipſo iure, und transmittiren ſolche weiter auf ihre Erben, wenn ſie gleich dieſelbe bey ihrem Leben noch nicht ange - treten, d. i. ſich noch nicht erklaͤrt hatten, daß ſie Erben vom Vater ſeyn wollten88)§. 2. I. de bered. qualit. et different. §. 3. I. de hered. quae ab inteſt. L. 3. Cod. de iure delib. .
b) Wenn hingegen der Vater die Kinder freywillig emancipirt, ſo daß ſie dieſe Befreyung blos als eine Wohlthat des Vaters anzuſehen haben, ſo muͤſſen ihm die Kinder aus Dankbarkeit fuͤr die Emancipation den Nießbrauch uͤber die Haͤlfte ihres unter der vaͤterlichen Verwaltung bisher geſtandenen eigenthuͤmlichen Vermoͤ - gens uͤberlaſſen, ſo lange er lebt. Man nennt dieſe Be - lohnung des Vaters praemium emancipationis89)L. 6. §. 3. Cod. de bonis quae liberis., und ſie findet unter den bemerkten Umſtaͤnden nach der richti - gern Meynung der Rechtsgelehrten unſtreitig auch noch heutiges Tages ſtatt90)pufendorf Obſervat. iur. univ. T. I. Obſ. 98. §. 16. ibi - que allegati DDres. Man ſehe auch die beym vorigen §. Not. 43. angefuͤhrte Hombergiſche Diſſertat. §. XIX. und Joh. Ulr. von Cramer: ob das praemium emancipationis noch heut zu Tage in praxi camerali im Gebrauch ſey? in Deſſelben Wetzlar. Nebenſtunden Theil LXXXI. p. 117.. Dahingegen verbleibt dem Kinde das peculium profectitium (S. 217.) unwieder - ruflich, wenn der Vater ſelbiges bey der Emancipation nicht zuruͤck gefordert hat91)L. 31. §. 2. D. de donationib.. Wenn nun gleich emanci -cipirte397De adoptionibus, emancipationibus etc. pirte Kinder nach dem juſtinianeiſchen Recht das Erb - recht uͤberhaupt behalten92)Nov. CXVIII. , ſo verlieren ſie dennoch auch heutiges Tages das Recht eines ſui heredis. Denn die - ſes gruͤndet ſich auf die aus der vaͤterlichen Gewalt ent - ſpringende genaue Verbindung zwiſchen einem Vater und ſeinen Kindern, und das daraus entſtehende Mitei - genthum der Letztern an dem Vermoͤgen des erſtern93)S. dieſen zweyten Theil S. 173., und es muß folglich ceßiren, ſobald jene Verbindung durch Entlaſſung der Kinder aus der vaͤterlichen Gewalt aufgehoben wird. Juſtinian hat zwar in der 118ten Novelle beyde die Emancipirten und die Suos in Anſeh - ung des Succeßionsrechts uͤberhaupt untereinander gleich - geſetzt; ſo daß die Emancipirten nicht mehr noͤthig haben, zur bonorum poſſeſſione ihre Zuflucht zu nehmen; allein daß er denenſelben auch das ius ſui heredis mitgetheilt ha - be, iſt unerweißlich. Denn dieß betrift die Art, die vaͤ - terliche Erbſchaft zu erwerben. In Anſehung dieſer aber hat Juſtinian nichts geaͤndert94)S. Hrn. Geh. Juſt. R. boehmer Diſſ. de diſcrimine ſuo - rum et emancipatorum in ſucceſſione inteſtati §. 13. und Hr. Kanzler koch de ſucceſſione ab inteſtato §. 6. pag. 18.. Es iſt daher grund - falſch, wenn unſer Verf. Not. t. ſagt: Emancipati re - tinent iura ſuitatis, et hereditatem ipſo iure acqui - runt, eamque, licet non aditam, in quoslibet transfe - runt heredes. Endlich
c) wenn Soͤhne durch angeſtellte beſondere Wirthſchaft, und Toͤchter durch ihre Verhey - rathung aus der vaͤterlichen Gewalt kommen, ſo koͤn - nen zwar die Eltern nicht genoͤthiget werden, ſolchen Kindern, außer ihrem eigenen Vermoͤgen eine gewiſſeAus -3981. Buch. 7. Tit. §. 162.Ausſtattung zu geben95)Hr. von Globig in der angef. Preißſchr. S. 125.; haben ſelbige jedoch kein ei - genes, oder doch kein hinreichendes Vermoͤgen, ſo iſt es die natuͤrliche Pflicht des Vaters, die Kinder, bey die - ſer ihrer erſten Einrichtung, aus ſeinen Mitteln, nach Moͤglichkeit, zu unterſtuͤtzen96)S. Henr. linck Diſſ. de ſubſidio paterno. Ienae 1673. und Io. Ge. bausch Diſſ. de ſubſidio parentum collationi obnoxio. Goetting. 1773.. Unter dieſen Umſtaͤn - den muͤſſen daher Soͤhne, welche eine abgeſonderte Wirthſchaft anfangen, zur Anſchaffung der Ge - raͤthſchaften, welche der Betrieb ihres Gewerbes nothwendig erfordert, mit einer Ausſtattung verſehen werden. Aber auch denen heyrathenden Toͤchtern ge - buͤhrt dergleichen Auſteuer, ſoweit ſolche zur Hochzeit und zur erſten Einrichtung ihres Hausweſens noth - wendig iſt97)S. Io. Ge. estor Diſp. de adparatu et inſtructu nuptarum, vulgo Ausſteuer, praeter dotem in pactis dotalibus promiſſo, eiusque iure, quum maritus foro ceſſit. Marburgi 1744. Man vermiſche dieſe Ausſtattung einer heyrathenden Tochter nicht mit dem Brautſchatz oder Heyrathgut, dos, denn dieſes wird dem Ehemann in der Abſicht, um ihn die mit der ehelichen Beyhuͤlfe verknuͤpfte Laſten und Ausgaben zu erleichtern, zugebracht. S. Henr. Gottl. pierer Diſſ. de differentia dotis, et inſtructus muliebris. Lipſiae 1761. Der Name Vaderphium, den wir in den Geſetzen der Longobarden verſchiedenemal finden, und welcher nach Heineccius Elem. iur. germ. Lib. I. §. 241. und Puͤtter in Elem. iur. germ. §. 229. aus den Worten Vater und Vieh zuſammen geſetzt zu ſeyn ſcheinet, bedeutet ebenfalls ſo viel als Aus - ſteuer, welche bey den alten Teutſchen meiſt in Vieh be - ſtand. S. Chriſt. Henr. breuning Diſſ. de vaderphio ve - terum Germanor. Lipſiae 1752.. Wie weit der Vater dieſe ſeine Huͤlfe erſtrecken wolle, kann ihm von den Kindern auf keineWeiſe399De adoptionibus, emancipationibus etc. Weiſe vorgeſchrieben werden. Auch ſelbſt das Gericht kann den Vater nicht noͤthigen, den Kindern mehr, als die Nothdurft erfordert, zur Ausſtattung zu bewilligen. Hiernaͤchſt faͤllt zwar das praemium emancipationis bey dieſer Art der Befreyung von der vaͤterlichen Ge - walt aus denen ſchon beym vorigen §. angefuͤhrten Gruͤnden weg, ſollten indeſſen die Eltern dem Kinde ſelbſt eine vortheilhafte Verſorgung verſchaft haben, wo - durch es aus der vaterlichen Gewalt kommt, ſo wuͤrden dieſelben in einem ſolchen Falle der Analogie und Bil - ligkeit gemaͤß allerdings berechtiget ſeyn, ſich einen Theil des Nießbrauchs, bis zur Haͤlfte des eigenthuͤmlichen Vermoͤgens eines ſolchen Kindes, auf eine gewiſſe Zeit, oder auch auf Lebenslang, vorzubehalten98)Unter dieſer Limitation laͤßt ſich, deucht mir, Leyſers Meinung Specim. CLXIV. medit. 5. rechtfertigen. Mit mir ſtimmt auch Hr. von Globig in der angef. Preißſchrift S. 123. Not. *) uͤberein.. Daß uͤbri - gens ſolche abgeſonderte Kinder ihr Erbrecht nicht ver - lieren, ſofern ihnen nicht etwa bey der Abſonderung ihr kuͤnftiges Erbtheil von den Eltern ſchon zum voraus gege - ben, und ſolche hiermit abgefunden worden99)S. Melch. Dethm. grollmann Diſſ. de ſeparatione libe - rorum per elocationem et diviſionem. Gieſſae 1711. Eine andere Art der Abfindung der Kinder iſt diejenige, welche an den Orten vorkommt, wo Gemeinſchaft der Guͤter unter den Eheleuten obwaltet. Sie geſchiehet erſt nach dem Ableben eines der Eltern, und beſtehet darm, wenn die Ge - meinſchaft zwiſchen dem uͤberlebenden Ehegatten und den Kin - dern, ſo bisher fortgeſetzet worden, durch die Theilung auf - gehoben wird. Selbige wird daher auch eine Abtheilung, Abſonderung auch Schichtung genennt. Eine ſolche Abfindung hebt die elterliche Gewalt nicht auf, ſondern nimmt dem abgefundenen Kinde nur ſein Erbrecht, weil es ſeinenAn -, hat kei -nen4001. Buch. 7. Tit. §. 162.nen Zweifel. Ja auch abgefundene Kinder koͤnnen den - noch, als naͤchſte Verwandte, zur Erbſchaft der Eltern gelangen, wenn zur Zeit des Todes der letztern keine unab - gefundene Kinder vorhanden ſind, auch kein Teſtament ihnen entgegen ſteht100)Weſtphal a. a. O. §. 7.. Ueberhaupt aber wird eine ſolche Abfindung der Kinder, die ihnen ihr weiteres Erb - recht nimmt, im Zweifel nie vermuthet, ſondern das - jenige, was der Vater denen Kindern bey ihrer Abſonde - rung und zum Antritt ihrer eigenen Wirthſchaft giebt, in dubio nur fuͤr eine Ausſteuer gehalten, welche zwar bey der Beerbung des Vaters conferiret werden muß, aber das Erbrecht ſelbſt nicht aufhebt1)Puͤtter in den auserleſ. Rechtsfaͤllen II. Bandes 2. Theil, Reſp. CCX. n. 21. S. 549. Struben rechtl. Bedenken II. Th. Bed. 70. Chriſt. Henr. breuning Diſſert. an ſepa - ratio liberorum involvat renunciationem hereditatis paternae Lipſiae 1772.. Es muß dem - nach die gaͤnzliche Abfindung des Kindes, wodurch daſ - ſelbe alles fernern Antheils an der kuͤnftigen Erbſchaft der Eltern verluſtig werden, und ſich mit dem, was es bey ſeiner Abſonderung empfangen, begnuͤgen laſſen ſoll, keinem gegruͤndeten Zweifel unterworfen, ſondern deutlich beſtimmt worden ſeyn.
Allein daruͤber iſt viel geſtritten worden, ob ein ſol - ches Kind, welches durch Anſtellung eigener Oekonomie oder durch Heyrath aus der vaͤterlichen Gewalt gegangen, in Anſehung der vaͤterlichen Erbſchaft das ius ſuitatisbehal -99)Antheil an der Gemeinſchaft ſchon erhalten hat. Man ver - gleiche vorzuͤglich Herm. Ge. bünekau Diſſ. de ſeparatione liberorum ex iure germanico. Goettingae 1752. und Weſt - phal teutſches Privatrecht II. Theil 46. Abhandl. S. 49 folg.401De adoptionibus, emancipationibus etc. behalte? Verſchiedene angeſehene Rechtsgelehrte2)Iuſt. Henn. boehmer in Diſſ. de ſtatu liberorum ſui iuris factorum per ſeparationem et nuptias, in eius Exercitat. ad Pandect. Tom. I. pag. 913. ſqq. Ge. Lud. boehmer in Prae - fat. ad cit. Tom. I. Exercitat. Sam. de cocceji in iure civ. controverſo h. t. Quaeſt. XII. Not. p. 110. lynker Cen - tur. I. Deciſ. 97. u. a. m., denen auch unſer Verf. beygepflichtet, haben dieſes zu behaup - ten geſucht. Dieſe haben den Grundſatz aufgeſtellet, daß durch die Abſonderung der Kinder die vaͤterliche Gewalt zwar in Anſehung ihrer laͤſtigen, aber nicht in Anſehung ihrer vortheilhaften Wirkungen aufgehoben werde. Hier - aus haben ſie nicht nur gefolgert, daß denen abgeſonder - ten Kindern das ius ſui heredis in Anſehung der vaͤter - lichen Erbſchaft verbleibe; ſondern ſie wollen ſogar in dem Fall, da der Sohn, welcher durch Anſtellung einer eige - nen Haushaltung aus der vaͤterlichen Gewalt gegangen, geſtorben iſt, und Kinder hinterlaſſen hat, den Großvater fuͤr berechtiget halten, dieſen ſeinen unmuͤndigen Enkeln ſowohl in ſeinem Teſtamente Vormuͤnder zu ernennen, als denenſelben pupillariſch zu ſubſtituiren. Allein die Gruͤnde fuͤr dieſe Meynung ſcheinen mir nicht uͤberzeugend zu ſeyn. Denn durch die voͤllige Abſonderung der Kin - der von dem Hauſe der Eltern, es ſey durch Heyrath, oder durch Unternehmung eines eigenen Gewerbes, wird die vaͤterliche Gewalt unſtreitig aufgehoben, folglich hoͤ - ren auch ihre Wirkungen auf. Der Unterſchied zwiſchen laͤſtigen und vortheilhaften Wirkungen iſt voͤllig unge - gruͤndet, wie ſchon Harpprecht gezeigt hat3)cit. Diſſ. §. 36.. Es iſt richtig, daß durch Aufhebung der buͤrgerlichen vaͤterlichen Gewalt heutiges Tages die Rechte der Familie nicht ver -lorenGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. C c4021. Buch. 7. Tit. §. 162.loren werden; allein daraus laͤßt ſich noch nicht ſchlieſ - ſen, daß die abgeſonderten Kinder auch das ius ſuitatis behalten. Denn dieſes hat ſeinen alleinigen Grund in der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt4)S. Petr. Claud. van goethem Diſſ. de ſuo herede Lugd. Batavor. 1786. §. 2.. Daher kann eine Mutter keine ſuos heredes haben5)§. 3. I. de hered. qualit. et different. . Wenn nun gleich Juſtinian in der 81ſten Novelle Kap. 2. verordnet hat, daß wenn ein Sohn durch eine Wuͤrde von der vaͤterli - chen Gewalt befreyet wird, derſelbe in einem ſolchen Fall gar keinen Verluſt an ſeinen geſetzmaͤſigen Rechten leiden ſolle, ſo iſt doch dieſes ein beſonderes Privilegium, oder wie es Somberg zu Vach uͤberſetzt hat, praecipuum quoddam donum, welches mithin auf andere Arten der Befreyung von der vaͤterlichen Gewalt nicht ausgedehnet werden darf. Aus dieſen Gruͤnden bin ich daher geneig - ter, der Meynung derjenigen Rechtsgelehrten6)Günth. Alb. renz de mixtura iuris rom. et germ. in materia patriae poteſtatis. theſ. 32. et 33. de selchow in Element. iur. germ. priv. hod. §. 500. hofacker in Princip. iuris civ. Rom. germ. T. I. §. 622. Not. f. pag. 486. grupen Diſceptat. forens. Cap. II. membr. 3. S. 204. ſqq. Frid. Eſ. a pufendorf Obſervat. iur univ. Tom. III. Obſ. 1. rein - harth ad Chriſtinaei Deciſion Vol. IV. Obſ. 27. Io. Chriſt. koch Diſſ de liberis ſuis heredibus ad probationem abſten - tionis non obligatis. (Gieſſae 1766.) §. 3 — 5. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 506. not. 2. Ge. fein Diſſ. de herede ſuo ſub conditione inſtituto (Goetting. 1777.) §. 5. u. a. m. beyzutre - ten, welche behaupten, daß auch durch die voͤllige Abſon - derung der Kinder von der vaͤterlichen Haushaltung alle Wirkungen der buͤrgerlichen vaͤterlichen Gewalt aufhoͤren, mithin die abgeſonderten Kinder ſo wenig das ius ſuitatisbehal -403De diviſione rerum et qualitate. behalten, als ſich der Großvater das Recht einer Vor - mundſchaftsbeſtellung oder pupillariſchen Subſtitution in Anſehung der von ſeinem per ſeparatam oeconomiam abgeſonderten und verſtorbenen Sohne hinterlaſſenen En - kel anmaßen duͤrfe.
Von dem Perſonenrecht eilen die Verfaſſer unſerer Pandekten etwas zu geſchwind zur Lehre vom Sachen - recht fort, ohne zu bedenken, daß ſie das erſtere nach ſeinem ganzen Umfange noch gar nicht erſchoͤpft haben. Daher werden noch verſchiedene Lehren in der Folge vor - kommen, die zum ius perſonarum gehoͤren, z. B. die vom Ehe - und Vormundſchaftsrechte, andere zu geſchwei - gen. Unter Sachenrecht (ius rerum) verſtehet man nun einen Inbegrif derjenigen Rechte, welche Sachen zum naͤchſten Gegenſtande haben7)Die neueſte Schrift hieruͤber iſt Hrn. Prof. Weſtphal’s Syſtem des roͤmiſchen Rechts uͤber die Arten der Sachen, Beſitz, Eigenthum und Verjaͤhrung. Leipzig 1788. 8. Auſſerdem haben dieſe Lehre ſehr gut vorgetragen Hr. Hofr. hofacker in Princip. iuris civ. Rom. Germ. Tom. II. P. I. Lib. III. und Hr. von Tevenar in dem Verſuch uͤber die Rechtsgelahrheit. I. Th. 9. u. 10. Abſchnitt.. Sachen werden hier den Perſonen entgegen geſetzt, mit - hin was keine Perſon iſt, und doch ein Gegen -C c 2ſtand4041. Buch. 8. Tit. §. 163.ſtand eines Rechts ſeyn kann, das heißt hier eine Sache8)Nach Hrn. Prof. Weſtphal im angef. Buch §. 2. heißt Sache, alles auf der Erde, ſo fern es ein Verhaͤltniß ge - gen des Menſchen zeitlichen Vortheil hat. Unſer Autor hin - gegen ſagt: Dicitur res omne id, quod in bonis eſt vel eſſe poteſt: und ſo definiren mehrere Rechtsgelehrten eine Sache. Allein ich habe mir hier die mehr gelaͤuterten Begriffe des Hrn. von Reinhards in der Sammlung juriſt philoſoph. u. kritiſcher Aufſaͤtze I. Th. IV. Stuͤck. N. VI. S. 272. u. f. zu Nutze gemacht. Daß uͤbrigens das Wort res in unſerm Iure noch mehrere Bedeutungen habe, iſt aus brissonius de Verbor. Significat. voc. Res zu erſehen. Add. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 37. folg.. Die Sachen, wenn wir ſie den Perſonen entgegen ſetzen, laſſen ſich in zwey Hauptklaſſen einthei - len. Es ſind entweder Handlungen der Menſchen (Facta), in ſo weit dieſe als Sachen betrachtet werden, oder es ſind eigentlich ſo genannte Sachen, d. i. was man, nach der gewoͤhnlichen Art zu reden, Sa - chen nennt, da man naͤmlich die Sachen den Factis ent - gegen ſetzt. Es fragt ſich nun, wie menſchliche Hand - lungen, als Sachen, betrachtet werden koͤnnen? Die Antwort iſt: Wenn wir die Facta nur blos aus dem Geſichtspunkte anſehen, daß ein Menſch durch den Gebrauch ſeiner Leibes - oder Gei - ſtes-Kraͤfte dem andern etwas leiſtet, oder thut, was zu des andern Nutzen oder Schaden gereicht, ſo betrachten wir die Handlungen eines Men - ſchen als Sachen. In dieſer Ruͤckſicht gehoͤrt daher die Ar - beit des Holzhauers, der mir mein Holz klein macht, die Ar - beit des Schneiders, der mir ein Kleid macht, zu den Sachen; denn es ſind Dinge, die ein Menſch dem andern leiſtet. Hierher gehoͤren aber auch die unerlaubten Handlungen, und Vergehungen, wodurch mir ein anderer Schaden thut, welche in unſern Geſetzen ausdruͤcklich res genenntwer -405De diviſione rerum et qualitate. werden*)L. 1. C. de lib. cauſ. pr. I. de obligat. quae ex delicto naſc. . Es geſchiehet alſo mit vollkommenen Grunde, daß dasjenige, was ein Menſch durch Anwendung ſei - ner Kraͤfte zu eines andern Dienſt und Nutzen leiſtet, oder zu eines andern Schaden unternimmt, zu den Sa - chen gerechnet wird. Weil nun alſo nach dieſer Vorſtel - lungsart Handlungen der Menſchen allerdings zu den Sachen zu rechnen ſind, ſo kommt es daher, daß wir ſie mit andern Sachen in Anſehung des Werths oder der Schaͤtzung in Vergleichung und Verhaͤltniß ſetzen koͤnnen. Jedoch ich ſchreite zur andern Claſſe von Sa - chen, welche man den Handlungen entgegen ſetzt, und Sachen in engerer Bedeutung (res in ſpecie ſic dictne) nennt. Es werden darunter diejenige Rechtsobjekte verſtanden, die weder Perſonen noch Hand - lungen der Menſchen ſind, ſondern in ſolchen Dingen beſtehen, deren Subſtanz oder Nu - tzen zu Jemands Vermoͤgen gehoͤrt oder ge - hoͤren kann. In dieſem Verſtande unterſcheiden die roͤmiſchen Rechtsgelehrten res und pecunia von einander, und begreifen unter der letztern Benennung alles, wa[s]ein Menſch wirklich ſchon im Vermoͤgen hat, es beſtehe in baaren Gelde, oder andern bewegli - chen oder unbeweglichen, koͤrperlichen oder unkoͤrper - lichen Sachen. Hierher gehoͤrt die klaſſiſche Stelle aus Paulus lib. 2. ad Edictum9)L. 5. princip. D. de Verbor. Significat. : rei appellatio latior eſt, quam pecuniae, quae etiam ea, quae extra computationem patrimonii noſtri ſunt, conti - net: cum pecuniae ſignificatio ad ea referatur, quae in patrimonio ſunt; und Hermogenian lib. 2. Iuris Epi - tomarum10)L. 222. D. eodem. Einen ſchoͤnen Commentar uͤber dieſe Stelle findet man bey Ioſeph. finestres in Hermogenian. Tom. I. pag. 656. folgg. ſagt: pecuniae nomine non ſolum nu -C c 3merata4061. Buch. 8. Tit. §. 163. u. 164.merata pecunia; ſed omnes res tam ſoli, quam mo - biles, et tam corpora, quam iura continentur. In dieſer Bedeutung kommt das Wort pecunia nicht nur in dem bekannten zwoͤlftafelgeſetz vor, welches in Ulpians Fragmenten11)Tit. XI. §. 14. bey schulting in Iurisprud. vet. Ante - Iuſtinian. pag. 599. folgendermaßen geleſen wird: Paterfami - lias uti legaſſit ſuper pecunia tutelave ſuae rei, ita ius eſto; ſondern in eben dieſem Verſtande wird es auch in der Stipulation genommen, welche man gewoͤhnlich bey dem Verkauf einer Erbſchaft zu errichten pflegte: quanta pe - cunia ex hereditate ad te pervenerit etc.12)L. 37. pr. D. de pecul. L. 50. §. 1. D. de verbor. obligat. L. 97. D. de Verbor. Significat. . Mehrere Be - deutungen dieſes Worts hat Brißon13)de Verbor. Significat. v. pecunia. Eine gelehrte Abhand - lung de pecunia, in ſo fern man darunter gepraͤgtes Me - tall verſtehet, findet man in B. branchu Obſervation ad ius Roman. decad. altera cap. XI. XII. XIII. et XIV. Add. Car. Frid. haeberlin Diſſ. de uſufructu pecuniae. Erlan - gae 1783. §. 2 — 5..
Sachen in der engern Bedeutung werden nun ver - ſchiedentlich eingetheilt,
I) In Ruͤckſicht ihrer rechtlichen Qualitaͤt. Wenn Hellfeld die Sachen blos in Ruͤckſicht des Ei - genthums in res nullius, und ſolche, quae in bonis ſunt, und dieſe wieder in res divini und humani iuris, letztere aber in res communes, publicas, univerſitatis und ſingulorumeintheilt,407De diviſione rerum et qualitate. eintheilt, ſo iſt dieſe Theorie nicht nur mangelhaft, ſon - dern es ſind auch die Begriffe ſelbſt zum Theil unrichtig. Denn wer kann den Begriff von rebus communibus ver - dauer, wenn unſer Verfaſſer ſich darunter ſolche Sachen gedenket, quae in communi omnium hominum dominio ex - ſtant? Beſtehet nicht der weſentliche Character des Eigen - thums in einem ausſchlieſſenden Rechte an der Subſtanz einer Sache14)S. Reinhard von dem Begriffe des Eigenthums oder Dominii, in Deſſelben Sammlung juriſtiſcher, philoſoph. u. kritiſcher Aufſaͤtze I. Band IV. Stuͤck, N. IV. S. 245. u. folgg.? Wie iſt nun nach dieſer Idee ein commune omnium hominum dominium denkbar? Res communes im Sinne des roͤmiſchen Rechts ſind vielmehr eine Art von herrenloſer Sachen, welche zwar jedermann gebrauchen darf, wie und wozu er will, aber niemand ausſchlieſſend ſich zu eigen machen kann, wie bey §. 169. gezeigt werden wird. Meine Theorie iſt nun folgende.
Sachen, nach ihrer rechtlichen Qualitaͤt betrachtet, koͤnnen auf viererley Art eingetheilet werden. Erſtlich in Anſehung des Eigenthums, oder des Rechts, ſo ei - nem Subject daruͤber zuſtehen kann. Zweytens in Anſehung ihrer rechtlichen Beſtimmung und des Ge - brauchs. Drittens in Anſehung des oͤffentlichen Schu - tzes, und der daraus entſtehenden Unverletzlichkeit der - ſelben; und endlich viertens in Ruͤckſicht ihrer Erwer - bungsart.
A) In Anſehung des Eigenthums oder des Rechts an einer Sache werden die Sachen in unſern roͤmiſchen Recht in res divini iuris, die dem goͤttlichen Eigenthum geweihet, und daher dem menſchli - chen Verkehr und Dispoſition entzogen ſind, und res hu -C c 4mani4081. Buch. 8. Tit. §. 164.mani iuris, woruͤber Menſchen disponiren koͤnnen, einge - theilt15)L. 1. pr. D. de diviſ. rer. S. Diet. Herm. kemmerich Diſſ. de natura et uſu diviſionis rerum in res divini et humani iuris, illarumque in ſacras, religioſas et ſanctas. Vitembergae 1729. 4.. Dieſe Eintheilung ruͤhrt eigentlich noch aus den heidniſchen Zeiten der Roͤmer her, und Juſtinian hat ſie unbedachtſamer Weiſe beybehalten, ohne ſeine Zei - ten von den damaligen genug zu unterſcheiden16)Juſtinian bedient ſich zwar nicht geradezu dieſer Ein - theilung, ſondern ſagt im §. 7. I. h. t. nullius autem ſunt res ſacrae, et religioſae et ſanctae. Allein er fuͤgt gleich hin - zu: quod enim divini iuris eſt, id nullius in bonis eſt. Hier - durch beſtaͤtigt er alſo offenbar den Begriff der Alten, welche lehrten, das res divini iuris in keines Menſchen Eigenthum ſich befaͤnden, ſondern zum goͤttlichen Eigenthum gehoͤrten.. Je - doch haben die Sammler unſerer Pandecten in Anſehung der rerum divini iuris manches geaͤndert und modificirt. Nach der Lehrart des roͤmiſchen Heidenthums wurden res divini iuris fuͤr ein Eigenthum der Goͤtter gehalten, und dieſe theilte man in ſacras, religioſas und ſanctas ein. Sachen, welche durch die roͤmiſchen Pontifizen mit gehoͤ - riger Feyerlichkeit zum oͤffentlichen Dienſt der Goͤtter ge - weihet waren, hießen res ſacrae17)Juſtinian ſagt §. 8. I. h. t. sacrae res ſunt, quae rite per Pontifices Deo conſecratae ſunt: veluti aedes ſacrae, et donaria, quae rite ad miniſterium Dei dedicata ſunt. Dona - ria heißen hier die Altargefaͤße, und Kleidungen, ſo man zum Gottesdienſt ſchenkte. S. theophilus in paraphraſi graeca ad h. l. Inſtitut. et L. 21. Cod. de SS. Eccleſ. . Z. B. Tempel, Al - taͤre18)Henr. Ioan. arntzenius in Miſcellaneor. libro Cap. 2. et 3. , gottesdienſtliche Gefaͤße und Geraͤthſchaften19)Der Ort, wo man dieſe Gefaͤße und Geraͤthſchaften auf - bewahrte, hieß Sacrarium. Dieſer Ort brauchte nicht ge - weihet zu ſeyn. L. 9. §. 2. D. h. t. und409De diviſione rerum et qualitate. und dergl. Die Weihung mußte jedoch unter oͤffentli - cher Auctoritaͤt20)marcianus in L. 6. §. 3. D. h. t. ſagt: sacrae res ſunt hae, quae publice conſecratae ſunt, non private. Richtiger leſen die Florentiniſchen Pandecten privatae, und die Baſilica beſtaͤtigen dieſe Leſeart., und zwar zu den Zeiten des Frey - ſtaats mit Genehmigung des Volks, hernach des Kai - ſers21)L. 9. §. 1. D. h. t. , geſchehen ſeyn. Denn was einer ſich ſelbſt zu ſeiner Privatandacht weihete, ward nicht als ſacrum ſon - dern als profanum betrachtet22)§. 8. I. et L. 6. §. 3. D. h. t. . Graͤber und Grab - ſtaͤtte, die den Seelen der Abgeſchiedenen oder den Diis Manibus zu ihren beſtaͤndigen Aufenthalt dienten, nann - te man res religioſas. Was uͤbrigens zur Religioſitaͤt ei - nes Orts gehoͤrte, und was die Alten von den Cenota - phiis oder Ehrengrabmaͤhlern, in welchen kein Leichnam gelegt war, gehalten, werde ich beym folgenden §. ſagen. Endlich res ſanctae wurden zur Zeit des heidniſchen Alter - thums ſolche Sachen genennt, die den Schutzgoͤttern zu deren Schutz geweihet, und dahero unverletzlich waren. Dahin gehoͤrten die Stadtmauern; denn dieſe wur - den bey Erbauung einer Stadt mit dem heiligen Pfluge von den Prieſtern abgezeichnet, und dadurch den Schutz - goͤttern geweihet23)S. Chriſtoph. Ludov. crellii Diſſert. de publica ceremo - nia, qua urbes condebantur, ex antiquitate Romana. Vitem - bergae 1731. recuſ. 1745. 4.. Allein bey den Thoren wurde der heilige Pflug aufgehoben24)plutarch. Quaeſt. Roman. II. 26. p. 271. Alex. ab alex - andro Dier. genial. lib. VI. c. 24. varro de ling. lat. IV. 32. Coel. rhodigin. Lib. XIV. c. 5. alciatus ad L. 239. §. urbs de Verbor, Significat. . Dieſe wurden daherC c 5eigent -4101. Buch. 8. Tit. §. 164.eigentlich nicht divini iuris, wie Plutarch meldet, der noch einen andern Grund anfuͤhrt, warum die Thore nicht die religioͤſe Heiligkeit der Mauern gehabt haͤtten, naͤmlich weil durch dieſelben todte Koͤrper und allerley Un - reinigkeiten aus der Stadt weggefuͤhret wuͤrden. Indeſ - ſen machte ihre Verbindung mit den Mauern, die man fuͤr gottgeheiligte Sachen hielt, daß man ſie auf gewiſ - ſe Art, obwohl nur uneigentlich, zu den rebus divini iuris rechnete, und man nannte daher auch die Thore res ſanctas, weil ſie, wie die Mauern, vom gemeinen Gebrauch ausgeſchloſſen, und unverletzlich waren25)S. Ge. d’arnaud variar. Coniecturar. iuris civ. Lib. I. cap. 14. Ioſeph. finestres in Hermogenian. Tom. II. pag. 753. ſqq. Weſtphal im angef. Buche §. 7. et 10.. In der Folge hoͤrte jedoch jene religioͤſe Heiligkeit der Mau - ern in der Maaße, wie ſie das Alterthum ehemals ver - ehrte, auf, und es blieb denenſelben, wie den Thoren, blos die Unverletzlichkeit uͤbrig. Daher wird in den Frag - menten unſerer Pandecten sanctum immer nur dasjeni - ge genennt, was um des gemeinen Beſten wil - len unverletzlich, d. i. durch eine Poͤnalſan - ction gegen alle Beleidigungen und Verle - tzungen geſichert iſt26)L 8. pr. D. h. t. sanctum eſt, quod ab iniuria homi - num defenſum atque munitum eſt. L. 9. §. 3. D eodem: Proprie dicimus Sancta, quae neque ſacra neque profana ſunt, ſed ſanctione quadam confirmata. Quod enim ſanctione qua - dam ſubnixum eſt, id ſanctum eſt, etſi Deo non ſit conſe - cratum. . Eben daher laͤſſet ſich nun auch erklaͤren, warum die Sammler der Pandecten zwi - ſchen Thoren und Mauern uͤberall keinen Unterſchied ma - chen, ſondern von beyden ſagen, daß ſie nur quodammododivini411De diviſione rerum et qualitate. divini iuris waͤren27)§. 10. I. h. t. sanctae quoque res, veluti muri et portae civitatis, quodammodo divini iuris ſunt; et ideo nullius in bonis ſunt. Die Leſeart, oder Erklaͤrung des Chriſtph. ric - cius in Vindiciis iuris cap. 7. bey otto Theſ. iur. Rom. Tom. II. col. 775. welcher die Worte: Sanctae quoque res, veluti muri, fuͤr einen beſondern Satz, dann die Worte: et portae civitatis quodammodo divini iuris ſunt, fuͤr einen zweyten Satz haͤlt, iſt ganz irrig. Denn daß man in dem neuern Recht zwiſchen Thoren und Mauern keinen Un - terſchied gemacht, erhellet aus mehrern Geſetzſtellen der Pan - decten. S. L. 1. pr. D. h. t. L. 2. D. ne quid in loco ſacro. Verſtehet man nun unter ſanctum alles, auf deſſen Verletzung eine beſondere harte Strafe geſetzt iſt, ſo waren Thore ſo heilig und unverletzlich, als die Stadtmauern, wie auch d’arnaud a. a. O. pag. 92. ſchon gegen riccius erinnert hat. Endlich beſtaͤtiget auch theophilus in ſeiner griechiſchen Paraphraſe die gemeine Leſeart, welcher τείχη καὶ πύλαι zuſammenſetzt. Die ganze Stelle des theophilus lautet nach der Ueberſetzung folgendermaßen: Res ſanctae, ut muri portaeque, quodammodo divini iuris ſunt, et propterea a ne - mine poſſidentur. . Ich werde hieruͤber noch eini - ge Bemerkungen bey dem folgenden §. machen.
Was nun die res humani iuris anlangt, ſo ſind dieſe entweder Niemanden zugehoͤrig, res nullius, von denen die res communes eine beſondere Gattung ausmachen; oder ſie ſind einem ganzen Statt eigen, res publicae; oder einer einzeln Stadt, und anderer Gemeinheit, Ei - genthum, res univerſitatis; oder ſie ſind ſolchen einzelnen Perſonen eigen, die bey dem Eigenthum keine Gemein - heit ausmachen, res privatae oder ſingulorum. Von den letztern iſt in den Geſetzen nichts weiter angefuͤhrt, und zu deren Erlaͤuterung zu merken, von den uͤbrigen Arten der Sachen aber wird bey den §. 169. 170. und 171. umſtaͤndlicher gehandelt werden.
B) In4121. Buch. 8. Tit. §. 164.B) In Ruͤckſicht der rechtlichen Beſtim - mung oder des Gebrauchs, wozu Sachen die - nen koͤnnen, ſind dieſelben, vorzuͤglich nach dem heu - tigen Recht, in ſolche einzutheilen, die zu frommen auf Religion oder gemeines Beſte abzielenden Endzwecken, (ad pios uſus), und ſolche, welche nur zum profanen Gebrauch beſtimmt ſind. Letztere werden res profanae, die erſteren aber res religioſae (§. 166.) im heutigen, je - doch weitlaͤuftigen Verſtande, genennt. Die res reli - gioſae ſind in Anſehung ihres Endzwecks wieder ſehr ver - ſchieden. Sie ſind entweder ſolche Sachen, die zum oͤffentlichen Gottesdienſt beſtimmt ſind; oder ſolche, die zu Befoͤrderung einer andern frommen oder milden Ab - ſicht dienen ſollen. Die Sachen der letztern Art wer - den res religioſae in engerer Bedeutung, milde Sachen; eine ſolche Stiftung ſelbſt aber, welche entweder zur Befoͤrderung der Religion, oder zur Unterſtuͤtzung und Verpflegung armer huͤlfsbeduͤrftiger Perſonen, oder zum gemeinen Wohl und Beſten des Staats, oder zu Er - reichung anderer aus Froͤmmigkeit und Menſchenliebe herruͤhrender wohlthaͤtiger Abſichten abzweckt, cauſa pia, eine milde Stiftung, oder fromme Anſtalt genennt28)Hr. Geh. Juſt. R. boehmer in Princip. iuris canonici §. 461.. Dahin gehoͤren Kloͤſter, Miſſionsanſtalten, Hoſpitaͤler, Wayſenhaußer, Wittwenhaͤußer, Invalidenhaͤußer, Fin - delhaͤußer, Armenhaͤußer, Zuchthaͤußer, Schulen, Sti - pendien, Freytiſche, ferner was zu Begraͤbniſſen, zu Ausſtattung und Dotirung heyrathender Maͤdchen, zu Erhaltung der Bruͤcken, oͤffentlicher Wege und dergl be - ſtimmt und gewidmet iſt. Daß dergleichen milde Sa - chen und Stiftungen in unſern Rechten ſehr privilegirt ſind, wird ſich in der Folge bey vielen Gelegenheiten zei -gen413De diviſione rerum et qualitate. gen29)S. Diet. Herm. kemmerich Progr. de iuſto cauſarum vere piarum favore. lenae 1736. und Ern. Godofr. Chriſt. klügel. Diſputat. de extenſis piarum cauſarum privilegiis. Vitemb. 1761. 4.. Die Sachen der erſtern Gattung ſind nach dem heutigen Kirchenrecht wieder von zweyerley Art. Ent - weder ſolche, die unmittelbar zur Gottesverehrung die - nen, res ſacrae im Sinn des heutigen Kirchenrechts, z. B. Kirchen, Gottesdienſtliche Gefaͤße und Geraͤthſchaften u. ſ. m. oder ſolche, die nur mittelbar zum Gottesdienſt abzwecken, res eccleſiaſticae30)Im weitlaͤuftigen Verſtande werden res eccleſiaſticae alle und jede Sachen genennt, die einer Kirche gehoͤren, und dar - unter alſo auch res ſacrae begriffen. In dieſem weitlaͤuftigen Verſtande werden den rebus eccleſiaſticis die res ſaeculares ent - gegen geſetzt, und darunter alles dasjenige verſtanden, quod ad eccleſiam non pertinet. S. Hrn. GJR. Boͤhmer in princip. iur. canon. §. 457. u. 458.. Dahin gehoͤren Kirchen - guͤter, Capitalien, liegende Gruͤnde, Zehenden und an - dere Gefaͤlle, welche zur Beſoldung der Kirchendiener, Unterhaltung der Kirchengebaͤude und Pfarrwohnungen, wie auch zu Beſtreitung des zur Verwaltung des Got - tesdienſtes erforderlichen Aufwandes dienen31)boehmer c. l. §. 458.. Von dieſer Eintheilung wird bey dem §. 166. ein mehreres vorkommen.
C) In Abſicht des oͤffentlichen Schutzes und der daraus entſtehenden Unverletzlich - keit ſind die Sachen entweder ſolche, deren Verletzung um des gemeinen Beſten willen ganz beſonders beſtraft wird, oder ſie ſind nicht in einem ſo hohen Grade unver - letzlich, erſtere werden res ſanctae, heilige Sachen im heutigen Sinne genennt. Die Beſtimmung, daß eineſolche4141. Buch. 8. Tit. §. 164.ſolche Sache von gemeinen Gebrauch ausgeſchloßen ſeyn muͤße, gehoͤrt heutiges Tages nicht mehr in den Begrif derſelben. Zu dieſen heiligen Sachen gehoͤren auſſer de - nen, die zum unmittelbaren gottesdienſtlichen Gebrauch dienen, auch die Gottesaͤcker und Grabſtaͤtte, ferner Re - ſidenzen und Wohnungen des Landesherrn32)stryk Diſſ. de reſidentiarum ſanctitate. deßgleichen alle oͤffentliche Orte, wo oͤffentliche Perſonen ihr Amt ausuͤben, als Raths - und Gerichtshaͤußer33)wiesand Diſſ. de ſanctitate curiarum. , Gerichts - plaͤtze, Fechtboden, Tanzboden, Reitbahn, Hoͤrſaͤle, nicht weniger oͤffentliche Gebaͤude, Mauern und Thore einer Stadt, und andere oͤffentliche Orte, denen der Burg - friede beygelegt iſt; wegen ihres beſondern Nutzens gehoͤ - ren auch hierher die herrſchaftlichen Bruͤcken34)engau Diſſ. de regiorum pontium ſanctitate. , ferner Grenzmaͤhler, die unter oͤffentliche Authoritaͤt geſetzet worden ſind35)S. Chriſt. Henr. trotzii Diſſ. de termino moto, bey Ger. oelrichs in Theſ. novo Diſſertat. Belgicar. Vol. II. Tom. I. N. 3. Cap. 2. in welchem de religione terminorum mit vieler Gelehrſamkeit gehandelt wird. Add. Car. Wilh. müller Diſſ. de crimine termini moti. Lipſiae 1752., und Ackerpfluͤge36)frick de aratrorum ſanctitate. Helmſt. 1759. 4.. Endlich
D) in Anſehung der Erwerbungsart wur - den die Sachen bey den aͤltern Roͤmern in res mancipi und nec mancipi eingetheilt37)Von dieſer Eintheilung haben in beſondern Schriften gehan - delt bynkershoek in Opuſc. T. II. Fr. Car. conradi Helmſt. 1739. 4. Ger. meermann. Lugd. Batavor. 1741. Andr. El. rossmann Halae 1740. und Carl Ferd. hommel Lip -ſiae. In unſern Corpus iuriskommt415De diviſione rerum et qualitate. kommt zwar auſſer der Conſtitution des Kaiſer Juſti - nians, L. un. Cod. de nudo iure Quirit. toll. wodurch dieſe ganze Eintheilung aufgehoben worden iſt, wenig da - von vor; indeſſen hat ſie doch zur Aufklaͤrung mancher Rechtslehren z. B. der vom Eigenthum und der Verjaͤhrung, wichtigen Einfluß, und darf daher mit Stillſchweigen nicht uͤbergangen werden. Res mancipi wurden nun die - jenigen Sachen genennt, deren buͤrgerliches Eigenthum nur durch eine feyerliche und oͤffentliche Uebergabe (man - cipatio) erworben werden konnte38)boëthius in Topica Ciceron. lib. 3. Mancipi res veteres appellabant, quae ita abalienabantur, ut ea abalienatio per quandam nexus fieret ſolennitatem. ulpianus Fragm. Tit. XIX. §. 3. Mancipatio propria ſpecies alienationis eſt rerum mancipi. War eine res mancipi durch ſimple Uebergabe, oder durch einen andern modum acquirendi naturalem auf jeman - den gebracht worden, ſo erlangte dieſer kein buͤrgerliches, ſon - dern das bloße natuͤrliche Eigenthum, welches zwar das Recht uͤber eine Sache zu diſponiren, ſo lange man ſie beſitzt, und von einer perſona obligata ſie zuruͤckzufordern, aber nicht das ſtrenge Recht giebt, die Sache von jedem dritten, auch unſchuldigen Beſitzer zu vindiciren, der ſie ſonſt ganz recht - maͤſig an ſich gebracht hat. Denn dies war eine Wirkung des quiritariſchen Eigenthums Daher ſagt ulpianus Fragm. Tit. I. §. 16. Wenn ein roͤm. Buͤrger einen Sclaven von einem andern roͤmiſchen Buͤrger gekauft hat, der aber ohne Mancipation dem Kaͤufer nur ſimpel tradiret worden, ſo er - lange derſelbe an dem Sclaven kein buͤrgerliches, ſondern ein bloßes natuͤrliches Eigenthum. Ulpian druͤckt dieſes fol - gendermaßen aus: is ſervus in bonis quidem emtoris eſt: ex iure Quiritium autem venditoris eſt. S. Io. Hartw. reu - ter aenigmatis, quod Imperatori L. un. Cod. de nudo iure Quirit. toll. viſum, in dominio quiritario ac bonitario ſolu - tio. Halae 1755.. Dieß war derFall37)ſiae 1744. Dieſen ſind noch beyzufuͤgen wernher ſel. Obſ. forens. T. III. P. I. Obſ. 13. und pufendorf Obſervat. iur. univ. T. II. Obſ. 79.4161. Buch 8. Tit. §. 164.Fall bey den Sachen, welche man ehemals, als dieſer Unterſchied aufkam, fuͤr die koſtbarſten, ja fuͤr den eigent - lichen Reichthum der Roͤmer hielt. Ulpian39)Fragm. Tit. XIX. §. 1. rechnet zu den res mancipi Haͤuſer und Laͤndereyen in Italien, oder auch ſolche, die auſſerhalb Italien wenigſtens iuris italici waren; ferner Servituten auf dem platten Lande, z. E. Fahrweg, Fußweg, Viehtrib, Waſſerleitungsgerech - tigkeit ꝛc. ꝛc. (ſervitutes urbanae gehoͤrten alſo nicht hier - her) auch Sclaven, und zahme Laſtthiere. Elephanten und Kameele gehoͤrten in dieſe Claſſe nicht, denn man hielt ſie fuͤr wilde Thiere. An dieſen konnte nun der Roͤ - mer ein buͤrgerliches oder quiritariſches Eigenthum (man - cipium) nur alsdann erwerben, wenn die Uebergabe auf die unter Buͤrgern hergebrachte feyerliche Art geſchahe40)Hugo Lehrbuch und Chreſtomathie des claſſiſchen Pan - dectenrechts I. Band §. 154. u. folgg.. Die mancipatio ſelbſt wurde durch vorgeſtellte Zahlung oder Zuwaͤgung des Preißes der Sache, mit gewiſſen For - meln, und in Gegenwart von fuͤnf Zeugen auſſer dem libripens vollzogen41)ulpian. Frag. c. l. §. 3. boethius c. l. . Die Perſonen, welche dabey vorkamen, mußten Roͤmer ſeyn, oder wenigſtens das commercium unter ihnen haben42)ulpianus c. l. § 4. et 5. in dem §. 5. heißt es: commer - cium eſt emendi vendendique invicem ius. . Alle andere Sa - chen, an denen man das buͤrgerliche Eigenthum durch ſimple Uebergabe erwerben konnte, hieſſen res nec manci - pi43)ulpianus c. l. §. 7. Traditio propria eſt alienatio rerum nec mancipi. Harum rerum dominia ipſa traditione adpre - hendimus, ſcilicet ſi ex iuſta cauſa traditae ſunt nobis. Die letztern Worte zeigen an, daß bey Erwerbung des buͤrgerli - chen Eigenthums ſolcher rerum nec mancipi ein Rechtstitel vorhergehen mußte, der die Abſicht, den andern zum Eigen - thuͤmer zu machen, anzeigte, und die Verbindlichkeit zur Ue - bergabe wirkte.. Puffendorf44)a. a. O. ſetzt den Unterſchied dieſer Ein -theilung417De diviſione rerum et qualitate. theilung in den Cenſus. Er behauptet, die res man - cipi waͤren in die Schatzungstafeln und oͤffentlichen Ca - taſtra nahmentlich eingetragen geweſen, die res nec man - cipi aber nicht. Allein dieſer Hypotheſe ſtehet entgegen, daß die Eintheilung geblieben, nachdem die alte Art der Schatzungen laͤngſt aufgehoͤrt hatte.
res sacrae der Roͤmer erhielten ihre Heilichkeit nur durch eine auf die hergebrachte feyerliche Art ihnen zum Gottesdienſt gegebene Weihung, die man ſolemnis dedicatio oder Conſecratio nannte45)S. Frid. menz Diſſ. de conſecratione templorum Romano - rum. Lipſiae 1729.. Die Goͤtzenprieſter muſten die Worte der Einweihung vorſagen, die eigent - liche Weihung ſelbſt aber geſchahe zur Zeit des Freyſtaats durch einen Conſul, oder durch die vom Volk ernannte Duumviri46)gutherius de vet. iure Pontificio Lib. III. c. 12. Ant. matthaei ad §. 8. I. de R. D. , in der Folge aber durch den Kaiſer, und deſſen Statthalter oder Gevollmaͤchtigten47)Von den Feyerlichkeiten der Dedication handelt ſehr aus - fuͤhrlich kemmerich in der beym vorigen §. Not. 15. ange - fuͤhrten Diſſertat. Cap. I. §. 9. folgg.. Ja die heidniſchen Kaiſer nahmen das Amt des Ober-Prieſters aus Politik ſelbſt mit an, und conſecrirten in dieſer Ei - genſchaft die zum Gottesdienſt beſtimmte Sachen*)Ev. otto in Papiniano cap. X. §. 3. p. 259.. Wur - de ein geweihetes Gebaͤude z. B. ein Tempel abgeriſſen, ſo blieb, nach der Natur des Eigenthums, noch der PlatzdesGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. D d4181. Buch. 8. Tit. §. 165.des Gebaͤudes eine der Gottheit gewidmete Stelle48)§. 8. in fin. I. h. t. L. 6. §. 3. D. eod. . Nur die evocatio ſacrorum konnte die Eigenſchaft ge - weiheter Sachen aufheben49)L 9. §. 2. in fin. D. eod. .
