Erſter Abſchnitt. Von dem Eigenthum und der Herrſchaft der Voͤlker uͤber den Landesbeſitz.
§. 5. Eigenthum und Herrſchaft des Landes.
Es laͤßt ſich nicht wohl ein Volk ohne den Beſitz ei - nes gewiſſen Erdſtriches denken, wenn er auch nur, wie bey den herumziehenden Nazionen, eine Zeit lang dauern ſolte. Die Voͤlker Europens haben laͤngſt ihre beſtimten Wohnplaͤtze. Es ſey nun, daß dieſe Laͤnder zuerſt von einzelnen Familien bewohnt worden, die nachher in einen Staat ſich verbunden, oder, daß be - reits ganze Voͤlker ſich derſelben bemaͤchtigt, und ſie un - ter die Buͤrger vertheilt haben; ſo ſteht dem Volke nicht nur das Eigenthum, ſowohl des ganzen Landes, als gewiſſermaaſſen der Beſitzungen einzelner Buͤrger, zu, ſondern es hat auch, was zum Weſen der Voͤl - ker gehoͤrt, zugleich die Oberherrſchaft [Souverainetaͤt] uͤber das ganze Land und uͤber alle in deſſen Umfange befindliche, angebaute und unangebaute Oerter, Plaͤtze, Waͤlder und andere Zwiſchenraͤume erlangt, dergeſtalt,daß7daß keinem andern Volk erlaubt iſt, ſich eines Eigen - thums oder Herrſchaft uͤber irgend etwas darinn anzu - maaſſen.
*]Wolff I. Gent. c. 1. §. 85. Vattel L. 1. c. 18. §. 204. u. f. L. 2. c. 7. §. 83.
*]**]Hier gilt die Regel: Quicquid eſt in territorio, de territorio eſt. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 6. 10. Schrodt P. II. c. 1. §. 8. 9.
**]§. 6. Recht zu neuen Entdeckungen.
Vermoͤge des natuͤrlichen Rechts der Erhaltung und Vervolkommung iſt es jedoch jeder Nazion er - laubt, neue unbebaute Laͤnder aufzuſuchen, und in je - ner Abſicht ſich mehreres Eigenthum, ohne Nachtheil anderer, zu verſchaffen. Als die Vergroͤſſerungsbegier - de der Voͤlker Europas in dieſem Welttheile keine hin - laͤngliche Befriedigung mehr fand, fingen ſie, mittelſt der immer mehr ausgebildeten Schiffahrt, an, auf Entdeckung neuer Laͤnder auſſer demſelben auszugehn. Portugal und Spanien waren bekantlich die erſten, welche zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts ein ſol - ches Unternehmen mit gluͤcklichem Erfolg ins Werk ſetzten. Sie bedurften hierzu weiter keiner Einwilli - gung oder Erlaubnis anderer Nazionen. Ganz uͤber - fluͤſſig und widerrechtlich, aber den Vorurtheilen dama - liger Zeiten angemeſſen, waren daher die Verguͤnſti - gungen, a] welche dieſe Maͤchte ſich uͤber ihre Entdeckun - gen und deren Beſitz von den Paͤbſten ertheilen lieſſen, und worinn zugleich andere Nazionen von aͤhnlichen Unternehmungen ausgeſchloſſen werden ſolten.
a]Dahin gehoͤrt hauptſaͤchlich die Bulle, welche Pabſt Nicolaus V. 1454. dem Koͤnig Alfonſus V. von Por - tugal, und ſeinem Sohn Heinrich ertheilte. [LeibnitiiA 4Cod. 8Cod. I. G. dipl. S. 165. Dumont C. D. T. III. P. I. S. 200.] der die Beſtaͤtigungen und Erneuerun - gen verſchiedener Paͤbſte, beſonders Sirt IV. 1481. [Schmauß Corp. I. G. Acad. T. I. S. 112.] und Alexander VI. 1493 [Ebendaſ. S. 130] folgten. Eben dieſer Pabſt Alexander VI. gab auch dem Koͤnige Ferdinand von Arragonien und der Koͤnigin Iſabelle von Kaſtilien 1493. eine aͤhnliche Erlaubnis, [Leibn. S. 406. Dumont S. 302. a. a. O.] jedoch, damit es wegen der aͤltern portugieſiſchen Verguͤnſtigungen keinen Streit erregen moͤchte, nach einer gewiſſen Grenzlinie, indem er Indien in das Oſt - und Weſtliche theilte, und letzteres der Krone Kaſtilien zueignete. Es entſtanden aber demungeachtet bald Irrungen daruͤber; weshalb der Pabſt 1494 zu Tordeſillas [ſ. Polit. Journ. May 1787. S. 466] einen Vergleich [den Pabſt Julius II. 1506. beſtaͤtigte, Rouſſet Suppl. C. dipl. T. II. P.I. S. 28.] zwiſchen beiden Maͤchten vermittelte, worinn ſie die Erdkugel, in Abſicht der kuͤnftigen Entdeckungen, foͤrmlich unter ſich theilten. Aber die uͤbrigen europaͤi - ſchen Nazionen kehrten ſich in der Folge hieran nicht, weil weder dieſer Vertrag, noch die paͤbſtliche Erlaubnis ſie von aͤhnlichen Entdeckungen ausſchlieſſen konte. M. vergl. Grotii mare liberum c. 6. und die Anmerkun - gen Sam. Cocceji daruͤber. Vattel L. I. c. 18. §. 208. Wie? fragte Koͤnig Franz I. von Frankreich im Scherz, wollen denn die Koͤnige von Spanien und Portugal die neue Welt ganz unter ſich theilen, und mir als ihrem Bruder, kein Stuͤckchen davon zukommen laſſen? Ich moͤchte doch den Artikel in Adams Teſtament ſehen, wor - inn ihnen dieſe groſſe Erbſchaft vermacht wird. Ruſſel Geſchichte von Amerika [aus dem Engl. uͤberſ.] 3. Th. S. 101. Aehnliche Aeuſſerungen der Koͤnigin Eliſabeth von England ſ. m. in Cambdeni Annal. rer. angl. ad an. 1580. Portugal und Spanien ſelbſt haben auch inneuern9neuern Zeiten auf dieſe paͤbſtliche Schenkungen ſich we - nig geſtuͤtzt. Doch wolte Spanien im Jahre 1784 dem Vorgeben nach, unter andern auch aus dieſem Grunde, der ſaͤmtlichen Etabliſſements auf der Kuͤſte von Guinea ſich bemaͤchtigen, ſ. Polit. Journal 1784. Jan. S. 57.
a]§. 7. Unbewohnter Lande.
Wenn unangebaute und unbewohnte Gegenden, die nicht in dem Gebiete eines andern Volks liegen, keinen Eigenthuͤmer haben, ſo iſt kein Zweifel, daß ſich jede Nazion derſelben nach Gefallen bemaͤchtigen und zueig - nen koͤnne, und daß ſolche, da ſie alle gleiche Rechte darauf haben, derjenigen gehoͤren, die ſie zuerſt in Be - ſitz nimt, ohne daß eine andere ihr desfals Einhalt thun koͤnte.
§. 8. Lande der Wilden.
Ganz anders verhaͤlt ſichs aber, nach den Grund - ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, mit den von Wil - den bewohnten Laͤndern. Ein Land, das einmal be - wohnt iſt, kann, weil es nicht mehr herrnlos [res nullius] iſt, von Rechts wegen, ohne Bewilligung der Bewohner, von keiner andern Nazion eigen gemacht, und ihrer Herrſchaft unterworfen werden, deſſen Be - wohner moͤgen auch noch ſo wild, roh und ohne Be - griffe von Religion und Gottesdienſt ſeyn. Indes ha - ben die europaͤiſchen Voͤlker hierinn allerdings ganz an - dere Grundſaͤtze angenommen, und ſich, beſonders un - ter dem Schein der Ausbreitung chriſtlicher Religion, fuͤr berechtigt gehalten, nicht nur die Lande der Wil -A 5den10den in Amerika einzunehmen, ſondern auch ihre vorigen Beſitzer nicht ſelten ganz zu vertilgen.
*]Grotius L. II. c. 22. §. 9. ingl. de mari libero c. 4. Achenwall L. IV. §. 231. Schrodt P. II. c. 1. §. 19. 20.
