PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
DEUTSCHE GRAMMATIK
ERSTER THEIL; ZWEITE AUSGABE.
GÖTTINGENIN DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.1822.
[II][III]

HERRN GEH. JUSTIZRATH UND PROFESSOR VON SAVIGNY IN BERLIN ZUGEEIGNET.

[IV][V]

VORREDE.

Es hat kein langes beſinnen gekoſtet, den erſten aufſchuß meiner grammatik mit ſtumpf und ſtiel, wie man ſagt, niederzumähen; ein zweites kraut, dichter und feiner, iſt ſchnell nachgewachſen, blüten und rei - fende früchte läßt es vielleicht hoffen. Mit freuden gebe ich dem publicum dieſes ſeiner aufmerkſamkeit nunmehr würdiger gewordene werk, das ich mühſam gepflegt, unter ſorgen und nöthen, wo mir die arbeit bald verleidet geweſen, bald (und nach Gottes güte öfter) mein troſt geblieben iſt, bis dahin vollbracht habe. Schädlich wurden ihm auch der gebotene drang unab - läßiger ausarbeitung, welcher mir nie geſtattete vorher zu entwerfen, nachher zu beßern; dann eine unüber - windliche neigung meiner natur, immer lieber fort zu unterſuchen, als das unterſuchte darzuſtellen. Die er - giebigkeit des feldes iſt noch von ſolcher art, daß es nie verſagt und kein blatt der quellen wieder geleſen werden kann, das nicht durch weitere ausſichten er - weckte, oder begangene fehler bereuen ließe; wenn nun eine reiche errungenſchaft zu geringerem lobe gereicht, als vielſeitig erwogene verwaltung und haushälteriſche benutzung einer an ſich ſchmälern, ſo mag mich tadel treffen, daß ich nicht aus allen gefundenen ſätzen den gewinnſt, deſſen ſie fähig ſind, zu ziehen verſtanden habe, ja daß wichtige beleuchtungen zuweilen an unwirk - ſamer ſtelle ſtehen. Nicht alle meine behauptungen kön - nen ſtich halten, doch, indem man ihre ſchwäche ent - decken wird, andere wege ſich ſprengen, auf denen die wahrheit, das einzige ziel redlicher arbeiten und das einzige, was in die länge hinhält, wann an den namen derer, die ſich darum beworben, wenig mehr gelegen ſeyn wird, endlich hereinbricht; was uns das ſchwerſte war, darf der nachwelt kinderſpiel, kaum der rede werth ſchei - nen, alsdann ergibt ſie ſich neuen löſungen, wovon wir noch keine ahnung hatten und kämpft mit hinderniſſen da, wo wir alles abgethan wähnten. So gewis iſt es, daß jeder ſchärfer geſpaltete ſtoff auf der einen ſeite erleichtert, auf der andern erſchwert; mittel, gleich - ſam handhaben, um ſeiner meiſter zu werden, ſind vervielfacht und unmöglich kann er uns ganz ent - ſchlüpfen; dafür bleiben eine menge vorher mit aufge - griffener einzelnheiten jetzt unberührt und unerfaßt. Im großen iſt die zu löſende aufgabe beträchtlich vorgeſchritten, im kleinen unbefriedigender geworden. VIVorrede.Dieſem ſehr natürlichen gefühle nach kommt mir mein buch, ungeachtet ich es beßer gerathen weiß, ſchlech - ter vor, als das erſte mahl. Übeler weitſchweifigkeit zeihen wird mich keiner, der nur die maßen über - ſchauen und der forſchung unſerer ſprache ſo viel raum gönnen will, als andere nicht ſo nahe liegende theile der wißenſchaft herkömmlich einnehmen; manches ein - zelne, das ſich gerne geltend gemacht hätte, iſt zurück - gewieſen worden; die unterſuchung hat oft dadurch ſchwerfälliges anſehen, daß ich auf jeden gegenſtand gerade zu, keinem im wege ſtehenden anſtoß vorüber gehen wollte. Dieſes verfahren hängt bei mir wenig - ſtens mit der unbefangenheit ſehr zuſammen. Allgemein - logiſchen begriffen bin ich in der grammatik feind; ſie führen ſcheinbare ſtrenge und geſchloßenheit der be - ſtimmungen mit ſich, hemmen aber die beobachtung, welche ich als die ſeele der ſprachforſchung betrachte. Wer nichts auf wahrnehmungen hält, die mit ihrer factiſchen gewisheit anfangs aller theorie ſpotten, wird dem unergründlichen ſprachgeiſte nie näher treten. Etwas anders iſt, daß auch hier zwei verſchiedene richtun - gen laufen, eine von oben herunter, eine von unten hinauf, beide von eigenthümlichen vortheilen begleitet. Wohl mögen lateiniſche und griech. grammatiker auf der höhe ihrer ſprachbildung ſelbſt die fähigkeit deutſcher ſprache, ähnliche feinheit und ründung in anſpruch zu nehmen, bezweifeln. So wenig aber der erhabenere ſtand des lat. und griechiſchen für alle fälle der deut - ſchen grammatik ausreicht, in welcher noch einzelne ſaiten reiner und tiefer anſchlagen; ebenſo wird, nach A. W. Schlegels treffender bemerkung, die weit vollen - detere indiſche grammatik wiederum jenen zum cor - rectiv dienen. Der dialect, den uns die geſchichte als den älteſten, unverdorbenſten weiſt, muß zuletzt auch für die allgemeine darſtellung aller verzweigungen des ſtamms die tiefſte regel darbieten und dann bisher ent - deckte geſetze der ſpäteren mundarten reformieren, ohne ſie ſämmtlich aufzuheben. Es ſcheint mir für unſere deutſche grammatik eher vortheilhaft als nachtheilig, daß in ihr damit angefangen worden iſt, von unten herauf zu dienen. Deſto reichlicher wird ſie zu der gründlichen, keine einzelnheit gefährdenden aufſtellung des großen ganzen beitragen, ſollten auch manche ihrer vorläuſigen regeln unter höherm geſichtspuncte verſchwinden, d. h. anders gefaßt werden müßen.

VIIVorrede.

Die abhandlung der laut - vor der formenlehre hat dieſe ſichtlich gefördert; in der natürlichen ordnung würde es gleichfalls gelegen haben, das dritte buch, worin ich die wortbildung erörtere, dem zweiten vor - auszuſchicken. Da aber durch dieſe vorſchiebung das werk ſeiner erſten ausgabe vollends unähnlich geworden wäre und für den beginn des ſprachſtudiums die kennt - nis der declinationen jetzt noch das wichtigſte ſcheint, verſpare ich lieber die lehre von den wortbildungen. In dem erſten buche, deſſen druck faſt vor zwei jahren angefangen wurde, möchte ich freilich wieder verſchie - dene ſtücke abändern und nach reiferer überlegung be - richtigen, vor allem (ſchon nach der uralten alphabeti - ſchen reihe β, γ, δ; b, c, d) die kehl - den zungenlauten vorordnen; damahls beachtete ich die folge der deutſchen mediae: b, d, g. Die in der formenlehre durchgeführte, factiſch nur theilweiſe vorhandene ſtreng althochdeutſche lautreihe konnte im erſten buche, wo ſie die unter - ſuchung der buchſtaben geſtört hätte, nicht beobachtet werden; tritt ſie ſelbſt im zweiten zu hart vor, ſo feh - len uns gerade die mittel einer anſchaulichen, lebendi - gen kenntnis dieſer mundart, wodurch jene theorie etwa gemäßigt worden wäre. Unentbehrlich ſchien mir ſcharf - poſitive abgrenzung für den ſatz der lautverſchiebung (ſ. 584), deſſen einfluß auf das etymologiſche ſtudium vielleicht lat. und griech. philologen zur prüfung reitzt. So wie dieſen die geſetze claſſiſcher metrik eine fülle grammatiſcher regeln offenbart haben, iſt in den deut - ſchen denkmählern die beachtung der alliterationen und reime von außerordentlichem gewicht. Ohne den reim wäre faſt keine geſchichte unſerer ſprache auszu - führen. Das band der poeſie ſoll nicht allein die hörer und ſänger des lieds erfreuen, es ſoll auch die kraft der ſprache zügeln, ihre reinheit ſichern und kunde da - von auf kommende geſchlechter bringen. Ungebundene proſa läßt dem gedächtnis den inhalt verhallen, den or - ganen die wahre belautung der worte zweifelhaft wer - den. Der reim hat nur ſchlechte dichter gezwängt, wahren gedient, ihre gewalt der ſprache und des gedan - kens zu enthüllen. Es gibt aber zeiten, wo die kunſt des reimes ausſtirbt, weil ſich die ſinnliche zartheit der wurzelärmeren ſprache verhärtet und neugebildete zuſam - menſetzungen eine von natur ſteifere bewegung haben; ſo ſind früher die metra nach dem geſetz der quantität (welches ich unſerer ſprache aus gebliebenen nachwir -VIIIVorrede.kungen zu vindicieren gewagt habe) und der alliteration untergegangen. Keine ſprache thut den rückſchritt, es iſt daher verkehrtheit oder eitles ſpiel, verſchwundene und fremde versmaße, welchen die heutigen ſprachver - hältniſſe nicht gewachſen ſind, neu einzuführen. Der gröbere nachläßige reim unſerer beſten neueren dich - ter weiſſagt ſelbſt dieſer form einen allmähligen tod. Mit welcher reinheit, fertigkeit und natur reimten die dichter des dreizehnten jahrhunderts!

Das einladende ſtudium mittelhochdeutſcher poeſie führte mich zuerſt auf grammatiſche unterſuchungen; die übrigen älteren mundarten mit voller ausnahme der alt - nordiſchen, theilweiſer der angelſächſiſchen, bieten we - nig dichteriſches; eine anſehnliche maße mittelnieder - ländiſcher und altengliſcher werke läßt ſich jenen doch kaum vergleichen. Es kann darum nicht befremden, daß ich die mittel - und die von ihr unzertrennliche althochdeutſche grammatik umſtändlicher abgehandelt habe, als die der übrigen ſprachen. Hätte ich mich ganz auf ſie beſchränken ſollen? die hintereinander wieder - hohlte ausarbeitung ähnlicher und immer ungleicher ſprachverhältniſſe ermüdet unbeſchreiblich und ſtumpſt die ſchärfe einzelner geſichtspuncte, denen ſich derje - nige hingeben kann welcher die erforſchung eines ein - zigen, für ihn begrenzten dialects unternommen hat. Da ich aber einmahl davon ausgegangen war, das un - ſtillſtehende, nach zeit und raum veränderliche element unſerer ſprache nachzuweiſen, muſte ich eine mundart wie die andere zulaßen, durfte ſelbſt den blick nicht ganz von den urverwandten fremden ſprachen abwen - den. Wo hätte ich auch die rechte ſcheidung gefunden? das goth. war als erſte grundlage, ohne welches das althochd. unverſtändlich geweſen wäre, nicht zu umge - hen; das angelſächſ. und altnord. boten anziehende er - läuterungen und hatte ich einmahl die ältere mundart verhandelt, ſo war keine urſache vorhanden, die ſpätere auszuſchließen, eigenthümliche brauchbarkeit für das ganze hatte jede. Aber freilich müſte ihnen allen wo nicht gleiche, doch größere ausführlichkeit widerfahren, wenn auch ihr reichthum an quellen und hülfsmitteln dem unſerer hochdeutſchen mundart des dreizehnten jahrhunderts nachſteht.

Studium und erkenntnis der mittelhochdeutſchen dicht - kunſt haben in der letzten zeit zwar gewonnen, lange nicht ſo um ſich gegriffen, als man von der trefflichkeit ihrerIXVorrede.denkmähler erwarten ſollte. Sie finden noch immer wenig bearbeiter und mehr bearbeiter, als theilnehmende leſer. Möchte die allmählig erleichterte vertrautere be - kanntſchaft mit der ſprache auch zu der lieblichkeit und unſchuld und zu dem geiſte führen, die in dieſen poe - ſien walten. Die ſchleſiſchen, welche für väter der neueren dichter gelten, ſtehen tief unter aller verglei - chung mit jenen älteren, ſchmählich vergeßenen. Mir wenigſtens wiegt ein lied Walters (ja eine ſtrophe wie die ſ. 141b: wê war ſint) einen ganzen band von Opiz und Fleming auf, die ſich ſelten mit freiem gefühl, in unbeholfener ſprache und befangen in ſteifer nachbil - dung fremder muſter ausſprechen, ſo daß das ausgeſuch - teſte einzelne kaum ohne misfälliges und hartes ſeyn wird. Dort aber iſt alle gefügigkeit reiner, deutſcher ſprache, herzliche empfindung, überraſchende feinheit der wendungen und belebtheit des gedankens. Wie un - erſchöpflich zeigt ſich Wolframs poeſie im Parcifal und Wilhelm, wie ſanft und gemäßigt Hartmanns im Iwein, gewis auch im Erek, wie zart gehalten Gotfrieds im Triſtan! Solche bücher zu leſen und verſtehen zu lernen faßen ſich heutzutag wenige den muth, an Ita - lienern und Spaniern verthun viele ihre kraft und ihre zeit; ſind dort die erſten ſchwierigkeiten größer, ſo wird auch das weitere verſtändnis frommen, weil es tiefer eingeht.

Die forderungen, welche man jetzo an einen her - ausgeber mittelhochdeutſcher gedichte zu machen hat, ſind nach und nach geſteigert und verſtändigt worden; ich glaube, daß bald darüber kein zweifel mehr obwal - ten wird. Sorgloſe auflagen nach ſchlechten handſchrif - ten und mit halber ſprachkenntnis fruchten nichts; di - plomatiſch-ängſtliches wiedergeben guter handſchriften reicht nicht aus und kann nur in ſeltnen fällen geboten ſeyn. Wir fordern alſo critiſche ausgaben, keine will - kürliche critik, eine durch grammatik, eigenthümlich - keit des dichters und vergleichung der handſchriften geleitete. Es iſt uns weniger zu thun um die ſchreib - weiſe eines noch ſo ausgezeichneten copiſten, als darum, allerwärts die ächte lesart des gedichts zu haben und bis - her kennt man wohl verſchiedene handſchriften mit vor - züglich gutem texte, keine, die einen tadelloſen lieferte. Jene ſchreibweiſe mag an und für ſich mancherlei auf - klären, die einſchwärzung fremder mundarten mag der geſchichte dieſer mundarten willkommen, ja der offen -XVorrede.bare ſchreibfehler für beurtheilung ähnlicher fälle brauch - bar ſeyn; ſolche nebenzwecke dürfen die critik des tex - tes nirgends aufhalten. Der critiſche herausgeber, durch geprüfte geſetze beſchränkt und gebunden, wird zwar noch manchem irrthum ausgeſetzt bleiben, doch ſelbſt ſein irren iſt anregend und unſchädlicher als jene beru - higung bei dem rohen text; zumahl die handſchriften in gewahrſam liegen und immer nachverglichen werden können. Ein haupthülfsmittel gewährt, wie vorhin be - merkt, der reim; wer ſich mit reimweiſe, ſpracheigen - heiten und wortreichthum eines bedeutenden dichters vertraut gemacht, und alle ſeine vorhandenen ſchriften ſtudiert hat, wird eine ausgabe wagen dürfen, die ſich handſchriftlichen verderbten lesarten zu widerſetzen be - fugt iſt. In dieſem ſinne hat bereits Hagen für die Ni - belungen (deren epiſche natur allerdings eigene beſtim - mungen des critiſchen verfahrens fordert) rühmliches geleiſtet, von ſeinem Triſtan ſteht die erwartung höher; Lachmann bereitet eine ausgabe ſämmtlicher dichtun - gen Eſchenbachs vor und wollte Benecke ſeiner lange beabſichtigten recenſion des Iwein noch den kürz - lich in fehlerhafter hſ. aufgefundenen Erek nebſt den übrigen kleineren werken Hartmanns beigeſellen, ſo werden nachahmenswürdige muſter die grundſätze einer geſunden critik ſichern und verbreiten, in der mittel - hochdeutſchen allgemeinen ſprachregel aber die varietä - ten einzelner dialecte, welche ich jetzt nur hin und wieder andeuten konnte, deutlich hervortauchen. Auf denkmähler der althochdeutſchen periode iſt dieſe critik ſchon unanwendbar, theils verlangt das höhere alter der im ganzen ſorgfältigeren handſchriften größere ach - tung und unverletzbarkeit, theils liefert der ſparſamere fluß der quellen, die ungebundenheit der proſaiſchen, der freiere reim der gebundenen dem critiker weit we - niger mittel in hand. Auch die dialectiſche abweichung iſt noch, worauf ich gleich hernach kommen werde, beträchtlich größer und für jedes werk ſind mehr be - ſondere regeln aus ihm ſelbſt zu ſuchen.

Zwiſchen meiner darſtellung des mittel - und neu - hochdeutſchen wird eine lücke empfindlich ſeyn; man - nigfaltige übergänge und abſtufungen hätten ſich aus den ſchriften des vierzehnten ſo wie der drei folgenden jahrhunderte ſammeln und erläutern laßen, dem altnor - diſchen und neuſchwediſchen oder däniſchen liegt eine nicht unbedeutende maße altſchwed. oder altdäniſcherXIVorrede.werke in der mitte. Ich will nicht in abrede ſtellen, daß ſolche denkmähler manches lehrhafte und nütz - liche für die geſchichte unſerer ſprache, welches genaue unterſuchung fordert, in ſich begreifen; da ſich aber keine blühende poeſie gründete, konnten niederſetzun - gen der ſprache, wie ſie zur aufſtellung eigner perioden nöthig ſind, auch nicht erfolgen. Die ſchriftſteller die - ſer zwiſchenzeit vergröbern ſtufenweiſe die frühere ſprachregel und überlaßen ſich ſorglos den einmiſchun - gen landſchaftlicher gemeiner mundart; oft weiß man nicht, ob ihre beſonderheit von der alten reinen ſprache her übrig geblieben oder aus dem gebiete des volksdia - lects eingedrungen iſt. Genügende darſtellung ſolcher be - ſonderheiten würde weitläuftige anſtalten und erörterun - gen verlangen. Vielleicht daß andere nach und nach die gar nicht unanziehende arbeit vornehmen, ich meine, alle grammaticalien jeder hervorragenden maße ſorgfälti - ger prüfung werth halten. Sehr ſchicklich ließen ſich dankenswerthe beiträge dazu in ſchulprogrammen mit - theilen, geſellſchaften, die für deutſche ſprache an verſchiedenen orten zuſammengetreten ſind, oder gern zuſammentreten und je weniger ſie ins allgemeine ſchwei - fen, deſto mehr wirken, könnten ihren löblichen eifer am fruchtbarſten beweiſen, wenn ſie ſich, um beiſpiele anzuführen, die grammatiſche regel der ſchweizerchro - niken des vierzehnten jahrhunderts, oder Kaiſersbergs, oder Hans Sachſens oder Fiſcharts zur aufgabe machten; ſelbſt einige ausgezeichnete ſchriften des ſiebzehnten jahrhunderts, wie Philander von Sittewald, der deutſche Simpliciſſimus hätten, vorzüglich in abſicht der ſyntactiſchen regeln, noch gültige anſprüche auf grammatiſches ſtudium. Luthers ſprache, deren grammatik gleichwohl eigentlich dargeſtellt zu werden verdiente, gehört nicht in dieſen kreis, ſie muß ihrer edlen, faſt wunderbaren reinheit, auch ihres gewaltigen einflußes halber, für kern und grundlage der neuhochdeutſchen ſprachniederſetzung ge - halten werden, wovon bis auf den heutigen tag nur ſehr unbedeutend, meiſtens zum ſchaden der kraft und des ausdrucks abgewichen worden iſt. Man darf das neuhochdeutſche in der that als den proteſtantiſchen dialect bezeichnen, deſſen freiheitathmende natur längſt ſchon, ihnen unbewußt, dichter und ſchriftſteller des katholiſchen glaubens überwältigte. Unſere ſprache iſt, nach dem unaufhaltbaren laufe aller dinge, in lautver - hältniſſen und formen geſunken, meine ſchilderung neu -XIIVorrede.hochdeutſcher buchſtaben und flexionen durfte es nicht verhehlen ſondern hervorheben; was aber ihren geiſt und leib genährt, verjüngt, was endlich blüthen neuer poeſie getrieben hat, verdanken wir keinem mehr, als Luthern.

Die volksmundarten, im gegenſatz zur edleren ſprache der dichter und ſchriftſteller habe ich nur ausnahmsweiſe (z. b. beim dualis) berührt, auch meine anſicht von ihnen an einigen ſtellen des buchs geäußert. Ihr grammatiſcher bau iſt ohne zweifel höchſt merkwür - dig; unſere literatur hat nunmehr zwei werke gewon - nen, die durch treue und vollſtändigkeit der ſamm - lung, durch gelungene faßung des ſchwierigen ausdrucks allen nachfolgern zum muſter gereichen werden; an ausführlichkeit und ordnung der grammaticalien iſt Stalder von Schmeller übertroffen worden. Über das geſchichtliche der volksſprachen fehlt es noch ſehr an beobachtungen; da ihre verſchiedenheit überaus mannig - faltig iſt, und ſelbſt nahgelegene landſtriche grell von einander abſtechen, können ſie mit der unmerklichen, milderen abſtufung der ſchriftſprache nur in weiterem verhältniſſe ſtehn. Dieſes denke ich mir auf folgende art. In der frühen zeit gelten viele dialecte gleich - anſehnlich nebeneinander, ihre grenzen laufen mit denen der einzelnen ſtämme; ſobald herrſchaft und bil - dung einem volke vorgewicht geben, fängt ſeine mund - art an ſich über benachbarte, abhängige auszubreiten, d. h. von deren edlem theile angenommen zu werden, während die einheimiſche mundart unter den volkshau - fen flüchtet. Die ſtärkere mundart ſteigt, die ſchwä - chere ſinkt und wird gemein, doch ſelbſt die herrſchende muß durch ihre wachſende ausdehnung unvermerkt eigenheiten der andern ſtämme an ſich ziehen, folglich dem ungebildeten theile des ſtammes, von dem ſie aus - gieng, gleichfalls entrückt werden. Im achten, neunten und zehnten jahrhundert blühen in Deutſchland mehr edle dialecte, als vier, fünf jahrhunderte ſpäter. Noch läßt ſich die ſächſiſche ſprache nichts gefallen von der frän - kiſchen oder ſchwäbiſchen; weder Otfried hätte ſich vor Kero, noch der überſetzer Tatians vor Notker der eigenthümlichkeit ſeines dialects zu ſchämen gebraucht, jedem dieſer war er die einzige, edelſte art des ausdrucks. Im zwölften, dreizehnten jahrh. waltet am Rhein und an der Donau, von Tyrol bis nach Heſſen ſchon eine allgemeine ſprache, deren ſich alle dichter bedie -XIIIVorrede.nen; in ihr ſind die älteren mundarten verſchwommen und aufgelöſt, nur noch einzelnen wörtern oder for - men klebt landſchaftliches an. Um dieſe zeit hat ſich die ſächſiſche, weſtphäliſche und frieſiſche ſprache län - ger ihr recht bewahrt; ſie lebt in den Niederlanden in reichlichen ſchriftdenkmählern, ſchwächer im innern Sachſenland fort, ich bin zu keinem befriedigenden ſchluß gelangt, ob Veldek habe hochdeutſch ſchreiben wollen, eindrücke ſeiner heimath aber nicht verwinden können? oder ob ſein niederdeutſches werk ins hoch - deutſche umgeſchrieben worden ſey? Offenbar dankt die heutige niederſächſiſche volksſprache gewiſſe feinhei - ten, die ſie vor oberdeutſchen gemeinen dialecten vor - aus hat, gerade dem umſtande, daß ſie einige jahrhun - derte länger in ſchrift - und öffentlichem gebrauch geblie - ben iſt. Doch ſie hat ſich zur rechten zeit unbezeugt ge - laßen, ohne belebende literatur ſinkt ſie mit dem ſech - zehnten jahrh. zum volksdialect herab und wir ſehen die neuhochdeutſche ſchriftſprache durch das geſammte reich herrſchend, alle abzeichen früherer ſtammverſchieden - heit gewichen, freiheiten, die ſich noch mittelhochd. dichter genommen, unedel und unerlaubt. Das reſultat wird daher dieſes ſeyn: ein dialect iſt ſo alt und eben - bürtig, als der andere, ehmahls aber ſprach der gemeine mann wie der edle, heute iſt die aus verſchmelzung der völkerſchaften errungene ſprache eigenthum des gebildeten theils, alſo jedem erwerbbar; der unge - bildete theil bleibt bei der angeſtammten mundart und pflanzt ſie fort, ſie hat lebenswärme, bildungswärme geht ihr ab. Der gemeine volksdialect ſteht auf ſeinem boden ſicher und geſchloßen, iſt heimiſch, zutraulich, ſtets natürlich, an einzelnem wohllaut und triftigem ausdruck reich; die zeichen gebildeter ſchriftſprache ſind: adel, zartheit, einſtimmung, vermiedener übellaut des ganzen; erſt kraft der ſchriftſprache fühlen wir Deutſche lebendig das band unſerer herkunft und ge - meinſchaft und ſolchen vortheil kann kein ſtamm glau - ben zu theuer gekauft zu haben oder um irgend einen preis hergeben wollen. Mich dünkt, die entwickelung eines volks fordert auch für die ſprache, unabhängig von ihrem innern gedeihen, wenn ſie nicht verküm - mern ſoll, erweiterte äußere grenzen.

Aus dem geſagten erläutert ſich mehr als eine er - ſcheinung der grammatik. Mundarten welche durch natürliche lage gehegt und von andern unangeſtoßenXIVVorrede.bleiben, werden ihre flexionen langſamer verändern; be - rührung mehrerer dialecte muß, auch wenn der ſiegende vollendetere formen beſäße, weil er ſie mit aufgenom - menen wörtern der andern mundart, auszugleichen hat, abſtumpfung beider mundarten beſchleunigen. Die - ſer gegenſtand kann nur durch eine genaue ver - gleichung aller deutſchen dialecte, wozu hier kein ort iſt, gründlich erledigt werden. Eine andere ein - leuchtende bemerkung ſcheint, daß wir den althoch - deutſchen und altſächſiſchen dialecten land anzuweiſen faſt nicht anders hoffen dürfen, als durch aufſpürung ihrer eigenheit in der eingrenzung heutiger volks - ſprache. Was ich meine ſollen einige beiſpiele zeigen. Der ausdruck hëvan (coelum), der ſich nur in dem un - rein-alth. hildebrand findet, bleibt auf den ſächſiſchen volksſtamm beſchränkt (angelſ. hëofon, engl. heaven, plattd. hewen, häwen), allen übrigen mundarten fremd (goth. himins, altn. himinn, alth. himil, altfrieſ. himul, niederl. hêmel, weſtphäl. hemmel); wenn nun in der altſächſ. E. H. beide ausdrücke hëbhan und himil ab - wechſeln, wenn ſich ferner ausmitteln ließe, auf wel - chem landſtriche zwiſchen Weſtphalen und Niederſach - ſen beide noch heute den einwohnern geläufig ſind (der cleviſche Teutoniſta führt heven und hymmel an) ſo wäre ein punct gewonnen, der uns mit andern ähnli - chen die heimath des dichters der E. H. verriethe. Die demſelben dialect eigne analoge bildung gëbhan (mare) angelſ. gëofon, iſt ſpäteren mundarten abgeſtorben. Keine reinmittelh. quelle liefert hëven oder hëben, weder Veldek noch Herbort haben es, aber Reinolt v. der lippe ſetzt zeile 92. ſogar: himel und hëben zuſammen; weiſt er wieder die ſcheide Weſtphalens und Sachſens, die un - gefähr an dieſen fluß fällt? Der unſtatthaften ableitung des wortes hëvan von hefan (tollere) muß man entſagen. Ein anderes beiſpiel gewährt die praep. von, welche altſächſ. fan, niederländ. und plattdeutſch van, altfrieſ. fon lautet, im angelſ. und altn. gänzlich mangelt. Die alt - und mittelhochd. form iſt zwar vona (ſ. 85) von, ſelbſt bey ſolchen, die in andern wörtern - an für - on ſetzen (z. b. N. wanên f. wonên bei O. T.) allein einzelne denk - mähler weiſen fana (miſc. 1, 19) hin und wieder brauchen mittelh. dichter van (ſ. 448. 450. ) auch H. Sachs reimt van: man. Wenn nun in heutigen hochdeutſchen mundarten van f. von nur im öſtlichen, nicht im weſt - lichen Baiern erſcheint (Schm. §. 316.), ſo folgt klar,XVVorrede.daß es dem älteren wie dem neuern ſchwäbiſchen dia - lecte abzuſprechen ſey, dieſer aber auf die bildung des neuhochdeutſchen, welchem durchaus nur von gerecht iſt, mächtiger gewirkt habe, als der bairiſche. Das nie - derdeutſche ſtërre für ſtërne (ſ. 390. 391) begegnet meines wißens in oberdeutſcher volksſprache nirgends, wenig - ſtens in keinem der genauer unterſuchten dialecte, na - mentlich nicht im elſäßiſchen; ſollte es im lothringi - ſchen, mainziſchen, trieriſchen beginnen und für das alth. ſtërro bei O und T. einen fingerzeig geben? Ein - zelnes zuſammentreffen beweiſt freilich nicht genug; hat man erſt ſolcher linien mehr gezogen und viele be - rührungs - oder abſtandspuncte gewonnen, ſo wird ſich die ſonderung mancher dialecte faſt mathematiſch nach - rechnen laßen. Bei ſammlung der volksmundarten müßen aber auffallend hier fehlende, dort vorhandene wörter und formen, gleichviel ob ſie in der ſchriftſprache oder nicht vorhanden ſind, ins auge gefaßt, überhaupt die mundarten um ihrer ſelbſt willen unterſucht, nicht als ergänzungsmittel der gebildeten ſprache betrachtet wer - den. Es liegt oft mehr daran zu wißen, ob ein ganz üblicher ausdruck der ſchriftſprache in der gemeinen des volks vorhanden ſey, oder ihr gebreche? als von einer ſcheinbar ſeltſamen, verderbten form kunde zu erlangen.

Da die verwandtſchaft und abweichung der dialecte ſo ſehr an den wortbildungen und fügungen, als an den lauten, flexionen und einzelnen wörtern geprüft werden muß, enthalte ich mich, vorläufig auf anſichten ein - zugehn, die mir über frühere und ſpätere verzweigung unſerer völkerſchaften vorſchweben. Ich hoffe ſie beim ſchluße des werks vollſtändiger zu geben; auch die in der erſten ausgabe mitgetheilten allgemeinen ſätze über den hiſtoriſchen gang der ſprache ſind als unreife erör - terungen jetzt bei ſeite gelegt worden. Über eine an - dere verſchiedenheit der gegenwärtigen von der frühe - ren einrichtung muß ich mich indeſſen näher erklären: die anführung der belegſtellen geſchieht unhäufiger als in der erſten auflage, das iſt oft nachtheilig. Der grammatiker ſoll von jedem einzelnen fall rechenſchaft geben können; durch beifügung des belegs werden die unbelegbaren fälle für den leſer und nacharbeiter her - vorgehoben. Bei weiterem fortſchritt ergeben ſich nun ganze ſtrecken als ausgemacht und es würde läſtig ſeyn, ſie noch einzeln beweiſen zu wollen; das ſchwere bleibtXVIVorrede.nur, die grenze des ſcheinbar ſicheren von dem wirk - lich ſicheren zu treffen. Ich habe zwar das ſchwierige und zweifelhafte mit anführungen zu ſtützen geſtrebt, ungern viele aus mangel an raum unterdrückt. Noch wichtiger war es freilich, die beiſpiele ſelbſt, auch ohne hinzugegebnen beleg zu mehren, und ſo beträchtlich dieſe vermehrung von der magerkeit der erſten ausgabe abſtechen wird, genüge ich mir hierin noch lange nicht. Grammatiſche gewähr kann nicht anders geleiſtet wer - den, als durch vollſtändige aufzählung aller beiſpiele, die unter jede einzelne regel der laut - und flexions - lehre gehören; nicht bloß zum erweis der einzelnheit ſelbſt, ſondern weil der überblick der maße unberechen - bare vortheile hat. Solche vollendung der deutſchen grammatik iſt aber natürlich nicht auf einmahl von einem zu erreichen; wir ſollen ihr mit vereinten kräften nach - eifern und es wird ſich durch geſchickte anordnung ſelbſt auf beſchränktem raume weit mehr erreichen laßen, als ich gegenwärtig liefere.

Das verzeichnis der quellen und hülfsmittel iſt weg - geblieben, weil es nicht in die grammatik gehört, ſon - dern in die geſchichte der literatur unſerer ſprache und poeſie. Ich habe einige althochd. denkmähler mehr brauchen können, als zu der erſten ausgabe, namentlich die gloſſae auguſtanae (bei Braun vol. 2. p. 117-127); gloſſae trevirenſes (wovon mir Hr. Prof. Wyttenbach be - reitwillig die hſ. geliehen hat; es ſind die auch von Gerbert herausg. gloſſae ſanblaſianae, welchen ſie jedoch berichtigung, hin und wieder ergänzung gewähren); bedauernswerth iſt der verluſt der im achten jahrh. über - ſetzten kirchengeſänge. Voſſius hatte die pergamenthand - ſchrift beſeßen, Fr. Junius davon copie genommen, er ſagt in der vorrede zum goth. gloſſar: hos XXVI. anti - quae eccleſiae alamannicae hymnos transſcripſimus ex membranis voſſianis. Aus dieſer abſchrift ſind bekannt - lich nur vier hymni (bei Hickes und Eckhart) im druck erſchienen, die 22 fehlenden müßen für grammatik und lexicon nicht wenig wichtiges enthalten, ein ſatz aus hymn. 25. ſtehet in den gl. jun. 182; einer aus 21, 3. bei Schilter v. kapot, aus 25, 4. v. kioſun ſewes [ich kann nicht erklären, wie Schilter oder Scherz zu dieſen ſtellen gelangt iſt?] In der erſten hälfte des vorigen jahrh. wurde Junius abſchrift noch zu Oxford bewahrt (v. catal. mſſ. angl. p. 255. 5221.), jetzt fehlt ſie und ſoll laut eingezogener erkundigung ſchon vor 60 jahrenXVIIVorrede.geſtolen worden ſeyn. Vielleicht läßt ſie oder das ori - ginal ſich noch irgendwo in England oder Holland auf - ſpüren. Zu München mögen manche einzelne bruch - ſtücke und gloſſen althochd. mundart liegen, zu S. Gal - len liegen die wichtigen ſogenannt keroniſchen gloſſen, vielleicht aus dem ſiebenten jahrhundert, gewis von Ke - ro’s, des überſetzers der benedictin. regel, ſprache ab - weichend; ſie wird Fügliſtaller, einer der gründlichſten kenner unſerer ſprache, demnächſt mit den geſammten ſchriften Notkers drucken laßen. Die altſächſiſche Evan - gelienharmonie, deren herausgabe ſchon vor drei jahren endlich kein hindernis im wege ſtehen ſollte, iſt immer noch nicht erſchienen; Hr. Bibliothecar Scherer war ſo gefällig, mir auf mein anſuchen einige bruchſtücke der mehr - fach genommenen abſchriften zu ſenden, aus denen ſich meine bekanntſchaft mit dieſer mundart einigermaßen er - weitert hat. Von den mailändiſchen entdeckungen iſt außer und ſeit dem majiſchen ſpecimen nichts heraus. Wenn nun ſchon einzelne blätter des wiederaufſtehenden Ulphilas manche dunkelheit zerſtreuen, die vorher unſern blick hemmte, der ganze vorrath aber maſſen von licht verbrei - ten muß, wenn durch vollſtändige bekanntmachung der werke Notkers erſt eigentliche ſicherheit und anſchauliche fülle der beiſpiele für viele regeln der alth. grammatik ent - ſpringen und das ſtudium der altſächſiſchen ſprache bald einen feſteren halt gewonnen haben wird; ſo tröſtet mich der gedanke an die bevorſtehenden aufſchlüße, wodurch dieſem feld eine theilweiſe oder gänzliche umarbeitung bereitet werden kann, über vermeidlich geweſene män - gel meiner jetzigen arbeit.

Mit ſolchen nothwendigen oder verſchuldeten in - neren unvollkommenheiten verträgt ſich auch das, was an dem äußeren meines buchs misfallen wird. Ein ſtolzes kleid geziemt der deutſchen grammatik noch nicht. Die verlagshandlung hat, nach mislungenem ver - ſuch, unvorhandene typen gießen zu laßen, um nicht länger aufzuhalten, zu einzelnen holzſtöcken greifen müßen, welche unſauber ins auge fallen, für einige buchſtaben gar nicht einmahl gebraucht werden konn - ten; dieſen übelſtand aber reichlich vergolten durch ver - ſtattung jeder bequemlichkeit, durch zulaßung mehrerer bogen über die verabredete zahl und durch verwendung eines tüchtigen ſetzers, ohne welchen das werk nicht ſo correct ausgefallen wäre. Die etwas ſchwankende neuhochdeutſche orthographie fällt größtentheils mir zurbXVIIIVorrede.laſt. Unſere heutige ſchreibung liegt im argen, darüber wird niemand, der mein buch lieſt, lange zweifelhaft bleiben. Es iſt natürlich, auf den gedanken zu kommen, daß ihr noch in manchem ſtück zu helfen ſey, bedenk - lich aber zur ausführung zu ſchreiten, da verjährte mis - griffe nunmehr ſchon auf den reim der dichter und ſelbſt die wirkliche ausſprache übel eingefloßen haben. Mei - nen abweichungen wird nicht leicht kein geſchichtlicher grund zur ſeite ſtehen, verſchiedene habe ich nur für, die grammatiſche aufſtellung des neuhochdeutſchen ge - wagt, nicht für den neutralen text, über dem ich un - ſere orthographie oft vergaß. Wie mit ihr zu verfahren, ob ſie noch für änderungen, nach ſo vielen widerwärtigen, mit recht geſcheiterten verſuchen, empfänglich ſey, ver - diente eigens erwogen zu werden, worauf ich mich aber hier nicht einlaße; mittel und wege dazu lehrt meine dar - ſtellung kennen. Einſichtige werden, jeden zumahl ge - waltſamen neuerungen des hergebrachten in der regel abhold, als ausnahme die abſchaffung eingeſchlichener misbräuche, an die man ſich freilich auch gewöhnt hat, gerne ſehen. Gleich aller geſchichte warnt die hiſto - riſche grammatik vor freventlichem reformieren, macht uns aber tugenden der vergangenheit offenbar, durch de - ren betrachtung wir den dünkel der gegenwart mäßigen können. An rechter ſtelle wird ſich dann manches wün - ſchenswerthe und lang gemiſte immer anwendbar zeigen. So ſchien mir, als ich an die niederſchreibung dieſes werks gieng, ohne daß ich es früher gewollt hatte oder jetzo beſonderen werth darauf legte, die verbannung der großen buchſtaben vom anlaut der ſubſtantive thun - lich, ich glaube nicht, daß durch ihr weglaßen irgend ein ſatz undeutlich geworden iſt. Für ſie ſpricht kein einziger innerer grund, wider ſie der beſtändige frühere gebrauch unſerer ſprache bis ins ſechzehnte, ſiebzehnte jahrhundert, ja der noch währende aller übrigen völker, um nicht die erſchwerung des ſchreibens, die ver - ſcherzte einfachheit der ſchrift anzuſchlagen. Man braucht nur dem urſprung einer ſo pedantiſchen ſchreib - weiſe nachzugehen, um ſie zu verurtheilen; ſie kam auf, als über ſprachgeſchichte und grammatik gerade die ver - worrenſten begriffe herrſchten. Näher beſehen hat man ihr auch ſchon verſchiedentlich entſagen wollen, die ab - handlungen der pfälziſchen academie, der voſſiſche Ho - mer ſammt anderen ſchriften ſind ohne große buchſtaben gedruckt. In beibehaltung der lateiniſchen terminologieXIXVorrede.iſt auf rath und mit beiſtimmung verſtändiger männer nichts geändert worden; an andere mir anfangs ſelbſt ungefüge deutſche ausdrücke für eigenthümlichkeiten der deutſchen grammatik ſcheint man ſich zu gewöhnen und ich ſtehe nicht an, ſie ihrer kürze und bequemlichkeit wegen fortzugebrauchen, oder man verſuche, das was ich umlaut, ablaut, anlaut, inlaut, auslaut nenne, be - ſtändig zu umſchreiben und in eine fremde ſprache zu überſetzen.

Die verſchrobenheit der deutſchen ſprachlehre in unſeren ſchulen, den unwerth der bücher, die man da - bei zu grunde legt, hatte ich lebhaft beklagt; ſchei - nen einige meiner behauptungen zuweit gegangen (wiewohl ich nur den faſt ſinnloſen elementarunterricht angegriffen, nicht aber vernünftige anwendung deutſcher grammatik in höhern claſſen verredet habe) ſo glaube ich doch fernerer oder eigentlicher verantwortung über - hoben zu ſeyn und begnüge mich, wohldenkende ſchul - männer auf das verfahren, welches verſchwiſterte, an practiſchem gefühl uns ſo oft überlegene völker, Eng - länder, Holländer, Dänen und Schweden, rückſichtlich des unterrichts in der angebornen, einheimiſchen ſprache beobachten, zu verweiſen.

Allen, die mir durch aufmunterung und guten rath die fortſetzung meiner arbeit erleichtert haben, danke ich. Der ſachkundige jen. recenſent wird einige ſeiner be - merkungen mit dem fortſchritte meiner kenntniſſe zuſam - mengetroffen finden. Fügliſtaller hat mir mit freund - lichſter zuvorkommenheit fragen über Notker beantwor - tet, aber auch noch anderes aus dem ſchatze ſeiner ſammlungen nicht vorenthalten. Wie vermöchte ich die in ununterbrochenem briefwechſel erfahrene regſte theilnahme meiner freunde Benecke und Lachmann ge - nug zu rühmen, deren eingebungen, ſo oft ich ihnen nur zu folgen verſtand, ich zu meinem gewinn gefolgt bin. Solche ausführliche und rückhaltsloſe mittheilun - gen, als mir Lachmann gemacht hat, muß man an ſich erfahren haben, um ihren werth zu begreifen, denn ſie belehren, treiben an und ſtören doch nicht das zur ar - beit nöthige innere geſammeltſeyn, ſondern man meint durch ſich ſelbſt fortzulernen.

XX

Abkürzungen.

a. Heinr. (armer Heinrich) a. Tit. (Wolfr. Titurel, ed. Docen) a. w; altd. w. (altd. wälder) Am. (got amûr) As. (aſegabuch) Barl. (Barlaam) Ben. (Beneckes beiträge) Beov. (Beovulf, ed. Thorkelin) Bit. (Biterolf) Bloch (danſk ſprogläre, Odenſe 1817.) Boeth. (Alfreds Boethius) Bon. (Bonerius) Botin (ſvenſka ſpråket Stockh. 1792.) Br. (li - terae brocmannorum, ed. Wiarda) Buttm. (ausführl. gr. ſprachl.) C. A. (cod. argenteus) Cädm. (Cädmonis para - phraſis) Conr. (Conrad v. Würzburg) E. H. (Evangelien - harmonie) En. (Eneit) exh. (exhortatio) Flore (Flore und Blanſchiflûr) fragm. (fragm. und kl. ged. Müller theil III.) Frib. (Vriberg Triſtan) Frig. (Vrîgedanc) Georg (Reinbots Georis) gl. aug. (gloſſae auguſtanae) gl. blaſ. (blaſianae) gl. caſſ. (caſſellanae) gl. hrab. (Hrabani) gl. jun. (Junii) gl. monſ. (monſeenſes) gl. trev. (trevirenſes) gl. zwetl. (zwetlenſes) Gotfr. (Gotfried von Straßburg) Gudr. (Gu - drun) Hartm. (Hartmann v. Aue) Herb. (Herborts tro - jan. krieg, cod. pal. ) hild. (Hildebrandslied) Huyd. (Huy - decoper) J. (überſetzung des iſidoriſchen tract. de nati - vitate etc. ed. Roſtgaard) Jud. (Judith) Jw. (Jwein) K. (Keros überſ. der reg. Bened.) Karl (Strickers Karl) kl. (klage) kolocz (koloczer codex) Lohengr. (Lohengrin) M. S. (ſammlung der minneſinger) Maerl. (Maerlants ſp. hiſt.) Maria (ed. Oetter) meiſterg. (altmeiſtergeſangbuch) miſc. (Docens miſcellaneen) N. (Notkers pſalmen) Nib. (Nibe - lungen) O. (Otfried) Orl. (Rudolfs Orlenz) Ottoc. (Otto - car v. Horneck) Par. (Cädmons paraphraſis) Parc. (Par - cifal) Raſk (im angelſ. iſt deſſen angelſakſiſk ſprogläre Stokh. 1817; im altn. deſſen anviſning till Iſländſkan, Stockh. 1818. gemeint) Rein. (Reinaert de vos) Ritſ. (Ritſons romances) Roth. (Rother) Rud. (Rudolf v. Enſe) Schm. Schmeller (bairiſche mundarten) Schn. Schneider (latein. grammatik) ſchwanr. (Conrads ſchwanritter) St. (Melis Stoke) Stald. Stalder (Schweizerdialectologie) T. (überſetzung Tatians) Tit. (Titurel) Triſt. (Gotfrieds Tri - ſtan) Triſtr. (Ercildounes Triſtrem) troj. (Conrads troian. krieg) Veld. (Heinr. v. Veldek) W. (Wileram) Weber (metrical romances) weſſobr. (weſſobrunner fragment) Wig. Wigal. (Wigalois) Wigam. (Wigamur) Wilh. (die drei theile Wilhelm des heiligen) Wolfr. (Wolfram v. Eſchenbach). Die zahlen ſind nach blättern und ſpalten angemerkt, zuweilen nach zeilen.

[1]

ERSTES BUCH. VON DEN BUCHSTABEN.

Vorbemerkungen. 1) Paläographiſche betrachtungen und unterſuchungen der äußeren geſtalt der buchſtaben gehören in die diplomatik. Die angenommene herlei - tung der runenſchrift aus den lateiniſchen oder griechi - ſchen buchſtaben, ſo wie die einſchränkung der runen auf bloß Skandinavien, muß bei gründlicher forſchung ſchwinden. Weder die runen noch ſelbſt die gothiſchen buchſtaben laßen ſich hinreichend oder vollſtändig auf das lateiniſche und griechiſche alphabet zurückführen; der hauptbeweis dieſes ſatzes fließt theils aus der über - einſtimmung der gothiſchen o, u, q, v. þ und des zweimahl nebengeſtrichenen f mit den runiſchen zei - chen, theils aus der merklichen verſchiedenheit der ſäch - ſiſchen und markomanniſchen runen von den nordi - ſchen. Ein ſolches zerfallen der runen in grundver - wandte, jedoch eigenthümlich geſtaltete und nicht wohl auseinander herzuführende arten deutet ja wie bei der ſprache ſelbſt, die ſich in ſtets ähnliche und ſtets unähn - liche ſtämme verbreitet, auf einen weit feineren, leben - digeren organiſmus und auf ein höheres alter der runen - ſchrift, als man bei der anderen mechaniſchen erklä - rungsweiſe folgern dürfte. Die einzelnen runen tragen alte, gleichfalls einſtimmige und abweichende namen, in deren wurzel der vocal oder in deren anfang der con - ſonant ſteht, dem ſie gebühren. Das und noch mehr der inhalt oder ſinn dieſer namen, ſelbſt die von alten dichtern hinein gelegte, vielleicht auch traditionell fort - gepflanzte auslegung derſelben beſtätigen den zuſammen - hang der runen mit einer früheren heidniſchen zeit. A2I. von den buchſtaben insgemein. Für die anordnung, vergleichung und auslegung der uns oft nur in fehlerhaften, ungenauen abſchriften überlie - ferten runenalphabete wird noch manche dunkelheit zu löſen bleiben, einiges aber von dem, was ſchon jetzo klar erſcheint*)Ich weiſe auf eine in kurzem erſcheinende abhandlung mei - nes bruders Wilhelm über die runen., bei den einzelnen buchſtaben berührt werden, in soweit es für die grammatik wichtig iſt. In dieſer findet auch keine ſtelle was über die verſchie - dene bildung und änderung der durch das chriſtenthum eingeführten griechiſchen oder lateiniſchen ſchrift in der diplomatik auseinandergeſetzt werden muß. Einzelne länder, einzelne jahrhunderte ſchreiben genauer als an - dere, nach der richtung, die geiſtiger fortſchritt und ge - lehrſamkeit genommen haben. In ungünſtigen zeiten verſchlimmern ſich ſchrift und ſprache. Zuweilen iſt auf die urſprüngliche niederſchreibung oder vervielfälti - gende abſchrift einzelner werke ungewöhnliche, für die geſchichte der ſprache erſprießliche ſorgfalt gewendet worden; ein beiſpiel liefern Notkers arbeiten zu S. Gal - len. Aus dem ſyſtem und den beobachteten zeichen ſolcher werke kann die grammatik vieles lernen; allein ſie muß ſogar weiter ſchreiten, wenn ſelbſt durch dieſe zeichen die der ſprache weſentlichen, zum theil erſt durch hiſtoriſche ſprachvergleichung erkennbar gewor - denen laute und töne nicht genügend dargeſtellt werden können. Noch viel mehr muß ſie, unbekümmert um die entſtellten oder nachläßigen lesarten ungenauer und ſchlechter handſchriften, die regel der ſprache nach ort und zeit ſelbſt ergründen und eine angemeßene ſchrei - bung ein - und durchführen. Da ſich aber die abwei - chungen und eigenheiten der hſſ. nicht bloß auf fahr - läßigkeit u. unwißenheit der abſchreiber gründen, ſon - dern zuweilen aus der beſonderen mundart der verfaßer, umarbeiter und ſchreiber fließen, ſo können freilich alle ſolche beſonderheiten an und für ſich in der ſprachge - ſchichte lehrreich werden. Es verſteht ſich nur dabei von ſelbſt, daß die grammatik, ſo angelegen ihr die ſorg - fältige zergliederung einzelner mundarten ſeyn muß, nicht in das familienleben und die unendlichkeit aller und jeder idiome eingehen darf, ſondern für perioden u. landſchaften allgemeineren, feſteren regeln zu folgen hat. Critiſchen herausgebern der bedeutenden ſchrift -3I. von den buchſtaben insgemein. ſteller und dichter bleibt es überlaſſen, auf die feinere darſtellung ihrer eigenthümlichkeiten bedacht zu neh - men. Doch mit dem höheren alter eines denkmahls ſteigt ſeine ehrwürdigkeit, ja unverletzlichkeit; was wir uns bei der herſtellung eines textes aus dem dreizehnten jahrhundert erlauben, würde an einem aus dem achten übel angewandt ſeyn, wo unſer maßſtab dürftiger, jeder fehlſchritt ſtörender iſt. In der heutigen ſprache ſtören die ſichtbaren mängel der geltenden orthographie am al - lerwenigſten.

2) Zur darſtellung der laute in ſämmtlichen deutſchen ſprachen bediene ich mich meiſtentheils der heutigen gangbaren buchſtaben, deren unzulänglichkeit für alle fälle leicht einzuſehen iſt. Sie würden ausreichen, wenn es bloß auf die einfachen oder grundlaute ankäme; aber in der miſchung und zuſammenfügung pflegt ſich gerade die mannigfaltigkeit der mundarten zu erweiſen. Für diejenigen miſchlaute, welche der eine oder der andere dialect liebt, ſchafft er ſich zuweilen beſondere zeichen, und wenn auch ſolche zeichen graphiſch erwogen eine miſchgeſtalt verrathen, haben ſie doch ein einfacheres anſehen und ſind wirklich im gebrauche behülflicher, als die einzeln aufgelöſten und nebeneinander geſtellten beſtandtheile der zuſammenſetzung. In unſerm worte: ſchrift z. b. drücken wir acht laute mit ſieben zeichen aus, f. nämlich ſtehet für ph. Das ſch würde der Ruſſe ebenfalls mit einem einzigen zeichen, folglich jenes wort mit fünf buchſtaben ſchreiben können. Dergleichen eigene buchſtaben zu ſp. ſt. und andern lieblingslauten unſerer ſprache wären ihr ſo dienlich, als es dem Grie - chen ſein ψ für ps. iſt. Sie mangeln nun einmahl. Die adſpirierten b. d. t. ſind mit den ſächſiſchen alten zeichen ƀ. ð. þ. dargeſtellt, letzteres iſt auch für den go - thiſchen, unleugbar ſelbſt formell identiſchen buchſtab ver - wendet worden. Die gothiſchen hv. und qv. erſcheinen hingegen aufgelöſt; der gleichförmigkeit mit den übri - gen alten mundarten wegen, bei denen die zeichen doch zu ſehr befremdet hätten, und weil der Gothe ſelbſt für die ähnlichen hl. hn. hr. kein eignes zeichen hat, ſon - dern ſie auflöſt. Das wichtigſte ſchien, die mannigfal - tigkeit der vocalmiſchungen aufzufaßen, und zu dieſem ende sind theils mehrere übliche zeichen gebraucht, theils da ſie immer nicht hinreichten. einige neue er - funden, wenigſtens neu beſtimmt worden. Strenge gra -A 24I. von den buchſtaben insgemein. phiſche conſequenz war hierbei weder leicht noch nö - thig, weil das gewohnte möglichst behalten werden ſollte, aber der begriff jedes lautes das angelegentlichſte ſchien. Der circumflex dient zur bezeichnung der ge - dehnten vocale, der acutus zur unterſcheidung diphthon - giſcher verhältniſſe; der gravis kommt nur beim engli - ſchen vor, und ganz wie bei heutigen grammatikern dieser ſprache. Daß ich den circumflex auch über die nordiſchen dehnlaute ſtatt des dafür gewöhnlichen acu - tus geſetzt habe, wird man der gleichförmigkeit zu gut halten. Angelſächſiſche, hochdeutſche und ſelbſt nordi - ſche handſchriften bedienen ſich, alle jedoch unregel - mäßig, eines hackens, der bald mehr dem acutus, bald mehr dem circumflex gleicht, letztern wählen hin und wieder angelſächſiſche drucke. Die meiſten hſſ. laßen alle dehnzeichen aus, und andere brauchen den acutus neben dem dehnenden circumflex oder auch allein zur wirklichen accentuation, die von der dehnung völlig verſchieden iſt (ſ, unten.). Mein verſuch, ſo viele und großentheils neuentwickelte lautverhältnisse ſorgfältig auszudrücken, fordert nachſicht; vielleicht läßt ſich das ſyſtem in der folge vereinfachen und vervollkommnen, am beſten so, daß die vergleichung der verſchiedenen ſprachſtämme noch mehr hervorgehoben wird. Eigene gothiſche, ſächſiſche, althochdeutſche lettern gießen zu laßen ſcheint mir aber koſtſpielige und verwerfliche zie - rerei, welche den druck ſammt dem leſen erſchwert, für die einfachen laute gar nichts fruchtet und bei den gemiſchten im ſtich läßt, weil zu den vorhandenen den - noch neue typen erfunden werden müßen. Nebenbei nehmen ſich ſowohl der gothiſche als der angelſächſiſche typus ungefällig aus; von jenem hat man bisher nur ein großes, unnöthig raum koſtendes format gebraucht. Den richtigen geſichtspunkt befolgen die herausgeber nordi - ſcher ſprachdenkmähler; Engländer und Holländer über der treue, die ſie in einem gemengſel von mancherlei buchſtaben ſuchten, vernachläßigten oft die höhere, welche nur aus einer vertrauten bekanntſchaft mit dem grammatiſchen bau aller dieſer mundarten hervorgeht.

Eintheilungen der buchſtaben.

1) In vocale und consonanten. Der vocaliſmus hat in allen deutſchen ſprachen beſonders tiefe bedeutung und5I. von den buchſtaben insgemein. iſt, wie es ſcheint, feſter und feiner beſtimmt, als z. b. in der griechiſchen u. lateiniſchen. Kein vocal ſteht oder wechſelt willkürlich in derſelben mundart; wenn eine verſchiedene mundart übergänge zeigt, ſo haben ſolche nicht weniger bei conſonanten ſtatt, und erfolgen über - all nach vorgezeichneten geſetzen und verwandtſchaften. Etymologen, welche den vocal für etwas gleichgültiges erklären, wie er es in einigen ſprachen des orients eher zu ſeyn ſcheint, und ſich bloß an das gerippe der con - ſonanten halten, verlieren dadurch mehr als ſie gewin - nen, indem die kenntniſs der vocalverhältniſſe gerade die ſicherſten und reichhaltigſten aufſchlüße über den[urſprung] und die ableitung der wörter gewährt; auf - ſchlüße, die mit jenen ungezügelten ſprüngen im felde des conſonantiſmus den auffallendſten gegenſatz bilden. Man muß jedoch genau die bedeutung und geſchichte der vocale in der wurzel von denen in der endung eines wortes unterſcheiden. Die vocale in letzteren ha - ben ein kürzeres, geringeres leben, ſind auch häufigeren veränderungen ausgeſetzt und können weniger im allge - meinen, als im einzelnen betrachtet werden, ein gründ - liches urtheil über ſie wird erſt aus der ſchwierigen un - terſuchung der accentuation einmahl hervorgehen.

2) Die vocale ſind entweder einfache oder doppelte, womit die eintheilung in kurze oder lange gänzlich zu - ſammenfällt (vergl. unten die bemerkungen über die pro - ſodie). Der einfachen (kurzen) gibt es in den deutſchen[ſprachen] achte: a, e, i, o, u, , , (= y), von wel - chen wiederum a, i, o, u als die reinen, e, , aber als getrübte (umlaute) betrachtet werden müßen; mit dem hat es eine eigne bewandtniſs, die ſich hier noch nicht ſondern erſt in der althochdeutſchen buchſtabenlehre ent - wickeln läßt. Die ausſprache des a, i, u (finden, fand, funden) gleicht ſich in allen (oder den meiſten) deutſchen zungen; ſchon ſchwankender iſt die des o. Es wird zumahl auffallen, daß ich dem e die natur eines reinen vocals nicht beilege; auf gründe die man hierwider aus ganz abſtracten unterſuchungen der ſprachlaute oder aus der betrachtung fremder ſprachen vorbringen wollte, laße ich mich jetzt nicht ein; in der deutſchen ſprache ſteht es hiſtoriſch zu erweiſen, daß das e als[umlaut], das als erſatz für frühere andere laute zu betrachten ſey, wie denn auch die älteſten runen gar kein zeichen zu beiden beſitzen. Ein anderer grund liegt mir in dem6I. von den buchſtaben insgemein. ſpäteren entſpringen und ſteigenden umgreifen der um -[laute], welches auf frühere ſeltenheit und ſelbſt abhan - denſeyn des einfachen e ſchließen läßt. Hierfür ſpricht endlich auch die in den neueren ſprachen immer wach - ſende auflöſung faſt aller vocale der endungen in ein tonloſes e, ſo daß das erlangte entſchiedene übergewicht dieſes lauts ſeinen anfänglich geringeren umfang gleich - ſam zurückbedeutet. Die uralte ſprache braucht über - haupt weder alle vocale, noch alle conſonanten ent - wickelt zu haben; manche fremde ſprachen entbehren bekanntlich einzelner einfacher conſonanten. Noch viel mehr aber gilt das von den gemiſchten oder zuſammen - geſetzten lauten, vocalen und conſonanten, in deren entfaltung und vielfältigen beſtimmung meiner anſicht nach etwas unurſprüngliches zu ſuchen iſt. Merkwürdig beſitzen die Griechen für a, i, u nur ein, für e und o jedesmahl zwei zeichen (ε, η; ο, ω), welches die un - gewiſsheit beider laute beſtätigt, obgleich ſie proſodiſch eben dadurch beſtimmt worden ſind und η und ω für doppelte laute geachtet werden müßen.

3) Ein doppelter vocal ſetzt den zuſammenfluß zweier einfacher in einer ſilbe voraus; einſilbigkeit iſt das we - ſentliche erforderniſs jedes diphthongen. Man kann zwei arten der doppelvocale angeben:

  • a) gedehnte vocale: , , , , , wo die urſprüngliche doppelung desſelben vocals äußerlich in einem körper zuſammengetreten iſt. Den beweis, daß , etc. aus aa, oo etc. entſpringen, liefert theils die verſchiedent - lich vorkommende ſchreibung aa, oo etc. theils die umlautung der gedehnten vocale in diphthongen der zweiten art (z. b. des in æ, das heißt ae, des in iu); endlich die vergleichung der verſchiedenen mund - arten, das goth. entſpricht etymologiſch und pro - ſodiſch dem alth. uo, das hochd. dem niederdeut - ſchen ae oder niederrheiniſchen ai etc. Die neuhochd. ſprache bedient ſich ſtatt des dehnzeichens da, wo ſie die gedehnten vocale, nicht in diphthongen zweiter art umwandelt, zwar noch zuweilen der äußeren dop - pelung, gewöhnlich aber und daneben der ſchreibung ah, eh, ih (und ie) oh, uh. Die Lateiner ſchrieben ihre lange vocale früher durch zwei kurze (Schnei - der p. 96.), den Griechen entſprang η und ω aus der ſchreibung εε, οο; bei den übrigen vocalen pflegten ſie,7I. von den buchſtaben insgemein. wie die Lateiner ſpäter bei allen, länge u. kürze durch gar kein zeichen zu unterſcheiden.
  • b) eigentliche diphthongen, in denen ſich zwei verſchie - dene vocale verbinden. Hier wären vorerſt und ohne ſelbſt die trüben vocale , mitanzuſchlagen, folgende fälle denkbar, ae, ai, ao, au; ea, ei, eo, eu; ia, ie, io, iu; oa, oe, oi, ou; ua, ue, ui, uo; allein keine ſprache in der welt hat ihrer ſoviel auf einmahl ent - wickelt, ſondern die reichſten kaum die hälfte, andere noch weit weniger. Die eigenthümlichkeit der mund - arten ſetzt ſich großentheils nach den vorhandenen oder mangelnden diphthongen; welche den deutſchen ſprachen zuſtehen, iſt keiner allgemeinen angabe fähig. Allmählig dürften ſich in ihnen ſo ziemlich beiſpiele aller fälle darbieten, wie z. b. das den alten mundar - ten gänzlich fremde ui im neuniederländiſchen aufge - treten iſt.

4) Wegen ausſprache der doppelvocale merke man weiter:

  • a) jeder derſelben iſt einſilbig. Stoßen vocale aus zwei ſilben aneinander, ſo entſteht ein hiatus, z. b. im goth. ga-arman. Wirkliche diphthongen hüte man ſich alſo mehrſilbig auszuſprechen, ſiuks, hairto wie ſi-uks, ha-irto. Zuweilen ziehen ſich jedoch mehrere ſilben zuſammen und der hiatus wird zum wahren diphthon - gen. So bildete ſich aus dem lat. regina das altfran - zöſ. re-ine, welches noch im 12. 13. jahrh. auf fine, doctrine etc. reimte, im 17. 18. hingegen auf veine, peine, ſaine etc. zum beweis, daß ein wirklicher diph - thong ei daraus entſprungen iſt. Das goth. fi-jands iſt zweiſilbig, eben ſo das alth. fî-ant und mittelh. vî-ent (auf ſchrîent, glîent reimend), das neuh. feind einſilbig und diphthongiſch. Mehr belege wird das alth. ia liefern.
  • b) aus dem begriffe des einſilbigen und verſchmolzenen fließt es, daß beide laute in der ausſprache nicht gleiche ſtärke haben. Gälte in au das u ebenſoviel als das a, ſo würden beide unverſchmolzen, wie der hiatus a-u, folglich zweiſilbig lauten. Es muß alſo der eine vocal in den andern übergreifen und dieſer dann ſchwächer klingen. Als ſchwächerer oder ſtärke - rer kann aber an ſich wieder jeder der verbundenen8I. von den buchſtaben insgemein. vocale betrachtet werden, z. b. ei wäre entweder éi oder eí, und hiernach beſtimmen ſich obige 20 näher zu 40 fällen. Welche derſelben wirklich eintreten bleibt für jede mundart eigends auszumitteln. Regel in den deutſchen diphthongen ſcheint es freilich, daß der vorſtehende vocal ſtärker, der nachſtehende ſchwä - cher laute, und man dürfte das ſelbſt mit dem grund - ſatz, daß der acutus die erſte ſilbe zu treffen pflegt zuſammenſtellen. Ich folgere aber außerdem ſo, ein - mahl weil die ſache für die gedehnten vocale außer zweifel iſt, klingt wie áa, das hintere a dem vor - dern leiſer nach. Zweitens aus dem analogen verhält - niß doppelter conſonanten, wo der vorſtehende eben - falls überwiegt. Drittens aus den hiſtoriſch ſich erge - benden übergängen verſchiedener doppellaute in ein - fache, z. b. des mittelh. uo und ie in das neuh. u und i, ſo daß unfehlbar das vorſtehende u und i größere kraft gehabt haben, mithin die ausſprache úo und íe geweſen ſeyn wird. nicht uó, ié. Wenn dem goth. ai in gewiſſen fällen das angelſ[.], dagegen dem goth. ei das alth. entſpricht, ſo läßt ſich die ausſprache ái und eí, letztere doch unſicherer muthmaßen, weil die vocale e, i feiner und einander näher ſind. Endlich verdient auch die ſitte, den hintern vocal überzuſchrei - ben, berückſichtigung; in , , etc. erſcheinen die obenſtehenden o, e, o als bloße modificationen des unteren, herrſchenden lauts. Umgekehrt, wo man ſtatt iu ein u ſchrieb und das i darauf ſetzte, ſcheint dem u der nachdruck zu gebühren.
  • c) Immerhin wird für die wirkliche ausſprache der alten mundarten, wo uns nicht accentuation der hſſ. oder die reimkunſt winke ertheilen, natürlich manches dunkel bleiben. Theils laßen ſich bei ſo mancherlei ähnlichen doppellauten übergänge und färbungen den - ken, welche keine ſchrift auszudrücken vermag, theils mögen ſich veränderungen der ausſprache zugetragen haben, ohne daß man die üblichen ſchriftzeichen än - derte. Die neuh. ausſprache des ei iſt völlig die des ai. Und wie mancher ſchreibegebrauch mag ſelbſt von anfang her ungenau geweſen ſeyn. Die unerfaßlich - keit der feineren vocalausſprache bewährt ſich in dem wechſel dieſer laute unter dem volk wie in der ge - ſchichte der größeren mundarten von ſelbſt. Es kön - nen, wie ſchon geſagt, diphthongen den einfachen9I. von den buchſtaben insgemein. lauten nahe kommen oder in ſie aufgehen, welches ſich bei unterſuchung der goth. aí und aú verglichen mit den , ia und eo anderer ſprachſtämme näher zei - gen wird; vergl. auch das nord. .
  • d) einiges lernt man aus den übergängen der im doppel - laut verbundenen vocale i und u in die halbvocale j und v beſtimmen.

5) Triphthongen würden möglicherweiſe in noch größerer anzahl vorhanden ſeyn, wirklich aber beſtehen ſie in weit geringerer. Die ältere ſprache kennt ſie gar nicht, die ſpäterer nur ſelten, und ſie entſpringen aus zuſammengezogenen mehrern ſilben.