Eine res religiosa hingegen erhielt ihre Hei - ligkeit durch Begraͤbniß und Beyſetzung des Koͤrpers ei - nes Abgeſchiedenen, welches in den aͤltern Zeiten, da man den Leichnam verbrannte, im Aſchenkruge, in der Folge aber, da dieſe Gewohnheit nach Antonin aufge - hoͤret hatte, im Sarge geſchahe50)Man vergleiche Iac. gutherius de iure manium ſeu de ritu more et legibus priſci funeris. Paris 1615. 8. recuſ. Lipſiae 1671. 8. Io. kirchmann de funeribus Romanorum Francof. 1672. 8. retes Relect. ad L 6. Cod. de religioſis in Theſ. Meermann. Tom VI. B. brissonius Antiquit. Sel. Lib. II. c. 15. Sam. Frid. willenberg de rebus religioſis, in Disceptat. iur. N. 14. und Ge. Chr. platz de religione ſepulchrorum. Lipſ. 1725.. Die beſondere Wei - hung durch Prieſter war hier nicht noͤthig, obgleich auch Begraͤbniſſe unter ihrer Aufſicht ſtanden51)L. 5 §. 1. D. de mort. inferend. . Sollte je - doch ein locus religioſus werden, ſo wurde auch erfordert, daß die Beyſetzung des Todten auf immer, nicht einswei - len, geſchahe52)L. 2. § 3. L. 39. et 40. D. de religioſ. Daher wurde die Grabſtaͤtte auf den alten Steinſchriften aeterna ſedes genennt. S. ferretius Muſaeo Lapid. III. 30. und Ev. otto in Commentar. ad §. 9. I. h. t. . Es mußte ferner ein Platz ſeyn, der dem Begrabenden eigenthuͤmlich zugehoͤrte. Wenn man aber mit Einwilligung des Eigenthuͤmers den Todten auf einem fremden Platz zur Erde beſtattete, ſo ward alsdann der Ort auch religioͤs. Eine gleiche Wirkung hatte diehernach419De diviſione rerum et qualitate. hernach erfolgte Genehmigung des Eigenthuͤmers53)L. 6. §. 4. D. h. t. Religioſum autem locum unusquisque ſua voluntate facit, dum mortuum infert in locum ſuum — Sed et in alienum locum, concedente domino, licet inferre. Et licet poſtea ratum habuerit, quam illatus eſt mortuus, re - ligioſus locus fit. Haloander und einige andere leſen vier ratum non habuerit. Allein das non iſt unſtreitig ein Fehler, und wegzulaſſen. Denn in der Florentiniſchen Handſcheift findet es ſich nicht, wie augustinus Emendat lib. l. c. 2. bezeugt. Auch iſt es in den Baſiliken nicht anzutreffen, und theophilus in Paraphraſi graeca ad §. 9. I. eod. nimmt es ebenfalls nicht an. Der Sinn dieſer Worte iſt alſo nach der richtigen Erklaͤrung des Charondas dieſer: Religioſus locus fit, quamvis non concedente domino primum illatus fuerit mortuus: modo id poſtea ratum habuerit. . Der Platz mußte ferner ein locus purus ſeyn, d. i. nicht ſchon unter die res divini iuris gehoͤren54)L. 2. §. 4. D. de religioſis. Purus autem locus dicitur, qui neque ſacer, neque ſanctus eſt, neque religioſus: ſed ab omni - bus huiusmodi nominibus vacare videtur. , auch keinem Drit - ten ſonſt ein Recht, z. B. Nießbrauch, darauf zuſtehen, das durch die Errichtung der Grabſtaͤtte gekraͤnkt wor - den waͤre, es muͤßte denn etwa der Dritte darinn gewil - liget haben55)§. 9. I. h. t. Item ſi alienus uſusfructus eſt, proprietarium placet, niſi conſentiente uſufructuario, locum religioſum non facere. Eben dieſes lehren auch L. 2. §. 7. D. de religioſ. und L. 17. D. de uſufr. Nur der Erbe, deſſen Erblaſſer Jemanden den Nießbrauch eines Grundſtuͤcks vermacht hat, kann, wenn es an einem andern Platze fehlt, wider Willen des Nutznießers den Erblaſſer auf ſolches Grundſtuͤck begra - ben. LL. cit. 2. et 17. Der Nießbraucher kann aber auch umgekehrt ohne Einwilligung des Proprietaͤrs keine Grab - ſtaͤtte auf dem Grundſtuͤcke anbringen. L. 2. §. 1. et 7. D. de religioſ. . Wenn ein Leichnam an mehrern Orten zerſtuͤckt begraben lag, ſo wurde nur der Ort, wo derD d 2Kopf4201. Buch. 8. Tit. §. 165.Kopf ſich fand, fuͤr religioͤs gehalten; quia una ſepul - tura plura ſepulchra efficere non poteſt, wie Paulus56)L. 44. pr. D. de religioſ. Siehe van bynkershoek in Obſervat. iuris Rom. lib. I. cap. V. p. 22. merillius Obſ. I. R. lib. II. cap. 40. marckart Interpretat. receptar. Iur. Civ. lectionum Lib. II. cap. 19. und Herm. gannegieter Obſervat. Iur. Rom. lib. I. c. 14. ſagt; und weil man uͤberdem den Kopf fuͤr den edelſten Theil des menſchlichen Koͤrpers hielt, woran der Menſch kenntlich iſt57)Die Worte der L. 44. cit. Mihi autem videtur, illum re - ligioſum eſſe, ubi, quod eſt principale, conditum eſt, id eſt, caput, cuius imago ſit, inde cognoſcimur, werden ſehr ver - ſchieden geleſen. Die Florentiniſche Leſeart, cuius imago fit, iſt offenbar fehlerhaft. Haloander lieſet, oder interpolirt vielmehr die Worte folgendergeſtalt: unde, qualis cuiusque imago ſit, cognoſcitur. Die richtigſte Leſeart haben unſtreitig Hugo a porta, Robertus stephanus und Lud. blau - blommius; cuius imago ſit, unde cognoſcimur. . Zuweilen wurde zur Ehre eines be - ruͤhmten Mannes, oder geliebten Freundes, der auſſer ſei - nem Vaterlande ſein Leben eingebuͤſſet hatte, z. B. er war zur See verungluͤckt, und deſſen Leichnam man eben da - rum nicht haben konnte, von ſeinen Landesleuten zu Hau - ſe ein Monument errichtet. Ein ſolches Ehrengrabmahl, wo kein Leichnam lag, hieß Cenotaphium d. i. ein vorge - ſtelltes oder leeres Grab, wie es Florentinus58)L. 42. D. de religioſis. er - klaͤrt. Dieſes war nach einem gewiſſen Reſcript der Divorum Fratrum d. i. der Kaiſer M. Aurelius Antoni - nus und Lucius Verus, kein locus religioſus59)L. 7. D. h. t. . Mar - cian, ohngeachtet er erſt nach den Divis Fratribus ge - ſchrieben, war zwar einer andern Meinung60)L. 6. §. 5. D. eodem. , und be -ruft421De diviſione rerum et qualitate. ruft ſich dabey auf das Zeugniß des Virgilius61)Vielleicht Aeneid lib. III. v. 301. ſqq. und lib. VI. v. 150. ſq. . Allein es ſcheint dieß eine bloſe Privatmeinung jenes Rechtsgelehrten geweſen zu ſeyn, welche entweder, weil ihm vielleicht das kalſerliche Reſcript nicht bekannt gewe - ſen, welches jedoch kaum glaublich iſt62)noordkerk in Obſervat. Decad. cap. V. pag. 100. behaup - tet auch, daß Marcian das Reſcript der divorum Fratrum gekannt haben muͤſſe, weil er ſonſt die kaiſerlichen Verordnun - gen genau anfuͤhrt; uͤberdem die Reſcripte der divorum Fra - trum ſchon laͤngſt von papirius iustus geſammelt geweſen; und wenn auch eines und das andere in dieſer Sammlung nicht geſtanden, dennoch Marcian dieſe leicht wiſſen koͤn - nen, da er in Auditorio Principis geweſen, und ihn das Archiv offen geſtanden., oder weil daſſelbe dazumal, wie mehrere andere kaiſerliche Reſcirp - te, noch kein allgemeines Anſehen gehabt, oder weil auch bey ſolchen Ehrengrabmaͤhlern, wie bey ordentlichen Begraͤbniſſen, religioͤſe Cerimonien gebraucht worden ſind, oder aus andern dergleichen Gruͤnden entſtanden ſeyn mag63)Mehreres hievon wird man in folgenden Schriften finden: Iac. gothofredus Diatr. de Cenotaphio in Otton. Thef. T. III. van goens de Cenotaphiis Diatriba, gaudentius in Iurid. Expoſit. Lib. I. cap. 15. Corn. van bynkershoek in Obſerv. iur. Rom. lib. I. c. 5. Abr. wieling in lectionib. iur. civ. lib. II. c. 2. Herm cannegieter Obſervat. iur. Rom. lib. III. c. 5. schroderus in Obſervat iur. civ. lib. II. c. 5. van vryhof Obſ. iur civ. cap. 10. Hieron. Ioan. arn - zenius Miſcellan. iur. Cap. III. pag. 28. M. Aurel. galva - nus de uſufructu Cap. XXX. n. 2. pag. 366. ſqq. gutherius de iure manium lib. II. cap. 18. und Weſtphal in dem an - gef. Buch S. 18. folg.. Genug, daß ſeine Meinung keinen Beyfall gefunden. Denn Ulpian blieb ſtreng bey dem kaiſerli -D d 3chen4221 Buch. 8. Tit. §. 165.chen Reſcript64)L. 7. D. de R. Div. , und legte es auch bey der Frage von Veraͤuſſerung eines Cenotaphium zum Grunde65)L. 6. in fin. D. de religios. .
Uebrigens war der Platz, wo ein Menſch begraben lag, nur in der abgezeichneten Peripherie des Leichnams (quatenus corpus humatum eſt) ein locus religioſus66)L. 2. §. 5. D. eodem. , und nicht im Commerz der Menſchen67)L. 8. §. 1. L. 12. §. 1. D. eod. . Denn er war der Seele des Abgeſchiedenen (Manibus) zu ihrem be - ſtaͤndigen Aufenthalt geweiht. Daher durfte ein ſolches Grabmahl nicht verkauft, verſchenkt, verſetzt, vermacht, auch zu keinem profanen Gebrauch angewendet werden. Bey Cenotaphien verhielt ſich die Sache anders68)L. 6. in fin. D. eodem. . Je - doch unterſcheide man von der Grabſtaͤtte ſelbſt das Recht, einen Todten dahin zu bringen, denn dieſes war in com - mercio69)L. 14. C. de legatis. . Zuletzt bemerke ich noch, daß ohne Erlaub - niß des Prieſter Collegiums, oder des Kaiſers, oder des Praͤſes der Provinz kein todter Koͤrper aus ſeiner Grab - ſtaͤtte genommen, und an einem andern Ort gebracht werden durfte70)L. 8. pr. L. 39. D. de religioſ. L. 3. §. 4. D. de ſepulchre viol. plinius lib. X. ep. 69. et 70. L. 1. Cod. de relig. L. 14. C. eodem. . Durch eine ſolche legale Wegneh - mung des Leichnams aber verlohr der Ort, wo er gele - gen, die Eigenſchaft einer rei religioſae71)S. Chriſtph Lud. crellii Diſſert. de translatione mor - tuorum per territorium alienum ad L. 3. §. 4. D. de ſepul. viol. Vitembergae 1734. §. 2 — 10..
Was423De diviſione rerum et qualitate.Was die res sanctas der Roͤmer anbetrift, ſo erhellet aus dem, was davon ſchon bey dem vorigen §. geſagt worden iſt, daß dieſe Benennung eine zwiefache Bedeutung gehabt habe. Im weitlaͤuftigen Verſtande nannte man res ſanctas alle diejenigen Sachen, auf deren Verletzung eine auſſerordentliche Strafe geſetzt war, wenn ſie auch keiner beſondern Gottheit geweihet waren. In dieſer Bedeutung rechnete man auch die Stadtthore, Sta - tuͤen der Kaiſer u. a. m. dahin. Allein zu den Zeiten des heidniſchen Alterthums verband man damit noch ei - nen gottesdienſtlichen Begriff, indem man darunter ſol - che Sachen verſtand, die denen Schutzgoͤttern beſonders geweihet, und daher im eigentlichen Verſtande divini iuris waren. Dieſe Bedeutung hatte ehemals blos bey den Stadtmauern ſtatt. Ob nun gleich in dem chriſt - lichen Zeitalter auch bey den Mauern nur die vorhin an - gefuͤhrte erſte Bedeutung einer rei ſanctae uͤbrig blieb, ſo daß daher die Stadtmauern und Thore in unſern Cor - pus Juris uͤberall zuſammen geſetzet werden, ſo hat man doch zu Juſtinians Zeiten noch manche Saͤtze unbedacht - ſam beybehalten, wovon die dabey vorkommende Sancti - tas nach der religioͤſen Vorſtellung der heidniſchen Roͤmer der Grund ſeyn mochte. Hierher gehoͤrt z. B. daß die Verletzung und Ueberſteigung der Mauern ſogar mit dem Tode beſtraft wurde; auch niemand die Mauern ohne Einwilligung des Kaiſers oder ſeines Praͤſes ausbeſſern durfte72)L. 9. §. 4. L. 11. D. h. t. ; Saͤtze, die zu Juſtinians Zeiten billig haͤt - ten aufhoͤren ſollen73)Weſtphal in dem angef. Buche §. 10..
Die hier vorkommende Begriffe von res ſacra, re - ligioſa und ſancta im Sinn des heutigen Rechts, ſind ſchon oben bey der allgemeinen Claſſification der Sachen in Ruͤckſicht ihrer rechtlichen Qualitaͤt mit erklaͤret, und wie von denenſelben res eccleſiaſticae unterſchieden ſind, (S. 413) gezeiget worden. Ich habe alſo hier nur noch etwas von den mancherley Gattungen der rerum ſacra - rum im Sinn des heutigen Kirchenrechts hinzu zu fuͤ - gen. Sachen, die zum unmittelbaren gottesdienſtlichen Gebrauche beſtimmt ſind, werden bekanntermaßen auf ei - ne feyerliche Art zu dieſem Endzweck eingeweihet. Dieſe feyerliche Einweihung (dedicatio) iſt nun nach dem ka - tholiſchen Kirchenrecht zwiefach. Sie geſchiehet entweder mittelſt einer Conſecration, oder nur mittelſt einer Benediction. Erſtere wird durch eine Salbung mit Chrisma (heiligen Oehl), letztere aber durch Beſpren - gung mit Weihwaſſer verrichtet74)Den Ritus der Conſecration ſowohl als der Bene - diction beſchreibt aus dem Pontificali Romano ſehr ausfuͤhr - lich Gottlieb Slevogt von den Rechten der Altaͤre, Taufſteine ꝛc. Cap. II. §. 3. u. 4. add. P. Andr. ruedel Diſſ. de eccleſiarum et altarium conſecratione. Heidelbergae 1754. et Ant. schmidt Inſtitut. iur. eccleſ. germ. Tom. I. Cap. II. Sect. II. §. 290. et not. **).. Solche Sachen, welche mittelſt einer Conſecration vom Biſchof zum un - mittelbaren Gebrauch des Gottesdienſtes eingeweihet wor - den, werden res ſacrae im engern Verſtande; diejenigen aber, die nur mittelſt einer Benediction dazu beſtimmet worden ſind, res benedictae genennt. Zu den Gott ge - heiligten Sachen der erſten Gattung werden Kirchen,Altaͤre,425De diviſione rerum et qualitate. Altaͤre, Patenen und Kelche, zu den Sachen der letztern Art aber Meß-Kleider, Altarleuchter, Wachskertzen, Glocken, Gottesaͤcker u. ſ. w. gerechnet. Dieſer Unter - ſchied faͤllt jedoch in der proteſtantiſchen Kirche aus be - kannten Gruͤnden weg75)Hr. Geh. Juſt. R. Boͤhmer in Princip. iur. canon. §. 590. Slevogt a. a. O. §. 10. S. 100..
Daß die res divini iuris von den heidniſchen Roͤ - mern als ein Eigenthum der Goͤtter ſind angeſehen wor - den, habe ich ſchon oben (S. 408) bemerkt. An die - ſen Sachen konnte ſich daher kein Menſch einiges Recht zueignen. Sie waren vielmehr in Anſehung der Menſchen res nullius, d. i. ſie gehoͤrten keinem Sterb - lichen76)L. 6. §. 2. D. h. t. Sacrae res, et religioſae et ſanctae in nullius bonis ſunt. . Es konnte ſich alſo Niemand einer Verfuͤ - gung daruͤber anmaßen77)L. 1. pr. D. ne quid in loco ſacro. L. 2. L. 3. D. eodem. Conf. westphal. Interpretat. iur. civ. de libertate et ſervitut. praedior. Sect. II. cap. 11. . Sie durften nicht veraͤuſ - ſert, nicht verſetzt, nicht zu einem profanen Gebrauch an - gewendet, auch keiner Taxe unterworffen werden78)L. 83. §. 5. D. de Verbor. obligat. L. 8. §. 1. L. 12. §. 1. D. de religioſ. L. 9. §. 5. D. de diviſ. rer. . Ob nun gleich dieſe Grundſaͤtze das Gepraͤge des heidniſchen Aberglaubens ſehr ſichtbar an ſich trugen, ſo erhielten ſie ſich dennoch auch unter den chriſtlichen Kaiſern. Man glaubte, daß geweihete Sachen durch die Conſecration ei -D d 5ne4261. Buch. 8. Tit. §. 167.ne gewiſſe innere Heiligkeit bekaͤmen, und ein beſonderes Eigenthum Gottes oder Chriſti oder der Heiligen wuͤrden, denen ſie waͤren geweihet worden. Die Verordnungen der chriſtlichen Kaiſer ſowohl, als der Concilien und der Paͤpſte geben uns hiervon die unwiderleglichſten Bewei - ſe. Noch Juſtinian ſagt daher in ſeinen Inſtitutionen79)§. 7. I. h. t. : quod divini iuris eſt, id nullius in bonis eſt: und Gratian80)Can. 3. Cauſ. XII. Qu. 2. S. berardus in Gratiani ca - nones Partis II. Tom. I. cap. 39. pag. 244. (edit. Venet.) fuͤhrt unter des roͤm. Biſchofs Bonifacius Namen eine Stelle aus den Capitularien der fraͤnkiſchen Koͤnige an, in welcher es heißt: quidquid ſemel fuit conſecratum, ſanctum ſanctorum erit domino. Ja P. Innocenz III.81)Cap 16. X. de praebend. gehet ſo weit, daß er auch die nur zum Unterhalt der Geiſtlichen beſtimmten Guͤter und Ein - kuͤnfte der Kirche patrimonium Ieſu Chriſti nennt, welche Sprache auch ſchon das Troslejaniſche Concilium vom Jahr 909 fuͤhrte, in deſſen vierten kanon, als allgemei - ner Satz aufgeſtellet wird: quaecunque Eccleſiae ſunt, Chriſti ſunt, et quicunque ab Eccleſia aliquid ex his quocunque modo alienaverit, abſtulerit, invaſerit, vaſtaverit, minoraverit, ſive diripuerit, quia Chri - ſtus et eius Eccleſia una eſt perſona, procul dubio Sacrilegium committit82)berardus a. a O.. Kein Wunder, wenn daher auch die chriſtlichen Kaiſer die geweiheten Sachen der Veraͤuſſerung unfaͤhig erklaͤrten83)Hierher gehoͤren die Verordnungen des K. Leo L. 14. C. de SS Eccleſ. und des Anaſtaſius L 17. C eodem, welche K. Carl der Große ganz allgemein beſtaͤtigte, in baluzii Capitular. Tom I lib. I. col. 746. S. riegger Inſtitut. iurisprud. eccleſ. P. III. §. 301. u. 302.. Nur in wenigen aus -genom -427De diviſione rerum et qualitate. genommenen Faͤllen iſt von Juſtinian deren Verkauf und Verpfaͤndung geſtattet worden, naͤmlich um gefan - gene Chriſten aus den Haͤnden der Unglaͤubigen loßzu - kaufen84)§. 8. I. h. t. et theophilus in Paraphr. graeca ad eund. §., bey Hungersnoth die Armen zu unterhal - ten85)L. 21. Cod. de SS Eccleſ. , und die Schulden der Kirche, die nicht wohl an - ders getilgt werden koͤnnen, zu bezahlen86)Avthent. Cod. de SS. Eccleſ. Nov. CXX. c. 10. Weſtphal im Syſt. des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. S. 23.. Allein heu - tiges Tages denken ſelbſt die Catholiken uͤber das Eigen - thum der zum Dienſt Gottes geweiheten Sachen richti - ger. Ich will zum Beweiß nur einen der groͤßten Cano - niſten unſers Zeitalters, den Joſeph Valentin Eybel reden laſſen, welcher in ſeiner vortreflichen Einleitung in das katholiſche Kirchenrecht87)II. Theil 4. Hauptſt. §. 118. not. a. b. c. d. S. 199. folgg. Grundſaͤtze da - von vortraͤgt, die mit dem Lehrbegriff des proteſtantiſchen Kirchenrechts auf das genaueſte uͤbereinſtimmen. Es iſt richtiger, ſagt dieſer aufgeklaͤrte Catholik, wenn ich das - jenige, was zum Dienſt Gottes beſtimmt wird, vielmehr Gott geweihet, als Gott geſchenkt, oder Gott zum Ei - genthum gegeben, nenne. Denn Eigenthum iſt das Recht, mit der Subſtanz einer Sache, und mit alle dem, was aus ihr koͤmmt, und zu ihr gehoͤret, frey nach Will - kuͤhr zu ſchalten; und dieſes Recht braucht Gott ja nicht erſt von uns geſchenkt zu erhalten, wenn er es, als Gott, und als der hoͤchſte Herr aller Dinge ausuͤben will. Er hat es naͤmlich als Gott von ſelbſt. Menſchlicher Weiſe aber, wie wir ſehen, uͤber er es nicht aus, ſon - dern es wird denen Menſchen nach Art, wie es ſich ge - buͤhret, auszuuͤben uͤberlaſſen. Gott hat alles, was er in dieſer Welt erſchaffen hat, der Herrſchaft des Men -ſchen4281. Buch. 8. Tit. §. 167.ſchen unterworfen88)I. B. Moſ. 1. v. 26 — 28., und verlangt nichts anders, als das alles, was er erſchaffen hat, vernuͤnftig zu ſeinem ge - hoͤrigen Zweck angewendet werde. Es kann alſo der Menſch dem allerhoͤchſten Gott nichts eigentlich ſchenken, kein Eigenthumsrecht[auf] Gott uͤbertragen, ſondern nur blos etwas von ſeinen von Gott erhaltenen Guͤtern zum Dienſte Gottes weihen und widmen. Fragt man nun aber, wo dann das Eigenthumsrecht der Sache hinkom - me, deſſen ſich derjenige begiebt, der ſeine Sache einer Kirche opfert? ſo iſt dieſe Frage, ſagt Eybel ſehr leicht zu beantworten. Es koͤmmt naͤmlich auf denjenigen, dem dieſe Kirche gehoͤrt, und zwar kommt es mit dieſer Bedingung auf ihn, daß er es zum Dienſte Gottes an - wenden ſolle. Haben nun ſaͤmmtliche Mitglieder eines Staats zu gemeinſchaftlicher Einrichtung und Ausuͤbung des Gottesdienſtes mit einander beygetragen, ſo iſt das Eigenthumsrecht von dieſer ganzen Stiftung beym ganzen Staat, oder bey dem Fuͤrſten, auf welchen alles, was der Staat eigenthuͤmliches hat, mittelſt des Unterwerfungs - vertrags uͤbertragen worden iſt. Haben aber nur einzel - ne Gemeinden im Staate unter ſich zur Stiftung gottes - dienſtlicher Sachen beygetragen, ſo ſind zwar dieſelben derjenigen Gemeinde von der Buͤrgerſchaft eigen, welche ſie zu ihrer Religionsuͤbung auf ihre gemeinſchaftliche Koſten angeſchaft hat, allein das majeſtaͤtiſche Recht der oberſten Aufſicht in Religions - und Kirchenſachen ſtehet dem Landesfuͤrſten auch uͤber die denen kirchlichen Gemein - den im Lande gehoͤrigen Guͤter zu, vermoͤge welchen er ſich in den Faͤllen, wo es die Beduͤrfniſſe des ganzen Staats erheiſchen, dieſes Kirchen-Eigenthums ſeiner Buͤr - ger auch wider ihrem Willen zur Rettung oder Erhaltungdes429De diviſione rerum et qualitate. des Staats zu bedienen berechtiget iſt89)Hr. Reg. Rath Brauer in der ſchoͤnen Abhandl. von dem Verhaͤltniß der Kirchenſtiftungen gegen die Staatsgewalt (un - ter den Abhandlungen zur Erlaͤuterung des Weſtphaͤl. Friedens II. Bandes Einleitung) §. 7. behauptet, daß dem Staate ein Obereigenthum, den Gemeinden aber nur ein Untereigenthum zuſtehe. Allein man vergleiche die Abhandlung uͤber die Verwen - dung des Kirchenvermoͤgens in dem Archiv fuͤr die theoret. u. pract. Rechtsgelahrtheit von Hagemann und Guͤnther II. Theil N. 1.. Haben endlich einzelne Perſonen zur Gottesverehrung mit Genehmigung des Landesfuͤrſten etwas geſtiftet, ſo kommt es darauf an, ob ſie ſolches blos zu ihrem eigenen Privatgottesdien - ſte, oder ob ſie es zur oͤffentlichen Religionsuͤbung einer ganzen Gemeinheit gewidmet haben. Im erſtern Falle gehoͤren ſolche Sachen, z. B. Hauskapellen mit ihren Einrichtungen und Zubehoͤrungen denen Familien und Perſonen eigenthuͤmlich, die ſolche zu ihrer Religions - uͤbung geſtiftet und angeſchaft haben. Im letztern Fall aber iſt wieder darauf zu ſehen, mit welcher Erklaͤrung der Stifter dergleichen Guͤter zum Dienſte Gottes be - ſtimmt und gewidmet hat. Sind dieſe Guͤter zur oͤffent - lichen Religionsuͤbung einer ſchon exiſtirenden Gemeinde vermacht worden, ſo gehoͤren ſie zu deren Kirchen Eigen - thume. Hat aber der Stifter verordnet, daß die be - ſtimmten Guͤter dazu verwendet werden ſollten, an irgend einem Orte eine Kirche zum oͤffentlichen Gottesdienſte ei - ner chriſtlichen Religionsparthey zu erbauen und einzurich - ten; ſo ſind dergleichen Guͤter, als oͤffentliche Sachen, dem Staate oder deſſelben Regenten mit dieſem Beding uͤbergeben worden, daß, wenn die Beduͤrfniſſe oder der Nutzen des Staats nicht eine andere Beſtimmung derſel - ben erforderten, ſie nach dem Willen und Verlangen des -jeni -4301. Buch. 8. Tit. §. 167.jenigen, der ſolche geſtiftet hat, verwendet werden ſollen. Dem Stifter gebuͤhret aber in ſolchen Faͤllen das Pa - tronatrecht, welches ſich, unter andern mancherley Rechten und Pflichten, vorzuͤglich durch das Recht fuͤr eine erledigte Pfarre einen Geiſtlichen zu ernennen, und ſolchen der Gemeinde vorzuſtellen, wuͤrkſam aͤuſſert90)hommel Rhapſod. Quaeſt. Forenſ. Vol. VI. Obſ. 796. n. 5. ſqq. pag. 378 — 380. ſucht jedoch aus vielen Gruͤnden zu beweiſen, daß dem Patron das dominium directum uͤber die von ihm geſtiftete Kirche und deren Guͤter zukomme.. Soweit Eybel. Nach dieſen ganzen richtigen Grundſaͤ - tzen koͤnnen alſo kirchliche Gebaͤude, und andere zum unmittelbaren gottesdienſtlichen Gebrauch gewidmete Sa - chen entweder in dem Eigenthum des ganzen Staats, oder einzelner Gemeinden im Staate, oder einzelner Per - ſonen oder Familien ſeyn. Was von ganzen Kirchenge - baͤuden gilt, findet auch in Abſicht der Zubehoͤrungen der - ſelben ſtatt. Ein Acceßorium der Kirchengebaͤude ſind die Kirchſtuͤhle91)Eine ſehr ausfuͤhrliche Abhandlung von den Kirchen - ſtuͤhlen findet man in Dr. Joh. Chriſt Conr. Schroͤters vermiſchten juriſtiſchen Abhandlungen II. Band (Halle 1786. 8.) S. 322 — 362.. Das Eigenthumsrecht uͤber die - ſelbigen koͤmmt daher der Kirche zu, wenn auch gleich ein einzelnes Mitglied derſelben einen Kirchenſtuhl auf ſeine eigene Koſten gebauet haͤtte92)wernher ſel. Obſervat. for. T. I. P. III. Obſ. 119. grieb - ner in Obſervat. iur. eccleſ. Obſ. 100.. Die Kirche pflegt ſie jedoch denen Gemeindegliedern auf verſchiedene Art zu uͤberlaſſen, und davon Nutzen zu ziehen93)Chriſt. Gottl. hommel Diſput. iur. eccleſ. de ſubſelliorum eccleſiaſticorum commercio. Vitembergae 1769. 4.. Daher ſind die Kirchſtaͤnde von verſchiedener Art. Sie werden naͤmlich in oͤffentliche und privat Kirchen -ſtuͤh -431De diviſione rerum et qualitate. ſtuͤhle, und die erſtern wieder in Herrſchaftsſtuͤh - le, Amtsſtuͤhle und gemeine Kirchenſtuͤhle ein - getheilt. Von den privat Kirchenſtuͤhlen giebt es eben - falls zwey Arten, naͤmlich erbliche und nicht erbliche. Letztere ſind alle diejenigen, welche Jemanden nur auf Lebenszeit verliehen werden. Erſtere hingegen haften entweder auf gewiſſen Hoͤfen oder Haͤuſern, ſo daß ſie auf jedem Beſitzer derſelben erbweiſe oder unter einem an - dern Titel uͤbergehen; oder ſie ſtehen einer gewiſſen Fa - milie zu. Gemeiniglich erhaͤlt jedoch ein jeder Eingepfarr - ter ſeinen Kirchenſtuhl nur auf Lebenszeit. Folglich wird auch nicht vermuthet, daß irgend ein Kirchſtuhl erblich ſey; ſondern dieſes muß gehoͤrig erwieſen werden94)mevius in Deciſ. P. V. Obſ. 408. n. 2. philippi Diſſ. de ſubſelliis templorum Cap. I. §. 10. Einer andern Meinung iſt leyser Spec. XXII. med. 4.. Das Recht des Beſitzers eines nicht erblichen Kirchſtandes ge - het alſo mit ſeinem Tode verlohren, und faͤllt an die Kir - che, die ſolches nicht laͤnger ertheilen wollen, zuruͤck. Mithin darf er weder in ſeinem Teſtamente daruͤber dis - poniren; noch koͤnnen deſſelben geſetzmaͤſige Erben einige Anſpruͤche daran machen95)wernher Obſ. for. P. VI. Obſ. 462. carpzov Iurisprud. Conſiſtor. Lib. II. Tit. XXIII. definit. 364. n. 2. et 3. und de - ſinit. 363. n. 6. 7.. Viel groͤßer iſt hingegen die Freyheit, welche denen Beſitzern an den erblichen Kirchenſitzen zukommt. Solche Stuͤhle koͤnnen nicht nur durch Kauf und andere dergleichen Handlungen un - ter den Lebendigen auf andere gebracht werden; ſondern ſie kommen auch nach dem Tode des Beſitzers auf deſſel - ben rechtmaͤſige Erben. Der Kirche ſtehet an ſolchen Stuͤhlen nur das Obereigenthum, denen Beſitzern hin - gegen das nutzbare Eigenthum zu96)titius Probe des teutſchen geiſtlichen Rechts II. Buch 3. Hauptſt. §. 13. u. 20..
Wenn nun aber gleich Sachen und Guͤter einer Kirche, ſie moͤgen zum unmittelbaren oder mittelbaren Gebrauch des Gottesdienſtes abzwecken, nach den heuti - gen gereinigten Grundſaͤtzen ſowohl des katholiſchen als proteſtantiſchen Kirchenrechts nicht mehr fuͤr ein beſonde - res Eigenthum Gottes oder Chriſti gehalten werden; ſo erfordert es doch das Beſte der Kirche, daß ſolche Sa - chen ihrem Endzweck gemaͤß, wozu dieſelben ihrer Natur nach beſtimmt ſind, angewendet werden. Daher verbie - ten geiſt - und weltliche Geſetze, Kirchenguͤter und inſon - derheit ſolche Sachen, welche unmittelbar zum Gottes - dienſt abzwecken, nach Willkuͤhr zu veraͤuſſern, oder ſonſt einen fremden Gebrauch davon zu machen97)Io. Caſp. barthel Diſſ. de rebus eccleſiae non alienandis, in Opuſc. Tom. II. opuſc. 8. leyser Meditat. ad Pandect. Spec. XXIV. schollmayer Diſſ. de rebus eccleſiae non alienandis. Moguntiae 1780.. Soll naͤmlich die Veraͤuſſerung ſolcher Sachen auf eine guͤltige Art geſchehen, ſo wird zweyerley hierzu erfordert,
1) daß eine rechtmaͤſige Urſache vorhanden ſey, und
2) daß die geſetzlich vorgeſchriebene Form (ſolennitas eccleſiaſtica) gehoͤrigermaſſen beobachtet werde.
Eine rechtmaͤſige Urſache der Veraͤuſſerung iſt alsdann vorhanden, wenn entweder die Nothwendig - keit z. B. dringende Schuldenlaſt, oder die Verbind - lichkeit, Pflichten der Gottſeligkeit und chriſtlichen Liebe gegen Arme zu erfuͤllen, oder wahrer Nutzen derjeni - gen Kirche dieſelbe erheiſchet, welcher ſolche Kirchenguͤtereigen -433De diviſione rerum et qualitate. eigenthuͤmlich zuſtehen. Jedoch darf hierbey der Unter - ſchied nicht aus der Acht gelaſſen werden, daß res ſacrae einer Kirche nur im Fall einer dringenden Noth, andere Kirchenſachen aber auch des bloſen Nutzens wegen veraͤuſ - ſert werden koͤnnen98)Hr. Geh. J. R. boehmer in Princip. iuris canon. §. 620..
Zur Feyerlichkeit der Veraͤuſſerung hin - gegen wird erfordert, daß dieſelbe nach vorhergegange - ner reiflicher Erwaͤgung der Sache, und mit Concur - renz und Einwilligung der dabey Intereſſirten, unter de - ren Aufſicht die Kirchenguͤter ſiehen, naͤmlich der Kir - chenvorſteher99)Bey der Veraͤuſſerung der Stiftsguͤter wird der Conſens des Domkapituls erfordert, cap. fin. de his quae fiunt a maio - ri parte. S. auch Struben Nebenſtunden 1. Th. 1. Abh. §. 18. pag. 144 — 150., des Patrons, und des Kirchenregen - ten, welcher bey katholiſchen Gemeinden der Biſchof, in evangeliſchen Landen aber der Landesherr iſt, deſſen Stel - le jedoch meiſtentheils die Conſiſtorien vertreten, geſche - hen muß100)boehmer im angef Buch §. 621. a riegger Inſtitut. iurisprud. eccleſ P. III. §. 309. ſqq. Eybel im kathol. Kir - chenrecht IV. Th. 2. Band §. 401.. Das Veraͤußerungs-Decret, was in ſolchem Fall ertheilt zu werden pflegt, wird bey uns Pro - teſtanten mehr des beſſern Beweiſes wegen, als zur we - ſentlichen Form einer ſolchen Veraͤußerung erfordert1)Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. §. 168. S. 83. u. 84. boehmer in Iure Eccleſ. Proteſtant. T. II. Lib. III. Tit. XIII. §. 44.. Iſt uͤbrigens die geſetzte Form gehoͤrig beobachtet worden, ſo entſtehet daraus die rechtliche Vermuthung, daß eine rechtmaͤſige Urſache der Veraͤußerung vorhanden geweſenſeyGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. E e4341. Buch. 8. Tit. §. 168. u. 169.ſey2)Paul Ioſeph. a riegger Inſtitut. iurisprud. eccleſiaſt. P. III. §. 312. G. L. boehmer Princip. iuris Canon. §. 623.. Es giebt jedoch Faͤlle, da dieſe Feyerlichkeit bey der Veraͤußerung der Kirchenguͤter nicht erfordert wird. Dahin gehoͤrt,
a) wenn ein Dritter die Alienation mit einem voll - kommenen und unbezweifelten Recht verlangen kann. Z. B. die Kirche hatte das Grundſtuͤck wiederkaͤuflich, oder unter der Bedingung acquirirt, um denjenigen, der ihr das Ei - genthum uͤberlaſſen hat, wieder damit zu belehnen. Die Veraͤußerung geſchiehet in ſolchen Faͤllen vermoͤge recht - licher Nothwendigkeit (alienatio neceſſaria).
b) Wenn die zu veraͤußernde Kirchenſachen von ge - ringern Werth und Nutzen, auch zum gottesdienſtlichen Gebrauch nicht unmittelbar beſtimmt ſind3)riegger c. l. §. 313. Vid. etiam can. 20. et 53. Cauſ. XII. Qu. 2..
Das weitere hiervon gehoͤrt nicht hierher.
Sachen, woruͤber Menſchen disponiren koͤnnen, (res humani iuris) ſind entweder im Eigenthum, oder Niemanden zugehoͤrig. Hier ſoll zuerſt von der letztern Art gehandelt werden4)S. Moſer Tract. von der Landeshoheit in Anſehung der Unterthanen, Perſonen und Vermoͤgen, Cap. 24. von Sa - chen, die keinen Eigenthumsherrn haben. Dan. nettelbladt Theoria general. doctrinae de iure in re, quae eſt res nullius. Halae 1779. 4.. Unſer Verf. gedenkt hier nurder435De diviſione rerum et qualitate. der rerum communium, allein dieſe machen bey weiten nicht alle Arten der im roͤmiſchen Recht vorkommenden rerum nullius aus. Wir koͤnnen ſie in ſolche einthei - len, die ganz herrnlos, und welche es nur gewiſſer maßen ſind. Als ein Beyſpiel von der letztern Gat - tung fuͤhrt Cajus5)L. 1. pr. D. h. t. die Erbſchaften an. Nam res hereditariae, ſagt dieſer roͤm. Juriſt, antequam aliquis he - res exiſtat, nullius in honis ſunt. Eine Erbſchaft, wozu ſich der Erbe noch nicht erklaͤrt hat, iſt zu keines Men - ſchen gegenwaͤrtigen Eigenthum zu rechnen. Der ehema - lige Eigenthuͤmer iſt geſtorben, und derjenige, ſo, ſtatt ſeiner, eintreten ſoll, iſt noch nicht eingetreten. Von dieſer Seite betrachtet, iſt alſo eine Erbſchaft wirklich herrnlos6)L. 3. pr. D. de peculio. . Allein gewiſſer Folgerungen halben ſahe man ſie auch vermoͤge rechtlicher Fiction als ein noch fortdauerndes Eigenthum des Verſtorbenen an7)Daher ſagen unſere Geſetze: hereditas iacens perſonae de - functi vicem ſuſtinet, repraeſentat defuncti perſonam, defuncti locum obtinet etc. S. Princip I. de ſtipulat. ſervor L 34. D. de acquir. rer. dominio. L 31. §. 1. D. de heredib. in - ſtituend. Daß man ſich aber bey einer Erbſchaft, welche der Erbe noch nicht angetreten, nach roͤmiſchen Begriffen den verſtorbenen Erblaſſer noch als Eigenthuͤmer gedenken muͤſſe, und was das fuͤr Folgen haben koͤnne, lehrt Her - mogenian L. 61. D. de acquir. rer dom. Hereditas in multis partibus iuris pro domino habetur, adeoque hereditati quoque ut domino per ſervum hereditarium acquiritur. Man vergleiche hierbey finestres in Hermogeniano Tom. II. pag 928. Ja die Geſetze unſerer Pandecten ſagen ſogar, quod qualisqualis in hereditate defuncti poſſeſſio ſit. L. 88 D. de acquir. vel omitt. heredit Es verſtehet ſich von ſelbſt, daß von keinem eigentlichen Beſitz die Rede ſeyn kann, ſo wieder; da -E e 2mit4361. Buch. 8. Tit. §. 169.mit ſie kein Gegenſtand der Occupation werden, und Niemand, auſſer dem Erben, ſich daran vergreifen moͤ - ge8)Ant. faber in Rational. ad L. 1. D. h. t. Jedoch hat der Satz: hereditas iacens defuncti perſonam ſuſtinet noch meh - rere andere Folgen, wie Henr. kellinghusen in Diſſ. de legibus nonnullis Romanor. Franequ. 1744 (in oelrichs Theſ. nov. Diſſertat. iuridicar. Vol. II. T. II. N. 1.) cap. XXI. zeigt. Ich will nur ein paar Worte daraus anfuͤhren: Here - ditas iacens repraeſentat defuncti perſonam, hoc eſt, manet poſt mortem cuiusque ſtatus eius externus quoad bona. Ergo con - dictio furtiva, licet ex delicto oriatur, in heredem eſt danda. Ergo recte dixit Imperator, ſi tantummodo eſſet perſecutoria ex lege Aquilia actio, in heredem competituram etc. . Nur allein dem Erben ſtehet ein ausſchlieſſendes Recht zu, die Erbſchaft zu erwerben, ſo ihm wider ſei - nen Willen nicht genommen werden kann. Von ſeiner Erklaͤrung haͤngt es alſo einzig ab, Herr davon zu wer - den. Die Erbſchaft gehoͤrt ihm folglich unter dieſer Be - dingung allein. Daher wird ſie nun auch res heredis genennt, und, gewiſſer Folgen wegen, bereits als ein Eigenthum des Erben betrachtet9)L. 24. D. de Novat. Weſtphal in dem oben angef. Buch S. 10. Zwar ſcheint §. 2. I. de hered. inſtitut. entgegen zu ſeyn, in welchem geſagt wird: nondum adita hereditas per - ſonae vicem ſuſtinet, non heredis futuri, ſed defuncti; alleindieſes. Zu denen Sachen,die7)der Verſtorbene bey ſeinem Leben ihn hatte. Denn eigent - licher Beſitz iſt facti, und erfordert koͤrperliche Detention der Sache; dieſe iſt beym Verſtorbenen aber nicht denkbar. Son - dern das Geſetz ſagt qualisqualis poſſeſſio: hoc eſt, wie es averanius Interpretat. iuris T. II. Lib IV. cap. XXII. n. 17. p. 120. erklaͤrt, eiusmodi, ut poſſit iungi cum poſſeſſione fu - turi heredis, nec per defuncti mortem interrumpatur. Dieß beſtaͤtiget L. 30. pr. D. ex quib. cauſ. maior. poſſeſſio defancti, quaſi iuncta, deſcendit ad heredem, et plerumque nondum hereditate adita completur. 437De diviſione rerum et qualitate. die nur gewiſſer maßen herrenlos ſind, gehoͤren ferner Sachen des Feindes, mit welchem man Krieg fuͤhrt10)L. 5. §. 7. L. 51. §. 1. D. de acquir. rer. dom. §. 17. I. de Rer. diviſ. S. Io. Tob. richter Diſſ. de mobilibus pri - vatorum rebus inter arma captis et alienatis. Lipſiae 1746. 4.. An ſich ſind dieſe Sachen nicht herrnlos, allein ich bin befugt, ſie wegzunehmen und mir ſolche zuzueignen, ſo gut, als ob ſie res nullius waͤren, weil dies noͤthig iſt, um Erſatz fuͤr die vom Feind erlittene Beleidigung und kuͤnftige Sicherheit zu bekommen11)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 302..
