Die Fortſetzung dieſes Werks, wovon ich hier den zweyten Theil liefere, iſt einzig der auf - munternden Stimme eines hochgeehrteſten juriſtiſchen Publikums zuzuſchreiben, welches ein Buch von der Art nicht nur fuͤr diejenigen, fuͤr welche es zunaͤchſt beſtimmt iſt, ſondern auch ſelbſt fuͤr den practiſchen Juriſten nicht unbrauchbar fand. Feindſelig oder vielleicht nur unuͤberlegt war zwar der Anfall, mit welchem ein von dieſer Seite ſchon bekannter goͤttingiſcher Recenſent das Werk in ſeinem erſten Keime zu erſticken wagte; allein der veraͤchtliche Blick, mit welchem das entſcheidende Publikum laͤchelnd auf dieſen dem jugendlichen Alter eines Mannes von Genie leicht zu verzeihenden Schritt herabſahe, iſt fuͤr mich die ehrenvolleſte Genugthuung. Durch die - ſen Beyfall aufgerichtet, unterwerfe ich demnach ge - troſt auch dieſen zweyten Band dem reifern Urtheil dieſes einſichtsvollern Publikums, welches nicht aus Leidenſchaft und unlautern Abſichten zu handeln gewohnt iſt, ſondern nach richtigern Grund - ſaͤtzen den Werth der Dinge beurtheilt.
Wenn dieſer Theil meines Commentars eine ge - ringere Anzahl von Titeln und Buͤchern der Pan - decten enthaͤlt, als man meinem Verſprechen gemaͤß eigentlich haͤtte erwarten koͤnnen, ſo muß ich zu mei - ner Rechtfertigung hier anfuͤhren, daß ich darunter lediglich dem Verlangen eines großen Theils der Herren Praͤnumeranten zu willfahren geſucht habe, welche mir theils muͤndlich, theils ſchriftlich zu erken - nen gaben, daß bey einer Abkuͤrzung und Zuſammen - draͤngung des Ganzen in ſechs Baͤnde das Werk anGruͤnd -Gruͤndlichkeit und Deutlichkeit verlieren wuͤrde. Maͤn - ner von Anſehen und tiefer Einſicht haben mir in ih - ren Zuſchriften verſichert, daß dieſer Commentar ge - rade alsdann ſeiner Zweckmaͤſigkeit am vollkommen - ſten entſprechen wuͤrde, wenn ich denſelben ſo fort - ſetzen wolle, wie er angefangen worden iſt.
Dem Einwurfe des oben gedachten goͤttingiſchen Herrn Recenſenten, daß denn doch dieſer Commen - tar uͤber ein elendes Pandecten-Compendium geſchrie - ben ſey, glaube ich nicht beſſer begegnen zu koͤnnen, als wenn ich denſelben erſuche, den Titel dieſes Buchs nochmals, jedoch ohne die gewoͤhnliche Fluͤchtigkeit, anzuſehen, welcher ihn ſodann lehren wird, daß ich nicht einen Commentar uͤber Hellfeld, ſondern eine ausfuͤhrliche Erlaͤuterung der Pandecten nach Hellfeld zu ſchreiben die Abſicht habe. Ueber - dem wird es mir der Herr Recenſent nicht uͤbel neh - men, wenn ich aus einem Schreiben eines meiner gelehrten Freunde noch hinzufuͤge, daß willkuͤhrliches Syſtem, und mit jedem Jahrzehnden veraͤnderte Ordnung, ohne Ueberfluß an nuͤtzlichen Materialien, pure Kinderey ſey. Wer meinen großen Hang zur Theorie, ja meine recht eigentliche Lieblingsneigung, in einem jeden Falle, wo es nur die Gelegenheit mit ſich bringt, die Geſetze ſelbſt vor Augen zu nehmen, und ſie zu erklaͤren, oder, um in dem Tone des neuen Civiliſten zu ſprechen, dieſelben zu exegeſiren, aus meinen Schriften erkannt hat, wird es mir gewiß glauben, wenn ich offenherzig geſtehe, daß es mir eine ungleich angenehmere Beſchaͤftigung geweſen waͤ - re, uͤber Herrn Prof. Hugo Lehrbuch und Chreſto - mathie des claſſiſchen Pandectenrechts zu commenti - ren; allein wie wenig ein Buch von der Art ſein Gluͤck je machen duͤrfte, mag eigene Erfahrung den Herrn Verfaſſer lehren. Geſchrieben Erlangen den 4. Maͤrz 1791.
Die Wirkungen eines Privilegiums ſind entweder all - gemeine, welche ſelbiges mit jedem andern Geſetz ge - mein hat, oder beſondere, welche in der beſondern Be - ſchaffenheit der Privilegien ihren Grund haben, und die dem Privilegirten durch daſſelbe ertheilte Befugniß, und die Grenzen der Ausuͤbung betreffen. Zu den Wir - kungen der erſtern Art gehoͤrt,
1) daß ein Privilegium erſt von der Zeit an gilt, da es ertheilet worden iſt. Es kann daher auf Hand - lungen, die ſchon vor der Ertheilung deſſelben geſchehen ſind, ſo wenig, als ein Geſetz, gezogen werden. (§. 21.) Denn die L 7 Cod. de Legib. redet ausdruͤcklich auch von Conſtitutionen, zu denen Privilegien unzweifelhaft gehoͤren. Man ſetze alſo, der Landesherr habe eine Hand - werkszunft errichtet, und dieſer das ausſchlieſſende[Pri - vilegium] ertheilet, eine gewiſſe Waare zu verfertigen, ſo muͤſſen ſich zwar von nun an alle derſelben enthalten, wel - che vorher, ſo lange es einem Jeden noch frey war, die - ſe Arbeit verfertiget haben1)Einer andern Meinung iſt zwar Leyſer Spec. VII. med. 5. allein D. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 2. Th. S. 109 ff. hat ihn gruͤndlich widerlegt., es kann ihnen jedoch nichtgeweh -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. A21. Buch. 4. Tit. §. 101.gewehret werden, die vor der Bekanntmachung des Pri - vilegiums verfertigte Waaren zu verkaufen. So wie in - deſſen ein jedes andere Geſetz, ad praeterita erſtrecket werden kann2)S. schaumburg in Diſſ. de natura privilegiorum, tam gra - tioſorum, quam conventional. (Ienae 1736.) §. 16. ziegler de Iur. Maieſtat[.]lib. II. cap. 15. §. 43., wenn es der Regent fuͤr gut findet, ſo iſt nun ſolches auch bey den Privilegien keinen Zweifel un - terworfen.
2) Ein Privilegium legt allen andern Unterthanen die negative Verbindlichkeit auf, demſelben nicht entge - gen zu handeln, noch den Privilegirten in der Ausuͤ - bung ſeines Privilegiums zu hindern. Soll jedoch dieſe Verbindungskraft ſtatt finden, ſo muß das Privilegium durch eine Inſinuation oder ſonſt gehoͤrig bekannt gemacht worden ſeyn3)hommel Rhapſod. Vol. IV. Obſ. 533. leyser Meditat. ad Pandect. Vol. XI. Supplem. Spec. V. obſ. XI. . Iſt dieſes geſchehen, welches auch durch den Privilegirten ſelbſt bewuͤrket werden kann, z. B. wenn der Buchhaͤndler das ihm wegen eines gewiſſen Verlags - werks verliehene Privilegium auf dem Titel des Buchs anzeigt, oder nach den Titelblatt ſelbſt abdrucken laͤßt, ſo kann nicht nur gegen Jeden, der auf ſolche Art Wiſ - ſenſchaft deſſelben erhalten hat, wegen einer Verletzung deſſelben geklagt werden4)boehmer in iure Digeſtor. h. t. §. 12. Das Rechtsmittel gegen den Stoͤhrer eines Privilegiums iſt in petitorio, die actio confeſſoria utilis, in poſſeſſorio das Interdictum uti poſſi - detis utile. Siehe Schmidts Lehrbuch von gerichtl. Kla - gen §. 471 ff. und §. 173. berger Oecon. iur. Lib. II. Tit. VI. §. 3. n. 3., ſondern es iſt auch eine jede Handlung fuͤr null und nichtig zu halten, welche gegendaſ -3de Conſtitutionibus Principum. daſſelbe unternommen worden iſt5)cap. 10. X. de elect. Hr. GJR. Boͤhmer in Princip. iuris canon. §. 221.. Selbſt ein richter - liches Erkenntniß iſt nichtig, wenn es dem ausdruͤcklichen Inhalt eines Privilegiums zuwider laͤuft, in ſo fern ſolches von dem Privilegirten im Gericht auf die gehoͤrige Art iſt produciret worden6)c. 21. X. de ſentent. enenckel de privilegiis iuris civilis lib. II. cap. VI. n. 14.. Gleichwie es jedoch von dem Willen des Geſetzgebers abhaͤngt, die allgemeine Ver - bindlichkeit eines Geſetzes in Anſehung eines und des an - dern einzuſchraͤnken, und eine Ausnahme von der Regel zu machen, ſo ſtehet ihm auch die Macht zu, die Wir - kung eines Privilegiums in Anſehung eines oder des an - dern dergeſtalt zu temperiren, daß gegen dieſen das Pri - vilegium nicht gebraucht werden, ſondern derſelbe von der Verbindlichkeit deſſelben befreyet ſeyn ſolle.
4) Privilegien gelten nur in dem Staat desjenigen Regenten, der ſolche verliehen hat. Denn ſie ſind ein Ausfluß der geſetzgebenden Gewalt, welche ihre Wirkung nicht auſſer dem Lande des Regenten aͤuſſern kann. Wenn demnach einer Akademie die peinliche Gerichtsbarkeit ver - moͤge eines Privilegiums zuſtehet, ſo kann zwar in dem Lande der peinliche Gerichtszwang einer ſolchen Univerſi - taͤt durch keine Praͤvention gehindert werden, allein auſ - ſer dem Territorium des Ertheilers iſt der Richter des fori deprehenſionis zur Auslieferung nicht verbunden, wenn derſelbe einen andern Territorialherrn, als die Aka - demie, hat7)S. Quiſtorp Grundſaͤtze des peinl. Rechts 2. Th. §. 584.. Fuͤr Fremde ſind alſo in der Regel Pri - vilegien nicht verbindlich, auſſer in ſo fern ſie in dem Lande des Ertheilers gegen den Privilegirten ihr Recht geltend zu machen ſuchen. So z. B. ſchuͤtzen landesherr -A 2liche41. Buch. 4. Tit. §. 101.liche Moratorien auch wider auswaͤrtige Glaͤubiger, wenn ſie den Schuldner im Lande belangen wollen8)S. Puͤtters Beytraͤge zum Staats - und Fuͤrſtenrecht I. Th. N. XV. Schnaubert Anfangsgr. des Staatsrechts der geſammten Reichslande § 267.. Bis - weilen machen es jedoch Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts noth - wendig, Privilegien auch auſſer dem Staat des Erthei - lers gelten zu laſſen. Dahin gehoͤren diejenigen, welche dem Privilegirten eine gewiſſe Wuͤrde, oder Charakter und Rang geben. Denn die von einem teutſchen Landes - herrn verliehene Wuͤrde und der damit verknuͤpfte Rang, wird bekanntermaßen auch auſſer ſeinem Lande, ſo wie der vom Kaiſer ertheilte Adel, ſelbſt auſſer dem Reiche anerkannt; ein gleiches gilt von akademiſchen Wuͤrden9)Hr. GJR. Puͤtter in den Beytraͤgen 1. Th. N. XI. §. 14. Hofr. Schnaubert in dem angef. Buch §. 272. und Mich. God. wernher lectiſſim. Commentat. ad Digeſta P. I. h. t. §. 3..
Aus der Natur des Privilegiums hingegen folgt,
1) daß der Privilegirte ſich deſſelben bedienen koͤn - ne, ſo weit es ihm verliehen worden iſt. Der Inhalt des Privilegiums, und deſſen richtige Auslegung beſtimmt alſo die Befugniß des Privilegirten10)Zuweilen wird ein Privilegium nach dem Beyſpiel und In - halt eines andern ſchon vorhandenen Privilegiums ertheilet; ein ſolches wird privilegium ad inſtar genennt; man ſehe z. B. L[.]7. C[.]de Advocat. div. iudic. L. un. Cod. de privileg. urb. Conſtantin. Cap. 2. de privil. in 6to. Hier muß der Um - fang und die Wirkung des Privilegiums nach dem privile - gio exemplari beurtheilt werden. S. Chriſtoph Adam Rinder Diſſ. de privilegiis ad inſtar. Altorf. 1714.. Jedoch darf auch
2) das5de Conſtitutionibus Principum.2) das Privilegium dem ſchon vorher erworbenen Recht eines Dritten keinen Eintrag thun, denn ein Pri - vilegium iſt allemal zu verſtehen, ſalvo iure tertii cuiuscunque quaeſito11)L. 2. §. 16. D. ne quid in loco publico. L. 4. Cod[.]de emancipat. — nec in cuiusquam iniuriam beneficia tribuere, moris eſt. So ſollen auch nach der neueſten Wahlcap. art. 15. §. 3. die contra ius tertii, und ehe derſelbe daruͤber vernommen, ſub - et obreptitie erhaltene privilegia caſſirt wer - den. Dem ungeachtet aber giebt es doch Privilegien, die ohne Nachtheil anderer dritter Perſonen nicht denkbar ſind. Ein Beyſpiel geben die Moratorien, die privilegia de non ap - pellando, das Reichsritterſchaftliche Retractsrecht, u. d. m. Es laͤßt ſich indeſſen dieſes ſonderbare Phaͤnomen gar leicht erklaͤren, wenn man erwaͤgt, daß nur allein die gemeine Wohlfahrt oder ſonſt die hoͤchſte Billigkeit der - gleichen Privilegien-Ertheilung zu rechtfertigen vermoͤge. Daß jedoch auch alsdann noch erſt die Intereſſenten dar - uͤber gehoͤret werden muͤſſen, iſt allerdings zu behaupten. S. Hrn. Geh. R. Gerſtlachers Corpus iuris germanici oder Abhandlung von den Geſetzen, Ordnungen, Friedensſchluͤſ - ſen, ꝛc. des teutſchen Reichs IV. Band (Stuttgart 1789.) S. 367 u. ff.. Ob nun gleich
3) die Wirkung eines Privilegiums ſich nicht ſo weit erſtreckt, daß der Privilegirte andere, denen ein gleiches Privilegium verliehen worden iſt, von dem Ge - brauch deſſelben ausſchlieſſen koͤnne, weil der Regent mehreren einerley Privilegien ertheilen kann, (§. 104.) ſo ſtehet doch dem Privilegirten ohne Zweifel ein Ver - bietungsrecht zu, vermoͤge deſſen er alle und jede, welche nicht das naͤmliche Privilegium haben, das ihm ertheilet iſt, von der Anmaßung einer ſolchen Befugniß, als dem Privilegirten zuſtehet, ausſchlieſſen kann12)Hr. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrger - lichen Rechts 2. Th. S. 113. und Hofr. hartleben in Me - ditat. ad Pandect. Spec. XII. med. 4.. Endlich
A 34) daß61. Buch. 4. Tit. §. 101.4) daß der Privilegirte, wenn er ſelbſt keinen Ge - brauch von der ihm durch ſein Privilegium verliehenen Gerechtſame machen will, ſolche einen andern pachtweiſe uͤberlaſſen koͤnne, hat wohl an ſich keinen Zweifel. Es koͤnnen ſogar perſoͤnliche Privilegien verpachtet werden13)leyser Meditat. ad Pandect. Specim. X. med. 2., weil dadurch nicht das Recht des Privilegiums ſelbſt dem Paͤchter abgetreten, ſondern ihm nur die Ausuͤbung deſ - ſelben uͤberlaſſen wird14)wasmuth in Diſſ. de privilegiorum natura generatim, et in ſpecie de modis, quibus finiuntur vel amittuntur Cap. I. §. 17.. Allein eine andere Frage iſt, ob auch das Recht des Privilegiums ſelbſt einem andern dergeſtalt cediret werden koͤnne, daß es in der Per - ſon des Privilegirten, oder auf der Sache deſſelben gaͤnz - lich aufhoͤre, und auf die Perſon oder Sache des Ceßio - nars uͤbergehe? Mich duͤnkt, daß dieſe Frage zu vernei - nen ſey. Denn iſt das Privilegium ganz perſonell, ſo laͤßt ſich ſolches von der Perſon, welcher es verliehen worden iſt, nicht trennen15)voet. in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 13. W. V. wiese in Diſſ. de iuribus ex ceſſione tam valida quam invalida. (Roſt. 1780.) §. 10., zumal wenn es einen ge - wiſſen Zuſtand derſelben zum Grunde hat, wie z. B. das privilegium aetatis, privilegium miſerabilium perſo - narum, u. ſ. m. Hierher gehoͤrt die Stelle des Paulus16)L. 68. D. de Reg. Iur. aus deſſelben libro ſing. de dotis repetitione: in omnibus cauſis id obſervatur, ut ubi perſonae conditio locum facit beneficio, ibi, deficiente ea, beneficium quoque deficiat. Es kommt nicht darauf an, ob das perſoͤnliche Privilegium auf die Erben gehe, oder nicht, denn die Regel, quidquid poteſt ad heredes transmitti, illud quoqueeſt7de Conſtitutionibus Principum. eſt ceſſibile, findet nicht ohne allen Unterſchied ſtatt, wie man z. B. ſchon daraus ſiehet, weil der Adel auf die eheliche Deßcendenz fortgepflanzt wird, und dennoch nicht cediret werden kann. Iſt indeſſen ein Privilegium ſo perſonell, daß es nicht einmal auf die Erben gehet, ſo hilft es auch dem Ceßionar nichts, wenn er ſich gleich von dem Cedenten eine Vollmacht geben lieſſe, und auf ſolche Art das ihm abgetretene Recht in des Cedenten Namen, als procurator in rem ſuam, geltend machen wollte17)L. 42. D. de adminiſtr. et peric tut. et curat. lauter - bach in Colleg. Th. Pract. Pandect. Lib. XVIII. Tit. IV. §. 56 ff. hertius in Diſſ. de tranſitione privilegii perſonalis ad alios §. 13. Opuſc. Vol. I. T. III. p. 31. Einer andern Meinung iſt jedoch wasmuth in Diſſ. de privilegior. natu - ra etc. §. XIV. ff..
Wenn nun aber das Privilegium ohne Ruͤckſicht der Perſon, lediglich mit einer gewiſſen Sache oder For - derung, an welcher daſſelbe klebt, verknuͤpft iſt, ſo ge - het zwar ſolches mit der Sache oder Klage auf einen jeden andern, welchem dieſelbe uͤberlaſſen und abgetreten wird18)L. 68. D. de Reg. iur. verb. ubi vero genus actio - nis etc. L. 1. §. 43. D. de aqua quotid. ; aber von der Sache ſelbſt kann es dennoch nicht getrennt, noch durch Ceſſion auf eine andere Sa - che gebracht werden, weil dieſes gegen den Begrif eines Real-Privilegiums ſtreiten wuͤrde. Denn ſolches kommt blos dem Beſitzer der privilegirten Sache zu, und erreicht nur mit der gaͤnzlichen Zerſtoͤrung derſelben ſeine End - ſchaft19)hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 93. n. I. .
Da die hier zuerſt vom Verf. vorgetragene Einthei - lung der Privilegien in guͤnſtige und unguͤnſtige ſchon oben vorgekommen20)S. im 1. Th. §. 98. S. 538. f.; ſo will ich hier nur noch bemerken, daß die Meinung derjenigen, welche dieſe Ein - theilung verwerfen, und entweder alle Privilegien fuͤr ver - haßt21)loͤhlein Progr. privilegia titulo oneroſo etiam extraneo quaeſita revocari poſſe. , oder alle fuͤr favorabel halten wollen22)S. Obſervationes Halenſes T. III. Obſ. 15., offen - bar irrig, und ſchon von andern widerlegt worden ſey23)hartleben in Meditat. ad Pandect. Specim. XII. med. 2. Laz. Car. woelker in Diſſ. de privilegiis odioſis et poena - libus. Altorf. 1718. Die Bodenſche oder Beckmann - ſche Diſſertat. iſt ſchon oben 1. Th. S. 539. Not. 21. ange - fuͤhret worden..
Ferner werden die Privilegien in conventionel - le und grazioͤſe eingetheilt, je nachdem dieſelben ent - weder durch einen ordentlich verabredeten Vertrag, oder ohne einem ſolchen durch die bloſe Gnade des Regenten erworben worden ſind24)Io. Gottfried schaumburg Diſſ. de natura privilegiorum tam gratioſorum quam conventionalium. Ienae 1736.. Sind Privilegien der erſtern Art unentgeldlich ertheilt worden, ſo werden ſie gratuita genennt, iſt aber pacisciret worden, daß der Privilegirte gegen Bezahlung einer beſtimmten Summe, oder gegen ein anderes Aequivalent das Privilegium erhalten ſolle, ſo[heißt] das unter einem ſolchen titulo oneroſo ertheilte Privilegium ein conventionale oneroſum25)Nicht eine jede Abgabe, die ein Privilegiatus fuͤr das er - haltene Privilegium zahlt, macht ſolches ſofort zu einem con -ven -.
End -9de Conftitutionibus Principum.Endlich pflegt man die Privilegien auch noch in affirmative und negative einzutheilen. Erſtere werden diejenigen genennt, wodurch dem Privilegirten eine beſondere Gerechtſame, z. B. Monopo - lium, Gerichtsbarkeit, iſt verliehen worden. Letztere aber ſind ſolche, wodurch eine Befreyung von gewiſſen Verbindlichkeiten (Steuerfreyheit), oder ein Aufſchub in Anſehung derſelben (Moratorium oder Anſtandsbrief) bewirkt werden ſoll26)Hofr. Schnaubert in den Anfangsgr. des Territorial - Staatsrechts §. 262. S. 173. f..
Das Recht, Privilegien zu ertheilen, iſt ein Stuͤck der geſetzgebenden Gewalt. Es kann alſo eigentlich nur der Regent im Staat, welchem die geſetzgebende Gewalt zuſtehet, Privilegien verleihen27)Andr. Flor. rivini Diſſ. de principali beneficio in conce - dendis privilegiis. Vitemb. 1754.. Sehen wir jedoch auf die heutige Verfaſſung unſers teutſchen Reichs, ſo werden wir in Betref des Rechts Privilegien zu ertheilen, die in ganz Teutſchland gelten ſollen, etwas auſſerordentliches gewahr, was ſich mit jener Regel ſo wenig, als mit der Grundverfaſſung des teutſchen Staats - koͤrpers vereinbaren laͤßt. Denn wenn gleich vermoͤge derſelben der Kaiſer ohne Zuthun der Staͤnde des Reichs ſonſt keine geſetzgebende Gewalt ausuͤben darf, ſo ſtehetA 5ihm25)ventionali oneroſo, wenn ſelbige in gar keinem Verhaͤltniß mit den Vortheilen ſtehet, die ſich der Privilegirte von dem Privilegium zu verſprechen hatte. Siehe Sam. stryck Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo quaeſitis. Halae 1704.101. Buch. 4. Tit. §. 103.ihm doch das Recht, Privilegien zu ertheilen, welche im ganzen Reiche gelten, als ein beſonderes Reſervat zu28)Moſer teutſches Staatsrecht IV. Th. Kap. 56. von Guͤnderrode Abhandl. des teutſchen Staatsrechts III. Buch 7. Kap. Carl Fried. Gerſtlacher Corp. iur. germ. publici et priv. oder Abhandl. von Geſetzen ꝛc. des teutſchen Reichs IV. Band 9. Kap. pūtter Inſtitut. iur. publici §. 224.. Indeſſen ſind dem Kaiſer auch hierin durch die Wahl-Capitulation allerhand Einſchraͤnkungen geſetzt worden, welche aber, wenigſtens nicht uͤberall, befolget zu werden pflegen. Die weitere Eroͤrterung liegt hier auſ - ſer meiner Sphaͤre. Jedoch habe ich hier noch zweyerley zu bemerken; I) daß der Werth eines aus kaiſerlicher Verguͤnſtigung erlangten Rechts nicht ſowohl nach der heutigen Beſchaffenheit der kaiſerlichen Gewalt, als nach der Zeit, da das Recht verliehen worden, zu beurtheilen ſey. Daher ſind aͤltere kaiſerliche Privilegien, anfangs innerhalb der Grenzen der kaiſerlichen Machtvollkommen - heit ertheilt, auch noch jetzt ordentlicher Weiſe guͤltig, wenn gleich neuere Geſetze die kaiſerliche Gewalt ſeitdem mehr eingeſchraͤnkt, oder wenigſtens vorjetzo, ob der Kai - ſer ſolche Rechte annoch zu verleihen befugt ſey, gezwei - felt werden koͤnnte29)S. Hrn. GJR. Puͤtters auserleſene Rechtsfaͤlle. 2. Ban - des 3. Th. Reſp. CCXXVI. n. 116. S. 803. lochner Select. iuris univerſi P. I. pag. 37. f. f. Ge. Erasm. kobes Diſſ. de effectu hodierno privilegiorum aevi antiquioris ad il - luſtr. art. VIII. §. 21. Capit. Caeſar. Altorf. 1766.. II) Da die Ausuͤbung und Wir - kung kaiſerlicher Privilegien, die vom Kaiſer Mittelbaren ertheilet worden ſind, der Landeshoheit ſubordinirt iſt, ſo kann und darf von einem kaiſerlichen Privilegium nicht eher Gebrauch im Lande gemacht werden, als wenn dem Landesherrn, falls er ſolches verlangt, eine Anzeige da -von11de Conſtitutionibus Principum. von gemacht, und daſſelbe von ihm anerkannt, oder gar beſtaͤttiget worden iſt. Denn kein kaiſerliches Privile - gium darf zur Schmaͤlerung oder zum Nachtheil der Lan - deshoheit und Landesverfaſſung gereichen30)Wahlkap. Art. I. §. 9. VII. 4. XXII. 5. Schnaubert Anfangsgruͤnde des Territorial-Staatsrechts §. 263..
Ob bey erledigten Kaiſerthron auch die Reichs - Vikarien in gleicher Maaße, wie der Kaiſer, Privi - legien ertheilen koͤnnen, iſt zwar in dem bekannten Reichs - geſetz, worin die Grundlage der Vikariats-Gerechtſame ruhet,31)Gold. Bulle Tit. V. nicht deutlich entſchieden; indeſſen, da man h. z. T. auſſer jenem Geſetz, und was aus demſelben durch eine gerechte Schlußfolge hergeleitet werden kann, auch ein geſetzmaͤſiges Herkommen als rechtliche Norm zu Beurtheilung der Reichs - Vikariats-Gerechtſame gelten laͤßt,32)S. Kurzgefaßte Eroͤrterung einiger Staatsrechts-Fragen, die Reichsvikariate betreffend. Frankf. und Leipz. 1790. 8. N. I. Welches iſt die rechtliche Norm, wornach die Reichsvikariats-Gerechtſame zu beurthei - len ſind? ſo kann wenigſtens aus dieſem Grunde den Reichs - Vikarien jenes Recht nicht abgeſtritten werden. 33)S. griebner de iuribus Vicarior. Imp. illis in primis, quae perperam a nonnullis in dubium vocantur, in ſelect. Opuſc. iuris publici T. II. Sect. I. §. 29. ſqq. Lib. Bar. a. wern - her ſelect. Obſervat. forens. Tom. I. P. III. Obſ. 116. n. 361. ff. S. 601. f. pūtter Inſtitut. iur. publ. germ. §. 465. Gerſtlacher Corp. I. P. et P. a. a. O. S. 372. und Ano - nymi Tractat. de Sereniſſim. Imp. Vicariis eorumque iuribus, ex legibus fundamental. et hiſtoria Imp. confectus. 1790. 8. §. 8.Es fehlt daher nicht an Beyſpielen, daß die Reichs. Vika - rien Univerſitaͤten beſtaͤtiget, Standes-Erhebungen er -theilet,121. Buch. 4. Tit. §. 103.theilet, Titulaturen gegeben, kaiſerliche Hofpfalzgrafen, Doctoren und Notarien gemacht, Privilegia impreſſo - ria ertheilet, Minderjaͤhrigen die Rechte der Volljaͤhrig - keit (veniam aetatis) gegeben, ehrloſe fuͤr ehrlich erklaͤrt, und uneheliche legitimiret haben. 34)spener Iure publ. Th. 6. S. 57. Moſer von kaiſerlichen Regierungs-Rechten S. 830. f. und in der Nachleſe zum Compend. iuris. publici pag. 208. auch im Staatsrecht Th. VIII. S. 50. ff. Vorzuͤglich aber vergleiche man hier des Herrn Rath Joſ. Edlen von Sartori Reichs-Vicariatiſches Staats-Recht (Augsburg 1790. 8.) Kap. 3. §. 87 — 93. und Kap. 7. §. 134. u. 144.In den einzelnen Reichslanden kann jeder Reichsſtand vermoͤge der Landes - hoheit ſeinen Unterthanen Privilegien ertheilen,35)Inſtr. Pac. Osnabr. Art. VIII. §. 1. und zwar iſt der Landesherr bey der Ausuͤbung dieſes Rechts ordentlicher Weiſe durch die Concurrenz der Landſtaͤnde nicht eingeſchraͤnkt, es waͤre denn, daß das Object des Privilegiums ſo beſchaffen, daß dabey, vermoͤge der Lan - desverfaſſung der ſtaͤndiſche Conſens erfordert werde. 36)Moſer von der Landeshoheit in Gnaden-Sachen Kap. 9. §. 5.
Dahingegen koͤnnen nun alle diejenigen, welchen keine Landeshoheit, mithin auch keine geſetzgebende Gewalt zu - ſtehet, keine Privilegien ertheilen. Hierher gehoͤren I) Erbprinzen; das Privilegien eines Erbprinzen kann wenigſtens fuͤr die Zeit, wo er noch nicht zur Re - gierung gelangt, nicht gelten, ob es gleich denſelben in der Folge, nachdem er zur Regierung gekommen, ver - bindet, inſoferne nur derſelbe zur Zeit der Verleihung ſchon im Stande geweſen iſt, ſich vermittelſt eines Ver - trags verbindlich zu machen;37)leyser Meditat. ad Pandect. Specim. X. med. 10. was - muth in der oben angefuͤhrten Diſſertation §. VI. II) apanagirteHerrn;13de Conſtitutionibus Principum. Herrn; III) unmittelbare Glieder des Reichs, die kei - ne Reichsſtaͤnde ſind; und IV) mittelbare Obrigkeiten und hohe Landes-Collegien, in ſo - weit ihnen nicht etwa das Recht, ein geringes und nicht viel bedeutendes Privilegium zu ertheilen, z. E. die Er - gaͤnzung der Volljaͤhrigkeit, ausdruͤcklich verliehen wor - den waͤre.
Noch kann die Frage entſtehen, ob ein Landesherr an einem Orte, wo er bereits einem ein gewiſſes Privi - legium, z. B. das Privilegium der Gaſtgerechtigkeit ge - geben, einem andern ebenfalls ein ſolches Privilegium zu ertheilen, und alſo noch einen zweyten Gaſthof neben dem erſten errichten zu laſſen, befugt ſey? 38)Ueber dieſe Frage findet ſich ein Erlangiſches Fakultaͤtsurtel in dem neuen Leipziger Magazin fuͤr Rechtsge - lehrte herausgegeben von C. A. Guͤnther und C. F. Ot - to auf das Jahr 1786. 2. St. N. V. S. 165. ff. in wel - chem dieſelbe bejahend entſchieden worden iſt.Die Rechtsgelehrten ſind desfalls nicht einerley Meinung;39)Man vergleiche hier hartleben Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. XII. med. 4. und wasmuth cit. Diſſ. §. X. mich duͤnkt jedoch, daß die bejahende Meinung unſers Herrn Verfaſſers keinen gegruͤndeten Zweifel unterwor - fen ſey. Denn unmoͤglich kann in einem zweifelhaften Fall angenommen werden, daß ſich der Landesherr durch die Ertheilung eines Privilegiums in ſeinen Hoheitsrech - ten habe einſchraͤnken und die Haͤnde binden wollen;40)leyser in meditat. ad Pandect. Vol. I. ſpec. X. med. 4. ſagt: Tunc enim, cum privilegium quoddam maieſtati principis,autmit -141. Buch. 4. Tit. §. 104.mithin iſt kein Privilegium im Zweifel ausſchlieſſend zu verſtehen,41)S. Conſil. ICtor. Halenſ. T. II. lib. II. Conſ. 105. n. 4. 10. wenn nicht entweder der Landesherr ſich hierzu durch einen Vertrag ausdruͤcklich verbindlich ge - macht, daß er ſich ſeines Rechts, andern Einwohnern deſſelbigen Orts ein aͤhnliches Privilegium zu ertheilen, kuͤnftig nicht weiter bedienen wolle, oder das verliehene Privilegium ſchon ſeiner Natur nach ausſchlieſſend und ſo beſchaffen waͤre, daß es durch ein anderes aͤhn - liches Privilegium vereitelt werden wuͤrde. Denn durch das Privilegium ſoll ja der Privilegirte weiter nichts er - langen, als in gewiſſer Ruͤckſicht nicht nach dem gemei - nen Recht beurtheilt zu werden. Bleibt ihm dieſer Vor - theil ungekraͤnkt, ſo hindert dem Landesherrn, einem andern ein gleiches Privilegium zu ertheilen, ſonſt nichts, als ſein ausdruͤckliches Verſprechen. Wie wenn ich aber in einer Sache, die vorher jedem frey war, ein Privile - gium bekomme, iſt dieſes nicht als ein excluſivum zu zu betrachten? Nein, auch denn nicht, wenn gleich dem Privilegium die Clauſel ausdruͤcklich waͤre einverleibt wor - den, daß ſonſt niemand an demſelbigen Ort eines ſolchen Rechts z. B. eines Gaſtungs und Her - bergsrechts, ſich anmaßen ſolle; indem dieſe Stelle offenbar nur den Sinn hat, daß kein anderer, nicht eben ſo privilegirter Einwohner des Orts ſich eigenmaͤchtig je - nem Privilegium zuwider unterfangen ſolle, Gaſtwirth - ſchaft zu treiben; keinesweges aber kann ſie ſo ausgelegt werden, daß der Privilegirte hierdurch ein privilegium excluſivum haben, und auſſer ihm niemand ein aͤhnli - ches Gaſthofs-Privilegium bekommen ſolle. Es kommtauch40)aut iuribus regalibus nocere videtur, quantum fieri poteſt, re - ſtringendum eſt Accedit, quod nemo privatus, nedum Prin - ceps, facultati ſibi competenti renunciaſſe praeſumatur. 15de Conſtitutionibus Principum. auch nicht einmal in einigen Betracht, wenn durch die Ertheilung eines neuen aͤhnlichen Privilegiums demjeni - gen, der ſchon ein aͤlteres an dem Orte hat, einiger Ge - winnſt entzogen werden ſollte. Denn da der Landesherr in einem ſolchen Fall ſich ſeines Rechts bedient, ſo thut er ihm nicht unrecht42)Nemini enim iniuriam facit, qui ſuo iure utitur, L. 55. D. de Reg. Iuris. leyser a. a. O. und hartleben a. a. O..
Es iſt ferner in der Lehre von Privilegien eine Fra - ge von praktiſcher Wichtigkeit, was Rechtens ſey, wenn mehrere privilegirte Perſonen mit einan - der concurriren, welche um ſo mehr naͤhere Eroͤrte - rung verdient, je leichter man hierin durch Mißverſtand der Geſetze irre gefuͤhrt werden kann. Die Rechtslehrer pflegen hier als Regel feſtzuſetzen, daß, wenn mehre - re privilegirte Perſonen mit einander con - curriren, dieſelben nicht nach Maaßgabe ih - rer Privilegien, ſondern nach gemeinem Rechte muͤſſen beurtheilet werden43)Privilegiatus contra privilegiatum non ſuo privilegio, ſed iure communi utitur. . Allein pruͤft man dieſen Satz nach den Geſetzen, ſo findet man, daß er ſein Daſeyn nicht geſetzlicher Beſtimmung, ſon - dern blos dem Irrthum der Rechtslehrer verdankt, der geſetzlichen Entſcheidung aber dergeſtalt zuwider laͤuft, daß vermoͤge derſelben vielmehr der entgegen ſtehende Satz: daß ein Privilegirter gegen den andern nach ſeinem Privilegio allerdings zu beurtheilen ſey, wonicht161. Buch. 4. Tit. §. 105.nicht wegen einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit eine Ausnahme von der Regel ſtatt findet, angenommen werden muͤſſe44)Die beyden neueſten Schriften uͤber dieſe Materie, die ich vorzuͤglich empfehlen kann, ſind Io. Siegfr. wientzek Com - mentat. de vero ſenſu L. 11. §. 6. et 7. et L. 12. π. de minorib. iuncto examine regulae: privilegiatus contra privile - giatum non utitur iure ſuo. Uratislaviae 1778. 4. und Joa - chim Heinrich Chriſtian Luͤders naͤhere Betrachtung der Lehre von der Concurrenz mehrerer Privilegien; im Nieder - ſaͤchſiſchen Archiv fuͤr Jurisprudenz und iu - riſtiſche Litteratur, herausgegeben von D. J. C. Kop - pe. 2. Band (Leipzig 1788.) N. 34. S. 485 — 495.. Zwar pflegt zur Beſtaͤtigung jener gemeinen Regel die Stelle aus Ulpian lib. 11. ad Edi - ctum45)L. 11. §. 6. D. de minorib. Item quaeritur, ſi minor ad - verſus minorem reſtitui deſiderat, an ſit audiendus? Et Pom - ponius ſimpliciter ſcribit, non reſtituendum. Puto autem in - ſpiciendum a Praetore, quis captus ſit. Proinde ſi ambo cap - ti ſunt, verbi gratia minor minori pecuniam dedit, et ille per - didit: melior eſt cauſa ſecundum Pomponium eius, qui acce - pit, et (vel) dilapidavit, vel perdidit. angefuͤhrt zu werden, in welcher dieſer roͤmiſche Juriſt die Frage aufwirft, ob ein Minderjaͤhriger gegen einen andern Minderjaͤhrigen von der Rechtswohlthat der Reſtitution Ge - brauch machen koͤnne? und weil Pomponius, deſ - ſen Meinung Ulpian hier zuerſt anfuͤhrt, dieſes ſchlecht - weg verneint, ſo glaubt man daraus folgern zu koͤnnen, daß, ſo wie in einem ſolchen Colliſionsfall die Reſtitution nicht in Anwendung komme, es in aͤhnlichen Faͤllen auch in Anſehung der uͤbrigen Privilegien wenigſtens in der Regel eben ſo gehalten werden muͤſſe; wenn nicht et - wa der hier von Ulpian angegebene Fall, den ſie nur als Ausnahme von der Regel gelten laſſen, eintrete;daß17de Conſtitutionibus Principum. daß naͤmlich der eine Privilegirte bey dem im Streit be - fangenen Geſchaͤfte Vortheil zu erlangen der andere aber Schaden abzuwenden trachte. Allein bey naͤherer Pruͤfung des gedachten Fragments zeigt ſich deutlich ge - nug, daß es ſo wenig dem Ulpian als dem Pomponius eingefallen, die unterbleibende Anwendung der Privilegien im Colliſionsfall zur Regel zu machen, vielmehr erklaͤrt ſich erſter ausdruͤcklich dahin, daß ſtets das Privilegium der einen Parthey in Ausuͤbung kommen muͤſſe, und zwar derjenigen, die aus dem Geſchaͤft Schaden erlitten; und ſelbſt in dem Fall, wenn beyde Partheyen durch Aus - uͤbung ihrer Rechtswohlthat Schaden von ſich abzuwen - den ſuchen, alſo beyde in pari cauſa ſich befinden, ſtim - men Ulpian und Pomponius darin uͤberein, daß ſodann der Minderjaͤhrige in den vorigen Stand zu ſe - tzen ſey, der etwas von dem andern empfangen, ohne es zu ſeinem Nutzen zu verwenden46)Man glaubt zwar, nach der gewoͤhnlichen Vorſtellungsart, daß in dem Fall, ſi ambo capti ſunt, keiner von beiden reſti - tuirt werden koͤnne. Selbſt Cujaz dachte ſo, welcher daher in Comment. ad Tit. Dig. de minoribus Tom. II. Operum (Ha - noviae 1602.) S. 169 ſich folgendermaßen erklaͤrt: Si uter - que captus ſit, ceſſant Praetoris partes, et vero ſi minor mi - nori crediderit, et is pecuniam ſtatim perdiderit, ſatius eſt, rem[a] Praetore intactam relinqui, ne dum vult uni ſubvenire, in alterum iniurius eſſe videatur: quoniam et is, qui accepit, captus eſt propterea, quod pecuniam amiſit, et is, qui dedit, propter exceptionem aetatis. Quare neutri reſtitutione data, melior erit cauſa eius, qui accepit, et conſumſit. Allein ſchon Anton Faber erinnerte dagegen in ſeinen Rationalibus ad Pandect. ad L. 11. §. 6. D. de minorib. ſehr gruͤndlich: male dici in hoc caſu, a praetore rem intactam relinqui: nam non poteſt fieri, ſagt er, ut non teneatur is, qui pecuniam accepit,licet.
UmGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. B181. Buch. 4. Tit. §. 105.Um jedoch nun zur Beſtimmung derjenigen Grund - ſaͤtze, aus welchen die Concurrenz der Privilegien zu be - urtheilen iſt, naͤher zu ſchreiten, ſo wird es, um allen Mißverſtand zu vermeiden, noͤthig ſeyn, die ſpeciellen, oder eigentlich ſo genannte Privilegien, von den ge - nerellen oder den beſondern Rechten zu unter - ſcheiden. Wenn demnach der Landesherr mehrern Indi - viduen gleiche Privilegien ertheilet hat, ſo ſind es entwe - der ſolche, die neben einander ausgeuͤbt werden koͤnnen, ohne ſich in ihrer Anwendung hinderlich zu ſeyn, oder es ſind die Privilegien von der Art, daß die Ausuͤbung des einen Privilegiums mit der Ausuͤbung des andern nicht beſtehen kann. Im erſtern Fall verbleiben beyde Privilegien in ihrer Kraft, und kann kein ius commune eintreten. Keiner der Privilegirten kann und darf in dieſem Fall den andern, der ein gleiches Privilegium hat, verhindern, ſich deſſelben zu bedienen. Geſetzt alſo, Ca - jus hat in einer Stadt das Recht erlangt, eine Apotheke zu halten, Titius erhaͤlt hierauf ein gleiches Privilegium. Hier ſind beyde Privilegien von der Art, daß ſie ſich in ihrer Ausuͤbung nicht im Wege ſtehen, folglich bleiben ſie beyde in ihrer Kraft, und keiner kann dem andern die rechtmaͤſige Ausuͤbung ſeines Privilegiums verwehren. Wenn nun aber, welches der andere Fall iſt, unter meh -rern46)licet eam conſumſerit, ſi non ei ſuccurratur per reſtitutionem. Wem ſonſt, als ſeiner Reſtitutionswohlthat hat es alſo in dieſem Fall der minderjaͤhrige Beklagte zu verdanken, daß er von der Verbindlichkeit, das empfangene Geld zu erſtat - ten, frey iſt? Denn nach dem ſtrengen Recht muͤßte er al - lerdings bezahlen. L. 43. D. de Obligat. et Action. L. 101. D. de Verb. Obligat. S. Io. Guil. marckart Interpretat. receptarum iuris civ. lectionum Lib. I. cap. 21. Marc. lyck - lama à nyholt Membranar. lib. VII. Eclog. 15. und Frid. behmer novum Ius Controverſ. Tom. I. Obſ. 47. S. 313. ff.19de Conſtitutionibus Principum. rern Privilegien eine wirkliche Colliſion eintritt, ſo daß die Ausuͤbung des einen nicht ohne Abbruch des an - dern geſchehen kann, z. B. der Fuͤrſt hat dem A. ein Monopolium in ſeinem Lande ertheilet, eben dieſes hat er auch an B. verliehen, ſo hat man in einem ſolchen Fall darauf zu ſehen, ob das eine Privilegium aͤlter als das andere iſt, oder ob die collidirenden Privilegien zu glei - cher Zeit ertheilet worden, und alſo von gleichem Alter ſind. Iſt erſteres, ſo ſtehet die Regel feſt, daß das juͤngere Privilegium dem aͤltern weichen muß47)leyser Medit. ad Pand. Spec. X. med. 11. hommel Rha - pſodia Quaeſtion. Forenſ. Vol III. Obſ. 469. S. 104. An - derer Meinung ſind Gebb. Chriſt. bastineller in Diſſ. de eo, quod iuſtum eſt in privilegiorum colliſione. (Vitemb. 1727.) §. XIII. und Hr. Geh. R. Nettelbladt in Syſtem. elem. iurisprud. poſit. Germ. commun. general. §. 483. Allein die Regel: lex poſterior derogat priori, findet aus den oben an - gefuͤhrten Gruͤnden bey Colliſion der Privilegien keine An - wendung. Vielmehr heißt es hier: poſterius privilegium prio - ri contrarium pro ſubreptitio habendum. cap. 1. de conſtitut. in 6to. . Denn die Verleihung des juͤngern gereicht hier offenbar zum Nachtheil des aͤltern, da doch bey Er - theilung eines jeden Privilegiums die ſtillſchweigende Clau - ſel: ſalvo iure tertii zum Grunde liegt48)L. 7. C. de precib. imp. offerend. . Auch die Geſetzgeber ſelbſt geſtehen ausdruͤcklich, quod Principi in cuiusquam iniuriam beneficia tribuere moris non ſit49)L. 4. Cod. de Emancip. Ja es fehlt nicht an deutlichen Geſetzen, wel - che auch bey Colliſion gleicher Privilegien die Regel an - nehmen, daß der Vorzug der Zeit den Vorzug des Rechts beſtimme50)Nov. XCI. cap. 1. Cap. 19. X. de praeſcript. Cap. 54. de Reg. Iur. in 6to. . Jedoch leidet dieſes billig eineB 2Aus -201. Buch. 4. Tit. §. 105.Ausnahme, wenn das aͤltere Privilegium nur auf eine widerrufliche Art waͤre verliehen worden, in wel - chem Fall alsdann daſſelbe durch die Ertheilung des neuern fuͤr aufgehoben gehalten werden muß. Im zwey - ten, aber faſt undenkbaren, Fall, wenn beyde Privile - gien zu gleicher Zeit ertheilet worden, wuͤrde kein Grund vorhanden ſeyn, weshalb einer dem andern die Ausuͤbung ſeines Privilegiums verwehren koͤnnte, vielmehr muͤſſen ſodann beyde Theile gegen einander nach gemeinem Rech - te beurtheilet werden; das heißt hier, ſie bedienen ſich bey - de ihres Privilegiums in ſo fern, daß ſie ſich zwar einan - der nicht, aber doch alle andern von eben dem Rechte ausſchlieſſen. Koͤnnen die Partheyen ſich hieruͤber in Guͤte nicht vereinigen; ſo thun ſie, ſtatt einen Proceß deßhalb anzufangen, beſſer, wenn ſie ſich ſupplicirend an den Landesherrn unmittelbar wenden, und um hoͤchſte Be - ſtimmung, wie es bey vorwaltender Colliſion mit der Ausuͤbung ihrer Privilegien gehalten werden ſolle, an - ſuchen50)Richtig ſchreibt daher bastineller a. a. O. §. 16. Haec (ſe quomodo privilegiorum colliſio tollenda vel temperanda) cum ad curam et officium Principis pertineant, conſequitur, Principem hac de cauſa duntaxat adeundum eſſe ſuppliciter, non litem intendi oportere privatam privilegio, iuſte in exer - citio ſuo collidenti. .
Ich ſchreite nun zu der Lehre von der Concurrenz der ſogenannten beſondern Rechte, wohin z. B. die Rechte der Minderjaͤhrigen, Kirchen, Frauensperſonen, u. ſ. w. gehoͤren51)S. hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 8.. Auch hier koͤnnen wir zur Regel annehmen, daß derjenige, welchem ein beſonderes Recht zuſtehet, ſich deſſelben gegen den andern, der eineglei -21de Conſtitutionibus Principum. gleiche Rechtswohlthat zu genieſſen hat, bedienen koͤn - ne, ſo lange nicht der Fall eintritt, daß ſolches wegen einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit nicht geſchehen kann. Wir wollen jedoch die hierher gehoͤrigen einzelen Faͤlle noch genauer entwickeln. Wenn iura ſingularia mit ein - ander concurriren, ſo kommt es zufoͤrderſt darauf an, ob ſie ſo beſchaffen, daß ſie einander in ihrer Anwendung nicht hin - derlich ſind, weil nur eine Parthey in dem Fall ſich befindet, wo ihr ein beſonderes Recht nach den Geſetzen zuſtehet, die andere aber nicht; oder ob ſie wirklich mit einander collidi - ren, d. i. ob ſie ſo beſchaffen ſind, daß der Gebrauch des einen ohne Nachtheil des andern nicht beſtehen kann. Im erſtern Fall hat es keinen Zweifel, daß die concurrirende beſondern Rechte beſtehen, folglich derjenige, welchem ein ius ſingulare zuſtehet, ſich ſeines Rechts gegen den an - dern bedienen koͤnne, in ſo fern das beſondere Recht, ſo der andere ebenfalls zu genieſſen hat, nicht darunter lei - det. Dies koͤnnen folgende Faͤlle, die wir in unſern Ge - ſetzen finden, beweiſen.
Der Grund von dieſen Entſcheidungen iſt leicht ein - zuſehen. Denn wenn gleich in den genannten Faͤllen bey - de Partheyen privilegirt ſind, ſo befindet ſich doch nur uͤberall die eine in dem Fall, wo ihr die Geſetze ein be - ſonderes Recht geben, mithin wird die der andern Par - they in einem aͤhnlichen Fall zuſtehende Rechtswohlthat nicht geſchmaͤlert. So findet z. B. das Bellejaniſche Senatus Conſultum nicht ſtatt bey der Frau, welche das Geld anleihet, und zu deren Sicherheit die Buͤrg - ſchaft geleiſtet wird, ſondern nur bey derjenigen, dieſich23de Conſtitutionibus Principum. ſich verbuͤrgt hat; und eben ſo hat nur die Kirche ſich ihrer Wohlthat zu erfreuen, gegen welche ver - jaͤhrt wird, nicht welche verjaͤhrt; u. ſ. w.58)Diejenigen, welche fuͤr die Regel ſtreiten: privilegiatus contra aeque privilegiatum non utitur iure ſuo, wollen zwar dagegen die L. 8. pr. und L. 41. §. ult. D. de Excuſat. an - fuͤhren, aber vergeblich. Das erſte Geſetz giebt den Solda - ten nach ihrer ehrenvollen Entlaſſung (Veterani) die Frey - heit von Uebernehmung der Vormundſchaften, ſagt aber aus - druͤcklich, daß dieſes Privilegium gegen Soldatenkinder keine Anwendung finden ſolle. Allein wo concurrirt denn hier ein Privilegirter mit einem andern Privilegirten? Da das Pri - vilegium wegen der Befreyung von Vormundſchaften den Ve - teranen, nicht aber deren Kindern ertheilt iſt. Es iſt alſo dieſer Fall fuͤr nichts anders als eine Einſchraͤnkung jenes Privilegii der Soldaten anzuſehen. Und eben das gilt auch von dem andern Geſetz..
Wenn nun aber beyde Partheyen in dem Fall ſich befinden, wo ihnen nach den Geſetzen ein beſonde - res Recht zuſtehet, von der einen aber doch die ihr zuſtehende Rechtswohlthat gegen die andere nicht ausge - uͤbt werden kann, ohne derſelben zu nahe zu treten, und ſelbige zu ſchmaͤlern; ſo iſt nun eine wahre Colliſion dieſer Rechtswohlthaten vorhanden, bey welcher man auf folgende Punkte zu ſehen hat.
I) Ob die colliditende Rechtswohlthaten von einer oder von verſchiedener Art ſind. Iſt letzteres, ſo verſteht ſich von ſelbſt, daß die ſchwaͤchere der ſtaͤrkern weichen muͤſſe. Fuͤr die ſtaͤrkere Rechts - wohlthat wird aber diejenige gehalten, welche die Geſetze mehr beguͤnſtigen. Wir finden hiervon in den Geſetzen mancherley Beyſpiele. So verliehrt das Vellejaniſche Senatus Conſultum gegen einen Minderjaͤhrigen ſeineB 4Kraft,241. Buch. 4. Tit. §. 105.Kraft, wenn der Hauptſchuldner nicht bezahlen kann, fuͤr welchen die Weibsperſon ſich verbuͤrgt hat59)L. 12. D. de minorib. . — Eben ſo wenig kann auch das Macedonianiſche Senatus Conſul - tum einem Minderjaͤhrigen entgegen geſetzt werden, wenn dieſer einem andern, der zwar majorenn, aber noch in vaͤterlicher Gewalt iſt, Geld in Anlehn gegeben hat60)L 3. §. 2. D. de SCto Macedon. L. 11. §. 7. D. de Mi - norib. . Die Geſetze ſagen: magis aetatis ratio, quam Senatus con - ſulti habenda eſt. Iſt ein beſonderes Recht blos nach dem Beyſpiel eines andern eingefuͤhret worden, ſo ſtehet es der eigenen Rechtswohlthat des andern nach, ſie ſey entwe - der in der Minderjaͤhrigkeit, oder auch nur in einem Se - natus Conſultum gegruͤndet. So z. B. kann auch den Staͤdten das Macedonianiſche Senatus Conſultum ent - gegen geſetzet werden61)L. 15. D. de SCto Macedon. et Dionyſ. gothofredus in Not. ad h. L. lit. k. . — Und wenn ein Minderjaͤh - riger mit einer Kirche in Colliſion kommt, ſo hat das Recht des Minderjaͤhrigen den Vorzug62)Cap. 1. X. de in int. reſtitut. hartleben Spec. XIII. meditat. 8. Reg. 3. S. 266..
II) Wenn nun aber beſondere Rechte von gleicher Art in Colliſion kommen, deren eins nicht mehr beguͤn - ſtiget iſt, als das andere; ſo iſt entweder das Recht des einem aͤlter und eher entſtanden, als das Recht des andern, oder das Recht der beyden Partheyen iſt zuei - ner Zeit, und durch einerley Geſchaͤft begruͤndet wor - den. Im erſtern Fall entſcheidet der Vorzug der Zeit, und das aͤltere Recht der einen Parthey hatvor25de Conſtitutionibus Principum. vor dem juͤngern der andern Parthey den Vorzug63)Nov. XCI. cap. 1. — Sicut enim, ſi duo debita publica fuiſſent, neceſſario antiquum praeponeretur poſteriori: ita et hic privilegia neceſſarium eſt priori doti dare prio - ra, et tum ſecundae, ut, quod antiquius et tempore prius eſt, amplius obtineat robur et privilegium. . So iſt z. B. das Vorzugsrecht der Kinder erſter Ehe wegen des Brautſchatzes ihrer verſtorbenen Mutter ſtaͤr - ker, als das ihrer Stiefmutter wegen ihres Eingebrach - ten64)L. 12. §. 1. Cod. qui potior. in pignor. — Exceptis vide - licet contra novercas antetioris matrimonii filiis, quibus pro dote matris ſuae iam quidem dedimus hypothecam contra pa - ternas res, vel eius creditores: in praeſenti autem ſimilem praerogativam ſervamus, ne ius, quod poſteriori da - tum eſt uxori, hoc anteriori denegetur. . Im letztern Fall, wenn beyde Partheyen bey dem zur Sprache ſtehenden Geſchaͤfte Schaden erlitten, wel - chen ſie durch Ausuͤbung ihrer Rechtswohlthat von ſich abzuwenden ſuchen, mithin beyde in gleicher Lage ſich be - finden; ſo iſt nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Geſetze fuͤr den Beklagten zu ſprechen, und derſelbe nach ſeinem beſondern Rechte zu beurtheilen. Hierher gehoͤrt folgen - der vom Ulpian65)L. 11. §. 6. D. de minorib. entſchiedener Rechtsfall. Wenn ein Minderjaͤhriger von einem andern Minderjaͤhrigen Geld aufnimmt, dies aufgeliehene Geld aber verſchwendet, oder ſonſt keinen Nutzen davon gehabt hat, alſo nach erhobe - ner Klage gegen die Anleihe Reſtitution ſucht, um einen Schaden von ſich abzuwenden, der ihm durch Bezahlung des nicht genutzten Geldes erwachſen wuͤrde; dann der Klaͤger replicando auf die naͤmliche Rechtswohlthat aus dem naͤmlichen Grunde ſich beruft; ſo ſoll in dieſem Col - liſionsfall der Beklagte nur allein mit ſeinem Reſtitutions -B 5Ge -261. Buch. 4. Tit. §. 105.Geſuch gehoͤret, und Klaͤger damit abgewieſen werden. Hier iſt es ſchlechterdings unmoͤglich, beyde Minderjaͤh - rige zu ihrem beſondern Rechte zu verhelfen66)Ich kann nicht umhin, hier eine Stelle aus der oben ange - fuͤhrten Commentation des Wientzeck, zumahl da ſolche nicht in aller Haͤnden ſich befindet, anzufuͤhren, weil ſo viele große Rechtsgelehrten behaupten, daß in dem gegebenen Fall keiner von beyden Minderjaͤhrigen von ſeiner Rechtswohlthat Gebrauch machen koͤnne, ſondern das gemeine Recht eintreten muͤſſe. Die Stelle lautet Cap. I. §. 1. S. 12. folgender Maaſ - ſen: Cum autem in ſpecie noſtra dicitur, minorem, qui mu - tuam pecuniam accepit, non teneri (hoc enim ſibi volunt ver - ba: d. L. melior eſt cauſa eius, qui accepit, iet vel dilapidavit vel perdidit) neceſſe eſt, ut ob reſtitu - tionem in integrum ei conceſſam obligatio ad reſtituendum ceſ - ſet. Summo itaque iure dici poteſt: in caſu, ſi uterque minor captus eſt, unum eorum reſtitui. Aſt quae - ritur hic, cur, in ſpecie propoſita, alter minor non etiam reſtituatur, cum tamen quoque laeſus ſit, quippe qui pecu - niam mutuam dedit, quam non recuperat? Reſpondeo, hic reſtitutionem plane eſſe impoſſibilem, hancque ob cauſam ceſſare. Si enim minor, qui accepit, in integrum reſtituitur, huius reſtitutionis hic eſt effectus, ut ſolvere, quod proprie deberet, non teneatur. Iam ſi minor, qui dedit, etiam reſtitui debe - ret, reus ad ſolvendum tamen obligatus eſſet. Sic itaque ſimul et non ſolvere et ſolvere deberet, quod per principium contra - dictionis eſt abſurdum. , folglich muß das beſondere Recht auf Seiten des Beklagten vor - gehen, welchen uͤberhaupt in Colliſionsfaͤllen die Geſetze mehr beguͤnſtigen als den Klaͤger67)L. 125. D. de Reg. Iur. . Mit dieſer Ent - ſcheidung ſtimmt auch Paulus68)L. 34. pr. D. de Minorib. auf das genaueſte uͤberein, wenn er ſagt: Si minor viginti quinque annis filiofamilias minori pecuniam credidit, melior eſt cauſacon -27de Conſtitutionibus Principum. conſumentis: niſi locupletior ex hoc inveniatur litis conteſtatae tempore is qui accepit. Hieraus erhellet zugleich, daß wenn der Minderjaͤhrige, der das Geld empfangen, ſolches wirklich zu ſeinem Nutzen verwandt haͤtte, und folglich zur Zeit der Litis Conteſtation ſich dadurch locupletior befaͤnde, derſelbe in dieſem Fall mit der vorgeſchuͤtzten Einrede der Reſtitution nicht zu hoͤren, vielmehr der minderjaͤhrige Glaͤubiger gegen die An - leihe in den vorigen Stand einzuſetzen ſeyn wuͤrde69)Eben dieſes giebt auch Ulpian in den Worten der oben angefuͤhrten L. 11. §. 6. D. de minorib. puto autem a Prae - tore inſpiciendum, quis captus ſit? zu verſtehen. Captus heißt ſoviel als laeſus. L. 3. §. 3. L. 7. pr. L. 9. §. 2. L. 29. pr. D. de minorib. Sonſt heißt capi ſoviel als fraudari et decipi. S. erissonius de Verb. Significat. v. capere n. 7. S. 154.. Denn hier trachtet der Beklagte bey dem zur Sprache ſtehenden Geſchaͤfte nur etwas zu gewinnen. Er befindet ſich alſo eigentlich nicht in dem Fall, in welchem die Geſetze den Minderjaͤhrigen die Reſtitutions-Wohlthat geben. Wohl aber der Klaͤger, welcher dadurch nur lediglich einen Scha - den zu verhuͤten ſucht, den er durch die Nichtwiederbe - zahlung der Anleihe erleiden wuͤrde. Folglich geſtatten die Geſetze nur dieſem den Gebrauch ſeiner Rechtswohl - that.
Aller Grund von dem Verluſt verliehener Privilegien iſt entweder in der Beſchaffenheit des Privilegii ſelbſt, oder in dem Geſetzgeber, oder in derprivi -281. Buch. 4. Tit. §. 106.privilegirten Perſon anzutreffen69)D. Joh. Chriſt. Quiſtorps Gedanken uͤber die Frage: welches ſind die vornehmſten Grundſaͤtze, worauf es bey Be - ſtimmung der Faͤlle, da Privilegien aufhoͤren koͤnnen, haupt - ſaͤchlich ankommt? in deſſelben kleineren juriſt. Schriften 1. Sammlung (Buͤtzow u. Wismar 1772. 8.) N. IV. I. G. F. wasmuth Diſſ. de privilegiorum natura, in ſpecie de modis, quibus finiuntur vel amit - tuntur. Goettingae 1787. Cap. II. hartleren Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. . Aus dem erſtern Grunde faͤllt
Endlich
Hiernaͤchſt kann nun auch der Grund von dem Ver - luſt des verliehenen Privilegiums in dem Willen des Geſetzgebers anzutreffen ſeyn, indem er das Privi - legium wiederruft. In wie fern aber Privilegien wiederruffen werden koͤnnen? iſt ſehr ſtreitig. Einige raͤumen dem Landesherrn hierin ein freyes unumſchraͤnk - tes Recht ein76)Io. Guil. gadendam Diſſ. de legibus praeſertim ſpeciali - bus ſeu privilegiis, quatenus mutari aut revocari iure poſſint. Erlangae 1743. Allein kuhn in Diſſert. de privilegii con - ventionalis irrevocabilitate Heidelberg 1760. hat dieſe irrige Meinung in ihrer ganzen Bloͤße dargeſtellt.. Andere77)Auſſer Hellfeld hegt dieſe Meinung unter andern auch Quiſtorp in der angefuͤhrten Abhandlung S. 102. u. ff. machen einen[Unterſchied] zwiſchen Privilegien, die lediglich ihren Grund in der Gnade des Regenten haben, und ſolchen, die auf einem Vertrage beruhen, wodurch ſich der Privilegirte anhei - ſchig gemacht hat, dagegen etwas wieder zu leiſten. Sie behaupten, daß zwar letztere nicht ohne eine beſondere und gerechte Urſach, erſtere aber nach Gefallen widerrufen werden koͤnnten. Denn die Gnade eines Regenten habe keine beſtimmte Grenzen. Allein dieſer Grund iſt ſo we - nig uͤberzeugend, als wenn andere Rechtsgelehrten ſagen, gratioͤſe Privilegien haͤtten die Natur eines Precariums78)Z. B. hartleben Spec. XIII. med. 6. welchen aber Hr. Reg. Rath Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerli - chen Rechts 2. Th. S. 151. gruͤndlich widerlegt hat.. Denn indem der Regent ein Privilegium aufhebt, ertheilt er keine Gnade. Alſo finden hier allerdings Grenzenſtatt31de Conſtitutionibus Principum. ſtatt79)Ganz recht ſagt daher gundling in Iure Naturae et Gent. cap. XII. §. 45. gratuita privilegia libere quidem promittuntur, ſed poſtquam promiſſa, valide ſunt ſervanda. . Zudem macht ja die Ertheilung und Anneh - mung eines grazioͤſen Privilegiums wohl ohnſtreitig einen Vertrag aus. Vertraͤge muͤſſen aber dem Staat eben ſowohl als ſeinen Buͤrgern heilig ſeyn80)gebauer in Diſſ. de privilegiis §. 19. Struben rechtli - che Bedenken 2. Th. Bd 80.. Zwar kommt ein grazioͤſes Privilegium mit einem Precarium darin uͤberein, daß beydes eine Art der Freygebigkeit iſt, ſo aus Gunſt gegen Jemanden ausgeuͤbt wird81)L. 1. D. de preeario ſagt: Precarium eſt quidem genus li - beralitatis, ſed diſtat a donatione, eo, quod, qui donat, ſic dat, ne recipiat; at qui precario concedit, ſic dat, quaſi tunc recepturus, cum ſibi libuerit precarium ſolvere. . Allein die Widerruflichkeit unterſcheidet das Precarium deutlich ge - nug von einer Schenkung, die an ſich unwiderruflich iſt. Meiner Meinung nach kommt es bey der obigen Frage darauf an, ob ſich der Ertheiler des Privilegiums den Widerruf vorbehalten habe, oder nicht. Iſt erſteres, wel - ches durch die Clauſeln: auf Wohlgefallen, bis auf Widerruf, bis auf weitere Verfuͤgung, oder der uns, unſern Erben und Nachkommen zuſtehenden Macht zu mindern oder gar aufzuheben, vorbehaͤltlich, zu erkennen gegeben wird, ſo kann dergleichen Privilegium nach dem Wohlgefallen des Ertheilers zu aller Zeit wi - derrufen werden. Denn ein ſolches Privilegium nimmt die Natur eines Precarium an. So wie jedoch ein Pre - carium nicht gleich mit dem Tode deſſen, der etwas auf dieſe Art gegeben hat, aufhoͤrt82)L. 8. §. 1. L. 12. §. 1. D. de precario. , ſo iſt ein gleichesauch321. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108.auch von einem ſolchen Privilegium anzunehmen; es waͤ - re denn, daß aus dem Inhalt deſſelben deutlich zu erſehen, daß der Regent bey Ertheilung des Privilegiums blos auf ſeine Perſon Ruͤckſicht genommen, welches inſonder - heit auch daraus abzunehmen iſt, wenn er blos von ſich und ſeinem Willen redet. In dieſem Falle hoͤrt das Pri - vilegium allerdings mit dem Tode des Ertheilers auf, ohne daß ein Widerruf des Nachfolgers noͤthig iſt83)Cap. 5. de Reſcript. in 6to. L. 4. D. locati. Siehe klock Tr. de Contributionibus Cap. XVI. Sect. I. n. 120. ſqq. voet in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 25. leyser Spec. XI. med. 3. hartleben Spec. XIII. med. 2. et 3. Eichmann Erklaͤrung des buͤrgerl. Rechts 2. Th. S. 152. ff. Chriſt. Henr. breuning Quaeſtio iuris controv. an privilegia conceſſa titu - lo gratioſo morte concedentis exſpirent? Lipſiae 1776.. Im letztern Fall, da Privilegien nicht ad beneplaci - tum verliehen worden ſind, kann ſolche der Regent nur alsdann aufheben, wenn entweder ſolche allgemeine Ur - ſachen, die alle und jede Vertraͤge unguͤltig machen, vor - handen ſind, z. B. Veraͤnderung der Umſtaͤnde, Nichter - fuͤllung der Bedingung, unter welcher das Privilegium iſt ertheilet worden; oder auch ein ertheiltes Privilegium dem Wohl des Staats zuwider iſt. Nam ſalus reipublicae ſuprema lex eſt. Und es iſt alsdann kein Unterſchied, das Privilegium mag durch einen oneroͤſen oder lucrati - ven Titel erworben worden ſeyn84)Cap. 16. de Reg. Iur. in 6to. Nov. LXXXI. c. 2. Conſil. Tubingenſ. Vol. V. Conſ. 58. n. 123. ſqq. Vol. VH. C. 29. n. 32. ſqq. stryck in Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo quaeſitis. Cap. III. §. 5. leyser Spec. L. med. 10. wern - her ſelect. Obſervat. forenſ. T. II. Part. X. Obſ. 377. hom - mel Rhapſod. Quaeſtion. Forenſ. Vol. III. Obſ. 469.. Dem Recht und der Billigkeit iſt es jedoch gemaͤß, einen ſolchen Unterthan, der durch den Widerruf eines titulo oneroſo erworbe -nen33de Conſtitutionibus Principum. nen Privilegiums ſein Recht verliehrt, den Schaden zu erſetzen, den er hierdurch leidet; denn der Staat beſitzt das Geld, was der Privilegirte fuͤr die Ertheilung des Privilegiums zahlen muͤſſen, ſobald daſſelbe aufgehoben worden iſt, ſine cauſa85)L. 1. §. 2. D de condict. ſine cauſa: — Sive ab initio ſine cauſa promifſum eſt, ſive fuit cauſa promittendi, quae finita eſt, dicendum eſt condictioni locum fore. , und kann es, ohne offenbare Ungerechtigkeit, nicht behalten. Mit Zinſen kann indeſ - ſen der Privilegirte ſein Geld nicht zuruͤckfordern, weil er dafuͤr den Genuß des Privilegiums gehabt hat; auch kommt der Gewinn, der ihm dadurch entgeht, in keinen Betracht86)stryck in Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo quaeſit. Cap. III. § 23. hommel Rhapſod. Quaeſt forens. Vol. III. Obſ. 469. n. 5. S. 106 gaertner Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. medit. 36. S. 61..