6) Der eintheilung der vocale in reine und trübe iſt ſchon gedacht worden. Man könnte ſie auch benennen: dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de - nen die trüben e, , entſprechen, zwiſchen beiden ſteht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig. Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver - dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: umlaut. Man merke:

  • a) macht den umlaut zu zeugen wohnt gerade jenem in der mitte ſtehenden i oder deſſen doppelung i bei. Späterhin hat das das i vertretende e dieſelbe kraft. Im nordiſchen zieht auch u einen ähnlichen, doch ver - ſchiedenen umlaut nach ſich. Beide i und u können in gewiſſen fällen hinten abgeworfen werden und ihre wirkung, der umlaut, bleibt dennoch ſtehen (ver - ſleckter umlaut); in andern hört mit dem ausfallen des i der umlaut auf, und der anfängliche reine vo - cal kehrt zurück (rückumlaut).
  • b) jeder umlaut ſetzt alſo wirkliche oder wenigſtens früher vorhanden geweſene zweiſilbigkeit voraus; das i oder u aus der zweiten ſilbe wirkt den umlaut in die wurzel hinein. Ob ausnahmsweiſe der alth. diphthong ei als ein umgelautetes ai betrachtet werden? ob auch in mehr als zweiſilbigen wörtern der umlaut überſprin - gen, d. h. über eine in der mitte liegende in die wur - zel ſpielen dürfe? kann erſt im beſondern erörtert werden.
  • c) nicht allein einfache, ſondern auch doppelte vocale ſind umlautsfähig; es verſteht ſich, daß letztere nur in10I. von den buchſtaben insgemein. doppelte umlauten können, als in æ, in œ, ua in ue etc. Die nähere angabe bleibt der beſondern abhandlung vorbehalten.
  • d) der umlaut überhaupt ſtellt ſich nämlich dar, nicht als ein in der deutſchen ſprache urſprünglich und durch alle ihre ſtämme waltendes element, vielmehr als ein ſpäterhin in ſteigender richtung und verſchie - denartig entwickeltes. Gegen dieſe anſicht könnte ſich die meinung erheben, daß der umlaut auch in den älteren deutſchen ſprachen vorhanden und bloß aus mangelhaftigkeit der ſchriftzeichen nicht geſchrieben worden ſey. Die erwägung dieſer zweifel in der be - ſondern abhandlung.

7) Genau vòn dem umlaut muß der ablaut unterſchie - den werden, ein allen deutſchen ſprachen eigenes, we - ſentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechſelung. Zufolge beſtimmter, in den innerſten bau unſerer ſprache verflochtener geſetze löſen ſich in den wurzeln ſelbſt und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver - anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da - bei auftretenden vocale ſind einfache oder doppelte, nie - mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des ablauts können erſt in dem abſchnitt von der ſtarken conjugation und von der wortbildung ins licht geſetzt werden.

8) Die erſte eintheilung der conſonanten iſt wiederum die in einfache und doppelte. Die einfachen zerfallen ſodann in flußige (liquidae) und ſtumme (mutae). Jener ſind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen ſich nach dem werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle in drei reihen: labiales b, p, v; dentales (linguales) d, t, ſ; gutturales g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das wehende v, das ſauſende ſ und das hauchende h kann man ſchicklich ſpiranten heißen. Dem v aber ſteht noch ein eigener conſonant das j zur ſeite; beide ver - mitteln den übertritt der vocale u und i in die con - ſonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber vocale. Sämmtliche deutſche ſprachen beſitzen alle dieſe einfachen conſonanzen.

9) Die doppelten conſonanten ſind, gleich den voca - len entweder doppelt durch ſich ſelbſt (geminae) oder durch verbindung verſchiedenartiger (compoſitae). In11I. von den buchſtaben insgemein. beiden fällen verwächſt auch wieder der laut in derſel - ben ſilbe, und wenn conſonanten aus verſehiedenen ſil - ben aneinander ſtoßen, ſo iſt keine doppelung vorhan - den. Im lat. aſſero, immitto, attero findet ſich nicht der eigentliche doppellaut, den wir in maſſa, flamma, mitto wahrnehmen, jenes bleibt bloße aſſimilation. Ebenſo unterſcheidet unſer ohr annehmen, zerrinnen, ausſenden von mannes, zerren, miſſen. Dasſelbe gilt von der com - poſition; man vergleiche ſtand mit haus-tenne, fiſk mit us-kunþ etc. Doch können auch anſtoßende conſonan - zen. zumahl aſſimilationen durch lange ausſprache all - mählig in wirkliche doppellaute übergehen. Es iſt von wichtigkeit, ſich mit den in jeder mundart beliebten compoſitionen der conſonanten bekannt zu machen.

10) Geminationen, in der älteren ſprache ſelten, wer - den in der neueren häufig; es erſcheint alſo in ihnen zwar etwas gebildetes, zugleich aber eine entſtellung des frü - hen proſodiſchen wohllauts. Mehr hiervon nachher bei der anmerkung über die proſodie. Übrigens geminie - ren nur einfache conſonanten, nicht zuſammengeſetzte, daher die hochdeutſchen ff und ƷƷ gewiſſermaßen un - organiſch ſind.

11) Unter den componierten conſonanten ſind im all - gemeinen die mit den ſpiranten die wichtigſten, hier ge - ſchieht die vermiſchung beider laute am innigſten. Ent - weder ſteht der ſpirant vor oder nach. Jenes z. b. in den doppellauten hl. hn. hr. hv. ; ſl. ſm. ſu. ſk. ſp. ſv. ; vl. vr. dieſes in ch. ph. th. vh. bh. gh. dh. ; hs. rs. ts. ; kv. tv. etc. Es miſchen ſich auch dreie, wovon ſkr. das älteſte und wichtigſte beiſpiel (vgl. das fräukiſche chl. chr.), ſpäterhin nehmen dieſe dreifachen zu und zweifache verwandeln ſich in ſie, wie unſer ch. ſchr. ſchl. etc.; einige finden ſich bloß in der ausſprache, nicht in der ſchrift, wie ſchp. ſcht. tſch. u. a. Für die zweifachen ſchreiben manche mundarten eigne zeichen, als z. ƀ. ð, þ, x und alle f (ph); für qv. hv. hat Ulfilas buchſtaben. Der häufige gebrauch einiger zweifachen namentlich des f. þ und z bewirkte, daß man ſie fac - tiſch in den meiſten mundarten für einfache gelten ließ, daher ſie theils keine poſition machen, theils ſich gemi - nieren können. Das unorganiſche dieſer vereinfachung fließt am deutlichſten aus der abweichenden ſitte ver - ſchiedener ſprachen in dieſem punct. Dem Griechen12I. von den buchſtaben insgemein. galt ſein χ ſo gut einfach als ſein φ. Dem Hochdent - ſchen iſt f. einfach, ch aber nicht.

12) Die richtige ausſprache ſo mannigfaltiger doppel - laute hat natürliche ſchwierigkeit, doch gibt es kenn - zeichen, z. b. die hiſtoriſchen übergänge verſchiedener doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen conſonanten; die ſpäteren r. l. n. ſtatt hr. hl. hn. zei - gen daß das gewicht auf dem liquiden buchſtab ruhte.

13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu - weilen der ausdrücke anlaut, inlaut, auslaut für ſolche conſonanten bedienen, die in anfang, mitte und ende eines worts ſtehen, z. b. keine dentſche mundart kennt die dem Griechen ſo beliebten anlaute mn. pt., keine den ſlaviſchen anlaut ſr. etc. Überhaupt gilt auch von den conſonanten die für die vocale gemachte bemer - kung, daß ſich jede mundart ihr gefällige laute unter ſo vielen möglichen auswählt und auf ihre weiſe zu - richtet.

14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger bei den conſonanten ein gewiſſer umlaut einzutreten pflegt, ein übergang in verwandte laute, deſſen bedingun - gen ſich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur ſoviel kann vorläufig geſagt werden, der conſonantum - laut hängt nicht von der endung, ſondern meiſtentheils davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken - nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf dieſelbe weiſe. Mich für die erörterung dieſer übergänge und ſonſt der bekannten eintheilung in tenues (p. t. k.) me - diae (b. d. g.) und aſpiratae (ph. th. ch.) zu bedienen, nehme ich keinen anltand. Von einem ablaut der con - ſonanten iſt gar keine rede.

Anmerkung über die proſodie.

Vorhin iſt geſagt worden, daß die einfachen und doppelten vocale zugleich den begriff der länge und kürze in ſich ſchlößen. Dieſes würde ziemlich ohne bedeutung ſcheinen, wenn man den maßſtab des heuti - gen ſprachſtandes hinzubringen wollte, der uns ledig - lich auf den ton oder accent weiſt. Unſere dichter neh - men ſelbſt bei der verſuchten nachbildung antiker vers - maße auf die geſetze der quantität keine eigentliche13I. von den buchſtaben insgemein. rückſicht. Dieſe geſetze an ſich ſelbſt ſind gleichwohl ſo einfach und in der natur menſchlicher ſprache ſo ſehr be - gründet, daß eine hiſtoriſche unterſuchung der deutſchen nothwendig auf die frage führen muß. ob nicht wenig - ſtens in verfloßenen zeiten proſodiſche grundſätze merk - lich vorgewaltet haben und aus welchen ſpuren das noch zu erkennen ſeyn wird? Sind doch die neugriechiſ he und romaniſche ſprache der alten griechiſchen und la - teiniſchen quantität verluſtig geworden; warum ſollte die analogie dieſer fortbildung oder verbildung nicht auch für die deutſche geltend gemacht werden dürfen? geht hier der ſprachgeiſt keinen natürlichen gang? Ich glaube daß etwa folgende puncte anzuſchlagen wären:

1) die gedehnten und diphthongiſchen laute in den al - ten flexions - und bildungsendungen weiſen darauf, daß die heutige betonung ganz derſelben wörter u. formen ihren ehmahligen zuſtand nicht ausreichend erkläre, ge - ſchweige ſinnlich erſchöpfe. Man halte unſer: tage (dies), wege (vias), hat (habet), bitte (peto) zu dem goth. dagôs, vigôs, habáiþ, bidja oder dem alth. tagâ, wëgâ, habêt, pittu; weiter: ſteine (lapides) ſalbes (un - gis) zu ſtainôs, ſalbôs; niemand zweifelt wohl, daß die heutzutage gleichtonigen ſilben tag, weg, ſtein, ſalb vor alters nicht auf einer reihe geſtanden haben können, es iſt ſehr glaublich daß das ſtufenweiſe abſchwächen der doppellautigen endungen, ihre vermiſchung mit den kur - zen, endlich ihre gänzliche abwerfung oder verſtümme - lung auf ein dem neuen ſprachſtandpunct entgegengeſetztes princip ſinnlich höherer vollendung hinweiſe, wie es uns andere in jenen ſtücken auffallend einſtimmende ſprachen der vorwelt mehr und minder wirklich zei - gen. Gebührte jenen endungen mit doppellaut eine ge - wiß merkliche länge, ſo muß ſich neben ihr in den ſil - ben dag, vig, wenn ſie gleich betont wurden, eine deutliche kürze offenbart haben. Ohne dies würde ein ganz unglaubliches übergewicht ſchleppender längen in der ſprache geweſen ſeyn. Vergleicht man nun lateini - ſche formen*)Ich gebe auch den lat. langen vocalen das dehnzeichen, die andern ungedehnten ſind dann kurze. dazu: menſâs, paſſerês, modôs; ſo ergibt ſich ſchon entſchiedene analogie, die aber noch ſteigt, wenn in beiden ſprachen wurzeln mit formen übereintref - fen, z. b. in habêre und alth. habên, peto und goth. bidja,14I. von den buchſtaben insgemein. ſèmen und alth. ſâmo. Daher deutſche wörter von zwei kurzen ſilben, z. b. gibit, liſit, ſaman, fater, völ - lig wie petit, legit, ſimul. pater; von zwei langen, ſteinà wie nôdôs; das geſetz der poſition in bindan, fal - lan etc wie in findere, fallere etc. endlich. überflüßige poſition bei ſchon an ſich langem vocal. ſtuontun wie môns. Gehen dem vocal zwei oder mehr conſonanten voraus, ſo ſtören ſie ſeine kürze nicht, z. b. pflëgan, ſtëlan, ſtrëdan, (fervere) ſtritun (pugnabant) etc. wie im lat. plico, precor, ſcrobis, ſtropha, ſtimulus etc. die erſte ſilbe kurz bleibt. Alles dies, wenn es ſich völlig erwei - ſen ließe, gewährt eine ähnliche, günſtige vertheilung oder mannigfaltigkeit der quantität im deutſchen.

2) Als im verlauf der ſprache die endungen ſich ab - nutzten und die früherhin langlautigen ihre länge ein - büßten, muſte dies dem auf der wurzel ruhenden ton ein übergewicht geben, welches die darin befindliche kürze drückte und allmählig überhören machte. Das gefühl für die langen laute der flexion, für die kurzen der wurzel ſtumpfte ſich, kurzlautige endungen aber und langlautige wurzeln fielen mit der tonloſigkeit jener und der betonung dieſer in den meiſten fällen zuſammen. Dem ohre muſten eine zeitlang und während der über - gänge manche ehdem kurze laute zweifelhaft (ancipites) ſcheinen, bis dieſe zweifel nach und nach die gewalt des tones in dem ſinne ſeiner regel entſchied. Und die wirkung fieng bald an ſich ſogar in der äußerlichen ſchrift zu zeigen Die ſchrift der meiſten ſprachen pflegt die quantität der laute, vielleicht eben, weil ſich dieſe ſchon verdunkelt, ſelten genau zu bezeichnen, ge - wöhnlich thut ſie halbe ſchritte oder kann nichts anders thun. Die griech. ſchrift unterſcheidet die langen und kurzen α, ι, υ nicht mehr, die lateiniſche ihre längen und kürzen nirgends. Die altdeutſchen dehn - oder vielmehr längezeichen wurden von den wenigſten und faſt nie ge - nau befolgt; in der bloßen ausſprache beruhte die fort - dauer oder ſpur der quantität. Endlich trat die ſchrei - bung ſogar auf die ſeite des tons und ſtrebte, verſchwin - dende kürzen als tönende ſilben darzuſtellen. Hierzu dienten zweierlei mittel: gemination des auf den kur - zen vocal folgenden conſonanten und einſchaltung eines dehnenden e. oder h. In jenem fall entſprang poſition, in dieſem doppelvocal, in beiden eigentlich war es bloß der ton, dem es galt. Von wichtigkeit aber iſt es zu15I. von den buchſtaben insgemein. bemerken, daß früher geminiert und erſt ſpäter gedehnt wurde*)Zu ſolchen ſpäteren dehnungen gehören alle fälle, wo die poſition an ſich ſchon vorhanden war, mithin ſcharfer ton, z. b. vart, woraus man fahrt machte, da es früher ganz wie hart lautete; aber man ſchrieb einmahl fahren ſt. varn.. Bei der gemination ſcheint man gewiſſer - maßen noch die alte kürze des vocals zu ehren und ihn nur durch die verſtärkte conſonanz bändigen zu wollen; die dehnung hebt ihn ſelbſt auf, indem ſie ihn in einen wirklich langen umwandelt. Daher mag eine durch die volksſprache oder die inconſequenzen der ſchrift zuwei - len hervorbrechende gemination in ſilben, die man ge - wöhnlich dehnt, auch beweis für die alte kürze geben, vater z. b. lautet im munde des volks häufig vatter, und die ſchreibung des abgeleiteten vetter bezeugt die einſtige correption der ſilbe fa. Beiſpiele von gemina - tionen ehmals kurzer[wurzeln] ſind aus vielen: hammer, kommen, himmel, nimmt ſtatt: hamar, qvëman, himil, nimit; von dehnungen: nehme, liege, lieſeſt ſtatt: nimu, ligu, liſis. Vorzüglich unorganiſch erſcheint aber die gemination im pl. praet. und part. einiger ſtarken con - jugationen z. b. griffen, goßen, gegriffen, gegoßen, rit - ten, geritten, ja ich erkläre mir auf dieſe weiſe haupt - ſächlich die entſtehung ſo unnatürlicher doppelungen, als ff und gehörig verſtanden auch ß (ƷƷ) ſind. So ha - ben ſich freilich ſchon ſehr frühe affe, phaffe, ſpäter griffen, ſchiffen etc. eingeführt; für die unächtheit der doppelung ſpricht theils die progreſſion derſelben, theils ihr ausbleiben in den ſächſiſchen und nordiſchen ſpra - chen. Ein Niederſachſe würde noch heute den unter - ſchied zwiſchen ton und quantität fühlen, wenn man ihn grêpen (rapere) und grepen (rapuerunt) gêten (fun - dere) u. gaten (fuſum) ausſprechen ließe**)Nordiſch gripa, gripu; giuta, gotinn. Ich erwähne bloß hier, weil man dem verfaßer der ſkâlda eine nur ge - lehrte, ſteife anwendung priſcianiſcher regel zutrauen könnte, daß auch er die latein längen und kürzen in ſei - ner ſprache findet und nachweiſt (Skâlda p. 278. 279. vergl. 305.) in beiſpielen wie dura, dûra; runar, rûnar eto. Sollte er nicht die kurzen a in ari (aquila) api (fimia) noch lebendig gefühlt haben?; der ton ge - bührt beidemahl der erſten ſilbe, aber im erſten fall iſt ſie lang, im andern kurz.

16I. von den buchſtaben insgemein.

3) das geſetz der quantität kann in der ſprache vor - handen und ſelbſt noch wirkſam ſeyn, ohne daß es eine dichtkunſt anwende. Mag es nun uralte verſchollene deutſche lieder gegeben haben, oder nicht, in welchen ſich eine ſolche anwendung deutlich offenbarte; ſo viel ſcheint anzunehmen, daß die uns verbliebenen älteſten denkmähler unſerer poeſie, ſächſiſche, hochdeutſche*)Selbſt Notkers mit freier abſicht verſuchte nachbildungen antiker versmaße (im Boethius). und nordiſche mehr den accent beachten, als das proſo - diſche maß, wiewohl die bisher vernachläßigte ſorgſa - mere unterſuchung dieſes gegenſtandes erſt zu ſicheren aufſchlüßen führen dürfte. Eine ſpur des proſodiſchen princips meine ich inzwiſchen in der hochdeutſchen reimkunſt zu entdecken. Die reime ſind entw. ſtumpfe oder klingende**)Beßere namen als männliche oder weibliche und nach dem vorgang der meiſterſänger; mit dem ausdrucke ſtumpſ (hneptr. ſtŷfƀr) ſtimmt ſchon die nordiſche ſkâlda. Bei - derlei reime ſind in den mittelh. ſtrophen ſtrenge geſon - dert und können ſich nicht vertreten, in den minnelie - dern verſchränken ſich beide oft und ſtets regelmäßig. Das ganze lied von den Nibelungen hat keinen klingen - den reim, der ganze Titurel keinen ſtumpfen., unter denen man ſich nicht immer dasjenige vorſtellen muß, was ſie heute bedeuten, näm - lich ſolche die auf der letzten ſilbe reimen oder auf der vorletzten mit tonlos nachklingender letzter. Für meine gegenwärtige abſicht reicht es hin, drei perioden zu un - terſcheiden. I. Otfried kennt ſtumpfe und klingende reime; völliger gleichlaut iſt in beiden nicht nöthig, wiewohl oft vorhanden, häufig gilt bloße aſſonanz. Stumpfe ſind ihm, die lediglich auslauten, folglich a) einſilbige auf einſilbige wörter, wâr: thâr. ſàr: hiar. thù: nû. quad: pad. man: nam. thaƷ: was. b) einſilbige auf zweiſil - bige, wâr: meiſtar. thaƷ: ſînaƷ. man: findan. c) einſil - bige auf dreiſilbige, mêr: fremidêr. nôt: bilidôt. thës: githigines. Klingender reime, d. h. ſolcher die in - und auslauten, gibt es folgende: a) zweiſilbige auf zweiſil - bige, zeiƷan: heiƷan. fiure: hiare. ſcrîban: bilîban. muate: guate. ahtu: ſlahtu. ferti: henti. hanton: antôn. racha: ſprâcha etc. b) zweiſilbige auf dreiſilbige, wîſa: fëliſa. nôtin: ſteinôtin. wîbe: druhtine. c) dreiſilbige auf dreiſilbige, worahta: forahta. managên: hebigên. tha - nana: thëgana. Erwägt man alle dieſe reime, ſo ha - ben, was den accent betrifft, die einſilbigen wörter ſtets17I. von den buchſtaben insgemein. einen ton, ſey es den hohen oder tiefen; die zweiſilbi - gen auf der penult. die dreiſilbigen auf der antepen. desgleichen. In zweiſilbigen wörtern iſt die letzte ton - los, in dreiſilbigen die letzte ebenfalls tonlos, die vor - letzte entweder ſtumm (bilidôt) oder nur tonlos, mitun - ter vielleicht tieftonig ſmâhêti, frumôno, ſteinôtin). Nie alſo, und darauf kommt es mir an, kann die letzte ſilbe ſtumm ſeyn, welches ſie wird, wenn eine kurze ſilbe vorausgeht; mit andern worten, Otfried bedient ſich nie in ſeinem ganzen gedicht*)Inſofern mir bei der durchſicht nicht einzelne ausuahmen entgangen ſeyn ſollten, welche der durchgreifenden regel doch nicht viel benehmen würden. Scheinbare ausnah - men ſind: inan IV. 24, 29. (man verbinde: niminau), ſuerit: werit II. 19, 13, (man 1. ſuerje: werje) und ſo laßen ſich ähnliche andere rechtſertigen; einigemahl ſcheint der dichter wiewohl ſelten ein ſolches wort, doch ſtets im reim auf ein anderes regelrecht ſtumpf oder klin - gendes zuzulaßen; daß ihrer zwei auf einander reimen, glaube ich nicht. zweiſilbiger wörter, deren erſte ſilbe (d. h. wurzel) proſodiſch kurz iſt, wohin eine menge von den geläufigſten wörtern gehört, als: lëſan, wëſan, grebir, zelit, ſito (mos) buhil, nëman, nimit, himil, thëgan, fëlis etc. Bekommen ſolche wör - ter noch eine ſilbe, verſtummt mithin penult., ſo dienen ſie ihm häufig ſtumpf oder klingend, nachdem ſie auf ein einſilbiges oder mehrſilbiges wort reimen, menigî. ſitôta, obana, fadumon, zelitun, buhiles, giſcribauêr: bilibanêr etc. II. Mittelhochdeutſche periode. Jetzt gilt gleichlaut, höchſtens reimen einzelne ungleiche doch verwandte conſonanten, aber der vocal muß genau ſtim - men, und ſprâche reimt nicht mehr auf ſache. Stumpfe reime a) einſilb. auf einſilb. wörter. b) einſilb auf mehr - ſilbige noch zuweilen, als tôt: morderôt. c) zweiſilb. auf zweiſilb. mit vorletzter kurzer. als lëſen, wëſen; ſite: mite; riten: ſiten; dëgen: wëgen; legen: ſtegen; bliben: geſchriben etc. d) zweiſilb. auf dreiſilbige mit langer antepen. als ligen: heiligen. e) mehrſilb. auf mehrſilbige, aber wobei bloß die unbetonte endſilbe in betracht kommt**)Lachmanns auswahl XVII. not. 8. ſolche reime ſind volks - mäßig und ſelten, Otfrieds ſämmtliche klingende für ſtumpſe dieſer art zu erklären ſcheint mir ſehr gewagt.. Klingende a) zweiſilb. auf zweiſilb. mit vorletzter langer, als jâren: wâren; alten: halten. b) dreiſilb. auf dreiſilbige mit kurzer antep. als edele:B18I. von den buchſtaben insgemein. wedele. Hier ſind uns bloß die ſtumpfen reime c. und d. wichtig, deren letzte ſilbe verſtummt, ſo daß die unter c. einſilbig, die unter d. zweiſilbig werden. Letztere taugten Otfried bald zu ſtumpfen bald zu klingenden, weil ihre penult. tiefton und länge hatte, ihre ult. alſo nicht verſtummte. Die unter c. waren bei ihm gar nicht reimfähig, ſie ſind es nunmehr geworden, weil der ton, den ihre penult. freilich immer hatte, allmählig an ge - wicht und wirkung zu - und die alte kürze daran abge - nommen hat. Der ton verſchafft jetzt der penult. den reim, aber die ult. von dem verſtummen retten kann er noch nicht. III. Neuhochdeutſche periode. Stumpfe reime, nur einſilb. auf einſilb. wörter. Klingende, nur zweiſilb. auf zweiſilb. oder mehrſ. auf mehrſ. Alſo, die ſtnmpfen reime der vorigen periode unter c, ſind zu klingenden geworden; leſen: weſen reimt ſo gut wie laufen: kaufen; alten: halten; das heißt, der ton hat noch weiter gegriffen, die alte kürze ganz verdrängt und die letzte ſilbe iſt nur tonlos, nicht mehr ſtumm. Das reſultat dieſer kürzlich angeſtellten unterſuchung unſerer reimkunſt kann ſo ausgedrückt werden: Otſried reimte zweiſilbig : , : , : , aber niemahls , oder . Einſilbige und dreiſilbige wörter, die er braucht, ließen ſich zwar den abſtracten regeln der quantität unterwerfen und ſo meßen, daß für ſeine einſilbigen reime die formeln : , : , : , : ; für ſeine dreiſilbigen , , , , , hervorgiengen. In der that wäre aber ein ſolches verfahren ungültig, denn lebendig fühlte der dichter das geſetz der quantität nur in zweiſilbigen wör - tern, für jene erſetzt es ihm ſchon der ton. Hentzutage iſt in zweiſilbigen wörtern weder zum klingenden reim länge der vorletzten erforderlich (wie noch in der mitt - leren zeit) noch kürze derſelben zum reim überhaupt (wie bei Otfried) oder zum klingenden (wie in per. II. ) hinderlich, ſondern kürze und länge ſind in dem ton aufgegangen und weil jede vorletzte den ton hat, heißt zweiſilbig reimen immer auch klingend reimen. Sollte ſich aber für jenes längere haften des proſodiſchen prin - cips in zweiſilbigen wörtern nicht ein natürlicher grund angeben laßen? ich denke mir allerdings, daß es in ein - und dreiſilbigen eher gefährdet wird. Einſilbige wörter, weil ſie ganz für ſich daſtehen, nehmen dadurch eine beſtimmtheit an, die ſie in hinſicht der dauer ihres lauts, weil der gegenſatz fehlt, einander gleicher macht19I. von den buchſtaben insgemein. und längere oder kürzere zelt leichter verhören läßt. In drei und mehrſilbigen ſchwanken ſatz und gegenſatz. Zweiſilbigen drücken ſich die begriffe der dauer am ſicherſten ein.

4) dieſe grundſätze über altdeutſche proſodie theile ich als bloße meinung mit, um fernere prüfung zu ver - anlaßen und mich vorläufig zu rechtfertigen, wenn in der formenlehre verſchiedentlich von langen und kur - zen vocalen und deren einfluß auf manche flexionen die rede ſeyn wird. Lachmann hat für das mittelhochdeutſch einen feinen unterſchied zwiſchen gedehnten, ſchweben - den und geſchärften lauten aufgeſtellt, der den obigen anſichten practiſch begegnet, ſich aber doch in einigen puncten davon entfernt. In abſicht des gedehnten*)Adelungs begriff von dehnung iſt zu weit und begreife nicht allein die eigentlichen gedehnten (d. h. doppelten) laute, ſondern auch die ſchwebenden. lauts waltet kein zweifel ob; geſchärfter iſt ihm vorhan - den, wo ich poſition, d. h. verlängerung der ſilbe mit kurzem vocal durch doppelte conſonanz annehme, als in: finden, wilde etc., an ſich wird der kurze vocal durch die poſition weder lang, noch der lange länger, ſondern ſcheint nur ſo, weshalb man auch nicht von geſchärften lauten, ſondern vielmehr von geſchärften ſilben reden ſollte. In dem ſchwebelaut erkennt Lach - mann dasjenige an, was ich für die alte correption halte, was aber in der jetzigen ſprache ebenfalls gedehnt oder geſchärft zu werden pflegt, denn wir ſprechen: wehſen, lehſen wie nehmen, obſchon wir nur letzteres ſchreiben; die ſchärfung wird natürlich jetzo ſtets auch geſchrieben. Zwei weitere beſtimmungen machen mir Lachmanns vorſtellung zu verwickelt, theils inſofern er die fort - dauer des ſchwebelauts für den fall gewiſſer zuſammen - ziehungen, welche poſition, folglich ſchärfung herbei - zuführen ſcheinen, behauptet (wovon nachher bei den zuſammenziehungen) theils den ſchwebelaut leugnet, wenn bei geminiertem auslaut der letzte conſonant ab - fällt, z. b. in man (vir) val (caſus). Hierüber werde ich mich in der alt - und mittelh. buchſtabenlehre näher äußern. Laßen ſich nun beide beſtimmungen beſtreiten oder flieen nur einzelne ausnahmen aus ihnen her; ſo wird die lachmanniſche bezeichnung des ſchwebelauts, im gegenſatz zu dem unbezeichneten geſchärften, durchB 220I. von den buchſtaben insgemein. einen ſtrich überflüßig und in ſo weit hinderlich dünken, als ſie mit dem tonzeichen verwirrt, auch beim zuſam - menſtoß des ſtrichs und der punctierten vocale änßerlich unbequem ausfällt.

5) ſchließlich bemerke ich als wichtigen grund für das ehmahlige vorhandenſeyn einer deutſchen pro - ſodie, daß in der lithauiſchen (altpreußiſchen) und let - tiſchen ſprache noch bis auf den heutigen tag der unter - ſchied zwiſchen quantität und betonung lebt und beider geſetz in der rede befolgt wird, wie man ſich aus Ru - higs und Stenders grammatiken darüber belehren kann. Da nun kein anderer fremder ſprachſtamm den unſrigen ſo nahe berührt, als eben dieſer lettiſche und ſeine gleichſam ſtillgeſtandene, noch jetzt ſo vollkommene form und flexion die deutſchen alten dialecte, darunter den gothiſchen am meiſten beleuchtet; ſo ſcheint mir die annahme unvermeidlich, daß in letzteren ebenfalls eine nunmehr verlorene verflechtung beider grundge - ſetze, des der proſodie und des accentes, ſtatt gefunden habe. Iſt aber das proſodiſche princip einmahl dagewe - ſen, ſo wird es kaum fehlen, daß noch in der heutigen ſprache, vielmehr in den älteren, ſpur und nachwirkung davon übrig ſey, zu deren entdeckung und aufklärung das ſtudium der lithauiſchen und lettiſchen ſprache ein großes beitragen kann.

Anmerkung über den accent.

Der laut (ſonus) iſt die ausſprache der ſtimme ſelbſt, den dauernden laut mißt das geſetz der quantität. Der ton (tonus, accentus) aber iſt die den laut begleitende hebung oder ſenkung der ſtimme. Von frühe an war gewiß auch ton in der ſprache und verflochten mit ihrer eigenſten beſonderheit; die quantität ſcheint etwas all - gemeineres, gleichſam die poëtiſche, der accent die proſaiſche lebendigkeit der ſprache zu umfaßen. Hieraus läßt ſich der allmählige untergang der quantität und die zunehmende ausdehnung des tons begreifen. Der ton muß auch als eine haupturſache vieler veränderungen der ſprache angeſehn werden, indem er flexions - und bildungsendungen zu ſeiner hebung heran und dadurch zuſammenzieht, in ſeinen ſenkungen aber den wahren laut der buchſtaben beſchädiget und verdunkelt. Der eigentliche ton beruht auf dem acutus (hochton), wozu21I. von den buchſtaben insgemein. der gravis die gegenſeite gibt, allein dieſer gegenſatz iſt verſchiedener ſtufen fähig von dem bloßen ſinken (tiefton) bis zum völligen weichen des tons (tonloſer laut) und von da bis zum verſtummen des vocals (ſtum - mer laut).

Ausmittelung der accentuation für zeiträume und zweige der deutſchen ſprachen hat beinahe unüberwind - liche ſchwierigkeit zu beſtehen, die ſchrift kommt wenig zu hülfe. In gothiſchen, nordiſchen, ſächſiſchen hſſ. be - finden ſich meines wißens gar keine tonzeichen, in bei - den letzteren nur lautzeichen und dieſe ſparſam und un - genau. Gedruckte ausgaben aller dieſer denkmähler nehmen auf den accent in ſeinem eigentlichen ſinne nicht die mindeſte rückſicht. Die alt - und mittelhoch - deutſchen hſſ. gewähren indeſſen wichtige aufſchlüße, und zumahl ſind einige alth. denkmähler mit ungemei - ner ſorgfalt accentuiert. Sämmtliche abſchriften des ot - friediſchen werks haben accente (und daneben keine dehnzeichen für den doppellaut); leider hat man bei den abdrücken dieſe accente für unwichtig angeſehn und ausgelaßen, bloß in den noten theilt Scherz einige bezeichnete ſtellen mit, andere Roſtgaard in ſeinen va - rianten und daraus, ſo wie aus ſelbſtgenommenen ab - ſchriften verſchiedener capitel der wiener und pfälzer hſſ. habe ich meine unvollſtändige kenntniß von Otfrieds accenten geſchöpft. Wichtiger ſcheinen noch die der notkeriſchen werke. Bei der ausgabe der pſal - men hat man ſie ebenfalls unterdrückt, welchem man - gel Fügliſtaller bei ſeiner hoffentlich bald erſcheinen - den ausgabe ſämmtlicher ſchriften Notkers gründlich abhelfen wird; ſeinen mittheilungen danke ich vorläufig einige nachricht über dieſe accente; neben ihnen be - diente ſich Notker zugleich der dehnzeichen. In an - dern alten werken, namentlich den ſ. galler Tatian, ſo - dann bei Willeram und in einzelnen gloſſenſammlun - gen vom 10-12 jahrh. finden ſich hin und wieder, ſel - ten genau durchgeführte, ſtriche oder hacken, die zu - weilen wirkliche accente, meiſtens für die ausſprache der diphthongen beſtimmt, zuweilen dehnzeichen ſchei - nen. Alle dieſe hülfsmittel und die wichtigſten nämlich Otfrieds und Notkers tonzeichen, werden dennoch, wenn ſie einmahl zugänglich geworden ſind, keine hinreichende einſicht in die alte accentuation gewäh - ren, da ſie ſich faſt nur mit dem acutus befaßen, über22I. von den buchſtaben insgemein. deſſen ſetzung man an ſich, in den meiſten fällen min - deſtens, am geringſten verlegen ſeyn würde; tieftonige zeigen ſie zuweilen, tonloſe und ſtumme laute gar nicht an. Eine reichlichere quelle fließt uns inzwiſchen aus der mittelhochdeutſchen dichtkunſt zu, durch deren nähere unterſuchung Lachmann neuerdings ſo lehrreiche aufſchlüße über die damahlige accentuation gewonnen hat. Damit muß man endlich ein genaues und verglei - chendes ſtudium der accente in den noch lebenden deutſchen ſprachen, zumahl nach den gedichten ver - binden und durch analogie auf die verlorene betonung der alten zu ſchließen trachten. Hier und ehe einmahl die buchſtabenlehre abgehandelt iſt, können nur einige ganz allgemeine ſätze aufgeſtellt werden.

1) mit länge und kürze, wie aus dem vorhergeſagten klar iſt, haben die tonſtufen urſprünglich nichts ge - mein; lange ſowohl als kurze ſilben können den acu - tus oder den gravis bekommen und lange ſowohl als kurze tonlos und ſtumm werden.

2) die bekannte regel, daß der ton auf die wurzel falle, bedarf näherer beſtimmung. Nämlich bei dem un - zuſammengeſetzten nomen, verbum, oft auch adver - bium hat die wurzel den acutus, alſo für dieſen fall in mehrſilbigen wörtern ſtets die erſte ſilbe. Bei zuſam - menſetzungen bekommt aber die wurzel oft bloßen tief - ton (tonlos oder ſtumm werden kann ſie nie oder höchſt ſelten). Den hoch - oder tiefton zu ermitteln hält hier ſchon ſchwer, zumahl in dem fall der vorſilben. Die nordiſche ſprache legt der vorſilbe beſtändig den acutus, der folgenden wurzel den gravis zu (Raſk §. 52.) z. b. landſkapr, mismunr, umgânga. Die neuhochdeutſche hält es zwar mit landſchaft, misgunſt, umgehen (con - verſari) ebenſo, allein ſie beſitzt vorpartikeln in menge und ſchwankt in deren betonung nach noch unerforſch - ten geſetzen und gewohnheiten, z. b. bei den vorſilben ge-be-ver-zer - etc. iſt die nordiſche regel unpaſſend, denn die wurzel behält den acutus, ja die vorſilbe bleibt tonlos, z. b. benehmen, geloben etc. Andere vorſilben haben, wie im nordiſchen, den acutus, die wurzel den gravis, z. b. ab-auf-an - etc. wie: abneh - men, aufgehen, ankunft. Häufig ſteht einer und derſel - ben partikel verſchiedener ton zu, da in umfang, un - glück die wurzel tief, in unendlich, umfangen (am - plecti), umgehen (praetergredi) hoch tönt. Ich führe23I. von den buchſtaben insgemein. dieſe beiſpiele nicht an, um abzuhandeln, ſondern um die bedenklichkeit von vermuthungen über die richtige betonung derſelben fälle in den alten mundarten darzu - thun. Auf die goth. vorſilbe ga - die nord. regel vom acutus der erſten ſilbe anzuwenden verbietet außer dem bloßen gefühl der umſtand ſelbſt, daß dieſe partikel im nord. gänzlich mangelt. wogegen ihr häufiger einſtim - mender gebrauch im althochd. und das ſchwanken der laute ga-gi -, die tonloſigkeit des goth. ga - höchſt - wahrſcheinlich machen. Aber welche ſichere auskunft gibt es über goth. partikeln wie un-dis - und andere? Otfried und Notker werden die frage über die betonung der vorpartikeln befriedigend beantworten, beiden iſt gi-bi-ir-zi-fër - unbetont, ún-úber-ána-ála - etc. haben aber den acutus, ſo ſchreibt Otfried ſtets álang (integer). Einigemahl gibt Notker in ſolchen fällen of - fenbar auch den tiefton mit an, z. b. in úngérn (d. h. úngèrn).

3) in weiteren fällen, namentlich alſo für das unzu - ſammengeſetzte pronomen, die partikeln, flexions - oder bildungsendungen den wahren ton zu treffen macht erſt die eigentliche ſchwierigkeit. Alle dieſe waren urſprüng - lich einmahl auch wurzeln, die in der länge der zeit verkürzt. entſtellt und verdunkelt worden ſind. Heu - tige ſprachen lehren, daß auf pronomen und partikeln zuweilen der hochton fällt, daß ſie aber auch tieftonig und tonlos werden. Otfried (auch der ſ. gall. Tatian) accentuiert oft íh, ímo, ínan, oft nicht. Nie ge - bührt den endungen der acutus*)Das vielbeſprochene lebendig läßt ſich ſchon erklären: der tiefton, den urſprünglich die endung - andi im partic. hatte, hat gehaftet und ſich in den hochton, den hohen ton der wurzel aber in einen tiefen verwandelt. Folge - rechter nach dem allgemeinen ſprachgang hätte die wur - zel den acutus behalten und die zweite ſilbe wenigſtens tonlos werden müßen. So iſt es auch im mittelh. und bei Gryphius., ſie ſchwanken zwiſchen tiefton, tonloſigkeit, verſtummen und hier eben ſcheinen nach verſchiedenheit der zeit und mund - art unendliche abweichungen einzutreten. Ich genüge mich an einigen beiſpielen. Im alth. menniſco (homo), fiſkarî (auch ſiſhârî), ſalbôta vermuthe ich die erſte ſilbe hoch - die zweite tieftonig, die dritte tonlos; ſo iſt es im nord. manneſkja, fiſkari, þackada. Zwiſchen jenen24I. von den buchſtaben insgemein. formen und den neuhochd. menſch, fiſcher, ſalbte, in denen die tieftöne tonlos geworden und verſchluckt ſind, haben grade gelegen, welche man im mittelh. ſuchen muß. Hier ſchwebte menniſche ſchon über in meniſche mit der zweiten ſtumm, ſelbſt in die abwer - fung des letzten e; bei Boppo (2. 233 a) reimt me - neſch auf theneſch ſtumpf. Im 12. jahrh. konnten ſich reime wie menniſchen: fiſchen finden (Maria 1029 men - niſche: tiſche). Das mittelh. viſchære hat die zweite noch tieftonig, tonlos aber ſalbete. Ferner, im mittelh. iſt von zwei kurzen ſilben die zweite ſtumm (laden, manic, lëſen) aber auf eine erſte lange folgt die zweite tonlos (ſlâfen heilic, ſælic); doch bei verlängerter endung bricht der alte tiefton hervor (ſæligen: genigen). wie uns Lachmann lehrt. Der alth. acc. ſâlîgan hatte ge - wiß den nämlichen tiefton, vermuthlich auch der nom. ſâlîg (O. II. 16, 50: wîg). Sollte ſich die nord. doppelte form heilagr und helgr anſchlagen laßen? in letzterer iſt der ſtumme vocal ausgefallen, in erſterer der be - tonte geblieben. Und hätte im goth. liubana (carum) und frumana (probum) die zweite ſilbe deutlich ver - ſchiedenen accent gehabt? Es ließen ſich zweifel vor - bringen.

4) daß es ſtumme laute auch ſchon im goth. gegeben habe, bezweifle ich gar nicht, weil gerade der Gothe in manchen fällen vocale auswirſt, wo ſie im alth. noch tonlos oder ſtumm ſtehen bleiben, namentlich zwiſchen muta und liq. z. b. fugls, rign, alth. fogal: rëgan. Dieſe neigung zieht durch die goth. ſprache, und be - weiſt das eigenthümliche gothiſcher accentuation. Die geſchichte der accente wird ſich alſo mit der ſehr ver - ſchiedenen entwickelung der bildungs - und flexions - triebe jeder mundart vertraut zu machen haben und dies ſind unterſuchungen, worauf unſere jetzige grammatiſche kenntniß noch nicht recht gerüſtet iſt.

Wegwerfen der buchſtaben.

Die ſprache ändert ſich nicht allein durch den über - gang von buchſtaben in andere, durch die verwechſe - lung der kürzen mit längen und beider mit dem tone, ſo wie durch die vermilchung verſchiedener accente; eine haupterklärung ihrer vielgeſtaltigen entwickelung fließt aus dem freilich mit der ſchwächung der quanti -25I. von den buchſtaben insgemein. tät und veränderlichkeit der accentuation in verbindung ſtehenden wegwerfen*)Wie nach dem wegwerfen könnte man hier nach dem einſchalten fragen; doch es gibt nur ein ſcheinbares ein - ſchalten, darum weil man der ſprache nichts zu geben ver - mag, ſondern bloß zu nehmen. Ausbildungen der wur - zel ſind entfaltungen ihrer keime und entſproßenen bil - dungen läßt ſich wiederum ſo wenig einſchieben, als der wurzel ſelbſt. An vocaleinſchaltung wird niemand den - ken. Unter den conſonanten möchte man j. g. v. und h. für ſolche halten, die zuweilen eingefügt würden, wie in ſpiwan (ſpuere) eigir (ova) aha (aqua); aber es ſteht zu zeigen, daß ſie ſich aus vorhergehenden vocalen ent - wickeln oder wegfallende erſetzen, und nirgends müßig, dem wohllaut zu gefallen da ſind, der anſcheinende zuſtand der uneinſchaltung alſo oft eine zuſammenziehung verräth. Mit gleichem rechte dürfte man ſonſt das n anführen, das ſich in biene, birne (früher bìa, bira) entfaltet; dieſes ſelbe n waltet aber auch in ein, mîn, dìu, ſìn, zwêne, ſwìn etc. (lat. unus, [εἴς] meus, tuus, bini, ſues nicht auf gleicher reihe). In dem franzöſ. mon, ton, ſon (ital. u. ſpan. mio etc.) finde ich germaniſchen einfluß; doch alles dies gehört in die wortbildungslehre. Ebenſo kann erſt bei erörterung der zuſammenſetzung unterſucht wer - den, ob der ſpirant ſ. eingeſchaltet werde. Was man für wirklichen zuſatz anerkennen muß, wird ſich als unor - ganiſch ausweiſen, z. b. das t. in - ſchaft ſtatt - ſcaf. einzelner laute in wurzel und endung. Jedes abwerfen und ausſtoßen einzelner oder mehrerer buchſtaben und die dadurch verurſachte zu - ſammendrängung der übrigbleibenden benimmt der an - ſchaulichkeit der wurzeln und endungen, mindert folg - lich das ſinnliche leben der ſprache. Der wohllaut mag dadurch gewinnen, eben ſo häufig büßt er ein; über - haupt muß man das fortſchreiten in zuſammenziehungen eigentlich nicht aus einer bewußt gewordenen neigung zum wohllaute noch aus einer wohl zuweilen vorhan - denen gleichgültigkeit gegen eindringende mislante er - klären wollen, ſondern vielmehr aus der unhemmbaren hinrichtung der ſprache nach dem geiſtigen begriff, den kürzung, zuſammenziehung und zuſammenſetzung der wurzeln allerdings erhöhen.

Im einzelnen wird nun die bedeutung dieſer erſchei - nungen für die hiſtoriſche grammatik ſehr von dem um - ſtande abhängen, in wie weit ſie ſich bei einer und der - ſelben mundart und zu gleicher zeit ereignen oder erſt aus der vergleichung verſchiedener mundarten und zei - ten zu ſchließen ſind. In erſtern ſchwebt noch die26I. von den buchſtaben insgemein. ſprache zwiſchen der änderung und dem alten zuſtand, in letzteren hat ſich die änderung befeſtigt und des alten zuſtandes iſt vergeßen. Beiſpiele dieſer art wären das goth. fugls ſtatt des gar nicht mehr vorkommenden fu - gals oder noch höher hinauf etwa fugalus, ferner, der nord. inf. - a ſtatt - an. Zu jener art gehört aber wenn das mittel[l]. zwìc in zwî, das nord. drôg in drô apoco - piert wird. Sagt man daher zwî ſteht für zwîc, ſo iſt die veränderung eſoteriſch; ſagt man: fugls ſteht für fugals, ſo iſt ſie exoteriſch, d. h. aus der goth. ſprache an ſich nicht zu erweiſen. Ich glaube daß ich mich durch dieſe ausdrücke einigemahl kürzer und beſtimmter faßen kann. Mit der zeit freilich verwandeln ſich die anfänglich eſoteriſchen in exoteriſche wegwerfungen. Das neuh. lobte beſteht ſchon feſt und lobete nicht mehr daneben, oder, in hahn fühlen wir das frühere hane jetzt gar nicht mehr.

Der allgemeinen angabe der verſchiedenen arten und namen füge ich einige bemerkungen und wenige bei - ſpiele zu, reichlichere folgen in der buchſtabenlehre ſelbſt. Die buchſtaben werden weggeworfen entw. an einem worte oder zwiſchen zweien ſich berührenden. Jener fall macht drei arten

1) wegwerfen des anlauts, aphäreſe. Von vocalen wüſte ich kein beiſpiel (vgl. ὀδόντες mit tunþjus, Schnei - der p. 13. 179.) Von conſonanten zwei wichtige fälle, der ſpirant h. vor l. n. r. v, hlahan, hneigan, hráins, hveits heutzutage: lachen, neigen, rein, weiß; der ſpi - rant v. häufig im nord. (vada, ôd eſoteriſch und ûlfr, wulfs exoteriſch)*)Alles zeugniß für das geſetz der alliteration. u alliteriert mit dem halbvocal v. und hl. hu etc. gelten für einen buchſtab.; g vor n im nord. (gnôgt, nôgt).

2) wegwerfen des inlauts (zuſammenziehung). Dieſe iſt häufig und mannigfaltig

  • a) ausſtoß eines vocals doch ſtets aus der bildung und endung, kaum aus der wahren wurzel (vergl. jedoch praht neben përaht, clarus) und zwar
    • α) vor einem andern vocal, eliſion. Nicht gemeint wird hier der fall, daß ein diphthong in einen ein -27I. von den buchſtaben insgemein. ſachen übertritt, z. b. lieht (lux) in liht, ſondern die eliſion ſetzt einen hiatus, d. h. vocalberührung zwiſchen zwei ſilben voraus, z. b. legjan, wiljo verwandelt in legen, willo (wo gemination der con - ſonanz den elidierten vocal erſetzt). So iſt das goth. haban aus habáian. ſalbôn aus ſalbôan zu deuten. Auch der zweite vocal kann ausfallen, z. b. vîent, feind.
    • β) zwiſchen zwein conſonanten, ſyncope; der aller - häufigſte fall. So wird aus den alth. anado (zelus) halid (heros) ſâlida (felicitas) etc. mittelh. ande, helt, ſælde. Der Gothe ſyncopiert zwiſchen muta u. liq.; liq. u. muta; liq. u. liq. Der Alth. ſelten zwiſchen muta n. liq. gewöhnlicher zwiſchen liq. u. muta, liq. u. liq. doch beides nur in gewiſſen bildungen, die keiner allgemeinen angabe fähig ſind; für ein - zelne mundarten und zeiträume laßen ſich einige regeln finden
      *)Im mittelh, fällt das[e]nach kurzem vocal und liq. regel - mäßig aus, als hëln (celare) dent (tendit) hern (vaſtare) etc.
      *). Der weggeworfene vocal war ohne zweifel durch eine vorhergehende tonloſigkeit oder ſtummheit vorbereitet, gleichſam zum abfallen ge - reift. Hier entſpringt nun die vorhin berührte frage: ob die ſyncope poſition mache oder nicht? Für den fall, wo die wurzel an ſich lang war, d. h. einen langen vocal hat, kann die antwort gleich - gültiger ſeyn und es handelt ſich vornämlich von demjenigen, wo die wurzel kurz erſcheint. Lachmann wurde es ſo ausdrücken: bleibt der ſchwebelaut in gewiſſen zuſammenziehungen? Dies iſt zu bejahen, weil noch unſere heutige ſprache verſchiedene wör - ter
      **)Adelung führt ſie §. 87. auf, aber mit andern vermengt, deren dehnung gerade umgekehrt auf dem urſprünglich langen laut beruht (wie mond, wuchs). Die wichtigſten beiſpiele ſind: art, arzt, bart, erde, harz, herde, obſt, pſerd, ſchwarte, ſchwert, vogt, warze, werden, werth, zart. Hierunter arzt, pſerd, vogt, vielleicht auch bart undeutſchen urſprungs und in fremden wörtern begreifc ſich der abweichende gang der ausſprache.
      **) aufzeigt, welche, ungeachtet der poſition in ihnen, nicht geſchärſt ſondern ſchwebend lauten, oder nach meiner vorſtellung: deren urſprünglich kurzer vocal nicht hat unterdrückt werden können. Und da ferner der ſchwebelaut auch in ihnen all -28I. von den buchſtaben insgemein. mählig abnimmt, mit der zeit vermuthlich geſchärfte ausſprache eintreten wird, (wie z. b. die meiſten: magd, krebs, vogt etc. bereits geſchärft ausſprechen, einige ſelbſt pferd, werden); ſo gilt der ſchluß, daß ſolcher wörter früher und ſtufenweiſe immer mehr geweſen ſeyn müßen. So mögen: bilde, helt, ande, arm, ſwalwe, werfen, bërgen und viele ähnliche, die wir jetzt geſchärft ausſprechen, im mittelh. ſchwebend gelautet haben. Eben ſo viele hingegen, deren geſtalt und analogie eine ſyncope verräth, ſcheinen ſchon damahls ſcharf zu lauten d. h. in ihrer ausſprache herrſchte der eindruck der poſition vor. Das ſchwanken zwiſchen poſition und nicht - poſition in dergleichen fällen iſt begreiflich
      *)Schon nach dem vorgang der Römer und Griechen bei der muta vor liq. und ſelbſt bei μν, πτ, στ, κτρ. vgl. Butt - mann p. 38.
      *), wie - wohl ich noch keine regel für altdeutſche proſodie darüber zu ſtellen wage. Auf jene frage aber ant - worte ich ſo: wenn die ſyncope exoteriſch iſt, ſo ſcheint poſition (ſcharfer laut); wenn ſie bloß eſo - teriſch, ſchwebelaut anzunehmen. Hiernach würde ich das goth. fugls, ſvibls
      **)Beſtärkt durch die ausſprache des nordiſchen hagl, þëgn etc. nach Raſk §. 55. haggl, þëggn.
      **), bindan geſchärft etwa wie fuggls, ſvibbls, binndan ausſprechen, wie - wohl die beiden erſten im alth. nicht bloß den ſchwebelaut haben, ſondern ſelbſt den tonloſen vocal nicht auswerfen. Bindan, wildi etc. lauten im alth. geſchärft; bildi, berg etc. ſchwebend, weil ſich die formen biladi, bilidi, bërag etc. wirklich daneben finden, die verkürzung alſo noch zu friſch war, um nicht dem durchgefühlten alten laut eine weile treu zu bleiben. Man ſprach höchſtwahrſcheinlich noch im mittelh. bil’de, bër’g, doch grenzen und übergänge werden ſich nicht leicht angeben und die fälle anders als im beſondern vermuthen laßen. Die reime helfen uns dabei nicht aus, indem mittelh. dichter ſchwebende auf geſchärfte ſilben reimen z. b. bart (barba): hart (durum); wilde: bilde.
  • b) ausſtoß eines conſonanten und zwar ſowohl eines bei einem vocal ſtehenden (ſarf für ſcarf, ſol f. ſcal, ſô f. ſvâ, das angelſ. ſprëcan neben ſpëcan, nanta f. nannta) als29I. von den buchſtaben insgemein. zwiſchen zwein vocalen und namentlich gilt das von den drei mediis: b. d. g.
    *)Daher im mittelh. dieſe drei mediae häufig untereinander reimen.
    *) bei vorſtehendem kurzen vo - cal der wurzel. So wurde in den eigennamen regin - hart, meginhart (noch ältere form war ragin - magin -) anfangs reïnhart, meïnhart mit hiatus, zuletzt rein - hart, meinhart diphthongiſch. Die mittelh. formen - ege-ige-ibe-ide - (alth. agi-ibi-igi-idi) verwan - deln gern in: ei-î-î, als: ſeit (dicit) reit (loquitur) treit (fert) pflìt (ſolet) gìt (dat) kît (aït) u. a. m. nicht aber verwandeln ſich die formen ëbe-ëge, z b. aus gëben, rëgen (plnvia) ſtößt ſich der conſonant nicht aus. Ferner ausgeſtoßen wird der ſpirant h; ſlahen, ſlân; trahen, trân etc. dem nord. (fluvius) entſpricht das alth. aha, indem nach dem ausſtoß beide vocale zuſammenrücken und aa = iſt; dem nord. mâl (ſer - mo) fëla (abscondere) biartr (clarus) das alth. mahal, përaht, fëlhan
    **)Da in einigen obiger beiſpiele die gedrängten vocale in einen doppellaut verwachſen, ſo fragt ſichs: ob überhaupt die doppellaute (gedehnte und diphthongiſche) aus frü - heren contractionen zu erklären ſind? Ich möchte es nicht geradezu einräumen und auf jeden fall wären die beweiſe aus den tiefen der wortbildung und ſprachver - gleichung zu ſchöpfen. Die antwort gehört alſo am we - nigſten hierher. Einzelne fälle von diphthongen, die aus dem hiatus und der eliſion entſpringen, wird die buch - ſtabenlehre genug liefern.
    **).
  • c) ausſtoß eines vocals und conſonanten, vielleicht nicht gleichzeitig, ſondern übergangsweiſe. Beiſpiele: goth. ſáivala (anima) angelſ. ſàvl, alth. ſêula, dann ſêla; im mittelh. ſchwachen prät. - te, ſtatt - tete, wie: milte (miſerabatur) ſt. miltete, hernach miltte, luſte (cupiebat) ſtatt luſtete; im niederl. ſìre ſt. ſìnere etc. Ein hauptfall wird bei der goth. conjugation zur ſprache kommen, wo ſich môtida in môſta, káupati - dèdun in káupaſtèdun zieht. Man vergl. die in der II. praet. entſpringenden ſt: qvaſt (dixiſti) láiſt (iviſti) etc. für qvaþt, láiþt oder vielmehr qvaþit, láiþit.

3) Wegwerfen des auslauts, apocope.

  • a) des vocals, ſehr gewöhnlich. Beiſpiele: im, für, ap ſt. ime, füre, abe, hier tritt wieder die mittelh. re -30I. von den buchſtaben insgemein. gel ein, daß nach voc. brev. u. liq. das folgende ſtumme e ſtets wegfällt, als hil (celo) nëm (ſumat) han (gallus) bër (urſus) ſtatt hile, nëme, hane, bër[e], alth. hilu, nëme, hano, bëro, imu, furi, aba. Dieſe apocopen lehren, wie ſich erſt die vocale a, o. u. i in das e ſchwächen und dieſes zuletzt wegfällt. An - dere beiſpiele gibt die vergleichung des goth. blindana (coecum) blindata (coecum) mit dem alth. blindan, blindaƷ das alth. thâra (eô) mit dem mittelh. dar (zuweilen dâr) und die ganze ſprachgeſchichte un - zählige.
  • b) der auslautenden conſonanten. Die berühmteſten beiſpiele ſind der abſtoß der kennzeichen des nom. s oder r, des infinitiviſchen - n, des t von der tertia pl., die verwandlung des alth. thâr (ibi) in das mit - telh. dâ etc. meiſtentheils exoteriſcher natur. Doch finden ſich auch eſoteriſche, als das obgedachte zwîc f. zwî, ſo im nord. vâ f. vag etc.
  • c) der ganzen letzten ſilbe, wohin wieder das abge - ſtoßene kennzeichen des nom. maſc. und neutr. der adjective, guot f. guotêr und guotaƷ.

Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden wörtern ſtattfinden - den. Hiervon läßt ſich begreiflicherweiſe noch weniger im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren ſpra - chen, wo uns faſt keine gedichte zum maßſtab dienen, da doch gerade das feinere ohr der poëſie auszuſtoßen pflegt, was die proſa noch leidet. Die hauptſächlichſten arten ſind:

1) wegwerfung zwiſchen zuſammengeſetzten wörtern*)Man unterſcheide zuſammenſetzung von der endung und namentlich von der bildungsendung, wo eine fremde wurzel der eigentlichen wurzel (meiſtentheils hinten) angefügt wird und mit ihr verwächſt. Zuſammenſetzung aber tritt ein, wenn ſich vornen eine andere wurzel au - ſchließt. Hier ſind in der regel beide wurzeln klar, bei der bildung verdunkelt ſich die verwachſene zweite. Nur ausnahmsweiſe gehen zuſammenſetzungen in ſcheinbare bildungen über., und zwar gewöhnlich des auslauts von der erſten (vorne ſtehenden) wurzel, alſo ganz der apocope analog. So - wohl der vocal fällt aus z. b. gêren (honorare) f. ge -31I. von den buchſtaben insgemein. êren, bûtan f. be-ûtan (engl. but) binnen f. be-innen, botſchaft f. boto-ſcaf, tagſtern f. taga-ſtërro etc. als der conſonant z. b. ſigimunt f. ſigis-munt. nebigaſt f. das ältere hnebisgaſt, edel-mann f. edels-man zuwei - len beide, vocal und conſonant, vielleicht nicht gleich - zeitig, ſondern nacheinander z. b. tâlanc (hodie) ſt. taga-lang. Manchmahl wirkliche ſyncopen in der erſten wurzel, z. b. uolrîch, âlbërt ſt. uodal-rìch, adal-bë - raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zuſammenſtoßen - der vocale lieber, als daß er den der erſten wurzel ab - wirft, z. b. ga-áiſtan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-áu - kan etc. doch vgl. and-áugjô f. auda-augjô. Ein glei - ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.

2) zwiſchen zwei nicht zuſammengeſetzten wörtern, und zwar ſo, daß die urſache des wegwerfens in der be - rührung beider zu linden iſt, denn ſonſt tritt bloße apocope ein. Die fälle (meiſtens eſoteriſch erkennbar, in ſo fern ſie ſich nicht in eigne zuſammenſetzungen verhärten) ſind in den deutſchen ſprachen weit ſeltner, als in der griechiſchen und lateiniſchen und die enthaltſamkeit ſelbſt der heutigen dichtkunſt läßt doch wohl einen ſchluß auf die ältere poësie zu, der mir durch die be - trachtung der nordiſchen und mittelh. nicht widerlegt zu werden ſcheint. Das mittelh. auslautende tonloſe e wird z. b. vom ſchwachen ſubſt. und ſchwachen praet. gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch nicht immer, ſondern nach erforderniß des metrums. Aufmerkſamkeit verdienen die von ihm ſelbſt ſchon ſo benannten ſynaloephen Otfrieds welche in den hſſ. durch einen doppelten punct, über und unter den im betonten leſen der zeile zuszulaßenden vocal geſetzt, angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) ſprâcha ouh. (ad Lud. 154.) zi thëmo êwinigen (I. 11, 12.) zala irgâ - bin, ſind die auslaute a, o und a doppelt punctiert. Die meiſten, ſowohl der otfriediſchen ſynaloephen, als der ſonſt bemerklichen weglaßungen beziehen ſich auf das, was man inclination (ἔγκλισις) nennt, worunter ich aber nicht allein die ſich hinten anlehnenden wörter (encliticae) begreife, ſondern auch die es vornen thun, in welchem letztern fall der claſſiſche ſprachgebrauch eine kraſis annimmt, doch verſchmelzung der laute hat im deutſchen nicht immer ſtatt, gewöhulich erfolgt nur abwerfen eines vocals oder conſonanten. Ich führe die wichtigſten fälle an:

32I. von den buchſtaben insgemein.
  • a) anlehnung des perſönl. prönom. an das vorausgehende verbum; natürlich weil es dem begriffe nach dazu gehört und nur ein früher nicht einmahl vorhandener ausdruck deſſen iſt, was ſchon in der form des ver - bums liegt. Otfried ſetzt: ſcrîbu ih, felgu ih, und punctiert die beiden u, man leſe alſo: ſcrîbih, fel - gih. Das dù zweiter perſon incliniert noch lieber und erklärt ſelbſt die ſpätere änderung der endung - is in - iſt, - eſt. Die volksſprache hat: biſte, kannſte f. biſtu, kannſtu; im pl. habwer, hammer, habter, hanſe, habnſe für die übrigen perſonen. So im mit - telh. giengenſ, wârenſ etc.
  • b) anlehnung der übrigen pronomina. Das nähere kann hier nicht erfolgen, da ſelbſt die meiſten zuſammen - ſetzungen dieſer wörter aus verwachſener anlehnung zu deuten ſind.
  • c) einzelne fälle des hülfsworts ſeyn pflegen mit dem pronomen oder andern wörtern zu verwachſen und gewiſſe laute auszuſtoßen, z. b. mittelh. daſt, ëſt f. daƷ iſt, ëƷ iſt; nord. þeirro, margirro f. þeir ëro, margir ëro.
  • d) inclination der partikeln z. b. der bejahung und ver - neinung, ſchon goth. niſt, niba, jabái f. ni ïſt, ni ïba, ja ïbai. Aber auch anderer, wie bei Otfr. ſô ih, ſô - ſô ër etc. namentlich einiger praepoſitionen, welche die alte ſchrift, auch wo ſie nicht verkürzt werden, gern an das von ihnen abhängige wort ſchreibt; in: zi altere punctiert Otfr. das i, und im mittelh. iſt: zim, zir, zuns etc. häufigſt.

Näherer forſchung bleibt vorbehalten, ob und in wie fern die inclination aufſchluß über die alte accen - tuation gewähre? da es ganz natürlich ſcheint, daß auch im deutſchen die enclitica ihren ton auf die ſilbe werfe, der ſie ſich anlehnt. Den acutus gibt ſie ihr nicht, wie im griech. (wo nicht einmahl förmliches an - wachſen, wenigſtens in der ſchrift, gefordert wird), denn Otfried accentuiert in: hôhemo (hôhe imo) thju - nan (thju inan) die penult. nicht; vielleicht tönt ſie tief und wird tieftonig, wenn ſie tonlos war; gewiß iſt je - nes hôhemo anders betont worden als der dativ hôhe - mo. Die tonloſe endung in dem heutigen liebten ge - winnt unmerklich in liebtenſ; anders wohl im alth. ri - tunſe ſt. ritun ſi.

33I. gothiſche buchſtaben.

Soll der apoſtroph bei durch ihre berührung und anleh - nung verkürzten wörtern geſetzt werden? denn im fall der apocope, ſyncope, innern eliſion und zuſammen - ſetzung wird ihn niemand ſchreiben wollen, weil er dann unendlich ſeyn müſte. Die alten handſchriften brauchen ihn überhaupt nicht. Nützlich aber, wenn nicht nothwendig ſcheint der apoſtroph für jene berüh - rungen, wo ſie ſich noch nicht in völlige zuſammenzie - hungen (wie: nicht, niemand etc.) verknöchert haben, entbehrlich in einigen gar zu häufigen fällen (wie z’im, z’ir etc.)

Von den gothiſchen buchſtaben.

Gothiſche lieder, aus deren metrum aufſchlüße über die ausſprache der einzelnen laute zu nehmen wären, mangeln. Die übertragung der eigennamen und einiger anderen wörter der heil. ſchrift in das gothiſche kann uns verſchiedenes lehren. Vorausſetzen darf man, daß Ulphilas mit der damahligen griechiſchen ausſprache bekannt war, doch auch muthmaßen, daß er in der anwendung auf den goth. laut zuweilen ſtrauchelte; daher einige inconſequenzen, wo ihnen nicht andere oder ſelbſt ſchwankende lesarten des griech. textes zu grunde gelegen haben.

Ulphilas hat in der ſchrift die fünf vocale a, e, i, o, u, von welchen jedoch e und o, obgleich mit dem einfachen zeichen ausgedrückt, durchaus als gedehnte (doppelte) zu betrachten ſind. Es gibt alſo nur drei einfache gothiſche vocale a, i, u, den griech. α, ι, ου entſprechend; einigemahl dient auch u für den gedehn - ten laut ; außer ihm noch zwei gedehnte, e und o, den griech. η und ω entſprechend und vier andere dop - pellaute: ai, au, ei, iu, deren letzter nur in goth. nicht in fremden wörtern auftritt. ai, au, ei dienen aber für die griech. einfachen laute ε, ο, ι. Das griech. υ (y) wird durch den goth. conſonanten v. wieder ge - geben.

(A) a, unter allen goth. vocalen der häufigſte, gilt ſo viel als ein griech. α. und lautet wie dasſelbe oder wie das neuh. in laden, alt etc. Und zwar iſt es einC34I. gothiſche vocale. kurzer, einfacher, kein langer laut; das lange a (oder ) fehlt und wird in den analogen fällen anderer ſtämme durch erſetzt. Hierwider gilt der einwurf nicht, daß Ulphilas alle griech. α. der eigennamen durch ſein a wie - dergibt; haben ſich auch in dieſen urſprünglich meiſt hebräiſchen wörtern lange a befunden, ſo lag berück - ſichtigung griech. quantität außer dem geſichtspunct des goth. überſetzers und er muſte das kurze und lange α, das er nur mit einem buchſtab fand, für daſſelbe zei - chen halten. Eben ſo wenig beachtete er den griech. accent, ſondern läßt dem ά und ὰ das nämliche goth. a. widerfahren, vergl. Α᾽βραάμ, Μαὰθ.