Ganz herrnloſe Sachen ſind wieder von ver - ſchiedener Art. Entweder ſie ſind von Natur ſolche, oder durch Dereliction des ehemaligen Beſitzers, d. i. weil der Beſitzer ſeines Eigenthums daran ſich begeben hat, oder durch das Alterthum der Zeit, wodurch der ehemalige Eigenthuͤmer ſo unbekannt worden iſt, daß es nun unmoͤglich iſt, ihn auszuforſchen, ſind ſie herrn - los geworden. Zu den herrenloſen Sachen der letztern Art gehoͤren die gefundenen Schaͤtze. Der Eigenthuͤ - mer hat ſie zwar eigentlich ſeines Eigenthums nicht ent - laſſen wollen, indem er ſie an einen ungewoͤhnlichen Ort vergraben hat; Allein weil man nicht ausmachen kann, wer er ſey, ſo werden andere Leute Eigenthuͤmer davon12)L. 31. §. 1. D. de Acq. rer. domin. . (§. 1746. Aut.) Res nullius der andern Art, werdenE e 3res9)dieſes ſoll wohl nur ſo viel ſagen, hereditas iacens proprie et principaliter ſeu immediate vicem perſonae defuncti ſuſtinet, non heredis futuri, niſi per conſequentiam, wie man aus pr. I. de ſtipulat. ſervor. ſiehet. Denn ſobald der Erbe die Erb - ſchaft angetreten, tritt er an die Stelle des Erblaſſers, und repraͤſentirt nun deſſelben Perſon. Conf. nettelbladt cit. Diſſ. Sect. I. §. 5.4381. Buch. 8. Tit. §. 169.res derelictae, verlaſſene Sachen, genennt13)§. 47. I. de Rer. Div. L. 1. et 2. D. pro derelicto. , z. B. der ehemalige Herr hat ſeine Sache weggeworffen, und ſich ihrer begeben. Was zur Dereliction gehoͤrt, wird erſt kuͤnftig im Tit. de acquir. rer. dominio (§. 1734. Aut.) vorkommen. Sachen hingegen, die von Natur herrenlos ſind, d. i. die noch nie einen Herrn gehabt ha - ben, ſind entweder von der Art, daß ſie durch die Occu - pation ein Eigenthum eines Jeden werden koͤnnen, oder ſie ſind ſolche, die zwar Jeder zu gebrauchen, die Frey - heit hat, davon aber Niemand ein ausſchlieſſendes Ei - genthum im Ganzen erwerben kann. Sachen der er - ſten Gattung werden res nullius im ſtrengen Verſtande genennt, dahin gehoͤrt alles Wilpret, alle Fiſche im Fluͤſſen, und was ſich an den Ufern der Fluͤſſe, des Meers und der Seen, als deren Auswurf, findet14)§. 12. I. h. t. L. 1. §. 1. D. de Acquir. Rer. Dom. L. 1. §. 1. D. de Acquir. vel amitt. poſſ. §. 18. I. et L. 3. D. de Rer. Diviſ. . Herrenloſe Sachen der letztern Art aber werden res com - munes genennt. Zu dieſen werden in den roͤmiſchen Ge - ſetzen die Luft, das flieſſende Waſſer, das Meer und die Ufer des Meers gerechnet15)§. 1. I. et L. 2 §. 1. D. h. t. . Jedoch iſt alles dies nur vom Ganzen zu verſtehen, nicht von kleinern Thei - len, die man ſich hiervon allerdings zu eigen machen kann16)S. Nettelbladt in der angef. Diſſertat. Sect. I. §. 6.. Die Luft an ſich, ſofern ſie dieſe ganze Er - de umgiebt, und kein lebendiges Geſchoͤpf ohne ſie leben kann, iſt unſtreitig eine commune Sache im Sinne des roͤmiſchen Rechts. Ein jeder kann ſich derſelben zu ſei - nen Beduͤrfniſſen bedienen, keiner aber iſt faͤhig, ſie ganz zu occupiren. Allein der Luftraum, der uͤber Eines Grundund439De diviſione rerum et qualitate. und Boden ſi[ch]befindet, gehoͤrt dem Eigenthuͤmer des Grundſtuͤcks; Niemand darf daher einen Theil ſeines Gebaͤudes, einen Erker, oder Wetterdach u. dergl. ohne des Eigenthuͤmers Erlaubniß hereinragen laſſen17)L. 1. pr. D. de ſervit. praed. urbanor. L. 22. §. 4. D. quod vi aut clam. . Auch iſt der Eigenthuͤmer berechtiget, auf ſeinen Grund und Boden eine Windmuͤhle anzulegen, wo nicht nach aus - druͤcklichen Landesgeſetzen oder vermoͤge Herkommens die Erbauung neuer Muͤhlen zu den landesherrlichen Rega - lien gerechnet wird18)Ob das Recht, eine Muͤhle anzulegen, jedem Eigenthuͤmer auf dem Seinigen freyſtehe, oder ob nur der Landesherr dergleichen thun, und alſo nur er das Recht, ſie zu erbauen, andern ertheilen koͤnne? iſt zwar eine unter den Staatsrechts - lehrern ſtreitige Rechtsfrage, welche hier auſſer meiner Sphaͤre liegt; indeſſen ſtimmen darin die meiſten heutigen Rechtsge - lehrten mit mir uͤberein, daß fuͤr die natuͤrliche Freyheit der Unterthanen die Vermuthung ſtreite. Man vergleiche me - vius Tom. II. P. IX. Deciſ 72. pufendorf Obſervat. iur. univ. Tom. II. Obſ 45. hommel Rhapſod. Quaeſtion. Fo - renſ. Vol. I. Obſ. 216. Struben rechtl. Bedenken II. Th. Bed. 48. S. 165. wernher Obſerv. ſelect. for. T. I. P. II. Obſ. 382. eiusdemq. Supplem. novo. leyser Meditat. ad Pand. Spec. CCCCXXVI. med. 8. Puͤtter auserleſ. Rechts - faͤlle II. Bandes IV. Theil Reſp. 238. 14te Frage S. 1060. f. Faber Staatskanzley III. Th. C. 7. Faſc. 2. S. 650. ſqq. Weſtphal teutſches Privatrecht II. Theil, 52. Abhandl. S. 158. ff u. a. m. Wie ſehr bey dieſer Frage die teutſchen Landesgeſetze und Gewohnheiten von einander abweichen, hat Ge. Henr. ayrer in Proluſ. de diverſitate legum ac conſue - tudinum germanicarum circa regale molarum. Goettingae 1772. gezeigt.. Daß auch dadurch weder des Landesherrn noch ſonſt Jemandes wohl erworbenen Rech - ten Abbruch geſchehen duͤrfe, verſtehet ſich von ſelbſten. Eben ſo verhaͤlt ſich’s auch mit dem vorbeyflieſſen -E e 4den4401. Buch. 8. Tit. §. 169.den Waſſer. Es iſt hier nicht von Fluͤſſen die Rede, welche, als publike Sachen, unſtreitig zum Staatseigen - thum gehoͤren; ſondern von dem Flußwaſſer an ſich be - trachtet, in ſofern es in beſtaͤndigen Lauf iſt, und ab - und zufließt, mithin nie immer daſſelbige iſt19)Nettelbladt a. a. O.. Die - ſes iſt ohne Zweifel res communis. Denn jeder Menſch kann Waſſer ſchoͤpfen, ſo viel er braucht. Allein einzel - ne Portionen von dieſem Flußwaſſer werden durch die Occupation unſtreitig ein Eigenthum des Schoͤpfenden, und dieſer kann damit machen, was er will. Eben ſo kann man auch von dem Meer nur einen geringen Theil ſich zu eigen machen, den man neben ſeinen Grundſtuͤ - cken hat20)L. 14. D. de iniuriis. . Man kann auch durch Anlegung eines Baues auf demſelben, den damit belegten Platz ſo lange zu ſeinem Eigenthum machen, als der Bau fortdauert, nur daß dadurch der gemeine Gebrauch des Meers nicht gehindert werde21)L. 1. §. 18. D. de operis novi nunciat. L. 2. §. 8. L. 3. §. 1. D. ne quid in loco publico fiat. In dieſer letztern Stelle heißt es: Maris communem uſum omnibus hominibus, ut aëris: iactasque in id pilas, eius eſſe, qui iecerit; ſed id con - cedendum non eſſe, ſi deterior litoris marisve uſus eo modo futurus ſit. Pilae iactae heißen hier aufgeſtellte, aufgerich - tete, eingeſetzte Pfeiler, ſo erklaͤrt es Hr. Prof. westphal in Interpretat. iuris civ. de libertate et ſervitut. praedior. Séct. II. Cap. IX. §. 165. Not. 132. Es kann aber auch darunter ein mit Steinen ausgefuͤllter Grund im Meere (moles in mare iacta, L. 2. §. 8. eod.) verſtanden werden, worauf ein Ge - baͤude errichtet werden kann. S. brissonius de Verbor. Significat. v. Pila. . Allein der Ocean ſelbſt iſt kein Gegenſtand einer Occupation, und kann mithin von Nie -manden441De diviſione rerum et qualitate. manden eigenthuͤmlich erworben werden22)bynkershoek de dominio maris (in Opuſcul. T. I. n. V.) huber Digreſſion. Iuſtinian. lib. IV. cap. 13. Der Streit uͤber die Freyheit und das Eigenthum des Meers zwiſchen grotius de mari libero (hinter ſ. Werk de iure Belli ac Pa - tis) und seldenus de mari clauſo Londini 1636. 8. iſt be - kannt. Seldens Gruͤnde hat Huber widerlegt a. a. O. cap. 14. 15. 16.. Von klei - nern Meeren und Seen iſt hier die Rede nicht, denn dieſe koͤnnen allerdings im Eigenthum einer Nation ſeyn23)S. Henr. Com. a buͤnau Diſſ. de iure Imperatoris atque Imp. Rom. Germ. circa maria. Lipſiae 1744. Add. buder Diſſ. de dominio maris ſuevici, vulgo lacus Bodamici. Ienae 1742. (in wegelin Theſ. rer. ſuevic. Vol. IV. ) und Fr. Ludw. von Cancrin Abhandl. vom Seerecht §. 57.. Endlich die Ufer des Meers anlangend, ſo iſt darun - ter eigentlich nur derjenige Raum zu verſtehen, welcher bey der ſtaͤrkſten Anſchwellung und Aufbrauſung des Mee - res, beſonders zur Winterszeit, unter Waſſer geſetzt wird24)L. 96. 112. D. de V. S. §. 3. I. de Rer. Div. In dieſer letztern Stelle ſagt Juſtinian: Eſt autem litus maris, qua - tenus hibernus fluctus maximus excurrit. averanius Inter - pretat. iuris T. I. Lib. I. cap. 20. n. 3. und maiansius Diſſ. de litore maris in Diſſertat. T. H. n. 70. machen hierbey die Bemerkung, daß fluctus hibernus nicht die Anſchwellung im Winter anzeige, welche zu ſolcher Zeit nicht immer die groͤßeſte zu ſeyn pflege. Hibernus fluctus heiße vielmehr ſoviel als fluctus tempeſtate agitatus, alſo jede Anſchwellung der See bey Sturm und Ungewitter. Auf die Jahres - zeit kaͤme es hier nicht an. Denn Hiems heiße nicht blos die ungeſtuͤme Witterung zur Winterszeit, ſondern jedes Ungewitter zur See (tempeſtas maris irati). Allein cannegieter in Obſervat. Iur. Rom. Lib. II. cap. 4. hat ihn aus der Erfahrung widerlegt, und beruft ſich auf die Zeug -niſſe. Dieſe dienen zwar zu eines Jeden Gebrauch,E e 5ſo4421. Buch. 8. Tit. §. 169.ſo daß man auf dieſen anlanden und austreten, die Schif - fe anlegen, ſie ausbeſſern, die Netze trocknen, einen Ver - ſchlag zu einem kurzen Aufenthalt ſich daſelbſt machen kann u. ſ. w.25)§. 5. I. h. t. L. 51. D. de contr. emt. vendit. L. 1. C. de naufrag. . Allein im Ganzen findet keine Occu - pation ſtatt. Daß jedoch Theile des Seeufers zum Ei - genthum des Staats gehoͤren, und ſo fern ſie noch von Niemanden occupirt ſind, auch durch Anbau ein Eigen - thum einzelner Privatperſonen werden koͤnnen, lehren uns ſelbſt die roͤmiſchen Geſetze. So z. B. ſagt Celſus26)L. 3. pr. D. ne[quid] in loc. publ. westphal cit. Inter - pretat. de libert. et ſervit. praedior. §. 167.: Litora, in quae populus Romanus imperium habet, populi Ro - mani eſſe arbitror; und Paulus27)L 50. D. de acquir. rer. dominio. nennt das Seeufer litus publicum, mit dem Beyfuͤgen, daß wer einen Bau auf ſolchem Ufer anlegen wolle, eine Erlaubniß auswir - ken muͤſſe. Dahingegen ſagt Ulpian28)L. 1. §. 18. D. de operis novi nunciat. : Quodſi quis in mare vel in litore aedificet, licet in ſuo non aedificet, iure tamen gentium ſuum facit; und Scaͤvola29)L. 4. D ne quid in loco publico. : In litore iure gentium aedificare licet, niſi uſus publicus impediret. Es darf alſo nur durch Anlegung eines Baues an dem Ufer der See der gemeine Gebrauch des Ufers nicht gehindert werden, dann bleibt der Platz ſo lange den Anbauer, als der Bau ſtehet. Alioquin ſagt Marcian30)L. 6. pr. D. h. t. L. 14. §. 1. D. de acquir. rer. dom. , aedi - ficio dilapſo, quaſi iure poſtliminii revertitur locus in priſti -nam24)niſſe des Vegetius, Apulejus und Iſidorus, daß das Ungeſtuͤm und Aufbrauſen des Meeres zur Winterszeit am groͤßeſten ſey.443De diviſione rerum et qualitate. nam cauſam, et, ſi alius in eodem loco aedificaverit, eius fiet.
Daß uͤbrigens heutiges Tages manche Sachen, die bey den Roͤmern fuͤr ganz herrenlos gehalten wurden, zu den publiken Sachen gehoͤren koͤnnen, deren Occupation ſich die Landesherrn privative anmaßen, lehrt die Erfahrung31)S. Io. Ant. Lud. seidensticker Commentat. de funda - mentis iuris ſupremae poteſtatis circa adeſpota ex iure publico univerſali, iure Rom. et iure publico German. Goettingae 1789. 4..
Wir kommen nun auf die Sachen, die im Eigen - thum der Menſchen ſich befinden. Dieſe ſind wieder von verſchiedener Art.
I) Solche, die ein Eigenthum eines ganzen Volks oder Staats ſind. Dieſe werden res publicae, publike Sachen, Staatsguͤter32)leyser Diſſ. de rebus publicis, in eius Meditat. ad Pau - dect. Specim. XXV. genennt. Sie ſind entwe - der von der Art, daß ſie blos dem Staate im Ganzen dienen, davon aber ein oͤffentlicher und gemeiner Ge - brauch nicht jedem Mitgliede zukommt, oder ſo beſchaf - fen, daß ſie eines jeden Buͤrgers gemeinem Gebrauche uͤberlaſſen ſind. Die publiken Sachen der erſtern Art machen das Patrimonium des Staats, oder Staats - vermoͤgen aus; die von der letztern Art aber werden Publike Sachen in der engern Bedeutung genennt. Zu dieſen gehoͤren oͤffentliche Fluͤße, welche einenbeſtaͤn -4441. Buch. 8. Tit. §. 170.beſtaͤndigen Lauf haben33)L 1. §. 3. D. de fluminib. L. 3. D. eodem. L. 4. §. 1. D. de rer. diviſ. Conf. westphal de libert. et ſervit. prae - dior. Sect. II. c. 10. , und Haͤfen. Ihr Ge - brauch ſtehet jedem Buͤrger offen. Das Eigenthum da - von gehoͤrt dem Staate. Jeder Buͤrger kann daher nicht nur ſolche beſchiffen und darin die Fiſcherey uͤben34)§. 2. et 4. I. h. t. ; ſondern auch in dem Fluße einen Bau anlegen, oder etwas darinn wegbringen, niederreißen, und fortſchaf - fen, wenn dadurch dem gemeinen Gebrauche, dem Staate, und Privatperſonen kein Nachtheil erwaͤchſt35)L. 24 pr. D de damno inf. L. 1. §. 12. D. de fluminib. L. 10. §. 2. D. de aqua pluv. L. un. §. 1. et 4. D. ne quid in flum. publ. . Daher iſt es keinem Privatmann erlaubt, zu ſeiner Be - quemlichkeit eine Bruͤcke uͤber einen oͤffentlichen Fluß zu ſchlagen, wodurch die Schiffahrt gehindert wird .36)L. 4. D. de fluminib. . Die Ufer der Fluͤße gehoͤren zwar eigentlich denen an - graͤnzenden Nachbarn, jedoch muͤſſen dieſelben jedem Buͤr - ger frey gelaſſen werden, ſo weit er es zum gemeinen Gebrauch des Flußes noͤthig hat37)§. 4. I. et L. 5. pr. D. de diviſ. rer. , und blos in die - ſem Verſtande wird von ripis geſagt, daß ſie publicae ſeyn38)L. 3 pr. D. de fluminib. . Es ſtehet daher einem Jeden frey, mit ſei - nem Schiffe an das Ufer anzulanden, die Schiffs-Seile an den darauf gewachſenen Baͤumen zu befeſtigen, Fi - ſcher-Netze daſelbſt zu trocknen, oder ſonſt eine Laſt dar - auf zu legen, mit eben dem Rechte, als auf dem Fluße ſelbſt zu ſchiffen39)L. 5. pr. D. de Rer. diviſ. L. un. §. 8. D. ut in flum. publ. navig. . Nur darf Niemand etwas an oderauf445De diviſione rerum et qualitate. auf dem Ufer unternehmen, wodurch der Schiffarth, dem gemeinen Gebrauche des Ufers, oder auch den angraͤnzen - den Nachbarn geſchadet wird40)L. un. §. 2. D. de ripa mun. L. 1. §. 16. D. de fluminih. L. un. §. 6. D. ne quid in flum. publ. Conf. westphal de libert. et ſervit. praedior. c. l. §. 184 — 187.. Uebrigens verſtehen die Geſetze unter dem Ufer dasjenige Land, ſo den Fluß, ſo lange er die natuͤrliche Richtung ſeines Laufs behaͤlt, auf beyden Seiten einſchließt, und vom Waſſer auch bey vollem Strom nicht uͤberſchwemmt wird41)L. 1. §. 5. L. 3. §. 1. D. de fluminib. westphal c. l. §. 182. 183.. Zu den publiken Sachen der letztern Art gehoͤren auch die oͤffentlichen Wege, Land - oder Heer-Straßen42)Conf. westphal de libert. et ſervit. praedior. Sect. II. cap. 4. et Vinc. bartolucci Diſſ. de viis publicis. Romae 1786. 4., (viae regiae, zur Zeit des Freyſtaats aber praetoriae, conſu - lares43)L. 2. §. 22. D. ne quid in loco publico. ; denn auch bey dieſen iſt Grund und Boden oͤffentliches Eigenthum. Viam publicam eam dicimus, ſagt Ulpian44)L. 2. §. 21. D. eodem. , cuius etiam ſolum publicum eſt. Allein in jedem buͤrgerlichen Staate haben oͤffentliche Straßen allgemeinen Gebrauch45)L. 1. et 2. D. de locis et itinerib. publ. . Sonach iſt jeder Privatmann befugt, bey der Obrigkeit Beſchwerde zu fuͤhren, wenn jemand etwas unternimmt, ſo dieſen Gebrauch hindert. Von den Haupt oder Heerſtraßen (viae publicae, regiae) unterſcheiden unſere Geſetze vias vicinales, Neben - oder Dorfwege, und vias privatas, Privatwege, nach - barliche oder Gunſtwege46)L. 2. §. 22. et 23. D. ne quid in loco publica. . Denn erſtere gehoͤrengemei -4461. Buch. 8. Tit. §. 170.gemeiniglich zum Eigenthum einer Gemeinheit, und die - nen vorzuͤglich zum Gebrauch derſelben, ſie werden jedoch auch in gewiſſer Betrachtung viae publicae genennt, ſofern ſie naͤmlich gemeinen Gebrauch haben, und auf gemein - ſchaftliche Koſten unterhalten und gebeſſert werden47)L. 2. §. 22. cit. Ueberhaupt aber werden auch in unſern Geſetzen res publicae im weitlaͤuftigen Verſtande alle diejeni - gen Sachen genennt, welche nicht einzelne Perſonen zu Eigen - thuͤmern haben, ſondern zum Eigenthum eines ganzen Staats oder einer einzelnen Gemeinheit gehoͤren. L. 1. pr. D. h. t. .
Zum Patrimonium des Staats oder Staatsver - moͤgen hingegen gehoͤren die Einkuͤnfte des Staats aus verpachteten oͤffentlichen Guͤtern und Laͤndereyen, Abgaben, Zoͤllen und Steuern der Unterthanen, auch Einziehung eines ganzen Vermoͤgens eines Buͤrgers, oder eines Theils deſſelben, woraus die oͤffentlichen Abgaben des Staats beſtritten werden. Die Roͤmer unterſchieden an - faͤnglich zwiſchen der Caſſe des Kaiſers, Fiscus, und der - jenigen, woruͤber er und der Senat disponirte, Aerarium publicum oder populi48)Hugo Lehrbuch und Chreſtomathie des claſſiſchen Pandecten - rechts I. Th. 5. Buch §. 42.; allein ſchon zu Ulpians Zeiten hatte dieſer Unterſchied aufgehoͤrt, nachdem die Kaiſer alles unter ihrem Deſpotismus gezogen hatten49)Iac. gutherius de officiis domus auguſtae Lib. III. cap 31. und westphal de libert. et ſervitut. praedior. Sect. II. c. 3. §. 65. not. 63.. Nach den Grundſaͤtzen des allgemeinen Staatsrechts pflegen in Ruͤckſicht auf den Regenten dreyerley Guͤter unterſchie - den zu werden: 1) Staatsguͤter, Reichs - oder Landſchaft - liche Guͤter, 2) Domainen-Domanial-Kronen-Cam - merguͤter, 3) Privatguͤter des Regenten oder Chatullguͤ - ter. Staatsguͤter ꝛc. ſind diejenigen, welche zur Be -ſtrei -447De diviſione rerum et qualitate. ſtreitung der oͤffentlichen Ausgaben und Steuerung der allgemeinen Beduͤrfniſſe des Staats beſtimmt ſind. Die Cammerguͤter ꝛc. ſind diejenigen, welche zum Unterhalt des Regenten und ſeiner Familie gewidmet ſind. Das Eigenthum an beyden Gattungen oͤffentlicher Guͤter kommt ordentlicher Weiſe dem Staate zu; die buͤrgerliche Ober - herrſchaft daruͤber aber gebuͤhrt dem Regenten, welcher ſie den Fundamentalbeſtimmungen derſelben, den Grund - geſetzen des Staats gemaͤß, ausuͤben muß50)von Buri Erlaͤuterung des Teutſch. Lehnrechts S. 477 — 485. Runde Anmerkungen zu Buri S. 77. Schnaubert Erlaͤuterung[ des Lehnrechts] §. 59. S. 95.. Cha - tullguͤter des Regenten endlich ſind ſolche, welche derſel - be nicht als Regent, ſondern als Privatperſon betrachtet, beſitzt und in ſeinem Eigenthum hat, deren Gefaͤlle alſo nicht in die Staatscaße fließen, ſondern woruͤber dem Regenten die freye Verwaltung und Diſpoſition zuſte - het51)Bey den Roͤmern hieß die kaiſerliche Chatoul, ratio Cae - ſaris, res Principis privata, dominica. L. 6. §. 1. L. 9. C. de iure fiſci, L. 1. C. de offic com rer. privatar. L. ult. C. de agr. et manc. domin. rer. Conf. gutherius de officiis domus Aug. lib. III. cap. 25. ſqq. und A. F. rivini Diſſ. de bonis principis patrimonialibus. Lipſiae 1737..
Ob wir in Teutſchland oͤffentliche oder Staats - ſachen im Sinne des ehemaligen roͤmiſchen Rechts ha - ben? iſt eine Frage, die wenigſtens in ſo ferne mit Nein beantwortet werden muß, als wir mit den heutigen Staatsrechtslehrern zum Grundſatz annehmen, daß unſere teutſche Landesherren nicht fuͤr bloſe Nutznieſer ihrer Laͤn - der und der zu ihrem Unterhalt ausgeſetzten Guͤter, ſon - dern fuͤr wirkliche und wahre Herren und Eigenthuͤmer derſelben zu halten ſind, woruͤber ihnen entweder eindomi -4481. Buch. 8. Tit. §. 170.dominium allodiale oder utile feudale zuſtehet52)Chriſt Gottl. biener de natura et indole dominii in terri - toriis Germaniae. Lipſiae 1780. Schnaubert Anfangs - gruͤnde des Staatsrechts der geſammten Reichslande 3. Buch 5tes Hauptſt S. 110. ff.. Es folgt hieraus, daß alle Theile eines teutſchen Reichs - landes, die nicht von andern eigenthuͤmlich beſeſſen wer - den, dem Landesherrn eigenthuͤmlich zugehoͤren, mithin res publicae oͤffentliche Sachen im Sinne des teut - ſchen Staatsrechts diejenigen zu nennen ſind, die nicht ſowohl dem Lande oder Staate zugeeignet werden koͤnnen, ſondern deren Eigenthum vielmehr dem Landesherrn ſelbſt zuſtehet, und welche theils zum Unterhalt und Gebrauch des Landesherrn, theils zu Abhelfung ande - rer oͤffentlicher und gemeiner Beduͤrfniſſe des Landes beſtimmt ſind53)de selchow in Element. iur. german. privati hodier. §. 527. Schnaubert Beytraͤge zum T. Staats - und Kirchenrecht II. Th. N. II. S. 127 ff. und Io. Audr. hoffmann Diſſ. de rebus Princibus S. R. I. regentibus ad imperium, dignitatem et perſonam publicam, ſuſtinendum dicatis. Marburgi 1774.. In Gemaͤsheit die - ſer Grundſaͤtze gehoͤren daher heutiges Tages zum landes - herrlichen Eigenthume
I) die Fluͤſſe und Seen mit ihren Geſtaden, Betten, (alveus) Inſeln, und uͤbrigen Zubehoͤ - rungen54)Ahasv. fritsch ius fluviaticum. Ienae 1672. f. Car. Gotfr. winckler Diſſ. de iure circa flumina. Kiel 1758.. Der Landesherr iſt daher befugt, a) pre - tioͤſe Sachen, welche der Fluß mit ſich fuͤhrt, z. B. koſt - bare Steine, Goldſand u. d. m. desgleichen auch die Nu - tzungen der Fluͤſſe, z. B. die Fiſcherey ſich zuzueignen; b) den privat Gebrauch des Waſſers andern zur Schif -farth,449De diviſione rerum et qualitate. farth, Anlegung einer Muͤhle55)An oͤffentlichen Fluͤſſen darf ein Privatmann ohne Erlaub - niß des Landesherrn keine Muͤhlen anlegen, stryk Diſſ de iure prohibendi exſtructionem molendinor. hering de mo - lendinis Qu. 15. n. 20. ſq. Weſtphal teutſches Privatrecht II. Th. 52. Abh. §. 3., Haltung einer Faͤhre, u. ſ. w. gegen eine gewiſſe Abgabe (Zinns, Waſſer - zoll) zu uͤberlaſſen; c) fuͤr den zur Anlegung, Unter - haltung und Beſſerung der Bruͤcken und Schleußen ge - machten Aufwand ein verhaͤltnißmaͤſiges Bruͤcken - und Schleuſſen-Geld zu erheben, u. ſ. m. Denen Un - terthanen iſt hingegen der Gebrauch der Fluͤſſe nur in ſoweit freygelaſſen, daß Jedermann Waſſer zu ſeiner Nothdurft daraus ſchoͤpfen, und ſich deſſelben bedienen kann.
II) Die oͤffentlichen Wege und Heerſtraſ - ſen56)Weſtphal teutſches Staatsrecht 35. Abh. fritsch Diſſ. de iure viarum publicarum regali. miller Diſſ. de eo, quod iuſtum eſt circa vias publicas et militares in Imp. R. G. ex - ſtruendas. Gieſae 1776. reuss D. de viarum publicarum mu - nitione, vulgo Chauſſee-Bau, Stuttg. 1781.. Jedermann kann ſie zwar paßiren, allein der Landesherr kann fuͤr den zur Anlegung, Beſſerung und Erhaltung derſelben gemachten Aufwand ein verhaͤltniß - maͤßiges Wege - oder Chauſſee-Geld erheben.
III) Alle oͤde Plaͤtze, Berge, Huͤgel, Thaͤ - ler, Waldungen, Gebuͤſche u. dgl., die nicht Thei - le und Zubehoͤrungen von privat Guͤtern ſind, mit allen davon zu erhebenden Nutzungen, dem Rechte, den An - bau derſelben zu verſtatten, und ſich dafuͤr den Rott - oder Noval-Zehnten auszubedingen57)Schnaubert Erlaͤuterung des in Deutſchland uͤblichen Lehnrechts §. 74. S. 165. folgg..
IV) DieGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. F f4501. Buch. 8. Tit. §. 170.IV) Die Gold - oder Silber-Bergwerke im ganzen Lande58)Puͤtters Beytraͤge zum T. St. u. Fuͤrſt. Recht. I. Th. S. 203.. Inſonderheit gehoͤren noch zum Ei - genthum des Landesherrn, wenigſtens in den weltlichen Reichslanden59)In den geiſtlichen Reichslanden kommt nicht dem Praͤlaten, ſondern dem Stifte das Eigenthum an den Stiftsguͤtern zu, ſie moͤgen Tiſch - und Tofelguͤter, oder gemeine Stifts - guͤter ſeyn. Dem geiſtlichen Praͤlaten iſt demnach blos die Landeshoheit daruͤber, und die der Landes - und Stiftsver - faſſung gemaͤße Verwaltung und Benutzung zuſtaͤndig. Schnaubert Erlaͤuterung des Lehnrechts S. 98. Eben - derſelbe im Territorial-Staatsrecht §. 141.,
V) diejenigen Grundſtuͤcke, welche Cammerguͤ - ter, Domainen, Tiſch - und Tafelguͤter genennt werden60)Chr. friese ius domaniale. Frſti 1701. f. und Dan. Gottfr. Schreber von Cammerguͤthern und Einkuͤnften. Leipzig 1754. 4.. Es werden darunter in eigentlicher Bedeu - tung diejenigen landesherrlichen Guͤter verſtanden, wel - che von einem beſondern landesherrlichen Collegium, die Cammer genannt, oder unter deſſelben Aufſicht von ein - zelnen Bedienten, Rendanten u. dgl. verwaltet, und aus deren Gefaͤllen der Unterhalt des Landesherrn, und an - dere oͤffentliche Ausgaben beſtritten werden61)Schnaubert Terr. Staatsr. §. 142. u. 143.
Was uͤbrigens weder im landesherrlichen noch pri - vat Eigenthume befindlich iſt, wird herrenlos, Ades - pota genannt. Daß nur der Landesherr, als Eigenthuͤ - mer des Landes, ſolche allein ſich zuzueignen, befugt ſeynſollte,451De diviſione rerum et qualitate. ſollte, iſt ganz irrig62)Man ſehe vorzuͤglich Puͤtters Beytraͤge ꝛc. I. Th. Num. 14. S. 208 folgg. auch Biener im angef. Buch S. 63 und Schnaubert in den Beytraͤgen zum T. Staats - und Kir - chenrecht II. Th. Num. 2. §. X. S. 128. folgg.. Adespota koͤnnen auch von einzelnen privat Perſonen occupiret werden. Z. B. Wil - de Thiere und Voͤgel, ſofern ſie nicht nach der beſon - dern Verfaſſung des Landes zur Regalitaͤt der Jagd ge - hoͤren63)Schnaubert Territorial-Staatsrecht §. 172. ibique al - legati. . Ferner manche dieſer Sachen koͤnnen als Zu - wachs (iure acceſſionis) Privateigenthum werden. Z. B. gefundene Schaͤtze, ſofern ſie ein Privateigenthuͤmer auf ſeinem Grunde und Boden[findet]64)de selchow in Element. iur. german. priv. hod. §. 534. Mich. grassus Diſſ. de neglectis quoad acquirendi modos fiſci commodis Cap. II. §. 26. wernher Obſerv. for. P. VI. Obſ. 322. et P. VIII. Obſ. 411. hofacker Princip. iuris civ. Rom. germ. T. II. P. I. §. 934.; desgleichen derelin - quirte Sachen, welche auf einem Privateigenthume gefun - den werden65)Auch kann eine derelinquirte Sache mittelſt der Acceſſion in das landesherrliche Eigenthum kommen. Z. B. wenn Jemand ein auf landesherrlichen Grund und Boden ſtehendes Haus derelinquirt.. Stein - und Marmorbruͤche, Steinkohlen, Salpeter, Kreide, Salzquellen, Turff u. a. m. wenn ſolche Sachen in Grundſtuͤcken der Privatperſonen oder Gemein - heiten ſich befinden, gehoͤren ohnedem den Eigenthuͤmern dieſer Grundſtuͤcke als Acceſſorien und Zubehoͤrungen der - ſelben66)Schnaubert Territorial-Staatsrecht §. 172.. Jedoch muß hierbey auf die innere Verfaſ - ſung und Verſchiedenheit der teutſchen Reichsterritorien vorzuͤglich Ruͤckſicht genommen, und dabey der Unter - ſchied zwiſchen landesherrlichen Eigenthumsrech -F f 2ten4521. Buch. 8. Tit. §. 170. u. 171.ten (iura patrimonialia) und fiskaliſchen Gerecht - ſamen und Revenuͤen des Landesherrn, welche dem Landesherrn, als Regenten, vermoͤge der Landeshoheit zukommen, nicht auſſer Acht gelaſſen werden67)Schnaubert Beytraͤge 2. Th. S. 130. folgg. S. auch claproth de fiſco et patrimonio Prineipis, in Deſſelben Sammlung juriſt. philoſoph. und critiſcher Abhandlungen. 2. Stuͤck. N. III. S. 318. ff.. Zu den landesherrlichen Einkuͤnften der letztern Art gehoͤren diejenigen Gefaͤlle, welche der Landesherr von einzelnen Unterthanen und deren Vermoͤgen in beſtimmen Faͤllen zu erheben befugt iſt68)Moſer Tr. von der Landeshoheit in Anſehung der Unter - thanen, Perſonen und Guͤter; Schnaubert Anfangsgr. des Staatsrechts der geſamten Reichslande §. 306.. Aus dieſen beſtehet diejenige lan - desherrliche Caſſe, welche man den landesherrlichen Fis - kus in eigentlicher Bedeutung nennt. Beſtimmte Faͤlle und Gerechtſame deſſelben werden zwar ſchon immer bey Erklaͤrung der einzelnen Materien der Pandecten vorkom - men, doch iſt der Titel (de iure fisci lib. XLIX. Tit. 14.) eigentlich dieſer Lehre gewidmet.
Zu den Sachen, die im Eigenthum der Menſchen ſich befinden, gehoͤren II) Gemeindeſachen, res uni - verſitatis69)§. 6. I. h. t. . Jede Gemeinde, ſie ſey eine kirchliche oder weltliche, (§. 88.) hat zu ihrer Formirung einen Zweck, der dem allgemeinen Zwecke des Staats wenigſtens nicht entgegen wirken darf. Die Erreichung dieſes Zwecksver -453De diviſione rerum et qualitate. verurſacht Aufwand, z. B. ſie braucht Diener. Dieſen Aufwand zu beſtreiten, kann ſie Guͤter und ein eigenes Vermoͤgen erwerben70)Conf. Wolfg. Ad. schoepfii Diſſ. de bonis univerſitatum, quae germanice vocantur Allmanden. Tübingae 1740.. (§. 89. n. 1.) Die Eigenthuͤ - mer dieſer Gemeindeguͤter ſind nicht einzelne Perſonen, ſondern mehrere, welche die Gemeinde, d. i. eine morali - ſche Perſon formiren71)L. 6. §. 1. D. h. t. Univerſitatis ſunt, non ſingulorum, veluti quae in civitatibus ſunt theatra, et ſtadia et ſimilia, et ſi qua alia ſunt communia civitatum. Ideoque nec ſervus communis civitatis ſingulorum pro parte intelligitur, ſed uni - verſitatis. Stadia ſind Plaͤtze, wo oͤffentliche Leibesuͤbungen zur Beluſtigung des Volks, z. B. Wettrennen, Fechterſpie - le u dergl. angeſtellet wurden. brissonius de Verb. Signifi - cat. lib. XVII. v. Stadium. Der Sclave, der einer Stadt zugehoͤrte, war nicht Sclave einzelner Buͤrger, mithin fielen diejenigen Geſetze weg, welche das Verhaͤltniß des Sclavens gegen ſeinen Herrn beſtimmten, wenn ein ſolcher Stadtge - meinheitsſclave im Verhaͤltniß gegen einzelne Buͤrger betrach - tet wurde. Ein Grundſatz, der bey den Roͤmern von den wichtigſten Folgen war, wie die angefuͤhrte Geſetzſtelle in den nachfolgenden Worten durch auffallende Beyſpiele lehrt.. Das Vermoͤgen einer mora - liſchen Perſon iſt nun in Abſicht der Beſtimmung und des Gebrauchs oder Nutzens, welchen daſſelbe denen Mitgliedern der Geſellſchaft gewaͤhret, von doppelter Art. Es iſt naͤmlich entweder von der Art, daß der Gebrauch dieſer Gemeindeguͤter jedem einzelnen Mitgliede der Ge - ſellſchaft in den Faͤllen erlaubt iſt, in welchen das Mit - glied nach Maasgabe des Endzwecks, wozu dieſe Guͤter beſtimmt ſind, derſelben benoͤthiget zu ſeyn glaubt; oder es iſt von der Art nicht, daß die einzelnen Mitglieder der Gemeinde auf eine ſo unmittelbare und in die Au - gen fallende Art ſolches nach ihren individuellen Beduͤrf - niſſen nutzen und gebrauchen duͤrften, ſondern die Nu -F f 3tzungen4541. Buch. 8. Tit. §. 171.tzungen und Gefaͤlle werden zum Beſten der ganzen Ge - meinheit uͤberhaupt, ſofern ſie als eine iuriſtiſche Einheit oder moraliſche Perſon betrachtet wird, verwendet. Die - jenigen Stuͤcke des Vermoͤgens einer Gemeinheit, welche ihrer Beſtimmung nach allen einzelnen Mitgliedern der - ſelben nach ihren individuellen Beduͤrfniſſen zum Nutzen und Gebrauche dienen, werden gemeine oder oͤffentliche Sachen einer Gemeinheit, res univerſitatis im engern Verſtande genennt; z. B. gemeine Triften, gemeine Hol - tzungen, gemeine Brunnen, gemeine Backoͤfen, Brau - haͤuſer, gemeine Todtenaͤcker, Kirchen und Kirchhoͤfe, u. ſ. w. Die letztere Art des Gemeindevermoͤgens aber macht das Patrimonium oder den Schatz der Ge - meinheit (aerarium univerſitatis, arca communis) aus72)S. Woltaͤr Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſamkeit §. 177. S. 226. folgg.. Zu dieſem gehoͤren Kapitalien, Zinſen und andere Gefaͤlle, die eine Gemeinheit jaͤhrlich zu erheben hat, desgleichen Aecker, Wieſen, Weinberge und andere liegende Gruͤnde.
Eine moraliſche Perſon iſt eben ſo wenig, als ein Unmuͤndiger im Stande, ihr Vermoͤgen ſelbſt zu ver - walten73)Woltaͤr a. a. O. §. 180.. Folglich muß ein Gemeinde-Vermoͤgen im - mer Vormuͤnder haben, denn deſſelben Eigenthuͤmer wird nie volljaͤhrig74)Daher laſſen die Geſetze denen Gemeinheiten die Rechte der Pupillen und Minderjaͤhrigen angedeihen, wie ich ſchon an einem andern Orte dieſes Commentars (I. Th. §. 89. S. 483.) bemerkt habe. Add. G. L. boehmer in Princip. iur. canon. §. 629.. Dieſe Vormuͤnder oder Verwalter der Gemeindeguͤter bekommen nach Unterſchied der Gemeinhei - ten verſchiedene Namen. Bey Kirchengemeinden werden ſie Kirchenvaͤter, Kirchenpfleger, Kirchenvor -ſteher,455De diviſione rerum et qualitate. ſteher, Gotteshaus - oder Heiligenpfleger, Kir - chenbeſchworne, Kaſtenvoͤgte u. ſ. w.75)Henr. linck Tr. de iure epiſcopali Cap. X. n. 18. et Iuſt. Henn. boehmer in Iure Parochiali Sect. VI. cap. 1. §. 17.; bey Stadtgemeinden aber Stadtkaͤmmerer genennt. Zwi - ſchen dieſen Verweſern und der moraliſchen Perſon ſelbſt tritt eben dasjenige rechtliche Verhaͤltniß mit allen da - raus flieſſenden Folgen ein, welches zwiſchen den Vor - munde und ſeinen Mundel obwaltet76)Clem. 2. de religioſ. domibus (Lib. III. Tit. 11.) Illi etlam, quibus dictorum locorum adminiſtratio committetur, ad inſtar tutorum et curatorum iuramentum praeſtare, ac de locorum ipſorum bonis inventaria conficere, et ſingulis annis de ad - miniſtratione ſua rationes reddere teneantur. So wie ferner der Vormund ſeinem Muͤndel den demſelben waͤhrend ſeiner Vormundſchaftsfuͤhrung zugefuͤgten Schaden erſetzen muß; ſo iſt auch ein Verwalter der Gemeindeguͤter einer moraliſchen Perſon dazu verpflichtet. Und alle diejenigen Verordnungen, welche dieſerwegen zur Sicherheit der Unmuͤndigen in den Ge - ſetzen gemacht worden ſind, finden auch zum Beſten einer moraliſchen Perſon gegen ihre Kaſtenvorſteher ſtatt. S. Wol - taͤr a. a. O. S. 234.. Dem Staate, oder eigentlich dem Landesherrn, der die Gemeinde octroyrt hat, ſtehet jedoch die Obervormundſchaft zu77)I. H. boehmer in Iure Paroch. Sect. VI. cap. I. §. 18. Schloͤzers Staatsanzeigen XIV. Band. 56. Heft N. V. §. 14. G. L. boehmer Diſſ. de iure principis circa loca et opera publica, in eius Exercitat. iur. civ. T. I. p. 567. ſq. et stryck Diſſ. de iure principis circa rationes civitatum. . Dieſer muß daher das wohlerworbene Vermoͤgen der Gemein - heit ſchuͤtzen, muß daruͤber halten, daß es zweckmaͤßig verwaltet werde; auch uͤber die Zwecke ſelbſt ſtehet ihm die Cognition zu, und ohne ſeine Einwilligung darf nichtsF f 4unbe -4561. Buch. 8. Tit. §. 171. u. 172.unbewegliches davon veraͤuſſert werden78)L. 3. Cod. de vendend. reb. civitatis. Conf. Sam. stryck Diſp. de alienatione rerum atque bonorum civitatis Frfti 1698. et leyser Meditat. ad Pand Vol. XI. Spec. DCLXXVI. hof - acker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. II. P. I. §. 753.. Uebrigens wird von der Verwaltung der Gemeindeguͤter im 8ten Titel des 50ſten Buchs der Pandecten beſon - ders gehandelt. Zum Beſchluß bemerkt unſer Verfaſſer noch, daß einzelne Mitglieder der Gemeinde die derſelben gehoͤrige oͤffentliche oder gemeine Sachen (res uni - verſitatis in ſpecie) anders nicht benutzen duͤrfen, als es durch Vertraͤge, Gewohnheiten, und Geſetze beſtimmt iſt, und falls es an dergleichen beſondern Beſtimmungen man - geln ſollte, ſo muß doch wenigſtens der Gebrauch nie dem Endzweck, wozu dieſe Gemeindeſachen beſtimmt ſind, zuwider ſeyn, auch nicht auf eine ſolche Art geſchehen, wodurch die uͤbrigen Mitglieder an den gewoͤhnlichen Nu - tzen behindert werden79)wernher ſelect. Obſervat. For. Tom. II. P. VII. Obſ. 70..
Die Sachen koͤnnen nun auch noch II) in Ruͤck - ſicht ihrer phyſiſchen Qualitaͤt verſchiedentlich ein - getheilt werden80)Hier empfehle ich vorzuͤglich hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. Tom II. Part. I. Lib. III. cap. 1. de rerum divi - ſione ex qualitate (earum) naturali. . Sie ſind entweder einzelne, be - ſondere Sachen, res ſingulares, diſcretae; oder ſolche, die aus mehrern von einander verſchiedenen und abge - ſonderten Dingen beſtehen, welche zuſammen unter einem collectiven Namen ein gewiſſes Ganzes ausmachen. Sa -chen457De diviſione rerum et qualitate. chen der letztern Art werden res univerſales oder univerſi - tas rerum genennt z. B. eine Erbſchaft, eine Bibliothek, ein Guts-Inventarium. Von dieſen werde ich zuletzt handeln. Zuerſt alſo von den einzelnen Sachen (res ſingulares). Dieſe werden in den Geſetzen81)Vid. Tit. I. de rebus corporalibus et incorporalibus, et L. 1. §. 1. D. de diviſ. rer. Der Titel der Inſtitutionen iſt ganz aus Cajus abgeſchrieben, wie man aus schulting Iurisprud. vet. Antejuſtin. pag. 73. folgg. erſeben kann. Nur darin findet ſich eine Differenz, daß in den Fragmenten des Cajus ſtehet, quae manu tangi poſſunt. Nun will man zwar das Wort manu fuͤr einen Anianiſchen Zuſatz halten, allein da dieſer Begriff mit der Erklaͤrung des Theophilus in ſeiner Paraphraſe der Inſtitutionen ſo genau uͤbereinſtimmt, ſo bin ich geneigter zu glauben, daß Tribonian das Wort manu weggelaſſen, als daß Anian, oder Goaricus, oder wer ſonſt der Verfaſſer des Alaricianiſchen Handbuchs ſeyn mag, ſolches eingeſchaltet haben ſollte. Conſent. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 158. zwar nur in koͤrperliche und unkoͤrperliche eingetheilt, mich duͤnkt aber, daß ſich noch eine dritte Claſſe von Sachen annehmen lieſſe. Es giebt naͤmlich Sachen, welche in verſchiedener Ruͤckſicht eben ſowohl koͤrperliche als unkoͤr - perliche ſeyn koͤnnen, z. B. das Geld. Koͤrperliche Sachen werden nun in unſern Geſetzen diejenigen ge - nennt, welche ſich fuͤhlen und beruͤhren laſſen, (quae tangi poſſunt) oder wie ſie Cheophilus82)Paraphr[.]graec. lib. II. Tit. 2. §. 1. Eſt autem corpo - rale (σωματικὸν), quod et nomine cognoſcitur, et tactui ac viſui ſubiacet. (καὶ ἀφῇ καὶ ϑέα ὑποπιπτει)., in ſeiner Paraphraſe der Inſtitutionen erklaͤrt, Sachen, die man mit den Haͤnden beruͤhren, und mit den Augen ſehen kann. Unkoͤrperliche Sachen hingegen werden dieje - nigen genennt, welche von der Art nicht ſind, daß ſieF f 5betaſtet4581. Buch. 8. Tit. §. 172.betaſtet werden koͤnnen, (quae tangi non poſſunt) oder wie Theophilus83)incorporale (ἀσώματον) vero eſt, quod ſola mente co - gnoſcitur, nec tactui et viſui ſubeſt (οὔτε δε ἀΦῇ ἤ ϑέᾳ ὑποπιπτει). ſagt, die keinen Gegenſtand des Beruͤhrens mit den Haͤnden und des Sehens abgeben. Ob dieſe Begriffe von den Stoikern entlehnt ſind, unter - ſucht Meiſter84)Chr. Frid. Ge. meisteri Progr. de philoſophia ICtorum Romanor. ſtoica in doctrina de corporibus eorumque partibus. In eius ſelect. opuſc. ſyllog. I. N. X. pag. 507 — 563. in der unten angefuͤhrten Schrift. Man ſagt gemeiniglich, daß die Stoiker alle ſinnliche Empfindung auf das Gefuͤhl (tactum) zuruͤckgefuͤhret haͤtten; allein daß dieſelben nur einen Sinn angenom - men haben ſollten, darf man deswegen noch nicht glau - ben. Denn Plutarch85)de Placitis philoſophor. Lib. IV. cap. 10. pag. 106. (edit. corsini Florentiae 1750.) lehrt uns, daß die Stoiker deren gleichfalls fuͤnf gezaͤhlet, und nur denjenigen, wel - cher durch ein Beruͤhren mit der Hand geſchiehet, tactum κατ εζσχην genennet haͤtten. Sie nannten daher koͤrper - lich alles dasjenige, was mit Sinnen empfunden wer - den kann; alles andere aber, was einer ſinnlichen Em - pfindung unfaͤhig iſt, unkoͤrperlich86)seneca lib. VIII. Epiſt. 59. ſagt: Quod eſt, aut corpo - rale eſt, aut incorporale; und bald hernach beſchreibt er letz - teres mit Plato folgendermaßen, illud, quod nec viſu, nec tactu nec ullo ſenſuum comprehenditur Ebenderſelbe ſagt an einem andern Orte, Lib XVIII. Epiſt. 107. Nun - quid eſt dubium, an id, quo quid tangi poteſt, corpus ſit? Tangere enim et tangi, niſi corpus, nulla poteſt res, ut ait Lucretius. . Nicht zu laͤug - nen iſt jedoch, daß die alten Philoſophen in der engſten Bedeutung diejenigen Sachen koͤrperliche genennt ha -ben,459De diviſione rerum et qualitate. ben, die man ſehen und fuͤhlen kann, und daher in die - ſem Verſtande nur ſolide, materielle Koͤrper mit der ei - gentlichen Benennung der Koͤrper bezeichnet haben87)lactantius Inſtitut, divinar. lib VII. c. 12. n. 2. et 3. laertius in Zenone lib. VII. Segm. 135. plutarchus de placitis Philoſophor. Lib. I. cap. 12. meister cit. Progr. §. 4. in Opuſc. pag 5 5.. Dieſe ſolide Koͤrper aber theilen ſie wieder ein in ein - fache, continua, unita, ἡνωμένα, deren Theile von Natur cohaͤriren und gleichſam uno ſpiritu zuſammen - gehalten werden, z. E. Baͤume, Steine, u. dgl. und in zuſammengeſetzte, compoſita. connexa, συνημμένα, die aus mehreren kuͤnſtlich verbundenen Theilen beſtehen, z. B. ein Haus, ein Schiff, eine Uhr88)seneca Lib. XVII. Epiſt. 103. cuiacius Obſervat. Lib. XV. c. 33. fornerius Select. Lib. II. cap. 17. meister cit. Progr. §. 5. in Opuſc. pag. 516. ſqq. . Die roͤmiſchen Juriſten, aus deren Schriften unſere Pandecten ſind com - piliret worden, ſcheinen nun vorzuͤglich dieſe letzteren Be - griffe von den Stoikern entlehnet zu haben89)Auſſer den bereits angefuͤhrten Stellen beſtaͤrkt mich in die - ſer Meinung ganz beſonders Pomponius L. 30. pr. D. de uſurpat. et uſucap. Mehrere noch hat meister cit. Progr. §. 11. in Opuſc. pag 549. geſammlet., vermuth - lich weil ſie einſahen, daß ſolche koͤrperliche Sachen, die keine ſolide Subſtanzen, mithin des Beruͤhrens mit den Handen, und des Anſchauens nicht faͤhig ſind, ſondern mit andern Sinnen, naͤmlich dem Gehoͤr oder dem Geruch empfunden werden, auf Rechte und Verbindlichkeiten keinen ſonderlichen Einfluß haben, und folglich in der Rechtsgelehrſamkeit wenig, oder gar keinen Nutzen ge - waͤhren koͤnnen90)meister a. a. O. pag. 548. ſagt: Ego certe, parum ab - eſt, quin credam, veteres ICtos, Stoicorum quidem rerumcorpo -.