*]**]Jedoch glaubt Ickſtatt L. III. c. 2 §. 14. daß eine ſolche Beſitzergreifung weder dem natuͤrlichen Rechte noch der Billigkeit widerſtreite, weil dem menſchlichen Ge - ſchlecht daran gelegen ſey, der daſelbſt befindlichen unbe - nutzten Schaͤtze zu genieſſen, und geſittete Nachbarn zu haben. Allein dieſe etwa noͤthige Aufklaͤrung koͤnte allen - fals wohl, ohne die Eigenthumsrechte der aͤltern Beſitzer zu verletzen, bewirkt werden. Mit gleichem Rechte koͤnten ſonſt auch jene Wilden und andere fremde Nazio - nen, wenn ſie Luſt nach den europaͤiſchen Schaͤtzen be - kaͤmen, und es ihnen einfiele, ſich fuͤr vorzuͤglicher zu hal - ten, die europaͤiſchen Voͤlker aus ihren Wohnſitzen ver - jagen. Der Kaiſer von Marocco glaubte wenigſtens Urſach zum Krieg gegen Spanien zu haben, um dieſer Krone Ceuta, Oran und einige andere Plaͤtze abzuneh - men, weil es unanſtaͤndig ſey, daß irgend eine chriſtli - che Nazion etwas auf der Kuͤſte von Africa beſitze, ſ. neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 129. Noch eher lieſſe ſich gegen herumziehende wilde Voͤlker die Behauptung des Vattel [L. I. c. 18. §. 209.] und anderer [z. B. Wolff c. 3. §. 310. u. f.] rechtfertigen: daß ſie mehr Land inne haͤtten, als ſie brauchten und zu benutzen im Stande waͤren: und da das urſpruͤngliche Recht nicht mehr an ſich zu ziehen ge - ſtatte, als man noͤthig habe, und bewohnen und erbauen koͤnne; ſo verletze man keinesweges die Geſetze der Na - tur, wenn man ſie in engere Grenzen einſchraͤnkte, in - dem ihre unſtaͤte Wohnung in ſo unermeßlichen Landen kaum fuͤr eine wahre Beſitznehmung zu halten ſey. Wenn11Wenn die Wilden einen feſten Sitz haben, und nur hie und da in ihrem Lande noch unbebauete Plaͤtze ſich finden, ſo muß ohnſtreitig auch von ihnen der oben angefuͤhrte Grundſatz gelten: daß kein auswaͤrtiges Volk ſich derſelben mit Recht anmaaſſen koͤnne. Haben ſie aber, wie Vattel ſagt, wirklich unſtaͤte Wohnungen in einem unermeßlichen Lande, ſo kann es andern nicht fuͤglich verwehrt werden, ſich eines Stuͤck Landes zu be - maͤchtigen, deſſen die Wilden nicht beſonders benoͤthigt ſind, und wovon ſie keinen wirklichen und ununterbro - chenen Gebrauch machen; zumal wenn ihnen zu ihrem Unterhalt noch genug uͤbrig gelaſſen wird. Wenn die Wilden in Beſitzergreifung und Oberherrſchaft willigen, oder, wie Vattel bemerkt, die Entdecker ihnen das Land abkaufen, wie die Puritaner in Neuengland, und die Quacker unter Pen, in Penſilvanien, findet die Sache weiter keine Schwierigkeit, ſ. Ruſſel Geſch. von Ame - rika, 3. Th. S. 374.
**]§. 9. Deren Beſitznehmung.
Um das Eigenthum dergleichen Lande, es ſey auf welche Art es wolle, zu erlangen, iſt es nicht hin - laͤnglich, ſie entdeckt zu haben, oder blos die Abſicht der Bemaͤchtigung an den Tag zu legen. Sie muͤſſen auf vorerwaͤhnte Weiſe [§. 3.] wirklich in Beſitz genommen werden. Das beſitzergreifende Volk muß, z. B. auf der Inſel ꝛc. wirklich landen, gewiſſe Grenzen abſte - cken a] und ſie entweder gleich mit Mannſchaft beſetzen, oder wenigſtens ſolche Veranſtaltungen zuruͤcklaſſen, woraus andere, die nachher dahin kommen, ſogleich ab - nehmen koͤnnen, daß ſie einen Eigenthuͤmer habe, und nicht mehr herrnlos ſey. Die Anbauung muß nachher auch wirklich erfolgen; denn wenn dieſes nicht ge -ſchieht,12ſchieht, ſo ſind andere Nazionen nicht verbunden, blos durch das etwa aufgeſteckte Zeichen eines Kreuzes oder eines andern Merkmals, b] daß bereits jemand da ge - weſen, ſich von der wirklichen Beſitznehmung abhalten zu laſſen, c] weil es unerlaubt iſt, ein Land, das man ſelbſt nicht anbauen kann oder will, ſich zuzueignen, blos um andere von deſſen Benutzung auszuſchlieſſen. d]
a]Eam demum ſufficere inventionem, quae cum poſſeſ - ſione coniuncta eſt, vbi ſcilicet res mobiles appre - henduntur aut immobiles terminis atque cuſtodia ſe - piuntur, ſagt Grotius in mar. lib. c. 2.
a]b]Arma regia in littore erigendo haͤlt Sam. Cocceji jedoch fuͤr hinlaͤnglich in not. ad Grotii mare lib. c. 5. in Henr. Cocceji Grot. illuſtr. Tom. IV. Wratisl. 1752. Fol. S. 21.
b]c]Die Koͤnigin Eliſabeth von England aͤuſſerte gegen den ſpaniſchen Geſandten: Hiſpani quod hinc illinc appu - lerint, caſulas poſuerint, flumen aut promontorium denominaverint, proprietatem acquirere non poſſunt — vt imaginaria haec proprietas obſtare non debeat quominus caeteri principes — colonias, vbi Hiſpani non agunt, iure gentium nequaquam violato dedu - cant. Cambdenus l. c. ad an. 1580.
c]d]Pourvuqu’il n’en prenne pas plus qu’il ne faut, et qu’il en laiſſe aſſez pour les autres. Si l’on paſſe les bornes de la moderation et que l’on prenne au de là de ce dont on a beſoin, on prend alors ſans contredit ce qui appartient aux autres, Barbeyrac in Not. ad Puffendorff. L. IV. c. 4. §. 4. M. vergl. Puffendorff L. IV. c. 6. §. 3.
d]*]M. ſ. Ickſtatt L. III. c. 2. §. 7. 8. Vattel L. I. c. 18. §. 207. 208. Achenwall L. IV. §. 231. Moſers Grundſaͤtze des europ. Voͤlkerr. in fr. Zeit 4. B. 2. K. §. 12. **] Von
*]13**]Von ſolchen Beſitznehmungen findet man mehrere Nach - richten in den Geſchichtsbuͤchern. Von einer ſpaniſchen Beſitzergreifung z. B. wurde 1771. in der Relation touchant la priſe de poſſeſſion du port de Monterrey, la miſſion et la garniſon qu’on y a établies ſous le nom de St. Charles l’année 1769. erzaͤhlt: après avoir occupé ce port par mer et par terre, en pré - ſence d’un grand nombre d’habitans de ce pays — là, qui n’y mirent pas la moindre oppoſition, on en prit poſſeſſion ſolemnellement par un acte authentique dreſſé par ordre de Don Gaſpar de Portola Comman - dant en Chef et ſigné de divers officiers des deux Convois etc. ſ. Moſers Beitraͤge zu dem neuſten europ. V. R. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 489. und in eben dieſem Jahre hieß es von der Inſel St. David: Après avoir viſité l’isle David le Commandant en a pris poſſeſſion au nom du roi d’Espagne avec tout l’appareil mili - taire, qui pouvoit rendre cet acte reſpectable a ſes nouveaux ſujets. Il a planté une croix faite pour éterniſer le ſouvenir de cet événement. Il a donné a cette Isle le nom de St. Charles. Ebendaſ. S. 494.
**]***]Ueber die Entdeckung und Beſitznehmung der Laͤnder in Amerika ſind nicht wenig Streitigkeiten unter den eu - ropaͤiſchen Maͤchten entſtanden. Die Seefahrer kamen oͤfters auf eine unbebaute oder von Wilden bewohnte Inſel, die ſie aber zu bevoͤlkern theils der Muͤhe nicht werth hielten, theils durch die Wilden daran gehindert wurden. Doch lieſſen ſie zuweilen ein Zeichen ihrer Anweſenheit zuruͤck. Wenn nun andere Nazionen, die in der Folge ſich derſelben bemaͤchtigten, irgend einen betraͤchtlichen Nutzen daraus zogen, machten jene, der fruͤhern Entdeckung wegen, dieſen gemeiniglich das Recht darauf ſtreitig. Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel giebt die In - ſel Florida. Sie wurde zuerſt 1497. von dem Englaͤn - der Sebaſtian Eabot entdeckt, aber nicht benutzt. Im14Im Jahre 1512. kam Ponce de Leon dahin, und nahm das Land, ohne von der erſten Entdeckung etwas zu wiſſen, im Namen der Krone Spanien foͤrmlich in Be - ſitz, und gab ihm den Namen Florida. Er wurde aber von den Einwohnern gehindert eine Colonie daſelbſt an - zulegen, hinterließ jedoch einen Stein mit einer Auf - ſchrift. 1528. wurde dieſe Beſitznehmung von dem Spa - nier Pamphilio de Narvaez wiederholt, aber mit eben ſo wenigem Erfolge. Seit 1524. geriethen auch die Franzoſen verſchiedentlich dahin, ohne ſich jedoch da - ſelbſt niederzulaſſen, bis Johann Rebaut 1562. auf der oͤſtlichen Seite landete und ein Fort, Namens Karl, dahin baute. Nachdem er eine Colonie rings um die aufgeworfene Feſtung abgezeichnet, und an der Muͤndung des May-Fluſſes eine Saͤule aufgerichtet hatte, mit der Aufſchrift: daß er dieſes Land fuͤr die Krone Frank - reich in Beſitz genommen habe, ließ er einige Mann - ſchaft zuruͤck. Dieſe wurde zwar durch allerhand trauri - ge Schickſale aufgerieben, aber doch in der Folge wieder durch neue erſetzt, und die Colonie Karolina gegruͤndet. Allein die Spanier vernichteten auch dieſe, wiewohl groͤ - ſtentheils aus Religionshaß, weil die Franzoſen lauter Proteſtanten waren, auf eine ſchreckliche Art. Ob nun gleich Dominiqve de Gourgues die Franzoſen durch eine nicht minder grauſame Behandlung der Spanier raͤchte, ſo blieben die letztern doch in Beſitz von Florida. Endlich ſuchten die Englaͤnder ihr altes Entdeckungsrecht wieder hervor, und machten verſchiedene Verſuche auf die Beſitznehmung, bis Florida ihnen im Frieden 1763. von Spanien abgetreten wurde. Ruſſel Geſchichte von Amerika, 1. Band, S. 111, 3. B. S. 90. u. f. ingl. S. 442. u. f. Auch wegen der Inſel Falkland geriethen Spanien und Grosbritannien in Streit, indem erſteres ſich den Beſitznehmungen der letztern Macht 1764. widerſetzte. Gros -15Grosbritannien behauptete: es ſey nach dem europaͤiſchen Voͤlkerrecht gewoͤhnlich, daß dieienige Nation, welche ein Land oder eine Inſel zuerſt entdeckt hat, auch ein ausſchlieſſendes Recht darauf habe, wenn ſie dieſelben gleich nicht wirklich mit Colonieen zu beſetzen fuͤr gut faͤn - de, ſ. Neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 125. Moſers Beitraͤge a. a. O. S. 516. So maßte auch Portugal, unter andern aus dem Rechte der erſten Ent - deckung, ſich aller Etabliſſements auf der Kuͤſte von Guinea an. Polit. Journ. Jan. 1784. S. 57. M. vergl. die Note des Herz uͤber Puffendorff I. N. & G. L. IV. c. 6. §. 8.