Dieſes a leidet jeden conſonanten hinter ſich, ſo wie doppelte conſonanz. Die vorzüglichſten wurzeln, wo es vorkommt, ſind außer den ablauten und endun - gen folgende: ba (ambo). ga -. hav (quid). ja (immo). ſa (is). ſva (ſic). tva (duo). aba (vir). abrs (vehemens). ga-daban (συμβαίνειν). gabigs (dives). graban (fodere). haban (habere). jabai (ſi). ſaban (linteum). badi (balneum). nadr (ſerpens). ſkadus (umbra). daddjan (lactare). vaddjus (vallum). af (ab). afar (poſt). hafjan (tollere). hafts (prae - ditus). gaſkafts (conſtitutio). agis (timor). aglus (difficilis). bagms (arbor). dags (dies). faginôn (gaudere). fagrs (pul - cher). magan (valere). magaþs (virgo). magus (puer). ſnaga (veſtis). tagl (capillus). tagr (lacrima). þragjan (cur - rere). draggkjan (potare). gagg (ἀγορα). glaggvus (dili - gens). laggs (longus). vaggareis (cervical). aha (mens). ahan (palea). ahma (ſpiritus). ahtau (octo). ahva (aqua). fahan (capere). fahêds (gaudium). hahan (ſuspendere). hlahjan (ridere). klahs (parvus). lahan (vituperare). mahts (vis). ga-nah (ſufficit). nahts (nox). rahnjan (reputare). ſlahs (plaga). tahjan (lacerare). þahan (tacere). þlaſnan (turbari). þvahan (lavare). vahſjan (creſcere). vahs (μεμπτὸς). vahtvô (vigilia). ak (ſed). akeit (acetum). akrs (ager). rakjan (tendere). ga-ſakan (increpare). vakan (vigilare). ſakkus (ſaccus). ſmakka (ficus). alds (generatio). alhs (templum). alêv (oleum). aljan (alere, σιτευειν). balgs (uter) balþs (audax). dal (vallis). dvals (fatuus). - falþs (- plex). falþan (plicare). halbs (dimidius). hali (tartarus). hals (collum). haldan (tenere). halts (claudus). kalds (fri - gidus). kalkja (meretrix). malan (molere). malô (tinea). malvjan (conterere). ſaljan (offerre). ſkal (debet). ſkalja (tegula). ſkalks (ſervus). ga-ſtaldan (poſſidere). un-tals (ἀπειθὴς) talzjands (ἐπιστάτης). tvalif (duodecim). valdan35I. gothiſche vocale. (imperare). valjan (eligere). valtjan (volvere). valus (virga). valvjan (volvere). alls (omnis). alleina (cubitus). amſa (humerus). fram. hramjan (crucifigere). lamb (agnus). namô (nomen). ſama (ſimul) ſkaman (erubeſcere). tamjan (domare). þramſtei (ἀκρις). vamba (venter). ſtamms (bal - bus). an (num). ana (ad). anaks (ſubito). and (per). andeis (finis). anſts (amor). ans (trabs). bani (vulnus). band (vin - culum). banſts (horreum). fana (pannus). fani (lutum). hana (gallus). handus (manus). hanfs (mancus). hanſa (agmen). hvan (quam). land (regio). manvus (paratus). nanþjan (audere). ſandjan (mittere). ſtandan (ſtare). faúra - tani (prodigium). tandjan (accendere). þanjan (tendere). tvans (duos). þanjan (tendere). van (defectus). vandjan (vertere). anna (ſtipendium). kann (novi). manna (homo). ſkapan (creare). hvapnan (extingui). ara (aquila). arbi (heres). arms (brachium). arniba (ἀσφαλῶς, tute). arvjô (fruſtra). baris (hordeum). barn (infans). barms (gremium). farjan (proficiſci). gards (domus). hardus (durus). harjis (exercitus). hvar (ubi). kar (cura). marei (mare). marka (limes). marzjan (impedire). ſmarna (ſtercus). ſparva (paſſer). ſvarts (niger). ſvaran (loqui). thar (ibi). tharbs (egenus). vardja (cuſtos). vargjan (condemnare). varjan (defendere). varmjan (calefacere). aſilus (aſinus). aſans (meſſie). aſneis (mercenarius). aſts (ramus). baſi (bacca). faſkja (κείρια, faſcia). faſtan (ſervare). gaſts (peregrinus). gras (gramen). hlaſôza (hilarior). raſta (ſtadinm). þvaſts (ἀσφαλὴς). vaſjan (veſtire). at (praep). atiſks (ſeges). ataþni (ἐνιαυτὸς). batizô (melius). gatvô (πλατεία). hatis (odium). katils (vas ahe - neum) latjan (tardare). mats (cibus). nati (rete). ſatjan (ponere). vatô (aqua). vratôn (ire). atta (pater). ſkatts (numus). aþriza (prior). faþa (ſepes). faþs (praepoſitus). fraþi (ſapientia). hvaþô (ſpuma). laþôn (invitare). maþa (vermis). maþl (concio). raþjô (numerus). ſaþs (ſatur) ſkaþjan (nocere). ſtaþs (locus). aviliudôn (εὐχαριστειν). aviſtr (ovile); was auf ein einfaches: avi (ovis) wie þivi. oder vielleicht: áus gen. aváis ſchließen läßt. ſavai (panci). gavi (regio). havi (foenum). mavi (puella). ſlavan (tacere). azêts (facilis). azgô (cinis). hazjan (laudare). razn (atrium) razda (ſermo).

Zu merken iſt, daß ſtammverwandte lat. wörter ſtatt des goth. a. meiſtens ein o haben, vergl. duo, ambo, nox, octo, odium, molere, volvere, oleum, collum, no - men, domare, hortus, hoſtis, longus, ὁλος, ovis, (οἶς) mit: tva, ba, nahts, ahtáu, hatis, malan, valvjan, alêv,C 236I. gothiſche vocale. hals, namô, tamjan, gards, gaſts, laggs, alls, avi (?). Doch auch entſpricht das lat. (kurze) a, in habere, ta - cere, ſal, ager, ſatur, ratio, tendere, mare, vergl. mit haban, þahan, ſalt, akrs, ſaþs, raþjô, þanjan, marei. Noch ſeltner u, kara, cura.

(E) entſpricht durchaus nicht demſelben zeichen in den übrigen deutſchen ſprachen, ſondern iſt ſtets dop - pellaut; ich führe daher das dehnzeichen dabei ein, welches Ulphilas ſo wenig hier, als bei andern gedehn - ten vocalen braucht. Für die vergleichende grammatik werden aber die dehnzeichen nothwendig. Der goth. doppellaut folgt 1) aus dem gr. η, dem es in namen und beibehaltenen wörtern gleichgilt, z. b. Iêſus (Ἰη - σοῦς)*)Bei Junius fälſchlich ïaiſus; die hſſ. ſchreiben abgekürzt ïs̅. ïua̅. ïuis̅ ïuis f. ïêſus, ïêſuis, ïêſua. aíkklêſjô (ἐκκλησία) amên (ἀμὴν) Môſês (Μωσῆς). vergl. mêna (μῆνη). Die byzant. ſchreibung γήπαις (Pro - cop. 3, 1.) pl. γήπαιδες gibt auch ein goth. zu erkennen. 2) aus dem ſchwanken in einen andern nahen diph - thongen ei (ee in ei, wo alſo freilich ein kurzes e), nicht in endungen allein, als: þizê und þizei; dalê, da - lei Luc. 3, 5. judáiê, judáiei Joh. 12, 1.; ſondern ſelbſt im ablaut vêſun, veiſun und in wurzeln: lêtan, leitan; manaſêþs, manaſeiþs; grêtan, greitan; ſpêds, ſpeidizô; azêtizô, azeitizô; lêkeis, leikeis. Seltner der umgekehrte fall, wo ei urſprünglicher ſcheint, in veihs (vicus) und vêhs (Marc. 8, 27.)**)fehlerhaft ſchiene die vertauſchung des mit dem kurzen i, wenn ſie nicht faſt zu häufig wäre, vgl. endungen wie ſpilli ſt. ſpillê (Tit. 1, 14.); filêgri und filigri; und wur - zeln wie: bêruſjôs u. biruſjôs; ſvêgniþa u. ſvigniþa (Luc. 1, 44.) ja im ablaut qvimi, nimeina ſt. qvêmi, nêmeina etc. Sollte hier ausnahmsweiſe ein langes aus dem ei ent - ſprungen ſeyn, deſſen berührung mit oben angegeben iſt? So ſteht auch gabigs neben gabeigs, umgekehrt aber drêbi (Marc. 5, 10.) ſt. dribi. Selbſt die im text ange - führten goth. eigennamen gibimêrus, ricimêrus zeigen den wechſel mit i, ariamirus, hildemirus, ricimirus. 3) aus dem analogen ande - rer ſtämme. 4) aus dem langen lat. e, das in gleichen wörtern dem goth. und alth. entſpricht, z. b. ec - clêſia, ſèmen, mènſis (mehr beim alth. ); alêv aus olêum deutet auf eine ausnahme von der gewöhnl. cor - reption oleum (Schneider p. 55. 98. ) vgl. ἐλαιον und olîvum.

37I. gothiſche vocale.

Die ausſprache mag der des gr. η und lat. nahe gekommen ſeyn, obſchon in dem auf anderm wege (d. h. bereits vor Ulphilas) ins goth. gerathenen acêtum (das N. T. hat ὅξος) das zu ei (akeit) geworden iſt, wie es nach dem vorhergehenden in goth. wörtern ſelbſt zwiſchen beiden doppellauten ſchwankt. Dadurch ver - mitteln ſich zugleich die ſcheinbar weiter abliegenden verwandtſchaften des alth. , das mittelh. in æ um - lautet, und des angelſ. , welches in einigen fäl - len dem goth. ài und alth. ei entſpricht. Mehr entfernt ſich die ausſprache des nord. . Außer den endungen und ablauten, wo das genug er - ſcheint, findet es ſich in ziemlich wenig wörtern: hvê. hidrê (huc). nê (non, d. h. nein). þè. untê (do - nec). grêdags (famelicus). un-lêds (pauper). fahêds (gau - dium) ſpêds (ſerus). ga-grêfts (placitum). mêgs (affinis). ſvêgnjan (gaudere). vêgs (fluctus). nêhva (prope). flê - kan (plangere). lêkeis (medicus). bi-rêkja (periclitans). têkan (attingere). kêlikn (turris). mêl (tempus, ſignum). mêla (modius) ſêlei (felicitas). mêna (luna) vênjan (ſpe - rare). ſlêpan (dormire) vêpn (arma). fêra (tractus terrae) fêrja (inſidiator) hêr (hîc). jêr (ἔτος) mêrjan (nuntiare). un-vêrjan (indignari). ſvêrs (honoratus). mês (menſa) ſvês (proprius) lêtan (ſinere) andaſêts (abominabilis) azêtizô (facilius). nêþla (acus). hêþjô (ταμιεῖον, concla - ve). alêv (oleum). lêvjan (tradere). ſkêvjan (abire). Manche andere mögen nur in den bruchſtücken nicht vorkommen, wie rêdan (conſulere) etc.; man kann auch den weibl. eigennamen audifleda (goth. áudiflêds) und die männl. gibimêrs, valimêrs etc. hierher nehmen.

(I) und i, UIphilas bedient ſich zweier zeichen für daſſelbe kurze i, nämlich eingangs der wörter gibt er ihm ſtets zwei puncte, als: ïn, ïmma, ïſt; in der mitte er - hält es gleich dem griechiſchen und runiſchen gar kei - nen, außer dem fall, wo die vorhergehende ſilbe ſelbſt mit i (Mariïns) ei (Tôbeiïn ái (Eſáiïn) oder áu ſchließt. Bei dem án wird entw. das folgende i auch zweipunctig (táuï, ſáuïl, ſtáuïda) oder das u geht in v über und i bleibt (tavi, ſtavida). Verwandelt ſich hingegen das i ſelbſt in j (welches geſchieht, ſobald ein vocal folgt), ſo bleibt áu und wird nie zu v. (táujan, máujôs). Ich behalte den doppelpunct jenes einzelnen falls wegen bei, da ſich übrigens i und in ausſprache und bedeu - tung gar nicht unterſcheiden.

38I. gothiſche vocale.

In den eigennamen entſpricht i zwar häufig dem gr. ι. oft gibt aber auch Ulphilas letzteres durch ei, welchem ſchwanken wieder keine kenntniß griech. pro - ſodie zu grunde liegt, da z. b. die langen ι in Τîμαίος, Νìκόδημος ein goth. ei zeigen müſten, allein i bekommen. Eher ſchiene der überſetzer griech. accentuation berück - ſichtigt zu haben, vgl. Chriſtus, Χριστός; Timáius, Τι - μαίος: Nikáudêmus, Νικόδημος; ſilôam, σιλωὰμ; ſiôn, σιων; ſinapis, σινάπεως Marc. 4. 31. (der nom. σίναπι) und dagegen: rabbei, ραββὶ; Daveid, Δαβίδ; Seimôn, Σίμων; Mailkeis, Μελχὶ; Teitus, Τίτος. Wie dem nun ſei, ich will die ausnahmen nicht verſchweigen, in denen ſich i für das accentuierte und ei für das unaccentuierte gr. ι findet: Filippus, Φιλίππος; Didimus, Δίδυμος; Seidôn, Σιὸῶν; Galeilaia, Γαλιλαία; Peilatus, Πιλάτος etc. Viel - leicht nimmt man beßer an, die damahlige dem Ulphi - las geläufige gr. ausſprache habe zwiſchen ι (wenigſtens dem langen) und ει geſchwankt (Buttmann §. 3, 2 §. 5, 7.) und wir dürfen darüber an dem goth. i und ei, welche in goth. wörtern ſelbſt viel genauer geſchieden ſind, nicht irre werden.

Das goth. i muß gleich dem a kurz und einfach gelautet haben, fehlt und wird in analogen fällen der übrigen mundarten durch das nahe ei ausgedrückt, wogegen i dem alth. i oder entſpricht. Einen zweifel ſcheint bi zu machen, welches ſich im alth. und angelſ. in die praepoſ. bî und partikel bi zerlegt, der Gothe kennt nur ein bi und kein bei daneben. Übrigens ver - trägt das goth. i. jeden conſonanten folgend, ſo wie die verdoppelten. Die hauptſächlichſten fälle ſind: bi. ni (non, d. h. nicht). ſi (ea). giban (dare). gibla (pinnacu - lum). ïba (ſi). ïbns (aequalis). ïbuks (retrogradus). liban (vivere) ſibja (pax). ſibun (ſeptem) ſtibna (vox). ſvibls (ſolphur). bida (preces). fidur (quatuor). ïd - (re -). midja (medius). nidva (aerugo). viduvô (vidua). ïddja (ivit). hlifan (furari). ïftums (poſterus) lifnan (ſupereſſe). ſifan (gandere). ligan (jacere). rign (pluvia). ſigljan (navigare). ſvigljz (tibicen). vigs (via). bliggvan (caedere). briggan (afferre). figgrs (digitus). ïggqvis (σφῶϊ) ſiggvan (ſuere). brikan (frangere). ſriks (avarus). ïk (ego). mik (me). rikjan (acervare). ſik (ſe). ſtiks (punctum). ſtikls (calix). ſtriks (apex). ſvikns (innocens,? ſiukns). vikô (ſeries). filhan (commendare). ſilms (ſtupor) filu (multum). gild (tributum). gilþa (falx). hilpan (juvare). hvilftri (σορὸς,39I. gothiſche vocale. loculus, nicht feretrum). ïnkilþô (praegnans). milhma (nubes). miliþ (mel). ſilan (ſilere) ſildaleiks (rarus). ſilubr (argentum). ſpilda (πινακίδιον). ſtilan (furari). ſviltan (mori). viljan (velle) fill (cutis). ſpillôn (narrare). fimf (quinque) himins (coelum). ïm (ſum) ïm (eis) niman (ſumere). qviman (venire) timjan (decere). timrjan (fabri - care). trimpan (calcare). þrim (tribus). ïnn. ïnilô (excuſa - tio). bindan (ligare). blinds (coecus) findan (invenire). hindar (retro) kintus (κοδράντης). plinſjan (ſaltare). qvinô (mulier). ſinþs (iter). ſinaps (ſinapi). ſineigs (ſenex). ſinteins (perpetuus). ſvinþs (fortis. þinſan (trahere). vinja (pabulum). vinds (ventus) brinnan (urere). ginnan (inci - pere). kinnus (mentum). linnan (ceſſare). minniza (minor) rinnan (fluere). ſpinnan (nere). nipnan (moerere) ſipôneis (diſcipulus). ſkip (navis). vipja (corona. riqvis (caligo). hiri (δεῦρο). ſiſks (piſcis). friſahts (exemplum). giſtra (heri). ïs (is). liſan (legere). mis, ſis (mihi, ſibi). dis - (dis -) usqviſſ (perditio) qviſtjan (perdere) ſviſtar (ſoror) vis (malacia). viſan (eſſe). gavriſqvan (τελεσφορειν). fritan (veſci). gitan (acquirere). glitmunjan (ſplendere). ïtan (edere). mitan (metiri). mitôn (cogitare) ſitjan (ſedere) vit (νῶϊ) vitôþ (lex). vlits (vultus). vrits (κεραία). vritus (grex). ïþ (contra). liþus (membrum). miþ (cum). niþjis (cognatus). qviþan (dicere). qviþus (venter) viþan (ligare). viþra (contra). gahiv (? penuria) ſnivan (ire). þivi (famula). ïzôs (αὐτῆς) ïzvis (vobis).

Die vergleichung verwandter wortſtämme im griech. u. lat. belehrt uns über das ſchwanken des i in e (und zwar , vgl. das alth. ) zwiſchen welchen beiden in faſt allen ſprachen ein mittellaut liegt (Schneider p. 13-17.) Man halte: dis -, fiſks, vigs, ſilan, viduvô, qvivis, min - niza zu: dis -, piſcis, via, ſilere, vidua, vivi, minor; und wiederum: ïk, mik, ſik, ſibun, midja, miliþ, ïta, ſitja, mita, fill, ſineigs, qviman, qviþrs, vinds, viljan, miþ, hliftus, zu: ego, me, ſe, ſeptem (ἑπτα), medius, mel, edo, ſedeo, metior, pellis, ſenex, venire, venter, ventus, velle, μετὰ, κλεπτὴς.

(O) o gehört wie zu den doppelvocalen, weshalb ich ihm auch das dehnzeichen gebe. Gründe: 1) die runiſche geſtalt, dem geſtürzten gr. ȣ zu vergleichen (ȣ); mehr hierüber beim althochd. 2) das entſprechende gr. ω (z. b. Ainôk, Ε᾽νωχ; ſkaúrpjônô, σκορπίων; jôta, ἰῶτα, etc.) wogegen o durch aú gegeben wird (Baúaúz, Βοὸζ). 40I. gothiſche vocale. 3) die analogie anderer ſtämme, welche uo oder in den fällen des goth. ſetzen. 4) unſtatthaftigkeit der ge - mination nach dem . Man ſpreche es allenthalben gedehnt, wie oo; außer den ablauten und endungen haben es zumahl folgende goth. wörter: ! dôbn (ob - muteſce) drôbnan (turbarí). grôba (fovea). fôdr (vagina). fôdjan (nutrire). flôdus (fluctus). frôds (prudens) gôds (καλὸς). knôds (genus). môds (ira). rôdjan (loqui). ana - ſtôdjan (incipere). vôds (demens). gadôfs (conveniens). lôfa (manus). - dôgs (- tägig) ôgan (timere). ſvôgjan (in - gemiſcere). hôha (aratrum) rôhſn (atrium). ſkôhs (cal - ceus). ſkôhſl (daemon). vrôhs (accuſatio). ſtôjan (judicare). tôja (opera). bôka (liber). ſôkjan (quaerere). vôkrs (fructus). gôljan (ſalutare). hôlôn (defraudare). ſtôls (thronus). blôma (flos) dôms (judicium). fôn (ignis). hvôpan (glo - riari) hrôpjan (clamare). vôpjan (clamare). hôrs (adulter). blôtan (colere). bôtjan (prodeſſe). fôtus (pes). hrôt (tectum). hvôtjan (increpare). krôtôn (θλάειν) môta (telonium). môtjan (occurrere) nôta (puppis). blôþ (ſanguis). brôþar (frater). ſôþjan (ſaturare). Einige wurzeln könnten aus goth. eigennamen zugefügt werden als, kônimundus, tôtila (τωτίλας, alth. zuoƷilo) etc. Die vergleichung lat. und gr. ſtämme ſcheint hier unergiebiger, doch ſtimmen flôs und ποῦς etwa mit blôma, fôtus, obgleich der gen. ποδὸς, pedis correption erleidet; gerade in dieſem wort iſt die dehnung für alle deutſchen ſprachen ausgemacht. Erwägt man, daß in ihnen das kurze a in ablautet, ſo wird klar, daß die oben bei dem a angeführten pa - rallelen lat. o ebenwohl hier bei dem ein paralleles a zulaßen, folglich brôþar, ſôþjan mit frater, ſaturare verglichen werden dürfen, obſchon bei dem o ſowohl als a die lat. kürzen und längen nicht immer entſpre - chen, frôds ſcheint das lat. prûdens und zugleich das gr. φραδὴς, wie das goth. frôþs ſichtbarer ablaut von fraþjan. Einiges bedenken verurſacht mir fôn (ignis) mit der ſchwachen nebenform funa, ſo wie in der en - dung - nda ſt. - ôda zweimahl auffällt (ſ. die paſſive conjugation); vgl. áinôhun und áinuhun beim unbeſt. pronomen laúhmôni und laúhmuni; vidôvô, viduvô und einige andere dergl. In den eudungen ließe ſich der übergang des unbetonten in ein kurzes u begreifen, ſchwerer zwiſchen den wurzeln fôn und funa, doch mag ich (des nord. funi wegen) weder fûna, noch ein ſonſt ganz allein ſtehendes fon annehmen; wôndôn Luc. 20, 12. ſcheint ſchreibf. für wundôn.

41I. gothiſche vocale.

(U) u drückt in den beibehaltenen eigennamen ſtets das gr. ου (ȣ) aus, z. b. Sûſanna, Σουσάννα, lairû - ſalêm, Ἱερουσαλὴμ (wogegen die nebenform Ἱεροσόλυμα durch lairauſaulyma gegeben wird, einigemahl ſchwankt Ulph. zwiſchen beiden, vielleicht nach ſchwankenden gr. lesarten); Fanûêl φανȣὴλ etc., hiernach hat es im goth. gedehnten laut. In ächtgothiſchen wörtern macht aber die geltung dieſes vocals ſchwierigkeit. Für einen doppellaut ſollte man ihn halten 1) weil die rune ûr, mit deren geſtalt das goth. ſchriftzeichen (n) ſtimmt, vor - zugsweiſe den gedehnten laut ausdrückt. 2) wegen je - nes gr. ου. 3) wegen des entſprechenden alth. und nord. . Letzterer grund gibt zugleich den einwurf her: war - um zeigen andere und zwar zahlreichere alth. u. nord. wörter ein u oder o, jedenfalls einen kurzen laut, in welchen derſelbe goth. buchſtab ſteht? Daß er dann kei - nen diphth. ausdrücke zeigt auch die folgende gemina - tion, z. b. in brunna.

Dieſes nöthigt zu der annahme eines zweifachen goth. u, obſchon Ulph. beide mit einem zeichen ſchreibt*)Wenn Raſk (preisſchrift p. 164.) ȣ = und υ = u ſetzt und p. 197. σȣναυ ſchreibt, ſo iſt das nicht zu billigen; theils hat Ulph. hier ſtets dasſelbe zeichen (n), theils ge - bührt jenem worte: ſun, nicht ſûn., welches nicht ſchlimmer iſt, als wenn auch Lateiner und Griechen ihr langes und kurzes u, υ, in der ſchrift nicht unterſcheiden.

haben nur wenige wörter, und ſtets vor einfacher conſonanz: dûbô (columba). ſtûbjus (pulvis). - ûh (an - hangspartikel). oder - uh? lûkan (claudere). brûkja (uti - lis). kûkjan (oſculari). ſûljan (fundare). rûm (ſpatium). hûnjan (confidere, oder hunjan?). rûna (ſecretum). ſû - pôn (condire). ſkûra (imber). hûs (habitatio). þûſundi (mille). ût (ex) lûton (ſeducere. ) ſûtis (dulcis). In letz - term wort entſpricht ausnahmsweiſe kein alth. , ſon - dern uo (ſuoƷi). es findet ſich nur der comp. ſûtizô in der bedeutung von ἀνεκτότερον.

Ein kurzes u hingegen (außer den ablauten und endungen) du (ad) ju (jam) nu (nunc) þu (tu): ubils (malus). ubizva (porticus). da-guds (εὐσεβὴς). gudja (pon - tifex). ludja (facies). trudan (calcare). uf (ſub). ufar (ſu - per). ſkufts (capillus). ufta (ſaepe). hugjan (cogitare). bugjan42I. gothiſche vocale. (emere). fugls (avis). hrugga (virga). juggs (juvenis), comp. juhiza (? jûhiza wegen ausgeſto ßenen naſallauts?) pugg (cru - mena) tuggô (lingua). þugkjan (videri). ugkis (νῶϊν) huhrus (fames). uhtvô (diluculum). þuk (te). gabrukô (fruſtorum). lukarn (lucerna). dulg (debitum). dulþs (ſolemnitas). fula (pullus). huljan (involvere). hulþs (propitius). mulda (terra). ſkulan (debere). ſulja (ſolea). tulgjan (firmare). þulan (pati). ulbandus (camelus) vulþus (gloria). vulß (lupus). vullareis (fullo). dumbs (mutus). frums (prin - cipium). guma (vir). kumbjan (cumbere). ſums (qui - dam). ſvumſl (κολυμβήθρα). hunds (canis). hunſl (victi - ma). kuni (genus). - kunds (- γενὴς). kunþs (cognitus). munan (μέλλειν). mundrei (ſcopus). munþs (os). pund (pondus). ſundrô (ſeorſim). ſunja (veritas). ſuns (ſta - tim). ſunus (filius). tunþus (dens). un - (in -). und (us - que). undar (ſub). uns (nobis) brunna (fons). kunnan (ſcire). ſunna (ſol). paúrpura. bruſts (pectus). buſns (mandatum). drus (ruina). jus (vos). þus (tibi). us - (e -) knuſſjan (genu flectere). us-druſts (aſpredo). luſtus (cupido). ſnutrs (callidus). þruts-fill (lepra). guþ (Deus). huzd (theſaurus). Dieſes u entſpricht im alth. und nord. meiſtens dem o, doch auch noch oft einem glei - chen u; ſeltner iſt der übergang in i, als: ubils, an - gelſ. ifel, nord. illr; us - und þus, alth. ir -, dir (bei den flexionen mehr beiſpiele, vergl. die goth. adj. auf - us, hnaſqvus, hnaſqvja). Die ausſprache mag doch u, nicht geweſen ſeyn, Ulphilas würde ſich ſonſt dieſes lauts für das gr. υ der eigennamen bedienen. Vergleichbare lat. wörter zeigen ebenfalls o, als: pon - dus, homo, ſolea, tolerare und zwar kurzes, das i könnte man in tibi, in -, erblicken. Daß die lat. über - gänge des i und u (doch weniger in wurzeln als en - dungen) ſehr häufig geweſen, lehrt Schneider p. 18-26. Das lat. u. ſtimmt in anakumbjan (recumbere).

(Y) y; als ſchriftzeichen ſtimmt das gr. υ völlig mit dem goth. und lat. v, bedeutet aber dort einen vocal, hier einen conſonanten. In gr. wörtern, die ſie beibe - hielten, drückten es daher die Römer nicht durch ihr gewöhnliches v ſondern durch das identiſche zeichen des großen gr. υ, nämlich ϒ aus; ſo entſprang das Y oder y, welches man ſich auch als ein v. mit unten verlängertem ſtriche vorſtellen kann. Letztere ſigur hat der goth. conſonant v überall. Ulphilas bediente ſich ſeiner aber auch ganz richtig, um in den bleibenden43I. gothiſche vocale. eigennamen den gr. vocal υ auszudrücken, welchem, wie vorhin bemerkt, das kurze goth. u. nicht gleich - kam. Dies vocaliſche v, das man bei auflöſung der goth. ſchrift in unſer heutiges y verwandelt, findet ſich durchaus nur in fremden wörtern, in keinem ächtgo - thiſchen. Beiſpiele: Tyrai, Τυρῳ; azymê, ἀζύμων; byſ - ſaun, βύσσον; ſpyreidans, σπυρίδας; ſmyrna, σμύρνη. Man wende nicht ein, daß Ulph. in paurpura das υ durch u gebe; er behielt nicht das gr. πορφύρα bei (das dann paurfyra lauten müſte), ſondern die goth. ſprache hatte dies wort (und mehr andere) ſchon früher aus der lat. form porpura, purpura. Daher auch penult. kurz, während[ſi]e in πορφύρα produciert wird. Ei - nigemahl überſetzt der Gothe das gr. υ conſonantiſch mit v, als Λευὶ Laívvi, παρασκευὴν paraſkaívein.

(AI) ai, wie die zuſammenſetzung zweier einfa - cher laute und die ſchreibung ai, nicht aï zu erkennen gibt, iſt ein goth. diphthong, folglich einſilbig, doch ſo auszuſprechen, daß man beide vocale vernimmt, nicht gleich dem franzöſ. ai in einen trüben laut zu - ſammenfallend.

Warum wählt nun Ulph. dieſen doppellaut, um die gr. von natur kurzen ε zu überſetzen und ſogar εε durch aiai? Beiſpiele: Aileiaizair, Ἐλιέζερ; Baiailzaibul, Βεελζεβοὺλ etc. Schwerlich hörte er das griech. ε ir - gend ſo breit ausſprechen, wie das goth. ai, aber ſei - ner ſprache gieng hier laut ab und buchſtab, indem das goth. e, als von natur lang und dem η entſprechend bereits letztern laut auszudrücken hatte. In dieſer noth bediente er ſich des diphthongen ai, der zugleich auch das gr. αι wiedergab (Areimathaias, Αριμαθαίας Marc. 15, 43. Galeilaia, Γαλιλαία etc.) Schien nun Paitrus f. Πέ - τρος allerdings ein übeiſtand, ſo lag kein geringerer in Pêtrus; die lat. verſion konnte η durch e () und ε durch e wiedergeben. Da überhaupt das (ungothiſche) kurze e als umlaut des a betrachtet werden muß; ſo mag die wahl des diphthongen, in welchem a durch ein nachſchlagendes i ſehr gemildert wird, kein un - richtiges gefühl zum grunde haben.

Jener vermeintliche übelſtand des ε = ai wird durch nähere erwägung des ächtgothiſchen ai ſelbſt noch ver - mindert. Denn aus der vergleichung der übrigen ſtämme lernen wir zweierlei ai unterſcheiden, die Ulph. unun44I. gothiſche vocale. terſchieden laßen durfte, wie in alth. hſſ. e und nicht unterſchieden ſind. Nämlich es gibt ein ái (mit dem gewicht auf a) welchem das alth. ei und , das nord. ei, das augelſ. - und ein aí (mit dem gewicht auf i) welchem das alth. , das nerd. und ia, das angelſ. und eo begegnen. Regel ſcheint mir nun zu ſeyn: das goth. aí ſtehet vor h und r, das ái vor allen übri - gen conſonanten; beſtätigt wird ſie durch ein völlig analoges verhältniß zwiſchen aú und áu. Beide das r und h ziehen, ihrer ſchwierigen ausſprache wegen, den ton auf den ihnen zunächſt ſtehenden vocal heran und veranlaßen endlich die verſchmelzung beider vocale. Ein ái haben außer den überſetzungen des gr. αι, den ablauten (wo auch ausnahmsweiſe vor h. ái und nicht aí gefordert wird) und den endungen folgende: jái (immo). vái (vae). ſái (ecce). váian (ſpirare). ſáian (ſerere). áibr (δῶρον). hláibs (panis). váibjan (cingere). gamáids (debilis). páida (tunica). máidjan (mutare). áigan (poſſidere). áikan (affirmare). láikan (ſalire). táikns (ſignum). dáils (pars). háils (ſanus). ſáiljan (ligare). váila (bene). háim (ager). ains (unus). hláins (βουνὸς). hráinja (purus). jáins (ille). gamáins (communis, κοινὸς). qváinôn (plorare). ſtáins (lapis). tains (ſpina). ráip (corrigia). vráiqvs (obliquus). áis (aes). fráiſan (tentare). káiſar (caeſar). láiſjan (docere). gáiſjan (percellere). ráiſjan (ex - citare). máis (magis). báitrs (amarus). gáitei (hoedus). háitan (jubere). hváiteis (triticum). máitan (ſecare). nái - teins (blasphemia). áiþs (juramentum). áiþþáu (aut). áiþei (mater). háiþi (campus). máiþms (donum). áiv (aevum). fráiv (ſemen). hláiv (μνῆμα). hnáivjan (depri - mere). hráiv (funus). hváiva (quomodo). ſáiv (lacus). ſáivala (anima). ſnáivs (nix). háiza (taeda). Bloß einzelne erregen zweifel. Die länge des ái iſt nicht zu beſtreiten, da auch das lat. ae einſtimmt, das bekanntlich ſehr oft mit ai wechſelt und dem gr. αι analog iſt, vgl. Schnei - der p. 50. 51. 57. Vergleichbar ſind: káiſar, vái, áiv, áiz und caeſar, vae, aevum, aes. Dem o entſpräche vermuthlich (das fehlende) áig (ôvum, ὠὸν), wodurch der übergang von vaila, alth. wêla in wola, angelſ. vël; von jáins in alth. gënar, angelſ. geon, engl. yone; von áiþþáu in alth. ëddô und odô, angelſ. oððe, verſtänd - licher würde. Das lange lat. u in ûnus, commûnis dürfte ſich um ſo mehr mit áins, gamáins vergleichen, als früher in dieſen und andern lat. wörtern oi ſt. vorkommt (Schneider p. 83.) Auffallend iſt das verhält -45I. gothiſche vocale. niß des goth. báitrs (wie ebenfalls das mail. bruchſt. Matth. 26, 75. lieſt) zu dem bitr der übrigen ſprachen*)Eine andere anomalie iſt die alth. gemination pittar in dieſem worte. (vgl. unten beim alth. t.) Merkwürdig, daß die Byzantiner γήπαιδες und γήπεδες, lateiniſche ſchrift - ſteller wie Jornandes u. a. gêpidae, gêpidi ſchreiben.. Die geſchärfte ausſprache in áibr, báitrs mag erſt den diphthongen in aí verwandelt (aíbr, baítr) und dann ein ibar (?) wie bitar herbeigeführt haben. Will man hiernach auf ái nur einfache conſonanzen folgen laßen, ſo müßen die beiden letzten wörter der andern claſſe beigezählt werden.

Dieſe begreift, außer den überſetzungen des gr. ε, etwa nachſtehende: aíhvatundi (βάτος). aíhtrôn (men - dicare). faíhu (pecus). haíhs (luſcus). maíhſtus (fimus). raíhts (rectus). ſaíhs (ſex). ſaíhvan (videre). ſlaíhts. (planus) ſvaíhra (ſocer). taíhſvô (dextera). taíhun (decem; aber gatáihun, nuntiaverunt). þlaíhan (παρακαλεῖν). vaíhſta (angulus). vaíhts (ens). air (mane). aírus (nuntius). aírzjan (ſeducere). baíran (ferre). baírgan (tueri). faírguni (mons). faírhvus (mundus). faírni (vetus), faírra (procul). faírzna (calx). gaírda (zona). gaírnjan (deſiderare). haírda (grex). haírtô (cor). haírus (gladius). hvaírban (vertere). hvaírnei (calvaria) qvaírnus (mola). ſtaírno (ſtella). ſtaírô (στεῖρα). ſvaírban (tergere). þaírkô (foramen). taíran (te - rere). vaír (vir). vaírilô (labium) vaírpan (jacere). vaírs (deterius). vaírþan (fieri) vaírþs (dignus). Die verglei - chung der lat. tero, fero, pecus, decem, ſex, dextera, rectus mit taíra, baíra, faíhu, taíhun, ſaíhs, taíhſvò, raíhts erbringt lauter kurze e (nämlich ), ein kurzes o zeigen ſocer und cor, cordis: ſvaíhra, haírtô; ein kur - zes a καρδία (haírtô) cardo (haírus); ein kurzes i vir (vaír); kurzes e ſterilis (ſtaírô). Gieichwohl muß das goth. aí als ein langer laut betrachtet werden, der ſich nur der geſchärften ausſprache wegen (in den meiſten fällen iſt poſition da) zum übergang in die kürze vor - bereitet und ſogar in dem einzelnen fairra gemination hinter ſich duldet; im alth. hat ſich die kürzung ent - ſchieden, die nord. mundart ſchwankt zwiſchen ia und , die angelſ. zwiſchen eo und . In der ſchärfung oder in dem ſchwanken liegt Ulphilas rechtfertigung, daß er ſeinen diphth. aí dem gr. ε für am nächſten hielt, während er das ſcheinbar identiſche ái zu dem gr. αι46I. gothiſche vocale. verwendete. Bedeutend, daß ſchon Jornandes und frühe urkunden das aí mit e, d. h. ausdrücken, vgl. den eigennamen fridigernus bei jenem und bei Amm. Marc.; aligernus in der ſynodus romana von 501. (Colet. V, 459.) Zweifelhaft bin ich über aír und aírus, die vielleicht áir, áirus lanten? vgl. alth. êr, nord. âr und nord. âri. Auch etwa þláihan? vgl. das alth. flêhôn.

(AU) au überſetzt in gr. wörtern das o, indem das goth. an ſich lange bereits für ω in beſchlag genom - men war. Vermuthlich kannte Ulphilas aus dem runi - ſchen alphabeth bloß othil, nicht aber ôs (ſ. das alth. o und ). Übrigens iſt aus den bemerkungen zum vor - hergehenden diphthongen ai leicht zu folgern, daß ein áu (welches das gr. αυ überträgt, als: Auguſtus, Ἀυγού - στος; Páulus, Παῦλος) und aú (zur übertragung des o, als: apaúſtaúlus, ἀπόστολος) unterſchieden werden müße. Jenem entſpricht das alth. und ou, das angelſ. eá, das nord. au; dieſem aber das alth. angelſ. und nord. o oder u, zuweilen das angelſ. ea. Alſo bei letzterm wieder wie vorhin ſchärfung und verkürzung, áu mag auch hier die ältere, reinere, darum im ablaut haftende form, aú die ſich entſtellende ſeyn. Belege für áu, außer den ablauten und endungen, geben: bauan (habitare). bnáuan (ψώχειν) ſtáua (judicium). tráuan (confidere). dáubs (ſtupidus. ) háubiþ (caput). galáubjan (credere). láubs (folium). ráubôn (ſpoliare). áudags (locuples). báuds (ſurdus). dáudjan (certare). láuds (homo). ga - máudjan (ὑπομνῆσαι). ſáuds (ſacrificium). ſkáud (? res ni - hili). áugô (oculus) áugjan (oſtendere). báugjan (verrere). láugnjan (inſiciari). ſáuïl (ſol). afdáujan (conſumere). fráuja (dominus). gáuja (incola). ſtráujan (ſternere). tánjan (fa - cere). ſáulnan (contaminari). áuk (etiam). áukan (augere). gáumjan (curare). dáun (odor). gáunôn (lugere) láun (merces). ſáun (lytrnm). dáupjan (baptizare). hláupan (currere). ráupjan (evellere). áuſo (auris). háuſjan (au - dire). láus (liber). náus (cadaver). ráus (arundo). hláuts (ſors). ſkauts (ſinus). ſpráutô (ſubito). ſtáutan (percutere). blauþjan (delere). dáuþs (mortuus). náuþs (neceſſitas). Man merke 1) die oben beim i gegebene regel lehrt, daß i auf áu folgend entw. zwei puncte bekommt [táuï, opus Rom. 12, 4; táuïdês, feciſti; ſtáuïdês, judicaſti, dáuïdái (vexati), ſáuïl, ſol], oder ſobald auf das i wie - der ein vocal folgt, in j übergeht (táujan, táujis, gáuja). Häufig aber pflegt ſich vor jenem (nicht alſo vor j) 47I. gothiſche vocale. der diphth. àu in av (d. h. kurzes a und conſ. v) auf - zulöſen (tavida = tauïda, mithin gavi, mavi, havi = gáuï, máuï, háuï). Doch der gebrauch ſcheint ſich bei einzelnen wörtern meiſtens für eins oder das andere zu erklären, ich finde z. b. nur ſáuïl und nur ſtravida, gavi, nicht ſavil und ſtráuïda, gáuï. 2) folgt auf das áu ein ei, ſo wird die auflöſung in av nothwendig, als: tavei (fac), naveis (pl. von náus). Ohne zweifel gilt daſſelbe vom , und der gen. pl. von náus würde navê lauten*)Den hebr. eigennamen naúêl (νοὴλ, denn ſo und nicht νῶε muß der Gothe geleſen haben, wiewohl ich bei Wet - ſten, Woide, Birch keine ſolche variante finde) wird man nicht einwenden.. Bei folgendem a bleibt hingegen áu (ſtáua, báuan, nicht etwa: ſtava, bavan; in ſlavan, ta - cere, favái, pauci iſt aber das v. organiſch); 3) in dem bemerkten fall, wo das dem áu folgende i in j überge - hen muß, pflegt áu zuweilen ſich in zu wandeln und das ſcheint ſich wieder individuell zu beſtimmen. táuï macht den pl. tôja (opera, ſt. táuja) und zum praet. ſtáuïda lautet der inf. ſtôjan (judicare, ſt. ſtáujan). Hier - durch unterſcheidet ſich fein: tauja (facio) táujis (facis) von tôja (facta) - tôjis (- factor). Ich finde nie weder einen inf. ſtáujan, noch andrerſeits frôja ſt. fráuja und bloß der conſequenten regel müſte man beides tôja und táuja (opera) oder beides táuï und tavi (opus) zugeben; der lebendige gebrauch nimmt tôja und táuï an. Alle dieſe angaben bewähren uns die ausſprache áu (und nicht aú), indem der nachdruck auf a und die flüchtig - keit des u in dem doppellaut den übertritt des u in v begünſtigte; ſobald aber der diphthong durch ein fol - gendes j feſtgehalten wurde, die verdumpfung in ein - treten konnte. Man ſpreche: táuï ( ) beinahe wie tavi ( ) und tôja beinahe wie táuja aus. Zweifelhaft bleibt mir, ob áuftô (forte) nicht aúftô laute. Lat. wörter zeigen in ſôl (ſáuïl) langes, in oculus (áugô) kurzes o; in auris (áuſô), audire (háuſjan) augere (áu - kan) denſelben diphthongen; in caput (háubiþ) kurzes a. Daß das lat. au nicht mit dem laut zuſammenfalle, zeigt Schneider p. 61. 62.

Das goth. aú gebührt, außer den ablauten vaúrpun, baúrans und allen ähnlichen, nachſtehender anzahl: aúhjôn (tumultuari). aúhns (fornax). aúhſns (bos). daúh -48I. gothiſche vocale. tar (filia). daúhts (epulae). draúhts (agmen). faúhô (vul - pes). haúhs (altus). naúh (adhuc) inraúhtjan (infremere). ſaúhts (morbus). þaúh (tamen). aúrahjô (ſepulcrum). aúrali (ſudarium). aúrki (urcens). aúrt (herba). baúrs (natus) baúrd (tabula). baúrgs (urbs). baúrjôþus (vo - luptas). daúrô (porta). faúra (coram). faúrhts (timens). gaúrs (triſtis). haúri (pruna). haúrds (porta) haúrn (cornu). gamaúrgjan (decurtare). maúrnan (moerere). maúrgins (mane). ſaúrga (cura). ſkaúro (ventilabrum). ſpaúrd (ſtadium). gataúra (ruptura). vaúrd (verbum). vaúrkjan (operari). ſtaúrknan (arefieri). ſtaúrran (fremere). þaúrnus (ſpina) vaúrſtv (opera). vaúrms (vermis). vaúrts (radix). Einiges bedenken geben: naúh, þaúh, haúhs; die beiden erſten haben im alth - und mittelh. entſchie - den ein o (noh, doh; noch, doch) das letzte aber im mittelh. ein (hôch, auf flôch, zôch reimend, alſo dem goth. þláuh, táuh entſprechend, folglich háuhs), wozu die neuh. ausſprache: hoch im gegenſatz des geſchärf - ten: noch, doch ſtimmt, ſo wie für þáuh die ſehr häu - fige ſchreibung þáu. Über das alth. wird uns Notker belehren. Das angelſ. gibt þeah (engl. though) verſchie - den von beah (flexit), fleáh (ſugit); über heah oder heáh bin ich unſchlüßig, das engl. hat high. Wenn gleich nun ein alth. hôh, vielleicht auch fôha (vulpes fem. ) anzunehmen iſt, ſo beweiſt das noch nichts wider haúhs, faúhô, obſchon ich zugebe, daß dieſe des fol - genden einfachen ſpiranten wegen beinahe lauten wie háuhs, fáuhô. Doppellaut war aú ſo wohl als áu, doch ein etwas geſchärfter und dazu paſſen die ſpuren eini - ger alth. in wörtern der goth. claſſe aú, die ſonſt kur - zes o zu bekommen pflegen, und andrerſeits die nach dem diphth. unerhörte goth. gemination in ſtaúrran, (wie vorhin in faírra). Aus dem gr. laßen ſich ὄρυξις oder ὄρυχὴ (foſſa, aúrahjô) θυγάτηρ, θύρα, aus dem lat. cornu, urceus, orale, (Du Cange h. v.) vermis, vergleichen.

(EI) ei. Es iſt oben bei dem i bemerkt worden, wie der goth. text in übertragung der gr. ι zwiſchen i und ei ſchwankt; ſelbſt das gr. ει muß durch ei wieder - gegeben werden, der fall iſt aber ſelten (Ελιακεὶμ, Aí - leiakeim, Ι᾽ωρεῖμ, lôreim). Nach dem vorgang der diphth. ai und au ein éi und eí zu unterſcheiden, be - rechtigt uns die vergleichung der übrigen ſtämme nicht, welche ſtatt des goth. ei gewöhnlichſt ein zeigen, es mag nun h und r folgen oder nicht, vgl. ſkeirs nord. 49I. gothiſche vocale. fkir; veihs aith. wìh. Ob in der goth. ausſprache ſeibſt das gewicht auf dem e oder i liege, iſt ſchwer zu ſagen und in der verſchmelzung zwei ſo dünner laute kaum zu bemerken, welches die oben ſ. 36. angeführten übergänge des ei, einerſeits in (ee), andrerſeits in i beſtätigen. Noch ſchwerer ſcheint es auf die frage zu antworten, welcher einfache laut in dem goth. e ſtecke, das ſich hier mit dem i bindet? Weder das alth. e (umlaut des a), noch (goth. aí), ſondern wahrſchein - lich die hälfte des goth. (ee), mithin der eigentlich einfache, kurze e lant, der für ſich in der goth. ſprache gar nicht vorkommt. Ihn doppelt d. h. einen triph - thongen êi anznnehmen, wäre ſicher falſch. Vollkom - men entſpricht dem goth. ei kein zweilaut in allen übri - gen mundarten, da das alth. ei vielmehr umlaut des goth. ái ſcheint und die vergleichung des neuh. ei zwei - deutig iſt, indem dieſes zwiſchen dem alth. und ei ſchwebt, ja in der ausſprache gänzlich das goth. ái wird.

Außer dem ei in den endungen ſind die wichtigſten belege folgende: ei (ἵνα) ſei (ea). þei (ut, quod). drei - ban (pellere). beidan (exſpectare). hleidnmei (ſiniſtra). geigan (lucrari). idreiga (poenitentia). ſteigan (ſcandere). leihvan (mutuari). teihan (nuntiare). þeihan (creſcere). þeihvô (tonitru). þreihan (premere). veihs, veihſis (vi - cus) veihs, veihis (ſacer). leik (caro). leikan (placere). leikeis (medicus). reiks (dives. fortis). hveila (hora). ſkeima (ſplendor). deina (deinô? carduus). keinan (ger - minare). lein (linum). meins (meus). qveins (uxor). ſeins (ſuus). ſkeinan (lucere). ſvein (ſus). þeins (tuus). vein (vinum). greipan (rapere). ſveipáins (inundatio). reirô (tremor). ſkeirs (clarus). beiſt (fermentum). eis (vos). eiſarn (ferrum). geiſnan (ſtupere). reifan (cadere). veis (nos). veiſôn (vilitare) beitan (cogere). heitô (fe - bris). hveitjan (albare). leitils (parvus). ſmeitan (linire). veitan (tendere). bleiþs (laetus). hleiþra (tugurium). leiþan (ire). leiþus (potus). neiþs (invidia). ſeiþu (ſero). ſleiþjan (laedere). ſneiþan (metere). hneivan (inclinare). heiv (familia). ſpeivan (ſpuere). Der übergang des in ei macht den des ei in begreiſlich, daher es z. b. bei leikeis zweifelhaft bliebe, ob nicht lèkeis die ur - ſprünglichere form (wie das alth. làhhî eher muth - maßen ließe) vergl. qvêns und qveins, hleiþra und hlêþra. Ebenſo werden veis und eis nord. vêr und êr (þêr), alth. aber wir und ir kurzlautig, gerade wie dieD50I. gothiſche vocale. nord. dative mêr, þêr, ſèr ſchon im goth. mis. þus, ſis heißen, dem alth. mir, dir, wir, ir, parallel. Die kürzung des ei in i trifft ſich auch in dem verhältniß zwiſchen qveins und qvinô. Auffallender iſt das alth. luƷil neben dem goth. leitils, wiewohl þus, jus und us - ueben dir, ir, ir - (und ur -) aufſchluß gewähren, Von lat. wörtern liegen: vînum, lînum, vîſere, vîcus zunächſt; die verkürzung des in i ergäbe ſich in-licus vergl. mit - leiks, das auch im neuh. - lich lautet; ra - pio (in der compoſ. - ripio) ließe ſich zu greipan halten.

(IU) ïu, reingothiſcher diphthong, der ſich mit kei - nem gr. laute begegnet, folglich vom gr. υ, für wel - ches ſich Ulph. des conſonanten v bedient, abgelegen, Zugleich der einzige mit vorſchlagendem i, da der Gothe kein ïa, noch weniger ïê, ïô kennt. Zwiſchen ïu und ju (z. b. in ju, jam; jus, vos) unterſcheide man ſorg - ſam*)Fälſchlich ſchreiben Zahn und Reinwald jup, jumjô ſt. ïup, ïumjô, denn Ulph. ſchreibt niemahls ſtjurs, nju etc. wie er hafjan etc. ſchreibt, ju iſt mit dem nachdruck auf u auszuſprechen (etwa jú, beinahe gu), iu hinge - gen beinahe i-u, doch nicht zweiſilbig, ſondern íu. Dies gewicht auf i erweiſt ſich wiederum (wie vorhin bei áu) aus der verſlüchtigung des leichteren u in den ſpiranten v und zwar vor jedem folgenden vocal: triu, gen. trivis; kniu, dat. kniva; þius (famulus), þivôs (famuli), þivê (famulorum), þivi (famula); ſnivan (ire) ſt. ſniuan; qvius (vivus), qviváize (vivorum), aber ga - quiunan (reviviſcere). Muß das folgende i, eines auf es folgenden neuen vocals halber, in j. übergehen, ſo bleibt iu (wie oben áu blieb), oder kehrt zurück, z. b. þivi macht den gen. þiujôs und die (anzunehmende, aber nicht zu belegende) ſtarke form nivis (novus) die ſchwache niuja (ſprich niu-ja zweiſilbig). Da der diphthong überall íu (niemahls i) hat, ſo kann der ac - cent auf dem i geſpart werden. Es ſind nur wenige wörter; kniu (genu). niu (nonne). triu (arbor). liubs (carus). þiubs (fur). biudan (offerre). aviliudôn (εὐχα - ριστειν). biuds (menſa). þiuda (gens). liudan (creſcere). hiufan (oder hniuban? plorare). liugan (nubere). liu - gan (mentiri). biuhts (mos). hiuhma (multitudo). liuhaþ (lux). niuhſjan (viſitare). tiuhan (ducere). þliuhan (fugere). niuja (novus). ſiujan (ſuere). ſiuks (aegrotus). hliuma51I. gothiſche vocale. (auris). ïumjô (multitudo). niun (novem). ſiuns (viſio) ïup (ſurſum). diups (profundus). hniupan (rumpere). ſtiurs (juvencus). us-ſtiuriba (ἄσώτως). qvins (vivus). þius (famulus). kiuſan (eligere). liuſan (perdere). kriu - ſtan (τρίζειν). giutan (ſundere). liuta (hypocrita). niutan (capere). þiuþs (ἀγαθὸς). liuþ (cantus). dius (ſera, muth - maßung ſt. dihs, dat. pl. dihzam Marc. 1, 13.). Die entſprechenden laute ſind im alth. iu, io (ia) und ; im angelſ. eó und , im nord. iu. , io, etc.; ſchon das goth. iu und u berühren ſich (lûkan, claudere, ſt. liukan) (erſt líukan, dann liúkan). Hierher gehört auch das lat. lange u in lùx (liuhaþ), dûco (tiuha); den übergang in iv beſtätiget vîvus (qvius, qvivis) und ſelbſt novus, novem (beide kurzes o) vergl. mit niuja, niun wobei die wandlungen des o in langes und kurzes i (Schneider p. 18.) und das gr. νέος, ἐννέα erwägung verdienen.

Dies ſind die goth. vocale. Von einem umlaut der - ſelben keine ſpur; namentlich die wurzeln a, , wer - den durch ein in der endung folgendes i oder ei nicht im mindeſten getrübt, es heißt aha (mens), ahins, ahjan; balgs, balgeis, balgim; dêds, dêdja; rûna, garûni. Sollte aber doch eine veränderung des lauts eingetreten ſeyn, die Ulphilas nicht ſchrieb, oder nicht ſchreiben konnte? Unglaublich: jenes, weil ſeine ſchrift ſonſt ſo viel feines und genaues zeigt; dieſes, weil er ſehr wohl belgeis, belgim hätte ſchreiben und die unterſcheidung eines e und eben ſo gut ſeinen leſern zutrauen dür - fen, als die des u und . Denn wäre ein umlaut vor - handen geweſen, ſo müſte das e der ausſprache des immer näher geweſen ſeyn, als der des a und dieſes hätte ſeinen leſern mehr unbequemlichkeit verurſacht. Sich die laute, die man für umlaute des und gelten laßen wollte, klar zu denken, wäre auch nicht leicht; vermuthlich lag die ausſprache des goth. dem alth. æ näher als deſſen grundlaute, dem . Das alth. ſcheint manchmahl offenbare abweichung aus einem älteren iu und daß es anderemahl in iu umlautet, ge - ſtattet noch keine gleichſetzung des letztern mit dem goth. ïu, da vielleicht beiderlei diphthongen zu unter - ſcheiden ſind. Ich bilde mir alſo ein, daß der Gothe gar keinen umlaut hatte und erkläre es ſehr wohl aus meiner oben angeführten anſicht von dem weſen des umlauts überhaupt. Die ſchon im goth. vorhan -D 252I. gothiſche conſonanten. liquidae. denen ſpuren eines vocalwechſels in unbetonten endun - gen wird eine bemerkung zu dem alth. vocalſyſtem nä - her anzeigen.

Gothiſche conſonanten.

(L. M. N. R.) liquidae.

Alle kommen als an - in - und auslaut vor, von den anlauten l. n. r. unterſchei - det aber der Gothe genau die aſpirierten anlaute hl. hn. hr. vl. vr. (wovon näheres bei h und v) und ſo we - ſentlich, als die ſpäteren ſprachen noch die anlaute ſl. ſm. ſn. von den anlauten l. m. n. zu ſcheiden verſte - hen. Das einfache l. m. n. machen keine weitere be - merkung nöthig. Das einfache r trennt ſich ſehr be - ſtimmt von dem einfachen ſ und die vermengung bei - der erfolgt erſt in den übrigen ſtämmen deutſcher ſprache (mehr hierüber beim ſ. und gleich hernach bei rſ.). Die inlautenden r ſind hauptſächlich: ara. arjan. marei. hvarjis. harjis. ſvaran. kara. karja. faran. farjan. fêra. fêrja. ſvêrs. mêrjan. hiri. baíran. taíran. haírus. ſtaírs. aírus. taúra. baúrjus. gaúrjan. haúri. ſkaúrô. reirô. ſkûra. ſtiurs. ſtiuran. Auslautende: kar. hvar. jêr. ur - aír. vaír. daúr. faúr. Über die ausſprache des r vergl. die oben bei dem aí und aú gemachte bemerkung.

gemination der inlautenden liquidae.

(MM) bloß nach kurzem a, i, u, ſvamm (ſpongia) Matth. 27, 48 doch Marc. 15, 36 ſvam; gavamm (im - purum); hauptfall die dativendungen: - amma, im pro - nom. ïmma, himma, þamma, hvamma, ainummêhun neben áinômêhun, wegen des vorſtehenden .

(NN) wiederum nur nach a, i, u, eigentlich bloß die fälle des lauts und ablauts einer conjugation: brinnan, ſpinnan, rinnan, ginnan, linnan, brinnô, rinnô, minniza, kinnus, ïnn, ïnna; kann, brann etc. manna, anna, kannjan, rannjan; brunnun etc. brunna, ſunnô, kun - nan, munnôn. Häufiges ſchwanken in den einfachen laut, ſowohl bei anſtoßendem conſonanten: rant Joh. 16, 30, brunſts, als ſonſt: kuni (genus), branjan (urere) branjada (uritur) garunjô (confluxus) manags, manhun, manaſêþs neben: manniſks, mannbun, mannaſêþs. Vgl. ïn (in) ïnuh (ſine) mit ïnn (intus, intra).

(LL) nur nach kurzen vocalen und ſelten; die ein - zigen belege ſind: alls, alleina, fill (cutis) ſpillôn, vullô (lana), fulls. Einfaches 1 haben: vilja, huljan, aljan (zelus) u. a.

53I. gothiſche conſonanten. liquidae.

(RR). Die einzigen fälle ſind: faírra (longe), ſtaúr - ran (fremere) und hier ſcheint rr nicht wurzelhaft, ſon - dern aus rn, dieſes aber aus einer ſyncope entſprungen. Die neigung, das rn zu aſſimilieren, iſt progreſſiv.

Unter den verbindungen der liquiden mit andern conſ. ſcheinen folgende fälle die wichtigſten*)Nämlich für die buchſtabenlehre; die andern hier über - gangenen formen: lg. lk. lm. rb. rp. rg. rk. rm. etc. wer - den nebſt den hier berührten in der wortbildungslehre näher beſprochen werden..

(LB) halbs. ſalbô. ſilba. (LD) alds. faldan. haldan. gild (tributum). kalds. mulda. ſpáiſkuldr. ſilda -. ſpilda. valdan. vilda. (volui). () balþs. - falþs. gilþa (falx) gulþ. kilþei (uterus). hulþs. vilþi (ſilveſtris). vulþus. (L T) halts. ſalt. ſviltan. valtjan. (LZ) talzjan.

(MB) dumbs. kumbjan. lamb. vamba. (MF) ſimf. (MP) trimpan. () gaqvumþs. (MS) amſa. ſvumſl. gramſt. (feſtuca) þramſtei.

(NT) ſinteins. kintus. (ND) andeis. bindan. blinds. grundus. hindar. hunds (canis). kindins. - kunds (oriun - dus) land. munda (memini) pund. ſandjan. ſtandan. ſundrô. tandjan. undar. vindan (involvere) vinds (ventus). Hierher die flexionen der conjug. - nd und - nds. () anþar. finþan. hinþan (capere) kunþs (notus) munþs (os) nanþjan. ſinþs. ſvinþs. tunþus. vinþjan (ven - tilare). (NG. NK. NQ. ) ſieh bei g. (NS) ans. anſts. banſts. hanſa. hunſl. kunſts. plinſjan. þinſan. uns. vgl. die eigennamen: ildefons, monefons, anſimund, tran - ſimund.

(R N) - aírna. arniba. barn. faírni. gaírnjan. haúrn. hvaírnei. kaúrn. maúrnan. qvaírnus. ſmarna. ſtaírnô. undaúrni. þaurnus. (RS. RZ. ) aírzjan. fairzna. marz - jan. þaúrſis. vaírs (pejus). (R D) hardus. ſpaúrds. gaírda. haírda. vardja. vaúrd. (R T) aúrts. haírtô. ſvarts. vaúrts. () aírþa. maúrþr. vaírþan. vaírþs.

Für die ausſprache und hiſtoriſch wichtig iſt es, auf die verbindung und gleichſam verwachſung ſolcher conſonanzen zu achten. Spätere mundarten aſſimilieren gerne, aber nach folgerechten reihen, z. b. ſie wandeln54I. gothiſche conſonanten. liquidae. mb in mm: rn, rs in rr*)Vgl. das att. ῤῥ mit dem jon. ρσ. Buttmann p. 84.; , (nicht aber nd, ld) in nn, ll. Andere ſtoßen das n vor ſ und þ gänzlich aus, was vermuthen läßt, daß es vor dieſen buchſtaben (wie vor den gutturalen) mehr naſal geweſen, als vor dem d. Übrigens fordern alle angeführten verbindun - gen mit l, m und n, gleich den goth. geminationen, ſtets in der wurzel a, i, u. Die mit r hingegen, gleich dem rr, haben a, aí, aú, niemahls einen andern vocal oder diphth. vor ſich. Da nun ſämmtliche aí und aú, denen die liquida r folgt, im alth. einen kurzen vocal, nämlich anfangs i und u, bald aber und daneben e und o zei - gen, ſo ſtellt ſich die regel auf, daß keine deutſche wurzel**)Ich ſehe hier davon ab, daß ſelbſt wenn man einen frü - heren, ungeſchärſten goth doppellaut ái, áu vor dieſem r annimmt, die obige regel immer damit zu ſchützen ſeyn wird, daß in den zur frage kommenden ſcheinbaren wur - zeln die zuſammenziehung deutlicher als ſonſt liervorgeht, d. h. das zweiſilb. vaírp-an auf ein älteres dreiſilbiges vair-ap-an weiſt, und ſo mit allen übrigen. im inlaut liquida verdoppelt oder mit andern conſonanten verbunden anders leidet, als wenn einfache vocale vorausgehen. Zugleich wird die nothwendigkeit der unterſcheidung des goth. ai und aú einleuchtender geworden ſeyn. Im goth. niunda (nonus), was man gegen jene regel anführen könnte, iſt iund nicht wur - zelhaft, ſondern - da die zugetretene endung, wie tai - hun-da (decimus) zeigt und ſelbſt niun iſt aus urſprüng - licher zweiſilbigkeit (ni-un, wie taíh-un) in den ein - ſilbigen diphth. verengt worden. Wichtiger wird jener grundſatz für die betrachtung der alth. ablaute hialt, wialt; hier iſt hinten keine endung zugetreten, aber vornen muß der diphth. in ein älteres hi-alt. hî-alt, hî-halt augelöſt werden. Eben ſo zerfällt das zweiſil - bige thiarna (virgo) in ein dreiſilbiges früheres thi-arn-a. In mittelh. zuſammenziehungen, die ſcheinbar der ge - fundenen regel widerſtreiten, z. b. lêrte, îlte, zierte, ſwârte, verräth ſich die ſyncope und die hinten ange - heftete endung von ſelbſt.

(V. F. B. P.) labiales. v der bloße lippenſpirant, f die aſpirata, b media, p tenuis; die drei letzten dem gr. φ. β. π. in den eigennamen entſprechend.

55I. gothiſche conſonanten. labiales.

(P) macht keine ſchwierigkeit, es iſt von b und f ſtrenge geſchieden und tritt als an - in - und auslaut auf. Beiſpiele von in - und auslauten:[]up (ſurſum) ſkip (na - vis) hups (femur). ſûpôn (condire). vêpn (arma). diups (profundus). ſipôneis (diſcipulus). ráip (corrigia). váips (corona) vipja (corona) ſkapan, ſkôp. ſlêpan, ſáizlêp. greipan, gráip. vaírpan. hláupan. káupatjan (colaphizare). kaupôn (emere). nipnan (moerere). ráupjan (evellere), hrôpjan und vôpjan (clamare). hvôpan (gloriari). hniupan (rumpere) hvapjan (extinguere). ſveipeins (inundatio), trimpan (calcare). hilpan, halp. Als anlant nur in wenigen wörtern, die meiſtens fremde ſcheinen: paſka, práufêtês, práitôria, piſtikeins (πιστικὸς), peika-bagms (φοίνιξ, vermuthl. aus dem lat. pîcea, gr. πεύκη, d. h. fichte), pund (pondus). Näher zu prüfen bleibt der urſprung von páida (tunica). plapja (platea). plats (aſſu - mentum). plinſjan (ſaltare) puggs (marſupium). Dem p entſpricht im nord. u. ſächſ. gleichfalls die tenuis p; im hochd. aber die aſp. f.

(B) als anlaut häufig; die fälle ſind in dem gloſſar nachzuſehn. Als inlaut gleichfalls häufig, ſowohl nach einfachen als doppelten vocalen: aba. - aba. abrs. gabei. gabigs. graban. haban. ſaban. ïba. ïbns. gibls. ſvibls. liban. ſibun. ſibja. ſviban (ceſſare)? ſtibna. - uba. ubils. ubizva. ſilnbr. áibr. gahláibs. láibôs. dráibjan. váibjan. dáubjan. galáubjan. háubiþ. ráubôn. dreiban. grôba. dôbnan. drôbnan. dûbô. liubs. þiubs. Desgleichen auf liquide folgend: halbs. ſalbôn. ſilba. dumbnan. hvaírban. ſvaírban. arbja. Als auslaut kommt es aber regelmäßig nur nach liquiden vor, z. b. halb. ſvarb (terſit). dumb. lamb. Geht ein vocal vorher, ſo lautet es um in f, als þiubs, hláibs, im acc. þiuf, hlaif; giban, graban, im praet. gaf, grôf, pl. wieder gêbun, grôbun; im imp. gif! graf! tvalif (duodecim) gen. tvalibê; láubôs (folia), láuf acc. ſ; doch finden ſich einige ſchwankende formen: grôb Luc. 6, 48. ſt. grôf; tvalib Luc. 2, 42. 6, 13. 8, 1; umge - kehrt hláifs ſt. hláibs Joh. 6, 33. wiewohl hier das bloße ſ nachſchlägt (vgl. hernach den umlaut des d in þ). Da die praep. af (von) und uf (unter) bei angehängtem - ûh in abûh, ubûh übergehen, ſo ſcheinen ſie auch hierher zu rechnen, allein afar (poſt) ufar (ſuper) lauten nie abar, ubar. Die bildungsendung - ubni lautet drei - mahl ſo, und zweimahl - ufni. Sogar das inlautende b lautet vor t in f um: gaft (dediſti), grôft (fodiiſti), fra -56I. gothiſche conſonanten. labiales. gifts (deſponſatio) wiewohl Luc. 1, 27. die ausnahme fragibtim. Von dieſem ft ſogleich mehr. Dem goth. b entſpricht das alth. b, ſo wie dem umlautenden aus - laut f das alth. p; im nord. b dem goth. anlaut, aber f beides dem goth. in - und auslaut, letztern alſo ohne umlaut. Wieder anderes zeigen die ſächſ. mundarten.

(F) als anlaut häufig und in den gloſſaren zu finden; als inlaut ſeltner: afar (poſt) haſjan. lifnan. ſifan. lôfa. ufar (ſuper). hufum (ploravimus); nach liquiden: vulfs. hanfs; vorzüglich vor einem nachſtehenden t. als: aftu - ma. iſtuma. hvilſtri. fimfta. ſkafts. hafts. gagrêſts. hliftus. ſkufts. numfts. ufta. áuftô (gaft, grôft, gifts ſind vorhin beim b angeführt). Als auslaut, außer den beim b be - rührten umlauten gaf, grôf; noch in af. uf. fimf und ohne zweifel in den formen vulf (acc. ) hanf (mancum) auch in den griech. eigennamen. als lôſêf (Ι’ωσὴφ) gen. Iôſêfis (nicht Iôſèbis). Das goth, anlautende f ſteht dem alth. nord. und ſächſ. f gleich; bedenklicher ſind die in - und auslaute. Der iniaut ft zwar entſpricht auch im alth. und ſächſ. dem ft, im nord. aber dem pt. Die übrigen in - und auslaute f entſ[pr]echen dem alth. f nur dann, wann ſie nicht in b rückumlauten. Eine weitere vergleichende ausführung gehört nicht ſchon hierher; hier fragt ſich bloß: ob der Gothe zweierlei f ausgeſprochen, wenn ſchon nur ein zeichen dafür ge - ſchrieben habe? Zu erwägen ſcheint 1) da, nach alth. regel falls ein umlaut eintritt. im auslaut die tenuis, im inlaut die media zu ſtehen pflegt, ſo fällt im goth. die auslautende aſpirata und innere media auf; doch zeigt ſich im goth. þ und d etwas analoges und vom alth. t und d wieder abweichendes, jene regel kann alſo hier nicht gelten. 2) nach der bekannten gr. regel fügen ſich aſp. med. und ten. jede zu ihres gleichen, nicht zu verſchiedenartigen. Hierzu ſcheint das nord. pt beßer zu ſtimmen, als das goth. und alth. ft. Sollten ſich die zweierlei goth. f ſo annehmen laßen. daß eins ein aſpiriertes p, das andere ein aſp. b wäre? folglich ph und bh? An und für ſich iſt einleuchtend, daß eine vollftändig entwickelte aſpiration nicht allein die tenuis, ſondern auch die media treffen müße, bh wäre alsdann der natürliche umlaut des inneren b in dem auslaut: hláibs, acc. hláibh, womit ſich auch das ſchwanken zwiſchen b und f in ſolchen fällen erklärt. Dieſes bh wird durch das altſächſ. ƀ, ſo wie durch das alt - und57I. gothiſche conſonanten. labiales. mittelh. v beleuchtet werden, und gewinnt durch die analogie des dh (ð) und gh, unterſchieden von th (þ) und ch, welche der Gothe nicht unterſcheidet oder gar nicht kennt. ph ſchiene das goth. f in wörtern wie vulfs, fimf etc. ſo wie in allen anlauten und es iſt kei - nem umlaut unterworfen, ſo wenig als p. Vorläufig habe ich noch nicht gewagt von dieſer zerlegung des f in zwei arten für die äußerliche bezeichnung gebrauch zu machen; vollſtändige einſicht in die vielfach ver - wickelten labiallaute wird erſt nach dem ſchluße der ganzen buchſtabenlehre in einer vergleichenden tabelle möglich werden.