Doch4601. Buch. 8. Tit. §. 172.Doch genug von den Begriffen der Alten. Unſere heutige Juriſten91)Woltaͤr Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſamkeit §. 214. S. 313. ff. hofacker Princip. iur. civ. Rom. germ. T. II. P. I. §. 720. et 723. Weſtphal Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. §. 4. lehren, daß koͤrperliche Sachen, Koͤrper, res corporales, diejenigen zu nennen ſind, von denen man ſich ſinnliche Vorſtellungen machen kann; unkoͤrperliche aber diejenigen, welche von der Art ſind, daß man ſich von ihnen keine ſinnliche Vorſtellungen machen kann. Andere92)Hoͤpfner im Commentar §. 340. ſagen noch beſtimmter, koͤr - perliche Dinge ſind die zuſammengeſetzten Subſtanzen. Was hingegen keine Subſtanz, oder nicht aus Theilen zuſammengeſetzt iſt, heißt eine unkoͤrperliche Sache. Sachen der erſten Art, ſofern ſie als ein beſtimmtes Individuum, den Gegenſtand eines Rechts ausmachen, werden in unſern Geſetzen Species genennr93)L 2. D de reb. credit. L. 6. D. de rei vindicat. L. 30. pr. D. de legat. 1.. Unkoͤr - perliche Sachen ſind von verſchiedener Art. Einige ſind ihrer Natur nach ſolche. Cajus94)L. 1. §. 1. D. de diviſ. ver. rechnet dahin ea, quae in iure conſiſtunt, das heißt, wo es auf ein Recht oder auf eine Verbindlichkeit uͤberhaupt ankommt. Daß dieſe Worte ſo verſtan - den werden muͤſſen, ergiebt ſich aus den von Cajus an -gefuͤhr -90)corporalium definitionem retinuiſſe, ſed in ea tactum, plerum - que, niſi ſemper, ſolis manibus oculisque ſubieciſſe, animad - vertentes nempe, in reliquis rebus corporalibus, quae nimirum ſolis auribus, naribusve ſubiacent, emolumentum ali - quod ſolidum ad rationem vitae pertinens, aut finem in arte ſua fere nullum. 461De diviſione rerum et qualitate. gefuͤhrten Beyſpielen: ſicut hereditas, uſusfructus obli - gationes quoquo modo contractae. Hereditas heißt hier ſo viel als Erbrecht, denn in den nachfolgenden Worten erklaͤrt es der Juriſt ſelbſt durch ius ſucceſſionis95)Auch in mehreren andern Geſetzen wird das Wort here - ditas ſo erklaͤrt, quod ſit iuris nomen, et univerſitatem quan - dam ac ius ſucceſſionis, et non ſingulas res demonſtret. L. 119. L. 178. §. 1. et L. 208. D. de Verbor. Significat. . Auf den Gegenſtand des Rechts und der Verbindlichkeit kommt es hier nicht an. Der Gegenſtand eines Rechts oder einer Verbindlichkeit kann allerdings eine koͤrperliche Sache ſeyn, deswegen iſt aber doch das Recht ſelbſt und die Verbindlichkeit an ſich betrachtet nichts koͤrperliches. Cajus bemerkt dies gleichfalls in den nachfolgenden Wor - ten. Nec ad rem pertinet, quod in hereditate res cor - porales continentur. Nam et fructus, qui ex fun - do percipiuntur, corporales ſunt, et id, quod ex ali - qua obligatione nobis debetur, plerumque corporale eſt: veluti fundus, homo, pecunia. Nam ipſum ius ſucceſſionis, et ipſum ius utendi fruendi, et ipſum ius obligationis incorporale eſt. Zu den unkoͤrperli - chen Sachen der erſtern Gattung ſind auch Klagen zu rechnen, ſofern wir ſie fuͤr Rechtsmittel, ſein Recht zu verfolgen, nehmen. Es giebt ferner Sachen, die zwar ihrer Natur noch koͤrperliche ſind, aber doch fuͤr unkoͤr - perliche Sachen darum gehalten werden, weil bey denſelben nicht ſowohl das koͤrperliche Individuum ſelbſt, als vielmehr der Werth der Sache in Betrachtung kommt96)hofacker a. a. O. §. 724.. Hierher gehoͤren ſchuldige Quantitaͤten fungibler Sachen97)cuiacius Obſervat. Lib. XI. cap. 37. ſagt: Quantitatis nomine intelliguntur ea, quae pondere numero et menſura con -ſtant,, die nach Zahl, Maaß und Ge -wicht4621. Buch. 8. Tit. §. 172.wicht beſtimmet werden, bey denen es ganz einerley iſt, ob man dieſes Individuum, oder ein anderes von gleicher Qualitaͤt und Quantitaͤt hat98)Hiervon iſt die L. 2. §. 2. D. de rebus credit zu verſie - ben, in welcher von ſolchen Sachen, die man einem im Han - del und Wandel zuzaͤhlt, zumißt oder zuwiegt, und welche das gewoͤhnliche Object des Darlehns ausmachen, geſagt wird, quod in genere ſuo (magis) functionem recipiant per ſolutio - nem, quam in ſpecie. Ueber den eigentlichen Sinn dieſer Worte iſt viel geſchrieben. Man ſehe nach J. gothofredi Diſſ. de functione et aequalitate in mutuo, in Operib. a tro - tzio edit. pag. 515. Corn. van bynkershoeck Obſervat. Iur. Rom. lib. I. cap. 10. Marc. lyklama a nyeholdt Membranar. lib. VII. Eclog. 14. Sa. Herm. ab idsinga Disput. de mutuo et veteri litterarum obligatione praeſ. Abr. wielingio Franeq. 1736. habita, cap. II. § 9 — 12. in Ger. oelrichs Theſ. nov. Diſſertat. Belgicar. Vol. I. Tom I. pag. 130. und beſonders Aug. Frid. schott Proluſ. qua res, quae functionem recipiunt, definiuntur; in Opuſc iuridic. (Lipſiae 1770. 8. ) pag. 212 — 230. Letzterer hat dieſe dun - kele Stelle ohne Emendation, und unſtreitig am richtigſten erklaͤrt. Er ſagt S. 218. Cum igitur paulus affirmet, eas ſolas res in mutuum venire poſſe, quae magis in gene - re ſuo functionem recipiunt per ſolutionem, quam in ſpecie, quid, quaeſo, aliud voluit indicare, niſi hoc, has res, dum redduntur, ſolvi poſſe non in ſpecie, hoc eſt, non easdem ſpecies, quas debitor acceperat a creditore, ſed in genere ſuo, nempe alias ſpecies eiusdem generis, ac antea datae fuerant, quia eae ita ſint comparatae, ut omnes eiusdem generis ſpecies ſibi poſſint ſubſtitui, ac ſecum permu -tari,. Wer alſo z. B. 100 Tha -97)ſtant, quibus opponi ſolent corpora, res, ſpecies, iura. — Sunt quidem illa corpore praedita, ſed nos iis ita fungimur, ut non tam corpus eorum ſpectemus, quam quantitatem. Caeterae res corpore valent — Quae pondere numero et men - ſura conſtant, quantitate valent potius, quam corpore. 463De diviſione rerum et qualitate. 100 Thaler, zehen Malter Waitzen, einen Ohmen Wein, ein Pfund Butter u. ſ. w. zu fordern hat, der fordert eine unkoͤrperliche Sache. Denn hier kommt es nicht auf gewiſſe beſtimmte Koͤrper oder Individuen ſondern auf eine Quantitaͤt gleichgeltender Subſtanzen an, die an innern Gehalt und Werth gerade ſoviel ausmachen, als die Forderung betraͤgt99)In unſern Geſetzen werden daher die fungibelen Sa - chen, quae pondere, numero, menſura continentur, aus - druͤcklich denen corporibus ſ. ſpeciebus entgegengeſetzt. L. 30. priuc. D. de legat. 1. L. 1. §. 7. D. ad Leg. Falcid. . Ich komme auf die oben angenommene dritte Gattung von Sachen, naͤmlich die - jenigen, welche in verſchiedener Ruͤckſicht zugleich koͤrper - liche und unkoͤrperliche ſeyn koͤnnen. Unſer Verfaſſer giebt ein Beyſpiel vom Gelde. Daß das Geld bald als Quantitaͤt, bald als corpus betrachtet werden koͤnne, ſagen unſere Geſetze deutlich100)L. 94. §. 1. D. de ſolutionib. L. 34. §. 3. et 4. L 51. D. de legat. 1. L. 108. §. 10. D. eodem. L. ult. D. de adim le - gat. L. 46. D. de condict. indebiti und mehrere. Man ſehe vorzuͤglich Ioſ. averanius in Interpretat. iuris Tom. I. Lib. III. cap. 10. n 2. ſqq. pag. 399. und B. branchu Ob - fervat. jur. Rom. Decad. alt. cap. XIII. pag. 54.. Als koͤrperliche Sa - che wird das Geld betrachtet, a) wenn man es verſiegelt Jemanden in Verwahrung giebt1)L. 24. D depoſiti. . b) Wenn es alsvor -98)tari, et una alterius vice fungi, cum tantam hae res ba - beant ſimilitudinem, ut nihil interſit, has an illas accipiat creditor, eique adeo invito aliud pro alio ſolvi poſſit. Ergo ex verborum coniunctione tuto colligitur, functionem hic dici de permutatione et mutua ſubſtitutione earum rerum, quae etiam tamquam ſpecies ſibi ſimillimae ſunt, in ſolutione vel in - vito creditore permiſſa. Ita vero certum eſt, unde quaedam res functionem recipere, vel, ut noſtri amant loqui, fungibiles dicantur. 4641. Buch. 8. Tit. §. 172.vorhandene Baarſchaft, aus einem beſtimmten Kaſten, oder einem andern beſchriebenen Orte vermacht wird2)L. 34. §. 4. D. de legatis 1. L. 120. D. de verbor. obligat. . c) Wenn ſolches Jemanden blos zur Pracht oder Prah - lerey geliehen wird3)L. 3. in fin. et L. 4. D. commod. . In den meiſten Faͤllen wird je - doch das Geld als Quantitaͤt betrachtet, z. B. im Dar - lehn, bey Vermaͤchtniſſen, wodurch gewiſſe Summen uͤberhaupt legiret worden, beym Kauf, Pacht u. ſ. w. wo daſſelbe nur in Anſehung ſeines Werths in Betrachtung kommt. Der Unterſchied iſt uͤbrigens von großer Wich - tigkeit. Denn wenn das Geld, als Quantitaͤt betrachtet, den Gegenſtand einer Verbindlichkeit ausmacht, ſo iſt ſolches eine res fungibilis, geht es daher durch Zufall verlohren, ſo muß der Schuldner dieſen Verluſt tragen4)§. 2. Inſtitut. quib mod. re contrabitur obligat. L. 1. §. 4. D. de obligat. et actionib. . Iſt hingegen das Geld, als eine koͤrperliche Sache betrach - tet, der Gegenſtand einer Verbindlichkeit, ſo trift der Ungluͤcksfall den Glaͤubiger5)L. 37. D. de verbor. obligat. . Ferner, wenn in einem letzten Willen Geld, als eine Quantitaͤt, vermacht wor - den iſt, z. B. der Teſtirer hat Jemanden ſchlechthin 100 Rthlr. vermacht, ſo muß der Erbe die legirte Sum - me ſchlechterdings auszahlen, wenn ſchon kein baares Geld im Nachlaß des Teſtirers vorhanden iſt, ſondern vorher erſt Erbſchaftsſachen zu Gelde muſſen gemacht wer - den6)L. 34. §. 3. D. de legat. I. . Wenn hingegen Geld, als ein corpus, ver - macht worden iſt, z. B. der Teſtirer hat mir diejenigen 100 Rthlr. vermacht, welche in ſeiner Chatoulle in ei - nem verſiegelten Beutel liegen, und es findet ſich dieſes Geld in der Chatoulle nicht, ſo iſt das Vermaͤchtnißohne465De diviſione rerum et qualitate. ohne Wirkung, und darf ſolches der Erbe, vorausgeſetzt, daß das Geld ohne deſſelben Fahrlaͤßigkeit entkommen iſt, nicht anderswoher erſetzen7)L. 30. §. 4. D. ad Leg. Falcid. L. 1. §. 7. D. de dote prae - leg. L. 37. D de Verbor obligat In der Bedeutung als corpus wird das Geld in unſern Geſetzen mit einem fundo legato verglichen, und ganz nach der Analogie anderer koͤr - perlicher Sachen beurtheilt, L. 34. §. 4. D et L 51. D. de legat 1 Recht trefliche Bemerkungen bieruͤber, und An - wendung dieſer Grundſaͤtze auf einen wichtigen Rechtsfall fin - det man in Hrn. Hofr. Io. Aug reichardt gruͤndlichen und ſehr eleganten Diſſert de fideicommiſſo eius, quod ſuperfutu - rum erit, eiusque differentia a debitis, quibus accepta red - denda ſunt in eodem genere (Ienae 1785.) §. 15 ſqq. . Ein anderes Beyſpiel, wie ein und eben dieſelbige Sache in verſchiedener Ruͤckſicht bald als eine koͤrperliche bald als eine unkoͤrperliche be - trachtet werden kann, giebt uns das Vermaͤchtniß kuͤnftiger Fruͤchte. Wenn kuͤnftige Fruͤchte aus ei - nem Grundſtuͤck vermacht worden ſind, ſo kommt alles darauf, ob die Beſtimmung des Grundſtuͤcks blos als eine Demonſtration beygefuͤget worden, oder ob das Grundſtuͤck taxationis cauſa genennt worden iſt, d. i. ob der Teſtirer durch jene Beſtimmung und Aßignation des Grundſtuͤcks dem Legat eine Bedingung habe beyfuͤgen wollen, dergeſtalt, daß der Legatar nur aus dieſem Gute die Fruͤchte erhalten ſolle, wenn ſoviel, als vermacht wor - den ſind, darauf wachſen werden. Im erſtern Fall wer - den die vermachten Fruͤchte als Quantitaͤten betrachtet, welche nicht zu Grunde gehen. Der Erbe iſt daher ſchul - dig, die beſtimmte Quantitaͤt an Fruͤchten auszuliefern, es mag auf dem angewieſenen Grundſtuͤck etwas oder nichts gewachſen ſeyn8)L. 96 pr D de legat. 1. L. 27. §. 2. D. de legat. 3. L. 12. D. de aliment. legat. . Im andern Fall hingegen wer -denGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. G g4661. Buch. 8. Tit. §. 172. u. 173.den die vermachten Fruͤchte, als beſtimmte corpora be - trachtet. Hat alſo das Grundſtuͤck entweder gar nichts, oder nicht ſoviel, als aus demſelben an Fruͤchten legiret worden iſt, eingetragen, ſo iſt der Erbe nicht mehr als den wirklichen Ertrag zu geben verbunden. Denn hier wird ihm nicht wegen der Quantitaͤt, ſondern wegen des corporis taxativi die Verbindlichkeit auferlegt9)L. 5. D de tritico, vin. et oleo legat. L. 83. §. 5. verb. Pro quo et illud. D de Verbor. Obligationib. Conf. Ioſ. avera - nius in Interpretat. iuris lib. II. cap. 27..
Die koͤrperlichen Sachen ſind entweder bewegliche oder unbewegliche10)Die beyden beſten Schriften in dieſer Materie ſind Paul. voet de mobilium et immobilium natura. Leodii 1699. 4. und Lud. Godofr. mogen Commentat. iurid. de vera ac ge - nuina rerum mobilium et immobilium indole ſec. diverſa iuris Rom. et Germ. principia. Gieſſae 1760. 4..
I) Sind koͤrperliche Sachen von der Art, daß ſie ohne Vernichtung und Schaden ihren Ort veraͤndern koͤn - nen, ſo werden ſie bewegliche Sachen, Fahrniß, fah - rende Habe genennt. Unterſucht man den Grund, wel - cher es macht, daß eine Sache ohne ihre Vernichtung ih - re Stelle veraͤndern kann, ſo findet man ihn entweder in der Sache ſelbſt, oder auſſer ihr. Im erſten Fall wer - den die bewegliche Sachen Moventien (res ſe moventes) genennt, in andern Fall aber bewegliche Sachen im ei - gentlichen Verſtande. Zu jenen rechneten die RoͤmerScla -467De diviſione rerum et qualitate. Sclaven, und Thiere11)celsus in L. 93. D. de Verb Signific. Moventium, item mobilium appellatione idem ſignificamus: ſi tamen apparet defunctum animalia duntaxat, quia ſe ipſa move - rent, moventia vocaſſe; quod verum eſt. Nach vocaſſe muß man in Gedanken die Worte ſuppliren: ſecus eſt. Der Sinn dieſer Stelle iſt nun dieſer. Wenn ein Teſt[i]rer jemanden alle ſeine Moventien vermacht hat, ſo ſind unter dieſer Be - nennung uͤberhaupt alle bewegliche Sachen des Teſtirers be - griffen, ſie moͤgen Thtere oder lebloſe Mobilien ſeyn Denn auch letztere werden Moventien genennt. (L 2. D de ſupellect. legat) Ein anderes waͤre wenn der Teſtirer ſelbſt zwiſchen Moventien und Mobilien einen Unterſchied zu machen, und nur ſein Vieh unter den erſtern zu verſtehen gewohnt geweſen waͤre. S. Io. goeddaei Commentar repet. praelect in Tit. 10. Lib L Pandectar de verbor et rer. ſigni - ficat. (Sigenae Naſſovior. 1597.) ad b. L. 93 pag. 743.. Jedoch werden auch unter - weilen in unſern Geſetzen Moventien und Mobilien mit einander verwechſelt12)L. 15. §. 2. D. de re iudic. L. 1. et 2. D. de ſupellect. legat. . Zu den beweglichen Sachen im eigentlichen Verſtande gehoͤren unter andern die ſo ge - nannten ruta caesa, deren in unſern Geſetzen zu unter - ſchiednenmalen Erwaͤhnung geſchiehet13)L. 241. D. de Verb. Signif. L. 17. §. 6. D. de act. emti, L. 5. §. 2. D. ad exhibend L. 17. §. 6. D de act. emt. und andere mehrere Stellen S Ioſ Lud. Ern. puͤttmann Diſ - ſertat. de rutis caeſis. Lipſiae 1776.. So z. B. ſagt Pomponius14)L. 66. §. 2. D. de contr. emt. vend. : Ruta caeſa ea ſunt, quae neque aedium ne - que fundi ſunt. Man verſtehet darunter alles, was zum Nutzen eines Grundſtuͤcks oder Gebaͤudes aus der Erde gegraben, oder gehauen, oder ſonſt angeſchaft, aber zu den beſtimmten Gebrauch noch nicht eingerichtet, oder noch nicht ange -G g 2wen -4681. Buch. 8. Tit. §. 173.wender worden, oder wenigſtens nicht feſtge - macht iſt15)Das Wort ruta kommt her von ruere, welches ſoviel als eruere iſt; denn ſo ſagt Ulpian L. 17. §. 6. D. de act. emti: Si ruta et caeſa excipiantur in venditione, ea placuit eſſe ruta, quae eruta ſunt, ut arena, creta et ſimilia: caeſa ea eſſe, ut arbores caeſas, et carbones, et his ſimilia. caesa kommt alſo von caedere, hauen, faͤllen, her.. Hierher rechnen die Geſetze a) den aus der Erde gegrabenen Sand, Ton u. dgl. ferner umge - hauene Baͤume, gehauene Steine, Marmor u. dgl. 16)L. 17. §. 6. cit. L. 7. §. 13. D. ſol. matrim. ; b) die aus Brettern zuſammengeſchlagene, und zur Wirth - ſchaft beſtimmte Kornbehaͤltniſſe, ſo im Boden nicht feſt - gemacht ſind, ſondern ſich von einem Ort zum andern bringen laſſen17)L. 18. D. de act. emti vendit. granaria, quae ex tabu - lis fieri ſolent, ita aedium ſunt, ſi ſtipites eorum in terra de - foſſi ſunt: quod ſi ſupra terram ſunt, rutis et caesis ce - dunt, i. e. accedunt. S. vicat Vocabular. iur. T. I. p. 230. (edit. Pariſ. 1759.). Add. L. 60. D. de acq. rer. dom. (granaria ſupra terram); c) Wein - phaͤle, die zwar um eines Weinbergs willen angeſchaft, aber noch nicht in demſelben gebracht, und in die Erde geſteckt ſind18)L. 17. §. 11. D. de act. emti. ; d) Dachziegel, die zwar um ein Dach zu decken angeſchaft, aber noch nicht aufs Dach gebracht worden ſind19)L. 18. §. 1. D. eodem. u. ſ. m.
II) Sind koͤrperliche Sachen von der Art, daß ſie nicht von einem Orte zum andern gebracht werden koͤn - nen oder duͤrfen, ſo werden ſie uͤberhaupt unbewegliche Sachen genennt. Unterſucht man aber den Grund, wa - rum gewiſſe Sachen ihren Ort nicht nach dem Willkuͤhr ihrer Eigenthuͤmer veraͤndern koͤnnen, ſo iſt derſelbe ent -weder469De diviſione rerum et qualitate. weder in der Natur dieſer Sachen ſelbſt, oder auſſer thnen in einer beſondern Vorſchrift der buͤrgerlichen Ge - ſetze anzutreffen. Sachen der erſten Art werden von Natur (naturaliter) unbewegliche; Sachen der letztern Art aber geſetzlich (civiliter) unbewegliche, oder unbe - wegliche Sachen im rechtlichen Verſtande (iuris in - tellectu immobiles) genennt.
Sachen, die von Natur unbeweglich ſind, ſind wieder von doppelter Art. Einmal ſolche, die ihren Ort ganz und gar nicht veraͤndern koͤnnen, z. B. Aecker, Wieſen, Gaͤrten, Weinberge, Waͤlder. Zum andern ſolche, die man nicht ohne Vernichtung von ihrer Stelle bringen kann, z. B. feſte Gebaͤude20)In einigen Laͤndern herrſcht zwar die Paroͤmie: was die Fackel verzehrt, iſt Fahrnuͤß, in deren Gemaͤßheit auch Haͤuſer, da ſie von Feuer verzehrt werden koͤnnen, fuͤr Fahrniß oder bewegliche Guͤter gehalten werden. Jedoch iſt dieſes blos particulaͤren Rechts. S. Mogen im andern Theile der oben angefuͤhrten Commentat. welcher den Titel hat: Re - rum mobilium et immobilium indoles ſec. principia iuris Ger - man. ſiſtitur, atque aedificia et arbores radicatae mobilibus vindicantur ad illuſtrandam paroemiam, was die Fackel verzehrt iſt Fahrnuͤß.. Beyde Arten unbeweglicher Sachen werden liegende Guͤter, Grundſtuͤcke, praedia genennt. Ich bemerke hier nur noch, daß die praedia in unſern Geſetzen in urba - na und ruſtica eingetheilt werden. Da jedoch, wie ſchon von andern Rechtsgelehrten21)Arn. vinnius ſelect. iuris Quaeſtion. lib. I. cap. 30. Io. Chriſtph. koch Diſſertat. de praedio urbano et ruſtico. Ienae 1757. und vorzuͤglich Adolph Dieterich Weber Verſuch uͤber den wahren Sinn der L. 5. Cod. de locat. conduct. in Deſ - ſelben Beytraͤgen zu der Lehre vom ſtillſchwei -gen - bemerkt worden iſt, faſtG g 3in4701. Buch. 8. Tit. §. 173.in einer jeden Rechtsmaterie, in welcher es auf dieſe Eintheilung ankommt, z. B. in der Lehre von Servituten, (§. 622.) vom ſtillſchweigenden Pfandrechte eines Ver - paͤchters und Vermiethers (§ 1087. I. et II. ) ferner von Veraͤuſſerung der Grundſtuͤcke eines Minorennen (§. 1381. ) ein eigener Begrif der gedachten Eintheilung der Guͤter zum Grunde liegt, ſo werde ich zu ſeiner Zeit, wo es die Materie mit ſich bringen wird, den wahren Begrif davon zu beſtimmen ſuchen. Soviel will ich hier nur vorlaͤufig erinnern, daß die gewoͤhnliche Erklaͤrung, nach welcher man blos in Beziehung auf den Endzweck und Gebrauch, wozu die Grundſtuͤcke beſtimmt ſind, zu den pr ediis urbanis diejenigen, welche zur Wohnung und Vergnuͤgen, zu den r[u]ſt[i]cis hingegen diejenigen rechnet, welche nicht zur Wohnung oder Vergnuͤgen, ſondern zum Feldbau und dem damit verknuͤpften oͤkonomiſchen Nutzen gehoͤren, faſt durchgaͤngig falſch ſey. Auch laͤſ - ſer ſich diejenige Beſtimmung, die der gelehrte Hr. Hofr. Hofocker22)Princip. iuris civ. Rom. Germ. Tom. II. Part I §. 722. als eine allgemeine annimmt, nach welcher alle Gebaͤude ohne Unterſchied urbana praedia, leere Plaͤ - tze hingegen praedia ruſt ca heißen ſollen, auſſer der Leh - re von Servituten, in welcher dieſe Begriffe geſetzlich be - ſtimmt ſind23)§. 〈…〉〈…〉I de Servitut. L. 1. D. commun. praedior. L. 198. D. de Verbor Significat. noodt in Commentar ad Pandect. Lib V II tit. 3. westenberg in Princip. iuris ſec. ord. In - ſtitution. Lib. II. Tit. 3. §. 6., auf andere Rechtsmaterien noch nicht ſo - fort uͤbertragen, wie Hr. Prof. Weber ſehr einleuchtend dargethan hat24)a. a. O. S. 18. und 20. folg..
Ich21)genden Conventional-Pfandrechte (Schwerin, Wismar und Buͤtzow 1783. 8.) N. I. S. 15. u. ff.
471De diviſione rerum et qualitate.Ich komme nun auf die andere Hauptgattung der unbeweglichen Sachen, die man res civiliter im - mobiles, ſeu iuris intellectu tales nennt. Dieſe unterſcheiden ſich von der erſtern Gattung darin, daß ſie ſolche Sachen ſind, welche ihrer Natur nach zwar beweglich ſind, aber nach Vorſchrift der Geſetze eben ſo angeſehen werden, als wenn ſie unbeweglich waͤren. Un - bewegliche Sachen dieſer Art koͤnnen wir mit Voet25)cit. Tract. Cap. 6. wieder in einer zwifachen Ruͤckſicht betrachten. Sie wer - den entweder in Anſehung einer jeden rechtlichen Wirkung fuͤr unbeweglich gehalten, oder nur in An - ſehung einer einzelnen beſondern rechtlichen Wirkung. Zur Claſſe der letztern gehoͤren die mobilia pretioſa der Pupillen und Minorennen, welche in Ruͤckſicht des geſetzlichen Veraͤuſſerungsver - bots denen unbeweglichen Guͤtern ſolcher Perſonen gleich geachtet werden26)L. 22. pr. Cod. de adminiſtrat. tut. . Eben ſo behaupten auch unſere Practiker27)schilter Exercit. ad Pandect. IV. §. 24. wernher ſe - lect. obſervat. for. Tom. 11. P. IX. Obſ. 113. berger Elect. Diſceptat. For. Tit. XXXIX. pag. 1008. einſtimmig, daß eine anſehnliche Bibliothek, ein complettes Waarenlager, eine Buchhandlung, Apo - theke, wenn auch gleich die darin ſich befindende Sachen und Waaren an ſich beweglich ſind28)L. 66. D. de Verbor. Significat. , dennoch darum, weil ſie nicht leicht und auf einmal von ihrem Orte weg - gebracht und veraͤuſſert werden koͤnnen, den unbewegli - chen Guͤtern wenigſtens in Ruͤckſicht der zu lei - ſtenden Sicherheit gleichzuachten, dergeſtalt daß je - ne eben ſo, als dieſe, von der Caution pro reconven - tione et expenſis befreyen. Hingegen werden beweg -G g 4liche4721. Buch. 8. Tit. §. 173.liche Sachen nach Vorſchrift der Geſetze den unbewegli - chen vollkommen d. i. in Anſehung aller rechtlichen Wirkungen in folgenden Faͤllen gleichgeachtet,
I) wenn eine an ſich bewegliche Sache mit einer unbeweglichen entweder durch Wirkung der Natur, oder einer menſchlichen Hand dergeſtalt cohaͤrirt, daß ſie ei - nen Theil der letztern ausmacht. So z. B. werden Baͤu - me, Pflanzen, ſofern ſie Wurzel geſchlagen, Gewaͤchſe, Fruͤchte, die noch nicht abgebracht ſind, wegen ihres Zu - ſammenhangs mit dem Grundſtuͤck, worauf ſie ſtehen, fuͤr einen Theil deſſelben gehalten29)L. 44. D. de Rei Vindicat. L. 13. §. 10. D. de act, emti vend. . Eine ſolche Co - haͤſion iſt ferner vorhanden, wenn eine bewegliche Sa - che einer unbeweglichen ſo feſt einverleibt worden iſt, daß ſie ſich ohne Schaden des Ganzen nicht wohl trennen laͤßt. Ein Beyſpiel enthaͤlt die L. 17. §. 3. D. de act emti et vendit. Quae tabulae pictae pro tectorio includuntur, itemque cruſtae marmoreae, aedium ſunt. Denn die ſtatt der bloßen weiſſen Wand (pro tectorio) in der - ſelben eingemauerten Gemaͤhlde, desgleichen die darin gefaßten Marmorplatten, laſſen ſich nicht wegnehmen, ohne die Wand zu beſchimpfen. Darum ſind ſie ein Zu - behoͤr des Hauſes. Eben dieſe Wirkung hat jedoch die Cohaͤſion auch in dem Fall, wenn ſich die feſtgemachte Sachen zwar ohne Schaden abſondern laſſen, allein die Befeſtigung derſelben zum beſtaͤndigen Gebrauch eines Grundſtuͤcks nach der eigentlichen oder Hauptbeſtimmung deſſelben geſchehen iſt. Daher gehoͤren die Riegel und Schloͤſſer an den Thuͤren, die Ziegel auf dem Dache, die eingemauerten Keſſel auf dem Herd in der Kuͤche, ſo - fern ſie blos zum oͤkonomiſchen Gebrauch des Hauſes ein -gemauert473De diviſione rerum et qualitate. gemauert ſind30)L. 38. §. 2. D. de act. emti: aënum lateribus cir - cumſtructum beißt hier der eingemauerte Keſſel zum war - men Waſſer. Conſ. leyser in Meditat. ad Pandect. Vol. III. Specim. CCIX. medit. 10., die im Boden feſtgemachte und zum wirthſchaftlichen Gebrauch des Grundſtuͤcks dienende Korn - behaͤlter31)L. 18. pr. D. de act. emt. vend. , (granaria, quorum ſtipites in terra defoſ - ſi ſunt) ferner die in einem Weinlager oder Weinkeller befeſtigten groͤßern Weinfaͤſſer32)L. 76. pr. D. de contrab. emt. vendit. Von den doliis un - terſchieden die Roͤmer cuppas oder cuppulas, darunter wurden die kleinern Weinfaͤſſer z. B. Eymer verſtanden. Vid. bris - sonius de Verbor. ſignificat. v. dolium. , (dolia in horreis de - foſſa) die in einem Weinberge befeſtigte Kelter33)Dieſem iſt L. 17. pr. D. de act. emti vend. nicht entgegen, wie Leyſer a. a. O. gezeigt hat, ich werde hernach ſelbſt naͤher davon reden., u. ſ. m. zu dem Grundſtuͤck, in welchem dieſe Dinge befeſtiget ſind. Die Geſetze nennen dieſe Art von Pertinenzien fixavincta:34)L. 38. §. 2. D. de act. emti. Die Worte der aufgeworfe - nen Frage haͤtten eigentlich ſo gefaßt werden ſollen: an hae, (ſc. fiſtulae ſub terram miſſae de plumbeo caſtello aquam ducen - tes in aënum, d. i. die unter der Erde weglaufende Roͤhren, welche das Waſſer aus dem bleyernen Trog in den einge - mauerten Waͤrmkeſſel fuͤhren) ut vincta fixaque, aedium eſſent, an, ut ruta caeſaque, non eſſent aedium, ſo lieſet auch Cujaz. und unſere Herren Practiker formi - ren ſich daraus die Regel: Alles was Erd-Wand - Band-Mauer-Nied - und Nagelfeſt, in einem Grund - ſtuͤck iſt, muß fuͤr ein Zubehoͤr deſſelben gehalten werden. Daß es jedoch dieſer Regel an richtiger Be - ſtimmung fehle, und der Richter hierdurch nicht in denG g 5Stand4741. Buch. 8. Tit. §. 173.Stand geſetzt werde, nach feſten Grundſaͤtzen zu entſchei - den, was Pertinenzſtuͤcke eines Gebaͤudes ſind, laͤſſet ſich leicht beweiſen. Ich darf mich nur auf die Worte der L. 17. princ. D de act. emti vend. berufen, wo es heißt: multa defoſſa eſſe, neque tamen fundi aut villae ha - beri; utputa vaſa vinaria, torcularia: quoniam haec inſtrumenti magis ſunt, etiamſi aedificio cohaerent. De - foſſa heißt hier was in der Erde durch Eingraben oder Einpfaͤhlen befeſtiget iſt. Fundus begriff einen lie - genden Grund mit oder ohne Gebaͤude. Villa war ein Gebaͤude auf einem fundo. Torcularia ſind Wein - preſſen oder Kelter. Sind dieſe gleich feſtgemacht, aber nicht zum Gebrauch des Fundus, dieſer iſt z. B. kein Weinberg, ſondern nur zur beſondern Wirthſchaft des Be - ſitzers, (magis inſtrumenti ſunt) als Werkzeug ſeiner Hand - thierung, ſo ſind ſie kein Pertinenz des Gebaͤudes. Daß dieſes Geſetz von einer beſondern Nahrung verſtanden wer - den muͤſſe, lehrt deſſen Zuſammenhaltung mit L. 21. D. de inſtructo vel inſtrum. legat. Ein deutlicher Beweiß, daß die kuͤnſtliche Cohaͤſion allein die feſtgemachte Sache noch nicht gleich zu einem Theil des Ganzen mache, an welchem ſie befeſtiget iſt, wenn nicht die Befeſti - gung entweder zum oͤekonomiſchen Gebrauch des Grundſtuͤcks ſelbſt, nach der beſondern Beſtimmung deſſelben, geſchehen, oder wenn auch die feſtgemachten Sachen nicht eben zum oͤkonomiſchen Nutzen dienen ſollten, jedoch ſo feſt einverleibt ſind, daß ſie ſich ohne Scha - den des Ganzen nicht wohl trennen laſſen35)Man vergleiche hier vorzuͤglich Hrn. Prof. Weſtphals Lehre des gemeinen Rechts vom Kauf, Pacht, Mieth - und Erbzinnskontract (Leipzig 1789. 8.) I. Th. I. Hauptſt. 4. Kap. §. 121. ff.. Man475De diviſione rerum et qualitate. Man ſetze alſo, daß ein Schreiner ſein Haus verkaufte, ſo kann der Kaͤufer die im Boden der Werkſtatt feſtge - nagelte Hobelbank nicht verlangen36)Noch einen andern Fall hat leyser Spec. CCIX. med. 10. Sic cum aliquando tinctor doctori aedes vendidiſſet, et ahenum calce adfixum, den eingemauerten Keſſel tollere vel - let, hoc ei, contradicente licet emtore, permiſſum fuit. Er giebt dabey die ganz richtige Regel: Vaſa et inſtrumen - ta, quae non tam praedii et aedium, quam arti - ficii exercendi cauſa comparata et defoſſa, et infixa ſunt, non praedium, ſed artificis per - ſonam ſequuntur, nec unquam emtori cedunt.. Eine gleiche Beſchaffenheit hat es mit ſolchen Sachen, die dem Be - ſitzer blos zur Pracht, Ueberfluß und Ueppigkeit dienen, und nicht zur Vollſtaͤndigkeit des Uebrigen noͤthig ſind. Dieſe ſind ſelbſt alsdann nicht als Zubehoͤr anzuſehen, wenn ſie auch einigermaßen befeſtiget ſeyn ſollten. Man glaubt die Befeſtigung ſey doch nur zu einer zeitigen Ab - ſicht des Beſitzers geſchehen, ohne daß ſie deshalb bey dem Gebaͤude immer bleiben ſollten. Dahin gehoͤren feſtgemachte Spiegel, Wandblaker, Kronleuchter. Die - ſe Ausnahme beſtaͤtigen L. 17. §. 4. D. de act. emti. L. 245. D. de Verb. Significat. In der erſtern Stelle heißt es: Reticuli circa columnas, plutei circa pa - rietes, item cilicia vela aedium non ſunt. Reticuli war das Gitterwerk zwiſchen den Saͤulen vor dem Hau - ſe, das einen bedeckten Saͤulengang hatte, welches aus Sennen zu beſtehen pflegte. Ein ſolcher mit Teppichen uͤberſpannter Spaziergang vor dem Hauße hieß Hypae - thrium L. 12. §. 20. D de inſtruct. vel inſtrum. leg. Cilicia vela hieſſen Vorhaͤnge von wollenen Zeuge, wel - che man vor die Thuͤren und Fenſter machte. In der andern Stelle wird geſagt: Statuae adfixae baſibus ſtructilibus aut tabulae religatae catenis, aut ergaparie -4761. Buch. 8. Tit. §. 173.parietem adfixae, aut ſi ſimiliter cohaerent tychni, non ſunt aedium. Ornatus enim aedium cauſa paran - tur, non, quo aedes perficiantur. Statuͤen, die blos zur Zierde des Hauſes dienen, pflegen insgemein nur darum einigermaßen befeſtiget zu werden, damit ſie nicht um - fallen. Von Bildniſſen wird erfordert, daß ſie nur an Kettchen oder Baͤndern haͤngen, oder an die Wand an - gezweckt ſind. Denn anders wuͤrde es ſeyn, wenn ſie eingemauert waͤren. Eben dies wird von Kronenleuch - tern und Wandblakern geſagt, wenn ſie eben ſo ange - haͤngt, oder angezweckt ſind. Alles dieſes iſt kein Per - tinenz des Hauſes, weil es ein bloßer zum Uebrigen nicht gehoͤriger Staat und Pracht iſt.
2) Werden auch bewegliche Sachen alsdann fuͤr un - bewegliche im rechtlichen Verſtande gehalten, wenn ſie nicht nur in der Abſicht angeſchaft oder gemacht worden ſind, daß ſie einer unbeweglichen Sache zum beſtaͤndigen Gebrauch dienen ſollen, ſondern ſich auch wirklich zu dem Ende an dem Orte ihrer Beſtimmung befinden37)Hierher gehoͤrt die Regel des Labeo in L. 17. §. 7. D. de aet. emti vend. ea, quae perpetui uſus cauſa in aedificiis ſunt, aedificii eſſe; quae vero ad praeſens, non eſſe aedificii. Conf. Iac. born Exerc. acad. de eo, quod inſtum eſt circa deſtinationem. Lipſiae 1704. Io. Phil. treiber Diſſ. de deſtinatione. Erford. 1713. Chriſt. schreiter Diſſ. de mobilibus rebus in perpetuum uſum deſtinatis. Lipſiae 1690.. Per - tinenzen dieſer Art erfordern keine Cohaͤſion38)L. 17. pr. D. de act. emt. vend. Aedium multa eſſe, quae aedibus adfixa non ſunt, ignorari non oportet. . Die Geſetze rechnen hierher alles dasjenige, was nothwendig bey einem Grundſtuͤck oder der Hauptſache ſeyn und blei - ben muß, wenn es einen Gebrauch haben ſoll, und alſoeinen477De diviſione rerum et qualitate. einen Theil vom Ganzen ausmacht39)L. 13. §. 31. D. eodem. Aedibus diſtractis vel legatis, ea eſſe aedium ſolemus dicere, quae quaſi pars aedium, vel pro - pter aedes habentur, ut puta puteal. Puteal heißt eine Brun - nendecke, wie die folgende L. 14. lehrt.. Zum Beyſpiel die Schluͤſſel eines Hauſes und der Zimmer, die Vorle - ge-Schloͤſſer, (clauſtra) wenn die Thuͤre kein anderes Schloß hat, womit ſie zugehalten werden kann40)L. 17. pr. eod. ; die Rebpfaͤhle in einem Weinberge, ſofern ſie ſchon zu die - ſem Zweck wirklich gebraucht worden ſind, wenn ſie auch einige Zeit von ihrem Orte weggenommen worden, naͤm - lich nur in der Abſicht, daß ſie wieder dahin gebracht werden ſollen41)L. 17. §. 11. D. eodem. Pali, qui vineae cauſa parati ſunt, antequam collocentur, fundi non ſunt. Sed qui exemti ſunt hae mente, ut collocentur, fundi ſunt. ; die Waſſertroͤge von Bley oder Holz, die man auch Roͤhrkaſten nennt, (caſtella plumbea42)L. 17. §. 8. D. eodem. ferner die Deckel uͤber offenen Brunnen (opercula pute - orum)43)L. 17. §. 8. cit. ; die metallenen Zapfen oder Spunde, womit die Roͤhren auf - und zugedrehet werden koͤnnen; (Epi - tonia)44)L. 17. §. 8. cit. die Aufſaͤtze und Figuren auf den Fontainen, aus welchen das Waſſer ſpringt (ſigilla, columnae et perſonae, ex quarum roſtris aqua ſalire ſolet)45)L. 17. §. 9. D. eodem. der Waſſereymer bey einem Ziehbrunnen (Situla)46)L. 40. §. 6. D. de contr. emt. vend. . So ſind ferner die Braugefaͤße und zum Brauen noͤthige Ge - raͤthſchaften Pertinenzien des Brauhauſes47)berger in Oecon. iuris lib. II. Tit. I. §. 7.. Bey ei -nem4781. Buch. 8. Tit. §. 173.nem Landgute iſt das Stroh, was zur Fuͤtterung des Viehes, und der Miſt, der zur Duͤngung beſtimmt iſt, ein Zubehoͤr deſſelben, und folgt beym Verkauf den Kaͤu - fer48)L. 17. §. 2. D. de act emti vend. . Wer hingegen ein Haus in der Stadt verkauft, nimmt den vorraͤthigen Miſt, und ſein Stroh mit, weil das Haus die Beſtimmung einer Ackerwirthſchaft ſeinem Begriffe nach nicht hat49)Weſtphal a. a. O. §. 130. S. 107.. Das vorhandene Brenn - und Nutzholz iſt auch bey einem Landgute nicht mit ver - kauft50)L. 17. §. 2. D. de act emti vend. Ligna autem venditoris ſunt, quia non ſunt fundi, tametſi ad eam rem comparata ſunt. . Man behauptet ferner, daß die Betten und der Hausrath in einem Gaſthofe, ſofern dieſe Sachen blos zur Gaſtwirthſchaft beſtimmt ſind, und zwar derge - ſtalt, daß ſie beſtaͤndig bey dieſem Gaſthofe verbleiben ſollen, als Pertinenzien deſſelben zu betrachten51)schilter Exercit. ad Pandect. IV. § 23 p. 85. berger Electa diſceptat. for. Tit. 36. Obſ. 2. p. 1470. et in Oecon. iuris lib. II. Tit. I. § 7. mencken in ſelect. controverſ. iuris Diſputat. VII. §. 10 pag. 40. carpzov P. III. Conſt. XXIV. Def. 10. boehmer in doctr. Digeſtor. h. t. §. 12. hell - feld in Diſſ. de hypotheca mobilium Cap. I. §. 7. und mogen in cit. Commentat. §. 15.; z. B. die Moͤbeln ſind mit der Zahl des Zimmers bezeichnet, in welchem ſie befindlich ſind. Im Zweifel muß dieſes jedoch ab allegante erwieſen werden52)boehmer c. l. mogen c. l. . Ein ganzes Regiſter ſolcher Pertinenzien hat Hommel53)Carl Ferd. Hommels Pertinenz - und Erbſonderungs - Regiſter, mit Zuſaͤtzen und Verbeſſerungen herausgegeben von D. Carl Gottl. Roͤßig. Leipzig 1782. 8. geliefert; man darf jedoch dieſes nicht fuͤr untruͤglich halten. Diekleinere479De diviſione rerum et qualitate. kleinere Schrift des Herrn Prof. Weſtphals54)D. Ernſt Chriſt. Weſtphals rechtl. Abhandlung von den Pertinenz-Stuͤcken eines verkauften Hauſes. Halle 1778. 4. enthaͤlt in vielem Betracht weit richtigere Grundſaͤtze. Da uͤbri - gens die bloße Beſtimmung einer beweglichen Sache zum beſtaͤndigen Gebrauch einer unbeweglichen noch nicht hin - laͤnglich iſt, die erſtere zu einem Pertinenzſtuͤck der letztern zu machen, ſofern dieſelbe ihrer Beſtimmung gemaͤß noch nicht angewendet worden55)L. 17. §. 5. 10. et L. 18. §. 1. D. de actionib. emti vend. ; ſo laͤßt ſich ſchon hieraus urtheilen, wie irrig die Meinung derjenigen ſey56)berlich P. III. Concluſ. 29. n. 78. et ſqq. wesenbec Conſil. 321. n. 46. et ſqq. voet in Tr. de mobil. et immobil. natura Cap. VII. §. 10., welche behaupten, daß das Geld, ſo zur Anſchaffung ei - ner unbeweglichen Sache beſtimmt iſt, fuͤr eine unbe - wegliche Sache zu halten ſey57)gail Pract. Obſervat. Lib. II. cap. XI. hellfeld de hy - potheca mobilium Cap. 1. §. 7. in fin. auch schilter Ex. IV. ad Pand. §. 23. voet in Comm ad Pand. h. t. §. 15. Eich - mann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts IV. Th. S. 187. Daß indeſſen jemand ein Recht haben koͤnne, die beſtimmte An - wendung des Geldes zu verlangen, wird hiermit nicht gelaͤugnet..