Nicht weniger iſt der Nachfolger in der Re - gierung, er mag durch Erb - oder Wahlrecht dazu ge - langt ſeyn, die von ſeinem Vorfahrer verliehene Privile - gien, ſie moͤgen grazioͤſe oder convenzionelle ſeyn, in ſo weit zu halten verbunden, als ſie dem Staat ſelbſt ver - bindlich ſind87)wasmuth in der mehrmahls angefuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 29. u. 30. Chriſt. Jacob von Zwierlein Nebenſtunden 1. Th. S. 66 ff.. Denn der Regent ertheilt Privilegien vermoͤge der Landeshoheit, und als Repraͤſentant ſeines Landes. Dieſes Land und die damit verknuͤpfte Hoheit kommt nach dem Tode des Regenten an deſſelben Nach - folger. Hieraus folgt alſo, daß jeder Nachfolger in der Landeshoheit verbunden iſt, die rechtmaͤſigen Regierungs - handlungen ſeines Vorfahren, wenn Dritte daraus einunwi -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. C341. Buch. 4. Tit. §. 109.unwiderrufliches Recht erworben haben, mithin auch deſ - ſen Privilegien, gelten zu laſſen88)wernher ſel. Obſ. for. T. I. Part. V. Obſ. 161. Puͤt - ters Beytraͤge zum T. St. u. F. R. 1. Th. N. 9. Io Pet. de ludewig de obligatione ſucceſſorum in principatu. Halae 1714 Cap. IV. Schnaubert Territorial-Staatsrecht. 2. Buch 12. Hauptſt..
Endlich kann es Faͤlle geben, da in dem Privi - legirten ſelbſt der Grund von dem Verluſt ſeines Pri - vilegiums anzutreffen iſt. Dahin gehoͤrt
I) wenn er ſich ſeines Privilegiums unwuͤrdig macht. Es kann dieß auf zweyerley Art geſchehen,
Ferner II) leider es keinen Zweifel, daß ein Privile - girter ſowohl ausdruͤcklich ſich ſeines Privilegiums begeben, als durch ſeine Handlungen ſolches be - weiſen koͤnne96)L. 29 Cod. de pactis. Cap. 6. X. de privil. , und hierdurch das Privilegium verloh - ren gehe. Nur in ſo fern das naͤmliche Privilegium mehrern gemeinſchaftlich zuſtuͤnde, wuͤrde die Renuncia - tion des einen den uͤbrigen Theilhabern nicht praͤiudici - ren koͤnnen97)Quod pluribus commune eſt, unius renunciatione interverti nequit. S. boehmer Conſultat. ad Deciſion. Tom. III. P. II. Deciſ. 7. n. 6.. Denn man kann nur ſeines Rechtsſich93)viſſimos abuſus, et 2) ob praemiſſam comminatio - nem locum habeat. Man vergleiche auch hierbei wiestner in Praelect. et Exercit. acad. iuris eccleſiaſt. Lib. V. Tit. 33. art. IV. n. 56. 57. püttmann c. l. S. 201. und wasmuth in der angef. Diſſ. Cap. II. §. 22. S. 45. f.37de Conſtitutionibus Principium. ſich begeben98)L. 41. D. de minorib. Unicuique licet contemnere haec, quae pro se introducta ſunt. . Es iſt auch uͤbrigens die Begebung al - lemal nach der Strenge auszulegen99)voet in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 22.. Es kann daher aus dem bloßen Nichtgebrauch allein, wenn gleich der Privilegirte Gelegenheit gehabt, ſich ſeines Privilegiums zu bedienen, noch nicht gleich eine ſtillſchweigende Bege - bung deſſelben fuͤr die Zukunft gefolgert werden, weil mehr als eine Urſach vorhanden ſeyn kann, warum es in einem gewiſſen Fall dem Privilegirten nicht gefiel, von ſeinem Privilegium Gebrauch zu machen. Vielmehr iſt die ſtillſchweigende Begebung im Zweifel nur von dem gegenwaͤrtigen einzelen Fall zu verſtehen, in welchem ſich der Privilegirte ſeines Privilegiums nicht bedient hat; ſo lang nicht noch ein anderer Grund hinzutritt, woraus ein gaͤnzlicher Verluſt des Privilegiums erwachſen kann100)Die Geſetze beſtaͤtigen meinen Satz deutlich. Denn ſo ſagt L. 2. D. de Veteranis. Honeſte ſacramento ſolutis data im - munitas non labefactatur, ſi quis eorum voluntate ſua hono - rem aut munus ſuſceperit. L. 12. Cod. de Excuſat. Volun - tariae tutelae munera privilegiis nihil derogant. Das heißt, wie Cujaz in Recitat. Solemn. ſ. Commentar. in Cod. dieſes Geſetz erklaͤrt: Si omiſſa excuſatione, quae mihi iure competit, mea ſponte tutelam cuiusdam pupilli ſuſcepero, non ideo mi - nus me potero excuſare a tutela nova, ſi deferatur. Er ziehet hieraus die Folge: non amitti privilegium, ſi ſemel vel ite - rum non ſim uſus privilegio meo. Ferner L. 2. Cod. de bis, qui ſponte publica munera ſubeunt. (lib. X. Tit. 43.) Qui publici muneris vacationem habent, ſi aliquem honorem, ex - cepto decurionatu, (vid. L. 1. eod.) ſponte ſuſceperit, ob id quod patriae ſuae utilitatibus ceſſerit, vel gloriae cupidi - tate pauliſper ius publicum relaxaverit, competens pri - vilegium non amittit. Pauliſper heißt hier pro ea vi -ce,. C 3Es381. Buch. 4. Tit. §. 110.Es fragt ſich alſo, ob und wenn Privilegien durch den Nichtgebrauch verlohren gehen koͤnnen? Die Rechtsgelehrten ſind deshalb verſchiede - ner Meinung. Einige halten Privilegien fuͤr res merae facultatis, die durch Nichtgebrauch anderer geſtalt nicht erloͤſchen koͤnnten, als wenn von Seiten eines andern, dem daran gelegen, daß das Privilegium aufhoͤre, ein Widerſpruch geſchehen, und der Privilegirte ſich dabey beruhiget habe. Nur diejenigen Privilegien nehmen ſie aus, die nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Geſetze in An - ſehung des Gebrauchs in eine beſtimmte Zeit waͤren ein - geſchraͤnket worden1)S. Chriſt. claproth Diſſ. de rebus merae facultatis (Goet - tingae 1745.) §. 13. Car. Frid. dieterich Syſtem. elemen - tar. iurisprud. civ. privatae P. l. Tit. 1. Part. general. §. 19. p. 30. nettelbladt Syſtem. elem. Iurisprud. poſitivae Ger - manor. commun. generalis. §. 472. (Halae 1781.) . Z. B. das Privilegium, Markt halten zu duͤrfen2)L. 1. D. de nundinis. . Allein dieſe Theorie kann meines Erachtens wenig Beyfall finden, wenn man ſich an den Begriff einer rei merae facultatis noch erinnert, den ichan100)ce, et caſu, in quo privilegio ſuo non eſt uſus. Ius publicum aber zeigt dasjenige Recht an, quod in privilegio immunita - tis iure communi Veteranis vel aliis conceſſo conſiſtit. Hier - aus laͤßt ſich urtheilen, was von der Meinung derjenigen zu halten ſey, welche behaupten, daß negative Privilegien, welche in der Befugniß eine ſonſt nothwendig auszuuͤbende Verbindlichkeit zu unterlaſſen, beſtehen, durch ein einiges dem Privilegium gerade zuwiderlaufendes und wiſſentlich unter - nommenes Faktum erloͤſchen; ich will mich deshalb auf Fran - ciſc. de amaya Commentar. in tres poſteriores libros Codicis Imp. Iuſtiniani. Tom. I. (Lugduni 1639. fol.) lib. X. Tit. 43. n. 12. ſqq. vorzuͤglich bezogen haben, der dieſen Irrthum am gruͤndlichſten widerlegt hat. Mit mir ſtimmt auch voet in Comment. ad Pandect. h. t. §. 22. uͤberein.39de Conſtitutionibus Principium. an einem andern Ort meines Commentars3)S. den 1. Theil dieſes Commentars S. 113. ff. ſchon ent - wickelt habe, und ſodann in Erwaͤgung ziehet, daß die Geſetze ſelbſt den Grund, aus welchem Privilegien durch Nichtgebrauch erloͤſchen, in einer ſtillſchweigenden Begebung ſetzen4)Cap. 6. et 15. X. de privileg. In der leztern Stelle heißt es: Cum enim tanto tempore contra indulta privilegia deci - mas ſolverint, eis renunciaſſe tacite praeſumun - tur. Dieſem iſt nicht entgegen, wenn in L. 12. Cod. de Sa - croſ. Eccleſiis geſagt wird: privilegia, quae generalibus con - ſtitutionibus univerſis Sacroſanctis Eccleſiis orthodoxae reli - gionis retro Principes praeſtiterunt, firma et illibata in perpetuum decernimus cuſtodiri; denn dies iſt nicht von einzeln ſpeciellen Privilegien zu verſtehen, ſondern von ſolchen beſondern und zum gemeinen Beſten aller Kirchen eingefuͤhr - ten Rechten, die zum ius publicum gehoͤren, und ob utili - tatis publicae rationem beſtaͤndig aufrecht erhalten werden muͤſſen, wie ſchon Tob. Iac. reinharth in Diſſ. de eo, quod circa amiſſionem iurium et privilegiorum per non uſum iuſtum eſt, (Erfordiae 1734.) §. XVIII. richtig bemerkt hat. Ein gleiches iſt von den can. 1. et 2. Cauſ. XXV. qu. 2. in Gra - tians Decret zu ſagen; wovon Ant. Dad. alteserra in Innocentio III. ſ. Commentar. in ſingulas Decretales huius - ce Pontificis, quae per libros V. Decretal. ſparſae ſunt. (Lu - tetiae Pariſior. 1666.) Lib. V. Tit. 33. cap. 15. S. 591. nach - zuſehen iſt. Sehr gruͤndlich widerlegt auch wasmuth in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 25. jenen Irrthum, daß Privilegien fuͤr res merae facultatis zu halten.. Es koͤnnen alſo Privilegien aller - dings durch Nichtgebrauch ihre Endſchaft erreichen. Nur fragt ſich’s, was dazu erfordert werde? Ich bin der Meinung, daß ein Unterſchied zu machen ſey zwiſchen affirmativen Privilegien, welche dem Privilegirten die Befugniß geben, eine nach dem gemeinen Recht ſonſt nicht geſtattete Handlung unternehmen zu duͤrfen, und zwiſchen negativen Privilegien, welche den Pri -C 4vile -401. Buch. 4. Tit. §. 110.vilegirten von einer nach dem gemeinen Recht ſonſt zu erfuͤllenden Verbindlichkeit befreyen. Privilegien der letz - tern Art koͤnnen durch Nichtgebrauch anderer geſtalt nicht erloͤſchen, als wenn die Erforderniſſe einer extinctiven Ver - jaͤhrung vorhanden ſind. So wie nun zu einer ſolchen Verjaͤhrung, auſſer den Zeitraum, binnen welchen man keinen Gebrauch von ſeinem Recht gemacht, noch inſon - derheit Handlungen erfordert werden, welche dem Recht desjenigen, gegen welchen verjaͤhret wird, gerade zuwi - derlaufen5)S. Aem. Lud. homberck zu Vach Diſſ. de praeſcriptio - ne extinctiva cum interitu iurium per non uſum haud confun - denda. (Marburgi Cattor. 1750.) und nettelbladt in Sy - ſtem. elem. iurispr. poſitiv. Germanor. commun. general. §. 467.; ſo iſt nun auch zur extinctiven Praͤſcription negativer Privilegien erforderlich, I) daß der Privilegir - te dasjenige freywillig, und ohne ſich jemalen ſeines Pri - vilegiums zu bedienen, geleiſtet und erfuͤllt haben muͤſſe, wovon ihn das Privilegium befreyet; z. B. er hat dieje - nigen Steuren, oder Zehnden und andere Abgaben frey - willig entrichtet, wovon er doch vermoͤge ſeines Privile - giums eine Befreyung erhalten. II) Daß durch dieſe dem Privilegium zuwider unternommene Handlungen ein Anderer, der nach dem gemeinen Rechte befugt iſt, alle nicht eben ſo Privilegirte, zur Leiſtung derjenigen Schul - digkeit anzuhalten, wovon der Privilegirte eine Befreyung erhalten, in den Quaſi-Poſſeß geſetzt worden ſey, dieſe Praͤſtation auch von dem Privilegirten zu verlangen; und III) daß derſelbe dieſen Quaſi-Poſſeß eine ſo lange Zeit hindurch ohne alle Weigerung des Privilegirten ausge - uͤbt habe, als die Geſetze nach dem Unterſchied der Per - ſon, gegen welche verjaͤhret wird, zu einer Verjaͤhrung uͤberhaupt erfordern; alſo gegen eine Kirche 40 Jahr, ge -gen41de Conſtitutionibus Principum. gen einen andern Privilegirten aber binnen 10 oder 20 Jah - ren, es waͤre denn, daß das Privilegium einer ſol - chen Perſon verliehen worden, welcher die Geſetze die Rechte der Minderjaͤhrigen angedeihen laſſen, in welchem Fall das ihr zuſtehende negative Privilegium erſt nach 30 Jahren erloͤſchen wuͤrde6)Andr. Chriſt. roesner Diſſ. de praeſcriptione iuris negativi, gonzalfz tellez in Commentar. in Decretal. Gregorii IX. T. IV. Lib. V. Tit. XXXIII. ad cap. 6. X. de privileg. n. 6. pag. 489.. Der Beweiß dieſer Theo - rie liegt in den Cap. 6. und 15. X. de privilegiis. In dem erſtern Kapitulum reſcribirt der Papſt Alexander III. an das Ciftercienſer Kloſter St. Andraͤ folgender Geſtallt. Si de terra, quam habetis in parochia canonicorum de Plautio per XXX. annos eis decimas perſolviſtis: eas ſibi de caetero integre perſolvatis. Licet enim privilegiorum Rom. Eccleſ. beneficio fratribus Ciſter - ciens. ordinis indultum fuerit, quod de laboribus ſuis nullas decimas perſolvere debeant; de privilegio ta - men indulto, tanto tempore vobis detrahere volui - ſtis: cum liberum ſit unicuique ſuo iuri renuntia - re, eoque modo non poteſtis vos in hac parte tueri. Das andere Kapitulum iſt vom Papſt Innocenz III. wir wollen nur folgende Worte aus demſelben excerpiren. Si abbas et monachi ſufficienter oſtenderint, quod a Templariis decimas de terris praedictis per XL. an - nos continuo perceperint ſine lite, vos ad praeſta - tionem ipſarum Templarios compellatis. Cum enine tanto tempore contra indulta privilegia decimas ſolverint, eis renunciaſſe tacite praeſumuntur. In beyden Kapiteln iſt von einem negativen Privilegium de non ſolvendis de - cimis die Rede, dergleichen die Ciſtercienſer Moͤnche undC 5Tem -421. Buch. 4. Tit. §. 110.Tempelherrn von den Paͤpſten erhalten hatten. Erſtere hatten demungeachtet dreyßig Jahre lang fuͤr ihre in der Parochie der Canonicorum de Plautio gelegene Laͤnde - reyen, und letztere ſchon vierzig Jahre die Zehenden ent - richtet. Und nun, da ſie auf einmal dieſe Abgabe ver - weigerten, ſpricht der Papſt, ſie ſeyen ſchuldig, den Ze - henden ferner zu reichen, und moͤgen ſich nicht weiter auf ihr Privilegium berufen; denn da ſie nun ſchon ſo lange Zeit keinen Gebrauch davon gemacht, ſo haͤtten ſie ſich deſſelben ſtillſchweigend begeben, und ihr Privilegium durch extinctive Verjaͤhrung verlohren. — Es findet ſich hierbey nur die einzige Schwierigkeit, wie Papſt Alexan - der III. die Ciſtercienſer Moͤnche ſchon wegen eines dreiſ - ſigjaͤhrigen Nichtgebrauchs ihres Privilegiums fuͤr verlu - ſtig erklaͤren koͤnnen, da doch gegen Kirchen und Kloͤſter ſchon damalen die vierzigjaͤhrige Praͤſcription eingefuͤhrt war7)S. Cap. 8. X. de praeſcript. Nach der Vorſchrift der aͤl - tern Concilienſchluͤſſe fand zwar auch gegen Kirchen und geiſt - liche Stiftungen die dreißigjaͤhrige Verjaͤhrung ſtatt. Man vergleiche in Gratians Dekrete Can. 1. Cauſ. XIII. qu. 2. und Can. 1. Cauſ. XVI. qu. 3. Allein Juſtinian fuͤhrte in der Folge die vierzigjaͤhrige Verjaͤhrung ein. Nov. CXXXI. cap. 6. und dieſe wurde auch durch die neuern Kirchenge - ſetze und Canonen der Concilien beſtaͤtiget. can. 1. 2. und 3. Cauſ. XVI. qu. 4. Dennoch aber blieb auch nach Juſtinians Zeiten in manchen Kirchen und Dioͤceſen, z. B. in Spanien und Frankreich, die vormahlige dreißigjaͤhrige Verjaͤhrung im Gebrauch. Siehe can. 3. 4. 6. u. 10. Cauſ. XVI. qu. 3. So iſt die in den einzelnen Verordnungen unſers kanoniſchen Ge - ſetzbuchs desfalls vorkommende Antinomie zu heben. Conf. Franc. florens in Operib. iurid. ab Ignat. Chriſtoph. lor - ber a stoerchen Norimbergae 1756. editis: Tom. II. S. 72. ff. und Car. Sebaſt. berardus in Gratiani canones. Part. I. S. 189. (edit. Venet. 1777.). Einen Schreib - oder Druckfehler anzunehmen,halte43de Conſtitutionibus Principum. halte ich bey der einſtimmigen Leſeart aller Handſchriften und Ausgaben unſerer Decretalen fuͤr bedenklich8)Dieß muthmaſet wasmuth cit. Diſſertat. Cap. II. §. 26. S. 65.. Es muß alſo wohl einen andern Grund gehabt haben, wa - rum der Papſt gegen das Ciſtercienſer Kloſter St. Andraͤ eine dreyßigjaͤhrige Verjaͤhrung fuͤr hinreichend hielt. Vielleicht hat Boͤhmer in der unten excerpirten Note9)ad Cap. 6. X. de privileg. Not. 72. — Forſan alexan - der III. ideo etiam elegit iuris veteris doctrinam, ut eo citius exſpiraret Ciſtercienſium immunitas a decimis, quam directo revocare noluit, ſed tantum eius uſum reſtrinxit. Haec enim admodum eo tempore in invidiam deducta, ut in Con - cilio Lateranenſi III. graviſſimae contra eam motae fuerint querelae, quas recenſet ſuccincte manrique in Annal Ciſterc. Tom. III. ad annum MCLXXIX. c. 3. et quarum ipſe Pon - tifex mentionem facit in cap. 9. X. de decimis, adeo ut ami - cabilem compoſitionem cum epiſcopis fratribus Ciſtertii ſuaſerit potius, quam rigidam immunitatis propugnationem, poſtquam bona eorum in immenſum creverant. die Sache am beſten getroffen.
Ich ſchreite zu den zweyten Fall, wenn von affir - mativen Privilegien die Frage iſt. Dieſe koͤnnen durch den bloßen Nichtgebrauch erloͤſchen10)S. Sam. stryck Diſſ. de non uſu iuris quaeſiti. rec. Lip - ſiae 1698. Cap. II. n. 40. ſqq. und Cap. III. hartleben in Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 5. S. 253., 1) wenn es dem Privilegirten nicht an Gelegenheit gefehlet, von ſeinem Privilegium Gebrauch zu machen11)mevius in Deciſ. Part. II. Deciſ. 1. wernher in Obſer - vat. forens. Tom. I. Part. I. Obſ. 108. Daher bewirkt z. B. das Verfallen der Gerichtsplaͤtze keinen Verluſt der Gerichis - barkeit ſelbſt, wenn keine Verbrechen ſeit langer Zeit began - gen worden, die dort haͤtten geruͤget werden koͤnnen. S. Quiſtorp Grundſaͤtze des T. peinl. Rechts 2. Tb. §. 568.; er auch 2) in441. Buch. 4. Tit. §. 110.in der Ausuͤbung deſſelben durch nichts gehindert wor - den12)Denn es iſt eine bekannte Regel: non valenti agere non currit praeſcriptio L. 1. Cod. de ann. except. Cap. 10. X. de praeſcript. R. I. de 1654. §. 172. z. B. wenn wegen graſſi - render Peſt keine Meſſen und Jahrmaͤrkte gehalten werden koͤnnen, ſo kann dieſer Nichtgebrauch keinen Verluſt des pri - vilegii nundinarum nach ſich ziehen. carpzov Part. II. De - ciſ. 116. boehmer Conſ. T. III. P. 2. Dec. 7. n. 8.; gleichwohl 3) ſich deſſelben uͤberall freywillig nicht bedienet hat13)Ein anderes waͤre, wenn in dem Privilegium die Clauſel enthalten „ ſolches nach freyen Willkuͤhr zu ge - brauchen “wovon pfeffinger in Vitriario illuſtrat. T. III. p. 1248. Beyſpiele geſammelt hat, ein ſolches Privilegium wuͤrde freylich durch Nichtgebrauch nie erloͤſchen koͤnnen. enenckel de privileg. Lib. III. Cap. 18. n. 33. lauter - bach Colleg. Th. Pr. Pandect. h. t. §. 52. in fin. Daher iſt in kaiſerlichen Begnadigungen, wenn deren Nichtgebrauch un - ſchaͤdlich ſeyn ſoll, die beſondere Clauſel: ut non uſus non praeiudicet, auch dafuͤr zu erlegende Taxe, gewoͤhnlich, wie aus Moſers Staatsrechte T. IV. S. 178. zu erſehen iſt.; 4) dieſer Nichtgebrauch durch einen ſo langen Zeitraum gedauert, als nach den Geſetzen erfor - derlich iſt; und endlich auch 5) Jemanden daran gelegen iſt, daß das Privilegium aufhoͤre14)Dieſem iſt daher auch der Beweis aufzulegen, daß der Privilegirte ſich ſeines Privilegiums freywillig und aus Nach - laͤßigkeit nicht bedient habe. philippi in Uſu practico In - ſtitut. Iuſtinianear. Lib. I. Tit. II. Eclog. 22. n. 8.. Nun fragt ſich’s aber noch, welcher Zeitraum nach den Geſetzen erfordert werde, wenn affirmative Privilegien durch bloßen Nicht - gebrauch ſollen verlohren gehen? Dies iſt unter den Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig. Denn auſſer der L. 1. D. de nundinis15)modestinus lib. 3. Regularum. Nundinis impetratis a Prin - cipe, non utendo qui meruit, decennii tempore uſum amittit. findet ſich keine ganz allgemeine und be -ſtimm -45de Conſtitutionibus Principum. ſtimmte Entſcheidung jener Frage in unſern Geſetzen. Kein Wunder, wenn daher die Rechtsgelehrten auch hie - rin nicht einig ſind. Die meiſten ſowohl aͤltern als neuern Rechtsgelehrten behaupten nun, daß affirmative Privile - gien ſchon durch einen zehenjaͤhrigen Nichtge - brauch erloͤſchen koͤnnen16)frommann in Diſſ. de revocatione privilegior. licita (Tub. 1704.) th. XI. stryck de nonuſu iuris quaeſiti. Cap. III. n. 10. ſqq. boehmer Conſ. T. III. P. II. Dec. 7. puffen - dorff de Privilegiis Cap. I. §. 141 — 144. und in Obſervat. iuris univ. T. III. Obſ. 188. §. 42. lauterbach in Colleg. theor. pr. Pandect. h. t. §. 52. ludovici in doctrina Pan - dect. h. t. §. 12. heineccius in Elem. iuris civ. ſec. ord. Pandectar. h. t. §. 120. hartleben in Meditat. ad Pand. c. l. womit zu verbinden Erlangiſche juriſt. Littera - tur de a. 1778. I. Band S. 151. ff. gaertner in Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. med. 37. Quiſtorp kleine juriſt. Schriften. S. 119. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. 2. Th. S. 173. ff. und hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 100.. Denn dies ſey wenigſtens von dem Privilegium, Markt halten zu duͤrfen, nach der angefuͤhrten L. 1. auſſer allem Zweifel. Warum ſollte nun dieſes Geſetz nicht auch in Anſehung anderer Privi - legien zur Richtſchnur dienen koͤnnen? Man muͤſſe in Er - waͤgung ziehen, daß jenes Geſetz aus modestini libris Regularum genommen ſey. In ſolchen Buͤchern aber haͤtten die roͤmiſchen Rechtsgelehrten Regeln und Saͤtze nach gemeinen Rechtsgruͤnden vorgetragen, keine Aus - nahmen von den Geſetzen. So lange man nun nicht dar - thun koͤnne, daß aus einem beſondern Grunde in Anſe - hung des privilegii nundinarum jene rechtliche Dispoſi - tion gemacht worden, ſo lange muͤſſe dafuͤr gehalten wer - den, daß dieſelbe auf einem allen Privilegien gemeinen Grundſatze beruhe. Hierzu komme endlich noch, daß auchDienſt -461. Buch. 4. Tit. §. 110.Dienſtbarkeiten, welche doch eine gewiſſe Aehnlichkeit mit den Privilegien haben, durch einen zehnjaͤhrigen Nicht - gebrauch verlohren gehen17)L. 13. Cod. de Servitut. .
Allein dieſer Gruͤnde ungeachtet fehlt es nicht an Rechtsgelehrten18)lynker in Commentar. iuris civ. Lib. I. Tit. IV. §. 15. leyser in Meditat ad Pandect. Vol. I. Spec. XI. Coroll. 2. und Vol. VII. Spec. CCCCLVII. med. 6. et 7. Tob. Iac. rein - harth in ſelect Obſervat. ad Chriſtinaei Deciſion. Vol. III. Obſ. 28. pag. 42. ſqq. Struben rechtliche Bedenken V. Th. Bed. 76. S. 159 f. Puͤtter auserleſene Rechtsfaͤlle II. Ban - des 4. Th. Reſp. 236. n. 11. et 18. Iac. rave Princip. univ. doctr. de praeſcriptione §. 156. und Lud. God. madihn in Principiis Iuris Rom. (Francof. cis Viadrum) Part. I. Prae - cogn. §. 17., die aus nicht minder wichtigen Gruͤn - den zur Regel annehmen, daß affirmative Privilegien erſt durch einen Nichtgebrauch von dreyßig Jahren erloͤ - ſchen, und bey dem Privilegium, Jahrmarkt zu halten, nur eine Ausnahme von der Regel machen. Denn erſt - lich redet doch die Verordnung ganz allgemein, nach welcher Rechte und Anſpruͤche erſt binnen dreyßig Jah - ren praͤſcribiret werden19)L. 3. C. de praeſcript. XXX. vel. XL. annor. . Folglich muß ſie auch bey Privilegien ihre Anwendung finden, ſo weit die Geſetze keine Ausnahme in Anſehung derſelben gemacht haben. Nun iſt die Ausnahme allemal ſtreng und nach den Wor - ten zu erklaͤren. Zweytens folgt es nicht, weil die L. 1. de nundirtis aus Modeſtins Rechtsregeln genom - men iſt, ſo iſt dieſelbe eine allgemeine Vorſchrift fuͤr alle Privilegien. Es waͤre wenigſtens unerklaͤrbar, warum Modeſtin gerade der Jahrmaͤrkte beſonders gedachthaben47de Conſtitutionibus Principum. haben ſollte. Die L. 1. kann allerdings allgemeine Re - gel fuͤr die privilegia nundinarum ſeyn, und in ſo fern in den libris Regularum der roͤmiſchen Juriſten einen Platz verdienen; aber deswegen kann ſie doch auch Ausnahme in Ruͤckſicht aller andern Arten von Privilegien ſeyn; dies iſt kein Widerſpruch. Es Folgt auch nicht, daß Mode - ſtin ſelbſt dieſe Ausnahme gemacht habe. Sie kann ei - ne beſondere Verordnung eines roͤmiſchen Geſetzgebers eben ſowohl als ein Gewohnheitsrecht zum Grunde ha - ben. Wiſſen wir doch von mehreren roͤmiſchen Rechtsſaͤ - tzen den eigentlichen Urſprung nicht. Drittens hat es mit Jahrmaͤrkten die beſondere Beſchaffenheit, daß dieſel - be den Kaufleuten des Orts zum Nachtheil gereichen, indem dadurch Fremde des ihnen ſonſt nicht zuſtehenden iuris commerciorum theilhaftig gemacht werden20)coccejus in iure controverſo. Lib. L. Tit. XI. Qu. 1. reinharth in Diſſ. de amiſſione iurium et privilegiorum §. 23.. Solche Privilegien haben eher das Anſehen einer Dienſt - barkeit. Deswegen ſind aber nicht alle Privilegien von der Art. Denn Privilegien ſind vielfaͤlltig in der Ab - ſicht ertheilet, das gemeine Beſte zu befoͤrdern. Sie thun es auch oͤfters wirklich21)Struben rechtl. Bedenken II. Theil, Bed. 80. S. 300. u. 301., und iſt daher vielmehr ihre Conſervation, als deren Verluſt zu befoͤrdern. De - nen Kirchen, und nach dem Gerichtsgebrauch auch Staͤd - ten ſchadet jedoch nur ein vierzigjaͤhriger Nichtgebrauch22)gail. Lib. II. Obſ. 60. n. 12. boehmer in Conſ. Tom. III. P. II. Dec. 5. n. 3. et Part III. Dec. 661. n. 16. auch gaert - ner in Meditat. pract. ad Digeſta Spec. I. med. 37. S. 63..
Mit dieſem Titel geht nun die eigentliche Lehre des Pandecten-Rechts an. Dieſe reduciren die roͤmiſchen Juriſten auf drey Hauptgegenſtaͤnde, Perſonen, Sa - chen und Klagen23)L. 1. D. b. t. Daß ſich dieſe Eintheilung allerdings recht - fertigen laſſe, wenn man ſie nur recht erklaͤrt, hat Ulric. huber in Digreſſionibus Iuſtinianeis Lib. IV. c. 1. S. 255. gezeigt.; und machen den Anfang mit dem iure perſonarum, quia hominum cauſa omne ius conſtitutum eſt, wie Hermogenian24)L. 2. D. eodem. wobey Ioſeph. finestres et de mon - salvo in Hermogeniani iuris Epitomar. libros VI. Commen - tar. T. I. pag. 217. nachgeſehen zu werden verdient. ſich hieruͤber aus - druͤckt. Das Irrige der gewoͤhnlichen Erklaͤrungen vom iure perſonarum und ſtatu haben auch ſchon andere Rechtsgelehrten25)Vorzuͤglich empfehle ich hier die leſenswuͤrdige Abhandlung in des H. Kammergerichts-Aſſeſſors von Reinhard Samm - lung juriſtiſcher, philoſophiſcher und kritiſcher Aufſaͤtze 1. Ban - des (Buͤtzow u. Wismar 1777.) IV. Stuͤck N. VI. S. 263 — 281. und Hn. Rath Majers Einleitung in das Privat-Fuͤrſten - recht uͤberhaupt (Tuvingen 1783.) Kap. 2. §. 23. u. folgg. eingeſehen, und ſich die Berichtigung dieſer Lehre angelegen ſeyn laſſen, die in aller Abſicht wichtig iſt. Nach der richtigern Theorie iſt nun Ius per -ſona -49de Statu Hominum. ſonarum der Inbegriff derjenigen Rechte und Verbindlichkeiten, die eigentlich und haupt - ſaͤchlich Perſonen zu ihrem Gegenſtande ha - ben, und ſich in der ihnen anklebenden ver - ſchiedenen Qualitaͤt und Eigenſchaft, die man den ſtatum nennt, gruͤnden. Es kommt alſo hier auf die Eroͤrterung folgender vier Fragen an.
Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo verſtehet man zwar unter Perſon im weitlaͤuftigen Verſtande einen jeden Menſchen; allein im Sinn des roͤmiſchen Rechts unterſcheidet man zwiſchen Menſchen und Perſonen, und nennt eine Perſon einen ſolchen Menſchen, der als ein moraliſches oder freyhandelndes Weſen betrachtet, Rechte und Verbindlichkeiten in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hat. Einer ſolchen Perſon wird eine Sache entgegen geſetzt, worunter man im iuriſtiſchen Verſtande alles dasjenige begreift, was dem Menſchen Nutzen bringt, und alſo ein Gegenſtand menſchlicher Rechte ſeyn kann, dabey aber keine Perſon iſt. Aus dieſem Begriff wird man ſogleich einſehen, warum die roͤmiſchen Sclaven fuͤr keine Perſo - nen, ſondern fuͤr Sachen gehalten wurden. Denn wenn man ſie gleich fuͤr Menſchen erkannte, ſo hielt man ſie doch darum fuͤr keine Perſonen, weil man ſie nicht als moraliſche Weſen, ſondern als Dinge anſah, die blos zum Nutzen und Gebrauche der Menſchen, eben ſo wieGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Ddas501. Buch. 5. Tit. §. 111.das Vieh, waͤren, und weil ſie uͤberall keine Rechte in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hatten26)L. 3. §. 1. D. de cap. minut. — Servile caput nullum ius habet. L. 32. u. 209. D. de R. I. Quod attinet ad ius ci - vile, ſervi pro nullis habentur. L. 41. D. de peculio. Nec ſervus quicquam debere poteſt, nec fervo poteſt deberi. .
In Anſehung der zweyten Frage, iſt zufoͤrderſt im Allgemeinen zu bemerken, daß eine Perſon der Gegen - ſtand eines Rechts alsdann ſey, wenn ſie dasjenige iſt, worauf ſich ein Recht oder eine Verbindlichkeit un - mittelbar bezieht; und das kann auf zweyerley Art geſchehen. Es kann naͤmlich entweder dieſelbe Perſon, welcher das Recht zuſtehet, auch zugleich der Gegenſtand des Rechts ſeyn; oder es kann eine andere Perſon der Gegenſtand eines ſolchen Rechts ſeyn. Im erſten Fall iſt es ein ius in propriam perſonam; dahin gehoͤrt, daß ich ein freyer Menſch bin, oder daß ich Majorenn und mein eigener Herr bin, und keinen Curator brauche, ſon - dern meinen Sachen ſelber vorſtehen kann. Im andern Fall iſt es ein ius in perſonam alterius; dahin gehoͤren z. B. die Rechte, welche ein Vater uͤber ſeinen Sohn, ein Vormund uͤber ſeinen Muͤndel, u. dergl. hat. Die vornehmſten Arten, wie ein Recht eine Perſon zum naͤch - ſten Object haben kann, ſind:
1) Wenn ein Recht ſich auf die Geburt eines Men - ſchen beziehet; z. B. daß der eine noch Embryo, der an - dere ſchon geboren, der eine freyer 〃 der andere leibeig - ner 〃 der eine ehelicher 〃 der andere unehelicher 〃 der eine ehrlicher 〃 der andere unehrlicher Geburt und Herkunft iſt.
2) Wenn ein Recht ſich auf eine natuͤrliche Quali - taͤt des Leibes oder der Seele bezieht; z. B. daß ein Menſchmaͤnn -51de Statu Hominum. maͤnnlichen der andere weiblichen Geſchlechts iſt, der eine einen geſunden und untadelhaften Koͤrper hat, der andere aber einen fehlerhaften und gebrechlichen Koͤrper, der ei - ne den Gebrauch ſeiner Vernunft hat, der andere nicht.
3) Wenn ein Recht in der Freyheit, ſeine Hand - lungen nach eigenem Wohlgefallen einzurichten, beſteht. Z. B. daß Jemand ſui iuris iſt, und nicht mehr unter vaͤterlicher Gewalt ſtehet, und deshalb Rechte hat, die die filii familias nicht haben.
4) Wenn ein Recht in der Gewalt, die freyen Hand - lungen eines andern zu dirigiren, beſtehet. Z. B. das Recht der vaͤterlichen Gewalt, das Recht eines Vormunds uͤber ſeinen Pupillen.
5) Wenn ein Recht den aͤuſſerlichen Zuſtand eines Menſchen auf ſolche Art betrifft, daß ſeine Perſon dabey hauptſaͤchlich in Betrachtung kommt. Hierher gehoͤren diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche aus der Lebensart eines Menſchen, der Beſchaffenheit ſeines Ge - werbes, ſeiner Profeſſion und Handthierung, ferner aus ſeinem guten Namen, oder der Religion, die einer hat, entſtehen. Endlich
6) wenn die Rechte und Verbindlichkeiten aus einer ſolchen Geſellſchaft herflieſſen, die ſich hauptſaͤchlich auf die Perſonen beziehet, dergleichen die eheliche Geſellſchaft iſt.
Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche zum iu[re]perſonarum gehoͤren, ſind alſo ſo mancherley, als eine Perſon der Gegenſtand eines Rechts ſeyn kann, und thei - len ſich daher in viele Claſſen. Eine jede dieſer Claſſen ſetzt bey der Perſon, der dieſe Rechte und Verbindlich - keiten zukommen, eine gewiſſe Qualitaͤt voraus, vonD 2wel -521. Buch. 5. Tit. §. 112.welcher ſie abhangen. Eine ſolche Qualitaͤt nun, um deren willen einem Menſchen gewiſſe Rechte und Ver - bindlichkeiten zukommen, die zum iure perſonarum ge - hoͤren, nennt man den Statum hominis27)Die wenigſten Begriffe der Rechtsgelehrten vom ſtatus ho - minis ſind richtig. Am laͤcherlichſten aber nimmt ſich der Be - griff unſers Autors aus, wenn er ſagt: statum hominis conſtituunt mutabilia, ob quorum exiſtentiam homini certa competunt iura. Gehoͤrt nicht zum ſtatus hominis, daß Jemand wetblichen oder maͤnnlichen Geſchlechts iſt? Dieſen Zuſtand kann man doch gewiß nicht aͤndern. Auch iſt der Begriff, wel - chen ſich andere Rechtsgelehrte vom ſtatus hominis machen, wenn ſie ſich darunter eine Qualitaͤt, von welcher Rechte und Verbindlichkeiten abhangen, vor - ſtellen, viel zu unbeſtimmt. Denn nach dieſem Begriff wird es ſchwer ſeyn ius perſonarum von dem iure rerum gehoͤrig zu unterſcheiden. Z. B. daß ich Eigenthuͤmer von einer Sa - che bin, iſt ja ohnſtreitig eine Qualitaͤt, von welcher Rechte abhangen, z. E. die Sache zu nutzen und zu gebrauchen, ſie zu beſitzen, daruͤber zu disponiren, ſie zu vindiciren, u. ſ. w. Nach jenem Begriffe muͤßten alſo auch dieſe Rechte zum iure perſonarum gehoͤren, da doch jeder Juriſt ſolche zum iure re - rum zaͤhlt.. Soviel zur Beantwortung der dritten Frage. Endlich die vierte Fra - ge, wie vielerley der ſtatus hominis ſey? wird der folgende §. eroͤrtern.
Die Qualitaͤt, die man den ſtatum hominis nennt, kann nun zweyerley ſeyn, entweder eine natuͤrliche, phyſi - ſche Eigenſchaft, die der Menſch von Natur hat, oder eine aͤuſſerliche moraliſche Eigenſchaft, die bey dem Men - ſchen, welchem dieſelbe anklebt, ein gewiſſes geſellſchaftli - ches Verhaͤltniß vorausſetzt, wovon Rechte und Verbind -lich -53de Statu Homanum. lichkeiten abhangen. Hieraus entſtehet die Eintheilung des ſtatus in naturalem und adventitium, wie ihn Ev. otto28)In Commentar. ad pr. Inſtit. de iure perſonarum pag. 49. (edit. Chriſtph. Frid. harpdrechti Frfti et Lipſiae 1743.) nennt, oder civilem in weitlaͤuftigen Verſtande genommen. Dieſer beyderley Status iſt nun wieder man - cherley. Da wir jedoch vom ſtatu naturali29)S. Franc. Car. conradi Exerc. de iure perſonarum ex diſcrimine hominum naturali vario Lipſiae 1727. Godofr. Reinold. koeselisius de iure perſonarum ex ſtatu hominum naturali. Ibid. 1733. et Sam. puffendorf de ſtatu hominum naturali, in Eius diſput. academ. ſel. erſt bey dem §. 114. weiter handeln werden, ſo wollen wir jetzo nur den ſtatum adventitium in ſeine Claſſen eintheilen. Mich duͤnkt, es laſſe ſich dieſer moraliſche oder Ge - ſellſchafts zu ſtand des Menſchen nach Verſchieden - heit der beyden vorzuͤglichſten Geſellſchaften, in welchen der Menſch ſich befindet, naͤmlich des buͤrgerlichen Staats, und der Kirche, in den ſtatum civilem in eigentlichen Verſtande und den ſtatum eccleſiaſticum eintheilen, je nachdem jener ſtatus entweder darin beſteht, daß Jemand Mitglied einer buͤrgerlichen Staatsgeſellſchaft iſt, und des - halb gewiſſe Rechte und Verbindlichkeiten hat, die vom Befinden im Staat abhangen, oder darin beſtehet, daß Jemand Mitglied einer kirchlichen Geſellſchaft iſt, und deshalb gewiſſe Rechte und Verbindlichkeiten in der Kir - che hat. Hier handeln wir jedoch nur von dem erſtern, denn die Lehre vom ſtatu eccleſiaſtico gehoͤrt ins Kirchen - recht30)Hiervon handelt Hr. GJR. boehmer in Principiis iuris canonici Part. Spec. Lib. I. Tit. I. S. 57. ff. (edit. 1785.). So verſchieden nun auch der Status civilis ſeyn kann, da ſich eine große Mannichfaltigkeit ſolcher moraliſcher Eigenſchaften denken laͤſſet, welche Rechte undD 3Ver -541. Buch. 5. Tit. §. 113.Verbindlichkeiten im Staat wirken, ſo nahmen die Roͤ - mer doch nur dreyerley Hauptgattungen an, und theil - ten daher den ſtatum civilem ein in ſtatum libertatis, civi - tatis, und familiae, je nachdem Jemand entweder ein freyer Menſch, oder ein Buͤrger, oder ein Mitglied einer gewiſ - ſen Familie iſt, er ſey nun entweder paterfamilias oder filiusfamilias. In unſerm heutigen iure perſonarum zaͤhlen wir jedoch mehrere ſtatus civiles. Z. B. daß ei - ner in gutem Ruf ſtehet, ein anderer ehrlos oder unruͤch - iſt, (ſtatus exiſtimationis) wovon libro III. Tit 2. Ferner daß der eine von Adel der andere aber nur von buͤrger - lichen Stande iſt, (ſtatus nobilitatis) desgleichen daß einer ein Soldat, der andere keiner iſt, (paganus) u. ſ. f.
Nur denjenigen, welcher einen ſolchen buͤrgerlichen Zuſtand hatte, wovon die roͤmiſche Juriſten reden, nann - ten die Roͤmer eine Perſon; den buͤrgerlichen Zuſtand ſelbſt aber caput. Dieſe Benennung begriff alſo den Zu - ſtand der Freyheit, des Buͤrgerrechts, und des Familien - rechts unter ſich. Wer keinen von dieſen drey Civil-Staͤn - den hatte, den ſahen ſie fuͤr keine Perſon an, ſondern rechneten ihn zur Claſſe der Sachen. Dahin gehoͤrten die roͤmiſchen Sclaven. Man ſagte von dieſen, ſie haͤt - ten nullum caput31)§. 4. I. de cap. minut. Daraus zogen die roͤmiſchen Juri - ſten die Folge, eine poena capitis finde bey Sclaven richt ſtatt, wie aus L. 12. §. 4. D. de accuſat. M. Ant. mure - tus in Obſervat. iuris lib. ſing. Cap. 2. T. IV. Theſ. Otto - niani p. 143. und Io. Guil. marckart in Probabil. receptar. lecti -, und hielt ſie gleichſam fuͤr buͤrger -lich55de Statu Homanum. lich tod32)L. 209. D. de R. I. Servitutem mortalitati fere compa - ramus. . Denn ſie hatten gar keine buͤrgerliche Rech - te im Staate. Heut zu Tage nehmen wir das Wort Perſon in zweyerley Bedeutung, erſtlich fuͤr einen Menſchen, mit einer gewiſſen Qualitaͤt betrachtet, in An - ſehung welcher er beſondere Rechte und Verbindlichkeiten in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hat; und zweytens fuͤr eine ſolche moraliſche Eigenſchaft ſelbſt, welche man den ſtatum nennt; ſo z. B. ſagt man, ein Menſch habe meh - rere Perſonen zugleich, wovon ich hernach reden werde. Die Perſonen werden nun nach ihren mancherley Ver - haͤltniſſen in der buͤrgerlichen Geſellſchaft verſchiedentlich eingetheilt. Sie ſind
I) entweder Individual oder moraliſche Per - ſonen. Naͤmlich alle moͤgliche Verhaͤltniſſe der Menſchen gegen einander koͤnnen nur von zweyerley Art ſeyn; ein - fach oder zuſammengeſetzt: je nachdem entweder hier mehrere Menſchen mit ihrer Thaͤtigkeit ſich vereini - gen, um damit ein Gemeinbeſtes zu befoͤrdern, oder dort jeder derſelben ſein Individualbeſtes mit ungetheilter Thaͤ - tigkeit fuͤr ſich beſorgt. Jeder einzelne Menſch nun, ſo - fern er, auſſer dem Socialverhaͤltniſſe, fuͤr ſich als ein ſelbſtſtaͤndiges moraliſches, freyhandelndes Subject be - trachtet wird, das nach ſeinen ungetheilten KraͤftenD 4ſein31)lection. P. II. p. 17. bemerkt haben. Denn poena capita - lis hieß im Sinn des roͤmiſchen Criminalrechts nicht allein Todesſtrafe, ſondern auch jede Strafe, die den Verluſt des buͤrgerlichen Zuſtandes zur Folge hatte. L. 14. §. 3. D. de bon. libertor. L. 2. pr. L. 28. pr. D. de poenis. §. 2. I. de publicis iudic. Man ſehe uͤbrigens Gundlings Gedanken uͤber die Worte: Servus non habet caput, in Deſſelben von Stol - len herausgegebenen Sammlung kleiner teutſch. Schriften (Halle 1737.) N. XXIV. S. 465 — 482.561. Buch. 5. Tit. §. 113.ſein eigenes Individualbeſtes zu bewuͤrken trachtet, wird eine Individualperſon genannt. Hingegen mehrere Menſchen zuſammen genommen, ſofern ſie, auſſer ihren Individualverhaͤltniſſe, als Glieder einer Geſellſchaft be - trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver - einigung, mit vereinten Kraͤften ein Gemeinbeſtes zu be - wirken ſuchen, machen eine moraliſche Perſon oder Ge - ſellſchaft aus33)Mayer a. a. O. Kap. II. §. 24. Man vergleiche auch Io. Nic. hertii Diſſ. de pluribus hominibus perſonam unam ſuſtinentibus. in Eius Opuſcul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag. 61 — 90..
II) Betrachtet man die Menſchen als Mitglieder ei - nes Staats, ſo kann ihre Perſon entweder eine oͤffent - liche oder privat Perſon ſeyn. Ein jedes ſelbſtſtaͤndi - ges Subject im Staate, es ſey ein einzelner Menſch oder eine ganze Geſellſchaft, im buͤrgerlichen Socialverhaͤlt - niß gegen den Staat betrachtet, zu deſſen Wohl und Be - ſten es ſeine Thaͤtigkeit anwendet, und deswegen beſon - dere Rechte und Pflichten hat, ſtellt eine oͤffentliche Perſon im Staate vor. Der Fuͤrſt hat dieſe, wie je - der Staatsbeamte, nur mit dem Unterſchiede, daß der Fuͤrſt, als Repraͤſentant des Staats, die, ſolcher Per - ſon nach, habende Zuſtaͤndigkeiten iure proprio hat, und darin freylich keine dergleichen Einſchraͤnkungen lei - der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen iſt, als welche nur ein ius adminiſtratorium zum Grunde hat. Auſſer dem Verhaͤltniſſe des Staats betrachtet, hat hingegen jeder Buͤrger, ſelbſt der Fuͤrſt, nur eine Privatperſon, wornach er Freyheit und Eigenthum hat, und damit ſein eigenes Individual-Intereſſe und Beſteszu57de Statu Hominum. zu befoͤrdern berechtiget iſt34)Mayer in der angef. Einleitung in das Privat-Fuͤrſtenrecht Kap. IV. . Ich bemerke endlich noch,
III) daß ein Menſch oft mehrere Perſonen in ſich vereinigen kann. In einem ſolchen Fall hat man ſtets darauf zu ſehen, in welcher Perſon ein ſolcher Menſch handelt. Denn nur die Rechte kommen in Betracht, die ihm nach derjenigen Perſon zuſtehen, in Anſehung deren er eine Handlung unternommen. Es ſchadet auch einem ſolchen Menſchen dasjenige, ſo er in Anſehung der einen Perſon zu thun verpflichtet war, nichts in Anſehung ſei - ner andern Perſon. Man ſetze den Fall, daß Jemand filiusfamilias und dabey Vormund eines Pupillen waͤre. Der Vater enterbe ihn in ſeinem Teſtament, dem Pupillen ſeines Sohnes aber vermache er ein Legat. So kann er als Vormund fuͤr ſeinen Pupillen aus dem vaͤterlichen Teſtament das Legat verlangen und in Empfang nehmen, und hernach doch noch fuͤr ſich das Teſtament ſeines Va - ters als ein pflichtwidriges (inofficioſum) anfechten35)§. 4. Inſtit. de inoff. teſtamento. , ohne daß ihm die Einrede, er habe durch den Em - pfang des Legats das Teſtament einmal als guͤltig anerkannt, entgegen geſetzt werden kann. Ein ſolcher Menſch kann auch buͤrgerliche Rechts-Hand - lungen, zu deren Verrichtung ſonſt zwey verſchiedene Perſonen erfordert werden, der Regel nach vor ſich ſelbſt verrichten, wenn er beyde Perſonen vorſtellt. Ein ſchoͤ - nes Beyſpiel hat Paulus lib. IV. ad Sabinum36)L. 3. D. de adopt. et emancipat. : Si Con - ſul vel Praeſes filiusfamilias ſit; poſſe eum apud ſe - metipſum vel emancipari, vel in adoptionem dari,D 5con -581. Buch. 5. Tit. §. 114.conſtat. Am beſten hat dieſe Materie der unten ange - fuͤhrte Herr37)Io. Nicol. hertii Diſſ. de uno homine plures ſuſtinente per - ſonas. Gieſſae 1699. in Opuſcul. Vol. I. Tom. III. p. 41 — 64. , auseinander geſetzt.
Der natuͤrliche Zuſtand der Menſchen iſt ſehr mannichfaltig, und es entſtehen daher verſchiedene Ein - theilungen der Menſchen. Ich will hiervon zuerſt uͤber - haupt, und hernach von jedem einzelen ſtatu naturali ins beſondere handeln. Die vornehmſten Arten des na - tuͤrlichen Zuſtandes der Menſchen ſammt denen daraus herfließenden Eintheilungen der letztern ſind folgende:
I) Status nativitatis, nach welchem die Menſchen in ſchon gebohrne, und ſolche, die noch Embryonen ſind, eingetheilet werden, von dieſem wird ad hunc §. gehandelt werden. Die Gebohrnen ſind entweder lebendig, oder todgebohrne, wovon §. 115. Sie ſind ferner entweder eheliche, oder uneheliche, wovon §. 116.
II) Status ſexus, in Anſehung deſſen die Menſchen entweder Manns - oder Weibsperſonen ſind. §. 117.
III) Status integritatis, nach welchem die Menſchen
IV) Status aetatis, nach welchen die Menſchen ent - weder Minderjaͤhrige oder Majorenne ſind. Er - ſtere werden wieder in puberes und impuberes, letzere aber in ſenes, und ſolche, die es noch nicht ſind, eingetheilet, wovon ad Tit. VI. §. 130. gehandelt werden wird.
Nun zuerſt vom Statu nativitatis. In Ruͤckſicht die - ſes Zuſtandes theilt man die Menſchen in ſchon gebohr - ne, und noch ungebohrne oder Embryonen ein, und verſtehet unter den letztern jede von der Mutter noch nicht abgeſonderte Leibesfrucht. Einen ſolchen Embryo hielten zwar die aͤltern Roͤmer nach den Grundſaͤtzen der Stoiker noch nicht fuͤr einen Menſchen, ſondern nur fuͤr einen Theil der muͤtterlichen Eingeweide38)L. 9. §. 1. D. ad Leg. Falcid. L. 1. §. 8. D. de cognat. L. 1. §. 1. D. de ventre inſpic. Man vergleiche hierbey S. H. de idsinca Varior. iuris civ. cap. XIV. Edm. meril - lius Lib. I. Obſervat. cap. 16. Ev. otto in vita Papiniani. Cap. IX. p. 220. vorzuͤglich aber Hr. GJR. walch in not. ad eckhardi Hermenevt. iuris Lib. I. Cap. IV. §. 137. pag. 227 — 234. und Frid. Guil. boers de Anthropologia IC. Rom. ſtoica. Lugd. Bat. 1778. 8., daher man auch die Abtreibung der Leibesfrucht nicht als einen Tod - ſchlag, ſondern nur als eine Beleidigung fuͤr den Mann anſahe39)marcian. L. 4. D. de extraord. crim. eam, quae data opera abegit, a Praeſide in temporale exilium dandam: indignum enim videri poteſt, impune eam maritum liberis fraudaſſe. Man ſehe hier nach Io. Franc. ramos in Errorib. Triboniani depoe -, ſie waren indeſſen doch dafuͤr beſorgt, daßdieſe601. Buch. 5. Tit. §. 114.dieſe ſpes animantis, wie ſich der roͤmiſche Juriſt Mar - cellus40)L. 2. D. de mortuo infer. ausdruckt, nicht zerſtoͤret werden moͤge, weil doch wenigſtens in Zukunft noch ein Menſch daraus wer - den41)Noch Juſtinian ſagt in L. 14. C. de fideic. libert. par - tus, dum in ventre portatur, homo fieri ſperatur. und durch deſſelben Geburt der Staat einen Zu - wachs erhalten kann42)L. 1. §. 15. D. de ventre in poſſeſſion. mittendo: partus non tantum parenti, cuius eſſe dicitur, verum etiam Reipu - blicae naſcitur. . Daher verbieten ſchon die Ge - ſetze der Pandecten, eine ſchwangere Perſon zu beerdi - gen, wenn ſie nicht zuvor geoͤfnet, und die Frucht von ihr genommen worden iſt43)L. 2. D de mortuo infer. Vortreflich erlaͤutern dieſes Geſetz Zach. huber in der Diſſ. de lege regia, quam recitat Marcel - lus cap. ſecundo Pandectar. de mortuo inferendo: in eius Diſſertat. iuridic. et philolog. Part. I. Diſſ. IX. pag. 235 — 262. und Hr. Geh. J. R. walch ad Eckhardi Hermenevt. iuris a. a. O. S. 232. ff.. Es ſoll auch nach einer Verordnung des K. Hadrian eine Verbrecherin, welche ſchwanger iſt, nicht ehender als nach der Niederkunft hin - gerichtet werden44)L. 18. D. b. t. L. 3. D. de Poenis. Man ſehe hierbey nach Aegid. menagius in iuris civ. amoenitatibus cap. 21.. Sie darf auch waͤhrend ihrer Schwangerſchaft ſo wenig gefoltert, als mit der Tortur bedraͤuet werden45)paulus lib. I. Sententiar. Receptar. Tit. XII. §. 5. L. 3. D. de poeniſ. . Ja angeſehene Rechtsgelehrten wol - len ſogar, daß zur Verhuͤtung eines Aborts und ande -rer39)poena parricidii. (Lugd. Bat. 1752. 4. ) pag. 241. ſqq. Corn. van bynckershoeck in curis ſecundis pag. 87. Ger. oelrichs in Ael. Marciano. Lib. I. c. 7. p. 42. und franc. de amaya in Obſervat. iuris lib. III. Cap. I. §. 2.61de Statu Hominum. rer Unfaͤlle einer ſchwangern Perſon nicht einmal ein peinliches Urtheil eroͤfnet werden ſolle46)paulus a. a. O. hommel in Diſſ. de cauta publicatione ſententiae crimin. §. 17. und Hr. GR. koch Inſtitut. iuris crim. §. 908. not. 2..
Ueberhaupt ſorgen die Geſetze fuͤr ein ungebohren Kind eben ſo wohl, als ob es ſchon das Licht der Welt erblickt haͤtte, wenn es auf deſſen eigene Vortheile an - kommt47)L. 7. D. h. t. L. 231. D. de Verb. Signif. Auſſer der ſchon von Verf. angefuͤhrten Doͤringiſchen Schrift ver - dienen noch folgende angefuͤhrt zu werden: Chriſt. wildvo - gel Diſſ. de iure Embryonum. Ienae 1693. Caſp. verdyn Diſſ. de iure eorum, qui in utero ſunt. pagenstecker Vi - ſiones de ventre. Brem. 1714. Arn. Flor. Theod. mallinkrot Diſp. de ſtatu nondum natorum, indeque dependentibus iuribus et obligationibus. Gieſſae 1759. und Gottfr. Heinr. Mau - chart uͤber die Rechte des Menſchen vor ſeiner Geburt. Frkf. und Leipzig 1782. 8.. Denn ſo koͤnnen ſolche ungebohrne Kinder, ja ſie muͤßen vom Vater zu Erben eingeſetzet werden, wenn das Teſtament nicht unguͤltig ſeyn ſoll48)§. 5. I. de exhered. liberor. L. 4. C. de liberis praeterit. L. 1. C. de poſtumis beredib. inſtit. vel. exhered. Frid. Lud. doering Diſſ. de iuribus, quae naſcituris et poſtumis intuitu ſucceſſionis competunt. Erf. 1769. §. IV. ſqq. ; Ferner wenn der Erblaſſer eine Witwe hinterlaͤßt, welche ſchwan - ger iſt, und die uͤbrige Erben auf die Theilung der Erb - ſchaft dringen, ſo muß dem noch ungebohrnen Kinde ſein Theil ſo gut, wie den ſchon gebohrnen, ausgeworffen werden, und zwar nehmen die Geſetze hier den moͤglichen Fall, daß drey Kinder zur Welt gebohren werden koͤnnen, bey beſtimmung des Erbtheils an, und wollen daher, daß fuͤr die noch ungebohrne Kinder drey Theile bis zur Geburt aufbehalten werden ſollen49)L. 3. D. Si pars hereditat. petat. . Auch kann der Vater ſeinem noch ungebohrnen Kinde einen Vormundim621. Buch. 5. Tit. §. 114.im Teſtamente ernennen50)§. 4. I. de tutelis. ; nicht weniger demſelben auf den Fall, da es nach ſeinem Tode lebendig zur Welt gebohren wuͤrde, und unmuͤndig verſtuͤrbe, einen Folge - Crben ſetzen51)§. 4. I. de pupillari ſubſtitut. . Noch ungebohrne Kinder, wenn ſie außer der Ehe empfangen worden, ſind ferner auch ſchon im Mutterleibe den ehelich gebohrnen gleichzuachten, wenn ſich die Eltern waͤhrend der Schwangerſchaft hey - rathen52)L. 11. Cod. de natural. liberis. . Daß auch andere Rechte, z. B. Pfandrecht, fuͤr ſelbige erworben werden koͤnnen, hat keinen Zwei - fel53)Chriſt. wildvogel Diſſ. de iure poſthumorum. Ienae 1700. Cap. III. Billig hat jedoch Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. H. Faſc. I. Spec. XVI. med. 3. S. 9. die Regel: quod naſciturus, quandocunque de eius favore agitur, pro nato habendus ſit, durch den Beyſatz eingeſchraͤnkt: niſi qualitas, quod ſit embryo, tollat requiſita ad iura et obli - gationes neceſſaria. Sic, licet favorabile ſit, beneficio eccleſia - ſtico potiri, certum tamen eſt ex iure canonico, quod em - bryoni beneficium eccleſiaſticum conferri haud poſſit. . Ein Dritter hingegen kann durch ein ſolches Kind vor deſſelben lebendiger Geburt kein Recht erwer - ben54)L. 7. D. h. t. in verb. — quamquam alii, antequam naſ - catur, nequaquam proſit. . Es wird auch das Kind im Mutterleibe in ei - nem ſolchem Fall nicht in Rechnung angenommen, da es auf eine beſtimmte Anzahl von Kindern ankommt, wie z. B. bey Ablehnung einer angetragenen Vormund - ſchaft55)L. 2. §. 6. D. de Excuſat. . Dem Embryon bleiben alſo alle vortheilhafte Rechte bis zu ſeiner Geburt vorbehalten, in ſo fern naͤm - lich ſolche nur Bezug auf ihn, nicht aber auf einen Drit - ten haben. Jedoch wird billig vorausgeſetzt,
I) daß63de Statu Hominum.I) daß die Geburt des Kindes mit dem Zeitpunct uͤbereinſtimme, da ihm das Recht angefallen, und daß folglich damals die Frucht ſchon in Mutterleibe geweſen ſey56)S. Mauchart a. a. O. §. 10.. Dieß wird nach der Zeit beurtheilt, in welcher nach der von den Geſetzen angenommenen Beſtimmung ein vollkommenes Kind zur Welt gebohren werden kann, wovon ich beym folgenden §. reden werde.
II) Daß der Embryo als eine vollkommene und le - bendige Geburt zur Welt komme57)L. 2. et 3. C. de poſtum. hered. inſtit. . Was aber hierzu erfordert werde, wird ebenfalls der folgende §. lehren; und
III) daß dieſe Geburt eine menſchliche Geſtalt habe. Denn eine Mißgeburt, (monſtrum, prodigium) hat keine buͤrgerlichen Rechte58)L. 14. D. h. t. Non ſunt liberi, qui contra formam huma - ni generis converſo more procreantur: veluti ſi mulier mon - ſtroſum aliquid aut prodigioſum enixa ſit. . Ob aber eine Geburt fuͤr ein Monſtrum zu halten ſey, wird aus dem Kopf beur - theilt. Man nennt daher eine Mißgeburt diejenige Ge - burt, welche keinen menſchlichen Kopf hat, ſondern den Kopf eines unvernuͤnftigen Thieres z. B. einen Hunds - oder Schweinskopf59)L. 135. D. de Verb. Signif. . Solche Mißgeburten werden in unſern Geſetzen fuͤr keine Menſchen gehalten60)L. 14. D. de ſtatu hom. Im. weber Diſſ. de iure monſtro - rum Gieſſae 1712. Ier. Eberb. linck Diſſ. an monſtra ex ho - minibus nata ſint homines? Argentor. 1732.. Denn die alten Philoſophen nahmen an, daß die der Vernunft faͤhige Seele in dem Kopfe des Menſchen ihren Sitz habe, und alſo nur vermittelſt deſſelben freye Handlun -gen641. Buch. 5. Tit. §. 114.gen hervorbringen koͤnne. Keine menſchliche Seele koͤnne alſo mit einem ſolchen Koͤrper in Verbindung ſtehen, wel - cher keinen menſchlichen Kopf hat. Solche monſtroͤſe Geburten koͤnnen folglich auch nach den Geſetzen keine menſchlichen Rechte erwerben, daher auch diejenigen weg - fallen, welche ihnen die Geſetze, ehe ſie noch gebohren waren, auf den Fall ihrer Geburt zueigneten, und koͤnnen mithin durch ſie auf andere nicht weiter transmittiret werden. So iſt die Vorſchrift unſerer Geſetze61)Solche Mißgeburten erklaͤren auch die Geſetze fuͤr untuͤchtig, ein Teſtament zu brechen, worin der poſtumen Kinder keine Erwaͤhnung geſchehen iſt. L. 3. C. de poſthumis heredib. inſtit. vel exheredand. . Allein verſchiedene unſerer Rechtsgelehrten wollen an der heuti - gen Anwendung derſelben zweifeln62)hommel in Rhapſod. quaeſtion. forens. Vol. VI. Obſ. 905. S. 588. und in Epitome iuris ſacri (Lipſine 1777.) Cap. XIII. §. 9. hartleren in Meditat. ad Pandect. Spec. XVI. med. 2.. Sie haben ſich durch die Meinung einiger neuern Aerzte63)boerner in Inſtitut. medicin. legalis §. 69. kannegieser Inſtitut. medicin. forens. Cap. I. §. 88. ludwig Inſtitut. medic. for. §. 155. u. 406. verleiten laſ - ſen zu glauben, daß auch in einem Monſtrum eine ver - nuͤnftige Seele wohnen koͤnne. Denn was aus menſch - lichen Saamen erzeugt worden, das ſey Menſch. Die Vorſchriften Juſtinians koͤnnten uns auch in rebus phyſicis nicht verbinden, ſobald wir durch die Aerzte be - lehret wuͤrden, daß ſie auf falſchen Grundſaͤtzen beruhe - ten64)Stryck in Uſu Mod. Pandect. h. t. §. 14.. Sogar unter den roͤmiſchen Juriſten habe es ſchon Leute gegeben, die eben ſo gedacht, und deren Mei - nung auch ins roͤmiſche Geſetzbuch aufgenommen wordenſey65de Statu Hominum. ſey65)L. 135. D. de Verbor. Signif. wo geſagt wird: partum monſtroſum parentibus prodeſſe. . — Ich kann mich jedoch von dieſer Meinung nicht uͤberzeugen. Denn der Geiſt jener Geſetze iſt ohne Zweifel dieſer, daß eine ſolche Mißgeburt darum von den Rechten der Menſchen ausgeſchloſſen ſeyn ſolle, weil ihr der Charakter der Menſchheit fehlt. Da nun der Menſch von andern Thieren ſich vorzuͤglich darin un - terſcheidet, daß er der Vernunft in einem hohen Grade faͤhig iſt; dieſe Faͤhigkeit aber eine gewiſſe feine Organi - ſation des Gehirns vorauszuſetzen ſcheint, ſo hat man da - raus den richtigen Schluß gemacht, daß mit eben die - ſer Organiſation der Charakter der Menſchheit ſo genau verbunden ſey, daß er ohne ſie nicht beſtehen koͤnne. Da aber dieſe Organiſation auf keine andere Art als aus dem Bau des Schedels, in ſofern er mit dem bey Menſchen gewoͤhnlichen uͤbereinſtimmt, vermuthet werden kann, ſo muß man dieſen Theil der Phyſiognomonic hier zum Grunde legen, und annehmen, daß nur in einem auf ge - woͤhnliche Art gebaueten menſchlichen Schedel eine der Vernunft guͤnſtige Organiſation des Hirns ſtatt finden, in einem Schedel aber, deſſen Bau mit der Figur ande - rer Thier-Schedel uͤbereinſtimmt, eine dem Denken un - guͤnſtige Organiſation verknuͤpft ſey. Sodann iſt ja uͤberhaupt die Geſtalt eines menſchlichen Angeſichts ein ſo weſentliches Stuͤck der Menſchheit, daß ohne dieſelbe eine Geburt ohnmoͤglich fuͤr eine menſchliche gehal - ten werden kann, wenn man auch annehmen wollte, daß in einem Monſtrum eine vernuͤnftige Seele wohnen koͤn - ne. Allein auch dieſes laͤßt ſich nicht erweiſen. Quod vero invincibiliter ignoramus, perinde eſt, ac ſi nonexiſte -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. E661. Buch. 5. Tit. §. 114.exiſteret. Zwar ſchlaͤgt Teichmeyer66)Inſtitut, medicin. legal. pag. 86. vor, man ſolle warten, bis etwa mit der Zeit aus weitern Handlungen einer ſolchen Geburt gewißer geſchloſſen werden koͤnne, ob in ihr eine vernuͤnftige Seele wohne oder nicht? Allein die Frage muß gemeiniglich bald entſchieden wer - den, da ſolche Geburten ſelten lange leben, und wenn ſie ſterben, ſogleich uͤber die Erbfaͤhigkeit geſtritten wird. Endlich iſt die Stelle Ulpians67)L. 135. D. de Verb. Signif. ulpianus lib. IV. ad Legem. Iuliam et Papiam. Quaerat aliquis, ſi portentoſum vel mon - ſtroſum vel debilem mulier ediderit, vel qualem viſu vel vagi - tu novum, non humanae figurae, ſed alterius magis animalis, quam hominis partum, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat? Et magis eſt, ut haec quoque parentibus proſint: nec enim eſt, quod eis imputetur, quae qualiter potuerunt, ſtatutis obtempe - raverunt, neque id, quod fataliter acceſſit, matri damnum in - iungere debet. Ich darf hier die Verbeſſerung des Nicol. ca - tharini lib. III. Obſervation. et Coniecturar. cap. 15. T. VI. Theſauri iuris civ. et canon. Meermanniani pag. 787. nicht unbemerkt laſſen, welcher ſtatt der Worte, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat, vielmehr folgendermaßen leſen will, an quae enixa eſt, prodeſſe ei debeant. worauf die Gegner ſich beziehen, nichts weniger als ihrer Meinung guͤnſtig. Denn ſie beziehet ſich, wie derſelben Ueberſchrift lehrt, auf das Juliſche und Papiſche Geſetz, nach welchem Belohnungen fuͤr fruchtbare, aber auch Strafen fuͤr un - fruchtbare Ehen waren beſtimmt worden. Zu den letztern gehoͤrte z. B. daß Ehegatten, die in einer unfruchtbaren Ehe gelebt haben, mehr nicht als den zehenden Theil ih - rer Guͤter von einander erben68)ulpianus Fragm. Tit. XV. , und von dem, was ihnen von Andern in einem letzten Willen war hinter -laſ -67de Statu Hominum. laſſen worden, nur die Helffte bekommen ſollten69)sozomenus Hiſt. Eccl. lib. I. c. 9. heineccius in Com - ment. ad Leg. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 21. S. 344.. Die - ſen Strafen entgiengen, wie billig, ſolche Eltern, die zwar Kinder gezeugt, ſolche aber durch den Tod wieder verlohren hatten. Ein jedes ſolches Kind, verſchafte den Ehegatten bey ihrer kuͤnftigen Erbfolge unter ſich eine Zulage von einer decima, ja drey derſelben machten die Ehegatten faͤhig, ut inter ſe ſolidum capere poſſent, wie Ulpian70)Fragm. Tit. XVI. §. 1. beym schulting in Iurisprud. vet. Antejuſtin. pag. 611. ſagt. Billig war es nun, dieſe Vorthei - le auch ſolchen Ehegatten angedeihen zu laſſen, welche zwar nach ihren Kraͤften moͤglichſt ſich beſtrebt, Kinder zu erzeugen, allein doch nur eine Mißgeburt zur Welt ge - bracht haben. Denn was koͤnnen ſie fuͤr dieſen Ungluͤcks - fall71)So erklaͤren dieſe Stelle Ulpians auch Iac. gothofre - dus in Commentar. ad Leg. Iul. et Pap. cap. 12. heinec - cius in Commentar. ad eand. Leg. lib. II. c. 14. pag. 264. Ioſ. fernandez de retes ad L. 1. et 2. Cod. de iure libe - rorum cap. I. Tom. VI. Theſ. Meermanniani pag. 89. Franc. ramos del manzano ad Leg. Iul. et Pap. lib. IV. Reliqu. 34. Tom. V. Theſ. Meermann. pag. 502. Luc. van de poll in lib. ſing. de exheredatione et praeteritione Rom. et hod. (Ultraj. 1712.) Cap. XXXIX. §. 13. p. 247. Pet. de greve in Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora, (Noviomagi 1660.) Exercit. I. §. XVI. S. 15. Ant. schulting in Enarrat, par - tis primae Digeſtor. h. t. §. 3. Vol. IV. Commentat. Academ. Halae editar. pag. 48. u. a. m. Auf ſolche Art faͤllt alſo nun - mehr aller Widerſpruch zwiſchen paulus in L. 14. D. de ſta - tu hom. und ulpianus in L. 135. D. de Verb. Signif. weg, und ich kann daher ſo wenig dem Em. merillius, welcher in Obſervation. lib. I. cap. 33. eine Verſchiedenheit der Mei -nun -? Wie laͤßt ſich nun aber wohl hieraus der SchlußE 2machen,681. Buch. 5. Tit. §. 114.machen, daß auch eine Mißgeburt fuͤr einen Menſchen zu halten, ſo Rechte erwerben, und ſolche auch wieder auf andere transmittiren koͤnne.