***]****]Noch entſteht eine ſtreitige Frage: ob eine europaͤi - ſche Nazion, wenn ſie ein Stuͤck Landes in Amerika in Beſitz nimt, aber von den Wilden wieder vertrieben wird, nunmehro einem andern Volke die Einnahme ver - wehren koͤnne? Dies war beſonders zwiſchen Frankreich und Grosbritannien, in Abſicht der Inſel St. Lucie, der Fall, die bald von der einen, bald von der andern Macht beſeſſen worden war. Ganz richtig behauptete Grosbritannien: que l’Isle de St. Lucie a été poſſedée alternativement par les Anglois et les François; que les uns et les autres en ont été chaſſés à diverſes re - priſes par les Sauvages; qu’ainſi il y a eu des inter - valles, où elle n’a été poſſedée ni par l’une ni par l’autre nation; et ils en concluent, qu’on ne ſauroit dèslors établis un droit de propriété ou ſouveraineté ſur cette isle, ſaute d’un titre ſuffiſant pour conſta - ter ce droit. Moſers Verſuch des neuſten europ. V. R. 5. Th. S. 24. u. f. Ruſſel a. a. O. 2. Th. S. 636. u. f. Es laͤßt ſich nach dem natuͤrlichen Rechte nicht fuͤglich behaupten, daß das Eigenthum weiter dauere, als man ſich bey dem Beſitz zu erhalten im Stande iſt; ſ. Moſers Grundſ. des europ. V. R. in fr. Zeit. 4. B. 2. K. §. 16. wiewohl einige das Gegen -theil16theil vertheidigen, ſ. Io. Gottl. Titius diſſ. de dominio in rebus occupatis vltra poſſeſſionem durante, Lipſ. 1674. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 14. Schol. welche aber Einert in der obenangefuͤhrten Schrift §. 1. zu widerlegen ſucht.
****]*****]Wenn zwey Voͤlker zugleich in Begrif waͤren, ein Land in Beſitz zu nehmen, ſo erhellet aus dem Vorher - gehenden, daß dasjenige ein Eigenthum daran erwerbe, welches zuerſt koͤrperlichen Beſitz z. B. durch Anlandung ergreift. Treffen mehrere von verſchiedenen Seiten zu - ſammen, ſo muß jedem ſo viel gehoͤren, als er durch Zeichen der Beſitzergreifung ſich zu eigen gemacht hat. Ickſtatt L. III. c. 2. §. 9. 10. Wolff c. III. §. 308.
*****]§. 10. Widerſpruͤche anderer Nazionen dagegen.
Es entſtehen nicht nur in den vorerwaͤhnten Faͤllen daruͤber Streitigkeiten, daß zwey oder mehrere Nazio - nen ein und daſſelbe Land in Beſitz nehmen, und ſich zueignen wollen, ſondern verſchiedene europaͤiſche Maͤch - te haben auch ſchon verlangt, daß keine Nazion weiter ſich auf einer andern Gegend der naͤmlichen Kuͤſte ꝛc. die ſie beſitzen, niederlaſſen, oder gewiſſer Laͤnder, auf deren Beſitz ſie ſelbſt keine Anſpruͤche machen, ſich blos darum nicht anmaaſſen ſolle, weil ſie durch die Naͤhe dieſer Beſitzungen ihrem Handel ꝛc. leicht ſchaͤdlich werden koͤnten. a] Wie ungerecht aber dieſes Verlangen ſey, erhellet leicht aus dem Grundſatz, daß es keiner Na - zion erlaubt ſey, ein Land blos aus der Urſach in Beſitz zu nehmen, um andere von deſſen Nutzen auszuſchlieſ - ſen, wenn es ſelbſt nicht im Stande iſt, daſſelbe zu bebauen. b] Kein Volk hat ſeines eignen Nutzens wegen zu dieſer Ausſchlieſſung ein Recht, wenn andere nicht durch Vertraͤge ihrem natuͤrlichen Erwerbungsrechte freiwillig entſagt haben, oder das algemeine Wohlder17der uͤbrigen Nazionen dergleichen nothwendig er - fodert. c]
a]So haͤlt Spanien ſich fuͤr berechtigt, alle andere Nazio - nen von Beſitzungen in der Suͤdſee auszuſchlieſſen, und ſogar die dieſſeits der Meerenge gelegene Kuͤſte von den portugieſiſchen Grenzen in Braſilien bis an die Spitze von Suͤdamerika allein zu beſitzen, ob es gleich faſt gar keine Colonien daſelbſt hat. Moſers Beitraͤge ꝛc. 5. Th. S. 515. Auch die vereinigten Niederlande thaten Vor - ſtellungen gegen Anlegung einer grosbritanniſchen Colonie in Oſtindien auf einer den hollaͤndiſchen Beſitzungen nahe gelegenen Inſel. Ebendaſ. S. 556.
a]b]Moſers Grundſaͤtze des europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 2. K. §. 13. u. f.
b]c]Spaniſcher Seits behauptet man, daß Koͤnig Jakob. I. von England fuͤr ſich und ſeine Nachfolger, zu Gunſten Spaniens, in einem Vertrage des Rechts ſich begeben habe, Etabliſſements in irgend einem Theile von Suͤd - amerika anzulegen. Moſers Beitr. a. a. O. S. 521.
c]§. 11. Auskunftsmittel in dergleichen Strei - tigkeiten.
Wenn bey dergleichen Streitigkeiten uͤber das Ei - genthum und den Beſitz zwiſchen mehreren Nazionen kein Theil dem andern ſolche uͤberlaſſen will, ſo bleibt nichts uͤbrig, als daß ſie das Land entweder in Ge - meinſchaft beſitzen, oder es fuͤr neutral erklaͤren, we - nigſtens ſo lange, bis das Eigenthumsrecht des einen unterſucht und entſchieden worden.
*]Um das Gezaͤnke mit Spanien wegen der Inſel Tor - tola glimpflich abzuthun, ſuchte Grosbritannien 1774 die Sache dahin einzuleiten, daß dieſe Inſel ein neutra - ler Ort bleibe, wo die Schiffe der beiden Nazionen ihreGuͤnth. Voͤlk. 2. B. BErfri -18Erfriſchungen ohngeſtoͤrt aufnehmen, und jedesmal frey anlanden koͤnnen. Ein Mittel, deſſen man ſich oͤfters bediente, ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 25. Eben - deſſ. Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 97. 452. u. 460. In den Streitigkeiten zwiſchen Rußland und Schweden, wegen der finlaͤndiſchen Grenzen, behauptete Schweden ebenfals, in Abſicht der Inſel Swart-wirn, in deren Beſitz Rußland ſich befand: que la poſſeſſion en auroit du au moins reſter neutre jusqu’à ce que l’on eut decidé du droit de propriété dans les conferences. Moſers Verſuch 5. Th. S. 354.
*]§. 12. Rechte teutſcher Landesherrn.
Das, was in dem Vorhergehenden feſtgeſetzt wor - den, findet auch nicht nur in Abſicht Teuſchlands, als eines ſouverainen Staats im Ganzen, ſondern auch bey den einzelnen teutſchen Landesherrn und andern blos mit Landeshoheit verſehenen Staaten Platz, wenn ſie durch ihre Lage oder andere Umſtaͤnde beguͤnſtigt wer - den, neue Entdeckungen zu unternehmen.
Zweiter Abſchnitt. Von dem Eigenthum und der Herſchaft in Anſehung der Gewaͤſſer.
§. 13. Eigenthum der im Lande befindlichen Stroͤme, Fluͤſſe ꝛc.