Zuweilen kann eben dieſelbe Sache in verſchiedener Ruͤckſicht zugleich eine bewegliche und unbewegliche ſeyn. Ein Beyſpiel hiervon geben uns die Schiff-Muͤhlen. Zwar iſt es unter den Rechtsgelehrten noch ſehr ſtreitig, zu welcher Claſſe von Sachen dieſe gerechnet werden ſol - len58)Die verſchiedenen Meinungen der Gelehrten mit ihren Gruͤn - den findet man in mogen angef. Commentat. §. X. . Allein dieſer Streit laͤßt ſich dadurch am leich - teſten beylegen, wenn wir einen Unterſchied machen, obSchiffs -4801. Buch. 8. Tit. §. 173.Schiffs-Muͤhlen in einem ſolchen Lande oder einem ſolchen Orte angelegt worden ſind, wo die Erbauung derſelben eine Sache des freyen Willkuͤhrs iſt, oder ob ſie an ſol - chen Orten ſind angelegt worden, wo die Exſtruction der - ſelben ein landesherrliches Regal iſt, und dieſe alſo ohne beſondere Conceßion des Landesherrn nicht geſchehen darf. Im erſtern Fall ſind Schiffsmuͤhlen, wie die Schiffe ſelbſt59)L. 20. §. 4. D. quod vi aut clam. L. 1. §. 7. D. de vi e[t]vi armata. , zu den beweglichen Sachen zu rechnen. Im letztern Fall kann man ſie zu den unbeweglichen Sachen rechnen, inſofern zugleich in der Conceßion ein gewiſſer Ort iſt angewieſen worden, wo die Muͤhle angelegt werden ſoll, ohne dieſe Stelle zu veraͤndern60)Eben dieſer Meinung iſt mogen a. a. O.. Ein anderes Bey - ſpiel geben uns die Apotheken. Dieſe, an ſich betrach - tet, gehoͤren eigentlich nicht zu den Immobilien61)mogen cit. Commentat. §. XIX. In Praxi pflegt man je - doch Schiff-Muͤhlen meiſtentheils zu den unbeweglichen Sa - chen zu rechnen. S. Hommel in Pertinenz - und Erbſon - derungs-Regiſter v. Muͤhlen S. 268., ob - wohl die Beſitzer derſelben, wie ich ſchon oben erinnert habe, denen Beſitzern unbeweglicher Grundſtuͤcke in ſofern gleich geachtet werden, daß ſie vor Gericht von Beſtellung eines Vorſtandes wegen der Unkoſten und Wiederklage frey ſind. Sonach gehoͤren alſo die Apotheken an ſich eigentlich zu denjenigen Sachen, quae, wie Berger62)berger Elect. Diſceptat. for. P. I. p. 363. et 365. ſich ganz richtig ausdruͤckt, in ſe mobiles, ſed certo re - ſpectu ſunt immobiles. Allein haftet das Recht, eine Apotheke zu halten, auf einem Hauſe, ſo ſind nach derMei -481De diviſione rerum et qualitate. Meinung des Leyſers63)Meditat. ad Pandect. Spec. XXVI. med. 4. dem auch Hell - feld in Diſſ. cit. Cap. I. §. 8. mogen a. a. O. und Eich - mann in den Erklaͤrungen des B. R. IV. Th. S. 190. bey - treten. die zu derſelben gehoͤrige Ge - faͤße in Anſehung einer jeden rechtlichen Wirkung fuͤr un - beweglich zu halten, indem man ſich in Anſehung die - ſer auerdings auf Beſtimmung und Gebrauch beziehen kann.
Daß uͤbrigens die Eintheilung der Sachen in be - wegliche und unbewegliche wegen der davon abhangenden rechtlichen Wirkungen einen ſehr großen praktiſchen Nu - tzen habe, der ſich beſonders bey der Uebergabe, Verjaͤh - tung, Veraͤuſſerung der Guͤter der Unmuͤndigen und Mi - norennen, Reſtitution und Veraͤuſſerung der Dotalguͤter einer Ehefrau, der Cautionsleiſtung u. ſ. w. aͤuſſert, wird die Folge lehren64)S. Io. Gottl. haerlin de uſu theoret. pract. diſtinctionis rerum in mobiles et immobiles. Tuͤbingae 1715. 4..
Unkoͤrperliche Sachen ſind eigentlich ihrer Natur nach weder beweglich noch unbeweglich. Denn man kann ſie nicht mit den aͤuſſerlichen Sinnen empfin - den, ſondern nur mit dem Verſtande begreifen. Daher werden auch Rechte und Befugniſſe, Schuldforderungen (nomina) Klagen und uͤberhaupt unkoͤrperliche Sachen ſowohl von beweglichen als unbeweglichen Sachen in un - ſern Geſetzen deutlich unterſchieden, und als eine dritteArtGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. H h4821. Buch. 8. Tit. §. 174.Art von Sachen betrachtet65)L. 7. §. 4. D. de peculio L. 86. pr. D. de legat. 2. L. 15. §. 2. D. de re iudicat. L. 1. C. de praet. pignore. . Ein Beweiß, daß un - ter dem Wort Mobilien in der Regel nur koͤrperliche Sachen zu verſtehen ſind66)Corn. Io. Rud. ridel Diſſ. qua disquiritur, utrum actio quoad rem immobilem a cautione in proceſſu praeſtanda libe - ret, nec ne? Goett. 1783 §. 19. Daher ſind unter einer Verpfaͤndung der Mobilien die ausſtehende Forde - rungen des Schuldners nicht begriffen. Reinh. bachovii Tr. de pignoribus et hypothec. Lib. 1. cap. VI. n. 2. ſq. . Allein oft noͤthigen uns Umſtaͤnde, die unkoͤrperlichen Sachen entweder zu den beweglichen oder unbeweglichen zu rechnen. Dieß ge - ſchieht, wenn das Vermoͤgen eines Menſchen in bewegli - ches und unbewegliches eingetheilt wird, ohne die unkoͤr - perlichen Dinge, Gerechtigkeiten, Anſpruͤche, Forderun - gen u. dgl. davon zu unterſcheiden, und doch verſchiedene Rechte bey den beweglichen und unbeweglichen ſtatt finden ſollen. Eine ſolche Eintheilung machen zuweilen die Ge - ſetze ſelbſt: z. B. ſo ſoll der Mann zwar bewegliche, aber keine unbewegliche Dotalguͤter ſeiner Ehefrau zu veraͤuſ - ſern befugt ſeyn. So ſind ferner in einigen Landen Ge - ſetze vorhanden, welche bey der Erbfolge einen Unterſchied zwiſchen beweglichen und unbeweglichen Guͤtern machen. Z. B. nach Sachſenrecht erbt der Mann das Mobiliar - vermoͤgen ſeiner Ehefrau, die Anverwandten hingegen bekommen die unbeweglichen Guͤter derſelben. Zuweilen macht ein Teſtirer eine ſolche Eintheilung ſeines Vermoͤ - gens, und vermacht dem einem ſeinen Mobiliar-einem andern aber den Immobiliar-Nachlaß. Nicht ſelten bringt es auch ein Vertrag und der Wille der Paciscenten mit ſich, daß man die unkoͤrperliche Sachen mit unter die beweglichen und unbeweglichen begreife. Z. B. es ver -pfaͤndet483De diviſione rerum et qualitate. pfaͤndet mir Jemand ſein geſammtes Vermoͤgen, beweg - und unbewegliches, ſo muß eine ſolche Verpfaͤndung, ſo ſehr auch andere dawider ſtreiten, auf ausſtehende Capi - talien und Forderungen des Schuldners nach der vermu - theten Abſicht der Contrahenten allerdings ausgedehnet werden67)Conf. Chriſt. Henr. breuning Quaeſt. iur. contr. an res incorporales comprehendantur ſub hypotheca generali, in qua mobilium et immobilium tantum mentio facta. Lipſiae 1773. Meditationen uͤber verſchiedene Rechtsmate - rien I. Band 44. Meditat.. Ein anderes wuͤrde freylich zu behaupten ſeyn, wenn der Schuldner nur bloß ſeine bewegliche Guͤ - ter verpfaͤndet haͤtte, ohne dabey zugleich des geſammten Vermoͤgens Erwaͤhnung zu thun68)hofacker Princip. I. C. T. II. P. I. §. 1167. not. b. und Chriſt. Gottl. Gmelin von Aufſaͤtzen uͤber Vertraͤge §. 52. S. 105. folg.. Wenn nun alſo eine dergleichen Nothwendigkeit vorhanden iſt, daß man unkoͤrperliche Sachen entweder zu den beweglichen oder zu den unbeweglichen rechnen muß, ſo haben entweder ſchon die Geſetze ſelbſt in einem gegebenen Fall beſtimmt, in welcher Ruͤckſicht und Maaße ſolche Sachen entweder unter die eine oder die andere Claſſe gerechnet werden ſollen, oder nicht. Im erſten Fall dient die geſetzliche Vorſchrift zur Entſcheidung, und die Sache iſt auſſer Streit. So zum Beyſpiel werden Servituten und an - dere dingliche Rechte, wenn von einer acquiſitiven Ver - jaͤhrung derſelben die Rede iſt, den unbeweglichen Sa - chen gleichgeachtet69)L. fin. in fin. Cod. de longi temp. praeſcr. voet cit. Tr. Cap. VII. n. 3. Eben ſo wird zur acquiſitiven Verjaͤhrung ei - nes Rechts gegen eine Kirche, wie zur Verjaͤhrung eines un - beweglichen Kirchenguts, ein Zeitverlauf von 40 Jahren er - fordert. S. G L. boehmer Princip. iur. canon. Lib. III. Sect. V. Tit. IX. §. 638.. Dahingegen in anderer RuͤckſichtH h 2z. B.4841. Buch. 8. Tit. §. 174.z. B. wenn die Frage entſtehet, ob ein Uſufructuar in dem Fall, da ihn ein anderer aus der Nutznießung mit Gewalt verdraͤngt hat, ſich des Interdicts unde vi be - dienen koͤnne? die Geſetze einen ſehr genauen Unter - ſchied machen, ob ihm das Nutzungsrecht an einer beweg - lichen oder unbeweglichen Sache zuſtehet? Conſequen - ter dicemus ad res mobiles hoc Interdictum non per - tinere, ſi quis uti frui prohibitus eſt re mobili, ſagt Ulpian70)L. 3. §. 15. D. de vi et vi armata. . Im letztern Fall ſind folgende Regeln zu bemerken71)hofacker in Princip. I. C. T. II. P. I. §. 726. Eich - mann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 199. ff..
a) Wenn eine unkoͤrperliche Sache als Zu - behoͤr einer koͤrperlichen anzuſehen iſt, ſo be - kommt ſie die Eigenſchaft derſelben, daß ſie entweder fuͤr beweglich oder fuͤr unbeweglich gehalten wird. Nam acceſſorium ſequitur ſuum principale. Wenn demnach Rechte und Gerechtigkeiten auf einem Grundſtuͤcke ruhen, mithin ein Zubehoͤr deſ - ſelben ausmachen, z. B. praͤdial Servituten, oder das auf einem Hauſe ruhende Apotheken-Kramladen-Gaſt - wirthſchafts-Recht u. ſ. m. ſo werden dieſelben zu den un - beweglichen Sachen mitgerechnet, und gehen mit dem Grundſtuͤcke auf einen jeden Beſitzer uͤber72)L. 47. D. de contrah. emt. vend. . Wenn im Gegentheil Rechte mit einer beweglichen Sache ver - bunden ſind, ſo gehoͤren ſie zu den beweglichen Sachen73)boehmer ius Digeſtor. h. t. §. 13. hellfeld Diſſ. de hy - potheca mobilium Cap. I. §. 12. Chriſt. Lud. stieglitz Diſp. de iuribus et actionibus feudi titulo conceſſis Lipſiae 1747. §. 16..
b) Wenn485De diviſione rerum et qualitate.b) Wenn Rechte, Anſpruͤche und Forde - rungen unbewegliche Sachen zum Gegen - ſtande haben, ſo werden dieſelben ebenfalls zu den unbeweglichen Guͤtern gerechnet; ha - ben ſie aber bewegliche Sachen zum Gegen - ſtande, ſo werden ſie unter dieſe Claſſe be - griffen74)hofacker c. l. pag. 7. berger Oeconom. iuris Lib. II. Tit. I. §. 8. hellfeld. c. l. . So z. B. wird die Eigenthumsklage in Anſehung einer beweglichen Sache zu den beweglichen, in Anſehung einer unbeweglichen Sache aber zu den unbeweglichen Vermoͤgen gerechnet. Der Grund hier - von iſt die Regel des buͤrgerlichen Rechts: Is qui actio - nem habet ad rem recuperandam, ipſam rem habere videtur75)L. 15. D. de Reg. iuris. Daß dieſe Regel vorzuͤglich auf ſolche Klagen ſich beziehe, wodurch man das Eigenthum einer Sache verfolgt, hat Iac. gothofredus in novo in Tit. Pan - dectar. de diverſis reg. iuris antiqui commentario ad h. L. (Oper. a trotzio editor. pag. 773. u. 774.) ſehr einleuchtend bewieſen. Dieſer L. 15. ſcheint nun zwar eine andere Regel in der L. 204. D. eod. entgegen zu ſeyn, welche folgender - maßen lautet: Minus eſt actionem habere quam rem. Allein der Widerſpruch iſt leicht zu heben Wir wol - len den gothofredus ſelbſt reden laſſen. Iſtud non ratione dominii atque adeo non reſpectu iuris diſponendi dicitur, ſed propter commodumpoſſeſſionis et retentionis; item propter ſecuritatem crediteris. Quo ſane perti - net, quod dicitur, melius eſſe pignori incumbere, quam in rem agere, L. 15. §. 4. D. qui ſatisd. cog. §. 4. I. de Interdict. uno verbo, minus eſt actionem habere, quam rem, ſi commodum poſſeſſionis retentionisque ſpe - ctes: ſed non minus eſt, ſi dominium ſpectes do - miniique effectus, quo banc regulam pertinere eſtendi. Dieſe Erklaͤrung gewinnt beſonders dadurch, daßPom -. H h 3Das4861. Buch. 8. Tit. §. 174.Das heißt, wer ein unſtreitig Recht hat, eine in der Hand eines andern befindliche Sache als die ſeinige ab - zufordern, iſt ſo gut vollſtaͤndiger Eigenthuͤmer, wie der, welcher das Seinige ſelbſt in Haͤnden hat. Alle per - ſoͤnliche Klagen hingegen, wenn ſie auch die Erlan - gung einer unbeweglichen Sache zur Abſicht haben ſoll - ten, werden zu den beweglichen Sachen gerechnet76)Hier ſind vorzuͤglich Paul. voet de mobilium et immobilium natura Cap. VIII. §. 6. und Io. voet in Commentar. ad Pah - dect. h. t. §. 21. nachzuſehen.. Denn dieſe haben eine perſoͤnliche Verbindlichkeit zum Grund77)§. 1. I. de action. . Paul Voet ſagt a. a. O.78)S. 49.. Ratio de - ſumta eſt a perſona, quae ſtabilis non eſt, et facile domicilium transfert: ut cum actio perſonalis oſſibus perſonae adhaereat[,]ibi eſſe intelligatur, ubi perſona ſedem et larem fixit ſuarum fortuuarum. Quae cum variet quandoque, etiam actio ſitum mutabit. Daher ſind auch ausgeliehene Capitalien der Regel nach als bewegliche Guͤter anzuſehen79)leyser Meditat. ad Pandect. Vol. I. Spec. XXVI. med. 2. schaumburg in Compend. iuris Digeſtor. h. t. §. 15. in fine. Puͤtter auserleſene Rechtsfaͤlle III. Bandes III. Theil Reſp. CCXCIX. n. 5. S. 747., wenn gleich zu derenSicher -75)Pomponius in dem 28. Buch uͤber den q. mutius, aus welchen die L. 204. D. cit. genommen iſt, hauptſaͤchlich von der actione pigneratitia gehandelt hat; wie gothofredus ad L. 204. in Operib. col. 1224. erwieſen. Man ſiehet alſo bieraus, daß L. 204. zunaͤchſt von perſoͤnlichen Kla - gen zu verſtehen ſey. So erklaͤrt dieſelbe auch voet in Comm, ad Pandect. h. t. §. 21. und dies beſtaͤtiget noch mehr L. 15. §. 4. D. qui ſatisd. cog. 487De diviſione rerum et qualitate. Sicherheit eine Hypothek ſollte conſtituiret worden ſeyn80)voet in Comment. ad Pandect. h. t. §. 27. hellfeld in Diſſ de hypotheca mobilium Cap. I. §. 13. hofacker c. l not e. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 203. am Ende u. folg. Seite.. Denn es kommt hier blos auf den Gegenſtand meiner Forderung an. Dieſer macht die Hauptſache aus. Die Hypothek iſt nur etwas acceſſoriſches. In Anſehung per - ſoͤnlicher Dienſtbarkeiten z. B. Nutzungsrecht kommt es darauf an, ob ſolche auf einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zuſtehen81)voet in Comment. ad Pandect. h. t. §. 20.. Dieſe Frage entſcheidet ſich von ſelbſt. Ob aber das Recht, ge - wiſſe jaͤhrliche Renten zu erheben, zu den be - weglichen oder unbeweglichen Guͤtern gehoͤre? iſt ſtreitig. Die verſchiedenen Meinungen erzaͤhlen die beyde Voete82)Paul. voet in Tract. de mobilium et immobilium natura Cap. IX. et Ioh. voet in Commentar. ad Pandect. h. t, §. 22 — 26. ſehr ausfuͤhrlich. Ihre eigene Meinung iſt unſtreitig die richtigſte. Sie machen naͤmlich einen Unterſchied in er reditus reales, welche auf unbewegliche Guͤter ge - legt ſind, und vermoͤge darauf haftenden dinglichen Rechts von jedem Beſitzer derſelben alljaͤhrlich entrichtet werden muͤſſen, und reditus perſonales, (Leibzinſen) welche eine Perſon ohne Ruͤckſicht unbeweglicher Guͤter jaͤhrlich zu be - zahlen ſchuldig iſt. Renten der letztern Art, die nur in einer perſoͤnlichen Verbindlichkeit des Schuldners ihren Grund haben, gehoͤren unſtreitig zu den beweglichen Guͤ - tern. Allein wenn von reditibus realibus die Frage iſt, ſo iſt wieder zwiſchen verfallenen (betagten) Zinſen, die dem Zinsherrn ſchon haͤtten bezahlet werden ſollen, aber zur Zeit noch ruͤckſtaͤndig ſind, (reditus, quorum diesH h 4iam4881. Buch. 8. Tit. §. 174.iam ceſſit) und dem Rechte ſelbſt, vermoͤge deſſen man aus einer unbeweglichen Sache alljaͤhrlich gewiſſe Einkuͤnfte und Renten ziehen kann, zu unterſcheiden. Letz - teres iſt zu den Immobilien zu rechnen83)Clement. 1. verſ. cumque aunui reditus de Verbor. Significat. . Erſtere aber gehoͤren zum Mobiliarvermoͤgen84)Hiermit ſtimmen auch uͤberein Io. Andr. frommann in Diſſ. de negotii annuorum redituum et uſurarum mutui foene - ratitii natura et different. Tuͤbingae 1687. §. 35. ſqq. gail Obſervat. lib. II. cap. X. n. 3. Io. Phil. lyncker Tr. de re - ditibus annuis, quos vocant redimibiles, wiederkaͤufliche Zin - ſen (Ienae 1697. 4.) Diſpect. V. §. 3. pag. 112. ſqq. und ber - ger in Oeconom. iuris lib. II. Tit. I. §. VIII. n. 2.. Aus eben dieſen Grundſaͤtzen iſt auch die Frage zu entſcheiden, zu welcher Claſſe von Guͤtern die Erbegelder gehoͤren? Es kommt zufoͤrderſt darauf an, was man unter Erbgelde verſte - het85)Die beſte Schrift naͤchſt friesen (Io. Bernh.) Diſſ. de pecunia hereditaria Icnae 1708. iſt Car. Frid. walch Diſp. de privilegio pecuniae hereditariae creditorum in concurſu. Ienae 1776. 4,. Da dieſer Gegenſtand blos teutſchen Rechts iſt, ſo muß der Begriff auch aus Vergleichung der teut - ſchen Geſetze abſtrahirt werden. Die teutſchen Statuten86)Vergl. Saͤchſ. Landesordn. P. III. Conſtit. 21. Churſaͤchſ. Proceßordn. Tit. XLII. §. 7. Verbeß Altenburg. Proceßordn. P. I. cap 37. § 13. Eiſenach. Proceßordn. Tit. XXVIII. §. 7. Die alte Gothaiſche Proceßordn. P. I. cap. 18. §. 6. Schwarzburg. P. IV. Tit. 11. §. ult. u. ſ. w. ſtimmen nun darin mit einander uͤberein, daß man ſich darunter dasjenige Geld vorſtellen muͤſſe, was ein Erbe, dem in der Erbſonderung die Grund - ſtuͤcke des Verſtorbenen fuͤr einen gewiſſen Preiß ſind uͤberlaſſen worden, oder haben uͤberlaſſen werden muͤſſen, dem andern Mit -erben489De diviſione rerum et qualitate. erben wegen ſeines Antheils herauszuzahlen hat, der ſeine Erbportion auf dieſen Grund - ſtuͤcken ſtehen laſſen, und dem ſchuldenden Erben wegen der Bezahlung Friſt gegeben87)Herr Geh. Juſtiz R. walch ſagt in der angef. Diſſertat. §. X. pecunia hereditaria eſt pecunia, ab herede de bo - nis immobilibus, ipſi bereditatis in diviſione adiudicatis, co - beredi certo tempore praeſtanda. . Das Unterſcheidende einer ſolchen Schuld von andern Geldſchulden zeigt ſich in Folgenden.
1) Glaͤubiger und Schuldner ſind beyde Miterben; ob ſie geſetzliche oder Teſtaments-Erben ſind? iſt wenig - ſtens nach heutigen Rechten gleichviel.
2) Die cauſa debendi dieſer Schuld beſtehet da - rin, daß in der Erbtheilung dem einen Erben, welcher Schuldner iſt, dasjenige Grundſtuͤck fuͤr einen gewiſſen Preiß iſt uͤberlaſſen worden, woraus derſelbe dem andern Miterben ſeinen Antheil mit Gelde herauszuzahlen hat.
3) Die Sache, welche in der Erbſonderung dem Schuldner des Erbgeldes iſt uͤberlaſſen worden, muß ſchlechterdings ein unbeweglich Gut ſeyn88)Auſſer den teutſchen Geſetzen, die dieſes ausdruͤcklich erfor - dern, wird ſolches auch ſchon aus dem Namen ſelbſt gefol - gert. Denn Erbgeld ſoll nicht von Erbſchaft, ſondern von Erbe, welches bey den alten Teutſchen ſoviel als ein unbeweglich Gut, praedium, bedeutete, herkommen. S. Walch a. a. O. S. 22..
4) Daſſelbe muß dem Miterben wirklich uͤberge - ben worden ſeyn. Eine gerichtliche Auflaſſung iſt nur in den Landen noͤthig, wo dergleichen zur Erwerbung des Eigenthums bey Grundſtuͤcken erfordert wird.
H h 55) Es4901. Buch. 8. Tit. §. 174.5) Es muß eine Zahlungsfriſt beſtimmt ſeyn. Insgemein pflegt particular Zahlung verabreder zu wer - den, dergeſtalt, daß das Erbgeld in gewiſſen Termi - nen bezahlt werden ſoll. Allein nothwendig iſt es nicht. Noch weniger brauchen dieſe Termine gerade Jahres - friſten zu ſeyn. Ein Zahlungstermin aber muß des, wegen beſtimmt ſeyn, damit man ſiehet, daß der Glaͤu - biger dem ſchuldenden Miterben ſeinen Erbtheil credi - tirt habe, weil ſonſt letzterer das Eigenthum der ihm uͤberlaſſenen Erbgrundſtuͤcke ehender nicht erlangen wuͤr - de89)§. 41. I. de rer. diviſ. L. 19. et L. 53. D. de contrah. emt. , als bis er den erſtern ſeines Erbtheils wegen befriediget haͤtte. Ohne eine ſolche Friſt wuͤrde der Miterbe, welcher jetzt der Glaͤubiger iſt, ſeinen Antheil an den unbeweglichen Grundſtuͤcken des Erblaſſers, als Miteigenthuͤmer, fordern koͤnnen90)walch cit. loco §. XIV. . Dieſes voraus - geſetzt, ſo wird nun die Frage, ob das Erbgeld zu den beweglichen oder unbeweglichen Guͤtern desjenigen, der ſolches zu fordern hat, gehoͤre, in den teutſchen Sta - tuten folgendermaſſen entſchieden. So lange daſſelbe noch unbetagt iſt, (ſi dies nondum venit) wird es als unbeweglich Gut angeſehen, weil es auf unbeweg - lichen Guͤtern haftet, und daraus bezahlet werden muß. Dieſer Grund wird in den oben angefuͤhrten Geſetzen ſelbſt gefunden, jedoch nimmt Herr Geh. Juſtitz-Rath Walch91)a. a. O. §. VI. noch einen andern Grund aus dem ſtill - ſchweigenden Miteigenthum her, welches nach teutſchen Rechten, auch noch nach geſchehener Erbſonderung in Anſehung der dem einen Miterben uͤberlaſſenen Grund -ſtuͤcke491De diviſione rerum et qualitate. ſtuͤcke denen uͤbrigen verblieb, und von wichtigen recht - lichen Folgen war. Das betagte Erbgeld hingegen wird zu den Mobiliarvermoͤgen des Glaͤubigers gerech - net92)Herr Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 208. folgg. verwirſt jedoch den Unterſchied zwiſchen betagten und unbetagten Erbgelde, und haͤlt daſſelbe fuͤr beweglich Gut, weil mein Recht doch nur auf eine be - wegliche Sache gehet.. Iſt uͤbrigens das Erbgrundſtuͤck, aus welchem das Erbgeld gefordert wird, noch in der Guͤtermaſſe des verſchuldeten Erbens vorhanden, ſo genießt das Erbgeld nach heutigen teutſchen Rechten im Concurs ei - nen groſſen Vorzug, wovon ich kuͤnftig (§. 1818. n. 5.) ein mehreres ſagen werde.
c) Im Zweifel iſt eine unkoͤrperliche Sache zu den beweglichen zu rechnen93)Siehe den 1ſten Theil dieſes Commentars §. 76. in fine. . Z. B. Tagezeitgelder, die man von einem verkauften Gute zu fordern hat94)wernher ſelect. Obſervat. forens. Tom. II. Part. VII. Obſ. 33. voet in Comment. ad Pandect. h. t. §. 16..
Den einzelnen oder beſondern Sachen, (§. 172.) von welchen wir bisher gehandelt haben, ſind die res uni - versales oder universitas rerum entgegengeſetzt. Man verſtehet darunter einen Inbegrif mehrerer einzelner Sachen unter einem gemeinſchaft - lichen Namen, die zuſammen ein Ganzes aus - machen95)nettelbladt Syſtem. element. Iurisprud. poſitivae Ger - manor. comm. general. §. 37. Hoͤpfner im Commentaruͤber. Eine ſolche Univerſitas von Sachen beſte -het4921. Buch. 8. Tit. §. 175 a.het nun entweder in einem ganzen Vermoͤgen, und be - greift daher Sachen von verſchiedener Art unter ſich, welche die Geſetze ſelbſt fuͤr ein gewiſſes Ganzes erklaͤrt haben; oder nicht, ſondern die mehrern einzelnen Sa - chen, welche die Univerſitas ausmachen, gehoͤren zu ei - ner gemeinſchaftlichen Gattung. Eine Univerſitas der erſtern Art heißt univerſitas iuris96)Daher heißt per univerſitatem acquirere §. ult. I. per quas perſ. nob acquir. ſoviel als omnia ſimul bona acquirere e. g. hereditate. caius lib. II. Inſtit. Tit. II. §. 1., die der andern Art aber univerſitas facti ſ. hominis. Univerſitates iuris ſind z. B. eine Erbſchaft, ferner das peculium der Kinder, die noch unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen u. d. Univerſitates facti hingegen ſind z. B. eine Heerde Vieh, eine Bibliothek, eine Apothecke, ein Kramladen u. ſ. m. Der Unterſchied beſtehet uͤbrigens darin, eine univerſitas iuris kann auch unkoͤrperliche Sachen, nem - lich Rechte, Gerechtigkeiten, Anſpruͤche, und Activfor - derungen in ſich begreifen. Es ſoll ferner bey einer ſol - chen Rechtsuniverſitas die Regel gelten: res ſuccedit in locum pretii, et pretium in locum rei97)L. 22. D. de petit. hereditat. L. 1. Cod. de caſtrenſi pecu - lio milit. ; oder welches eben ſo viel iſt: in univerſitatibus iuris ſurrogatum ſapit naturam ſurrogati98)D. Roßmann Abhandl. ob der Werth an die Stelle der Sache trete? in den Erlangiſchen gelehrten Anzei - gen auf das Jahr 1749. Nr. XXIV. S. 185 — 192.. Das heiſt, wenn mit dem Gelde, ſo zu einer univerſitas iuris gehoͤrt, eine Sache erkauft wird, ſo gehoͤrt dieſelbe ebenfalls zur univerſitas, und hat nicht nur die Rechte derſelben, ſondern gehoͤrtauch95)uͤber die Inſtitutionen §. 278. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl Rechts IV. Th. S. 147. folgg.493De diviſione rerum et qualitate. auch dem zu, der an dem Ganzen Anſpruch macht. Wenn ferner eine Sache veraͤuſſert wird, die zu einer ſolchen univerſitate iuris gehoͤrt, ſo tritt der Kaufſchil - ling an die Stelle der verkauften Sache, und wird ein Theil vom Ganzen. Bey der hereditatis petitione iſt dieſe Regel vermoͤge des Juventianiſchen Senatus - conſultum von beſonderer Wichtigkeit99)L. 20. §. 6. D. de hered. petit. . Denn in dieſem iſt unter andern enthalten: item placere, a qui - bus hereditas petita fuiſſet, ſi adverſus eos iudicatum eſſet, pretia, quae ad eos rerum ex hereditate venditarum perve - niſſent, etſi eae ante petitam hereditatem deperiſſent, demi - nutaeve fuiſſent, reſtituere debere100)Einen ſchoͤnen Commentar hieruͤber giebt heineccius in Excurſ. de Senatusconſulto Hadriani temporibus facto, quod extat L. 20. §. 6. D. de heredit. petit. §. VIII. in Opuſ[e]. Poſtum. ſ. Hiſtoria Edictor. pag. 456. ſqq. . Auch bey der Ab - lieferung eines Fideicommißes, wie Papinian1)L. 70. §. 3. D. de legat. 2. beſtaͤt - tiget: Cum autem rogatus: Quidquid ex hereditate ſu - pererit, poſt mortem ſuam reſtituere, de pretio rerum ven - ditarum alias comparat, deminuiſſe, quae vendidit, non videtur. Wie dieſe Regel bey dem Peculium der Kinder zur Anwendung komme, iſt ſchon an einem andern Orte dieſes Commentars (§. 136. S. 215.) geſagt worden. Daß ſie jedoch vermoͤge der extenſiven Erklaͤrung der roͤ - miſchen Rechtsgelehrten bey allen univerſitatibus iuris ſtatt finden ſolle, ſagt Ulpian2)L. 20. §. 10. D. de hereditat. petit. deutlich: non ſolum au - tem in hereditate utimur Senatusconſulto, ſed et in peculio caſtrenſi, vel alia univerſitate (ſc. iuris), alſo auch, wenn von dem ganzen Vermoͤgen eines Menſchen, welches kein peculium iſt, (patrimonium hominis ſui iuris) desgleichenvon4941. Buch. 8. Tit. §. 175 a. von dem ganzen Vermoͤgen einer univerſellen Societaͤt3)Eichmann a. a. O. S. 148. 149. hofacker Princip. I. C. Tom. II. §. 739. die Rede iſt. Ganz anders verhaͤlt ſich die Sache bey den univerſitatibus hominis4)schaumburg in Compendio iuris Digeſtor. Lib. V. Tit. III. §. 1.. Z. B. Wenn Waaren aus einem verhypothecirten Laden verkauft werden, ſo tritt das daraus geloͤßte Geld nicht an deren Stelle. Der Glaͤubiget kann mithin ſein hypothekariſches Recht auf ſolches nicht ausdehnen. Denn in dieſem Fall erſtreckt ſich die Verpfaͤn - dung blos auf diejenigen Waaren, welche zur Zeit der Pfandklage noch auf dem Lager befindlich ſind5)L. 34. pr. D. de pignorib. Weſtphal Verſuch einer ſyſte - matiſchen Erlaͤuterung der roͤm. Geſetze vom Pfandrecht §. 135. Zwar will Herr von Guͤnderrode in der Abhandl. von dem Verkauf der Waaren aus einem verhypothecirten Laden §. 9. in Seinen ſaͤmmtlichen Werken II. Band S. 201. be - haupten, daß das aus den verkauften einzelnen Waa - ren geloͤßte Geld ebenfalls dem Glaͤubiger verhypotheciret ſey; allein dieſe Meinung iſt den Geſetzen und der Rechts - analogie zuwider.. Noch ein anderer Unterſchied zwiſchen univerſitas iuris und facti beſtehet darinn, daß bey letzterer die zu ihr gehoͤri - gen Stuͤcke ſowohl einzeln, als auch zuſammen unter dem collectiven Namen der Univerſitas mit einer actione in rem ſingulari vindicirt werden koͤnnen; allein bey einer univerſitas iuris hat keine Vindication des Ganzen, ſondern nur einzelner Stuͤcke derſelben ſtatt. Das Gan - ze muß mit einer actione in rem univerſali abgefordert werden. Hierher gehoͤrt die Stelle Julians lib. 55. Digeſtor6)L. 56. D. de Rei Vindicat. Vortreflich hat dieſe Stelle B. branchu in Obſervation. ad Ius Rom. Decad. I. Cap. VI. pag. 56. ſqq. erklaͤrt.. Vindicatio non, ut gregis, ita et pe -culi -495De diviſione rerum et qualitate. culii recepta eſt, ſed res ſingulas is, cui legatum pe - culium eſt, petet.
Wir kommen nun auf das Sachenrecht ſelbſt. Daß ſelbiges Sachen zum naͤchſten Gegenſtande habe, iſt ſchon oben (§. 163.) bemerkt worden. Nach der ge - gemeinen Lehre der Rechtsgelehrten theilt man es in ius in re, dingliches Recht, und ius ad rem, perſoͤn - liches Recht, ein7)Ger. feltmann Tract. de iure in re et ad rem. Duisburgi 1666. 12. Ulr. huber in Digreſſionib. Iuſtinian. Lib. IV. cap. X. pag. 296. — 344. et Henr. hahn Diſſ. de iure rerum et iuris in re ſpeciebus, recuſa cum adverſariorum ſcriptis et diſſertat. apologet. Helmſtadii 1664. 4. . Benennungen, die das roͤmiſche Recht nicht kennt, obwohl die Eintheilung der Sache nach allerdings in demſelben gegruͤnder iſt. Das roͤmi - ſche Recht nennt ein dingliches Recht ius in rem, ein perſoͤnliches Recht aber ius in perſonam8)Daher werden in Gemaͤßheit dieſer Eintheilung auch die Klagen in actiones in rem und in perſonam eingetheilt §. 1. I. de actionib. . Die Be - griffe, die ſich uͤbrigens unſere Rechtsgelehrte vom ius in re und ius ad rem, um dieſe im juriſtiſchen Sprachge - brauche einmal aufgenommene Benennungen beyzubehal - ten, machen, ſind ſehr verſchieden, und nur wenige in allem Betracht richtig. Feltmann9)cit. Tract. cap. IX. fuͤhrt zehen ganz verſchiedene Definitionen davon an, und verwirft ſie alle. Nur Schade, daß ſein eigener Begrif noch fehlerhafter ausgefallen iſt, als die von ihm verworfenen nur immerſeyn4961. Buch. 8. Tit. §. 175 b.ſeyn konnten; wie Huber gezeigt10)cit. Digreſſion. c. l. hat. Unter den neuern Rechtsgelehrten ſcheinen die Begriffe des Hu - bers11)in Praelectionib. iuris civ. ſec. Inſtitut. Iuſtinian. Lib. II. Tit. I. §. 12. den meiſten Beyfall gefunden zu haben. Die - ſer ſagt: ius in re eſt facultas homini in rem competens, ſine reſpectu ad certam perſonam. ius ad rem eſt fa - cultas competens in aliam perſonam, ut nobis aliquid det vel faciat12)Hiermit ſtimmen auch die Begriffe des Hrn. Hofr. hofa - cker in Princip. iur. civ. R. G. Tom. II. §. 780. genau uͤberein.. Folgende Vorſtellungsart wird, deucht mir, am leichteſten zu faſſen ſeyn13)Vergl. Reinhards Sammlung juriſt. philoſ. und kriti - ſcher Aufſaͤtze I. Bandes 4. Stuͤck Nr. VI. S. 274. folgg. Ad. weishaupt ius civ. privat. T. II. lib. II. Sect. I. C. I. §. 31. u. Prof. Woltaͤrs Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſ. §. 216.. Ich habe oben (§. 163.) geſagt: die Sachen ſeyen entweder Handlungen der Men - ſchen, oder eigentlich ſogenannte Sachen. Es koͤnnen alſo ſowohl menſchliche Handlungen, als eigentlich ſoge - nannte Sachen der unmittelbare Gegenſtand eines Rechts ſeyn. Dasjenige Recht nun, deſſen unmittelbarer Gegen - ſtand ein factum hominis iſt, nennt man ein ius ad rem, beſſer ius in perſonam. Ein ſolches Recht hingegen, deſ - ſen unmittelbarer Gegenſtand eine res in ſpecie ſic dicta iſt, wird ius in re oder ius in rem genennt. Menſchliche Handlungen, welche Gegenſtaͤnde des iuris ad rem oder eigentlich in perſonam ſind, koͤnnen wieder von zweyerley Art ſeyn, entweder bloſe Handlungen, z. B. die Arbeit eines Tageloͤhners; oder ſolche Handlungen, die im Geben einer Sache beſtehen, z. E. wenn mir Jemand Geld bezahlen, oder eine Sache uͤbergeben ſoll, die ich von ihm gekauft habe. Bey den Factis der er -ſtern497De diviſione rerum et qualitate. ſtern Art heißt die Verbindlichkeit zu denſelben obligatio ad faciendum. Das Wort facere wird alſo hier in einem engern Verſtande genommen. Bey den Factis der letz - tern Art heißt ſie obligatio ad dandum. Sonach ſetzt al - ſo alles ius in perſonam eine gewiſſe Perſon voraus, wel - che einer andern zu einem beſtimmten Thun oder Geben verbindlich gemacht worden iſt14)Daher wird das ius in perſonam auch ius obligationis ge - nennt. S. §. 2. I. de reb. incorpor. , es ſey nun dies ent - weder durch ihre eigene, oder durch die Handlung eines Dritten, ſofern man dieſe zu vertreten hat, oder ohne ein beſonderes factum unmittelbar durch ein Geſetz ge - ſchehen. Was das ius in rem betrift, ſo hat ſolches zwar eine Sache ſelbſt, ohne alle Ruͤckſicht auf eine beſtimmte Perſon, zum Gegenſtande; dies ſchadet indeſſen nichts, daß nicht Folgeweiſe eine Perſon, welche naͤmlich dieſe Sache in Beſitz hat, zu etwas, naͤmlich zur Reſtitution oder Abtretung der Sache, verbunden ſeyn koͤnne15)nettelbladt in Diſſ. de iure in re, quae eſt res nullius Sect. I. §. 9. ſagt: Si ius eſt ius in re, deeſſe determinatam perſonam obligatam, dici quidem poſſe: oſt deeſſe certam per - ſonam obligatam, ſimpliciter dici non poſſe, dum, quoties res, quae huius iuris obiectum eſt, poſſidetur ab alio, omnino certa perſona obligata adeſt, nimirum praeſens rei poſſeſſor. . Ja zuweilen kann jemand, ob er gleich eigentlich Beſitzer der Sache nicht iſt, dennoch vermoͤge meines dinglichen Rechts zufaͤllig fuͤr die Sache haften muͤſſen, naͤmlich wenn er ſich muthwillig fuͤr den Beſitzer ausgegeben (liti ſe obtulit), oder mit Vorſatz die Sache von abhaͤn - den kommen laſſen, um nur meinen Anſpruch dadurch zu nichte zu machen (dolo deſiit poſſidere)16)L. 25. L. 27. §. 3. D. de Rei Vindicat. turin de ficto poſſeſſore. Erford. .
DaGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. J i4981. Buch. 8. Tit. §. 176. u. 177.Da uͤbrigens dieſe Eintheilung in ius in rem und ius in perſonam vom Objecte hergenommen iſt, ſo muß davon die Eintheilung in Ius reale und perſonale wohl unterſchieden werden, die vom Subiecto, cui ius inhaeret, hergenommen iſt. Dieſe Eintheilung liegt bey der ſchon an einem andern Orte dieſes Commentars17)S. Theil I. §. 100. erlaͤuterten Eintheilung der Privilegien in Real - und Per - ſonalprivilegien zum Grunde, und bedarf alſo hier keiner weitern Ausfuͤhrung. Ob es nicht auſſer den angefuͤhr - ten beyden Hauptgattungen des Sachenrechts noch meh - rere gebe, iſt zweifelhaft. Die meiſten nehmen nur je - ne zwey Arten des Sachenrechts an, naͤmlich dingliches und perſoͤnliches Recht. Allein andere18)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciſchen Inſtitu - tionen §. 280. (nach der dritten verbeß. Auflage. Frankf. 1790.) S. 232. fuͤgen noch das Poſſeſſionsrecht nicht ohne Grund hinzu, welches in denjenigen Rechten und Befugniſſen beſtehet, die jemanden, der ſich im Beſitze einer Sache befindet, um dieſes Beſitzes willen zuſtehen. Schon Frie - ſen19)in Diſſ. de genuina poſſeſſionis indole. Ienae 1725. §. 5. ſqq. hat gezeigt, daß dieſes Ius poſſeſſionis eine ganz eigene Gattung des Sachenrechts ausmache, die ſich we - der unter das ius in rem noch unter das ius in perſo - nam bringen laͤßt.
Das der Unterſchied zwiſchen ius in rem und ius in perſonam von großer Wichtigkeit ſey, wird ſich aus den Wirkungen dieſer beyden Rechte ergeben.
I) Ein499De diviſione rerum et qualitate.I) Ein dingliches Recht haftet unmittelbar auf der Sache ſelbſt, daher kann ich ſolches der Regel nach gegen jeden, der mir die Sache vorenthaͤlt, oder mich ſonſt in der Ausuͤbung meines Rechts ſtoͤhrt, verfolgen. Die Klage heißt actio in rem, oder Vindicatio im weitlaͤuf - tigen Verſtande. Daher ſagt Ulpian in L. 25. D. de Obligat. et Action. Actionum genera ſunt duo: in rem, quae dicitur vindicatio: et in perſonam, quae condictio appellatur. In rem actio eſt, per quam rem noſtram, quae ab alio poſſidetur, petimus: et ſem - per adverſus eum eſt, qui rem poſſidet. Res noſtra heißt hier nicht unſer Eigenthum, ſondern jede Sache, an welcher uns ein dingliches Recht zuſtehet, wie es auch unſer Hr. Verf. richtig erklaͤrt. Es giebt jedoch
a) Faͤlle, wo man ein dingliches Recht entweder noch zur Zeit nicht, oder nicht gegen jeden dritten Beſi - tzer der Sache, oder gar nicht gegen den dritten redli - chen Beſitzer verfolgen kann20)Gottl. Euſeb. oeltze de actione reali adverſus quemcunque poſſeſſorem non competente. Ienae 1769. 4.. Das erſte findet ſtatt, wenn mein dingliches Recht noch zur Zeit ruhend, das heißt, in Anſehung meiner Perſon ohne Ausuͤbung iſt, weil entweder ein anderer das ausſchlieſſende Recht zur Ausuͤbung deſſelben hat, oder ſonſt ein Hinderniß vor - waltet21)Io. Bernh. friesen Diſſertat. de iure dormiente. Ienae 1714. 4.. In ſolchem Fall befinden ſich Kinder waͤh - render vaͤterlichen Gewalt, eine Ehefrau waͤhrender Ehe, der Eigenthuͤmer der von einem andern wiſſentlich (mala fide) verbaueten Materialien, ſo lange das Gebaͤude ſte - het, ne urbs ruinis deformetur, u. ſ. m. Der andere Fall gehet auf diejenigen dinglichen Klagen, die ihrerJ i 2Natur5001. Buch. 8. Tit. §. 176. u. 177.Natur nach nicht gegen jeden Beſitzer angeſtellet werden koͤnnen, zu dieſen gehoͤrt z. B. die Publicianiſche Klage, die aus einem praͤtoriſchen oder praͤſumtiven Ei - genthum gegen den erhoben wird, welcher entweder mit gar keinem, oder doch geringern Rechte, als der Klaͤger, die Sache beſitzt. Ferner die hereditatis petitio, die nur gegen einen ſolchen Beſitzer der Erbſchaft angeſtellet werden kann, der ſolche pro herede oder pro poſſeſſore inne hat. Der dritte Fall kommt in denjenigen Gegen - den Teutſchlands vor, in welchen die Regel angenommen iſt: Hand muß Hand wahren, oder: wo man ſei - nen Glauben gelaſſen hat, da muß man ihn wie - der finden22)Eiſenhart Spruͤchwoͤrter pag. 319. folgg. Ernſt Chriſt. Weſtphals rechtliche Abhandlung derjenigen Faͤlle, in welchen der Eigenthuͤmer ſeine in eine dritte Hand gediehe - nen Sachen entweder gar nicht, oder nicht unentgeldlich ab - fordern kann. Halle 1787. §. 6 — 22.. Nach dieſer Regel kann derjenige, wel - cher durch einen Vertrag ſeine Sachen einem andern in Gewahrſam gegeben, ohnerachtet er ihm das Eigenthum dadurch nicht uͤberlaſſen hat, dennoch auf den Fall, daß dieſer gegen des Eigenthuͤmers Abſicht dieſelben an einen Dritten uͤberlaſſen und veraͤuſſert haben ſollte, dieſen drit - ten Mann nicht in Anſpruch nehmen, ſondern ſich nur an den halten, dem er getrauet hat. Sie iſt in dem alten Saͤchſiſchen, Luͤbiſchen, Hamburgiſchen, Bremiſchen, Coͤl - niſchen, Culmer, und mehreren ſtatutariſchen Rechten ge - gruͤndet, und gilt bey Verſetzungen, Verleihungen, Hin - terlegung der Sachen, gegebener Vollmacht, und in an - dern aͤhnlichen Faͤllen. Die neuern Rechte haben jedoch dieſe Regel auf mancherley Weiſe eingeſchraͤnkt23)Sam. Frider. willenberg Diſſertat. de abuſu canonis iuris Lubecenſis, Hand muß Hand wahren. Gedani 1707. Mich. Godofr. , undes501De diviſione rerum et qualitate. es kann daher heutiges Tages dieſelbe nicht weiter ge - braucht werden, als ſofern ſie Geſetze oder Herkommen noch wirklich beſtaͤtigen24)heineccius in Element. iuris Germ. Lib. II. Tit. XIII. §. 384 carpzovius in Iurisprud. For. P. II. Conſtit. XXVI. definit 5. mevius Commentar. in ius Lubecenſe P. III. Tit. II. Art. 2. pag. 587. ſqq. (Francof. et Lipſiae 1700. f.) .
b) In den meiſten Faͤllen wird die real Klage ge - gen den Beſitzer angeſtellt, allein in einem Fall, ſagt Juſtinian25)§. 2. I. de actionib. Sane uno caſu qui poſſidet, nihilo - minus actoris partes obtinet, ſicut in latioribus Digeſtorum libris oportunius apparebit. , kann doch auch derjenige, welcher im Be - ſitz iſt, actione in rem klagen. Worin dieſer einige Fall beſtehe, hat nun zwar Juſtinian nicht geſagt. Daher iſt uͤber dieſe Stelle viel geſtritten worden26)Vergl. doujat Diſſ. de uno caſu in §. 2. I. de act. hinter reiz Paraphr. Theophil. Tom. II. p. 1222. Sigm. Reich. jauch Diatr. I. et II. ad §. 2. I. de action Dresdae 1694. et 1697. 4. dorettus ad § 2 I de act Lignit. 1737. et Matth. saulling Diſſ. de interpretatione verborum in ſine §. 2. I. de actionib. praeſide Io. Nepom. endres Wirceburgi 1788.. Da indeſ - ſen Cheophilus in ſeiner Paraphraſe die Negatorien klage, womit der Eigenthuͤmer, der im Beſitz der na - tuͤrlichen Freyheit ſeines Grundſtuͤcks iſt, der von andern ſich angemaßten Servitut widerſpricht, als den unum ca -J i 3ſum23)Godofr. wernheri Epiſt gratulat. de utilitate regulae Ro - manae; ubi rem meam invenio, ibi vindico, et inutilitate ger - manicae: manus dans rem repoſcat a manu accipiente, Hand muß Hand wahren, in plurimis Germaniae foris. Erlangae 176[1]. 4. Steins Abhandlungen des Luͤbiſchen Rechts Th. 3. S. 118. 124. 136. 181. 183.5021. Buch. 8. Tit. §. 176. u. 177.ſum angiebt, ſo kann man es dabey allerdings bewenden laſſen27)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 1095..