Von den Mißgeburten ſind nun fehlerhafte Gebur - ten wohl zu unterſcheiden, welche man portenta oder oſten - ta72)L. 38. D. de Verb. Signif. nennt. Dahin muͤſſen diejenigen gerechnet wer - den, deren Kopf zwar menſchlich, aber doch auf irgend eine Art mißgeſtaltet iſt, z. B. deren Schedel ſchief, oder ſpitz iſt, auch die eine haͤßliche Phyſiognomie des Geſichts haben, verunſtaltete Naſe, Mund, Kinn u. ſ. w. Man rechnet hierher auch mißgeſtaltete Geburtstheile; desglei -chen71)nungen unter jenen beyden roͤmiſchen Juriſten annimmt, recht geben, als dem wissenbach de Emblematibus Triboniani pag. 339. beytreten, welcher die L. 14. fuͤr interpolirt haͤlt. Man vergleiche Ant. schulting in Not. ad Iul. Pauli libr. IV. Sentent. Receptar. Tit. IX. not. 12. Iurisprud. vet. Antejuſtin. S. 415. und Io. wybo in Triboniano defenſo ad L. 14. D. de Statu hom. Allein Hr. Geh. J.R. walch in Notis ad eck - hardi Hermenevtic. iuris lib. I. cap. V. §. 199. S. 372. glaubt nicht einmal, daß es noͤthig ſey, zu den Ueberſchriften jener beyden Stellen der Pandecten ſeine Zuflucht zu nehmen. Schon ihr Inhalt zeige deutlich, daß in beyden eine ganz verſchiedene Frage entſchieden werde. Ubi paullo curatius, ſagt er, perpendamus ulpiani verba, ſolummodo quaeſtionem in medium profert, num matri quoque ita proſit monſtrum, quod in lucem edidit, ut ex eo colligendum ſit, illam ſtatutis obtemperaſſe; et ideo non potuit, quin omnino haec adfirmetur quaeſtio; paulus autem verbis, quae L. 34. D. de ſtatu ho - minum habentur, quaeve etiam lib. IV. Receptar. Sentent. Tit. IX. §. 3. exhibentur, ita ſunt comparata, ut ſolum, qui ſunt liberi, definiant, hocque a numero liberorum monſtra exclu - dant. Man wird indeſſen, ohne die Ueberſchrift zu Huͤlfe zu nihmen, uͤber dieſe Stellen nie ein vollkommenes Licht ver - breiten.69de Statu Hominum. chen wenn die Geburt mehr oder weniger Glieder hat, als ſonſt gewoͤhnlich iſt73)Genus oſtentorum, quoties quid contra naturam naſcitur. tribus manibus forte aut pedibus: ſagt L. 38. cit. . Wo nun auf ſolche Art bey einer Geburt einzelne Theile von der gewoͤhnlichen Zahl, Figur, Groͤße, Verhaͤltniß, Verbindung, abweichen, der Kopf uͤbrigens menſchlich iſt, ſo kann derſelben der Cha - rakter der Menſchheit nicht abgeſprochen werden, welchen auch ſelbſt thieriſche Glieder nicht umſtuͤrzen koͤnnen74)L. 14. D. h. t. Verb. — Partus autem, qui membrorum huma - norum officia ampliavit, aliquatenus videtur effectus: et ideo inter liberos connumerabitur. Ueber die L. 14. kann uͤbrigens nach - geſehen werden Barth. chesius in Interpretat. iuris lib. I. c. 27. n. 10. in Iurispr. Rom. et Attica. Tom. II. . Solche fehlerhafte Geburten erlangen daher nicht nur alle Rechte, welche Menſchen zuſtehen, ſondern bringen ſolche auch, wenn ſie ſterben, wieder auf andere.
Geborne Menſchen ſind in Anſehung der Geburt wie - der auf verſchiedene Art einzutheilen.
I) Koͤnnen ſie entweder lebendige oder todge - borne ſeyn. Erſtere werden diejenigen genannt, welche, nach ihrer gaͤnzlichen Abſonderung von Mutterleibe, Zei - chen des Lebens von ſich gegeben haben. Dahingegen ein todgebohrnes Kind ein ſolches genennt wird, wel - ches noch vor der voͤlligen Abſonderung von Mutterleibe, es ſey nun waͤhrend der Geburt, oder ſchon vorher, das Leben verlohren hat. Eine ſolche tode Geburt tritt in keine buͤrgerliche Rechte, und heißet daher auch nicht mitE 3Recht701. Buch. 5. Tit. §. 115.Recht ein Kind75)L. 129. D. de Verb. Signif. Qui mortui naſcuntur, neque nati, neque procreati, videntur; quia nunquam liberi appellari potuerunt. . Dies iſt nur ein Vorzug der le - benden Geburt. Ein chriſtliches Begraͤbniß kann indeß auch den todgebornen Kindern nicht abgeſprochen werden, in ſo fern ſie von chriſtlichen Eltern ſind gezeugt wor - den76)Nam hos non contemtus religionis, ſed articulus neceſſitatis a myſterio baptismi excludit, ſagt Auguſtin de unico baptis - mo lib. IV. c. 22. beym gratiano Can. 34. Diſt. 4. de Conſecrat. . Soll nun alſo ein Kind fuͤr lebendiggebo - ren gehalten werden koͤnnen, ſo wird zweyerley dazu er - fordert:
I) daß das Kind voͤllig und ganz geboren ſey77)L. 3. C. de poſtum. hered. inſtit. vel exhered. — hoc tan - tummodo requirendo, ſi vivus ad orbem totus proceſſit. To - tus wird hier von einem ſolchen ſoetu verſtanden, qui iam to - tus exiit ex utero, in ipſo antea non extinctus partu: wie es sichard. ad h. L. und Luc. van de poll in lib. de exhere - dat. et praeterit. Cap. XXXVII. n. 10. richtig erklaͤren. Hier - aus ziehet daher lauterbach in Colleg. th. pract. Pandect. h. t. §. XXVII. die richtige Folge: Si ergo in ipſo partu in - fans moriatur, et non tetus ad orbem vivus procedat, nec ſuc - cedere poteſt, nec hereditatem ad heredes transmittere.. Ob es uͤbrigens auf die gewoͤhnliche natuͤrliche Art zur Welt gekommen, oder ausgeſchnitten, oder mit der Zange von der Mutter geholet worden, iſt nach den Rechten gleich viel78)L. 141. D. de Verb. Signific. Ueber dieſes Geſetz verglei - che man van de poll a. a. O. cap. 39. §. 5.. Denn auch denen Ausſchnittlin - gen legen unſere Geſetze die Rechte wirklich geborner Kin - der ausdruͤcklich bey. So wird z. B. durch einen ſolchenAus -71de Statu Hominum. Ausſchnittling des Vaters Teſtament gebrochen79)L. 12. D. de liber. et poſtum. Quod dicitur filium natum rumpere teſtamentum, natum accipe, etſi exſecto ven - tre editus ſit: nam et hic rumpit teſtamentum. Und es kann dem Kinde nichts benehmen, wenn Paulus in L. 132. §. 1. D. de Verb. Signif. ſagt: Falſum eſt, eam peperiſſe, cui mor - tuae filius exſectus eſt. Denn dieſes beziehet ſich wieder auf jene Lex Iulia et Papia, wie die Ueberſchrift dieſer Stelle lehrt. Wenn naͤmlich ein Latinus mit einer Latina ein Kind gezeugt, und dieſes ein Jahr alt worden, ſo erlangten die El - tern das ius Quiritium, desgleichen erwarb vermoͤge eines der Legi Papiae beygefuͤgten Senatusconſultums eine Freyge - laſſene das ius Quiritium, wenn ſie drey Kinder zur Welt ge - boren hatte. Wie wenn ſie nun zwey bey ihren Leben gebo - ren, das dritte aber ihr nach ihrem Tode aus dem Leibe ge - ſchnitten worden, ſo entſtand die Frage, ob ſie als roͤmiſche Buͤrgerin verſtorben, und alſo einen Erben nach dem roͤmi - ſchen Buͤrgerrecht hinterlaſſen haͤtte? Dies laͤngnet Paulus; und zwar mit Recht, wenn man bey der ſtrengen Bedeutung des Worts gebaͤhren ſtehen bleibt. S. Luc. van de poll cit. lib. cap. 39. §. 4. S. 243. und heineccius in Comment. ad Leg. Iul. et Pap. Popp. lib. II. c. 9. Jedoch will es Tha - deus piso Soacius variar. Reſolut. lib. II. c. 6. n. 12. u. 13. auch von dem Fall verſtehen, wenn einer Frauensperſon et - was unter Bedingung waͤre vermacht worden: ſi pepererit. . Er kann die Querel eines pflichtwidrigen Teſtaments anſtel - len80)L. 6. pr. D. de inoff. teſtam. ; und wird zur muͤtterlichen Erbſchaft gelaſſen81)L. 1. §. 5. D. ad SCtum Tertull. van de poll cit. libro cap. 39. §. 3..
II) Daß das Kind, nach dem es voͤllig von der Mutter abgeſondert iſt, deutliche Le - benskennzeichen von ſich gebe. Nur ein Augen - blick iſt hier in Ruͤckſicht auf die wirkliche Erwerbung der aufbewahrten Rechte entſcheidend, wenn auch gleich das Kind in den Haͤnden der Wehmutter, ſobald es nurE 4aus721. Buch. 5. Tit. §. 115.aus Mutterleibe heraus iſt, ſterben ſollte82)L. 3. Cod. de poſtum. hered. inſtit. vel exhered. . Kennzei - chen des Lebens bey neugebohrnen Kindern ſind nun Stimme, Puls und gewiſſe Handlungen, die das geborne Kind ausuͤbt. Hierher gehoͤrt oͤffnen und bewegen der Augen, und freywillige Bewegung der Glieder83)Campers Abhandlung von den Kennzeichen des Lebens und des Todes bey neugebornen Kindern.. Zwar wird von einigen Aerzten vorgegeben: daß das Bewegen der Glieder auch als Zuckung bey einem in der Geburt ſterbenden, und gleich darauf ans Tageslicht tretenden Kinde ſtatt haben koͤnne84)eschenbach Medecin. legal. pag. 194. roederer de Suf - focatis. ; allein wenn gleich dieſe Meinung als menſchenfreundlich in ſo fern alle Achtung verdient, als ſie nur dahin zielt, bey der Unterſuchung eines angegebenen Kindermords die deſſelben verdaͤchtige Mutter mit der Tortur zu verſchonen, ſo verdient ſie doch hier, wo blos von der Erbfaͤhigkeit des Kindes die Re - de iſt, keinen Beyfall, indem in einem ſolchem Falle im Zwei - fel immer eher anzunehmen iſt, daß die nach der Geburt ge - ſehene Bewegungen des Kindes freywillig, als daß ſie con - vulſiviſch geweſen, mithin das Kind allerdings lebendig ge - bohren worden ſey. Uebrigens darf hier nicht unbemerkt bleiben, daß uͤber die eigentlichen Lebenskennzeichen unter den Secten der alten roͤmiſchen Juriſten ein Streit gewe - ſen85)Gotfr. mascovius de Sectis Sabinianorum et Proculianor. in iure civili. Cap. IX. §. 16. pag. 202. ſq. . Die Proculianer nahmen an, daß ein Kind fuͤr todgebohren zu halten ſey, wenn es nach der Geburt nicht geſchrien haͤtte. Die Sabinianer behaupteten hinge - gen, daß ein lebendiges Kind auch ohne Stimme koͤnne ge - bohren werden, wenn andere Zeichen des Lebens vorhan -den73de Statu Hominum. den ſind. Juſtinian86)L. 3. C. de poſtum. heredib. inſtit. Quod certatum eſt apud veteres, nos decidimus. Cum igitur is, qui in ventre portaba - tur, praeteritus fuerat, qui ſi ad lucem fuiſſet redactus, ſuus heres patri exiſteret, ſi non alius eum antecederet, et naſcendo ruptum teſtamentum faceret: ſi poſtumus in hunc quidem or - bem devolutus eſt, voce autem non emiſſa ab hac luce ſubtractus eſt, dubitabatur, ſi is poſthumus ruptum facere te - ſtamentum poſſet? Et veterum animi turbati ſunt, quid de pa - terno elogio ſtatuendum ſit. Cumque Sabiniani exiſtimabant, ſi vivus natus eſſet, etſi vocem non emiſit, rumpi te - ſtamentum: apparetque, quod et ſi mutus fnerat, hoc ipſum faciebat: eorum etiam nos laudamus ſententiam, et ſancimus, ſi vivus perfecte natus eſt, licet illico, poſtquam in terram ce - cidit, vel in manibus obſtetricis deceſſit, nihilominus teſtamen - tum rumpi: hoc tantummodo requirendo, ſi vivus ad orbem to - tus proceſſit, ad nullum declinans monſtrum vel prodigium. Es iſt dieſe Verordnung eine von den ſo genannten funfzig Deciſionen des Kaiſers Juſtinian. Die eigentliche Streit - frage, woruͤber die Sabinianer und Proculianer disputirten, war dieſe: ab ein nachgebornes Kind, das ſeine Stimme nicht hat hoͤren laſſen, dennoch das Teſtament des verſtorbenen Vaters uͤber den Haufen werfe? Am beſten er - laͤutert dieſe Deciſion Em. merillius in Expoſition. in L. deciſiones Iuſtiniani. (Neapoli 1720. 4.) N. XXVIII. p. 79. ſq. Wenn dieſer jedoch die Worte: poſtquam in terram cecidit, von dem alten Gebrauch der Wehmuͤtter, die neugebornen Kinder auf die Erde zu legen, erklaͤren will, ſo ſcheint mir die Erklaͤrung des raguellus doch natuͤrlicher zu ſeyn, wel - cher die angefuͤhrten Worte von einer ſolchen Geburt verſte - het, qui in terram prolabitur non exceptus ab obſtetrice. Man vergleiche auch Luc. van de poll de exhered. et praeteritione c. XXXVII. §. 14. pag. 233. entſchied dieſen Streit, und beſtaͤttigte die Meinung der letztern. Nach dieſer geſetz - lichen Entſcheidung haͤlt man daher auch heutiges Tages eine Geburt fuͤr lebendig, wenn ſie gleich keinen Laut,E 5aber741. Buch. 5. Tit. §. 115.aber doch durch Bewegung des Koͤrpers, der Augen, der Arme, der Fuͤße, oder auf eine andere Art Zeichen des Lebens von ſich gegeben hat.
Eine lebendige Geburt, welcher die Rechte eines Kindes zugeeignet werden ſollen, muß jedoch nicht allein Lebenszeichen von ſich geben, ſondern auch lebens - faͤhig, (vitalis) ſeyn. Vitalitaͤt beſteht nun darin, wenn eine Geburt in ihrer Ausbildung und Vervollkomm - nung ſo weit gediehen, daß bey ihr die Moͤglichkeit, das Leben außer der Mutter fortzuſetzen, vorhanden iſt87)S. teichmeyer Inſtitut. medic. legal. pag. 57. §. 6. Ge. Chriſtoph. baumgaertner Diſſ. de differentiis partus vivi et vitalis Altorf. 1747. faselii elem. medecin. for. §. 30.. Hat ſie hingegen denjenigen Grad der Ausbildung und Vervollkommnung noch nicht erreicht, der zur Fortſetzung des Lebens erfordert wird, ſo wird eine ſolche Geburt eine unzeitige, ein Abortus, genennt, und dieſe iſt nicht erbfaͤhig88)L. 2. C. de poſthum. hered. inſtitut. — Uxoris abortu teſtamentum mariti non ſolvi, iuris evidentiſſimi eſt. paulus Sentent. Receptar. lib. IV. Tit. IX. §. 6. Abortus vel aba - ctus venter partum efficere non videtur. beym schulting Iurispr. Antejuſtin. p. 417. Eine fuͤr den Juriſten wichtige Schrift iſt D. W. G. Ploucquet uͤber die phyſiſche Er - forderniſſe der Erbfaͤhigkeit der Kinder. Tuͤbingen 1779. 8.. Die Hauptfrage iſt nun, wie lange ein Kind in Mutterleibe getragen werden muͤſſe, um je - nen Grad der Ausbildung zu erreichen, der zur Lebens - faͤhigkeit erfordert wird89)S. Alphons. a carranza de partu naturali et legitimo. Ludg. 1629. 4. und Car. Annib. fabrotti Exercit. I. de tempore partus humani, in Theſ. iur. rom. Ottonis. T. III. ? Die Geſetze beſtimmen da - zu ein halbes Jahr, oder hundert, zwey und achtzig Ta -ge75de Statu Hominum. ge90)L. 3. §. 12. D. de ſuis et legitim. heredib. De eo autem qui centeſimo octogeſimo ſecundo die natus eſt, hippocra - tes ſcripſit, iuſto tempore videri natum. und erklaͤren nach der Meinung des Hippocra - tes91)In dem Buch von der ſiebenmonatlichen Frucht (περι ἑπταμηνȣ) Einige wollen den Polybus fuͤr den Verfaſſer dieſes Buchs halten. Dies kann uns jedoch hier gleichviel ſeyn, da einmal die Geſetze ſelbſt die dem Hyp - pokrates zugeſchriebene Meynung beſtaͤttiget haben., ein Kind fuͤr lebensfaͤhig, welches zu Anfang des ſiebenten Monats iſt gebohren worden92)L. 12. D. de ſtatu hominum: Septimo menſe naſci perfectum partum, iam receptum eſt propter auctorita - tem doctiſſimi viri hippocratis. paulus Sententiar. Receptar. Lib. IV. T. 9. §. 5. Septimo menſe natus matri prodeſt: Sc. in SCto Tertulliano. . Bey die - ſer geſetzlichen Beſtimmung muß es nun auch heutiges Tages um ſo mehr das Bewenden haben, da ſie ſelbſt durch die Erfahrung beſtaͤttigt iſt. Denn Beyſpiele von ſolchen Kindern, die im ſiebenten Monat gebohren und wirklich aufgewachſen ſind, haben Schenck93)Obſervat. Med. Lib. IV. Obſ. 154. und Schurig94)Embryologia p. 292. geſammlet. Hieraus folgt, daß eine Ge - burt, die jenes Hippocratiſche Ziel in Mutterleibe nicht erreicht hat, und im ſechsten, fuͤnften, ja vierten Monat gebohren worden, fuͤr einen Abortus zu halten ſey. Hierinnen ſtimmen auch die Zeugniſſe der beruͤhmteſten ſowohl aͤltern95)plinius Hiſtor. Nat. lib. VH. c. 5. Ante ſeptimum men - ſem haud unquam vitalis eſt. foesius ad hippocratem Lib. VI. de morbis vulgar. c. II. Solent vero abortiones fere ante ſep - timum in omnes menſes cadere. als neuern Schriftſteller96)van swieten Commentar. in Aphor. Boerhavii ad §. 1296. Ante ſeptimum menſem expulſus foetus raro vel nunquam ſuper -ſtes uͤberein. Beſon -761. Buch. 5. Tit. §. 115.Beſonders laͤßt ſich hieruͤber Zacchias97)Quaeſtion. Medico-legal. Lib. I. Tit. II. [Quaeſt. ]X. n. 19. Qui ante ſeptimum naſcuntur menſem, vel naſcuntur mortui, quia abortivi ſunt, neque donationem neque teſtamentum rum - pere debent, quia habendi ſunt, ac ſi nunquam nati eſſent. Nec abſtaret, quod quis in ſexto menſe naſceretur, et per aliquot horas, aut etiam dies viveret, ut fieri poſſe non eſt ita impoſſibile, quin aliquando non contingat, — nam quia hic par - tus habet cum vita talem repugnantiam, ut vivere nullo modo poſſit, niſi ex miraculo, idcirco abortivus dici debet, neque te - ſtamentum neque donationem rumpet. heraus, wel - cher behauptet, daß wenn ein Kind im ſechsten Monat lebendig gebohren wuͤrde, und ſogar einige Tage lebte, ſolches dennoch fuͤr einen Abortus gehalten, und von den Rechten eines Kindes ausgeſchloſſen werden muͤſſe. Der Grund hiervon iſt, weil die Erfahrung aller Zeiten ge - lehrt hat, daß ein vor dem ſiebenten Monat gebohrner Foͤtus niemals fortlebe, und einiges Alter erreiche, und alſo einem Todtgebohrnen gleichgehalten werden muͤſſe. Man huͤte ſich indeß, ein unreifes Kind mit einem Abortus zu verwechſeln, oder ein vollkommen reifes Kind mit einem ſolchen, das lebensfaͤhig iſt, fuͤr eins zuhal -96)ſtes manet, hinc tales ſub abortus nomine comprebendere ſo - lent Medici Cum vero plurima exempla habeantur foetuum ſeptimeſtrium, qui diu non tantum ſupervixerum, ſed et ad bonam ſenectutem pervenerunt, hinc tales partus non ampl[i]us vocantur abortus, ſed ſimpliciter tantum praematuri. Des - gleichen sauvages Noſolog. Method. T. III. p. 11. abor - tus eſt foetus nondum vitalis ex utero excluſio. Immaturus ſeu nondum vitalis eſt foetus, qui ſeptimum ſaltem vitae ſuae a conceptione menſem non attigit, aut ſi attigerit, debilior eſt, quam ut eo tempore excluſus extra uterum vivere queat. ludwig Inſtitut. Medicin. For. §. 222. abortum ſtrictiore vocis ſignificatione appellamus eum, qui ante initia ſeptimi men - ſis naſcitur. 77de Statu Hominum. halten. Denn unreif iſt jedes Kind, das vor der gewoͤhnlichen Geburtszeit zur Welt kommt, und daher Zeichen an ſich traͤgt, welche beweiſen, daß es im Mut - terleibe nicht ſo weit vervollkommnet worden ſey, als es einem ganz reifen Kinde zukommt98)Von den Kennzeichen eines reifen und unreifen Kindes han - delt Ploucquet in der angefuͤhrten Schrift §. 33 — 37.. Nimmt man nun an was durch unzaͤhlige Erfahrungen beſtaͤtigt iſt, daß die Ausbildung und Vervollkommnung eines Foetus in neun Monaten, oder in neun und dreyßig bis vierzig Wochen, von der Empfaͤngniß an gerechnet, vollbracht werde, nach deren Verlauf die Geburt des Kindes gewoͤhnlich zu erfolgen pflegt99)roederer de temporum in graviditate et partu aeſtimatio - ne §. VI. de haller Elem. phyſiol. Lib. XXIX. p. 421., ſo kann freylich ein ſiebenmonat - liches Kind fuͤr kein ſo vollkommen reifes Kind, als ein neun monatliches gehalten werden, vielmehr wird erſteres noch die Zeichen der Unvollkommenheit an ſich haben100)Dan. hoffmann Annotat. ad govey de generatione foe - tus p. 104. Si ſeptimo vel octavo menſe lucem ſalutet foetus, ſigna ac teſtimonia imperfectionis ac immaturitatis afferet. Ploucquet. a. a. O. §. 35.. Da indeſſen nicht jedes unreife Kind ein Abortus iſt1)Frid. hoffmann Opp. med. T. III. p. 177. Immaturum, nondumque vitalem per abortum excretum foetum a partu ſep - timeſtri vel octimeſtri diſtinguimus. roederer Elem. Artis Obſtetr. §. 716. Qui inter ſeptimi et noni menſis, a prima conceptione, finem contingit partus, praematurus vocatur; abortus vero, quando ante dictum tempus embrye excidit. , ſo ſchadet jene Unvollkommenheit der Erbfaͤhigkeit des Kindes nichts, wenn nur das Kind wenigſtens denjenigen Grad der Ausbildung erreicht hat, daß es eines weiternLebens781. Buch. 5. Tit. §. 115.Lebens faͤhig waͤre2)Dies iſt die wahre Bedeutung des Ausdrucks partus per - fectus in L. 12. D. b. t. Es iſt alſo daſelbſt von keiner vollkommenen reifen Geburt die Rede. S. martianus in Comment. ad Hippocratis librum de natura pueri p. 31. ſq. baumgaertner cit. Diſſert. §. 24. und cocceji Iure civ. controv. Tit. de his, qui ſui vel alien. iuris ſunt. Qu. 3. n. II. S. 77.. Und dafuͤr wird nach der von den Geſetzen angenommenen Hippocratiſchen Meinung ein ſieben monatliches Kind gehalten3)L. 12. D. h. t. Et ideo credendum eſt, eum, qui ex iuſtis nuptiis ſeptimo menſe natus eſt, iuſtum filium eſſe. Zweyer - ley erfordert hier Paulus, wenn ein Kind pro filio iuſto, d. i. fuͤr ein ſolches, welches die Rechte eines Kindes erwerben kann, gehalten werden ſoll. I) Ut ſit ex iuſtis nup - iis procreatus; II) ut ſit perfectus, d. i. vitalis, und dazu wird erfordert, daß es nicht vor den ſiebenten Monat zur Welt gekommen ſey.. Hat ein Kind dieſes Alter im Mutterleibe erreicht, ſo kommt es weiter nicht darauf an, wie lang das Kind nach der Ge - burt gelebt habe. Es wird daher, wenn es auch, wie Juſtinian4)L. 3. C. de poſtum. hered. inſtit. cocceji ius civ. controv. Tit. hoc Qu. 5. ſagt, in den Haͤnden der Wehmutter, ſo - bald es nur aus Mutterleibe heraus iſt, ſterben ſollte, dennoch fuͤr Crbſchaftsfaͤhig zu halten ſeyn, und die Erb - ſchaft nach ſeinem Tode auch auf ſeine Erben transmit - tiren. Und damit ſtimmen auch die alten teutſchen Rech - te5)S. Saͤchſiſches Landrecht lib. I. Art. 33. S. Lehn - recht Art. 20. Auctor Vetus de beneficiis. Art. 44. Ale - manniſches Lehnrecht cap. 14. Ferner Erfurter, Goslariſche, Luͤneburgiſche und andere mehrere Statuten beſtaͤttigen dieſes. Man vergleiche Hrn. GJR. Walch Diſſ. de infante herede Ienae 1768. uͤberein, welche zur Erwerbung und Transmißionder79de Statu Hominum. der Erbſchaft eines Kindes erfordern, daß das Kind die vier Waͤnde des Hauſes beſchrien habe, weil ſolches lautes Schreien des Kindes fuͤr ein vorzuͤgliches Kenn - zeichen der Lebensfaͤhigkeit deſſelben gehalten wurde. Nach dieſen Gruͤnden kann demnach der Widerſpruch derjenigen Rechtsgelehrten6)Sam. stryck de iure ſenſuum Diſſ. I. §. 4. berger Oecon. iuris p. 38. in keinen Betracht kommen, welche ſich durch eine mißverſtandene Stelle des Ulpians7)L. 12. §. 1. D. de lib. et poſthum. ha - ben irre fuͤhren laſſen, zu glauben, daß das Leben des Kindes nach der Geburt allein ſchon zur Erbfaͤhigkeit ge - nuͤge, wenn es gleich nicht lebensfaͤhig geweſen ſey. Denn wenn Ulpian daſelbſt die Frage bejahend entſcheidet, ob ein Kind, welches ſo weit gebohren iſt, daß man deutliche Lebenskennzeichen an ihm verſpuͤhrt, (cum ſpiritu) das Teſtament des Vaters unguͤltig mache, ſi non integrum animal editum ſit? ſo iſt daſelbſt gar nicht von einer un - zeitigen, ſondern von einer verſtuͤmmelten Geburt die Rede, welche koͤrperliche Maͤngel hat8)Weſtphal Theorie des R. R. von Teſtamenten §. 944.. Eine ſolche kann dennoch, dieſer Maͤngel ungeachtet, die Rechte eines Kindes erlangen, wenn es nur ſonſt lebensfaͤhig iſt. Und dieß iſt auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten9)Sam. de cocceji in iure civ. controv. Lib. I. Tit. VI. Qu. 3. Io. Frid. eisenhart Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. T. I. §. 2. und vorzuͤglich Hr. Hofr. oeltze in Commentat. de partu vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmiſſionis he - reditatis. Ienae 1769. Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. II. Faſc. I. Specim. XVI. medit. 1. haͤlt zwar auch dafuͤr, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eineErb -. Noch iſt folgendes zu bemerken:
I) Ent -801. Buch. 5. Tit. §. 115.I) Entſtehet Zweifel, ob ein Kind lebendig geboh - ren worden ſey, und die Geburt iſt auf die gewoͤhnliche Art, und zu der Zeit geſchehen, da das Kind fuͤr lebens - faͤhig gehalten wird, ſo wird ein ſolches eher lebendig als tod gebohren vermuthet10)Luc. van de poll de exheredatione et praeteritione Cap. 37. §. 2. lauterbach in Colleg. theor. pract. Pandectar. h. Tit. §. XXVII. . Jedoch findet dieſe Vermu - thung nur in buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, nicht in peinli - chen Sachen ſtatt, denn da kommt alles auf die gericht - liche Beſichtigung der Geburt, und das Gutachten der Aerzte an11)S. Quiſtorp in den Grundſaͤtzen des T. peinlichen Rechts 1. Th. 6. Abſchn. 5. Cap. §. 270. Von der in ſolchem Fall gewoͤhnlichen Lungenprobe handeln Ploucquet in der Ab - handlung uͤber die gewaltſame Todesarten §. 151. Wilh. Hun - ter in den wichtigen Bemerkungen uͤber die Ungewißheit der Merkmale, ob uneheliche Kinder einen gewaltſamen Tod er - litten. Joh. Gottl. Kuͤhn iſt die Waſſerlungen-Probe rich - tig? Breslau 1786. 8. Car. Frid scholl Diſſert. med. for. qua occaſione recentiorum quarundam obſervationum concluſio ex ſubſidentia pulmonum recens nati foetus examinatur. Stutt - gardiae 1786. u. a. m..
II) Wenn ein Kind vor den ſiebenten Monat ge - bohren worden, aber doch ſo lange leben ſollte, bis jener vorgeſchriebene Termin erfuͤllt iſt, und es ſtuͤrbe alſo erſt nach Vollendung deſſelben, ſo iſt es der Billigkeit gemaͤß, einer ſolchen Geburt die Kinds - und Erbrechte angedei - hen zu laſſen12)teichmeyer Inſtitut. Medicin. legal. p. 50. In caſu vero, quo quarto, quinto vel ſexto menſe partus naſcitur, ille ſecun -dum
III)9)Erbſchaft nicht transmittire; doch behauptet er, daß eine le - bendige Geburt dieſe Erbfaͤhigkeit habe, wenn gleich die Vi - talitaͤt fehle. Allein wie kann die Vitalitaͤt fehlen, ohne daß ein Kind ein partus abortivus ſey?
81de Statu Hominum.III) Wenn maͤnnliche Zwillinge gebohren wer - den, und man weiß nicht, welcher von beyden der Erſt - gebohrne ſey; ſo will man im Zweifel dafuͤr halten, daß der ſtaͤrkere fuͤr den Erſtgebohrnen gelten muͤſſe13)zachias Quaeſt. Med. leg. Lib. IX. Tit. XII. Qu. 5., aus dem Grund, weil der lebhaftere, und ſtaͤrkere ſich den Weg zuerſt bahne, und den Ausgang ſuche. Allein da ſich eines Theils die mehrere oder mindere Staͤrke bey neugebohrnen ſchwerlich ſchaͤtzen laͤſſet, andern Theils nur die Lage in der Mutter die Erſtgeburt unter Zwillingen beſtimmt14)Ploucquet uͤber die phyſ. Erforderniſſe der Erbfaͤhig - keit §. 56. S. 123., ſo kann wohl in einem wirklich zweifelhaf - ten Falle nur durchs Loos die Erſtgeburt und derſelben Recht entſchieden werden15)Chriſt. wildvogel Diſſ. de iure gemellorum. Ienae 1703. recuſ. Ibid. 1741. Ren. Paul. Ios. pin. Diſſ. quis inter fra - tres gemellos pro primogenito habendus ſit? eisenhart In - ſtitut. iuris germ. privati Lib. I. Tit. I. §. 2. hartleben Meditat. ad Pandect. Specim. XVI. med. 7. Eſtor in der buͤrgerl. Rechtsgelehrſamkeit der Teutſchen §. 69. a. a. O..
Die Menſchen ſind II) in Anſehung der Geburt auch noch in eheliche oder rechtmaͤſige und uneheliche oderun -12)dum rigorem tam diu immaturus abortivusque manet, donec 180. dierum terminum attigerit, quo ipſo omnium ſtatim iurium com - pos fit, quando vero ante illud temporis ſpatium ſpiritum red - dit, nec ſucceſſionis ius ei competit, nec teſtamentum is rumpit. Siehe auch Ploucquet uͤber die phyſiſche Erforderniſſe der Erbfaͤhigkeit der Kinder §. 73. S. 161.Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. F821. Buch. 5. Tit. §. 116.unrechtmaͤſige einzutheilen16)S. Henr. bocer Diſſ. de ſtatu legitime vel illegitime na - torum, in eius diſput. iurid. Henr. linck Diſp. de partu hu - mano, legitimo et illegitimo. Ien. 1669. Chriſt wildvogel Diſſ. de partu legitimo. lenae 1710. Chriſt. rickmann Diſſ. de partu legitimo. Ienae 1767. Car. Frid. kaltschmied Diſſ. eiusd. arg. Ienae 1752.. Erſtere werden diejeni - gen genannt, welche aus einer rechtmaͤſigen, wahren, oder vermeintlichen, Ehe ſind erzeugt worden. Diejeni - gen hingegen, welche aus einem unehelichen Beyſchlaf, oder einer ſolchen ehelichen Verbindung, welcher die Ge - ſetze die rechtmaͤſigen Wirkungen einer Ehe nicht beyle - gen17)§. 12. I. de nupt. L. 11. D. de ſtatu hom. , ſind erzeugt worden, werden uneheliche, un - rechtmaͤſige Kinder genennt18)In unſern Geſetzen werden ſie spurii genennt, worunter in allgemeiner Bedeutung alle und jede unrechtmaͤſige Kinder verſtanden werden. caius Inſtitut Lib. I. T. IV. §. 8. L. 23. D. de ſtatu hom. L. 25. D. de captiv. et poſtl. reverſ. §. 12. I. de nupt. eduard caldera Variar. Lection. lib. IV. c. 3. Tom. III. Theſ. Meermann. p. 663. Sie heiſ - ſen auch ἀπάτορες, quaſi ſine patre filii wie caius und iu - stinianus §. 12. I. cit. bemerken. Wahrſcheinlich iſt hiervon der Name Spurius abzuleiten, denn man bezeichnete die unehe - lichen Kinder mit den Buchſtaben s. p. das iſt ſine patre, ſo abbreviirte man auch den bekannten roͤmiſchen Vornamen Spu - rius, kein Wunder, wenn durch Verwechſelung das Wort Spu - rius allgemeine Benennung der unehelichen Kinder wurde. Dies beſtaͤtigt auch Plutarch Quaeſt. Rom. pag. 288. Wenn uͤbri - gens die Spurii quaſi ſine patre filii genennt werden, ſo bezie - het ſich das auf jenen bekannten Satz: pater eſt, quam iuſtae nuptiae demonſtrant: L. 5. D. de in ius voc. Nun aber ge - ben die Geſetze uͤber unehelich erzeugte Kinder keine vaͤterli - che Gewalt. §. 12. I. de nupt. L. 3. D. de bis qui ſui velal. . Wenn Hellfeldſagt:83de Statu Hominum. ſagt: illegitimi dicuntur, qui ex illicito concubitu ex - tra iuſtum matrimonium ſunt nati; ſo iſt dieſer Begriff wenigſtens nach dem roͤmiſchen Rechte nicht richtig. Denn die im Concubinate oder aus einer Sclaven-Ehe (Con - tubernium) erzeugte Kinder wurden unſtreitig zur Claſſe der unrechtmaͤſigen Kinder gerechnet19)Denn beyde werden liberi naturales genennt. L. 4. Cod. de interdict. matrim. L. 5. C. de natural. lib. , und doch waren ſie nicht aus einem unerlaubten Beyſchlaf gebohren20)L. 5. in fin. Cod. ad SCtum Orphit. wo der Concubinat eine conſuetudo licita genennt wird. S. winckler Diſſ. de genuino concubinatus ex mente Leg. Rom. conceptu. Lipſiae 1744.. Die Worte ex illicito concubitu muͤſſen alſo ſchlechterdings aus dem Begriff wegbleiben, wenn er nicht offenbar zu eng werden ſoll. Solchemnach ſind nun uneheliche Kin - der21)Gabr. palaeoti Tr. de nothis ſpuriisque filiis. Hagae Com. 1655. 8. Io. Matth. martini libell. acad. de favore liberorum naturalium fecundum principia religionis noſtrae non extendendo, multo minus ad adulterinos et inceſtuoſos appli - cando. Buetzovii 1781. §. 3. I. L. E. pûttmann in Diſſ. de querela inoff. teſtam. fratrib. atque fororibus contra ſpu - rios haud compet. S. 4 — 10.
I) ſolche, die auſſer der Ehe erzeugt ſind, und dieſe bekommen verſchiedene Namen, je nachdem ſie ent - weder aus einer Blutſchande, oder aus einem Ehe - bruch, oder von einer Hure, oder von einer Ge - ſchwaͤchten unverleumdeten Weibsperſon, oder aus ei - nem Concubinat gebohren worden ſind. Die unehelichen Kinder der erſtern Art heiſſen inceſtuoſi, der andern,F 2adul -18)al. iur. ſunt. Uneheliche Kinder werden auch nothi Nov. Iuſtin. 74. u. 89. und im Canoniſchen Recht manzeres c. 10. §. 6. X. de renunc. genannt.841. Buch. 5. Tit. §. 116.adulterini, der dritten vulgo quaeſiti, Hur-Kinder, der vierten ſpurii im eigentlichen Verſtande, Jungfern - Kinder, der fuͤnften naturales in eigentlicher Bedeu - tung.
II) Die aus einer unrechtmaͤſigen Ehe erzeugt ſind. Dahin rechnen die Roͤmer
a) die aus der ehelichen Geſellſchaft ſolcher Eltern erzeugte Kinder, welche kein ius connubii, das iſt, die Faͤhigkeit nicht hatten, eine roͤmiſche Ehe einzugehen, oder fortzuſetzen; folglich
b) Werden auch diejenigen Kinder im roͤmiſchen Recht fuͤr unrechtmaͤſig erklaͤrt, welche aus einer ohne Einwilligung des Vaters geſchloſſenen Ehe ſind gebohren worden25)L. 11. D. b. t. Paulus reſpondit, eum qui vivente patre et ignorante de coniunctione filiae conceptus eſt, licet poſt mortem avi natus ſit, iuſtum filium ei, ex quo conceptus eſt, eſſe non videri. apuleius lib. VI. ſagt daher: Nuptiae patre non conſentiente factae, legitimae non poſſunt videri, ac per hoc ſpurius iſte naſcetur. . Endlich
c) ſol -85de Statu Hominum.c) ſolche Kinder, die aus einer Ehe erzeugt ſind, welcher es an der in den Geſetzen vorgeſchriebenen Form mangelt26)Princ. et §. 12. I. de nupt. Iuſtas autem nuptias inter ſe cives Romani contrahunt, qui ſecundum praecepta legum coeunt. — Si adverſus ea, quae diximus, aliqui coierint: nec vir, nec uxor, nec nuptiae, nec matrimonium, nec dos intelligitur. Itaque ii, qui ex eo coitu naſcuntur, in poteſtare patris non ſunt; ſed tales ſunt, (quantum ad patriam poteſtatem pertinet) quales ſunt ii, quos mater vulgo concepit. Nam nec hi pa - trem habere intelliguntur, unde ſolent ſpurii appellari. . Zu welchen heutiges Tages inſonderheit diejenigen zu zaͤhlen ſind, welche aus einer unter chriſt - lichen Privatperſonen eingegangenen ſogenannten Gewiſ - ſens-Ehe, das iſt, einer ſolchen, welche vermittelſt blo - ſer Erklaͤrung des Eheconſenſes, ohne Beobachtung kirch - licher Form, iſt geſchloſſen worden, gebohren ſind. Denn Privatperſonen koͤnnen eine blos buͤrgerliche Ehe ohne die kirchliche Form nicht ſchlieſſen27)hert. Diſſ. de matrimonio inſtaurato et conſcientiae. Sect. II. §. 5. in Opuſc. Vol. II. T. 3. p. 256. Schott Einleitung in das Eherecht §. 173. hofacker Principia iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 537.
Die Rechte ſolcher unehelich gebohrnen ſind nun verſchieden;
I) im Verhaͤltniß gegen den Staat war die un - eheliche Geburt nach roͤmiſchen Rechten mit keinen nach - theiligen Folgen verknuͤpft. Auch uneheliche Kinder hat - ten die Rechte der Buͤrger, wenn ſie nur von einer freyen Mutter waren gebohren worden28)L. 3. C. Soluto matrim. quemadm. dos petatur. Hoto - mann de ſpuriis et legitim. cap. 3. hat dieſes gegen Anton Faber ſehr ausfuͤhrlich gezeigt. Man vergleiche auch hei - neccius in Commentar. ad Leg. Iul. et Pap. Poppaeam. Lib. II. c. IV. §. 4. S. 169. denn die unehelicheF 3geburt861. Buch. 5. Tit. §. 116.geburt folgt dem Stand der Mutter29)vlpian. Fragm. Tit. V. §. 8. Connubio interveniente, li - beri ſemper patrem ſequuntur; non interveniente connubio, matris conditioni accedunt. celsus L. 19. D. h. t. Vulgo quaeſitus matrem ſequitur. ulpianus L. 24. D. eodem. Lex naturae haec eſt, ut qui naſcitur ſine legitimo matrimonio, matrem ſequatur, niſi lex ſpecialis aliud inducit. Ueber dieſe Stelle verdient Barth. chesius in Interpretat. iuris lib. I. c. 27. n. 10. Iurispr. Rom. et Att. T. II. nachgeſehen zu werden. Durch Verwechſelung der Zahl iſt dieſes Allegat irrig zur No - te 74. S. 69. gekommen.. Sie konn - ten daher, wenn ſie gleich aus einer Blutſchande geboh - ren waren, doch zu den anſehnlichſten Staatsbedienun - gen gelangen. Non enim impedienda eſt dignitas eius, qui nihil admiſit, ſagt Papinian30)L. 6. pr. D. de decurionib. et filiis eor. Eben ſo denkt auch Ulpian L. 2. §. 7. eodem. Nullum patris delictum innocenti filio poenae eſt, ideoque nec ordine decurionum, aut caeteris honoribus, propter eiusmodi cauſam, prohibetur. . Ein Ausſpruch, wel - cher der Denkungsart der Roͤmer Ehre macht. Nur al - lein in dem Fall, da bey der Bewerbung um eine Ehren - ſtelle ein unehelich gebohrner Competent mit einem ehelich gebohrnen certirte, mußte der erſtere nachſtehen31)L. 3. §. 2. D. eodem. . Ob ſich die Sache heutiges Tages anders verhalte, iſt ſtrei - tig. Soviel iſt richtig, die alten teutſchen Rechte halten die unehelichen Kinder nicht fuͤr Buͤrger des Staats, ſon - dern fuͤr Fremde und Leibeigene32)puffendorf Obſervat. iuris univ. Tom. III. Obſ. XIII. §. 5.. Sie waren Leibei - gene der teutſchen Koͤnige und Kaiſer, und wurden des - wegen auch Koͤnigs-Kinder genennt33)haltaus Gloſſar. germ. voc. Koͤnigskinder. Wieſand juriſtiſches Woͤrterbuch h. voc. . Starben ſie, ohne eheliche Leibeserben zu hinterlaſſen, ſo verfielihre87de Statu Hominum. ihre Verlaſſenſchaft an die kaiſerliche und koͤnigliche Cam - mer34)Siehe eine Urkunde K. Maximilians I. vom Jahr 1518. in Luͤnigs Reichsarchiv Part. Spec. IV. contin. 2. Th. 45. Ab - ſchn. S. 545. Unterſchiedene teutſche Reichsſtaͤnde haben dieſe Rechte uͤber uneheliche Kinder in ihren Laͤndern, theils mit der Landeshoheit durch das Herkommen, theils durch kai - ſerliche Begnadigungen an ſich gebracht. Man vergleiche Hek - tor Wilhelm von Guͤnderrode Abhandl. uͤber das Recht einiger teutſchen Staͤnde, die in ihren Laͤndern ſterbende un - eheliche Kinder zu beerben; in Deſſelben von Dr. Ernſt Ludwig Poſſelt herausgegebenen ſaͤmmtlichen Wer - ken des teutſchen Staats - und Privatrechts 2. Band (Leipzig 1788. 8.) S. 176 — 186.. Die aͤltern teutſchen Rechte erklaͤren ferner al - le, die unehelich gebohren ſind, fuͤr anruͤchtig und recht - los35)Saͤchſiſches Landrecht 1. Buch, Art. 38. heinec - cius in Elem. Iur. Germ. Lib. I. §. 391. beſonders ſehe man Phil. Lud. huth Specim. iur. germ. de his, qui notantur in - famia. Altorf. 1723. §. XI. ; die alſo weder zu weltlichen noch geiſtlichen Wuͤr - den, ja nicht einmal zu Handwerken gelaſſen wurden. Selbſt das paͤbſtliche Recht beguͤnſtiget dieſe Anruͤchtig - keit unehelicher Kinder, da es dieſelben fuͤr irregulaͤr erklaͤrt36)Cap. 14. et 18. X. de filiis presbyteror. . Ob man nun wohl in unſern Tagen ange - fangen hat, dieſe Anruͤchtigkeit unehelicher Kinder aus guten Gruͤnden zu beſtreiten37)Man ſehe unter andern: Bittſchrift der unehelich erzeugten Buͤrger Teutſchlands an die teut - ſchen Landesherrn. Eslingen 1784. 8. auch v. sel - chow in Elem. iur. germ. §. 209. und Ge. Steph. wiesand in Pr. de conditione ſpuriorum recte aeſtimanda, in Opuſculis (Lipſiae 1782. 8.) S. 263 — 274., ſo haben ſich doch jene alte teutſche Gewohnheiten, aller Unbilligkeit ungeachtet, in lebhaften Gebrauch erhalten, wie uns die taͤgliche Pra -F 4xis881. Buch. 5. Tit. §. 116.xis lehrt38)Herr von selchow in Diſſ. contin. ſelecta capita doctrinae de infamia. (Goett. 1770.) ſagt daher Sect. II. §. 13. ganz recht. Quamquam nulli omnino dubio obnoxium ſit, has ipſas veterum de ſpuriis opiniones ab omni aequitatis ſenſu quam longiſſime abeſſe, conſtantiſſimo tamen fori uſu ſervata eſt pri - ſtini iuris diſciplina. Siehe auch Joh. Andr. Frommann in Diſquiſit. de levis notae macula §. 14 — 16. und Hr. Prof. Plitt in Diſſ. de levis notae macula ſec. ius germ. Marburg. 1784. §. 20.. Daher haben die Teutſchen, um jenen Schandfleck der unehelichen Geburt hinwegzuraͤumen, ſo - gar eine eigene Art der Legitimation eingefuͤhrt, wel - che keine weitere Wirkung hat, als daß ſie uneheliche Kin - der faͤhig macht, in Guͤlden Zuͤnfte und andere Collegia aufgenommen zu werden, und uͤberhaupt im Staat als legitim zu paßiren; von welcher ich zu ſeiner Zeit ad §. 145. handeln werde. Nur die ehemalige Leibeigen - ſchaft der unehelichen Kindern mit ihren Folgen iſt heuti - ges Tages groͤßtentheils erloſchen39)de selchow in Diſſ. cit. Sect. II. §. 12. S. 51.. Werden aber Unehelichgebohrne
II) im Verhaͤltniß gegen die Eltern betrachtet, ſo kommt es zuerſt darauf an, ob ſie aus einer blutſchaͤnde - riſchen Ehe gebohren ſind, oder aus einem andern unrecht - maͤſigen Beyſchlafe. Erſtere koͤnnen auf die Rechte der Kinder nach roͤmiſchen Geſetzen gar keinen Anſpruch ma - chen. Sie koͤnnen weder die Eltern beerben, noch von ihnen Alimente fordern40)L. 6. Cod. de inceſt. nupt. Nov. 12. c. 3. Nov. 89. cap. 15.. Jedoch hat das canoniſche Recht dieſe Strenge in ſofern gemildert, daß ſolchen Kindern wenigſtens der nothduͤrftige Unterhalt von den Eltern gereicht werden muß41)Cap. 4. X. de eo qui duxit etc. . Im letztern Fall findetein89de Statu Hominum. ein Unterſchied der Rechte ſolcher unehelicher Kinder in Anfehung beyder Eltern ſtatt,
a) auf Seiten des Vaters.
46)Ob ſich dieſe Ausſchlieſſung der unehelichen Kinder von der vaͤterlichen Erbſchaft ſogar aus Gruͤnden der Chriſtlichen Re - ligion rechtfertigen laſſe, iſt eher zu verneinen, als zu bejahen,wie
wie in der Lehre vom Erbrecht weiter ausgefuͤhrt werden wird.b) Auf Seiten der Mutter findet zwiſchen ehelichen und unehelichgebohrnen Kindern nach gemeinem Recht kein Unterſchied der Rechte ſtatt. Eine Mutter darf auch uneheliche Kinder in ihrem Teſtament nicht ohne recht - maͤſige Urſach enterben, oder praͤteriren. Sonſt koͤnnen ſie das Teſtament ihrer Mutter als pflichtwidrig anfech - ten47)L. 29. §. 1. D. de inoff. teſtam. Man ſehe auch Luc. van de poll de exheredat, et praeteritione cap. XL. et XLI. . Sie beerben auch, wie eheliche Kinder, die Mutter, wenn ſelbige ohne Teſtament verſtirbt48)Hr. Geh. R. koch de ſucceſſione ab inteſtato civ. §. 31. u. ff..
Es iſt nun noch uͤbrig, auch von den aͤchten oder ehelichen Kindern zu handeln. Fuͤr ſolche hielten die Roͤmer nur diejenigen Kinder, die ex iuſto matrimo - nio ſ. ex iuſtis nuptiis erzeugt worden. Iuſtum matri - monium aber beſtand nach dem aͤchten Begriff derſelben, wie Ulpian49)Fragm. Tit. V. §. 2. 3. et 4. beym schulting in Iuris - prud. vet. Antejuſt. p. 577. bezeugt, darin, ſi inter eos, qui nup - tias contrahunt, connubium ſit: et tam maſculus pu - bes, quam femina potens ſit: et utrique conſentiant, ſi ſui iuris ſunt; aut etiam parentes eorum, ſi in po - teſtate ſunt. Connubium eſt uxoris iure ducendae facultas. Connubium habent cives Romani cum ci - vibus Romanis: cum Latinis autem et peregrinisita,46)wie der Verfaſſer der ſchoͤnen Abhandlung de religione chriſtiana in foro civili caute adplicanda, multo minus ad illegitime natos a ſucceſſione excludendos uſurpanda, in des H. D. Koppe nie - derſaͤchſiſchen Archiv fuͤr Jurisprudenz und juriſt. Litteratur I. Band N. 13. S. 136 — 160. gegen die oben angefuͤhrte Schrift des Herrn JuſtizR. Martini gruͤndlich ausgefuͤhrt hat.91de Statu Hominum. ita, ſi conceſſum ſit. Dieſe blos roͤmiſche Begriffe koͤn - nen nun aber freylich heutiges Tages nicht mehr zum Maaßſtab dienen, um darnach die aͤchte Geburt der Kin - der zu beurtheilen. Wir rechnen demnach heutiges Ta - ges zu den rechtmaͤſigen Kindern,
I) diejenigen, welche aus einer Ehe ſind gezeuget worden, die nach Vorſchrift der Kirchengeſetze unter Chri - ſten guͤltig geſchloſſen worden iſt50)Man nennt eine ſolche Ehe ein matrimonium ratum. S. H. GJR. Boͤhmers Princip. iuris canon. §. 350. Zu einer ſolchen Kirchlich foͤrmlichen Ehe erfordert das Tri - dentiniſche Concilium bey den Katholiken die Erklaͤ - rung des Eheconſenſes vor dem Pfarrer und zween Zeugen, das proteſtantiſche Kirchenrecht aber die Trauung. boeh - mer l. c. §. 349. Jedoch verdient beherzigt zu werden, was Hr. Prof. Robert in den rechtlichen Gedanken uͤber den Begriff der Ehe, Frankf. u. Leipzig 1787. S. 108. gegen den Ausdruck matrimonium ratum erinnert hat..
II) Die aus einer nach Vorſchrift der buͤrgerlichen Geſetze guͤltig geſchloſſenen Ehe gebohrne Kinder51)Eine ſolche Ehe nennt man ein matrimonium legitimum. Nun muß zwar eine jede Ehe, auch das matrimonium ratum, den Vorſchriften der buͤrgerlichen Geſetze im Staat gemaͤß ein - gegangen werden, wenn ſie anders nicht unguͤltig ſeyn ſoll, indeſſen pflegt man doch vorzuͤglich und eigentlich diejenige Ehe eine bloſe buͤrgerliche Ehe zu nennen, die ohne die kirch - liche Form blos nach der Vorſchrift der buͤrgerlichen Geſetze im Staat guͤltig geſchloſſen worden iſt. Schott Eherecht §. 169., da - hin gehoͤren die rechtmaͤſigen Kinder ſolcher Eheleute, welche keine Chriſten ſind, als Judenkinder, desgleichen die aus einer ohne die prieſterliche Einſegnung vor derObrig -921. Buch. 5. Tit. §. 116.Obrigkeit errichteten, und gerichtlich beſtaͤttigten Ehe gebohrne Kinder, wie z. B. in Holland gebraͤuchlich iſt52)S. Benthems Hollaͤndiſchen Kirchen - und Schulenſtaat. S. 314. u. S. 347..
III) Die in einer vermeintlichen Ehe erzeugte Kinder53)c. 2. et 14. X. qui filii ſint legitimi. . Man nennt eine vermeintliche Ehe (matrimonium putativnm) eine ſolche Ehe, die zwar we - gen eines derſelben entgegenſtehenden oͤffentlichen vernich - tenden Hinderniſſes an ſich betrachtet, null iſt, aber doch darum, weil ſelbige zwiſchen Perſonen, denen entweder beyderſeits, oder nur wenigſtens eines Theils dies Hin - derniß nicht bekannt war, foͤrmlich geſchloſſen und voll - bracht worden iſt, in der Zwiſchenzeit, und ſo lang ſie nicht obrigkeitlich getrennt wird, alle rechtliche Wirkun - gen hervorbringt, die nach gemeinen Rechten einer guͤl - tigen wahren Ehe zukommen54)S. Io. Nic. hert Diſſ. de matrimonio putativo in Opuſcul. Vol. I. T. I. p. 348 — 408. Ern. Chriſt. westphal Diſſ. de veris caſibus matrimonii putativi. Halae 1758. und Gottfr. mascov Prol. de matrimonio putativo. H. GJR. Boͤhmer Princip. iur. can. §. 386. und Schott Eherecht §. 138.. Es wird alſo hierbey jederzeit eine wirklich und foͤrmlich geſchloſſene Ehe zum voraus geſetzt, daher einem unehelichen Beyſchlaf, geſetzt auch, daß auf Seiten des einen ſchuldloſer Irrthum, oder Mangel der Einwilligung, wie bey der Nothzucht, oder einem andern ſtuprum involuntarium, weder Zurech - nung noch Strafe ſtatt finden ließe, die Wirkung und Rechte einer vermeintlichen Ehe nicht beygelegt, noch die aus einem ſolchen Beyſchlaf erzeugte Kinder den recht -maͤſi -93de Statu Hominum. maͤſigen und erbfaͤhigen Kindern gleichgeachtet werden koͤnnen55)Ich habe dieſen Satz gegen eine Meinung des H. GR. Kochs de ſucc. ab int. §. 36. in meiner Comment. de con - ditione liberorum ex ſtupro violento aut nec violento nec volun - tario procreatorum quoad ſucceſſionem ab inteſtato recte aeſti - manda, §. 12 — 14. ſo im IV. Faſcikel meiner Opuſculor. (Erlangen 1790. 8. ) befindlich iſt, zu vertheidigen ge - ſucht, wo ich uͤberhaupt die Materie von der vermeintlichen Ehe in mehreres Licht geſetzt habe.. Zu den rechtmaͤſigen Kindern werden endlich
IV) auch die von hohen Standesperſonen evangeli - ſcher Religion56)Unter katholiſchen Standesperſonen iſt freylich die Gewiſſens - ehe an den Orten, wo das Tridentiniſche Concilium gilt, einer groͤßern Schwierigkeit ausgeſetzt, denn dieſes erklaͤrt ſchlech - terdings Seſſ. XXIV. cap. 1. de reformat. matrim. eine jede eheliche Verbindung fuͤr nichtig und kraftlos, welche anders als in Gegenwart des Pfarrers und zweener oder dreyer Zeu - gen iſt eingegangen worden. P. Benedikt XIV. in Con - ſtitut. Satis nobis §. 6. et 7. de an. 1741. erlaubt eine Ge - wiſſensehe nur denn, wenn eine gravis, urgens, et urgen - tiſſima cauſa eine Diſpenſation rechtfertiget. Man ſehe Paul. Ioſ. a riegger Inſtitut. iurisprud. eccleſiaſt. P. IV. §. LXXIII. et LXXIV. S. 47. (edit. Vindobon. 1777.), als von regierenden Reichsfuͤrſten oder Reichsgrafen, aus einer ſogenannten Gewiſſens-Ehe erzeugte Kinder nach der gemeinen Meinung der Rechts - gelehrten, und dem Reichsherkommen gerechnet57)S. Franc. Ge. dietterich Tract. de legitimis natalibus inter Illuſtres praeſumendis. Argentorati 1776. und vorzuͤglich Chriſt. Ignat. wiese in der unter Io. Ge. schloer Vorſitz zu Maynz 1782 vertheidigten Diſſertation, welche betitelt iſt: Vindiciae legitimorum natalium liberorum, e matrimoniis S. R. I. Principum Comitumve Auguſtanae Confeſſioni addicto - rum, ſolo mutuo conſenſu matrimoniali, neglecta omni ſolemni -tate. Dennevan -941. Buch. 5. Tit. §. 116.evangeliſche Reichsſtaͤnde, denen die biſchoͤflichen Rechte in ihren Landen ſelbſt zukommen, ſind an die Kirchen - form nicht ſo ſchlechterdings gebunden, daß ſie ſich nicht davon dispenſiren koͤnnten58)Hr. GJR. Boͤhmer in Princip. iuris canon. §. 224. ſchreibt ganz recht: Status Imperii Evangelici ius diſpenſandi in cau - ſis eccleſiaſticis propriis exercent, perinde ac Pontifex. . Es iſt auch kein Reichs - geſetz vorhanden, welches ihnen die Verbindlichkeit, ſich trauen zu laſſen, auferlegte. Es kann daher eine von ſolchen hohen Standesperſonen vermittelſt bloßer Erklaͤ - rung des wahren Eheconſenſes, ohne Beobachtung der kirchlichen Form, wirklich geſchloſſene Ehe keinesweges fuͤr unguͤltig oder unrechtmaͤſig gehalten werden, zumal ſelbſt die hoͤchſten Reichsgerichte noch jederzeit fuͤr die Wirkſamkeit einer ſolchen Gewiſſens-Ehe unter erlauch - ten Perſonen erkannt, und die darinn erzeugte Kinder fuͤr rechtmaͤſig erklaͤrt haben59)Beyſpiele ſolcher Reichsgerichtlichen Erkenntniſſe findet man beym feltmann in Tr. de impari matrimonio P. I. Cap. 3. n. 430. not. 2. klock in Relat. Cameral. Relat. XV. n. 114 — 119. de cramer in Obſervat. iuris univerſi T. II. Obſ. 515. Merkwuͤrdig iſt das neueſte Reichshofraths-Concluſum in Sachen der Grafen von Leiningen vom 15. Februar 1782. ſo in der vorhin angefuͤhrten Maynzer Diſſertation Cap. II. §. XXV. abgedruckt ſtehet..
Ein Kind muß alſo aus rechtmaͤſiger Ehe erzeugt ſeyn, wenn es fuͤr ein rechtmaͤſiges, eheliches Kind ge - halten werden ſoll. Hierzu wird nun aber noch inſonder -heit57)tate eccleſiaſtica contractis, natorum. Es iſt zwar Hr. G. Tr. R. Gatzert in Proluſ. de S. R. I. Principum Comitumve liberis ex matrimonio conſcientiae illegitimis. Gieſſae 1773. einer andern Meynung, allein Deſſelben Gruͤnde ſind in der angefuͤhrten Maynzer Diſſertation genau erwogen und gruͤnd - lich widerlegt worden.95de Statu Hominum. heit erfordert, daß das Kind zu rechter Zeit gebohren worden ſey. Es kommt demnach bey Beurtheilung der Rechtmaͤſigkeit eines Kindes vorzuͤglich darauf an, zu wiſ - ſen, welches der rechte Zeitpunkt der ehelichen Geburt ei - nes Kindes ſey? Die Geſetze haben nun hierin zu Be - gruͤndung einer rechtlichen Vermuthung fuͤr die Recht - maͤſigkeit der Geburt einen doppelten Termin beſtimmt, naͤmlich einen terminum a quo, und einen terminum ad quem. Erſterer iſt der Anfang des ſiebenden Mo - nats nach vollzogener Ehe60)Es gehoͤrt hierher die bekannte Stelle aus pauli lib. 19. Reſponſor. in L. 12. D. h. t. wo es heißt: Septimo menſe naſci perfectum partum, jam receptum eſt propter auctorita - tem doctiſſimi viri Hippocratis: et ideo credendum eſt, eum qui ex iuſtis nuptiis ſeptimo menſe natus eſt, iuſtum filium eſſe. Es entſtehet hier die Schwierigkeit, wie der hier be - ſtimmte Zeitpunkt einer ſieben monatlichen Geburt zu berech - nen ſey, welche dadurch noch vergroͤſſert wird, daß Hippo - crates, auf deſſen Anſehen die Entſcheidung teſer Geſetzſtelle gegruͤndet wird, bey Berechnung jenes Zeitpunkts mit ſich ſelbſt nicht eins iſt, indem er einem ſiebenmonatlichen Kind bald 204, bald 210, bald 182 Tage giebt. Um dieſer Schwie - rigkeit abzuhelfen, ſo haben nun unſere Geſetze ſolches an ei - nem andern Ort deutlicher beſtimmt, naͤmlich L. 3. § fin. D. de ſuis et legitim. hered. welche ſo lautet: Qui centeſimo octo - geſimo ſecundo die natus eſt, hippocrates ſcripſit, et D. pius Pontificibus reſcripſit, iuſto tempore videri na - tum. Da nun dieſe 182 Tage einen Zeitraum von ſechs Monat, jeden Monat fuͤr 30 Tage gerechnet, und zwey Tage ausmachen, ſo ergiebt ſich hieraus, daß eine ſiebenmonat - liche Frucht diejenige ſey, welche nach ſechs Monaten, und zwar in den erſtern Tagen des ſiebenten Monats zur Welt kommt.; letzterer aber das Ende des zehnten Monats61)L. 3. §. 11. D. de ſuis et legitim. hered. Poſt decem men - ſes mortis natus, non admittetur ad legitimam hereditatem. Hier -. Wenn alſo ein Kind nur we -nig -961. Buch. 5. Tit. §. 116.nigſtens zu Anfang des ſiebenden Monats nach einge - gangener Ehe zur Welt kommt, ſo wird es nach rechtli - cher Vermuthung fuͤr ehelich, und der Ehemann fuͤr deſ - ſen Vater gehalten; und wenn eine Witwe, oder eine geſchiedene Ehefrau noch binnen den naͤchſten zehen Mo - naten nach des Mannes Tode oder nach der Eheſchei - dung ein Kind zur Welt bringt, ſo paßirt dieſes auch noch fuͤr des verſtorbenen oder geſchiedenen Ehemanns Kind62)muͤller ad Leyſerum T. I. Obſ. 79.. Wenn in dieſen Faͤllen der Ehemann oder deſſen Erben ein ſolches Kind, als ehelich und rechtmaͤ - ſig, nicht erkennen wollen, ſo muͤſſen ſie dieſe, fuͤr das Kind geſetzlich ſtreitende Vermuthungen, durch tuͤchtigen Gegenbeweiß heben, auſſerdem genießt das Kind alle die Rechte einer rechtmaͤſigen Geburt63)Schott im Eherecht §. 185.. Da indeſſen der Geiſt jener geſetzlichen Beſtimmungen ohne Zweifel die - ſer iſt, weil es phyſiſch moͤglich iſt, daß das Kind binnen dieſer Zeit von dem Ehemann, der fuͤr den Vater deſſel - ben gehalten wird, durch ehelichen Beyſchlaf hat gezeugt werden koͤnnen64)Man ſiehet dies, was den geſetzlichen Terminum a quo an - betrift, ſehr deutlich aus dem vom Paulus oben angefuͤhr - ten Entſcheidungsgrunde: Septimo menſe naſci perfectum par - tum, iam receptum eſt propter auctoritatem hippocratis. In Anſehung des geſetzlichen Termini ad quem beziehe ich mich auf L. 6. et 7. D. de ſuis et legitim. heredib. wo zur Erb - faͤhigkeit eines nach des Ehemanns Tode gebohrnen Kindes erfordert wird, ut ſit vivo eo conceptus, quia conceptus quo - dammodo in rerum natura eſſe exiſtimatur; und auf Nov. XXXIX. cap. 2. wo Juſtinian ſagt: daß ein im eilftenMo -, ſo folgt, daß, wenn dieſe Moͤglich -keit61)Hiermit ſind zu verbinden L. 29. pr. D. de lib. et poſtum. L. 4. Cod. de poſthum. heredib. inſtituend. vel exhered. 97de Statu Hominum. keit nach den unveraͤnderlichen Geſetzen der Natur ſchlech - terdings nicht angenommen werden kann, das Kind fuͤr legitim nicht zu halten ſey. Weil nun die gewoͤhnlich angenommene Geburtszeit eines voͤllig reifen und ausge - tragenen Kindes erſt nach neun und dreißig bis vierzig Wochen, von der Empfaͤngniß an gerechnet, einfaͤllt65)roederer in Elem. artis obſtetriciae §. 217. Hunc ter - minum, finem nempe trigeſimae nonae, et nonnunquam quadra - geſimae hebdomatis, partui maturo natura, uti accuratior ob - ſervatio docet, conſtituit. , mithin im ſiebenten Monat eine Frucht zwar ſchon ſo vollkommen ſeyn kann, daß ſie auch wohl auſſer Mutter - leibe eines weitern Lebens faͤhig waͤre, aber doch nimmer die Reife eines vollkommenen neunmonatlichen Kindes er - reicht haben, vielmehr jederzeit ſichtbare Merkmale der Unvollkommenheit an ſich tragen wird66)roederer im angefuͤhrten Buch §. 219. Ante nonum etiam menſem foetus maturus cenſendus non eſt. Vitalis quidem ſe - ptimo menſe eſſe poteſt, recte tamen a maturo diſtinguitur. Vagitum enim infantibus ſolemnem immaturus puer non edit, ſed ſimilem fere ſonum ſuſpiriis adultorum obtuſis. Continuo ſomno indulget; vix, niſi a cruciatu moveatur, vagit, niſique excitetur, evigilatur, cibumque appetit. Multum vagiunt, quibus inteſtina (doloribus colicis) dolent. Frigoris adeo im - patiens eſt, ut manus mox pedesque frigeant, niſi externo calore foveantur. Debilis etiam, et convulſionibus aptus, ni omni cura et blandiſſime nutriatur. Er giebt hierauf §. 220. folgende Kennzeichen einer unreifen Geburt an: 1) tota cu -tis -; ſo iſt unlaͤug -bar,64)Monat nach des Ehemanns Tode von deſſelben Witwe zur Welt gebrachtes Kind darum nicht fuͤr rechtmaͤſig gehalten werden koͤn - ne, quod non eſſet poſſibile dicere, partum de defuncto eſſe. Ne - que enim in tantum tempus conceptionis extenſum eſt: oder wie es Hombergk beſſer uͤberſetzt: Neque enim graviditas in tantum tempus protenditur. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. G981. Buch. 5. Tit. §. 116.bar, daß, wenn entweder im ſiebenten Monat nach voll - zogener Ehe ein vollkommen reifes Kind gebohren wuͤrde, der Ehemann aber den fruͤhen Beyſchlaf ſo wenig einge - ſtehen, als das Kind fuͤr das ſeinige anerkennen wollte, oder die Witwe im zehnten Monat nach des Mannes To - de ein noch unreifes Kind zur Welt gebracht haͤtte, ein ſolcher Partus keinesweges nach rechtlicher Vermuthung fuͤr ein aͤchtes Kind des Ehemanns gehalten werden koͤn -ne66)tis, in extremis maxime artubus et facie, rubet vel purpurea eſt, quin quandoque livet. Sanguis per tenerrimam epider - miam pellucet. Manuum palmae pedumque plantae purpureo vel livido colore ſplendent. 2) Mollis et longa lanugo cor - puſculo inſtrata eſt, partibus praecipue faciei lateralibus et dorſo. 3) Corpuſculum plerisque in caſibus macilentum, minus toroſum; artus graciles, tenuesque; mobilis contracta et arida cutis, quae vix aliquid, quin nihil pinguedinis, ſed nudos muſculos velat. 4) Magnus fons pulſatilis, et cranii oſſa ex facili mobilia. 5) Facies deformis, ſenilis quaſi, cum con - ſpicuis lineamentis et rietu oris magno latoque. Totius em - bryonis ingratus aſpectus et odor. Labia et aures tenerrima epidermide tectae, colore rubrae; obſcurae vel roſeae: aures pertenues membranis ſimiles, cum exigua auricula pendente. Ex mento et naſi bulbo tubercula ſebacea, velut colliculi al - bicantes, prominent. Lingua intenſa rubet. 6) Oculi clauſi, palpebrae conniventes, quae haud multum aperiuntur, cum aver - ſo a lumine infante tenebrae fiunt. Immaturi embryones cir - cumſpicere vivide, velut alii infantes, non ſolent. 7) Capitis capilli albicantes vel flavescentes et nitentes: ungues etiam ma - nuum pedumque breves, teneri, molles, facile plicandi, velut tenuis chartae folia, ultra digitos non prominentes, vix line - am longi. Cilia et ſupercilia tenerrima et laeviſſima. 8) Scro - tum rubicundum et tumens, teſticulis vacuum eſſe ſolet, qui nonnunquam ſupra pubis oſſa in inguinibus reperiuntur, raro unus vel alter in ſcroto. 9) Pondus immaturi foetu, ad ſex libras non aſcendit, ſaepe intra quintam libram ſubſiſtit, alias inter quintam ſextamque libram medium eſt. 99de Statu Hominum. ne67)hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 544. S. 428. Struben rechtliche Bedenken V. Th. Bed. 86. S. 179. Ploucquet uͤber die phyſiſche Erforderniſſe der Erbfaͤhigkeit eines Kindes §. 38. u. 39.. Hieraus erhellet alſo, daß man bey rechtlicher Beurtheilung der Rechtmaͤſigkeit eines Kindes auf zweyerley zu ſehen habe; I) auf den Zeitpunkt der Geburt, und II) auf die Beſchaffenheit des Kindes, naͤmlich ob das Kind reif oder unreif ſey68)Ploucquet a. a. O.? Der eine Umſtand darf ſchlechterdings von dem andern nicht getrennet werden, wenn nicht gegen die Abſicht der Geſetze gehandelt, und offenbare Ungerechtigkeit veranlaſ - ſet werden ſoll69)Ploucquet §. 31.. Denn es wuͤrde ſonſt oft einem Mann ein unrechtmaͤſiges Kind aufgedrungen werden, wenn man den Ausſpruch jenes Geſetzes: ſeptimeſtris eſt legitimus, ſo ſchlechthin ohne weitere Einſchraͤnkung anwenden duͤrfte; und wenn gleich das Geſetz nach der Lehre des Hippocra - tes ein ſiebenmonatliches Kind, als ein vollkommenes (partum perfectum) annimmt; ſo kann doch dieſes von einer ſolchen Vollkommenheit und Reife, dergleichen nur ein neunmonatliches Kind faͤhig iſt, darum nicht verſtan - den werden, weil eines theils eine ſolche Erklaͤrung nicht mit dem Lehrſyſtem des Hippocrates70)Ich will nur eine Stelle aus Hyppocrates Buche de ſeptimeſtri partu cap. 5. herſetzen, woraus man ſehen wird, daß er von keinem vollkommenen reifen Kinde redet. Et ſu - pervivunt quidem ſeptimeſtres, ſagt er, verum pauci etiam ex his educantur. Neque enim craſſitudinem habent, quam perfectiſſimihabent,, als welcher nur von einem lebensfaͤhigen Kinde redet, uͤbereinſtim - men, andern Theils aber den unveraͤnderlichen GeſetzenG 2der1001. Buch. 5. Tit. §. 116.der Natur entgegenſtreiten wuͤrde71)Man vergleiche hier de cocceii ius controvers. lib. I. T. VI. Qu. 3. a verbis: Aſtalia quaeſtio eſt, an ſeptimo coniugii menſe editus pro legitimo ſit habendus? pag. 79. vorzuͤglich aber Pet. Ludw. rehrmann in Comment. de termino naſ - cendi naturali unico filiationis et paternitatis fundamento. Goet - tingae 1784.. Nach Maasgebung dieſer Grundſaͤtze koͤnnen nun noch allerhand wichtige Rechtsfragen mit leichter Muͤhe entſchieden werden.