Da nach obigen Grundſaͤtzen das Volk, welches einen Strich Landes in Beſitz nimt, das Eigenthum und die Herſchaft uͤber alles erlangt, was in deſſengan -19ganzem Umfange ſich befindet, ſo gehoͤren ihm ohne Zweifel auch die vom Lande eingeſchloſſenen Gewaͤſſer, groſſe und kleine, flieſſende oder ſtehende Landſeen, Stroͤme, Fluͤſſe, Baͤche, Teiche ꝛc. mit ihrem Bette, Ufern und Waſſer, ſamt deren Benutzung ausſchließ - lich, dergeſtalt, daß keine andere Nazion berechtigt iſt, ohne Erlaubnis ſich irgend etwas davon anzumaaſſen. Sie machen einen Theil des Gebiets aus, und ein Volk iſt leicht im Stande, ſich im Beſitz derſelben zu erhalten, damit ſie nicht wieder in natuͤrlichen Zuſtand zuruͤckfallen.
*]Vattel L. I. c. 22. §. 274. Franz Ludw. von Cancrin Abhandlungen von dem Waſ - ſerrechte, ſowol dem natuͤrlichen, als poſitiven, vor - naͤmlich aber dem teutſchen, m. K. Halle 1789. 4. beſonders 1. Abh. 2. K. §. 88. u. f. S. 68. u. f. Man trift daſelbſt S. 23. u. f. auch ein weitlaͤuftiges Verzeichnis der Schriftſteller vom Waſſerrechte an.
*]§. 14. Eigenthum der zwiſchen zwey Staaten laufenden Fluͤſſe.
Ein Volk, welches ein noch unbewohntes Land in Beſitz nimt, kan allerdings auch den an der aͤuſſerſten Ausdehnung ſeines Gebiets etwa vorbeilaufenden Fluß ganz ſich zueignen, wenn jenſeits nicht ſchon ein ander Volk Rechte darauf erworben hat. Im Fall aber zwey Nazionen von beiden Seiten zugleich das Land in Be - ſitz nehmen, oder es wenigſtens von einem ſolchen zwey Staaten trennenden Gewaͤſſer nicht zu erweiſen iſt, daß der eine zuerſt den ganzen Fluß ſich zugeeignet habe, ſo gehoͤrt jedem, weil ſie beide gleiche Rechte darauf ha - ben, das Eigenthum deſſelben bis in die Mitte; wenn ſie durch Vertraͤge, das beſte Auskunftsmittel in dieſemB 2Stuͤcke,20Stuͤcke, nicht ein anders feſtzuſetzen fuͤr gut finden. a] In den meiſten Voͤlkervertraͤgen wird aber auch ge - woͤhnlich die Halbſcheid angenommen, b] und nur ſel - ten dem einen Volke der ganze Fluß eingeraͤumt. c]
a]Grotius L. II. c. 3. §. 18. Wolff c. III. §. 106. u. f. Vattel L. I. c. 22. §. 266. Martens précis du d. des g. L. IV. c. 4. §. 121.
a]b]Dies iſt nicht nur bey den ſouverainen europaͤiſchen Voͤl - kern unter ſich, ſondern auch mit den teutſchen Landes - herren und unter dieſen ſelbſt gewoͤhnlich. Die Donau und Sau ſoll z. B. wo ſie die Grenzen zwiſchen dem ottomanniſchen und oͤſterreichiſchen Gebiete macht, gemein - ſchaftlich ſeyn, ſowohl in Ruͤckſicht aller Fiſchereien, als andern noͤthigen Gebrauch, doch duͤrfen die Fiſcher die Haͤlfte des Fluſſes nicht uͤberſchreiten. Belgr. Fr. 1739. Art. 7. In einem der neueſten Grenzvertraͤge zwiſchen Frankreich und Wuͤrtenberg bey der Grafſchaft Moͤmpel - gard vom 21. May 1786. Art. 13. wird feſtgeſetzt: Der Fluß Doux ſolle, wo er die Grenze zwiſchen Frank - reich und dem Wuͤrtenbergiſchen beruͤhrt, mit der Sou - verainetaͤt halb nach Frankreich, halb nach Wuͤrtenberg, die linke Seite zum koͤniglichen, die rechte zum herzogli - chen Eigenthum gehoͤren. Reuß teutſche Staatskanzl. 20. Th. S. 137. Wie es aber zu verſtehen ſey, wenn im Vertrage geſagt wird, daß dieſes oder ienes Ufer eines Fluſſes dem einen Volke gehoͤren ſolle, daruͤber entſtanden 1774. zwiſchen Polen und Oeſterreich Strei - tigkeiten. In der Convention vom 21. Sept. 1773. war Oeſterreich zur Grenze geſetzt: la rive droite de la Viſtule. Polniſcher Seits behauptete man daher: le mot: rive droite doit ſouſtraire au domaine Au - trichien la ville de Kazimierz, puisque toujours et dans toute rencontre quand on parle des rives d’une rivière, on entend l’extrémité derniere du courant de ſes eaux; à moins que par quelque exceptionexpreſſé -21expreſſément enoncée il n’y ſoit autrement pourvu. Aber Oeſterreich entgegnete: Il eſt conſtant par l’exem - ple de tant d’autres traités de ceſſion, que la moitie de l’eau d’une rivière ſuit toujours la rive attenante, à moins qu’en termes clairs et exprès ce ſens reçu ne ſoit reſtreint ou étendu. C’eſt ainſi que dans des traités en latin on ſe ſert plus proprement de l’ex - preſſion: dexter vel ſiniſter alveus fluvii, qui com - prend la rive avec la moitie du lit de la rivière au lieu des mots ripa, litus. In einer anderweiten Con - vention vom 9. Febr. 1776. wurde Caſimir zwar an Polen wieder uͤberlaſſen, doch blieb es dabey, que la moitie du lit de cette rivière appartiendra à S. M. Imp. et Roy. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 284. 288. und 307.
b]c]Von Fluͤſſen, die ganz mit beiden Ufern einem anſtoſ - ſenden Staate uͤberlaſſen worden, giebt es verſchiedene Beiſpiele. Im Utrechter Frieden 1713. Art. 10. be - willigte Frankreich: que les deux bords de la rivière des Amazones tant le meridional que le ſeptentrional appartiennent en toute propriété, domaine et ſouve - raineté a S. M. Portugaiſe. Im Frieden 1785. Art. 7. erkennen die Generalſtaaten die voͤllige Souveraine - taͤt des Kaiſers auf alle Theile der Schelde von Ant - werpen bis Saftingen, zu Folge der Linie vom Jahre 1664. Die Oder ſoll, was Teutſchland anlanget, vermoͤge des weſtphaͤliſchen Friedens, beſtaͤndig mit al - ler Souverainetaͤt dem Koͤnig und der Krone Schweden bleiben. Friede zu St. Germain zw. Schweden und Kur - brandenburg 1679. Art. 12. Ueber den Ausdruck: der ganze Fluß, entſtanden bey dem polniſchen Theilungsge - ſchaͤft zwiſchen dieſer Krone und Preuſſen auch Streitig - keiten. Polen behauptete: La phraſe de la convention et du draité que la Netze appartienne en entier au roi de Pruſſe ne peut ſignifier que le cours de l’eau,B 3ou22ou les profits de cette eau — Quant aux profits de cette eau pour le roi de Pruſſe, ils ne lui ſont pas disputés; mais ſous leur pretexte il ne peut préten - dre à l’autre bord de la Netze; car ce ne ſeroit plus de l’eau, mais de la terre, qui eſt un élément diffe - rent. Preuſſen entgegnete: Comme Elle doit avoir, ſelon le traité de Varſovie la rivière de Netze en entier, il faut qu’Elle en ait auſſi les deux rives. Sous le nom de rive on ne ſçauroit que comprendre tout le terrein adjacent au fleuve qui en eſt ſouvent inondé [vermuthlich nach Anleitung l. 3. Inſt. de rer. div. ] et en fait partie alors, ainfi que les marais que cette rivière cauſe par ſes inondations. Cette inter - prétation eſt conforme à l’uſage, et c’eſt en conſé - quence du meme principe, que la Couronne de Suede, après avoir obtenu par le traité de Weſtphalie la Po - meranie citerieure et la rivière de l’Oder avec les deux rives, ſ’eſt approprié une rive de deux miles d’Allemagne — Ce qui eſt ajouté dans cette remar - que de l’élement de l’eau n’eſt qu’un jeu de mots. Le Roi doit avoir la Netze en entier c’eſt ‒ à ‒ dire avec les deux rives, qui en ſont un acceſſerie inſepa - rable. Il n’aura que l’élément de l’eau quand la rivière deborde, il aura du terrein quand elle rentre dans ſon lit. Dieſer Streit erſtreckte ſich auch uͤber das Eigenthum des Fluſſes in Anſehung der Laͤnge. M. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 321. 