II) Ein perſoͤnliches Recht hingegen gehet nur ge - gen diejenige Perſon, die mir entweder durch eine Hand - lung oder unmittelbar durch ein Geſetz zu einem beſtimm - ten Thun oder Geben verbindlich gemacht worden iſt. Es wirkt daher nur eine perſoͤnliche Klage, actio in per - ſonam, welche auf die Erfuͤllung einer beſtimmten obli - gatio gerichtet wird. Sehr oft geht dieſe obligatio auch darauf, daß ein ius in rem entweder aus ihr entſtehen, z. B. ein Servitutrecht dem Vertrage gemaͤß conſtituiret werden, oder das dingliche Recht von der perſona obli - gata auf den, welcher ſo lange nur ein ius in perſonam hat, uͤbergehen, z. B. das Eigenthum des vorigen Beſi - tzers auf den Kaͤufer uͤbertragen werden ſolle. Wenn nun gleich Perſonalklagen nicht gegen jeden Beſitzer angeſtellet werden koͤnnen, ſondern nur gegen die verpflich - tete Perſon gehen, ſo leidet doch auch dieſe Regel ihre Ausnahme. Es giebt naͤmlich Perſonalklagen, welche die beſondere Eigenſchaft haben, daß ſie gegen jeden Beſitzer angeſtellet werden koͤnnen. Sie werden actiones in rem ſcriptae genennt. Dahin gehoͤren z. B. actio quod me - tus cauſa, actio de pauperie, actio ad exhibendum. In dem Tit. de edendo (lib. II. Tit. 13.) §. 273. werde ich noch etwas mehreres hieruͤber ſagen. Hier merke ich nur noch
III) corollarii loco an, daß aus allen demjenigen, was von den Wirkungen des dinglichen und perſoͤnlichen Rechts bisher geſagt worden iſt, ſich ſoviel ergiebt, daß das dingliche Recht ein ſtaͤrkeres und dauerhafteres Recht, als das perſoͤnliche, ſey.
Die Frage, wie viel Gattungen des iuris in rem anzunehmen? iſt von jeher ſowohl bey aͤl - tern als neuern Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig gewe - ſen28)Die neueſten Schriften hieruͤber ſind Ferd. Aug. hommel Diſſertat. quinque iuris in re ſpecies, quas vulgo tradunt, nec ſemper tales eſſe, nec ſolas. Lipſine 1736. Wouter. Anton. van der ramhorst Diſſert. de ſpeciebus iuris in re. Lugduni Batavor. 1784. und Imman. Frid. rappolt Diſſert. de nume - ro ſpecierum iuris in re, et praeſertim an poſſeſſio illis ſit adnumeranda? praeſide Henr. Godofr. scheidemantel Stutt - gardiae 1786. defens. . Einige nehmen mit Born29)Diſſ. de iure in re actiones reales producente rec. Ienae 1756. 4. thomasius in Schol. ad Huberi Praelect. ad In - ſtitut. h. t. n. 12. Diet Herm kemmerich Progr. de do - minio, tanquam unica ſpecie iuris in re. Vitemb. 1724. nur eine an, naͤmlich das Eigenthum. Denn in den Geſetzen kommt vor dominium hereditatis30)§. fin I. de hered. qualitat. et different. L. 48. pr. D. de hered. inſtit. , dominium ſervitutum31)L. 15. §. 8. D. quod vi aut clam. , do - minium uſusfructus32)L. 3. D. Si uſusfr. petatur. L. 8. pr. D. de reb. auct. iudic. poſſid. Nov. 2. c. 4. Nov. 22. c. 45.. Allein dem ſey, wie ihm wolle, ſo wird doch das Wort Eigenthum in einer ſehr un - eigentlichen Bedeutung genommen werden muͤſſen. An - dere nehmen deren zwey an, naͤmlich Eigenthum und Pfandrecht. Die meiſten vier, Eigenthum, Pfandrecht, Servitut und Erbrecht. Herr geh. Rath Nettelbladt fuͤgt dieſen noch das Recht herrenloſe Sachen zuJ i 4occu -5041. Buch. 8. Tit. §. 178.occupiren hinzu, und nimmt ein ius in re nullius33)in Diſſ. de iure in re, quae eſt res nullius. Halae 1779. an. Viele ſetzen noch die Poſſeſſion oder eigentlich das Poſſeſſionsrecht hinzu. Noch andere dotem, emphyteuſin, ſuperficiem. Allein es laͤßt ſich, wie Heinrich Rellinghuſen34)in Diſſ. de legibus nonnullis Romanor. cap. 21. in Ger. oelrichs Theſ. novo Diſſertat. Belgicar. T. II. Vol. 2. pag 64. ſagt, ſchon a priori bewei - ſen, daß es nicht mehr als vier Hauptgattungen des iuris in re gebe. Naͤmlich die Sache, woran mir ein Recht zuſteht, iſt entweder meine eigene, oder eines andern. Iſt erſteres, ſo entſtehet daher das Eigenthum. Iſt letz - teres, ſo habe ich dieſes Recht entweder ſchon bey Lebzei - ten des Eigenthuͤmers, oder erſt nach deſſelben Tode35)Nam hereditas iacens repraeſentat defunctum. Man ſehe §. 169. S. 435. folg.. Im letztern Fall entſteht das Erbrecht. Im erſtern Fall hingegen habe ich entweder das Recht, die fremde Sache zu gebrauchen, oder die Sache haftet mir zur Sicherheit einer Forderung. Erſteres heißt Servitut, letzteres aber Pfandrecht. Hierauf laſſen ſich nun alle andere Arten des dinglichen Rechts reduciren, nur nicht das ius in re nullius, auch nicht das Poſſeſſions - recht36)Die neueſte und beſte Schrift hieruͤber iſt David de l’esdaul Specim. iurid. inaug. de poſſeſſione ſpeciebus iuris in re non adnumeranda. Lugduni Batavor. 1784. 4. Naͤchſtdem aber verdient noch bemerkt zu werden Gottlieb sturmii Diſſ. de poſſeſſione e iure in re et ad rem eliminanda; inter Diſſer - tationes Eius Ienenſes Vitembergae iunctim editas et recu - ſas Ima. . Denn erſteres iſt undenkbar, und mit dem Begriff und Wirkungen des iuris in re nicht zu verei - nigen, da es keinen beſtimmten Gegenſtand hat. Dasdaraus505De diviſione rerum et qualitate. daraus hergeleitete Ius occupandi aber iſt bald als ein bloßer Ausfluß der natuͤrlichen Freyheit anzuſehen, bald gehoͤrt ſolches zum Territorialeigenthum, bald zum Pri - vateigenthum oder zu andern entweder dinglichen z. B. Servituten, oder perſoͤnlichen Rechten eines Privat - manns, je nachdem es entweder ius occupandi commune, oder ius occupandi proprium publicum, oder ius occupandi proprium privatum iſt. Was hingegegen von dem Poſ - ſeſſionsrecht, oder, wie man ſich insgemein auszu - druͤcken pflegt, von der Poſſeſſion zu halten ſey, wird §. 181. lehren. Vorerſt etwas vom Beſitz uͤberhaupt, und den mancherley Arten und Rechten deſſelben37)Unter der großen Menge von Schriften uͤber die Lehre von der Poſſeſſion verdienen folgende vorzuͤgliche Empfeh - lung: Franciſc. ramos del manzano ad Tit. D. de acquiren - da vel amittenda poſſeſſione Recitationes Novantiquae apud meermannum in Theſ. iur. civ. et canon. T. VII. Ioſ. Fer - nandes de retes Praelect. academ. ad Tit. eundem Dig. in Theſ. Meermann. ibid. Eſſai ſur les principes du droit, tant ancien que moderne, en matiere de poſſeſſion. Par M. I. iupille. a Louvain 1780. und Angeli Iacobi cuperi Obſer - vationes ſelectae de natura poſſeſſionis. Lugduni Batavorum 1789. 4. Beilaͤuftig, jedoch gruͤndlich, handeln dieſe Materie ab: galvanus de uſufructu Cap. XXXIII. und Herr Prof. Weſtphal in dem Syſtem des roͤmiſchen Rechts uͤber die Arten der Sachen, Beſitz, Eigenthum und Verjaͤhrung 2. Theil S. 33. folgg..
Das Wort beſitzen, poſſidere, bedeutet eigentlich, und im grammatiſchen Sinn genommen, ſo viel als in ſeiner Gewalt haben. In dieſem urſpruͤnglichenJ i 5Ver -5061. Buch. 8. Tit. §. 179.Verſtande heißt alſo Beſitz, Poſſeſſio, die koͤrperliche De - tenzion einer Sache, das iſt, die koͤrperliche Handlung, vermoͤge welcher man eine Sache dergeſtalt in ſeiner Gewalt hat, daß man daruͤber ungehindert ſchalten und disponiren kann. Auch den roͤmiſchen Rechtsgelehrten iſt dieſe Bedeutung nicht unbekannt. Dies beweißt L. 1. pr. D. de acquir. vel amittenda poſſeſſ. Poſſeſſio appellata eſt, ut labeo ait, a ſedibus, quaſi poſitio: quia naturaliter tenetur ab eo, qui ei inſiſtit. Allein im eigentlichen iuriſtiſchen Sinne heißt Beſitz (poſſeſſio iuris civilis) die Detention einer koͤrperlichen Sa - che, verbunden mit der Abſicht, dieſelbe fuͤr ſich zu haben und zu behalten, jedoch verſchieden von der Proprietaͤt. In dieſer Bedeutung des Civilrechts ſagen unſere Geſetze, poſſeſſio ſey nicht blos corporis, ſondern auch animi38)L. 1. §. 15. D. Si is, qui teſtam. liber eſſe iuſſ. L. 3. §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. ; das iſt, die bloße Gewalt uͤber die Sache ſey zu einem ſolchen Beſitz allein nicht hinreichend, ſondern dazu gehoͤ - re auch der Wille, ſolche auszuuͤben, und die Abſicht, die Sache fuͤr ſich zu behalten. Daher kann ein unmuͤndig Kind ſo wenig als ein Sinnloſer fuͤr ſich allein einen eigentlichen Beſitz im Sinne des Civilrechts erlangen, licet maxime corpore ſuo rem contingant, wie Pau - lus39)L. 1. §. 3. D. eodem. ſagt, weil ihnen Bewuſtſeyn und Willen fehlt. Der Vormund oder Curator muß alſo dieſen Mangel vertreten. Es waͤre denn, daß der Pupill ſchon zu den Jahren gekommen, da er ſich ſinnliche Begriffe und Vor - ſtellung machen koͤnnte. (Si eius aetatis ſint, ut intellectum capiant) Unter dieſer Einſchraͤnkung nahm Paulus die Meinung des Ofilius und Nerva an. Auf ſolche Art unterſcheidet ſich nun der iuriſtiſche Begriff der Poſſeſſionvon507De diviſione rerum et qualitate. von jenem grammatiſchen ſehr deutlich, nach welchem der Beſitz, da ſolcher blos in phyſiſcher Detention be - ſtehet, nur allein corporis iſt, mithin nur einen Theil von der poſſeſſione iuris civilis ausmacht. Allein die Abſicht, und der Wille, die Sache zu haben, welcher, wie Paulus40)L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. ſagt, gleichſam dasjenige ergaͤnzt, was dem natuͤrlichen Beſitze, bey welchen nur die koͤrperliche Gewalt vorhanden iſt, noch fehlt, (quod deſit naturali poſſeſſioni, id animus implet) beſtimmt den Begriff der Poſſeſſion im Sinne des Civilrechts, und wird in den Geſetzen affectus poſſidendi, affectio tenendi, oder auch animi adfectus genennt41)L. 1. §. 3. L. 3. §. 3. L. 18. §. 3. L. 32. §. 2. L. 41. et L. 46. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 3. C. de acquir. et retin. poſſ. . Jedoch ſtelle man ſich unter dieſem animo poſſidendi nicht gerade, wie Ramos del Manzano glaubt42)in den angef. Recitat. ad Tit. D. de A. vel A. P. Part. I. §. 11 — 16., einen adfectum domini vor, das heißt, eine ſolche Abſicht, daß man die Sache als Eigen - thuͤmer haben und behalten wolle. Nein, vielmehr ſagt Ulpian43)L. 12. §. 1. D. eodem. : nihil commune habet proprietas cum poſſeſſio - ne, und die Geſetze44)L. 13. §. 1. D. de Public. in rem Actione, L. 22. §. 1. D. de Noxal. Action. geben uns ſelbſt genug Beyſpiele von Beſitzern, qui, licet iuſte poſſideant, non tamen opinione domini poſſident, z. B. Pfandglaͤubiger. Gal - vanus45)de Uſufructu cap. 33. n. III. pag. 429. ſqq. hat dies mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen, daß zum Beſitz kein Eigenthum, auch nicht einmal die Abſicht, Eigenthuͤmer zu ſeyn, erfordert werde, wenngleich5081. Buch. 8. Tit. §. 179.gleich Harmenopulus und die griechiſchen Scholiaſten die Stelle des Paulus in der L. 3. §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. adipiſcimur poſſeſſionem corpore et ani - mo irrig von einem animo ſive affectu domini verſtan - den haben. Zwar ſagt Paulus an einem andern Ort46)L. 78. D. de Verbor. Significat. Interdum proprietatem quoque verbum poſſeſſionis ſignificat: ſicut in eo, qui poſſeſ - ſiones ſuas legaſſet, reſponſum eſt. , daß zuweilen das Wort poſſeſſio auch eine Proprietaͤt, ein Eigenthum anzeige, allein das geſchiehet nur abuſive bey privat und letzten Willensverordnungen, bey denen, wie Marcellus47)L. 69. §. 1. D. de legat III Non enim in cauſa teſta - mentorum ad definitionem utique deſcendendum eſt, cum ple - rumque abuſive loquantur, nec propriis nominibus ac vocabu - lis ſemper utantur. ſagt, nicht immer die gelehrten wiſſen - ſchaftlichen Wortbedeutungen zum Grunde zu legen ſind, weil die Erfahrung lehrt, daß die Teſtirer zuweilen ſtatt der eigentlichen Benennungen und Worte ungewoͤhnliche Ausdruͤcke und Bedeutungen gebrauchen. Wie ſorgfaͤltig aber die roͤmiſchen Juriſten die detentionem cum ammo ſibi habendi coniunctam von der Proprietaͤt unterſchie - den haben, ſiehet man unter andern noch beſonders aus einer Stelle des Javolenus L. 115. D. de Verbor. Significat. wo es heißt: Poſſeſſio ab agro iuris proprieta - te differt. Quidquid enim adprehendimus, cuius proprietas ad nos non pertinet, aut nec poteſt pertinere, hoc pos - sessionem appellamus48)Wie nach und nach der Beſitz von der Proprietaͤt und an - dern Rechten unterſchieden worden; und was inſonderheit die Urſache geweſen, weswegen die Rechtsgelehrten ſo ſorgfaͤlti. ge Beſtimmungen uͤber den Beſitz allein machten, hat cupe - rus in den angef. Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis Part. I. Cap. I. ſehr gelehrt und vortreflich ausgefuͤhrt.. So waͤre alſo nun der obengege -509De diviſione rerum et qualitate. gegebene juriſtiſche Begriff von Beſitz auſſer allem Zwei - fel, und ich bemerke nur noch, daß die roͤmiſchen Juri - ſten die Poſſeſſion als eine rem facti betrachten49)L. 1. §. 3. et 4. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 19. D. ex quib. cauſ. maior. , weil die Detention ſowohl, als auch die damit verbundene Ab - ſicht, die Sache fuͤr ſich zu behalten, beyde factiſch ſind. Daher irren Merenda50)Ant. merenda Controv. iuris lib. II. cap. 18. ſqq. et lib. XII. cap. 29. und Bachov51)bachovius ad Treutlerum Vol. II. Diſp. 21. Theſ. 1. litt. E. , wenn ſie den Beſitz als ein Recht anſehen, denn wenn gleich nachher in Anſehung der Wirkungen, welche die Geſetze dem Beſitze beylegen, aus dem Rechte etwas hinzukommt, und daher in dieſer Ruͤckſicht vom Papinian ſelbſt geſagt wird, daß die poſſeſſio nicht allein corporis ſondern auch iuris ſey52)L. 49. §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. ; ſo iſt dieſes doch dem Beſitz an und fuͤr ſich nicht eigen, ſondern es wird nur gleichſam aus dem Rechte entlehnt, wie Papinian ſelbſt dabey anmerkt53)L. 49. princ. D. eod. , und de retes54)in Praelect. ad Tit. D. de acq. vel amitt. poſſeſſ. P. I. cap. 2. §. 1. 2. 3. und cuperus55)Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis P. I. Cap. 5. ſehr gelehrt erlaͤutert haben. Ich wer - de hiervon bey §. 181. noch ausfuͤhrlicher handeln. Uebri - gens unterſcheide man vom Beſitze ſelbſt das Recht zu beſitzen, (ius habendi rei alicuius poſſeſſionem) denn dies kann man haben, wenn man auch noch nicht im Beſitz iſt, oder wenn man aus ſeinem Beſitz vertrieben worden iſt56)L. 17. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. . Es iſt ein Theil oder natuͤrliche Folge der meiſten dinglichen Rechte. Auch iſt das Recht desBe -5101. Buch. 8. Tit. §. 180.Beſitzers an der innehabenden Sache von dem Beſitz wohl zu unterſcheiden. Hierher gehoͤrt die Stelle des Venulejus lib. I. Interdictorum57)L. 52. pr. D. eodem. : Permisceri cauſas poſſeſſionis et uſusfructus non oportet: quem - admodum nec poſſeſſio et proprietas miſceri debent. Namque (i. e. Nam neque) impediri poſſeſſionem, ſi alius fruatur: neque alterius fructum computari, ſi alter poſſideat. Recht und Beſitz iſt alſo immer zweyer - ley. Daher iſt es nichts widerſprechendes, daß dem ei - nem der Beſitz, der Nießbrauch, oder Eigenthum aber ei - nem andern zuſtehet. Eben dies beſtaͤrkt auch Ulpian lib. 76. ad Edictum*)L. 17. §. 1. D. de acq. vel amitt. poſſ. : Differentia inter dominium et poſſeſſionem haec eſt, quod dominium nihilominus eius manet, qui dominus eſſe non vult; poſſeſſio au - tem recedit, ut quisque conſtituit nolle poſſidere.
Der Beſitz wird nun in unſern Geſetzen in den na - tuͤrlichen und buͤrgerlichen (poſſeſſio naturalis et civilis) eingetheilt. Eine Eintheilung, die zwar von den wichtigſten Folgen iſt, bey deren Erklaͤrung aber doch die Ideen der Rechtsausleger ſo abweichend von einander ſind, daß dieſe Lehre eine der ſchwerſten und ſubtilſten in dem Syſtem unſers Civilrechts iſt. Wir wollen zu - foͤrderſt nur einige unſerer vorzuͤglichſten Civiliſten hieruͤ - ber hoͤren. Einige58)Nettelbladt in Syſtem. element. iurisprud. poſitiv, Germ. commun. §. 508. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 282. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts IV. Th. S. 254. ſehen bey Beſtimmung des Unter -ſchieds511De diviſione rerum et qualitate. ſchiedes zwiſchen natuͤrlichen und buͤrgerlichen Be - ſitz blos auf die Abſicht des Beſitzers, und verſtehen un - ter dem letztern einen ſolchen Beſitz, bey welchem man die Abſicht hat, die Sache als die ſeinige zu beſitzen; unter dem erſtern aber denjenigen, bey welchem dieſe Ab - ſicht nicht ſtatt findet. Nach dieſer Vorſtellungsart wird auch einem unredlichen Beſitzer, der keinen hinlaͤngli - chen Rechtstitel fuͤr ſich hat, ein Civilbeſitz eingeraͤumt. Andere59)cujacius lib. IX. Obſervat. cap. 33. Lib. XVIII. cap. 24. lib. XXVII. c. 7 bachovius ad Treutlerum Vol. II. Diſp 21. Th. 1. litt. F. merenda in Controv. iur. civ. lib. XII. c. 15. ramos del manzano in cit. Recitat ad Tit. D. de acquir. vel amitt poſſeſſ P. I. §. 17. galvanus de Uſufructu Cap. XXXIII. n. X. ſq. pag 475. ſqq. vinnius in ſelect. iu - ris Quaeſtionib. lib. II. cap. 36. hofacker in Princip. iur. civ. Tom. II. §. 759. et 760. u. a. m. hingegen ſchreiben dem letztern blos einen na - tuͤrlichen Beſitz zu. Dieſe nennen einen Civilbeſitz nur denjenigen, welcher eine Uſucapion wirken kann, und mit der gerechten Meinung, daß man Eigenthuͤmer der Sa - che ſey, verbunden iſt. Einen natuͤrlichen Beſitz hingegen denjenigen, quae caret iuſto affectu aut iure do - minii. Nach dieſer Erklaͤrung wird alſo zweyerley zu ei - nem Civilbeſitz erfordert.
I) Daß der Beſitzer die Abſicht habe, die Sache als die ſeinige, oder, welches einerley iſt, als Eigen - thuͤmer zu behalten; (ut habeat animum et affectum domini in re poſſeſſa).
II) Daß dieſe Abſicht von den Geſetzen gebilliget ſey; (ut animus ille dominii ſit iuſtus) welches aus dem Rechtstitel und der bona fide des Beſitzers zu beurthei - len iſt. Der Beſitzer muß demnach a) einen Rechtstitel fuͤr ſich haben, wodurch man ſonſt ein Eigenthum zu er -lan -5121. Buch. 8. Tit. §. 180.erlangen pflegt (cauſam acquirendi ſ. poſſidendi)60)L. 3. §. 21. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. . Die - ſem Rechtstitel muß aber noch b) die bona fides des Be - ſitzers beytreten, welche in einer iuſta oder probabili opi - nione dominii ad ſe translati beſtehet. Einen ſolchen Civilbeſitz haͤtte alſo nur der wahre Eigenthuͤmer, und derjenige Nichteigenthuͤmer, welcher bonae fidei poſſeſ - ſeſſor iſt, d. i. welcher zwar eine fremde Sache beſitzt, allein ſie aus gerechter Urſach als ſein Eigenthum anſie - het, und ſo lange anſehen kann, als kein anderer die Sa - che in Anſpruch genommen hat. Dieſe Vorſtellungsart gruͤndet ſich hauptſaͤchlich auf die L. 10. Cod. de acquir. et retinenda poſſeſſ in welcher der Kr. Conſtantin an einen gewiſſen Maternus folgendergeſtalt reſcribirt: Nemo ambigit, poſſeſſionis duplicem eſſe rationem, aliam, quae iure conſiſtit, aliam, quae corpore. Utramque autem ita demum eſſe legitimam, cum omnium adverſario - rum ſilentio et taciturnitate firmatur. Interpellatione vero et controverſia progreſſa, non poſſe eum intelligi poſſeſſorem, qui licet (poſſeſſionem) corpore teneat; tamen ex interpoſita conteſtatione ſuper iure poſſeſſionis vacillet ac dubitet. Man beziehet dieſes Geſetz nicht, wie gewoͤhnlich, auf die Ein - theilung der Poſſeßion in civilem und naturalem, ſon - dern verſteht ſolches von den angefuͤhrten beyden Haupt - fundamenten eines zur Verjaͤhrung erforderlichen Civil - beſitzes, naͤmlich der koͤrperlichen Detention, und der gerechten Meinung des Beſitzers, daß er Eigenthuͤmer ſey, welche aus dem iuſto titulo cum bona fide coniuncto entſteht. Von dieſen Attributen werde daher der Civilbeſitz eine poſſeſſio legitima genennet, quae iure conſiſtit61)S. galvanus a. a. O. pag. 478. u. 479. Add. meril - lius Obſervation. lib. II. cap. 32.. Einen blos natuͤrlichen Be -ſitz513De diviſione rerum et qualitate. ſitz haben hingegen nach dieſer Lehrart a) diejenigen, bey welchen, wenn ſie gleich die Sache rechtmaͤſig beſitzen, doch der animus oder affectus dominii fehlt. Dahin gehoͤren Paͤchter, Miethsleute, Entlehner, Depoſitare, Nutznieſer, auch Pfandglaͤubiger u. ſo m.62)L. 7. §. 11. D. commun. dividundo, L. 2. §. 1. D. pro herede L. 12. pr. L. 49. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 3 §. fin. D. ad exhibend. In allen dieſen Geſetzen wer - den ausdruͤcklich die genannten Beſitzer nur naturales poſſeſſo - res genennt. b) Be - ſitzen auch diejenigen nur naturaliter, welche zwar ani - mum dominii haben, bey denen aber doch dieſe Abſicht von den Geſetzen nicht gebilliget, und daher ohne rechtli - che Wirkung iſt; ſie moͤgen nun dieſen Beſitz entweder mit Willen des Eigenthuͤmers, allein nicht ex cauſa iuſta erhalten haben, wie z. B. ein Sohn die ihm vom Vater, und eine Ehefrau die ihr vom Manne geſchenkte Sachen63)L. 2. §. 2. D. pro hered. L. 93. D. de Reg. Iur. L. 1. §. 9. et 10. D. de vi et vi armata. L. 26. D. de donat. inter vir. et uxor. ; oder wieder Willen des Eigenthuͤmers, wie malae fidei poſſeſſores, welche animo dominii iniuſto eine Sache beſitzen64)L. 1. §. 25. D. de vi et vi armata. L. 1. D. uti poſſid. .
Lycklama van Nyholt65)Membranar. Lib. VII. Eclog. 25. glaubt, die poſſeſſio naturalis ſey die Detenzion der Sache ſelbſt, man moͤge ſie in der Abſicht eines Eigenthuͤmers, oder eines Uſu - fructuars, oder eines Emphytevten, oder in was fuͤr einer andern Abſicht beſitzen. Allein die civilis poſſeſſio beſtehe in dem Rechte zu beſitzen, welches dem Eigenthuͤmer, dem bonae fidei poſſeſſor, dem Uſufructuar und jedemandernGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. K k5141. Buch. 8. Tit. §. 180.andern rechtmaͤſigen Beſitzer, vermoͤge ſeines an der Sa - che habenden Rechts, zuſteht. Erſtere beſtehe alſo in fa - cto66)L. 1. in princ. L. 3. §. 5. 6. 7. et 8. L. 4. L. 6. L. 16. L. 28. 29. 30. L. 36. D. de acquir. vel amitt. poſſ. L. 40. D. de pign. act. , die letztere in iure67)L. 44. D. de acq. poſſ. L. 31. §. fin. D. de act. emti. L. 10. C. de acquir. poſſeſſ. L. 5. in fine D. de lib. cauſ. L. 7. C. ad L. Iul. de vi publ. .
Die Meinungen des Duaren’s68)Diſputat. Anniverſar. Lib. I. cap. 18., Donell’s69)Commentar. iuris civ. Lib V. cap. 7., Voers70)Commentar. ad Pandect. T. II. Lib. XLI. Tit. II. §. 3., van Greve71)Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora. Exc. XXIV. §. 8., und Weſtphals72)in dem oben angefuͤhrten Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen 2. Th. 2. Kap. §. 52. ff. ſtim - men bis auf Dauren, der unter einem Civilbeſitz nur diejenige Poſſeßion verſtehen will, quae ſolo animo retinetur, darinn uͤberein, daß blos ein rechtmaͤſiger Be - ſitz, welchen man ex iuſta dominii acquirendi cauſa erhalten, ein Civilbeſitz zu nennen ſey.
Ganz abweichend von dieſer gewoͤhnlichen Vorſtel - lung iſt die Theorie des H. Cuper’s73)Select. Obſervat. de natura Poſſ. Cap. III. Dieſer bemerkt zufoͤrderſt, daß die roͤmiſchen Rechtsgelehrten alles na - tuͤrlich zu nennen pflegten, was von Natur iſt, und mit derſelben uͤbereinſtimmt, oder was nach dem gemei - nen Sprachgebrauche, in ſo fern derſelbe dem juriſtiſchen entgegen geſetzt iſt, dieſe oder jene Benennung hat; buͤrgerlich hingegen dasjenige, was vom Civilrecht her - ruͤhrt, und mit demſelben uͤbereinſtimmt, oder in demRechte515De diviſione rerum et qualitate. Rechte einen eigenen Sinn hat74)L. 49. D. de Verbor. Significat. Conf. brissonius de Verbor. Significat. voc. Naturalis et voc. Civilis. . Nach dieſem Begrif - fen waͤre alſo natuͤrlicher Beſitz die koͤrperliche Detention einer Sache ſelbſt, denn dieß heiße eigentlich Beſitz nach dem gemeinen Sprachgebrauche: Civilbeſitz hinge - gen die koͤrperliche Detention einer Sache, welche mit der Abſicht, dieſelbe fuͤr ſich zu behalten, verbunden, jedoch von der Proprietaͤt verſchieden iſt. Denn dieß heiße Poſſeßion nach dem juriſtiſchen Sprachgebrauche. In dieſer Bedeutung habe auch Paulus die Benennung naturalis poſſeſſio in mehrern Stellen genommen75)L. 1. pr. et §. 1. L 3. §. 3 D. de A. vel A. P. In der erſtern Stelle ſagt Paulus ganz ausdruͤcklich: naturali - ter poſſeſſio tenetur ab eo, qui ei inſiſtit. ; und in eben dieſem Sinne werde von denjenigen, welche auf den Namen eines andern beſitzen, z. B. von Nutznieſern, Paͤchtern und Depoſitaren, in unſern Geſetzen geſagt, quod naturaliter poſſideant76)L. 12. pr. L. 49. pr. D. eodem. L. 7. §. 11. D. de comm. divid. . So ſey endlich auch Venulejus zu verſtehen, wenn er ſagt, daß ein Pupill auch ohne Auctoritaͤt des Vormundes einen natuͤrlichen Beſitz erwerben koͤnne77)L. ult. §. 1. D. de Precario. . In allen dieſen Stellen ſey poſſeſſio naturalis nichts anders als nuda rei detentio corporalis, und werde der Poſſeßion im juriſti - ſchen Verſtande entgegen geſetzt, welche mit einem affectu poſſidendi verbunden iſt. Es verſtand ſich von ſelbſt, daß natuͤrlicher Beſitz auch die phyſiſche Deten - tion der Sache ſelbſt genannt werden mußte, in ſo fern ſie einen Theil der Poſſeßion im juriſtiſchen Verſtande ausmacht, quae cum animo poſſidendi coniuncta eſt. K k 2Dieß5161. Buch. 8. Tit. §. 180.Dieß beſtaͤtige Paulus78)L. 3. §. 13. D. de A. vel A. P. , wenn er ſchreibt: Res mobi - les, excepto homine79)Die Worte excepto homine zielen auf Sclaven, welche da - von laufen. Von dieſen verbleibt der Beſitz dem Herrn den - noch. Der Grund der Ausnahme mag ſeyn, weil ein Sclave den Beſitz von keiner Sache dem Herrn durch Diebſtahl ent - ziehen kann. L. 15. D. de A. v. A. P. Aus dieſem Grunde ſchloß man, daß er auch den Beſitz von ſich ſelbſt dem Herrn durch die Flucht nicht entwenden koͤnne. Man betrachtete die Flucht des Sclaven gleichſam als ein furtum fui ipſius. L. 60. D. de furtis. L. 12. Cod. eod. L. 1. Cod. de Serv. Fu - gitiv. Conf. finestres in Hermogeniani iuris Epitomar. lib. V. pag. 856. ſqq. , quatenus ſub caſtodia noſtra ſint, hactenus poſſideri, id eſt, quatenus, ſi velimus, naturalem poſſeſſionem nanciſci poſſimus: d. i. bewegliche Sachen be - ſitze man ſo lange auch civiliter, als man ſie phyſiſch (naturaliter) inne hat. Eben ſo Javolenus80)L. 23. pr. D. eodem. . Cum heredes inſtituti ſumus, poſſeſſio, niſi natur aliter comprehenſa, ad nos non pertinet: und endlich Marcian81)L. 11. D. de Acquir. Rer. Domin. Aus den nachfolgenden Worten dieſer Geſetzſtelle: ut sabinianis viſum eſt; quae ſententia vera eſt, laͤßt ſich ſchließen, daß hieruͤber unter den roͤmiſchen Rechtsgelehrten geſtritten worden ſey. Es ſcheint auch Ulpian in L. 29. D. de Acq. vel Amitt. poſſeſſ. ganz anderer Meinung zu ſeyn. Denn dieſer ſtellt den Satz auf: Poſſeſſionem pupillum ſine tutoris auctoritate amittere poſſe: non ut animo, ſed ut corpore deſinat poſſidere Quod eſt enim facti, poteſt amittere. Ueber die Vereinigung dieſer beyden Stellen iſt viel geſchrieben worden. Man ſehe Cujaz in Comment. ad L 29. D. cit. (T. VIII. Oper.) lopez de madera in Animadverſion. iur. civ. cap. 27. Hieron de oroz de Apicib. iur. Civ. lib. IV. cap. V. §. 12. et 14. et Cap. XI. §. 6. merenda Controv, Iuris Lib. XII. Cap. 14. 25. et: Alienarepupillus517De diviſione rerum et qualitate. pupillus nullam rem poteſt, niſi praeſente tutore auctore, et ne quidem poſſeſſionem, quae eſt naturalis. Waͤre man bey dieſen aus der Natur des Beſitzes entlehnten Begrif - fen ſtehen geblieben, ſo waͤre der Unterſchied zwiſchen ci - vilis und naturalis poſſeſſio gar keinen Schwierigkeiten unterworfen. Allein nach und nach wurde dem Beſitz, der ſeiner Natur nach blos factiſch iſt, durch die buͤr - gerlichen Geſetze vieles Rechtliche beygemiſcht82)L. 49. pr. D. de A. v. A. Poſſ. . Nun wurde der Begrif der poſſeſſionis civilis theils abgeaͤndert, theils erweitert; denn auf der einen Seite war es nicht genug zum buͤrgerlichen Beſitz, daß man die Abſicht habe, die Sache fuͤr ſich zu behaltem, ſondern es durfte auch dieſe Abſicht, und uͤberhaupt der ganze Beſitz von dem Rechte nicht verworfen ſeyn, und auf der andern Seite war ſeitdem nicht nothwendig, die Sache phyſiſch zu befitzen, oder den affectum poſſi - dendi zu haben, ſondern ſchon hinreichend, daß vermoͤge des Rechts fingirt, oder angenommen werden konnte, man habe die Sache in ſeiner Gewalt, oder die Abſicht, die Sache zu beſitzen. Hieraus erhellet, daß poſſeſſio civilis in den Geſetzen nicht blos eine ſolche Detention be - deutet, die mit der Abſicht, die Sache fuͤr ſich zu behalten, verbunden iſt, ſondern vielmehr diejenige zu nennen ſey,K k 3welche81)25. et 29. galvanus de Uſufructu Cap. XXXIII. §. 14. Sollte einige Vereinigung ſtatt finden koͤnnen, ſo ſcheint mir die Meinung des Herrn Prof. Weſtphals im Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. §. 199. die natuͤrlichſte zu ſeyn, daß L. 11. von der Aufgebung des Beſitzes, die freylich von dem Pupillen allein, ohne Einwil - ligung des Vormunds, nicht guͤltig geſchehen kann, L. 29. aber von der Entſetzung oder einem ſolchen Verluſt des Beſitzes, welcher ohne unſern Willen, wegen eintretender aͤuſſern Um - ſtaͤnde verurſacht wird, zu verſtehen ſey.5181. Buch. 8. Tit. §. 180.welche die Geſetze ſelbſt fuͤr eine ſolche De - tention erklaͤren (quae in Iure talis, ſc. detentio, eſſe ſtatuatur.) So ſagen z. B. die Geſetze, ein Sclave koͤnne civiliter oder nach dem Civilrecht nicht beſi - tzen83)L. 38. § 7. et 8. D. de Verb. Obligat. und L. 24. D. de Acq. vel. Amitt. Poſſeſſ. , auch beſitze eine Ehefrau nach dem Civil - recht die ihr von ihrem Ehemanne geſchenkte Sache nicht84)L. 26. princ. D. de donat inter. Vir. et Vx. . Dahingegen beſitze ein Herr auch ohne ſein Wiſſen dasjenige civiliter, was der Sclave in Ruͤckſicht des ihm von jenem verwilligten Peculium erworben hat85)L. 1. §. 5. L. 3. §. 12. et L. 44. §. 1. D. de A. v. A. P. . Eben ſo werde nun auch natuͤrlicher Beſitz derjeni - ge genennt, welchen die Geſetze affectum ſibi habendi gleichſam entziehen, und einer bloſen Detention gleich achten, wenn auch gleich der Beſitzer wirklich die Abſicht, die Sache als die ſeinige zu behalten, haben ſollte. Eine ſolche phyſiſche Detention fingiren aber die Geſetze, wenn ſie z. B. eine Perſon fuͤr unfaͤhig erklaͤren, etwas eigenes zu erwerben, und fuͤr ſich zu haben, wie z. E. Sclaven und ehemals auch filiosfamilias, bey denen die Abſicht, die im Beſitz habende Sache fuͤr ſich zu behalten, in keine rechtliche Betrachtung kam, und bey welchen daher die Geſetze nur einen natuͤrlichen Beſitz annehmen86)L. 10. §. 1. et. 2 D. de Acq. rer. Dom. L. 79. D. de acquir. vel omitt. beredit. . Die Meinung des Cupers gehet nun alſo, um ſie mit ſeinen eigenen Worten anzufuͤhren, kuͤrzlich dahin: Naturalem poſſeſſionem ſemper quidem notare corporalem rei deten - tionem, ſed triplici tamen modo in hunc ſenſum adhi - beri. Nam ſi de Poſſeſſione Civili ſermo ſit, dici na - turalem possessionem ipſam rei detentionem, quate -nus519De diviſione rerum et qualitate. nus partem conſtituit civilis: ſi vero univerſe agatur de definiendo genere poſſidendi, eandem appellari, quae vel re vera ſola conſiſtit detentione corporali, vel ea ſola conſiſtere quacumque de cauſa in Iure cenſetur. Deni - que civilem ſemper vocari eam, quae in Iure ſta - tuitur eſſe detentio cum animo ſibi habendi coniuncta. Bey dieſer ſo verſchiedenen Bedeutung des natuͤrlichen Beſitzes muͤſſe alſo jederzeit aus dem Zuſammenhan - ge der einzelnen Geſetzſtellen beurtheilet werden, in wel - chem Sinne dieſe Benennung zu nehmen ſey. Die Stel - len, in welchen die erſte und andere Bedeutung von na - turalis poſſeſſio vorkommt, ſind ſchon vorhin angefuͤhret worden. Es iſt alſo nur noch uͤbrig, diejenigen Geſetz - ſtellen hinzuzufuͤgen, in welchen naturalis poſſeſſio in der dritten Bedeutung d. i. fuͤr eine ſolche Poſſeſſion genom - men wird, bey welcher, vermoͤge der Geſetze, blos phyſi - ſche Detention fingiret wird. Dieſe Bedeutung komme im folgenden Fragment des Ulpians87)L. 38. §. 7. D. de Verb. Oblig. vor: Stipula - tionem, possidere mihi licere, ſpondes? an ſervus poſſit utiliter in ſuam perſonam concipere, videamus. Sed quamvis civili iure ſervus non poſſideat, tamen ad possessionem naturalem hoc referendum eſt: et ideo dubitari non oportet, quin et ſervus recte itaſtipuletur. Eben ſo werde Poſſeſſio Naturalis beym Javolen88)L. 24. D. de A. v. A. P. genom - men, welcher auch von Sclaven ſagt: Peculium, quod ſervus civiliter quidem poſſidere non poſſet, ſed natu - raliter tenet, dominus creditur poſſidere. In eben dem Sinne nehme ferner Julian die Naturalis Poſſeſ - ſio, wenn er ſchreibt89)L. 2. §. 2. D. pro berede Conf. cujacius in Comment. ad iſtum Tit. D. Tom. I. Operum. : Filium quoque donatam rem apatre5201. Buch. 8. Tit. §. 180.patre pro herede negavit uſucapere servivs, ſcilicet qui exi - ſtimabat, naturalem possessionem penes eum fuiſſe vivo patre. Denn wenn auch der filiusfamilias, ſo wie in den vorhergehenden Geſetzen der Sclave, den ani - mum ſibi tenendi in der That gehabt haͤtte, ſo konnten doch die Geſetze dieſem animo die rechtlichen Wirkungen nicht beylegen, quia filiusfamilias neque retinere, neque re - cuperare, neque adipiſci poſſeſſionem rei peculiaris videtur, wie Maͤcian ſagt90)L. 93. D. de Reg. Iuris. . Endlich duͤrfe auch Poſſeſſio Na - turalis in folgender Stelle des Ulpians91)L. 1. §. 9. et 10. D. de vi et vi armata. nicht anders verſtanden werden, wenn dieſer ſagt: Deiicitur is, qui poſſidet, ſive civiliter ſive naturaliter poſſideat; nam et naturalis possessio ad hoc Interdictum perti - net. — Denique et ſi (id eſt certe et ſane92)In dieſer Bedeutung wird das Adverbium Denique in meh - rern Stellen unſerer Geſetze genommen, wie B. brissonius de Verbor. Signific. h. v. nach der Heinecciſchen Ausgabe be - weißt. maritus uxo - ri donavit, eaque deiecta ſit, poterit Interdicto uti: non ta - men, ſi colonus. Ulpian handelt in dieſer Stelle von dem Interdicto de vi quotidiana, wie Cujaz93)ad Pauli Sentent. Recept. Lib. V. Tit. VI. §. 4. nor. 25. apud schulting in Iurisprud. Antejuſt. pag. 456. Cujaz hat daſelbſt den zum richtigen Verſtande der Geſetze ſo wich - tigen Unterſchied zwiſchen dem Interdicto de vi quotidiana und dem Interdicto de vi armata vortreflich auseinander geſetzt. ge - zeigt hat. Zu dieſem Interdict wird aber niemand ad - mittirt, qui non ſibi poſſideat, ſed alteri94)Conf. cicero pro Caecinna Cap. 31. et 32. et cujacius loc. laud. . Daher kann ein Paͤchter ſich des Interdicts nicht bedienen. Wohl aber eine Ehefrau, wenn ſie aus dem Beſitze einerihr521De diviſione rerum et qualitate. ihr von ihrem Ehemanne geſchenkten Sache iſt geſetzt worden. Zwar hat die letztere auch nur einen natuͤr - lichen Beſitz. Aber ſie beſitzt doch die ihr geſchenkte Sache wenigſtens als die ihrige, wenn gleich das Recht dieſen animum poſſidendi nicht anerkennt, ſondern ver - wirft. Allein ein Paͤchter beſitzt die gepachtete Sache blos auf dem Namen ſeines Verpaͤchters. Der Juriſt wollte alſo ſo viel ſagen: Ea quidem poſſeſſio ad hoc Interdictum pertinet, in qua Ius animum poſſiden - di non curat, quam Ius infirmat, atque idcirco Na - turalem vocat: ſed non ea, quae re vera corpore ſolo conſtat, et alteri tenetur, licet et haec alibi Naturalis Poſſeſſio vocetur95)cuperus pag. 32.. Nun werden auch noch verſchiedene Geſetzſtellen angefuͤhrt, in welchen die Na - turalis Poſſeſſio in ſo generellem Verſtande von den roͤm. Rechtsgelehrten genommen wird, daß darunter ſowohl derjenige Beſitz, der wirklich nur in einer blos phyſi - ſchen Detention der Sache beſtehet, als bey welchem, vermoͤge der Geſetze, blos phyſiſche Detention fingiret wird, verſtanden werden kann. Dahin gehoͤrt erſtlich das Fragment des Ulpians96)L. 3. §. ult. L. 4. D. ad exhibendum. , welcher von der actione ad exhibendum ſagt: Sciendum eſt, adverſus poſſeſſo - rem hac actione agendum, non ſolum eum, qui civili - ter, ſed et eum, qui naturaliter incumbat poſſeſſio - ni. Dann zweytens das Fragment des Julians97)L. 2. §. 1. et 2. D. pro herede. Conf. Weſtphal Sy - ſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen §. 534. S. 417.: Quod vulgo reſpondetur, cauſam poſſeſſionis ne - minem ſibi mutare poſſe, ſic accipiendum eſt, ut poſſeſſio non ſolum civilis, ſed etiam naturalisintelli -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. L l5221. Buch. 8. Tit. §. 180.intelligatur. Et propterea reſponſum eſt, neque colonum, neque eum, apud quem res depoſita, vel cui commodata eſt, lucri faciendi cauſa pro herede uſucapere poſſe. Filium quoque donatam rem a patre pro herede negavit uſucapere servius: ſcilicet qui exiſtimabat naturalem poſſeſſionem penes eum fuiſſe, vivo patre. Die Beyſpiele, die hier der Rechts - gelehrte zur Erlaͤuterung der Regel giebt, daß Nie - mand ſich die Art ſeines Beſitzes zu eines an - dern Nachtheil aͤndern, mithin, weder einen blos natuͤrlichen Beſitz in einen buͤrgerlichen verwandeln, noch einen andern Rechtstitel, als mit welchem er bisher die Sache beſeſſen, fuͤr ſich einſeitig annehmen koͤnne, geben deutlich zu erkennen, daß Poſſeſſio Naturalis hier in jener allgemeinen Bedeutung genommen werde. Uebri - gens wender Cuper gegen die gewoͤhnliche Idee, nach welcher unter Poſſeſſio Civilis nur ein ſolcher Beſitz ver - ſtanden werden will, der zur Uſucapion genuͤgt, und auf einem rechtmaͤſigen Titel gegruͤndet iſt, hauptſaͤchlich dreyerley ein.
I) Daß die L. 10. C. de acquir. et retin. poſſeſſ. welche insgemein zu Unterſtuͤtzung jener Meynung ange - fuͤhrt zu werden pflegt, nicht von den Attributen der Poſſeſſion, ſondern vielmehr von den verſchiedenen Ge - genſtaͤnden des Beſitzes, die freylich koͤrperlich und unkoͤrperlich ſeyn koͤnnen, zu verſtehen ſey. Der Sinn des Geſetzes ſey naͤmlich dieſer: Duplex eſt ratio poſ - ſeſſionis, alia quae inbaeret in Iure, alia quae in Cor - pore98)Daß die Worte Ius und Corpus von der Materie oder den Gegenſtaͤnden des Beſitzes auch in andern Geſetzen gebraucht werden, iſt aus L. 2. §. 3. D. de Precar. und L. 3. §. 1. D. de Bon. Poſſ. zu erſehen. Auch kommt die Redensart conſi -ſtere, ſive, alia, quae verſatur circa Ius, alia, quaecirca523De diviſione rerum et qualitate. circa Corpus: utraque autem ita demum eſt legitima, cum omnium adverſariorum ſilentio et taciturnitate (per decem aut viginti annos) firmatur99)Der Erklaͤrung dieſer L. 10. C. de acquir. et ret. paſſ. hat Cuper das vierte Kapitel ſeiner vortreflichen Abhandlung gewidmet..