(V) der laut des bloßen wehens, wie er aus der leiſeſten bewegung der lippen hervorgeht, gleichſam zwiſchen vocal und conſonant ſchwebend und eben aus dem u übertretend in den lippenlaut, daher dem j, das ſich aus dem entwickelt, analog. Selbſt das ſchriftzei - chen, wie vorhin bei dem y geſagt worden, iſt förm - lich eins mit dem gr. v und lat. v. entfernt ſich aber von der geſtalt des goth. u, die man ein umgeſtürztes u (n) nennen kann. Byzantiner ſchwanken hier in dem ausdruck der eigennamen goth. ſtamms, bald ſetzen ſie β, bald οὐ, einige ſchreiben βανδήλοι; βανδαλαριος, βα - λάμηρος, andere und die meiſten οὐανδαλοι, οὐακις, οὐισαν - δος, οὐιλας, οὐιτιγις, οὐλφιλας etc. Beiderlei ſchreibart läßt ſich rechtfertigen; β entſpricht ſchon in altgr. wur - zeln häufig dem lat. v, in lateiniſchen wechſeln b und v (Schneider p. 226-228. zumahl p. 368. über das ſchwan - ken zwiſchen β und ου), bekanntlich haben die Spanier bis auf die neueſte zeit jenes für dieſes geſchrieben. Die ſchreibung οὐ erklärt den urſprung des doppelten u oder v, man ſetzte uu oder w, um den unterſchied von dem vocal u oder dem v, welchem einzelne mund - arten eine erhöhte lippenausſprache beilegten (das hochd. v wurde zu bh und endlich f), merklich zu machen. Einige ſchrieben uv und ſelbſt vu, die dem gr. οὐ gleich - falls ſehr nahe kamen und die auflöſung jener byzanti - niſchen οὐ, wo man das folgende goth. u*)Θορισιν bei Procop. 2, 34. vgl. mit Αὐδουΐν ſteht für Θορισουΐν, d. h. þariſvins. und ſelbſt i zuweilen unterdrückte (οὐλφιλας wäre οὐουλφιλας gewe - ſen) in lat. einfache u verdient tadel, weil der Gothe nie, wie der Norde, das v vor dem u wegſtößt, das i58I. gothiſche conſonanten. labiales. nach dem v aber durchaus nicht fehlen darf. Man lieſt ſo bei lat. ſchriftſtellern und in der verſion der byzan - tiniſchen: ulphilas (neben vulphilas und ſogar gulphilas, weil dem uv, vu das gu wieder verwandt war) und die falſchen formen: uligagus, ulitheus etc. für viligangus, vilitheus. Befremdend auf den erſten anblick, allein conſequenter iſt die ſchreibung ubi ſt. vvi oder vi, uba ſt. wa in den ſubſcriptionen weſtgoth. concilien des 6. 7. iahrh. als ubiligiſclus, ubinibal. ubidericus, uba - dila, ubinedarius, ubaldefredus, ubiſandus (conc. tolet. III. VII. IX. XV.) Die vergleichung ſo mannigfaltiger ſchreibweiſen, hat man einmahl ihren grund eingeſehen, vermag weiter nichts zu lehren oder zu beweiſen; wir haben uns an die weit genauere ſchreibung in Ulphilas goth. texte ſelbſt zu halten, um die beſchaffenheit des conſonanten v näher kennen zu lernen.

Ein bedeutender unterſchied zeigt ſich ſogleich zwi - ſchen dieſem halbvocal und dem andern, nämlich dem j. Das (nicht das ái, ei) wird jederzeit, ſo oft ein vocal (verſteht ſich in demſelben worte, nicht bei bloßer zu - ſammenſetzung) darauf folgt, zum j; das u wandelt ſich bei folgendem vocal nie in v (vgl. Jêſuis, Jêſua), außer wo es in den diphthongen áu mit folgendem , ei, oder iu (desgl. im hiatus ju) mit jedem folgenden vocal vorkommt; ſo entſpringt aus háuan, qvius, náus, kniu havi, qvivis, naveis, kniva. Ein anderer unterſchied: das j iſt anlaut und inlaut, nie auslaut, das v anlaut, inlaut und auslaut.

Die fälle des aulautenden v zeigt das gloſſar. Als inlaut ſteht es

  • 1) nach vocalen a) im falle jenes umlauts des áu, iu, ju in av, iv, iv; die beiſpiele ſuche man oben bei den diphth. áu, iu. ju wandelt ſich in den declina - tionsendungen, z. b. ſunjus, ſunivê. b) nach ein - fachen vocalen außer jenem umlautsfall; mir iſt nur favai und ſlavan (lilere) erinnerlich, etwa die neben - form viduvô c) nach den diphthongen und ſelten (nur: lèvjan, ſkêvjan, vidôvô) häufiger vor ái und ei (ſnaivs. áiva, hráiva, hváiva, hnáivjan, ſáivala, ſpeivan, heiva)
  • 2) nach conſonanten und zwar nach l: balvjan, malvjan, valvjan, vilvan nach n: manvu (paratum), manvi (ſumptus) manvjan (parare) nach r: ſparva, arvjô 59I. gothiſche conſonanten. labiales. nach d: nidva, fidvôr, bandvjan, ſkadvjan nach þ: ſaliþva, friaþva (ſt. frijaþva) nach t: gatvô, vahtvô, uhtvô nach z: ïzvis, ubizva nach hs: taíhſvô nach h: ahva, aihva, ſaíhvan, faírhvus, þeihvô, nêhva, leihvan, nach g und gg: bidagva
    *)Um das ital. pitocco können das goth. bidagva und gr. πτωχὸς ſtreiten.
    *), triggvs, trigg - vaba, gaſtiggvan (offendere), ſiggvan (canere) bliggvan (caedere) aggvus (anguſtus) glaggvus (ſolers) nach q und gq (in dieſen fällen macht qv in der ſchrift ein zeichen aus): vraíqvs (curvus) þlaqvus (tener). hnaſqvs (mollis) vriſqvan. ſtigqvan (συμβαλλειν) ſtag - qvjan (impingere) igqvis. ſigqvan (labi).

Die fälle des auslauts ſind: áiv. hláiv. ſnáiv. hráiv. vaúrſtv vermuthlich auch balv (malum) malv (arena) und die ſtarken praet. ſahv. valv.

Nach dieſer muſterung wird ſich über die ausſprache des goth. v füglicher entſcheiden laßen. Ob der anlaut v mehr wie das neuh. w oder mehr wie das engl. w (d. h. mit ſchnellem vorſchlag eines u) ausgeſprochen worden ſey, wage ich freilich nicht zu beſtimmen. Für jenes redet die hochd. nord. dän. und ſchwed. gewohn - heit für dieſes die engliſche, von dem angelſ. kann es nicht behauptet werden. Für jenes redet die byzant. ſchreibung β für dieſes οὐ, ub und das alth. uv, uu, welches aber auch darum nicht einfach geſchrieben werden durſte, weil v ſich dem f alut genähert hatte. Ein grund zu guuſten der erſten ausſprache ſcheinen die wörter, wo dem anlaut v ein u folgt (vulfs, vullô, vulþus), das gerade in ein alth. o übertritt, fände man hier uvolf ausſprechlicher, ſo müſte von uvulfs das ge - gentheil gelten (vgl. Schneider p. 368. 369. über cervos und cervus). Der nämliche grund ſchickt ſich für die goth. inlaute - vu (faírhvus, manvu) und in den auslau - ten muß das v mehr der ſchärfere conſonant, als der weichere vocal geweſen ſeyn, weil ſich dieſe fälle (ſahv, valv, rapuit etc.) nie mit dem auslautenden u vermiſchen (z. b. faíhu, valu, baculum). Wollte man die inlaute áiva, eiva**)Man unterſcheide die fälle áiv, áivis; heiv, heivis; vaúrſtv, vaúrſtvis genau von den umlauten triu, trivis; hauan, havi. So ungothiſch triu, triuvis; hauan, hauvi wären, eben ſo ungothiſch würde es ſeyn, von áivis, heivis etwa den wie aiuva, eiuva ſprechen, ſo würden60I. gothiſche conſonanten. labiales. zu viel vocale auf einander ſtoßen und zuſammenziehun - gen entſprungen ſeyn, die man wohl anders geſchrieben hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduþ (aeterni - tas), das ich mir aus áivukduþ erkläre, beſtätigt daher die regelmäßige nichtzuſammenziehung. Eher möchten die inlautenden v. denen conſonanzen vorhergehen und andere vocale als u folgen, ſanftere vocalähnlichere aus - ſprache fordern, gatvô, manvi beinahe wie gatuo, ma - nui, obſchon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi conſonantmäßig ausgeſprochen wohlklingt. Etwas ganz anderes iſt, daß allerdings die meiſten in - oder auslau - tenden goth. v urſprünglich eingeſchobene bedeutung habende u waren, daher ſie ſpäterhin (gleich den i) aus - fielen, vgl. gatvô, vahtvô mit dem alth. gaƷƷa, wabta; manvjan mit mittelh. menen und ſchon eſoteriſch im goth. ſelbſt fidvôr neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies erläutert manches in der wortbildung.

gemination inlautender labiales (pp. bb. ff. vv. ) hat durchaus keine ſtatt, bloß den hebr. namen Λευὶ finde ich Laívvi, desgl. σάββατον, ραββὶ, ἐφφαθὰ (Marc. 7, 34.) φιλίππος: ſabbatô, rabbei, aíffaþa, Filippus wiedergege - ben. Einen goth. namen Γρίππας hat Procop 1, 7. Von hierher gehörigen conſonantverbindungen ſcheinen folgende die wichtigſten.

1) anlautende, die man in gloſſar nachſchlage: BL. BN. (nur bnáuan, fricare) BR. PL. PR ſcheinen fremd FL (das einzige flêkan, vgl. þL) FR (vgl. þR) VL (bloß vlits, vláitôn) VR mit bn vgl. das hochd. u nord. ſn. In der ausſprache bl. br. fl. fr. herrſcht der labiale laut über den leiſer nachtönenden liquiden (dem. Italiener wandelt ſich bl. fl. in bj. fj. ) hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn ſpä - tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit für ſeine conſonantiſche ausſprache, da u länger gehaftet haben würde.

2) inlautende. BL. BR (ſvibls, abrs) verrathen deutlich den zwiſchen mut. und liq. ausgeſtoßenen vo - cal und ſind darum hier nicht wichtig. BN nur in ſtibna. Die formen FT ſind vorhin unter F angegeben. Merk -**)nom. ái, hei oder gar áiu, heiu zu bilden. In letztern iſt das v veſentlicher und conſonantiſcher. Desgl. in ſlavan verglichen mit báuan.61I. gothiſche conſonanten. linguales. würdig iſt FST (in dem einzigen þrafſtjan, conſolari) weil ſich hier f in der ausſprache dem v und vielleicht dem vocal u nähert. Jornandes liefert den eigennamen trafſtila, den einige hſſ. und comes Marcellinus trauſtila (d. h. þráuſtila) ſchreiben, die lesarten tranſtila und ſtrantila ſind corrupt. þrafſt lautet im alth. traoſt, trôſt und jener name trôſtilo.

(S. Z; þ. D. T.) linguales. t. tenuis, d. media, þ. aſpirata, den gr. τ. δ. θ. parallel; der ſpirant ſ. reiner ſauſelaut, z ihn mit den übrigen dentalen vermittelnd.

(T) eben ſo ſtreng von d und þ geſchieden, wie p von b und f und ſich nie mit einem derſelben ver - wechſelnd; häufiger an - in - auslaut. Die anlaute im gloſſar. Inlaute (außer den obangeführten formen lt. nt. rt) atiſk. ataþni. batizô. gatvô. hatis. katils. latjan. mats. nati. ſatjan. vatô. vratôn. grêts. lêtan. itan. fri - tan. gitan. mitan. mitôn. vitôþ. vlits. vrits. lûtôn. ſû - tis. ſnutrs. þrutsfill. báitrs. gáitei. háitan. máitan. hvái - teis. náiteins. hláuts. ſkáuts. ſpráutô. ſtáutan. beitan. heitô. hveitjan. leitils. ſmeitan. veitan. giutan. niutan. liuta; die neutra ïta, þata und alle adj. endungen - ata. Auslaute: at (praepoſ. ) at (edebat) und ſo die praet. der andern verba; mat (acc. und ſo die übrigen acc. ) hrôt. vit (dualis). ût (praep.) andaſèt (adj. neutr. ), die II. praet. gaft, namt, qvamt, magt etc. Dem goth. t entſpricht das nord. und ſächſ. t im hochd. aber die aſp. z und Ʒ.

(D) an - in - und auslautend. Folgende inlaute (außer den formeln ld. nd. rd. zd. ) fadrein. nadr. badi. ſkadus. ſads. hvadrê. ſtads. lêds. ſêds. grêdags. bida. fi - dur (fidvôr). midja. nidva. viduvô. fôdr. fôdjan. flôdus. frôds. gôds. knôds. môds. vôds. rôdjan. gudja. ludja. trudan. bráids. gamáids. páida. máidjan. áudags. báuds. dáudjan. gamáudjan. ſáuds. láuds. beidan. hleidumei. ſleidja. þiuda. biudan. biuds. liudan; hierher auch die paſſiviſche endung - ada, und das - da der ſchwachen praet. Der auslaut d findet ſich im praet. neutr. und acc. vieler unter den inlauten angeführten wörter, als: hund. ald. vaúrd. ſad. gôd. laud. bráid. gamáid. etc. endlich in der vorpartikel ïd -. Was nun die ausſprache betrifft, ſo muß ſich der anlaut d von dem anlaut þ merklich unterſchieden haben, denn nie findet ein62I. gothiſche conſonanten. linguales. wechſel zwiſchen beiden ſtatt, anders verhält es ſich mit den in - und auslauten; die goth. ſonſt ſo ſichere rechtſchreibung ſchwankt in gewiſſen fällen zwiſchen d und þ, beide ſcheinen ſich folglich ſehr nahe geweſen zu ſeyn. Doch merke man 1) daß vorausgehende li - quida den eigenthümlichen laut beider conſonanten feſtigt, daher ld. nd. rd nie mit . . vermengt wer - den, das gilt auch von zd ( kommt nicht vor), na - mentlich iſt in den verbalflexionen (in der III., im paſ - ſiv. und part. praeſ. ) nd nicht durch auszudrücken. Der Gothe ſchreibt falþan, fáifalþ, aber ſtaldan, ſtáiſtald und wechſelt nicht, vilþi (ſilveſtre) lautet ihm verſchie - den von vilda (volui). 2) geht dem dentallaut ein vo - cal, einfacher oder doppelter, voraus, ſo lautet die urſprüngliche med. gern in die aſp. um, ſobald ſie aus - lautet oder das bloße geſchlechtskennzeichen s nach - folgt; bleibt aber med. im inlaut. Jener umlaut ver - gleicht ſich dem des b in f (oben ſ. 55.) und es ſcheint wirklich die alsdann entſpringende aſpirata mehr ein dh als th, wiewohl der Gothe, wie bei dem f, für beide nur ein zeichen (þ) gebraucht. Folgende fälle ſind die wichtigſten a) beim verbum: biudan, báuþ (Marc. 6, 8. 8, 30. doch Luc. 5, 14. báud. ); bidjan, baþ; ſtandan, ſtôþ; b) beim ſubſt. die neutr. oder acc. maſc. und fem. láuþ, háubiþ, miliþ, ſêþ (ſationem), fahêþ, liuhaþ, vitôþ, ſtaþ, faþ, im gen. láudis, háubi - dis, ſêdáis, fahêdáis, liuhadis, vitôdis, ſtadis, fadis. c) beim adj. das neutr. naqvaþ, ſaþ, (ſad Luc. 15, 16.) gôþ (gôd nur Luc. 14, 34.) im gen. naqvadis, ſadis, gôdis. Hierher auch das neutr. part. praep. auf - , als: fôdiþ, rôdiþ, þiuþiþ, ſchwach þata, fôdidô, þiuþi - dô, þaúrlidô. d) meiſtens ſchwanken bei nachfolgendem ſ, als: ſêþs, fahêþs, neben ſêds, fahêds, unlêds; desgl. in III. ſing. und II. pl. die gewöhnlich - - eiþ - ôþ áiþ - zuweilen auch - id - eid - ôd aíd - ud (?) endi - gen. 3) mit dieſen umlautenden und ſchwankenden fällen dürfen nicht verwechſelt werden diejenigen, wo die aſp. weſentlich iſt, daher auch im inlaut bleibt (mit andern worten, wo th, nicht dh ſtatt findet) z. b. áiþs, áiþis; qviþan, qvaþ, qvêþun, wovon ſogleich mehr. 4) es ſcheint, daß in einigen abgeleiteten wörtern, ver - glichen mit ihren wurzeln, d und þ auch im inlaut ſchwanken, als ſleiþa (ζημία) ſleidja (χαλεπὸς) gaſleiþ - jan (ζημιοῦσθαι); frôds, frôdis: fraþjan, frôþ; ſads, ſôþjan, náudi-bandi, náuþs, náuþjan. Dem goth. d63I. gothiſche conſonanten. linguales. entſpricht auch das nord. u ſächſ. d (und jenem umlaut das ð); in der regel das hochd. t (doch mit manchen überbleibſeln und übergängen des d).

(þ) an - in - und auslaut. Die inlaute ſind haupt - ſächlich und außer den ſ. 53. angegebenen . . . folgende: aþriza, faþa, fraþi, hvaþô, laþôn, maþa, maþl, raþjô, ſkaþjan, nêþla, hêþjô, liþus, niþja, qviþan, qviþrs, viþan, viþra, brôþar, ſoþjan, bruþs. aiþs, áiþei, háiþi, máiþms, áuþja, dáuþs, náuþs, bleiþs, hleiþra, leiþan, leiþus, neiþs, ſeiþu, ſleiþian, ſneiþan, þiuþs, liuþareis; unter den endungen namentlich die der fem. aut - iþa und der correlativpartikeln - aþrô. Auslante (außer den vorhin berührten umlauten des d) , miþ, guþ (Deus), liuþ, blôþ, die praet. qvaþ, láiþ, frôþ, ſkôþ etc. und die verbalflexionen: , eiþ, áiþ, ôþ, . Das goth. þ habe ich ſchon vorhin für th, im gegenſatz zu dem zuweilen ebenſo bezeichneten dh, er - klärt. Ihm entſprechen þ im nord. u. ſächſ. im hochd. d, das nur bei einigen noch mit th ausgedrückt wird.

(S) der reine ſauſelaut, lat. u. gr. grammatikern ein halbvocal (Schneider p. 345.), der dem h in manchen ſtücken analog ſteht, mit ihm wechſelt (vgl. haſa, lepus, ſanſkr. ſaſa) und als bloßer ſpiritus anlautet (Schneider p. 198. 355. vgl. ὑπὸ und ſub mit dem goth. uf.) Dieſe beiden letzten erſcheinungen ſind gleichwohl den deut - ſchen ſprachen fremd, aber die berührung des ſ mit dem liquiden r (Schneider p. 358.) ſo wie den übrigen zun - genbuchſtaben t und d (Schn. p. 252. 253. 259. 342. ) bewähren ſie hinreichend.

Die anlautenden ſ weiſt das wörterbuch. Den in - lautenden geht entw. conſonant vorher (die formen ms, ns, rs ſind vorhin ſ. 53. angeführt, ſt wird nachher be - rührt werden) oder ein vocallaut; letzterer gibt es fol - gende: aſans, kaſja, baſi, hlaſôza, naſjan, vaſjan, graſis (graminis) kaſis (vaſis), lêſun, vêſun, nêſun, mêſis (menſae), ſvêſis (proprii), liſan, viſan, niſan, hriſjan, viſis (tranquillitatis), druſis (ruinae), kuſun, luſun, dru - ſun, þùſundi, fráiſan, láiſjan, ſáiſô, eiſarn, veiſôn, geiſjan, háuſjan, áuſô, ráuſis (arundinis), láuſis (liberi), liuſan, driuſan, kiuſan. Auslaute (außer dem nomina - tivkennzeichen - s [dem ſogenannt unweſentlichen s] und den vielen endungen auf - s) folgende: gras, kas, las, nas, vas, mês, ſvês, vis (tranquillitas), vis (eſto) desgl. lis, nis, dis -, ïs (is), ïs (ejus), hvis (cuius) 64I. gothiſche conſonanten. linguales. þis (τοῦ); die endung - is in hatis, baris, riqvis, agis; die dative: mis, ſis, þus; us (praep.), drus, eis, veis, máis, jus; die praet. : die praet. : dráus, kaus, láus; láus (liber), náus (cadaver), ráus (arundo); (die formen hs unten beim h).

Die ausſprache des an - und inlautenden ſ. ſcheint unzweifelhaft und ganz die des neuh. ſenden, ſingen, haſe, kieſen. Bedenken macht das auslautende, weil doch kaum zu glauben iſt, daß der nom. ïs und gen. ïs oder beim nomen überhaupt der nom. - s und gen - is ein gleichlautiges ſ. gehabt haben ſollten. Dazu tritt daß einige auslautende ſ. ſobald ſie inlante werden, in z umlauten, als þus, þuzei; jus, juzei, us, uzuh etc. Hiernach möchte man zweierlei ſ. annehmen, das ge - wöhnliche, wie es in gras, kas, vas, las, ráus, láus etc. ſtattfindet und das auch im inlaut bleibt; ſodann ein milderes, das im inlaut z wird und in den flexionsendun - gen und partikeln, meiſtens in tieftonigen oder tonloſen ſilben vorkommt. Dieſes letztere ſ iſt in den übrigen mundarten entweder zu r geworden oder völlig abge - ſtoßen, wozu die geſchichte der flexionen überall be - lege liefert; nähere verwandtſchaft des goth. z mit dem r wird ſich hernach erweiſen. Ganz treffend ſcheint jedoch dieſe unterſcheidung zwiſchen dem ſ der wur - zel und dem der flexion nicht, da ſie eben jenen gen. ïs, - is nicht von dem nom. ïs, - s ſondert, glaublich aber dem gen. ein ſchärferes ſ als dem nom. zuſteht, weswegen das gen. ſ auch in den ſpäteren mundarten feſter gehaftet hat. Gleichwohl lautet der goth. gen. þis, hvis bei angehängtem - ei, - uh in þizuh, þizei, hvizei um, der ziſchlaut iſt folglich trüber, als der in gras, graſis. Alles erwogen halte ich folgendes für die rich - tigſte anſicht: der reine ziſchlaut geht progreſſiviſch in unſerer ſprache verloren, vornämlich bei vorherſtehen - dem vocal. Der Gothe beſitzt mehr reiner ſ als irgend eine der übrigen mundarten und ſcheidet ſie ſtrenge von der liquida r, áis, kas, kaſja, vaſjan ſind ihm ganz an - dere begriffe als aír, kar, karja, varjan; in den endun - gen pflegen aber die ſ ſchon getrübt zu werden und in - lautend in z umzulauten. Andere deutſche ſprachen ſchreiten weiter, theils indem ſie in - und auslaute der endungen in r wandeln und das r ſelbſt abſtoßen, theils ſogar das wurzelhafte ſ in r übergehen laßen; alles all - mählig und ſchwankend, vgl. das alth. peri (goth. baſi) 65I. gothiſche conſonanten. linguales. aber noch haſo (goth. vermuthl. haſa), wofür angelf. hara; alth. noch lôs (goth. láus) aber rôr (goth. ráus) ôra (goth. auſô) êr (goth. áis) etc. Auch bei den Rö - mern folgte in manchen wörtern dem älteren ſ ein jün - geres r (Schneider p. 341. 343. ) und die lat. declin. zeigt einen umlaut des ſ in r, welcher dem goth. ſ in z gänzlich gleicht, ſelbſt in identiſchen wurzeln, als aes, aeris; goth. áis, ázis. Das goth. ſ entſpricht alſo im anlaut ſtets dem ſ der übrigen mundarten, im in - und auslaut bald ihrem ſ bald ihrem r.

(Z) als anlaut ungothiſch und nur in gr. namen wie zaíbaídaíus, zakarias etc. vorhanden, woraus jedoch die ausſprache ds (ζ) erhellt, der laut iſt nicht ſowohl ſchwächeres, als durch die vorſchlagende media d ge - hemmtes ſ; offenbar ein zuſammengeſetzter buchſtab. In den inlauten muß es als ein umgelautetes ſ betrach - tet werden, wohin ſelbſt zuſammenziehungen ganzer wörter gehören, vgl. Luc. 3, 1. Filippáuzuhþan. Die wichtigſten fälle (außer angeführten und noch anzufüh - renden verbindungen lz. nz. rz. zd. zn. zv. ) ſind a) die flexion des comparativs - ôza, - iza, der urſprung ans ſ folgt aus dem adv. máis und dem ſt des ſuperlativs. b) die des gen. fem. ſing. und des gen. pl. der adjective auf - áizôs - áizê, c) der II. paſſivi auf - aza - ôza. d) die anhängung der partikeln uh und ei, als: vileizuh (visne), uzuh, andizuh, dizuh, þanzei, þuzei, juzei. e) vermiſchte fälle: uzêta, uzôn, háizam (taedis), haz - jan. azêts, aqvizi, riqvizeins, barizeins, hatizôn, ſáizlêp (ſt. ſáiſlêp). Setzt dieſes z immer ein umgelautetes ſ voraus, ſo kann es ſelbſt kein auslaut ſeyn, inzwiſchen findet ſich aiz (ſt. áis) und riqviz (neben dem richtige - ren riqvis) geſchrieben, weil vocalanlaute folgen. Übri - gens iſt der umlaut des ſ in z von dem des b in f (oben ſ. 55. ) und d in þ (oben ſ. 62.) darin verſchieden, daß er in dieſen beiden fällen als auslaut, in dem ge - genwärtigen aber umgekehrt als inlaut erſcheint. An ſchärfe ſteht allerdings das ſ dem f und þ, an milde das z dem b und d zu vergleichen; nur kann man ſ in den hier erörterten formen nicht wohl für den um - laut halten, ſondern daß dieſer das z ſey, ergibt der goth. gen. Mòſêzis (Μωσέως) vom nom. Môſês (Μωσῆς), und Faraízis von Faraís (φαρὲς). Zuweilen wird auch ſ ſtatt z ſelbſt geſchrieben, ſo miſdô neben mizdô und Joh. 7, 13. agifis ſt. agizis. Das inlautende z wirdE66I. gothiſche conſonanten. linguales. in allen andern deutſchen mundarten durch r ausge - drückt, und entſpricht nie dem alth. z und Ʒ. Gerade ſo geht die goth. form rs, zd in ein alth. rr, rt über.

gemination inlautender linguales.

(TT) nur in: atta*)Daher Attila (Ἀττίλας, Ἀττήλας), bei den Byzantinern auch Οὐίττιγις. und ſkatts. (DD) vaddjus. tvaddjê (duorum). daddjan. ïddja. ïddalja. (SS) miſſô. viſſa. usſtaſſ. usqviſſ. knuſſjan. aſſarjus (aus dem lat. aſſarium); die endungen - aſſus - naſſus. Die zuſam - mengeſetzten þ und z geminieren nicht. Schein - bare, aber nicht wirkliche doppelung, vielmehr bloße aſſimilation ſind die partikeln: aþþan, áiþþáu, uþþan, miþþan, niþþan, duþþê, in allen ſchließt die erſte ſilbe mit dem einen, und beginnt die zweite mit dem an - dern þ; jeder geminierte laut fordert aber einſilbigkeit, (ſ. unten am ſchluß der goth. buchſtabenlehre). tt auch nord. tt, alth. tz; dd hat weder im nord. noch alth. ſeines gleichen, das nord. dd iſt ganz was anders; nach der analogie von vaddjus, nord. u. alth. vallr, wal, ſcheint das goth. dd in ll überzugehn und aller - dings berühren ſich d und l, dd und ll (ſedda: ſella. Schneider p. 255. 256.). Für die ausſprache des goth. dd vgl. die eigennamen Addei (Α᾽δδὶ) þaddáins (Θαδ - δαῖος) ſaddukáieis (σαδδουκαῖοι) etc. Die gemination ſſ gleicht ſich in allen deutſchen zungen.

Die wichtigſten lingualverbindungen ſind:

  • 1) anlautende, die das gloſſar weiſt. TR (kein tl. tm) TV (bloß tva, duo und die ableitungen). DR (kein dl). DV (bloß dvals). þL (þlaſnan. þlaqvus. þlaíhan. þliuhan). þR (þrafſtjan. þragjan. þreihan. þramſtei. þriſkan. þri. þriutan. þrutsfill. þV. (þvahan. þvaírhs). SK. SL. SM. SN. SP. SPR. (ſpráutô) ST. STR. SV. welche ſämmtlich ſcharf gleich den lat. ſc, ſp, ſt (denen romaniſche mundarten ſogar ein e vorſchoben) anlauten. Die unterſchiede tv. dv. þv. vermiſcht das hochdeutſch allmählig und wandelt auch dv und þv in zw, das eigentlich nur dem goth. tv entſpricht. Merkwürdig der übergang des þl (nicht des þr) in ſl der übrigen mundarten; die anlautenden aſp. th und ph wechſeln ſonſt im deutſchen nicht, bekanntlich67I. gothiſche conſonanten. linguales. aber in andern ſprachen (ruſſiſch oft f ſtatt th), zu - weilen im deutſchen inlaut (vgl. eftho und eththo).
  • 2) inlautende. TL. TR. þL. þM. þR. gründen ſich ſichtbar auf ſyncope. vgl. ſitls, báitrs, ſnutrs, maþl, máiþms, qviþrs. SL desgleichen (vorhin unter mſ. nſ. angegeben). Wichtiger folgende: SK faſkja. gaþraſk. fiſks. atiſks. manniſks. háiþiviſks. SN. aſneis. fulhſni. hláivaſnôs. SQV. hnaſqvus. vriſqvan. ST. bruſts. lu - ſtus. kroſts. vaſtja. faſtan. þvaſts. aſts. gaſts. raſta. qviſtjan. ſviſtar. druſts. iſt beiſt. láiſtjan. áiſtan. blôſtr. gilſtr. vaúrſtv. (mſt, nſt oben bei den liq.; hſt unten bei h.), in der ll. praet. entſpringt ſt. durch zuſam - menziehung: qvaſt, báuſt, láiſt etc. und es iſt kenn - zeichen des ſuperlativs. ZD. huzd. razda. mizdô, muthmaßlich manche ähnliche, die in den bruch - ſtücken fehlen, als: uzd (cuſpis)
    *)Dieſe wurzel uzd ſichtbar in goth. namen, Οὐσδρίλας (al. rectius οὐσδίλας) Ο᾽σθας (? οὐσθας) Procop. 4, 28. 3, 19; Οὐσδη - βαδος bei Menander (exc. de legatt. p. 76. 77. 104. 105.) Oſdulfus (conc. tolet. VIII.). Das goth. Οὐσθουίν wäre ganz genau das alth. Ortwin, das nord. Oddrûn würde dem Gothen nicht anders lauten können, als Uzdrûns.
    *) bruzd (aculeus) hazd (ornatus muliebr. ) etc. obgleich ſich nur die wurzeln, nicht die endungen beſtimmen laßen. ZG nur azgô. ZN. razn, andavleizns, vielleicht auch anabuzns, wiewohl nur Stjernh. Marc. 12, 28. ſo lieſt, gewöhnlich anabuſns. ZV. izvis. ubizva. tuzverjan (haeſitare). Das verhältniß der for - meln zd. zg. zu. zv zu den übrigen mundarten iſt bisher ganz überſehen worden; zd entſpricht dem alth. rt, angelſ. rd, nord. dd; zn dem angelſ. ſn, nord. nn; zv vereinfacht ſich im alth. und nord. zu ſ wie ich aus opaſa (ubizva) toſa (tuzverjan)
    **)Mit der zweizahl und unſerm zweifeln, wie Reinwald meint, hat dies goth, wort nichts zu ſchaffen.
    **) und dem gewöhnlichen ausfall des goth. v (oben ſ. 60.) ſchließe zg geht über in ſk, ſch. Mit zd ſtimmt die gr. form σθ, in μισθὸς ſogar wörtlich mit mizdô, deren keins aus dem andern geborgt iſt, wie das angelf. meord (alth. mërt?) klar zeigt. Vielleicht liegt das lat. merces den letztern formen nahe, während das böhm. mzda erſteren zufällt.
E 268I. gothiſche conſonanten. gutturales.

(H. J. G. K. Q.) gutturales. k tenuis; g media; die aſpi - rata fehlt; h. der einfache, reine hauchlaut; j die media mit dem vocal i vermittelnd, wie v zwiſchen b und u; q ſtets mit v verknüpft und dieſes qv nichts anders als kv, daher bloßes zeichen für einen beliebten doppel - conſonanten.

(K) ſtreng von allen übrigen kehllauten geſchieden. Die anlaute im gloſſar. Inlaute, bei vorausgehendem vocal: akeit*)Zu den beweiſen, daß das lat, c vor e, i etc. den k laut urſprünglich und lange gehabt hat, (Schneider p. 244. 246. ) kann aúrki (urceus) faſkja (faſcia) lukarn (lucerna) und auch dieſes akeit gezählt werden, das die Gothen nebſt andern wörtern aus dem Latein und ſchon vor Ulphilas zeiten angenommen haben muſten. Dem richtig ausge - ſprochenen acetum fügt fich auch die alt - und angelſ. form ekid, eced, während andere mundarten die gutt. mit der ling. vertauſchen: dän. edike, ſchwed. ät - tikja, lett, ettikis, alth. eƷih. Letzteres wurde aufge - nommen, als bereits die ſpätere, ziſchende ausſprache des lat. c galt und erſt aus dem hochd. Ʒ erklärt ſich nun das niederd. t und gar dän. d in dem wort, deſſen wurzel - und endungsconſonanten auf den erſten blick bloß gewechſelt zu haben ſcheinen könnten. Der Gothe gibt auch Πόντιος durch Puntius., akrs, rakjan, ſakan, flêkan, têkan, lêkeis, rêkja, brikan, ſtikls, ſtriks, vikô, bôka, ſôkjan, vôkrs, lû - kan, lukarn, brûkja, kûkjan, áikan, láikan, táikns, áukan, leikan, reiks, ſiuks. Auslaute, die praet. ſôk, brak etc. die acc. ſtrik etc. die neutra leik, ſiuk und folgende pro - nomina und partikeln: ïk, mik, ſik, þuk, ak, áuk. In den gr. namen drückt k ſowohl κ als χ aus, zum beweis, daß der Gothe keinen laut für letzteres hatte, denn des zeichens X, welches Ulphilas für die zahl 600 als ziffer braucht, hätte er ſich ohne anſtand be - dienen können und keine verwechſelung mit dem lat. x zu fürchten gehabt, da er ξ ſtets in kſ auflöſt. Ja er ſetzt in einem falle x und nicht k für χ, nämlich ſtets in dem namen Xriſtus, der gewöhnlich abgekürzt ge - ſchrieben wird; ohne zweifel überwog hier die heilig - keit der hergebrachten ſchreibung und die creuzgeſtalt, ungeachtet Xriſtus ausgeſprochen wurde wie Krêta (Κρή - τη) Tit. 1, 5. Doch ſtehet auch Joh. 6, 4. paſxa ſt. des gewöhnl. paſka. Dem goth. k laufen das nord. k und angelſ. c parallel, im alth. aber zerfällt es in k und ch.

69I. gothiſche conſonanten. gutturales.

(G) ebenfalls an - in - auslautend. Folgende inlaute (anßer den zuſammengeſetzten formen): agis. aglu. dags. faginôn. fagrs. magan. magaþs. magus. ſnaga. tagl. tagr. þragjan. mêgs. ſvêgnjan. vêgs. ligan. rign ſigljan. ſviglja. vigs. - dôgs. ôgan. ſvôgjan. hugjan. bugjan fugls. áigan. áugô. báugjan. láugnjan. geigan. idreiga. ſteigan. liugan. Die auslaute ergeben ſich aus den fällen der inlaute; pronomen und partikel endigt nie auf g. Das bei der media b und d bemerkte ſchwanken in den aſpirierten laut findet nicht ſtatt, eben weil der Gothe keinen kehl - laut aſpiriert. Allein bisweilen wechſelt g mit dem bloßen ſpiritus h, als: aíh, áigum; juggs, juhiza; mehr hierüber beim h. Das nord. u. ſächſ. g entſpricht dem gothiſchen, der alth. laut ſchwebt zwiſchen k und g.

(J) hat in der ſchrift das zeichen des lat. g, wäh - rend der goth. g laut durch das griech. Γ gegeben wird, dieſes nimmt in der goth. alphab. ordnung die dritte, jenes die 15te ſtelle ein und folgt dem n, drückt daher (ſtatt des gr. ξ) die zahl 60 aus. Es ſteht nur, wenn in demſelben worte ein vocal darauf folgt, kann dem - nach nie auslauten, ſo wenig als das lateiniſche (Schnei - der p. 284.) wodurch es ſich von dem ſehr wohl auslau - tenden v unterſcheidet. Seine ausſprache mag der des hochd. jot gleichkommen, d. h. zwiſchen i und g, härter als jenes und weicher als dieſes, dem Angelſachſen wird es gänzlich zu g. In allen fällen iſt es conſonantiſch, begründet folglich keine filbe, ſondern ſchließt ſich an den folgenden oder vorhergehenden vocal. Als anlaut erſcheint es in: ja, jabái, jah, jái, jáins, jêr, ju, juggs, juk, jus, von dem diphthongiſchen ïup, ïumjô verſchie - den, denn ïáins, ïèr, wenn ſie ſtattfänden, würden triphthongiſch ſeyn. Ob dieſes j wurzelhaft, oder mehr gleichgültiger vorſchlag ſey, läßt ſich zum theil aus der nord. ſprache ſehen, welche es meiſtentheils abwirft, vgl. ëf, jabái; ënn, jáins; âr, jêr; ûngr, juggs; ok, juk; ër, jus; doch in ja, ja bleibt es. Die alth. wirft es bis - weilen weg, z. b. in âmer, ëner neben jâmar, jëner. Das inlautende j bezieht ſich ſtets auf eine unwurzelhafte bildungsendung i zurück, der ein vocal nachfolgt. z. b. bajôþs, ija, frijái, namentlich zeigen es die ſchwachen ſubſt, und verba, welche mittelſt des i von den ſtarken wur - zeln abgeleitet werden, als: fiſkja (piſcator), ſiujan (nere), gadráuſjan (praecipitare) etc. man ſpreche zweiſilbig bei - nahe: fiſkga, ſiugan, dráuſgan, nur etwas milder, als g. 70I. gothiſche conſonanten. gutturales. Fällt in der veränderten flexion der hintere vocal weg, ſo kehrt j in ſeinen urſprünglichen vocallaut, als ſivida (nevit) dräuſida (praecipitavi[t]). Die regel war ſchon oben ſ 37. bei dem I. entwickelt, ſo wie ſ. 58. bei dem V. gezeigt, daß ſich die diphthongen ái und ei, bei fol - gendem vocal, nicht in aj, ej wandeln z b. armáiô, þáiei, habáiûh*)Ausnahme ſcheint vái (vae!) und vajamêrjan; bái und bajôþs.. Hier bleiben einige fälle zu erwähnen, wo Ulphilas ſchwankt, er ſchreibt ſáian (ſerere) ſáians (ſatus) ſaiada (ſeritur), aber ſaijands (ſerens) ſaijiþ (ſerit), gleich als ob neben der ſtarken form ſaian eine ſchwache ſaïjan beſtände. Er ſchreibt fijan (odiſſe), fijands (ini - mici) gewöhnlich, ausnahmsweiſe fiáis (μισήσεις, Matth. 5, 43.) und fiand inimicum Matth. 5. 43 Neh. 6, 16); frijôn (amare), frijônds (amicus) aber friaþva (amor). Ich halte die eliſion des j. in fiáis, fiands, friaþva für ungenau, kommt ſchon letzteres viermahl ſo geſchrieben vor und nicht anders. In fremden eigennamen wagt Ulphilas kein goth. j. einzuführen, wenn es bei folgen - dem vocal ſtehen müſte; es heißt ſowohl im anlante: ïakôb, ïèſus, ïôſêf etc. als im inlant: mariam (dreiſilbig) zakarias (vierſilbig), abiaþar etc. Die ausgaben verſtoßen manchmahl hierwider, Junius hat Luc 8, 41. richtig ïaeirus, Marc 5, 22. unrichtig jaeirus. In Fuldas namen - regiſter iſt meiſt alles falſch.

(H) an-in-auslautend. Inlaute (zwiſchen zwei vo - calen oder zw. vocal und unweſentlichem ſ. ): aha ahaks. ahan. fahan fahên. fahêds. hahan. hlahjan. klahs. lahan. ſlahs. tahjan. þahan. þvahan. vahs. hôha. ſkôhs. vrôhs. faíhu. haíhs. taíhun. þlaihan. aúhjôn. faúhò. haúhs. teihan. þlaíhan. aúhjôn. faúhô. haúhs. teihan. þeihan. þreihan. veihs. liuhaþ. tiuhan. þliuhan. Von dem verbundenen h bald beſonders. Der auslautenden, außer dem neutr. acc. imp. und praet. der inlaute, als: klah, vah, ſlah, ſkôh, ſrah, haihah. faúrhah, ganah, tánh die parti - keln náuh, þáuh. jah, - ûh. Man überſehe nicht. daß das in - und auslautende h kein kurzes (einfaches) i ſelten u vor ſich leiden, für - uh ſind mir bloß drei fälle zweifelhaft, die anhangspartikel - uh, die ich eben daher lieber - ûh annehme, juhiza und huhrus. welche beide letztere aus - ugg contrahiert ſind und daher viel - leicht ûh haben könnten. In allen fällen, wo die übri -71I. gothiſche conſonanten. gutturales. gen mundarten ein goth. i und u vor dem h erwarten ließen, zeigt ſich ein aí oder aú, einigemahl vermuthlich ái, áu. Das gilt auch von dem ht. hſ. hſt., wird für die praet. pl. einiger ſtarken verba, und für die ver - gleichende etymologie insgemein wichtig, fällt aber auf, da ſich h ſo gerne nach kurzem a und zwiſchen zwein a einfindet. Letzteres geht ſo weit, daß gr. ei - gennamen, welche αα zuſammenſtoßen, ein h eingeſcho - ben wird, als: Ἀβραὰμ, Ἀαρὼν, Μαὰθ, Ναασσὼν, goth, Abraham. Aharôn, Mahaþ, Nahaſſôn; kaum andern ſich berührenden vocalen, z. b. βεελζεβȣ[`]λ, γέεννα, Ἰσραὴλ, Γαβριὴλ. Σιλωὰμ, Σιὼν, goth. baíaílzaíbul, gaíaínna, lſraêl, Gabriêl, Silôam. Siôn. mit ausnahme jedoch von lôhannês, Ἰωάννης, Bêþlaíhaím, Βηθλεὲμ*)Alt - und mittelh. auch Iſrahêl, Rafahêl, Gabrihêl, Danihêl. Die lat. übertragung hat gehenna, Abraham, Johannes, aber nicht behelzebul etc.. Der Gothe liebt folglich den hauchlaut in der mitte zweier a, braucht ihn aber auch nach den diphthongen, nicht nach i und u, aus ähnlicher urſache meidet er das r vor dieſen beiden einfachen lauten, obgleich ſich hier einige ſeltene aus - nahmen finden (hiri). Der anlaut h, inſofern er mit keinem conſonanten verſetzt iſt, gleicht ſich in allen deutſchen ſprachen, wechſelt auch nicht mit andern buchſtaben; er mag bloß härter (ch) oder weicher ge - ſprochen worden ſeyn. Fremde ſprachen lehren genug übergänge des h in andere laute, namentlich in f und ſ; nicht unwichtig war es mir, das litth. ſz häufig dem h (und in wörtern, wo die lat. unadſpirierte gutt. c herrſcht) gleich zu finden, z. b. ſzalmas, helm; ſzimtas, hundert; ſzirdis, herz; ſzuns, des hunds; ſzaltas, kalt etc. etwa wie den Franzoſen ch = ſch lautet.

gemination inlautender gutturales.

(KK) nur ſakkus (σάκκος) ſmakka (ſicus, ſlavon. ſmokvenika, dalmat. ſzmokva) aíkklêſjô (ἐκκλησία) ur - ſorünglich fremde wörter; dahin auch der eigenname Zakkáius (Ζακχαῖος). (GG) iſt häufig: aggvus. gaggs. laggs. glaggvus. vaggareis. draggkjan. driggkan. þaggkjan. þuggkjan. bliggvan. briggan. figgrs. iggqvis. ſiggvan. huggrjan. hrugga. juggs. pugg. tuggô, hat alſo nur nach einfachem vocal ſtatt. In den fremden wörtern aggilus, áivaggêljô, Naggeis ſtimmt es ganz zu dem gr. γγ in ἄγγελος, εὐαγγέλιον etc., der Grieche geſtatter es auch72I. gothiſche conſonanten. gutturales. nach doppelvocalen, z. b. ἤγγειλα (nuntiavi). Dieſes goth gg wandelt ſich durch alle andere mundarten in ng. iſt auch gewiß von den Gothen mit naſallaut aus - geſprochen worden. Ob indeſſen Ulphilas die ſchrei - bung gg*)Sie war ſchon altlateiniſch, ſ. Schn. p. 316. 317. denGriechen abgeborgt habe? bleibt eine andere frage und es könnte ſeyn, daß der goth. naſenlaut gg von dem heutigen ng verſchieden war, etwa zwiſchen ng und hh ſchwebend, wofür theils der übergang von juggs, huggrjan in juhiza, huhrus, theils der umlaut áih in áigum (ſt. áihum) redet. j und h geminieren nie.

gutturalverbindungen.

  • 1) anlautende. KL. KN. KR. GL. GR; am wichtigſten für die hiſt. grammatik ſind die mit h. HL. hlahan. hláibs. hláins. hláiv. hláupan. hláuts. hleibjan. hleidu - mei. hleiþra. hlifan. hlija. hliuma. HN. hnáivjan. hnaſqvus. hniupan. HR. hráins. hráiv. hramjan. hrei - ſan. hrôpjan. hrôt. hrugga. hruk. HV. (wofür das ein - fache ſchriftzeichen dient) hvas (quis) mit allen ver - wandten. hvapjan. hvaþô. hvaírban. hváiteis. hveila. hveits. hvilftri. hvôtjan. Dieſes h muß ſcharf vorge - ſchlagen haben, weil ſich damit wörter wie hlahan (ridere) lahan (vituperare); hláibôs (panes) láibôs (reli - quiae); hlifan (furari) lifnan (ſupereſſe); hreiſan (con - cuti), reiſan (ſurgere); hvaþô (ſpuma) vaþ (ligavit); hveitjan (albare) veitjan (intendere) und andere, die nichts zuſammen gemein haben, genan ſcheiden. Es findet ſich noch in den übrigen älteſten mundarten auf gleiche weiſe, ſchwindet aber in den neueren allmäh - lig, wodurch nachtheilige vermiſchung und verluſt mancher wurzel entſpringt. Dem hr entſpricht das gr. ῥ und lat. rh (Schn. p. 212 214.); dem hv zuwei - len das lat. qv. (hvas, quis) und litth. kw (hváiteis, kwetys); ich darf auch das gr. κλέπτης (hliftus) κλαίειν, κλάειν (hlahan, beides weinen und lachen bedeutet: ſchallen) anführen, um den merklichen und wurzel - haften vorſchlag des h. zu beſtätigen. Der böhm. ſprache iſt er noch geläuſiger, indem ſie anßer hl. hn. hr. hw. auch hb. und hm darbietet, die pohln. aber ſetzt g ſtatt dieſes h. QV. wird von Ulphilas mit einem beſonderen buchſtaben geſchrieben, der beinahe dem lat. u gleicht, allein in qv (oder kv) aufgelöſt werden muß, nicht in qu, da auf ihn noch ein andrer73I. gothiſche conſonanten. gutturales. vocal folgt, namentlich n ſelbſt, welches bei folgen - dem vocal ſtets zu v wird. Auch das auslautende qv entſcheidet hierfür, z. b. vráiqv (curvum) ſagqv (occi - dit), den andern fällen des auslautenden v vergleich - bar. Die anlaute qv gibt das gloſſar, nur in dem einzigen qvrammiþa (ἰκμὰς, Luc. 6, 8.) ſtößt ein con - ſonant daran; das wort iſt höchſt verdächtig (vgl. Ulphil. illuſtr. p. 60.).
  • 2) inlautende. Die formen kl. kn. kr. gl. gn. gr verra - rathen den ausgeworfenen vocal und ſcheinen für die buchſtabenlehre unbedeutend. Bedeutender folgende: GM, nur bagms, es mag aber mehrere
    *)z. b. ſagm (ſella, olitellae) alth. ſaum, gr. 〈…〉〈…〉άγμα, wo die ähnlichen δράγμα, νάγμα, τάγμα, πρᾶγμα, φράγμα, χαράγμα etc. auf das thema - άττω, - άσσω zurückweiſen.
    *) gegeben ha - ben, ſcheint das nord. dm (badmr, fadmr), alth. baum. GV. QV. GGV. GGK, bei v und gg angegeben. GQV nicht gleichviel mit ggk, ſondern v ſchlägt nach; gqv verhält fich alſo zu ggk, wie ggv: gg. Nur ſig - qvan und ïgqvis, letzteres auch ïggqvis, Luc. 19, 31. ſogar ïnqvis (Jun. ïzqvis. Stjernh. ïzvis) geſchrie - ben. HM. ahma, hiuhma. milhma. HN. þraíhns. HR. huhrus. ſvaíhra. HS. ahs. ſaíhs. veihs. vahſjan. taíhſvô. niuhſeins. fulhſni. rôhſn. aúhſns. vaíhſta. maíbſtus. vahſtns. ſkôhſl. Dies hs entſpricht dem gr. ξ und lat. x. vgl ἑξ, δεξιὸς, ſex, dexter mit ſaíhs, taíhſvs, iſt aber nie anlaut. Die gr. ξ in eigenna - men gibt Ulph. durch ks (Alaikſandrus. Arfakſad) wel - ches ks in keiner goth. wurzel, ſondern nur bei ver - bindung des geſchlechtszeichens mit dem k der wur - zel vorkommt (reiks, ſiuks). HT. mahts. nahts. ahtáu. vahtvô. uhtvô. raíhts. vaíhts. ſlaíhts. friſahts. inſahts. innagahte gaþlaíhts. þlaúhts (Marc. 13, 18. þláuhs) daúhts. draúhts. ſaúhts. raúhts (rugitus). daúh - tar, und die praet. mahta, aíhta, þahta, þuhta, ôhta, vaúrhta, faúrhta. Alle ht wandeln ſich nord. in die gemination tt; entſprechend iſt das lat. ct (octo, noctis, rectus). HV, oben unter v angeführt, dem ahva entſpricht das lat. aqva.

Nach abgehandelter goth. buchſtabenlehre eine an - merkung über aſſimilationen bei Ulphilas zwiſchen zwei ſich berührenden wörtern. Der fall iſt, wenn ein pro -74I. althochdeutſche buchſtaben. nomen oder eine partikel mit þ beginnt und eine vor - hergehende partikel oder ein pronomen mit vocal oder h oder ebenfalls mit þ ſchließt, ſo inclinieren beide wörter und aſſimilieren häufig ein doppeltes þ, als: duþþè, (Matth. 27, 8.) miþþan, ûþþan, niþþan, aþþan áiþþán*)Dieſes allein weiß ich kaum genügend zu zerlegen; zwar der hintere theil, die partikeln þáu, iſt klar, was aber áiþ oder aíh bedeute? nicht. Vgl. das alth. ëddô, odô angelſ. oððe., náuþþan, þáiþþan (Rom. 12, 4.) ſumáiþþan (Matth. 26, 67. Joh. 11, 46.) jaþþans (Tit 1, 9.) jaþ - þuk (Philem. 19.) ſtatt du þè, miþ þan, ûh þan, nih þan, at þan, náuh þan, þái þan, ſumái þan, jah þans, jah þuk; häufig ſtehen beide wörter getrennt und auf die letzte weiſe. Die ambroſ. hſſ. ſcheinen die aſſimi - lation noch auf andere conſonanten zu erſtrecken, ich finde janni (Matth. 25, 42, 43, 44.) jaſſa (Matth. 26, 2, 71.) ſtatt jah ni, jah ſa (wie der cod arg. Matth. 26, 71. hat). Matth. 5, 37. bindet ſich auch das hülfszeitwort mit der partikel: ſijáiþþan f. ſijái þan, doch nie andere verba oder nomina z. b. für þái þaúrnjus dürfte nicht þáiþþaúrnjus vorkommen.

Althochdeutſche buchſtaben.

Es iſt kein alth. ſprachdenkmahl vorhanden, das uns die verhältniſſe der buchſtaben ſo feſt beſtimmte, wie Ulphilas die der gothiſchen; viel genanigkeit zeigt ſich in Notkers werken. Ein anderer anſtoß macht aber noch mehr zu ſchaffen, bei Ulphilas lag eine einzige, ſicher begränzte mundart vor; hier begegnen wir ver - ſchiedenen, zwar nahe verwandten und verfließenden, allein manche beſonderheit kundgebenden mundarten, deren gränzen, weil die quellen zu dürftig oder land - ſchaftlich ungewiß ſind, ſich eben nicht deutlich dar - legen laßen. Wenigſtens jetzt noch nicht; vielleicht daß es zukünftig gelingt, hinreichende eigenthümlich - keiten des alemanniſchen, bairiſchen und fränkiſchen dialects oder noch mehrerer, abzuſtecken und hernach buchſtaben und formen eines jeden derſelben für ſich zu behandeln. Alle einzelnen ſpuren ſolcher beſonder - heiten werde ich ſorgſam herausheben; wer erwägt, wie in den zeiten des 7. bis zum 11 ten jahrh. von welchen es ſich hier zunächſt handelt, die früher mehr75I. althochdeutſche vocale. bewahrte nationalität der hochdeutſchen völkerſchaften politiſch in einander übergehen und ſich berühren muſte, wird das bedenkliche der unterſuchung zugeſtehn. Wei - chen doch denkmähler, die beide an einem und dem - ſelben ort, wenn ſchon nicht gleichzeitig, hervorgegan - gen ſind, ich meine Keros und Notkers arbeiten, in manchen lautverhältniſſen ſo bedeutend von einander ab, daß man kaum geneigt bleiben dürſte, ſie der näm - lichen mundart zuzuſchreiben.

Althochdeutſche vocale.

Ich werde zuerſt die einfachen, dann die gedehn - ten*)Die runenalphabete drücken unter den vocalen eigentlich Die gedehnten aus und benennen auch ſie vorzugsweiſe., endlich die übrigen doppelten vocale abhandeln. Die ganze reihe ſcheint vollſtändiger und mitunter fol - gerichtiger als die gothiſche, was größtentheils aus der mannigfaltigkeit der mundarten, zum theil von den um - lauten, die der Gothe nicht kennt, herrührt.

(A) a, der reine laut in unzähligen wörtern (durch ſpätere runen von dem unterſchieden und aſk be - nannt), völlig dem goth. a gleich, ſeine kürze noch wirkſam in dem anhebenden und ſteigenden verdoppeln einiger conſonanten, namentlich des darauf folgenden f und Ʒ. Von der verwandtſchaft des lat. kurzen o ließen ſich die beiſpiele mehren, vgl. mani, manòn, rat etc. mit monile, monere, rota**)In deutſchen mundarten ſelbſt iſt der übergang des a in o höchſt ſelten, doch gehört dahin halôn (arceſſere) J. T. und gl. jun. 196. aber holôn. O; vgl. den wechſel der adj. endung - aht und - oht; auch unten die bemerkung beim diphth ou.; aber auch die von ein - ſtimmendem a, als: aha, aran, gans, naſa, waba, fater, palz vergl. mit aqva, arare, anſer, naſus, favus, pater, baltens. Den Römern iſt alſo wohl zu trauen, daß ſie in deutſchen eigennamen wie batavi, chamavi, marco - manni, vandali, chatti, marſi, langobardi, mattium, mannus, vangio, arpus, araris, vahalis etc. den laut des a getroffen haben***)Gleſum, Tac. Germ. 45 Plin. hiſt. nat. 4, 30. 37, 11. werfe man nicht ein; es wird einem nördl. volksſtamm zuge - ſchrieben und ſtimmt mehr zum nord. gler, als zum hochd. glas.; in den beiden erſten zeigt76I. althochdeutſche vocale. ſich die ſilbe ba - cha - unſtreitig kurz. Zugleich geht hervor, daß in jener frühen zeit noch an keinen um - laut des a bei folgendem i zu denken iſt, vgl. arminius, albis, ſcaldis, amiſia, aliſo, arpus, canninefas, aſcibur - gium, angrivarii etc., da die Römer, wenn ſie hier kei - nen a laut hörten, gewiß ihr e geſchrieben hätten; er - weislich lauten gerade dieſe wörter ſpäter um, vgl. erbe, elbe, ſchelde, ems, eſcheburg, engern. Es fragt ſich alſo überhaupt: wann hat der umlaut des hochd. a in e begonnen? Dies wird hernach bei dem e näher gezeigt werden, hier ſind vorerſt aus der früheren zeit weitere belege für die ungeſchwächte kraft des a anzu - führen, aus Ammianus Marc.: agilimundus, hariobau - des, laniogaiſo, carietto; aus Vopiſcus: halidegaſtes. In den diplomen vom 6-9. jahrh. unzählige namen auf adil - (ſt. adal), agil -, albi -, amil - (ſt. amal), ari -, angil -, magin -, ragin - etc. in welchen ſpäter entſchie - den das a in e umlautete. Da aber eigennamen halb außer dem laufe der eigentlichen ſprache liegen und in ihnen die alten laute länger haften; ſo können ſie nicht die zeit des völligen untergangs des a in dem e lehren. Nachſtehende belege ſind daher aus den alth. denkmäh - lern ſelbſt geſchöpft. Die gl. ker. haben: flazzi (area) kidrawit (minitatur) piwarjan (prohibere) furiſazzju (praepono); die gl. hrab. alpiƷ (cignus) harjôn (praedari) harti (durus) etc. die gl. caſſ. farhir (porci) chalpir (vi - tuli) canſî (anſeres) hanîn (gallina) anti (et). Iſidor hat noch: angil, gardhea (virga), ſalbídha (unctio) mahtîg (potens) aldin (veteris) dhrîfaldin (trino) foraſagin (pro - phetae) chiſcaftim (creaturis) bînamin (cognomine) arbes (haereditatis) andine (fronte) chiwaldidha (poteſtas) ſtan - dit (ſtat). Kero: ſtarchiſto (fortiſſimus) tagalîh (quotidia - nus) managî (multitudo) kihaltida (obſervantia) lantſcaffi (provincias) antfangida (acceptio) armida (miſeria) alti - nôn (diſſimulare) kihalſit (amplexus) unmahtîg (infirmus) zaharim (lacrimis) ſalmin (pſalmo) karawit (parat) armi - hërzèr (miſericors) etc. Otfried: ganzida (ſalus) ſarphida (acrimonia) zaharin (lacrimis) mahtin (viribus). Tatian: arni (meſſi); doch es wäre überflüßig, in beiſpielen fort - zufahren, meine anſicht iſt folgende. So weit die älte - ſten quellen alth. ſprache hinaufreichen (gewiß ins 8te, vielleicht ins 7te jahrh. ) erblicken wir den reinen a laut, ſobald ein i der endung nachfolgt, nicht mehr ausſchließlich, wie früher, ſondern daneben den um - laut e. Das verhältniß ſchwankt, doch vielleicht nicht77I. althochdeutſche vocale. geſetzlos, ſondern nach ſtufen. 1) wurzeln deren bloß ein einfacher conſonant folgt, mögen höchſtens noch im 7ten oder anfang des 8ten den vocal vor dem umlaut geſchützt haben, z. b. warjan (defendere) hari (exerci - tus) halid (heros). Später hieß es werjen, heri, helid, ſelida (manſio), ſicher im 9ten nie anders. Ausnahme machen etwa zuſammenſetzungen, wo ſich oft das alte (wie in eigennamen) befeſtigt; ſo hat man von pînamo, ſoraſago den gen. pînamin, foraſagin fortgeduldet, wäh - rend vom einfachen namo bereits nemin galt; J. 406. ſogar alilendi (captivitas) wo ſonſt gerade das umge - kehrte elilandi natürlicher ſcheinen müſte. 2) iſt hin - gegen poſition in der wurzel, ſo hegt ſie den reinen laut länger, daher noch im 8. 9ten jahrh. arbi, mahtin, angil, - ſcaffi, arni etc. nur allmählig immer ſeltner und neben dem umlaut. Bei Iſidor pînamin, angil, arbi; bei Kero pînemin, engil; in gl. doc. noch paldida (au - dacia) zurgangida (deſtructio), Otfr. und Tat. beldida, flezzi, nezzi, Notker zegengeda. 3) über eine mitt - lere ſilbe hin wirkt das i früher noch nicht den um - laut in die wurzel, daher zaharî, ſtarachiſt, garawit; in ſolchen fällen behält ſelbſt Notker, der es ſonſt faſt beſtändig*)Scheinbare ausnahmen ſcamil (ſcabellum) 98, 5. ſcadil (no - civus) 100, 2. gagen (contra) etc. die alte endung war a, ſcamal, ſcadal, gagan und das i ſteht fehlerhaft für ton - loſes e. umlautet, das alte a bei allendî (captivitas), garewet, bis ſich noch ſpäter auch hier der umlaut ein - drängt, mittelh. gerwet. Je eher man ſich an die con - traction gewöhnte, deſto leichter, daher ſchon alth. ſterchî (fortitudo). Die wahrnehmung dieſes natürli - chen, in dem buchſtabenverhältniß begründeten ſtufen - gangs ſcheint mir ſchon hinreichend die meinung abzu - weiſen, daß der umlaut des a in e jederzeit beſtanden habe, aber zuerſt gar nicht**)Von dieſer nichtſchreibung eines vorhandenen umlauts, die allerdings für ſich hat, daß die ſchrift der veränder - lichkeit der laute nicht auf dem fuße folgt und oft ganz zurückbleibt (wie im engliſchen), fällt mir ein hierher gehöriges beiſpiel ein. Die Franzoſen ſchreiben païs, ayant und ſprechen peïs, eyant., dann ungenau, endlich durchgängig im ſchreiben bezeichnet worden ſey. War - um ſchrieb man denn in der ungenauen zeit niemahls hazi, halid, ſalida? oder in der älteſten niemahls ſelbi - da, ermida? Und wirkte das i ſtets einen geſprochenen,78I. althochdeutſche vocale. wenn auch ungeſchriebenen umlaut bei dem a, ſo müſte das nämliche für andere vocale behauptet werden, de - ren umlaut ſpäter in ſchrift und ausſprache vortritt. Wäre dem aber ſo, warum ſollte man ſich nicht auch, wenigſtens zuweilen, damit abgegeben haben, ihn in der ſchrift auszudrücken? Alth. quellen weiſen jedoch kein beiſpiel vom umlaut des in æ, des in œ, des o in , des u in , wohl aber beginnt der des in iu mit dem 10. jahrh. ſchwankend. Auch ſcheint es mir von jeher der hochdeutſchen ſchreibung eigen ge - weſen. ſich treu und ſoweit die mittel reichen, nach der ausſprache zu richten.

(E) e, zerfällt in zwei ganz verſchiedene laute, die ſich in der ausſprache zwar ähnlich ſind und gewiß in der heutigen mehr vermiſchen, als in der älteren; noch im 13. jahrh. reimen genaue dichter wörter mit beiderlei e nicht aufeinander. Ihre verſchiedenheit geht aber auch deutlich aus ihrem urſprung hervor. Gleich - wohl werden ſie niemahls von einander ausgezeichnet, ſondern in allen alt - und mittelh. hſſ. mit dem nämli - chen buchſtab geſchrieben. Ich war lange unſchlüßig, welche ſchickliche bezeichnung einzuführen ſey und trete mit dem, was ich jetzo vorſchlage*)Erſt hatte ich das litth. einpunctige e gewählt, zog aber hernach das zweipunctige vor, das ſich in den meiſten druckereien befindet. Lachmann ſetzt für mein e und e für mein . Das iſt hiſtoriſch und aus lat. hſſ die es für ae ſchreiben, in alth. und nord. übergegangen, die es denn gleich dem æ für , zuweilen für und e gebrauchen (ſ. unten beim , aus dieſem ſchwanken und dieſen aus - nahmen wollte ich keine regel machen. Das ſchien mir beßer den dem i näheren laut zu bezeichnen und beßer dem goth. aí, nord. ia (woneben auch gilt) etc. zu ent - ſprechen. Nimmt man es an, ſo bleibt das gewohnte e fürs umlautende a und kein wird nöthig. Umgekehrt möchte manchen das für den umlaut, das e für den aus i oder aí entſpringenden laut gefallen, wodurch theils die ſich ſo[analogen] e und o (aus u und aú entſpringend) theils die umlautszeichen , , auf eine reihe kämen. Allein dann hätte man offenbar nicht , ſondern für den umlaut ſchreiben müßen, was doch einſprache leidet. Nicht unbedeutend für die anſicht des e-lauts überhaupt ſcheint, daß die alten runen ihu durchaus nicht bezeichnen, weder e noch , ſondern beide mit a oder i ausdrücken. Zwar die ſächſiſchen geben ſpäter ein e-zeichen, wel - ches ſie ehu (equus) benennen; man kann es aus dem nord. gern zurück,79I. althochdeutſche vocale. wenn ſich eine vorzüglichere finden läßt, merke auch ein für allemahl an, daß der unterſchied lediglich auf das hoch - und allenfalls tieftonige e anwendbar iſt. Von dem unbetonten und ſtummen kann gar nicht mehr geſagt werden, ob es wie e oder laute, keins von beiden würde dafür ausreichen, da es ſich ſelbſt aus dem o, i, u und andern lauten entwickelt. Für das tonloſe und ſtumme e werde ich mich alſo des ge - wöhnlichen zeichens fortbedienen, es mag nun aus ei - nem alten , i, o, u oder aus noch andern entſprun - gen ſeyn. Dergleichen tonloſe e häufen ſich freilich erſt recht im mittel - und neuhochdeutſch, zeigen ſich aber ſchon in den älteſten denkmählern unſerer mundart, z. b. in dem worte fater und ähnlich endenden, wo man nie der endung - ar oder - ir begegnet. Dieſes e iſt kein wurzelhaftes e (d. h. umlaut des a), denn wo wäre die umlautwirkende endung i? ebenſowenig läßt ſich darin ein , a, i, u mit ſicherheit nachweiſen, de - ren es jedes geweſen ſeyn könnte. Man vergleiche die nord. ſorm fadir; auch da ſcheint die tonloſe endung kein eigentliches i zu ſeyn, weil ſie nicht den umlaut des a erregt. Der Gothe kennt kein ſolches e, ſein in dem gen. pl. entſpricht dem alth. und überhaupt ſind alle vocale ſeiner unbetonten endungen noch ge - nau beſtimmt, während ſie im alth. ſchon bedeutend ſchwanken*)Mehr unten, bem. 〈…〉〈…〉. zu den alth. voc.. Hier alſo wird bloß von dem e und in der wurzel gehandelt.