323. und 325. Auch im teutſchen Reiche maaſſen ſich einige Landes - herrn das alleinige Eigenthum der zwiſchen ihren und andern Landen laufenden Fluͤſſe an; wiewohl groͤſten - theils mit Widerſpruch der Anſtoſſenden. Den Rhein verlangen die vier rheiniſchen Kurfuͤrſten, Mainz, Trier, Koͤln und Pfalz ausſchließlich. Trier aͤuſſerte unter andern 1743.: Es ſey ein bey allen vier rheiniſchen Kurfuͤrſten feſtgeſetztes Principium: daßkein23kein Fuͤrſt, Graf noch Reichsſtadt, deren Gebiet an den Rhein ſtoſſe, an der Herſchaft und Jurisdiction uͤber den Rheinſtrom participire, ſondern daß ſolche denen vier rheiniſchen Kurfuͤrſten privative zuſtehe. — So we - nig die kaiſerlichen dieſen vier Kurfuͤrſten verliehenen Privilegien und Lehnbriefe, als die alte hergebrachte Reichs - und am Rhein landkundige Praxis, noch die Vereine der rheiniſchen Kurfuͤrſten, noch ihre alte und neue Principia laſſen zu, auſſer ihnen jemanden in das Condominium Rheni zu admittiren. Moſers nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 17. S. 442. Man vergl. die wegen einer bey Neuwied angelegten fliegenden Rhein - bruͤcke zwiſchen Trier und Neuwied gewechſelten Staats - ſchriften in Select. I. P. Tom. 9. p. 340. T. 10. p. 11. T. 12. p. 353. T. 14. p. 159. ingl. Jac. Chriſt. Klip - ſtein, Diſſ. de dominio Rheni inter plures controverſo, Gieſſ. 1740. 4. Den Mayn eignet ſich mit aller Oberherſchaft der Kurfuͤrſt von Mainz, hauptſaͤchlich vermoͤge kaiſerlicher Lehnbriefe, zu, welchen aber Heſſen-Darmſtadt, Ha - nau, Yſenburg und die Stadt Frankfurt widerſprechen. M. ſ. Moſers Einleit. in das churmainz. Staatsrecht S. 97. Philip Karl des H. R. R. Grafen Fugger von Kirch - heim Abhandlungen uͤber die Grenzen der dem hohen Kurthume Mainz uͤber den Mainſtrohm von Lohr bis an deſſen Ergieſſung in den Rhein zuſtehenden Oberherſchaft. Mainz 1786. 8. Gegen dieſe Behauptungen ſind, beſonders in Abſicht auf Heſſen, folgende Widerlegungen erſchienen: Chr. Hartm. Sam. Gatzert progr. III. de dominio Moeni quatenus imprimis ſpectat ad ſereniſſimos Haſſiae Landgravios tanquam Comites in Catime - liboco. Gieſſ. 1771. 4. B 4Helfr. 24Helfr. Bernh. Wenck comment. I. de dominio Moeni. Darmſt. 1786. 4. Am Moſelſtrohm will Kurtrier auch das Eigenthum behaupten, es wird ihm aber von den angrenzenden Landesherren ebenfals nicht zugeſtanden. ſ. Moſers kurtrier. Staatsrecht S. 192. Ebendeſſ. nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 17. S. 446. Schweders Theat Praeſens von Glafey 1. Th. S. 810. Dieſe Streitigkeiten ſind zwar in gewiſſer Ruͤckſicht nach dem teutſchen Staatsrecht zu beurtheilen; wenn iedoch der das alleinige Eigenthum behauptende Landes - herr ſolches durch die in demſelben angenommenen Er - werbungsarten nicht zu erweiſen vermag; ſo ſind ohnſtrei - tig auch die Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts dabey anwend - bar, nach welchen, im Zweifelsfall, iedem Theile das Eigenthum zur Haͤlfte gehoͤrt. Ganz richtig behauptet Herr Gatzert, daß ehedem zwar der Kaiſer eine voͤllige Oberherſchaft uͤber die Fluͤſſe im teutſchen Reiche aus - geuͤbt, den Reichsſtaͤnden ſolche aber nur durch kaiſer - liche Verleihung zugeſtanden habe; daß hingegen, nach begruͤndeter Landeshoheit, das Recht des Eigenthums und der Oberherſchaft uͤber die Fluͤſſe nunmehr damit ver - bunden ſey, und es keiner weitern Verguͤnſtigung beduͤr - fe; daß daher die alten in algemeinen Ausdruͤcken abge - faſten Privilegien und Verleihungen, wie z. B. die kur - mainziſche mit aquis, aquarum decurſibus tam Rheni quam Moeni ripis & fluminibus &c. blos zu verſtehen ſind, ſo weit ſie innerhalb der Grenzen des Landes, die bey Fluͤſſen, welche zwey Gebiete von einander trennen, ſich gewoͤhnlich bis an die Mitte erſtrecken, flieſſen.
c] §. 15.25§. 15. Eigenthum des Flußbettes, nach geaͤn - dertem Lauf des Waſſers.
Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geſchieht, ploͤtz - lich ſeinen Lauf, indem er ſich einen ganz andern Weg macht, ſo behalten die daran liegenden Voͤlker eben das Recht am Bette, welches ſie am Fluſſe hatten. Gehoͤrte er beiden zur Haͤlfte, ſo gehoͤrt ihnen auch das Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum allein, ſo bleibt ihm auch das verlaſſene Bette, weil bey Scheidung des Eigenthums nicht ſowohl auf das voruͤberflieſſende Waſſer, als auf das feſtgegruͤndete Bette deſſelben Ruͤckſicht zu nehmen iſt. Anders ver - haͤlt es ſich bey unmerklichen An - und Abſpielungen auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol - genden Abſchnitte bey den natuͤrlichen Anwuͤchſen, und in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et - was zu ſagen ſeyn wird.
*]Grotius L. II. c. 3. §. 17. Puffendorff L. IV. c. 7. §. 11. Wolff c. I. §. 107. Vattel L. I. c. 22. §. 270. v. Cancrin 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.
*]§. 16. Eigenthum des Meeres uͤberhaupt.
Weit mehrern Schwierigkeiten iſt die Beſtimmung des Eigenthums und der Herſchaft der groͤſſern auf der Oberflaͤche der Erde befindlichen Waſſermaſſen, die man Meere und offene Seen nennt, unterworfen. Dieſe wichtige Materie hat von ieher, ſowohl unter den Schriftſtellern, als unter den Nazionen, mancher - ley Streit verurſacht. a] Einige haben die voͤllige Freiheit des Meeres uͤberhaupt von allem Eigenthum und Herſchaft und den iedermann offenſtehenden Ge -B 5brauch26brauch deſſelben behauptet. b] Andere ſuchten das Recht und die Moͤglichkeit von deſſen Beſitznehmung zu erweiſen, und ſchrieben dieſem und ienem Volke das Eigenthum und die Herſchaft des Meeres zu. c]
Die Gruͤnde der erſtern beſtehen darinnen: Sie ſagen 1] der Nutzen und Gebrauch des Meeres ſey unerſchoͤpflich, [inexhauſti vſus] es koͤnne ein ieder ſich deſſelben bedienen, ohne daß dem andern dadurch etwas entzogen oder er gehindert wuͤrde, auf dem Meere, z. B. ebenfals zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. ꝛc. die Abſicht der ausſchließlichen Zueignung falle daher weg, und es ſey nicht erlaubt, eine Sache der Gemeinſchaft zu entziehn, die einen hinlaͤnglichen Nutzen und Gebrauch fuͤr alle gewaͤhre. 2] Das Meer laſſe keine Grenzbeſtimmung zu, welche doch Statt finden muͤſte, wenn mehrere ſich das Eigenthum deſſelben anmaaſſen wolten. 3] Keine Macht der Erde ſey, wegen des groſſen Umfangs der offenbaren See, hinlaͤnglich, den zum Eigenthum er - foderlichen Beſitz zu ergreifen, und mit Ausſchlus an - derer zu behaupten.
Die Gegner erwidern: 1] Jede Sache, die kei - nen Herrn habe, gehoͤre dem, der ſich derſelben zuerſt bemaͤchtige. Dieſer Grundſatz ſey auf das Meer ſo - wohl, als auf die Erde anwendbar. Dieſe ſey in ih - rem Gebrauche ebenfals unerſchoͤpflich und doch ein Ei - genthum einzelner Nazionen. 2] Das Meer koͤnne allerdings durch die Kuͤſten, Klippen, Seebaͤnke, In - ſeln, Vorgebuͤrge, durch den Kompas, durch die Gra - de der Meereslaͤnge und Breite, Aequinoctialzirkel und andere in der mathematiſchen Erdbeſchreibung angenom - mene und in der Schifskunſt bekante Beſtimmungen begrenzt werden. 3] Zum Eigenthum ſey eben nicht ein beſtaͤndiger koͤrperlicher Beſitz erfoderlich; man koͤn - ne auf einem Landesbezirke eben ſo wenig uͤberal ſeyn, und ieden Fremden abhalten; genug, daß man einRecht27Recht habe, ihn abzuweiſen, wenn man ihn finde. Um dies auf dem Meere zu bewuͤrken, ſey die beſtaͤn - dige Unterhaltung einer Flotte hinlaͤnglich.