II. Daß zu der Beſtimmung eines Civilbeſitzes kei - nesweges erfordert werde, ut ſit iuſta poſſeſſio. Auch ein fehlerhafter, ungerechter Beſitz koͤnne ein Civilbeſitz ſeyn. Dies erhelle daraus, weil das Interdictum uti poſſidetis, welches doch wegen eines blos natuͤrlichen Beſitzes be - kannter maßen nicht ſtatt findet100)L. 9. D. de Rei Vindic. L. 3. §. 8. D. uti poſſidet. L. 13. §. 12. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 31. §. 4. D. de uſur - pat. et uſucap. , auch demjenigen nach den Geſetzen geſtattet werde, der den Beſitz durch keinen rechtmaͤſigen Titel, ſondern mit Gewalthaͤtigkeit oder heimlich erlangt hat, wenn naͤmlich ein ſolcher Beſitzer ſich des Interdicts gegen einen extraneum, von welchem er ſeinen Beſitz nicht herleitet, bedienen wolle1)L. ult. D. de Acq. vel Amitt. Poſſeſſ. L. 2. D. Uti Poſſidet. . Zum offenbaren Beweiſe, daß es bey einem Civilbeſitz an ſich nicht darauf ankomme, ob er gerecht oder ungerecht ſey, wenn nur die Geſetze den animum ſibi habendi des Be - ſitzers nicht ſchlechterdings verwerfen2)cuperus cit. Obſervat. ſelect. P. II. §. VIII. et IX. .
L l 2III) Daß98)ſtere fuͤr haerere in re, ei adhaerere oder inhaerere in den Ge - ſetzen oͤfters vor. So z. B. ſagt Paulus L. 3. D. de Ser - vitut. Servitutes praediorum aliae in ſolo, aliae in ſuper - ficie conſiſtunt; und Cajus L. 3. §. 1. D. de Uſufr. ſagt: Conſiſtit Uſusfructus non tantum in fundo et aedibus, verum etiam in ſervis et jumentis, caeterisque rebus.
5241. Buch. 8. Tit. §. 180.III) Daß zum Civilbeſitz dominii perſuaſio nicht durchaus nothwendig ſey, ſondern fuͤr einen ſolchen uͤber - haupt diejenige Poſſeſſion in dem Rechte gehalten werde, quae cum animo ſibi habendi a Iure non infirmato teneatur, ſive opinione domini teneatur, ſive non3)cuperus cit. Obſ. pag. 34.. So z. B. ha - be ein Uſufructuar zwar in Anſehung der ihm zum Nieß - brauch uͤbergebenen Sache nur einen natuͤrlichen Beſitz, allein in Anſehung des Nutzungsrechts eine quaſi Poſſeſſionem Civilem4)idem pag. 50. et 51.. Denn dieſes uͤbe er in eige - nem Namen aus5)L. 23. §. 2. D. Ex quib. cauſ. maiores. , die nutznießliche Sache aber beſitze er auf dem Namen des Proprietars6)L. 12. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 49. pr. D. eodem. . Nur wegen je - ner quaſi Poſſeſſionis Civilis juris utendi fruendi ge - ben ihm die Geſetze die Interdicta uti poſſidetis, und Utrubi, deren ſich, wie ſchon vorhin bemerkt worden iſt, uͤberhaupt niemand bedienen kann, niſi qui ſibi ſuoque no - mine poſideat aut ius, aut corpus, quod ſe poſſidere prae ſe fert7)Arg. L. 3. §. 8. D. Uti poſſidet. iuncta L. 9. D. de Rei Vindicat. et L. 13. §. 12. D. de Acquir. vel Amitt. Poſſeſſ. welche letztere Stelle zu Folge der Inſcription ſich auf das Interdictum Utrubi beziehet. Hierher gehoͤrt auch noch L. 46. D. de donat. inter Vir. et Ux. . Eine gleiche Beſchaffenheit habe es mit ei - nem Pfandglaͤubiger. Dieſer hat zwar in Ruͤck - ſicht auf Uſucapion nur einen natuͤrlichen Beſitz der ihm zum Unterpfand gegebenen Sache. Denn, was die Verjaͤhrung anbetrift, nehmen die Geſetze an, als ob der Verpfaͤnder noch im Beſitz des Pfandes ſey8)L. 16. D. de Uſurpat. et Uſucap. L. 1. §. 15. D. de Acq. vel Amitt. Poſſeſſ. . Allein525De diviſione rerum et qualitate. Allein in allen uͤbrigen Faͤllen halten ſie den Glaͤubiger fuͤr den Beſitzer9)cuperus in Obſervat. cit. p. 35. et 94. n. XXI. . Dieſer kann ſich daher zur Erhal - tung ſeines Beſitzes der Interdicte bedienen10)idem P. II. Obſ. XXI. cit. pag. 94., kann condictione furtiva klagen11)L. 12. §. 2. D. de condict. furt. , welche keinem blos natuͤr - lichen Beſitzer, z. B. keinem Depoſitar noch Commodatar zuſtehet12)L. 14. §. 16. D. de furtis. ; begehet keinen Diebſtahl, wenn er die ver - pfaͤndete Sache, welche er dem Pfandgeber vielleicht ge - borgt, oder widerruflich eingegeben hatte, demſelben heim - lich entwendet13)L. 55. D. de furt. Conf. Barthol. chesii Interpretat. iuris lib. II. cap. VI. n. 7. et 28. in Iurispr. Rom. et Att. T. II. . Kann ferner auch actione ad ex - hibendum14)L. 3. §. 15. in fin. D. ad Exhib. Conf. cuperus in ſel. Obſervat. p. 35. nicht weniger mit der Rei vindicatione belangt werden15)L. 9. D. de Rei Vindicat. . Hieraus erhellet alſo, daß Javole - nus16)Weſtphal uͤber die Arten der Sachen, Be - ſitz ꝛc. §. 157. S. 149. keinen Irrthum begangen17)L. 16. D. de Uſurpat. et uſucap. , wenn er ſagt: Servi nomine, qui pignori datus eſt, ad exhibendum cum cre - ditore, non cum debitore, agendum eſt: quia qui pignori de - dit, ad usuc apionem tantum poſſidet. Quod ad reliquas omnes causas pertinet, qui accepit, poſſidet: adeo ut addici (i. e. adiici ſ. accedere) poſſit et poſſeſſio eius, qui pignori dedit. Denn auch Paulus18)L. 1. §. 15. D. de Acq. vel. amitt. Poſſeſſ. ſtimmt hiermit voͤllig uͤberein: Per ſervum corporaliterL l 3pignori5261. Buch. 8. Tit. §. 180.pignori datum non acquirere nos poſſeſſionem, iulianus ait: ad unam enim tantum causam videri eum a debitore poſſideri: ad usucapionem. Nec creditori: (ſc. quoad eam uſucapionem acquiritur poſſeſſio) quia nec ſtipulatione, nec ullo alio modo per eum acquirat, quam - vis eum poſſideat. (i. e. quamvis creditor ad alias om - nes cauſas, wie Javolenus ſagte, eum civiliter pof - ſideat).
Vergleichen wir nun dieſe verſchiedenen Theorien mit einander, unter denen aber freylich wohl die letztere des Cupers auf ganz vorzuͤglichen Beifall den gegruͤn - deſten Anſpruch machen duͤrfte, ſo werden ſich hieraus ſolche Reſultate ergeben, die uns an richtiger Beſtim - mung des Unterſchieds zwiſchen natuͤrlichen und buͤrger - lichen Beſitz nicht zweifeln laſſen. Natuͤrlicher Beſitz zeigt immer in unſern Rechte die koͤrperliche Detention der Sache ſelbſt an, entweder in ſofern ſie einen Theil des buͤrgerlichen Beſitzes ausmacht, oder blos in phyſi - ſcher Detention beſtehet, mit welcher keine Abſicht, die Sache als die ſeinige zu behalten, verbunden iſt, oder bey welcher dieſe Abſicht von den Geſetzen verworffen wird. Buͤrgerlicher Beſitz hingegen wird erſtlich im weitlaͤuftigen Verſtande derjenige Beſitz genennt, welchen die buͤrgerlichen Geſetze fuͤr einen ſolchen erkennen, aus welchem Poſſeßoriſche Rechtsmittel entſtehen; in dieſem Verſtande kann aus denen von Cuper angefuͤhrten Gruͤnden auch von einem Pfandglaͤubiger geſagt wer - den, daß er das Pfand civiliter beſitze19)Hiermit ſtimmt auch Io Ortwin. westenberg in Princip. Iuris ſec. ord. Digeſtorum Lib. XLI. Tit. II. §. 6. uͤberein, wo er ſagt: civilis possessio aliquando late ponitur pro omni ea, quam Ius Civile agnoſcit, et ex qua Remedia oriun - tur Poſſeſſoria; eoque ſenſu creditor pignus etiam civiliter poſſidere dici poteſt. . Zweitensheißt527De diviſione rerum et qualitate. heißt buͤrgerlicher Beſitz derjenige, welchen die buͤrger - lichen Geſetze fuͤr eine ſolche Poſſeßion erkennen, bey welcher man die Abſicht, die Sache als die ſeinige zu be - ſitzen, hat und haben kann. Der Beſitz mag uͤbrigens auf einen rechtmaͤſſigen Titel gegruͤndet ſeyn (Poſſeſſio iuſta) oder nicht. (Poſſeſſio iniuſta). In dieſer Bedeu - tung hat auch malae fidei poſſeſſor unſtreitig einen buͤr - gerlichen Beſitz. Endlich im ſtrengſten Verſtande des Civilrechts heißt buͤrgerlicher Beſitz eine ſolche Poſſeßion, die zur Uſucapion erfordert wird, und auf einen recht - maͤſigen Titel, wodurch man ſonſt ein Eigenthum zu erlangen pflegt, gegruͤndet iſt. Dieſe Poſſeſſio Civilis wird auch Poſſeſſio pro ſuo genennt. So ſagt Ul - pian20)L. 1. pr. D. pro ſuo. lib 15. ad Edictum: pro suo possessio talis eſt, cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea cauſa poſſidemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro ſuo: utputa ex cauſa emtionis, et pro emtore et pro ſuo poſſideo: item donata vel legata, vel pro donato vel pro legato, etiam pro ſuo poſſideo.
Ich ſagte in dem § 179. daß der Beſitz zwar ſei - ner Natur nach eigentlich blos factiſch ſey, aber doch auch viel von der Natur des Rechts annehme, oder, wie ſich eigentlich Papinian21)L. 49. pr. D. de acq. vel. amitt. poſſeſſ. ausdruckt, viel aus dem Rechte entlehne, und daher in dieſer Ruͤckſicht, nichtL l 4nur,5281. Buch. 8. Tit. §. 181.nur, wie eben dieſer roͤmiſche Juriſt22)L. 49. §. 1. D. eodem. ſagt, corporis, factiſch, ſondern auch iuris, rechtlich ſey. Es fragt ſich nun, wie dieſes eigentlich zu verſtehen ſey? Die Aus - leger des Civilrechts ſind darin mit einander einverſtan - den, daß ſich dieſes auf die rechtlichen Wirkungen be - ziehe, welche die buͤrgerlichen Geſetze dem Poſſeßions - Factum beylegen23)Vid. cujacius ad Lib. II. Definit. Papiniani ad L. 49. princ. et §. 1. D. h. t. ad Lib. III. Quaeſtion. Papiniani ad L. 19. D. Ex quib. cauſ. major. Operum Tom. IV. biccius de poſſeſſione duorum Quaeſt. II. pag. 91. ſqq. aliique ibi lau - dati; Ioſ. Fernand. de retes in Praelect. ad Tit. D. de acq. vel amitt. poſſ. P. I. Cap. V. §. 1. et hofacker Princip. iur. civ. Tom. II. P. I. Lib. III. Sect. II. §. 756.. Es kann auch dieſes im allgemei - nen nicht gelaͤugnet werden. Nur darf man nicht glau - ben, als ob der Beſitz darum allein rechtlich ſey, weil der Beſitzer um des Beſitzes willen viele Rechte und Vorthei - le zu genießen hat, ſondern weil die buͤrgerlichen Geſetze in vielen Faͤllen jemand fuͤr den Beſitzer halten, und ihm die Rechte und Wirkungen des Beſitzes mittheilen, ob er gleich die phyſiſche Detention der Sache nicht hat, und im Gegentheil dieſe rechtliche Wirkungen zuweilen einem Beſitzer entziehen, ob er gleich die Sache mit der Abſicht, dieſelbe als die ſeinige zu behalten, koͤrperlich inne hat. Daß dies die Meinung des Papinians ſey, erhellet aus den angefuͤhrten Stellen ganz deutlich. In der erſtern ſagt naͤmlich dieſer Juriſt: Poſſeſſio quoque per ſervum, cuius uſusfructus meus eſt, ex re mea, vel ex operis ſervi adquiritur mihi: cum et naturaliter a fructuario teneatur, et plurimum ex iure possessio mutuetur. Durch einen Sclaven, von welchem man den Nießbrauch hat, kann man den Beſitz erwerben, wenn die Erwerbung aus unſern Vermoͤgen herruͤhrt, oder allein durch dieDienſte529De diviſione rerum et qualitate. Dienſte des Sclaven geſchiehet. Zwar hat der Sclave die Sache phyſiſch in ſeiner Gewalt, zu einem eigentli - chen Beſitze aber wird, auſſer der Abſicht zu beſitzen, auch die koͤrperliche Detention der Sache erfordert. Al - lein die Geſetze nehmen hier vermoͤge einer Fiction an, daß derjenige, welcher den Sclaven im eigentlichen Verſtande beſitzt, d. i. ihn nicht nur animo ſondern auch corpore in ſeiner Gewalt hat, zugleich auch dieje - nigen Sachen koͤrperlich detinire, welche der Sklave in Haͤnden hat. Papinian ſagt es ſelbſt an einem andern Orte24)L. 47. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. : Corpore ſervi caeteras quoque res poſſidere poſ - ſumus. Sonach hat alſo der vom Papinian in unſerer Stelle angefuͤhrte erſtere Entſcheidungsgrund: quod na - turaliter a fructuario, ſervus nempe, teneatur, ſei - ne vollkommene Richtigkeit, wenn gleich Bartholomaeus chesius25)in Differentiis Iuris Cap. XCIX. n. 5. (in Iurisprud. Rom. et Attica cura heineccii edit. Tom. II. col. 894.) chesius behauptet daſelbſt, daß der Uſufructuar durch den Sclaven nicht wegen phyſiſcher Detention deſſelben den Beſitz erwerbe, ſondern wegen des Nutzungsrechts, was jener an dem Scla - ven hat. Dieß ſucht er dadurch zu beweiſen, weil der Uſu - fructuar den Beſitz auch eben ſo gut durch den Sclaven erwer - ben koͤnne, wenn ihm gleich derſelbe davon gegangen waͤre. So habe wenigſtens Paulus reſpondirt. L. 1. §. 8. D. de acquir. poſſeſſ. Per eum, in quo uſumfructum habemus, poſ - ſidere poſſumus: ſicut ex operis ſuis acquirere nobis ſolet. Nec ad rem pertinet, quod ipſum non poſſidemus. Blos in Ruͤckſicht des Nießbrauchs, den der Uſufructuar durch die Entweichung des Sclavens nicht verliehrt, haͤtten alſo, meint chesius, die Geſetze verordnet, daß der Uſufructuar auch durch einen entflohenen Sclaven den Beſitz erwerben koͤnne. Allein dieſe Erklaͤrung ſcheint mir ganz irrig zu ſeyn. Dennwenn demſelben kein ſonderliches Gewicht beylegenL l 5will.5301. Buch. 8. Tit. §. 181.will. Es ſchadet nichts, daß der Uſufructuar nur den natuͤrlichen Beſitz des Sklavens hat, denn beſitzt er gleich den Sklaven ſelbſt auf eines andern Nahmen, ſo folgt doch daraus nicht, daß er nun auch die ihm von demſelben erworbene Sachen auf fremden Namen beſitzen muͤßte, und nicht animum ſibi poſſidendi haben koͤnnte. Denn das iſt ja eine Sache, die in facto beruhet26)L. 1. §. 4. L. 17. §. 1. D. de Acquir. Poſſeſſ. . Ue - berdem aber war auch eben dieſes bey Beſtellung des Nießbrauchs zwiſchen dem Uſufructuar und Proprietar ausdruͤcklich feſtgeſetzt worden, daß dem erſtern alles zu - flieſſen ſolle, was der Sklave durch ſeine Dienſte oder aus dem Vermoͤgen des Uſufruktuars erwerben wuͤrde27)L. 10. §. 3. D. de acquir. rer. dominio. . Indeſſen ſahe Papinian wohl ein, daß der angefuͤhrte Entſcheidungsgrund nicht uͤberall paßen, und daher alleinnicht25)wenn in der L. 1. §. 8. cit. vom Uſufructuar geſagt wird, daß er nicht beſitze, ſo iſt dieß von dem buͤrgerlichen Beſitze zu verſtehen, wie auch Hr. Prof. Weſtphal in dem Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen §. 156. S. 149. ſchon richtig bemerkt hat. Dieſen hat freylich der Uſufructuar nicht, da er den Sclaven auf des Proprietars Namen beſitzt. Allein daß der natuͤrliche Beſitz des Sclaven ſchlechterdings erfordert werde, wenn jene rechtliche Wir - kung, nehmlich durch den Sclaven einen Beſitz zu erwerben, ſtatt finden ſoll, ſagt Papinian in unſerer Stelle ganz aus - druͤcklich, der doch wohl mehr Auctoritaͤt, als chesius, ha - ben muß. Ueberdem hat ja auch chesius an einem andern Orte Interpretationum Iuris Lib. II. cap. XL. n. 9. (in Iurisprud. Rom. et Attica Tom. II. pag. 536.) ſchon ſelbſt das Gegen - theil behauptet, und aus Gruͤnden erwieſen, daß mandurch einen Sclaven, den man nicht beſitzt, auch kei - nen Beſitz erwerben koͤnne. Welches auch den Ge - tzen gemaͤß iſt. L. 1. §. 46. D. de Vi et Vi armata. L. 34. §. fin. D. de Acquir. Poſſeſſ. 531De diviſione rerum et qualitate. nicht hinreichend ſeyn werde. Denn eines Theils ließ ſich damit der in dem roͤmiſchen Gerichtsgebrauch eingefuͤhrte, und von Papinian ſelbſt anerkannte Unterſchied unter den Erwerbungsgruͤnden des Beſitzes nicht wohl vereini - gen. Man haͤtte vielmehr in Gemaͤßheit jenes Entſchei - dungsgrundes den allgemeinen Satz aufſtellen ſollen, daß der Uſufructuar ſeiner Detention halben alle von dem Sclaven innehabende Sachen beſitze, der Sclave moͤge ſie aus dem Vermoͤgen des Uſufructuars, oder durch ſeine Dienſte, oder aus irgend einer andern Urſache erworben haben. Allein Papinian ſelbſt ſchraͤnkt ſeine Entſchei - dung blos auf die beyden erſten Faͤlle ein. Und Ca - jus28)L. 10. §. 3. D. cit. et §. 4. I. per quas perſon. cuique acquir. ſetzt hinzu: Si quid vero extra eas cauſas conſecuti ſunt ſc. ſervi, id ad dominum proprietatis pertineat. Wenn demnach ein ſolcher Sklave zum Erben eingeſetzt, oder ihm etwas vermacht, oder geſchenkt worden; ſo bekommt ſolches nicht der Nutznießer, ſondern der Herr des Ei - genthums. Und dieſes iſt auch der Analogie des Rechts vollkommen gemaͤß, weil doch der Proprietar den Civil - beſitz des Sclavens behaͤlt. Andern Theils aber war es auch bekannten Rechtens, daß, wenn der Uſufructuar dem Sclaven dasjenige, was er ihm aus deſſelben Ver - moͤgen oder durch ſeine Dienſte erwarb, als ein Peculium eingegeben hatte, dieſer ex peculii cauſa dem Uſufructuar den Beſitz erwerben konnte, wenn letzter auch von der Acquiſition des Sclavens noch keine Wiſſenſchaft erlangt hatte29)L. 1. §. 5. D. de A. v. A. P. L. 34. §. 2. D. eodem. L. 44. §. 1. D. eodem. L. 7. §. 8. D. pro emtore. Conf. meier in Colleg. Argentorat. ad Tit. de acq. poſſ. Th. XV. n. 17. et Weſtphal in dem angef. Syſtem §. 145.. Dieſes ließ ſich nun eben ſo wenig aus der Natur des Beſitzes herausphiloſophiren, weil eigentlichNie -5321. Buch. 8. Tit. §. 181.Niemand fuͤr einen wahren Beſitzer gehalten werden kann, der nicht mit der koͤrperlichen Detention der Sache auch den affectum poſſidendi verbindet30)L. 3. §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. . Daß aber ein Unwiſſender keinen Willen habe, iſt gewiß. Um alſo dieſen Schwierigkeiten abzuhelfen, fuͤgt Papinian noch einen andern Grund hinzu: Quod et plurimum ex iure poſſeſſio mutuetur. Der Sinn dieſer Worte gehet nun dahin: es ſey eben nicht noͤthig, gar zu aͤngſtlich nach - zuforſchen, ob auch auf Seiten des Uſufructuars alles dasjenige vorhanden ſey, was ad factum poſſidendi er - fordert wird, denn auch ohne dieſe Erforderniſſe koͤnnen ihn die Geſetze fuͤr einen Beſitzer halten, und ihm die Rechte deſſelben mittheilen; die Geſetze koͤnnen ihm aber auch dieſe rechtliche Wirkungen des Beſitzes entzie - hen, wenn gleich uͤbrigens alle Erforderniſſe der Poſ - ſeßionshandlung vorhanden ſeyn ſollten. Denn uͤber - haupt haben die Geſetze dem Beſitz viel von der Natur der Rechte beygemiſcht.
Das andere Fragment des Papinians, welches je - doch nicht ſo ſchwer zu erklaͤren iſt, lautet folgendermaſ - ſen: Qui in aliena poteſtate ſunt, rem peculiarem tenere poſſunt, habere, possidere non poſſunt: quia pos - sessio non tantum corporis, sed et iuris est. Perſonen, die unter vaͤterlicher oder leibherrſchaftlicher Gewalt ſtehen, (filiifamilias et ſervi) koͤnnen zwar koͤr - perlich ein Sondergut (peculium) unter ſich haben, (te - nere) aber eines eigentlichen Beſitzes im juriſtiſchen Ver - ſtande ſind ſie nicht faͤhig. (habere, poſſidere non poſſunt). Sie koͤnnen weder als Eigenthuͤmer beſitzen, noch auch aus ei - nem andern Grunde, z. B. als Pfandglaͤubiger, Sachenfuͤr533De diviſione rerum et qualitate. fuͤr ſich ſelbſt haben31)cujacius ad lib. II. Definit. Papiniani et in Commentar. ad L. 49. §. 1. D. cit. Operum T. IV. et VIII. . Denn Cajus32)L. 10. §. 1. D. de acquir. rer. dominio. ſagt ganz allgemein: Ipſe, qui in alterius poteſtate eſt, nihil suum habere potest33)Nach dem neuern roͤmiſchen Rechte koͤnnen wir jedoch die - ſen Satz nur von einem peculio profectitio gelten laſſen. (S. 217.). Kaͤme es freylich bey einem Be - ſitze nur allein auf phyſiſche Detention und auf die Ab - ſicht[a]n, eine Sache fuͤr ſich ſelbſt zu haben; waͤre der Beſitz, wie Scaͤvola34)L. 1. §. 15. D. Si is, qui teſtam. liber eſſe iuſſus erit. ſagt, nur facti et animi, ſo muͤßte man nothwendig auch denen Sclaven und filiisfami - lias eine poteſtatem habendi, poſſidendi zugeſtehen. Denn wer will es laͤugnen, daß ſie eine Neigung, etwas fuͤr ſich ſelbſt zu haben, in ſich fuͤhlen koͤnnen? Allein der Beſitz iſt nicht blos factiſch, (corporis) ſondern er ahmt auch in vielen die Natur des Rechts nach (etiam iuris eſt). Nun aber achten die buͤrgerlichen Geſetze bey ſolchen Per - ſonen auf ihre eigene Abſicht (voluntatem ſibi habendi) nicht, es mag von Erwerbung eines Beſitzes, oder ande - rer Rechte die Rede ſeyn. Sie nehmen vielmehr an, daß ihnen die andere Eigenſchaft, ſo auſſer der phyſiſchen Detention zu einem buͤrgerlichen Beſitz erfordert wird, gaͤnzlich mangele.
Aus dem, was wir bisher zur Erlaͤuterung des Papinians geſagt haben, laͤßt ſich nun leicht durch eine allgemeine Regel beſtimmen, was vom Beſitz factiſch ge - blieben, und was demſelben aus dem Rechte iſt beyge - miſcht worden. Cuper35)in Obſervat. ſelectis de natura poſſeſſionis. P. I. Cap. V. pag. 57. giebt hiervon folgende Re - gel: Der Beſitz beſteht in facto, ſo oft derje -nige5341. Buch. 8. Tit. §. 181.nige vor Gericht als Beſitzer angeſehen wird, welcher die Sache phyſiſch in ſeiner Gewalt hat, mit der Abſicht, dieſelbe fuͤr ſich zu behalten; oder wenn derjenige nicht als Beſitzer gilt, welcher entweder die Sa - che nicht phyſiſch detinirt, oder wenigſtens nicht animum poſſidendi hat. In iure beſteht hin - gegen der Beſitz, ſo oft Jemand vor Gericht fuͤr den Beſitzer gehalten wird, der entwe - der die Sache phyſiſch nicht beſitzt, oder die Abſicht nicht hat, ſie fuͤr ſich zu behalten; oder wenn derjenige nicht fuͤr den Beſitzer gilt, welcher wirklich ſowohl die phyſiſche Detention der Sache, als auch die Abſicht hat, ſie als die ſeinige zu behalten. Oder wie ſich Cuper auch mit andern Worten ausdruͤckt: Res facti poſſeſſio manſit, quatenus pro poſſeſſore habe - tur is, cui naturalia poſſeſſionis requiſita praeſto ſint: non habetur, cui ea praeſto non ſint. Plurimum autem eſt ex iure mutuata, quatenus Lex ſua pote - ſtate vel deficientia ſupplet naturalia poſſeſſionis re - quiſita, vel contra deficere ea fingit, ubi non defi - ciunt. Um alſo bey einer jeden Geſetzſtelle richtig zu beurtheilen, ob der Inhalt derſelben der Natur des Beſi - tzes, ſofern derſelbe factiſch iſt, angemeſſen ſey oder nicht, hat man nur darauf zu ſehen, ob derjenige wirklich in Beſitz iſt, der fuͤr den Beſitzer gehalten wird, und im Gegentheil derjenige wirklich nicht beſitzt, der auch nicht fuͤr den Beſitzer angeſehen wird. Ehe wir jedoch dieſes weiter detailliren, und zeigen koͤnnen, was eigentlich der Beſitz aus dem Rechte entlehnt hat, muͤſſen wir vorher noch zwey Fragen beantworten, worauf uns Cuper in ſeiner vortreflichen Schrift ebenfalls aufmerkſam gemachthat535De diviſione rerum et qualitate. hat36)Select. Obſervat. de natura poſſeſſ. P. I. Cap. 6.. Die erſtere iſt: Wie haben die Geſetze ihre Wirkung auf den Beſitz, als eine facti - ſche Sache aͤuſſern koͤnnen? Die zweyte: Aus welchen politiſchen Gruͤnden haben die Rechtsgelehrten ſo manche Eigenſchaften des Rechts dem Beſitze beigelegt?
Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo ſcheint es zwar ſchwer zu begreifen zu ſeyn, wie die Geſetze die Er - forderniſſe eines Beſitzes, da, wo dieſelben fehlen, ha - ben ergaͤnzen, oder dieſelben, da wo ſie doch wirklich vorhanden ſind, haben fuͤr unkraͤftig erklaͤren koͤnnen, gleichſam als ob ſie gar nicht vorhanden waͤren, da doch bey dem Beſitz eigentlich alles auf das Poſſeſſionsfactum ankommt, und die Rechtsgelehrten ſelbſt bey Entſchei - dung mancher den Beſitz betreffender Rechtsfragen zum Grundſatz angenommen, quod facti cauſae infectae fieri nulla conſtitutione poſſint, wie Tryphonin ſagt37)L. 12. §. 2. D. de Captivis et poſtlim. reverſ. , oder, wie ſich Paulus38)L. 1. §. 4. D. de aequir. poſſeſſ. in einem ſolchen Fall aus - druckt, quoniam res facti infirmari lure Civili non poteſt. Allein hierauf iſt zweyerley zu antworten. Erſt - lich verſtehet es ſich freylich von ſelbſt, daß kein Geſetz die Kraft habe, ein Poſſeſſionsfaktum wirklich ungeſchehen zu machen, oder im Gegentheil ein ſolches zu erſchaffen, wo dergleichen uͤberall in rerum natura nicht vorhanden iſt. Allein daraus folgt noch nicht, daß die buͤrger - lichen Geſetze auch nicht quoad effectus civiles jemand fuͤr den Beſitzer erklaͤren koͤnnten, der es eigentlich nicht iſt, oder demjenigen, welcher wirklich in Beſitz iſt, die rechtli - chen Wirkungen des Beſitzes nicht entziehen, und den Beſitzfuͤr5361. Buch. 8. Tit. §. 181.fuͤr unguͤltig erklaͤren koͤnnten39)Hier empfehle ich beſonders zum nachleſen Barthol. chesii Differentias Iuris Cap. LXII. welches die Ueberſchrift hat: Lex interdum videtur fingere ſuper factis. Inter - dum ſuper ipſis nec fingere poſſe aſſeritur. Explicatur, quomodo id procedat, et reddi - tur ratio differentiae; in Iurisprud. Rom. et Attica Tom. II. col. 814 ſqq. . Denn vor Gericht kommt es ja nicht auf den Beſitz an ſich, ſondern auf die recht - lichen Wirkungen an, welche die Geſetze demſelben bey - legen. Zweytens kann aber auch nicht gelaͤugnet werden, daß in vielen Faͤllen die buͤrgerlichen Geſetze der Natur des Beſitzes, ſofern derſelbe in facto beſtehet, nichts entzogen, und ſich aller Fiction enthalten haben. Ge - rade von ſolchen Faͤllen handeln die angefuͤhrten Rechts - gelehrten Tryphonin und Paulus. Denen ich noch den Papinian beyfuͤge, welcher lib. 3. Quaeſtionum ſchreibt40)L. 19. D. Ex quib. cauſ. maiores. : Poſſeſſio plurimum facti habet: cauſa vero facti non continetur postliminio.
Wir ſchreiten nun zur zweyten Frage, aus wel - chen politiſchen Gruͤnden die roͤmiſchen Geſetz - geber dem Beſitze ſo vieles von der Natur der Rechte beygemiſcht haben? Bey der Entwickelung dieſer Frage ſoll zugleich an jedem Orte dasjenige ange - fuͤhrt werden, was der Beſitz aus dem Rechte gleichſam entlehnt hat. Cuper41)In den angef. Obſervat. ſelectis de natura poſſeſſionis P. I. Cap. VI. pag. 62 — 76. giebt dreyerley Gruͤnde an, und leitet hieraus alle die rechtlichen Eigenſchaften her, die dem Beſitz in dem roͤmiſchen Rechte beygelegt werden.
I) Der erſte Grund iſt das gemeine Beſte. Der buͤrgerliche Geſetzgeber gruͤndet zwar ſeine Geſetze auf dieewige537De diviſione rerum et qualitate. ewige und unveraͤnderliche Natur der Dinge, aber er nimmt auch zugleich Ruͤckſicht auf das beſondere Wohl ſeines Staats, und deſſen Buͤrger. In dieſer Abſicht fingirt er zuweilen das Daſeyn einer nicht exiſtirenden Sa - che, oder auch die Nichtexiſtenz einer wirklich vorhan - denen Sache. Dabey ſieht er nicht ſowohl auf Wahr - heit, als auf gemeine Wohlfahrt. Dieſe Maxime ha - ben nun die roͤm. Geſetzgeber, ſo wie in vielen Rechts - materien, alſo auch inſonderheit in der Lehre von Beſitz befolgt, indem ſie dem Beſitze manche rechtliche Eigen - ſchaften blos um des gemeinen Beſten willen beygelegt haben, welche der eigentlichen Beſchaffenheit des Beſitzes nicht angemeſſen ſind. Wir wollen nur fol - gende hier anfuͤhren. Dahin gehoͤrt,
1) daß eine Gemeinheit durch einen oͤffentlichen Knecht oder Gevollmaͤchtigten einen Beſitz haben und er - langen koͤnne42)L. 1. §. 22. et L. 2. D de acquir. poſſeſſ Add. ulpianus Fragm. Tit. XXII. §. 5. et ad Eundem Ant. schulting in Iurisprud. Antejuſt. pag. 634. not. 9..
2) daß ein Kind, welches uͤbrigens zur erſten Er - werbung des Beſitzes keine Gemuͤthsfaͤhigkeit hat, den - noch guͤltig beſitzen koͤnne, wenn der Vormund fuͤr daſ - ſelbe den Beſitz ergriffen hat43)L. 32. §. 2. D. de Acquir. vel Amit. Poſſeſſ. Da heißt es ausdruͤcklich: utilitatis enim causa hoc receptum eſt. .
3) Daß ein Beſitzer, wenn er hernach den Ver - ſtand verliert, dennoch dadurch den bisher gehabten Be - ſitz nicht verliere, ſondern denſelben fortſetze44)L. 4. §. 3. et L. 44. §. 6. D. de Uſurpat. et. Uſucap. Auch in dieſer Stelle wird angemerkt: utilitate suaden -te.
4) DaßGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. M m5381. Buch. 8. Tit. §. 181.4) Daß der Schuldner, welcher eine Sache zum Unterpfand gegeben, in Ruͤckſicht auf Uſucapion noch fuͤr den Beſitzer gehalten werde45)L. 1. §. 15. L. 36. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 16. L. 33. §. 4. D. de uſurpat. et Uſucap. .
5) Daß man durch einen Gevollmaͤchtigten den Be - ſitz auch ohne ſein Wiſſen erlangen koͤnne46)L. 34. §. 1. L. 49. §. 2. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 1. C. de acquir et retin. poſſeſſ. Conf. Weſtphal in dem angef. Syſtem §. 131. und §. 141.. Das heißt: wenn mein Anwald dem Auftrage gemaͤß ſich hat die Sache uͤbergeben laſſen, ſo erhalte ich hierdurch den Beſitz, wenn ich auch gleich von der nun wirklich ge - ſchehenen Uebergabe noch weiter nichts erfahren habe. Desgleichen wenn ich jemanden nur die Abſchließung ei - nes Kaufs uͤbertragen, wegen der Beſitznehmung hinge - gen und Uebergabe ihm nichts ausdruͤcklich geſagt habe, mein Anwald aber dennoch ohne meinen beſondern Auf - trag ſich den Beſitz der gekauften Sache eingeben laſſen, ſo erhalte ich doch dadurch den Beſitz auch ohne mein Wiſſen. Auch dieſer Satz iſt zum gemeinem Be - ſten angenommen, um uͤble Folgen zu verhuͤten47)L. 1. C. de acquir. et ret. poſſeſſ. ſagt dieſes nicht undeut - lich: Per liberam perſonam ignoranti quoque acquiri poſſeſſio - nem, et poſtquam ſcientia intervenerit, uſueapionis conditio - nem inchoari poſſe, tam ratione vtilitatis, quam jurispruden - tia receptum eſt. Hr. Prof. Weſtphal in dem angefuͤhr - ten Syſtem §. 141. am Ende glaubt, das Wort Iurispru - dentia muͤſſe hier durch Rechtsklugheit uͤberſetzt werden. Allein.
6) Daß44)te hoc eſſe relictum, ne langnor animi damnum etiam in bo - nis adferat. Statt relictum ließt Cujaz receptum; Byn - kershoͤk Obſervat. Iur. Rom. lib. VII. c. 25. aber relatum.
539De diviſione rerum et qualitate.6) Daß ein Herr, oder Vater von demjenigen, was deſſelben Knecht oder Sohn mit dem ihm anver - traueten Pekulium erworben hat, auch ohne ſeine Wiſ - ſenſchaft Beſitzer werde48)L. 1. §. 5. L. 3. §. 12. L. 44. §. 1. D. de acq. vel amitt. poſſeſſ. In der letztern Stelle ſagt Papinian: Quaeſitum eſt, cur ex peculii cauſa per ſervum ignorantibus poſſeſſio quaereretur? Dixi, utilitatis cauſa, iure ſingulari receptum, ne cogerentur domini per momenta ſpecies et cauſas peculio - rum inquirere. Nec tamen eo pertinere ſpeciem iſtam, ut ani - mo videatur acquiri poſſeſſio. Nam ſi non ex cauſa peculia - ri quaeratur aliquid, ſcientiam quidem domini eſſe neceſſariam, ſed corpore ſervi quaeri poſſeſſionem. Dieſe ſehr ſchwere, und faſt durchgehends mißverſtandene Stelle hat am beſten Anton. faber in Iurisprud. Papinianeae ſcientia Tit. XI. Princip. VIII. Illat. 26. pag. 636. erklaͤrt..
7) Daß bey Uebertragung des Beſitzes nicht noͤthig ſey, durch koͤrperliche Beruͤhrung der Sache den Beſitz zu ergreifen, ſondern die Uebergabe auch longa manu, oder per Symbola geſchehen koͤnne49)L. 1. §. 21. L. 18. §. 2. et L. 51. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 79. D. de Solutionib. L. 74. D. de Contrab. Emt. L. 9..
M m 28) Daß47)Allein ich glaube vielmehr, daß dadurch Rechtsanalogie angezeigt werden ſoll. So erklaͤrt es auch Barthol chesius Interpretation. Iuris lib. I. cap. XXXII. n. 17. (in Iurisprud. Rom. et Attic. pag. 170.) Nam cum dicimus procuratorem, ſchreibt dieſer elegante Ausleger des roͤm. Rechts, intelligi - mus eum, cui mandavimus illud negotium expedire, ſive ſpecia - liter, ſive ſaltem generaliter, generalem ei mandando admini - ſtrationem L. 12. D. de Solution. Si ergo procurator poſſeſſio - nem apprehendat, licet nos adprehenſam ignoremus, tamen, cum animum habeamus, quandocumque apprehenſam acquirendi, et nobis habendi, ſtatim ex noſtro animo eam acquirimus, niſi forte aliquid obſtet.
5401. Buch. 8. Tit. §. 181.8) Daß derjenige, welcher der ſichern Verwahrung wegen Geld in die Erde vergraben, und ſolches nachher nicht wieder finden kann, weil er den eigentlichen Ort vergeſſen, wo er daſſelbe hinvergraben hatte, hierdurch das Poſſeſſionsrecht nicht verliere50)L. 44. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. Merkwuͤrdig iſt in dieſer Stelle das Wort immemoria Vergeſſenheit. scipio gentilis Parergor. lib. I. cap. 6. behauptet, daß Pa - pinian der einzige ſey, der dieſes Wort gebraucht habe. Herr Prof. Weſtphal a. a. O. §. 164. will jedoch lieber in memoria leſen. Das Geſetz ſelbſt iſt unſtreitig eine Ausnah - me jener allgemeinen Regel, welche Pomponius L. 25. pr D. eodem folgendermaßen vortraͤgt: Si id, quod poſſide - mus, ita perdiderimus, ut ignoremus, ubi ſit, deſinimus poſ - ſidere. Uebrigens erlaͤutert dieſes Geſetz cuperus ſelect. Ob - ſervat. de natura poſſeſſ. P. II. cap. 34..
9) Daß man einen ſchon habenden Beſitz auch oh - ne beſtaͤndige Ausuͤbung einer koͤrperlichen Gewalt, durch bloſe Beſtimmung des Willens, (ſolo animo) fortdau - ernd beybehalten koͤnne51)L. 3. §. 6. et §. 11. L. 30. §. 5. L. 44. §. 2. in fin. L. 45. D. de acquir. poſſeſſ. L. 4. Cod. eodem. §. 5. I. de Interdict. L. 1. §. 25. D. de Vi et Vi armat. .
10) Daß49)L. 9. §. 6. D. de Acquir. rer. domin. In der erſtern Stel - le heißt es: Non eſt enim corpore et actu neceſſe apprehen - dere poſſeſſionem, ſed etiam oculis et affectu. Statt corpore et actu leſen grotius in Florum ſparſione ad Ius Iuſti - nian. h. L. und Ant. faber de Errorib. Pragmaticor. Decad. LXXV. Err. 2. corpore et tactu, welche Emendation auch Noodt Probabil. lib. II. cap. 6. billiget, und die Ueberſe - tzung der Griechen bey meermann in Theſ. Iur. Civ. et Canon. Tom. V. pag. 43. beſtaͤtiget.
541De diviſione rerum et qualitate.10) Daß Unmuͤndige und Bloͤdſinnige, wenn ſie gleich durch den bloſen Willen den Beſitz auf keine Wei - ſe aufgeben koͤnnen52)L. 27. et 29. D. de contr. Emt. Vendit. , dennoch den Beſitz alsdann ver - lieren, wenn ſie ihn an einen ſolchen uͤbertragen haben, der ihren Zuſtand nicht kannte53)L. 2. §. 15. et 16. D. pro Emtore. In der letztern Stelle wird geſagt, daß dieſer Rechtsſatz utilitatis cauſa ſey ange - nommen worden. Aequum enim eſt, ſagt chesius Interpreta - tionum Iuris lib. II. cap. 39. wo er die letztere Stelle erlaͤu - tert, ut emtor poſſit uſucapere, ne iuſtus error ei noceat, et ne dominium in incerto ſit. . Wer demnach von einem Pupillen, den er aus verzeihlichen Irrthum fuͤr muͤndig hielt, oder von einem Bloͤdſinnigen, den er fuͤr einen verſtaͤndigen Menſchen hielt, eine Sache gekauft hat, erlangt durch die Uebergabe wenigſtens einen ſolchen Beſitz, daß er die erkaufte Sache verjaͤhren kann, wenn auch im Uebrigen der Kauf nichtig iſt54)S. Weſtphal in dem oͤfters angefuͤhrten Syſtem §. 585. §. 678. und 679..
II) Der andere Grund, aus welchem die roͤmiſchen Geſetzgeber dem Beſitze ſo vieles Rechtliche beygemiſcht haben, liegt in dem Zuſammenhange der einzelnen Saͤtze dieſer Materie mit andern, die damit ver - wandt ſind. Denn darinn beſteht eine vorzuͤgliche Pflicht der Geſetzgebung, uͤberall auf Analogie des Rechts zu ſehen, damit jede Rechtsmaterie auch mit an - dern, mit welchen ſie gewiſſermaßen verwandt iſt, genau und auf die gehoͤrige Art zuſammenhaͤnge. Inſonder - heit aber muͤſſen die allgemeinen Rechtsprincipien ſo viel moͤglich bey Kraͤften bleiben. Um nun dieſe Analogie auch in der Lehre vom Beſitz zu erhalten, ſo haben ſich die roͤmiſchen Geſetzgeber manche Fiction erlauben, undM m 3der5421. Buch. 8. Tit. §. 181.der Poſſeſſion manche rechtliche Eigenſchaft beylegen muͤſ - ſen. Daher iſt zu erklaͤren,
a) warum man Sachen, die ganz dem menſchli - chen Verkehr entzogen ſind, z. B. einen geheiligten Ort, eben ſo wenig, als einen freyen Menſchen, in Beſitz haben koͤnne55)L. 30. §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. .
b) Warum ein Ehegatte die ihm von dem andern Ehegatten geſchenkte Sache nicht civiliter, ſondern nur naturaliter und pro poſſeſſore beſitze56)L. 1. §. 4. L. 16. D. de acq. vel amitt. poſſeſſ. L. 26. pr. et L. 46. D. de donat. inter Vir. et Uxor. L. 1. §. 9. et 10. D. de Vi et Vi armata. Die beyden angefuͤhrten erſten Ge - ſetzſtellen hat Weſtphal in dem Syſtem §. 48. und 49. Die L. 46. D. de donat inter V. et U aber cuperus in Obſervat cit. P. II. Cap. 8 ſehr ſchoͤn erklaͤrt.. Denn Schen - kungen unter Ehegatten ſind unguͤltig, und bis an den Tod des Schenkenden widerruflich.
c) Warum eine Perſon, die noch unter vaͤterlicher Gewalt ſtehet, nur in ſo weit einen buͤrgerlichen Beſitz haben koͤnne, als ſie ein Eigenthum zu erwerben faͤhig iſt. Z. B. Wenn der Sohn Soldat iſt, ſo kommt ihm wegen ſeines peculii caſtrenſis die Verjaͤhrung zu ſtat - ten. Denn er hat einen Civilbeſitz57)L. 4. §. 1. D. de Uſurpat. et Uſucap. Die Worte Fi - liusfamilias et maxime miles etc. haben den Aus - legern Schwierigkeiten gemacht. Man vergleiche cujacius in Commentar. ad Tit. de Uſurpat. et Uſuc. Oper. Tom. I. bachovius ad Treutlerum Vol. II. Diſp. XXII. Th. 2. lit. B. de retes in Praelect. ad Tit. Pand. de acq. poſſeſſ. P. I. Cap. V. Sect. III. bynkershoeck Obſervat. Iur. Rom. lib. VII. cap. XXII. und Weſtphal im Syſtem §. 517.. Allein das pe - culium profectitium beſitzt der Filiusfamilias nur na -tura -543De diviſione rerum et qualitate. turaliter, und der Nutzen der Uſucapion gehoͤrt daher fuͤr den Vater58)L. 49. §. 1. D. de acquir. poſſeſſ. Siehe oben S. 532. und 533. Adde L. 38. §. 7. D. de Verbor. Obligat. L. 2. §. 2. D. pro herede et L. 93. D. de Reg. Iuris. .
d) Warum ein gemeinſchaftlicher Knecht jedem ſei - ner Herren den Beſitz nur zu dem Theile erwarb, den er an dem Sklaven hatte, wofern nicht etwa der Skla - ve den Beſitz blos auf den Namen des einen ſeiner Her - ren ergriffen, oder aber ex re unius condomini die Ac - quiſition gemacht, in welchen Faͤllen nur dieſer Herr allein Beſitzer wurde59)L. 1. §. 7. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. wo ausdruͤck - lich die Worte beygefuͤgt werden: Sicut in dominio adquiren - do. Ferner L. 37. §. 3. L. 45. D. de Acq. Rer. Dom. .
e) Warum man durch einen Freyen Menſchen, den man aus Irrthum fuͤr ſein unter vaͤterlicher Gewalt ſtehendes Kind hielt, weder Beſitz noch Eigenthum erwarb60)L. 50. pr. D. de Acq. Poſſeſſ. L. 44. princ. D. de Uſurp. et Uſucap. . Denn uͤber einen Sohn, welchen man unter ſeiner vaͤ - terlichen Gewalt hat, uͤbt man keinen ſolchen Beſitz aus, wie uͤber einen Sklaven. Die wahre vaͤterliche Gewalt, welche den Vater zur Erwerbung berechtiget, fehlt auch. Alſo iſt gar kein Grund der Erwerbung vorhanden61)S. Weſtphal im angef. Syſtem §. 155. S. 147..
f) Warum der Glaͤubiger durch einen Sclaven, der ihm vom Schuldner zum handhabenden Pfande ge - geben worden, keinen Beſitz erwarb62)L. 1. §. 15. D. de Acquir. Poſſeſſ. . Auch dieſer Satz iſt Folge der Rechtsanalogie. Denn der Glaͤubiger ſoll ja von dem Pfande weiter keinen Nutzen, ſondern blos Sicherheit haben.