Man ſetze, eine Witwe habe ſich gleich im erſten Monat nach des Mannes Tode wieder verheyrathet, und nach ſieben oder acht Monaten, von dieſer zweyten Hoch - zeit an gerechnet, ein Kind gebohren72)Die Rechtsgelehrten haben bey Entſcheidung dieſer Rechts - frage viele Schwierigkeiten gefunden. Man findet die ver - ſchiedenen Meinungen in der unter Io. Guolfgang. kippingii Vorſitze von Joh. Kopp vertheidigten Diſſ. de partu dubio, quem ſcilicet vidua intra dies lugubres enixa eſt. Helmſtadii 1744. Er ſelbſt haͤlt §. XII. dafuͤr, daß nach der Regel: pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant, im Zweifel der ge - genwaͤrtige Ehemann fuͤr den Vater des Kindes zu halten ſey. Allein es kommt hier zunaͤchſt auf die Beſchaffenheit des Kindes an, ob dieſes reif oder noch unreif iſt.. Nun entſteht die Frage, fuͤr weſſen Kind der Partus zu halten ſey? fuͤr des verſtorbenen, oder des gegenwaͤrtigen Mannes Kind? Es kommt darauf an: ob das nach ſieben oder acht Mo - naten in der zweyten Ehe gebohrne Kind, voͤllig reif ſey, oder nicht, im erſtern Fall iſt anzunehmen, daß esvon70)habent, et labores in utero non diu ante toleraverunt, ut te - nues evaſerint. Ueberhaupt hat auch die Unvollkommenheit eines ſiebenmonatlichen Kindes, gegen ein neunmonatliches gehalten, ſchon das ganze Alterthum erkannt, wie fabrot - tus de iuſto partu, in ottonis Theſ. Iur. Rom. T. III. p. 1162. erwieſen hat.101de Statu Hominum. von dem verſtorbenen erzeugt ſey; im zweyten Fall hinge - gen erkennt es den zweyten Mann ſeiner Mutter fuͤr ſei - nen Vater73)S. Ploucquet in der angefuͤhrten Schrift §. 39. S. 98 und 99..
Ob eilfmonatliche oder noch ſpaͤtere Geburten recht - maͤſig ſeyn koͤnnen? iſt eine Frage, welche ſowohl die Federn der Aerzte als der Rechtsgelehrten beſchaͤftiget hat74)Man vergleiche puͤttmann de partu undecimeſtri Lipſiae 1779. Aug. a leyser Diſſ. de poſtumo anniculo ſeu duode - cimeſtri Viteb. 1748. und deſſelben Meditat. ad Pandect. Spec. XV. med. 1. heisteri Differt. qua partus tredecime - ſtris pro legitimo habitus proponitur, et ſimul partui nullum certum tempus in univerſum tribui poſſe, oſtenditur: in schle - gel Collect. opuſculor. ſelector. ad medicin. for. ſpectant. Vol. II. n. VIII. nebel Diſſ. de partu tredecimeſtri legiti - mo. Heidelberg. 1731. und wernher Obſ. for. T. III. P. 3. Obſ. 36.. Nach den Geſetzen75)L. 3. §. 11. D. de ſuis et legit. hered. Nov. XXXIX. c. 2. und der Meinung der neuern Aerzte76)Ploucquet uͤber die Erbfaͤhigkeit der Kinder. §. 40. Rud. Aug. vogel Diſſ. de partu ſerotino valde dubio. vor - zuͤglich aber Io. Bern. schnobel Diſſ. de partu ſerotino in me - dicina forenſi temere nec affirmando nec negando. Ienae 1786. iſt ſie zu verneinen. Beyde ſtimmen darinn uͤberin, daß der hoͤchſte Zeitpunct einer rechtmaͤſi - gen Geburt der zehnte Monat nach des Mannes Tode oder nach erfolgter Eheſcheidung, oder ſeit der Abweſenheit des Mannes ſey. Da dies ſchon eine ſeltene Ausnahme iſt, ſo darf jener Zeitpunct um deſto weniger weiter hin - aus erſtrecket werden. Zwar hat man Beyſpiele von zwoͤlf-dreyzehen-ja vierzehnmonatlicher Schwanger - ſchaft wiſſen wollen, auch Gruͤnde aufgeſucht, um die Moͤglichkeit einer ſolchen ſpaͤten Geburt zu vertheidigen;G 3allein1021. Buch. 5. Tit. §. 116.allein die meiſten dieſer Gruͤnde ſind ſo beſchaffen, daß ſie vielmehr die Geburt befoͤrdern, wenn ſie auch dem Wachsthum des Foͤtus nicht guͤnſtig ſind; ſie wuͤrden alſo zwar ſoviel zuwege bringen, daß ein Kind mager, kraͤnklich, und ſchwach auf die Welt kaͤme, aber weder an der Reife ſelbſt wuͤrde etwas fehlen, noch wuͤrde die Ge - burtszeit dadurch verzoͤgert werden. Ueberhaupt aber ha - ben die meiſten Hiſtoͤrchen, wodurch die Moͤglichkeit ſol - cher Verſpaͤtungen beſcheiniget werden will, ſo viel Ver - daͤchtiges, daß man in der That nicht ſehr geneigt wird, ihnen Glauben beyzumeſſen. Daher ſie auch Koͤderer77)Elem. art. obſtetr. pag. 218. „ Tantum abeſt, ut hae cau - ſae foetus moram in utero retardent, ut potius accelerent. Vi - duae quidem vanis hisce ſpeciebus illicitam venerem defende - re, hereditates aucupari, imo medicos nimis credulos vel lu - eri cupidos in ſuas partes trahere ſtudent, ſed mera haec ſunt ludibria, praetereaque nihil. “ Adde alberti ſyſtem. iurisprud. medicae T. I. Cap. VII. §. 19. alle verwirft. Der Richter aber darf um ſo weniger da - rauf achten, weil ihm der geſetzliche Termin eine eben ſo noͤthige als ſichere Maasregel giebt, uͤber den er daher nach eigener Willkuͤhr nicht hinaus gehen darf78)S. Schott im Eherecht §. 185. in Not **** S. 410..
Weil indeſſen K. Juſtinian79)Nov. XXXIX. cap. 2. Die Worte undecimo menſe perfe - cto ſind in der Bulgate nicht richtig uͤberſetzt, es muß eigent - lich heiſſen ſub finem und ecimi menſis, wie Luc. van de poll de exheredat. et praeterit. cap. 38. emendirt, und Hombergk zu Bach auch wirklich uͤberſetzt hat. nur ein ſolches Kind, ſo nach des Mannes Tode gegen dem Ende des eilften Monats gebohren worden, fuͤr illegitim erklaͤrt;ſo103de Statu Hominum. ſo wird nach der gemeinen Meinung80)cujacius ad Sent. Recept. Pauli lib. IV. Tit. 9. §. ſepti - mo menſe. fabrottus in der oben angefuͤhrten Exerc. I. p. 38. raguellus in Commentar. ad L. ult. C. de poſthum. hered. inſtit. carpzov Iurisprud. Forens. P. IV. Conſt. 27. def. 15. gaertner meditat. pract. ad Pandect. Specim. I. Obſ. 61. Luc. van de poll a. a. O. §. 13. S. 239. struv Syntagm. iur. civ. h. t. Exerc. III. th. 4. u. a. m. der Rechtsgelehr - ten angenommen, daß ein im Anfang des eilften Monats zur Welt gebohrnes Kind noch fuͤr rechtmaͤſig zu halten ſey; ob es gleich nicht an Rechtsgelehrten fehlt, welche mit mehrern Grunde behaupten, daß Juſtinian das alte Recht hierin nicht abgeaͤndert habe81)huber Praelect. ad Dig. h. t. §. 4. boehmer Introduct. in ius Digeſtor. h. t. §. 5..
Noch iſt jedoch zu bemerken uͤbrig, daß dasjenige, ſo wir von dem zur Beurtheilung der rechtmaͤſigen Ge - burt eines Kindes geſetzlich beſtimmten Zeitpunct geſagt haben, nur alsdann hauptſaͤchlich ſeine Anwendung fin - de, wenn hieruͤber ein Streit obwaltet, und die Frage iſt, was im Zweifel nach rechtlicher Vermuthung an - zunehmen ſey. Denn erkennt der Ehemann das ihm von ſeiner rechtmaͤſigen Ehefrau gebohrne Kind fuͤr das ſeinige, ſo hat es kein Bedenken, daß ein ſolches Kind fuͤr ehelich und rechtmaͤſig zu achten ſey, es mag zu einer Zeit in der Ehe gebohren worden ſeyn, zu welcher es wolle82)voet in Commentar. ad Pandect. lib. I. Tit. VI. §. 5. Pla - ne ſi quis ante nuptias in furtivos cum puella complexus ruens, eam deinceps matrimonii vinculo legitime ſibi ſociaverit, nec anticipata gaudia ipſe diffiteatur; non dubium, quin vel con - feſtim a nuptiis contrectis, aut ipſo nuptiarum die editus, le - gitimis liberis adſcribendus ſit, ſubſequente connubii foedere omnem conceptionis maculam tollente. Adde hofacker Prin - cip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 544. fin. und gaert - ner in Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. med. 59.. G 4In1041. Buch. 5. Tit. §. 116.In ſolchem Fall verordnet Juſtinian83)L. 11. Cod. de natural. liber. Nov. 89. c. 8. in fine. daß nicht wei - ter auf die Zeit der Conception, ſondern nur der Geburt geſehen werden ſolle. Sancimus ſagt er84)Nov. 89. cap. 8. in fine. , ut non tempus conceptus, ſed partus inſpiciatur, propter filiorum utilitatem. Kommt es uͤbrigens auf dem Be - weiß der rechtmaͤſigen Herkunft eines Kindes an, ſo die - nen hierzu die ſogenannten Geburtsbriefe, wodurch die eheliche Geburt eines Menſchen von dem Richter des Geburtsorts bezeuget wird85)Von ſolchen Geburtsbriefen handeln Henr. linck in Diſſ. de litteris natalitiis Ien. rec. 1732. Desgleichen Claproth in der Rechtswiſſenſchaft von freywilligen Gerichtshandlun - gen (Goͤttingen 1789.) 2. Abſchn. 2. Hauptſt. 7. Tit. S. 149 — 157. und Hr. von Truͤtſchler in der Anwei - ſung zur vorſichtigen und foͤrmlichen Abfaſſung rechtl. Aufſaͤ - tze uͤber Handlungen der willkuͤhrl. Gerichtsbarkeit. (2. Aufl. Leipzig 1786.) 1. Th. 2. Hauptabth. 3. Hauptſt. §. 53. S. 300.. In Ermangelung der - ſelben muß der Beweiß darauf gerichtet werden, daß die Eltern des Kindes in rechtmaͤſiger Ehe gelebt, und das Kind entweder waͤhrend derſelben gebohren worden, oder falls es erſt nach aufgehobener Ehe zur Welt gekommen, daß es binnen derjenigen Zeit gebohren worden ſey, wo die Geſetze es noch fuͤr ein Kind des verſtorbenen oder geſchiedenen Ehemanns gehalten wiſſen wollen. Als Be - weißmittel koͤnnen in einem ſolchen Fall Zeugniſſe aus den Kirchenbuͤchern, welche, in ſofern ſie von verpflichte - ten Perſonen in Amts-Sachen ausgeſtellet werden, als oͤffentliche Zeugniſſe gelten86)hommel in Rhapſod. quaeſtion, for. Vol. II. Obſ. 364.; oder auch andere ehrba - re und glaubwuͤrdige Zeugen, als Wehmuͤtter, Ge -vat -105de Statu Hominum. vattern, Nachbaren, welche von der Geburt des Kindes, von deſſen Rechtmaͤſſigkeit die Frage iſt, genugſame Wiſ - ſenſchaft haben, auch Domeſtiquen und Anverwandte87)Cap. 3. X. qui matrimon. accuſ. poſſ. leyser Meditat. ad Pandect. Vol. V. Spec. CCCXXVI. med. 7., gebraucht werden. Es iſt auch ſchon hinreichend, wenn nur ſoviel dargethan werden kann, daß das Kind von demjenigen, der fuͤr den rechtmaͤſigen Vater deſſelben aus - gegeben wird, wie ein eheliches Kind ſey erzogen und ge - halten worden88)Nov. 117. cap. 2. Cap. 10. X. de probat. . Denn hieraus entſtehet wenigſtens eine rechtliche Vermuthung, welche ſo lange gilt, bis ſie durch Gegenbeweiß entkraͤftet wird89)Frid. Io. stock Diſſ. de probatione filiationis. Ienae 1702. Cap. III. Th. 2. und vorzuͤglich hofacker in Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 547 — 550. S. 431. f. f..
Ad verba: Minime vero nati ex deſponſatis. Noch iſt die Frage zu eroͤrtern, ob Brautkinder fuͤr le - gitim und erbfaͤhig zu halten ſind? Hieruͤber iſt viel geſtritten worden. Man ſetze z. B. daß einer ge - ſetzmaͤſig verlobten Braut der Braͤutigam vor der Copu - lation abſtuͤrbe, und ſie ſich von ihm ſchwanger befaͤnde; iſt das von ihr zur Welt gebrachte Kind fuͤr ehelich, und folglich fuͤr den rechtmaͤſigen Erben ſeines Vaters zu hal - ten? Fuͤr die bejahende Meinung ſtimmen die mehreſten Rechtsgelehrten90)S. Ferd. Chriſtoph harpprecht in Diſſ. de iure libero - rum a deſponſatis ante benedictionem ſacerdotalem, nec ex poſt ſubſecutam procreatorum. idem in Diſſ. de probatione filiationis ex concubitu conſponſorum ante hierologiam nec ex poſt ſubſecutam, et de iure talis prolis, in eius Diſſertat. Academ. Vol. I. Diſſ. XXXIII. et XXXIV. Io. Frid. eisen -hart; und es iſt nicht zu laͤugnen, daßG 5die -1061. Buch. 5. Tit. §. 116.dieſelbe wenigſtens von Seiten der Billigkeit alle Empfeh - lung verdient. Denn warum ſoll dem Kinde dieſer Um - ſtand, daß die Trauung bey deſſen Eltern durch einen Zufall unmoͤglich gemacht wurde, zum Nachtheil gerei - chen? Man wuͤrde ja offenbar Brautkinder denen aus einem Stuprum erzeugten Kindern gleich ſtellen, dies aber ſcheint hart, und gegen die Abſicht der Geſetze zu ſeyn, welche vielmehr den billigen Grund, daß durch den Beyſchlaf zwiſchen guͤltig verlobten Perſonen der Ehekon - ſens thaͤtig erklaͤret worden ſey, ſelbſt zu Gunſten ſolcher Kinder anerkennen91)L. 22. C. de nupt. cap. 12. X. qui filii ſint legitimi. Im Cap. 30. X. de ſponſalib. wird dem Beyſchlaf zwiſchen guͤltig verlobten Perſonen die Wirkung eines matrimonii praeſumti beygelegt.. Es iſt daher auch dieſe Lehre durch den Gerichtsgebrauch92)Conſil. Marburg. Vol. III. 34. hert Reſponſ. Vol. I. Reſp. 209. 456. mevius Deciſ. P. II. D. 81. stryck de ſucceſſ. ab inteſt. Diſſ. I. cap. 2. §. 1. gaertner meditat. pract. ad Pand. Spec. I. med. 55., ja in einigen Landen ſo - gar durch ausdruͤckliche Geſetze beſtaͤttiget worden93)Z. B. in Preußiſchen vi Reſcripti de 22. Febr. Reſp 1768. S. Hrn. Prof. woltaer Obſervat. iur. civ. et Brandenb. Faſc. I. Obſ. 10. in Saͤchſiſchen, vi Deciſ. Elect. 49. S. wernher Obſ. for. T. I. P. III. Obſ. 41. n. 5. und in Wuͤr - tenbergiſchen Landen vi Reſcr. de 1695. S. die oben angefuͤhrte andere Harpprechtiſche Diſſ. de probatione filiationis Cap. II. Th. XI. Daßin -90)hart Diſſ. de nato ex ſponſa Helmſt. 1750. Car. Phil. Io. Zeller Diſſ. de partu ſponſae legitimo. Goettingae 1785. de cramer in Obſervat. iur. univerſi T. II. Obſ. 515. a leyser Meditat. ad Pandect. Spec. CCXCVIII. med. 4. Struben rechtl. Bedenken III. Th. Bed. 131. §. 4. S. 456. Hr. G.J.R. boehmer in Princip. iuris canon. Lib. III. Sect. II. Tit. II. §. 352. Schott im Eherecht §. 150. hofacker in Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 545 u. a. m.107de Statu Hominum. indeſſen dieſe Meinung auch mit den Grundſaͤtzen einer aͤchten Rechtstheorie uͤbereinſtimme, moͤchte wohl ſchwer - lich erwieſen werden koͤnnen. Von dieſer Seite verdient daher die verneinende Meinung der Rechtsgelehrten94)Dieſer Meinung ſind Io. voetius in Commentar. ad Pan - dect. Lib. I. Tit. VI. §. 10. Gottl. Ger. titius in Iure pri - vato lib. VII. cap. I. §. 15. Iuſt. Henn. boehmer in Iur. Eccleſ. Proteſt. Lib. IV. Tit. 3. §. 50. lauterbach in Colleg. Th. Pract. Pandect. Lib. XXIII. Tit 2. §. 4. Tob. Iac. reinharth in ſelect. Obſervat. ad Chriſtinaeum Vol. VI. Obſ. 10. p. 26 27. Aug. Rud. Ieſ. bunemann Diſſ. de ſpon - ſae partu ſpurio. Goettingae 1753. G. Nic. grimmeisen Diſſ. de liberis ob deficientem in parentibus benedictionem ſa - cerdotalem non legitimis. Altorf. 1731. Vorzuͤglich aber ſehe man die gruͤndliche Abhandlung uͤber der Brautkinder Succeßions-Faͤhigkeit in den Guͤtern ihrer Vaͤter in dem Archiv fuͤr die theoretiſche und practiſche Rechtsgelehrſamkeit, herausgegeben von Theodor Hage - mann und Chriſtian Auguſt Guͤnther IV. Th. (Braun - ſchweig 1789.) N. VII. S. 177 — 217. mehreren Beyfall. Denn Verloͤbniß iſt doch noch keine Ehe, giebt auch kein Recht zum Beyſchlaf, mithin iſt der von verlobten Perſonen anticipirte Concubitus eine eben ſo leichtfertige Beywohnung, wie jedes Stuprum. Rechtmaͤſige eheliche Kinder ſind nur diejenigen, welche aus rechtmaͤſiger Ehe erzeugt ſind; eine ſolche aber laͤßt ſich unter Proteſtanten ohne die prieſterliche Trauung, und unter Catholiken ohne die Erklaͤrung des Ehekonſen - ſes vor dem competenten Pfarrer und zwey Zeugen nicht gedenken; ohne dieſe Form iſt nach heutigem Kirchen - recht keine Ehe von buͤrgerlicher Wirkung, ſie iſt vielmehr null und nichtig, und kann daher auch keine Rechtmaͤſig - keit der Geburt den Kindern geben. Der Satz des roͤ - miſchen Rechts: conſenſus facit nuptias95)L. 30. D. de Reg. Iur. findet heutigesTa -1081. Buch. 5. Tit. §. 116.Tages eben ſo wenig, als die Lehre der Decretalen, daß ein Eheverloͤbniß durch die darauf erfolgte fleiſchliche Ver - miſchung auch ohne Trauung in eine wahre Ehe verwan - delt werde96)Cap. 15. 30. 32. X. de ſponſalib. , ſtatt97)Hr. G. J. R. Boͤhmer in Princip. iur. canon. §. 362. not. d. und Car. Sebaſt. berardus in Commentar. in ius ec - cleſ. univ. Tom. III. (Venet. 1778. 4.) Diſſ. II. Cap. IV. Quaeſt. I. auch Hofmann im Handbuch des teutſchen Ehe - rechts (Jena 1789.) VIII. Hauptſt. §. 72 S. 233.; mithin koͤnnen Stellen des roͤmi - ſchen und kanoniſchen Rechts, die ſich auf jene Lehren lediglich beziehen, auf unſere Zeiten nicht mehr angewen - det werden. Es ſind auch wirklich die fuͤr die gegenſei - rige Meinung angefuͤhrte Geſetzſtellen dieſer letztern Be - hauptung gar nicht entgegen, ſie unterſtuͤtzen dieſelben vielmehr noch buͤndiger. Denn in beyden oben angefuͤhr - ten Texten ſowohl dem cap. 12. X. Qui filii ſint legitimi als der L. 22. C. de nupt. liegt der Satz zum Grunde, daß nur aus guͤltiger Ehe ein rechtmaͤſiges Kind gebohren werde. Es war in beyden Texten die Frage von der Rechtmaͤſigkeit der Geburt eines Kindes. Dieſe hing von der Guͤltigkeit der Ehe ſeiner Eltern ab; und weil dieſel - be durch Zeugen außer allen Zweifel geſetzt werden konn - te, ſo wurde fuͤr das Kind erkannt. Hier iſt alſo von keinen Brautkindern die Rede98)Merkwuͤrdig ſind die Worte des cap. 12. cit. receptis teſti - bus a filio eiusdem R. productis, quibus legitime comproba - vit, praedictum R. matrem ſuam in capella S. Sergii adfidaſſe. Adfidare gehoͤrt zur barbariſchen Latinitaͤt des mittlern Zeital - ters, und bedeutet ſoviel als ſich durch Zuſage und gegebenes Wort verbindlich machen. S. lindembrog in Gloſſario h v. In - ſonderheit aber hieß feminam adfidare in uxorem ſoviel als einem Weibe die eheliche Treue verſprechen. gonzalez ad cap. 2. X. decon -. Aber verdient denndoch109de Statu Hominum. doch nicht wenigſtens die ganz unſchuldige Frucht eines zu fruͤhen Beyſchlafs Mitleiden, und muß nicht die Sa - che ſchon aus dieſer Urſach zu ihrem Beſten entſchieden werden? O ja, Mitleiden verdienen allerdings Brautkin - der; aber iſt denn das auch ein rechtlicher Grund ihnen was zuzuſprechen, das ihnen von Rechtswegen nicht ge - buͤhrt?
Ich laſſe es jedoch gelten, wenn in dem Fall, da der Braͤutigam verurtheilt geweſen, die verlobte und geſchwaͤn - gerte Braut zu ehelichen, und darauf, ehe ſolches geſche - hen, verſtorben waͤre, das Kind durch ein rechtliches Er - kenntniß fuͤr aͤcht und ſucceßionsfaͤhig rechtskraͤftig iſt er - klaͤret worden99)puffendorf in Obſervat. lur. univerſi Tom. IV. Obſ. 245. I. H. boehmer Iur. Eccl. Proteſt. Lib. IV. Tit. 3. §. 49.. Denn ein rechtskraͤftiger Urtheilsſpruch gilt auch in Sachen, die den Zuſtand der Perſon betref - fen, fuͤr eine rechtliche Wahrheit100)L. 25. D. h. t. .
§. 117.98)conſanguinit. Merkwuͤrdig iſt es ferner, daß dieſes Ehever - ſprechen in einer Capelle geſchehen, ohnfehlbar alſo in Gegen - wart eines Geiſtlichen; mithin iſt wohl kein Zweifel, daß das Kind, uͤber deſſen eheliche Geburt nach dem Inhalt des Ca - pitels geſtritten wurde, ein aus rechtmaͤſiger Ehe gezeugtes Kind geweſen. gonzalez tellez in Comment. ad cap. hoc 12. X. qui filii ſint legitimi. Noch weniger Zweifel iſt bey der L. 12. C. de nupt. vorhanden; wenn man die Worte mit Aufmerkſamkeit lieſet, nullus exiſtimat, ob id deeſſe recte alias inito matrimonio firmitatem, vel ex eo natis liberis iura poſſe legitimorum auferri.
Ein anderer natuͤrlicher Zuſtand der Menſchen iſt der Status ſexus, in Anſehung deſſen dieſelben entweder maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts ſind. Ob es nicht noch eine dritte Menſchengattung gebe, naͤmlich ſol - che, welche beyderley Geſchlechts zugleich ſind, iſt noch nicht entſchieden. Man pflegt ſie Zwitter oder Herma - phroditen zu nennen. Die Geſetze unſerer Pandecten ge - denken ihrer an verſchiedenen Orten. Sie ſtellen den Grundſatz feſt, daß man die Hermaphroditen zu demje - nigen Geſchlechte rechnen muͤſſe, welchem ſie am aͤhnlich - ſten ſind1)L. 10. D. h. t. ulpianus lib. I. ad Sabinum. Quaeritur, Hermaphroditum cui comparamus? et magis puto, eius ſe - xus aeſtimandum, qui in eo praevalet. S. Caſp. bau - hinus de hermaphroditorum monſtroſorumque partuum na - tura. Oppenhem. 1614. Io. Henr. felz Diſſ. de iure androgi - norum. Argentor. 1717. Io. Ulr. cramer Probl. de prae - ſtantia ſyſtematis harmoniae praeſtabilitae in materia iuris de Hermaphroditis, qui utroque ſexu potentes dicuntur; in eius Opuſc. T. IV. n. VIII. guyot Repertoire de lurisprud. art. Hermaphrodit. und Pet. Franc. monet Diſſ. de iure cir - ca hermaphroditos, Argentorati. 1788.. Sind ſie alſo dem uͤberlegenen Geſchlechte nach maͤnnlich, ſo werden ſie als Mannsperſonen anzuſe - hen ſeyn. Waͤren aber die Kennzeichen des weiblichen Geſchlechts, Geburtstheile, Stimme, Bruͤſte, und uͤbriger koͤrperlicher Bau, bey ihnen herfuͤrſtechender, ſo wuͤrde man ſie zu dieſem Geſchlecht rechnen muͤſſen. Nach Maaß - gabe jenes Grundſatzes entſcheiden nun die Geſetze alle die ſie betreffende Rechtsfragen, wobey es auf den Unterſchied des Geſchlechts ankommt. Z. B. ob ein Hermaphroditals111de Statu Hominum. als Teſtaments-Zeuge gebraucht werden koͤnne2)L. 15. §. 1. D. de teſtibus. paulus lib. III. Sententia - rum. Hermaphroditus an ad teſtamentum adhiberi poſſit, qua - litas ſexus incalescentis oſtendit. ? Die neuern Aerzte3)tissot Onaniſme P. 66. duverney Oeuvres anatomiques T. II. p. 369. valmont de bomare Dictionn. d’Hiſtoire natur. art. Hermaphrod. teichmeyer medicin, legal S. 99. faselius elem. medicin. legal. §. 40. Arnaud uͤber die Hermaphroditen. u. a. m. wollen es jedoch gaͤnzlich laͤugnen, daß es wahre Zwitter gebe. Die weitere Unterſuchung liegt auſſer meiner Sphaͤre. Ich kehre alſo zu der obigen Eintheilung der Menſchen in Manns - und Weibsper - ſonen4)Ich bemerke hier nur, daß die Benennungen mulier und fe - mina in unſern Geſetzen von allen Perſonen weiblichen Ge - ſchlechts, ohne Unterſchied, ſie moͤgen ledig oder verbeurathet, Jungfern oder Witwen ſeyn, gebraucht werden; ſo wie in ei - ner eben ſo weitlaͤuftigen Bedeutung das Wort vir alle Per - ſonen maͤnnlichen Geſchlechts, Maͤnner und Knaben bezeich - net. L. 25. §. 9. D. de auro arg. leg. L. 81. §. 1. D. de legat. 3. L. 2. D. ad SCt. Vellej. In der eigentlichen Be - deutung aber nehmen die Geſetze das Wort mulier fuͤr eine ſolche Weibsperſon, die keine Jungfer mehr iſt, und ſetzen das Wort virgo entgegen. L. 11. §. 1. D. de contrab. emt. L. 11. §. 5. D. de act. emt. vend. L. 13. D. de manumiſſ. vind. zuruͤck, und ſetze zufoͤrderſt als allgemeinen Grundſatz voraus, daß ordentlicher Weiſe Manns - und Weibsperſonen einerley Rech - te zu genießen haben, in ſofern nicht die Ge - ſetze ausdruͤcklich dem einen Geſchlecht vor dem andern Vorzuͤge zugeſtehen5)L. 9. D. h. t. . Denn be - ſondere Rechte ſind Ausnahmen, dieſe aber werden be - kanntlich nicht vermuthet. Hieraus folgt, daß wenn einGe -1121. Buch. 5. Tit. §. 117.Geſetz uͤberhaupt etwas verordnet, ohne die Weibsperſo - nen auszunehmen, ſolches auch mit auf dieſelben zu er - ſtrecken ſey6)L. 1. D. de Verb. Signif. Verbum hoc: Si quis, tam maſcu - los quam feminas complectitur. . So z. B. kommen die den Erben zu Gun - ſten verordnete Rechtswohlthaten allerdings den weibli - chen Erben ſo gut als den maͤnnlichen zu ſtatten. Ja wenn auch in einem Geſetz nur des maͤnnlichen Geſchlechts vorzuͤglich waͤre gedacht worden, ſo iſt deswegen das weib - liche nicht gleich fuͤr ausgeſchloſſen anzuſehen, wenn nicht das Gegentheil entweder aus dem Geiſt und dem Gegen - ſtande des Geſetzes, oder aus andern Geſetzen deutlich erhellet7)L. 195. pr. D. de Verbor. Signif. Pronunciatio ſermonis in ſexu maſculino ad utrumque ſexum plerumque porrigitur. Die Anwendung davon wird in L. 116. 163. §. 1. L. 172. L. 201. D. de Verb. Sign. und L. 62. D. de legat. 3. gemacht.. So z. B. hat das zwoͤlftafel Geſetz, welches dem Paterfamilias das Recht, ein Teſtament zu machen, giebt, die Materfamilias8)cicero pro Caecinna cap. 6. ulpianus Fragm. Tit. XX. §. 15. S. treckel Tr. de origine atque progreſſu teſta - mentifactionis praeſertim apud Rom. Cap. III. §. 4. S. 60. gewiß ſo wenig, als das weibliche Geſchlecht von der Inteſtat-Erbfolge ausſchlieſ - ſen wollen9)Dies hat wenigſtens D. Io. Chriſtph. duisberg in der ele - ganten Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud vet. Rom. Halae 1788. §. 2. gegen die Meinung des Hrn. Prof. Hugo in Comment. de fundamento ſucceſſionis ab inteſtato ex iure Rom. antiquo et novo. Goett. 1785. §. 4. ſq. ſehr gruͤndlich erwieſen., wenn gleich die Ausdruͤcke ſuus heres agnatus proximus vorzuͤglich das maͤnnliche Geſchlecht andeuten10)Daß das zwoͤlftafel Geſetz bey der Erbfolge keinen Unter - ſchied des Geſchlechts habe machen wollen, beſtaͤttigen Pau -lus. Dahingegen kann unter dem ausdruͤcklichge -113de Statu Hominum. genannten weiblichen Geſchlecht das maͤnnliche nicht be - griffen werden11)L. 81. princ. D. de legat. 3.. Pomponius haͤlt es wenigſtens fuͤr eine Sache von ſchlimmen Folgen12)L. 45. in fin. princ. D. de legat. 2. Exemplo peſſimum eſt, feminino vocabulo etiam maſculos contineri. ; und was Ley - ſer13)Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 4. dagegen angefuͤhrt hat, kann jenen rechtlichen Satz nicht umſtoßen14)Man ſehe hier vorzuͤglich hartleben in Meditat. ad Pan - dect. Spec. XVII. med. 3. welcher jedoch den Fall ausnimmt, da aus der Abſicht des Geſetzgebers, des Teſtators, oder der Contrahenten ganz deutlich erhellet, daß unter der ausdruͤck - lichen Benennung des weiblichen Geſchlechts auch das maͤnn - liche mit verſtanden ſeyn ſolle..
Es iſt nun alſo Ausnahme von der Regel, wenn die Geſetze in manchen Stuͤcken dem maͤnnlichen Ge - ſchlecht Vorzuͤge vor dem weiblichen geben, in andern Faͤllen aber dem weiblichen Geſchlecht wieder Vortheile zugeſtehen, an welchen das maͤnnliche keinen Antheil nimmt. Der ſeel. Canzler Boͤhmer15)Introd. in ius Digeſtor. h t. hartleben c. l. med. 5. §. 3. giebt die Re - gel, daß in oͤffentlichen und Familien-Sa - chen das maͤnnliche, in Privat-Sachen hin - gegen, wo es auch die Schwaͤche des Ge - ſchlechts ankommt, das weibliche Geſchlecht mehr Vortheile zu genieſſen habe. So wer - den Frauensperſonen bekanntermaßen zu Verrichtungen ei - nes gerichtlichen Anwalds ſo wenig als eines peinlichen Anklaͤgers zugelaſſen; ſie koͤnnen nicht zu oͤffentlichenAem -10)lus Sentent. Receptar. Lib. IV. Tit. VIII. §. 23. und Ju - ſtinian §. 3. I. de legitima agnator. ſucceſſ.Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. H1141. Buch. 5. Tit. §. 117.Aemtern gelangen; werden ferner in allen denienigen Faͤl - len nicht als Zeuginn zugelaſſen, da die Geſetze der Feyer - lichkeit des Geſchaͤftswegen mehr als zwey Zeugen erfor - dern; ſie koͤnnen, auſſer einer Mutter und Großmutter, nicht zu Vormuͤnderinn unmuͤndiger Kinder beſtellet wer - den; ſie ſind der Gewalt ihrer Ehemaͤnner unterworfen; haben an den Rechten der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt keinen Antheil, in ſofern ſich dieſelbe vorzuͤglich uͤber das Vermoͤgen der Kinder erſtreckt; eine Mutter kann daher ihrem unmuͤndigen Kinde nicht pupillariter ſubſtituiren, das iſt, demſelben auf den Fall, wenn es in der Unmuͤn - digkeit ſterben wuͤrde, durch Teſtament einen Nacherben ſetzen; bey der Succeßion in Familien Fideicommiſſe wer - den ſie von dem Mannsſtamm des Stifters ausgeſchloſ - ſen, u. d. m. In dieſen Faͤllen hat alſo das maͤnnliche Geſchlecht vorzuͤglichere Rechte. Allein wenn Frauenzim - mer eher muͤndig werden als Mannsperſonen, und daher auch eher heyrathen und teſtiren koͤnnen; wenn ihnen die Unwiſſenheit der Rechte nicht zugerechnet wird, in ſo - fern ſie ſolche blos in der Abſicht vorſchuͤtzen, um einen Schaden oder eine Strafe abzuwenden; wenn ferner die Geſetze ihnen zur Sicherheit ihres Brautſchatzes ein mit beſonderem Vorzuge begabtes Unterpfandsrecht in den Guͤtern ihrer Ehemaͤnner geben; wenn ſie aus ihrer Buͤrg - ſchaft nicht belangt werden koͤnnen; ſo ſind das Vorthei - le, die die Geſetze den Frauenzimmern fuͤr den Manns - perſonen zugeſtehen16)Von den beſondern Rechten der Weibsperſonen handeln Io. Volck. Bechmann Diſſ. de privilegiis mulierum. Jena 1720. Theod. Ge. Guil. emminghaus Comm. de praecipuis feminarum in Germania iuribus. Ienae 1751. Henr. bale - mann Diſſ. de foemina ex antiquitatibus legibusque Romanis, germanicis, et praeſertim Lubecenſibus. Altorf. 1756. Joh. Chri -. Nicht unbillig fragt man ie -doch,115de Statu Hominum. doch, welches die Quelle dieſer ſo verſchiedenen als beſon - dern Rechte des ſchoͤnen Geſchlechts ſey17)Hiervon handelt Henr. Theoph. schellhaffer in Meditat. de origine ac fonte iuris circa mulieres diverſi, von den ei - gentlichen Gruͤnden des verſchiedenen Rechts der Weiber. Lipſiae 1738.? Dieſe Fra - ge wird von den Rechtslehrern nicht uͤbereinſtimmend be - antwortet. Leyſer18)Leyſer Spec. XIII. med. 1. ſchreibt den Urſprung der mehre - ſten weiblichen Rechte der Eiferſucht zu. Quiſtorp19)In der angefuͤhrten Abhandlung S. 70. hingegen glaubt, daß ſie vielmehr in einer beſondern Zaͤrt - lichkeit und Hochachtung ihren Grund haͤtten. Allein es haben ſchon andere20)Roͤslin in der angefuͤhrten Abhandlung 1. Buchs 2. Ab - ſchnitt §. 1 — 6. hartleben Meditat. ad Pandect. Spc. XVII. med. 1. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 2. Th. S. 281. f. f. richtiger eingeſehen, daß ſich die vorzuͤglichen Rechte des ſchoͤnen Geſchlechts nicht aus ei - ner einzigen Quelle herleiten laſſen. Die Geſetzgeber ſelbſt haben bey Beſtimmung dieſer beſondern weiblichen Rech - te verſchiedene Gruͤnde ihrer Legislation angegeben. Die erſte und vorzuͤglichſte Quelle iſt unſtreitig in dem in - nern Charakter des weiblichen Geſchlechts zu finden, vermoͤge welchem den Frauensperſonen eine gewiſſe Schwaͤche des Geſchlechts und SchamhaftigkeitH 2in16)Chriſtoph Quiſtorp von den Gerechtſamen des ſchoͤnen Geſchlechts nach gemeinen buͤrgerlichen und beſonders nach Mecklenburgiſchen Lehnsgeſetzen und Gewohnheiten, in Deſ - ſelben kleinen juriſt. Schriften (Butzow. u. Wis - mar 1772.) N. III. S. 69 — 98. vorzuͤglich aber Carl Ludw. Chriſtoph Roͤslin Abhandlung von beſondern weiblichen Rechten. I. Band Manheim 1775. II. Band Ebendaſelbſt 1779. gr. 8.1161. Buch. 5. Tit. §. 117.in vorzuͤglichen Grade zugeſchrieben wird. Dieſe wird in unſern Geſetzen nicht nur als die Urſach angegeben, warum Frauenzimmer keine Buͤrgſchaft guͤltig uͤberneh - men koͤnnen, ſondern warum ſie auch uͤberhaupt von oͤffen - lichen Aemtern ausgeſchloſſen ſind21)L. 2. D. ad SCtum Vellejan. L. 2. D. de Reg. Iur. . Unter jener Schwaͤche des Geſchlechts, oder wie ſich die Geſe - tze eigentlich ausdruͤcken, ſexus imbecillitas22)L. 2. §. 2. D. ad SCtum Vellej. , infirmi - tas foeminarum23)Cit. L. 2. §. 3. D. eodem. , iſt jedoch nicht Mangel des Ver - ſtandes, als welcher ihnen von den Geſetzen keinesweges abgeſprochen wird24)L. 12. §. 2. D. de iudiciiſ. , auch nicht natuͤrliche Schwach - heit des Koͤrpers zu verſtehen, ſondern vielmehr a) eine ge - wiſſe gutmuͤthige Neigung, ſich andern gefaͤllig zu bewei - ſen, eine den Frauenzimmern natuͤrliche Guͤte des Herzens, vermoͤge welcher ſie ſich im Vertrauen auf die Redlichkeit des Schuldners nur gar zu leicht pflegen bewegen zu laſſen, eine Interceßion zu uͤbernehmen, wobey nur die gute Ab - ſicht obwaltet, durch ein gegebenes Wort Jemand zu die - nen, uͤbrigens aber kein wirklicher Schade befuͤrchtet wird25)Man vergleiche hierbey vorzuͤglich Hrn. Prof. Webers Beytraͤge zu der Lehre von gerichtlichen Klagen und Einreden. (Schwerin und Wismar 1789. 8. ) 3te Betrachtung S. 36. u. folg.. Aus dieſem wahren Grunde will daher der Vellejaniſche Rathſchluß nur das Frauenzimmer in den Faͤllen ſchuͤtzen, wo ſie eine fremde Verbind - lichkeit uͤbernahmen, und ſich aus bloßer Gefaͤlligkeit der Gefahr unterzogen, etwas zu bezahlen, welches zu ver - lieren ſie weder die Abſicht, noch anders woher eine Ver -bind -117de Statu Hominum. bindlichkeit auf ſich haͤtten26)Dies iſt eine Bemerkung von ſehr wichtigen practiſchen Folgen. Denn hieraus laͤßt ſich erklaͤren, warum die Frauens - perſonen, welche etwas dafuͤr erhalten haben, daß ſie eine fremde Verbindlichkeit uͤbernehmen moͤchten; oder aber bey Uebernehmung fremder Verbindlichkeiten nicht ſowohl Gefahr laufen, als vielmehr wirklich die Abſicht und den Willen ha - ben, das Ihrige zu des Schuldners Beſten aufzuopfern, mit - hin aus bloßer Freygebigkeit (donandi animo) fuͤr ihn inter - cediren, ſich jener weiblichen Rechtswohlthat nicht bedienen koͤnnen. In dem Titel de SCto Vellejano werde ich dieſes weiter ausfuͤhren.. b) Heißt auch Schwaͤ - che des weiblichen Geſchlechts eine von der Er - ziehung ſowohl als der dieſem Geſchlecht weſentlichen Be - ſtimmung des Kindergebaͤhrens herruͤhrende Unfaͤhigkeit, maͤnnliche Arbeiten, welche eine ausdauernde Anſtren - gung des Koͤrpers, und oͤffentliche Aemter, welche Ein - ſichten und Gelehrſamkeit erfordern, zu verſehen27)Von dieſer Sexus imbecillitas handelt schellhaffer in der angefuͤhrten Diſſertat. §. VIII. u. ff. ſehr gruͤndlich.. Ich erwaͤhnte oben der dem weiblichen Charakter eigenen Schamhaftigkeit. Dieſe fuͤhren die Geſetze ſelbſt an mehr als einem Orte als eine Quelle weiblicher Rech - te an. Z. B. wenn der Praͤtor in ſeinem Edict den Frauensperſonen vor Gericht als Fuͤrſprecherin zu er - ſcheinen verbietet, ſo wird zum Grunde dieſes Verbots angegeben, ne, contra pudicitiam ſexui congruentem, alie - nis cauſis ſe immiſceant28)L. 1. §. 5. D. de poſtulando. . Eben dieſen Grund der Keuſchheit fuͤhrt auch Juſtinian29)Nov. CXXXIV. cap. 9. an, wenn er ver - ordnet, daß keine Weibsperſon zur gefaͤnglichen Haft gebracht, ſondern ſelbige auch in den groͤbſten Verbrechen entweder nur in ein Kloſter geſteckt, oder anderer Wei -H 3ber1181. Buch. 5. Tit. §. 117.ber Aufſicht uͤbergeben werden ſolle; naͤmlich ut non per huiusmodi occaſiones inveniantur circa caſtitatem in - iuriatae; obgleich dieſes heutiges Tages bey uns nicht mehr im Gebrauch iſt30)Ludovici Einleitung zum peinlichen Proceß II. Cap. §. 8..
Eine andere entferntere Quelle des beſondern weibli - chen Rechts war, daß Weibsperſonen ehemals bey den Roͤmern auf den Verſammlungen des Volcks nicht er - ſcheinen durften, woraus theils eine dem ſchoͤnen Ge - ſchlecht unſchaͤdliche Unwiſſenheit der Geſetze31)Roͤslin in der angefuͤhrten Abhandlung 2. Band. S. 17. u. 18. §. 9., theils die Unfaͤhigkeit derſelben, bey einer feyerlichen Handlung als Zeuginn gegenwaͤrtig zu ſeyn32)Als etwas merkwuͤrdiges erzaͤhlt daher Gellius Noct. Attic. VI. 7. daß die Tarratia, eine Beſtalin, das ius teſti - monii dicendi durch die Lex Horatia erhalten. S. treckel de origine teſtamentifactionis §. XVIII. p. 105. §. LXIII. p. 208. u. §. LXXI. p. 225. ſqq. reinold Varior. c. 5. in Opuſc. S. 73., herfließt.
Eine weitere Hauptquelle beſonderer weiblicher Rech - te iſt die geſetzliche Oberherrſchaft des Ehe - manns uͤber die Frau, und die uͤberhaupt durch die Ehe entſtehende genaueſte und innigſte Vereinigung zwi - ſchen Eheleuten. Denn ſo wie deshalb zwar die Frau an der Wuͤrde und dem Stande des Mannes Antheil nimmt, deſſen Namen fuͤhrt, und den naͤmlichen Ge - richtsſtand hat; ſo entſtehen daraus auch wieder auf der andern Seite manche unangenehme Folgen. Denn da die Frau ſelbſt der Gewalt des Mannes unterworffen iſt33)Nach den Fragmenten des Antejuſtinianiſchen Rechts wur - de eine Ehefrau, die ſich in manu mariti befand, ſogar wie eine filiafamilias angeſehen. Man ſehe caii Inſtitut. lib. II. Tit. VIII. prine. vlpiani Fragm. Tit. XXII. §. 14.,ſo119de Statu Hominum. ſo kann ſie keine ſolche Gewalt uͤber ihre Kinder haben, dergleichen die Geſetze nur dem Vater geben. Eine wich - tige Folge davon iſt, daß Frauensperſonen keine ſuos heredes haben koͤnnen34)vlpianvs in Fragm. Tit. XXVI. §. 7. paulus in L. 4. §. 2. D. de bonor. poſſ. contra tab. averanius in Interpre - tat iuris Lib. III. c. XXVI. n. 9. p. 490., quia foeminae in poteſtate li - beros non habent, wie Juſtinian35)§. 3. Inſt. de beredum qualit. et diff. Auch dies iſt von wichtigen Folgen, denn aus dieſer Urſach kann eine Mutter ihre Kinder rite praͤteriren, odne daß das Teſtament deshalb nichtig wird, ihre Praͤterition hat die Wirkung einer Exhere - dation §. 7. I. de exheredat. liberor, Aus eben dieſer Urſach ſagt paulus L. 4. §. 2. D. de bon. poſſ. contr. tab. ad te - ſtamenta ſoeminarum Edictum contra tabulas bonorum poſſeſ - ſionis non pertinet; und ein gleiches iſt von der bonorum poſ - ſeſſione unde liberi zu behaupten. S. schulting ad Vlpia - ni Fragm. Tit. XXVI. §. 7. not. 24. Iurisprud. Antej. p. 667. ſagt. Da ferner die Ehefrau durch ihre Verheyrathung den Namen ihrer Familie, mit dem Namen, Stand und Wuͤrde ihres Mannes vertauſcht, und die Kinder, welche die Haus - mutter waͤhrend der Ehe zur Welt bringt, nicht zu ihrer, ſondern allemal zur Familie des Vaters gerechnet wer - den36)L. 196. §. 1. D. de Verbor. Signif. , ſo erhaͤllt hieraus der Ausſpruch Ulpians37)L. 195. §. 5. D. codem. goeddeus in Comment. ad h. L. ſein Licht, mulier familiae ſuae finis eſt; und eben dies iſt auch der Grund, warum Frauensperſonen in Fami - lien Fideicommiſſe und ſolche Guͤter, welche nach der Abſicht des Erwerbers bey ſeiner Familie, das heißt, ſei - nen maͤnnlichen Nachkommen unverſehrt verbleiben ſol - len, ſo lang ein maͤnnlicher Succeſſor vorhanden iſt, weder ſuccediren, noch ſolche Guͤter, wenn ſie auſſer der Fami -H 4lie1201. Buch. 5. Tit. §. 117.lie veraͤuſſert worden ſind, retrahiren koͤnnen. Denn durch ſie wird die Familie nicht erhalten.
Daß uͤbrigens manche weibliche Gerechtſame nur Billigkeit zum Grunde haben, beweiſen die Worte des K. Juſtinian38)L. 12. §. 1. Cod. qui pot. in pignore. : Quis mulierum non miſereatur prop - ter obſequia, quae maritis praeſtant, propter partus pericu - lum et ipſam liberorum procreationem, pro quibus multa in legibus noſtris inventa ſunt privilegia; ich will auch nicht gerade laͤugnen, daß Zaͤrtlichkeit und Eiferſucht, vielleicht auch Juſtinians Gemahlin die Theodora an einigen Vor - zuͤgen und Rechten des ſchoͤnen Geſchlechts Antheil ha - ben koͤnne39)Roͤslin in der angefuͤhrten Abhandlung I. Th. S. 14. und II. Th. S. 55..
Ein dritter natuͤrlicher Zuſtand iſt der Status inte - gritatis, in Anſehung deſſen die Menſchen in vollkom - mene, und unvollkommene Menſchen eingetheilt werden40)S. Io. Henr. falkenhagen Diſſ. de habitu ſtatus integri - tatis ad ſtatum familiae in re tutelari ſpectato. Goettingae 1753.. Erſtere ſind entweder vollkommen in Anſe - hung der Eigenſchaften des Koͤrpers, oder in Anſehung der Eigenſchaften der Seele; im erſtern Fall werden ſie geſunde und tuͤchtige Leute, in zweyten Fall aber vernuͤnftige genennt, worunter alſo diejenigen ver - ſtanden werden, welche den voͤlligen Gebrauch des Ver - ſtandes und der Vernunft haben. Die Geſetze41)L. 2. D. Qui teſtam. facere poſſ. L. 20. D. de iniuſt. rup - to et irr. teſt. nen - nen dieſen Zuſtand integritas mentis, den erſtern aber cor - poris ſanitas. Unvollkommene Menſchen ſind ſolche, ent - weder in Anſehung des Koͤrpers oder in Anſehung der Seele. Im erſten Fall ſind ſolche Menſchen entwedermit121de Statu Hominum. mit einem beſtaͤndigen und unheilbaren Mangel behaftet, oder ſie laboriren nur an einem zeitigen Mangel der Geſundheit. Im erſten Fall werden ſie fehlerhafte, oder gebrechliche Perſonen, untuͤchtige Leute; (vitioſi) z. B. Kruͤppel, Taube, Stumme, Blinde u. d. im andern Fall aber Kranke42)L. 101. §. 2. D. de Verb. Signif. wo morbus und vitium ſo unterſchieden werden, daß erſteres eine temporalis corpo - ris imbecillitas, letzteres aber ein perpetuum corporis impedi - mentum ſey. Unterweilen nehmen jedoch die roͤmiſchen Juri - ſten das Wert Morbus in einer ſo weitlaͤuftigen Bedeutung, daß es auch vitium mit unter ſich begreift. S. coelius sa - binus in L. 1. §. 7. D. de aedilit. edicto, und massurius sabinus beym Gellius Noct. Attic. IV. 2. genennt. Unvollkom - mene in Anſehung der Seele, welche den voͤlligen Ge - brauch des Verſtandes und der Vernunft nicht haben, werden dementes43)S. stryck Diſſ. de dementia et melancholia. im weitlaͤuftigen Sinn genennt, und ſind wieder ſehr verſchiedener Art. Denn der Mangel der geſunden Vernunft, und die Verwirrung der Seelen - kraͤfte hat verſchiedene Grade, und es iſt ſchwer, einen richtigen Maaßſtab zu finden, um die Grade des Verſtan - des und deſſen Mangel, auch die Verdunkelung und Ver - wirrung deſſelben deutlich zu beſtimmen. Man pflegt ſie gemeiniglich in ſolche, die der Vernunft voͤllig beraubt ſind, und ſolche, die zwar Vernunft, aber nur im gerin - gen Grade haben, einzutheilen. Erſtere werden Sinn - loſe, oder Wahnſinnige, mente capti44)L. 9. C. de Impub. et aliis ſubſtitut. L. 25. C. de nupt. festus de Verb. Signif. v. mente captus. , inſani45)L. 7. §. 3. D. ad L. Iul. Majeſt. L. 1. Cod. ſi quis Imp. maledix. ,H 5fa -1221. Buch. 5. Tit. §. 117.fatui46)L. 2. D. de poſtul. L. 21. D. de reb. auct. iud. poſſid. genennt; und dieſe theilt man in furioſos, Tol - le, Raſende, und dementes im eigentlichen Verſtande, Alberne, Wahnwitzige ein; die letzteren unterſchei - den ſich jedoch von den erſtern nur durch ein ruhigeres Verhalten47)L. 8. §. 1. D. de tutor. et curat. dat. L. 27. §. 5. D. de recept. §. 3. 4. I. de Curat. L. 25. Cod. de nupt. S. Paul. zacchias in Quaeſtion. medico. legal. Lib. II. T. l. qu. 9. n. 3. 15. 16. Ulr. huber Digreſſion. Iuſtinian. Lib. III. cap. 18. §. 2. und beſonders Guſt. Bernh. becmann in Diſſ. de acquiſitione hereditatis dementi delatae. Goettingae 1772. §. 2. 3. 4.. Menſchen die nur einen geringen Ge - brauch ihres Verſtandes und der Vernunft haben, wer - den in Einfaͤltige, und kindiſche Perſonen ein - getheilt. Erſtere haben zwar Vernunft und Beurthei - lungskraft, allein nur im geringern Grade, als andere Menſchen, inzwiſchen haben ſie Begriffe von Gegenſtaͤn - den, die in die Sinne fallen, haben auch Begriffe vom Guten und Boͤſen, und laſſen ſich durch Strafen in Zaum halten, obwohl ſie ſelten Kennzeichen eines geuͤbten Ver - ſtandes und einer reifen Beurtheilungskraft zu erkennen geben. Kindiſche Perſonen hingegen haben nicht mehr Verſtand als Kinder, und unterſcheiden ſich von dieſen nur durch das Alter und den Gebrauch der Spra - che, haben im uͤbrigen eine ſchwache Beurtheilungskraft ſo daß ſie ſelten ihre Handlungen auf die gehoͤrige Art und Weiſe verrichten, oder vernuͤnftig handeln, deſto haͤu - figer und gewoͤhnlicher aber ſich unordentlich und ver - kehrt in ihren Handlungen beweiſen. Solche Perſonen werden daher mit den ſinnloſen in eine Claſſe geſetzt.
Unter dieſen Menſchen, die wir jetzt in Anſehung des Status integritatis in vollkommene und unvoll -kom -123de Statu Hominum. kommene eingetheilt haben, findet nun eine große Ver - ſchiedenheit der Rechte ſtatt.
I) Kranke48)Io. Henr. berger Diſſ. de privilegiis aegrotorum: in Diſ - ſertat. Select. N. XVI. ſind entſchuldiget, wenn ſie eine Vormundſchaft uͤbernehmen ſollen, auch wenn ſie einen ge - richtlichen Termin verſaͤumen; ſie bekommen auf ihr Ge - ſuch einen Curator; ſie duͤrfen ferner nicht gefoltert wer - den, in ſofern ſie durch den Gebrauch der Tortur un - vermeidlichen Lebensgefahren ausgeſetzt ſeyn wuͤrden. Sind ſolche Perſonen mit anhaltenden ſchweren Krank - heiten behaftet, ſo werden ſie zu den mitleidswuͤrdi - gen Perſonen gerechnet, die einen befreyeten Gerichts - ſtand zu genießen haben49)L. un. Cod. quando Imp. inter pupillos. .
II) Kruͤppel und gebrechliche Perſonen ha - ben ebenfalls in vielen Stuͤcken andere Rechte als ſolche Menſchen, die einen vollkommenen und wohlgebildeten Koͤrper haben50)Chriſtoph. Lud. crell Diſſ. de corporis integri robuſti et proceri privilegio. Vitemb. 1730. rec. 1746.. Denn erſtere ſind z. B. von der Lehns - folge ausgeſchloſſen51)II. F. 36. Saͤchſ. Landrecht lib. I. Art. 4. Einen Commentar uͤber dieſe letztere Stelle giebt Job. Fried, Joachim in der fortgeſetzten Sammlung vermiſchter An - merkungen des Staats - und Lehnrechts. N. VI. §. 3. ff.; koͤnnen zum geiſtlichen Stand nicht ordinirt werden52)Vid. Tit. Decret, de corpore vitiat, non ordinandis. , u. d. m. Auch haben Tau - be und Stumme, desgleichen Blinde bey Teſtamen - ten, Contracten, und in andern Faͤllen, z. B. wenn es auf Glaubwuͤrdigkeit und Tuͤchtigkeit zum Zeugnißable -gen,1241. Buch. 5. Tit. §. 117.gen, oder auf Faͤhigkeit zum Amt eines Fuͤrſprechers vor Gericht u. d. ankommt, manche beſondere Rechte, wo - von wir zu ſeiner Zeit handeln werden53)Sam. stryck Tr. de iure ſenſuum. Frfti 1701. 4. Frid. Henr. Maximil. kersten Diſſ. de viſu privatis eorumque iuribus Lipſiae 1773. Joh. Paul Kreß juriſt. Betrach - tung von dem Recht der Taub - und Stummgebohrnen. Helm - ſtaͤdt 1765. 4..
III) Raſende, wahnwitzige und kindiſche Perſonen koͤnnen keine rechtliche Geſchaͤfte und buͤr - gerliche Handlungen guͤltig unternehmen, wozu der Ge - brauch des Verſtandes erfordert wird, es waͤre denn, daß ſolches zur Zeit eines vernuͤnftigen Zwiſchenraums (dilu - cidi intervalli) geſchehe, doch muß dieſer Zwiſchenraum ſo lange anhalten, bis die ganze Handlung vollendet iſt, und vollſtaͤndig erprobet ſeyn54)L. 9. C. qui teſtam. facere poſſ. Aus dieſem Geſetz erhellet zugleich, daß die roͤmiſchen Juriſten darinn uneinig geweſen, ob eine Handlung, ſo zur Zeit des dilucidi intervalli unter - nommen wurde, guͤltig ſey? Man ſehe davon Em. meril - lius in Expoſition. in L. Deciſiones Iuſtiniani N. XII. . Nur zu einer ſolchen Zeit, ſonſt nicht, koͤnnen ſie Vertraͤge ſchlieſſen, Teſta - mente machen u. d. m. Zu oͤffentlichen Aemtern ſind ſie jedoch ſchlechterdings untuͤchtig, ob ſie gleich vernuͤnf - tige Zwiſchenraͤume haben. Solche Perſonen koͤnnen auch keine Rechte erwerben, wobey es auf eigene Willenserklaͤ - rung ankommt, z. B. keine Erbſchaft acquiriren, in ſo - fern eine Antretung hierzu erforderlich iſt55)L. 63. D. de acquir, vel omitt. hered. . Sie be - kommen ferner einen Vormund; u. d. m. Einfaͤlti - ge Perſonen hingegen koͤnnen zwar rechtliche Hand - lungen guͤltig vornehmen, wobey es eben nicht auf hellen Verſtand ankommt, z. B. einen Contract ſchließen, einTe -125de Statu Hominum. Teſtament errichten, doch iſt man geneigter die Einrede des Betrugs und der liſtigen Ueberredung gegen ihre Ge - ſchaͤfte gelten zu laſſen, als bey vollkommen vernuͤnftigen Perſonen. Curatoren duͤrfen ihnen auch nur in dem Fall beſtellet werden, wenn die Schwachheit des Verſtan - des zu einer ſolchen Stufe der Bloͤdigkeit geſtiegen, daß ſie die Verwaltung des eigenthuͤmlichen Vermoͤgens be - hindert, ſonſt nicht56)hommel Rhapſod. Quaeſtion. forens. Vol. II. Obſ. 283. Struben rechtliche Bedenken 1. Th. Bed. 138.. Vorzuͤglich wichtig iſt jedoch der Unterſchied zwiſchen voͤllig wahnſinnigen, einfaͤltigen und kindiſchen Leuten in peinlichen Faͤllen, wenn von Zu - rechnung und Beſtrafung begangener Verbrechen die Re - de iſt; die Ausfuͤhrung dieſes Puncts gehoͤrt aber nicht hierher57)Man vergleiche inzwiſchen Quiſtorp Grundſaͤtze des T. peinl. Rechts 1. Th. 2. Abſchn. 2. Kap. §. 39. boehmer in Obſervat. Select. ad Carpzovii practic. nov. rer. crim. P. III. Qu. 145. Obſ. 1. (von Reder) peinliches Recht nach den neueſten Grundſaͤtzen vollſtaͤndig abgehandelt (Offenbach am Mayn 1783.) I. Th. V. Kap. §. 7. 8. 9. Dorn Ver - ſuch eines practiſchen Commentars uͤber das peinliche Recht. 1. Band S. 72. f..
Zum Beſchluß dieſer Materie muß ich noch folgen - de Anmerkungen hinzufuͤgen.
a) Im Zweifel vermuthet man von einem jeden, daß er den voͤlligen Gebrauch des Verſtandes und der Ver - nunft habe, bis das Gegentheil erwieſen iſt58)Chriſtoph Lud. crellii Obſervationes de probatione ſanae mentis, Vitembergae 1737.. Unſinn und Wahnwitzigkeit wird daher nie praͤſumirt, ſondern muß von dem erwieſen werden, der aus dieſem Grundeauf1261. Buch. 5. Tit. §. 117.auf die Zernichtung eines rechtlichen Geſchaͤfts dringt59)L. 5. Cod. de codicill. . Ob nun gleich die Albernheit aus den Handlungen und aͤuſſerlichen Kennzeichen beurtheilt werden muß, ſo geben jedoch alberne Verordnungen eines Teſtierers nicht immer einen zureichenden Beweiß einer vermuthlichen Wahnſin - nigkeit deſſelben, indem vielmehr unſere Geſetze zu Gun - ſten der letzten Willensverordnungen ſolche vielfaͤltig fuͤr nicht geſchrieben gehalten wiſſen wollen, um das Teſta - ment bey Kraͤften zu erhalten60)Beyſpiele hiervon geben L. 45. D. de beredib. inſtit. L. 113. §. 5. D. de legat. 1. L. 40. §. 2. D. de auro arg. mund. Man vergleiche uͤbrigens Marq. freher Veriſimil. Lib. I. c. 26. in Theſ. iur. Rom. Ottoniano T. I. p. 898. und H. Prof. püttmanni Diſp. de ineptis morientium voluntatibus. Lipſiae 1774..
b) Iſt es jedoch einmal entſchieden, daß ein Menſch wirklich verruͤckt ſey, ſo vermuthet man, daß er es im - mer ſey, bis erwieſen worden, daß er Zwiſchenraͤume habe, wo er, von der Wahnwitzigkeit befreyt, ſeines Verſtandes wieder maͤchtig iſt61)Chriſt. thomasii Diſſ. de praeſumtione furoris atque de - mentiae. Halae 1719.. Hierzu iſt das Zeug - niß des Richters oder Notarius hinreichend, wenn das Geſchaͤft des Bloͤdſinnigen, von deſſen Guͤltigkeit die Frage iſt, zur Zeit eines ſolchen vernuͤnftigen Zwiſchen - raums vor ſelbigen vollzogen worden iſt. Sonſt aber wird das Zeugniß und Gutachten eines Arztes erfordert. Die - ſes muß jedoch umſtaͤndlich die koͤrperliche Beſchaffenheit, die Reden oder Handlungen enthalten, woraus der geſun - de Verſtand geſchloſſen werden ſoll62)S. Io. Zach. platneri Progr. medicos de inſanis et fu - rioſis audiendos eſſe, in schlegel Collect. opuſcul. ſelect. ad medicin. forens. ſpectant. Vol. II. N. X. . Ein Beweiß,der127de Statu Hominum. der ſich blos auf die Meinung gemeiner Zeugen gruͤndet, iſt mißlich63)H. Hofr. Claproths Rechtswiſſenſchaft von richtiger u. vorſichtiger Eingehung der Vertraͤge 1. Th. 1. Abſchn. 1. Hptſt. §. 6. S. 12. u. 13..
c) Es giebt Perſonen, welche in unſerm Rechte den Verruͤckten gleich geachtet werden. Dahin gehoͤren die - jenigen, welche fuͤr Verſchwender gerichtlich erklaͤrt worden ſind64)L. 6. D. de Verb. Obl. L. 40. D. de Reg. Iur. L. 12. §. 2. D. de tut. et curat. dat. §. 1. 2. I. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. . Dieſe Vergleichung gilt jedoch nur in Abſicht der Verwaltung der Guͤter, nicht aber in Ab - ſicht begangener Verbrechen65)Ferd. Aug. hommel Diſſ de temperandis poenis ob imbecil - litatem intellectus. Lipſiae 1755. §. XIV. . Endlich
d) zufaͤlliger Verluſt des Verſtandes beraubt nie - manden ſeines Standes oder Wuͤrde, ſo wenig als der Rechte an ſeinem ſonſtigen Vermoͤgen66)L. 20. D. h. t. ulpianus lib. 38. ad Sahinum: Qui fu - rere coepit, et ſtatum et dignitatem, in qua fuit, et magi - ſtratum et poteſtatem videtur retinere: ſicut rei ſuae domi - nium retinet. Adde L. 31. §. 4. D. de uſurp. et uſucap. . Es werden auch die von voͤllig vernuͤnftigen Perſonen guͤltig einge - gangene Rechtshandlungen dadurch nicht unguͤltig, daß ſie in der Folge ihren Verſtand verlohren haben67)§. 1. I. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. Neque teſta - mentum recte factum, neque ullum aliud negotium recte ge -ſtum. .