Noch andere ſchlagen einen Mittelweg ein und ge - ben zwar Eigenthum und Herſchaft des Meeres zu, aber unter gewiſſen Einſchraͤnkungen, wenn naͤmlich ein Volk ſolche durch Vertraͤge mit den uͤbrigen, ganz, oder nach gewiſſen Theilen erlangt hat. d]
Was das Meer im Algemeinen betrift, haben nach meinem Urtheile einzelne Nazionen weder Recht noch Macht, das Meer, mit Ausſchlus der uͤbrigen, ſich zu - zueignen. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Voͤlker, ſo wie Anfangs einzelne Menſchen und Familien, von Natur das Recht haben, durch Beſitzergreifung, die Guͤter der Welt an ſich zu bringen, ſo lange ſie noch herrnlos ſind. Sie haben an dem Meere ſo viel Recht, als an der Erde. Aber nur iſt das erſtere nicht blos als ein Anhang der letztern anzuſehn. e] Es ſind zwey, auch in Anſehung des Nutzens, den ſie gewaͤhren, ganz verſchiedene Hauptelemente, woraus unſere Weltkugel beſteht. So viel Recht nun ieder auf den Gebrauch der Erde hat, ſo viel Recht hat er auch auf das Meer: und ſo wenig ein oder etliche wenige Menſchen oder Voͤlker berechtigt ſind, ſich die ganze Erde ausſchließ - lich zuzueignen, f] ſo wenig duͤrfen ſie es auch bey dem Meere thun. Sie koͤnnen Erde und Meer ſich zueignen, aber von iedem Elemente nur ſo viel als ſie zu ihrer Erhaltung und Vervolkommung brauchen, und muͤſſen andern auch das Noͤthige laſſen. Gewoͤhnlich ſehn die - ienigen, welche einem oder einigen Voͤlkern das Eigen - thumsrecht des Meeres zuſchreiben, das Meer als einen unbetraͤchtlichen Theil der Erde an, der als Anhang zu dem bereits beſitzenden Landesbezirke geſchlagen wer - den koͤnne. Einige wenige Nazionen wuͤrden auch, wenn ſie den Einfall haben ſolten, ſich des MeeresEigen -28Eigenthum allein anzumaaſſen, eben ſo wenig im Stan - de ſeyn, daſſelbe zu behaupten, als wenn bey Anfang der Erdbevoͤlkerung einige Familien oder Voͤlker ſich der ganzen Erde oder auch nur eines Welttheils allein haͤtten bemaͤchtigen wollen.
Wenn das Meer rechtmaͤſſig zu Eigenthum gemacht werden ſoll, ſo darf iede Nazion von dieſem mit der Erde gleich wichtigen Elemente, wie gedacht, nur ſo viel nehmen, als ſie noͤthig hat, und ihr ohne Nachtheil aller uͤbrigen, die eben das Recht daran haben, ge - buͤhrt. Da aber die hierzu erfoderliche Abtheilung und Beſitznehmung unendlichen Schwierigkeiten unterwor - fen, und kaum moͤglich iſt, ſo bleibt im Algemeinen der gemeinſchaftliche Gebrauch des Meeres allerdings beinah das einzige Mittel, denen bey der Eigenma - chung unvermeidlichen Streitigkeiten auszuweichen. Hierzu komt, daß der Gebrauch des Meeres keine wei - tere Bearbeitung, als die Zueignung der Nutzungen, die es gewaͤhrt, erfodert; daß folglich durch die Ge - meinſchaft niemanden die Fruͤchte ſeines beſondern Fleiſſes entzogen werden.
Das Hauptwerk hierbey komt darauf an, daß man die offene See, oder das groſſe Weltmeer von den einzelnen Theilen deſſelben, die an oder zwiſchen die Laͤnder der Nazionen gehen, unterſcheide; wovon in dem Folgenden gehandelt werden ſoll.
a]Eine kurze Geſchichte der Herſchaft uͤber das Meer, liefert von Cancrin in der obenangefuͤhrten Schrift 1. Abh. 2. Kap. §. 52. u. f. S. 44. u. f. In den erſten Zeiten, ſagt er, war es frey und gemein. Dann entſtan - den Streitigkeiten daruͤber zwiſchen den Athenienſern und Lacedemoniern, indem iene die Herſchaft uͤber die an - grenzenden aͤuſſern Meere behaupteten. Die Karthagi - nenſer verlangten die Herſchaft uͤber das mitlaͤndiſche Meer. Nachdem Rom ſich zur Beherſcherin uͤber dieWelt29Welt emporgeſchwungen hatte, maaſte es ſich auch das Eigenthum uͤber den Strand und das Meer ſelbſt an. Mit der roͤmiſchen Hoheit ging die Herſchaft uͤber das Meer wieder verloren, weil kein ander Volk ſie behaup - ten konte. So wurden die Meere und offenen Seen nach und nach wieder frey und allen Nazionen gemein. In neuern Zeiten maaſten verſchiedene ſich derſelben wieder an, woruͤber heftige Kriege, beſonders zwiſchen England und den Niederlanden uͤber den Heringsfang, entſtanden, welchen die letztern lange Zeit ganz frey ausgeuͤbt hat - ten. Nun fanden ſich eine Menge Gelehrten, welche bald die eine, bald die andere Parthey nahmen. M. vergl. Puffendorff L. IV. c. 5. §. 8. Neyron prin - cipes du d. des g. E. §. 263. u. f. S. 237. Schriftſteller uͤber Eigenthum und Herſchaft des Meeres, ſ. in von Ompteda Litt. des V. R. 2. Th. S. 521. u. f. von Cancrin a. a. O. S. 23. u. f. Samlungen mehrerer Schriften dieſer Art ſind: Collectio variorum auctorum tractatuum de dominio maris 1615. 4. Variorum auctorum diſſertationes de dominio ſive im - perio maris cum praefatione Ioach. Hagemeyeri Frcf. ad Moen. 1663. 12. Henr. L. B. de Cocceji Grotius illuſtratus. Tomus IV. edit. Wratislav 1752. Fol. enthaͤlt 12. Schrif - ten uͤber dieſen Gegenſtand. M. vergl. auch: Fr. Franc. Lud. Peſtel diſſ. ſelecta capita iuris gen - tium maritimi, Lugd. Bat. 1786. 4.
a]b]Die Freiheit der Meere vom Eigenthum behaupten vor - zuͤglich folgende Schriftſteller: Hug. Grotii mare liberum ſeu de iure quod Batavis competit ad indica commercia, Lugd. Bat. 1609. 8. und oͤfter, beſonders 1633. 12. auch in ang. Cocceji30Cocceji Grot. illuſtr. M. vergl. deſſen I. B. & P. L. II. c. 2. §. 3. c. 3. §. 8 — 16. Theod. Graswinkel Vindiciae adverſus Pet. Bapt. Burgum Liguſtici maris dominii aſſertorem. Hagae 1652. 4. Io. Henr. Boecler diſſ. de Minoe maris domino, Arg. 1656. in Diſſ. ej. T. II. S. 1073. u. f. Ad. Fr. Glafey Recht der Vernunft. Dritte Aufl. Frf. und Leipz. 1746. 4. 4. Kap. Doch haͤlt er den Grund des unerſchoͤpflichen Nutzens, worauf viele am mei - ſten ſich ſteifen, nicht fuͤr hinlaͤnglich zu Behauptung der Freiheit des Meeres, weil er auch auf die Erde, die doch beherſcht, anwendbar ſey, ſondern er glaubt, daß alles Eigenthum von der Vernunft gemisbilligt werde, nachher aber aus Noth, um groͤſſeres Uebel zu vermeiden, habe ratihabirt werden muͤſſen. Haͤt - te eine Anzahl Menſchen ſich der erſten Beſitznehmung widerſetzt, haͤtte ſolche nicht Statt finden koͤnnen. Da nun aber die Erde einmal im Eigenthum iſt, das Meer aber noch nicht, ſo folge, daß keine Nazion ſich daſſelbe zueignen koͤnne, weil bisher alle Voͤlker in Europa deſſen Eigenthum widerſprochen haben. Daſ. §. 90. und 91. M. vergl. Wolff c. I. §. 121. u. f. Vattel l. I. c. 23. §. 286. u. f. Schrodt P. II. c. 1. §. 10. u. f.
b]c]Das Eigenthum deſſelben vertheidigen unter andern: Seraph. de Freitas de iuſto imperio Luſitanorum Aſiatico adverſus Grotii mare liberum Princiae 1625. 4. Io. Seldeni mare clauſum ſive de dominio maris Libri II. primo mare ex iure naturae ſive gentium omnium non eſſe commune ſed dominii privati ſive proprietatis capax pariter ac tellurem eſſe demon - ſtratur. Secundo Sereniſſimum magnae Britanniae regem maris circumflui vt individuae atque per -petuae31petuae Imperii Britannici appendicis dominum eſſe aſſeritur, Lond. 1635. Fol. und oͤfter, auch in Cocceji Grot. illuſtr. p. 1 — 164. Die Entſte - hungsgeſchichte dieſes Werks enthalten: Io. Seldeni Vindiciae ſecundum integritatem exiſtimationis ſuae per convitium de ſcriptione maris clauſi, in Vindiciis maris liberi adverſus Petr. Bapt. Burgum, Liguſtici maritimi dominii aſſertorem, Lond. 1653. 4. und in Opp. T. II. p. 1415 — 1437. Dieſe ſind blos der Vertheidigung gegen die weiter unten anzufuͤhrende Schrift des Burgus gewidmet, wor - inn derſelbe vorgab, daß Selden, wie noch itzt viele glauben, ſein mare clauſum im Gefaͤngniſſe geſchrie - ben, und durch dieſe Vorſpiegelungen ſeine Freiheit erlangt habe. Allein Selden zeigt, daß er es laͤngſt vor ſeinem zweimaligen Gefaͤngniſſe, und zwar bereits 1618. vollendet, und zum Druck beſtimt gehabt; daß er es aber erſt vier Jahr nachher, als er das letzte - mal bereits wieder auf freien Fuß geweſen, mit vie - len Verbeſſerungen und Vermehrungen herausgegeben habe. Io. Strauch diſſ. de imperio maris, Ien. 1654. 4. Herm. Conring diſſ. de imperio maris, Helmſt. 1676. und in Opp. Tom. IV. S. 946. auch in Cocceji Grot. illuſt. S. 278. — 294.