Das e, welches als umlaut des a, verurſacht durch ein nachfolgendes i oder betrachtet werden muß, hat ſich nach dem vorhingeſagten, vermuthlich ſeit dem 6. und 7. jahrh. entwickelt und in den folgenden fort - ſchreitend ausgebildet, ſo daß es von dem 12. 13ten an in jenem falle gänzlich das a vertritt. In den aufbe - haltenen deutſchen eigennamen vom iten bis zum 6ten findet ſich, wie im gothiſchen überhaupt, gar kein ſol - ches e, ſondern alle ſcheinbar darin vorkommenden weiſen ſich entw. als oder als aus. Nach dieſer zeit fangen die e an, glaublich zuerſt in ſilben ohne po - ſition (daher die eigennamen eribo. helidbërt, heribërt, neribërt, werinhart, megilo, meginrât, reginhart etc.) *)jôr, gen. jôs oder aus eikr erklären. Sicher aber bedeutet dieſe rune nicht den umlaut des a, ſondern entw. oder das gedehnte . Das lat. equus hat ein kurzes[e].80I. althochdeutſche vocale. dann auch in poſitionellen (engilràt, nendilo, eſkirîh u. a.). Die gl. caſſ. haben ſchon: zendi (dentes) lenti (renes) lempir (agni). Iſidor zeigt: nemin (nominis) hebit (habet) meghin (virtus) ſtedi (loco) redha (ratio) edhili (genus) ſweri (jura) mendit (gaudet) chiſendit (miſſus) wendu (verto) chimengid (mixtus) feſtinôn (fir - mare) endi (et) heftida (fixit) nerren (ſalvare) reſtida (manſit) etc. Kero: megi (poterit) ekî (diſciplina) fre - midi (peregrinus) ſelida (manſio) nemin (nomine) eribun (heredes) redja (ratio) zelita (numeravit) kremita (afflixit) enkemu (anguſto) autlengan (reſpondere) giſpenſtim (ſua - ſionibus) refſì (argue) unſemftî (durities) engilum (ange - lis) ſkemmiſt (breviſſimum) etc. Das übergewicht des e hat ſich deutlich entſchieden und es wäre überflüßig aus ſpäteren denkmählern weitere belege beizubringen Überall iſt dieſes e offen und einfach wie in dem heu - tigen: menge, ende, fremd auszuſprechen oder wie das lat. e in perennis, ineptiae etc. welche ganz auf gleiche weiſe für umlaute des a gehalten werden müßen. (Schnei - der p. 9.). Es wechſelt mit keinem andern vocal, man müſte denn das unten bei dem w näher zu beſprechende ſchwanken zwiſchen ew und ôw hierhernehmen wollen.

Das lautet geſchloßen und unſicher, zwiſchen dem i und einem doppellant ſchwebend, (wie noch heut zu tage in: leben, degen, geld, werden und etwa das lat. in ſex, dexter, verto, fero) ſcheint aber ſchon von früh - ſter zeit an ſo beſtanden zu haben. Wir finden es bei den Römern in wörtern, denen entſchieden ein i ge - bührt, als ſëgeſtes, ſëgimêrus, ſëgimundus, hërmunduri, hërminones, treviri, vënedi, wo aber niederdeutſche mundarten gleichfalls eingeführt haben, z. b. ſëge, ſëde (victoria, mos). Strabo ſchreibt: σεγέστης (al. σαιγέστης), ἑρμόνδοροι, μέλων (offenbar milo) und daneben: σαιγιμῆρος (al. σιγιμῆρος) βαιτόριτ. Dem hochd. entſpricht es in hërtha und andern, vermuthlich in vëleda, gëlduba. Dem römiſchen ohr ſchwankten dieſe wörter zwiſchen und i, welches andere haben als: viſurgis, (viſara, ſpäter wëſer) friſii (niederd. frëſen), cimbri, brinno (ein canninefas, Tac. hiſt. 4, 15, womit das bekannte βρέννος, Pauſan. 10, 19 etc. zu vergl. ); zur näheren beſtimmung dieſes unſicherſten lauts folgende ſätze

  • 1) ihm entſpricht das goth. aí (nicht ái) bei folgendem h und r, vergl. ſëhs (ſex) rëht (rectus) wëht (aliquid, gewöhnlicher wiht), ſëhan (videre) zëſawa (ſt. zëhſawa,81I. althochdeutſche vocale. dextera) ërren (ſeducere) bëran (ferre) fërſna (calx) hërza (cor) etc. Jenes αι bei Strabo für oder i iſt merkwürdig, da auch lat. ſchriftſteller das goth. und byzant. aí durch ausdrücken (oben ſ. 46.). Diph - thongen entwickeln ſich wohl aus zuſ. gezogenen ein - fachen vocalen mehrerer ſilben, nicht aber aus einzel - nen einfachen; umgekehrt treten einfache ſpäter an die ſtelle älterer doppellaute, wie das lat. ai, ae zu und ſelbſt zu kurzem e wird (Schn. p. 53. 55.). In unſeren wörtern ſcheint mir daher aí älter und jün - ger, letzteres iſt entſchieden kurzer, aus der miſchung wieder einfach gewordner laut, der zuweilen in das kurze i übergeht, wie die wörter ſihu (neben ſëhu, goth. faíhu) und miſt (miſit, früher wohl mihſit, goth. maihſtus) darthun.
  • 2) in den wörtern, wo dem kein h und r folgt, ent - ſpricht das goth. i, vgl. gëban, lebèn, rëgan, lëſan, weg, hëlfan, gëlt etc. mit giban, liban, rign, liſan, vigs, hilpan, gild. Manche können wir nur nicht in den goth. bruchſtücken vergleichen, ſo z. b. würde dem alth. zëpar (oblatio) ein goth. tibr entſprechen; überall ſcheint hier wiederum jünger als i theils weil in ganz analogen conſonantverhältniſſen das i ge - blieben iſt (denn warum ſollten ſibun, ligan, himil, gibal etc. andern geſetzen folgen als gëban, dëgan, në - man, nëbal etc.?) theils im niederd. die verwandlung in noch weiter umgreift (vgl. ſëven, hëmel, gë - bel u. a. m.).
  • 3) die innige verwandtſchaft aller alth. , ſowohl der aus dem goth. ai als i ſtammenden, mit dem i ſließt aus dem vortreten des i in gewiſſen flexionen und ableitungen der wurzeln, die das an ſich tragen. Hauptfall iſt der ſing. praeſ. ſtarker conj. vgl. wër - fan, wirfu, wirfis, wirſit; gëban, gibu, gibis, gi - bit und alle ähnlichen. Sodann ableitungen: knëht, giknihti (famulitium); thëgan, githigini; gëlſtar (tri - butum) gilſtrjo (tributarius); wëtar, giwitiri; ſtërro, giſtirri; ſëdal, giſidili; bërg, gibirgi; fëld, gifildi; ërda, irdiſk; ſterban, ſtirbig; ſpër, ſpirili (ſagitta); ſcërm (defenſio) ſcirmen (defendere); bëran, birig (fer - tilis); ferro, irſirrên; hërza, gahirzan (concordare) etc. Hier entſpringt die bedenkliche frage: gibt es einen umlaut des in i? ſcheinen die angeführten fälle nicht andern, wo der umlaut offenbar iſt, analog? F82I. althochdeutſche vocale. nämlich in der conj. dem praeſ. malan, malu, melis, melit etc. in der ableitung dem man, menniſk; haſal heſilîn (colurnus), tanna, tennîn (abiegnus). Näher erwogen vermag ich keinen umlaut des in i anzunehmen, a) der umlaut trübt den reinen vocal, i aber iſt ſelbſt einfacher, reiner laut. b) die endung i müſte dann überall das umlauten, nie aber wird man zu hërza den gen. hirzin finden. c) die endung i lautet a in e um, faran, ferit, ferjan (transfretare); aber ſo bald ſie wegfällt, hört der umlaut auf, daher faru (veho) und im imp. far! mal! (mole). In unſern fällen waltet alſo ein anderes geſetz, denn es heißt neben gibit, wirfit auch gibu, wirfu, gip! wirf! Die ableitungen irfirrên, gahirzan zeigen ebenſowenig ein endungs-i. Aus dieſen gründen halte ich das mit wechſelnde i für keinen umlaut, vielmehr für den in gewiſſen flexionen und ableitungen länger haften - den, urſprünglichen laut, der von der endung unab - hängig ſich zuweilen noch feſter erhalten (z. b. durchs ganze verbum ligan), zuweilen ungeachtet der endung verloren hat (z. b. von knëht heißt das adj. knëhtiſk, nicht knihtiſk). Vgl. was unten über die ähnliche er - ſcheinung des u ſtatt o, des iu ſtatt io geſagt wer - den wird.
  • 4) die beobachtung des richtigen lautes e und unter - ſcheidet viele wörter, z. b. bëro (urſus) beri (bacca); hëra (huc) heri (exercitus); namentlich ſtarke verba von den abgeleiteten ſchwachen z. b. ginëſan (ſanari), ginerjan (ſanare); gizëman (decere), gizemjan, (do - mare); bëran (ferre), berjan (ferire) etc.
  • 5) einige doch ſeltene übergänge des in o erinnern an das parallele angelſ. eo und die oben ſ. 44. bemerkte verwandtſchaft des lat. o, überhaupt aber an das ab - lautsverhältniß zwiſchen nëman und ginoman. Ein merkwürdiges beiſpiel iſt Otfrieds worolt, da alle an - deren alth. quellen wëralt haben. Aehnlich wola (bene) O. T. N. und wëla K. gl. jun.; ſo wie das ſubſt. wolo (opes) altſ. wëlo, angelſ. wëla; oder muß ſtatt ein ſtehen? vgl. goth. váila und im verbum das ältere wëllent mit dem ſpäteren wollent, wobei das lat. bonus und bene (mit kurzem e), volo und velle ſelbſt erläutern. Vgl. oba (num) goth. ïba, nord. ëf, und das alth. wëhha (hebdomas) goth. vikô mit dem mittelh. woche; endlich das alth. quëman und quëna83I. althochdeutſche vocale. mit dem mittelh. komen und kone. Die formenlehre wird fernere belege liefern, z. b. in dem pronom. nihhein und nohhein.

(I) i ſteht dem goth. i gleich. hat aber beſchränktern umfang*)Die einzigen auf i auslautenden einſilb. wörter ſind die negation ni und partikeln bi-gi -, die aber bei N ſchon ne und pe, ke lauten (d. h. në, pë, kë)., da, wie wir eben geſehn, viele goth. i zu alth. geworden ſind. Dabei macht ſich wieder die vorhin beim a mitgetheilte bemerkung geltend, daß vo - cale mit folgendem einfachen conſ. den laut leichter wechſeln, die mit poſition ihn länger halten, vgl. gëban, wëban, ëban, wëg, thëgan, rëgan, hëlan, ſtëlan, nëman, wëſan, lëſan etc. wo im goth. i ſteht und andrerſeits wildi, willo, zimbar, bindan, windan, ring, hinkan, ginnan, plint, thinſan, rippea, fiſk etc. Nur laßen ſich doch nicht alle fälle hiernach regeln; ausnahmen treten auf beiden ſeiten über. So ſind die formen id meiſtens dem i treu geblieben, als nidar, widar, fridn, lidî (membra), ausgenommen qvëdan (dicere)**)vgl. den eigennamen Sido, Tac. ann. 12, 29. hiſt. 3, 5. Vibilius, ann. 2, 63. 12, 29. idiſtaviſo, ann. 2, 16. oder wäre Sîdo, Vîbilius etc. zu ſetzen?; einige auf ib, als: biba (tremor) ſibun, nebſt andern namentlich einſilbigen und partikeln: himil, in, miti, hina, ir (ex); pronomina mir, dir, is (ejus) imu, im, inan, ira, iru, aber im nom. ër und ëz (goth. is, ita) ſo wie zër - (goth. dis -). Einige ſchwanken nach verſchiedenheit der denkmähler, z. b. ſcif (navis) O.; ſcëf M. T. N. gl. hrab. jun. und Ried no. 43. die alten runennamen haben noch gibu ſt. des ſpäteren gëba (donum), ebenſo wechſeln wiſſa und wëſſa (ſcivit) etc. in gewiſſen flexionen und ableitun - gen tritt das alte i hervor, wie oben beim angemerkt worden iſt, es mag poſition in dem wort ſeyn oder nicht, eben ſo bleibt in den ablauten midun, ritun, ſcinun etc. das i ſtets unverſehrt und geht nie in über. Endlich merke man, daß einige alth. i auch dem goth. aí ent - ſprechen, alſo in den formen ih und ir, vgl. fihu, hirtî, wirs (pejus); ſogar pittar dem goth. ái in báitrs (ſ. oben ſ. 45.)

(O) o, wird gleich dem e in den runen nicht aus - gedrückt, mangelt auch in der gothiſchen ſprache***)Ungeachtet dieſer ähnlichkeit mit dem , um derentwillen auch das o kein urſprünglicher und einfacher deutſcher. F 284I. althochdeutſche vocale. Es verhält ſich genau zu dem u, wie das zu dem i, nämlich beide o und ſcheinen abweichung von dem urſprünglichen u und i; gerade wie bei folgendem h und r das goth. aí in das nämliche übertrat, ſo ent - ſpricht in gleichem fall dem goth. aú das alth. o; end - lich wie dort ſchwankt auch hier die verwandlung und ausnahmsweiſe hat ſich das alte u erhalten.

  • 1) ſchon die älteſten von den Römern aufbewahrten for - men der deutſchen eigennamen zeigen dieſes o, vgl. marobodvus, gothini, gothones, oſi, foſi, moſella, moſa
    *)In beiden ſlußnamen moſa (die maas, franz. meuſe) und moſella (die moſel) wird das o corripiert. Die heutigen Niederländer dehnen: maaze, alth. maſa und moſa; für moſel aber muſelaha, moſelaha, unzweiſlich alſo kurzes o und älteres u.
    *); Strabo ſchreibt ἑρμόνδοροι ſtatt hermunduri.
  • 2) dem goth. aú entſprechen die formen: ohſo. tohter. giboran (natus) fora. horn. morgan. ſoraga. wort; dem goth. u hingegen: got. opaſa (porticus). ofto. fogal. folo (pullus) molta (terra) olbenta. woldar (gloria). wolf. wolla. gomo (vir) hort (theſaurus). Viele behal - ten das alte u, in denen allmählig auch o eintritt, vgl. die neuh. ſohn, ſonne, ſollen, fromm etc. dieſe progreſſion des o iſt mir der ſtärkſte beweis ſeiner unurſprünglichkeit
    **)Sie folgt auch aus dem verhältniß der ablaute i, a, u, das dieſen wörtern zum grund liegt. Hält man fram zu frum, ſcal zu ſculun etc. ſo wird es klar, daß o in der ſpätern form fromm, ſollen, unorganiſch iſt.
    **). Daher formen wie: obana, lobôn, hof (curia) bogo (arcus) holz, phoſo (mar - ſupium) hoſa (braca) u. a. wozu uns die goth. ver - gleichung abgeht, ebenſo unzweifelhaft auf ein älte - res u weiſen.
  • 3) zwar nicht in der conjugation (weil es kein o im ſtarken praeſ. gibt) aber doch in andern flexionen und ableitungen bricht das alte u, (wie vorhin das i aus dem ) hervor. Man erwäge: mordar (homicidium), murdrjo (homicida) horn, einhurnjo (monoceros); thorn, thurnîn (ſpinoſus) wolf, wulvîn (lupinus); gold, guldîn; wort, antwurti; hold, huldî; fora, furi; holz, hulzîn;
    ***)laut ſcheinen möchte, ſtehen ſich beide doch nicht ganz gleich. Namentlich erſcheint o im alth. ablaut (giboran, gibotan) und im mittelh. lautet es um in . Das lautet nie um noch erſcheint es als ablaut.
    ***)85I. althochdeutſche vocale. zorn, zurnen; korn, folkurni; fogal, fugali; loch, lucha; thorrên (areſcere) thurri (aridum); ros (equus) ruſſîn (equinus); horo (lutum) hurwîn (luteus); horſkî (induſtria) hurſgjan (incitare); pocch (caper) pucchîn (caprinus); tobal (vallis) gitubili (convallis) etc. Auch hier iſt weder umlaut, noch rückkehr des alten lauts, ſondern feſthaften deſſelben, durch gewiſſe biegungen und ableitungen verurſacht
    *)Analoge übergänge der lat. ſprache bei Schneider p. 26-32.
    *). Wir werden gleich ſehen, daß, ohne eine endung i, das alte u in den ablauten zugun, wurfun, bundun (wie das i in ritun) ebenfalls geblieben iſt, bis das vorrückende o im neuh. endlich zogen, noch nicht worfen, bonden, aber im niederd. auch worpen und bonden bewirkte.
  • 4) des in o übergehenden iſt vorhin beim gedacht, aber beſondere erwägung verdienen noch die wörter auf on: tonar (tonitru), wonên (habitare) und fona (praep.). Letzteres fehlt dem goth. nord. und angelſ. ſtamm völlig und der niederd. hat fan. Dieſes a zeigt auch Notker in wanên (K. T. haben wonèn) ſo wie das nord. vanr (aſſuetus) und umlautend venja (con - ſuetudo). Ein u hingegen gewährt das angelſ. dunor (tonitru) und vunjan (manere), auch das nord. dyn und dunr. Da ſich nun auch aus quëna ſpäter kone entwickelt, vgl. das nord. kona und angelſ. cvën, ſo vermuthe ich für alle dieſe wörter längſt verlorene ſtarke ſtämme, die gleich dem goth. niman, nam, nu - man gehabt haben: winan, wan, wunan; dinan, dan, dunan. Jenes o darf alſo aus einem frühern u und a geleitet werden. Man halte hierzu das vorhin ſ. 75. über den wechſel zwiſchen a und o (wamba, womba; durnaht, durnoht) beigebrachte; ein weiteres beiſpiel gibt die copula joh, die bei J. K. O. N. ſo und nicht jah, wie im goth. lautet; bloß die exhort. lieſt ja und in beiden hſſ. (Vgl. nachher über das ſchwanken der diphthongen ia und io).

(U) u, die runiſche gleich der gothiſchen ſchrift bedient ſich für das kurze u keines eigenen, ſondern des zeichens, das eigentlich für das lange gilt. Dieſer laut hat im alth. nur geringern umfang wegen der vielen übergänge in o. Auch hier erſcheint vorzugsweiſe das o zunächſt in wurzeln mit einfachem, ſpäter in denen mit86I. althochdeutſche vocale. doppeltem conſonanten, vgl. bei Tacitus: brùcteri, dul - gibini, tungri, luppia, neben: tubantes, ubii, uſipii, burii, gugerni, rugii, deren erſte ſilbe jedoch proſodiſch ungewiß iſt; in den meiſten fällen würde ich eher lauge annehmen, tûbantes, ûbii, bûrii. In althochd. denk - mählern: lobôn, obana, fogal, nol, holir, folo, lolâri, goman, honec, boto, herizoho, got, neben: ubil, hugu, buhil, thulen, mulen, ſculan, fruma, ſumar (aeſtas), ſum (quidam) furi; in den ablauten zugun, bugun etc. heißt es ſtets u, in ginoman, gizogan, holſan, giboran ſtets o. Auf der andern ſeite: fuhs, luhs, druhtin, ſuht, zuht, ginuht, hrucki, mucka, abulg, ſpulgen (ſolere) ſtulla (hora) krumb, dumb, ſtumm, kumft, numft, zumft, kunni, grunnî (calamitates) brunno, ſunna, wunna, unda, hungar, zunga, kunſt, brunſt, ſtunta, ſuntar, wunta, ſunta, uns, runs, funs, kuphar, wurm, giburt, thurft, thurri, ſcurgan (trudere), burg, kurbiƷ, wurz, luſt, bruſt, akuſt, nuƷƷî (nuces) fluƷƷî, puƷƷi (putens) etc. woneben das o in: wolf, wolkan, morgan, thorf. ſtor - nên, mornên, horn, zorn, dorn, korn, ſcorrên, thor - ren, ſo daß ſich alſo nach dopp. r und einem auf r fol - genden conſ. das o vorzüglich gern entwickelt, was auf das goth. aú weiſt. In den ablauten hulfun, wurfun bleibt das u und aus dem ablautsverhältniß muß er - klärt werden, warum einigemahl das u dem goth. aí gleich zu ſtehen ſcheint, vgl. thurah (per) mit þaírh, nämlich thurah iſt eigentlich þaúrh.

(AA) , in den ſächſ. runen âc (quercus) benannt, welcher name für kein alth. paſſend war, weil hier die form eih lautet und das angelſ. dem alth. ei (goth. ái) entſpricht. Dieſe berührung zwiſchen ei und ver - mittelt aber auch die identität des alth. mit dem goth. , deſſen übergang ins goth. ei oben bemerkt worden iſt; man erwäge ferner das mittelniederl. ae für und den mittelh. umlaut des in æ. Nach allem dieſem wird das ſchwanken des in ae, ai und ganz natür - lich ſcheinen. Wirklich weiſen auch einige von den Römern bewahrte eigennamen auf einen laut hin, der mehr dem goth. , als dem alth. gleicht. Hierher gehö - ren ſuêvi und chêruſci, die ſicher kein kurzes haben, wie ſchon Strabo’s ſchreibung σόηβοι und χηροῦσκοι lehrt (der ſpätere Claudian, IV. conſ. Hon. v. 451. gebraucht che - fälſchlich kurz). Jener volksname lautet alſo alth. ſuâbâ und mittelh. ſwâbe, welches die reime gâbe:87I. althochdeutſche vocale. Arâbe; ſwâben: gâben (donis, dabant) unwiderſprechlich darthun. Die bildung chêruſc wäre das alth. hâruſk oder hâriſk und könnte von hâr abgeleitet, ſo viel als piloſus bedeuten*)Die gewöhnliche leitung von harz iſt ſehr unſtatthaft, nicht allein des verſchiedenen vocals wegen, ſondern harz würde auch harziſc, vielmehr hart, hartiſk, ergeben, was völlig abweicht. Das dunkele ſwâb (ſvêvus) hängt ſicher nicht mit ſchweif, oder ſchweifen zuſammen; vielleicht mit einer verlorenen ſtarken form ſwëban, ſwab, ſwâbun.. Das dritte wort, das in betrachtung kommt, iſt rhênus, ῥήνος, dem jedoch die alth. form rîn (? hrîn) ausgemacht zur ſeite ſteht, folglich kein rân; aber ein goth. reins (hreins) ließe ſich füglich mit rêns (hrêns) vereinbaren; in allem fall muß man die ablei - tung von rinnan (fluere) aufgeben, hrînan (tangere, aber auch mugire) hat näheren anſpruch.

Es ſcheint mir nützlich, die alth. wörter mit dem diphth. hier ſo vollſtändig als möglich anzuführen, außer den ablauten und endungen , ſind es folgende: ſuâb (ſuevus) nâdala (acus) ginâda (gratia) ſcâf (ovis) wâfan (arma) ſlâfan (dormire) bâga (lis) frâga (quaeſtio) wâga (libra) lâga (inſidiae) wâg (fluctus) mâg (affinis) wâgan (audere) trâgi (tardus) nâh (prope) ſcâh (praeda, ludus latr. ) dâha (teſta) gâhî (feſtinatio) ſmâhî (dedecus) krâha (cornix) zâhi (tenax) ſpâhi (prudens) wâhi (exi - mius) mâhal (cauſa, ſignum) ſtâhal (chalybs) fâhan (capere) hâhan (ſuspendere) plâhen (inflare und balare) krâhen (crocitare) mâhen (ſecare foenum) nâhen (ſuere) ſmâhen (vituperare) drâhen (torquere) ſâhen (ſeminare) tâht (el - lychnium) brâhtun (attulerunt) lâhhi (medicus) brâhha (ager quieſcens) ſprâhha (lingua) ſcâhhâri (latro) âl (an - gnilla) duâla (mora) quàla (nex) zâla (periculum) ſtrâlâ (tela) hâli (lubricus) ſâlida (beatitudo) mâlôn (pingere) jâmar (miſeries) brâmo (vepris) ſâmo (ſemen) tâmo (dama) râmên (tendere) nâmi (acceptus) gizâmi (decens) biquâ - mi (conveniens) gân (ire) wân (flare) wân (ſpes) ſpân (aſſula) gitân (factus) ſëltſâni (rarus) âno (ſine) mâno (luna) mânôt (menſis)**)Notker ſchwankt zwiſchen mânôt und manôt. (Stalder p. 215.) hâr (crinis) jâr (annus) wâr (verus) ſâr (illico) bâra (feretrum) fâra (dolus) ſcâra (vomis, falx) thâra, thâre (illuc)***)Weil ſie O. klingend reimen, was thara nach ſ. 17. nicht könnte, auch ſcheint ſâr, ſâre analog. N. hat entſchieden dâr (Stalder dial. p. 268, woneben p. 28. dara. fure?) lâri (vacuus) mâri (famoſus) 88I. althochdeutſche vocale. ſuâri (gravis) gilâri (aedes), alle ſubſt. auf - âri, alle adj. mit - bâri; z. b. egibâri (terribilis); pâpiſt (papa)*)Phapho (cleriens) ſtammt auch aus papa, wurde aber der deutſchen ſprache mehr bequemt. In einer ravennet urk. von 557. (Marini no. 79.): roſemud, qui faffo connomina - tur. Oder wäre das ganz was anders? ſuâs (proprius) kâſi (caſeus) blâſan (flare) fnàſan (anhe - lare) flât (pulcher) pfât (padus) tât (factum grât (ſpina) rât (conſilium) wât (veſtis) ſât (ſatio) drât (filum ferri) nât (ſutura) gât (it) ſtât (ſtat) drâti (vehemens) ſpâti (ſe - rus) ſtâ〈…〉〈…〉 (ſtabilitas) grâtag (avidus) âtum (ſpiritus) brâ - tan (aſſare) zâta (coma, lanugo) ſcrâto oder ſcrâti (fau - nus) grâvo (comes) râvo (tignum) mâƷa (moderatio) râƷa (favus mellis) ſtrâƷa (ſtratum) râƷi (vehemens) trûhfâzo (dapifer) lâƷan (ſinere) grâƷan (eiulare) firwâ - Ʒan (maledicere) ſâwen (ſerere) grâwân (caneſcere) chlâ - wa (ungula) brâwa (ſupercilium) pfâwo (pavo) lâwêr (tepidus) plâwêr (coeruleus) grâwèr (canus). Einige hier nicht angeführte ſind zweifelhaft und vielleicht ſchwan - kend**)Sollte die untrenubare vorſilbe a - in abuh, abulgî, aſcafa, ariup, alang. und vielen ähulichen lang ſeyn? zumahl K. 23 b aabulkii geſchrieben ſieht; doch gleich daneben abulkii, ſo wie 26 a akëƷƷalii, 29 a awëraf; es ſcheint eher verwechſelt mit dem acutus, der allerdings ſolchem a gebührt (oben ſ. 23) N. ſoll âbent ſchreiben (Stalder p. 11.) wogegen das nord. aptan und die verwandtſchaft mit aber (retro), goth. aftan etc. ſpricht, doch die volks - ausſprache obent, obet dafür. Nach der ſchweizerſprache wäre auch blâtara, nâtara, âdara zu ſchreiben.. So muß man zwar nach dem mittelh. u. nord. ein jâ (immo) folglich auch gijâzen (conſentire) annehmen; das goth. ja (vgl. jai) ſtimmt aber für den kurzen vocal und der lange ſcheint ſich erſt allmählig eingedrängt zu haben (vgl. unten über einſilbige aus - laute und , die frühere i und u verrathen). Außer jâ findet ſich kein alth. einſilb. wort mit dem auslaut , nämlich grâ (canum) lâ (tepidum) plâ (coeruleum) etc. ſtehen nur mit dem kennzeichen grâwaƷ oder grâwêr. Unleugbar entſpringt das in manchen fällen aus der zuſammenziehûng, z. b. gât ſteht für gangit, ſtât f. ſtan - dit; dannân N; danân K. 2. a 26 a; inân (eum K. 24 b); ûƷân gl. jun. 26. für danana, inana, ûƷana. Daß bei ausgeſtoßenem n der kurze vocal lang werde, wenn er betont iſt, wird hernach bei den liq. näher beſprochen werden. Anderemahl ſcheint h auszufallen, wofern ich89I. althochdeutſche vocale. N. drânen (lacrimis) aus drahenen richtig deute. Allein im alth. ſcheint ſchon die volle form das zu beſitzen, z. b. ſtâhal, mâhal (goth. mêl, nord. und mittelh. mâl) neben mâl; oder iſt ein ſtahal, mahal erweislich? fahan, hahan ſollte man freilich nach dem goth. fahan, hahan muthmaßen; der nie eintretende umlaut (es heißt nie fehit, ſlehit, ſtets fâhit, hâhit), beſtimmte zeugniſſe (faaho, captator gl. hrab 951 b) und die mittelh. analogie entſcheiden für fâhan, hâhan; der lange vocal entwickelt ſich alſo erſt allmählich nicht urſprünglich aus der zuſammenziehung. Daher das goth. fahan für juhiza, nicht jûhiza ſpricht. Steht bichnâ (cognoſcat) J. 348 für bichnahe? oder hat es mit bichnâhen und den übrigen aufgeſtellten in - âhen*)O. zweiſilbige reime entſcheiden mir, wie für fâhan, hâ - han, ſo für krâhen, knâhen. vgl. IV. 7, 33. 13, 70. 15, 64, 24, 35. etc. und - âwen richtigkeit? Unbeſtreitbar ſind die praet. chnâta, nâta, krâta etc.

In vergleichbaren lat. wörtern entſpricht außer dem (ſêmen, ſuêvus, vêrus, μῆνη) das lange ſtrâtum, câſeus, dâma, pâpa) ein kurzes in padus. Der unter - ſchied zwiſchen a und iſt höchſt wichtig, und ohne ihn fielen wörter zuſammen, die nichts gemein haben oder wenigſtens im verhältniſſe des lauts und ablauts ſtehen, vergleich: ſalida (manſio) ſâlida (felicitas); rat (rota) rât (conſilium) rato (lolium); haru (linum) hâr (crinis); lahhan (linteum) lâhhan (medicina); wan (va - cuus) wân (ſpes); ano (avus) âno (ſine); malan (molere) mâlôn (pingere) ſcara (agmen) ſcâra (forceps); zala (nu - merus) zâla (perditio); magu (puer, übrig in magazogo und magad, puella) mâg (aſſinis); wagan (currus) wâ - gan (audere) faran (ire) fârên (inſidiari); nam (cepit) nâmi (acceptus) manên (monere) mânin (lunae) ſamo (ceu) ſâmo (ſemen) clawêr (ſollers) lâwêr (tepidus) etc.

(EE) ; hat mit dem goth. nichts gemein, kommt außer den endungen in ſehr wenig wörtern und nur in einem ablaut vor. Die endungen können erſt in der formenlehre erörtert werden. In den übrigen fällen iſt das alth. offenbar zunächſt dem ei verwandt, in einigen ſchwanken beide, (wie das goth. und ei eben - falls.) Hiernach ſteht unſer meiſt dem goth. ái und angelſ. parallel, welches die in den drei mundarten verglichenen wörter lehren. Bei näherer betrachtung90I. althochdeutſche vocale. zeigt ſich, daß nur in drei fällen ſich aus dem ei (goth. ái) entwickelt, und außer ihnen ei bleibt, höch - ſtens ausnahmsweiſe in überſchwankt. Jene find folgende:

  • 1) bei urſprünglich auf das ei folgendem, gewöhnlich aber weggeworfenem oder in den vocal o und u auf - gelöſtem w (goth. v). So ſtehet ſêo (mare) hrêo (ca - daver) hlêo (latibulum) chlêo (trifolium) ſnêo (nix) ſêola (anima) êa (lex), ſlêaƷ (hebetatum)
    *)êo (unquam) und huêo (quomodo) ſollte man dem goth. áiv, áiva und hváiva gemäß annehmen, wofür inzwiſchen nirgend die ſchreibung eeo oder ęo, huęo ſpricht; wahr - ſcheinlich lauten ſie ëo, huëo, wie auch der baldige über - gang in - io, wio vermuthen läßt. vgl. hernach die be - merkung darüber beim ia und io.
    *), erſtens für ſêu, hrêu etc., wie ſich namentlich ſêula (J. 366.) vor - findet, dann für ſêw, hrêw, hlêw etc. wie ſich wie - der, ſobald ein folgender vocal den conſ. ſchützte, wêwo (dolor) êwîn (aevum) lêwes (mali) ſlêwen (hebeſcere) êwa (lex) vorfindet, endlich alle dieſe für ſeiw, hreiw, hleiw, chleiw, ſneiw, eiw, ſeiwla, eiwa, ſleiwaƷ, weiwo, welche den goth. formen ſáivs, hráiv, hláiv, ſnáivs, áiv, ſáivala ſichtlich gleichkommen. Jene abſtumpfung ſchreitet aber noch weiter fort und bald zeigt ſich, im mittelh. entſchieden, ſê, rê, lê, klê, ſnê, (lex) ſêle. Die alth. interj. wê lautete ſchon goth. vái, mit ihr ſind componiert: wênag, wê - lih, beide: pauper, miſer bedeutend; vgl. die interj. ſê (ἰδοὺ) J. und K; goth. ſái.
  • 2) bei folgendem h. Hierher gehören die ablaute zêh, thêh, lêh, ſpêh, für ein früheres zeih, theih, leih, ſpeih; da ſich letzteres verbum häufig in der form ſpê zeigt, ſo kann man es dem vorigen fall beizählen und aus ſpêv, ſpeiv ableiten, was dem goth. ſpáiv gemäß iſt. Ferner: rêho (capreolus) zêha (digitus pedis) flêha (precatio) ſlêha (prunus ſpinoſa), das vom praet. lêh ſtammende ſubſt. lêhan (foenus), fêh (multicolor) früher wohl reiho (noch findet ſich reia, caprea) zeiha, fleiha, leihan, feih.
  • 3) bei folgendem, urſprünglichem ſ, das ſich aber in r verwandelt hat, kurz in wörtern, wo dem alth. êr ein goth. áis begegnen muß, namentlich alſo êr (aes) gêr (telum) ſêr (dolor) mêr (magis) hêr (illuſtris) êra91I. althochdeutſche vocale. (honor) lêran (docere) kêran (vertere), das mittelh. rêren (fundere) finde ich nicht. Parallele goth. wör - ter ſind áis, máis, láiſjan
    *)Lêran, láiſjan hängt mit liſan (legere) durchaus nicht zu - ſammen, welches die ſchwache form laſjan zeugen würde, wie niſan, naſjan, alth. neren (nicht nêren). Vielmehr ſtammt es von einem verlorenen ſtarken goth. leiſan, láis; alth. liſan, leis, pl. lirun, welches ſequi bedeutete.
    *); die übrigen kommen nicht vor, ich zweifle kaum, daß goth. wörter wie gáis (telum) ſáis (dolor, vulnus) áiza (honor) áiſjan (honorare) beſtanden haben
    **)Einige nähere beweiſe: die ableitungen áiſtan (aeſtimare) und láiſtjan (ſequi) alth. leiſtan, vgl. máiſts und máis; gáis ließe ſich etwa mit gáiſiþs (perculſus, betroffen) Marc. 3, 21. vergleichen, empfängt aber entſchiedenere beſtätigung durch gaeſum, γαισὸν das ſchon den Griechen und Römern als ein barbariſches wort für jaculum be - kannt war und das wahrſcheinlich, wie noch andere wör - ter, die galliſche ſprache mit der deutſchen gemein hatte. (ſ. Du Cange v. geſſum; Forcellini v. gaeſum). Krieger mit ſolchen ſpießen bewaffnet hießen: geſati, γαισάται. Gewagter wäre es, in den eigennamen σεσίθακος (Strabo 7, 1.) und der goth. ſiſenandus, ſiſigis, ſiſifridus, ſiſebu - tus jenes ſáis zu muthmaßen.
    **). Sonderbar erſcheint haz - jan (laudare) neben hêr und hêren (illuſtrare), das goth. wort wiederhohlt ſich aber zu oft, als daß an einen ſchreibf. für haiſjan zu denken wäre, vielleicht ſind beide formen unverwandt. Zweifelhaft bin ich, ob dem alth. êr (prius) das gebührt, indem das goth. aír (nicht áis) ër erwarten läßt und die mittelh. ver - kürzung nicht entſcheidet, ſelbſt nicht die ſchrei - bung ęr, aer (im Iſidor); Notker circumflectiert êr und êriſto (primus). Da wo das frühere ſ geblie - ben und nicht in r übergegangen iſt, zeigt ſich auch kein êſ ſondern eiſ, als: freiſa (periculum) meiſa (pa - rus) keiſar (caeſar) etc. Notker hat inzwiſchen die interj. lês, und êſchôn neben eiſkôn (poſtulare).

Die ganze entwickelung des alth. aus dem ei, welchem v. h. ſ. folgen, gewährt ein willkommnes zeug - niß für die identiſche natur dieſer drei ſpiranten über - haupt; ihr hauch ſcheint das i des diphthongen zuerſt aufzulöſen, das ei in ee () zu verwandeln. Vor ande - ren, leiblicheren conſonanzen duldet die alth. mundart noch kein , ſondern bewahrt das ei; wir werden her -92I. althochdeutſche vocale. nach ſehen, daß die niederdeutſche*)Spuren hiervon in den gl. hrab. wo 952a mêƷ (ampu - tavi) f. meiƷ; 954a frêdîg (apoſtata) f. freidîg. weiter gieng; doch ſcheinbare ausnahmen wären das alth. pêde (ambo) und zuêne (duo), jenes zuſammengezogen aus peiode, pejôde (vgl. mânôd, goth mênôþs) ſo daß hier das j dem h nicht weit abſtünde (vgl. wê, wêha und oben ſ. 70. die note über bajôþs und vaja); zuêne hingegen dürfte aus zueihne. zuêhne entſpringen, inſofern ſich ein goth. tvá[i]hnai, tváihnôs näher begründen ließe. Mehr von allem bei den zahlwörtern; pêde ſchwankt auch noch in peide.

Alth. hſſ. pflegen dieſes zuweilen ae und zu ſchreiben, welches nicht mit dem mittelh. umlaut des in æ zu vermiſchen iſt. Die gl. hrab. 962a kalaert (ernditus) 952a zaeha (articula) 956a aerwirdig. 951b laeo. Bei J liefert oft dieſelbe ſeite beiderlei ſchreibung, vgl. 408 ęrwirdîg und aerwirdîg. 371 hęrduom 387 haer - duom 397 aewîn, 398 aewun und ewen**)Aber ęrena 340. ęrnuſt 351. aerdha 361. ęrdha 364. aedhil 396. hęrzin 403. ſind falſch, darum vielleicht auch das mehr - mahlige ęr oder aer (ante) die gl. ker. haben neben ëpan (aequalis) aepan.. Gleichzei - tige lat. hſſ. ſetzen gleichbedeutend mit ae, welcher laut auch wirklich dem alth. und ſeinem urſprung aus ei und ái zumeiſt entſpricht, ſ. oben ſ. 86.; in die - ſer hinſicht führe ich noch an, daß alth. diplome des 7. 8. 9. jahrh. ae ganz richtig in eigennamen ſchreiben, denen unſer gebührt, vgl. herigaer, wâlgaer, hûngaer, teutgaer bei Neugart no. 11. 23. 34 etc. Die häufigen mit - gêr zuſammengeſetzten namen, als gêro (kêro) nôtgêr (notkêr), amalgêr etc. weiſen auf jenes ältere geir, goth. gais zurück, welchem die formen radagai - ſus (comes Marcellin. p. 14.) gaiſericus (Idatius p. 17.) laniogaiſus (Amm. Marcell. ) gaiſo (conſul im jahr 351.) gaiſo (comes, Greg. tur. 9, 30.) neue beſtätigung bringen.

Einige alth. denkmähler ſetzen zuweilen für ie, nach niederdeutſcher weiſe, welche beides, ei und das umgekehrte ie, in zuſammenfallen läßt. So I. 367. 385. fênc für fienc; gl. hrab. 952b 964a 968b wêlîm (fervere - mus) zêrî (decus) fêl für wielîm, zierî, fiel; gl. monſ. 359. fênc, 325. wêlun, 346. plêſot etc. K. O. T. N. ha - ben dies für ie niemahls; mehr darüber beim ia und ie.

93I. althochdeutſche vocale.

(II) (mit dem runiſchen namen îs glacies). die - ſer doppelvocal macht keinen anſtand, entſpricht be - ſtimmt dem goth. ei und ſchwankt in keinen verwandten laut über*)Auch im latein. das ei älter, das ſpäter (Schneider p. 62-67. 70. 71. ) vgl. des Ptolemaeus ἀλεισον neben Tacitus alîſo. Ob einige mundarten, etwa die altbairiſche, noch ei ſtatt zeigen? unten beim ei. Aus dem erklärt ſich der zuweilen eintretende übergang in i leichter, z. b. win - zuril (vinitor) aus wîn.. Außer den endungen beiſpiele in der ſtar - ken conjugation; hier noch einige andere: bî (praep.) brî (puls) blî (plumbum) drî (tres) frî (liber) ſî (ſit) ſî (illa bei N.) pîa (apis zweiſilbig) chlîa (furfur zweiſilbig) lîb (corpus) wîb (femina) lîd (potus) blîd (laetus) nîd (invidia) rîfo (pruina) pîga (acervus) lîh (caro) hîha (ſponſa) wîh (ſacer) rîhhi (regnum) îla (feſtinatio) mîla (milliare) zîla (linea) huîla (tempus) fîla (lima) rîm (numerus) kîmo (germen) mîn. dîn. ſîn. ſuîn (ſus) pîna (cruciatus) fîra (feſtum) îs (glacies) hrîs (virgultum) îſarn (ferrum) ſpîſa (cibus) wîſo (dux) zît (tempus) wît (amplus) hîu (familia, zweiſilbig) îwa (taxus) huîƷ (albus) flîƷ (ſolertia) etc. Ohne die beachtung des unterſchieds zwiſchen einfachem und doppeltem i wird man viele formen und wurzeln vermengen, z. b. pî (praep.) K. 27b pi - (partikel) rîtan (inf. ) giritan (part. ) wiӡan (ſcire) wîӡan (imputare) lid (membrum) lîd (potus) wis (eſto) wîſi (ſapiens) und eben ſo genau muß man vom den andern doppellaut ei tren - nen, vgl. lîm (gluten) leim (argilla), hnîgan (cadere) hneigan (flectere), ſuîn (ſus) ſuein (puer, famulus), wîƷan (imputare) weiƷan (praebere) huîƷ (albus) hueiƷi (triticum) wîh (ſacer) weih (mollis) etc. Hiſtoriſch wichtig iſt die wahrnehmung, daß zuweilen auf ein älteres i zurückführt (vgl. oben ſ. 88. über jâ und ein älteres ja), namentlich auch hier in einſilbigen wörtern, oder da wo das i die wurzelſilbe ſchließt. So entſpricht pî (praep.) dem goth. bi (nicht bei) hat ſich aber in der vorpartikel pi - kurz erhalten. Die betonung der wur - zel ließ allmählig die kürze des vocals überhören und wandelte ihn endlich in einen gedehnten. Ferner mag in frî, ſî, pîa, chlîa vorher ein kurzes i geweſen ſeyn und vermuthlich iſt in der vollen form fri-jêr, fri-gêr, pi-ja, pi-a geſprochen worden, daher alth. neben pîa auch pina (nicht pîna); îla (feſtinatio) ſteht in den monſ. gl. und ſonſt illa (? ilja) geſchrieben und illan könnte94I. althochdeutſche vocale. dem goth. ïddja verwandt ſeyn. (vgl. unten gemination der liq.). Ganz offenbar wird das alte i in figidôn (ze - lari) gl. monſ. 349. 365. ) figida (periculum) 386 und figinda (inimici, bei N. neben fìanta) ſtatt fijidôn, fijandôn (odiſſe); ferner in higinnes-luſt (delectatio carnis) N. 7, 10. ſt. hijannes, hîannes?

(OO) . Die nord. runen legen dem nur ein zeichen und einen namen bei, nämlich ôs (auch lat. ôs, ôris); die ſächſiſchen haben zwei zeichen und zwei namen, nämlich ôs und ôþel. Das zeichen des letztern hat of - fenbar die geſtalt des goth. , folglich auch deſſen be - deutung, ſteht alſo dem alth. nicht parallel, ſondern dem alth. uo (ua), wie ſchon der name ôþel zeigt, wel - cher alth. uodal, uadal, uodil (patria) lautet. Unſer alth. entſpricht zumeiſt dem goth. àu; ob es auf jene erſte ſächſ. rune anſprüche hat, wage ich nicht zu ent - ſcheiden, bevor ſich die form ôs in einer alth. quelle oder ein goth. áus nachweiſen läßt, was bisher noch nicht der fall iſt; bezweifeln kann man es ſogar, weil dem goth. àu, alth. das angelſ. eá gleich iſt, mithin der name eás, nicht ôs lauten ſollte.

Das alth. fordert folgende nähere beſtimmung

  • 1) wie ſchon und o, wegen ihres urſprungs aus i (aí) und u (aú) unverkennbare ähnlichkeit zeigen, ſo ver - gleicht ſich auch dem das . Nämlich entwickelte ſich aus ái (ei) bei folgendem h. ſ (r). v; in den übri - gen fällen blieb ei; ähnlich entwickelt ſich aus dem áu bei folgendem h. ſ (r) und weiter d. t. Ʒ. n; in den andern fällen namentlich vor b. f. g. hh. m
    *)Fremde wörter ausgenommen, z. b. biſcôf (goth. aípiſkau - pus), wiewohl N. nach deutſcher weiſe piſcouf annimmt.
    *) bleibt au (ou) beſtehn. Die entwickelung des ſcheint bloß etwas mehr vorgeſchritten, als die des . Dieſem au und , ei und entſpricht noch meiſten - theils das neuhochd. au und oh, ei und eh.
  • 2) beiſpiele des au (ou) werden hernach unter dieſem diphth. vorgelegt werden. Das ſteht vor ſpiranten und dentalen, alſo auch vor dem das frühere ſ er - ſetzenden r, dann vor der liq. n, alſo nicht vor den labialen p. b. f. den gutturalen k. g. hh. und den liqui - den l. m. Es ſteht auch gleich dem auslautend, meiner meinung nach nur in: frô (dominus) frô (lae -95I. althochdeutſche vocale. tus) ſtrô (ſtramen M. 335. 339. ) wo ein h oder w hinten abgeſtreift iſt, frô für frôho, frô und ſtrô für frôw, ſtrôw, früher wohl frauho (oder fraujo) fraw, ſtrawi, gerade wie vorhin ſê, wè etc. erklärt wurde. Der hiatus ôa in drôa (onus) frôaƷ (laetum) etc. Die weiteren fälle ſind: ôdo (forte) ôdi (vaſtatus) plôdi (verecundus) prôdi (fragilis) ſnôdi (vilis) tôd (mors) hôh (altus) flôh (fugit) zôh (traxit) fôhe (pauci) nôna (hora nona) lôn (merces) hônida (ma - cula) ſcôni (pulcher) frôno (ſancte) bôna (faba) rôr (arundo) trôr (ſtilla) môrî (aethiopes) ôra (auris) hôr - jen (audire) lôs (liber) lôs (perdidit) chôs (elegit) rôſa (roſa) bôſi (pravus) trôſt (ſolatium) ôſan (hau - rire) ôſtra (paſcha) ôſtana (ex oriente) nôt (neceſſi - tas) brôt (panis) rôt (ruber) bôt (obtulit) und ähn - liche ablaute, ôtag (dives) ſcrôtan (molere) ſtôƷan (ferire) grôƷ (magnus) anapôƷ (incus), pîpôƷ (artemi - ſia) nôƷ (cepit) und ähnl. ablaute. Die auf ôw un - ten beim inlaut w.
  • 3) ſtatt dieſes zeigen in denſelben wörtern die gl. hrab. und Hild. lied das dem alten au nähere ao, als: ſtrao, thraoa, taod, plaodi, aodo, laon, ſcaoni, dorn - laoh (974 a) haoh, zaoh, raor, haoren, laos, naot, aotmali, ſcraotan, ſcaoƷ
    *)Das gewöhnl. alth. au wird hingegen auch durch au gege - ben, z. b. raub, gauma etc. Die vergleichung der drei hier in frage ſtehenden doppellaute iſt alſo folgende; dem gemeinalthochd. au, , ua entſpricht in den hrab. gl. au, ao, ; (niederd, überall , , ).
    *). Die caſſ. hſ der exhort. zeigt fraono, naot, faoi (pauca, l. faohju) wo die münchn. hſ frônô, nôt, fôhju. Auch in urkunden bei Ried no. 4. 8. 21. aoſtar, caoƷ, aot, traoſt.
  • 4) derſelbe dialect beſitzt dann auch ein (oo), welches er, einſtimmig mit dem goth. ſächſ. nord. ſtamm für das gewöhnliche alth. uo (ua) ſetzt, alſo ein wahres ôthil, von jenem alth. (= áu. ao) durchgängig ver - ſchieden. So haben die gl. hrab. pôh (ſcriptura) hôt (pileus) duôg lavavit) frôt (prudens) plôſtar (ſacrifi - cium) ſtônt (ſtetit) hrôft (clamor) ſôhit (quaerit) taga - rôd (crepuſculum) zô (praep.) hrôm (gloria) canôc (ſatis) drôs (glandula) plôƷan (libare) etc. Dieſes iſt dem vorhin bemerkten ſtatt ie analog, findet ſich auch in der nämlichen mundart, die der niederd. an -96I. althochdeutſche vocale. gränzend geweſen ſeyn muß, da im niederd., wie ei und ie in . ſo au und ua in zuſammenfallen. Spuren des ſtatt ua (uo) verrathen indeſſen noch andere alth. denkmähler, namentlich J. 342. 353. bôh 350. wôtniſſa 402. blômo neben duom 344. huolida (fruſtrabatur) 396. hruoft 389. guotlìh, muodìc, ſluo - gun. fuoƷ, zuo (praep.) und dhuo (cum, quando). Die letzte partikel iſt zumahl merkwürdig, weil ge - rade andere denkmähler, die entſchiedner hochdeutſch ſind, als J. ſie mit ausdrücken; O thô, N. dô und in der regel mittelh. dò (ausnahmsweiſe duo).
  • 5) weder in dieſem dô, noch in den andern gemeinalt - hochd. partikeln ſô und (interj. ) läßt ſich das ge - wöhnl. alth. (= au) erkennen, ſondern es iſt deut - lich ein ôthil, d. h. dem goth. in ausſprache und bedeutung gleich. Dasſelbe beweiſe ich aus dem der adj. fem. pl. blindô (goth. blindôs), welches of - fenbar nicht mundartiſch, ſondern durch alle alth. denkmähler ſtattfindet. Schreibt O. ausnahmsweiſe nicht zwò (duae) ſondern zua, ſo darf man dies zwar inconſequent aber nicht unrichtig heißen, da er in dem einzelnen fall ſein ua (welches ihm ſonſt überall für uo gilt) anwendete, zua mithin = zuo, d. h. zvuo, zwuo, zwua ſteht, ſtatt des conſequenteren zuô, zwô. Die partikel ſô entſpringt vermuthlich aus ſvua oder ſvuo, vgl. das goth. ſva, ſvê, nord. ſvâ. Das alte hat ſich ferner in den wohl noch betonten endungen des comp. ôr, der gen. pl. ôn, der inf. auf - ôn etc.
    *)Eine ſeltne ausnahme gewährt auch hier J, 361, 12. âdh - muot (flat) neben 361, 13. âdhmôt.
    *) zu halten gewußt und nicht mit uo, ua vertauſcht, aus welchem allem wichtige beſtärkung der früheren, größeren einſtimmung der alth. mit den goth. lauten hervorgeht. Dieſe zeigt ſich ſogar in dem ſpurweiſen übergang des unbetonten oder tiefto - nigen in u, vgl. gl. monſ. 365 vigidunta ſt. vigi - dônta, 367. hepinuntêr ſt. hepinôntêr (wie oben ſ. 40. krôtôda, krôtuda).

(UU) hat in den nord. und ſächſ. runen ein zei - chen und einen namen. Das zeichen ſtimmt mit dem goth. buchſtab überein, der, wie oben gezeigt worden, zugleich häufig das kurze u ausdrücken muß; das gilt97I. althochdeutſche vocale. auch von der rune, weil keine andere für den kurzen laut vorhanden iſt. Der name ûr (entw. ûrns, wilder ochs, oder die partikel ûr -, neuh. auer) ſchickt ſich freilich bloß für den laugen. Die grammatik hat im alth. wie im goth. das lange von dem kurzen u gehörig zu un - terſcheiden. Jenes iſt übrigens gleich dem ziemlich beſtimmt und nur geringem ſchwanken in andere dop - pellaute ausgeſetzt; die endungen abgerechnet (im ab - laut trifft es ſich nirgends) möchten nachſtehende belege die wichtigſten ſeyn: nû (jam) dû (tu)*)Dieſe beiden einſilbigen könnten zweifelhaft ſeyn und wie einſilbige und ein älteres kurzes u vermuthen laßen. Wenn ich im goth. þu, nu; im alth. dû, nû ſetze, ſo hat jenes die analogie von ja und bi (neben nê und ) dieſes das ſchwanken bì und bi und N. beſtimmte ſchreibung dû, nû für ſich. Das lat. tu iſt zwar lang, doch das gr. σὺ kurz. Ferner ſpricht für nû der übergang in nuo (wovon gleich nachher). ſû (ſeropha) chûa (zweiſilb. vacca) pûan (zweiſ. habitare) dûba (lamina dolii) tûba (columba) ſûbar (purgatus) trûbo (uva) rûda (ſea[b]ies) ſtûdahi (fruticetum) ûf (praep.) dûfar (ſtolidus) hûfo (acervus) ſcûfila (pala) ſûfan (ſorbere) ſûftôd (ſingul - tus) ſûgan (ſugere) rûh (hirſutus) bûh (venter) mûhhilâri (ſicarius) drûho (ciſta) trûh (compes) lûhhan (claudere) prûhhan (uti) ſtrûhhôn (impingere) tûhhil (mergulus) fûl (putris) mûl (mulus) ſûl columna) mûla (roſtrum) rum (ſpatium) ſcûm (ſpuma) chûmida (morbus) tûmo (pollex) tûmôn (ſalire) prûn (furvus) hûn (? catulus) zûn (ſepes) rûna (ſuſurrus) ſûr (acidus) bûr (domus) ûr - (par - tikel) trûrìg (triſtis) mûra (murus) hûs (domus) ſûs (ſtri - dor) hûſo (echinus) mûs (mus) lûs (pediculus) tûs (binio) tûſunt (mille) fûſt (pugnus) lûſtren (auſcultare) bûtil (marſupium) ſnûtan (emungere) brût (uxor) drût (carus) hût (cutis) hlût (ſonorus) krût (herba) trûwen (confidere) ûwila (noctua) ûƷ (praep.) ſtrûƷ (ſtruthio) lûƷôn (latere) mûƷôn (mutare). In lat. wörtern derſelben wurzel gleiches langes , vgl. tû, ſûgere, mûlus, mûs, ſtrûthio, mûtare, wogegen dem kurzen u gewöhnlich das kurze entſpricht, vgl. nuƷ, puzzi mit nux, puteus. Dies macht wahrſcheinlich. daß auch die Römer in deutſchen namen das gleichförmig ausdrückten (ſ. oben: tûbantes, ûbii, bûrii) nicht durch au, wofür man etwa den mons taunus (Tac. ann. 1. 〈…〉〈…〉6. 12, 28.) anführen könnte, allein dieſes wort ſcheint, wo nicht undeutſch, doch nicht hochdeutſch (ſ. unten beim angelſ. über dûn). Frei -G98I. althochdeutſche vocale. lich läßt ſich die berührung des mit dem au nicht ab - leugnen (vgl. pûan, trûwën und das goth. báuan, tráuan)*)Unorganiſch ſteht gl. ker. (Stalder dial. p. 36.) tauba f. tûba. columba; vgl. O. houf (acervus) verſch. von hûſo.. Manchmahl ſcheint zwiſchen und au das verhältniß des lauts und ablauts zu walten, z. b. ſûfan (bibere) praet. ſauf und davon biſaufen (mergere); ſûgan (ſugere) praet. ſaug, wovon ſaugen (lactare). Verwechslung des mit uo finde ich öfters bei N. in der form - ûh. - uoh; er ſchreibt zwar huoh (irriſio) ſcuoh (calceus) aber daneben hûhôn (irridere) geſcûhen (calceare); um - gekehrt druoh (compes) neben drûh. Zu bemerken iſt auch ſt. nû einmahl nua O. IV, 18, 55. welches an das goth. du (oder dû?) gegenüber dem alth. zuo, zua erin - nert, wenn man ſchon das goth. du, dis - näher in dem alth. zi, zër - finden könnte; verwandt ſind ſich zuo und zi unleugbar. Im mittelh. vermiſchen ſich uo und noch häufiger, im neuh. ſind alle uo zu (uh) geworden.

(AE) es iſt vorhin beim gewieſen worden, daß ae zuweilen für jenes geſchrieben werde. So im Hild aen, haetti, laet ſtatt ên, hêtti, lêt. In allen dieſen beiſpie - len iſt das nicht mehr hoch - ſondern niederdeutſch; in aeriſt (êriſt) aber auch hochdeutſch.

(AI) der diphthong ai iſt der alth. ſprache eigentlich fremd; nur könnte man fragen, weil er ſich ſpäterhin in bairiſchen denkmählern und bis auf heute in der dor - tigen volksſprache findet, ob er nicht auch für die alt - bairiſche mundart anzunehmen ſey? Inzwiſchen zeigen gerade ſolche ſtücke, deren abfaßung man entſchieden nach Baiern ſetzen möchte, das gemein alth. ei, nament - lich die exhort. die gl. monſ. und das weſſobr. gebet. Umgekehrt gewähren die vermuthlich nicht in Baiern geſchriebenen hrab. gl. ſpuren des ai, als 950b laidazit. 951a kail. 952b hailac; häufiger aber gebrauchen ſie da - neben das ei 952b heiƷ, 953a heit, leitit, 954a kleinî etc. Die ſpätere gloſſenſamml. welche Gerbert p. 17-108. aus einer hſ. von S. Blaſien liefert, enthält kein ai, die trierer hſ. deſſelben werks in den nämlichen wörtern bald ai (ain, bain, ſail, raif, ſaifa, laib, faim etc.) bald wieder ei (reid, weitin, deiſmo, ei etc.), neben jenen ai jedoch weder au f. ou noch gar ei f. und es fehlt an allem grunde, die abfaßung der arbeit nach Baiern99I. althochdeutſche vocale. zu ſetzen. Ferner das ei und kein ai geben wirkliche bair. urkunden des 8. 9. jahrh. bei Ried . 2. 8. 15. 22. 47. 50 etc. zeiƷ, heim, leid, eigil, geiƷ, pein etc. ale - manniſche hingegen zuweilen ai ſtatt des gewöhnl. ei, vgl. in Neugarts namenverz. aimo, gaila, haimo, haitar, paio, laibolf, aigant etc. Ich möchte alſo das ausnahms - weiſe in den alth. quellen allerdings vorhandene ai nicht der bairiſchen mundart zueignen, ſondern es für das ältere, unumgelautete ei überhaupt anſehen. Man verwechſle mit ai nicht den hiatus âi, z. b. plâju (ſpiro) gâì (feſtinatio) ſt. plâhj[u], gâhî; gidrâit (tortus) etc.

(AO) daß dieſer doppellaut einer beſondern mund - art ſtatt des gemein-alth. eigen ſey, iſt vorhin beim gezeigt worden; welcher mundart aber? wage ich nicht zu beſtimmen. Die augeführten belege waren ans den gl. hrab. dem Hild. und urkunden bei Ried. Aber auch Neugart . 47. hat aotahar 79 gaoƷbërt 48. maorin - zan etc.*)Den alemann. könig frao-mârius bei Amm. Marc. lib. 29. bringe ich nicht in anſchlag.. Mit dem oa, welches einige für ua, uo ſchreiben, darf ao nicht vermiſcht werden, iſt aber zu - weilen doch dafür geſetzt worden, was um ſo begreif - licher ſeyn wird. als auch ua dem parallel ſteht, wie oa dem , beides freilich in verſchiedenen dialecten. Wenn alſo bei Ried . 8. 21. aopi, aogo, taom nicht verſchrieben iſt. ſo ſtünde doch beßer ôpi, ôgo, tôm (d. h. uopi, uogo, tuom); taoc (valet) im Hild. ſteht entw. für tauc oder iſt hinneigung zum niederd. dôg.

(AU) dieſer diphthong iſt gemeinalthochdeutſch, aber nur in den frühſten denkmählern zu treffen; ſpätere (T. O. N.) erſetzen ihn durch ou, nie durch . Eine gewiſſe analogie zwiſchen au und ai läßt ſich nicht ver - kennen 1) weil beide inſonderheit vor h. ſ. r. in und übergehen. 2) in den übrigen fällen ſich ſpäter in ou und ei verwandeln, jedoch 3) im neuh. wieder als au und ai (freilich ei geſchrieben) auftreten. Hieraus folgt zugleich, daß au und ai als das früheſte, dem goth. noch nähere hochdeutſch**)Zur Römerzeit mag wie im goth. noch das unverküm - merte au gegolten haben, da ſie nicht bloß chauci ſon - dern auch aurinia ſchreiben; doch iſt letzteres zweifelhafte lesart. In gothones iſt ein kurzes o (d. h. ein urſpr. deut - ſches u) weshalb die Byzantiner γ[ό]τθοι ſchreiben, nicht γωτθοι., weniger als ein beſondererG 2100I. althochdeutſche vocale. (bairiſcher) dialect betrachtet werden müßen; es ſcheint jedoch, daß ſich das ai eher in ei, als das au in ou verändert habe, indem J. und K., die noch dem au an - hängen, bereits das ei annehmen (eine vermuthung hier - über unten bei der bemerkung über den alth. umlaut). Wie vorhin geſagt, ſtehet au vor m; b. p. f; g. k. hh und nicht vor n. r. h. ſ. d. t. Ʒ. (man merke daß der liq. l weder au noch vorhergeht, wohl aber das ſonſt analoge ai, ei und ). Beiſpiele: thaum (vapor) ſlaum (ſordes) paum (arbor) ſtraum (alvens) ſaum (ora, ſella) gauma (cura) gaumo (faux) traum (ſomnium) haubit (caput) raubôn (ſpoliare) gilaubîn (fides) zaupar (monſtrum) laup (folium) ſtaup (pulvis) kauf (emtio) ſtauf (cyathus) trauf (ſtillavit) taufì (baptiſma) hlaufan (currere) piſauſan (mer - gere) auga (oculus) ſaugen (lactare) gaugron (vacare) flaugen (fugare) laugnen (inficiari) taugno (clam) trauc (fefellit) pauc (umbo) hauc (collis) lauc (ſlamma) flauc (volavit) auhhôn (augere) bauhhan (ſignum) prauhhan (uti). Zu erwägen bleiben noch

  • 1) einſilbige wörter auf au, wohin namentlich die praet. blau, hrau, chau, brau, die ich nicht belegen, ſon - dern nur aus der analogen ſpäteren form blou, rou, kou, brou vermuthen kann. Hierher auch die ſubſt. tau (ros) gl. jun. 224. dau (mos, wovon daulîh, moralis gl. hrab. 961a) und die adj. clau (prudens) frau (laetus) rau (crudus) obgleich dieſe faſt nur mit angehängtem kennzeichen vorkommen: clawaƷ, frawaƷ, rawaƷ und daneben die einfachen clô, frô, rô eintreten können. Weiteres unten beim conſ. w.
  • 2) wörter mit dem auslaut h, in denen doch dieſer nicht der einfache ſpirant h ſeyn kann (vor welchem au in übergeht) ſondern für die aſp. hh (ch) ſteht, vgl. auh (etiam) rauh (fumus) lauh (clauſit) lauh (allium) bauhnida (ſignificavit). Weiteres beim h.

Die zeit, wo au vor m. b. p. etc. in ou übergieng läßt ſich nicht genau anſetzen; denkmähler des 8. jahrh haben noch meiſtens au, bei T. O. N. iſt das ou entſchieden. Doch urkunden aus der zweiten hälfte des 8ten zeigen ſchon ou, vgl. Eccard fr. or. 1, 675. in einer urk. von 779 houc und bei Neugart no. 68. (von**)Daher auch im calend. goth. (Maji ſpec. p. 26.) gu[t]þiuda. Claudian braucht go richtig kurz, eine inſchrift (Gruter 161,2. ) lang.101I. althochdeutſche vocale. 778) loup; aus dem 9ten ebend. no. 219. 231. 437. 462. loup und poum. Einige denkmähler ſchwanken, ſo hat Hild. neben rauba ſchon bouga; in den gl. jun. zeigen die verzeichniſſe A. B. au, das etwas jüngere C aber ou und vermuthlich iſt 225. die gloſſe wîrouhpoum aus C fälſchlich in B gerathen, welches 226. paum 239 rauh gewährt; vgl. inzwiſchen 215 louginit, und gl. blaſ. 5b ſlroum 10b bougâ.

(EA) ëa, ſteht für das gemeinalth. ia bei J. vgl. hëar, dhëa, lëaƷ (392) ſtatt hiar, dhia, liaƷ; auffallend iſt dhëaſa (408. ed. palth. 270.) ſ. dhiſa Neben dem ëa auch , als ſênc (367) und ia, als: fiant, ſia. K. zeigt ëa gleichfalls in dëa, këanc und lëaƷ, hat aber häufiger ia, als: hiar, ſtiagil, fiant, fial, fianc; 42b mias (menſa) 43b mëas. Die gl. jun, 195. dëa, 201 lëaƷ, 2〈…〉〈…〉 2 zëar, 205 nëaƷes, 213 mëata; gewöhnlich ia 185 ziarî,[k]ianc 209. kiangi, ſtriani, 221 hiaƷ, 223 fliad etc. 227 mètun, 197 mietta; die gl. blaſ. 8 a blëas. 9a fëal ſëa (eam). Ob ëa eine beſondere mundart aus - zeichne? da es in zwei ſonſt verſchiedenen quellen, l. und K. vorkommt, bezweifle ich, eher ſcheint es der ältern ausſprache gemäß. Ubrigens erſetzt es auch das ja in gardhëa (virga) minnëa (amor) und iſt von dem zweiſilbigen êa (lex) ſlêaƷ (hebes) zu unterſcheiden. Mehr von der natur dieſes diphth. unten beim ia.