Die Lehre von dem Unterſchied der Perſonen in Ab - ſicht des Alters, welche der Ordnung nach eigentlich jetzt abgehandelt werden ſollte, traͤgt unſer Verfaſſer erſt im folgenden Titel vor.
Der buͤrgerliche Zuſtand im Sinn des roͤmiſchen Ci - vilrechts iſt nun dreyfach, entweder Zuſtand der Frey - heit, (ſtatus libertatis) oder des Buͤrgerrechts, (civi - tatis) oder der Familie (familiae). Von einem jeden derſelben muß jetzt beſonders gehandelt werden. Zuerſt alſo vom Zuſtande der Freyheit. In Abſicht auf die - ſen ſind die Menſchen entweder freye, oder Sclaven. (Servi) Letztere werden dlejenigen genennt, die ſich mit Recht in dem Eigenthum und der Gewalt eines Herrn befinden. Ich ſage mit Recht, denn wer mit Unrecht in die Sclaverey gerathen, und darin gehalten wird, be - findet ſich zwar in ſervitute, allein er iſt kein Servus68)Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen. Lib. I. Tit. 3. §. 64.. Was iſt nun aber Servitus? Juſtinian ſagt69)§. 2. I. de inre perſonar. : ser - vitus eſt conſtitutio iuris gentium, qua quis dominio alieno contra naturam ſubiicitur. Conſtitutio iuris gentium heißt hier, die Sclaverey iſt eine Anſtalt, die ſich bey allen geſitteten Voͤlkern findet. Eben ſo erklaͤrt es auch Cajus70)L. 1. §. 1. D. de bis, qui ſui vel al. iuris funt. . Contra naturam aber heißt nicht, ſie ſtrei - tet gegen das Naturrecht, ſondern ſie iſt keine natuͤrliche, ſondern blos zufaͤllige Qualitaͤt des Menſchen71)Man ſehe hier vorzuͤglich Ge. Steph. wiesand, oder viel - mehr Chriſt. Gottfr. meissneri Diſſ. de ortu et progreſſuſer -. Dennvon67)ſtum, poſtea furor interveniens perimit. Adde L. 20. §. 4: D. qui teſtam. fac. poſſ. 129de Statu Hominum. von Natur ſind alle Menſchen freygebohren, wie Ju - ſtinian an einem andern Orte ſeiner Inſtitutio - nen72)§. 2. I. de iure nat. gent. et civ. ſagt. Sclaverey iſt alſo der zufaͤllige, bey allen geſitteten Nationen bekannte, Zuſtand eines Men - ſchen, daß er ſich in dem Eigenthum und der Gewalt ei - nes Herrn befindet. Das Recht aber, uͤber einen Men - ſchen und deſſen Kraͤfte, als uͤber ſeine eigenthuͤmliche Sache zu ſeinem Nutzen nach Gefallen zu disponiren, heißt dominica poteſtas. Der Sclaverey wird die Freyheit entgegen geſetzt. Dieſe libertas, von welcher der Name liber homo abſtammt, iſt aber, wie Juſtinian ſagt73)§. 1. I. de iure perſonar. naturalis facultas eius, quod cuique facere libet, niſi ſi quid vi aut iure prohibetur. Freye Menſchen werden alſo diejenigen genennt, welche weder der Herr - ſchaft noch dem Eigenthum eines andern rechtmaͤßig un - terworfen ſind. Solche ſind nun entweder freygebohrne oder freygelaſſene. Im folgenden §. wird die Lehre von der roͤmiſchen Sclaverey weiter auseinander ge - ſetzt.
Bey allen Veraͤnderungen, die den Zuſtand der roͤ - miſchen Sclaverey von Zeit zu Zeit betroffen haben, bey allen Einſchraͤnkungen, die die neuere roͤmiſche Rechts -gelehr -71)ſervitutis ſecundum ius naturae et civile. Lipſiae 1762. §. X. XI. u. XII. Sonderbar iſt die Erklaͤrung des M. lycklama a nyholt Membranar. lib. IV. Eccl. 11. S. 427. wo er die Worte contra naturam erklaͤrt contra libertatem animi, und die vorhergehende Worte qua quis ſo verſtehet: qua homo corporeus. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. J1301. Buch. 5. Tit. §. 119.gelehrſamkeit der herrſchaftlichen Gewalt geſetzt hat74)Zur allgemeinen Ueberſicht aller viciſſitudinum ſervitutis ro - manae empfehle ich die ſynchroniſtiſchen Tabellen in der oben ſchon angefuͤhrten Meißneriſchen oder Wieſandſchen Diſputation., iſt es doch immer Grundſatz des roͤmiſchen Rechts geblie - ben, daß Sclaven zwar Menſchen, aber keine Per - ſonen im Staate ſind75)Ant. faber in Iurisprud. Papinianea Lib. I. Tit. 1 — 7.. Als Menſchen betrachtet, ließ man ihnen daher diejenigen Rechte angedeyen, die nach dem Naturrecht unter Menſchen ſtatt finden76)L. 32. D. de Reg. Iur. Hieruͤber hat vortreflich commen - tirt Ge. d’arnaud in Diſſ. de iure Servorum. (Leovardiae 1744. 4 ) Cap. IV. et V. . So war es z. B. nicht erlaubt, einen fremden Sclaven ohne rechtmaͤſige Urſach zu toͤdten. Hatte ihn Jemand getoͤder, und es war aus Fahrlaͤßigkeit, oder aus einem groben Verſehen geſchehen, ſo verfiel der Thaͤter in die Strafe des Aquiliſchen Geſetzes77)L. 2. pr. D. ad L. Aquil. ; hatte er ihn aber aus Vorſatz umgebracht, ſo wurde der Moͤrder eben ſo nach dem Corneliſchen Geſetz vom Todtſchlag gerichtet, als wenn er eine freye Perſon getoͤdtet haͤtte78)L. 1. §. 2. D. ad L. Cornel. de Sicar. Und zwar hatte die Strafe des Corneliſchen Geſetzes auch alsdann noch ſtatt, wenn gleich der Todſchlaͤger ſeiner Verbindlichkeit aus dem Aquiliſchen Geſetz ſchon ein Genuͤge geleiſtet hatte. L. 23. §. 9. D. ad L. Aquil. §. 11. I. eodem. . So beſtrafte ferner der Praͤtor die einem fremden Sclaven zugefuͤgte Iniurie79)L. 15. §. 35. D. de iniur. Nach dem ſtrengen Civilrecht hieß es zwar: Servis ipſis nullam fieri iniuriam, §. 3. Inſt. de iniuriis. Allein der Praͤtor hat dies geaͤndert. §. 7. I. eodem. . Bey den Sclaven-Ehen kamnicht131de Statu Hominum. nicht minder, wie bey Buͤrger-Ehen, Blutsfreundſchaft und Schwaͤgerſchaft in Betracht80)L. 14. §. 2. et 3. D. de ritu nuptiar. . Auch das Zeug - niß eines Sclaven war zulaͤßig, wenn es an andern Be - weißmitteln mangelte81)L. 7. D. de teſtibus. , nur daß die Tortur bey Sclavenzeugniſſen die Stelle des Eides vertreten muß - te82)L. 9. D. de quaeſtionib. Man ſehe nach Ger. noodt Pro - babil. iuris civ. Lib. I. cap. XIII. §. 15.. Indeß konnte man doch dem Sclaven den Eid deferiren, und ſchwur derſelbe, daß ſein Herr nichts ſchuldig ſey, ſo konnte ſich hernach der Herr mit der Einrede des Eides ſchuͤtzen83)L. 23. L. 25. D. de iureiur. . Sclaven wurden auch aus ihren Vergehungen obligirt84)L. 14. D. de obligat. et action. , ja ſie wurden ſogar, wenn gleich nur naturaliter, d. i. nach dem Na - turrecht, verpflichtet, wenn ſie einen Contract mit Je - mand geſchloßen85)L. 14. D. cit. . Daher konnten ſich nicht nur an - dere vor eine ſolche Schuld guͤltig verbuͤrgen86)L. 13. D. de condict. indeb. §. 1. I. de fideiuſſ. , ſondern hatte auch jemand vor den Sclaven bezahlt, oder hatte der Sclave nach der Manumißion ſelbſt bezahlt, was er ſchuldig war, ſo hatte keine Zuruͤckforderung ſtatt87)L. 13. D. cit. Nur gegen den Sclaven ſelbſt fand keine Klage ſtatt, auch nicht einmal nach der Manumißion, wenn die Schuld in der Sclaverey gewuͤrkt worden. paulus Re - cept. Sentent. lib. II. tit. XIII. §. 9..
Nur keine buͤrgerlichen Rechte geſtattete man den Sclaven im Staate. Quod attinet ad ius civile, ſagtJ 2Ulpi -1321. Buch. 5. Tit. §. 119.Ulpian88)L. 32. D. de Reg. Iur. , ſervi pro nullis habentur. Sie konnten da - her keine oͤffentlichen Aemter bekleiden89)Hatte ein Sclave durch Irrthum oder Betrug, wie jener Fluͤchtling Barbarius Philippus beym Ulpian in L. 3. de off. Praetor. ein oͤffentliches Amt erſchlichen, ſo aͤn - derte dies ſeinen Zuſtand nicht, L. 11. C. de lib. cauſ. ob - gleich deſſen Handlungen, die er waͤhrend ſeines Amts unter oͤffentlicher Auctoritaͤt verrichtet, um des gemeinen Beſtens willen, nicht reſcindirt wurden, L. 3. cit. L. 2. C. de ſen - tent ct interlocut omnium Iud. Man vergleiche Auguſt. cam - piani de officio et poteſtate Magiſtratuum Rom. et iurisdi - ctione (Auguſtae Taurinor 1724. 4. ) pag. 225 — 231., aus ihren Con - tracten hatte keine buͤrgerliche Klage ſtatt, weder ſie ſelbſt konnten klagen, noch von andern vor Gericht belangt werden. Kurz, in Abſicht auf den Staat waren ſie keine Perſonen, weil ſie kein buͤrgerliches Leben (caput) hatten, welches die Roͤmer in dem Genuß der Rechte der Freyheit, der Buͤr - gerrechte, und der Familienrechte ſetzten. Sie waren al - ſo gleichſam buͤrgerlich tod90)L. 209. D. de Reg Iur. . Man betrachtete ſie in dieſer Ruͤckſicht nur als Sachen, die zum Nutzen und Gebrauch der Menſchen waͤren. Der Sclave hatte daher kein Eigenthum, ſetzte ihn jemand zum Erben ein, ſo gehoͤrte die Erbſchaft dem Herrn. Er hatte eben deswe - gen auch kein ius teſtamentifactionis, war im Commerz, ſein Herr konnte ihn verkaufen, einem andern in Teſta - ment vermachen, verſchenken, verpfaͤnden u. d.91)S. Laur. pignorius Comm. de Servis et eorum apud veteres miniſteriis. Amſtelod. 1674.. Je - doch darf der Unterſchied zwiſchen oͤffentlichen Scla - ven (Servi publici populi Romani) die zum Eigen - thum des geſammten Staats gehoͤrten, und privat Sclaven nicht aus der Acht gelaſſen werden92)D’ arnaud cit. Diſſertat. cap. XIV. . Oef -fent -133de Statu Hominum. fentliche Knechte des roͤmiſchen Staats konnten ein eige - nes Vermoͤgen erwerben, und waren Teſtamentsfaͤhig; ſie konnten wenigſtens uͤberdie Haͤlfte desjenigen, ſo ſie be - ſaßen, einen letzten Willen errichten93)ulpianus in Fragm. Tit. XX. §. 16. Servus publicus po - puli Romani parte dimidia teſtamenti faciendi ius habet. . Allein dieſes fiel bey privat Sclaven weg. Nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte hatte der Herr ſogar das Recht uͤber Leben und Tod des Sclaven94)D’ arnaud c. Diſſ. cap. VI. ; allein der Mißbrauch grauſamer Herren verurſachte, daß man es unter den Kaiſern ab - ſchafte. Lex Petronia vom Jahr der Erb. Roms 737. fuͤr deren Urheber man den Tribun L. petronius haͤlt95)D’ arnaud cap. VII. , verbot zuerſt, ſeine Sclaven nach eigenem Gefallen zum Thiergefechte zu beſtimmen96)L. 11. §. 1. 2. D. ad L. Cornel. de Sicar. Man ſehe Herm. noordkerk Specim. lectionum ſ. Disquifitio de lege Petronia. Amſtelodami 1731. 8.. Zadrian unterſagte hierauf den Herren die Toͤdtung ihrer Sclaven gaͤnzlich; haͤtte ein Sclave das Leben verwuͤrkt, ſo ſollte ihm der Richter das Todes-Urtheil ſprechen97)spartian. in vita Hadriani c. 18.. Antonin der Fromme verordnete auch, daß ein Herr, der ohne Urſach ſeinen Sclaven umgebracht, eben ſo beſtraft werden ſollte, als wenn jemand einen fremden Sclaven getoͤdet haͤtte. Nicht weniger ſollte ein Herr, der ſeinen Sclaven koͤrper - lich mißhandelt, gezwungen werden ihn zu verkaufen98)L. 1. §. 2. L. 2. D. de bis, qui ſui vel alien. iuris ſuas. §. 2. I. eodem. . Dahingegen waren aber auch Sclaven verbunden, ſelbſt mit Aufopferung ihres eigenen Lebens, den Herrn zu ver - theidigen99)L. 1. §. 28. D. de SCto Silaniano. . Sclaven, welche davon liefen, wenn ihrJ 3Herr1341. Buch. 5. Tit. §. 119.Herr angefallen wurde, da ſie ihn haͤtten helfen koͤnnen, wurden am Leben geſtraft100)paulus Sentent. Recept. lib. III. Tit. V. §. 8. L. 3. §. 4. D. de SCto Silan. Man vergleiche hierbey Weſtphal Theorie des R. R. von Teſtamenten. §. 1241. und folgg. S. 886. ff..
Man wurde uͤbrigens Sclave durch die Geburt von einer ſclaviſchen Mutter, durch Gefangenſchaft im Krie - ge, oder zur Strafe1)§. 3. I. de iure perſonar. . Dahin gehoͤrte, wenn ein freyer Menſch, uͤber zwanzig Jahre alt, ſich hatte als Sclaven verkaufen laſſen, um den Kaͤufer zu betruͤgen2)G. d’ arnaud Diſſ. de his, qui pretii participandi cauſa ſe - ſe venumdari patiuntur. Sie iſt der oben Not. 76. angefuͤhr - ten Differtat. beygefuͤgt S. 84 — 128., — wenn eine freye Weibsperſon nicht von einem fremden Scla - ven ablaſſen wollte, nachdem ihr der Herr dieſes Scla - vens dreymal dieſen Umgang unterſagt hatte, vermoͤge ei - nes gewiſſen Claudianiſchen Rathſchluſſes3)Eine vollſtaͤndige Erlaͤuterung dieſes Claudianiſchen Rath - ſchluſſes geben d’ arnaud in var. coniectur. iuris civ. lib. I. cap. XX. p. 135 — 146. und Andr. Guil. cramer in Diſſ. de SCto Claudiano ad Taciti Annal. XII. 53. praeſide Adolph. Frid. trendelenburg habita Kiliae Holſator. 1782., welches je - doch Juſtinian wieder aufhob4)§. 1. I. de ſucceſſionih. ſublat. quae fiebant per bonor. ven - dition. et ex SCto Claudiano. Siehe auch mercerius Opi - nion. lib. I. c. 9.; — wenn ein Freyge - laſſener ſich undankbar gegen ſeinen Patron betrug5)S. Iac. Henr. born Diſſ. de poenis ingratorum libertorum apud Romanos. Lipſiae 1738., — wenn ein roͤmiſcher Buͤrger eines peinlichen Verbrechens wegen am Leben geſtraft werden ſollte. Im letztern Fal - le mußte man den Delinquenten zuvor fuͤr einen Scla -ven135de Statu Hominum. ven erklaͤren, und dieſe Art der Sclaverey hieß Servitus poenae6)§. 3. I. quib. mod. ius pat. poteſt. ſolvitur. Von dieſer Servitus poenae handelt ſehr ausfuͤhrlich Hr. G.J.R. Walch in Diſſ. de donatione capite damnati. Ienae 1766. §. 2. Man vergleiche auch noodt Probabil. Lib. III. cap. 12.. Eine Folge derſelben war die Confiscation der Guͤter. Juſtinian hat ſie jedoch voͤllig aufgehoben7)Nov. XXII. cap. 8..
Die Lehre von der Freylaſſung der Sclaven, folgt erſt in 40. Buch der Pandecten nach.
Auch in unſern Teutſchland iſt die Eintheilung der Menſchen in freye, liberos, und unfreye, ſervos, ſchon von den aͤlteſten Zeiten her uͤblich geweſen8)S. Chriſt. thomasii Diſſ. de hominibus propriis et liberis germanorum. Halae 1701. Ebendeſſelben Diſſert. de uſu practico diſtinctionis hominum in liberos et ſervos. Halae 1711.. Zu den letztern zaͤhlte man vorzuͤglich die Leibeigenen. Der Ur - ſprung derſelben iſt nicht von den ehemaligen roͤmiſchen Sclaven herzuleiten9)Iuſt. Henn. boehmer Tr. de iure et ſtatu hominum proprio - rum a Servis germaniae non Romanis derivando, et de uſu huius doctrinae. Halae 1754. 4.. Denn ſchon tacitus10)De moribus Germanor. cap. 25. Servis, non in noſtrum mo - rem deſcriptis per familiam miniſteriis, utuntur. Suam quis - que ſedem, ſuos penates regit. Frumenti modum dominus, aut pecoris, aut veſtis, ut colono, iniungit: et ſervus hacte - nus paret. Caetera domus officia uxor ac liberi exſequuntur. lehrt uns einen zweyfachen Unterſchied der alten roͤmiſchen und teutſchen Knechte. Erſtens; die alten teutſchen KnechteJ 4wur -1361. Buch. 5. Tit. §. 120.wurden nicht ſo, wie bey den Roͤmern, zu gewiſſen be - ſtimmten haͤuslichen Geſchaͤften gebraucht, ſondern ein jeder hatte ſeine eigene Wohnung, und ſtand nur ſeinem Hausweſen vor. Zweytens; dem Leibherrn mußten ſie von den ihnen anvertraueten Aeckern und Grundſtuͤcken gewiſſe beſtimmte Abgaben an Getraide oder Vieh ent - richten, das uͤbrige aber, und was ſie ſonſt durch ihren Fleiß erwarben, war ihr Eigenthum. Roͤmiſche Scla - ven hingegen hatten kein Eigenthum. Darinn haben jedoch die Leibeignen der Teutſchen mit den Sclaven der Roͤmer eine Aehnlichkeit, daß ſie fuͤr ihre Perſon im Eigenthum ihres Herrn ſich befinden, und daher von dem - ſelben veraͤuſſert werden koͤnnen, und zwar an einigen Orten nur mit den Hoͤfen, worauf ſie geſetzt ſind, an andern aber auch ohne das Gut. Sie muͤſſen ferner fuͤr ihre Perſon dem Leibherrn gewiſſe Dienſte und Zin - ſen leiſten. Uebigens iſt ihr Zuſtand nach der Verſchie - denheit der Provinzen und Orte in Teutſchland ſehr ver - ſchieden; in einigen haͤrter, in andern aber ertraͤglicher. Da dieſe Materie eigentlich in das teutſche Recht gehoͤrt, ſo will ich nur einige wenige Grundſaͤtze hiervon vortra - gen, die als ganz allgemeine Wahrheiten gelten koͤn - nen11)Man vergleiche uͤbrigens Io. Nic. hert Diſſ. de hominibus propriis, in Opuſc. T. I. Vol. II. pag. 108. ſqq. Ioach. pot - giesseri Commentar. iuris germ. de ſtatu ſervorum veteri pe - rinde atque novo. Lemgoviae 1736. 4. (Joh. Chriſt. Palm) Entwurf des Leibeigenthumsrechts. Hannover 1746. 4. Struben Bedenken IV. Th. N. 15. Cramer Neben - ſtunden Th. CII. n. VI. und Th. CXVII. n. 9. Eſtors klei - ne Schriften V. St. N. 5. de balthasar de hominibus pro - priis eorumque origine natura, et iure in Pomeran. et Rug. Greifswald. 1779. Weſtphal teutſches Privatrecht. I. Th. 32.. Dahin gehoͤrt
I) daß137de Statu Hominum.I) daß ein Leibeigener ſeinen Hof, wo - rauf er geſetzt iſt, nur ſo lange, als es dem Gutsherrn gefaͤllig iſt, beſitze, und er, wenn dieſer ihm den Hof wieder abzunehmen, und ihn auf einen andern zu ſetzen, oder wohl gar zu andern Geſchaͤften zu beſtimmen, vor gut findet, hierunter ohne Wiederrede ge - horſamen muͤſſe. Denn Leibeigene ſind bloße Wir - the der ihnen eingeraͤumten Hoͤfe, das Eigenthum gehoͤrt der Gutsherrſchaft. Dieſe muß alſo auch berechtiget ſeyn, ihnen den Hof nach ihrem Gefallen aufzuſagen. Der Leibeigne aber iſt verbunden, dasjenige Fach, wozu ihn der Gutsherr beſtimmt hat, ſchlechterdings zu uͤber - nehmen.
II) Leibeigene ſind nicht befugt, den ein - mal in Beſitz habenden Hof dem Herrn wi - der deſſen Willen aufzuſagen, ſondern muͤſ - ſen in dem ſelben ſo lange, als es der Herr verlangt, verbleiben. Dies ſetzt jedoch voraus, daß das Gut von ſolcher Beſchaffenheit ſey, daß der Be - ſitzer deſſelben darauf, wo nicht einen reichlichen, doch wenigſtens nothduͤrftigen Unterhalt, vor ſich und die Sei - nigen finde. Fluͤchtlinge kann der Herr, wo er ſie fin - det, reclamiren, welches Recht das Beſatzungsrecht, oder die Abforderung und Abfolgung der Leibeignen ge - nennt wird12)mevii Bedenken von Zuſtand und Abforderung der Bauers - leute. Stralſund 1653. 4..
J 5III)11)32. Abhandl. S. 337. f. und Hrn. von Benekendorfs Oeconomia forenſis Tom. V. 8. Hauptſtuͤck, §. 196. ff.
1381. Buch. 5. Tit. §. 120.III) Auch die Kinder der Leibeigenen duͤrfen ohne ausdruͤckliche Einwilligung der Herrſchaft, keine andere Lebensart, als diejenige, worinn ſie gebohren wer - den, erwaͤhlen, und koͤnnen ſich daher unter dieſem Vorwande der Unterthaͤnigkeit nicht entziehen. Haben ſie ſich wider der Herr - ſchaft Willen zu einer Profeßion begeben, ſo hat es kei - nen Zweifel, daß ſie als Fluͤchtlinge abgefordert werden koͤnnen. Haͤtte ſich aber ein Unterthan ohne ausdruͤckli - che Einwilligung des Gutsherrn dem Studiren gewidmet, ſo kann zwar derſelbe, wenn er die Studien bereits ab - ſolviret haben ſollte, wegen des Vorrechts der hoͤhern Wiſſenſchaften, davon nicht zuruͤckgenommen werden; in - zwiſchen liegt ihm doch allerdings ob, dem Herrn, wenn ſolcher nach der Strenge mit ihm verfahren will, vor ſeine Freylaſſung ein billiges Loßgeld zu erlegen. Denn daß der Leibeigne auch hierdurch das dem Leibherrn auf ſeine Perſon zuſtehende unwiderſprechliche Eigenthums - recht wider deſſelben Willen nicht benehmen koͤnne, wird mir jeder zugeben.
IV) Kein Leibeigener Unterthan, er ſey maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts darf ſich ohne Vorbewußt und Einwilli - gung der Gutsherrſchaft verheyrathen. Fuͤr dieſen Conſeus muß er ein Stuͤck Geld bezahlen, welches Bedemund, Frauenzins, Klauenthaler, ma - ritagium, marchetta13)Die Etymologie dieſer Woͤrter unterſucht Io. Guil. hoff - mann Obſervation iuris germ. Lib. I. cap. VII. S. 81. u. folg. Man vergleiche auch grupen in uxore Theodisca cap. I. , genennt wird. Solche Ehen ha - ben die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen, und geben demleib -139de Statu Hominum. leibeigenen Ehemann die Rechte der vaͤterlichen Gewalt uͤber ſeine Kinder. Jedoch darf er die Kinder wider des Gutsherrn Willen nicht zu einer Lebensart beſtimmen und erziehen, wodurch dem Herrn an ſeinen Rechten geſcha - det wird. Es ſind auch die Eltern diejenigen Kinder, deren ſie nicht ſelbſt zu ihren eigenen Dienſten beduͤrfen, der Herrſchaft auf derſelben Verlangen vorzuͤglich in Dienſt zu geben gehalten.
V) Leibeigene koͤnnen zu Erfuͤllung ih - rer Schuldigkeit, welche in Verrichtung der Leibdienſte, und Entrichtung des Leib - zinſes beſtehen, durch angemeſſene Zuͤchti - gungen genoͤthiget werden, welches man den Dienſtzwang nennt. Eine wahre buͤrgerliche oder Cri - minalgerichtsbarkeit ſtehet jedoch deshalb der Herrſchaft uͤber ihre Leibeigene nicht zu, in ſofern ſie ihr nicht be - ſonders verliehen worden iſt. Uebrigens haben die Leib - eigne im Zweifel ungemeſſene Dienſte zu lei - ſten14)boehmer D. de iure et ſtatu hominum propriorum Sect. III. §. 13. stryck Uſ. Mod. Pandectar. tit. de operis libertor. mevius P. IV. Dec. 131.. Jedoch koͤnnen allerdings Einſchraͤnkungen ſtatt finden. Haͤufig ſind die Leibdienſte durch ausdruͤckliche Geſetze, oder durch Gewohnheitsrechte, oder durch Ver - traͤge beſtimmt.
VI) Aus der Verlaſſenſchaft des ver - ſtorbenen Leibeigenen gebuͤhrt dem Leib - herrn das mortuarium, welches man im Teutſchen das Hauptrecht, Trauerrecht, Weidmal, Erbrecht, die todte Hand, Baulebung, den Sterbe-Fall u. ſ. f. nennt1401. Buch. 5. Tit. §. 120.nennt15)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſſ. de iure mortuario, in bonis defuncti hominis proprii, eius domino competente, vulgo Haupt Recht, Haupt-Fall. Tübingae 1685. in Diſſertat. acade - micar. Vol. II. N. LIX. p. 577 — 664. Carl Gottlieb Knorrens kurze Nachricht von dem Urſprung und Beſchaf - fenheit des Erbrechts, oder Hauptfalls, auch Unterſuchung der Urſach, warum dieſes Recht tode Hand benennet wor - den ſey? in Deſſelben rechtlichen Anmerkungen (Halle 1752. 8.) N. XXII. Weſtphal teutſches Privatrecht I. Th. 38. Abhandlung. S. 421. und Otto Ludw. von Eich - mann Sammlung kleiner Abhandlungen aus der Rechtsge - lehrſamkeit ꝛc. (Halle 1782. 8.) N. XIII. . Was und wie viel aber der Herr bekommt, iſt nicht uͤberall gleich. An einigen Orten beſtehet dieſer Todtenzoll in der Haͤlfte, dem dritten oder vierten Theil der Erbſchaft. An andern Orten hat der Herr das Recht, eine einzelne Sache, und zwar die beſte von der Art, aus dem Nachlaß des Leibeignen zu verlangen; an ſolchen Orten wird alsdann dieſe Abgabe Budtheil oder Beſt - theil, und wenn die einzelne Sache entweder das beſte Pferd, der beſte Ochſe, oder unter dem ſonſt vorhande - nen vierfuͤßigen Vieh das beſte Stuͤck iſt, Beſthaupt, wenn ſie aber das beſte Kleid iſt, Gewandfall genennt.
Soviel uͤbrigens die gewoͤhnlichſten Entſtehungs - arten der Leibeigenſchaft anbetrift, ſo ſind deren vor - zuͤglich drey, Heyrath, Geburt und freywillige Ergebung oder Addiction. Alſo
a) wenn eine vorhin freye Weibsper - ſon einen leibeigenen Mann heyrathet, ſo wird ſie hierdurch nach der Regel, vermoͤge welcher das Weib den Stand des Mannes annimmt, ebenfalls in die Leibeigenſchaftgezo -141de Statu Hominum. gezogen. Denn die Leibeigenſchaft haftet eigentlich auf dem Mann, und nach den Verbindlichkeiten, die demſelben gegen die Herrſchaft obliegen, muß auch die Verpflichtung, worinn deſſen ganze Familie in Anſehung des Gutsherrn ſtehet, beurtheilet werden. An einigen Orten wird jedoch auch eine freye Mannsperſon dadurch leibeigen, wenn ſie wiſſentlich eine leibeigne Weibsperſon heyrathet. Daher die Spruͤchwoͤrter entſtanden ſind: trittſt du mein Huhn, wirſt du mein Hahn, oder die unfreye Hand zieht die freye nach ſich.
b) Wenn Kinder von leibeigenen Eltern ſind erzeugt worden, ſo werden ſie durch die Geburt leibeigen, und zwar folgen die ehe - lichen Kinder dem Vater, die unehelichen aber der Mutter, nach der Regel: partus ſequitur ventrem.
c) Wenn ein vorhin freyer Menſch ſich freywillig in die Leibeigenſchaft begiebt, ſo kann ſolches auf zweyer - ley Art geſchehen: 1) ausdruͤcklich durch einen Er - gebebrief; 2) ſtillſchweigend, wenn er ſich an einen ſolchen Orte, wo die Luft eigen macht, nie - dergelaſſen, und daſelbſt Jahr und Tag gewohnt hat16)Ferd. Aug. hommel Diſſ de ſervitutis per pactum conſti - tutione. Lipſiae 1736. Io. Phil. carrach Diſſ. de addictio - ne in ſervitutem ſpontanea. Halae 1753.. Die bloſe Annehmung eines der Leibeigenſchaft unterwor - fenen Hofes iſt wenigſtens nicht uͤberall als eine ſtill - ſchweigende Ergebung in die Leibeigenſchaft anzuſehen, wenn nicht entweder beſondere Geſetze, oder der Gutsherr ſelbſt bey Annehmung des Guts es zur Bedingung ge - macht, daß der Annehmer ſich der Leibeigenſchaft unter -wer -1421. Buch. 5. Tit. §. 120.werfe17)Hr. von Benekendorf in Oeconomia forenſi a. a. O. §. 415. u. 416.. Daß uͤbrigens die vor der Ergebung erzeugte Kinder durch die Addiction des Vaters den Stand ihrer Freyheit nicht verlieren, hat ſchon Mevius18)in Deciſion. Part. VI. deciſ. 335. gruͤnd - lich ausgefuͤhrt. Sollen dieſe ebenfalls als Leibeigene angeſehen werden koͤnnen, ſo wird ſchlechterdings erfor - dert, daß ſie in das Vornehmen ihres Vaters ihre Einwilligung gegeben haben, und auch dieſe Ein - willigung kann nur alsdann von Wirkung ſeyn, wenn ſie zu der Zeit, da der Vater ſich ergeben hat, ſchon ihre Volljaͤhrigkeit erreicht haben.
Denen Leibeigenen werden nun die Freyen entge - gen geſetzt, welche unſere Vorfahren in Freygebohr - ne, ingenuos, und Mittelfreye, libertinos, eintheil - ten. Nur diejenigen werden im teutſchen Rechte Frey - gebohrne genennt, welche nicht nur von freyen Eltern in rechtmaͤſiger Ehe erzeugt worden ſind, ſondern deren Großeltern von vaͤterlicher und muͤtterlicher Seite auch ſchon eine freye Geburt gehabt haben19)von selchow lib. fing. de iuribus ex ſtatu ingenuorum in Germania pendentibus Cap. I. Ge. Lud. roehmer Progr. de ingenuorum natalium probatione. Goettingae 1761. und Eben - derſelbe in Diſſ. de impari matrimonio ex iure liberorum ex eo natorum circa ſucceſſ. feudal. §. VI. ff.. Von dieſen ſagt man, daß ſie unbeſcholten an ihrer Geburt waͤren, und nannte ſie, weil uͤber eine ſolche freye Geburt nichts ging, Hoͤchſtfreye20)Ius Provinc. Alemannieum cap. 49. Ingenuus, das ſpricht in Latein der Hoͤchſtfrey, und libertinus, Mittelfrey. Wel -. Dieſe waren entweder nohiles,Ade -143de Statu Hominum. Adeliche im alten Verſtande, von welchen der heutige hohe Adel in Teutſchland abſtammt; oder ingenui militares, Ritterbuͤrtige, von denen der Urſprung des heutigen niedern Adels ſich herſchreibt; oder miniſte - riales, welche in nicht militaͤriſchen Dienſten ſtanden; oder ingenui in ſpecie ſic dicti, zu welchen die freyen Buͤr - ger und freyen Bauern gehoͤrten21)von selchow in der angefuͤhrten Schrift Cap. I. §. 6 — 19. und §. 20 — 24. Ebenderſelbe auch in Element. iuris germ. §. 228. Von den Rechten der Freygebohrnen in Teutſch - land handelt auſſer Hr. von Selchow, auch ſehr ausfuͤhr - lich Hr. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤr - gerlichen Rechts 2. Th. S. 320 — 330.. Mittelfreye hin - gegen wurden diejenigen genennt, welche entweder ſelbſt erſt aus der Leibeigenſchaft auf rechtmaͤſige Art ſind ent - laſſen worden, oder deren Eltern oder Großeltern, ent - weder beyder, oder wenigſtens einer Seits, die Freylaſ - ſung erhalten haben22)boehmer in der angefuͤhrten Diſſertat. §. VII. und Ge. Frid. wache in Diſſ. de voce Mittelfreyen. Halae 1763. Adde gebaueri Commentat. de libertinitate veterum Germ. Goettingae 1759.. Dieſe haben nun entweder ei - ne vollkommene Freyheit durch die Manumißion erhal - ten, oder eine unvollkommene Freyheit, wie die meiſten Bauern in Teutſchland haben23)Iuſt. Henn. boehmeri Diſſert. de libertate imperfecta ruſti - corum in Germania. Halae 1733. rec. 1739..
§. 121.20)Welcher Mann von ſeinen vier Ahnen, das iſt, von ſeinen alten zweyen Muͤttern, und zweyen Altervaͤtern, und von Vater und Mutter unbeſcholten iſt an ſeinem Recht, den kann Niemand geſchelten an ſeiner Geburt, er habe denn ſein Recht verwirkt.
Weder mit roͤmiſchen Sclaven, noch teutſchen Leib - eigenen iſt des heutige Miethgeſinde zu verwechſeln. Denn unſere Bediente, Maͤgde, Gutſcher, Koͤchinnen u. ſ. f. ſind freye Leute, die ihre Dienſte einer Herrſchaft ver - miethen, und von derſelben Lohn und Koſt erhalten24)Man pflegt ſie zwar auch Domeſtiquen, Hausge - noſſen, Hausleute zu nennen; doch darf damit der roͤmiſche Begriff von domeſticis nicht confundirt werden. domesticos nannten die Roͤmer alle diejenigen, welche zu dem Hauſe eines Paterfamilias gerechnet wurden, und in dieſer Ruͤckſicht auf irgend eine Art mit demſelben in Verbin, dung ſtanden. Man rechnete daher zu denſelben nicht nur alle Arten von Knechten, Dienſtboten, die Freygelaſſenen, und Clienten; ſondern auch den Hausvater ſelbſt, Hausſoͤhne und Toͤchter, Schweſtern und Bruͤder; und auch die Hausfrau, wegen der Herrſchaft ihres Ehemannes uͤber ſie. S. Ian. langlaeus in Semeſtr. Lib. III. c. 2. Der Unterſchied iſt beſonders beym Hausdiebſtahl von Wichtigkeit. S. gün - ther Diſſ. de furto domeſtico. Lipſiae 1785.. Ihre Rechte und Verbindlichkeiten ſind lediglich aus dem Mieth-Contract herzuleiten, den ſie mit ihrer Herrſchaft geſchloſſen haben25)Die beſte und ausfuͤhrlichſte Schrift hiervon iſt Io. Volk. Bechmann Diſp. de iure famulorum hodierno, quatenus veteri Servorum iuri convenit, aut ab eo diſcrepat. Ienae 1672. Die uͤbrigen Schriften als Io. Th. schefferi Diſſ. de iure famulorum, stryck, und harpprecht Diſſ. de iuribus domeſticorum ſind ſeicht.. Sie ſind ſchuldig, bey Leiſtung der Dienſte die gehoͤrige Vorſichtigkeit zu beobachten, thun ſie aus Mangel derſelben Schaden, ſo muͤſſen ſie ſolchen erſetzen. Die Herrſchaft kann auch verlangen, daß ſie die Miethzeit aushalten muͤſſen, und iſt berech -tiget,145de Statu Hominum. tiget, ſie zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten. Ob aber der Herrſchaft auch das Recht zuſtehe, das Geſinde begange - ner Vergehungen, oder ſeiner Halsſtarrigkeit wegen, zu zuͤchtigen? wird von einigen verneinet26)stryck in Uſu Mod. Pandectar. h. t. §. 12. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 2. Th. S. 356., von den mei - ſten aber beiahet27)Bechmann in der angef. Schrift Cap. IV. §. 51. schef - fer cit. Diſſert. Cap. III. §. 3. leyser in Meditat. ad Pan - dect. Vol. I. Spec. XVI. med. 4. müller ad Leyſerum Obſ. 86. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 70. S. 85. der dritten Auflage u. a. m.. Aus der Natur des Mieth-Con - tracts laͤßt ſich freylich kein Zuͤchtigungsrecht herleiten, auch keine Geſetze ſprechen fuͤr die Herrſchaft28)L. un. C. de emendat. ſervor. gehoͤrt ſo wenig als L. un. C. de emendat. propinquor. hierher, denn erſteres Geſetz redet von Sclaven, letzteres von minderjaͤhrigen Verwandten, wel - che unartig ſich betragen. L. 13. §. 4. D. locati aber erlaubt nur einen Lehrmeiſter den ihm anvertrauten Lehrpur - ſchen durch vernuͤnftige Zuͤchtigung zum Fleiß, Aufmerkſam - keit und Ordnung anzuhalten; redet alſo auch nicht vom Mieth - geſinde.. Da inzwiſchen bey manchen rohen Leuten der Endzweck des Mieth-Contracts unmoͤglich zu erreichen waͤre, wenn alle Uebertretungen der Befehle des Herrn nur die Richter ahnden duͤrften, ſo erlaubt man heutiges Tages der Herr - ſchaft eine maͤßige Zuͤchtigung29)mevius ad Ius Lubecanſe P. III. Tit. VIII. Art. 10. n. 13. 15. Glafey Vernunft - und Voͤlkerrecht S. 920. Struben rechtliche Bedenken. III. Theil, Bed. 39. S. 153.. Sollte jedoch dieſel - be ihr Geſinde ohne Urſach mißhandeln, ſo hat es keinen Zweifel, daß auch Bediente zur Anſtellung der Inju -rien -Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. K1461. Buch. 5. Tit. §. 122.rien-Klage wider ihre Herrſchaft zuzulaſſen, und ihnen alle rechtliche Genugthuung angedeyen muͤſſe30)leyser Meditat. ad Pandect. Vol. VIII. Spec. 546. med. 13. 14. Traugott thomasius in Diſſ. an ſervi et ancillae actionem iniuriarum habeant? Quiſtorp Gundſaͤtze des peinl. Rechts I. Th. §. 309..
Ein Mittelding zwiſchen vollkommen freyen Leuten und Leibeigenen ſind, wenigſtens in der Regel, die heu - tigen gemeinen Bauern in Teutſchland31)S. Io. Ioach. storren Diſp. de iuribus ruſticorum Lugd. Batav. 1707. Io. Wilh. goebel de iure et iudicio ruſticorum fori germ. Helmſt. 1742. von Beneckendorf Oecono - mia Forenſis. Tom. V. 8. Hauptſt. 2. Abſchn. §. 233. ff. und 5. u. 6. Abſchnitt.. Sie kommen großentheils von den ehemals freygelaſſenen Leibeigenen un - ſerer Vorfahren her; dies iſt wenigſtens die Meinung der mehreſten teutſchen Rechtslehrer32)Ioach. Iac. reineccius in Commentat. de ruſtico quondam ſervo. Ienae 1745. I H. boehmer de imperfecta libertate ruſticor. in Germ. estor de praeſumtione contra ruſticos in cauſis operarum. pertsch de diviſione operarum in deter - min et indeterminatas. engau in Iur. Germ. lib. I. Tit. 4. eisenhart in Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. Tit. 6. §. 3. u. a. m., und wenn gleich ric - cius33)in Spicilegio iuris germanici Lib. I. Tit. 4. §. 56. pag. 134. et ſeqq. , mit verſchiedenen andern beruͤhmten Rechts -gelehr -147de Statu Hominum. gelehrten34)grupen Diſceptat. Forenſ. in Obſervat. von Dienſten. de senckenberg de conditione ſervorum in Semeſtrib Gieſſenſ. hauschild de praeſumtione pro libertate naturali ruſticor. und Ant. Lud. seip Diſſ. de ſtatu ruſticorum ex medii aevi rationibus caute diiudieando. Goettingae 1749., hieran zweifeln wollen, ſo beweiſen doch deren Gruͤnde nur ſo viel, daß nicht alle unſere Bauern von ehemaligen Leibeigenen abſtammen, welches ihnen auch niemand heutiges Tages abſtreiten wird35)Man ſehe hierbey vorzuͤglich nach Hrn. D. Schroͤters Abhandlung von der ehemaligen Knechtſchaft der Bauern in Teutſchland, in den Erlangiſchen gelehrten Anzei - gen auf das Jahr 1752. Nr. XXXXV. et XXXXVI. S. 353 — 368. In dieſer Schrift ſind die Zweifel des ric - cius gegen die gemeine Meinung gruͤndlich erwogen und ge - hoben worden.. Es kommt nun darauf an, wer eigentlich ein Bauer zu nen - nen ſey? Wolff Friedrich Schroͤdter36)in Diſp. de notione ruſticorum Germaniae. Goettingae 1743. hat hier - von eine eigene Disputation geſchrieben, worinn er §. IX. die Bauern folgendermaßen beſchreibt: ſunt illi homines, qui in rure vivunt, ruraque colunt. Allein ſchon Hr. Prof. Weſtphal37)im teutſchen und reichsſtaͤndiſchen Privatrecht 1. Th. 26. Ab - handlung S. 241. u. ff. hat dagegen erinnert, daß der Bauer - Knecht, der Dorf-Edelmann, Land-Paͤchter, Prieſter und vielerley andere Leute dadurch zu Bauern gemacht wuͤrden, die doch keine ſind. Dieſer gruͤndliche Rechts - gelehrte behauptet vielmehr, daß lediglich der Beſitz eines Bauergutes, oder der Bauerlaͤnderey, den Bauer mache, alſo eigentlich derjenige ein Bauer zu nennen ſey, der ein Bauergut, oder Bauerlaͤnderey beſitzt38)Man unterſcheide alſo einen Bauer von einem ſolchen, der zwar auf dem Lande wohnt, aber doch eigentlich keinBauer. K 2Es1481. Buch. 5. Tit. §. 122.Es kommt nicht darauf an, wie viel es ſey, obgleich der, ſo zwey oder vier Pferde halten kann, im vorneh - mern Verſtande Bauer heißt. Was iſt aber ein Bauergut, Bauerlaͤnderey? Das iſt ein ſolches Gut oder Land, ſo zum Ackerbau und Viehzucht be - ſtimmt, zugleich auch den Steuern und Bauerbe - ſchwerden unterworfen iſt39)Klaproth Abhandlung de praediis ruſticorum in Deſſel - ben Sammlung juriſt. philoſoph. und kritiſcher Abhandlungen 2. Stuͤck. von Buri ausfuͤhrliche Ab - handlung von den Bauerguͤthern. Gieſſen 1769. 4. stru - ben de iuribus villicorum. Hannov. 1768. 4. und ziegler de praediis cenſiticis ruralibus. Vitemb. 1687.. Bauerbeſchwerden aber ſind Grundzins und Dienſte oder Froh - nen40)breuning Diſſ. de falſa praeſumtione libertatis ruſticorum a cenſu et operis. . Eine Gemeinheit von ſolchen Laͤnderbeſitzern, oder Bauern, die zum Ackerbau und Viehzucht vereiniget iſt, wird ein Dorf41)fritsch de ſtatu et iure pagorum Germaniae. genennt, und dieſe Doͤrfer ſind entweder unmittelbare, Reichsdoͤrfer42)Ernſt Ludw. Wilhelm von Dacheroͤden Verſuch eines Staatsrechts, Geſchichte und Statiſtik der freyen Reichsdoͤr - fer in Teutſchland. Leipzig 1785. 8., oder mittel - bare, Landdoͤrfer, je nachdem dieſelben entweder den hoͤchſten Reichsgerichten unmittelbar, oder den Gerichten in einem Lande unterworfen ſind. Letztere werden wiederin38)Bauer iſt. Auf die Wohnung und Beſchaͤftigung allein kommt es nicht an. So wie denn auch das Leben auf dem Dorfe zum Begriff des Bauers nicht weſentlich nothwendig iſt. Der Bauer wuͤrde, wenn er auch in die Stadt zoͤge, aber doch ſeine Bauerwirthſchaft noch continuirte, nicht aufhoͤren ein Bauer zu ſeyn. Weſtphal a. a. O. §. 1.149de Statu Hominum. in Amtsdoͤrfer, und in Gerichtsdoͤrfer eingetheilt, von welchen jene unter den herrſchaftlichen Beamten ſtehen, dieſe aber den Patrimonialgerichten einer Gutsherrſchaft unterworfen ſind. Darnach ſind die mittelbaren Bauern entweder herrſchaftliche Bauern, welche auch Amtsbauern, Kammerbauern genennt werden, oder Gutsbauern, welche man auch adeliche Hinter - ſaſſen, und Gerichtsbauern nennt.
Gemeine Bauern ſind nun von Leibeigenen darinn unterſchieden, daß ſie in Anſehung ihres perſoͤnlichen Zu - ſtandes freye Leute ſind. Ihre Pflichten und Abgaben ruͤhren blos von ihren Beſitzungen her, und dauern da - her auch nicht laͤnger, als ſie ſolche innen haben, oder an den Ort ihrer Beſtimmung bleiben. Sie koͤnnen auch wider ihres Herrn Willen wegziehen, und den Ort ihrer Geburt und Beſtimmung verlaſſen.
Es giebt jedoch Bauern in Teutſchland, welche manchmal von den ordentlichen Bauerverbindlichkeiten, die in Zinſen und Frohnen beſtehen, entweder ganz oder doch groͤßtentheils frey ſind, ſolche werden freye Bauern, Freyſaſſen, Freymaͤnner, und ihre Guͤter Freyguͤter, Freydingsguͤter genennt43)Siehe Hrn. von Beneckendorfs Oeconom. forenſ. V. Th. 8. Hauptſt. 6. Abſchnitt. von buri Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehnrechts IV. Fortſetzung N. XX. S. 284.. Solche Bauern ſind je - doch eine ſeltene Erſcheinung in Teutſchland, mithin kann dem Bauer, wenn er eine dergleichen Freyheit vor - ſchuͤtzen will, darunter keine rechtliche Vermuthung zu ſtatten kommen, ſondern es ſtehet ihm vielmehr die Ver -K 3muthung1501. Buch. 5. Tit. §. 123.muthung des Gegentheils entgegen44)Man vergleiche Hrn. von Buri Erlaͤuterung des in Toutſch - land uͤblichen Lehnrechts IV. Fortſetzung Cap. III. §. 2. N. V. Quaeſt. 3. S. 43. und H. von Beneckendorf Oeconom. forenſ. a. a. O. §. 504. 505.. Denn Frey - bauern waren auch bey unſern Vorfahren etwas ſeltenes. Sie waren auch dazumal der Verfaſſung der teutſchen Landwirthſchaft, und den zu alten Zeiten lebenden Guͤ - terbeſitzern nicht angemeſſen. Dieſe ſuchten ihren Acker nur blos durch ihre Knechte zu beſtellen. Nun haben dieſe zwar, was ihre Perſonen anbetrift, hin und wieder ihre Freyheit erhalten, die Guͤter aber ſind doch den vori - gen Laſten unterworfen geblieben, folglich iſt die Vermu - thung immer wider den Beſitzer. Da nun uͤberdieß auch in unſern Tagen Freybauern noch immer den kleinſten Theil derjenigen, die den Acker bauen, ausmachen, ſo iſt offenbar, daß ein Bauer im zweifelhaften Falle ſich mit keiner praeſumtione libertatis behelfen koͤnne, ſon - dern derſelbe ſeinen vorgegebenen Zuſtand entweder durch Briefe und Urkunden, oder durch Darthuung eines zur rechtlichen Verjaͤhrung hinreichenden Beſitzes, erweißlich machen muͤſſe.
Alle Bauerguͤter, welche nicht die Natur und Kenn - zeichen wahrer Freyguͤter an ſich haben, verpflichten ihre Beſitzer, zum Nutzen der Gutsherrſchaft Dienſte zu ver - richten, welche man Frohnen oder Frohndienſte nennt45)Io. Andr. frommann Diſſ. de ſubditorum maxime ruſti - corum operis. Tubing. 1671. grupen von Dienſten undBeden. Man151de Statu Hominum. Man vermiſche dieſe Bauer-Frohnen nicht mit andern Dienſten, die der Bauer entweder als Unterthan ſei - nen Landesherrn leiſtet, z. B. Kriegsfuhren46)Reinh. hille Diſſ. de principum Germaniae circa operas ru - ſticorum territoriales iuribus, eorumque praeſcriptione. Mar - burgi 1789.; oder die er als Gemeinde-Mitglied zu thun hat, z. B. Gemeinde-Wege, Gemeinde-Bruͤcken zu erhalten; oder wozu er als Parochian verbunden iſt, z. B. bey dem Bau der Kirche oder Pfarrwohnung, ferner bey Kirch - viſitationen. Die Frohndienſte der Bauern ſind nun von verſchiedener Art. Man theilt ſie
a) in Spann - oder Zugdienſte, und in Hand - und Fußdienſte ein, je nachdem ſie entweder mit Zug - vieh, oder ohne ſolches entweder mit der Hand, wie z. B. das Schneiden oder Maͤhen des Getraides, Dreſchen, u. d. oder blos zu Fuße, wie z. B. das Botenlaufen, verrichtet werden. Diejenigen Bauern die zu Spanndienſten oder auch zu Spann - und Handdienſten zugleich verpflichtet ſind, werden Spaͤnner oder Anſpaͤnner, und an den meiſten Orten im eigentlichen Verſtande Bauern genennt. Nach dem allgemeinen Grundſatz, vermoͤge welchen die Dienſte der Bauern nach der Groͤße ihres Ackerwerks und nach dem Verhaͤltniß ihrer Nahrungen eingerichtet ſeyn muͤſſen, theilt man die Anſpaͤnner wieder ein in Vollſpaͤnner, Halb -K 4ſpaͤn -45)Beden in Obſervat. p. 1005. B. Fr. R. Lauhn von den Frohndienſten der Teutſchen. Frankfurt 1760. puffendorf Obſervat. iuris univ. T. I. Obſ. 121. vorzuͤglich aber ley - ser Meditat. ad Pandect. Spec. CCCCXVI. CCCCXVII. CCCCXVIII. und CCCCXIX. und H. von Beneckendorf in Oeconom. For. a. a. O. 8. Abſchn. u. folgg.1521. Buch. 5. Tit. §. 123.ſpaͤnner und Viertelſpaͤnner, oder welches einerley iſt, in Voll-Halb - und Viertelbauern ein. Denn die Groͤße des Ackers, ſo die Bauern oder Spaͤnner beſitzen, iſt oft ſehr verſchieden. Der eine beſitzt vier, der andere drey, noch andere nur zwey, und einige wohl gar blos eine Hufe. An einigen Orten, wo die Dienſte der Bauern nicht nach Tagen, ſondern nach gewiſſen Arbei - ten und Ackergeſchaͤften beſtimmt ſind, trift man noch ei - ne andere Verſchiedenheit und Benennung der zu Ge - ſpanndienſten verpflichteten Bauern an. Man theilt ſie daſelbſt ein in Fuhrſpaͤnner, welche alles zu dem herr - ſchaftlichen Ackerwerk benoͤthigte Fuhrwerk verrichten muͤſ - ſen, Pflugſpaͤnner, welche alle Pflugarbeit auf dem herrſchaftlichen Acker zu verrichten ſchuldig ſind, und Eggſpaͤnner, welche alles Eggen, was zur Beſtellung des herrſchaftlichen Ackers erfordert wird, beſtreiten muͤſ - ſen. Eine Dienſteinrichtung, die alle Empfehlung und Nachahmung verdient. Denn jeder Bauer hat dabey ſeine beſtimmte Arbeit, und wenn er ſolche vollbracht hat, kann er ohne weitere Hinderniſſe vor das Seinige ſor - gen. An einigen Orten ſind die Bauern mit vier, an andern mit drey und an vielen nur mit zwey Pferden zu Hofe zu dienen verbunden. Hieraus entſteht abermals der Unterſchied zwiſchen vierſpaͤnnigen, dreyſpaͤnnigen und zweyſpaͤnnigen Bauern.
Diejenigen Bauern die nicht ſo viel Laͤnderey beſi - tzen, daß ſie Zugvieh darauf halten koͤnnen, und daher nur blos zu Hand - und Fußdienſten verbunden ſind, wer - den Coßaͤthen, Kaͤtner, Hinterſaſſen, Gaͤrtner u. ſ. w. genennt.
b) Sind153de Statu Hominum.b) Sind die Frohnen entweder Manns - oder Weiberdienſte, oder ſolche, welche eben ſo gut von Weibs - leuten, als Mannsperſonen verrichtet werden koͤnnen. Zu der erſtern Claſſe gehoͤrt z. B. Holzfaͤllen, Hexelſchneiden, Getraide einfahren u. d. m.; zu der zweyten gehoͤren al - le Arten des Wietens oder Jaͤtens, und ſaͤmmtliche zur Zubereitung des Flachſes erforderliche Geſchaͤfte, auch das Garn - und Wollſpinnen u. d.; zu der dritten endlich das Schneiden des Getraides, das Dreſchen und dergl. Mannsdienſte werden jedoch ihren Werth nach, wenn es auf deſſen Beſtimmung ankommt, weit hoͤher als Wei - berdienſte geſchaͤtzt, und ein Gutsherr iſt daher dieſe vor jene anzunehmen nicht verbunden.
c) Theilt man die Frohnen in ordentliche und auſſerordentliche ein*)Weſtphal teutſches Privatrecht 1. Th. 33. Abhandl.. Jene ſind, welche zum oͤkono - miſchen Gebrauch dienen, und jaͤhrlich vorkommen, dieſe aber, welche einen ſolchen Endzweck nicht haben, und nur manchmal verlangt werden. Zu letztern ge - hoͤren Baufrohnen47)S. gemeinnuͤtzige juriſt. Beobachtungen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und Elſaͤſſer. V. Band. N. II. S. 22. ff. und Frid. behmeri nov. ius controverſ. T. II. Obſ. 130., Jagddienſte48)Man ſehe hiervon die ſchoͤne Schrift des Hrn. Prof. seuf - fert operae venatoriae ad territoriales quatenus referendae ſint? Wirceburgi 1790. 8. u. d. Soviel aber die ordentlichen Bauerdienſte anbetrift, ſo muͤſſen die Anſpaͤnner pfluͤgen, eggen, Getraide und Heu ein - fahren, Duͤnger auf dem Acker bringen, u. ſ. w. die Handfroͤhner aber muͤſſen ſchneiden, dreſchen, graben, behacken, Heu und Grummet machen, Miſt breiten, pflanzen, Holz ſchlagen, Hexel ſchneiden, Boten laufen. u. ſ. w.
Zuletzt theilt man die Bauerndienſte auch noch in gemeſſene und ungemeſſene ein49)S. Io. Ge. pertsch Diſſ. de diviſione operarum in deter - minatas et indeterminatas, earumque exactione. Ienae 1731.. Ungemeſ - ſene Frohnen nennt man diejenigen, wo die Beſitzer der Bauerhoͤfe zu allen Zeiten, wenn ſie von der Herrſchaft gefordert werden, zu Dienſte erſcheinen, und alles, was zur Beſtellung und Nutzen des herrſchaftlichen Guts er - forderlich iſt, verrichten muͤſſen50)Von den ungemeſſenen Dienſten der teutſchen Bauern han - delt ausfuͤhrlich Hr. von Benekendorf in Oeconomia Forens. V. Th. 8. Hauptſt. 9. Abſchnitt.. Wenn hingegen die Dienſte der Bauern entweder nach Tagen, oder nach ge - wiſſen Arbeiten und Verrichtungen beſtimmt ſind, ſo werden ſie geſetzte Dienſte, oder gemeſſene Frohnen genennt51)Von dieſen iſt gleichfalls nachzuſehen Hr. v. Beneken - dorf a. a. O. 10. Abſchnitt.. Wo nun gemeſſene Frohnen ſind, da muß es auch bey der einmal gemachten Beſtimmung genau bleiben, und kann alſo den Bauern nichts mehr aufer - leget werden52)S. Melch. Dethmar. grollmanni Commentat. de opera - rum debitarum mutatione P. I. II. et III. Gieſſae 1751. 4. de selchow Element. iuris germ. privati §. 351.. Es kann in Anſehung ſolcher Dienſte nicht einmal der Landesherr durch Geſetze Aenderungen zum Nachtheil der Gutsherrſchaften machen, in ſofern dieſelben ſchon ein ius quaeſitum haben, gewiſſe Froh - nen auf eine gewiſſe Art zu fordern; es waͤre denn, daß wegen der noͤthigen oͤffentlichen Abgaben, oder des elen -den155de Statu Hominum. den Zuſtandes, in welchen die Bauern durch uͤbermaͤßi - ge Dienſte gerathen ſind, das Beſte des Landes erforder - te, eine Aenderung in Anſehung der bisherigen Bauern - Dienſte vorzunehmen53)S. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 2. Th. S. 378.. Die Entſcheidungsnormen bey Beſtimmung der gemeßenen Dienſte geben die Dienſtre - giſter, desgleichen die Hof - und Annehmungsbriefe der Unterthanen. Dieſe haben einen unſtreitigen Ver - trag zwiſchen der Herrſchaft und ihren dienſtpflichtigen Unterthanen zum Grunde. Die Herrſchaft eignet da - durch einen ihrer Unterthanen den Beſitz eines unter ih - rer Gerichtsbarkeit liegenden Bauernguths zu, und die - ſer macht ſich dagegen anheiſchig, derſelben gewiſſe Dien - ſte und Abgaben dagegen richtig zu leiſten. Die Dienſt - regiſter, oder wie ſie auch an manchen Orten genennet werden, die Dienſturbarien aber enthalten ein genaues Verzeichniß ſowohl der Schuldigkeiten der Unterthanen gegen die Herrſchaft, als auch desjenigen, was die letztere denen erſtern beſonders an Deputat u. d. zu entrichten verbunden iſt. In Ermangelung derſelben muß auch ein vieljaͤhriges Herkommen und Obſervanz hierunter zur Richtſchnur dienen. Auch die Verjaͤhrung kann zuweilen ungemeſſene Dienſte in gemeſſene verwandeln, wenn die Erforderniße derſelben vorhanden ſind. Haͤtte freylich eine Bauerngemeinde, die ſonſt zu ungemeſſenen Dien - ſten verpflichtet war, binnen 30 Jahren woͤchentlich nur drey Tage gedienet, ſo wuͤrde dieſes zu einer Verjaͤhrung der ungemeſſenen Dienſte noch nicht genug ſeyn, wenn nicht auch zugleich erwieſen werden koͤnnte, daß die Herrſchaft binnen dieſer Zeit zwar mehr Dienſt-Tage gefordert, ſolche aber nicht geleiſtet worden waͤren, unddie -1561. Buch. 5. Tit. §. 124.dieſelbe ſich dabey ſeit rechtsverjaͤhrter Zeit beruhiget haͤtte. Denn eine ſolche Praͤſcription erfordert, a) daß die als verjaͤhrt angegebene Schuldigkeit wirklich gefor - dert, ſolche aber b) von den Dienſtpflichtigen verwei - gert worden ſey, und daß c) die Herrſchaft binnen rechtsverjaͤhrter Zeit dazu ſtillgeſchwiegen habe54)S. rave de praeſcriptione §. 117. grollmann in Com - mentat. cit. P. II. Cap. IV. §. 42. 43. Beyde halten die Verfließung einer Zeit von 10 oder 20 Jahren zu ſolcher Verjaͤhrung fuͤr hinreichend, andere erfordern jedoch eine Zeit von 30 Jahren.. Der bloſe Beſitz kann nur in poſſeſſorio ſchuͤtzen, in petito - rio kommt er nicht mehr in Betracht.
Wie wenn es aber an den vorhin bemerkten Beſtim - mungsgruͤnden mangeln ſollte, und die Herrſchaft des - halb behauptet, daß ihr das Recht, ungemeſſene Dienſte zu fordern, zuſtehe, die Bauern aber ſolche Dienſte zu leiſten verweigern, ſo entſteher ſehr oft die Frage, ob in einem ſolchen zweifelhaften Falle gemeſ - ſene oder ungemeſſene Dienſte der Bauern zu vermuthen? Die Rechtslehrer ſind in Entſcheidung dieſer Frage nicht einig, und wir finden daruͤber dreyer - ley Meinungen. Die meiſten glauben, daß in einem ſol - chen Fall ungemeſſene Dienſte zu vermuthen waͤren55)von Buri Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehn - rechts IV. Fortſetzung 3. Cap. N. V. Quaeſt. 4. S. 44. ff. a leyser Meditat. ad Pand. Spec. 417. med. 5. coroll. S. 1081. mevius P. IV. Dec. 131. reinharth Obſervat. ſelect. ad Chriſtinaeum Vol. II. Obſ. 33. Cramer Neben - ſtunden X. Th. N. 11. pertsch cit. Diſſertat. §. 38. estor in Comment. de praeſumtione contra ruſticos in cauſis opera - rum. §. 16. und Ebenderſelbe in der teutſchen Recht[ſ]- gelehrſamkeit 1. Th. 56. Hauptſt. §. 402. Schroͤter von der ehemaligen Knechtſchaft der Bauern in Teutſchland § 11. vonDenn157de Statu Hominum. Denn die meiſten Bauern waren ehemals Leibeigene. Als ſolche mußten ſie ungemeſſene Dienſte leiſten. Durch ihre Loßlaſſung erhielten ſie nun zwar ihre natuͤrliche Freyheit, allein in Anſehung ihrer Pflichten und Schul - digkeiten wurde nichts geaͤndert. Die Freygelaſſenen be - hielten die vorigen Guͤter unter der Bedingung, daß ſie der Gutsherrſchaft ferner dienen, und den bedungenen Zinnß fortgeben ſollten. Unſere heutige Bauern beſitzen dieſe Guͤter noch; alſo liegt ihnen auch die Obliegenheit zu Frohnen ob, weil dieſelbe mit dem Beſitz ihrer Guͤter und dem Bauernſtand verknuͤpft iſt. Aufhebung oder Einſchraͤnkung des Dienſtes iſt eine Aenderung und des Bauers Einwendung. Er muß ſie alſo auch beweißen. Die Vermuthung ſtreitet folglich immer fuͤr die Herr - ſchaft. Dieß ſind die Gruͤnde fuͤr die gemeine Meinung. Demungeachtet aber behaupten doch viel Rechtsgelehr - te56)schroedter Diſſ. de notione ruſticorum Germaniae §. XVIII. seip Diſſ. de ſtatu ruſticor. ex medii aevi rationibus caute di - iudicando Cap. III. §. X. riccius in Spicilegio iuris germ S. 137. u. folgg. gemeinnuͤtzige iuriſtiſche Beobachtungen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und Elſaͤßer V. Band N. II. §. 24. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts II. Th. S. 387. u. a. m. das Gegentheil, ſie halten dafuͤr, daß ein Herr ſeinen Bauern nur diejenigen Frohnen anſinnen duͤrfe, deren rechtlichen Erwerb er darthun koͤnne. Die Ver - muthung ſey alſo im zweifelhaften Fall nur fuͤr gemeſſene Dienſte. Denn fuͤr die natuͤrliche Freyheit ſtreite dieVer -55)von Benekendorf Oecon. For. a. a. O. 9. Abſchnitt §. 566. ff. Weſtphal teutſches Privatrecht I. Th. 32. Abh. §. 1. 2. 3. hofacker Principior. iuris civ. Rom. Germ. Tomi II. P. I. §. 1162. n. II. u. a. m. Daß dieſe Meinung auch in den Gerichten angenommen ſey, beſtaͤrkt mûller in ſeiner Practica civili Marchica Reſ. 99. §. 70. mit verſchiede - nen Erkenntniſſen.1581. Buch. 5. Tit. §. 124.Vermuthung, nicht fuͤr die Dienſtbarkeit57)Man beruft ſich deshalb auf das Saͤchſiſche Landrecht III. Buch Art. 32. wo es heißt: „ welch einkommen Mann (advena) ſich frey nennet, den ſoll man fuͤr frey halten, man mag ihn denn das mit Gezeugen vorlegen; (donec per teſti - monium hoc reprobetur) wer ſich aber frey nennet, und daß ein Andrer ſpricht, er ſey ſein eigen, alſo daß er ſich ihm er - geben hab, das mag jener mit ſeinem Eide wohl unſchuldig werden, es ſey dann fuͤr Gericht geſchehen. “. Nun aber ſind Bauern freye Leute. Frohnen ſchraͤnken die Frey - heit ein; Einſchraͤnkungen derſelben aber koͤnnen nicht vermuthet, ſondern muͤſſen von dem, der einen Nutzen hieraus zu ziehen glaubt, bewieſen werden. Zudem waͤ - ren die Bauern ihren Urſprung nach keinesweges Leibei - gene, ſondern meiſt freye, ja freygebohrne geweſen. Denn ſollte der Zuſtand der heutigen Bauern aus einer geſche - henen Freylaſſung herruͤhren, ſo muͤßte dieſelbe erſt er - wieſen werden, welchen Beweiß man aber noch bis jetzt vermiſſe. Geſetzt aber auch, daß durch Freylaſſung die heutigen Bauern ihre Freyheit erlangt haͤtten, ſo wuͤrde dennoch daraus nicht folgen, daß ſie ungemeſſene Dienſte zu thun ſchuldig waͤren, weil nicht einmal alle Leibeigene ohne Unterſchied ungemeſſene Dienſte geleiſtet haͤtten. Ueberhaupt aber ſey der aͤchte hiſtoriſche Grund der Froh, nen vielmehr aus wechſelsweiſen wirklichen oder ſtilſchwei - genden Vertraͤgen der Guts - und Schutzherrn als aus einer urſpruͤnglichen Leibeigenſchaft abzuleiten, wie denn auch an Orten, wo die Leibeigenſchaft nie in Uebung ge - weſen, Frohnleiſtungen angetroffen wuͤrden. Allein da - gegen laͤßt ſich einwenden, daß hier von freyen Leuten, die gar keine Frohnen thun, nicht die Rede ſey, ſondern der Streit iſt von Bauern, die ſich zu frohnen nicht wei - gern, und fragt ſich nur, ob ſie gemeſſene oder ungemeſ -ſene159de Statu Hominum. ſene Frohnen thun muͤſſen. Sodann aber betrift ja die Freyheit der Bauern nur ihre Perſon, nicht die Beſchwe - tungen. Es iſt richtig, daß nicht alle Bauern von ehe - maligen Leibeigenen abſtammen; aber doch die meiſten. Dies lehrt uns die teutſche Geſchichte. Es iſt auch ſchon von andern gruͤndlich erwieſen worden, daß theils eine ausdruͤckliche theils eine ſtillſchweigende Freylaſſung ge - ſchehen ſey58)von Buri a. a. O. S. 26. u. folgg.. Und wenn gleich ehemals zuweilen Leib - eigene gemeſſene Dienſte thaten, ſo war es doch nur Aus - nahme von der Regel, ſo wie denn daraus, daß gemeſſene Dienſte oft durch Vertraͤge zwiſchen den Bauern und der Gutsherrſchaft beſtimmt worden ſind, noch nicht folgt, daß aus dieſer Quelle alle Verbindlichkeit der heu - tigen Bauern zu Frohnleiſtungen nur allein herzuleiten ſey. Ueberhaupt hebt die heutige Verſchiedenheit der Ge - wohnheiten nicht auf, daß etwas als die Regel vermu - thet werde59)Conf. hellfeld Repertor. iuris priv. voc. Bauerndienſte §. 5. folgg.. Nun giebt es zuletzt noch Rechtsgelehr - te, welche der Meinung ſind, daß in theſi weder die Vermuthung fuͤr ungemeſſene noch fuͤr gemeſſene Dienſte der Bauern behauptet werden koͤnne, ſondern alles auf die Verſchiedenheit der Gegenden und Laͤnder ankom - me60)Hr. v. selchow in Element. iuris germ. privati §. 350. not. 5. Otto Ludw. von Eichmann Abhandl. ob, im Fall es zweifelhaft iſt, gemeſſene, oder ungemeſſene Dienſte der Bauern zu vermuthen? in Deſſelben Sammlung kleiner Abhandlungen aus der Rechtsgelehr - ſamkeit ꝛc. N. XII. S. 159. folgg. u. Hr. Hofr. Schnau - bert in der neueſten iuriſt. Bibliothek 2. Band (Gießen 1783.) S. 591. und folgg.. Allein da es uns eben darum zu thun iſt, ineinem1601. Buch. 5. Tit. §. 124.einem wirklich zweifelhaften Falle einen ſichern Grundſatz zu haben, ſo ſiehet ein jeder wohl von ſelbſt ein, daß durch dieſes Temperament nichts entſchieden werde. Ich fuͤge hier noch folgende Bemerkungen hinzu.