M m 4g) Warum5441. Buch. 8. Tit. §. 181.g) Warum ein Bloͤdſinniger gar nicht, ein Pu - pill aber nicht ohne Einwilligung des Vormunds den Be - ſitz aufgeben koͤnne63)L. 27. et 29. D. eodem tit juncta L. 11. D. de Acquir. rer. Domin. Vortreflich erklaͤrt dieſe Stellen Cuper in den an - gefuͤhrten Obſervation. P. II. cap. 37. et 38.. Denn hierzu wird Freiheit des Willens erfordert. Allein ein verſtandloſer Menſch hat gar keinen Willen64)L. 40. L. 124. §. 1. D. de Reg. Iur. L. 2. §. 3. D. de Iure Codicillor. . Ein Muͤndel aber kann wenig - ſtens in ſolchen Sachen, woraus ihm Schaden erwachſen kann, und wozu Ueberlegung gehoͤrt, nichts ohne Einwil - ligung des Vormunds fuͤr ſich rechtlich wollen65)L. 5. L. 189. D. de Reg. Iuris, L. 9. D. de acquir. vel omitt. heredit. .
h) Warum der bloſe Gedanke, ein zur Verwahrung erhaltenes Gut abzulaͤugnen, und ſolches zu entwenden, dem Deponenten den Beſitz nicht entziehe, ſo lange ſich der Depoſitar noch nicht wirklich daran vergriffen hat66)L. 3. §. 18. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. Herr Prof. Weſtphal in dem oͤfters angef. Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. §. 191. will unter der Con - trectation des Depoſitums eine Veraͤuſſerung deſſel - ben verſtehen. Allein das Wort contrectare, oder wie die Alten auch ſagten, attrectare, heißt ſoviel als mani - bus tractare, et tangere, wie es Ioſ. averanius Interpretat. Iuris Lib. I. cap. XXVIII. n. 14. erklaͤrt, welcher uͤberhaupt die L. 3. §. 18. cit. vortreflich erlaͤutert. Paulus ſelbſt er - klaͤrt ſich hieruͤber ſchon deutlich genug, wenn er ſagt: Sed ſi eam loco non moveris. Eben ſo erklaͤrt auch Juſti - nian dieſen Ausdruck in §. 6. I. de obligat. quae ex delicto. Man ſehe nach B. brissonius de Verbor. Signif. v. Con - trectare. Alſo heißt contrectare ſoviel als ſich an einerSache. (ſi non545De diviſione rerum et qualitate. (ſi non contrectaveris) Dieſen Satz bringt die Na - tur des Diebſtahls mit ſich, weil ohne thaͤtige Vergreif - fung (ſine contrectatione) kein Diebſtahl denkbar iſt67)So war es alſo noͤthig, wegen der Natur des Diebſtahls eine Regel, die ſonſt in der Natur des Beſitzes ſelbſt gegruͤn - det iſt, einzuſchraͤnken, naͤmlich: ſolo animo nos poſſe incipere poſſidere, ſi naturalis poſſeſſio an - tecedat: L. 3. §. 3. D. de Acquir. Poſſeſſ. L. 9. §. ult. D. de Reb. Credit. L. 9. §. 5. D. de Acquir. rer. domin. Conf. Cuperus ſelect. Obſervat. cit. P. I. Cap. VI. Claſſ. II. Aphorism. 28. not. 74. et chesius Interpretat. Iur. Lib. I. cap. XXXVI. .
Endlich
III) ein dritter Grund, aus welchem die Geſetze dem Beſitz auch manche Eigenſchaften des Rechts beygelegt haben, beſtehet darin, damit kein Widerſpruch, keine Unge - reimtheit unter den einzelnen Saͤtzen, die zu dieſer Materie gehoͤren, entſtehe. Denn es iſt Pflicht der Geſetzgebung, nicht nur auf Zuſammenhang einzelner Rechtsmaterien mit der ganzen Rechtsdiſciplin zu ſehen, ſondern es darf auch innere Analogie unter den einzelnen Saͤtzen einerley Materie nicht fehlen. Hieraus laͤßt ſich nun ſehr vieles erlaͤutern, was der Beſitz von dem Rechte entlehnt hat. Dahin gehoͤrt,
1) daß ein freyer Menſch, ſo lange er einem an - maßlichen Herrn als Sklave dient, fuͤr ſich eines eigent - lichen buͤrgerlichen Beſitzes nicht faͤhig ſey, weil er keinenM m 5ani -66)Sache vergreifen, ſie diebiſcher Weiſe von ih - rem Orte und Stelle wegnehmen. Dieß kann auch geſchehen, wenn der Depoſitar den ihm in Verwahrung gegebenen verſiegelten Beutel mit Gelde erbricht, und das Geld unter das ſeinige thut.5461. Buch. 8. Tit. §. 181.animum domini vel ſibi habendi unter ſolchen Umſtaͤn - den haben kann68)L. 1. §. 6. L. 23. §. 1. D. de Acq. vel Amitt. Poſſ. L. 54. §. ult. D. de acquir. rer. dom. et L. 118. D. de Reg. Iur. juncta L. 23. pr. D. Ex quib. cauſ. major. .
2) Daß auch ein bloͤdſinniger Vater ex cauſa pe - culiari durch ſeinen Sohn einen Beſitz erwerbe69)Argum. L. 8. §. 1. D. de his, qui ſui vel alien. iuris ſunt. . Denn einen peculiariſchen Beſitz erwirbt der Vater durch ſeinen unter vaͤterlicher Gewalt ſtehenden Sohn auch ohne ſeine Wiſſenſchaft70)L. 1. §. 5. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. Conf. Weſt - phal im angefuͤhrten Syſtem §. 145..
3) Daß ein Vater von den peculiariſchen Beſitze ſeines Sohnes Nutzen habe, ob er gleich nicht weiß, daß dieſer unter ſeiner Gewalt ſtehet71)L. 4. D. eodem. juncta L. 1. §. 8. D. eodem. . Genug, daß ihm die Gewalt uͤber ihn wirklich zukommt, und es bey der peculiariſchen Erwerbung auf keine Wiſſenſchaft des Va - ters ankommt.
4) Daß, wenn auch ein anderer den Filius - familias als Sklaven beſitzen ſollte, dennoch der Va - ter, nicht aber der anmaßliche Herr, die peculiariſche Er - werbung genieße72)Vide eandem L. 4. D. cit. Vortreflich hat dieſe Stelle er - klaͤrt cuperus in Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis P. II. cap. 26. et 27.. Denn wenn gleich der Vater uͤber ſeinen Sohn, da ſolcher ein freyer Menſch iſt, keinen ſcla - viſchen Beſitz und Gewalt ausuͤben kann, ſo hat man doch im roͤmiſchen Recht den Satz eingefuͤhrt, daß der Vater blos wegen ſeiner vaͤterlichen Gewalt denBeſitz547De diviſione rerum et qualitate. Beſitz durch ſeinen Sohn erwerbe, wenn er gleich den Sohn ſelbſt weder beſitzt noch im eigentlichen Verſtande beſitzen kann, weil ſonſt hieraus die Ungereimtheit ent - ſtanden waͤre, daß ein Vater durch ſeinen Sohn gar nichts beſitzen koͤnne73)S. cujacius in Commentar. ad L. 4. D. de acquir. poſſ. Operum Tom. VIII. und Barthol. chesius Interpretat. Iuris Lib. II. cap. 40..
5) Daß Sklaven und Filiifamilias dem Pater - familias, in deſſen Gewalt ſie ſind, ſelbſt durch veruͤbte Gewaltthaͤtigkeit ſeinen Beſitz nicht rauben koͤnnen, ſon - dern des letztern Beſitz rechtlich fortdauere, mithin die angefangene Uſucapion hierdurch nicht unterbrochen werde, ſo lange die geraubten oder entwendeten Sachen in der erſteren Haͤnden ſich befinden74)L. 15. D. de acquir. poſſeſſ. L. 40. princ. D. eodem. et L. 33. §. 6. D. de Uſurpat. et Uſucap. S. Weſtphal im angef. Buche §. 441.. Der Grund hiervon iſt, weil ein Paterfamilias durch die Perſonen, die ſeiner Gewalt unterworfen ſind, den Beſitz erwirbt, ſo kann ihm folglich durch dieſe Perſonen der Beſitz nicht entzogen wer - den75)Dieſer Grund, mithin auch das davon abhangende Recht ſelbſt, hoͤrt jedoch auf, wenn ſolche Perſonen von der Gewalt des Paterfamilias entlediget ſind: L. 13. §. 8. D. de A. vel A. Poſſ. . Und endlich
6) daß derjenige, welcher in unſerer Abweſenheit ſich in den Beſitz unſerer Sache, mit der Abſicht, ſich dieſelbige zuzueignen, geſetzt hat, dennoch nach dem Ci - vilrechte ſo lange fuͤr den Beſitzer nicht gehalten werde, als die Fortdauer unſers vorigen Beſitzes rechtlich fingi - ret wird76)L. 25. §. 2. L. 46. D. eodem. . Denn nach dem Civilrecht gehet unſer Be - ſitz erſt von der Zeit an verlohren, da wir den neuen Be -ſitzer5481. Buch. 8. Tit. §. 181.ſitzer bey unſerer Ruͤckkunft in unſerm Eigenthum finden, dieſer uns nicht weichen will, wir ſeine Gewalt fuͤrchten, und uns abweiſen laſſen77)L. 3. §. 8. L. 6. §. 1. et L. 7. D. de acquir. poſſeſſ. . Hieraus folgt, daß auch erſt von der Zeit an, da der vorige Beſitzer durch ſein Zu - ruͤckweichen den buͤrgerlichen Beſitz verlohren, der neue Beſitzer civiliter zu beſitzen anfange78)cuperus in laudat. Obſervat. ſelectis P. II. cap. 19. et 20. Weſtphal a. a. O. §. 193. und 194.. Der Grund hiervon iſt, weil es fuͤr unmoͤglich gehalten wird, daß Zwey die naͤmliche Sache auf einerley Art und mit glei - chen Wirkungen und doch dabey im Ganzen beſitzen79)L. 3. §. 5. D. eodem tit. Plures eandem rem in ſolidum poſ - ſidere non poſſunt. Contra naturam quippe eſt, ut cum ego aliquid teneam, tu quoque id tenere videaris. sabinus tamen ſcribit, eum, qui pecario dederit, et ipſum poſſidere, et eum, qui precario acceperit. Idem trebatius probabat, exiſtimans, poſſe alium iuſte alium iniuſte poſſidere. Duos iniuſte, vel duos iuſte, non poſſe. Quem labeo reprehendit: quoniam in ſumma poſſeſſionis non multum intereſt, iuſte quis an iniuſte poſſideat Quod eſt verius. Non magis enim eadem poſſeſſio apud duos eſſe poteſt, quam ut tu ſtare videaris in eo loco, in quo ego ſto; vel in quo ego ſedeo, tu ſedere videaris. . Mithin kann der Beſitz des zweyten nicht eher anfangen, als bis der Beſitz des erſtern aufgehoͤret hat80)Vergleiche de retes in Praelect. ad Tit. D. de acquir. poſſ. cujacius Obſervat. lib. XVIII. cap. 24. biccius in libello de poſſeſſione duorum, Argent. 1645. merenda Controverſ. Iuris Lib. XII. Cap. 6. 7. 8. 13. et 23. inſonderheit aber cuperus in Obſ. ſelect. ſaepius laudat. P. II. cap. 15. 16. 17. et 18. und Weſtphal im angef. Buche §. 65. S. 67..
Uebrigens haben nun die Geſetze dem Beſitze um des gemeinen Beſten willen mancherley Wirkungen bey - gelegt, und denſelben mit beſondern Vortheilen verknuͤpft,wel -549De diviſione rerum et qualitate. welche dem Beſitzer blos darum zukommen, weil er Be - ſitzer iſt, oder weil er, wenn er auch in einem gewiſſen Falle die koͤrperliche Detention der Sache nicht haͤtte, doch wenigſtens nach dem Civilrechte fuͤr den Beſitzer zu halten iſt. Dieſe nennt man Rechte des Beſitzes; und ſie ſind von großer Wichtigkeit81)Von den rechtlichen Wirkungen und Vortheilen des Beſi - tzes handeln Hieron. de oroz de Apicibus Iur. Civ. Lib. IV. cap. 8 et 9. Iuſt meier in Colleg. Iur. Argentorat. Tit. de acquir vel amitt. poſſeſſ. Theſ. 22. und Weſtphal in dem Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen, Beſitz ꝛc. II Th. 7. Kap. §. 200. folgg. S. 189. und folgg. In be - ſondern Schriften aber fichtner Diſſ. de poſſeſſionis Com - modis, Io Frid. boeckler Diſſ. de favore iuris civ. erga poſſeſſores, Argentor. 1740. P. muͤller Diſſ. beati poſſiden - tes; H. bodinus de beatitudine iuridica, et C. O. thylius Diſſ. de beatitudine poſſidentium iuridice conſiderata. Heidel - bergae 1722.. Ich werde je - doch hier nur in ſo fern derſelben gedenken, als es zu Beantwortung der Frage noͤthig iſt, warum die Poſ - ſeßion kein dingliches Recht ſey? Denn die Materie von den Rechten des Beſitzes wird an einem an - dern Orte (Lib. XLI. Tit. II. §. 1751.) vollſtaͤndiger abgehandelt. Zu denen Rechten und Vortheilen des Beſitzes gehoͤren z. B. folgende: daß der Beſitzer in der Regel vom Beweiſe und Angabe ſeines Rechtstitels frey iſt, wenn er ſeines Beſitzes wegen von Jemand in An - ſpruch genommen wird; — daß in zweifelhaften Faͤllen, und bey gleichen Gruͤnden, fuͤr den Beſitzer geſprochen werden muß; — daß dem bonae fidei poſſeſſor die Verjaͤhrung zu ſtatten kommt, und dieſer ſo lange fuͤr den praͤſumtiven Eigenthuͤmer gehalten werden muß, bis ein anderer das Gegentheil erwieſen. Vorzuͤglich gehoͤrt auch noch hierher der Gebrauch der poſſeſſoriſchenRechts -5501. Buch. 8. Tit. §. 181.Rechtsmittel, welche man Interdicta82)Es war nothwendig, daß der Praͤtor dergleichen Interdicta oder auſſerordentliche Rechtsmittel um des Beſitzes willen einfuͤhrte, weil das buͤrgerliche Recht keine actiones legiti - mas enthielt, quibus quis poſſeſſionem, rem in facto poſitam. ex Iure Quiritium suam vocare auderet: S. festus de Ver - bor. Significat. Voc. Poſſeſſio. et cujacius in Prolegom. ad Tit. Cod. de acquir. et retin. Poſſeſſ. Operum Tom. IX. nennt, und von denen das 43ſte Buch der Pandekten handelt. Dieſe Interdicte, zumahl wenn ſie um des bloſen Beſitzes wil - len angeſtellet werden, ſind jedoch nur perſoͤnliche Rechts - mittel. Ulpian83)L. 1. §. 3. D. de Interdict. Conf. Pet. Frid. mindanus de Interdictis Comment. VII. n. 42. ſqq. ſagt dies wenigſtens ausdruͤcklich, wenn er lib. 67. ad Edictum ſchreibt: Interdicta omnia, licet in rem videantur concepta, vi tamen ipſa perſonalia ſunt: das heißt, wie Ulrich Zuber84)in Praelectionib. Iuris Civ. ſec. Inſtitut. Iuſtinianeas Lib. IV. Tit. XV. §. 7. pag. 547. (Franequerae 1698. 4.) dieſe Stelle am richtigſten erklaͤrt, wenn gleich Interdicte auch gewiſſe Sachen, und nicht blos perſoͤnliche Verbindlichkeiten, zum Gegenſtande haben, oder wohl von der Art ſind, daß ſie, wie actiones in rem ſcriptae, gegen jeden Be - ſitzer gehen, ſo ſind ſie doch ihrer Natur und Wir - kung nach nur perſoͤnliche Rechtsmittel, weil ſie aus keinem dinglichen Rechte entſtehen85)Zwar will Io Ortw. westenberg in Princip. Iuris ſec. ordin. Digeſtor. Lib. XLIII. Tit. I. §. 16. behaupten, daß das Interdictum Quorum bonorum aus dem Erbrecht, und das In - terdictum Salvianum aus dem Pfandrecht entſpringe; allein Huber a. a. O. pag. 547. hat dieſe Meinung gruͤndlich wi - derlegt. Man vergleiche jedoch auch H. Prof. puͤttmann Diff. de Salviano Interdicto Lipſiae 1773. Cap. I. pag. 13. vor - zuͤglich aber Cap. IV. pag. 24. et 25., auch nicht zur Abſicht haben, daß dem Imploranten ein dingliches Rechtzuer -551De diviſione rerum et qualitate. zuerkannt werde86)Nur das Interdictum de itinere actuque privats macht eine Ausnahme, wie ebenfalls Ulpian L. 3. §. 13. D. de Iti - nere actuq. priv. bezeuget., ſondern nur darauf abzielen, daß Implorant die Poſſeßion erhalte, oder behalte. Ein Beweiß, daß die Poſſeßion an ſich weder ein dingliches Recht ſey, noch ein ſolches wirke87)S. Huber a. a. O. §. 2. pag. 544.. Denn ein ding - liches Recht haftet unmittelbar auf der Sache ſelbſt, (§. 176.) ſie mag uͤbrigens ſich befinden, bey wem ſie wolle. Allein von der Art iſt kein Beſitz. Denn man betrachtet den Beſitz entweder, in ſofern er facti, oder in ſofern er iuris iſt. Im erſten Fall dauert der Be - ſitz nur ſo lange, als man das phyſiſche Vermoͤgen hat, uͤber die Sache zu diſponiren, mithin die Sache in un - ſerer Gewahrſam iſt. Hierin ſtimmen Paulus88)L. 3. §. 13. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. und Cajus uͤberein89)L. 15. D. de acquir. poſſeſſ. L. 5. D. de Uſurpat. et uſucap. . Allein auch im letztern Fall, wenn man ſich unter dem Beſitz das Poſſeſſionsrecht denkt, kann dieſes kein dingliches Recht ſeyn. Denn es ent - ſpringt aus dem Beſitz, der Beſitz iſt aber kein dingliches Recht. Die roͤmiſchen Geſetze geben auch um des bloſen Beſitzes willen keine actionem in rem. Paulus90)L. 7. D. de vi et vi armata. lehrt vielmehr das Gegentheil, wenn er lib. 24. ad Edictum ſagt: Cum a te vi dejectus ſim, ſi Titius eandem rem poſ - ſidere coeperit: non poſſum cum alio, quam tecum, Interdi - cto experiri. Man wende nicht ein, daß dem bonae fidei poſſeſſor des verlohrnen Beſitzes wegen die actio publi - ciana zuſtehe, und dieſe eine dingliche Klage ſey. Denn die publicianiſche Klage iſt ein petitoriſches, und keinpoſſeſſo -5521. Buch. 8. Tit. §. 181.poſſeſſoriſches Rechtsmittel, was ſich nicht blos auf gehab - ten Beſitz, ſondern auf ein praͤſumtives Eigenthum gruͤn - det91)S. Weſtphal in dem oͤſters angef. Syſtem des R. R. §. 983. folgg. S. 762.. Daher ſagt Ulpian lib. 16. ad Edictum92)L. 7. §. 6. D. de publiciana in rem actione. : Publiciana actio ad inſtar proprietatis, non ad instar possessionis, reſpicit. Scheinbarer iſt der Einwurf, den die Vertheidiger der entgegen geſetzten Meinung aus der L. un. Cod. de alienat. iud. mut. cauſa facta herneh - men duͤrften. In dieſem Geſetze reſcribiren die Kr. Dioclerian und Maximian an einen gewiſſen Atta - lus: Cum in rem actionem possessio pariat adversario; alienatione etiam iudicii mutandi cauſa ce - lebrata, in integrum reſtitutio Edicto perpetuo permittatur: intelligis, ſi rem, ne ſecum ageretur, qui poſſidebat, venum - dedit, et emtori tradidit: quem elegeris, conveniendi tibi tributam eſſe iure facultatem. Wer ſollte alſo nach den Anfangsworten dieſes Geſetzes daran zweifeln, daß der Beſitz eine Realklage wirke? Es iſt wirklich zu bewun - dern, daß unſere Gegner dieſe Stuͤtze ihrer Meinung ſo ganz unbenutzt gelaſſen, bey welcher die Vertheidiger un - ſerer Meinung ſo viele Schwierigkeiten gefunden haben, ſie aus dem Wege zu raͤumen. Cujaz93)ad L. 3. Cod. de Edendo. , Schul - ting94)Enarrat. part. I. Digeſtor. Lib. IV. Tit. VII. §. 2. und Noodt95)de Pactis et Tranſact. Cap. 13. et ad Tit. Dig. de Edendo pag. 65. it. ad Tit. de alienat, iud. mut. cauſ. facta in fin. haben ſogar zur Emendation ihre Zuflucht nehmen wollen. Allein daß bey dieſer Stelle keine Emendation noͤthig ſey, dieſelbe auch unſerer Meinung ganz und gar nicht entgegen ſtehe, wird ſich gleich ergeben. Die Sache des Attalus, an welchendie553De diviſione rerum et qualitate. die Kr. Diocletian und Maximian in der angefuͤhr - ten L. un reſcribiren, war von demjenigen, welcher ſie in Haͤnden hatte, iudicii mutandi cauſa, an einen Drit - ten verkauft, und auch demſelben wirklich uͤbergeben wor - den, blos um durch Veraͤnderung des Gerichtszwanges dem Attalus die Ausfuͤhrung ſeiner Anſpruͤche beſchwer - licher zu machen. Attalus wandte ſich deshalb an die erwaͤhnte Kaiſer, und frug an: ob er den alten oder neuen Beſitzer belangen muͤſſe? Die Kr. antworten ihm, er habe unter beyden die Wahl, gegen denjenigen, wel - chet iudicii mutandi cauſa ſeine Sache an den Dritten veraͤuſſert hat, koͤnne er actione in factum ex Edicto Proconſulis Reſtitutionem in integrum ſuchen. Gegen den dritten Beſitzer aber koͤnne er actione in rem klagen, und zwar aus dem Grunde, quod in rem actionem poſſeſſio pariat adverſario. Dieſe Worte koͤnnen auf zweyerley Art erklaͤrt werden. Erſtlich, wennn man unter dem Ad - verſario, den Gegner des Beſitzers, alſo den Eigenthuͤ - mer der Sache, verſteht, welchem die Realklage gegen den Beſitzer zukommt. Nun iſt der Sinn dieſer: weil der Beſitz desjenigen, welcher die Sache in Haͤnden hat, dem Eigenthuͤmer (adverſario) eine Realklage gegen den Beſitzer verſchaft, d. i. ihn in den Stand ſetzt, daß er ſeine Sache vindiciren kann. So erklaͤren dieſe Worte Zugo Donellus96)in Commentar. Iuris Civil. Lib. XX. Cap. 3. Da heißt es: Inde illud in L. un. Cod. de alienat. iud mut. cauſ. fact. poſſeſſio in rem parit actionem adverſario, nihil aliud eſt, quam poſſeſſionem eius, qui rem poſſidet, hoc praeſtare adverſarie, id eſt, petitori, qui rem vindicat, ut cum poſſeſſore in rem agi poſſit: ſeu poſſeſſionem cauſam eſſe, quae vindicanti actionem in rem tribuat adverſus poſſeſſorem. , Joſeph Averanius97)Interpretation. Iuris Lib. I. cap. XV. n. 17. pag. 97., dompierredeGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. N n5541. Buch. 8. Tit. §. 181.de ionquieres98)in Specimine de Reſtitutionibus in integrum (Lugduni Bata - vor. 1767. 8.) Tit. VII. §. VIII. pag. 436. ſq. und David. de l’espaul99)in Specim. inaug. de poſſeſſione ſpeciebus iuris in re non ad - numeranda (Leiden 1784) §. XXIX. . Zur Beſtaͤrkung dieſer erſten Erklaͤrung fuͤge ich nur noch hin - zu, daß es in der Sprache unſerer Geſetze gar nichts ungewoͤhnliches ſey, den Klaͤger, insbeſondere aber den Eigenthuͤmer Adverſarium, gleichſam den Gegner des Beſitzers, zu nennen100)L. 37. §. 1. D. de Procurator. L. 33. D. de dolo malo. . Zweytens kann aber auch unter dem Adverſario in der angefuͤhrten L. un. derjeni - ge verſtanden werden, welchem die Sache iudi - cii mutandi cauſa verkauft worden war, und welchem eben daher ſein Beſitz eine Re - alklage zuzieht, oder verurſacht, die ohne dieſen Beſitz nicht wider ihn haͤtte angeſtel - let werden koͤnnen. Dieſe Erklaͤrung nehmen Joh. Wilh. Marckart1)in Interpretation. receptarum Iuris Civil. lectionum (Trajecti ad Rhen. 1747. 8.) Lib. I. cap. 7. §. 2. pag. 46. ſqq. und Herr Prof. Kluͤber2)in der kleinen juriſt. Bibliothek III. Band 9. Stuͤck Nr. XXVII. S. 115. an. Auch dieſe Erklaͤrung iſt ſowohl dem gemeinen als iuri - ſtiſchen Sprachgebrauche gemaͤß. Man denke nur an das bekannte Spruͤchwort: Obſequium amicos, veritas odium parit. In eben dieſer paſſiven Bedeutung braucht Ulpian das Wort parere, wenn er lib. 30. ab Sabinum3)L. 35. D. pro ſocio. ſchreibt: Nemo poteſt ſocietatem heredi ſuo ſic parere, ut ipſe heres ſocius ſit. Es iſt alſo entſchieden, daß der bloſe Beſitz nach roͤmiſchen Rechten dem Beſitzer kein dingliches Recht an der beſeſſenen Sache, mithinauch555De diviſione rerum et qualitate. auch keine Realklage giebt. Ob aber nicht nach kano - niſchen Rechten ein anders zu behaupten ſey? iſt eben - falls ſtreitig. Ich meines Theils kann mich davon nicht uͤberzeugen. Denn aus den Texten, die man insgemein fuͤr dieſe Meinung anzufuͤhren pflegt4)Can. 3. Cauſ. III. Qu. 1. et Cap. 18. X. de reſtitut ſpolia - tor. Beyde Texte beweiſen nichts. Denn was zufoͤrderſt den can. 3. anbetrift, ſo iſt derſelbe erſtlich untergeſchoben, und aus Pſevdo-Iſidor entlehnt, S. David. blondellus in Pſeudo-Iſidoro pag. 570.; er enthaͤlt zweytens eine unrichti - ge Leſeart, denn gerade die Worte violentia maiorum, worauf man ſich ſteift, ſind verdorben. S. eckhardi Hermenevt. iuris Lib. I. cap. VIII. §. 317. Die beſten Codices vom Gra - tians Decret leſen violentia malorum, wie der ſel. Canz - ler boehmer ad b. canon. bemerkt hat; und drittens iſt darinn ſchlechterdings keine Abaͤnderung des roͤm. Rechts wahrzu - nehmen, wie boehmer ad b. can. beſonders aber Caſp. zieg - ler in Commentar. ad Can. Redintegranda 3. Cauſ. 3. quaeſt. 1. welcher nicht nur Deſſelben Praelectionib. Public. in De - cretales (Dresdae 1699 4.) pag. 167 — 201. einverleibt wor - den, ſondern auch in des Hrn. Prof. Woltaͤrs Obſervat. iuris civ. et Brandenb. Faſcic. II. Obſerv. 35. mit vielen vor - treflichen Bemerkungen befindlich iſt, ſehr ausfuͤhrlich gezeigt haben. Das andere cap. 18. aus den Decretalen hinge - gen geſtattet ausdruͤcklich die Spolienklage nur gegen einen ſolchen Beſitzer, der wenigſtens Wiſſenſchaft von dem Spo - lium gehabt hat, als er die Sache an ſich brachte; weil die - ſer, da ihm das Spolium nicht unbekannt war, noch in der Folge durch die Erwerbung der ſpoliirten Sache Antheil da - ran genommen hat. Dieß laͤßt ſich aber auf einen dritten bonae fidei Poſſeſſor nicht ausdehnen. Vid. cramer Diſſ. de re - ſtitutione ſpoliati adverſus tertium b. f. poſſeſſorem Tom. III. Opuſc. , erhellet nicht, daß dem Spoliirten wider jeden dritten Beſitzer das Re - medium ſpolii zuſtehen ſolle. Ich werde jedoch hiervon an einem Orte der Pandecten (§. 1853.) umſtaͤndlicher handeln. Hier bemerke ich nur noch zum Beſchluß, daßN n 2durch5561. Buch. 8. Tit. §. 181. u. 182.durch die Verordnungen des Weſtphaͤliſchen Friedens dem im Entſcheidungsziele 1624. gehabten Beſitze in kirchli - chen Dingen ſowohl als auch in politiſchen Sachen, wel - che mit den erſten in Verbindung ſtehen, die Wirkung eines dinglichen Rechts zwiſchen den katholiſchen und evangeliſchen Religionsverwandten beygelegt worden ſey5)S. Hrn. G. JuſtizR. Boͤhmers Principia Iuris Canon. §. 50. et 51. und Hofr. Schnauberts Beytraͤge zum deut - ſchen Staats - und Kirchenrecht 2. Theil N. II. §. 14. S. 141.. Dies waͤre denn freylich eine ſehr wichtige Ausnahme von den obigen Grundſatz der gemeinen und fremden Rechte in Deutſchland.
Noch iſt die Frage zu beantworten uͤbrig, ob auch einem natuͤrlichen Beſitzer Poſſeſſionsrechte zuſte - hen? Unſer Verfaſſer will dies laͤugnen; allein man ma - che einen Unterſchied zwiſchen ſolchen Rechten, welche blos vom Civilbeſitz abhangen, und denen, welche die Geſetze einem jeden Beſitze beylegen. Poſſeſſionsrechte der erſten Art ſtehen freylich dem natuͤrlichen Beſitzer nicht zu. Z. B. er hat nicht das Recht der Uſucapion6)L 1. Cod. commun. de uſucap. L. 13. pr. D. de Uſurpat. et uſucap. , auch dann nicht, wenn er gleich den Beſitz animo domini ausuͤbt, in ſo - fern naͤmlich die Geſetze dieſe Abſicht des Beſitzers ver - werfen, und den Beſitz deſſelben blos fuͤr einen natuͤr - lichen erklaͤren7)So z B. hat eine Frau von dem, ſo der Mann ihr geſchenkt hat, bey Lebzeiten des Mannes keinen buͤrgerlichen Beſitz. L. 26.. Ein blos natuͤrlicher Beſitzer kannſich557De diviſione rerum et qualitate. ſich ferner der Interdicte uti poſſidetis und Utrubi nicht bedienen, denn dieſe ſtehen nur einem Civilbeſitzer zu8)L 9 D de Rei Vindicat. L. 3. §. 8. D. uti poſſidet. L. 31. § 4. D. de Uſurpat. et Uſucap. Jedoch kann ſich der Uſu - fruetuarius des Interdicts uti poſſidetis bedienen. L 4 D. Uti poſſidet. Auch der Pfandglaͤubiger, galvanus de Uſu - fructu Cap. XXXIII. pag. 461. (edit. Tubingenſ. ) denn bey - der ihr Beſitz iſt gewiſſermaſſen ein Civilbeſitz. Siehe oben S. 524. und 525.. Allein Poſſeſſionsrechte der letztern Art ſind ihm nicht ab - zuſprechen. Es darf daher auch dem natuͤrlichen Beſitzer ſein Beſitz nicht durch Privatgewalt entzogen werden, er iſt vielmehr, wenn man ihn unrechtmaͤſig entſetzen will, eben ſo gut, wie ein Civilbeſitzer, berechtiget, ſich bey ſeinem Beſitze mit Gewalt zu vertheidigen und zu behaup - ten9)L. 1. §. 27. D. de Vi et Vi arm. L. 1. Cod. Vnde vi. . Auch ihm ſtehet das Interdictum unde vi zu10)L. 1. §. 9. et 10. D. de vi. L. 3. §. 13. D. eodem. . Nur der Paͤchter kann das Interdict nicht in ſeinem Na - men anſtellen11)L. 1. §. 10. D. eodem. . Er hat es aber doch, naͤmlich auf den Namen des Verpaͤchters12)S. Weſtphal im Syſtem des R. R. §. 254.. Ferner ſtehet dem na - tuͤrlichen Beſitzer in gewiſſen Faͤllen das Retentionsrecht zu13)S. Ge. Lud. boehmer Diſſ. de iure retentionis. Goettingae 1773. in Electis Iur. Civ. T. II. N. 13..
Zuletzt noch ein Wort von der ſo genannten Quaſi - Poſſeſſion. Der Gegenſtand des Beſitzes koͤnnen eigent -N n 3lich7)L. 26. pr. D. de donat. inter vir. et uxor. ſondern nur einen natuͤrlichen L. 1. §. 4. L. 16. D. de acquir. vel amitt. poſſ. L 13. §. 1. D. de petit. bereditat. Mithin kommt ihr keine Uſucapion zu ſtatten. L. 1. §. 2. D. pro donato. 5581. Buch. 8. Tit. §. 182.lich nur koͤrperliche Sachen ſeyn. Dies ſagt auch Pau - lus14)L. 3. princ. D. de acquir. vel amitt. poſſ. lib. 54. ad Edictum ausdruͤcklich: Poſſideri au - tem poſſunt, quae ſunt corporalia. Denn nur von den koͤr - perlichen Dingen allein wurde nach den Grundſaͤtzen der Stoiker ein eigentliches Daſeyn angenommen. Rechte, Befugniſſe, Gerechtſame kann man zwar ausuͤben, und gebrauchen, allein ein eigentlicher Beſitz, eine koͤrperliche Detention derſelben iſt undenkbar. In ſpaͤtern Zeiten haben jedoch die Rechtsgelehrten auch auf unkoͤrperliche Dinge, naͤmlich auf Gerechtſame, die Grundſaͤtze vom Beſitz angewendet. Dies lehrt Pomponius15)L. 15. §. 2. D. de precario. lib. 29. ad Sabinum: Precario habere etiam ea, quae in iure consistunt, poſſumus. Denn auch die precaria poſ - ſeſſio iſt eine Art des Beſitzes. Man nahm hierbey die Analogie zu Huͤlfe; denn daß der Gebrauch oder die Aus - uͤbung einer Befugniß mit der Handlung, wodurch man das phyſiſche Vermoͤgen erlangt, uͤber eine koͤrperliche Sache disponiren zu koͤnnen, eine große Aehnlichkeit hat, iſt ohne Zweifel. So entſtand alſo ein analogiſcher oder Quaſi-Beſitz16)Die Benennung quaſi poſſeſſio kommt vor L. 10. D. Si ſer - vitus vindicet. L. 3. §. 17. D. de Vi et Vi armata. Die Par - tikul quasi iſt der unterſcheidende Charakter, deſſen ſich die roͤmiſchen Rechtsgelehrten bedient haben, wenn ſie von dem eigentlichen und urſpruͤnglichen Sprachgebrauche abwichen, um hierdurch zu erkennen zu geben, daß zwar dasjenige, was die Benennung mit ſich bringt, eigentlich nicht vorhanden ſey, allein doch etwas aͤhnliches. Conf. Henr. linck de Synca - tegorematis Quaſi uſu iuridico. Altdorf. 1675. Chriſt. Gottfr. hofmann Diſſ. de ſignificatione et uſu particulae Quaſi in Iure Rom. Frfti 1727. und vorzuͤglich Io. David dieterici Diſp. de genuina Quaſi notione iuridica. Goettingae 1740., welcher in dem Gebrauche einesRechts559De Senatoribus et officio Magiſtratuum Rom. Rechts oder Befugniß beſtehet, ſo man in der Abſicht, ſich dieſelbe anzumaßen, wenigſtens einmal ruhig ausge - uͤbt hat. So z. Beyſpiel ſagt man, man ſey in der Quaſipoſſeſſion der Jagdgerechtigkeit, wenn man ſie wirk - lich ausuͤbt. Mit dieſer Vorſtellung ſtimmt auch Cheo - philus uͤberein, wenn er in ſeiner Paraphraſe der Inſti - tutionen ad princip. l. de Interdictis ſagt: quasi pos - sessio eſt incorporalis rei uſus. Ein mehreres hiervon an einem andern Orte (§. 1750.)
Dem gemeinen Weſen iſt nun daran gelegen, daß ein jeder ſein Recht durch richterliche Huͤlfe verfolge. Denn Selbſthuͤlfe ſtreitet gegen den erſten Endzweck buͤrger - licher Geſellſchaften, gegen die innere Sicherheit. In einer ordentlich eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft muß daher der Regel nach alle eigenthaͤtige Gewalt verboten ſeyn17)L. 13. §. 3. D. de Uſufructu. L. 13. D. Quod metus cauſa geſtum erit. . Die roͤmiſchen Geſetze18)§. 9. I. de Interdict. L. 7. Cod. Unde vi. L. 7. D. ad Leg. Iul. de vi privata. beſtrafen die Selbſt -N n 4huͤlfe5601. Buch. 9 — 22. Tit. §. 183.huͤlfe mit dem Verluſt ſeiner habenden Anſpruͤche, und wer Privatgewalt ausuͤbt, ohne einen rechtlichen Anſpruch wirklich gehabt zu haben, muß auſſer der Ruͤckgabe der weggenommenen Sachen, den Werth davon zur Strafe oben drauf geben. Die teutſchen Reichsgeſetze haben die - ſe Verordnung nirgends aufgehoben, ſondern vielmehr nicht undeutlich beſtaͤtiget19)Kammergerichtsordn. v. Jahr 1521. Tit. 32. §. 2. Reichsabſch. v. J. 1532. Tit. 3. §. 15.. Es iſt auch mit Grunde nicht zu behaupten, daß das Geſetz zu hart ſey. Denn da in jedem Staate Gerichte beſtellet ſind, die Recht und Gerechtigkeit handhaben, und durch deren Beyhuͤlfe ein jeder ſein Recht geltend machen kann; ſo iſt gewiß nichts uͤbertriebenes darinn zu finden, wenn derjenige ſeines Rechts verluſtig erklaͤrt wird, der es auf dieſem geſetzlichen Wege nicht ſuchen, ſondern als ein Feind guter Ordnung die Ruhe und Sicherheit des gemeinen Weſens zerruͤtten will20)S. koch Inſtitut. Iur. crimin. Lib. II. cap. VI. §. 242. not. I. H. boehmer in Diſſ. de poena ins ſibi dicentis ſine iudice Cap. 2. Nicol. Chriſtoph. L. B. de lyncker in Praeſcriptio - nib. public. (Viennae 1723. 8.) Praeſcr. VII. Medita - tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien von zweyen Rechtsgelehrten I. Band Meditat. 51. und Ern. Lud. Aug. eisenhart Diſſ. de poena legibus Roman. adverſus vindictam privatam ſancita in foris adhuc valida. Helmſtadii 1787.. Die Selbſthuͤlfe kann jedoch nur blos in ſoweit fuͤr unerlaubt und ſtrafbar gehalten werden, als man ſein Recht ohne allen Nachtheil gerichtlich haͤtte verfolgen und erhalten koͤnnen. Sie iſt daher erlaubt, ſofern ſie blos zur Vertheidigung des Unſrigen in ei - nem ſolchen Fall angewendet wird, da die Huͤlfe des Richters nicht ſchnell genug erfol - gen kann, einen unwiderbringlichen Schadenabzu -561De Senatoribus et officio Magiſtratuum Rom. abzuwehren21)Die hierher gehoͤrigen einzelnen Faͤlle, in welchen nach roͤmiſchen und teutſchen Rechten die Selbſthuͤlfe erlaubt iſt, findet man am vollſtaͤndigſten in Hrn. Hofr. Claproths Einleitung in den ordentlichen buͤrgerlichen Proceß I. Theil §. 3. 4. u. 5.. Die Grenzen einer ſolchen Privat - gewalt werden nach dem Angriffe, oder nach der wahr - ſcheinlichen Beſorgniß abgemeſſen, und eine geringe Ue - berſchreitung der Selbſtvertheidigung, welche ein jeder anderer auch unternommen haben wuͤrde, kommt nicht in Betrachtung. Kann nun aber durch erlaubte Selbſt - huͤlfe eine Sache nicht beygelegt werden, ſo muß man richterliche Huͤlfe ſuchen. Daher wird nun in den uͤbri - gen Titeln dieſes erſten Buchs von den verſchiedenen Magiſtratsperſonen der Roͤmer und deren Amte und Ge - walt gehandelt. Da ſich jedoch dieſe obrigkeitlichen Aem - ter auf die beſondere Regimentsverfaſſung des roͤm. Staats beziehen, und heutiges Tages ceßiren, ſo ſey es genug, die davon handelnde Titel wenigſtens curſoriſch hier anzufuͤhren. Tit. X. de officio Conſulis, die Conſuln waren die Ober - haͤupter des Senats, hatten Gerichtsbarkeit und legis actio; (§. 184.) erkannten beſonders in Fideicommiß - und Alimentſachen, vor ihnen konnten auch Adoptionen, Emancipationen und vorzuͤglich Manumißionen geſchehen. Tit. XI. de officio Praefecti praetorio: Sie waren nach der Einrichtung des K. Auguſts bloſe Oberſten der kai - ſerlichen Garde22)S. Io. Dan. ritter Hiſtoria praefecturae praetorianae ab origine dignitatis usq. ad[Conſtantinum] M. Vitembergae 1745. et Arn. drackenborgii Diſſ. de officio Praefectorum Prae - torio. Trajecti ad Rhen. 1707. in oelrichs Theſ. Diſſere. Belgic. Vol. II. Tom. 2.. Kr. Antoninus der Philoſoph mach - te ſie zu ſeinen Cabinetsraͤthen. Unter Septimius Se - verus erhielten ſie eine ordentliche und eigene Gerichts -N n 5barkeit5621. Buch. 9 — 22. Tit. §. 183.barkeit ſowohl in buͤrgerlichen als peinlichen Rechtsfaͤllen; ihre Gerichtsſtube hieß Auditorium23)L. 40. D. de rebus credit. . Sie hatten auch ihre eigenen Aſſeßoren, unter welchen die beruͤhmteſten Rechtsgelehrten waren24)Z. B. Papinian L. 3. §. 3. D. de Uſuris. . Ja unter dieſem Kr. ſtieg ihr Anſehen ſo ſehr, daß ſie die Gewalt der erſten Staats - miniſter bekamen. Sie waren, wie Zoſimus25)lib. II. Hiſtor. cap. 32. ſagt, magiſtratus a Principe ſecundus. Von ihren Rechts - ſpruͤchen fand keine weitere Appellation ſtatt. Tit. XII. de officio Praefecti urbi. Der Praefectus urbi hatte die ganze Policey in Rom, und der umliegenden Gegend26)S. Arn. drackenborch Diſſ. de Praefectis urbi, ſub praeſid. Pet. burmanni rec. Francof. cis Viadrum 1752. et Eduard. corsini Series praefectorum urbis ab urbe condita ad annum usque MCCCLIII. Piſis 1763. 4. maj. ; vor ihn wurden auch Criminalſachen, beſonders der Scla - ven, gebracht. Bey ihm konnten auch Minderjaͤhrige reſtitutionem in integrum ſuchen27)L. 38. pr. D de Minorib. . Tit. XII. de of - ficio Quaeſtoris. Die Quaeſtoren waren die geringſten obrigkeitlichen Perſonen, quaſi primordium gerendorum honorum, hatten jedoch Sitz und Stimme im Senat. Einige von ihnen waren dazu beſtimmt, die Briefe und Botſchaften des Kaiſers im Senat vorzuleſen, und hieſ - ſen Candidati principis. 28)Io. Frid. mager Diſſ. de Candidatis Principis. Lipſiae 1733.Tit. XIV. de officio Praetorum. Von den Praͤtoren waren einige zur Jurisdiction, ande - re zum Iudicium publicum beſtimmt. In den Frag - menten dieſes Titels wird nur ihrer Legis actio gedacht. Bey ihnen konnten Manumiſſionen, Adoptionen und Emancipationen geſchehen. Sie beſtellten auch Vormuͤn -der563De Senatoribus et officio Magiſtratuum Rom. der29)ulpianus Fragm. Tit. XI. §. 18.. Tit. XV de officio Praefecti vigilum. Er com - mandirte die Policey-Soldaten, mußte beſonders zur Nachtszeit die noͤthige Sicherheitsanſtalten gegen Diebe - rey und Feuersbruͤnſte treffen, und hatte auch in derglei - chen Faͤllendie Cognition und ein Strafrecht. Schwerere peinliche Faͤlle muſte er dem Praefectus urbi uͤberlaſſen. Tit. XVI. de officio Proconſulis et Legati. Tit. XVII. de officio Praefecti Auguſtalis, Tit. XVIII. de officio Praeſidis. In jeder Provinz war ein Gouverneur, Praeſes Provinciae, welches eine allgemeine Benennung war; wurde derſelbe vom Senat ernannt, und in eine ſenatoriſche Provinz geſchickt, ſo hieß er Proconſul, Propraetor; ernannte ihn der Kaiſer zum Gouverneur, ſo hieß er Legatus Caeſa - ris; Praefectus Auguſtalis30)S. gebaueri Progr. de differentia inter Proconſulem et Legatum Caeſaris Goettingac 1737., dieſer letztere Name war beſonders dem Gouverneur von Egypten eigen. Der Gou - verneur hatte in der Provinz die Jurisdiction ſowohl in buͤrgerlichen als peinlichen Rechtsfaͤllen. Allein ſolche Rechtshandlungen, die zur iurisdictione voluntaria ge - hoͤren, z. B. Emancipationen, Adoptionen, Manumiſſio - nen, konnte er auch auſſer der Provinz beſtaͤtigen (L. 2. pr. de off. Proconſ.) Er hatte zugleich die Sorge fuͤr die Policey, u. ſ. m. Beym Antritte ſeines Amts erhielt er eine Inſtruction vom Kaiſer (mandatum). Gewoͤhn - lich hatte ein Gouverneur ſeinen Stellvertreter (Legatus), dem er jedoch nur das uͤbertragen konnte, was ihm ſelbſt Kraft ſeiner Charge zukam (quae jure magiſtratus com - petunt), nicht was ſeiner Charge erſt beſonders vermoͤge eines Volksſchluſſes, Senatusconſultum, oder kaiſerli - cher Verordnung beygelegt worden. Hierher gehoͤrt Tit. XXI. de officio eius cui mandata eſt iurisdictio. Alſo was zur legisactio oder merum imperium gehoͤrt, durfteder5641. Buch. 9 — 22. Tit. §. 183.der Legat des Gouverneurs nicht verrichten. Tit. XIX. de officio Procuratoris Caeſaris, vel Rationalis; der Procura - tor Caeſaris beſorgte die Finanzſachen in der Provinz, nicht blos als Adminiſtrator der oͤffentlichen Einnahme, ſondern auch mit einiger Jurisdiction. Tit. XX. de of - ficio Iuridici. Der Name Iuridicus war dem Richter in der Stadt Alexandrien vorzuͤglich eigen. Er war ein Subaltern vom Praefectus Auguſtalis31)Dieß hat gegen Heineccius ſehr einleuchtend gezeigt Io. Dan. ritter in Obſervat. ad Heineccii hiſtor. Iuris Lib. I. §. 177.. Jedoch hat - te er auch legis actionem; und konnte Vormuͤnder be - ſtellen. Endlich Tit. XXII. de Officio Adſeſſorum. Die roͤmiſchen obrigkeitlichen Richter hatten ihre Beiſitzer, die ſie in wichtigen Sachen um Rath fragten. Sie wa - ren insgemein die beruͤhmteſten Juriſten, und werden da - her Iuris ſtudioſi genennt. Ihr Amt betraf, nach Pau - lus L. 1. b. t. cognitiones, poſtulationes, libellos (ſc. ſupplices) edicta, epiſtolas32)Conf. Io. Diter. van leeuwen Diſſ. I. et II. de Iuris Stu - dioſis Trajecti ad Rhen. 1757. et 1758. in Gerb. oelrichs Theſ Novo Diſſertat. Belgicar. T. I. Vol. II. N. 5. et 6. et Io Frid. Theod. rolle Hiſtoria iuris civ. de aſſeſſoribus Ma - giſtratuum Romanor. Lipſiae 1787.. Wer von dieſen und andern obrigkeitlichen Aemtern der Roͤmer ein meh - reres wißen will, dem empfehle ich vor allen andern haupt - ſaͤchlich folgende zwey trefliche Werke: Iacobi gutherii de officiis domus Auguſtae publicae et privatae libri tres Pariſiis 1628. 4. und M. Auguſtini campiani de officio et poteſtate Magiſtratuum Romanorum et iurisdictione libri duo. Auguſtae Taurinor. 1724. 4. maj.
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