(EI) d. h. ei (nicht ëi) ein gemeinalth. diphthong, dem goth. ái entſprechend und früher auch im alth. durch ai ausgedrückt (ſ. vorhin ai). Ausnahmsweiſe wird hier alſo der umlaut von einem in derſelben ſilbe unmittelbar nachfolgenden i gezeugt. Das goth. ei iſt ihm nicht analog und vermuthlich ſchon dem klange nach abweichend; man könnte erſteren diphthongen eí, den unſrigen éi; oder jenen ëi, dieſen ei bezeichnen. Da aber das goth. ái doch einmahl in ein alth. éi über - gieng, ſo muſte auch der übergang des eí in eintre - ten, weil ſonſt zwei zu nahe laute nebeneinander und zwar als laut und ablaut hätten ſtehen müßen. Dieſer übelſtand trifft das neuh. ei, welches genau betrachtet bald eí bald éi iſt. Vor h. r. ſ. w. pflegt das alth. ei in überzugehn (ſ. oben beim ). Beleg geben: ei (ovum) hei (καῦμα) ſceidan (ſeiungere) eidâ (juramenta) heidan (ethnicus) greif (prehendit) hneigjan (flectere) eigir (ova) ſueiga (armentum) neihhen (libare) zeihhan (ſignum) weihhì (mollities) geilì (petulantia) heilac102I. althochdeutſche vocale. (ſanctus) teil (pars) heim (domus) leim (lutum) hreini (purus) ſein (tardus) pein (os) ſcein (lucebat) meiſa (ſar - cina) folleiſt (auxilium) gneiſto ([ſe]〈…〉〈…〉tilla) ſcreip (ſcribe - bat) ſtreit (dimicabat) eit (ignis) heitar (lucidus) pheit (induſium) heiƷ (fervidus) weiƷ (novit) hueiƷî (triti - cum) heiƷan (vocare) agaleiƷì (ſolertia)*)N. accentuiert dieſen diphth. ganz richtig ei, weil indeſ - ſen kein anderes ei im alth. davon zu unterſcheiden iſt, ſo kann der accent geſpart werden. Auch O. wenn der acutus dieſen deppellaut trifft, ſchreibt ſtets éi..

(EO) ëo gilt dem io gleich, wie vorhin ëa dem ia und ungefähr in den nämlichen älteren quellen, I. hat: lëoht (lux) ſëor (quatuor) dhëoh (femur) dhëonôn (ſer - vire) dhëod (gens) lëogan (mentiri) hrëofun (vocabant) und in den flexionen: ëo, huëo. waldendëo, heidëo, woneben jedoch nerrendjo, john ſtattfindet. K. hat: lëoht, dëonoſt, pëotan, fëor, flëoƷan, zëohan, flëohes, ëo, huëo, hentëo, willëôno, neben: fior, diomuat, piotan, johhe, joh, (jugum) joh (et). Die hrab. und jun. gl. pëor (cereviſia) ſpëoƷ (haſta) ſlëoƷan, hlëoƷan, lëoht, hlëotan, pëotan, chëol (navis) etc. T. O. N. zeigen dies ëo nirgends mehr, aber daß es in früher zeit zu - mahl in der altfränkiſchen mundart geherrſcht hat, wei - ſen die eigennamen theodobertus, theodogildis, theodo - ricus, theodovaldus, theodulfus bei Greg. tur., welcher den goth. königen theudo und theudegiſilus mit feinem gefühl das goth. eu (in) beilegt. Ich bemerke noch, daß Sidon. apollin. eo in theodoris der deutſchen ſprache gemäß richtig diphthongiſch, Venant. fort. aber e-o zweiſilbig gebraucht und zwar das e lang, welches vielleicht zeigt, daß in dem io, ëo der ton auf dem i und ruht; (die ſtellen bei Schneider p. 123.). Inzwi - ſchen vergleiche man in Neugarts verz. p. 96b 120. 121. die mit dhëot, thëot, dëot und diot, thiot gebildeten zahl - reichen namen, um zu ſehen, wie auch der alemanni - ſchen mundart früher ëo, ſpäter io zugeſtanden habe. Weiteres unten beim io.

(EU) ëu bei I. für iu, aber nur in hrëuûn (poeni - tentiam) 384. ëuwih (vos) ëu (vobis) neben iu, die übrigen fälle haben iu, als liugn, liudî etc. freuwî 355, freuwidha 345, ſteht für frewì, nicht friuwî, und hat ein eu, nicht ëu; undiphthongiſch und zweiſilbig ſind ſêulu 366, hrêue 374. Die andern denkmähler bieten103I. althochdeutſche vocale. gar kein ëu an hand, wohl aber urkundliche eigenna - men des 8ten jahrh. vgl. bei Neugart p. 107b lëudiſca, lëutbald, lëutbërt, woneben und zumahl ſpäter iu weit gewöhnlicher iſt. Früher mag das ëu gegolten haben, wenigſtens im altfränkiſchen, vgl. bei Greg. tur. leuba, leubaſtes, leubovera, leudaſtes, leudegiſilus, leudovaldus. Dieſes ëu ſcheint denn auch in teutones und teutobur - gum bei den röm. ſchriftſtellern zu ſtehen, dem alth. iu, nicht dem io entſprechend, woraus zugleich gefol - gert werden kann, daß unſer volksname thiudiſc oder thëudiſe von thiodiſc, thiodîg (popularis) unterſchieden, alſo nicht geradezu von thiod abzuleiten iſt. Mehr bei dem unterſchied zwiſchen io und iu. Indeſſen räume ich verwechſelungen des ëo und ëu ein und erinnere nur an des Venant. fort. leudos (lieder) wo leodos rich - tiger wäre; ihm war vermuthlich das eu diphthongi - ſcher als eo, das er, wie oben bemerkt, zweiſilbig zu nehmen pflegt.

(IA). Dieſer diphthong iſt dem K. und einigen äl - tern gloſſenſammlungen, im 9ten jahrh. aber und in ausgedehnterem ſinne dem O. eigen, weder dem T. noch andern denkmählern. Im allgemeinen gilt analogie zwi - ſchen ia und ua im gegenſatz zu io und uo, d. h. die welche ia gebrauchen, haben auch ua und die welche io ſetzen, haben auch uo. Der ſchluß von dem uo auf io taugt aber nicht überall, weil das uo ſpäter dauerte, als bereits io in ie aufgelöſt war. Analog iſt ferner*)Ift es aus der verwandtſchaft des einf. i und u zu erklä - ren, daß K. einigemahl ia ſtatt ua ſetzt? 40b triabit 17b 30a priadra, doch ſteht 44b truabe und ſonſt pruadra; 28a trihtin f. truhtîn. zwiſchen beiden diphthongen ia (io) und ua (uo) die zuſammenziehung in und . Hier unterſuchen wir vorerſt ia und bemerken

  • 1) da, wo O. ia mit den älteren denkmählern gemein hat, alſo wo letztere auch ëa zeigen, ſcheint der diphthong unurſprünglich und erſt aus einer vorgefal - lenen zuſammenziehung entſtanden. Daher dieſem ia auch kein goth. diphthong entſpricht. Der hauptfall iſt der des ablauts ia ſtatt der goth. reduplication. Aus háihald, faifah, máimáit mögen die einſilbigen formen hialt, fiang, miaƷ herrühren, obſchon wir die mittelſtufen nicht genügend nachweiſen können; zu -104I. althochdeutſche vocale. nächſt vorher gieng vermuthlich ein zweiſilbiges hî - alt, fî-ang, mî-aƷ und dieſen vielleicht hei-alt, fei - ang, mei-aƷ; heihalt, feifang, meimaƷ, meimaiƷ. Das reſnltat fand ſich ſchon oben ſ. 54. aus der regel, daß dem diphthongen keine doppelconſonanz nach - folgen dürfe
    *)Zu O. zeit war aber die natur des eigentlichen diphthon - gen ſchon entſohieden, wie aus ſeiner acceutuation ia folgt (〈…〉〈…〉íat, híalt, ría[f], níaƷan), während ia = ja umge - kehrt den ton auf dem a hat, z. b. jágôn (venari).
    *). Auf gleiche weiſe löſen ſich nun auch in andern fällen die diphthongen ia in mehrere ſilben auf: thiarna (virgo) in thi-arna oder thî-arna, es ſcheint wie das goth. viduvaírna (orphanus) aus viduva (viduus) gebildet aus thiu oder thi[vv]i mit der endung - arna, ſo daß thiwarna im mittel liegen würde [von den bildungen arn - arna - erni näheres in der wortbildungslehre]; fiar (quatuor) war früher zweiſilbig fï ar, ſi-ar, wie das goth fidvôr, das ſelbſt ſchon in fidur ſchwankende, ferner das celtiſche pedvoar, pedvor neben petor, pevar das dor. τέττορες, äol, πίσυρες, att. τέσσαρες das lat. quatuor, litth. ketturi, ſlaviſche tſchetari, tſchitvari ſanſer. ſchatvari ge - nügend beweiſen. In dem ſaliſchen geſetz noch fitter, ſo daß ältere hochd. formen fidvar, fidar, fjar gelautet haben mögen, vgl. das nord. fiögur. Bei näherer auf - merkſamkeit werden ſich voch in andern alth. wörtern mit dem ſcheinbaren wurzellaut ia ähnliche zuſam - menziehungen nachweiſen laßen, zumahl in wörtern die im goth. fehlen. z. b. ziari, das mir mit decor, decorus nah verwandt ſcheint (vgl. indeſſen unten beim linguallaut über die rune: ziu). Geringere offen - baren ſich in: thia (τήν) ſia (eam) hiar (hîc) welche frü - her einmahl zweiſilbig thi-a ſi-a hi-ar lauteten, wie die ſchwachen inf. auf - jan, d. h. i-an. ſîant iſt noch zweiſilbig, fî-ant, goth. fijands, fiands; desgl. ſpî-an (ſpuere) etc.
  • 2) O. gibt dem ia ausdehnung auf den fall. wo die übri - gen ëo und io ſetzen, ſelbſt ſolche, die das vorige ia mit ihm gemein hatten, z. b. biadan, ſliaƷan, liabe, diafên (profundis); K. pëotan, ſlëoƷan
    **)Unorganiſch iſt O ia in iamer (ſemper) ia-man (aliquis) nia-man (nemo) ſtatt iomer, io-man, nio-man, indem das o aus einem alten v entſprang, vgl. oben ſ. 90. note*, und um ſo offenbarer, als O. ſelbſt das einfacho io (un - quam) nio (nunquam) richtig und nicht ia, nia ſchreibt.
    **). Dieſes105I. althochdeutſche vocale. ia beruht in der regel nicht wie das vorige auf einer verkürzung und ſteht dem goth. iu parallel. Ausnah - me machen die ablaute riaf, wiaf, ſtiaƷ etc. deren ia dem gleichfalls eine zuſammenziehung vorausſetzen - den, baßeren io entſpricht.

(IE) in ie halte ich das e weder für noch für e (umgelautetes a) weil hier weder grund zum umlaut vor - handen, noch ein denkbar iſt; vielmehr das e iſt aus dem ältern a und o, wie in den endungen zu geſche - hen pflegt, entſtellt worden, ie mithin nichts anders als ein abgeſchwächtes ia oder io. Hieraus fließt zu - gleich. daß in dieſen der ton auf dem i ruht. Ein ſolches ie zeigen J. K. und die frühſten quellen noch faſt gar nicht (mietta gl. jun. 197. zierida M. 319.); bei T. und O. beginnt es, bei N. hat es ſich beinahe ent - ſchieden au die ſtells des ia und io gedrängt, zuweilen ſelbſt an die des iu. Bei O. iſt es weniger häufig, nament - lich im ablaut ſelten, doch finde ich rietìn f. riatîn; andere beiſpiele; ſirlieſen f. firliaſan, lied (cantio) ziere: ſkiere J. 23, 42. biet (menſa), thiete (populo). T. gebraucht es öfter, namentlich im ablant: gieng, phieng. hieƷ, blie - ſon, ſliefon etc.; andere beiſpiele: mieta, ziegala, fiebar (febris), thienôn neben thionôn. N. kennt kein ia*)Ein zweiſilb. alſo undiphthongiſches ìa allerdings, etwa in wörtern wie ohlìa (furfur) etc. (pìa, apis, heißt ihm bina). Daſſelbe gilt von îo (ſemper) nìo (nunquam), die wenigſtens urſprünglich zweiſilbig waren und wenn ſie jetzt einſilbig ſind, doch aus dem grunde ſich nicht ſchon in ie, ni[e]abſchwächten; vgl. joh (et), nicht jeh. und io mehr. ſondern bloß ie, ſchreibt aber dieſes ſtets îe. welches zwar für die ablaute gîeng, hîeƷ etc. in ſo - fern ſie nach obiger anſicht aus î-e entſprangen, paſſend ſcheinen könnte, für den wirklichen diphthongen, der dadurch zum triphthongen (iie) würde, nicht zu billi - gen iſt. Daß kein . ſtatt finde, folgt auch aus dem wechſel der ia mit ëa. Soll damit bloß der dem i vor dem e gebührende nachdruck gemeint ſeyn, ſo wäre die bezeichnung íe empfehlungswerther, ſcheint aber auch entbehrlich. Daß N. ſelbſt kein wirklich gedehntes meine, folgere ich aus ſeinem misbrauche deſſelben îe für zwei weitere fälle, denen gar nicht dieſer diphthong zuſteht. Theils finde ich îe ſtatt , z. b. dîehent (profi -**)Aber auch N. unterſcheidet iemer, niemer, ieman, nie - man vom einfachen io, nio.106I. althochdeutſche vocale. ciunt) wîehûs (templum) ſogar dîenen (tuum), wo doch öfters auch das richtige geſetzt iſt; theils ſogar ſtatt des kurzen i, nach neuhochd. weiſe, z. b. ſîeho (video) jîeho (dico) etc.*)Oder unterſcheidet er ie von îe? die ſehilterſche ausg. der pſalmen weiſt bekanntlich weder accent noch circumflex außer den pſ. ſcheint aber jenes incorrecte ie bei N. gar nicht vorzukommen. Man könnte ſich zur erklärung der ſchreibung îe und ûo, abweichend von éi, óu, íu den - ken, N. habe nicht ie, úo geſetzt, um den größeren nach - druck auf dem i und u auszudrücken. Doch wäre erſt der geringere auf dem e, o, i in éi, óu, íu zu beweiſen. Meinestheils glaube ich. in allen fünf diphth. hat der vor - ſtehende vocal gleichen nachdruck..

(IO) dieſer diphthong verhält ſich zu dem folgenden iu, wie ſich das einfache o zu u verhält, das heißt: iu ſcheint die ältere, früher allein gültige form, die ſich allmählig in io verwandelt und ſo, daß einzelne wörter zwiſchen beiden ſchwanken. Der Gothe, wie er kein einfaches o kennt, hat auch kein io, ſondern für das alth. io und iu beidemahl iu. Vom iu hernach beſonders, beim io (früher auch ëo) bleibt zu merken

  • 1) es muß von dem ia (ëa) und zumahl dem ablauten - den wohl unterſchieden werden. Erſt O. gebraucht ſein ia mitunter für fälle des wirklichen io. Doch in einer conjug. ſcheint ſogar dem ablaut beßer io ſtatt des otfriediſchen ia zuzuſtehen, nämlich bei den ver - bis, deren praef. au, und uo hat, vgl. ſtioƷ, wiof, hrëof, hio. Der grund iſt einleuchtend, nämlich auch dieſes ablautende io muß gleich dem ia aus zuſammen - ziehungen erklärt werden; wie daher die ſtämme mit a im praet. ia zeigen, ſo hätten die mit , au, uo eigentlich iô, ian, iuo zu bekommen; aus hîau, ſtîôƷ, hrîuof wäre allmählig hio, ſtioƷ, hriof geworden. In der that läßt ſich fragen; ob nicht, wenigſtens in den älteſten quellen richtiger hiô, ſtiôƷ geſchrieben würde? und dann gehört der triphthong iô gar nicht zu un - ſerm diphth. io. Später aber galt gewiß ein diphthong. io in dem ablaut hio, wie ie in dem ablaut gieng etc.
  • 2) O. gibt manchen wörtern ſtets io
    **)Vornämlich den partikeln io (unquam) nio (nunquam) worüber in vorausgehenden noten ſchon einiges bemerkt worden iſt. Vielleicht waren ſie ihm noch zweiſilbig, wie die häufige accentuierung íó, níó darthut? Auch joh (et) lautet ihm niemahls jah und iſt ohnehin undiphthongiſch.
    **), als: lioht (lux) thiot (gens) thionôn (ſervire) ſpioƷ (haſta); in andern107I. althochdeutſche vocale. ſchwankt er zwiſchen io und ia, als: ziarî (decor) III. 22, 14. zioro (decôre) I. 2, 82. giſciaren (feſtinare) IV. 12, 88. ſcioro (mox) II. 7, 107. Ja, einzelne wör - ter zeigen nach den umſtänden ia, io und in, z. b. liubêr (carus) I. 25, 34. liubî (amor), liublicho, giliu - ben; liob (carum) liobon (caris); liabe (cari) V. 25, 48. liaban (carum) I. 15, 93.; diuf (profundum), diofo (pro - funde) diaſa (profundam) V, 6, 4. diafèn (profundis) V, 8, 47.; thiob (fur) githiuben (furari) etc. Iſt gar keine endung, oder die endung o da, ſo liebt die wurzel io, wogegen die endungen a. i. , e, ein ia oder iu vor ſich zu haben pflegen. Kein umlaut wal - tet hier, ſondern ein ähnliches verhältniß älteres und jüngeres lauts, wie wir es oben zwiſchen i und , u und o gefunden haben, daher es auch nur zuweilen nicht durchweg eintritt; im ablaut namentlich bleibt O. ia, es mag nun giang, giangi oder giangun heißen. (vgl. unten über vocalwechſel tonloſer endungen).
  • 3) T. und andere kennen kein ſolches ſchwanken zwi - ſchen ia und io. ſondern nur zwiſchen io und iu. Bei - ſpicle von io: thiob, thiot, liob, lioht, gioƷo (fretum) thionôn, riohhen (fumare) rioƷet (fletis) tior (ani - mal) etc.

(IU) entſpricht dem goth. iu und ſcheint in den früheren alth. denkmählern oft durch ëu ausgedrückt. Zwiſchen iu und io tritt der oben (ſ. 84.) geſchilderte wechſel zwiſchen u und o ganz analog ein. Das iu als die ältere form iſt verblieben 1) gewiſſen wörtern, welche durchaus kein io zeigen, als: ariup (dirus) griupo (frixo - rium) piugo (ſinus) niumôn (cantare) liuni (forte) - niu (endung weibl. namen) diu (virgo) ſtiurjan (gubernare) fiur (ignis) liut (populus) tiuri (pretioſus) ſniumo (mox) tiuval (diabolus) ſciura (horreum) liumunt (fama) giſiuni (viſio) hiutu (hodie) niun (novem) friunt (amicus) etc. 2) dem ſing. praeſ. ind. und imp. der ſtarken verba, welche im inf. conj. und praeſ. pl. io oder ia zeigen, als: piutu, piutis, piutit etc. 3) gewiſſen ableitungen, z. b. thiob, githiuben; lioht, liuhten etc. 4) andere ſchwankende fälle ſind vorhin bei ëo, ëu, io angeführt worden. Der unterſchied zwiſchen io und iu zeigt ſich darin be - deutend, daß im verfolg und namentlich im mittelh. die io in ie übergegangen, die iu hingegen (größtentheils) geblieben ſind. Regel iſt es unleugbar, daß dem io das frühere ëo, neuh. ie dem iu hingegen das frühere und neuh. ëu zur ſeite ſteht; vgl. dëor, thier; theodo -108I. althochdeutſche vocalc. ricus, dieterich und andrerſeits tiuri, theuer; teudiſcus (bei Nithard in dem bekannten eidſchwur) deutſch; im neuh. weder deuterich noch dietſch*)Will man diutiſc (germanicus) von diot (gens) leiten, ſo läßt ſich freilich die analogie des wechſels zwiſchen irdiſo und ërda anführen, ſo wie zugeben, daß zumahl auslän - der zwiſchen thendiſcus u. theodiſcus ſchwanken. Nähere erwägung der conſonanten lehrt aber anderes. Der Gothe unterſcheidet þiuda (gens) völlig von þiuþs (bonus, ἀγα - θός) und die ableitungen beider miſchen ſich nicht, na - mentlich heißt das von letzterm ſtammende þiuþjan: prei - ſen, ſegnen, berühmen. Im alth. iſt zwar das einfache thiut (aptus, bonus, clarus) verloreu, doch ableitungen haben ſich erhalten: githiutî O. V. 8, 17. (erklärung) gi - thiuti (benedictus) O. III. 10, 47; githiuto (bene, feliciter) und noch bekannter iſt das verbum thiuten, diuten (aptare, explicare, interpretari). thiutiſo heißt folglich: bonae in - dolis, ſamae; benedictus, wogegen thiotiſk (popularis, gentilis) ganz etwas anderes, weniger ſchickliches ausſagt. Zu meiner erläuterung ſtimmt das nord. þŷda (aptare, explanare) und þŷdſkr (germanus), þiodverſkr iſt falſch gebildet. Dem Gothen würde þiuþiſks (germanicus) þiudáiviſks (gentilis) bedeuten. Verwandtſchaft zwiſchen diot und diut mögen andere darthun, ich wollte gerade ihre verſchiedenheit zeigen. Zugleich geht hervor, daß die heutige ſchreibung deutſch auf einem richtigern ge - fühle beruht, als teutſch., ſo wie der orts - name thiotmalli, thiatmalli ſpäter zu dietmold, dêtmold, nie zu dentmold werden konnte. In anſehung des iu iſt noch anzuführen

  • 1) daß der diphthong, ſeltner zwar als ia und io, aber doch zuweilen eine frühere mehrſilbigkeit verräth. Zum beiſpiel in friunt aus fri-ônd contrahiert, weiter, die ablaute hiu (caecidi) (liuf) (cucurri), ein früher zweiſilb. hi-u, li-uf vermuthen laßend. In ſolchen fällen iſt der diphth. unurſprünglich, auch nie dem goth. iu entſprechend.
  • 2) von iu iſt wie im goth. ju zu unterſcheiden, obgleich alt - und mittelh. hſſ. das j faſt gar nicht ſchreiben. Bei O. und N. weiſt jedoch wieder die accentuation den unterſchied, nämlich der diphthong wird iu be - zeichnet. ju hingegen, weil es meiſtens tieftonig oder tonlos, gar nicht (die weibl. und neutr. endung - iu, als mâriu, ſcôniu), oder wo es wurzelhaft und tonfä - hig iſt, iú (z. b. iúng = jung). Hierdurch unter - ſcheidet ſich thiu (illa) und der inſtr. thíu (illo);109I. althochdeutſche vocale. iú (jam) und íu (vobis), zweckmäßiger jedoch glaube ich beiderlei durch das wiedereingeführte j zu ſon - dern: thju oder thïu (illa) thiu (illo) thiu (virgo) ju (jam) iu (vobis). Wie thiu iſt hiu der inſtr., da - her bei O. richtig híutu (hodie) accentuiert wird. N. ſchreibt den eigentlichen diphth. gleichfalls: íu
    *)Warum nicht îu? da er onſt îe, îo, ûo ſchreibt? ſind ihm îe, îo, ûo undiphthongiſcher als éi, óu, íu?
    *), ju hingegen iu [oder betont iú].
  • 3) ſeit N. zeit erhält der eigentliche diphthong iu eine erweiterung, indem er auch, wiewohl ſchwankend, als umlaut des zu gelten anhebt, vgl. chrût pl. chriuter; brût gen. briute. Dieſer umlaut lautet auch ſpäterhin ganz wie die übrigen fälle des mittelh. iu oder neuh. eu und unſtreitig hätte er, wäre er be - reits im 8. 9ten jahrh. vorhanden geweſen, mit dem - ſelben iu ausgedrückt werden können
    **)Einzelne ſpuren des früheien iu ſt. in giriuno (clam, ſuſurrando) O. I. 19, 18. I. 27, 70.
    **). Wer folg - lich die anſicht vertheidigen will, daß ein alth. um - laut des ſo gut vor N. als nachher beſtanden habe, muß aufſtellen, das umgelautete habe früherhin nicht iu ſondern verſchieden gelautet, was mir we - nig wahrſcheinlich vorkommt, zu geſchweigen daß ſich der laut gar nicht wird angeben laßen. Und ſelbſt das ſchwanken bei N., der neben chriuter auch noch chrûter ſchreibt, redet für das damahlige ausbrechen eines noch unſicheren umlauts.
  • 4) vom übergang des iu in iw oder iuw unten bei dem conſ. w.

(OA) nicht gemeinalth. ſondern mundartiſch für ua, man ſuche es theils in alemann. urkundlichen ei - gennamen (Neugart v. hroad -, moat -, oadal -, road -, etc.) theils in den gl. ker. z. b. moat, ploat, ploamo, poah, hroam, ploaƷu (ſacrifico) foakit (fuagit) etc. vgl. gl. doc. 214. ſoana (judicium). Die beſtimmte mundart will ich aber nicht örtlich anweiſen; lieber halte ich oa für etwas alterthümlicher als ua, was auch zu dem urſprung aus oo () ſtimmt.

(OE. OI) ſind keine alth. diphthongen***)To[i]f (baptiſma) oiga (oculus) hoibet (caput) toigen (my - ſterium) erloibet, ſämmtlich bei W. halte ich für falſche; zuweilen ſtoßen die vocale und , e, oder i, als zweiſilbiger110I. althochdeutſche vocale. hiatus aneinander, das iſt ganz etwas anders, z. b. grôent (virent) hôiro (celſior) ſt. hôhiro: pëtôjèn (oremus). Das älteſte beiſpiel gewährt der flnßname moin, moën, früher mogin, mohin, aus dem endlich das neuh. diph - thongiſche main geworden iſt, aber noch in der volks - ſprache ma-in mit hiatus, wofür ſelbſt die ſchreibung ai redet neben der allgemeinen ſchreibung des ei f. ai. Der name der ſtadt behielt das alte g länger: mogontia - cum, maguntia, meginze, megenze, zuletzt auch mainz; gerade ſo verräth ſich in dem neuh. getraide (frumen - tum) die ſyncope aus gitragida.

(OU) vorhin bei dem au iſt ausgeführt worden, daß dieſer ſeit dem 9ten jahrh. ſo häufige diphth. frü - her durch au gegeben wurde, ſpurweiſe aber ſchon die - ſes im 8ten vertritt. Sein verhältniß zu dem iſt ganz das des au zu dem (ſ. oben ſ. 94.). Übrigens ge - bührt der ton dem vorausſtehenden o (wie dem a in áu) daher O. richtig ou accentuirt, N. desgleichen. Beiſpiele gewähren die nämlichen, vorhin beim au angezogenen wörter.

Hior bleibt die wichtigere frage übrig: die analogie des ai, das ſich in ei wandelt und vermuthlich, weil der einfluß des i der endung auf das a der wurzel all - mählig auch für den diphthongen ai wirkte, alles das iſt unverkennbar; ſollte nicht weiter im diphth. au das u eine ähnliche macht ausgeübt und das a in o ver - wandelt haben? Nun ſind zwar oben beim einfachen a und o übergänge dieſer beiden laute erwähnt wor - den, namentlich in den wörtern halôn, holôn; wanèn, wonên; fan, fona, denen ſich noch einzelne zufügen laßen: als wamba I. T. O. M. und womba N. und folma vgl. mit dem lat. palma. Inzwiſchen entſpringt in diefen an ſich höchſt ſeltnen fällen das o ſtatt a un - abhängig von einer endung u und läßt ſich dem ſo häu - figen ſichtbar von der endung i abhängenden umlaute des a in e kaum vergleichen. Hiergegen ſcheint auch der nord. von der endung u abhängige umlaut des a in nur wenig bedenken zu machen, weil gerade der nord. diphth. au keine dem nord. ei (das allerdings aus ai herſtammt) äbnliche verwandlung in öu befährt. (Vgl. unterdeſſen einige ſpuren des der endung u wegen***)lesarten und das richtige ouga, erloubet kommt ſogar da - neben vor.111I. althochdeutſche vocale. umlautenden a im niederdeutſch). Vom übergange des ou in ow, ôw oder ouw unten beim w.

(UA. UO) beide ſind ſich gleichbedeutend und bloß mundartiſche verſchiedenheit; man kann annehmen, die denkmähler welche im ablaut ia zeigen, haben auch im ablaut ua, hingegen dem ie ſtehet uo zur ſeite. Der älteren form ëa ſcheint oa, ſo wie dem zuſammenge - zogenen das parallel. Dieſes mag die älteſte ge - ſtalt*)Bedeutend hierfür ſpricht, daß in den unbetonten endun - gen das im alth. geblieben iſt, vgl. das goth. ſalbôn mit dem alth. ſalbôn (und nicht ſalbuan, ſalbuon). Dies iſt ſchon oben ſ. 96. bemerkt, wo noch andere beſtärkende beiſpiele. des ablauts geweſen ſeyn, wie es ſich im goth. nord. und ſächſ. erhalten hat; als aber im alth. au in übergieng, muſte ſich für jenes die variante oa, ua, uo, erzeugen, welcher der runenname uadil nicht ei - gentlich zuſtehen kann, da die runen diphthonge, die aus ungleichen vocalen beſtehen, weder bezeichnen noch benennen. Uebrigens gehört in ua und uo dem u der accent und O. ſetzt úa; N. ſchreibt wie beim îe auch hier ûo, welches ich aus gleichem grund verwerfe**)Ich verhehle nicht, daß in einem hymn. des Junius ein - mahl kruuaƷe ſt. kruaƷe (provocet) ſteht. Das könnte wirklicher ſchreibfehler ſeyn. Man vgl. übrigens die f. 105. vorhergehende note über das analoge îe.. Denn ûo wäre triphthongiſch und ûa von dem zweiſil - bigen û-a in chû-a (vacca) pû-an, tû-an nicht zu ſcheiden. Etwas anders, daß dieſe allmählig in den wirkl. diphth. chua, puan, tuan übergegangen ſeyn können. Auch läßt ſich der wechſel zwiſchen oa und ua ſonſt nicht begreifen; wer aber ein ôa behaupten wollte, müſte nicht weniger das in ôo (und nicht oo) zergliedern. Das gewöhnliche wird nur ausnahms - weiſe durch uo gegeben, wohin das bereits angeführte dhuo und ſcuonîn (pulcritndo) auch bei J. 383 gehören.

Die vorhin bei dem ia und iu gemachte bemerkung, daß davon ja, ju zu trennen ſind, gilt auch hier ganz ähnlich zwiſchen dem ua (uo) und va (vo); O. ſchreibt daher nicht z. b. dúalta ſondern duálta, d. i. dvalta (mo - rabatur) aber ſúana (expiatio) d. h. ſúona (ſühne) ver - ſchieden von ſuán (olor), d. h. ſvan. Ich muß indeſſen aus urſachen, die beim w entwickelt werden, unfolge -112I. althochdeutſche vocale. richtig dualta ſchreiben, da dvalta nicht hochdeulſch und dwalta ſonſt bedenklich wäre. Dort auch von dem falle, wo ua, uo mit dem vorausgehenden w ſcheinbar verſchmilzt (unahs, crevit; uuaſg, lavit; ſuuaƷi, dulcis ſt. wuahs, wuaſg, ſwuaƷi).

Beiſpiele des ua oder uo: gaſt-luamî (hoſpitalitas) nuatì (incaſtraturae) ſnuabila (catenula) bluag (verecun - dus) bruogo (terror) ſtruot (ſilva) zuomìg (vacuns) und unzählige andere, die ſich allerwärts ergeben. Dieſer diphth. beruht klar auf dem ablautsverhältniß und führt immer zu einem wurzelhaften a.

Auf meine obige behauptung, das alth. uo entſpringe aus einem älteren , fällt licht, wenn man auch in den romaniſchen ſprachen die entwickelung des uo, ue aus dem lat. und ſelbſt o erwägen will, vergl. côr, côrpus, bonus, moritur mit cuore, cuorpo, buono, muore etc. Den Römern war uo, ua nur im hiatus bekannt und ſchwerlich je diphthongiſch.

(UE und UI) ſind keine alth. diphthengen; zwar könnte man ſich unter ue, wie beim ie, ein abge - ſchwächtes ua oder uo denken, allein es findet ſich nicht und das ſpätere mittelh. ue ſcheint etwas anderes, näm - lich wirklicher umlaut. ui hat man aus unwißenheit in alth. namen ſt. iu gebraucht, z. b. der lombard. ge - ſchichtſchreiber liutprand wird ſo häufig als fälſchlich luitprand genannt. Möglich zwar daß alte diplome ſelbſt ui für iu zuweilen verſchrieben haben (vgl. Neu - gart u. luit -), wahrſcheinlicher, daß ſie falſch geleſen und abgedruckt worden ſind Ich brauche kaum zu errinnern, daß in wörtern wie: zuiſg, ſuëben. zuîval kein diphthong ui, ue, ſteckt, ſondern zvi, ſvë, zvî; daher O. ſeiner weiſe nach zuíſg, ſuében accentuiert.

Nach beendigter unterſuchung der alth. vocale be - merke ich

  • 1) ſämmiliche alth. mundarten zeigen die einfachen und gedehnten vocale, unter letzteren ſtchet , , feſt, wogegen und in der bedeutung ſchwanken, in - dem ſie gewöhnlich zwar dem ei und au, zuweilen aber auch dem ie und ua entſprechen. Die zahlrei - chen übrigen diphthongen beſchränken ſich ſehr, wenn man ſie nach den einzelnen mundarten verthcilt. J. hat folgende: ae, au, ëa, ei, ëo, ëu, ia, io, iu, uo; 113I. althochdeutſche vocale. K: au, ëa, ei, ëo, ia, io, iu, ua; gl. hrab. ao, au, ei, ëo, ia, io, iu; O. ei, ia, ie, io, iu, ou, ua; T. ei, ie, io, iu, ou, uo; N. ei, ie, iu, ou, uo, und ſo wird ſich jedem dialect, der uns genauer bekannt iſt, ſein eigenthümliches zuweiſen laßen. Durchgehend ſind bloß ei (abgeſehen von den ſpuren des ai) und iu; die früher größere zahl deu - tet nicht ſowohl auf eine vollkommenheit der ſprache, ſondern beruht zum theil auf unſicherer ſchreibung, wie denn offenbar die älteren ëa, ia; ëo, io faſt zu - ſammenfallen. Der Gothe kennt nur vier ſolcher doppellaute ái, áu, ei, iu und weil dazu ſein ei im alth. iſt, ſo ſtehen ái, áu, iu den wichtigſten alth. nämlich dem ei, au (ou), iu zur ſeite; das ebenwich - tige ua war im goth. , wodurch das umgekehrte verhältniß des zum goth. ei ausgeglichen wird. Den urſprung des ia und ie, zum theil auch des io, aus einer ſyncope habe ich mich bemüht zu zeigen. Die individuelle beſtimmung der einzelnen beſtand - theile dieſer doppellaute in den älteren dialecten iſt bewundernswerth; verändert ſich nur ein einzelner laut, ſo folgt eine nachwirkung durch die ganze ver - wandte reihe und das geſetz der ablaute tritt in jeder neuen geſtalt analog und unverworren hervor. Erſt nach und nach verkennt und verſchiebt die ſpätere ſprache dieſe ordnung. Man nehme folgende wörter, goth. áigan, mein, láun, bagms, gôþ; K. eigan, mîn, lôn, paum, guat; gl. ker. eigan, mîn, lôn, paum, goat; gl. hrab. eigan, mîn, laon, paum, gôt; N. eigan, mîn, lôn, boum, guot, allenthal - ben folgerechte und klare einrichtung des lautver - hältniſſes.
  • 2) thriphthongen finde ich nicht, höchſtens ſcheinbare, nämlich die in zwei ſilben zerfallen, z. b. thrao-a (onus) ſonſt auch drô-a geſchrieben; chuo-a (vacca) holzmuo-ja (lamia); huei-ônti (hinniens); gi-îlta (feſtinabat) u. a. m. Später verſchwindet der hiatus meiſtens, entw. durch wegwerfen eines vocals (gîlte, chuo, auch chû) oder einſchieben eines conſon. (vgl. das neuh. biene, wiehern).
  • 3) umlaute haben wir nur bei a in e und ai in ei be - merkt; in iu erſt mit dem 10. jahrh. ob der des au in ou anzunehmen ſey? ſ. beim ou. Die umlaute in æ; in œ; uo in ue; o in ; u in ; treten noch nicht ein.
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  • 4) aus verſchiedenen anzeigen darf man ſchließen, daß in einer früheren zeit die abweichung von dem goth. vocallauten weit geringer war, als ſie in unſern alth. denkmählern erſcheint. Man vergl. die bemerkungen ſ. 79. über die abweſenheit des umlauts e; ſ. 81. über das frühere i ſtatt ; ſ. 84. über das ältere u ſtatt o; ſ. 86. über das ältere ſtatt ; ſ. 89. über den urſprung des aus ei; ſ. 88, 93, 97. über ein älteres a, i, u, ſt. , , ; ſ. 111. die ſpuren des ält. ſt. uo; ſ. 99. über das ält. ai, au ſt. ei, ou; ſ. 107. über das ält. iu ſt. ia, io ie, ſo wie insgemein die unorganiſche natur der drei letztgenannten diphth.
  • 5) höchſt ſchwierig bleibt die geltung der alth. vocale in den nichtwurzelhaften theilen der wörter, nament - lich in den endungen, wo ein ganz anderes geſetz ihr verhältniß beſtimmt, als in den wurzeln. Zwar ſind auch die wurzelvocale der veränderung unterwor - fen theils durch den umlaut, theils durch mehr hi - ſtoriſche übergänge, wie wir deren zwiſchen i und , u und o und den diphthongen insgemein viele be - merkt haben. Gleichwohl herrſcht in ſolchen umlau - ten und übergängen ein geregelter, ruhiger gang oder es wirken dabei verſchiedenheiten der mundart. In den unradicalen wortbeſtandtheilen wechſelt hingegen der laut ſchneller und willkürlicher, wenn auch nicht ohne alle regel. Der grund liegt in der geringeren betonung. Ein gering betonter, oder tonloſer laut wird ſchwach und dadurch unſicher
    *)Aus der ſchwächung folgt die änderung des lauts als mög - lich, nicht als nothwendig; ohne zweifel hat die goth. ſprache tonloſe laute gehabt, zu welcher annahme ſchon ihre hänſigen ſyncopen (tonloſe und geſchwächte ſind vor - zeichen reiſender ſyncopen) bringen. Allein ſie läßt in unſyncopierten flexionen und wortbildungen den abge - ſchwächten laut an ſich unverändert, d. h. háubiþ, liuhaþ, manag behalten in háubidis, liuhadeins, managei den lant bei, obgleich ſchwerlich den ton. Früher könnte auch ein betonteres háubaþ, háubuþ etc. ſtattgefunden haben. Wirklich zeigen ſich doch einige ſpuren eſoteriſches vo - calwechſels, namentlich die ſ. 36. 40. angeführten verwand - lungen gabeigs in gabigs; ſilêgri, ſpillê iu ſiligri, ſpilli; krotôda, krotuda; viduvô, vidôvô; áinaha, áinô[h]; áinô - mêhun, áinummêhun ſt. ainammahun (vgl. unten beim unbeſt. pron.). Einige dieſer fälle weiſen ſogar die alth. lautaſſimilation. Gibt es auch in den alten ſprachen ſolchen vocalwechſel? Man pflegt in ihnen nur zweier -
    *). Dieſe unſicher -115I. althochdeutſche vocale. heit und abwechſelung der vocale unterſcheidet ſich von dem eigentlichen umlaut darin weſentlich, daß ſie durch keinen dem umlautenden vocal folgenden andern bedingt iſt, wiewohl ſie ſich zuweilen nach dem folgenden vocal regelt; ferner, bei dem umlaut wird der hochtonige vocal der wurzel getrübt, bei dem vocalwechſel der endung der unbetonte geſchwächt und gänzlich verwandelt
    *)Dieſer unterſchied zeigt ſich deutlicher im mittelhoch - deutſch, wo die umlaute e, , æ, œ, iu cintreten, welche laute der vocalwechſel niemahls erzeugt, ſondern nur ein vages e und i.
    *). Ich werde mich daber des ausdrucks vocalwechſel für die umänderung des unradicalen lauts im gegenſatz zu dem umlaut, d. h. der änderung des radicalen lauts (oben ſ. 9.) bedienen. Zur näheren entwickelung des vocalwechſels folgende ſätze, wobei jedoch auf die flexionsendungen, als welche an ihrem ort beſonders erwogen werden müßen, keine rückſicht zu nehmen iſt.
    • a) wie im goth. nur ſpurweiſe vocalwechſel, ſo war er in den älteſten hochd. quellen ſeltner
      **)Das allerälteſte beiſpiel wäre aus der Römerzeit: cannine - fates (Tac.) cannenuſates (Plin. h. nat. 4, 29.) cananivati (Gruter 1003. 3) cananeſatum (id. 385, 1.), wiewohl dem röm. ohr in unbetonten ſilben das geringſte zu trauen iſt.
      **) als in denen des 9. 10. jahrh. Die einzelnen denkmähler ſchwanken aber unter einander und in ſich ſelbſt. K. z. b. ſchreibt die vorpartikel ga -, ohne daß ein grund der abwechſelung denkbar wäre, ka, ke, ki, ja einigemahl wirſt er den tonloſen vocal völlig fort (k’arnêm, mereamur). Er zeigt 25b ſuigalî (tacitur - nitas) und ſuigilî hinter einander, 25a murmulôd, 25b murmolôn; und während er in gewiſſen wör - tern den unveränderten laut behält, als: arame (brachio) ſtarachiſt (fortiſſimum) wëralati (mundo,
      *)lei den acutus und gravis anzunehmen, da aber jener den gipfel, dieſer das ſteigen und ſinken des tons ausdrückt, ſo muß letzterer in der lebendigen ausſprache ſtufen ha - ben, folglich auf ſeiner unterſten ſtufe tonloſigkeit und verſtummen, woraus ſyncopen erwuchſen, gelten. Die gr. atona ſind auch anerkannt (Buttm. p. 58-60. ) und lat. ließen ſich angeben. Mit der tonſchwächung tritt merk - würdig auch hier vocalwechſel ein, vgl. caput, capitis etc. und eine hiſt. entwickelung der romaniſchen mundarten, würde viele dabei waltenden regeln und ausnahmen an - ſchaulich machen.
      *)H 2116I. althochdeutſche vocale. unorganiſch ſt. wëralti) huarabes (revertaris) etc. wechſelt er ihn in andern, als: lëohete (lumine) përege (monte) ſt. lëohate, përage etc. ſyncopiert ihn in noch andern, als: ſimblum (ſemper) achre (agro) ſt. ſimbulum, achare. Jedes denkmahl wechſelt und ſyncopiert ſeine vocale auf eigenthümliche weiſe, die ſich vielleicht den herausgebern einzelner auf - klären kann, aber aus der vergleichung aller läßt ſich für die grammatik keine genügende allgemeine anſicht gewinnen.
    • b) Nur ſo viel ſcheint klar: unter den einfachen vo - calen der endungen ſind a, u, i als älter, o und e als jünger anzunehmen; gedehnte kommen beinahe nur in den flexionen vor (wovon hier nicht geredet wird) kaum in einigen wortbildungen (beiſpiele: - ôd - îg - în, mânôd, ſâlîg, thurnîn) andere diph - thongen (wie im goth. - eig - ein) gar nicht. Die einfachen laute ſtehen alſo hier vornämlich in be - tracht
      *)Es iſt ſchwer zu ſagen, wie und wann thurnîn, ſalìg in thurnin, ſâlig übergieng; ſchwankte doch der Gothe be - reits zwiſchen gabeigs und gabigs.
      *) und für ſie gibt es drei fälle der ab - ſchwächung. Erſter fall: der vocalwechſel ereignet ſich in der ult. ohne hinzutretende flexionsendung. In man - chen wörtern ſcheinen die vocale a, u, i willkür - lich, z. b. durah, duruh, durih (praep.) ſpäter ſynco - piert durh; abant und abunt, ſpäter abent; magan (vis) und magin, megin; amal -, amil -, emil -, ga - gan, gagin, gegin etc, Nähere erwägung der wort - bildungslehre wird aber darthun, daß dieſes ſchwan - ken als ausnahme, die organiſche unterſcheidung des a, u, i als regel zu betrachten ſey, wie ſie ſich denn auch in gewiſſen wörtern nie verwech - ſeln, z. b. für ſibun, aphul ſteht nie ſiban, aphal, für gagan, magin, amil nie magun, amul, gagun. Zweiter fall: der vocal der bildungsendung wech - ſelt, wenn eine flexionsendung hinzutritt, mit einem dünneren, alſo: ſobald die bildungsendung, die vor - her ult. war, zur penult. wird; z. b. waƷƷar, waƷ - Ʒeres; heilag, heileges, heilegûn; përag, përeges etc. Dies vergleicht ſich genau dem lat. caput, capitis, homo (d. i. homon, homun, wie noch homunculus117I. althochdeutſche vocale. zeigt) hominis. Ich bemerke 1) daß häufig das a bleibt, waƷƷares, heilages. 2) daß das e zuweilen ſchon in der ult. vortritt, d. h. ohne folgende flexion: waƷƷer, heileg, (vgl. nomen, nominis) ja gewiſſe wörter zeigen überall e und nie a, z. b. die gang - baren verwandtſchaftsnamen ſater, fateres, bruoder, muoter. 3) daß ſtatt des vocalwechſels häufig ſyn - cope eintritt, als: wehſal, wehſles; zeihhan, zeihnes; gëlſtar, gëlſtres. Die geſetze dieſer ſyncope laßen ſich etwa nach den zwiſchen dem ausfallenden vocal liegenden conſonanten, ſo wie nach der poſition oder nichtpoſition in der wurzel näher beſtimmen. Der ganze fall ſcheint ſich auf die ſchwächung des a in e zu beſchränken und wenn u oder i ſchon in der ult. herrſchen, bleiben ſie auch in penult. als: honug, honuges; aphul, aphules; himil, himiles; megin, megines. Nie wird auf dieſe weiſe a in i oder u, noch u in i oder a verwandelt; z. b. waƷƷar, waƷƷires, aphul, aphiles wäre unerhört. Vielleicht ließe ſich ein aphul, apholes, ganz analog dem përag, përeges, bei weiterer aufmerkſamkeit nachweiſen. Häufig iſt das o ſchon in die ult. vorgedrungen und bleibt dann: aphol, apholes, wie përeg, përeges. Syncopiert wird aber das u und i gleich dem a, als: ſimbulum, ſilubar (ſpäter ſimbolon, ſilabar) ſimblun, ſilbres. Dritter fall: in drei - und mehrſilbigen wörtern pflegt, zwar ſchwankend doch zumahl bei O deut - lich erkennbar, ſpurweiſe auch in älteren denkmäh - lern, eine aſſimilation des lautes ſtattzufinden, näm - lich der vocal der bildungsendung geht in den der flexion oder einen analogen (den einfachen ſtatt des gedehnten) über*)Die ähnlichkeit und unähnlichkeit dieſer aſſimilation mit dem umlaut ſpringt in die augen.. Am häufigſten erzeugen ſich auf dieſem wege die vocale e, i und o, ſeltner a und u, weil dieſe in der regel ſchon organiſche bildung ſind. Beiſpiele werden alles verdeutlichen.
      • α) ſcônara, zierara, grôƷara ſt. ſcônôra, zierôra, grôƷôra. kôrata (II. 4, 54.) luagata (V. 17, 16.) ſt. kôrôta, luagêta. Vermuthen ließen ſich: fadamâ (fila) ſt. fadumâ, fizaſan (callidum) ſt. fizuſan u. a. m.
      • 118
      • β) bëſemes (ſcopae) ſt. bëſames; ſûberet (mundate) ſt. ſûbaret; finſteremo (obſcuro) ſt. finſtaremo; bit - teres ſt bittares; garewêm (paratis) ſt. garawêm. Manche der vorhin unter b) angeführten beiſpiele gehören vielleicht hierher, obgleich in heileges eher ſchwächung aus heilages als aſſimilation an - zunehmen iſt, da es auch heilegûn heißt.
      • γ) edili (genus) ſt. adali; ſpîhiri (ſpicarium) ſt. ſpî - hâri; ſidilen (incolae); bittirî (amaritudo) ſt. bit - tarî; zuivilîn (dubius) ſt. zuivalîn; fuatirî (paſce) ſt. fuatarî; ſûbirî (munda) ſt. ſubarî; hungirita (eſurivit) ſt. hungarita; durihil (pertuſus) ſt. duru - hil; gidigini (famulitium) ſt. gidigani;
      • δ) die adverbia: ëbono, offono, aboho, irbolgono, giholono (latenter) ſt. ëbano, abuho, irbolgano, giholano; die praet. tonorôta, regonôta, wunto - rôta, zeihhonôta, zuivolôta, wachorôta (vigilavit) etc. ſt. tonarôta etc. lachonon (faſciis) ſt. lachanon; fadomon (filis) ſt. fadumon; wagono (curruum) wol - kono (nubium) ſt. wagano, wolkano; bruadoron (fratribus) ſt. bruaderon, einogo, heilogo ſt. einago, heilago; habotôſt (ll. 14, 104.) ſt. habêtôſt etc.
      • ε) bitturu (amara) l. 15, 91. ſt. bittaru; ſo müſten folgerichtig auch ſûburu, finſturu, manugu etc. gelten, die ich nicht zu belegen wüſte.

Aus dieſen beiſpielen ergibt ſich, daß man den wech - ſel ſämmtlicher vocale an manchen wörtern erweiſen könnte, als: bittaran (amarum) bitteres (amari) bittirî (amaritndo) bittorô (amarae) bitturu (amara). Die ganze dem wohllaut günſtige erſcheinung hat ſich, wie geſagt, zumeiſt bei O entwickelt*)Gewiß hängt ſie mit dem auch bei O. ſichtbaren wechſel des wurzelhaften i[a], io, iu (oben ſ. 107.) und dem unten beim w zu berührenden zwiſchen aw, ew und ow zu - ſammen. Ob nicht umgekehrt auch der wurzellaut auf den der endung gewirkt hat? ich denke an worolt, du - ruh, fëlehen, filihit, falah, fuluhun ſt. wëralt, durah, fëlahan, filehit, fulahan? In letzterm könnte ebenſowohl das u der flexion wirken. und iſt einer ähnlichen in der nord. ſprache offenbar verwandt, unbegründet darf ſie um ſo weniger heißen, als ſie ſich auch bei T. I. K. u. a. und zumahl die aſſimilation des o ſpüren läßt; nur ſchwanken dieſe weit öfter, z. b. K zwiſchen piladi119I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. und pilidi, T. zw. wuntarôt und wuntorôt. Und ſelbſt O. ſchwankt augenſcheinlich; das ganze ſyſtem würde ſich daher, ſollten auch die hſſ. einzelne beſtätigende berichtigungen darbieten, nicht durchführen laßen; es war im widerſtreit des wohllauts mit der abſtammung, die ſich häufig geltend machte, erwachſen und muſte bei der allmähligen verdünnung faſt aller unbetonten laute in das einzige e bald wieder aufhören. Einzelne wörter und formen mögen ſich auch nach zeit oder mundart geſondert und von der aſſimilation frei gehal - ten haben. Eben ſo gewiß iſt in andern durch aſſimi - lation, und vocalwechſel überhaupt, indem der ge - ſchwächte laut aus der penult. in die ult. eindrang, der urſprünglichen und organiſchen lautbeſtimmung viel ab - bruch geſchehen.

  • e) ſeit dem 10. 11. jahrh. erſcheinen nach und nach alle tonloſe wortbildungslaute zu e und i ver - ſchwächt, wodurch jede unſicherheit des früheren viellauts beſeitigt wurde. In den flexionen
    *)Doch auch in den endungen einiger partikeln, z. b. das alte ânu (ſine) heißt bei N. noch âno und erſt ſpäter âue; desgl. ſilu, ſilo, vile (multum).
    *) ha - ben ſich die alten vocale zum theil länger erhalten und dieſe abweichende geſchichte der bildungs - und der flexionsendungen wirſt einiges licht auf die ſ. 96. gemachte bemerkung, daß ſich das in der flexion ſogar treuer als in der wurzel ſelbſt (wo es in uo übergieng) bewahren konnte.

althochdeutſche conſonanten.

Dieſe lehre iſt eine der verwickelteſten, weil aus vermiſchung der mundarten und oft monſtroſen mis - bräuchen der ſchreibung beinahe endloſes ſchwanken entſpringt, ſo daß ſelbſt die beſten hſſ. den grammati - ker nicht befriedigen.

(L. M. N. R.) liquidae**)Die runen und ihre namen ſind hier klar und unveränderlich..

Sämmtlich an - in - auslautend. Mit den anlauten l. n. r. fangen ſchon ſeit dem Sten jahrb. an die anlaute hl. hn. hr. ſich zu vermengen und bald ſind letztere ganz in erſtere übergegangen (ſ. unten beim h). Der aus - laut m beginnt etwas ſpäter, jedoch nur in einigen120I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. flexionen, ſich in n zu wandeln, namentlich im dat. pl.; in der prima pl. und in der prima ſing. einiger ſchw. conjug. (näheres in der decl. und conj.). In wurzeln und andern bildungsendungen (z. b. gadam, buoſem) bleibt aber das auslautende m, und gänzlich abgeworfen wird es nie. Fremde ſprachen lehren in abſicht dieſes auslauts zwei ſtufen 1) m wird in n ge - ſchwächt (vgl. Schneider p. 309-314. ); die Spanier ver - äudern tam, quam, Jeruſalem, Bethlehem etc. in tan, quan, Jeruſalen etc. 2) m wird völlig unterdrückt (Schn p. 301-309. ) Vom übertritt des inlautenden m in n vor der aſp. f. unten bei den verbindungen mf. nf. Der inlaut n wird naſal (n. adulterinum), ſobald eine gutturalis folgt, als: lang, wankôn, unk, aber in der wurzel ſelbſt, nicht wenn in der zuſammenſetzung n mit g und k anſtößt, z. b. in-gangan un-kuſt. Ob das naſale n ausfallen und namentlich die form ng in h übergehen könne? iſt oben ſ. 88. bei dem berührt worden, weil dadurch auch der vorausſtehende vocal lang zu werden ſcheint, vgl. fangan, gangan, hangan, brang mit fâhan, gâhen, hâhan, brâhta (ſt. brangta?)*)Der vocalveränderung wäre etwan analog, daß der franz. naſale auslaut n und der nichtnalale inlaut n in denſelben wörtern den vocallaut verſchieden haben, vgl. ſiu, un mit ſine, une.. Inzwiſchen kann nie aus langan (longum) lâhan werden und jene fälle müßen als ausnahmsweiſe ableitungen be - trachtet werden, die von den ſtämmen ng eigentlich verſchieden ſind; wie denn auch gâhen und brâhta ſelbſt der ſchwachen conjugation folgen; (mehr über alle dieſe wörter bei der conj.) Den übergang des a in bei aus - fallendem naſallaut beſtärkt der oben ſ. 42. vermuthete des goth. juggs in jûhiza (wiewohl jugund, das ſichtbar mit jung zuſammenhängt, kein hat, ſo daß kein älte - res jungund ſondern vielmehr ein älteres jug, jugg an - zunehmen bleibt); vgl. das ſchweiz. , , ſt. an, in, un (Stalder p. 33. 46. 72. ); es wird vorausgeſetzt, daß die ſilbe betont ſey. Aus unbetonter endung könnte das n vor gutt. zwar ausfallen, würde aber den vocal nicht ändern. Im alth. wäre honec, honeg (mel) J. 389. K. 16a ſt. honing. honang (N. 18, 11. 118, 103.) faſt einziges bei - ſpiel; erſt ſpäter auch kunig, pſennig ſt. kuning, pfe - ning. Fällt der alth. inlaut n vor dentalen aus? das geſchieht im nord. und ſächſ. häufig. Eine ſpur wäre121I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. N. iſila (96, 1.) ſt. inſila; noch heute in der ſchweiz iſel (Tſchudi 1. 366. ) vgl. das ital. iſola, franz. iſle; vermuth - lich iſt wieder verlängerung des vocals îſila zu behaupten, wie die nord. form âs, ûs ſt. ans, uns beſtätigt; nur iſt jenes îſila ausnahme nicht regel, N. ſchreibt uns (nobis) nicht ûs, wie die Schweizer. Eine weitere ſpur O. ſtuant im reim auf muat, guat, beſtimmt an das goth. ſächſ. und nord. ſtôþ erinnernd, vgl. das alth. ſtâtîg (ſtabilis) und ähn - liche ableitungen, die offenbar mit ſtandan zuſammenhän - gen. Sollte das n in ſtuant, bant etc wenigſtens naſal geweſen ſeyn? die heutige unnaſale ausſprache macht es wenig wahrſcheinlich. Von ausfallendem n. vor gutt. in tonloſer endung gibt uns hier umgekehrt N. einen beleg in tuged, tugedig ſt. tugend, tugendig. Bei dem in und auslautenden r iſt es wichtig, auf diejenigen fälle zu merken, in welchen ſich r aus dem früheren ſ entwickelt hat. Daß ſ als das ältere und r als das jün - gere zu betrachten iſt, folgt theils aus der oben ſ. 65. nachgewieſenen latein. analogie, theils aus der progreſ - ſion des r in wörtern, die im alth. noch ihr ſ behaupten. In folgenden fällen erſetzt ein alth. r das goth. ſ oder z: im nom. ſing. maſc. des adj. im gen. u. dat. ſg. fem. und im gen. pl. des adj. im comparat. ſodann in: kar (vas) ahir (ſpica) aran (meſſis) peri (bacca) nerjan (ſalvare) mir. thir. ir (ex) ir (vos) wir (nos) êr (aes) mêr (magis) ſêr (dolor) hêr (ſplendens)*)Goth. háis, wovon noch háiza (λαμπὰς) über iſt. Auf dem wege wäre vielleicht Lucans neben teutates genannter hêſus (dominus, illuſtris) der deutſohen ſprache und mythe zu vindicieren. gêr (telum) kêran. lêran. trôr (ſanguis, ſtilla) rôr (arundo) ôra (auris) hôrjan (audire) tior (fera) - in den pl. praet. wârun, birun, lurun, churun, und vermuthlich noch in andern, deren ur - ſprüngliches ſ erſt fortgeſetzte unterſuchung lehren wird**)Z. b. zior (decus, decor) deutet auf ein zios, goth. tius.. Geblieben iſt im gen. ſg. maſc. und neutr. zum theil in denſelben wörtern, deren ableitung oder flexion be - reits r hat, als: nëſan (bene valere) trioſan (cadere, ſtil - lare) wëſan, was; lëſan, las, lâſun; haſo (lepus); gëſtar (heſternus)***)Das einfache wort muß gës geweſen ſeyn, wie das nord. gær (? gër) und lat. heri zeigen; in heſternus blieb das ſ. kioſan, kôs; lioſan, lôs; îſarn (ferrum) etc. ſo daß für den übergang keine conſequente analogie zu finden iſt; man vergleiche lëſan, las, lâſun mit wëſan,122I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. was, wârun. Wörter und formen, die am häufigſten ge - braucht wurden, ſcheinen ſich zuerſt dem r bequemt zu haben (mehr unten beim f.). Zwiſchen r und l gilt kein wechſel (ausnahme: chilecha f. chirihha N. 34, 18. 101, 7. 143, 2.) und durch aſſimilation fillorane ſt. firlo - rane O. I. 23, 73; zwiſchen l und n wohl nur in der ver - bindung ſl. ſn, wovon unten beim f.

gemination der liquiden iſt häufig, LL, MM, NN, RR, man merke aber: nur im inlaut, im auslaut wird der conſ. einfach, z. b. ſcal, klam, ſpan, war, praeterita von ſcëllan, klimman, ſpinnan, wërran; desgl. im nom. fal, man, gen. falles, mannes. Dieſe vereinfachung kann und muß dem umlaut des inlautenden b und d in ein auslautendes p und t verglichen werden, woraus ſich der wichtige ſatz ergibt, daß die einfache liq. gleich der tenuis) härter, die doppelte liq. (gleich der med.) miider laute. Mundarten, welche die media der ten. vorziehen, wer - den ſich ſtets zur gemination neigen (z. b. die däniſche) und ſchon im allgemeinen haben wir in der gemination ein ſpäteres, ſchwächendes princip zu erkennen geglaubt. Wurde nun jener ſchreibung gemäß auch ausgeſprochen? Ich bejahe dies und glaube ſelbſt, daß ohne die aus - ſprache der einfache conſonantauslaut nicht geſchrieben worden wäre. Die neuh. ſchreibung, fall, mann etc. beweiſt nichts dawider, indem auch gab, rad etc. ge - ſchrieben wird ſt. gap. rat. Im alt - und mittelh. ſprach man fal (caſus) und tal (vallis) ganz gleich aus, uner - achtet jenes den gen. falles, dieſes tales machte*)Aus gleichem grunde ſchrieb und ſprach der Gothe vulf und láuf. qvaþ und bsþ, obſchon die inlaute vulſis und láubis, qvêþun und bêdun ergeben.. Da nun der geminierte laut poſition erzeugt, ſo ſind die angeführten gen. geſchärft, die nom. ſchwebend aus - zuſprechen**)Verwechſelungen einzelner wörter hatte hierbei die alte ſprache kaum zu fürchten; ſcheinbare beiſpiele aus der neuh. u. ſelbſt mittelh. treſſen ſie nicht. Wenn es uns ſchwer fiele, lam (claudus) von lam (agnus), war (fuit) von war (confudit) zu unterſcheiden, wenn wir daher billig lahm, lamm, war und warr ſchreiben; ſo lauteten die alth. formen: lam, lamp; was, war und das kurze a fühlte man deutlich.. Übrigens tritt auch im inlaut die ver - einfachte liq. ein, wenn das t des zuſammengezogenen ſchw. praet. anſtößt, z. b. hulta, mamta, nanta, tharta,123I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. biwamt ſt. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem - mit, (maculatus).

Meine anſicht der gemination bewährt ſich ferner durch die mögliche nachweiſung mancher geminationen aus älteren conſonantverbindungen und ſolcher beiſpiele liefern die mittel - und neuh. ſprache fortwährend mehr. Wie viele ll. nn. rr entſtehen nicht durch li. ni. ri. das die ableitung bildende i wird entweder in der gemi - nation verſchlungen, beiſpiele: brunna (thorax) ſellen (tradere) bûrro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja, ſaljan, bûrjo, warjan; oder es bleibt daneben beſtehen, als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. ſt. kuni, mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz. fange); henna (gallina) ſt. hanja. Aus bn. mn ent - wickelte ſich zuletzt mm, nn in ſtimma, nennen; frü - her ſtibna, ſtimua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus madmun〈…〉〈…〉 i (lenitas) mammunti; aus guotlìhhìn (gloria) bei I. cuatlìhhì bei K., ſpäter guallichî bei O. guol - lichî bei N und W. Nicht unwahrſcheinlich beruht wallôn (peregre abire) auf einem älteren wadalôn, wad - lôn von wadal (vagus, exſul, mendicus) hergeleitet, und ſelbſt wal (gen. walles, munimentum) dürſte durch ein früheres dl erläutert werden, wenn man das goth. vadd - jus erwägt, vgl. ëddo, odo und Notkers alde (aut); gruntſëllôn (N. 77, 69.) f. gruntſëdilòn; illan (feſtinare) mit ïddja, und über den wechſel des einfachen d mit I Schneider p. 255. 256. (ſo iſt auch unſer ſilabar genau das lith. ſidabras). Andere ll, wie al, alles, fal, falles etc. ſcheinen freilich uralt. Endlich läßt ſich manchen rr der urſprung aus rn und rs nachweiſen: ſtërro, fërra aus ſtërno, fërna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir - ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen: irſi, wirſan, marſjan, fars, wie theils einzeln ſtehen ge - bliebene rs darthun, namentlich wirs (pejus) thurſt (ſitis) ferſa (vacca), theils die goth. thaúrſis, airzjan, marz - jan*)Sollten ſich mit rückſicht auf den wechſel rs und rr die deutſchen völkernamen marſi, marſigni nicht befriedigen - der auslegen laßen?. Unbekannt hingegen ſind der alth. mundart die aſſimilationen des nd und ld in nn, ll. **)Wenn bei den geminationen ll. nn. rr. die ſ. 54. geſtellte regel, daß ihnen nur ein kurzer vocal vorhergehen dürfe, einigemahl ins gedränge geräth; ſo wird man am beſten den geminierten conſon. aus li. ni. ri erklären, z. b. ſteinna

124I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.

In - und auslautende verbindung der liq. mit andern conſonanten.

LM halm. malm. galm. folma (manus) ſalm (pſal - mus) ſuilm (ſopor) hëlm. ſcëlmo (peſtis); kein ln, lr. LB. albiƷ (cignus) dëlban (fodere) ſalbôn. chalbir. LF. hëlfan. LP. chalp. halp. ſalp. dalp. LD. wildi (ferus) baldo (audacter) ſculdî (debita) holdan (carum) golde (auro) waldes (ſilvae). LT. kalt. alt. giwalt. ſchilt. wal - tan. faltan. ſpaltan. gëltan. molta. hilta (pugna). LS. hals. LST. galſtar (faſcinum) gëlſtar (tributum) polſtar (capitale). LZ. halz (claudus) ſalz. ſmalz. holz. palz (balteus) malz. polz. falzan. walzan. galza (ſucula). ſpëlza. hëlza (capulus) wilzî (veletabi) filz (cento) ſulza (muria) milzi (ſplen) ſmilzan. LG. palg (follis) ſuëlg (heluo) bëlgan. felga. LK. ſcalk. folk. tolk (vulnus). M leidet nur labiales neben ſich, weder linguales noch gutturales*)Was ſcheinbar widerſpricht, ſind ſpätere zuſammenziehun - gen, z. b. amſel, hamſter, alth. amiſala, hamiſtro.. MB. umbi. wamba. ambaht. zimbar. imbi (examen). kambar (ſtrenuus, woher der volksname cim - bri) chumbirra (tribus). MF. kempho (pugil) limfan. dimfan. damph. fimf. ſcimph. MFT. ſamfto (mite) ramft (labrum). numft. kumft. gizumft. MP. champ (corona, criſta) krump. lamp. ſuamp. N. läßt nur lingual. und gutt. auf ſich folgen, keine labíales. Ein - zige ausnahme finf (neben dem urſpr. fimf), ſo wie ſpäter ſanfte und ranft. NG. fangan. gangan. hangan. ſuangar. lang. ring. ding. gingo (ſpes) ſingan. bringan. pungo. (ana - gallis) lunga (pulmo) lungar (expeditus) etc. NK. krank. thank. wankôn. ſtank. ſkrank (fraus) bank. ſkinko (tibia) trinkan. winkan. ſinkan etc. **)Dieſer form gehören ſchon die tencteri (Tac.) τέγκτερο[ι](Dio 54, 20.)ND. bindan. findan. ſlindan. ſindo (comes) linda (tilia) kindes. hindar. endi. **)(olla) gl. jun. 211. 216. bûrro (incola) aus ſteinja, bûrjo. Jenes muß einen irdenen, zu ſtein gebrannten topſ be - deutet haben; angelſ. ſtæne (gillo, poculum). Vielleicht hat die gemination auf die vereinfachung des vocals ge - wirkt und es iſt burro ſt. burrô, ſtënna ſt. ſteinna ge - ſprochen worden. Hierfür ſcheint endlich zu ſprechen, daß in der zuſammenziehung des comp. hêriro (ſplendi - dior) in hërro (princeps, illuſtris, dominus) das (alſo frühere ei) deutlich in verkürzt wird.125I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. ſendjan. zundjan. hendî (manus pl.) andar. landes etc. NT. ſant. rant. lant. hant. want. pfant. kint. wint. hunt. phunt. grunt. munt. friunt etc. NS. gans. grans (prora) zins. flins. uns. funs. runs. thinſan. linſi (lens) winſôn (mutire) zinſera (thuribulum), endungen auf-anſa. NST. anſt. gunſt. kunſt. brunſt. finſtar. NZ. ganz (ſanus) zuan - zig. manzo (uber) kranz (diadema). lenzo (ver). benzo. phlanza (plantatio) minza (menta) palinza. winzuril (vi - nitor). winzan (lacerare). runzila (ruga). grunzig (celia), endungen auf - enza. RM. arm. harm. darm. ſuarm etc. RN. ſcërn (ſcurrilitas) kërno. dorn. horn. korn. hirni. harn etc. RB. huërban. ſtërban. etc. RF. dorf. ſarf. wërfan. ſcurfen etc. RP. huarp. ſtarp etc. RD. ërda. wërdan. ërdo (ſive) quërdar (eſca) mordar (homi - cidium) gardea (virga) etc. RT. bart (barba) zart (te - ner) fart (iter) wort (verbum) ſport (ſtadium) ort (cuſpis) hort (theſaurus) prort und prart (labium, margo) furt (vadum) artôn (colere) garto (hortus) rarta (loquela) warten (tueri) irwartniſſi (corruptio) herti (durus) hirti (paſtor) phorta (porta) chortar (grex). RS. wirs (pejus) hirſi (milium) fërſana (calx). RST. durſt. wurſt. porſt. harſtja (ſartago). RZ. ſuarz. harz. warza (verruca) hërza. wurz etc. RG. bërg. duërg (〈…〉〈…〉us) ſcurgan (pellere) etc. RK. wërk. etc. Viele dieſer zahlreichen conſonautver - bindungen mit vorſtehender liquida gehen die buchſta - benlehre nicht näher an und ſind daher nur mit einigen beiſpielen berührt worden. Es leuchtet ein, daß ſie auf ſyncopen beruhen; namentlich iſt in den formeln lg. lp. rf. rm. rp. rg ein vocal dazwiſchen ausgefallen und es finden ſich noch zuweilen vollſtändig halap. ſila - bar. aram. ſuaram. huaraf (ſtamen) thorof (oppidum) eribo (heres) huarabôn. bërag etc. Manche wörter ſyn - copieren im alth. gar nicht, die es ſpäter gleichfalls thun z. b. hiruƷ (cervus) pinuƷ (juncus) muniƷa (mo - neta) biliſa (milimindrum) biladi (imago) ſeniph (ſinapi) haniph (cannabis); vorzüglich merke man, daß der ſpi - rant h und die aſp. ch (hh) noch nicht gern unmittel - bar auf liq. folgt, daher wërah (opus) ſtorah (ciconia) lerihha (alauda) pirihha (betula) fëlahan (commendare) etc. Dies berechtigt uns, theils in nicht mehr zu be - legenden fällen gleiche aufhebung der ſyncope zu ver - muthen, z. b. ſtatt winzâri (vinitor) ein älteres winiƷâri und vielleicht wîniƷâri; theils für ſolche wörter unge - achtet der poſition noch eine zeitlang ſchwebende aus - ſprache anzunehmen.