I) Auch ungemeſſene Dienſte ſind nicht dem bloßen Willkuͤr der Herrſchaft uͤberlaſſen. Der Bauer muß ſo viel Zeit uͤbrig behalten, daß er ſeine eigne Wirthſchaft beſorgen, und nicht nur ſeinen Lebensunterhalt ſich erwer - ben, ſondern auch die herrſchaftlichen Abgaben entrichten kann61)Weſtphal teutſches Privatrecht 1. Th. 32. Abhandlung §. 4..
II) Beſchweren ſich die Bauern, daß die Herrſchaft ihr Recht, ungemeſſene Dienſte zu fordern, mißbrauche, ſo iſt nichts noͤthiger und billiger, als daß der Richter dergleichen ungemeſſene Dienſte dergeſtalt maͤßige, daß die Bauern dabey nicht zu Grunde gehen, die Herrſchaft aber auch in ihren Gerechtſamen dadurch nicht allzuſehr eingeſchraͤnkt werde. Die Billigkeit einer ſolchen richter - lichen Ermaͤßigung iſt von allen Rechtslehrern anerkannt worden62)leyser in Meditat. ad Pand. Vol. VI. Spec. 418. hoeck - ner Diſſ. de operarum indeterminatarum determinatione. Lipſ. 1720. stryck de abſu iuris quaeſiti Cap. I. n. 35.. Es kommt nur darauf an, was bey dieſer Ermaͤßigung fuͤr Grundſaͤtze anzunehmen ſind63)Vorzuͤglich empfehle ich hier wiederum des Hrn. v. Bene - kendorfs Oeconom. Forens. a. a. O. 8. Hauptſt. 9. Ab - ſchnitt §. 578. folgg.. Hier hat nun der Richter auf zweyerley Ruͤckſicht zu nehmen; einmal auf die in der herumliegenden Gegend eingefuͤhr - te Gewohnheit, und zweytens auf die Moͤglichkeit, dievon161de Statu Hominum. von der Herrſchaft verlangte Dienſte leiſten zu koͤnnen. Um jedoch dieſe Moͤglichkeit der geforderten ungemeſſenen Dienſte auszumitteln, kommt es nicht ſowohl auf einen oͤkonomiſchen Anſchlag der Bauerhoͤfe, als vielmehr da - rauf an, daß
a) der Richter unterſuche, wie viel ein Bauer, welcher uͤber die Unertraͤglichkeit der ihm angemutheten ungemeſſenen Dien - ſte klagt, von der in Beſitz habenden Nah - rung ſowohl an Geſinde als Geſpann wirth - ſchaftlich unterhalten koͤnne. Sodann liegt ihm
b) ob, einen Ueberſchlag zu machen, wie viele Zeit er mit ſeinem Geſinde und Ge - ſpann zur Beſtreitung ſeiner eigenen noͤ - thigen Wirthſchaftsgeſchaͤfte gebraucht.
Hat er ſich von dieſen beyden Stuͤcken vollkommen orientiret, ſo wird ihm alsdann, die in Klage gebrachte ungemeſſene Dienſte auf eine billige und gerechte Art zu maͤßigen, nicht ſchwer fallen. Er darf nur diejenige Zeit, die der Bauer zur Beſtellung ſeines eigenen Ackers noͤ - thig hat, von den Dienſtragen des ganzen Jahrs abzie - hen, ſo wird ſich von demjenigen, was die Herrſchaft noch mit Recht an Dienſten fordern kann, der Calculus von ſelbſt ergeben64)In Anſehung des Bothenlaufens der Coßathen hat das Cammergericht zu Berlin in Sachen des Rittmei - ſters von Grothuſen gegen ſeine Unterthanen des Laͤnd - gens Baͤrwalde de 22. Aug. 1764. und 10. April 1765. fuͤr Recht erkannt: daß ihnen auf eine Reiſe von einer halben Meile eine Laſt von 15 bis 18 Pfunden, auf eine weite - re Reiſe aber nur eine Laſt von 10 Pfunden aufzubuͤr - den. S. Frid. behmeri novum Ius Controvers. T. II. Obſ. 131..
III)Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. L1621. Buch. 5. Tit. §. 124.III) Die Herrſchaft kann wider den Willen der Bauern die Dienſte eben ſo wenig in Geld verwandeln, als dieſelbe, ſtatt der zu leiſtenden Dienſte, ein Dienſt - geld anzunehmen, verbunden iſt65)S. leyser Specim. CCCCXIX. med. 1. grollmann in Commentat de operarum debitar. mutatione P. I. Cap. II. §. 11. und folgg. balthasar de operis ruſticor. cap. XVI. S. 97. Cramer Nebenſtunden Th. XXII. N. 8. Hr. von Buri in der Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehn - rechts IV. Fortſetzung 3. Cap. N. V. Qu. 9. S. 63. und die Verfaſſer der Meditationen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien. 3. Band 138. Meditat.. Dieſen Satz recht - fertiget die Vernunft und Analogie der Rechte von ſelbſt. Denn ſo wenig der Schuldner wider Willen des Glaͤu - bigers ihm eine andere Sache ſtatt der ſchuldigen hin - geben kann, eben ſo wenig kann auch der Glaͤubiger von dem Schuldner eine andere, als die ihm ſchuldige Sache, fordern66)L. 2. § 1. D. de rebus cred. L. 74. D. de Reg. Iuris. Es iſt jedoch billig der Fall auszunehmen, wenn Natural - frohnen z. B wegen Entlegenheit des Orts von dem Guts - herrn ganz und gar nicht gebraucht werden koͤnnen. S. wern - her Obſervat Forenſ. T. I Part V. Obſ. 28.. Es ſind alſo auch hier ſowohl auf Seiten des Dienſtherrn als der Dienſtpflichtigen gleiche Verbind - lichkeiten und gleiche Rechte. Endlich
IV) wenn Unterthanen auch lange Zeit ſtatt der zu leiſtenden Naturaldienſte jaͤhrlich ein gewiſſes Geld be - zahlt haben, ſo koͤnnen ſie dennoch hernach allemal wieder angehalten werden, die Dienſte in natura zu leiſten67)S. leyser Specim. CCCCXIX. med. 4. u. Spec. DCLXV. med. 29. Struben rechliche Bedenken IV. Th. Bed. 17. a. puffendorf Obſervat. iuris univ. Tom. I. Obſ. 224. T. II. Obſ. 71. wernher Obſervat. Forenſ. Tom. II. Part. IX. Obſ. . Denn163de Statu Hominum. Denn es blieb in einem ſolchen Fall doch immer in der Herrſchaft Willkuͤhr, ob ſie die Dienſte in natura for - dern, oder ſtatt derſelben ein gewiſſes Dienſtgeld anneh - men wollte. Folglich kann denen Dienſtpflichtigen hier - unter keine Verjaͤhrung zu ſtatten kommen. Vielmehr iſt im Zweifel zu vermuthen, daß der Herr um ſeines Vortheils willen bisher die Frohnen ſich habe in Gelde abtragen laſſen. Es ſind jedoch folgende Faͤlle allerdings auszunehmen, wo es bey dem Dienſtgelde bleiben muß: naͤmlich a) wenn die Bauern ihren Gutsherrn, da er die Frohnen in natura wieder gefordert hat, dieſelbe mit dem Vorgeben, daß ſie hierzu nicht verbunden waͤren, verweigert haben, und der Dienſtherr dreyßig Jahr da - zu ſtille geſchwiegen68)S. die angefuͤhrten Meditationen §. 2. puffendorf T. I. Obſ. 224. S. 553. balthasar de operis Subditor. Cap. 10. und rave de praeſcriptione §. CXVII. Schol. 2.. b) Wenn die Bauern die Lei - ſtung der Dienſte dem Herrn gegen die Erlegung eines gewiſſen jaͤhrlichen Geldes auf ewig abgekauft haben69)muͤller Practica Civ. Marchica Reſol. 99. §. 25.. Weil aber ſolches ſo wenig aus der Laͤnge der Zeit, als aus der immer aͤhnlichen Bezahlung einerley Summe des Dienſtgeldes zu ſchlieſſen, ſondern die Vermuthung im - mer fuͤr den Herrn iſt, daß er das Geld nicht aus Schul - digkeit, ſondern aus eigenem Willkuͤhr genommen; ſo ſind die Bauern ſchuldig, dieſes ihr Vorgeben zu erwei - ſen, oder wenigſtens ſolche Umſtaͤnde fuͤr ſich beyzubrin - gen, wodurch die fuͤr den Herrn ſtreitende VermuthungL 2auf -67)Obſ. 64. von Buri Erlaͤuterung des Lehnrechts a. a. O. Quaeſt. 10. S. 67. Cramer Wezlar. Nebenſtunden Th. XXXI. N. 8. Weſtphal teutſches Privatrecht 34. Ab - handlung 8. Anmerkung S. 366. Meditationen uͤber verſchie - dene Rechtsmaterien 3. Band 137. Meditat. S. 119.1641. Buch. 5. Tit. §. 125. u. 126.aufgehoben wird70)von Buri a. a. O. S. 68.. Endlich c) wenn ſeit undenklichen Zeiten Dienſtgeld iſt gegeben worden, dergeſtalt, daß niemand weiß, ob jemals Dienſte in natura ſind ent - richtet worden71)leyser Spec. CCCCXIX. med. 5. et Spec. DCLXV. med. 30.. Noch mehrere dieſe Materie betref - fende Rechtsfragen wird man beym Buri72)a. a. O. Qu. 11. 12. 13. 14. u. ff. finden, ſo wie denn auch unſer Hr. Autor ſelbſt §. 647 noch eine eigentlich hierher gehoͤrige Frage vorbringt, welche wir daſelbſt eroͤrtern werden.
Der andere beſondere buͤrgerliche Zuſtand iſt der Status civitatis73)Chriſt. Frid Ge. meisteri Diſſ. de ſtatu civitatis eiusque iuribus. Goettingae 1751. Dieſe naͤmliche Schrift iſt auch unter Johann Andr. Hanneſens Namen als ein liber ſingularis Goͤttingen 1752. 4. erſchienen. Man verglei - che auch des ſeel. Appellationsraths plattner unter Carl Ferdinand Hommels Vorſitze gehaltene Diſſ. de uſu hodierno diviſionis hominum in cives et peregrinos. Lipfiae 1750. Es hat zwar Io. Gotth. tilsner als Supplement je - ner Plattneriſchen Schrift eine hiſtoricam Tractationem de peregrini et civis notione Lipſiae 1786. edirt, allein da dieſe Schrift zur weitern Aufklaͤrung dieſer Materie gar nichts bey - traͤgt, und unverſtaͤndlich geſchrieben iſt, ſo kann man ſie ohne Schaden ungeleſen laſſen.. Nach dieſem werden die Menſchen in ſolche, welche das Buͤrgerrecht in einem Staate haben, Cives, und ſolche, welche daſſelbe nicht haben, Peregrinos, eingetheilt. Wir wollen zuerſt von demRoͤmi -165de Statu Hominum. Roͤmiſchen Buͤrgerrechte handeln, und den Unterſchied zwiſchen Cives und Peregrinos nach dem Roͤmiſchen Rechts - ſyſtem auseinander ſetzen74)Chriſt. Frid. von haven de cive Romano. Hafniae 1710. Car. sigonius de antiquo iure civium Romanorum, in Tom. I. Operis de antiquo iure populi Romani. Halae 1715. 8. und Ezech. spanhemii Orbis Romanus. Londini 703. et cum praefat. Io. Gottl. heineccii, Halae et Lipſiae 1728. 4.. Der Begriff eines civis romani war nicht immer der naͤmliche. Man muß die Zeiten vor den Kr. Antoninus Caracalla, und die nach denſelben unterſcheiden. Vor den Zeiten jenes Kai - ſers gab man nur dem freyen Roͤmer den Namen civis, der in Rom ſelbſt ſeinen Wohnſitz hatte, und ent - weder durch die Geburt, wenn beyde Eltern ſchon Buͤrger waren, oder durch die Manumißion auf die alte hergebrachte Art vor der Obrigkeit, oder in einem Teſtamente, oder durch Einzeichnung in die Buͤrger-Rollen beym Cenſus, oder endlich durch eine Gnade des Auguſts das Buͤrgerrecht erhalten. Solche roͤmiſche Buͤrger wurden Quirites genennt, nicht vom Quirin, wie Juſtinian75)§. 2. I. de iur. nat. gent et civ. lehrt, ſondern von der Sabiner Hauptſtadt Cures76)livius lib. I. c. 13. dionys. halicarn. lib. II. p. 111. plutarchus in Romulo p. 30. et in Numa p. 61.. Alle Nicht-Roͤmer, die in Italien, den Municipien und in den roͤmiſchen Pro - vinzen, alſo auſſerhalb Rom, wohnten, oder zwar in Rom lebten, aber weder freye Menſchen waren, noch ein Buͤrgerrecht hatten, hießen Peregrini. Zu dieſen rechne - te man alſo vor den Zeiten Antonins auch Municipes und Provinciales77)Gelegentlich bemerke ich hier, daß Ulpian in der L. 190. D. de Verb. Signif, eine Beſchreibung von Provinzia -len. Die Quirites genoſſen nun ſehr anſehn -L 3liche1661. Buch. 5. Tit. §. 125. u. 126.liche Rechte und Vorzuͤge vor den Nicht-Roͤmern, wel - che in ihrem ganzen Umfang genommen das ius qui - ritium in eminenten Verſtande, oder ius civitatis ro - manae bildeten78)Io. Henr. mylii Diſſ. de iure Quiritium, in eius Opuſcul. Academ. Io. Frid. christii de iure Quiritium coniectura, inſert. eius Noctibus Academ. Specim. II. (Halae 1727. 8.) Obſ. 6. Corn. Valer. vonck Obſervation. miſcellan. Cap. 24. adiect. eius Specimini Critico in varios Auctores. Trajecti ad Rhen. 1744. 8. et Franc. Car. conradi Commentat. de iure Quiritium a civitate Rom. non diverſo. Helmſt. 1744.. Die Vorzuͤge des Iuris Quiritium waren von doppelter Art; einmal ſolche, die ſich auf die Verfaſſung und Regierung des roͤmiſchen Staats bezo - gen, iura publica Quiritium, dahin gehoͤrten ius militiae, cenſus, tribus, ſuffragiorum, munerum et honorum publicorum; zum andern ſolche, welche die oͤffentliche Einrichtung des Staats nicht betrafen, iura privata Quiritium. Zu dieſen zaͤhlte man das ius ſacrorum, agnationis, gentilitatis, uſucapionis, mancipii, connu - bii, patriae poteſtatis, teſtamentifactionis, capiendi - que ex teſtamento u. d. von welchen die angefuͤhrten Schriftſteller Sigonius und Spannheim demjenigen, der hiervon ein mehreres wiſſen will, weitere Aufklaͤrung geben werden. Manche jener Vorrechte verſtattete man nun zwar auch den Richt-Roͤmern, als denen Latinis, auch manchen Municipien, und manchen Provinzen, allein imVer -77)len giebt, wobey die Ausleger viele Schwierigkeiten gefun - den haben. Conradi in Parergis lib. IV. n. II. hat jedoch alle Dunkelheit gehoben. Der Sinn jener Stelle iſt: Pro - vincialen heißen nur diejenigen, welche in der Provinz wirk - lich ihren Wohnſitz haben. Diejenigen alſo, die zwar in ei - ner Provinz gebohren waren, aber ihr Domicilium veraͤndert hatten, gehoͤrten nicht hierher. Mit ſolchen Frauenzimmern durften ſich daher auch die Gouverneurs der Provinzen ver - heyrathen, nur nicht mit Provinzialinnen.167de Statu Hominum. Verhaͤltniß gegen das ius Quiritium war es doch nur ein ſehr unvollkommenes Buͤrgerrecht. ius quiritium war daher ein volles roͤmiſches Buͤrgerrecht, ius civitatis optimum maximum, und quirites hießen nur diejenigen, welche das volle Buͤrgerrecht hatten, und von dieſen ſag - te man, ſie waͤren optima lege cives Romani. Ein unvoll - kommenes Buͤrgerrecht hingegen nannte man ſchlechtweg ius civitatis79)vonck Obſervat. Miſcellan. a. a. O., dahin gehoͤrte z. B. ius latit, ius italicum80)sigonius de antiquo iure Italiae Cap. IV. und Chriſt. Gottl. schwarz Diſſ. de iure italico. Altorfii rec. 1741.. Kr. Antoninus Caracalla81)spanhem. Orb. Rom. Ex II cap. 1., oder wie andere wollen Marcus Aurelius82)Io. Paul mahner Commentat. de M. Aurelio Antonino, conſtitutionis de civitate univerſo orbi Romano datae auctore. Halae et Helmſt. 1772. 8. gab allen frey - gebohrnen Unterthanen des roͤmiſchen Reichs das Buͤrgerrecht83)L. 17. D. h. t. Excerpta dionis Valeſiana pag. 745.. Ob der große Gedanke eines allgemei - nen Buͤrgerrechts vernuͤnftiger Menſchen unter dem Ge - biete der Vernunft, oder Eigennutz ihn zu dieſer Ver - ordnung veranlaſſet habe, laſſe ich dahin geſtellet ſeyn, weil gewiß Niemanden daran etwas gelegen ſeyn wird. Seit dieſer Zeit ward nur Auslaͤndern, Sclaven und Freygelaſſenen, die nicht auf die alte hergebrachte Art waren manumittiret worden, der Name Peregrini beyge - legt. Bis endlich auch Juſtinian den Unterſchied zwi - ſchen Freygebornen und Freygelaſſenen ganz aufhob, und auch denen letztern das roͤmiſche Buͤrgerrecht ertheilte84)Nev. LXXVIII. c. 5.. So blieben alſo nur noch Auslaͤnder und Sclaven in der Claſſe der Peregrinorum, und in dieſer Ruͤckſicht warL 4der1681. Buch. 5. Tit. §. 127.der Unterſchied inter Cives et Peregrinos auch noch un - ter Juſtinian von Wirkung.
Uebrigens wurden die Rechte und Verbindlichkeiten der Peregrinorum nach dem Ius Gentium beſtimmt, wie ich an einem andern Ort dieſes Commentars ſchon ge - zeigt habe85)1. Th. §. 11. S. 89. Adde van der hoop Diſſ. de iure peregrinorum. Lugd. Batavor. 1759..
Wir haben auch ein teutſches Buͤrgerrecht, welches in dem Inbegriff der Praͤrogativen beſtehet, ſo teutſche Reichsgenoſſen fuͤr Fremden zu genieſſen haben. Denn wenn gleich Kaiſer Friedrich II. in der Avth. Omnes peregrini Cod. communia de Succeſſion. den Unterſchied zwiſchen Fremden und Einheimiſchen quoad uſum iuris communis aufgehoben hat, und alſo Fremden vermoͤge dieſer Verordnung der Regel nach dieſelbigen Rechte, wie den Buͤrgern zuſtehen, z. B. in Anſehung der Erbſchaf - ten, ſo leidet doch dieſes Geſetz ſeine Ausnahme, wenn durch gemeine Reichs - oder ſpecielle Landesgeſetze denen einheimiſchen Buͤrgern in Teutſchland gewiſſe Vorrechte vor den Auslaͤndern zugeſtanden werden. Und dieſe ſind es eben, welche in ihren Umfange das teutſche Buͤr - gerrecht ausmachen86)Io. Andr. hoffmann Diſſ. I. de iuribus indigenarum Ger - maniae, praeſ. Io. Rud. engau habita Ienae 1747. eiusdem Diſſ. II. de indigenis eorumque praerogativis Marburgi 1758. schilter Diſſ. de iure peregrinorum (inſert. eiusdem Exer - citat. ad Pandect. p. 103.) Frid. Wilh pestel Diſſ. iuſti - tia et benignitas legum germanicarum erga peregrinos exami - nata. Rintel 1754.. Man nimmt nun in Teutſch - land ein dreyfaches Buͤrgerrecht ein.
a) Ein169de Statu Hominum.a) Ein allgemeines teutſches Buͤrgerrecht, wel - ches darinn beſteht, wenn jemand uͤberhaupt ein Teut - ſcher, oder Mitglied des teutſchen Reichs iſt, und deshalb gewiſſe Rechte und Vorzuͤge fuͤr Fremden zu genieſſen hat. Dahin gehoͤrt, daß zu des Kaiſers und Reichs-Aemtern nur Teutſche gelangen koͤnnen; Niemand vom Kaiſer in Fuͤrſten - oder Grafenſtand erhoben werden kann, als wer dem teutſchen Reich unterworfen iſt; auch die geiſt - lichen Beneficien nur an Teutſche vergeben werden duͤr - fen87)Joh. Jacob Moſer von der Auslaͤnder Faͤhig - und Unfaͤhigkeit zu teutſchen geiſtlichen Wuͤrden. 1783. 4. u. ſ. m. Wer iſt denn aber im Sinne des teut - ſchen Staatsrechts ein Teutſcher? Es kommt dabey nicht immer nothwendig auf den Ort der Geburt oder des Aufenthalts an, ſondern der Beſitz unmittelbarer Reichsguͤter wird erfordert, um das Recht der Reichs - ſtandſchaft erlangen oder ausuͤben zu koͤnnen. In dieſem Betracht ſind Teutſche 1) auswaͤrtige wirkliche Beſitzer eines mit der Reichsſtandſchaft begabten Landes; 2) auch derſelben ſaͤmmtliche Stammsverwandte, welche Kraft der kaiſerlichen Reichslehenbriefe, oder ſonſt ein ungezwei - feltes Recht zur Erbfolge in ein ſolches teutſches Reichs - land haben. Bey andern wird die teutſche Her - kunft fuͤr hinreichend gehalten, jedoch wird bey dem niedern Adel zugleich auf die teutſchen Ahnen geſe - hen, um zu teutſchen geiſtlichen Wuͤrden in Erz - und Hochſtiftern zu gelangen. Indes iſt manchmal durch Poſtulation eine Ausnahme von der Regel gemacht worden .88)Moſer in der angefuͤhrten Schrift §. 15 — 24..
L 5b) Ein1701. Buch. 5. Tit. §. 127.b) Ein Provinzial-Buͤrgerrecht, welches die Vor - zuͤge der einheimiſchen Unterthanen eines teutſchen Lan - desherrn fuͤr den Fremden z. B. in Erwerbung der Guͤ - ter, in Befoͤrderungen, Stipendien u. d. in ſich begreift. Endlich
c) ein Stadt-Buͤrgerrecht, worunter man den Inbegriff von Rechten und Vorzuͤgen verſtehet, welche die Buͤrger einer Stadt fuͤr andern Einwohnern, die kei - ne Buͤrger ſind, zu genieſſen haben; z. B. das Recht ein Haus zu beſitzen, buͤrgerliche Nahrung zu treiben, u. ſ.w89)de selchow in element. iuris germ. Lib. I. Cap. II. Tit. I. §. 216. ſqq. . Dieſes kann entweder ein volles oder nicht volles Buͤrgerrecht ſeyn. Die das erſtere haben, werden Stadt-Buͤrger, im Gegentheil die das letztere haben, nur Schutzverwandte (incolae) genennt. Man er - wirbt es durch die Geburt90)Nicht uͤberall wird jedoch das Stadtbuͤrgerrecht durch die Geburt erworben, ſondern in den meiſten Staͤdten Teutſch - lands hat der Sohn eines Buͤrgers nur manche Vortheile bey der Bewerbung um das Buͤrgerrecht vor andern, die nicht Meiſtersſoͤhne ſind. S. riccius in ſpicileg. iuris germ. Lib. I. Tit. VI. m. 2. p. 267. puffendorf Obſervat - iuris univ. T. I. Obſ. 8c. Allein in manchen Staͤdten Teu[t]ſchlands z. B. in Nuͤrnberg kann man auch von Geburt ein Buͤr - ger ſeyn. S. D. Io. Alb. colmar Diſſ. de iure civitatis No - rimbergenſis. Altdorf 1781., wenn der Vater zur Zeit derſelben ſchon Buͤrger geweſen, oder durch die Aufnahme. Daher ſind die Buͤrger in dieſer Ruͤck - ſicht entweder gebohrne (originarii) oder aufgenom - mene (recepti)91)Henr. hildebrand Diſſ. de iure civium originariorum. Altdorf. 1724.. Das mehrere hiervon gehoͤrt in das teutſche Staats - und Privatrecht.
Die Roͤmer nannten den dreyfachen buͤrgerlichen Zu - ſtand, naͤmlich den Zuſtand der Freyheit, des Buͤrger - rechts, und der Familie, caput92)In einem andern Verſtande wurde das Wort caput fuͤr den Menſchen ſelbſt genommen, in dieſer Bedeutung unter - ſcheiden unſere Geſetze zwiſchen caput liberum L. 1. D. de tutelis, und caput ſervile, L. 3. §. 1. D. de cap. minut. ; und den Verluſt eines ſolchen buͤrgerlichen Zuſtandes capitis deminutio - nem93)Ueber dieſe Materie ſind nachzuſehen Ulr. huber in De - greſſion. Inſtinian. Lib. III. cap. 6 — 10. dompierre de ion - quieres in Specim. de Reſtitutionibus in integrum, Lugd. Batav. 1767. 8. Tit. V. S. 334 — 360. Carl Adolph Freyherr von Braun von der Eintheilung der capitis de - minutionis, in den Erlang. gelehrten Anzeigen auf das Jahr 1751. Num. 3. und in Schotts juriſt. Wo - chenblatt 3. Jahrg. N. XIV. Franc. Car. conradi de minima capitis deminutione, in Parergis Lib. II. N. II. p. 164 — 193. und Hr. Prof. Roberts kleine juriſt. Abhandlungen. Mar - burg 1789. 8. N. III. . Dieſe war nun nach der Lehre des roͤmiſchen Juriſten Paulus94)L. ult. D. de cap. minut. welche auch Juſtinian95)Tit. Inſtitut. de capitis deminut. uͤber welchen Titel Ian. a costa, Theod. marcilius, und Ev. otto in Commentar. verglichen werden koͤnnen. ange - nommen, dreyerley; maxima, media und minima. Erſtere beſtand in dem Verluſt aller den buͤrgerlichen Zuſtand des Roͤmers beſtimmender Rechte, alſo in dem Verluſt der Freyheit, des Buͤrger - und Familien-Rechts. Eine ſolche Capitis Deminution erlitten diejenigen Buͤrger, ſo in die Sclaverey verfielen, es mochte nun durch die Ge -fan -1721. Buch. 5. Tit. §. 128.fangenſchaft, oder durch eine Strafe geſchehen. Die ca - pitis deminutio media aber beſtand darin, wenn, der Frey - heit unbeſchadet, nur das Buͤrgerrecht verlohren wurde. Dieſe hinderte nicht, daß man in einer andern Republick wiederum ein Buͤrgerrecht gewinnen konnte. Es war vielmehr ehemals bey der aquae et ignis interdictione darauf gerechnet, daß ein ſolcher in einer andern Repu - blick das Buͤrgerrecht ſuchen, und eben dadurch das Roͤ - miſche, indem man nach den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Staatsrechts nicht in zwey Republicken zugleich Buͤrger ſeyn konnte, verliehren ſollte96)Die Beweißſtellen aus Cicero findet man beym heinec - cius in Syntagm. Antiquitat. Rom. iurisprud. illuſtr. Lib. I. Tit. XVI. §. 10.. Nach dem neuern Rech - te erlitten dieſe mittlere capitis deminutionem beſonders diejenigen, welche ins Exilium geſchickt oder auf eine Inſel verbannt wurden, (deportati)97)Herm. cannegieter Obſervat. iuris Rom. Lib. I. c. 8. 9.. Wer eine ſol - che Capitis deminutionem maximam oder mediam er - litten hatte, wurde in Abſicht auf den Staat fuͤr buͤrger - lich todt gehalten, denn er hoͤrte dadurch auf, eine Per - ſon im Staate zu ſeyn98)Emund. merillius Obſervat. lib. IV. cap. 21.. Endlich die capitis deminu - tio minima beſtand blos in dem Verluſt der Familienrech - te, ohne daß dadurch die Freyheit oder das Buͤrgerrecht verlohren gieng. Dieſe war wieder zweyerley. Entwe - der man verlohr durch Arrogation, oder Legitimation das eigene Familienrecht (ius familiae proprium), oder man verlohr durch Emancipation oder Adoption das ge - meinſchaftliche Familienrecht (ius familiae commune). Das eigene Familienrecht hat ein Hausvater, der nebſt ſeiner ehelichen Hausfrau, Kindern, Enkeln und was ſonſt in der haͤuslichen Verfaſſung unter ſeinenBefeh -173de Statu Hominum. Befehlen ſtehet, eine Familie ausmacht; aber auch dem - jenigen wird ein eigenes Familienrecht zugeſchrieben, ja ihm die Benennung Hausvater beygelegt, der in einer Haushaltung die Herrſchaft d. i. das Recht zu befehlen hat, wenn er auch gleich keine Kinder haͤtte, ja wohl gar ſelbſt noch unmuͤndig waͤre99)L. 195. §. 2. D. de Verb. Significat. — iure proprio familiam dicimus plures perſonas, quae ſunt ſub unius poteſta - te, aut natura, aut iure ſubiectae, utputa patremfamilias, ma - tremfamilias, filiumfamilias, filiamfam. quique deinceps vicem eorum ſequuntur, utputa nepotes et neptes, et deinceps. pa - ter autem familias appellatur, qui in domo dominium ha - bet: recteque hoc nomine appellatur, quamvis filium non ha - beat: non enim ſolam perſonam eius, ſed et ius demonſtra - mus. Denique et pupillum patremfamilias appellamus, et cum paterfamilias moritur, quotquot capita ei ſubiecta fuerunt, ſin - gulas familias incipiunt habere: ſinguli enim patrumfamiliarum nomen ſubeunt: idemque eveniet et in eo, qui emancipatus eſt, nam et hic ſui iuris effectus propriam familiam habet. . Ein gemeinſchaft - liches Familienrecht aber haben diejenigen, welche von einem gemeinſchaftlichen Ahnherrn abſtammen, und aus einem Hauſe ſind, oder zu einem Geſchlecht gehoͤ - ren, und uͤberhaupt Agnati genennet werden100)L. 195. §. 2. cit. communi iure familiam dicimus om - nium adgnatorum: nam etſi, patrefamilias mortuo, ſinguli ſin - gulas familias habent; tamen omnes, qui ſub unius poteſtate fuerunt, recte eiusdem familiae appellabuntur, qui ex eodem domo et gente proditi ſunt. . Denn ſolche werden nicht nur ſchon bey Lebzeiten des Patrisfa - milias, unter deſſen Gewalt ſie ſtehen, gewiſſermaßen als Miteigenthuͤmer von deſſelben Vermoͤgen angeſehen, und erlangen daher durch die Erbfolge, welche ihnen auch ohne Teſtament gebuͤhrt, eigentlich kein neues, ſondern nur ein freyes Eigenthum an der Verlaſſenſchaft ihres Vaters1)L. 11. D. de liberis et poſthumis hered. inſtit. vel exhered. weßhalb ſie auch ſui, oder domeſtici here -des1741. Buch. 5. Tit. §. 128.des genennt werden2)§. 2. I. de heredum qualitate et different. merillius Ob - ſervat. lib. I. c. 36. voorda Interpretat. et Emendat. iuris Rom. lib. I. c. 4. püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing. c. VIII. S. 66. u. folgg., ſondern vermoͤge dieſes gemein - ſchaftlichen Familienrechts beerben ſich auch dieſe Agnaten unter einander ſelbſt3)bynkershoek Obſervat. iur. Rom. Lib. II. cap. I. und duisberg Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud uet. Rom. §. 6. ſqq. . Wer ſich nun arrogiren laͤßt, hoͤrt auf ſein eigener Herr (paterfamilias) zu ſeyn, und kommt in eines andern Gewalt, er verliehrt alſo dadurch das eigene Familienrecht. Wer hingegen emancipirt wird, verliehrt hierdurch das gemein - ſchaftliche Familienrecht, naͤmlich das ius ſui here - dis, ehemals gieng dadurch auch das Agnationsrecht zu Grunde, und der emancipirte wurde in Anſehung ſei - ner Familie als ein extraneus angeſehen. In beyden Faͤllen geſchahe alſo eine Capitisdeminution. Denn nicht zu gedenken, daß ehemals niemand bey den Roͤmern eman - cipirt werden konnte, niſi, wie Paulus4)L. 3. §. 1. D. de capite minut. ſagt, in imagina - riam ſervilem cauſam deductus; denn die Emancipation ge - ſchahe durch einen Verkauf; ſo war ja auch der capite minutus gleichſam ein neuer Menſch geworden; denn durch die Emancipation ward er ſelbſt Paterfamilias, und Haupt einer eigenen Familie; durch Arrogation und Adoption aber Theil und Mitglied einer andern Familie; in Anſehung ſeines vorigen Familienzuſtandes war er alſo gleichſam fuͤr buͤrgerlich tod zu halten5)Conf. conradi in Parergis p. 178. ſqq. und Deſid. heral - dus de rerum iudicatar. auctoritate lib. II. cap. 14. §. 2.. Ein Satz, der fuͤr das Rechtsſyſtem der Roͤmer von den wichtigſten Folgen war. Ehe ich jedoch dieſes weiter ausfuͤhre, muß ich zufoͤrderſt noch einer andern Eintheilung der Capitis -demi -175de Statu Hominum. deminution gedenken, welche Ulpian6)L. 1. §. 4. D. de ſuis et legitim. heredibus. Hiermit ſtimmt auch Calliſtratus uͤberein L. 5. §. ult. D. de extraord. cognition. lehrt. Dieſer theilt naͤmlich die capitis deminutionem ein in magnam et minorem, und nennt die erſtere diejenige, wenn die oͤffentliche Freyheit und das Buͤrgerrecht verlohren wird, letztere aber diejenige, wenn nur blos die Familienrechte veraͤndert werden. Nach dieſer Eintheilung betrachtete man den Zuſtand des Roͤmers in doppelter Ruͤckſicht: a) in Abſicht auf den Staat. In dieſer Ruͤckſicht hatte er gleichſam eine doppelte Perſon, naͤmlich er war freyer Menſch, und zugleich Buͤrger im Staate; und beydes zuſammen machte den ſtatum publicum oder den eigentli - chen ſtatum des roͤmiſchen Buͤrgers im eminentern Sinn dieſes Worts aus7)L. 1. §. 8. D. ad SCtum Tertull. . b) In Abſicht auf den Familien - zuſtand betrachtet, war der roͤmiſche Buͤrger entweder paterfamilias oder filiusfamilias, und dies machte ſeinen ſtatum privatum aus. Der Verluſt des ſtatus publici eines roͤmiſchen Buͤrgers war ſolchemnach capitis deminu - tio magna, die Veranderung des ſtatus privati hingegen, welche mit dem Verluſt des eigenen oder gemeinſchaft - lichen Familienrechts verbunden war, wird capitis deminu - tio minor vom Ulpian genennt. Von dieſer allein iſt auch zu verſtehen, wenn eben dieſer Ulpian8)L. 1. cit. an einem andern Orte ſagt: capitis minutio, ſalvo ſtatu contingens, liberis nihil nocet ad legitimam hereditatem9)Denn es war eine Regel: Die Succeßionsrechte. welche erſt durch neue Geſetze ertheilet ſind, gehen durch die geringſte Capitisdeminution nicht zu Grunde. S. Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen Lib. III. Tit. IV. §. 640.. Denn dasWort1761. Buch. 5. Tit. §. 128.Wort ſtatus wird hier in eminenten Verſtande pro ſtatu civitatis genommen10)Es iſt nicht noͤthig, mit Ger. noodt in Commentar. ad Digeſta Tit. de cap. minut. Operum T. II. p. 121. ſalvo ſta - tu civili zu leſen; wie ſchon dompierre in Specim. de Re - ſtitutionib. p. 336. bemerkt hat..
Die Wirkungen der roͤmiſchen Capitisdeminution beſtanden nun in folgenden.
I) Der Capiteminutus verlohr hierdurch alle buͤrger - liche Klagen und Rechte, die ihm vorher zuſtanden, aber auch gegen ihn hatten keine buͤrgerliche Klagen weiter ſtatt. Denn er wurde in Anſehung des durch die Capi - pitisdeminution verlohrnen vorherigen Zuſtandes gleich - ſam fuͤr buͤrgerlich tod gehalten. Hatte er capitis demi - nutionem magnam erlitten, ſo mußten ſich die Glaͤubi - ger an den Fiscus halten, der das Vermoͤgen des capite minuti eingezogen hatte. Denen Glaͤubigern eines ſol - chen Schuldners hingegen, der nur capitis deminutio - nem minorem erlitten hatte, reſtituirte der Praͤtor ih - re Klagen, wenn ſie deshalb implorirten11)L. 2. pr. et §. 1. D. de capite minut. . Daher iſt nun zu begreifen, warum die Compilatoren der Pandecten den Titel de capite minutis in die Materie von den Re - ſtitutionibus in integrum gebracht haben.
II) Rechte, die durch den Tod erloͤſchen, z. B. uſus - fructus, giengen auch durch die Capitisdeminution ver - lohren; nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte ſogar durch die geringſte, doch hat dies Juſtinian geaͤndert12)paulus Recept. Sentent. lib. III. Tit. 6. §. 29. L. 1. D. quib. mod uſusfruct. L. penult. §. ult. C. de uſufruct. .
III)177de Statu Hominum.III) Die Capitisdeminution vertilgte jedoch nur buͤr - gerliche, nicht die natuͤrlichen Rechte, quia civilis ratio na - turalia iura corrumpere non poteſt13)L. 8. D. de capite minut. S. den I. Th. dieſes Commentars S. 14.. Daher blieben
IV) Capite minuti aus ihren Verbrechen verpflich - tet, die ſie vor erlittener Capitisdeminution veruͤbt hat - ten14)L. 2. §. 3. D. eodem. . Endlich da
V) die geringe Capitisdeminution ſalvo ſtatu publico geſchahe, und keine Veraͤnderung des buͤrgerli - chen Zuſtands verurſachte, ſo hob dieſelbe iura publica nicht auf15)L. 5. §. 2. und L. 6. D. de capite minut. . Es gieng daher durch eine ſolche Capitis - deminution weder das obrigkeitliche Amt verlohren, ſo der capite minutus bekleidete, noch wurde dadurch die Vormundſchaft, welche derſelbe verwaltete, geendiget. Nur allein die geſetzliche Vormundſchaft hoͤrte auf16)L. 7. pr. D. eodem. Tutelas etiam non amittit capitis mi - nutio: exceptis his, quae in iure alieno perſonis poſitis defe - runtur Wie dieſe Worte zu verſtehen ſind, ergiebt ſich zwar aus den nachfolgenden: ſed legitimae tutelae ex duodecim tabulis intervertuntur; allein deswegen haben ſie doch in der Erklaͤrung ſelbſt denen Auslegern viel zu ſchaffen gemacht. Es wuͤrde offenbar zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich hier die ver - ſchiedenen Emendationen und Interpretationen der Rechtsge - lehrten uͤber dieſe Stelle vortragen wollte, es ſey genug, meine Leſer auf Io. van de water Obſervat. iuris Rom. lib. III. c. 13. Herm. noordkerck Obſervat. cap. 3. Abrah. wieling Lectiones iuris civ. lib. I. cap. 9. und in Omiſſis pag. 279. Pet. faber Semeſtrium lib. III. cap. 24. p. 393. lycklama a nyholt Membranar. lib. I. Ecclog. 21. Franc. balduinus in Iurisprud. Mutiana T. I. Iurisprud. Rom etAtti -,weilGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. M1781. Buch. 5. Tit. §. 128.weil ſich dieſelbe auf das Agnationsrecht gruͤndete, ſo auch durch die geringe Capitisdeminution verlohren gieng. Dies iſt die Urſach, warum der Titel von der Capitis - deminution in den Inſtitutionen in die Lehre von der Vormundſchaft mit eingeſchoben worden.
Gewiſſermaßen iſt dieſe Lehre auch noch heutiges Ta - ges anwendbar. Capitis deminutio maxima kann in den Gegenden Teutſchlands allerdings vorkommen, wo die Leibeigenſchaft herrſcht. Zwar ſind unſere Leibeigene von roͤmiſchen Sclaven ſehr verſchieden, allein es wird mir doch ein jeder zugeben, daß ein Menſch ſeine Frey - heit verliehre, wenn er in die Leibeigenſchaft geraͤth17)leyser in Meditat. ad Pandect. Spec. LXII. med. 2.. Man rechnet auch hierher, wenn ein Menſch auf Lebens - lang zum Veſtungsbau, oder Zuchthauſe verurtheilt worden. Denn auch dadurch geht die buͤrgerliche Frey - heit unſtreitig verlohren; obgleich freylich auch hier die Wirkungen der roͤmiſchen capitis deminutionis maxi - mae nicht eintreten koͤnnen, weil eine roͤmiſche Sclave - rey in Teutſchland nicht ſtatt findet. Soviel nun die capitis deminutio media anbelangt, ſo laͤßt ſich dieſe zwar heutiges Tages noch als moͤglich denken18)Einer andern Meinung iſt Frid. Ulr. pestel Exercit. ex - hibens uſum practicum capitis deminutionis mediae. Rintelii1733., in ſo -fern16)Attieae p. 507. u. a. m. zu verweiſen, welche Hr. G.J.R. Walch in den Anmerkungen uͤber eckhardi Hermenevt. iuris S. 61. ſchon angefuͤhrt hat. Die beſte Erklaͤrung unter al - len giebt der Scholiaſt uͤber die Vaſiliken. Dieſer verſtehet unter perſonis in alieno iure pofitis diejenigen, quae remanſe - runt in poteſtate uſque ad mortem patris. Denn daß ius fuͤr poteſtas genommen werde, iſt bekannt. Nach dieſer Erklaͤrung ſind alſo perſonae in alieno iure poſitae keine andern, als ad - gnati proximi non emancipati: ſo wie es auch conradi ver - ſteht in Parergis pag. 191.179de Statu Hominum. fern ſie in dem Verluſt des Buͤrgerrechts beſtehet, und Jemand auch heutiges Tages ſein Buͤrgerrecht in Teutſch - land uͤberhaupt, oder in einem teutſchen Reichsterrito - rium z. B. durch Relegation verliehren kann; inzwiſchen werden dadurch doch immer nur die beſondern buͤrgerli - chen Rechte und Vortheile desjenigen Staats verlohren, deſſen Buͤrger der Verwieſene zu ſeyn aufhoͤrt19)leyser Spec. LXII. med. 7., nicht aber die natuͤrlichen und gemeinen buͤrgerlichen Rechte, als das Recht der Agnation und der Familie, das Suc - ceßionsrecht, das Recht zu contrahiren, ein Teſtament zu machen, die Rechte der vaͤterlichen Gewalt, u. d. als welche heut zu Tage auch denen Fremden zugeſtanden werden20)schilter de iure peregrinor. §. 41. de boehmer in Me - ditat ad Conſtitut. Crim. Carol. Art. 198. §. 4. S. 907. Man ſehe auch Fratr. becmannorum Conſilia et Deciſiones P. II. Conſ. 72. S. 274. wo man einen merkwuͤrdigen Fall finden wird, daß zuweilen der Verluſt des Buͤrgerrechts an einem Ort auch den Verluſt des Erdrechts wirken kan, wenn es der Teſtator zur Bedingung des Erben gemacht hat, an einem gewiſſen Ort wohnhaft zu bleiben, und daſelbſt das Buͤr - gerrecht beyzubehalten.. Man pflegt zwar insgemein die Reichs - acht der roͤmiſchen capitis deminutioni mediae h. z. T. gleichzuachten; allein dieſe iſt noch aͤrger, als der Roͤmer capitis deminutio maxima21)pestel in der angefuͤhrten Diſſertat. §. VIII. . Denn ſie beraubt den Geaͤchteten nicht nur aller buͤrgerlichen Rechte, ſondern macht ihn auch vogelfrey. Jedermann kann ihn unge - ſtraft toͤdten. Endlich ſoviel capitis deminutionem minimam anbetrift, ſo erleiden dieſelbe auch noch heuti -M 2ges18)1733. Allein ich glaube, er hat nicht genug die Sache ſelbſt, und die Wirkungen derſelben unterſchieden. S. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 27. u. folgg.1801. Buch. 6. Tit. §. 129.ges Tages die Arrogirten und Legitimirten, denn ſie hoͤren auf, ſui iuris zu ſeyn, und werden in die vaͤterliche Gewalt gebracht; die Emancipirten aber verliehren zwar, ſelbſt nach dem neuern roͤmiſchen Recht, das Erbrecht nicht, allein doch das ius ſui heredis, mit - hin leiden ſie wenigſtens zum Theil noch die Folgen der capitis deminutionis minimae22)de cocceji in iure civ. controv. Lib. IV. Tit. 5. Qu 2. stryck in Uſu mod. Pandect. Lib. IV. Tit. V. §. 3..
Der dritte beſondere buͤrgerliche Zuſtand nach dem roͤ - miſchen Rechtsſyſtem iſt endlich der Status familiae. Man verſtehet darunter den Zuſtand eines Buͤr - gers, daß er entweder ein eigenes oder ein gemeinſchaftliches Familienrecht hat. (§. 128. S. 172 und 173.) familia heißt naͤmlich hier eine Univerſitas von Perſonen und Sachen, die zu dem Hausweſen eines Paterfamilias gehoͤren, und daher ſeiner Herrſchaft und Gewalt unterworfen ſind23)Sehr ſchoͤne Aufklaͤrungen uͤber Familie und Fami - lienrecht nach dem Syſtem des roͤmiſchen Rechts findetman. Eine181De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Eine Familie nach dieſem aͤchten roͤmiſchen Begriff be - ſtehet alſo a) aus Perſonen. Dieſe ſind, wie Ul - pian24)L. 195. §. 2. D. de Verbor. Significat. Man vergleiche Not. 99. S. 173. ſagt, paterfamilias, materfamilias, filiusfa - milias, filiafamilias, nepotes, neptes u. ſ. w. Alle die - ſe Perſonen werden zwar vermoͤge einer bekannten recht - lichen Fiction als eine Perſon angeſehen25)Einige neuere Rechtsgelehrte wollen zwar dieſe Einheit der Perſon in Zweifel ziehen, als Andr. Flor. rivinus in Diſſ. de figmento fictionis unitatis perſonae inter patrem et filium. Vitemb. 1760. und Lud. God. madihn in Principiis Iuris Rom. Part. I. §. 36. p. 51. Allein die unlaͤugbaren wichtigen und gemein bekannten Wirkungen dieſer Einheit der Perſon zwiſchen den Hausvater und den ſeiner Gewalt unterworſe - nen Perſonen widerlegen jene Grille ſattſam. Man ſehe Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 100. S. 100. der neueſten 3ten Auſtage., aber doch mit dem Unterſchiede, daß dem Hausvater die Herrſchaft und Gewalt in ſeinem Hausweſen zugeſchrieben wird. Daher ſagt Ulpian26)a. a. O. in L. 196. pr. D. eodem wird er Princeps fami - liae genennt.: Paterfamilias appellatur, qui in domo dominium habet. Zur Familie in der ange - fuͤhrten Bedeutung des Worts werden nun auch b) Sa - chen gerechnet. Daher wird das geſammte Vermoͤgen eines Hausvaters in unſern Geſetzen oft Familia ge - nennt. So ſagen z. B. die Geſetze der 12 Tafeln: Paterfamilias uti legaſſit ſuper familia ſua, ita ius eſto27)cicero lib. II. de inventione und auctor ad Herennium lib. I. ,M 3und23)man beym M. Aurel. calvanus de Uſufructu Cap. VIII. n. 8. et ſqq. Luc. van de poll de exharedatione et praeteritione Cap. IV. V. et VI. Die neuere Diſſertat. des Theod. Ioan. Adrian. van lom de Familia. Lugd. Batav. 1785. 4. macht jenen Vorgaͤngern den Rang eben nicht ſtreitig.1821. Buch. 6. Tit. §. 129.und an einem andern Ort ſagen ſie: agnatus proximus familiam habeto28)L. 195. §. 1. D. de Verb. Significat. . Die zur Familie gehoͤrige Sachen waren jedoch bey den Roͤmern von zweyerley Art, eini - ge zum Hausgottesdienſt, andere zur Hauswirthſchaft und Oekonomie beſtimmt. Denn eine jede Familie hat - te ihre Sacra privata, und dieſe waren von den Fami - lienguͤtern unzertrennbar29)cicero de Legibus lib. II. cap. 9. et 19. Conf. woogii Diſſ. de hereditate ſacrorum privatorum, und Franc. Car. con - radi de coemtionibus ſacrorum interimendorum cauſa factis in eius Parergis lib. II. n. 1.. Uebrigens war nicht nur der haͤusliche Gottesdienſt, ſondern auch alles uͤbrige zum Hausweſen gehoͤrige Vermoͤgen denen ſaͤmmtlichen eine Familie ausmachenden Perſonen gemeinſchaftlich, obwohl dem Hausvater, als dem Haupte der Familie, die Ver - waltung und Dispoſition daruͤber allein zuſtund30)Der Kuͤrze halben will ich mich hier auf die elegante Diſ - ſert. des Hieron. van bassen iongbloet de dominio patris - familias. Lugduni Batavor. 1785. 4. bezogen haben, in wel - cher man alle hierher gehoͤrige Beweißſtellen beyſammen fin - den wird.. Ihm wird daher in dieſer Ruͤckſicht vom Ulpian in der oben an - gefuͤhrten Stelle das Familieneigenthum zugeſchrieben, wel - ches ſich auch uͤber das eigene Vermoͤgen der zu ſeiner Fa - milie gehoͤrigen, und unter ſeiner Gewalt ſtehenden Per - ſonen, erſtreckte, und mehr als ein bloſer Nießbrauch war31)Von dieſem dominio ex iure familiae competente, und deſ - ſelben Unterſchiede von dem gemeinen, oder eigentlich ſo genannten Eigenthumsrechte (dominio ex iure proprietatis competente) handelt ausfuͤhrlich Guil. Ioann. ple - vier in Diſſ. de duplici dominio. Lugduni Batavor. 1785. 4.. Denn der Vater nahm nach des Hausſohns Tode deſſelben Nachlaß iure peculii hin, und war nicht ſo -wohl183De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. wohl als Erbe, ſondern wie ein ſucceſſor ex iure pro - prio, iure aperturae oder conſolidationis, anzuſehen, wenn gleich dieſes Vermoͤgen nicht vom Vater herruͤhrte, ſondern im Krieg erworben worden. (peculium ca - ſtrenſe32)L. 9. L. 14. pr. et §. 1. L. 17. pr. L. 19. §. 3. D. et L. L. penult. Cod. de caſtrenſi peculio. Weſtphal in Syſtem des roͤm. Rechts uͤber die Arten der Sachen, Beſitz, Eigen - thum und Verjaͤhrung. §. 860. S. 660..
In Abſicht auf dieſen Familienzuſtand ſind nun die Menſchen entweder ſui oder alieni iuris33)L. 1. pr. D. h. t. . Die erſten ſind ſolche Perſonen, die der Gewalt eines Patrisfami - lias nicht unterworfen ſind, ſondern ein eigenes Familien - recht haben34)Chriſt. thomasii Diſſ. de uſu practico tituli Inſtitut. de his qui ſui vel alieni iuris ſunt. Halae 1712. 4.; und dieſe ſind nach Unterſchied des Ge - ſchlechts entweder patresfamilias oder matresfamilias35)L. 4. D. h. t. Civium Romanorum quidam ſunt patres - familiarum; alii filiifamiliarum: quaedam matresfamiliarum; quaedam filiaefamiliarum. patresfamiliarum ſunt, qui ſunt ſuae poteſtatis, ſive puberes ſive impuberes: ſimili modo matresfamiliarum. . Diejenigen werden nun im Gegentheil homines alieni iuris genennt, die der haͤuslichen Gewalt oder Herrſchaft eines Paterfamilias unterworfen ſind, und dieſe ſind wieder von zweyerley Art, entweder Soͤhne und Toͤchter, die unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen, filii filiaeve fami - lias36)L. 4. cit. filiifamiliarum et filiae, quae ſunt in alie - na poteſtate. Nam qui ex me et uxore mea naſcitur, in meapote -; oder Sclaven und Sclavinnen, die der herrſchaft -M 4lichen1841. Buch. 6. Tit. §. 129.lichen Gewalt eines Paterfamilias unterworfen ſind; Ser - vi et ancillae. Das Corpus der ſaͤmmtlichen Sclaven, die ein Paterfamilias in ſeinem Hauſe hatte, wird daher auch in unſern Geſetzen ſehr haͤufig Familia genennt37)L. 195. §. 3. D. de Verbor. Signific. Hierher gehoͤrt auch der Tit. Pandectar. Si familia furtum feciſſe dicatur. (lib. XLVII. Tit. 6.)
Diejenigen Perſonen alſo, ſo weder der herrſchaftli - chen noch vaͤterlichen Gewalt eines Hausvaters unterwor - fen ſind, werden ſui iuris genennt, und dieſe ſind wieder von zweyerley Art, entweder perfecte tales, wenn ſie das - jenige Alter erreicht haben, nach welchen ſie fuͤr faͤhig geachtet werden, ſich und ihrem Vermoͤgen ſelbſt vorzu - ſtehen, ohne einen Vormund noͤthig zu haben; oder im - perfecte tales, wenn ſie dieſe Faͤhigkeit noch nicht haben. Dieſe letztern ſtehen unter der Tutel oder Curatel. Die erſtern aber nicht, von dieſen ſagen daher unſere Geſetze, neutro iure tenentur, das iſt, ſie ſtehen unter keiner Auf - ſicht, ſondern ſind ſich ſelbſt uͤberlaſſen38)Princip. Inſtitut. de tutelis. . Weil nun unter der Tutel und Curatel Pupillen und Minderjaͤh - rige ſtehen, Majorenne aber in der Regel keinen Vor - mund bekommen, auſſer wenn ſie bloͤdſinnig oder Ver - ſchwender ſind, ſo giebt dies unſern Autor Gelegenheit, nun erſt die Lehre von der Eintheilung der Menſchen in Anſehung ihres Alters vorzutragen, obgleich freylich die - ſelbe eigentlich nicht hierher gehoͤrt.
§. 130.36)poteſtate eſt: item qui ex filio meo et uxore eius naſcitur, id eſt, nepos meus, et neptis, aeque in mea ſunt poteſtate; et pronepos et proneptis et deinceps caeteri.
In Abſicht des Alters39)Die vorzuͤglichſten Schriften uͤber dieſe Materie ſind folgen - de: Dav. scheinemann Diſſ. de tempeſtivitate aetatis huma - nae. Tubing. 1668. Chriſt. wildvogel Diſſ. de aetate et iuribus circa eam obtinentibus. Ienae 1724. Chriſtph. Lud. crell Diſſ. de iure aetatis. Lipſiae 1724. et in Collect. Diſ - ſertat. Faſc. I. N. 4. vorzuͤglich aber Henr. molleri Diſſ. de eo quod iuſtum eſt circa varias hominum aerates. Traje - cti ad Rhen. 1732. et rec. Helmſtadii 1744. 4. werden nun die Men - ſchen in Minderjaͤhrige und Großjaͤhrige eingetheilt. Jene ſind, die das fuͤnf und zwanzigſte Jahr ihres Al - ters noch nicht zuruͤckgelegt haben (minores XXV. annis). Solche minorenne Perſonen ſind ferner entweder noch Kinder (infantes) oder ſolche, welche die Kinderjahre bereits uͤberſchritten haben (infantia maiores). Kinder heiſſen nach dem neuern roͤmiſchen Rechte diejenigen, welche noch nicht ſieben Jahre alt ſind. Ich ſage nach dem neuern roͤmiſchen Rechte, denn ehemals und noch zu den Zeiten derjenigen Rechtsgelehrten, aus deren Schriften die Pandecten compilirt worden ſind, nannte man, ohne ein gewiſſes Alter zu beſtimmen, einen Men - ſchen ſo lange ein Kind, bis er reden konnte40)Es beweiſen dieſes folgende Stellen der Pandecten: L. 65. §. 3. D. ad SCtum Trebell. L. 70. D. de Verb. Obligat. L. 2. D. rem. pup. ſalv. fore. L. 30. §. 2. 4. et 6. D. de fid. libertat. junct. L. 1. §. 15. D. de magiſtr. conv. L. 9. D. de acquir. hered. L. 217. D. de Verb. Signif. L. 5. D. de R. I. In allen dieſen Geſetzſtellen heißt infans is, qui fari non poteſt. Zwar finden ſich ein paar Stellen in den Pandecten, in welchen der fuͤr die Periode der Kindheit be -ſtim -. Kr. M 5Ar -1861. Buch. 6. Tit. §. 130.Arcadius hob jedoch dieſe Ungewißheit des alten Rechts auf, und verordnete, daß ein Menſch bis in das ſiebende Jahr ſeines Alters fuͤr ein Kind gehalten werden ſollte41)L. 8. Cod. Theod. de bon. matern. ; bey welcher Beſtimmung es auch die nachfolgenden By - zantiniſchen Kaiſere gelaſſen haben42)L. 18. pr. et §. 4. Cod. Iuſt. de iure deliber. . Diejenigen, ſo die Kinderjahre bereits uͤberſchritten haben, (infantia maiores) werden wieder in Unmuͤndige (impuberes) und Muͤndige (puberes) eingetheilt. Unmuͤndig iſt eine Mannsperſon vor zuruͤckgelegten vierzehnten; eine Weibs - perſon aber vor zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre. In peinli - chen Faͤllen kommt jedoch dieſer Unterſchied des Geſchlechts nicht in Betracht, denn in ſolchen werden alle diejenigen noch fuͤr unmuͤndig gehalten, welche das vierzehnte Jahr ihres Alters noch nicht erreicht haben43)Art. 164. der Peinl. Gerichts Ord. Carls V. Conf. de boehmer in Meditat. ad art. 164. C. C. C. und Eben - derſelbe in Obſervat. ad Carpzovium P. III. Quaeſt. 143. Obſ. I. . Dieſe Impuberes ſind nun entweder infantiae proximi, oder pu - bertati proximi. So gewiß aber die Geſetze dieſen Unter - ſchied anerkennen44)§. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 13. §. 1. D. de dolo mal[e]. L. 111. D. de div. Reg. iuris. , und ſo wichtig derſelbe in Anſe -hung40)ſtimmten ſieben Lebensjahre bereits Erwaͤhnung geſchiehet, naͤm - lich L. 1. §. 2. D. de adminiſtr. tut. und L. 14. de ſponſal. Allein die Hand des Tribonians iſt darin unverkennbar, wie ſchon Iac. gothofredus in Commentar. ad L. 8. Cod. Theod. de bonis matern. bemerkt, und Moller in der an - gefuͤhrten Diſſertat. Cap. I. §. 3. augenſcheinlich dargethan hat.187De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. hung ſeiner Wirkungen iſt45)Man bedenke z. B. was L. 111. cit. ſagt: pupillum, qui proximus pubertati ſit, capacem eſſe et furandi, et iniuriae faciendae. , ſo wenig treffen wir je - doch davon irgendwo in den Geſetzen eine deutliche und gewiſſe Beſtimmung an. Kein Wunder, wenn daher die Rechtsgelehrten uͤber dieſen Punct nicht mit einander einverſtanden ſind46)Die verſchiedenen Meinungen pruͤft moller in der ange - fuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 1.. Den mehrſten Beyfall ſcheint je - doch die Meinung des Accurſius gefunden zu haben47)Ihm ſtimmen bey, auſſer unſern Verfaſſer, donellus ad L. 127. D. de Verb. Obl. vinnius ad §. 10. Inſt. de inutil. ſtipulat. huber Praelect. ad tit. Dig. de ſtatu hom. §. 6. cocceji iur. civ. controv. Tit. de pactis Qu. 29. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen S. 73. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 70.. Dieſer theilt die ganze Zeit von zuruͤckgelegter Kindheit an, bis zur Pubertaͤt in zwey gleiche Theile. Haben Pu - pillen die eine Haͤlfte dieſes Zeitraums zuruͤckgelegt, ſo nennt er ſie pubertati proximos, in dem entgegen geſetzten Fall aber infantiae proximos. Jedoch macht er einen Un - terſchied in Anſehung des Geſchlechts, naͤmlich wenn ei - ne unmuͤndige Weibsperſon noch nicht 9½, eine unmuͤndi - ge Mannsperſon aber noch nicht 10½ Jahr alt iſt, ſo ſeyn ſie infantiae proximi; haben ſie aber dieſe Jahre ſchon er - reicht, pubertati proximi. Allein meines Erachtens laͤßt ſich dieſer Maasſtab mit dem Geiſt der Geſetze nicht ver - einbaren. Sehr weißlich nehmen die Geſetze hier keine gewiſſe Zahl von Jahren an, ſondern wollen vielmehr al - les auf das Maaß der Leibes - und Seelenkraͤfte ankom - men laſſen, die ſich denn aber freylich bey dem einen jun - gen Menſchen fruͤher bey dem andern ſpaͤter entwickeln. So lange ſich nun alſo Unmuͤndige noch in dem Zuſtandder1881. Buch. 6. Tit. §. 130.der ihrem zarten und jugendlichen Alter natuͤrlichen Ein - falt und koͤrperlichen Schwaͤche befinden, wo man bey ihren Handlungen ſo wenig eine Ueberlegung und Bos - heit, als Kraͤfte zur Ausfuͤhrung derſelben annehmen kann, vielmehr ihre Handlungen uͤberall noch das Ge - praͤge der jugendlichen Leichtſinnigkeit und des Unverſtan - des an ſich tragen, ſo ſind ſie, ohne daß es dabey auf eine beſtimmte Zahl der Jahre ankommt, infantiae proxi - mi, haben aber Unmuͤndige ſchon ein ſolches Maas von Leibes - und Seelenkraͤften erreicht, daß man bey ihren Handlungen Einſicht, bedachtſame Ueberlegung, ja Arg - liſt und Bosheit wahrnimmt, ſo ſind ſie pubertati proxi - mi. Dies iſt die Meinung eines Coraſius48)Miſcellaneor. lib. VI. cap. 23., Goͤd - daͤus49)de contrah. ſtipulat. cap. 7. n. 204., Robertus50)Receptar. Lectionum lib. II. cap. 17. und anderer51)S. moller cit. Diſſert. Cap. II. §. 1. S. 23. beruͤhmter Rechtsgelehrten, welche Jacob Gothofred52)in Commentar. ad L. 111. D. de Reg. Iuris. fuͤr die allerrichtigſte haͤlt, und welcher auch Joſeph Avera - nius53)Interpretation. iuris Lib. II. cap. 14. n. 1. Ich kann nicht umhin, die Worte dieſes eleganten Rechtsgelehrten meinen Le - ſern ſelbſt vor Augen zu legen. Infantiae proximus a proxi - mo pubertati diſtinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal - liditate, malitia. Certiſſimo argumento eſſe poteſt, quod Ve - teres in his diſtinguendis numquam aetatis, ſemper intellectus, et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha - bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut eſſ - doli ac delicti capaces, aut non eſſe. L. 111. D. de R Iur. §. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1. §. 15. D. depoſiti. Quoniam vero ingenii vis in aliis citius,in ſeinen Beyfall giebt. Sie iſt auch in Wahr -heit189De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. heit diejenige Meinung, die ſowohl mit dem roͤmiſchen als teutſchen Geſetzen am meiſten uͤbereinſtimmt. Denn die Geſetze des roͤmiſchen Rechts unterſcheiden bey Unmuͤn - digen, die die Kinderjahre ſchon zuruͤckgelegt haben, zwi - ſchen ſolchen, welche Einſicht und Verſtand (intellectum) haben, und ſolchen, die denſelben noch nicht haben54)§. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. ; desgleichen zwiſchen ſolchen, die einer Bosheit und eines Verbrechens faͤhig ſind, und ſolchen, die es nicht ſind55)L. 13. §. 1. D. de dolo malo. L. 1. §. 15. D. depoſiti. L. 111. princ. D. de Reg. Iur. . Sie erfordern ferner von einem pubertati proximo, daß er nicht mehr weit von der Pubertaͤt entfernt ſey56)L. 14. D. ad SCtum Silanian. . Hiermit ſtimmt auch die peinliche Gerichtsord - nung Carls V.57)Art. 164. Vortreflich erklaͤrt dieſe Stelle der ſel. Hofrath Meiſter in den rechtlichen Erkenntniſſen und Gutachten in peinlichen Faͤllen, I. Th. Deciſ. VI. n. 18. wenn er ſagt, daß die P. G. O. unter den pubertati proximis, die nahe bey vierzehn Jahren alt ſind, nicht alle junge Leute, die von ihrem ſiebenten Jahre an, die Helfte zu ihrem vierzehn - ten Jahre zuruͤckgelegt haben, als welche Berechnung des Alters ohnehin von den Geſetzen nicht vorgeſchrieben ſey, ſondern, wie der Augenſchein lehre, ſolche Perſonen, die bereits im vierzehnten Jahre ſtehen, aber ſolches noch nicht zuruͤckgelegt haben, oder hoͤchſtens auch die, welche in ihrem dreyzehn - ten Jahre dem Eintritte des vierzehnten nahe ſind, verſtehe. uͤberein, welche unter den pubertatipro -53)in aliis ſerius perficitur: idcirco a Veteribus nulla certa aetas eſt definita. Quamobrem exiſtimaverim, veroſimillimam eſſe ſententiam eorum, qui putant, id totum arbitrio iudicis committendum. L. 1. §. ult. D. de iure delib. 1901. Buch. 6. Tit. §. 130.proximis ſolche Perſonen verſtehet, die nahe bey vier - zehn Jahren alt ſind.