c]d]Hieher gehoͤren nebſt den meiſten neuern: Conr. Sam. Schurzfleiſch, Diſſ. maris ſervitus, Wit - teb. 1671. und in Op. hiſt. polit. Berol. 1699. 4. S. 1003. Puffendorff I. N. & G. L. IV. c. 5. §. 5. u. f. Theod. Grauer Diſſ. de mari natura libero, pactis clauſo, Vltraj. 1728. 4.
d]e]Wie ſchon Grotius nach dem Ausſpruche der Alten bemerkt: mare vero terra non continetur, par terraeaut32aut terra maius, vnde terram mari contineri veteres dixere, L. II. c. 2. §. 3. n. 2.
e]f]Ganz richtig urtheilt Puffendorf: liberum quidem eſſe hominibus vacua occupando ſua facere, ſed ita ta - men vt meminerint, non vni & alteri, ſed vniverſo hominum generi orbem terrarum a numine eſſe con - ceſſum, ſimulque naturaliter homines eſſe aequales I. N. & G. L. IV. c. 5. §. 9. vergl. c. 6. § 3. und Conring Diſſ. cit. §. 32. Omnis occupatio ita debet eſſe conſtituta vt non vergat in praeſentiſſimam iniu - riam & inevitabile damnum alterius alicuius inno - centis, qui alias, ſi citra iſtam occupationem eſſet, eodem iure ac titulo circa hanc rem gauderet. Hinc vna aliqua respublica totum & vaſtum Oceanum ſibi ſoli, cum excluſione omnium aliorum, vindicare iure nequit, vtpote cum haec occupatio cederet in maximum detrimentum reliquarum ac praeſertim ma - ritimarum rerumpublicarum, quarum ſcilicet ſalus in libero maris vſu conſiſtit.
f]§. 17. Herſchaft uͤber daſſelbe ohne Eigenthum.
Einige ſind der Meinung, daß eine Nazion, wenn gleich nicht das Eigenthum oder den alleinigen Beſitz und Genus, doch wenigſtens die Herſchaft uͤber das Meer erlangen koͤnne. a] Dieſes waͤren zwey ganz verſchiedene Dinge, die beiſammen ſeyn, oder getrennt werden koͤnten, indem ſich auch eine Herſchaft uͤber an - derer Eigenthum oder uͤber Dinge, die noch in der ur - ſpruͤnglichen Gemeinſchaft ſind, erwerben laſſe. Zu dieſer Herſchaft des Meeres rechnen ſie das Recht das Segelſtreichen zu verlangen, Schifszoͤlle anzulegen, Schiffahrtsgeſetze zu geben, Verbrechen auf dem Meere zu beſtrafen u. d. gl. Da aber die Geſetze der Naturan33an ſich keine Herſchaft erkennen, ſo raͤumen die Ver - theidiger dieſer Meinung auch ein, daß eine ausdruͤck - liche oder ſtilſchweigende Einwilligung derer hierzu er - foderlich ſey, uͤber welche die Herſchaft behauptet wer - den ſoll. Ich will hier nicht alle die Schwierigkeiten, welchen die Herſchaft uͤber eine in Niemandes Eigen - thum befindliche Sache unterworfen ſeyn muß, weit - laͤufig anfuͤhren; b] aber man wird leicht einſehn, daß zu Einraͤumung einer ſolchen Herſchaft nicht die Ein - willigung eines oder mehrerer, ſondern aller Theilhaber noͤthig ſey. Wenn alſo auch eine oder die andere Na - zion einer dritten iene Herſchaftsrechte zugeſteht, ſo iſt dies nicht ſowohl fuͤr eine Herſchaft uͤber das Meer, als fuͤr eine perſoͤnliche Unterwerfung anzuſehn; denn wenn das Meer nicht im Eigenthum einzelner Voͤlker, ſondern im gemeinſchaftlichen Beſitz aller iſt, wie kann die eine Herſchaft anerkennende Nazion den Theil be - ſtimmen, der ihr gehoͤrt, oder andern etwas vergeben, wenn ſie nicht eingewilligt haben? Die Herſchaft uͤber das Meer ohne Eigenthum iſt daher allenfals denkbar, aber deſto weniger ausfuͤhrbar, da die meiſten Voͤlker in Europa, deren Beiſtimmung darzu noͤthig waͤre, alle Herſchaft des Meeres zu bekaͤmpfen ſuchen.
a]Theod. Graswinckel adverſ. Burgum l. c. c. 16. S. 229. u. f. Wolff c III. §. 357. Schrodt P. II. c. 1. §. 14. 15. Martens L. IV. c. 4. §. 120. Sam. Cocceji widerſpricht ſich in dieſem Puncte. In der In - troduct. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. Lauſan. 1751. 4. diſſ. prooem. XII. §. 237. behauptet er: acquiri imperium poteſt, etſi res ſingulae natura in dominium venire non poſſunt. Sane imperium ma - ris — habere poſſumus, etſi — in proprietate no - ſtra non ſit conſtituta. und in Not. ad Grotii mare li - berum c. 5. ſagt er: Ad id, vt imperium acquiratur, requiritur, vt res ſit in noſtra poteſtate: Sane ſoloGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Canimo34animo imperium acquiri nequit: nemo autem diffuſam illam molem maris in poteſtate habet, nec per rei naturam habere poteſt.
a]b]M. vergl. den unten angef. Burgus de dominio Reip. Gen. in mari Liguſt. L. I. c. 16. S. 502. u. f.
b]§. 18. Eigenthum uͤber das Weltmeer oder die offene See.
So wenig das Meer einer wilkuͤhrlichen Begren - zung unterworfen iſt, ſo hat doch die Natur ſelbſt es in verſchiedene groͤſſere und kleinere Abtheilungen ge - bracht, ie nachdem es hier und da durch nahgelegene Lande beengt, oder wo dieſe fehlen, eine ungeheuere Strecke ausgedehnt iſt, die iedoch meiſt alle zuſam - menhangen. Die letztern heiſſen Ocean, offene See, Welt - und aͤuſſere Meere. [Oceanus, maria vni - uerſa, externa.] Die von Laͤndern umgebenen Meere werden, nach Beſchaffenheit ihres Umfangs und in wie - ferne ſie mehr oder weniger vom Lande eingeſchloſſen ſind, geſchloſſene, a] innere Meere [Maria particu - laria, clauſa, interna] genant. Das, was oben von dem Eigenthum des Meeres im Algemeinen geſagt worden iſt, leidet hauptſaͤchlich in Anſehung des Oce - ans, oder des groſſen Weltmeeres ſeine Anwendung. Die meiſten Gelehrten, ſelbſt viele von denen, welche im uͤbrigen das Eigenthum und die Herſchaft der Meere vertheidigen, ſind dahin einverſtanden, daß der Ocean voͤllig frey, und weder dem Eigenthum noch der Her - ſchaft, am wenigſten blos einer oder weniger Nazionen, unterworfen ſey. b] Der vorzuͤglichſte Grund wird von der Unmoͤglichkeit der Beſitznehmung und Erhaltung genommen, doch muß, wie ſchon gedacht, auch nochdie35die Unrechtmaͤſſigkeit einer ausſchließlichen Anmaßung deſſelben in Erwaͤgung kommen. c]
Auſſer den ehemaligen Anſpruͤchen Portugals d] und nachher gewiſſermaaſſen Spaniens e] hat auch in neuern Zeiten kein Volk in Europa ausdruͤcklich ein ausſchließliches Recht auf das Weltmeer behauptet, obwohl einige Maͤchte der Krone Grosbritannien ein Beſtreben nach Herſchaft darauf beigemeſſen haben. f]
a]Z. B. die Oſtſee, oder das balthiſche Meer. Deswe - gen verglichen ſich Rußland und Preuſſen, beſonders in Abſicht des Handels neutraler Voͤlker im Kriege: de ſoutenir, que c’eſt une mer fermée inconteſtablement telle par ſa ſituation locale où toutes les nations doi - vent et peuvent naviger en paix etc. Vertrag v. 8. May 1781. Art. ſep. 1. in Dohms Materialien 4. Th. S. 254. M. vergl. in Ruͤckſicht Daͤnemark die Aeuſſerungen ebendaſ. S. 281. und Polit. Journ. May 1781. S. 526.
a]b]Schrodt P. II. c. 1. §. 12. Martens a. a. O. §. 125. Schurzfleiſch diſſ. cit. §. 13. ſchreibt ziemlich heftig: Atque id indicio eſt, alienum hic eſſe imperium ma - ris vniverſi, quod qui vni vindicaret inventus eſt nemo qui ſaperet quidem, neque adeo impetu ſed ratione vteretur. Ein hartes Urteil, das beſonders den Gen - tilis, Selden ꝛc. trift.