126I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.

Wichtiger iſt uns hier folgendes. mb und mp neigen ſich allmählig zu der aſſimilation mm*)Die jedoch im auslaut und vor t ſich zu m vereinfacht, alſo ſuam, ſuammes ſt. ſuamp, ſuambes. Ganz folgerecht pflegt auch umgekehrt mpt ſt. mt in wörtern einzutreten, die eigentlich einfaches m haben, z. b. goumen (cuſto - dire) goumpta O. I. 13, 28. kûmen (lugere) kûmpta O. III. 4, 43. 10, 10. wo jedoch die wiener hſ. kûmta lieſt; das ſtehet überhaupt auch I. 22, 51. III. 24, 14.; mft geht über in uft. Daß der rs vordem mehr geweſen, iſt beim rr angezeigt worden; rt muß man zweierlei ſcheiden, theils entſprechen ſie dem goth. rd (wort. ſport. herti. hirti. warten. ) theils dem goth. zd (hort. ort. prort. rarta) vgl. oben ſ. 67. und vorhin ſ. 121. über das frühere ſ ſtatt r. Bei einigen geht der goth. beleg ab**)Vielleicht hieß bart und furt auf gotb. bazd, fuzd; (vgl. für erſteres des litth. barzda, lett. bahrſda) und wenn art goth. azd war, müſte das goth. asding (Dracontii carmina, ed. Arevalus, Romae 1791. 4. p. 371.) alth. ar - ting lauten..

(P. B. F. V. W.) labiales.

In den älteſten runen nur zwei zeichen zu allen lippenlauten, nämlich für b und f, birihha (betula) und fihu (pecus) benannt; den ſpiranten v drückte zugleich die rune u aus und die tenuis p. ſcheint als anlaut ſel - ten oder nur in fremden wörtern vorgekommen zu ſeyn (vgl. oben ſ. 55.). Die ſächſ. runen fügen einen buch - ſtab für v (w) hinzu, den ſie vên (opinio) und für p, den ſie peord (verna, bauer im ſchachſpiel) benennen. Der letzte name iſt aber dem alth. p unangemeßen, theils weil das wort in der entſprechenden form përt nicht gefunden wird, theils dem ſächſ. anlaut p mei - ſtens der alth. anlaut ph. begegnet, auch vielleicht das mittelh. pfërt (equus) dasſelbe wort iſt***)Pfërt nie ſtreitroß noch zelter, ſondern ein im ſchritt ge - hendes, für reiſe und frauen tauglich, daher paßgänger, dän. ganger, lett. gengeris, gleich dem fußboten (verna, diener) geheißen. Nur erkläre ich damit freilich nicht, warum das wort im alth. weder für verna noch für equus vorkommt. Das nord. pëd bedeutet nicht equus, ſondern neben verna noch ſonſt nanus, pumilio.. Die nord. form für peord lautet pëd (? pëdd), womit der perſiſche name derſelben figur im ſchach: padeh (ital. pedone,127I. althochdeutſche conſonanten. labiales. franz. pion) merkwürdig einſtimmt, vermuthlich von pada (pes) abzuleiten, fußgänger, gemeiner ſoldat im gegenſatz zum reiter. Dem ſey nun, wie ihm wolle, die rune p. eignet ſich für die alth. tenuis nicht, und es beſteht ein ganz anders verhältniß der labiales, als im nord. ſächſ. und goth., nämlich der goth. reihe p. b. f. v. entſpricht ſtrengalthochdeutſch: f. p. v. w, ſo daß die media b völlig ausgeht, f aber durch ph und v durch bh näher erklärt werden muß. Dieſes vor - herrſchen der aſpiration beruht im grunde auf der ver - wandlung des einfachen p in ph und die unterſuchung hat folgenden gang zu nehmen: erſtens iſt zu zeigen, daß das übergewicht der aſpiration auch im althochd. unorganiſch und unurſprünglich ſey; alsdann bleibt die freilich ſchwankende regel der alth. labiales ſelbſt zu erörtern. Den beweis jenes ſatzes ſuche ich in nach - ſtehenden puncten

  • 1) die allgemeine einſtimmung der übrigen deutſchen[mundarten], der goth. ſächſ. frieſ. nordiſchen, verbürgt, daß auch die alth. ſtatt ihres ph früher die tenuis p gehabt haben werde. Noch mehr, in fremden und alten ſprachen ſind vergleichbare wörter ebenfalls un - aſpiriert, z. b. gr. πέπερι, lat. piper, lett. pipperes, lith. pipirras, böhm. pepr; πιππίζω, lat. pipio, böhm. pjſkám; σίνηπι, lat. ſinapi, lett. ſinnepes; affe, böhm. opice kaufen, lat. capere greifen, lat. rapere, lett. grahbt, litth. grebju etc. Ebenſo laßen ſich ſanſkr. u. perſ. wörter mit p und nicht ph anführen; etymologen aber, welche dergleichen ge - brauchen, um die nähere verwandtſchaft der alten ſprachen mit dem niederd. darzuthun, unternehmen etwas unnöthiges. da meiner meinung nach auch das hochd. in den erſten jahrh. die aſpiration keineswegs gehabt hat. ſondern apo (ſimia) ſcapan, ſcip. pîpan. grîpan geſprochen worden ſeyn wird. Sie hätten alſo bloß zu zeigen, daß die niederd. ausſprache in dieſem punct der älteren treuer geblieben iſt
    *)Nicht einmahl in allen wörtern; die alten ſprachen zeigen in manchen die tenuis, wo ſämmtliche dentſche aſpirieren, nicht allein die hochd. z. b. ποὺς, pes, ſanſkr. padah; aeol. πέμπε, lith. penki; πέρδειν, pedere, litth. pérſti (alth. ſër - zan). Dieſe in allen deutſchen mundarten organiſche aſp - darf mit der unorganiſchen, bloß im hochd. vorhandenen, nicht verwechſelt werden.
    *).
  • 128
  • 2) in den von den Römern aufbehaltenen eigennamen iſt noch keine ſpur der alth. labialordnung, ſondern vielmehr gilt die organiſche gothiſche. Die tenuis p in: peucini, menapii, uſipii, uſipetes, luppia (niederd. lippe)
    *)Vgl. den frauennamen pipara, den Trebellius Pollio, in Salonino cap. 3. aus Gallienus zeit aufbewahrt hat.
    *) die media b. in belgae, bonna, baduhenna, - burg, bructeri, vibilius, tolbiacum (hochd. zulpich) gelduba, longobardi, cimbri, maroboduus, ubii, etc. die aſp. f. in fenni, foſi, friſii. tanfana, canninefas, framea die ſpirans v. in vandali, vangiones, ſuevi, helvetii, viſurgis, treveri etc. Manche dieſer namen ſind uns dunkel
    **)Namentlich framea (miſſile) welches man unpaſſend mit pfrieme (acus, ſilum ferreum) nord. prion, niederd. preem zuſammenſtellt.
    **) aber die vergleichbaren f. entſpre - chen nie einem niederd. p, die vergleichbaren p. kei - nem niederd. b. ſondern der hochd. aſp. ph.
  • 3) die alth. denkmähler ſelbſt zeigen ſpuren der tenuis, wo man aſp. erwarten ſollte, nämlich in wörtern, in welchen auch die übrigen deutſchen mundarten tenuis haben. Namentlich in pîna (dolor) përala (unio) puzza (puteus) paradîſi, pilgrim, palinza, pëdarſil (petroſelinum) palma, tempal, probiſt, pimenta, proſa, pira (pirus), piſcôf (epiſcopus) und ähnlichen, meiſtens aus dem latein entlehnten wörtern. Die entlehnung muß in einer frühen zeit erfolgt ſeyn, wo die aſpi - ration noch nicht eingeführt war, ſpäter aber war es natürlich, daß dieſe fremde wörter, die ſich dem gange der deutſchen laute nicht fügen wollten, ver - ſchonte, wenigſtens größtentheils; ja einige derſelben nahmen bei ſolchen, die der ſtrengalth. tenuis die media b. vorziehen oder mit beiden wechſeln, wie beſonders N., den umſtänden nach, letztere an, z. b. bîna (dolor) bira (pirus) buzza (puteus) und auch bei O. und T. biſcôf. Andere ſchwanken nach verſchie - denheit der denkmähler und zeiten zwiſchen tenuis und aſp. z. b. J. ſetzt noch porta, ſpätere phorta; O. noch pad (callis) plëgan (ſolere) N. phad, phlëgen, allein porta. In den monſ. gl. herrſcht ph. entſchie - den, als: phant, phunt, phanna, pherſiboum (perſicus) phorzih (porticus) phellôl, phorri (porrus) phalanza, phlanza und nur in jenen zuerſt genannten hat ſich129I. althochdeutſche conſonanten. labiales. die ten. behauptet, meiſtens noch im neuh. (pein, perle, tempel, palme etc., ausgenommen pfütze) wïewohl einzelne ph. erſchienen ſind, z. b. phînôn (cruciare) gl. hrab. 953a, phînunga 955b.
  • 4) ein überzeugender grund iſt ferner der, daß die con - ſonanzverbindung ſp ſowohl im anlaut als inlaut ge - blieben iſt und ſich nicht in ſph (einen übrigens wohl - klingenden, im gr. σφ häufigen laut) verwandelt hat. Aber ſelbſt die denkmähler, welche am ſtrengſten der alth. labialregel folgen, zeigen unverändert ſp in den - ſelben wörtern, wo es die ſächſ. goth. und nord. mundart hat. Zahlreiche anlaute: ſpinnan, ſpër, ſpal - tan etc. bedürfen keiner aufzählung. Seltner ſind die inlaute und ich vermag nur liſpen (anhelare) M. 341. wiſbelôt (ſibilus) gl. doc. nëſpil (mespila) gl. doc. aſpa (tremula) gl. blaſ. 140. gerade zu belegen, es muß noch andere geben, z. b. hiſpan, wiſpan, haſpal, mëſpil etc. (vgl. die mittelh. ſp.). O. ſchreibt thueſben (extinguere) ſt. dueſpjan, was auf ein ſtarkes duiſpan zurückdeutet. Den bekannten eigennamen oſpirîn, oſbirîn fübre ich nicht an, weil er aus oſ-pirîn (urſa) componiert iſt, ebenſowenig die ſchwierige par - tikel zaſpëri, ziſpëri, d. h. za ſpëri, zi ſpëri (utique).
  • 5) im goth. etc. ſind ten. med. aſp. organiſch vertheilt; im alth. ſchwanken ten. u. med. für eine reihe von wörtern unter einander; dieſe unvollkommenheit kann nicht urſprünglich geweſen ſeyn.
  • 6) endlich kann die analogie der lingual - und guttural - buchſtaben angeſchlagen werden, wo im alth. eine gleich unorganiſche aſpiration eintritt und zunimmt.

Nachdem ich dargethan habe, daß im älteſten hoch - deutſch ganz die goth. vertheilung und beſtimmung der lippenlaute eingetreten zu ſeyn ſcheint, handelt es ſich um die nähere darſtellung des eigentlichen verhältniſſes dieſer conſonanten im 8 - 10. jahrh. wobei nun jene ſpu - ren des früheren zuſtandes übergangen werden können.

(P und B) die tenuis entſpricht im an - in - und auslaut der goth. media b. und ſtrenghochd. denkmäh - ler, namentlich die hrab. und monſ. gl. ſchreiben nicht nur im auslaute: kap (dedit) ſcreip (ſcripſit) ſtap (bacu - lus) ſondern auch in - und anlautend: këpa (donum) ſcripun, ſtapâ, trîpan, opaƷ, upar, umpi, zimpar; patI130I. althochdeutſche conſonanten. labiales. (rogavit) pipar (caſtor) pim (ſum) pein (os) pano (homi - cida) puah (liber) pluamo (flos) prinkan (afferre) etc. Dieſe könnten des b völlig entrathen, es lauft jedoch zuweilen im inlaut mitunter, nie im auslaut, ſeltner im anlaut. Andere quellen, K., die gl. jun., die hymnen etc. räumen dem b mehr und in der regel beſtändig den in - laut ein, während p nothwendig aus - und faſt immer anlautet. J. hat die eigenheit, daß er das anlautende p nur in fremden wörtern (porta, paſſio, paradîſi), das auslautende nur in einigen, als 356. ſëlp 404. chalp dul - det, ſonſt aber im auslaut die aſp. ſetzt, als 352. 402. ûph, 372. ſcreiph. 394. 395. bileiph; dem an - und inlaute gibt er b*)Er hat auch einigemahl die reine goth. tenuis behalten, 389 lantſcap. 404 ſcâp. 372 hilpit.. Noch weiter endlich gehen O. und T., welche das p gänzlich vernachläßigen, d. h. zwar in fremden wörtern (porta, tempil) in deutſchen aber bloß in der verbindung ſp. und inlautend vor t (kûmpta, gi - loupta) dulden, ſonſt überall und namentlich im auslaut (wîb. lîb. huob. ſtarb. gab) die media zeigen.

Eine viel conſequentere, ihm völlig eigenthümliche regel beobachtet N., der bei oberflächlicher anſicht will - kürlich zwiſchen p und b oft in der nämlichen zeile zu ſchwanken ſcheint. Aufmerkſamkeit lehrte mich, daß er (die form ſp. und einige fremde wörter abge - rechnet) die ten. nie im in - und auslaut, ſondern ſtets die med. ſetzt, alſo: trîben, habên, umbe, ubelî, gibet; halb, warb, gab, treib etc. Der anlaut hingegen rich - tet ſich nach dem auslaut des vorhergehenden worts. Iſt dieſer auslaut ein vocal oder eine liq.; ſo hat das nächſte wort im anlaut die media b; war er die ſpi - rans h oder eine lab. ling. oder gutt. ſo folgt im anlaut die tenuis p und dasſelbe geſchieht endlich, wenn mit dem anlaut ein ganz neuer ſatz beginnt, weil dann der auslaut des vorigen zu weit getrennt iſt und nicht wei - ter einwirkt. Letzteres ſcheint zugleich darzuthun, daß N. in ſolchen wörtern die ten. für den wahren, nur den umſtänden nach in die med. umlautenden buchſtab hält. Beiſpiele ergeben ſich allenthalben und widerſprechende ungenauigkeiten der pſalmenausgabe kommen nicht in betracht. Es muß daher heißen: ih pin, aber ih ne bin; des pëlgen, aber: ſelben bëlgen (98, 1.); got pë - tôjên, wir bëtôjên (96, 7.) ih pito, mînero bitûn (118, 116);131I. althochdeutſche conſonanten. labiales. dîn bin ih, ſilo breit, ſint pediu (118, 90, 94, 96) mih pînont (12, 5) îlet pehuoten, der behuotet (18, 12) und ſo überall in unzähligen fällen. Dem feinhörigen N. folgen andere und ſpätere nicht, namentlich, was zu verwundern iſt, keiner der mittelh. dichter.

Für jede der angegebenen verſchiedenheiten im ge - brauche des p und b zeit und mundart feſtzuſetzen, hält ſchwer; es ſtimmen hier denkmähler zuſammen, die in andern ſtücken abweichen, z. b. O. und T.; während O. und K., die ſonſt ia, ua gemein haben, darin von einander abſtehen. Das vorherrſchende, umlautende b. bei T. und O. ſtimmt zur neuh., dagegen der inlaut b. und auslaut p. zur mittelh. weiſe. Dieſer umlaut zwi - ſchen b. und p. (loup, loubes) vergleicht ſich zunächſt dem goth. wechſel des f und b in denſelben wörtern (láuf, laubis) und noch vollkommner J. lîban, leiph (goth. hleiban, hláif); überhaupt entfernt ſich J. am wenigſten von der goth. lautvertheilung.

(F. PH. PF. ) die alth. aſp. entſpricht der goth. ten. und eigentlich nicht der goth. aſp., welcher vielmehr das alth. v. gleicht; doch aber finden miſchungen beider alth. aſp., des f und des v ſtatt. Vorerſt will ich hier fragen, ob f. ein einfacher oder doppelter laut ſey? und antworten, ein doppelter. Daß ein beſonderer buch - ſtab vorhanden iſt, beweiſt nicht dawider, man müſte dann auch das nord. u. ſächſ. þ für einen einfachen conſ. erklären; die drei aſp. f. þ und ch. ſtehen ſich aber gewiß gleich. Eher könnte bedenklich machen, daß lat. grammatiker zwiſchen ph und f. unterſcheiden (Schneider p. 263-266. ), wiewohl andern beide zuſam - menfallen und das gr. φ in der regel durch das lat. f. ausgedrückt wurde (Schn. p. 201.). Unterſchied iſt frei - lich möglich und in der that merklich, aber nur zwi - ſchen zweierlei aſpiratis, dem ph und bh, oder zwiſchen der aſp. und triphthongen, wie pf (das iſt pph) und bf (bph) ſind, deren gleich erwähnt werden wird. Nun - mehr ſtelle ich auf: das eine alth. f. entſpricht der goth. ten. oder iſt mit andern worten das aſpiriert gewordene goth. p, folglich jederzeit ſcharf wie ph und nie wie bh auszuſprechen. Es wird daher häufig noch ph geſchrieben

  • 1) im anlaut kommt es, gleich dem goth. p, ſelten vor, meiſtens in fremden wörtern: phorta, phunt, phenning, phîpha, phlanza, phello, pheit (tunica) phluog (ara - trum) pharre (tauri) N. 21, 13. phogat N. 34, 1. etc. I 2132I. althochdeutſche conſonanten. labiales. Dieſer anlaut hat ſich ſehr frühe in den noch härte - ren triphthong pf verwandelt; ſchon die hrab. gl. ſchrei - ben pfentinc, pfîfa, pfat, pfliht etc. Das anlautende pf galt jedoch weder für alle wörter noch mundarten allgemein, wie man aus denkmählern ſieht, welche dafür zuweilen nicht ph, ſondern f ſchreiben, z. b. K. 43b funt (libra) N. 103, 16. W. 4, 13. flanza (planta - tio) N. 8〈…〉〈…〉,〈…〉〈…〉. frëſſa (preſſura). Einige haben, wie oben bemerkt. das unaſpirierte alte p. beibehalten, nament - lich O. in porta, plëgan etc. und konnten es, weil ſie auch im anlautenden b der goth. media treu blieben. Die aber letztere durch p ausdrücken, bedienen ſich conſequent des ph (f. oder pf) ſtatt der goth. tenuis, während O. und ſeines gleichen inconſequent das in - und auslautende p mit f vertauſchen.
  • 2) im in - und auslaut wird am liebſten f geſchrieben und gewiß ph, nicht bh, geſprochen. Dies erhellt aus den daneben vorkommenden ſchreibungen ph. ff und pf.
    • a) die ſchreibung f belegt ſich bei O. T. N. allenthal - ben; gewiſſen wörtern iſt jedoch das ph vorbehalten und hier muß man den gebrauch eines jeden dieſer denkmähler beſonders kennen lernen. Alle drei ſchreiben: grîfan, ſlàfan, ſcif (ſcëf) lantſcaf etc. aber O. und N. wërfen, hëlfen, (daneben O. I. 11, 122. hëlpha). T. wërphan, warph, wurphumes, thorph. O. und T. limphan, lamph; N limfen, lamf. Die monſ. gl. ſchwanken in denſelben wörtern, z. b. after und aphter.
    • b) ph hat daher in vielen fällen ganz wie f gelautet und beide ſind eigentlich eins z. b. huph (femur) etc. In denkmählern aber, die gewöhnlich f ge - brauchen, hat das ph mancher wörter unleugbar die ausſprache des pf, z. b. wenn O. kuphar (cu - prum) ſcepheri (creator) ſchreibt, iſt doch nicht an - zunehmen, daß noch kufar, ſceferi geſprochen wer - den dürfe
      *)N. hat im verbum ftephen (gradi) und ſcephen (creare), daneben aber die ſubſt. êoſcefel (legislator) hôiſtaſel (lo - cuſta) und offenbar ſchwankt in manchen wurzeln und ableitungen die ausſprache zwiſchen f und pf.
      *). So könnte auch ſein limphen und T. warph ins pf. hinüberſpielen. Richtiger wäre, wo pf geſprochen werden ſoll, es auch zu ſchrei -133I. althochdeutſche conſonanten. labiales. ben, allein es iſt, wie ſich hernach zeigen wird, häufig aus ph entſprungen, ſo daß in einzelnen wörtern die wahre ausſprache kaum auszumitteln ſteht. N. ſlâphôta 118, 28. gilt ſo viel als ſlâfôta.
    • c) die ſchreibung ff. ſo practiſch ſie ſich gemacht hat, ſcheint in der theorie ganz verwerflich, da das f ein doppellaut iſt und man zwar einen doppellaut noch mit einem einfachen verbinden, nicht aber wieder mit ſich ſelbſt doppeln kann. ff iſt phph, ſolglich (in einer ſilbe) ſo unausſprechbar als es thth und chch ſeyn würde. Meiner anſicht nach ſoll das ff, wo man es geſchrieben hat, entw. die ſtärkere aſp. ph, zum unterſchied von der gelinde - ren v ausdrücken, oder den triphthong pf. Jenes iſt der fall, wenn ſogar doppelvocale vorhergehen, denen keine geminierte conſonanz folgen darf, vgl. gl. hrab. 956b hûffôn (auch N. 60, 7.) ſauffi 960b ûffit (promit) 972a; gl. monſ. naffezen (dormitare) N. naphezen; bei K. hlauffan, wâffan 16b
      *)Wâffan auch O. I. 15, 90. und N. 21, 21; aber wâfan O. I. 19, 30. oder beſteht neben wâfan ein waffan, wie es der ſpätern ſprache gemäß iſt?
      *), ſlâffag (ſomnolentus) 23b ſcâffum 20b (N. 8, 8.) rîffant 25a ſlâffit 46a ſlâffe 17a wohin auch tiuffi, N. touffî, offto 60, 6. ſcuoffe 63, 9. etc. Hier würde über - all richtiger ein f oder ph ſtehen. Das pf vertritt hingegen ff in ſceffan K. 33b, chamffan K. 19a (ne - ben chamfan 15a) heffan (K. und O. I. 19, 6.) chriffen (gl. jun. 217.) und in folgenden ſtellen J. 385. ſcheffidhes. 395. offerunc. 402 lantſcaffi (bei ihm = lantſcapſi) Bedenklich ſcheint allein der fall, wo dem ff ein einfacher vocal vorhergeht und doch kein pf zu vermuthen iſt, z. b. in affo (ſimia) offan (apertus) phaffo (papa) ſaffe (ſucco) ſciffe (navi) lantſcaſſi (K. 20a) etc., wo zumahl der auslaut nur ein f zeigt, als: ſaf, ſcif, lantſcaf. Hier iſt wohl eine unorganiſche anwendung der analogie anderer geminationen gemacht worden; dasſelbe werden wir unten bei dem ƷƷ und hh zu bemerken finden. Aeltere denkmähler richtiger ſcëf, ſcëfes; lantſcaf, lantſcafi. Sollte die critik überhaupt ſich erkühnen dürfen, das pſeudo - ff in den ausgaben zu tilgen?
    • 134
    • d) pf iſt eigentlich pph, findet ſich auch ſo geſchrie - ben, vgl. krippha O. opphar O. ſcepphes: lepphes (curras) O II. 14, 55. (die wiener hſ, II. 4, 63. ſo - gar ſcefphe, gl. hrab. 962a hefphet; gl. doc. 204b ſlifphemes. ) wipphe O. IV. 16, 55. ſtepphare N. 100, 3. etc. häufiger ſteht pf, als ſtupfe (O im reim auf jenes wipphe) und gl. hrab. chripfju, ſcepfent, elptant, cnupfen, chupfa neben cnuphit, wirphit, ſuëphar. Zwiſchen pf und ph ſchwanken auch O und N. vgl. ſcepheri O. I. 5, 49. opheres II. 9, 67. opherôn N. 33, 1. opferôn 25, 6. chapfen 12, 2. ir - ropfzôt (eructat) 18, 3. ſtephida 38, 1. ſtepphâre 100, 3. wephàre (hiſtrio) 39, 5. etc. daß andere in denſelben wörtern ff ſchreiben, iſt vorhin ange - merkt. Dieſes pf entſpricht theils dem einfachen p, theils dem pp der niederd. ſprache, und ent - ſpringt in letzterm fall häufig aus phi, z. b. krippha ſt. kriphea (T. crippea), chripphen ſt. chriphjan. Zuweilen hat es noch einen andern grund, z. b. op-phar, wofür man auch ob-phar (T. 7, 3.) fin - det, mag eigentlich in zwei ſilben, wie das lat. of-ferre, ob-ferre zerfallen. Uebrigens laßen das alt - und neuh. pf nicht immer auf einander ſchließen, z. b. chriphen zwar auf kripfen, aber kripfa lautet krippe und chapfen gaffen; vgl. ſchaffen und ſchöpfer. Wie ſticht gegen ſolche ungewißheit der reinliche, feſte gebrauch der goth. tenuis ab.

(F. V.) die zweite alth. aſp. entſpricht der goth. aſp.*)Wohlverſtanden materiell (in den wörtern) nicht formell (in der ausſprache), denn da ſich der laut einmahl ver - rückt hat und dem goth. p das alth. f antwortet, ſo ant - wortet dem goth f das alth. v. Formell ſind ſich das goth. und alth. f natürlich gleich, jede mundart gebraucht lie nur zu andern wörtern. Das goth. ſilu (multum) iſt folglich ſchärfer, das alth. vilu (auch filu geſchrieben) milder zu aſpirieren. und wird zumahl in denkmählern, welche die erſte aſp. mit f ausdrücken, zum unterſchiede v ge - ſchrieben; hierdurch iſt der mittel - und neuh. gebrauch des v begründet, welches v nie oder nur misbräuchlich an die ſtelle jenes erſten f treten kann. Beiderlei laut war urſprünglich und ſo weſentlich verſchieden, als die goth. ten. von der goth. aſp. Man ſpreche das v (oder zweite f) milder als das vorige f und etwa zwiſchen135I. althochdeutſche conſonanten. labiales. ph und w, alſo wie bh aus, gleich dem goth. f in gaf, þiuf (oben ſ. 55.), kurz gleich dem ſächſ. ƀ. Geſchrie - ben wird es gewöhnlich mit dem vocalzeichen u, was doch die grammatik billig meidet, um verwechſelung mit dem vocallaut, zumahl in diphthongen und in ein - zelnen fällen mit dem w zu verhüten. Dem w liegt freilich das v ſehr nahe*)Wegen verſchiebung der laute (ſ. vorausgehende note) könnte man fragen, ob das alth. v nicht gerade wie der goth. ſpirant v, hingegen der alth. ſpirant w, ob er gleich materiell dem goth v entſpricht, anders ausgeſprochen worden ſey? Hierüber hernach beim w. und ein ungeübtes ohr un - terſcheidet beide im inlaute ſchwer von einander; gleichwohl iſt der unterſchied ſo weſentlich, daß mit - telh. genaue reimer kein v und w aufeinander reimen (z. b. nie grâven, comitem, auf gràwen, caneſcere) und im alth. ſind z. b. fravallicho (audacter) und frawalicho (laete) hörbar verſchiedene wörter. Noch ſchwieriger fällt die unterſcheidung des anlautenden v, von dem f und beide ſind hier offenbar frühe ſchon vermiſcht, d. h. das v iſt wie f geſprochen worden. Im auslaute wird ſogar niemahls v geſchrieben.

  • 1) je ſeltner die erſte aſp. im anlaut, deſto häufiger die zweite, aber jenes erklärt, warum auch letztere ohne verwirrung mit dem buchſtaben f geſchrieben werden konnte. Sicherer geht die ſchreibung v, die ich zu - meiſt in den monſ. gl. beobachtet finde, als: varan, vallan, vëlahan (commendare). vëlgâ (canti) verjo (re - mex) vilo, vingar, vizus (aſtutus), vogal, vora, vu - luhun, vuri, vundun (inveniebant) etc. desgleichen vor doppellautern: vâra (dolus) viur (ignis) vuora (paſtus), kaum vor , weil ſich dann drei gleiche zeichen häufen, daher fûl (putris) fûhtî (mador) nicht vûl (welches genau betrachtet uuul wäre); wohl aber der verbindung vl. vr, als: vlins (ſilix) vliuſit, vrido, vrî etc. Nächſt dieſen gl. befolgt N. häufig dieſelbe ſchreibung, z. b. vater, vilo, vëld, vërro, vizes (doloſus) vlins, vrïſt, vrido, volgên, vore, viel (cecidit) etc. bedient ſich in den nämlichen wörtern aber auch des f und zwar häufiger, doch iſt der ge - brauch des v daneben keine bloße willkühr, ſondern nach der vorhin bei dem p und b gewieſenen regel ſtehet v im anlaut nur, wenn im anſtoßenden auslaut vocal oder liq. vorausgegangen war, z. b. demo vater,136I. althochdeutſche conſonanten. labiales. den vater, aber nie des vater, vielmehr des fater (8, 2. 20, 2.); nie hôhvater, vielmehr hôhfater (pa - triarcha 79, 11.) vgl. mìnen vrido, aber von vornen: frido (20, 3.) etc. Inſoweit gilt die regel minder ſtreng, als ſtatt des v in allen fällen auch f geſetzt werden darf, nicht aber umgekehrt v für f. Viele alth. quellen enthalten ſich gänzlich des anlautenden v (namentlich K. O. T.) und ſchreiben beſtändig f dafür.
  • 2) umgekehrt iſt im inlaut die zweite aſp. ſeltner, als die erſte; deſto leichter thut ſie ſich in der ausſprache kund. Die wenigen beiſpiele ſind etwa: avur, avar (retro) avarôn (iterare) avara (pyramis) avarah (gurgu - ſtíum, fiſchreuſe) avalôn (parare, comparare) fraval (contumax) havan (olla) arviƷƷa (eruca) chevja (cavea) hevo, hevit (levo, levat) hevîg (gravis) hevorâ (exclu - ſores, d. h. ſilberſchmiede, N. 67, 31. beßer wohl he - vârâ?) nëvo (nepos) chëvar (brucus) wëval (ſubteg - men) chëva (branchia) hrëves (uteri) wëverôn (rugire) ſcëvar (lapis fiſſilis) wërvo (vortex) chërvila (cerefo - lium) zuelivî (duodecim) livol (libellus) einlivî (unde - cim) ovan (fornax) hoves (curiae) hovar (gibbus) bi - ſcôves (epiſcopi) wolves (lupi) funivî (quinque) grâvo (comes) râvo (tignum) gitâvili (laquear) gâviſſa (migma, quisquiliae) zuîval (dubium) vîvaltra (papilio) briaves (epiſtolae) tiuval, tievil (diabolus) eivari (acris) ſeivar ſpuma) ſcûvila (pala) huoves (ungulae). Fremde wör - ter wie êvangeljo, êva, davîd, nave (J. 387.) etc. zei - gen ein gleiches v, und kein w, entſprechen alſo for - mell dem goth. a[i]vaggeljô, daveid
    *)Nach der vorigen note vielleicht auch materiell; in frem - den wörtern könnte die alte ſchreibung und ausſprache gedauert haben. Die neuh, ausſprache dafid, efangelium beweiſt nicht dagegen.
    *). Daß nicht ſelten auch im inlaut f ſtatt v. geſchrieben wird, ver - ſteht ſich von ſelbſt; gewiſſe wörter ſchwanken in den denkmählern in die media; ſtatt avar, avarôn hat N. aber, aberôn (44, 2.) und neben hevo, hevit findet heffan, hepfan, hepfu ſtatt (näheres in der conjug.) K. ſelbſt ſchwankt zwiſchen ruava (numerus) 16b 22a und roaba 35a. b[.]zu welchem letztern die gl. jun. 2〈…〉〈…〉. ruaba (indictio) ſtimmt. O. hat hebìg ſt. hevîg, gâbiſſa ſt. gâviſſa und die beiden hſſ. wechſeln zwiſchen u und f137I. althochdeutſche conſonanten. labiales. in afur, diufal, afalôn etc. die pfälzer hat IV. 16, 36. zuelivî, die wiener zuelifî.
  • 3) im auslaut wird nie v, immer f geſchrieben, vgl. den nom. der angeführten genitive: wolf, briaf, huof, hrëf. Wurde aber dieſes f dem auslaut der erſten aſp. völlig gleich ausgeſprochen, z. b. ſliaf (dormivit) riaf (vocavit) gerade wie briaf? Urſprünglich gewiß nicht, denn dort war ein ph (goth. p), hier iſt ein v (goth. f) vorhanden. Allmählig mögen ſich aber beide aſp. im auslaut verglichen haben; mittelh. dichter reimen un - bedenklich rief: brief (nicht den inlaut riefen: brie - ven). Unter dieſer vorausſetzung könnte man einen umlaut zwiſchen f und v (wolf, wolves; hof, hoves) dem vorhingedachten zwiſchen p und b (thiup, thiu - bes; gap, gâbun) und zwiſchen f und ff (ſcëf, ſcëffes; grif, griffes) analog annehmen. Der Gothe beſtätigt aber nur den zweiten umlaut (þiufs, þiubis; gaf. gê - bun) nicht den erſten und dritten (vulfs, vulfis; ſcip, ſcipis) und ich halte ſie darum wenigſtens für unorga - niſch, wie ſie denn auch auf nichts anderm als einer ſtufenweiſen entſtellung der auslautenden aſp. zu be - ruhen ſcheinen. Das f in wolf hatte früher den laut des inlauts v; das f in ſcëf früher den des inlauts ff (d. h. ph.)

(W) dem labialſpiranten gewähren die nord. runen kein eigenes zeichen, ſondern drücken ihn mit dem ûr aus; die ſächſ. haben dafür einen beſonderen deutlich dem lat. und goth. v verwandten buchſtab, welcher im alth. ſchon deshalb nicht länger gelten kann, weil das einfache v. zur bezeichnung der einen aſp. dient. Der alth. ſpirant bezeichnet ſich vielmehr mit dem doppel - ten v, nämlich vv oder verſchlungen w, ſtatt welches die alten hſſ., wie ſie u für v ſchreiben, uu ſetzen. Bei J. K. O. T. N. gl. hrab. jun. etc. findet ſich uu, weder vv, noch uv, noch vu*)Ausg. wenn O. das uu in einem großen buchſtab ſchreibt, dann ſteht Vu nicht Uu. geſchrieben, ſo daß wenn der ſpi - rant in der mitte zweier vocale u ſtehet oder voraus - geht, uuuu erfolgen kann, z. b. puuuuit (colit) hriuuuuu (poenitentiam) N. 59, 4. drei u aber häufig vorkommen, als: uuuntar (miraculum) zëſauuun (dexteram) triuuua (fides) niuuuî (novities)**)Wenn Otfried in der lat. vorr. ſagt nam interdum tria uuu, ut puto, (lingua theotiſca) quaerit in ſono, priores. Dieſem übelſtand wird aber138I. althochdeutſche conſonanten. labiales. durch accentuation und dehnzeichen meiſtens begegnet, z. b. pûuuit, uuúntar, zëſauuûn geſchrieben*)Beim ſchreiben iſt faſt unvermeidlich, daß zuweilen der acutus das unrechte u trifft. O. IV. 28, 18. hat die pſälzer hſ. uúurfin, die wiener richtig uuúrſin., oft auch das w ausgeſtoßen, als pûan ſt. pûwan. Die ſchreibung vv neben uu findet ſich in den ker. gl. ; ſpäter wird vu gebräuchlich (vgl. gl. monſ. und doc. ), uv zeigt Wille - râm vgl. gl. doc. anauvëſant, uvînrëpa, uvintila etc. Ob alle dieſe verſchiedenheiten bloß graphiſch oder auch für die ausſprache wichtig ſind, hat mancherlei beden - ken und ich komme vielleicht noch nicht zum befrie - digenden ſchluß.

  • 1) der anlaut w duldet auf ſich folgend jeden vocal, ein - fachen oder doppelten, ausnahme macht u, doch nicht allgemeine, indem O und T. uuúnta, uuúnſg, uuúr - fun ſchreiben, dagegen die älteren denkmähler, wie es ſcheint auch N.
    **)Vgl. 8, 7. 51, 7. 51, 3 95, 6. etc. doch daneben auch uuúnſ[o]. 31, 7. uuúnt 37, 6. uuúrim 103, 26. Wie ſteht der accent, wenn er uurm, uurzella ſchreibt? vermuthlich uúrm, uúrzella.
    **) in dieſem falle ein u auslaßen, alſo: uunta, uunſk, uurm, uurti (fieret) uurfî (jeciſti) antuurti etc. Iſt nun hier anders ausgeſprochen wor - den, als wir heute wun, wur, zu ſprechen pflegen? und hat nicht eben die nord. mundart ul, un, ur ſtatt vul, vun, vur? Gegen die aphäreſe ſtreitet a) die analogie des goth. vul, vun, vaúr. b) daß O. und T. wirklich uuúl, uuún, uuúr, d. h. wul, wun, wur ſchreiben. c) das mittel - und neuh. unbedenk - liche wul, wun, wur in ſchreibung und ausſprache d) hätte die nord. ausſprache ſtatt gehabt, warum ſchrieb man nicht mit einzelnem u: ul, un, ur? Das dopp. uu fällt, mindeſtens bei ſolchen, die wie K. auch den langen vocal uu ſchreiben, hiermit zuſammen, ſchwerlich aber wäre ein alth. ûl, ûn, ûr der aus - ſprache gemäß, da ſonſt N. nicht uurm, ſonderm ûrm geſchrieben haben würde. An ein langes iſt hier freilich nicht zu denken, allein ich geſtehe, wenn
    **)duo conſonantes, ut mihi videtur, tertium vocali ſono ma - nente; ſo kann er damit nur den fall meinen, wo die drei u in einer ſilbe ſtehen, z. b. uuúntar, uuúahs, und nicht den ebenfalls eintretenden, wo ſie aus zwei ſilben aneinander rühren, z. b. thíuuni (virginis) d. i. thiu-wi; hierauf paſt das umgekehrte ſeiner erläuterung.
    **)139I. althochdeutſche conſonanten. labiales. gleich kein nord. un, ur zu behaupten ſeyn wird, daß mir die heutige ausſprache wun, wur für jene alth. uun, uur zweifelhaft bleibt. Gerade die ſpätere ſchrei - bung bei O. und T. ſcheint den übergang zu zeigen, und die goth. analogie beweiſt ſogar für eine verſchie - dene alth. ausſprache; weil alle übrigen alth. labiales materiell den goth. nicht entſprechen, vermuthe ich, daß auch das alth. uu anders als das goth. v gelautet hat. Ich ſtelle nunmehr folgende anſicht zu näherer prüfung auf:
    • α) der alth. anlaut uu oder w iſt, wenn ein vocal (mit ausnahme des u und uo) folgt, nicht wie das goth. v oder neuh. w zu ſprechen, ſondern vocaliſcher, etwa wie uv oder vu, mit einem worte, wie das engl. w. Dieſe ausſprache ſcheint aber nicht die organiſche, urſprüngliche zu ſeyn, ſondern mit der eingetrete - nen verrückung der lippenlaute im zuſammenhang. Ihre ſpur verräth bereits das oben ſ. 58. erwähnte weſtgoth. ub. Graphiſch beſtätigt wird ſie durch das uu, uv, vu und vv
      *)Ueberall find und bleiben es zwei conſonanten, wie auch O. in jener ſtelle richtig ſagt, die ſich nur der vocalaus - ſprache nähern. Auf keine weiſe darf das uu oder w mit der verbindung hw oder hu verwechſelt werden. Erläute - rung hingegen kann gewahren, daß in romaniſchen ſpra - chen aufgenommene deutſche wörter mit anlautendem w in gu übergiengen, z. b. guillaume, guido, guarnir, guar - da etc. Hiermit ſtimmt das qu einiger alemann. urkunden ſtatt w, als: quanzo, qualdoald, quolfwinus; (Neugart no. 14. 15. von 744.) vgl. das goth. qváinôn mit weinon.
      *), für welche fälle durchaus das verſchlungene w zu ſchreiben in der grammatik unbedenklich und bei unterbleibender accentuation ſelbſt rathſam ſcheint. Von dem, ebenfalls uu ge - ſchrieben wordenen iſt w ganz verſchieden, in - dem jenes die ſilbe lang macht, dieſes nicht.
    • β) folgt der vocal u, ſo hat ſich begreiſlich die alte einfache gothiſche ausſprache, und mit ihr die ſchreibung des einfachen zeichens erhalten; uun - nun, uurfun iſt mir identiſch mit vunnun, vurfun und in der that können die buchſtaben nicht an - ders genommen werden. Alſo keine nord. aphäreſe wie zwiſchen vinna, unno; vërpa, urpo, wiewohl ein ihr ähnliches verhältniß zwiſchen winnan, vun - nun; wërfan, vurfun. Der einfache ſpirant er -140I. althochdeutſche conſonanten. labiales. ſcheint gerade an den entgegengeſetzten ſtellen. O und T. ſchreibung wu iſt entweder ungenauigkeit oder lieber zeugniß für die mundartiſche und all - mählige verwiſchung jenes unterſchieds, d. h. mit der zeit kam die ausſprache des einfachen v über - all wieder auf, man behielt aber in der ſchrift das zeichen des doppelten, da das einfache v für die aſp. diente.
    • γ) folgt der diphth. uo (des folgenden entſinne ich mich mit keinem beiſpiel) ſo zeigt ſich wiederum das einfache v; vgl. K. 24a uuaf (gemitus) d. i. vuaf (nicht wuaf) gl. doc. vuophta (ululavit) d. i. vuofta (nicht wuofta) von der ſcheinbar gleichen ſchrei - bung vuort (verbum) d. i. wort zu unterſcheiden, wie die accentuation lehrt (vúofta und vuórt). O. hat hingegen das doppelte uu, vgl. giwuag IV. 28, 33. wuahs (crevit) I. 16, 45. III. 6, 71, accentuiert giuuúag, uuúahs. Warum ſchreibt er aber uuaſg (lavit) III. 4, 10; IV. 11, 32? iſt dies vúaſg? Auch T. 132. uuoſc und nicht uuuoſc. Es ſcheint, daß bei nachfolgendem uo, ua das alte v ſtatt w etwas länger haftete. Uebrigens iſt das verhältniß des nord. vaxa, ôx zu dem alth. wahſan, vuohs ganz das vorhin nachgewieſene.
    • δ) da hiernach das alth. anlautende w nur in den we - nigſten fällen einfacher ſpirant iſt, ſo fragt ſich: ob nicht das vorhin als zweite aſp. aufgeſtellte v als ſolcher gelten könne, und mit dem unter β. γ. an - geführten v vor u und uo zuſammenfalle? Ich be - zweifle es, weil jene zweite aſp. gerade im anlaut häufig mit f verwechſelt wird, ſo daß z. b. vuntan (inventus) vuhs (vulpes) vuora (alimonia) im anlaut merklich von vunta (vulnus) vuohs (crevit) abwei - chen muſten. Ob unter dieſen umſtänden beßer vunnun, vunta, vuohs oder uunnun, uunta, uuohs geſchrieben werde? hat für und wider ſich. Jenes ſtellt das verhältniß zum w (welches wir doch wohl ſtatt uu ſchreiben müßen) deutlicher dar; dieſes verhütet verwechſelung mit der aſp. v.
  • 2) nächſt dem anlaut w kommen für die ausſprache des alth. ſpiranten die anlautenden verbindungen desſelben mit andern conſonanten in betracht. wl und wr ſind einge - gangen und haben ſich vielleicht anfangs in hl. hr., bald141I. althochdeutſche conſonanten. labiales. aber in das bloße l und r verwandelt. Einzige ſpur des wr iſt uurehhan (exſulem) J. 384. wogegen (über anthlutte 346. unten bei der gem. tt. ) in andern alth. quellen hrehhjo (exſul); doch finde ich auch in den tradit. fuld. 580. wrecheo als eigennamen - Die formen wrenjo (burdo) und wreniſc (petulans) gl. jun. 406. ſind niederdeutſch. Eher ließe ſich noch das bekannte warannio (admiſſarius) aus der lex ſal. anführen (alth. reinno, reinjo). Früher waren aber gewiß wl, wr in denſelben wörtern vorhanden, wo ſie die goth. und ſächſ. ſprache zeigt und wie eben aus der aphäreſe hervorgeht, wurde das w nicht ſchwer ſondern ganz einfach ausgeſprochen. Un - gleich häufiger iſt die compoſition des labialſpiranten mit vorſtehender dent. und gutt. in den formen: du - tu - zu - ſu - qu - hu -, die an ihrem ort angegeben werden ſollen; hier liegt bloß an der bemerkung, daß in ihnen wiederum die einfache, alte ausſprache des w geherrſcht zu haben ſcheint. Denn ſelbſt ſolche, die überall uu ſchreiben, wie O. T. N., ſchrei - ben nicht quu, ſuu, huu etc. ſondern qu, ſu, hu, d. h. qv, ſv, hv. Umgekehrt weiſen ältere denkmäh - ler (die u und nicht uu bei folgendem vocal u ſetzen) namentlich I. und K. gerade huu, zuu, duu, ſuu (d. h. hw, zw, dw, ſw), nur nicht quu, welches ſie eigenthümlich noch mit h verbinden, quh oder qhu, wovon mehr beim q. Früher muß folglich in den fraglichen compoſitionen das w ſchwer und breit ge - lautet haben, wofür ferner ſpricht daß zuweilen ein anderer vocal zwiſchen eingerückt wird, zumahl in den formen tw, zw und ſw; die gl. ker. thowahit (la - vat) ſowimman (natare) neben ſuuimman, ſowaƷƷi (dulce) ſowërt (gladius) zowîhandan (ancipitem) zo - wîvlôn (ambigere) etc. die gl. doc. zawei (duo) za - wîflônt (ambigunt) ziwire (bis) ſuwarm (examen) und ſelbſt bei N. 88, 52. zewein (duabus) zewêne (duo) 24, 10. 147, 1. zewîfel p. 258a, 17. zewiſken. daſ. Der eingeſchaltete vocal hat keinen etymologiſchen grund, ſondern ſoll bloß die volle ausſprache des w erleichtern und heben, wie man noch heute unter dem volk zewei, zeweifel hört. Nach dieſem ſchwanken wird nun auch die grammatiſche ſchreibung bald hw, ſw etc. bald hu, ſu etc. ſeyn dürfen; hv, ſv ſtatt letzterer ſcheint wegen der verwechſelung mit der aſp. v. miſlich.
  • 142
  • 3) inlautendes w; es iſt nie als leeres einſchiebſel zu betrachten, ſondern hat in der wortbildung ſeine be - deutung. Entw. berührt es den vocal der wurzel, oder den einer endung; conſonanten eigentlich nie. Erſter fall (berührung des wurzellauts); hier duldet das w folgende laute vor ſich: a, e, , i, o, u (?) , , , , , ou, iu, nicht aber ei und au;
    • α) die formen aw, ew, ow, ôw, ouw müßen zuſam - men betrachtet werden, weil ſie in denſelben wör - tern untereinander ſchwanken. aw iſt die alter - thümlichſte, ew der gewöhnliche umlaut des aw, durch ein folgendes i verurſacht; ôw, ow und ouw der ſpäteren umſetzung des au in und ou ge - mäß. Beiſpiele: frawêr (laetus) frawôn (laetari) za - wèn (parare) zawa (tinctura) klawêr (verſutus) dra - wen (minari) ſcawôn (contemplari) rawa (quies) fawêr (paucus) ſtrawen (ſternere) hrawêr (crudus) hawan (caedere) gl. jun. 200; pawan (aedificare) gl. jun. 199. chrawôn (fricare) dawen (mori), einige derſelben, wie das letztgenannte, laßen ſich in die - ſer form nicht mehr belegen, ſondern erſcheinen in der form ôw, ouw; das frühere aw muß aber theo - retiſch behauptet werden. Beiſpiele von ew: gewi (pagus) hewi (foenum) ewî (agnae) ewiſtra (caula) ewit (grex ovium) drewî (minare) frewî (exhilara) fardewî (digere) flewen (lavare T. 19, 4.) crewilà (fuſcinulae) lewo (? lewjo, leo) ſtrewita (ſternebat) lewina (torrens). Von ôw: frôwôn (laetari) frôwe (laetificet) dôwen (mori) frôwa (femina) drôwa (com - minatio) gôwon (pagis) ôwon (terris) ſcôwôn (con - templari) ſtôwôn (queri, cauſari) hôwi (foenum) rô - waƷ (crudum) zôwen (parare) crôwilâ, ôwiſt (caula)
      *)Vgl. ôwiſtwîlâre Neugart no. 456.
      *) ôwit (grex ovium) lôwo (leo) fôwêm (paucis) etc. Von ow und ouw: frowa, howi etc. frouwa, houwi, louwo etc. dieſelben unter ôw mitgetheilten wör - ter nach anderer mundart. Ich bemerke nun 1) die form aw entſpricht dem goth. áu in fráuja, háuan, báuau, táujan, dáujan, ſtráujan und dem av in tavida, davida, avêþi, havi, ſtravi, faváim etc. Der gothe duldet den übergang des áu in av nur bei folgendem i, , ei (oben ſ. 47.); alth. ver - wandelt ſich jedes inlautende au in aw. Das kurze143I. althochdeutſche conſonanten. labiales. a in dem aw fließt mir theils aus dieſer goth. ana - logie, theils aus dem ſonſt unmöglichen umlaut in ew, endlich daraus, daß O. reime kein aw oder ew in der penult. leiden (wohl aber ôw) ſondern nur in der antepen. (drewita, frewita, ſtrewita, fre - wenti etc. öfter). Dieſer grund läßt weder an frau - wêr, freuwita
      *)Freuuuidha J. 345. freuuui 355. iſt an ſich nicht zu ver - theidigen, aber dem ouw und iuw vergleichbar, und di - plome (bei Neugart etc.) zeigen wirklich die ſchreibung auw, euw in manchen wörtern.
      *) etc. noch an frâwêr, frêwita den - ken. 2) wἰe ſ. 94. gezeigt worden, zerfiel der ältere diphth. au theils in
      **)Vorſpiel mag das goth. vor j ſeyn in tôja, ſtôja ſt. táuja, ſtauja (ſ. 47.)
      **), theils in ou; für den aus - laut galten die formen frô und frou (laetus) neben - einander, für den inlaut bildeten ſich die doppelten frôwes und frouwes, beide, wie es mir ſcheint, un - organiſch ſt. frôes (welche form wirklich ſtatt hatte, wovon hernach) und frowes. Denn da die lab. aus dem u in dem diphth. au hervorgieng, darf ſie or - ganiſch nicht eintreten, ſobald jener diphth. durch (d. h. oo) oder ou ausgedrückt wird; ôw und ouw erfordern zu ihrer rechtfertigung ein triphthongiſches oou und ouu, das unerweislich und unanalog iſt. Inzwiſchen darf man die wirklich in den hſſ. vor - handene form ouw (wie ließe ſich ouuu anders deu - ten?) nicht beſtreiten und eben ſo wenig das hand - ſchriftl. ouu überall durch ow auslegen, ſondern bei O. muß es ôw ſeyn. weil er es häufig in der penult. reimt
      ***)O. ouu kann auch kein ouw ſeyn, da er die drei uuu nicht vermeidet und ouuu geſchrieben hätte; eben ſo wenig ou-v (der einf. ſpirant ſt. des breiten w), weil daneben die ſchreibung ouuu (d. h. ouw) unbegreiflich ſeyn würde. Wohl aber ſcheint er bisweilen im inlaute zu dem reinen diphth. ou rückzukehren, wenn es mit den lesarten ſcouô - ton IV. 35, 46. ſcouôn V. 17, 76. 20, 126. 23, 76, 575. 24, 121. ſcouô 23, 453. richtig ſteht. Die wien. hſ. lieſt an einigen dieſer ſtellen ausd rücklich ſcouuôn (alſo ſcôwôn). Das ou wäre dem inlautenden iu ſt. iw analog. Freilieh würde nach dieſer letzten analogie das iw auf ein ow (und nicht ôw) ſchließen laßen, allein die verſchiedenheit beider fälle liegt darin, daß au oder ou in übergeht, nie aber iu in , folglich ôw, nicht aber îw (aus iu entſprungen) begreiflich wird. Dem iw ſtehet aw, ew parallel, dem unorganiſchen ouw, ôw aber iuw.
      ***). Beide formen ôw und ouw zugegeben144I. althochdeutſche conſonanten. labiales. blieb jedoch in wörtern, wo der übergang des au in ou nicht durchgriff, d. h. die ſeltenheit des aus - lauts die anwendung auf den inlaut unfühlbar machte, die alte form aw und in noch mehrern das ew (weil der umlaut die analogie wiederum verſteckte) haf - ten, ſo daß mundartiſch gewiſſe wörter, ja bei dem nämlichen ſchriftſteller gewiſſe fälle eines worts der einen oder andern form anhängen. Bemerkenswerth vor allen iſt O. weiſe, welcher z. b. frawêr (laetus) frawô (laeter I. 2, 111.) frewen, frewita (laetum red - dere) frewida (gaudium) ſih frôwen (gaudere); gewi (pagus) gôwon (pagis); hewi (foenum) houwe (caedat, I. 23, 118; hôwe wäre auch richtig, aber nach Scherz not. 44. leſen beide hſſ. houwe) und ſo noch andere wörter fein unterſcheidet
      *)Vgl. ſeine unterſcheidung zwiſchen iu, ia, io ſ. 107. und die anm. ſ. 118.
      *), zweiſilbig aber nur die formen ôw, ouw und die auflöſung ou, niemahls aber ew, aw reimt. Bei N. finde ich (in den pſ. wenigſtens) regelloſes ſchwan - ken zwiſchen ew, ow und ouw, es heißt z. b. bald frewî (gaudium) bald frowî; hewe, howe und hou - we (foenum), lewo, lowo, louwo (leo); das ouw am ſeltenſten und wahrſcheinlich nicht in den ſiche - ren ſchriften Ns. Sein ew und ow ſind beide or - ganiſch und die accentuation fróuui, hóuue (nicht frôuui) lehrt, daß bei ihm an kein ôw zu denken ſey. Die form aw ſuche man zumeiſt in den älte - ſten gloſſen; wörter wie ſcawôn, frawa (domina) ſtawen (cauſari) zeigen im 9. jahrh. nie mehr aw, ſondern ow, ôw oder ouw. Die monſ. u. doc. gl. begünſtigen letztere überall und ſetzen vrowî, gowi, howi; T. hat gleich O. noch manche ew (threwen, flewen, ewit etc.) bei T. und überall wo reime und dehnzeichen nicht entſcheiden, bleibt die wahl zwiſchen ow und ôw, doch jenes als das beßere zu vermuthen
      **)Das ſchwanken zwiſchen aw. auw. ow. ouw. ew. euw und ſelbſt den übergang in aug. og. zeigt Neugarts index in den mit gawi zuſ. geſetzten vielen ortsnamen überall.
      **). 3) Selten iſt der übergang des aw in ûw, aber jenes ôw (und nicht ow) beſtäti - gend, indem hier (wie dort dem au) dem al - ten au gleichſteht, folglich w unorganiſcher aus - wuchs ſcheint. Die wichtigſten beiſp. ſind pûwen145I. althochdeutſche conſonanten. labiales. (aedificare) und gitrûwên (confidere) goth. bauan, gitráuan, welche ſehr frühe das angenommen ha - ben müßen, indem ich nur einmahl pawan (gl. jun. 199.) und nie gitrawan, auch ſpäter weder ein alth (wohl aber zuweilen ein mittelh. ) pouwen, noch getrouwen wahrnehme. Häufig die beßere form pûan, gitrûên.
    • β) wiederum fallen die formen iw und iuw zuſam - men; alt und organiſch entwickelt ſich der inlaut iw aus dem auslaut iu und iſt ebenſo, nämlich kurz auszuſprechen; ſpäter (doch frühe genug) ent - ſprang, wie aus dem ou: onw, ein an ſich fehler - haftes iuw (kein îw, parallel dem ôw, weil auch im auslaut kein parallel dem ſtatt fand). Die kürze des iw erweiſt ſich theils aus dem freilich ſeltnen übergange in ëw (hrëuun 1. 384. ëwih K. 17a. tëwe N. 33, 12. 10. 1. 27, 117. giknëwe, genu flectam, knëwun, genubus, knëwe, genu, wenn ſo T. 19, 8. 200, 2. zu leſen iſt?
      *)K. 42b knëum ſt. knëwum; der nom. lautet vermuthlich kniu, knëu, ſo wie trëo, trëwes, arbor; oder ließe ſich ein knêo, knê, knêwes annehmen? ich zweifle.
      *) theils aus der un - fähigkeit aller wörter mit der penult. iw zum reim bei O, der in dieſem fall ſtets iw in den urſprüngl. diphth. iu auflöſt, um es lang zu bekommen. So finden ſich bei ihm häufig die reime: riuag (poeni - tens) riuan (poenitere) bliuan (percutere) riuon (poe - nitentiis) driuon (dat. pl. von driwa, fides) iuih (vos) iuêr (veſter) niuaƷ (novum) etc. und ich ver - muthe überall, wo im gedruckten texte riwag, ni - waƷ etc. ſteht, wird iu zu leſen ſeyn, wie auch viele einzelne emendationen nach den hſſ. beſtäti - gen. Außer dem reim hingegen oder in der antep. dreiſilb. wörter ſcheint die form iw untadelhaft (vgl. iweran dedic. 52. liwun IV. 16, 26. riwetin IV. 30, 72. riwetut V. 20, 154. riwa I. 23, 22.) obſchon auch da ſehr häufig iu und zuweilen iuw ſteht, (vgl. iu - weru 1. 23, 98. iuwemo III. 22, 80.) welches letz - tere auch im zweiſilb. reim angienge
      **)In den urkunden Ichwankt ein häufiger weibl. eigenname zwiſchen - niu und - niwi, auch - niwa, z. b. helidniu, wulfniu, hruadniu, adalniu, wuldarniu, zeiƷiniu etc. und helidniwi, wuldarniwi etc. Jenes ſcheint nom., die - ſes gen. oder dat. Marini no 76, hat baudenivia, theo - donivia.
      **). Die älte -K146I. althochdeutſche conſonanten. labiales. ſten hochd. quellen zeigen alſo im inlaut gewöhn - lich iw, ſeltner iuw oder die auflöſung iu; hier noch einige beiſpiele: ſiwan (ſuere) biſpiwan (con - ſputus) irſiwan (vacuefactus) niwunga (novatio) triwi (fidelis) thiwi (virginis) chliwa (globus) etc. Bei O. iſt iu die gewöhnliche form, N. hat dieſes gar nicht ſondern ſchwankt zwiſchen iw und iuw, doch überwiegt letzteres
      *)Da bei ihm der umlaut des in iu beginnt, ſo zeigt er zuweilen auch ein aus ûw durch umlaut entſtandenes iuw, z. b. gebiuweda (aedificium) iuwela (noctua); formen die in früheren alth. quellen unerhört wären.
      *), und ſcheint ſpäterhin ganz zu herrſchen. Dieſes iuw durch iuv auszule - gen verbietet die offenbare ſchreibung dreier u (z. b. ríuuuun N. 9, 4. níuuuôt 38, 3. líuuuen
      **)Dieſes part. ferliuwen (conceſſum) beſtätigt meine ganze anſicht, denn die conj. fordert organiſch; ferliwen, ſo wie im praet. pl. liw〈…〉〈…〉 n (commodabant); da man aber einmahl die aus iu entſpringenden iw in iuw umwandelte, muſten ſich auch jene iw (die aus der form îw ſtammen) fälſchlich zum iuw bequemen; und ſo ſagte man ſpiuwen (ſpuebant) giſpiuwen (ſputum).
      **) 108, 11.); eher könnte iw (geſchrieben íuu) ſo viel als iu-v ſcheinen, verwerflich aber macht eine ſolche annahme der wichtigere grund des mit dem alth. iw und aw analogen goth. iv und av.
    • γ) die inlautenden ëw ſind ſelten aber unbedenklich und zum theil vorhin als erſätze des iw angeführt; merkwürdig iſt das part. giſëwan O. II. 12, 88. N. 47, 9. f. giſëhan, aber an das goth. gaſaihvan mahnend.
    • δ) zweifel macht der inlaut uw, welcher nach dem organiſmus der conj. in dem pl. praet. von hriuwan, bliuwan etc. erwartet werden ſollte. Das nähere dort.
    • ε) die inlaute âw, êw, îw, ûw ſind oben ſ. 88. 90. 93. 97. augeführt worden.
  • 4) Zweiter fall des inlautenden w, nämlich in den wort - endungen, die das im auslaut ſchon weggefallene oder in einen vocal übergegangene w bewahrt haben. Bei - ſpiele: palawes (mali) marawêr (tener) garawan (pa - rare) chalawêr (calvus) falawêr (fulvus) ſalawêr (ater) arawêr fruſtraneus) farawa (color) zëſawêr (dexter) ſualawa (hirundo) hëlawa (palea) fëlawa (ſalix) ëlëawêr (flavus) ſêrawêr (aridus) horewes (luti) trëſewes (the -147I. althochdeutſche conſonanten. labiales. ſauri) mëlewes (farinae) miliwa (tinea) wituwa (vidua) muruwî (teneritudo) ſcatuwes (umbrae) etc. die unbe - tonten vocale vor dem w ſchwanken nach den ſ. 117. 118. gegebenen erörterungen, fallen jedoch ſelten durch ſyncope aus; die alth. mundart meidet den im goth. beliebten zuſammenſtoß des w. mit andern conſ. und erſt im mittelh. kommen formen wie mëlwes, gerwen, zëſwe auf.
  • 5) dagegen pflegt die alth. ſprache das inlautende w. wenn zwiſchen ihm und dem wurzelvocal noch an - dere conſonanzen liegen, häufig auszuwerfen (oben ſ. 60.) vgl. aha, ſëhan, lîhan, nâhjan, uhta, wahta, wëllan, ſparo, gaƷƷa, ſelida, engi, inkar, ſinkan, opaſa mit dem goth. ahva, ſaíhvan, leihvan, nêhvjan, uhtvô, vahtvô, vilvan, ſparva, gatvô, ſaliþva, aggvus, iggqvar, ſiggqvan, ubizva. Nähere bekanntſchaft mit dem goth. wird noch mehr beiſpiele darbieten
    *)So muthmaße ich ein goth. ſeihva (cola) alth. ſiha aus dem verb. ſìhan, ſeih, ſiwan, welches part. ſich neben ſihan findet. Man vgl. uralte eigennamen: naſua (ein ſueve, J. Caeſ. 1, 37.) maroboduus (Tac. μαροβουδος, Strabo) ateboduus (Gruter 758, 11.) catualda, inguiomerus.
    *). Zu - weilen hat ſich in ableitungen das w erhalten, vgl. ſparwâri (niſus). In dem vorhin angeführten part. giſëwan ſcheint w nicht bloßer erſatz des ausfallenden h, ſondern ſpar des alten w. Verſchieden hiervon iſt die gleichfalls fortſchreitende eliſion des unmittelbar an die wurzel ſtoßenden w, als êa f. èwa (lex) frônte (laetantes) f. frôwente etc.
  • 6) der auslaut w wandelt ſich überall in den vocal o (früher u) und wird allmählig ſelbſt apocopiert. Da - her im nom. des ſubſt. und adj. (bei abgelegtem ge - ſchlechtskennzeichen) die formen: grâ (canus) plâ (li - vidus) ſê, rê etc. (oben ſ. 88. 90. ) plî, prî; frô (laetus) rô (crudus) neben frou (O. II. 6, 45.) gilou (verſutus, gl. jun. 254.) ſtrou (ſtramen), hier ſind frühere: grâo, ſêo, plîo, frao, glao, ſtrao etc. anzunehmen. Folgt das w in der endung auf einen conſonanten, ſo dauert das o länger, als: palo (clades) ſalo (niger) chalo, falo, garo (paratus) faro (coloratus) trëſo, horo, mëlo, ſcato etc. wofür im mittelh. auch die apocope: kal, fal, hor, mël üblich wird. Die älteſte geſtalt dieſer wörter mag geweſen ſeyn: grâw, ſêw, plîw, fraw, ſtraw, garaw, palaw, chalaw etc. In den praet. hrau, chau, plau,K 2148I. althochdeutſche conſonanten. labiales. prau, ſpäter ron, chon, blou, brou iſt begreiflich ſo we - nig apocope, als vertauſchung des u mit o, weil der ab - laut ſich aus dem praeſ. iu (hriuan oder hriwan) bildete.
  • 7) übergang des in - und auslautenden w in den kehl - hauch h iſt ſelten, findet aber doch ſtatt. Beiſpiele: ſâhen f. ſâwen (ſerere) wîho (milvus) neben wîwo, fôhê (pauci) f. fôwê; cnâhen (noſcere) plâhen (flare) entſprechen den angelſ. cnâvan, blâvan, wogegen die altſ. mundart viele h ſtatt der alth. w zeigt. Das goth. qvius, qvivis lautet im alth. quih, quëh, quëhhes und bald ſogar quëk. Mit dem gewöhnl. hîwe (nubat) vergl. man hîhun (ſponſus et ſponſa) O. II. 8, 17. wiewohl die andere hſ. hîun lieſt (goth. heivans? heivôns?). So gieng der flußname nâva (Tac. und Auſon. ) in nâha über. Sonderbar der übergang des w. in d., nämlich bei N. ardingun (gratis) f. arwingun, arawingun.

gemination inlautender labiales.