Muͤndig (Puberes) werden nun hingegen Perſonen maͤnnlichen Geſchlechts mit dem zuruͤckgelegten vierzehn - ten, Perſonen weiblichen Geſchlechts aber mit dem eben - falls zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre genennt. Warum Weibsperſonen zwey Jahre eher die Pubertaͤt erreichen, iſt wahrſcheinlich dieſe, weil ſie ehe die Zeugungsfaͤhig - keit erlangen, und zum Eheſtande reif werden, als Manns - perſonen, und da das Temperament allerdings auch auf den Verſtand wirkt, ſo glaubten die Alten, daß ſie auch eher geſcheid wuͤrden, als die Mannsperſonen58)S. huber in Digreſſionib. Iuſtinian. lib. II. cap. 13.. Ob nun gleich die Pubertaͤt in Anſehung der Weibsperſonen ſchon vor Juſtinian durch ein gewiſſes Geſetz, naͤmlich durch die Lex Papia Poppaea beſtimmt war59)dio cassius lib. LIV. pag. 531. heineccius in Commen - tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V. §. 2. S. 181. u. folg. merillius in Obſervat. lib. V. cap. 17, Daher kommen ſo viele Stellen in den Pandekten vor, in welchen geſagt wird, daß Weibsperſonen nicht eher als nach zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre mannbar, und tuͤchtig waͤren, ſich zu verehelichen. S. L. 4. de ritu nuptiar. L. 32. § 27, D. de donat, inter vir. et uxor. L. 17. §. 1. de rebus auct. iud. poſſid. Dieſes anfaͤnglich blos wegen der Ehen geſetzlich beſtimmte Alter der weiblichen Muͤndigkeit wurde in der Folge durch die Gutachten der roͤmiſchen Rechtsgelehrten in allen uͤbrigen buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, wo von Muͤndigkeit der Weibsperſonen die Frage iſt, feſtgeſetzt. Z. B. bey Teſta - menten, Pupillar-Subſtitution, Tutelen u. d. L. 5. D qui teſtam. fac. poſſ. L. 2. pr. D. de vulg. et pup. ſubſtitut. L. 11. pr. quod falſ. tutore. L. 3. de cenſib. ; ſo fehlte es doch an einer ſolchen geſetzlichen Beſtimmung in An - ſehung der maͤnnlichen Pubertaͤt vor den Zeiten Juſti -nians191De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. nians gaͤnzlich, daher waren die roͤmiſchen Rechtsgelehr - ten uͤber dieſen Punkt ſehr verſchiedener Meinung60)Man ſehe merillius Obſervat. lib. I. cap. 22. lib. V. cap. 16. lib. VIII. cap. 29. bynckershoek Obſervat. iuris Rom. lib. III. cap. 24. Ulr. huber Digreſſion. Iuſtinian. lib. III. cap. 13. et 14. grotius Florum ſparſione ad Ius Iuſtin. p. 30. de ludwig Different iuris in aetate puberum et maiorum. Halae 1725. gundling in Gundlingianis XXIV. Stuͤck. N. 2. S. 340 — 366. mascov de Sectis Sabinianor. et Proculejanor. Cap. IX. §. 2. ſqq. . Die Caßianer wollten die Pubertaͤt bey Mannsperſonen aus der Beſchaffenheit des Koͤrpers und der Zeugungs - faͤhigkeit beurtheilt wiſſen, und glaubten daher, daß hier - zu eine Beſichtigung noͤthig ſey61)ulpian. Fragm. tit. XI. §. ult. princ. Inſt. quib. mod. tut. finit. . Die Proculejaner hingegen hielten mit Hippocrates und den Stoikern, ohne weitere Beſichtigung, uͤberhaupt ein Alter von vier - zehn Jahren zur maͤnnlichen Pubertaͤt hinreichend62)plutarch lib. V. de placit. Philoſophor. c. 24.. Priscus, ob Neratius oder Javolenus? weiß man nicht, ſuchte jene beyden ſtreitende Secten dadurch zu vereinigen, daß er zwar in Anſehung der Ehemuͤn - digkeit die Meinung der Caßianer, in allen uͤbrigen Faͤllen hingegen, wo es ſonſt auf Muͤndigkeit ankommt, z. B. bey Errichtung eines letztern Willens, die Mei - nung der Proculejaner annahm, und auf ſolche Art gleichſam das Mittel zwiſchen jenen zwey Extremen hielt. Dieſe Meinung muß vor Juſtinians Zeiten den meiſten Beyfall gefunden haben. Man ſiehet dies wenigſtens daraus, weil uͤberall in den Geſetzen der Pandecten, wo von der Muͤndigkeit der Mannsperſonen zu Errichtung eines Teſtaments, Endigung der Tutel, und in andern buͤrgerlichen Rechtsgeſchaͤften, auſſer der Ehemuͤndig -keit,1921. Buch. 6. Tit. §. 130.keit, die Rede iſt, ein Alter von vierzehen Jahren erfor - dert wird63)L. 5. D. qui teſtam. fac. poſſ. L. 2. pr. et L. 15. D. de vulg. et pupill. ſubſtit. L. 11. pr. quod falſo tut. L. 3. D. de cenſ. Cujaz lib. XXII. Obſervat. cap. 20. und Augu - ſtin lib. III. Emendat. cap. 5. wollen zwar jene Stellen fuͤr interpolirt halten; allein ohne genugſamen Grund, denn auch Paulus Receptar. Sent. lib. III. Tit. IV. §. 1. macrobius in Somn. Scipionis lib. I. c. 6. und tertullianus de vel, virgin. cap. 11. ſtimmen mit denſelben aufs genaueſte uͤber - ein. Daß inzwiſchen die Beſtimmung der Pubertaͤt in An - ſehung der Mannsperſonen bis auf Juſtinians Zeiten zweifelhaft geblieben, zeigt merillius lib. V. Obſervat, cap. 16.. Juſtinian billigte endlich die Lehre der Proculejaner, und ſetzte feſt, daß eine Mannsperſon in allen Faͤllen nach zuruͤckgelegten vierzehnten Jahre eben ſo, wie eine Weibsperſon nach zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre, fuͤr muͤndig gehalten werden ſolle64)L ult. Cod. Quando tut. vel curat. eſſe deſinunt. Princ. I. quib. mod. tut. finit. — Pubertatem autem veteres quidem non ſolum ex annis, ſed etiam ex habitu corporis in maſcu - lis aeſtimari volebant. Noſtra autem Majeſtas dignum eſſe ca - ſtitate noſtrorum temporum exiſtimans, bene putavit, quod in foeminis etiam antiquis impudicum eſſe viſum eſt, id eſt, inſpectionem habitudinis corporis, hoc etiam in maſculos ex - tendere. Et ideo noſtra ſancta conſtitutione promulgata, pu - bertatem in maſculis poſt decimum quartum annum completum illico initium accipere diſpoſuimus: antiquitatis normam in foe - minis bene poſitam, in ſuo ordine relinquentes, ut poſt duo - decim annos completos viripotentes eſſe credantur. . So lang jedoch Weibsperſonen noch nicht das vierzehnte, Manns - perſonen aber noch nicht das achtzehnte Jahr erreicht haben, heißt dieſe Muͤndigkeit nur eine unvollkommene (pubertas minus plena); haben ſie aber jenes Alter erreicht, ſo faͤngt alsdann erſt die voͤllige Muͤndigkeit an. Jedoch iſt dieſe letztere immer nur als eine Aus -nahme193De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. nahme von der Regel anzuſehen. Der Regel nach wird die unvollkommene Muͤndigkeit fuͤr hinreichend gehalten. Die Ausnahme findet in folgenden Faͤllen ſtatt. a) Wenn Jemand adoptiren will, ſo muß er 18 Jahr aͤlter ſeyn, als das Kind65)§. 4. I. de adopt. L. 40. §. 1. D. eodem. . b) Wenn einer Perſon die Alimen - te bis zur erlangten Muͤndigkeit verſprochen oder ver - macht worden ſind66)L. 14. §. 1. D. de aliment. legat. Fuͤrtreflich erlaͤutert die - ſes Geſetz Ios. averanius Interpretat. iuris Tom. II. lib. V. cap. 9. Ich will nur ſeine Paraphraſe n. 5. S. 198. her - ſetzen, welche allein ſchon Aufſchluß geben wird: Non con - ſtituit adrianus generaliter, alimenta usque ad pubertatem praeſtanda pueris et puellis deberi usque ad annum decimum octavum ac decimum quartum: ſed in ſpecie definivit hanc aetatem in pueris, ac puellis, qui trajani inſtituto alimenta accipiebant e publico. Qui conſecuti ſunt Principes, hanc de - finitionem aetatis ſervarunt etiam in novis pueris ac puellis, (d. i. bey denen uͤber die beſtimmte Zahl angenommenen Pfleg - kindern) quibus e publico alimenta praeſtari praeceperunt. De alimentis in teſtamento relictis, aut praeſtandis a privatis us - que ad pubertatem nihil definitum fuerat ab Imperatoribus: ſed ulpianus exemplo alimentorum, quae e publico praeſta - bantur, non incivile eſſe dixit, obſervare hoc tempus aetatis: et formam ab adriano datam publicis alimentis, et ab alexandro severo confirmatam, extendit ad alimenta pri - vata a teſtatoribus relicta: et id, ut ait, intuitu pieta - tis. Mela tentaverat alimenta pueris ac puellis relicta ad tempus pubertatis reſtringere, adductus, ut puto, Imperato - rum exemplo: ſed eius opinionem refutavit ulpianus in ea - dem Lege adde merillium lib. III. Obſervat. cap. 29. Den Unterſchied, den uͤbrigens surdus in Tr. de alimentis priv. legat. Cap. 58. n. 8. zwiſchen armen und reichen macht, ver - wirft mit Recht averanius a. a. O. cap. 10.. c) Darf keine Perſon von we - niger als 18 Jahren zum richterlichen Amt gelaſſen wer -den;Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. N1941. Buch. 6. Tit. §. 130.den; die Sentenz eines ſolchen noch nicht vollkommen muͤndigen Richters gilt nicht. Es waͤre denn, daß er vom Landesherrn geſetzt worden, in welchem Fall man ſeine Faͤhigkeit nicht bezweifeln darf67)L. 57. D. de re iudicat. . d) Wenn zur Entſcheidung eines Rechtshandels ein Eyd vor Gericht abzuleiſten, in dieſem Fall wird nach dem Gerichtsge - brauch bey dem Schwoͤrenden die voͤllige Muͤndigkeit er - fordert68)Vide Autorem §. 793.. Auſſer dieſen Faͤllen kann endlich e) zuwei - len ein beſonderes Geſetz, Vertrag oder Teſtament die voͤllige Muͤndigkeit zur Bedingung feſtſetzen.
Ob nun gleich nach meiner Vorſtellungsart die Minderjaͤhrigkeit eigentlich ein dreyfaches Alter in ſich begreift, naͤmlich 1) die Kindheit, 2) das Alter der Unmuͤndigkeit (pueritia, aetas pupillaris,) und 3) die Muͤndigkeit oder Mannbarkeit (pubertas, ſ. ado - leſcentia);69)S. hofacker in Princip. iuris Rom. Germ. Tom. I, §. 242 — 244. ſo darf ich doch nicht unbemerkt laſſen, daß unſere Geſetze die Minderjaͤhrigkeit haͤufig auch nur in zwey Hauptabſchnitte zertheilen, naͤmlich das Alter der Unmuͤndigkeit, und das Alter der Muͤn - digkeit; das erſtere nennen ſelbige aetas prima, und dieſe begreift alsdann ſowohl die Jahre der Kindheit als des Pupillaralters unter ſich; das andere hingegen wird aetas ſecunda genannt70)L. 30. C. de epiſcop. audient. L. 10. C. de impub. et aliis ſubſtitut[.]L 8. §. 3. C. de bon. quae lib. Man ſehe nach brissonius de Verb. Signiflcat. v. aetas. vorzuͤglich aber Aem. Lud. hombergk zu Bach in Diſſ. de diverſo iure patris in pecu[l]o adventitio pro diverſa liberorum aetate ad L. 8. §. 3. C. de bon. quae lib. Marb. 1753. §. XI. et XII. . Beyde Alter ſind in Anſe -hung195De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. hung ihrer Wirkungen und der davon abhangenden Rech - te gar ſehr verſchieden. Dieſes wird ſich jedoch erſt in der Folge zeigen. Hier will ich nur einige ganz allge - meine Bemerkungen hinzufuͤgen.
I) Kinder werden wegen Mangel an Einſicht deſſen, was ſie unternehmen, von den Geſetzen denen Raſenden und Wahnſinnigen gleichgeachtet71)§. 10. I. de inutilib. ſtipulat. L. 209. D. de Verb. Signif. . Ihre Handlungen koͤnnen daher weder Rechte noch Verbindlichkeiten wirken.
II) Unmuͤndige, die zwar uͤber die Jahre der Kind - heit hinaus, aber doch der Kindheit naͤher, als der Muͤndigkeit, (infantiae proximi) ſind, werden in An - ſehung ſolcher Handlungen, die ihnen zum Nachtheil ge - reichen, z. E. wenn ſie unerlaubte Handlungen begehen, denen Kindern gleichgeachtet; iſt hingegen von der Faͤ - higkeit, Rechte zu erwerben, und andere ſich zu verbin - den, uͤberhaupt davon die Rede, was ihnen zum Nutzen gereicht, ſo haben ſie dieſelben Rechte, welche denen pu - bertati proximis zukommen72)§. 10. I. cit. L. 9. D. de acquir. vel omitt. beredit. .
III) Solche Unmuͤndige hingegen, welche der Muͤndigkeit nahe ſind, (pubertati proximi) werden in Anſehung der Moralitaͤt und Strafbarkeit unerlaubter Handlungen mehr nach dem Rechte der Muͤndigen als der Kinder beurtheilt. Man rechnet ihnen nicht nur gro - be Nachlaͤßigkeit zu, ſondern ſie werden auch ſogar eines boͤſen Vorſatzes faͤhig geachtet73)L. 13. §. 1. D. de dolo malo. L. 111. D. de div. Reg. Iuris. , inzwiſchen pflegt man ſolche junge Delinquenten nicht leicht am Leben zu ſtra -N 2fen1961. Buch. 6. Tit. §. 130.fen74)Peinl. Gerichtsordn. Art. 164., wenn nicht etwa die Bosheit bey ih - nen das Alter erfuͤllen moͤchte75)Nach der ſehr richtigen Erklaͤrung des ſel. Hofr. Meiſters in den rechtl. Erkenntniſſen und Gutachten in peinlichen Faͤl - len 1. Th. Deciſ. VI. n. 21. iſt eine das Alter erfuͤl - lende Bosheit weder aus der Groͤße oder Wiederholung des Verbrechens, noch des dadurch geſtifteten Schadens allein zu beurtheilen, weil auch große Vergehungen leicht aus einem der unbeſonnenen Jugend ſo natuͤrlichen Mangel der Ueber - legung, und dem Leichtſinne erfolgen koͤnnen: ſondern es iſt vielmehr eine ſolche Bosheit, die das Alter erfuͤllt, ſodann vorhanden, wenn ein ſolcher junger Menſch die Groͤße ſeiner vorhabenden Miſſethat mit ihren Folgen genugſam ein - zuſehen im Stande geweſen, und wirklich eingeſehen, und dennoch die Bewegungsgruͤnde, welche ihn davon haͤtten ab - halten ſollen, muthwillig aus den Augen geſetzet; imgleichen wenn er das Verbrechen mit einer ſolchen Argliſt und Schlauig - keit, die einen geuͤbten Verſtand, und bedachtſame Ueberlegung vorausſetzet, ins Werk gerichtet hat. S. auch boehmer ad Carpzovium P. 3. Quaeſt. 143. Obſ. 2. kress in Com - mentar. ad Art 164. not. 4.. In An - ſehung erlaubter Handlungen aber, wenn von deren Ver - bindlichkeit die Rede iſt, hat es zwar keinen Zweifel, daß ein ſolcher Unmuͤndiger mit Zuziehung ſeines Vormun - des alle verbindliche Geſchaͤfte guͤltig eingehen koͤnne; befindet ſich indeſſen derſelbe noch in vaͤterlicher Gewalt, ſo kann er nach roͤmiſchen Rechten nicht verbindlich ge - macht werden, wenn gleich der Vater das Geſchaͤft ge - nehmiget76)§. 10. I. de inutil. ſtipulat. — Sed qui in poteſtate pa - rentis eſt impubes, ne auctore quidem patre obligatur, add. L. 141 §. 2. D. de Verb. Oblig. . Es ſtimmen jedoch die heutigen Rechts - lehrer darin uͤberein, daß heutiges Tages dieſer Unter - ſchied nicht ſtatt finde, ſondern die Einwilligung des Va - ters bey den rechtlichen Geſchaͤften eines Unmuͤndigeneben197De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. eben ſo verbindlich, als die Auctoritaͤt des Vormunds, ſey77)arg. L. 18. in fin. Cod. de iure delib. L ult. §. 4. in fin. Cod. de bonis, quae lib. Man ſehe vinnius in Commentar. ad Inſtitut. ad §. 10. n. 6. Inſt. de inutilib. ſtipulat. und zoesius in Commentar. ad eundem §. 10. Inſtitut. S. 519..
Die Minderjaͤhrigkeit dauert uͤbrigens nach roͤmi - ſchen Rechten bis zum Ende des fuͤnf und zwanzigſten Jahres. Dieſe Beſtimmung gruͤndet ſich auf das Laͤto - riſche Geſetz78)Verfaſſer und Zeitalter dieſes Geſetzes ſind nicht gewiß. Gewoͤhnlich ſchreibt man es dem Tribun M. Laͤtorius Plancianus zu, und ſetzt es ins Jahr der Erb. Roms CCCCXC. S. Io. Hieron. hetzer Diſſ. ad Legem Laetoriam. Lipſiae 1749., welches daher auch von den Alten lex quinavicennaria79)L. 2. C. Th. de donat. (lib. VIII. tit. 12.) plautus in Pſeudolo Act. 1. Sc. 3. v. 68. 69. genennet wird. Hier findet kein Un - terſchied des Geſchlechts ſtatt, denn auch Weibsper - ſonen, wenn ſie gleich fruͤher die Pubertaͤt erreichen, werden doch, eben ſo wie Mannsperſonen, erſt nach zu - ruͤckgelegten fuͤnf und zwanzigſten Jahre majorenn. Die Alten nahmen naͤmlich hundert Jahre fuͤr das hoͤch - ſte Ziel des menſchlichen Lebens an80)L. 56. D. de uſufructu, seneca de brevitate vitae cap. 3. et censorinus de die natali cap. 17.. Haͤtte nun der Menſch das erſte Viertel dieſer Lebenszeit zuruͤckgelegt, ſo habe er dasjenige Maas von Leibes - und Seelenkraͤf - ten erlangt, welches erfordert werde, um ſich und ſein Vermoͤgen ſelbſt zu dirigiren. So lehrten wenigſtens Galen und Hippocrates, und es ſcheint, daß Laͤtorius ihre Lehre befolgt habe81)S. moller cit. Diſſertat. Cap. V. §. 2. Hieraus erklaͤrt ſich, wenn Ulpian in L. 1. §. 2. D. de minorib. ſagt: poſthoc. In Teutſchland iſt zwarN 3die -1981. Buch. 6. Tit. §. 130.dieſer Termin der Majorennitaͤt nicht uͤberall angenom - men; denn es giebt Laͤnder, wo die Großjaͤhrigkeit ſchon vor dem 25. Jahre, zuweilen im 21ſten wie z. B. in Sachſen, zuweilen auch noch fruͤher, eintritt; inzwiſchen bleibt doch der roͤmiſche Termin immer die Regel, wo es an beſondern teutſchen Vorſchriften mangelt.
Zuweilen ergaͤnzt auch der Landesherr den Mangel der Volljaͤhrigkeit durch ein Privilegium, welches man veniam aetatis nennt82)Nic. myler ab ehrenbach Etologia. Tub. 1664. 4. de cramer D. de iure principis concedendi veniam aetatis (in Opuſc. Tom. II. p. 572.) Io. Car. koenig Differentiae iuris Rom. et Germ. in concedenda venia aetatis. Marburg 1753.. Nach dem roͤmiſchen Rechte werden hierzu wenigſtens 20 Jahre bey einer Manns - perſon, und 18 Jahre bey einer Weibsperſon, im - gleichen Zeugniſſe uͤber die gute Auffuͤhrung und den or - dentlichen Lebenswandel des Supplicanten erfordert83)L. 2. Cod. de his qui veniam aetatis. S. Andr. van dam Diſſ. ad Legem ſecundam Cod. de his, qui veniam aetatis im - petrarunt. Lugduni Batavor. 1785. 4.. Wer dieſes Privilegium erhalten hat, wird hierdurch zwar von der Curatel frey, ehe er noch 25 Jahr alt iſt, und genießt in ſofern die Rechte der Volljaͤhrig - keit, daß er nun alles ohne Curator thun kann, was er zuvor nicht anders, als mit Einwilligung des Curators, guͤltig thun konnte. Allein die freye Dispoſition uͤber ſein unbewegliches Vermoͤgen bekommt der Impetrant anders nicht, als wenn ihm ſolche zugleich und ausdruͤck -lich81)hoc tempus (XXV. annor. ) virilem vigorem compleri; und wenn in den Geſetzen von denen, die die Großjaͤhrigkeit er - reicht haben, geſagt wird, ſie waͤren ad ſuam aetatem, ad ſtatum ſuum gekommen. L. 2. D. de negot. geſt. L. 77. §. 14. D. de legat. 2. Eben deswegen wird auch die Majorennitaͤt in unſern Geſetzen aetas perfecta, plena, robuſta, genennt. S. brissonius de Verbor. Signif. v. actas. 199De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. lich verliehen worden iſt. Dies nennt man die voll - kommene oder auſſerordentliche Jahrgebung. Ohne dieſelbe iſt die Einwilligung der Obrigkeit erforderlich, wenn ein ſolcher Minderjaͤhriger, der durch ein landesherr - liches Privilegium fuͤr majoreun erklaͤrt worden iſt, un - bewegliche Guͤter verkaufen oder verpfaͤnden will84)L. 3. Cod. de his, qui ven. aet. . Auch bleibt ihm der Charakter der Minderjaͤhrigkeit, wenn von Uebernehmung einer Vormundſchaft85)S. wildvogel Diſſ. de tutore minore, qui veniam aeta - tis impetravit. Ienae 1674. Struben rechtliche Bedenken III. Th. Bed. 32., oder eines andern oͤffentlichen Amts, wozu die geſetzliche Voll - jaͤhrigkeit erfordert wird, die Rede iſt86)myler cit. libro cap. VI. et VII. . Gleichwie denn auch die venia aetatis demjenigen nichts hilft, dem etwas unter der Bedingung der Großjaͤhrigkeit in einem letzten Willen iſt vermacht oder geſchenket worden. Da - her iſt ein ſolcher Menſch, der veniam aetatis erhalten hat, in verſchiedener Ruͤckſicht majorenn und minorenn zugleich87)Ern. Io. Frid. Mantzel Diſſ. de eo, qui eſt maior - et minorennis ſimul. Roſtochii 1747. 4..
Die Volljaͤhrigen werden nun wieder in junge und alte Perſonen88)Ge. Ad. struv de iuribus ac privilegiis ſenectutis. Ienae 1664. Ern. Gottfr. Chriſt. klügel Diſſ de Senectute non honorata, praeſ. Andr. Flor. rivino Vitembergae habita 1759. et Chriſt. Henr. breuning Diſſ. quatenus ſenectus liberet a contumacia, ſi citatus non compareat. Lipſiae 1772. eingetheilt. Wenn aber das Alter (Senectus) ſeinen Anfang nehme, haben unſere Geſetze nirgends allgemein beſtimmt; es war auch in der ThatN 4nicht2001. Buch. 6. Tit. §. 131.nicht moͤglich, einen allgemeinen Termin fuͤr das eintre - tende Alter feſtzuſetzen, weil die Erfahrung lehrt, daß ſich daſſelbe bey dem einen fruͤher, bey dem andern ſpaͤter, aͤuſſert. Es kommt alſo hierbey alles auf das Ermeſſen des Richters an89)zacchias Quaeſtion. Medico-Legal. Lib. I. Tit. 1. Qu. 9. carpzov Pract. rer. crim. P. III Qu. 144. n. 13., welcher bey ſeinem Urtheil uͤber das Alter eines Menſchen vorzuͤglich auf die Leibes - und Ge - muͤthskraͤfte deſſelben zu ſehen hat90)Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 56. u. folgg.; wenn nicht etwa die gemeinen oder beſondern Rechte in dieſem oder jenem Fall beſonders beſtimmt haͤtten, wenn ein Menſch fuͤr alt gehalten werden ſolle. So z. B. nehmen die roͤmiſchen Geſetze an, daß man nach zuruͤckgelegten ſechzigſten Jahre zum Zeugungsgeſchaͤft nicht mehr aufgelegt ſey, und erlauben daher, in einem ſolchen Alter zu adoptiren91)L. 15. §. 2. D. de adoption. . Sie ſprechen ferner denjenigen, welcher ſiebenzig Jahr alt iſt, von der Uebernahme der Vormundſchaften frey92)§. 13. Inſt. de excuſat. tutor. L. 2. §. 1. D. eodem. L. 3. D. de iure immunitat. L. un. Cod. qui aetate ſe excuſant. u. ſ. w. In Sachſen wird ein Menſch fuͤr alt gehalten, wenn er das ſechzigſte Jahre uͤberſchritten hat93)Saͤchſiſch Landrecht B. I. Art. 48..
Perſonen, welche von der vaͤterlichen Gewalt frey, aber noch unmuͤndig ſind, werden Pupillen, Muͤndel oder Muͤndlinge94)L. 239. pr. D. de Verb. Significat. pupillus eſt, qui, cum impubes eſt, deſiit in patris poteſtate eſſe aut morte, aut emancipatione. genennt. Solche junge Leute, wennſie201De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſie auch uͤber die Jahre der Kindheit hinaus ſind, haben doch noch nicht diejenige Ueberlegung und Einſicht, um ſich ſelbſt, und ihrem Vermoͤgen vorzuſtehen. Sie koͤn - nen in rechtlichen Geſchaͤften auch noch keinen vollkom - menen und verbindlichen Conſens fuͤr ſich erklaͤren. Es iſt vielmehr ein Mangel in ihrer Perſon vorhanden, der durch die Auctoritaͤt eines Beyſtandes ergaͤnzet werden muß. Pupillen muͤſſen alſo einen Vormund bekommen, der die Aufſicht uͤber ihre Perſon und Guͤter fuͤhrt. Dies er - heiſchet ſelbſt das Wohl des Staats, damit ſolche junge und noch unverſtaͤndige Leute nicht um ihr Vermoͤgen kom - men. Ob nun gleich Puberes nach roͤmiſchen Geſetzen fuͤr ſolche Perſonen angeſehen werden, die ſich auch oh - ne Beyſtand verbindlich machen koͤnnen95)L. 101. D. de Verb. Oblig. L. 3. Cod. de in int. reſtitut. minor. Io Guil. marckart Interpretat. receptarum iuris civ. lectionum lib. I. cap. 21. ſagt daher ganz richtig: Pubes eſt integra perſona, quae integrum conſenſum declarare poteſt, quod ad obligandum minorem ſufficit. Curatoris conſenſus id efficit, ut difficilior fiat reſtitutio. ; (perſonae in - tegrae) ſo fehlt es ihnen doch an Erfahrung und genug - ſamer Faͤhigkeit zu ihrer eigenen Leitung, ſie koͤnnen da - her leicht hintergangen werden. Die Geſetze haben des - wegen in Anſehung ihrer eine Curatel (cura mino - rum) nicht nur einzufuͤhren fuͤr gut befunden, ſondern geben ihnen auch im Fall erlittener Verletzung die Rechts - wohlthat der Wiederherſtellung in vorigen Stand. Hier - von wird zu ſeiner Zeit mit mehrern gehandelt werden.
Diejenigen Perſonen hingegen, welche der Gewalt eines Hausvaters unterworfen ſind, (homines alieni iuris) warenN 5bey2021. Buch. 6. Tit. §. 132.bey den Roͤmern theils Kinder vom Hauſe (filii filiaevefa - milias,) theils Sclaven und Sclavinnen. Unter beyden war ein merklicher Unterſchied. Sclaven wurden in Ab - ſicht des Staats fuͤr keine Perſonen angeſehen, und hatten uͤberall keine buͤrgerlichen Rechte im Staate. (S. 231. u. folg.)96)L. 20. §. 7. D. Qui teſtam. fac. poſſ. Conf. Ioſ. finestres Hormogenian. T. I. S. 253.. Allein Filii familias waren in Ruͤckſicht des Staats freye Menſchen und Buͤrger. Sie hatten alle Rechte und Pflichten roͤmiſcher Buͤrger. Sie konn - ten daher oͤffentliche Aemter im Staate bekleiden; zu Vor - muͤndern unmuͤndiger Kinder beſtellet werden97)L. 9. D. h. t. Princ. Inſt. qui teſtam. tutores dari poſſ. L. 6. in fin. D. quod cuiusq. univ. L. 2. D. de munerib. , und wenn ſie nur ſonſt iuſtae aetatis waren, mit allen und jeden Perſonen auſſer der Familie Contracte ſchlieſ - ſen, auch nach dem civil Recht daraus verpflichtet wer - den98)§. 6. I. de inutil. ſtipulat. L. 39. D. de obligat et action, L. ult. §. 2. D. de Verb. Obligat. L. 18. D. de caſtrenſi pecul. L. 6. et ult. Cod. de bon. quae lib. §. 4. I. et L. 2. D. quod cum eo qui in aliena poteſt. . Bekleidete der Sohn ein obrigkeitliches Amt, ſo hatte ihm in Sachen, die die Verwaltung deſſelben angiengen, der Vater nicht nur nichts zu befehlen, ſon - dern es konnte im Gegentheil der Sohn von Amtswegen dem Vater Befehle ertheilen, und ihn zu ſeiner Schul - digkeit anhalten99)L. 13. §. ult. L. 14. D. ad SCtum Trebell. S. I. Th. die - ſes Commentars §. 13. S. 96. 97.. Allein im Verhaͤltniß gegen den Paterfamilias, deſſen Gewalt beyde unterworfen waren, finden wir eine Aehnlichkeit unter beyden. Doch getraue ich mir nicht mit unſern Hrn. Verfaſſer zu behaupten, daß ihr Zuſtand, in dieſem Verhaͤltniß betrachtet, voͤlliggleich203De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. gleich geweſen. Es iſt wahr, daß Kinder, die der Vater noch in ſeiner Gewalt hatte, in allen Faͤllen innerhalb der Familie nicht als Perſonen angeſehen wurden, ſondern, wie die Sclaven, ſich gewiſſermaßen in dem Eigenthum des Vaters befanden100)caius lib. I. Inſt. Tit. 6. §. 3. L. 1. §. 2. D. de Ret Vindicat. L. 14. §. 13. D. de furt. Weber Entwickelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit. 3. Abth. §. 88. S. 31. Ioſ. finestres Hermogenian. Tom. I. S. 533.; daher konnte der Paterfami - lias durch ſeine Kinder, wie durch ſeine Sclaven, acqui - riren1)Pr. et §. 1. I. per quas perſonas cuique acquir. ; zwiſchen dem Vater und den Kindern, die noch unter ſeiner Gewalt ſtanden, konnte keine buͤrgerliche vollguͤltige Verbindlichkeit ſtatt finden2)Es iſt eine bloße natuͤrliche Verbindlichkeit, wel - che nach roͤmiſchen Rechten zwiſchen den Vater und ſeinen Kindern eintreten kann. Hierher gehoͤrt vorzuͤglich die bekann - te Stelle aus den Schriften des Afrikanus in L. 38. D. de condict. indeb. welche ſo viele Ausleger von Zeit zu Zeit beſchaͤftiget hat. Die einzelen Schriften findet man im li - penius und Schotts Supplement. unter condictio indebiti. Jedoch vermiße ich Chriſtoph. David. gerlach Diſſ. unter dem Titel: celeberrima atque Intricata Lex frater a fratre 38. princ. D. de condict. indebiti noviter ac dilucide explicata. Tubingae 1738. 4. Vorzuͤglich empfehle ich aber Iac. cuja - cius ad Africanum Tract. IX. ; ſie konnten kei - ne Vertraͤge unter einander ſchlieſſen3)§. 6. I. de inutil. ſtipulat. ; keinen gerichtlichen Proceß mit einander fuͤhren4)L. 4. D. de iudic. L. 7. D. de Obl. et Acr. . Denn Vater und Kin - der wurden nicht als verſchiedene, ſondern als eine Perſon angeſehen5)merillius lib. III. Obſervat. cap. 4. . Allein dem ungeachtet hatten doch Kinder vom Hauſe Familienrechte, welche mit dem wichtigſten Vortheilen verbunden waren. In dieſerRuͤck -2041. Buch. 6. Tit. §. 133.Ruͤckſicht wurden die Kinder ſchon bey Lebzeiten des Va - ters gewiſſermaßen als Herrn des vaͤterlichen Vermoͤgens angeſehen, und wurden daher nach des Vaters Tode ip - ſo iure Erben deſſelben, ohne daß eine Erklaͤrung und Erbſchaftsantretung hierzu noͤthig war6)Siehe oben S. 173. und folg. auch aueranius Interpretat. iuris Lib. I. cap. IX. vorzuͤglich aber Ioſ. finestres in Prae - loctionib. Cervar. ſ. Commentar. academ. ad Tit. Pandectar. de liberis et poſthumis Part. I. Cap. II. §. 7 — 11.. Alſo war doch wohl, wenigſtens in Ruͤckſicht dieſes Familienrechts, der Zuſtand der Kinder beſſer, als der Zuſtand der Sclaven.
Da Filii und Filiaͤ Familias unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen, ſo giebt uns dies Veranlaſſung, dieſe wich - tige Lehre7)Die vorzuͤglichſten Schriften ſind Phil. paschalis de viri - bus patriae poteſtatis. Uratislaviae 1672. fol. Pet. aerodius de iure patrio (adiect. eiusdem Pandect. rer. iudicat.) Abrah. a kerckraad de iure patrio Vltraj. 1708. 8. thomash Diſſ. de uſu practico Tit. Inſtitut. de patria poteſtate. Beſon - ders Hanns Ernſt von Globig Preißſchrift uͤber die Gruͤnde und Graͤnzen der vaͤterlichen Gewalt. Dresden und Leipzig 1789. 8. jetzt abzuhandeln. Wir muͤſſen nun zufoͤr - derſt die wahre Beſchaffenheit der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt mit ihren Veraͤnderungen und Modificationen kennen lernen, die ſie durch die neuern roͤmiſchen Geſetze erlitten hat.
Nach aͤltern roͤmiſchen Rechten war die vaͤterliche Gewalt ein alleiniges Vorrecht des roͤmiſchen Hausva -ters205De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ters8)Ius poteſtatis, quod in liberos habemus, ſagt iustinianus §. 2. I. de patr. pot. proprium eſt civium Romanorum: nulli enim alii ſunt homines, qui talem in liberos habeant poteſta - tem, qualem nos habemus. Ueber den eigentlichen Sinn die - ſer Worte vergleiche man den Ianus a costa in Comment. ad h. §. 2.. Die Hausmutter hatte daran keinen Antheil9)ulpian. Fragm. Tit. VIII. §. 8. L. 5. C. de adopt. . Denn da der Paterfamilias als das Haupt der Fami - lie angeſehen wurde, deſſen Herrſchaft alle zur Familie gehoͤrige Perſonen unterworfen waren, ſo ſchien es un - ſchicklich zu ſeyn, der Mutter einen Antheil an der vaͤter - lichen Gewalt zu verſtatten, da ſie ſelbſt durch die Ehe in eine ſo ſtrenge Gewalt des Mannes gekommen war, daß ſie in Verhaͤltniß gegen denſelben nur wie eine Fi - lia Familias betrachtet wurde10)S. oben die Not. 33. zum §. 117. Seite 118.. Dieſe vaͤterliche Gewalt war nun Anfangs nach der Verfuͤgung des Ro - mulus beynahe von graͤnzenloſen Umfange. Der Vater hatte nicht nur die haͤusliche Gerichtsbarkeit uͤber ſeine Kinder, und konnte ſogar ein Recht uͤber Leben und Tod derſelben ausuͤben11)Abrah. wielingii Diſſertat, de iure antiquo vitae ac necis parentum in liberos. Amſtelod. 1723. 4. Cornel. van byn - ckershoek Opuſc. de iure occidendi, vendendi, et exponendi liberos apud vet. Romanos in eius Opuſculis varii argumenti Lugd. Batavor 1719. 4. N. III. S. 145 — 231., weßhalb mit Recht die vaͤterliche Gewalt eine maieſtas patria von den Alten12)valerius maximus Lib. VII. c. 7. ex 5. livius lib. IV. cap. 45. genennt wird; ſondern auch ein voͤlliges Eigenthumsrecht ſtund dem Vater uͤber die Perſon und das Vermoͤgen ſeinerKin -2061. Buch. 6. Tit. §. 133.Kinder zu13)Ich weiß zwar wohl, daß dieſes unter den neuern Rechts - gelehrten controvers iſt. Gebauer in Diſſert. I. do patria poteſtate cap. 2. laͤugnet, daß die vaͤterliche Gewalt nach roͤmiſchen Rechte ein Eigenthum geweſen ſey, und dieſe Mei - nung vertheidigen auch Frid. Chriſt. iensen in Diſſert. de pa - tria Romanor. poteſtate pro Gebauero. Suerin Buzov. et Wis - mar. 1784. 8. Chriſt. Aug. guͤnther in Diſſ. de patria vet. Romanor. poteſtate ex iure dominii non repetenda Lipſiae 1786. und Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 81. u. folgg. Hingegen ſtimmen mit mir uͤberein bynckershoeck in Opuſc. cit. cap. I. und Car. Guil. robert de Bynckershoeckii eique contraria Gebaueri doctrina de patria poteſtate Rom. antiqua modeſtum iudicium Wetzlar 1782. 4. und Ebenderſelbe in den kleinen juriſt. Abhandlungen n. II. und dieſe Meinung gruͤndet ſich ſowohl auf das deutliche Zeugniß des dionys. halicarnas. lib. VIII. n. 403. p. 546. in fin (edit Sylburg.) Apud Romanos filiis nullae ſunt poſſeſſiones propriae vivis patribus; ſed licet pa - tribus et pecuniis filiorum et corporibus facere, quod lubet; und des lactantii divinar. Inſtitut. lib. IV. cap 3. als auch darauf, daß Ulpian in L. 195. §. 2. D. de Verb. Signif. dem Paterfamilias uͤberhaupt ein dominium zuſchreibt; die Kinder ferner in den XII. Tafelgeſetzen res genennt werden, ulpian. Fragm. Tit. XI. §. 14. S. gothofred ad Tab. V. c. 1. in IV. Fontib. iuris civ. p. 78. und ihre Entlaſſung aus der vaͤterlichen Gewalt ritu mancipationis interveniente ge - ſchehen mußte. Nun war ja mancipatio nach der Erklaͤrung Ulpians Fragm. tit. 19. §. 3. alienatio rerum mancipi. Ueber alle dem aber waren ja auch die Wirkungen des Eigenthums unverkennbar vorhanden, wie ſchon der §. ſelbſt lehrt.. Denn er konnte die Kinder verkaufen, ja den Sohn dreymal verkaufen, weil er das erſte und zweytemal wieder in die vaͤterliche Gewalt zuruͤckfiel, wenn ihn der Kaͤufer freyließ14)dionys. halicarn. lib. II. n. 73. S. 97.. Ferner dem Vater ge - hoͤrte alles, was die Kinder waͤhrend der vaͤterlichen Ge -walt207De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. walt erwarben15)§. 1. I. per quas perſon. cuique acquir. . Sie hatten ſo wenig, als die Scla - ven, ein Eigenthum. Der Vater konnte das Kind, wenn es durch unerlaubte Handlungen Schaden anrichtete, no - xae dare16)§. 7. I. de noxalib. actionib. , d. i. ſolches zum Schadens-Erſatz dem Be - leidigten an Zahlungsſtatt uͤbergeben; er konnte auch, wenn ein anderer das Kind bey ſich hatte, und es dem Vater vorenthielt, daſſelbe iure Quiritium vindiciren17)L. 1. §. 2. D. de Rei Vindicat. Ueber den wahren Sinn dieſer von vielen mißverſtandenen Stelle ſehe man nach noodt in Commentar. ad Dig. tit. de rei vindicat. Tom. II. Operum pag. 192., oder das Interdictum de liberis exhibendis18)Vid. Tit. D. de liberis exhibendis. (Lib. XLIII. Tit. 30.) anſtellen, welches nach der Meinung des Paulus19)L. 2. §. 2. D. de interdict. gleichfalls ein Eigenthum vorausſetzt. (proprietatis cauſam continet) Durch die XII. Tafelgeſetze und Auctoritaͤt der roͤmiſchen Rechtsgelehrten wurden dieſer vaͤterlichen Gewalt ſogar Wirkungen beygelegt, die ſich noch nach des Vaters Tode aͤuſſern. Dahin gehoͤrt das Recht des Vaters, ſeinen unmuͤndigen Kindern einen Vormund im Teſta - ment zu beſtellen, und denenſelben pupillariter zu ſubſti - tuiren, d. i. ihnen einen Erben auf den Fall zu ſetzen, wenn ſie in der Unmuͤndigkeit ſterben wuͤrden20)Man vergleiche hier vorzuͤglich Ge. Sam. madihn Diatribe iuris civ. viciſſitudines ſubſtitutionis impuberum complexa. Halae 1769. §. §. VIII — X. .
Ob nun gleich die Kinder, ſo lange ſie in der vaͤter - lichen Gewalt waren, nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte nichts Eigenes beſitzen konnten21)Anton faber Coniecturar. iuris civ. Lib. VII. cap. XI. p. 183. ſqq. will zwar behaupten, der Sohn ſey nach dem aͤltern roͤmiſchen Recht alsdann allerdings faͤhig geweſen, et - was Eigenes zu acquiriren, wenn der Vater den Erwerb des Sohns nicht haben wollte. Allein die Beweißſtellen ſind aus den neuern roͤmiſchen Rechten entlehnt.; ſo gab doch zuweilen ein Vater ſeinem Sohne ein Stuͤck Geld in die Haͤnde, oder er ſchafte ihm Waaren an, um damit zu handeln22)Chriſt rau hiſtoria iuris civ. de peculiis. Lipſiae 1770. §. III. folgg.. Ein ſolches Vermoͤgen, was eine Perſon, die unter der Gewalt eines Hausvaters ſtand, von dem Vermoͤgen deſ - ſelben abgeſondert, und auf Rechnung deſſelben beſaß, hieß Peculium23)In einer andern Bedeutung wird dieſes Wort in der L. 79. §. 1. D. de legat. 3. genommen, wenn es daſelbſt heißt: pe - culium appellatur, quod praeſidii cauſa ſeponitur. Hier iſt peculium eben das, was man im Teutſchen einen Noth - Pfennig nennt, wie es auch averanius Interpretat. iuris lib. II. c. 28. n. 15. u. folg. erklaͤrt. In dieſer Bedeutung kann auch ein Paterfamilias ein peculium haben, wovon Chri - ſtoph. Lud. crellii Obſervationes de peculio perſonarum ſui iuris Vitemberg. 1751. 4. zu bemerken ſind. Auſſer dieſen Fall aber laͤßt ſich ein eigentliches Peculium nur bey ſolchen Per - ſonen gedenken, die in der Gewalt eines Patrisfamilias ſte - hen, dergleichen Kinder, Sclaven und ehemals auch Eheweiber waren, die in manum mariti gekommen. S. rav cit. Diſſ. §. 4. 5. 6.. Ulpian24)L. 5. §. 3. D. de peculio. nennt es puſilla pecunia,ſive,209De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſive patrimonium puſillum, jedoch mehr um die urſpruͤng - liche Beſchaffenheit und Unbedeutſamkeit deſſelben, als den Urſprung des Worts dadurch anzuzeigen. Denn das Wort ſelbſt kommt wohl eher von pecus her25)isidorus Origin. Lib. V. c. 25. Peculium a pecudibus dictum eſt, in quibus conſtabat univerſa veterum ſubſtantia. festus ſagt: peculium ſervorum a pecore dictum eſt, ut pecunia patrum familiae. S. menagius Amoen. Iuris cap. 39.; weil der Reichthum der Alten hauptſaͤchlich in Vieh beſtand. Das Kind hatte jedoch nur die Verwaltung des ihm von dem Vater uͤberlaſſenen Peculiums, und konnte zwar mit andern daruͤber Vertraͤge ſchlieſſen26)Vid. Tit. Inſtit. quod cum eo, qui in aliena poteſtate eſt, nego - tium geſtum eſſe dicitur. Der Praͤtor gab aus dem Contract des Sohns eine Klage gegen den Vater, welche actio de pe - culio hieß; von dieſer wird unten ad Tit. de peculio lib. XV. Tit. 1. gehandelt werden., keinesweges aber ſolches verſchenken27)L. 7. pr. D. de donat. Ein anders war es, wenn es der Vater ihm erlaubte, vid. §. 2 dictae L. 7.. Denn Eigenthum und Gewinn gehoͤrten dem Vater. Dieſer konnte es daher auch dem Kinde nach ſeinem Gefallen wieder nehmen, und einem Andern zuwenden28)§. 1. I. per quas perſonas cuique acquiritur. L. 4. pr. D. de peculio. . Daß dem Vater an den Ge - ſchenken, ſo er ſeinen Kindern machte, das Eigenthum verblieb, das gruͤndete ſich nun zwar, den roͤmiſchen Ge - ſetzen nach, zunaͤchſt in der erdichteten Einheit der Per - ſon und des Vermoͤgens, ſo zwiſchen beyden ſtatt fand; allein es laͤßt ſich allerdings mit Grunde behaupten, daß wenn auch jene Einheit der Perſonen und Guͤter nicht le - gal geweſen waͤre, doch noch ein anderer Grund dazu,ſowohlGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. O2101. Buch. 6. Tit. §. 134.ſowohl im Rechte der Natur, als in den roͤmiſchen Rech - ten ſelbſt zu finden ſeyn wuͤrde. Denn wenn der Vater ſeinen noch nicht ausgeſonderten Kindern, die ohnehin noch alles Noͤthige von ihm zu erwarten und zu erhal - ten berechtiget waren, ein Geſchenk machte, ſo konnte er natuͤrlicher Weiſe dabey keine andere Abſicht haben, als daß die Sache erſt dermaleinſt, wenn ſie von dem Va - ter ausgeſondert, und ſich ſelbſt uͤberlaſſen waͤren, ihnen gehoͤren ſollte. Es ſind alſo der Natur nach gleich An - fangs nicht Geſchenke, ſondern blos zu kuͤnftigen Ge - ſchenken beſtimmte Sachen. Dieſer natuͤrliche Rechts - grundſatz wird auch ſchon von den Kaiſern Diocletian und Maximian29)L. 11. Cod. de donationibus. als richtig angenommen, wenn die - ſelben folgendermaßen reſcribiren: non eſt incerti iu - ris, in eum, qui in ſacris familiae tuae remanet, de - ſtinationem magis paternae voluntatis factam, quam per - fectam donationem perveniſſe. Hieraus laͤßt ſich auch erklaͤren, warum dem Kinde das Peculium alsdann un - wiederruflich verblieb, wenn es der Vater bey der Eman - cipation deſſelben nicht zuruͤcknahm30)L. 31. §. 2. D. de donationib. . Die Schenkung die die Mutter ihren Kindern machte, ſo noch in vaͤterli - cher Gewalt waren, war wenigſtens nach dem Rechte der Pandecten31)L 3. §. 4. D. de donat. inter vir. et uxor. Si mater filio, qui in patris poteſtate eſt, donet, nullius momenti erit donatio; quia patri quaeritur. S. Archiv fuͤr die theoretiſche und praktiſche Rechtsgelehrſamkeit herausgege - ben von Hagemann und Guͤnther I. Th. (Braunſchweig 1788. 8.) N. VI. S. 190 — 197. fuͤr die Kinder ohne Wirkung; und das Eigenthum kam an den Vater. Was die Rechte des Codex hierin geaͤndert, wird ad §. 136. gezeigt werden.
Fragt man nun nach den Urſachen, warum man dem Vater in jener Kindheit des roͤmiſchen Staats ſo unbeſchraͤnkte Rechte uͤber die Perſon und Guͤter der Kin - der, ja ſogar das Recht uͤber Leben und Tod derſelben geſtattete; ſo wird ſich daraus ergeben, warum dieſe graͤnzenloſe vaͤterliche Gewalt von keiner langen Dauer habe ſeyn koͤnnen. Denn da eines Theils die Verfaſ - ſung des Gerichtsweſens und die vollſtreckende Gewalt noch ſchwankend und unbeſtimmt war; und andern Theils die Policey, mit ihren gelinden Vorkehrungen, die Gele - genheit zu ſittlichen Ausſchweifungen bey einem ſo rohen Volke ſo wenig verhuͤten als vermindern konnte; ſo war keine andere Stuͤtze der allgemeinen Sicherheit uͤbrig; und man hatte mit Recht das Vertrauen, daß die dem Va - ter in ſeinem Hauſe nachgelaſſene Herrſchaft zur Aufrecht - erhaltung des noch ſchwantenden Staatsgebaͤudes das mei - ſte beytragen wuͤrde, zumal die natuͤrliche Liebe vernuͤnftiger Vaͤter gegen ihre Kinder den Geſetzgebern Buͤrge war, daß die Eltern keinen Mißbrauch mit dieſem ihnen uͤber - laſſenen Recht machen wuͤrden. Denn was Papinian32)L. 22. §. 4. D. ad L. Iul. de adulter. bey einer andern Gelegenheit ſagt: plerumque pietas pater - ni nominis conſilium pro liberis capit, hat die Erfahrung von jeher beſtaͤttiget. Allein, auch ohne jene Ruͤckſicht, war es bey dem neu errichteten roͤmiſchen Staate natuͤr - lich, daß die Haͤupter der Familien, deren jedes einen An - theil an der geſetzgebenden Gewalt hatte, ſich die unbe - ſchraͤnkte Herrſchaft in ihren Haͤuſern vorbehielten, dieO 2ſie2121. Buch. 6. Tit. §. 135.ſie in dem Stande ihrer Unabhaͤngigkeit auszuuͤben ge - wohnt waren. Auch war es um der Auswaͤrtigen wil - len nothwendig, die Rechte des roͤmiſchen Buͤrgers ſo glaͤnzend, als moͤglich, zu machen, um Fremde anzurei - zen, ſich dieſes Buͤrgerrechts theilhaftig zu machen, und durch dieſes Mittel die Bevoͤlkerung des damals noch klei - nen Staats zu befoͤrdern. So wie nun aber Geſetze mit den Zeitumſtaͤnden ſich aͤndern, ſo wurden auch in der Folge mit der veraͤnderten Staatsverfaſſung Roms die Rechte der vaͤterlichen Gewalt ſehr eingeſchraͤnkt. Denn ſo wurde i) dem Vater das Recht uͤber Leben und Tod ſeiner Kinder gaͤnzlich genommen. Die ei - gentliche Zeitperiode, zu welcher dieſes geſchehen, iſt un - gewiß. Gerhard Noodt33)in Iulio Paulo Tom. I. Operum pag. 565. glaubt, es ſey zu den Zei - ten der Kaiſer Valentinian, Valens und Gratian geſchehen34)L. 8 C ad L. Cornel. de Sicar. . Cornelius van Bynkershoͤk35)in Opuſc. de iure occidendi, vend. et exponendi lib. hinge - gen meint, daß ſchon zu Trajans, Hadrians und An - tonins des Frommen Zeiten dem Vater jenes Recht genommen worden ſey. Allein da Hadrian nur den Mißbrauch deſſelben beſtraft hat36)L. 5. D. de Lege Pompeia de parricidio. ſo muß das Recht ſelbſt zu ſeinen Zeiten wohl noch nicht abgeſchaft gewe - ſen ſeyn; und wenn dem Vater durch verſchiedene Se - natusconſulte unter Hadrian die Verbindlichkeit, ſeine Kinder zu ernaͤhren, eingeſchaͤrft worden iſt37)L. 5. pr. et §. 1. D. de agnoſc, et alend. lib. , ſo laͤßt ſich daraus nur ſo viel ſchlieſſen, daß der Vater nicht ha - be tyranniſch uͤber das Leben und Tod der Kinder gebieten duͤrfen. Soviel iſt indeſſen richtig, daß zu den Zeiten des K. Alexander Severus dem Vater dieſes Recht nicht mehrgeſtat -213De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. geſtattet worden iſt. Denn Paulus38)L. 11. in fin. D. de liberis et poſthum. gedenkt deſſel - ben nur als eines ehemaligen Rechts, und K. Alexan - der Severus39)L. 3. Cod. de patr. poteſt. giebt blos dem Vater ein Recht, die Kinder zu zuͤchtigen. Wenn aber vaͤterliche Zuͤchtigun - gen an dem ungerathenen Sohne nichts mehr fruchten, ſondern zur Beſtrafung und Bezaͤhmung deſſelben ſchaͤr - fere Ahndungen noͤthig ſeyn; ſo ſoll das Kind der Obrig - keit uͤbergeben, und dieſer die Beſtimmung einer angemeſſe - nen Strafe uͤberlaſſen werden. Jedoch iſt auch hierbey dem Vater ein gewiſſes Beyſtimmungs - oder Einwilli - gungsrecht vorbehalten worden, vermoͤge deſſen er durch Interceſſion entweder Milderung oder Schaͤrfung der zu - erkannten Strafe bewirken kann40)Dies iſt der Sinn der Worte der angefuͤhrten L. 3. filium Praeſidi provinciae oblaturus, dicturo ſententiam, quam tu quoque dici volueris. .
II) Wurde auch das Recht, die Kinder zu ver - kaufen, eingeſchraͤnkt. Denn der dreymalige Verkauf der Soͤhne ward durch die Rechtsgelehrten zum bloſen Symbol, und als Foͤrmlichkeit bey Emancipation derſel - ben beybehalten. Es kann ſeyn, daß man durch die Grundſaͤtze der Stoicker von der Wuͤrde des Menſchen zuerſt veranlaßt wurde, den Verkauf der Kinder fuͤr un - ſchicklich zn halten. Kr. Conſtantin erlaubte nur allein neugebohrne Kinder zu verkaufen, wenn die El - tern in der aͤuſſerſten Armuth waͤren41)L. 2. Cod. de patribus, qui filios ſuos diſtrax. Io. Phil. dattii diatr. de venditione liberorum occaſione dictae L. 2. Cod. Ulmae 1700. 8. (in Theſ. Meermann. T. II.) . Juſti - nian hob endlich auch die Foͤrmlichkeit des ScheinkaufsO 3bey2141. Buch. 6. Tit. §. 136.bey der Emancipation der Kinder auf42)L. 6. Cod. de emancipat. liberor. . Nicht weni - ger wurde
III) das Recht, die Kinder, wenn ſie durch unerlaubte Handlungen Schaden anrichten, zur Entſchaͤdigung zu uͤbergeben (noxae datio filiorum filiarumque familias) aufgehoben43)§. 7. I. de[ noxalib.] action. . Welcher Vater koͤnnte auch dieſes zugeben, ſagt Juſtinian, da er bey der Ueberlaſſung des Sohnes jederzeit mehr, als der Sohn, verliehret; bey den Toͤchtern aber die Vorſor - ge fuͤr ihre Keuſchheit dergleichen nicht verſtattet.
Beſonders aber iſt auch das Erwerbungsrecht des Vaters durch Einfuͤhrung der mancherley Arten von Peculien43)Io. Tob. carrach Differentiae iuris rom. et germ. in pe - culio in primis filiorum familias. Halae 1745. lauterbach Diſſ. de peculiis filiorum fam. unter den roͤmiſchen Kaiſern ſehr einge - ſchraͤnkt worden. Hier wollen wir jedoch nur uͤberhaupt dieſe Gattungen aus einander ſetzen. Denn die Rechte in Anſehung derſelben werden wir erſt im 15. Buch Tit. I. kennen lernen. Man theilt nun das Peculium oder Sondergut der Kinder, welche noch in vaͤterlicher Gewalt ſind, nach der verſchiedenen Art und Weiſe, wie es erworben wird, in militare und paganum ein. Pecu - lium militare nennt man dasjenige Vermoͤgen, was Kin - der per militiam ſagatam vel togatam erwerben. Mili - tia ſagata heißt der Soldatenſtand oder Kriegsdienſt. Unter der militia togata hingegen verſtehet man die Aus - uͤbung freyer Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, ferner die Ver -wal -215De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. waltung einer oͤffentlichen Civil - oder geiſtl. Bedienung. Da - her iſt nun das militaͤriſche Peculium zweifach a) caſtrenſe, welches der Sohn im Soldatenſtande und bey Gelegenheit des Kriegsdienſtes erworben hat; b) quaſi caſtrenſe, was Kinder durch freye Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, oder durch oͤffentliche Bedienungen und Wuͤrden, die ſie im Staat be - kleiden, erworben haben. Zum peculium caſtrenſe rechnet man 1) was der Vater ſeinem in Kriegsdienſt tretenden Soh - ne zur Equipage geſchenkt hat44)L. 4. pr. et L. 11. D. de peeulio caſtr. L. 1. Cod. de caſtrenſi peculi[o]militum et praefectianor. ; 2) was der Sohn als Soldat im Krieg erbeutet, oder von ſeinem Sold erſpart hat45)L. 11. D. L. 1. Cod. cit. : 3) eine Erbſchaft oder Vermaͤchtniß, ſo ihm von ſeinen Kriegskammeraden iſt hinterlaſſen worden46)L. 5. D. de caſtr. pec. . Iſt ihm von andern eine Erbſchaft oder Legat zugefallen, ſo wird dieſes kein peculium caſtrenſe47)L. 16. §. 1. D. eod. L. 1. C. eodem. , wenn auch gleich der Teſtierer ausdruͤcklich verordnet haͤtte, daß das Ver - maͤchtniß fuͤr ein peculium caſtrenſe angeſehen werden ſolle48)L. 8. D. eodem. . Endlich gehoͤrt auch noch 4) dasjenige hierher, was der Sohn mit dem Gelde, ſo er als Soldat verdient hat, erkauft49)L. 3. D. L. 1. in fin. Cod. eod. . Denn das peculium der Kinder iſt ei - ne univerſitas juris50)L. 20. §. 10. D. de hereditat. petit. Man ſehe uͤbrigens retes de peculio caſtrenſi beym meermann Theſ. iur. civ. et canon. T. VI. , bey welcher die Regel gilt: resO 4in2161. Buch. 6. Tit. §. 136.in locum pretii ſuccedit. Zum peculium quaſi caſtrenſe hingegen rechnet man 1) was der Vater oder ein anderer dem Sohne zum Studieren geſchenkt oder vermacht hat51)S. Io. God. bauer Diſſ. de peculio quaſi caſtrenſi ſtudio - ſorum. Lipſiae 1726. 4. Ein anders, jedoch aus unbedeuten - den Gruͤnden, behauptet Io. Tob. richter in Diſſ. de ſumti - bus ſtudiorum ad peculium quaſi caſtrenſe non pertinentibus. Lipſiae 1752.. 2) Was ein Sohn als Advocat, oder Doctor oder als practiſcher Arzt durch ſeine Kenntniſſe und Wiſſenſchaf - ten erwirbt, oder als Schriftſteller verdient. 3) Was er durch ſeine oͤffentliche Civilbedienung z. B. als Secreta - rius, als Stall - oder Fechtmeiſter, u. ſ. w. oder durch ſeine geiſtliche Wuͤrde oder auch nur bey Gelegenheit der - ſelben erwirbt. 4) Was dem Sohne in Ruͤckſicht ſeiner gelehrten Kenntniſſe und Wiſſenſchaften geſchenkt wird; u. dgl .52)L. 14. C. de advocat. div. iudic. L. fin. Cod. de inoff. teſtam. . Ehe ich weiter gehe, bemerke ich nur noch, daß ſich der eigentliche Urſprung des peculii caſtrenſis und quaſi caſtrenſis mit vollkommener Gewißheit nicht beſtimmen laſſe. Den Urſprung des peculii caſtrenſis wollen einige vom Julius Caͤſar, andere vom Kr. Au - guſt herleiten, andere ſetzen ihm ſogar in die Zeiten der freyen Republik53)rau Hiſtor. iur. civ. de peculiis §. VII. . Das peculium quaſi caſtrenſe hingegen betreffend, ſo halten verſchiedene den K. Theo - doſius den Juͤngern fuͤr den Urheber deſſelben; allein daß es weit aͤlter ſeyn muͤſſe, erhellet daraus, weil ſchon Ulpian in verſchiedenen Stellen der Pandecten54)L. 3. §. 5. D. de bonor. poſſeſſ. L. 1. §. 15. D de collat, bonor. L. 7. §. ult. D. de donat. L. 1. §. 6. D. ad SCtum Tre - bell. Zwar will Franz Balduin in Iuſtiniano lib. III. p. 208. dieſe Stellen fuͤr interpolirt halten, allein daß Triboniandaran deſ - ſelben Erwaͤhnung thut55)rau cit. Diſſ. §. VIII. .
Das217De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.Das peculium paganum, welches nun dem militari ent - gegen geſetzet wird, iſt wieder zweyerley, entweder profecti - ti[u]m oder adventitium[]. Unter dem erſtern verſtehet man ſolche Guͤter, die den Kindern entweder vom Vater ſelbſt, oder durch deſſelben Veranlaſſung und um des Vaters Willen von andern zugefloſſen ſind56)Io. wieger Diſſ. de peculio profectitio. Argentor. 1754.. Dahin gehoͤrt, wenn der Vater dem Sohn einen Handel etablirt, und dieſer in der vaͤterlichen Gewalt verbleibt. Ferner wenn der Vater fuͤr das Kind in die Lotterie einſetzt, ſo ge - hoͤrt der Gewinnſt, wenn ſelbigen der Vater dem Kinde laͤßt, zum peculio profectitio57)Fratr. beccmannorum Conſilia et Deciſion. Part. II. Deciſ. 50. n. 32. S. 91.. Auch wenn der Va - ter Jemanden gedient hat, und letzterer um des Vaters willen dem Kinde ein Geſchenk macht, weil der Vater fuͤr ſeine Bemuͤhung nichts nehmen wollte, ſo wird die - ſes Geſchenk zum peculio profectitio gerechnet58)franskius Reſolut. lib. II. cap. 27.. Die - ſe Art des Peculiums iſt unſtreitig die aͤlteſte, wenn man auch kein aͤlteres Beyſpiel deſſelben, als das, ſo beym Plautus59)In Mercatore Act. I. Sc. I. v. 59. Conf. galvanus de Uſufructu cap. VII. n. 7. rau Diſſ. cit. §. VI. vorkommt, findet. Ob es uͤbrigens ein peculium profectitium gebe, woran der Mutter das Eigenthum zuſtehet? iſt ſtreitig. In der unten ange -O 5fuͤh -55)daran keinen Theil habe, iſt von Iac. gothofredus ad L. 3. C. Th. de poſtul. Ant. schulting in Iurisprud. Anteiuſt. p. 470. Not. 27. und Ioſ. finestres in Praelect. Cervarienſ. ſ. Commentar. academ. ad tit. Pandectar. de acquir. vel omitt, hereditate P. II. cap. V. §. 42. p. 330. erwieſen worden.2181. Buch. 6. Tit. §. 136.fuͤhrten Schrift60)Abhandl. uͤber die Frage: ob es ein peculium profectitium gebe, wovon der Mutter das Eigenthum zuſte - het? im Archiv fuͤr die theoret. und pract. Rechtsgelehrſ. I. Th. N. VI. S. 190. wird ſolches beiahet. Allein ich kann mich davon nicht uͤberzeugen. Das peculium profecti - tium iſt ja unſtreitig eine Wirkung der roͤmiſchen vaͤter - lichen Gewalt. An dieſer aber hat die Mutter weder nach roͤmiſchen61)§. 3. I. de Pat. Pot. §. 10. I. de adopt. noch teutſchen Rechten Antheil62)Ferd. Aug. hommel Diſſ. de uſu hod. patriae poteſtatis rom. in foris Germ. Lipſiae 1732. Cap. III. §. 90.. Die Schenkung, die die Mutter denen Kindern waͤhrend der vaͤterlichen Gewalt macht, iſt nach der L. 25. Cod. de donat. inter vir. et uxor. zwar wiederruflich, aber das macht ſie noch zu keinem peculium profectitium. End - lich dasjenige Vermoͤgen, das die Kinder anders woher, als vom Vater oder durch denſelben erlangt haben, wird peculium adventitium63)Scip. gentilis Tract. de bonis maternis Hanov. 1616. 8. Caſp. Chriſt. kober Diſſ. de peculio adventitio regulari ſ. ordinario. Altorf. 1705. genennt. Dahin gehoͤren muͤt - terliche Geſchenke, muͤtterliche Erbſchaft, oder was den Kindern von muͤtterlichen Großeltern zufaͤllt, ferner die Erwerbung der Kinder durch Handwerksdienſte, Gluͤcks - ereigniſſe, und dergleichen64)L. 1. 2. Cod. de bonis matern. L. 4. et 6. Cod. de bon, quae lib. . Den Urſprung deſſelben leitet man von Conſtantin den Großen her65)Iac. gothofredus Commentar. ad Tit. Cod. Theod. de bonis maternis. . Allein Galvan66)De Uſufructu. cap. VII. n. X. hat gezeigt, das es aͤlter ſey. Conſtantinwollte219De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. wollte nur, daß das muͤtterliche Vermoͤgen der Kinder Eigenthum verbleiben ſollte67)L. 1. 2. Cod. Theod. de bon. matern. . Was aber die Kinder von andern Perſonen erbten, war ſchon zu Ulpians Zei - ten ihr peculium adventitium68)L. 16. §. 11. L. 50. D. ad SCtum Trebell. L. 52. D. de acquir. vel. omitt. hered. . Juſtinian69)L. 6. C. de bon. quae. lib. be - ſtimmte durch eine allgemeine Conſtitution noch genauer, was dazu gerechnet werden ſollte, wie ſchon oben gezeigt worden iſt.
In Anſehung der Rechte dieſer mancherley Gattun - gen von Peculien bemerken wir hier in der Kuͤrtze nur ſoviel:
a) Daß das peculium profectitium, ſo lang die Kinder in der vaͤterlichen Gewalt ſind, ganz der Dispoſition des Vaters unterworfen ſey. Er hat das Eigenthum und den Genuß. Die Kinder aber haben nichts als die Ad - miniſtration deſſelben, und dieſe iſt nach dem Willkuͤhr des Vaters ſtets wiederruflich70)§. 1. I. per quas perſon. cuiq. acq. Princip. I. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. L. 7. D. de denat. L. 4. pr. D. de pecul. .
b) Das peculium militare hingegen iſt ein freyes Eigenthum der Kinder, und ſtehen ihnen dieſerhalb alle Rechte eines Patrisfamilias zu. Sie koͤnnen daruͤber frey ſowohl unter den Lebendigen, als auf den Todesfall dis - poniren71)L. 2. D. ad SCtum Macedon. L. 10. D. de caſtr. pecul. L. 15. §. 1. eodem. L. 4. D. de iudic. L. 3. Cod. de cuſtr. pec. . Der Sohn kann alſo auch daruͤber ein Te -ſta -2201. Buch. 6. Tit. §. 136.ſtament machen72)Princ. Inſtit. quib. non eſt permiſſ. fac. teſtam. , und hat dabey das beſondere Recht, daß gegen dieſes Teſtament keine querela inofficioſi ſtatt findet, wenn auch gleich die naͤchſten Blutsfreunde darin waͤren ausgeſchloſſen worden73)L. ult. Cod. de inoff. teſtam. Es wollen zwar einige be - haupten, als ob dieſes Geſetz durch die Nov. 115. cap. 4. aufgehoben worden ſey, man ſehe unter andern die Medi - tationen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien von zweyen Rechtsgelehrten II. Band Medit. 85. Allein ſchon bauer in der oben angefuͤhrten Diſſert. de pecu - lio quaſi caſtrenſi ſtudioſor. §. XXXIII. hat dieſe Meinung widerlegt.. Nur in Anſehung der - jenigen Soͤhne, welche Geiſtliche ſind, hat Juſtinian ein anders verordnet; dieſe ſollen ihren Kindern, und wenn ſolche nicht vorhanden ſind, ihren Eltern wenigſtens den Pflichttheil laſſen74)Nov. 123. cap. 19.. Stirbt der Sohn ohne Teſta - ment, ſo kann ſich der Vater das peculium caſtrenſe nach neuern roͤmiſchen Rechten nicht mehr, wie ehedem75)L. 2. L. 19. §. 3. D. L. 5. Cod. de caſtr. pecul. Siehe oben S. 182. u. Not. 32., iure peculii und vermoͤge der vaͤterlichen Gewalt anmaſ - ſen, ſondern es faͤllt an die Inteſtaterben76)Princ. Inſtit. quib. non eſt permiſſ. facere teſtam. Nov. 118. cap. 2. in fin. S. vinnius in Commentar. ad dict. Princ. Inſtitut. quib. n. eſt perm. fac. teſt. n. 4. und beſonders Guil. ranchinus in Tr. de Succeſſion ab inteſtato Cap. XI. §. 3. (edit. Breuning. Lipfiae 1771. 8.) . Endlich
c) ſoviel das peculium adventitium anlangt, ſo ſte - het den Kindern zwar das Eigenthum, dem Vater aber, ſo lang die Kinder in deſſelben Gewalt ſind, die Ver -wal -71)pec. Conf. maiansii Diſputat. T. I. Diſſ. XIV. lyncker Diſſ. de iuribus peculii militaris. 221De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. waltung, und ein geſetzliches Benutzungsrecht zu77)Aem. Lud. homberck zu Vach Diſſ. de diverſo iure pa - tris in peculio adventitio pro diverſa liberorum aetate ad L. 8. §. 3. Cod. de bon. quae lib. Marburgi 1753. 4. Car. Adolph. braun Diſſ. de uſusfructus parentum in bonis libe - rorum tam de iure Rom. quam Germ. genuino fundamento. Ienae 1743. 4. F. E. a puffendorf de uſufructu paterno in bonis liberorum adventitiis Tom. I. Obſervat. iuris univ. Obſ. 98.. Ein mehreres hiervon wird in dem Titel de peculio vorkommen. Hier will ich nur noch bemerken, daß es Faͤlle gebe, in welchen die Kinder auch in Anſehung ihrer Adventizien ein freyes Eigenthum, obgleich nur unter den Lebendigen, ausuͤben koͤnnen. Dahin gehoͤrt z. B. wenn dem Kinde etwas mit einer den Nießbrauch des Vaters ausſchlieſſen - den Bedingung iſt vermacht oder geſchenket worden; deß - gleichen wenn der Sohn gegen den Willen des Vaters eine ihm zugefallene Erbſchaft antritt, und andere mehr, welche unſer Herr Auctor unten §. 910. anfuͤhren wird. In dieſen Faͤllen, wo der Vater keinen Nießbrauch von dem peculio adventitio ſeiner Kinder hat, nennt man daſſelbe extraordinarium, irregulare, auch plenum78)lauterbach Diſſ. de peculio adventitio irregulari. Frid. heusinger Commentat. de iure peculii adventitii extraordi - narli. Iſenaci 1751. 8.. Die - ſe verſchiedenen Rechte der Peculien finden auch noch heu - tiges Tages ſtatt79)S. Traug thomasii Progr. de uſu peculii practico Lipſiae 1770. hinter der oben angefuͤhrten Rauiſchen Diſſert. de hiſtor. peculiorum. de selchow Elem. iur. Germ. privati §. 493..
Wir haben nun die roͤmiſche vaͤterliche Gewalt nach ihren mancherley Veraͤnderungen und Einſchraͤnkungenken -2221. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.kennen gelernt. Es iſt alſo nur noch uͤbrig, von der Be - ſchaffenheit der heutigen vaͤterlichen Gewalt80)Chriſt. thomasii Tract. de uſu iuris paterni Romanor. ſe - cundum mores Germaniae. Ienae 1744. 4. Ferd. Aug. hommel Diſſ. de uſu hodierno patriae poteſtatis Romanae in Foris Ger - maniae. Lipſiae 1732. 4. Güntb. Alb. renz Diſſ. de mixtura iuris rom. et germ. in materia patriae poteſtatis. Tubingae 1735. 4. Io. Eſ haenschel Diſſ. de genuino fundamento et effectibus patriae poteſtatis Lipſiae 1761. 4. Io. Godofr. krausii Progr. de effectibus patriae poteſtatis hodiernis. Vitembergae 1733. 4. Weſtphal teutſches Privatrecht 2. Theil 49. Abhandl. S. 95. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. S. 435. folgg. zu handeln. Unſere heutige vaͤterliche Gewalt hat durch Vermiſchung der roͤmiſchen und teutſchen Rechte ihr Daſeyn erhalten; ſie ſtehet nicht dem Vater allein zu, ſondern die heutigen Rechte und Sitten laſſen auch die Mutter, ob zwar nicht gleichen, aber doch gewiß keinen geringen Antheil, daran nehmen81)Nic. Chriſtph. lyncker Diſp. de matris poteſtate in libe - ros. Ienae 1688. 4. Io. Iac. rothhahn Diſſ. de materna poteſtate in liberos ex Germanor. legibus et more. Goettingae 1772. 4.. Der Inbegriff al - ler den Eltern uͤber die Kinder zuſtehenden, und fuͤr - nehmlich auf den Zweck der Erziehung ſich beziehen - den, Rechte iſt demnach die vaͤterliche oder vielmehr el - terliche Gewalt nach heutigen Rechten. Bey Zer - gliederung derſelben kommt es auf drey Fragen an: I) Welche elterliche Rechte ſind gemeinſchaftlich? II) Wel - che ſtehen dem Vater ausſchließlich zu? III) Was nimmt ſonſt der Gerichtsgebrauch aus dem neuern Rechte in Anſehung dieſer Lehre an, und was iſt davon in Teutſchland nicht mehr zu gebrauchen. ?