BB. PP. [nur bei vorausgehendem kurzem vocal der wurzel*)Tadelnswerth ſteht T. 231,2. leibbâ (reliquias) erlauppe K. 57b.] ſchwanken, weil die einfachen inlaute b und p ſchwanken, und nach demſelben maßſtab**)Bei Neugart zubbo, zuppo etc., bekannt iſt das fränk. pippîu, wofür nie pibbîn ſteht.. O. und T. ſchreiben: ſibba (pax, cognatio) ſibbo (cogna - tus) ubbîg (vacuus) gotowëbbi (byſſus)***)Bedeutete köſtlich gewebten und gefärbten ſtoff und ſtehet für purpur und ſeidengewand; nord. gudvëfr, angelſ. go - dewëbbe; die erſte hälfte der zuſammenſetzung darf nicht aus gut (bonus) erklärt werden, weil es ſonſt guataweppi, gôdvëfr heißen müſte; aber gottgeweb, wozu die worte ſtimmen, bedarf doch näherer beſtätigung.) ſtubbi (pulvis); K. libbe (parcat) neben lippanti (parcens) und ſo andere: ſippa, uppîg, gotawëppi, lappa (lacinia) ſtuppi, luppi (vene - ficium) wuppa (tela) rippa (coſta) inſueppen (ſopire) gl. hrab. 774b; pideppen (opprimere) gl. monſ. 382; ſcappâri (vellus) gl. jun 232. etc. es gibt dieſer formen überhaupt nur wenige. Die gemination ſcheint in ihnen nicht ur - ſprünglich und durch ein allmählig unterdrücktes i veranlaßt z. b. ſippa aus ſipja, ſibja entſtanden, ſtuppes (pulveris) aus ſtûbjes etc. Dies folgt mir 1) aus dem zuweilen einfachen conſ. N. z. b. ſchreibt ſcapâre (vellus) liben (parcere) und ſelbſt K. libanto (parcendo) 2) aus149I. althochdeutſche conſonanten. labiales. dem einfachen conſ. der wurzeln wëban, ſtiuban, ſuëban (ceſſare, dormire) von denen wëbbi, ſtubbi, inſuebjan abſtammen. 3) aus dem einfachen der nord. wörter ſif, ſifjar; rif gen. pl. rifja; vëfr, vëfjar. 4) aus der ſchrei - bung bp und pb in andern wörtern, wo der vorſtehende doppelvocal den doppelten conſ. als tadelhaft erſcheinen läßt, vgl. erlaubpan K. 20a kelaubpames K. 27b truabpe K. 44b 57a offenbar für laubjan, laubjames, truabje. Und nun findet ſich gerade auch in jenen wörtern ubpîg gl. hrab. 978. ſipbea J. 372. und erlauppe K. 57b. FF. das unorganiſche dieſer gemination die eigentlich phph be - deutet, habe ich vorhin ſ. 133. nachgewieſen, auch er - wähnt, daß zuweilen noch der alte laut p ſtatt ph in der gemination pp erſcheine, z. b. crippea (praeſepe) T. 6, 2. ſt. cripha, criphea (von criphen, cripfen, vellere). Ein ſolches pp darf mit dem vorigen pp nicht vermiſcht werden, iſt auch bei T. welcher bb ſchreibt, wohl davon geſchieden und dem ſtrengalth. pph (ſ. 134.) entſprechend. Gemination des v und w tritt durchaus nicht ein.

Labialverbindungen. Unter den anlautenden beur - theilen ſich pl. pr. bl. br. fl. fr. vl. vr. nach dem. was üher die einfachen labiales geſagt worden iſt, von ſelbſt. Wegen wl, wr ſ. 141. Im in - und auslaut beinahe keine verbindung einer vorſtehenden lab. mit andern conſo - nanzen, außer im fall offenbarer contraction, z. b. zuiflôn ſt. zuifalôn. zuivalôn. Alleinige erwähnung verdienen hier die formen fs und ft. FS. (phs) anßer chafſa (capſa) nur in lëfſa, T. 84. lëfſura (labium) wëfſa (veſpa) refſjan (increpare) und trefs (lolium) entſpricht dem ſächſ. ſp. (wëſpe, reſpen, dreſpe); man verwechſele nicht mit fs das zuſammengezogene fz (nafzen. rofzen ſt. nafizen, rofozen) wie im neuh. lefze ſt. leſſe geſchehen iſt. Ein anlautendes fſ. oder pſ. iſt der hochd. ſprache zuwider, die ſogar das fremde pſalmus in ſalm verweichlicht, pſalterium in ſaltâri (doch bei J. iſt pſalm beibehalten), pſittacus in ſittih. FT (pht) after, (graft ſculptura N. 96, 7.) giſcaft (creatura) - haft, chraft, ſcrift, gift, ſtift (machinatio) ofto, luft, lauft (curſus) wuoft (fletus) etc. (die formen mſt oben ſ. 124.) Ein ſchwanken zwiſchen f und ft beginnt ſchon jetzo, indem K. neben wuaf (fletus) wuaft zeigt. Spä - ter werden - ſcaf und ſaf (ſuccus) zu - ſcaft, ſaft; um - gekehrt lauft zu lauf. Das alth. ft erſcheint übrigens conſequenter, als das goth. ft (für pt, bt? oben ſ. 56.) dem es entſpricht.

150I. althochdeutſche conſonanten. labiales.

(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Drei alte runen für die tenuis, aſp. und ſpirans, mit namen gewiß noch aus heidniſcher zeit, da die wörter ſelbſt frühe untergegangen ſind. Die ten. heißt im nord. tŷr, gen. tŷs, acc. tŷ und bedeutet den hei - dengott Tŷr (Mars) von welchem der dritte wochentag tŷsdagr (dies martis) den namen trägt. Die muthmaß - liche goth. form würde tius, gen. tivis lauten, die ſächſ. iſt tî, gen. tîves, der tagsname tîvesdäg, engl. twesday, tuesday. Das neuh. und niederl. dienstag, dynsdag, dingsdag beruht auf einer ſpäteren entſtellung und die ableitung von ding (cauſa) iſt grundfalſch. Die aſp - wird im nord. þurs (gigas) im ſächſ. aber þorn (ſpina) und ſo auch ſelbſt in dem ſpäteren nord. alphabet be - nannt. Die ſpirans heißt ſôl, ohne zweifel das goth, ſáuïl, welches neben ſunnô beſteht und im goth. hochd. und ſächſ. (nicht im nord. ) allmählig von letzterm ver - drängt worden iſt. Hält man dieſe drei runen zu de - nen der labialordnung, ſo ergibt ſich die einſtimmung, daß hier, wie dort die aſp. f. (ph), die aſp. þ (th) hervor - gehoben, dafür ten. und med. unter einem zeichen be - griffen wird; hingegen der unterſchied, daß für den un - aſpirierten laut dort runenzeichen und name (biörk) vor - zugsweiſe der media b., hier umgekehrt der tenuis (tŷr) gilt. Der grund iſt wohl in der ſeltenheit der anlauten - den labialtenuis zu ſuchen. Ein anderer unterſchied zeigt ſich darin, daß die ſpirans ſ. (ſo wie beim kehl - laut h) eignes zeichen hat, die ſpirans v aber keins, in - dem für dieſe das vocalzeichen u mitdient, wie denn überhaupt v in verſchiedner hinſicht mehr dem j parallel ſteht, als dem h und ſ.

Die ſpätern runen bleiben einſtimmig in bezeichnung und benennung der ſpirans ſ., denn das angelſ. ſigel (ſol)*)Vgl. ſigel-hvearf (ſonnenwirbel, ſonnenwende, heliotrop) ſigelvare (aethiopes, die im heißen ſonnenland wohnen) etc. und markomann. ſugil, ſuhil, ſuigil ſind dem goth. ſáuïl unverkennbar ähnlich; im altſ. ſteht ſuigli entw. für ſonne oder das wohl verwandte angelſ. ſwëgel (coelum). Wichtiger wird uns hier die einführung einer neuen rune für den begriff der media d, welche ſchick - lich den angelſ. namen däg (dies) und ein eignes zeichen bekommt. Dieſes zeichen wird nun in dem ſangaller (mit dem angelſ. überhaupt analogen) alphabet ſammt151I. althochdeutſche conſonanten. labiales. dem namen beibehalten, letzterer aber der hochd. mund - art gemäß tag und nicht dag geſchrieben, während tî unverändert gelaßen iſt; ſo ſtehen alſo den angelſ. runen t (tî, oder tîr) d (däg) þ (þorn) die ſangaller t (tî) d (tag) þ (dorn) gegenüber und die namen tî und tag drücken ſcheinbar dieſelbe tenuis aus. Dieſer misgriff iſt in den andern hochd. niederſchreibungen runiſcher alphabete vermieden und eine der hochd. lautverſchiebung ange - meßene verrückung der namen vorgenommen worden: die ten. hat das alte zeichen behalten, heißt aber nicht mehr tî ſondern tac (dies); die media iſt aufgegeben, dafür findet ſich eine doppelte aſp. nämlich th [mit dem zeichen der ſächſ. media d und dem namen thorn*)Der ſtrengalth. mundart, welche den laut th völlig auf - gibt, alſo dorn ſchreibt, iſt auch das verſchwinden des zeichens þ, und dafür das erſetzende zeichen der angelſ. media am gerechteſten.] und z (mit dem durch zwei zugefügte nebenſtriche ver - änderten zeichen der alten tenuis und dem richtigen na - men ziu, d. i. mars). Kurz, die namen tag, thorn (dorn), ziu**)Das alth. ziu fällt mit dem nord. tŷr zuſammen, der gen. würde ziwis lauten und ziwistac oder zistac dies martis heißen, welche letztere form ſich in der oberd. volks - ſprache bis auf heute erhalten hat. Zugleich bemerke ich, daß im nord. und ſächſ. neben dem namen des gottes tŷr, tŷs; tî, tîves ein davon zu ſcheidendes ſubſt. tŷr, tŷrar; tîr, tîres (fama, gloria bellica) beſteht, wiewohl beide zuweilen in form und bedeutung vermiſcht worden ſind. Dieſes ſubſt. dauert in der hochd. ſprache fort: zier, zieres, früher ziur, und nach ſ. 121. vermuthlich zius; fama, gloria, decus. entſprechen völlig den ſächſ. däg, þorn, tî, wech - ſeln aber unter ſich zeichen und ausſprache. und ſo führt ſchon die runenſchrift auf den für die beſtimmang der ausſprache alth. linguales wichtigſten ſatz: daß hier, wie bei den labiales, die urſprüngliche ordnung der laute verſchoben erſcheint. Dort war, ſtrenge genommen, die med. b überflüßig, die ten. p zur aſp. und die alte aſp. zu einer zweiten aſp. geworden, an die ſtelle der med. aber die ten. p. getreten. Dieſer einrichtung der labia - les p. ph. v. entſprechen die alth. linguales t, z und th, wie ſich aus der näheren darſtellung deutlich beſtätigen wird. Vorher habe ich auch hier zu zeigen, daß das übergewicht der aſpiration in den alth. zungenlauten, namentlich die verdrängung des t durch z (wie dort des p durch ph) als etwas unorganiſches zu betrachten ſey.

152I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
  • 1) alle mundarten deutſcher ſprache, außer der hoch - deutſchen, beſitzen die reine tenuis, ohne zuſatz des ziſchlauts, in parallelen wörtern. Vergleichbare lat. und gr. beherrſcht die media
    *)Nicht die tenuis; merkwürdige abweichung ſchon des älte - ſten deutſchen buchſtabenſyſtems vom lateiniſchen, daß die ten. der lat. med., die aſp. der lat. ten. (vgl. þu mit tu) entſpricht, während in der labialreihe die lat. und goth. ten. übereinzuſtimmen ſcheinen. Sollte in der lingualord - nung ſchon eine erſte lautverſchiebung jener zweiten vor - ausgegangen ſeyn? Manche etymologiſche erſcheinungen erklären ſich durch eine ſolche annahme, z. b. die ver - wandtſchaft zwiſchen lingua und tuggô nur durch ein äl - teres duggô, (da zwar die anlaute d und l wechſeln, nicht aber t und l), wofür ein altlat. dingua ſpricht (Schn. p. 255.). Noch andere ſpuren einer älteren media finde ich im goth. du (zu) und dis - (zer) verglichen mit dem lat. dis - und dem ſächſ. tô. Vielleicht gehört auch daddjan hierher, was ein ſubſt. dadda oder daddô (θηλὴ) voraus - ſetzt, womit das angelſ. tit zu vergleichen.
    *) als: decem, dexter, dno, dens, cordis, ſedere, domare etc., ſo auch litth. du (duo) dantis (dens) deſzimts (decem) etc. Nur in einigen, wie es ſcheint, entlehnten wörtern entſpricht das lat. t dem alth. z, als: tegula, ziegal (nord. tîgull); tabula, zâvel; tributum, tribuƷ T. 93. ; bedenklicher ſcheint die vergleichung des gr. τέλος mit zil.
  • 2) in den von den Römern aufbewahrten deutſchen namen begegnet man keinem z. ſondern alle wörter, die es ſpäter führen, zeigen die tenuis
    **)Ein beleg aus noch älterer zeit iſt der gr. und lat. name der perle: μαργαρίτης, margarita, nach Plin. 9, 35. vox barbara und wo nicht aus der uralten deutſchen, doch aus einer ihr nah verwandten ſprache geſloßen; angelſ. meregrôt, alth. merigrioƷ (d. i. meerſtein, meergries), früher alſo marigriot.
    **), vgl. ma - gontiacum, borbetomagus, tolbiacum mit maginz. wormiƷ-fëld, zulpih. Die meiſten beiſpiele ſtehen freilich in verdunkelten und verlorenen namen: tu - bantes, tungri, tencteri
    ***)Zwei angelſ. wörter bieten vergleichung für tencteri dar: getenge, gravis, incumbeus (alth. gizengi) und ge - tinge, lepidus, ſacundus. tungri macht den ſing. tun - ger (Gruter 334, 3) wie cimbri, cimber (ib. 410, 7.), alſo ein deutſches adj. tungar (alth. zuugar) vielleicht mit tunga (lingua) oder tungal (ſidus) verwandt.
    ***) bructeri, canninefates, uſipetes, nemetes, da aber die drei letzten gentilia ſind und der lat. nom. canninefas, uſipes, nemes lau -153I. althochdeutſche conſonanten. labiales. tet (wie ſonſt arpinas, cres, gen. arpinatis, cretis) ſo macht die analogie jenes borbes, borbetis, (wurmiƷ, wurmiƷis) eine uralte dentſche endung canninefat, canninefatis, uſipit, uſipitis wahrſcheinlich, die ſich ſpäter in - , aƷis, , iƷis verwandelt haben würde und etwa den formen hiruƷ, hiruƷis (cervus) alpiƷ. alpiƷis (cignus) verglichen werden darf, denn daß letztere früher hirut, hirutis, alpit, alpitis lauteten, bezweifle ich nicht. Freilich iſt die bildungsendung - , - in den uns bekannten quellen deutſcher ſprache nicht für volksnamen beſtimmt, allein ich vermuthe doch keinen irrthum der Römer, denen die gewöhnliche endung dafür, nämlich - iſc, - uſc nicht unbekannt war, wie man aus cheruſci, nariſci ſieht. Ammians bucinobantes ſtehen den übrigen compoſ. mit bant (brabant, teiſterbant etc.) gleich und erweiſlich lautete dieſes im alth. banz und benzo (vgl. eli-benzo O. III. 18, 28. extraneus). Die namen batavi, go - tones gehören keiner hochd. völkerſchaft und dauer - ten nicht im munde des volkes fort, ſonſt würden ſie ſpäter paƷavi, goƷones gelautet haben, wie pata - vium (caſtra batava) zu paƷowa wurde, lentia zu linz, confluentes zu cobolenzi, taberna zu zabern, ne - ben dem ſpäter einer romaniſchen mundart abgeborg - ten tâvernâri (caupo). Von den geminationen chatti, mattium, charietto etc. unten. In einigen fällen ſtimmt das röm. t nicht zu dem alth. z ſondern eher zu th oder d, namentlich in tentones und teutobur - gum; mons taunus (Tac. ann. 1, 56. 12, 28.) vgl. mit dem angelſ. dûn (collis) welches eher celtiſchen ur - ſprungs ſeyn mag
    *)Daher die häufigen ſtädtenamen: lugdunum, caeſarodunum etc.; in Deutſchland nur bei ſolchen, die von Römern angelegt waren, als; loboduna, campiduna, zarduna, lan. gatuua, nagaltuna, welches duna in deutſcher ſprache bald zu tonloſer endung wurde, als: liutuna, liutana ſpäter leiden und ſo: lobeden, kempten, zarten, langeten etc.
    *).
  • 3) urkundliche fränkiſche und alemanniſche namen zei - gen wohl früherhin noch t ſtatt des ſpäteren z, Greg. tur. 9, 36. 10, 19. ſtrataburgum; 2, 7. metenſis, al. mettenſis; 3, 8. civitas tulbiacenſis, (freilich in Ripua - rien, weshalb das bekannte tangano in der lex rip. gleichfalls hier wenig beweiſt). Deutlicher ſpricht der pagus tulifeld (zw. Franken und Heſſen) tulingas, tul -154I. althochdeutſche conſonanten. labiales. linchovin (b. Neugart 97. 877. ) wofür anderemahl zollinchoven (id. 277.); jenes tuli erſcheint ſchon in Ptolem. τουλιφουρδ. Statt zurih zuweilen noch turih (der alte lat. name war nicht turicum, ſondern tigu - rum), neben uzinaha, uzinwîlâre: utanaha, utinwî - lâre und ſo andere bei Neugart wechſelnd; auch ſchei - nen eigennamen wie tuato, tuto, tôto wohl dieſelben mit zuaƷo, zuoƷo, zuƷo, zaoƷo und dergleichen formen mehr, die in den diplomen ſchwanken.
  • 4) in romaniſche ſprachen, zumahl in die franzöſiſche ſind manche deutſche wörter hauptſächlich aus der fränkiſchen mundart übergetreten. die ſtatt des ziſch - lauts die tenuis zeigen, welches folglich in einer zeit geſchehen ſeyn muß. wo noch das t im deutſchen galt. Freilich läßt ſich einwenden, daß die fränkiſche, gleich der ſächſ. mundart, ſelbſt keinen ziſchlaut ge - kannt habe, allein dies halte ich gerade für unerwie - ſen und unwahrſcheinlich, weil unter den Carolin - gern die Franken nicht weniger als die Alemannen z für t gebrauchten. Jene franzöſ. wörter mögen einige jahrhunderte früher übergegangen ſeyn. Bei - ſpiele: tas (congeries) alth. zaſi, vgl. taſſel, ein ge - räth; targe, ital. targa (clypeus) alth. zarga (ſepimen - tum, defenſio); teton, ſpan. tetilla, ziza; toaille (mappa) duahila, mittelh. zwehele; tîſon, toiſon; ſp. tuſon, ital. toſone (vellus) ſcheint mit zeiſan (carpere lanam) verwandt etc., vgl. das in einer fol - genden note angeführte tomber, tumber.
  • 5) das frühere t ſtatt z bezeugen augenſcheinlich die conſonantverbindungen ht, ft (pt), ſt und tr, die dem organiſchen ht, ft, ſt, tr, treu geblieben und keines - wegs in hz, fz, ſz, zr übergegangen ſind; deren tenuis folglich mit dem begriff der gewöhnlichen alth. ten. geradezu in widerſpruch ſteht. Lediglich im in - und auslaut findet ht (maht, naht, wahta, rëht etc.) und ſt haft, after etc.) ſtatt; die an - und inlaute ſt ſind allgemein häufig (ſtëlan, luſt, goth. ſtilan, luſtus); tr
    *)Dieſes tr alſo nicht mit dem tr in trinkan, triban, tragan etc. identiſch, welches dem goth. dr parallel.
    *) iſt bloß anlaut (trëo, trëtan, goth. triu, trudan). Der goth. anlaut tv verwandelt ſich hingegen ſtets in ein alth. zu (tvôs, zuô) ja ſogar þv wird allmählig zum ziſchlaut. Bemerkenswerth aber iſt auch, daß ſich der auslaut rt, ſtatt rz in kurt (O. II. 3, 55.) und churt - naſſi (exhort. ) erhielt. K. N. M. ſcurz, churz.
  • 155
  • 6) endlich haben einzelne t im an - und inlaute gehaf - tet. Ich zähle dahin: tûmôn (ſalire, ſaltare) wovon tûmâri (ſaltator) und das neuh. taumeln, (vgl. Stalder zumpeln) plattd. tûmeln, angelſ. tumbjan (ſaltare) engl. tumble
    *)Aus dieſer deutſehen wurzel ſtammt das franz. tomber, altfranz. tumer, welches altfranz. dichtern niemahls das edlere cheoir (cadere), ſondern nur ſtürzen, purzeln, aus - drückt; ital. tombolare; provenz. tumbador, tänzer, ſpringer.
    *) pitar (amarus) goth. baitrs, an - gelſ. bitor, nord. bitr. otar (lutra) angelſ. otor, nord. otr vielleicht noch ähnliche inlaute, die gleich bitter, otter, ſpäterhin geminieren, z. b. but - ter (butyrum) ſplitter, ſchitter, zittern und deren te - nuis ſicher ganz andern urſprung hat, als in wörtern wie: dotter (alth. tutiro, angelſ. dydring, luteum ovi), vetter, mutter etc. Jene gemination tritt ſchon im alth. tutto (mamma) gl. doc., ſpäter zitze, angelſ. tit, engl. teat hervor. Auch in einigen frühe aufge - nommenen lat. wörtern, z. b. titulo (titulus) capitulo (capitulum) ſpäter titel, capitel, veränderte ſich der laut nicht.
  • 7) zu welcher zeit, fragt es ſich nun, iſt die ten. im alth. dureh den ziſchlaut verdrängt worden? ſteht es mit dem vordringen des ziſchlauts an die ſtelle der ten. im lat. und romaniſchen in verbindung? Im lateiniſchen iſt zuvörderſt der fall viel beſchränkter und außer dem t vor i mit darauf folgendem zweiten vocal, bleibt die ausſprache der tenuis unverkümmert; ſeit dem 7. jahrh. ſcheint der hiatus tia, tie, tii, tio, tiu (folglich nie in wurzeln, nur in endungen) wie zia etc. gelautet zu haben, vgl. Schneider p. 247. 356. Die alth. ſprache zeigt hingegen, jene ſi und tr abge - rechnet, z vor allen und jeden vocalen, ſo wie vor dem w (v, u); zu der annahme, daß ſtufenweiſe auch hier erſt die formen tia, tio etc. und dann të. te, ti, ta etc. dem ziſchlaut nachgegeben hätten, berechtigt uns nichts, wiewohl es denkbar wäre. Ferner im lat. hängt jenes tia, tie etc. genau zuſammen mit einer viel umfaßenderen aſſibilation der tenuie des gutturallauts, nämlich des c vor jedem nachfolgenden i und e und tia, tie etc. ſcheint beinahe erſt aus der ſich vermi - ſchenden ſchreibung tia, cia etc. hervorzugehen; wo - gegen das alth. z mit der ten. k (oder c), die vielmehr156I. althochdeutſche conſonanten. linguales. in ch übergeht, beinahe in gar keiner berührung ſteht. An einen einfluß des romaniſchen ziſchlauts, welcher zumahl, wenigſtens in jener frühen zeit, nicht z. ſon - dern fortwährend tia, höchſtens cia geſchrieben wurde, glaube ich alſo nicht. Wohl aber wird der urſprung des alth. z ſtatt t etwa in die nämliche zeit, d. h. das 7te jahrh fallen. Mir iſt keine alemann. fränk. bair. lombard. urkunde vor dem 8ten bekannt, in welcher entſchieden ein ſolches z vorkäme; zwar enthält der prolog zu Rothars geſetzen die namen nazo, igelzo
    *)Und wie, wenn hier noch z in der goth. bedeutung von ſ ſtünde, = naſo, igelſo? das wird durch den lombard. namen zaban bei Greg. tur. 4,39. wahrſcheinlicher. Bei Lupi p. 386. in einer urk. von 740. ſtehet anzelmus.
    *), allein die hſ. woraus er gedruckt iſt, ſtammt ſicher aus weit ſpäterer zeit, aus gleichem grunde beweiſen andere ſtellen nichts. Inzwiſchen könnte in einigen diplomen des 7ten der ziſchlaut durch c ausgedrückt ſeyn
    **)In buciovaldus (Greg. tur. 4, 23.) hat ci noch den laut ki (vgl. oben ſ 68. note) woran die erklärung durch buccus validus nicht zweifeln läßt.
    **), wie es in denkmählern des 8ten noch ofter geſchieht, vgl. Marini no. 60. und Mabillon no. 7. (vom jahr 653) gauciobertus, vermuthlich das ſpätere gôƷ - bërt; gauciobertus auch in den ſubſcriptionen des con - ventus clipiac.

Dies vorausgeſchickt laße ich die nähere darſtellung der alth. linguales folgen.

(T und D) die ten. entſpricht (außer jenen vorhin unter 5 und 6. angegebenen fällen und ſpuren) nirgends der goth. und ſächſ. ten., ſondern der media, die alth. med. hingegen bald der med. bald der aſp. des Gothen. Der ſtrengalth. mundart ſcheint es angemeßen überall im an - in - und auslaut t ſtatt des frühern d zu ge - brauchen, folglich teil (pars) plint (coecum) plintêr (coe - cus) zu ſchreiben; ja ſogar für die goth. aſp. ſchleicht ſich, zumahl im auslaut (vgl. mit, it -, got, Deus etc.) hin und wieder im inlaut (gotes), kaum im anlaut (außer bei N.) die alth. ten. ein***)Sie vertritt alſo nach den umſtänden dreierlei 1) in der regel die med. 2) zuweilen die aſp. 3) in den verbliebe - neu ſpuren die ten. des Gothen; was bezeugt mehr die zerſtörung der alten lautvertheilung?. Dazu kommt, daß viele denkmähler häufig die alte med. beibehalten. Unter eine157I. althochdeutſche conſonanten. linguales. allgemeine regel fügen ſie ſich durchaus nicht, ſondern beinahe jede quelle befolgt ihre eigene weiſe, weshalb ich die einzelnen in der kürze ſchildern muß. Man wird insgemein ſchwanken zwiſchen dem nachwirken - den alten organismus und dem ſyſtem der neuen laut - verſchiebung wahrnehmen. In den ſtrengalth. denkmäh - lern iſt jener zumeiſt aufgegeben, dafür aber mehr con - ſequenz in die ihn erſetzende neue einrichtung gebracht.

  • 1) I. ſetzt ten. nie im anlaut (ausg. das fremde titulo, tempil etc.) ſelten im inlaut (fater, miltniſſa. hant - griffa, gotes) häufiger im auslaut (got, wort, heit, mit, gimeinit). Die med. anlautend (dôdan, duom, duon, durî, drîban, druhtîn); inlautend (worde, munde, hendî, ſindun, zîde, endi, liudî) ſelten auslautend (quhad. dixit)
    *)Fehlerhaft ſcheint mir der auslaut hd in rëhd 379. wihd 389. für ht und in der regel hat er auch lëohte, druhtîn etc.
    *). Seine med. iſt überall die alte med., nur daß er im auslaut die ten. dafür ſetzt, wo dann zwiſchen wort, wordes; heit, heideo umlautsverhält - niß ſtatt findet, nicht aber, wenn ſeine ten. für die alte aſp. ſteht (daher got, gotes, nicht godes) welches doch ſelten geſchieht, weil er die alte aſp. meiſtens beibehält (ſ. unten).
  • 2) auch O. kein anlautendes t außer in fremden wörtern wie tunihha, bleibt alſo ganz der alten med. treu [vgl. dag, deil, diuri, dragan, drinkan, druhtîn und eine menge ähnlicher
    **)Bemerkenswerthe ausnahme macht tôd (mors) I. 21, 2, 3. IV, 5, 93. III, 7, 39. V. 4, 97.; fein aber unorganiſch ver - ſchieden von dôt (mortuus) I. 21, 14. III. 24, 120, 134, 194. V. 4, 69. Die übrigen formen haben nur d dôwen (mori) dôtî (occiſio) etc. Strengalth. überall t: tôt (mors) tôt (mortuus) tôwan (mori).
    **)]. Schwieriger wird die ent - ſcheidung über den in - und auslaut: in der regel ent - ſpricht ſein t dem goth. d, ſein d dem goth. þ; vgl. die endung - ita, - êta, - ôta im ſchw. praet., - enti im part. praet., blint, blintêr, hant, hentî, hanton, bant, banton, boto, rât (conſilium) muater, bluat (flos) fruat, guat, brût etc. und andrerſeits: die ſubſt. auf - ida, andar, bluad (ſanguis) rad (rota) bruader, ladôn, wërdan, ward, ërda, quëdan, quad, mânôd etc. Daneben aber auch ausnahmen, ſo ſtimmt thiot zwar zu þiuda, gi - thiuti nicht zu þiuþs etc. Organiſch iſt ſein t in ſt, ht, ft; ſein d in den meiſten anlauten; unorganiſch158I. althochdeutſche conſonanten. linguales. ſein anlautendes dr, ſein in - und ausl. d (für th). ſein in - und ausl. t (für d), organiſch wiederum ſein anlaut th.
  • 3) T. weicht ſchon wieder ab, er hat anlautende t (tât, tiuri, tougal, tag, tuon, tûba) und tr (trado. truhtîn, trinkan etc.), doch ausnahmsweiſe d (deil 231, 2. diuriſôn 25, 3. diuval und duom neben tuom). Im in - und auslaut wechſeln t und d faſt wie bei O.
  • 4) N. richtet ſich für den lingualanlaut nach der oben (ſ. 130.) beim labialen angegebene weiſe: geht im an - ſtoßenden auslaut voc. oder liq. vorher, ſo folgt die media d; geht lab. ling. gutt. vorher oder beginnt der ſatz von neuem, ſo folgt die ten. t; als: ter dag, tes tages; hier iſt ſî durſteg, turſtegju ſinget ſî (62, 1.); ze demo, mit temo etc. wiewohl zumahl in den pſſ. aus nachläßigkeit der hſ. oder des abdrucks oft wider die regel verſtoßen wird. Vermuthlich ſind auch jene organiſchen tr (in triuwa, trûwên, trëten) des wechſels in dr unfähig. Ein hauptunterſchied iſt aber der, daß N. ſein anlautendes t, d, ſowohl für die goth. med. als aſp. gelten läßt, während O. und T. noch eine anlautende aſp. anerkennen
    *)Oder ſollte ſich bei näherer bekanntſchaft mit N. voll - ſtändigen werken ergeben, daß er für die goth. med. im anlaut immer t, ohne wechſel, ſetze, für die goth. aſp. hingegen nach obiger regel bald d, bald t? daß er zwar ſchreibe: den dorn, des tornes, aber nicht den deil, des teiles ſondern unverrückt: den teil, des teiles? Ich zweifle, weil ſein unterſchied zwiſchen aulaut. b und p ſich gerade auf die goth. med. bezieht.
    *). In - und auslautend gebraucht N. nicht, wie beim lippen - laut, bloß die media, ſondern bald media (chind, finden, wenden, menden, leid, leideg, vëld, tôd, ander, die partikeln: alde, unde, wanda, nider, wi - der etc.) bald ten. (verbalflexionen - et - eta - ôta, - ente; nôt, nôte, zþt, zîte; guot, guotes; alt, altes etc.) überhaupt alſo ziemlich wie O. und T. nach dem grundſatz, daß t dem goth. d, aber d dem goth. þ entſpreche, doch mit ſichtbaren ausnahmen, z. b. N. ſchreibt blinden (coecum) O. blintan, was dem goth. blindana näher kommt (hierüber noch unten).
  • 5) Strengalth. denkmähler (K. exhort. hymn. gl. hrab. monſ. etc.) haben im anlaut nur die ten. ſt. der goth. med. (alſo teil, tak, tal etc.) dagegen die med. ſt. 159I. althochdeutſche conſonanten. linguales. der goth. aſp. (doh, duruh, daƷ, dritto, etc.) und folgen gleichem grundſatze auch für den in - und aus - laut
    *)Da wo hier, freilich nicht ſelten, ein t für die goth. aſp. ſteht z. b. bei K. cot, cotan, mit, keqhuëtan und gl. monſ. pluot, pluotes etc. muß vielleicht ein früherer übergang in die med. zwiſchenliegen.
    *). Was die übrigen quellen nur für letztere thun, führen ſie conſequent überall durch, ſie er - kennen mithin die aſp. nirgend an, welche jenen ſchwankenderen quellen noch im anlaut haftet. Die - ſer ſtrengalth. weiſe pflichtet im grande auch N. bei, nur modificiert er feinhörig die beſtimmungen des anlauts.

Die vorgenommene muſterung faße ich in einen ſchluß zuſammen: für den goth. in - und auslaut iſt das verhältniß leicht, die meiſten alth. quellen zeigen t für d, d für þ; beim anlaut nachſtehende verſchiedenheiten: goth. d: O. d; T. t; K. t; N. t, d; goth. þ: O. th; T. th; K. d; N. t, d. Der geſtörte organiſmus offen - bart ſich, denn O. weiß kein t, T. kein d. K. kein th im anlaut zu verwenden, gleichwohl half ſich jede mundart nach ihrem vermögen; mit der alten aſp. war O. auch noch die alte med. vergönnt und die alte ten. gab er durch z, die reihe ſeiner anlaute ſcheint alſo un - tadelhaft, aber im in - und auslaut weicht er ab und folgt dem ſtrome der übrigen alth. maſſe. T. hat ſchon ſeinen anlaut t mit dieſer ins gleichgewicht gebracht, es iſt ſchwer zu ſagen, ob in der ausſprache ſein t dem otfr. d, oder ſein th dem keron. d. näher gekommen ſey. Bei K verdient die ausgleichung der an - und inlaute lob und der verluſt der aſp. th ſcheint eigentlich durch die andere aſp. z vollkommen ausgefüllt. Im kleinen ergeben ſich bei allen ausnahmen und beſonderheiten, die hier nicht dargeſtellt werden können, aber die auf - merkſamkeit der herausgeber einzelner denkmähler in anſpruch nehmen. Frühes, aber wohl einziges bei - ſpiel einer apocope des t oder d bei vorausgehendem n iſt zan (dens) pl. zenî ſt. zant, zendî. welcher letztere inlaut noch lange hin und wieder vortritt. Die - en der neuh. tert. pl. entſpringen alle aus-ent.

Der ſtand des t oder d in den liquiden verbindun - gen lt. nt. rt; ld. nd. rd; fordert noch eine nähere be - trachtung, als ſie oben ſ. 124. 125. angeſtellt werden konnte. 160I. althochdeutſche conſonanten. linguales. Folgerichtig entſprechen die drei erſtgenannten dem goth. ld. nd. rd; die drei letztgenannten aber dem goth. . . ; mithin ſollte in - und auslautend: alt. alti - nôn (differre) hagi-ſtalt. kalt. haltan, hialt. waltan, gi - walt. ſpaltan. gëlt. gëltan. zëlt. ſëlt -. ſcëltan. ſpëlta (ta - bula) milti. ſcilt, ſciltes. molta. gidult (patientia); ſcanta. want, wentî. hant, hentî. lant, lantes. brant (titio). rant, rantes. tantarôn (delirare). wantala (nego - tium) ſant, ſantes. abant. ſtantan. zantro (calculus pruna). enti (finis) lentî (renes) blint, blintes. wint, wintes. win - tar. hinta (cerva). rinta. linta (tilia) ſint (ſunt) ſintar (ſcoria) bintan, bant. ſlintan. wintan. hintar. untar. wuntar. ſuntar (ſeorſim) hunt. gunt (virus) grunt. munt (pro - tectio) muntôn (tueri) wunta. ſcrunta. ſunta (culpa); harto, herti. zart. wart, wartan. artôn (colere) fnartôn (anhelare) wertiſàl (corruptio) hirti. wirt, ort, ortes. hort. wort, nort (ſeptentrio) hurt. furt. giburt etc. ge - ſchrieben werden, hingegen (oft würden ſonſt einzelne wörter zuſ. fallen): bald, baldes. hald (proclivis), haldjan (vergere) wald, waldes. faldan. wildi. gold, goldes. wol - dar. hold, huldî. ſculd. tuld (ſolemnitas); andar. zand, zendî. fandôn (O. I. 11, 86.) ginendjan. mendî. endi (frons) lind (lenis) ſigi-lind (nom. pr. ) ſind (iter). kind. hrind, hrindir. findan, fand. hindan (capere) onda. bi - gonda. konda. kund (notus) mund (os), mundes. gund (bellum). unda (aqua) ſundar (meridies); ërda. wërdan, ward. wërd (dignus) fordaro. mord. purdî etc. Wir werden ſehen. daß auch im nord. und ſächſ. beiderlei formen ſorgfältig getrennt ſind und im alth. beobach - ten die älteſten quellen, ſelbſt O. und T. noch den heil - ſamen unterſchied*)Einzelnes ſchwankt; ſo ſchreibt O. ſintan, fant, funtan; faltan, fialt und - ſalt (- plex) ſt. des richtigeren und auch bei älteren vorhandenen ſindan, faldan (goth. ſinþan, fal - þan). Auch wurti, wurtun, wortan neben wërdan, wir - du, ward.; ſpäter aber fallen vermiſchungen vor, theils indem der auslaut ld. nd. rd. in lt. nt. rt (ein im mittelh. entſchiedenes gebrechen) theils inlau - tende lt. nt. rt in ld. nd. rd. übertraten. Ich finde, daß die verwirrung zunächſt bei den formen nt und nd anhub, wogegen ſich lt, rt, ld, rd länger und treuer bewahrten. Während N. noch richtig ſkilt, ſkiltes hat, ſchreibt er, wenigſtens in den pſ., munt (os) ſpint (adeps) ſunda, hende, blinde, zandro, ende (finis), ſken -161I. althochdeutſche conſonanten. linguales. den, lande etc.*)Schwerlich wird man annehmen, daß ſich in dieſem ta - delhaften inlaute nd der organ. inlaut nd forterhalte, da gerade die aualogen ld und rd fehlen, auch früher ſelbſt ſolche, die wie T., zumahl O. der alten med. treu an - hängen, nt und nicht nd zeigen. Ferner müſte dann dem nd (wie bei J.) ein nth zur ſeite ſtehn, was nicht der fall iſt. Im ſpäteren nd miſchen ſich alſo zwei organiſch verſchiedene formen, ſie mögen nun wie im goth. und bei J. nd. , oder wie im gemeinalth. nt. nd gelautet haben. Aus unkenntniß ſolches unterſchiedes hat man freilich z. b. den begriff munt aus mund hergeleitet etc. obſchon die bloße vergleichung des ſächſ. hier eines beßeren belehren konnte. J. welcher auch für die befragten compoſitionen die organiſche ſchreibung d und dh (ſt. des gemeinalth. t und d) behält, ſchwankt zuweilen in der anwendung, richtig iſt ſein hendî, undar, worde, aldom, walden; chindh, wardh, wërdhe; aber unrich - tig daneben: wërde, munde (ore) ſindis, da auch dieſe ein dh verlangen.

(DH. TH. ) dieſer aſp. iſt ſchon im vorhergehen - den erwähnung geſchehen, hier noch einiges nähere. Ihr verhältniß ſcheint nicht das der aſp. ph und ch, welche der goth. ten. gleichſtehen, vielmehr ent - ſpricht dieſer das alth. z; th bingegen, wo es ſich er - halten hat, fortdauernd der goth. aſp. Es ſind eigent - lich zwei aſp. für den linguallaut anzunehmen, die nur ihre ſtelle gewechſelt zu haben ſcheinen, nämlich z ſteht mit ph und ch; th mit v (bh) und gh auf einer linie; z würde folglich die erſte, th die zweite aſp. heißen. Eine beſtätigung dieſer anſicht finde ich darin, daß th bei einigen dh geſchrieben wird und bei andern völlig in d aufgeht, gerade wie bh für v und in b auf - gehend (ſ. 135. 136.). Die verwandtſchaft zwiſchen th, dh und z (vorzüglich Ʒ) ergibt ſich noch mehr aus der wirklichen ausſprache, indem bei jenen eine zumiſchung von ſ, bei z eine zumiſchung von t erfolgt iſt, und dh beinahe durch dſ, z durch tſ ausgedrückt werden könnte. Mehreres hernach noch beim z. Einwenden gegen die vergleichung des th. z. mit dem v. ph. läßt ſich, theils daß beide nirgends mit einander vermiſcht werden (wie ph und v häufig), theils den quellen, welche v begünſtigen, gerade th widerſteht. Gründe für und gegen verlangen daher genauere prüfung, wobei in anſchlag zu bringen iſt, daß beide labialaſp. aus derL162I. althochdeutſche conſonanten. linguales. verbindung des p oder b mit dem h entſpringen, bei den lingualaſp. aber h und ſ ins ſpiel treten.

dh finde ich bei J. anlautend (dhu, dhih, dhir, dhîn, dhër, dhiu, dhoh, dhuo, dhurah, dhrî, dhritto, dhrâto, dhans, dhëod, dhechi, dhuingu etc.) inlautend (endungen - idha - idhes; nidhar, widhar, ôdhil, odho, edhili, heidhan, wërdhan, jugundhî etc.) auslautend (wardh, chindh, leididh); überall dem goth. þ parallel. Gleichergeſtalt zeigt in den gl. jun. das gloſſ. A. im an - laut: dhrî - dhilli, dhanân, dhicho, dhorn, dhinc, dhulta, dhëgan; inlautend: ſôdhe (edulio)*)Vermuthl. edulium hier = ednlitas, das im mittellat. auch hunger, ſôd (arſura ſtomachi)? fuaghidhû, guldhîn, widharôn, trâdhun (fimbriam); auslautend: fadh (trames, pfad).

th finde ich bei O. und T. beinahe nur im anlaut; belege liefert jede ſeite. Vom inlautenden th einige ſel - tene ſpuren bei T. ſtathin (littore) 236, 1. bruother, wantha (quia), doch neben bruoder und wanda.

(Z) z und Ʒ. Dieſen buchſtab nenne ich aſp., weil er mit dem ſpiranten ſ. componiert iſt und gleich den andern beiden aſp. ph. ch an die ſtelle der utſprüngl. ten. tritt. Gehört alſo unter die dopp. conſonanten. die an ſich weiterer gemination unfähig ſind. Man merke

  • 1) der ziſchlaut hat zwei ſtufen, deren verſchiedene ausſprache freilich beinahe nur aus der analogie des neuh. und den mittelh. reimen geſchloßen werden kann. Ihrem urſprunge nach (beide ſtammen aus der alten ten. ) ſollte man ſie für eins halten und die alth. ſchreibung zeichnet ſie in der regel gar nicht von ein - ander aus. Vermuthlich aber hat ſchon in frühſter zeit ein härterer, dem neuh. z gleichender und ein weicherer, dem neuh. ß gleichender ziſchlaut ſtattge - funden. Jenen ſchreibe ich mit z, dieſen mit Ʒ.
  • 2) beweiſes genug iſt allein J., der wirklich z durch das einfache z, dagegen Ʒ durch die zuſammenſetzung zſ.
    **)Bei N. ſoll ſich einmahl albiſze ſt. albiƷe (cygno) finden (Fügliſtaller). Schilter mon. catech, 81a zh (? zſ) für z und Ʒ.
    **) ausdrückt. Noch deutlicher wird der unterſchied in der gemination, für zz ſchreibt er tz, für ƷƷ aber zſſ (alle übrigen alth. denkmähler für beide fälle zz). 163I. althochdeutſche conſonanten. linguales. Merkwürdige ähulichkeit dieſer iſidoriſchen orthogra - phie z, tz, zſ mit dem neuh. z, tz, ß; wiewohl ſich im mittelh. zwar kein unterſchied im geſchriebenen z und Ʒ, aber das einſtimmende tz nachweiſen läßt.
  • 3) als einen andern beweis kann man anſehen, daß ſich zuweilen c für z (nicht für Ʒ) bei folgendem e, , ei, i,
    *)Ein cu für zu (Benecke Wig. 628.) iſt tadelnswerth und ſehr ſelten (gl. aug. 126b cuge, ductu.)
    *), alſo nur im an - und inlaut (nicht im auslaut) findet, z. b. cît K. 23b 26b 27b und in den gl. jun. cît 245. lucil 217. ceina (caniſtra) 175. cëlt (papilio) 176. ci (praep.) 178. etc. cëſſôd (fervor) gl. monſ. 346. lôhicent (rutilant) gl. aug. 124b leidicit (deteſtatur) 122b 125a ficiſan (callere) 124b; ſelbſt N. 34, 19. ficiſe (doloſi). Auch dieſer ſchreibung begegnet man nicht ſelten in mittelh. hſſ. Sie iſt aus dem latein. (ſeit man ce, ci wie ze, zi ſprach) entlehnt und entbehrlich, lehrt aber, daß fuoƷî nie fuozî gelautet hat, weil doch ſonſt ir - gendwo ein fuocî vorkommen müſte, wiewohl mir hier das einzige crûci (crux) J. 373. 385. bedenken macht, welches ich des vorausſtehenden halber für crûƷi und nicht crûzi nehme (erſt ſpäter entſprang die ausſprache creutz, wie weitzen ſt. weiƷi) und ſollte neben dem unlengbaren lucil = luzil ein ſchwankendes liuƷil gegolten haben, weil bei J. 374. 405. liuzil, 372. 373. ſogar lyuzil ſteht? (aber nicht liuzſil; mehr über dies wort unten beim adj.) Urk. des 8. 9. jahrh. zeigen häufig c für z (Neng. index v. lucilûnawia, pacinwei - da neben pazinweida etc.) doch in zoacinwîlâre möchte man wieder ein Ʒ vermuthen. Eigentlich beruht die romaniſche vermiſchung der ausſprache tia mit cia auf einer tieferen berührung des lingual - und guttu - ralſyſtems. die ſich auch ſonſt ſpüren läßt, z. b. nux, nucis entſpricht dem deutſchen nuƷ, nuƷî, alſo frü - her nut, nutî; vielleicht iſt ſelbſt crux, crucis dem angelſ. rôd verwandt. Und das neuh. kauz (bubo) war noch im mittelh. chouch (goth. kauks?)
  • 4) an ſich fällt die unterſcheidung zwiſchen z und Ʒ auf, da beiden im goth. ſächſ. nord. die reine tenuis parallel ſteht und keine abſtuſung dieſer für in - und auslant geſpürt wird. Und da, nach dem vorhin ſ. 152 ff. ausgeführten, auch im alth. eine anfängliche ten. und allmähliger übergang derſelben in den ziſch -L 2164I. althochdeutſche conſonanten. linguales. laut anzunehmen iſt, ſo ſcheint es nicht, daß z und Ʒ zugleich, entſtanden ſeyn werden. Älter aber, nämlich der ten. näher, war wohl z (ſprich tſ) als das mildere Ʒ (ſprich zſ, das z in dem ſinne des lat. oder goth. z genommen, nicht in dem des hochd. z, weil dann zſ die falſche ausſprache tſſ gäbe, während die rich - tige dſſ verlangt). Im grunde muß Ʒ als ein triph - thong und etwas härter als das goth. z
    *)Bemerkenswerthe ſchreibung tz für z in goth. nrkunden von 557 und 591 (Marini no 140. 122) wo tzitane neben zitane und gar tazittane; desgl. tzaliconi auch für zeno hat Fumagalli no. 10 und 15. (von 769 777) tzeno. Alſo in der ausſprache verhärtet ſich ſowohl der aus ſ als der aus t entſprungene ziſchlaut.
    *) oder gr. ζ (dſ, δς) betrachtet werden, in der verſchmelzung nä - herte er ſich aber dieſem und ſelbſt dem neugr. ζ; es mag (wie aus τράπεζα d. h. τραπεδσα, allmählig tra - peza) aus waƷar d. i. wadſſar allmählig wadſar, waßar, beinahe waſſar geworden ſeyn
    **)Eine hiſt. unterſuchung der roman. ziſchlaute würde man - che analogie darbieten; leider hat Raynouard die laute überhaupt nicht abgehandelt. Die orthographie der heu - tigen franzöſ. ital. ſpan. mundart iſt in den ziſchlauten ſchwankend und oft fehlerhaft, begreiflich auch die aus - ſprache vielfach vom alten organiſmus abgewichen.
    **). Ob je - mahls ein watſar (wazar), ſo hart wie im an - laut, gegolten habe, will ich weder behaupten noch leugnen; belegen läßt es ſich nicht, für die annahme des milderen inlauts ſpricht zwar die ana ogie des im inlaut beliebten d, b und g ſtatt der tenuis, wiewohl dieſe auch da beibehalten wird; gegen den auslaut Ʒ ſcheint ſelbſt die häufig auslautende ten. zu ſtreiten. Auf jeden fall iſt die ähnlichkeit des verhältniſſes z: Ʒ mit dem der ten. zur med. nicht zu verkennen.
  • 5) eine andere anſicht wäre, z und Ʒ mit dem alth. ch und h zu vergieichen, nämlich h in dem ſinne ge - nommen, wie es auslautend für k ſteht, verſchieden vom reinen h (welches ſich zu jenem h verhielte wie z zum reinen ſ). Beide ſtufen ch und h ſtünden dem organ. k gegenüber, z und Ʒ dem org. t; der anlaut ch entſpricht dem z, der inlaut hh dem ƷƷ, aber ck, (cch) dem zz (tz) vgl. zan, chalp; hiruƷ, hiruƷƷes, ſtorah, ſtorahhes; waƷƷar, ſahha; gruoƷen, ſuohhen; ſcazzes (ſcatzes) ſackes. Zu widerſprechen ſcheint je - doch a) daß die inlaute hh und ch meiſtens gleich viel165I. althochdeutſche conſonanten. linguales. gelten, da doch ƷƷ und z ſich keineswegs erſetzen. b) daß im mittelh. alle ſolche h und hh zu ch werden, hingegen z und Ʒ geſchieden bleiben. c) daß der anlaut z überall herrſcht, ch aber theils ſchon im alth., theils im mittelh. durchgängig von dem alten anlaut k ver - drängt wird. Alſo ungleiche entwickelung beider lautreihen.
  • 6) es mag ſich nun anfänglich mit dem ziſchlaute ver - halten haben, wie es wolle; für die uns verbliebe - nen quellen gilt folgende regel: z (und nie Ʒ) iſt er im anlaut, z im in - und auslaut, wenn liquidae vor - hergehen (harz, harzes; holz, holzes, lenzo, alſo ei - gentlich nur in den formen lz, nz, rz, weil mz nicht vorkommt) oder er einem früheren geminierten tt ent - ſpricht (ſcaz, ſcazes, leidizen, deteſtari), wo dann ſtets ein - facher
    *)Das neuh. weitzen etc. iſt unorganiſch; alth. hueiƷi, nicht hueizi. Man merke, daß auch kein alth. z auf folgt; über crûƷi vorhin (ſ. 163.).
    *) vocal vorausgehen muß; von letzterm fall und ſeiner ſchreibung unten bei den geminationen Ʒ iſt er nur in - und auslautend, wenn er bei vorausgehen - dem einf. oder dopp. vocal
    **)Conſonant und namentlich liq. kann dem alth. Ʒ nicht vorausſtehen, da zuſammenziehungen wie hirƷ, thirƷ ſtatt hiruƷ, hireƷ, thir noch unzuläßig ſind.
    **) einem früheren ein - fachen t entſpricht: thaƷ, guotaƷ, mëƷ, mëƷes; fuoƷ, fuoƷes; waƷar; obaƷ, obaƷes; albiƷ, albiƷes; hiruƷ, hiruƷes). Von der ſchreibung ƷƷ unten bei den ge - minationen; daſelbſt auch von einigen zweifelhaften fällen. Beide ziſchlaute können in denſelben wörtern nach umſtänden der flexion vorkommen, z. b. ſizan (ſedere) ſaƷ (ſedit) ſàƷun (ſederunt); naƷ (madidus) nezan (madefacere) etc.
  • 7) obſchon, wie vorhin geſagt worden, das alth. Ʒ dem goth. z in der ausſprache einigermaßen nahe kommt und auch letzteres, gleich erſterm, niemahls anlautet; ſo ſind doch beide ihrem urſprunge nach von einan - der entfernt, genau betrachtet auch gewiß ver - ſchieden auszuſprechen. Der goth. ziſchlaut war eine verdickung des reinen ſ lauts, die ſich im alth. durch einen parallelen übergang in r offenbart; der goth. ſauſelaut wurde ziſchend, der alth. ſchwirrend. Das goth. z war dſ, ein mit d verſetztes ſ, ein umlaut des ſ. 166I. althochdeutſche conſonanten. linguales. Das alth. Ʒ war etwas härter, dſſ, ein mit ſ ver - ſetztes d, oder vielmehr z; es kaun durchaus nicht als verwandt mit ſ und ſſ betrachtet werden. Noch weiter ab vom goth. z liegt das alth. z.

(S) von unterſcheidung des ziſch - und ſauſelautes war ſo eben die rede. Dieſer iſt ein einfacher, heller, ſpitzer; jener ein zuſammengeſetzter, trüber und krau - ſer. Engliſche grammatiker pflegen den ſauſelaut hiſ - ſing, den ziſchlaut buzzing ſound zu benennen nach dem ſchneidenden pfeifen (ſibilare, ſiffler, σίζειν, fi - ſchiare) der ſchlange und dem dumpfen ſummen (bour - donner) der biene oder hummel. Der ſauſelaut wird in allen ſprachen derſelbe, der ziſchlaut aber unbeſtimmt und ſtufenmäßig ſeyn, wir haben geſehn, daß die alth. mundart zwei ſtufen, die goth. eine von beiden abwei - chende kannte. Eigenheit deutſcher ſprache überhaupt ſcheint es, daß ſie, gleich der lateiniſchen, den leiſen ziſchlaut (ich meine das goth. z und alth. Ʒ) nie anlau - ten läßt*)Die aſp. þ, th, welche anlautet, iſt kein eigentlicher ziſchlaut, obwohl ſich ihm nähernd. Von dem niederl. z ſtatt ſ unten., was im ſlav. und franzöſ. ſo häufig ge - ſchieht. Sollte dies nicht ſchon frühe der reinen aus - ſprache des anlautenden ſ nachtheil gebracht haben? **)Vielleicht hilft auch in andern fällen die wahrnehmung manches erklären, daß, wo eine mundart in der lautver - theilung eine lücke hat, verwandte laute in die lücke ein - zudringen pflegen. Sind alle laute vollſtändig beſetzt, ſo wahrt jeder ſeine grenze.Wenigſtens pflegen es heutigestags manche zungen zu breit und dick hervorzubringen, die wörter: ſonne, ſin - gen z. b. ſo zu ſprechen, als ob ſie Ʒonne. Ʒingen lau - teten. Dazu kommt, daß auch die ſpiranten h und w im alth. zuweilen breiter als das goth. h und v gewe - ſen ſeyn mögen und umgekehrt das goth. inlautende ſ ſelbſt in z verdickt wurde. Letzteres iſt inzwiſchen auf die alth. mundart unanwendbar. deren inlautendes ſ allmäh - lig in r, nicht in Ʒ übertritt. Und wider die vermuthung einer ziſchenden ausſprache des anlautenden ſ muß im allgemeinen eingewendet werden, daß doch graphiſch gar keine verwechſelungen dieſes ſ mit dem Ʒ und eher im inlaut einige, doch höchſt ſeltene, zu bemer - ken ſind, von welchen unten bei den geminationen. Nie wird man Ʒal f. ſal (aula) waƷ f. was (erat) etc. 167I. althochdeutſche conſonanten. linguales. andrerſeits nie was f. waƷ (quid) etc. geſchrieben*)Bôſôn (aſſuere) O. IV. 28. 13. ſtände nach dem nord. bôt (aſſumentum) f. bôƷon und die gl. ſlor. 900a haben wirk - lich bôƷô, ſarcio vgl. bôƷo, lini ſtipula, gl. aug. 120a. und noch im mittelh. nie las: daƷ gereimt ſehen. Theore - tiſch kann immer eine eben ſo ſtrenge ſcheidewand zwiſchen der ausſprache des alth. ſ und Ʒ gezogen wer - den, als es für ihren urſprung geſchenen muß**)Andere ſprachen bewähren den übergang zwiſchen ſ und t (vgl. συ, tu, πράττω, πράσσω etc.); aber im deutſchen ſin - det vielleicht gerade deshalb keiner zwiſchen ſ und z ſtatt, weil ſie ſich in der ausſprache näher liegen, als ſ und t..

Die übergänge des in - und anslautenden ſ in r ſind oben ſ. 121. angezeigt, ſie ſcheinen ſich früher am inlaut (vgl. die part. irnëran, irwëran, gikorau; die pl. praet. wârun, nârun, frurun) ſpäter am auslaut (vgl. was, nas. kôs, frôs) kund zu geben. Das unorganiſche der veränderung erhellt aber aus dem eſoteriſchen ſchwan - ken der einzelnen fälle, z. b. der pl. praet. von wëſan lautet immer wârun, nie wâſun. aber im zuſ. geſetz - ten firwëſan erhält ſich firwâſun; nâſun und nârun gel - ten beide, lâſun allein, kein lârun. Nähere angaben hierüber folgen in den conjugation.

gemination der inlautenden linguales.

(TT) verſchiedenartig 1) wie der inlaut t dem goth. d, ſo entſpricht zwar tt nicht dem goth. dd (welches dem alth. ll zu vergleichen, oben ſ. 66.) ſondern tt ſcheint ſich aus der einfachen, von einem i gefolgten goth. med. zu entwickeln. Vorhergehen muß ſtets ein kurzer vocal; die alte kürze wirkt und der ſchwebelaut wird durch die gemination ein geſchärfter. Hiernach ergibt ſich aus dem goth. badi das alth. betti (lectus); gleichergeſtalt ſetzen ſpratta (norma) matta (mappa) ketti (ſepulcrum, ſepimentum) wetti (pignus) bittan (rogare) ſmitta (opiſicina) witta (ligamen) mutti (menſura) hutta (tugurium) mitto (medius) mitt[u]li (liciatorium) dritto (tertius) bruttan (conturbare) ſcuttan (quatere) rettan (eripere)***)Anthlutti (facies) J. 346. ſcheint das goth ludi, wiewohl erſteres neutr. letzteres fem., auch das hl unrichtig wäre (richtiger ſteht 368. antlutti und gl. jun, 173. ant[l]uttes). lm alth. mögen ſich die gleichbedeutigen, aber verſchie - denen formen: ludi, vlits und audavleizus vermengen. etc. ein früheres fpradja, kadi (vgl. catena) 168I. althochdeutſche conſonanten. linguales. wadi, bidjan, ſmidja, widja, mudi (vgl. modius), hudja, midjo, thridjo, brudjan, ſcudjan voraus. Dieſen for - men wird ſodann ein: beti, keti, ſmita etc. gefolgt ſeyn, wie ſich wirklich neben rettan, bruttan, lcuttan die formen retan, brutan, ſcutan finden*)Die praet. ſcutta, brutta, ratta ſind von der ſorm ſcut - tan etc., die daneben gültigen ſcutita, retita etc. vos ſcu - tan etc. zu leiten. O. ſchreibt bitten, bittu, bittemes aber bitit (rogat), nicht bittit (hiervon bei der conj.). und manche andere, die ſpäter auch geminierten, im alth. noch die einfache ten. zeigen, z. b. tutiro, wëtar neuh. dotter, wetter**)Für fëttach (ala) N. 35, 8. 67, 14. würde ich lieber ſëtach ſchreiben, obgleich in fëdara, fëdera (penna) gl. monſ. 349. N. 53. 7. 67, 14. kein t erſcheint und ſo heute: fittich neben feder. J. 368. hat fëthdhahhâ (alae) T. 142. ſëder - achâ; gl. auguſt. 118b ſëddah.. 2) einige wörter, in denen ſich ausnahms - weiſe die alte ten. erhalten hat, pflegen dieſe frühe ſchon zu geminieren: bittar, ottar etc. (ſ oben 155.), wiewohl die quellen ſchwanken. Dieſes tt hat ſicht - bar einen ganz andern urſprung, als das vorige. 3) nicht zu dulden iſt tt bei vorausgehendem dopp. vocal, z. b. râttes, wâttan, K. 23a ſt. râtes. wâtan; hlûttrôr J. ſt. hlâtrôr, denn ſchwerlich dürfte ein rattes, eher ein hluttrôr zu erweiſen ſeyn. (vgl. oben ſ. 133. das falſche ſcâffes etc.) Die beiſpiele ſind ohnedem höchſt ſelten. 4) ta - delnswerth ſind auch die tt im Hild. ſitten, luttila, heittu, hêttun, lêttun, muotti; theils ſämmtlich un - hochd. und der ſächſ. ten. entſprechend, theils (die bei - den erſten abgerechnet) wegen des vorausgehenden dop - pelvocals unleidlich; offenbar wurde das ſcheinbar rich - tige hochd. zz (luzzil, ſizzen) und ƷƷ (muoƷƷi, lieƷƷun) nachgeahmt. (DD) ſelten, gewöhnlich dem tt no. 1. gleichgeltend, [gerade wie oben ſ. 148. das bb dem pp.***)Daher auch td in bitdan J. 407. 408. dem dortigen pb ge - nau ähnlich (ſ. 149.).] z. b. chledda (lappa) gl. monſ. 343. (bei Schilter iſt chletta eingetragen) leddo (argilla) gl. trev. 29a lad - dûn (aſſeres) ibid. 37b wofür latôno (aſſerum) monſ. 356. ladduch (lactuca, latuca) gl. monſ. 414. rodda (cythara) mittelh. rotte. Die eigennamen belegen den wechſel zwiſchen tt und dd häufig vgl. waddo (Greg. tur. 6, 45.) watto (Neug. no. 175) Ganz andern urſprungs die partikel ëddô, gewöhnlicher ëdô, odô, deren nebenfor - men: ërdô, odhô, alde und in der vorpartikel ſogar169I. althochdeutſche conſonanten. linguales. ëta -, ëtta -, ëthes - die (hierher nicht gehörige) unter - ſuchung erleichtern und erſchweren, vgl. oben ſ. 74. über die goth. aſſimilation áiþþáu. (ZZ) gemination des ziſchlautes muß theoretiſch geleugnet werden, da ſich tſtſ und dſſdſſ ſo wenig ausſprechen laßen, als phph; practiſch aber ſind, gleich dem ff, in beinahe allen denkmählern zz und ƷƷ anzutreffen, und J. drückt jenes durch tz, dieſes durch zſſ, beide ſorgfältig vom einfachen z und zſ unterſchieden aus. Die übrigen ſchreiben bloß zz für zz und ƷƷ, ſchwanken aber oft in ganz denſelben wörtern zwiſchen der gemination und dem einfachen z, es kann folglich in der ausſprache kein großer unterſchied beſtanden haben, wenn irgend einer beſtand. Von wichtigkeit iſt mir hierbei, daß zu - meiſt der genaue N. und in ſeinen correcteren werken faſt überall das einfache z dem doppelten vorzieht, auch niemahl tz hat. Die urſache des doppelten läßt ſich bald errathen. Zur zeit da die ten. in den ziſchlaut über - gieng, gab es ſchon verſchiedene geminierte tt (vgl. oben ſ. 66. die goth. atta, ſkatts*)Und aus den erſten jahrh. die namen chatti, mattium, ca - rietto (Amm. Marc.) cariatto (conc. matiſcon. II. vom jahr 585)., in ſolchen wörtern wäre der geſchärfte laut durch den nur graphiſch einfachen, an ſich aber ſelbſt componierten ziſchlaut ſo gut ge - ſichert geweſen, als durch die gemination der tenuis. Weil ſich indeſſen das einfache zeichen mit dem ein - fachen laut verwechſelte; ſo ſchrieb man zz (nämlich zz und ƷƷ) in demſelben gefühl**)Bei dem inlaut z muſte natürlich dies gefühl ſtärker wir - ken, als bei dem Ʒ, da jenem, nicht aber dieſem das ſächſ. tt entſpricht. Das ſächſ. ſitten entſprang aus einem frühern ſitau, ebenſo das alth. ſizen aus einem früheren fiƷan; ſitan lautete ſchwebend, ſitten geſchärft, im alth. aber beide ſiƷan und ſizan geſchärſt, ohne daß man nöthig hätte ſie äußerlich zu geminieren., welches mm, nn, tt etc. zu ſchreiben lehrte, da doch in der ausſprache ſcazzes, waƷƷar gänzlich eins war mit ſcazes, waƷar. Neben dieſer entbehrlichen ſchreibung zz wurde die in der ausſprache ſelbſt gegründete unterſcheidung des z und Ʒ verſäumt; des anlauts z war man zwar gewiß, aber bei den in - und auslauten: daz, wazzar, ſcaz, ſcazzes belehrte kein zeichen, daß jene daƷ, waƷar, dieſe ſcaz, ſcazes auszuſprechen ſeyen, bis endlich im170I. althochdeutſche conſonanten. linguales. mittelh. für letztere*)Sogar im auslaut ſeatz, wofür alth. jedenfalls ſcaz geſchrie - ben werden muß, da jede inlautende gemin. auslautend wegfällt. Inzwiſchen könnte man tz für eine compoſition und nicht gemin. auſehen. die auflöſung des ziſchlauts in tz (conſequenter wäre tſ geweſen) gebräuchlich wurde und dem übelſtand einigermaßen half. Wer die neuvorge - ſchlagenen zeichen z und Ʒ billigt, kann des zz, ƷƷ und tz gänzlich entrathen, es fragt ſich nur, wie beim ff, ob man wagen dürfe, critiſch die alten hſſ. zu verbeßern? Der grammatik wenigſtens, wenn ſie ohne nene vocal - zeichen nicht ausreicht. muß es auch die conſonanten ſchicklicher und der hiſtoriſch erweiſlichen ausſprache angemeßener zu bezeichnen vergönnt ſeyn. Und ſollen wir das ſchwanken der hſſ. gelten laßen, mit K. 35b mëƷƷu, 38a mëƷu. 29b ſizan, 30b ſizzan edieren? bald ëƷan, beƷiro, luzil, bald ëƷƷan, beƷƷiro, luzzil, nach - dem die texte beides untereinander zeigen? Die durch - führung des iſidoriſchen und mittelh. tz**)Wenn man das tz dem pph (pf) und cch vergleicht, es folglich in ttſ auflöſt, ſo wäre es freilich etwas ſtärker, als das bloße z auszuſprechen. Unähnlich ſcheinen ſich die drei fälle darin, daß pf im an - in - und ausl., cch nur im inlaut, tz bei J. auch nur im inlaut vorkommt. Man könnte ſich tz für gewiſſe inlaute (wo entſchieden ein altes tt war) gefallen laßen, obgleich es N. auch in ſolchen nicht ſchreibt. wäre eben - wohl neuerung, will man es aber (im in - und auslaut?) und daneben ƷƷ (im inlaut) beibehalten, ſo darf min - deſtens letzteres nur bei vorausgehendem einfachen vo - cal und nie bei doppeltem geſchrieben werden. Das befolgen auch in der regel die guten alth. hſſ. obgleich ausnahmsweiſe: T. 5, 9. heiƷƷent; 7, 4. heiƷƷan; 4, 18. ſuoƷƷà etc. K. 15b mnaƷƷôt; 25a ſtôƷƷôn; 16a ëban lôƷƷon etc. ſtehet, und J. 341. 388. heizſſit, 368. fuozſſî, 389. ſuuozſſera, ja 345. die monſtroſe ſchreibung chi - lôthzſſom (conſortibus) ſt. chilôƷom***)Wie im goth, attiuhan (at-tiuhan) iſt natürlich keine ge - mination da, wenn in der zuſ. ſetzung ein auslautendes Ʒ, an ein anlautendes z rührt, alth. aƷziohan (attrahere), aƷ-zaſi (utenſile): vermothlich aſſimilieren ſich hier beide ziſchlaute, es fragt ſich ob in aƷƷiohan, aƷƷaſi oder in azziohan, azzaſi? ich muthmaße letzteres, Hier wäre nun aziohan, azaſi falſche ſchreibung.. (SS.) dieſe organiſche gemination entſpricht dem goth. und ſächſ. ſſ; die wichtigſten belege ſind; huaſſo, ſpäter waſſo (acri -171I. althochdeutſche conſonanten. linguales. ter), bildungen mit - naſſi, irſcaſſen (? exinanitus N. 74. 9. ) thëſſes (hujus) ëſſa (fumarium) krëſſo (gobius fluv.) krëſſa (naſturtium) zëſſa (tempeſtas) ſcëſſo (rupes) ſcëſſôn (dolare) frëſſa (preſſura), bildungen mit