Die223De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.Die erſte Frage anlangend, ſo ſetzen wir als Grund - ſatz des heutigen Rechts feſt, daß diejenigen Rechte der elterlichen Gewalt, die ſich uͤber die Per - ſon der Kinder erſtrecken, beyden Eltern ge - meinſchaftlich zuſtehen. Dies iſt teutſchen Rechtens. Denn wenn gleich nach dem neuern roͤmiſchen Recht82)L. 4. D. de curat. furios. Furioſae matris curatio ad filium pertinet, pietas enim parentibus, etſi inaequalis eſt eorum po - teſtas, aeque debebitur. adde §. fin. I. de Nupt. der Mutter einige Gewalt uͤber ihre Kinder beygelegt wird, ſo war doch dieſe in der That nur Schattenwerk83)püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing. Cap. X. . Daher die neuern roͤmiſchen Geſetze noch uͤberall den Satz einſchaͤrfen, daß eheliche Kinder in des Vaters Gewalt ſeyen, und der Mutter keine vaͤter - liche Gewalt uͤber ihre Kinder zuſtehe84)§. 3. I. de patr. poteſt. §. 10. I. de adopt. L. 5. Cod. eodem. . Die nach heutigen Rechten beyden Eltern uͤber die Perſon ihrer Kinder zuſtehenden Rechte und Pflichten beziehen ſich nun uͤberhaupt auf alles, was die Sorge fuͤr die Gluͤckſeeligkeit der Kinder erheiſcht. Beyden Eltern liegt demnach
1) die Pflicht ob, ihre Kinder zu guten Menſchen zu erziehen, und ſie zum buͤrgerlichen Leben zu bilden. Beyde Eltern haben daher auch das Recht, die Hand - lungen der Kinder zu leiten, in ſoweit es der Zweck der Erziehung erfordert, und die dazu dienliche Verfuͤgungen zu machen. In Anſehung des jedem der Eltern zuſtehen - den Antheils an der Erziehung ihrer Kinder ſcheint uͤbri - gens ſelbſt die Natur folgende Grenzlinie zu bezeichnen, daß der Saͤugling, das noch ſtammelnde, noch mit un -ge -2241. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.gewiſſen Schritten folgende Kind, wenigſtens bis nach zuruͤckgelegten vierten Jahre, der alleinigen Aufſicht und Pflege der Mutter zu uͤberlaſſen; weil der Vater nur dann erſt ſeine Erziehung, ſeinen Unterricht anfangen kann, wenn die Sprachorgane und mit ſelbigen die Ver - ſtandskraͤfte ſich entwickeln. Ihr gebuͤhrt auch die Erzie - hung der Toͤchter, in ſoweit ſolche die beſonderen weib - lichen Geſchaͤfte in ſich faßt; und wenn daruͤber zwiſchen Vater und Mutter Streit entſtehet, ſo iſt die Praͤſum - tion fuͤr die Mutter, ſo lange der Vater nicht darthun kann, daß es ihr an Kraͤften oder an Willen fehle, ihrer Obliegenheit ein Genuͤge zu leiſten85)S. von Globig Preißſchrift uͤber die Graͤnzen der vaͤter - lichen Gewalt S. 99.. Dahingegen kann die Mutter bey den uͤbrigen Angelegenheiten der Toͤchter ſowohl, als bey der Erziehung der Soͤhne, inſonderheit wenn es auf den wichtigſten Schritt von beyden, wo - durch ſie das vaͤterliche Haus verlaſſen, ankommt, nur als Rathgeberin auftreten: dem Vater gebuͤhrt die Ent - ſcheidung; und die Obrigkeit darf den Widerſpruch der Mutter in einem ſolchen Fall nicht achten, ſo lange das Kind ſelbſt ſich dem Willen des Vaters unterwirft86)leyser meditat. ad Pandect. Spec. XVIII. med. 3.. Sollte aber das Kind auf Seiten der Mutter ſeyn; ſo hat der Widerſpruch von beyden allerdings ſo viel Ge - wicht, daß der Richter zwiſchen ſelbigen und dem Vater entſcheiden muß87)von Globig Preißſchrift S. 100.. Da auch der Religionsunterricht der Kinder ein ſehr wichtiges Stuͤck ihrer Erziehung iſt, ſo entſtehet die Frage, in welcher Religion die Kinder zu unterrichten, wenn die Eltern verſchiedener Religionſind225De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſind88)Franc. Ant. dürr Diſſ. de poteſtate patria circa religionem liberorum. Moguntiae 1755. (in Ant. schmidt Theſauro iu - ris Eccles. potiſſimum Germ. Tom. VI. Diſſ. XVIII. S. 674. folgg.) Struben rechtl. Bedenken I. Theil Bed. 144.? Dieſe wichtige Frage iſt auf dem Friedens Executions Congreß zu Nuͤrnberg im Jahr 1650.89)S. von Meiern Acta pacis executionis publ. Tom. II. Lib. 12. §. 12. S. 681. und L. 13. §. 3. und 21. S. 804. Moſer R. Hofraths Concluſa P. VII. S. 1037. und Eſtor Anfangsgruͤnde des gemeinen und Reichs-Proceſſes Tit. 135. §. 1083. S. 412. mit beyder der katholiſchen und evangeliſchen Staͤnde Einſtim - mung dahin entſchieden worden, daß die Kinder beyder - ley Geſchlechts in des Vaters Religion erzogen werden ſollen, bis ſie die Unterſcheidungsjahre90)Worinn dieſe Unterſcheidungs-Jahre (anni diſcre - tionis) beſtehen, nach deren Erreichung die Geſetze es den Kindern freyſtellen, die vaͤterliche Religion, in der ſie erzo - gen worden ſind, zu aͤndern, und zu einer andern geſetzlich gebilligten Religion uͤberzugehen, iſt ſo wenig im Religions - als Weſtphaͤliſchen-Frieden beſtimmt worden. Auch bey den Nuͤrnbergiſchen Friedens-Executions - Tractaten konnte man ſich daruͤber nicht vergleichen. S. Meiern Acta Pacis Execut. P. II. p. 804. 812. 813. 815. 825. u. 871. Nun iſt es zwar eine gemeine Meinung der Rechtsgelehrten, als ob durch ein Concluſum Corporis Evan - gelicorum unter den Evangeliſchen das vierzehnte Jahr fuͤr den Unterſcheidungszeitpunct ſey feſtgeſetzet worden; Allein man behauptet dieſes ohne genugſamen Grund, in dem vielmehr das Corpus Evangelicorum jederzeit den Grundſatz eifrigſt ver - theidiget hat, daß man bey Kindern, die uͤber wichtige ihr zeitli - ches und ewiges Wohl betreffende Sachen ſich entſchlieſſen ſollen, ſolche hinlaͤngliche Jahre erfordere, da ein reifes Judicium ſich zu aͤuſſern pflegt, und wirklich ſich aͤuſſert, und daß es hoͤch - ſtens moͤglich ſey, bey einem vierzehenjaͤhrigen Kinde ſolcheVer - (annos diſcre -tionis)Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. P2261. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.tionis) erreicht haben. Jedoch kann durch Ehevertraͤge etwas anders feſtgeſetzt werden91)Fried. Ulr. pestel Diſſ. num pacta dotalia, quibus cau - tum, ut maſculi patris, feminae matris religione imbuantur, ſint ſervanda? Rintelii 1752. 4.. So wie es denn auch in manchen Laͤndern, z. B. in Heſſen, der Pfalz, Oettingen, u. ſ. m.92)Moſer von der Landeshoheit im Geiſtlichen IV. B. V. Cap. §. 38. S. 485. u. f. beſondere Verordnungen giebt, vermoͤge deren der Sohn in der Glaubenslehre des Va - ters, die Tochter aber in der Religion der Mutter erzo - gen werden muß93)Chriſt. Jac. von Zwierlein Abhandl. ob ein Landesherr befugt, eine Verordnung zu geben, nach welcher die aus ver - miſchten Ehen erzeugte Kinder ſo getheilt werden, daß die Soͤhne dem Glauben des Vaters, die Toͤchter der Mutter folgen? im Deſſelben Nebenſtunden I. Th. IX. Ab - handl. S. 171. folgg.. Zur Erziehung der Kinder gehoͤrt auch ferner die Beſtimmung der kuͤnftigen Lebensart der - ſelben94)pufendorf Iur. Nat. et Gent. Lib. VI. cap. 2. §. 13. Iat. Frid. ludovici de iure et iurisprud. domeſtica cap. III. §. 4. winbom D. quatenus liberi parentibus circa vitae genus eli - gendum obedire debeant. Upſ. 1734.. Koͤnnen ſich die Eltern hieruͤber guͤtlich nicht vereinigen; ſo kommt es vorzuͤglich auf den Vater an, zu beſtimmen, welche Handthierung oder Kunſt der Sohnerler -90)Verſtandskraͤfte, und eine ſolche Wiſſenſchaft anzutreffen, um von den Gruͤnden einer Religion urtheilen zu koͤnnen. S. Stru - ben rechtl. Bedenken I. Th. S. 336. 337. Daher iſt eine Pruͤfung ſolcher Kinder jederzeit erforderlich, wie auch der ſeel. Canzler boehmer Tom. I. Reſp. 1. 2. 3. und in lur, Eccleſ. Proteſt. T. III. p. 276. ſehr gruͤndlich ausgefuͤhrt hat. Man vergleiche uͤbrigens hierbey noch von Steck Abhandl. von den zur Religions-Aenderung erforderlichen Unterſchei - dungsjahren; in Deſſelben Abhandlungen aus d. teutſch. Staats - und Lehn-R. Halle 1757. n. I. 227De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. erlernen ſolle. Denn dieſem trauet man in einem ſol - chen Fall eine reifere Beurtheilungskraft zu, daß er beſ - ſer wiſſen muß, als die Mutter, welches mêtier der Neigung und dem Talent des Sohnes am angemeſſeſten iſt. So lang nun Kinder in dem Zuſtande der Unmuͤn - digkeit ſich befinden, muͤſſen ſie den Unterricht, welchen die Eltern ihnen geben, das Gewerbe, wozu ſie beſtimmt werden, ohne Widerrede annehmen, und duͤrfen ſich bey der Obrigkeit deßhalb nicht beſchweren, weil man ihnen die gehoͤrige Beurtheilungskraft noch nicht zutrauen kann. Allein haben ſie die Muͤndigkeit erreicht, ſo darf ihr Widerſpruch bey der Wahl ihres kuͤnftigen Gewerbes nicht ganz aus der Acht gelaſſen werden, weil darauf das Gluͤck des kuͤnftigen Buͤrgers, und deſſen Mit - wirkung zum allgemeinen Beſten beruhet. Es muß we - nigſtens in ſolchem Fall uͤber die Rechtmaͤßigkeit der Wei - gerung von dem Richter geurtheilt werden95)von Globig Preisſchrift S. 112. 113.. Wenn Eltern dem Kinde den Unterricht vorenthalten, deſſen es bedarf, um dereinſt, nach ſeinem Stande und ſonſtigen Verhaͤltniſſen, als ein brauchbares Mitglied der buͤrger - lichen Geſellſchaft zu erſcheinen, ſo kann das Kind daruͤ - ber bey der Obrigkeit Beſchwerde fuͤhren, und letzere iſt befugt, dieſe Mißbraͤuche zu ahnden.
2) Beyde Eltern koͤnnen gleiche Ehrerbietung von den Kindern verlangen96)hommel cit. Diſſ. de uſu hod. pat. pot. Cap. III. §. 64 — 68.. Kinder werden daher ſo wenig gegen den Vater als gegen die Mutter mit ſolchen Klagen und Rechtsmitteln gehoͤrt, welche der ſchuldigen Ehrerbie - tung zuwider laufen, wohin z. B. das Geſuch der Wieder - herſtellung in den vorigen Stand, inſonderheit die Klage des Betrugs, ferner der Eyd vor Gefaͤhrde (iuramentum ealumniae) und dergleichen zu rechnen ſind. Auch duͤr - fen die Kinder ſo wenig gegen die Mutter als gegen denP 2Va -2281. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.Vater zur Zeugniſſes-Ablegung genoͤthiget werden; und die Mutter iſt ſo gut befugt, das Kind wegen einer ihr zugefuͤgten groben Verbal oder Real-Iniurie zu ent - erben, als der Vater.
3) Beyden Eltern ſtehet das Recht zu, die Kinder zu zuͤchtigen97)hommel cit. Diſſ. §. 69. rothhahn Diſſ. cit. de mat. poteſtate in lib. §. 46.. Dieſe Zuͤchtigung des ungehorſamen Kindes darf ſich jedoch nie ſo weit erſtrecken, daß ſelbi - ges elend und ſiech geſchlagen, mithin ein unbrauchbares Mitglied der buͤrgerlichen Geſellſchaft werde. Indeß muß doch allemal praͤſumirt werden, daß die Eltern aus Ue - bereilung und Nachlaͤßigkeit gefehlet haben, wenn ſie die Graͤnzen der kindlichen Zuͤchtigung uͤberſchritten haben ſollten, indem das Band der Liebe, welches Eltern und Kinder zuſammenknuͤpft, grobe und anhaltende Mißbraͤu - che nicht vermuthen laͤßt. Daher darf die Obrigkeit we - gen angeblicher Mißbraͤuche dieſer Art nicht von Amts - wegen inquiriren, und die Eltern zur Rechenſchaft vor - fordern: ſie muß erwarten, bis das gemißhandelte Kind, oder deſſen Verwandte klagen; und ſo lange dies nicht geſchiehet, ſind die Eltern allemal durch die gegruͤndete Praͤſumtion geſchuͤtzt, daß ſie aus gerechten Urſachen ge - ſtraft haben. Auch die Klage des Kindes iſt nicht an - ders anzuhoͤren, als wenn ſie ſofort durch ſichtbare Merk - male der erlittenen Mißhandlung oder durch Zeugniſſe dargethan wird98)von Globig Preißſchrift S. 93. u. f.. In keinem Fall kann jedoch den Eltern erlaubt werden, ordentliche Gefaͤngniſſe zur Be - ſtrafung der Kinder anzulegen, und eine richterliche Ge - walt uͤber ſie auszuuͤben. Denn die Teutſchen haben nie dem Vater eine haͤusliche Gerichtsbarkeit uͤber ſeine Kinder eingeraͤumt99)de selchow Elem. iuris germ. privati §. 489.. Wenn es demnach auf ſchaͤrfe -re229De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. re Ahndungen ankoͤmmt, ſo iſt die Huͤlfe der Obrigkeit zu ſuchen. Dieſe muß zwar das Urtheil der Eltern an - erkennen, wenn es gelinder iſt, als die ſonſt in den Ge - tzen beſtimmte Strafe. Haͤrtere Urtheile aber ſind nach den Geſetzen zu ermaͤßigen. Dies ſetzt jedoch voraus, daß die geklagte Vergehung erwieſen ſey; und die bloße Anzeige der Eltern, (welche zwar eine, dem halben Be - weiß gleich kommende, Praͤſumtion wirkt) darf dem Rich - rer in ſo wichtigen Faͤllen nicht zum alleinigen Anhalt dienen100)von Globig Preißſchrift S. 94.. Es iſt daher eine ganz irrige Meinung ei - niger Rechtslehrer1)leyser meditat. ad Pand. Spec. XVII. m. 3., ob ihnen gleich unſer Auctor bey - pflichtet, daß die Eltern befugt waͤren, die Einſperrung ihres Kindes in ein Zuchthaus, ohne vorherige richter - liche Unterſuchung und Erkenntniß zu verlangen, welche von neueren Rechtsgelehrten mit Recht verworfen wird2)de selchow Elem. iuris german. privati §. 491. von Glo - big Preißſchrift S. 94. Schott Einleitung in das Ehe - recht §. 189. not. *** S. 427.. Wenn ein dritter beleidigter Buͤrger als Anklaͤger gegen ein Kind auftritt, welches ſchon in dem Alter ſteht, da ihm Verbrechen zugerechnet werden koͤnnen; ſo iſt ſelbi - ges von den Eltern zur geſetzmaͤſigen Ahndung auszulie - fern. Die Obrigkeit darf ihnen dieſes Strafrecht um ſo weniger einraͤumen, da es gewiſſermaßen ihnen zur Laſt zu legen iſt, wenn das ſchon zu den Jahren der Ver - nunft gelangte Kind, welches ſie zur Beobachtung ſelbſt der unvollkommenen Pflichten des Buͤrgers beſtaͤndig an - fuͤhren ſollten, ſogar die heiligen Rechte des Menſchen und des Buͤrgers verletzt3)von Globig Preißſchrift S. 92.. Ja die Eltern verdienen ſelbſt daruͤber angeſehen und beſtraft zu werden, wennP 3ſie2301. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.ſie durch Anreitzung oder unverzeihliche Nachſicht die Ge - legenheit zu ſolchen unerlaubten Handlungen ihrer Kinder gegeben haben ſollten4)rothhahn Diſſ. de materna poteſt. in liberos §. 46. S. 111..
4) Kinder koͤnnen ohne der Eltern Einwilligung kei - ne verbindliche Handlung unternehmen5)Schott Eherecht §. 189.. Sie ſind vielmehr bey allen Handlungen, welche auf die Erhal - tung des Hausweſens, mithin auf die ganze Familie ſich beziehen, zu voͤlligem Gehorſam den Eltern verpflichtet. Alle Handlungen dieſer Art, welche ohne Einwilligung der Eltern unternommen werden, ſind null und nichtig; und kein Eyd, noch der dabey eintretende Schaden eines dritten, kann ſolchen eine Verbindlichkeit geben6)von Globig Preisſchrift S. 113.. Des - wegen koͤnnen Kinder, die noch unter der elterlichen Ge - walt ſtehen, ohne Wiſſen und wider Willen der Eltern eine guͤltige Eheverbindung nicht ſchlieſſen7)de selchow Elem. iuris germ. privati §. 416. et 491. roth - hahn cit. Diſſert. §. 25 — 34. Tob. Iac. reinharth Diſſ. de arbitrio patris et iure matris in nuptias filiarum Erf. 1732. Em. Io. Fr. manzel Diſſ. de aequali utriusque parentis iure qua conſenſum in ſponſalia liberorum. Roſtochii 1760.. Ob nun gleich im Fall einer verſchiedenen Geſinnung der Eltern des Vaters Einwilligung oder Nichteinwilligung dem Willen der Mutter vorgehet, ſo iſt doch nach teutſchen Rechten und Sitten der Mutter Einwilligung alsdann unſtreitig fuͤr nothwendig zu halten, wenn der Vater ge - ſtorben, oder verhindert iſt, ſeine Einwilligung zu erthei - len8)Schott Eherecht §. 93. Not. ** Hofmann Handbuch des teutſchen Eherechts 2. Hauptſt. §. 10. S. 28..
5) Bey -231De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.5) Beyden Eltern ſtehet das Recht zu, von den Kindern alle diejenigen haͤußlichen Dienſte zu ver - langen, welche die Eltern ſelbſt verrichten9)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſput. de operis liberorum, quas ſuis parentibus debent ac praeſtant: in eiusdem Diſſer - tat. Academ. Vol. I. n. 1.. Schon der Zweck der Erziehung berechtiget die Eltern hierzu, damit die Kinder vom Muͤſſigang abgehalten, und zum Fleiß gewoͤhnt werden. Es findet auch hier jene Theilung der elterlichen Gewalt ſtatt, deren ich ſchon oben gedacht habe, daß bey den Dienſten des Sohns vorzuͤglich der Wille des Vaters, bey den Dienſten der Tochter aber der Wille der Mutter zur Richtſchnur die - nen muß. Die Kinder ſind jedoch nur zu ſolchen haͤuß - lichen Dienſten verbunden, die ſich fuͤr ſie ſchicken, mit - hin nicht zu knechtiſchen oder Geſinde Dienſten, wodurch das Kind unter den Stand, wozu es nach ſeiner Geburt beſtimmt iſt, herabgewuͤrdiget werden, und die zu ſeinem Unterricht und ſittlichen Ausbildung erforderliche Zeit verliehren wuͤrde10)von Globig Preisſchrift S. 118. harpprecht cit. Diſ - ſertat. §. XXVI. . Indeſſen kann ein beſonderer Noth - fall auch hier eine Ausnahme von der Regel machen. Ob das Kind auch zu kuͤnſtlichen und handwerks - maͤſigen Arbeiten gehalten ſey? iſt eine Frage, die von den Rechtsgelehrten verſchiedentlich entſchieden wird. Unſer Herr Verfaſſer behauptet, kuͤnſtliche Dienſte koͤnnten die Eltern nur in dem Fall verlangen, wenn ſie den Kindern Alimente geben. Allein nach der Meinung Leyſers11)Meditat, ad Pandect. Specim. XVII. med. 2. koͤnnen die Eltern von den Kindern dergleichen Dienſte gar nicht fordern. Ich glaube, daß das Kind allerdings verpflichtet ſey, den Eltern mit ſeiner erlernten ProfeßionP 4und2321. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.und Wiſſenſchaft in ſo weit beyzuſtehen, als ſie deſſen zum Unterhalt der Familie beduͤrfen. Denn die natuͤr - liche Billigkeit erfordert dieſe gegenſeitige Unterſtuͤtzung, und einigen Erſatz fuͤr den Aufwand, welchen die Eltern bey dem Unterricht des Kindes gewagt hatten, und das, was ſie dabey an haͤußlichen Arbeiten entbehren muſten12)von Globig Preisſchrift a. a. O.. In ſo weit kann auch das Kind keine Verguͤtung fordern; zumal wenn daſſelbe ſeiner Jugend oder anderer Umſtaͤnde halber, ein mehreres mit ſeiner Dienſtleiſtung nicht ver - dienen koͤnnte, als denen Eltern die Erziehung und der Unterhalt deſſelben koſtet13)Struben rechtliche Bedenken III. Th. Bed. 49.. Wenn jedoch das Kind ſchon ein ſolches Alter und Faͤhigkeit erreicht haͤtte, daß es ſich ſelbſt mit ſeiner erlernten Profeſſion oder Kunſt unter andern Leuten ſeinen Unterhalt zu verſchaffen im Stande waͤre, ja noch mehr verdienen koͤnnte, als der Unterhalt, den es dafuͤr von ſeinen Eltern genießt, aus - macht; der Sohn bleibt aber bey den Eltern, und lei - ſtet ihnen ſolche Dienſte, zu denen ſie ſonſt einen Faktor, oder Handelsdiener, oder einen Geſellen halten und loh - nen muͤßten; er erſpart ihnen alſo das Geſellenlohn, ſo gebuͤhret einem ſolchen Kinde allerdings eine billige Be - lohnung, die daſſelbe auch noch bey der kuͤnftigen Elter - lichen Erbtheilung in Anregung bringen, und vorausfor - dern kann, weil es zum Beſten der Miterben wirklich gearbeitet hat14)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſſ. de ſalario pro operis liberorum praeſtando: in eiusd. Diſſertat. Academ. Vol. I. n. 2. renz mixt iuris rom. et germ. in materia patriae pote - ſtat. §. XIX. Chr. Henr. breuning Diſſ. an pater teneatur liberis ad mercedem praeſtandam propter operas praeſtitas. Lipſiae 1772. Struben a. a. O. Eichmann Erklaͤ - rungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 177. u. ff..
6) Bey -233De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.6) Beyde Eltern haben ferner das Recht, die Her - ausgabe und ungehinderte Verabfolgung ihres Kindes von demjenigen zu verlangen, der ihnen daſſelbe wieder - rechtlicher Weiſe vorenthaͤlt15)Vid. Tit. D. et C. de liberis exhibendis et duecndis[.]Schmidts Lehrbuch von gerichtlichen Klagen §. 410 ff.. Merkwuͤrdige Beyſpiele hiervon wird man bey Faber16)Staats-Canzley Th. LVI. c. 5. Th. LVII. c. 3. Th. LIX. c. 2. Th LX. c. 4. und Moſer17)R. Hofraths-Concluſa T. I. S. 747. 755. T. III. S. 922. T. VI S. 2. add Conſil. Tubingenſ. Vol. I. Conſ. 86. finden. Es verſtehet ſich zwar von ſelbſt, daß auch hier die rich - terliche Huͤlfe imploriret werden muͤſſe, und zwar muß die Obrigkeit durch den kuͤrtzeſten Weg des Proceſſes die Eltern wieder in den verlohrnen Beſitzſtand ſetzen. Aber auch die Selbſthuͤlfe, welche dieſe in ſolchem Fall aus - uͤben, iſt nicht ſo zu ahnden, wie die Selbſthuͤlfe zur Wiedererlangung des Eigenthums; da nicht bloſe Eigen - thumsrechte, ſondern ſelbſt Pflichten der Natur, und die im Staate autoriſirte haͤußliche Gewalt der Eltern, eine ſolche Anmaßung entſchuldigen18)von Globig Preisſchrift S. 95.. Endlich
7) iſt nach teutſchen und heutigen Rechten eine Mut - ter ſo gut als der Vater befugt, ihren unmuͤndigen Kin - dern in ihren letzten Willen einen Vormund zu beſtellen; es findet auch in Anſehung der obrigkeitlichen Beſtaͤtti - gung kein Unterſchied ſtatt19)renz mixtur. iur. rom. et germ. in mat. pat. poteſt. theſ. 16, rothhahn Diſſ. de materna poteſtate in liberos §. 44..
Soviel hiernaͤchſt die oben (S. 222.) aufgeworfene zweyte Frage betrift, ſo iſt folgendes Principium zu be - merken: diejenigen Rechte der vaͤterlichen Ge -P 5walt,2341. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.walt, welche dem Vater nach dem roͤmiſchen Recht uͤber das den Kindern zuſtehende be - ſondere Vermoͤgen eingeraͤumt werden, ſind auch noch heutiges Tages beſondere und ei - gene Rechte des Vaters, an welchen die Mutter in der Regel keinen Antheil nimmt. Nach dieſem Grundſatz hat daher
1) der Vater auch noch nach heutigen Rechten or - dentlicher Weiſe den alleinigen Nießbrauch von den Guͤtern der Kinder, ſo lange dieſelben in vaͤterlicher Gewalt ſind20)Weſtphal im teutſchen Privatrecht II. Th. S. 96. §. 3. puffendorf Obſervat. iuris univ. T. I. Obſ. 98. §. 14. wernher Obſervat. Forenſ. Tom. I. Part. III. Obſ. 141. Lud. Godofr. madihn Princip. iur. Rom. Part. V. §. 3.. Der Mutter ſtehet ein ſolches Recht anders nicht zu, als wenn ihr ſolches entweder die beſondern Statu - ten und Geſetze eines Orts oder Landes geben21)Ferd. Chriſtph. harpprecht Diſſ. de uſufructu ſtatutario materno, qua conſtituendo. eiusdem Diſſ. de impedimentis uſusfructus[ſtatutarii] mat. modisque eundem conſtitutum ſol - vendi; idem de uſusfr. ſtatutarii materni eidemque combina - tae adminiſtrationis adiunctis, et effectibus lucroſis. idem de uſusfr. ſtatutar. mat. effectibus oneroſis; in eiusdem Diſſer - tation. Academicar. Vol. II. N. 76. 77. 78. et 79. Aem. Lud. hombergk zu vach Diſſ. de uſufructu parentum in Haſſia, ſpeciatim de uſufruetu materno Marburgi Cattor. 1770. idem de uſufructu materno in Haſſia, atq. diverſis eiusd. cauſis, ſpeciatim de parentali poteſtate. Ibid. 1776. idem de uſufr. materno in Haſſia, atq. div. eiusd. cauſis, ſpeciatim de com - munione bonorum, unione prolium, iure devolutionis. Ibidem 1777. idem de fatis, ſtatu et conditione uſusfr. materni in Haſſia. Ibidem 1778. Io. Gottl. heineccii Diſſ. de uſufructu materno iuris german. et maxime Hamburgenſis. in eius Opuſc. variis. (Halae 1735. 4.) Exerc. XV. Frid. Lud. penzen -kuf -, oderdie -235De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. dieſelbe nach des Mannes Tode die Erziehung und Ver - pflegung der Kinder uͤbernimmt, in welchem Fall die Mutter ſo viel Nutzen aus den Guͤtern der Kinder zu ziehen berechtiget iſt, als jene erfordert. Ein anders iſt der Nießbrauch, der wegen Gemeinſchaft der Guͤter dem uͤberlebenden Ehegatten an dem geſammten Vermoͤgen verbleibt. Dieſer hat mit der vaͤterlichen Gewalt keine Verbindung.
2) Auch nur allein der Vater hat heutiges Tages das Recht, den Kindern pupillariſch zu ſubſtitui - ren, das heißt, ihnen durch Teſtament auf den Fall ei - nen Erben zu ernennen, wenn ſie in der Unmuͤndigkeit ſterben ſollten22)carpzov Iurispr Forenſ. P. III. Conſt. 8. def. 16. wern - her ſelect. Obſervat. Forenſ Tom. I. Part. V. Obſ. 157. n. 2. 3. schilter Praxi Iur. Rom. Ex. XXXVIII. §. 88. Zwar will rothhahn in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. §. 12. behaupten, daß nach heutigen Rechten auch der Mut - ter das Recht der Pupillar-Subſtitution zuſtehe; allein aus den von ihm angefuͤhrten beſondern Rechten einiger teutſchen Reichslande laͤßt ſich noch kein gemeines teutſches Recht in Anſehung dieſes Puncts herleiten..
Was endlich die dritte Frage (S. 222.) anlangt, ſo nimmt der heutige Gerichtsgebrauch faſt alles an, was das neuere roͤmiſche Recht von der vaͤterlichen Gewalt verordnet; und nur dasjenige faͤllt heutiges Tages weg, was aus dem ehemaligen Eigenthum des Vaters uͤber ſeine Kinder, und der haͤußlichen Ge - richtsbarkeit deſſelben auch ſelbſt im neuernroͤmi -21)kuffer Diſſ. de uſu matri competente, ad L. 2. Tit. 33. Re - format. Noricae. Erlangae 1760. Io. Caſp. heimburg Diſſ. de uſufructu materno in bonis adventitiis liberorum. Ienae 1763. rothhahn D. de mat. poteſt. in liberos §. 15 — 23.2361. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.roͤmiſchen Recht noch uͤbrig geblieben. Denn in Teutſchland hat nie der Vater ein Eigenthum oder eine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder gehabt23)heineccius in Elem. iuris Germ. Lib. I. §. 169. 170. puf - fendorf in Obſervat. iuris univ. Tom. I. Obſ. 99. §. 8. Struben rechtliche Bedenken II. Th. Bed. 68. S. 254. de selchow Elem. iuris German. privati hodierni. §. 489.. Daher koͤnnen auch keine Folgen davon angenommen werden. Alſo kann
1) der Vater nach heutigen Rechten ſeine neuge - bohrne Kinder auch in der aͤuſſerſten Noth und Duͤrftig - keit nicht verkaufen.
2) Eben deßwegen kann auch die den Eltern zuſte - hende Klage, wodurch ſie die Verabfolgung ihrer Kin - der von demjenigen verlangen, der ſie ihnen vorenthaͤlt, keine eigentliche Vindications-Klage genennt wer - den.
3) Auch die erdichtete Einheit zwiſchen Vater und Kindern iſt in Teutſchland nicht zu gebrauchen24)Ge. beyer Delineat. iuris Germ. Lib. I. cap. 26. §. 41. rothhahn Diſſ. cit. §. 9. Weſtphal teutſches Privatrecht 2. Th. S. 95. Bern. Aug. gaertner in Meditat. practic. ad Pandect. Specim. I. med. 75.. Es gelten alſo Vertraͤge zwiſchen ihnen25)Gottl. Ger. titius in Diſſ. de contractibus patris et libe - rorum in poteſtate eius exiſtentium. Lipſiae 1713. Chriſt. Henr. breuning Diſſ. an fictio unitatis perſonae hodie noceat pacto inter patrem et filium inito? Lipſiae 1771. Chriſt. Gottl. einert Diſſ. de valore donationum inter parentes et liberos. Lipſiae 1773.. Zwar wollen verſchiedene heutige Rechtsgelehrten das Gegentheil darum behaupten, weil das roͤmiſche Recht hierin durch keincon -237De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. contraires teutſches Geſetz ſey aufgehoben worden26)leyser Specim. XXI. med. 5. wernher Obſ. forens. T. I. P. V. Obſ. 189. hommel Diſſ. de uſu hod patr. poteſt. Cap. III. §. 78. renz cit. Diſſ. Th. 20. Hoͤpfner Com - mentar uͤber die Inſtitutionen §. 104. S. 105. müller ad Leyſerum Tom. I. Obſ. 103. Die Verfaſſer der Medita - tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien III. Band 132. Meditat.. Allein wenn gleich das roͤmiſche Recht allerdings als ein ſubſidiariſches Geſetzbuch in der Regel eine guͤltige Richt - ſchnur abgiebt, um vorkommende Faͤlle darnach zu ent - ſcheiden; ſo kann es doch in ſolchen Vorſchriften, deren weſentlicher Grund bey uns gaͤnzlich wegfaͤllt, nicht fuͤg - lich zur Anwendung kommen. Daher denn auch die mehreſten heutigen Rechtslehrer hierin mit mir uͤberein - ſtimmen27)berger Oeconom. iuris Lib. I. Tit. 3. theſ. 16. Stru - ben rechtl. Bedenken II. Th. Bed. 68. S. 254. Adolph Diet. Weber Entwickelung der Lehre von der natuͤrl. Ver - bindlichkeit III. Abtheil. §. 88. S. 31. Fiſcher Lehrbegriff der Kameral - und Policeyrechte I. Th. §. 163. Unſer Herr Verfaſſer §. 138. und die bereits Not. 24. u. 25. angefuͤhrte Schriftſteller.. Ein gleiches gilt auch von den Vertraͤgen, welche Kinder, die noch unter vaͤterlicher Gewalt ſtehen, nicht mit dem Vater, ſondern unter ſich eingehen; inſo - fern nehmlich, wie von ſelbſt vorausgeſetzt wird, den vaͤterlichen Rechten dadurch kein Eintrag geſchiehet28)Nach roͤmiſchen Rechten konnten die Kinder, die noch unter vaͤterlicher Gewalt ſtanden, nicht einmal unter einander buͤr - gerlich guͤltige Vertraͤge ſchließen. Denn im Grund war es eben ſo viel, als ob ſie mit dem Vater paciſcirten. L. 38. D. de condict. indeb. Allein ſelbſt nach neuern roͤmiſchen Rech - ten, ſeitdem die peculia adventitia eingefuͤhrt wurden, ließ ſich dieſer Satz nicht mehr ohne Einſchraͤnkung behaupten. Hoͤpfners Commentar §. 736.. Aus2381. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.Aus eben der angefuͤhrten Urſache kann auch nach heuti - gen Rechten ein Proceß zwiſchen Eltern und Kindern ſtatt finden. Z. B. wenn das Kind uͤber grauſame Be - handlung oder Verweigerung des noͤthigen Unterhalts gegen den Vater Klage erhebt; oder wenn ſich der Vater wiederrechtlich den Nießbrauch an ſolchen Guͤtern der Kinder anmaßt, daran ihm nach gemeinem Recht kein Uſusfructus zuſtehet, ſo kann das Kind desfalls bey der Obrigkeit klagen29)beyer Delineat. iuris german. Lib. I. cap. XXVI. §. 48. rothhahn cit. Diſſert. §. 11. renz cit. Mixt. iur. rom. et germ. Theſ. XXII. . Ob das ius ſuitatis ſolcher Kinder, die bis an den Tod ihres Vaters in deſſelben Gewalt ge - blieben, vermoͤge deſſen ſie die vaͤterliche Erbſchaft ipſo iure acquiriren, ja, ohne es gewußt zu haben, daß ih - nen dieſelbe zugefallen, ſolche auf ihre Erben transmitti - ren, heutiges Tages ceßire? iſt ebenfalls controvers. Bocris30)Joh. Heinrich Bocris kurzgefaßter Beweiß, daß die Suitas heredis in Teutſchland wenig oder gar keinen Nutzen zeige, dahingegen zur Verwirrung der vaterlaͤndiſchen Rechte und Bekraͤnkung der Partheyen wahren Gerechtſame ein großes mitwirke. Altdorf 1744. 4. behauptet dieſes. Allein hierin widerſpricht die taͤgliche Praxis31)stryck Uſ. Mod. Pandect. Lib. XXIX. Tit. II. §. 2. renz mixt. iur. rom. et germ. in materia patr. pot. §. 25. et 32..
4) Da die Teutſchen dem Vater nie eine richterli - che Gewalt uͤber ſeine Kinder eingeraͤumt haben, ſo iſt die hierauf ſich beziehende actio tributoria heutiges Tages ganz ungewoͤhnlich; wie ich Lib. XIV. Tit. 4. umſtaͤnd - licher zeigen werde32)Weſtphal a. a. O. S. 96. stryck Uſ. Mod. Pandect. tit. de tribut. act. §. 1. lauterbach Coll. theor. pr. Pan - dect. eodem tit. §. 7. Hoͤpfner Commentar §. 1152..
Die roͤmiſche oder buͤrgerliche vaͤterliche Gewalt wird nun auf dreyerley Art erworben, naͤmlich durch rechtmaͤſige Ehe, durch Legitimation und Adoption. Da die Lehre vom Eherecht erſt im 23. Buch der Pan - decten vorkommt, ſo begnuͤge man ſich vorjetzt mit folgen - den Prinzipien.
1) Ueber Kinder, die man in rechtmaͤſiger Ehe ge - zeugt hat, erwirbt man die vaͤterliche Gewalt ipſo iure33)L. 3. D. h. t. In poteſtate noſtra ſunt liberi noſtri, quos ex iuſtis nuptiis procreaverimus: quod ius proprium civium Romanorum eſt. . Denn die Geſetze halten die waͤhrend einer geſetzmaͤßigen Ehe gebohrnen Kinder fuͤr Kinder ehelichen Herkom - mens34)L. 6. D. eod. filium eum definimus, qui ex viro et uxore eius naſcitur. , und den Ehemann fuͤr den rechtmaͤſigen Va - t[e]r derſelben35)L. 3. §. 1. D. de agnoſc. et alend. liberis. , nach der bekannten Regel: Pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant. Es muͤſſen nur nicht Gruͤnde einer phyſiſchen Unmoͤglichkeit eintreten, die die - ſe rechtliche Vermuthung aus dem Wege raͤumen.
2) Wenn demnach der Fall vorkaͤme, daß Mann und Frau nach Zeit und Ort dergeſtalt von einander entfernt geweſen, daß ſich keine moͤgliche Vermiſchung denken lieſ - ſe, und der Mann nach einer langen z. B. zehenjaͤhrigen Abweſenheit ein jaͤhriges Kind zu Hauſe faͤnde, das ſei - ne Frau unterdeſſen gebohren hat36)L. 6. D. h. t. Si fingamus, abfuiſſe maritum, verbi gratia per decennium, reverſum anniculum inveniſſe in domo ſua; placet nobis Iuliani ſententia, hunc non eſſe mariti filium. ; oder wenn derMann2401. Buch. 6. Tit. §. 139.Mann durch langwierige ſchwere Krankheit und abgezehr - te Kraͤfte ſeit langer Zeit auſſer Stand geſetzt war, der Frau ehelich beyzuwohnen, und derſelbe dennoch zu ſei - nem nicht geringen Erſtaunen die ganz unerwartete Ent - deckung macht, daß ſeine Frau geſegneten Leibes iſt; ſo kann weder in dem einem noch dem andern Fall das von der Frau gebohrne Kind fuͤr ein rechtmaͤſiges Kind des Ehemanns, noch dieſer fuͤr den Vater deſſelben gehalten werden37)L. 6. D. h. t. — Sed mihi videtur, quod et Scaevola pro - bat, ſi conſtet, maritum aliquamdiu cum uxore non concu - buiſſe infirmitate interveniente, vel alia cauſa; vel ſi ea va - letudine paterfamilias fuit, ut generare non poſſit: hunc, qui in domo natus eſt, licet vicinis ſcientibus, filium non eſſe. .
3) Auſſerdem iſt die Vermuthung des Geſetzes, daß der Ehemann Vater des Kindes ſey, welches ſeine recht - maͤſige Gattin waͤhrend der Ehe zur Welt gebracht hat, ſo ſtark, daß dem Vater das dadurch erworbene Recht der vaͤterlichen Gewalt auf keine Weiſe genommen wer - den kann, wenn auch die Frau behaupten ſollte, daß das Kind nicht von ihm, ſondern von einem andern im Ehe - bruch mit ihr erzeugt ſey38)L. 29. §. 1. D. de probat. L. 3. §. penult. D. de iniur. Cap. 9. X. de poenit. cocceji Iur civ. controv. h. t. Qu. 6., dieſe Angabe der Mutter auch dadurch wahrſcheinlich wuͤrde, daß ſie als eine aus - ſchweifende Perſon oͤffentlich bekannt waͤre39)L. 11. §. 8. et 9. D. ad L. Iul. de adulter. voet in Com - ment. ad D. h. t. §. 8., ja ihre Verſicherung eidlich40)Cap. 10. X. de probat. lauterbach in Coll. th. pr. Pand. h. t. §. 9. wernher lect. Comment. ad Pand. h. t. §. 6. und unter den Geburtsſchmerzen bekraͤftiget haͤtte41)voet in Comm. ad Pandect. h. t. §. 7.. Denn kein Geſtaͤndniß darf zumNach -241De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. Nachtheil eines Dritten abzielen42)L. 74. D. de R. I. L. ult. in fin. Cod. de accuſat. Cap. 1. X. de confeſſ. cap. 4. et 10. X. de probat cap 10. de teſtib. Claproth Einleitung in den ordentl. buͤrgerlichen Proceß §. 218. S. 266. und der Eid, der ſich uͤberhaupt immer nach der Natur desjenigen Ge - ſchaͤfts richtet, zu welchem er hinzugekommen43)Omne iuſiurandum ſequitur naturam negotii principalis, at - que cum illius defectu aut infirmitate ſimul vitiatur mal - blanc doctr. de iureiurando §. 117. Es iſt uͤberdem bekannt, daß auch der Eid einem Dritten keinen Nachtheil bringen duͤr - fe. Cap. 21. X. de iureiur. , kann von keiner Wirkung ſeyn, wenn das Geſtaͤndniß an ſich unwirkſam iſt.
4) Wenn eine geſchiedene Frau ein Kind zur Welt gebracht hat, ſo wird daſſelbe in Gemaͤßheit des Plancia - niſchen Senatusconſults44)L. 1. §. 1. D. de agnoſc. et alend. liberis. alsdann fuͤr den Filius Fa - milias des geſchiedenen Mannes angeſehen, wenn ſie ihre Schwangerſchaft dem Mann binnen dreißig Tagen nach aufgehobener Ehe gehoͤrig angezeigt, dieſer gegen die De - nunciation ſeiner Frau nicht proteſtiret hat, und dann die Niederkunft der Frau zu einer ſolchen Zeit eintritt, daß man den Beyſchlaf, aus dem der Partus gezeugt wor - den iſt, noch als eine eheliche Kohabitation des von ihr geſchiedenen Gatten annehmen kann.
5) In wiefern der Ehemann dieſe fuͤr ihn und den Stand des Kindes ſtreitende Vermuthungen auch wi - der ſich gelten laſſen, und das von ſeiner rechtmaͤſigen Frau zur Welt gebrachte Kind auch wider ſeinen WillenfuͤrGluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Q2421. Buch. 6. Tit. §. 139. u. 140.fuͤr das ſeinige anerkennen muͤſſe, davon iſt hier die Fra - ge noch nicht, ſondern gehoͤrt zum 3. Titel des XXV. Buchs. Allein das iſt hier noch
6) anzumerken, daß nach dem roͤmiſchen Rechte dem Großvater die vaͤterliche Gewalt uͤber die von ſeinem Sohne in rechtmaͤſiger Ehe gezeugte Enkel zuſtehe, wenn naͤmlich der Sohn ſelbſt noch nicht von der vaͤterlichen Gewalt befreyet iſt45)L. 4. D. h. t. Qui ex filio meo et uxore eius naſcitur, id eſt, nepos meus, et neptis, aeque in mea ſunt poteſtate; et pronepos et proneptis, et deinceps caeteri. ; welcher Fall jedoch in unſern Ta - gen ſeltner als zu der Roͤmer Zeiten vorkommen moͤchte.
Die buͤrgerliche oder roͤmiſche vaͤterliche Gewalt wird nun zweytens auch durch die Legitimation46)Die vorzuͤglichſten Schriften uͤber dieſe Lehre ſind Franc. hotomannus de ſpuriis et legitimatione, in eius disputat. iuris civ. volumine uno, Lugduni 1569. et in Operib. T. I. pag. 519. Chriſt. thomasii Diſſ. de uſu pract. doctrinae de legitimatione Halae 1713. Iuſt Henn. boehmer Diſſ. de legitimatione ex damnato coitu natorum Halae 1759. Ge. iordens Diſſ. duae de legitimatione, in fellenberg Iuris - prud antiqua Tom. II. n. 17. p. 325. Ern. Lud. Aug. ei - senhart Diſſ. de legitimatione liberorum illegitimorum prae - cipue ſecundum ius german. hodiernum. Helmſt. 1786. 4. Auſ - ſerdem hat auch hiervon noch ſehr gruͤndlich gehandelt Deſider. heraldus lib. I. rer. et quaeſt. iuris quotid. cap. I. ſqq. et c. 4. Die von einzelnen Gegenſtaͤnden dieſer Materie han - delnde beſondere Schriften werde ich gelegenheitlich anfuͤhren. erworben. Dieſe ſetzt unehelichgebohrne Kinder zum voraus, welche von Geburt in vaͤterlicher Gewalt nicht ſind. Wasiſt243De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. iſt aber Legitimation? Unſer Herr Verf. ſagt, ſie ſey diejenige Handlung, wodurch uneheliche Kinder mit Huͤl - fe einer Fiction zu ehelichen Kindern gemacht werden. Allein dieſer Begrif ſcheint mir nicht ganz adaͤquat. Wozu jener Behelf der Fiction in dem allgemeinen Begrif der Legitimation, da ſich eine ſolche Erdichtung nicht einmal aus roͤmiſchen Rechten mit Beſtand darthun laͤßt? Legi - timation uͤberhaupt iſt vielmehr eine ſolche Hand - lung, wodurch uneheliche Kinder die Rechte der ehelichgebohrnen ganz oder zum Theil erlangen. Dieſe iſt nun von dreyerley Art, die roͤ - miſche, die teutſche und die heutige Legitimation. Nach dem roͤmiſchen Rechte wird die Legitimation, wie - wohl man dieſes Wort in den roͤmiſchen Geſetzen eigent - lich nicht findet47)Es kommt zwar das Wort Legitimatio in den Rubriken des zweyten, achten und neunten Capitels der Nov. 89. vor. Allein es iſt ja bekannt genug, daß jene Rubriken nicht aͤcht ſind, denn in dem griechiſchen Terte finden ſie ſich nicht. S. lauterbach Diſſ. de legitimatione per ſubſequens ma - trimon. Th. 2. Io. wunderlich de legitimatione per oblat. curiae §. 1. not. 6. noltenius haͤlt es daher in Lexico latin. linguae antibar. p. 601. mit Recht fuͤr ein vocabulum barbarum et minus latinum. Allein in Corpore iuris cano - nici kommt es vor c. 13. X. qui fil. ſint. legit. , blos als ein modus acquirendi pa - triam poteſtatem betrachtet, und darunter diejenige buͤrgerliche Rechtshandlung verſtanden, wo - durch Kinder, welche im Concubinate erzeuget worden, in die vaͤterliche Gewalt ihres na - tuͤrlichen Vaters, in welcher ſie von Geburt nicht ſind, mit ihrer Einwilligung gebracht werden, und hierdurch die Familienrechte ehelich gebohrner Kinder erlangen. Dieſe roͤ - miſche Legitimation wurde alſo blos als eine WohlthatQ 2fuͤr2441. Buch. 6. Tit. §. 140.fuͤr den Vater und zu deſſen Nutzen eingefuͤhrt. Sie war vor K. Conſtantins Zeiten gar nicht uͤblich, nur einige wenige Beyſpiele finden wir, da die roͤmiſchen Kai - ſer zuweilen uneheliche Kinder aus bloßer Gnade und extra ordinem durch ein Reſcript fuͤr legitim erklaͤrt haben48)livius lib. XXXVIII. cap. 36. marcian. L. 57. §. 1. D. de ritu nupt. . Allein K. Conſtantin der Große verordne - te zuerſt, daß wenn ein Roͤmer ſeine Concubine, falls ſolche eine freye Perſon iſt, heyrathen wuͤrde, die mit ihr erzeugten Kinder fuͤr ehelich gehalten werden, und der Vater die vaͤterliche Gewalt uͤber ſie erhalten ſoll - te49)Die Verordnung ſelbſt findet ſich zwar im Codex nicht, allein man erkennt ihren Inhalt aus der Verordnung des K. Zeno in L. 5. C. de nat. liberis, wo jener Erwaͤhnung geſchiehet, und ſelbige erneuert wird.. Die Abſicht des Kaiſers dabey war, den Con - cubinat, welcher damalen ſo ſehr uͤberhand genommen hatte, und welchen er den Grundſaͤtzen der chriſtlichen Religion zuwider hielt, wenigſtens zu ſchwaͤchen, da er denſelben auf einmal abzuſchaffen ganz unmoͤglich fand. Er ſuchte alſo die Buͤrger, durch die ihnen verheiſſene Wohlthat zu Schlieſſung rechtmaͤſiger Ehen mit ihren Concubinen anzureizen50)heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Poppaeam. Lib. II. cap. IV. §. 5.. Und damit er ſeine Abſicht deſto eher erreichen moͤchte, ſchraͤnkte er nicht nur das Recht der natuͤrlichen Kinder, aus den Teſtamenten ih - rer Eltern etwas erben zu koͤnnen, auſſerordentlich ein51)Praevidebat enim Imperator, ſchreibt heineccius a. a. O. p. 174. parentes aegre laturos hanc liberorum conditionem, et cum concubina potius facturos iuſtas nuptias, quam ut eam liberosque ex ſe natos, ſe mortuis in mendicitate vivere pate -rentur. ;ſondern245De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. ſondern er wollte auch die Wohlthat der Legitimation nur denenjenigen Eltern angedeihen laſſen, welche bereits im Concubinate lebten, und ſchon vor ſeiner Geſetzgebung darin Kinder erzeugt haͤtten52)Dies iſt wenigſtens daraus ſehr wahrſcheinlich, weil K. Zeno in L. 5. Cod. de naturalib. lib. die Wirkung der Legi - timation durch die nachfolgende Ehe der Eltern ebenfalls nur auf die zur Zeit ſeiner Geſetzgebung ſchon gebohrne natuͤrliche Kinder einſchraͤnkte, und dabey ausdruͤcklich erklaͤrte, daß er das Conſtantiniſche Geſetz erneuern wolle..
Fuͤr eben dieſe Abſicht arbeiteten auch die Kaiſere Zeno53)L. 5. Cod. de nat. lib. — Hi vero, qui tempore huius ſacratiſſimae iuſſionis necdum prolem aliquam ex ingenuarum concubinarum conſortio meruerint, minime huius legis bene - ficio perſruantur: cum liceat easdem mulieres ſibi prius iure matrimonii copulare, — et legitimos filios, utpote nuptiis praecedentibus, procreare. , und Anaſtaſius54)L. 6. C. codem. vom Jahr 508.. Allein K. Juͤſtinus gieng noch weiter. Er erneuerte nicht allein das Geſetz des Anaſtaſius, ſondern er raͤumte auch eins der vor - zuͤglichſten Hinderniſſe aus dem Wege, wodurch die loͤb - liche Abſicht ſeiner Vorfahren oft vereitelt worden war. Er verbot naͤmlich, uneheliche Kinder durch den Weg der Arrogation in die vaͤterliche Gewalt zu bringen, und ſolchen hierdurch die Familien Rechte in Anſehung ihresQ 3natuͤr -51)rentur. Daß Conſtantin das Erbrecht der natuͤrlichen Kinder wirklich in dieſer Abſicht eingeſchraͤnkt habe, iſt aus der Verordnung des K. Valentinian L. 1. Cod. Theod. de natur. fil. zu erſehen; worin aber dieſe Einſchraͤnkungen beſtanden haben? unterſucht Iac. gothofredus in Comment. ad Cod. Theodoſ. Tom. I. Lib. IV. Tit. 6. S. 393. edit. Ritter. 2461. Buch. 6. Tit. §. 140.natuͤrlichen Vaters mittheilen zu laſſen55)L. 7. Cod. eodem, vom Jahr 519. — non arrogationum vel adoptionum praetextus, quae ulterius minime ferendae ſunt, cum nimis ſit indignum, nimis item impium, flagitiis praeſidia quaerere, ut et petulantiae ſervire liceat; et ius no - menque patris, quod eis denegatum eſt, id altero legis colore praeſumant. Dieſe Conſtitution wird irrig von einigen dem K. Juſtinian zugeeignet. Allein man ſehe relandi faſtos Conſulares pag. 686.. Juſtinian erweiterte im Gegentheil das Recht der Legitimation eben ſo ſehr, als es ſeine Vorfahren zu Aufhebung des Con - cubinats eingeſchraͤnkt hatten. Denn die Erfahrung hat - te ihn gelehrt, daß alle Verfuͤgungen ſeiner Vorfahren fruchtlos geweſen waren, ein Uebel auszurotten, was viel zu tiefe Wurzeln geſchlagen hatte. Ueberdem war der Unterſchied zwiſchen einer rechtmaͤſigen Ehefrau und einer Concubine, ſeitdem die ehemalige Form und Feyerlichkeit bey Schließung der roͤmiſchen Ehe auſſer Gebrauch ge - kommen, ſo unbedeutend geworden, daß es jetzt ſchwer war, beyde von einander zu unterſcheiden56)Man vergleiche hier vorzuͤglich Corn. Wilh. de rhoer Diſſertationes de effectu religionis Chriſtianae in iurisprud. Roman. Faſcic. I. (Groeningae 1776. 8.) Diſſert. IV. §. 19. pag. 133. ſq. . Hierzu kam, daß ſelbſt die Geiſtlichkeit den Concubinat verthei - digte, und ſolchen durch Concilien-Schluͤße erlaubte, ja durch ihr eigenes Beyſpiel lehrte, daß derſelbe wenig - ſtens den Grundſaͤtzen der chriſtlichen Religion nicht zu - wider laufe57)can. 4. Diſt. 34. can. 6. Cauſ. XXXII. qu. 2. bingham Origin. Eccleſ XI. 5. 2. du cange in Gloſſar. v. Concubi - na, iortin Remarks on Eccleſiaſtical hiſtory Tom. III. pag. 226 und 228.. Kurz dieſe und mehrere dergleichen Gruͤnde58)Wovon de rhoer a. a. O. nachzuſehen iſt. bewogen den K. Juſtinian, daß er nichtnur247De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. nur das Recht, durch nachfolgende Ehe die mit einer Concubine erzeugte Kinder zu legitimiren, als eine beſtaͤn - dige und zu jeder Zeit guͤltige Art der Legitimation ein - fuͤhrte59)L. 10. Cod. de natur. lib. , welche ſich auch auf die noch kuͤnftig im Con - cubinat zu erzeugende Kinder erſtrecken ſolle; ſondern auch auf den Fall, da die Ehe mit der Concubine nicht ſtatt finden moͤchte, noch eine neue Art der Legitimation durch Fuͤrſtliche Begnadigung per reſcriptum prin - cipis) erfand60)Chriſt. Henr. hiller Diſſ. qua legitimatio per reſcriptum Principis Iuſtiniano Imp. tamquam auctori atque inventori vin - dicatur. Tub. 1723.. Wir werden davon zu ſeiner Zeit aus - fuͤhrlicher handeln. Soviel vorjetzt vom Begrif und zur Geſchichte der roͤmiſchen Legitimation. Nicht zum Nu - tzen des Vaters, ſondern der Kinder iſt hingegen die teutſche Legitimation eingefuͤhret worden, welche dem Vater keine vaͤterliche Gewalt uͤber ſeine unehelichen Kin - der giebt, ſondern blos den Schandfleck der unehelichen Geburt tilgt, und die Kinder faͤhig macht, in Gilden, Zuͤnfte, und andere Kollegien aufgenommen zu werden, und uͤberhaupt im Staat als legitim zu paſſiren. Auch von dieſer wird unten beym §. 145. ein mehreres vorkom - men. Endlich die heutige Legitimation iſt diejenige Handlung, wodurch uneheliche Kinder ſo - wohl die Familienrechte ehelich gebohrner, als auch gewiſſe buͤrgerliche Rechte, die ſie auſ - ſerdem wegen Anruͤchtigkeit haͤtten entbehren muͤſſen, erlangen, und zwar entweder beyde zuſammen, oder nur letztere, mit Ausſchluß der erſtern61)S. eisenhart in der angef. Diſſertat. Cap. II. §. 6.. Daher iſt die Legitimation nach heu - tigen Rechten entweder eine vollkommene (plena) Q 4oder2481. Buch. 6. Tit. §. 140.oder eine unvollkommene (minus plena)62)von Truͤtſchler Anweiſung zu vorſichtiger und foͤrml. Abfaſſung rechtl. Aufſaͤtze. I. Th. S. 301. nach der zweiten verb. Auflage.. Noch iſt die Frage kuͤrzlich zu eroͤrtern, ob die Legitimation auſſer der Ehe gebohrner Kinder ſich in einer roͤmiſchen Erdichtung gruͤnde63)Ueber dieſe Frage hat Joh. Jacob Prehn in der beym Verf. angefuͤhrten Abhandlung, Roſtock 1777. 4. am neue - ſten geſchrieben.? nach der gewoͤhnlichen Lehre der Rechtsgelehrten wird dieſe bejahet. Man ſagt, es wer - de vermoͤge einer rechtlichen Fietion angenommen, als ob ein auſſer der Ehe gebohrnes Kind in rechtmaͤſiger Ehe erzeugt worden. Weil nun bey einer jeden Fiction der Geſetze immer eine moraliſche Moͤglichkeit desjenigen voraus geſetzet wird, ſo als wahr angenommen werden ſoll, ſo koͤnnten nur blos ſolche uneheliche Kinder legiti - miret werden, deren Eltern zur Zeit des Beyſchlafs und der Conception eine rechtmaͤſige Ehe nach denen Geſetzen freygeſtanden haͤtte. Daher komme es nun, daß keine im Ehebruch, Blutſchande und andern dergleichen uner - laubten Beyſchlaf erzeugte Kinder legitimirt werden koͤnn - ten64)Man ſehe Io. strauch Diſſertat. ad ius Iuſtinian. IV. §. 3. Pet. Diet. volkmann in Diſſ. de legitimatione partus, a parentibus ſedulo occultati, eiusque adulterini per ſubſequens matrimonium. Gieſſae 1761. §. X. ſq. Hr. Oberappell. R. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciuſiſchen Inſtitu - tionen §. 136. u. a. m.. Allein dieſer Theorie ſtehen ſtarke Zweifel ent - gegen, daher ſie von vielen aͤltern und neuern Rechtsleh - rern65)Andr. alciatus Paradoxor. lib. III. cap. 12. vinnius in Commentar. ad §. ult. I. de nupt. stryck Uſ. Mod. Pan -dectar. als ungegruͤndet verworfen wird. Denn erſt -lich249De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. lich wozu brauchten die roͤmiſchen Geſetzgeber den Behelf einer Fiction, die die Legitimation als eine Wohlthat fuͤr den Vater einfuͤhrten? War ihr Wille allein nicht kraͤftig genug? Zwar bedienten ſich die roͤmiſchen Rechtsgelehrten ſolcher Erdichtungen oͤfters, wenn ſie von der Strenge der Geſetze abwichen, um ihre aufgeſtellten Saͤtze damit zu coloriren66)Ant. Dad. alteserra de fictionibus iuris, Paris 1659. 4. et ex recenſ. eisenharti Halae 1769. 8. Chriſt. Iac. zahn Diſſ. de fictionibus iuris Rom. Tubingae 1787. praeſide Chriſt. gmelin defenſa. ; allein nicht von dieſen, ſondern von den roͤmiſchen Kaiſern ſelbſt iſt ja die Legitimation eingefuͤhrt worden. Konnten nun dieſe nicht ohne Fiction kraft ihrer geſetzgebenden Gewalt den unehelichen Kindern die Rechte ehelich gebohrner unter gewiſſen Beſtim - mungen beylegen? Zweytens wuͤrde, wenn man eine ſolche retrotractiviſche Fiction annehmen wollte, hier - aus offenbar folgen, daß die aus einem Stuprum erzeug - te Kinder (ſpurii) nach dem Civilrecht haͤtten legiti - mirt werden koͤnnen, weil deren Eltern zur Zeit des Beyſchlafs die Ehe frey ſtund; und doch erſtreckte ſich die Wohlthat der Legitimation auf dieſe nach roͤmiſchen Rech - ten nicht. Drittens hat Juſtinian vermoͤge der Nov. 78. cap. 4. ſogar die Legitimation durch nachfolgende Ehe zu - gelaſſen, wenn gleich die Mutter zur Zeit der Conception oder der Geburt der Kinder noch Sclavin geweſen, wie reimt ſich dieß mit jener retrotractiviſchen Erdichtung zuſam - men? Selbſt diejenigen, welche ſie annehmen, muͤſſenQ 5daher65)dectar. h. t. §. 11. beſonders aber I. H. boehmer in Diſſ. de legitimat. ex damnato coitu nator. §. 14. und Car. Seb. berardus in Commentar. in Ius Eccleſ. univ. Tom. III. Diſſert. VI. Qu. 2. pag. 174.2501. Buch. 6. Tit. §. 141.daher geſtehen, daß Juſtinian dieſelbe aufgehoben habe. Es iſt alſo der ganze Streit daruͤber unnuͤtz67)Zum Beſchluß will ich nur noch eine Stelle aus dem ange - fuͤhrten berardus uͤber dieſe Materie herſetzen, da dieſes Buch nicht ſonderlich bekannt worden iſt. Quaenam abſurda, ſagt dieſer a. a. O. emergere potuiſſent, inducta huius generis fictione, facile eſt demonſtrare, uno propoſito exemplo. Ni - mirum proponatur filius-familias eam in concubinam ſibi ad - ſciviſſe, quam ideo uxorem non duxerat, quia pater nuptiis cum ea contrahendis diſſenſiſſet. Interea ex ea concubina nati ſunt liberi, iidemque iuxta Iuris Rom. etiam Iuſtinianei prin - cipia naturales. Mortuo patre filius ſui iuris effectus, cum concubina ſua nuptias contraxit Quoties in hac ſpecie finge - retur, ad tempora concubinatus retrotrabi nuptias, quis non videret, filios in concubinatu ſuſceptos habitum iri tanquam ſuos avo, eidemque quaſi poſthumos agnaſci? At vero hoc poſthumorum genus toti Romanae vel ipſi recentiori Iuſtinia - neae iurisprudentiae prorſus incognitum eſt, et novis inaudi - tisque controverſiis occaſionem praeberet. .
Es kommt nun in der weitern Abhandlung dieſer Materie zuerſt auf die Frage an, welchen unehelich gebohrnen die Wohlthat der Legitimation eigentlich zu Theil werde? Unſer Verf. behauptet, daß ſelbige nur denen im Concubinat und aus einem Stu - prum erzeugten Kindern zu ſtatten komme. Allein we - der adulterini noch inceſtuoſi koͤnnten legitimirt werden, weil ſich bey ſolchen Kindern nicht fingiren laſſe, daß ih - re Eltern zur Zeit des Beyſchlafs bereits in rechtmaͤſiger Ehe gelebt haͤtten. Man muͤſſe auch die mit einer Hure erzeugten Kinder (vulgo quaeſiti) von jener Wohlthat ausſchlieſſen, weil bey dieſen der Vater faſt immer unge -wiß251De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. wiß ſey. Mich duͤnkt, daß dieſe Theorie nur zum Theil wahr, uͤbrigens aber auf ein falſches Principium ge - bauet ſey. Man unterſcheide zufoͤrderſt das roͤmiſche und canoniſche Recht, deren Grundſaͤtze hierin nicht mit einander uͤbereinſtimmen. Nach dem roͤmiſchen Recht konnten nur allein die im Concubinat68)Concubinat heißt im Sinn des Roͤm. Rechts die haͤus - liche Verbindung einer ledigen Mannsperſon mit einer unver - heyratheten Weibsperſon, welche in der Abſicht, Beyſchlafs halber, jedoch ohne eheliche Form und Affection, beyſammen zu wohnen, auf eine nach den Geſetzen erlaubte Art einge - gangen worden. S. jordens Diſſ. I. de Legitimat. Cap. III. §. 2. erzeugte Kinder (naturales) legitimirt werden; andere unehelich gebohrne nicht69)§. fin. I. de nupt. tot. tit. Cod. de natural. lib. Nov. 89. cap. fin. . Fragt man nach dem Grunde dieſer Verord - nung, ſo laͤßt ſich hiervon dreyerley Urſach angeben. Denn erſtlich ſollte die Legitimation das Mittel werden, den da - mals ſo ſehr unter den Roͤmern in Schwange gehenden Concubinat indirecte abzuſchaffen70)heineccius in Comment. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. cap. 4. §. 5.. Nun aber war aller andere uneheliche Beyſchlaf, auſſer dem Concubinat, ſchon an ſich geſetzwidrig. Sodann ſollte dieſelbe zugleich eine Wohlthat fuͤr den Vater ſeyn, damit er dadurch die vaͤ - terliche Gewalt uͤber ſeine uneheliche Kinder erlangen moͤchte. Allein Wohlthaten ertheilen die Geſetze keinem Verbrecher. Ueberdem iſt bey denen aus einem andern un - ehelichen Beyſchlaf, auſſer dem Concubinat, erzeugten Kin - dern der Vater entweder ungewiß, oder ein ſolcher, quem habere non licet, wie Modeſtin71)L. 23. D. de ſtatu hom. ſich ausdruͤckt. Nun darf aber das eine ſo wenig, als das andere bey ei - ner roͤmiſchen Legitimation ſeyn. Alſo die aus einerBlut -2521. Buch. 6. Tit. §. 141.Blutſchande, oder aus einem Ehebruch, oder mit einer geſchwaͤchten honetten Weibsperſon aus einem Stuprum erzeugte Kinder, waren nach roͤmiſchen Recht von der Wohlthat der Legitimation ganz ausgeſchloſſen. Allein nach dem canoniſchen Recht, welchem wir heutiges Ta - ges in dieſer Materie ohne allen Zweifel den Vorzug ge - ben, koͤnnen alle Arten von unehelichen Kindern legiti - mirt werden, auch diejenigen, welche aus einem Stuprum, Fornication, Ehebruch oder Inceſt gebohren worden ſind72)Man ſehe hieruͤber nach I. H. boehmer in Iur. Eccleſ. Proteſt. Lib. IV. Tit. 17. und in Diſſ. de legitimat. ex damnato coitu nator. in Exercit. ad Pandect. T. I. n. 20 a pufen - dorf Obſervat. iur. univ. T. I. Obſ. 163. volkmann in Diſſ de legitimat. partus adulterini per ſubſeq. matrimon. §. 14 ſqq. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 592.. Dies hat nun zwar in dem Fall nicht den min - deſten Zweifel, wenn die Legitimation ohne Ehe durch ein landesfuͤrſtliches Reſcript73)cap. 13. X. qui filii ſint legit. berardus in Commentar. in Ius Eccleſ. univ. Tom. III. Diſſ. VI. Qu. 2. pag. 176. geſchiehet. Allein deſto mehr wird daruͤber geſtritten, wenn die Legitimation durch eine Ehe erfolgen ſoll. Hier ſind angeſehene Rechtsgelehrten74)S. berardus c. l. pag. 175. Franc. sarmiento Lib. I. ſelectar. Interpretat. cap. V. n. 10 perez Praelect. ad Codic. tit. de natural. liberis n. 12. Lud. God. madihn Princip. iuris Rom. P. V. §. 5. pag 10. u. a. m. der Meinung, daß das canoniſche Recht die Wohlthat der Legitimation zwar in ſo fern weiter, als im roͤmiſchen Recht geſchehen, ausgedehnet habe, daß nicht nur die im Concubinat, ſondern auch aus einem Stuprum oder For - nication (ſpurii et vulgo quaeſiti) erzeugte Kinder ſelbſt durch die nachfolgende Ehe der Eltern legitimirt werdenkoͤnn -253De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. koͤnnten75)cap. 1. et 6. X. qui filii ſint legitimi. . Allein die aus einem Ehebruch oder aus ei - ner Blutſchande gebohrne Kinder habe auch ſelbſt das ca - noniſche Recht von dieſer Wohlthat ausdruͤcklich ausge - ſchloſſen, wenn gleich denen Eltern die Ehe waͤre erlaubt worden. Unſer Autor ſcheint ebenfalls von dieſer Mei - nung nicht abgeneigt zu ſeyn, wie aus den Noten y und z erhellet. Die Vertheidiger derſelben gruͤnden ſich in der bekannten Decretale des Pabſts Alexander III. cap. 6. X. qui filii ſint legitimi, welche folgendermaßen lautet: Tanta eſt vis matrimonii, ut, qui antea ſunt geniti, poſt contractum matrimonium legitimi habeantur. Si autem vir, vivente uxore ſua, aliam cognoverit, et ex ea prolem ſusceperit; licet poſt mortem uxoris ean - dem duxerit; nihilominus ſpurius erit filius, et ab heredi - tate repellendus; praeſertim ſi in mortem uxoris pri - oris alteruter eorum aliquid fuerit machinatus. Nun ſpricht zwar dieſer Text ganz expreſſiv gegen die Legitima - tion der im Ehebruch erzeugten Kinder durch die nachfol - gende Ehe der Eltern; allein wir duͤrfen hierbey nicht aus der Acht laſſen, daß die vorliegende paͤbſtliche Entſchei - dung aus ſolchen Grundſaͤtzen gefloſſen ſey, welche von den Paͤbſten der folgenden Zeit wieder abgeaͤndert worden ſind. Man unterſcheide alſo die verſchiedenen Zeitperio - den der paͤbſtlichen Verordnungen von einander, und man wird bemerken, wie behutſam die Paͤbſte bey allmaͤh - liger Erweiterung der Wohlthat, uneheliche Kinder durch die Ehe der Eltern legitim zu machen, verfahren, und wie ſie in Abaͤnderung der Vorſchriften des roͤmiſchen Rechts nur ſtuffenweiſe fortgeruͤckt ſind. Es ſcheint, daß die da - malen taͤglich immer mehr uͤber Hand genommene Miß - braͤuche des Concubinats endlich auch ſelbſt