b]c]Wieferne die Meinung des von Cancrin 1. Abh. 2. K. §. 57. u. f. S. 46. u. f. ſtatt finde, ergiebt ſich aus dem be - reits Geſagten. Er glaubt naͤmlich, man muͤſſe bey der Frage: ob die offenbare See einer Herſchaft unterworfen ſey? zwey Punkte in Betrachtung ziehn: 1] ob es nach der Natur des Voͤlkerrechts erlaubt, 2] ob es nach der Natur des Meeres und der Macht der Voͤlker moͤglich ſey? Die erſte Frage muͤſſe beiaht werden, weil alle Dinge zum Gebrauch der Menſchen erſchaffen ſind und dem gehoͤren, der ſie zuerſt occupirt. Aus dieſem GrundeC 2koͤnten36koͤnten auch Voͤlker mit Recht die offenbare See, die noch unter keiner Herſchaft ſteht, in Beſitz nehmen ꝛc. Die zwote Frage lieſſe ſich auch beiahen, wenn es moͤg - lich waͤre, daß ein Volk das nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts in Beſitz genommene Meer immer ſchirmen und ſchuͤtzen und ſich dabey erhalten koͤnnte, welches aber kein europaͤiſches Volk, wegen Eiferſucht der uͤbrigen, mit aller ſeiner Macht vermoͤgend ſey. M. vergl. Byn - ckershoeck de dominio mar. c. 3.
c]d]Das geſchahe vornaͤmlich, vermoͤge der gedachten paͤpſt - lichen Schenkungen, damals, als die Niederlaͤnder an - fingen nach Indien zu ſchiffen; und Grotius ſchrieb ſein mare liberum eigentlich gegen Portugal.
d]e]Der Titel der Koͤnige von Spanien: Koͤnig der In - ſeln Indiarum und terrae firmae des Meeres Oceani gab ehedem auch Anlas, Spanien eine vermeintliche Herſchaft uͤber den Ocean zuzuſchreiben. Alleine Sel - den l. 1. c. 17. bemerkte ſchon, daß nach terrae firmae keine Interpunction zu ſetzen ſey, weil dieſer Titel nur bedeuten ſolle: Koͤnig der Inſeln ꝛc. des oceaniſchen Meeres, welche Papſt Alexander V. dem Koͤnige von Spanien geſchenkt hatte. M. vergl. Stypmann de iure maritimo &c. L. I. c. 6. n. 179. 311. u. f. in Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 233 und 239. In die - ſem Verſtande ſchreibt der Koͤnig ſich auch noch heutzu - tage: Rey — de las Islas y Tierra firme del Mar Oceano. Daß Spanien indes noch in neuern Zeiten, beſonders bey Gelegenheit der Streitigkeiten mit Gros - britannien wegen der Inſel Falkland ſich fuͤr berechtigt gehalten habe, alle Nazionen von der Suͤdſee auszu - ſchlieſſen, iſt ſchon oben §. 10. Not. a. erinnert worden. ſ. neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 124.
e]f]Schon Alb. Gentilis in Advoc. Hiſpanica. L. I. c. 8. legte den Englaͤndern ein Recht auf die Herſchaft desOceans37Oceans bey. Auch Selden erſtreckte ſeine Behaup - tungen zu Gunſten Englands auf das ganze Meer. Mare, ſagt er, intelligimus vniverſum & tam Ocea - num apertum ſeu exteriora quae ſunt maria, quam quae interiora ſunt veluti Mediterraneum, Adriaticum Aegaeum, Britannicum, Balticum & quae ſunt id ge - nus alia haud aliter ab Oceano ac vti partes vnde - quaque homogeneae a toto diſerepantia L. I. c. 3. Allein der engliſche Hof ſelbſt hatte in den damaligen Zeiten ganz andere Geſinnungen; denn als der ſpaniſche Geſandte Bernardino Mendoza 1580. ſich uͤber einige Beeintraͤchtigungen des bekanten engliſchen Weltumſeg - lers Franz Dracke beſchwerte, machte die Koͤnigin Eliſa - beth mancherley Einwuͤrfe gegen die ſpaniſche Anmaaſ - ſungen auf die alleinige Schiffahrt nach Indien, und aͤuſſerte unter andern: maris & aeris vſus omnibus eſſe communis. Nec ius in Oceanum populo aut privato cuipiam poſſe competere, cum nec naturae nec vſus publici ratio occupationem permittat. Cambdenus ad an. 1580. In der Folge beſchwerten ſich iedoch die europaͤiſchen Maͤchte verſchiedentlich uͤber die grosbritanniſchen Herſchaftsabſichten. La Cour de Londres, hieß es, a depuis bien long tems pour ma - xime qu’elle doit dominer excluſivement ſur toutes les mers; toutes ſes demarches ſans ceſſe dirigeés vers ce but — Ce ſont toutes ces cauſes réunies, qui la porterent — à ſ’arrager un empire tyrannique en pleine mer; à préſcrire des loix arbitraires, incon - nues et inadmiſſibles — La continuation de la guerre eſt devenue inévitable — pour mettre un terme à l’empire tyrannique que l’Angleterre a uſurpé et prétend conſerver ſur toutes les mers V. Expoſé des motifs de la France contre la Grande Bretagne du 13. Juil. 1779. und Obſervat. ſur le Memoire juſti - ficatif. de la Cour de Londres in Dohms Materia -C 3lien38lien 4. Th. S. 100. u. f. M. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 481.
f]§. 19. Eigenthum uͤber die durch Lande abgeſon - derte Theile des Meeres.
Ob nun gleich die Freiheit der offenen See, oder der groſſen aͤuſſern Weltmeere, von Eigenthum und Herſchaft von ieher faſt durchgaͤngig anerkant worden, ſo haben doch auch immer verſchiedene Nazionen ſich der in Lande eingeſchloſſenen Abtheilungen des Meeres, oder der, nach Verſchiedenheit der Laͤnder, mit beſon - dern Namen belegten Particular-Meere anzumaaſſen geſucht, und es hat ihnen wenigſtens nicht an Schrift - ſtellern zu Behauptung ihrer Rechte gefehlt. Wenn ſaͤmtliche Lande, welche einen ſolchen Theil des Meeres umgeben, einem Volke gehoͤren, oder wenn, wo meh - rere daran ſtoſſen, ſich erweiſen lieſſe, daß ein Volk zuerſt denſelben in Beſitz genommen, und der Eingang ſo beſchaffen waͤre, daß andere davon fuͤglich abgehal - ten werden koͤnten, wie z. B. das mittlaͤndiſche Meer ehemals unter der Roͤmer Herſchaft, ſo kan man die - ſem Volke das Recht nicht abſprechen, ſich einen ſol - chen Theil des Meeres zuzneignen: es wuͤrde auch leicht im Stande ſeyn, theils vom Lande aus, theils mittelſt einer Flotte ſich bey dem Beſitze zu erhalten und andere von deſſen Gebrauch auszuſchlieſſen. Den uͤbrigen ge - ſchieht dadurch kein Unrecht, weil ihnen noch Meer ge - nug zur Benutzung uͤbrig bleibt. Ich will die vor - zuͤglichſten Particularmeere kuͤrzlich durchgehn, und zei - gen, in wie ferne ein oder das andere europaͤiſche Volk ſich eines Eigenthums daruͤber angemaaſt habe, und dann bemerken, welche dermalen gemeiniglich fuͤr frey oder beherſcht gehalten werden.
*] Gro -39*]Grotius L. II. c. 3. §. 8. ſagt: mare occupari po - tuiſſe ab eo qui terras ad latus vtrumque poſſideat, etiamſi aut ſupra pateat vt ſinus, aut ſupra & infra vt fretum, dummodo non ita magna ſit pars maris, vt non cum terris comparata portio earum videri poſſit. M. vergl. §. 10. n. 2. Ein etwas groͤfferer oder geringerer Umfang im Verhaͤltnis zum Lande thaͤt zur Sache eben nichts. Das Hauptwerk komt darauf an, daß die Nazion, welche das Eigenthum eines ſol - chen Particularmeeres behauptet, den ganzen Umfang deſſelben vom Gebrauche anderer auszuſchlieſſen vermag. ſ. Martens L. IV. c. 4. §. 123.
*]**]Die Beweiſe fuͤr die Rechtmaͤſſigkeit dieſes Eigenthums ſind gewoͤnlich aus einer Menge bibliſcher und profaner Schriftſtellen, aus Schenkungen, Belohnungen und an - dern Verguͤnſtigungen der Paͤpſte und roͤmiſchen Kaiſer von den Zeiten her, wo die Herſchaft der Welt noch unter dieſe beide Monarchen getheilt war, aus dem Be - ſitz der aͤlteſten Vorfahren, aus dem Anerkentnis andrer Nazionen, die um Erlaubnis, auf dieſen Meeren zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. angeſucht haben, aus Haltung eines Admirals u. d. g. hergenommen.
**]§. 20. Das britanniſche Meer.
Unter dem britanniſchen Meere verſteht man nicht nur, im engern Verſtande, einen Theil des atlanti - ſchen Meeres, den ſogenanten Kanal zwiſchen den gros - britanniſchen und franzoͤſiſchen Kuͤſten, von den In - ſeln Queſſant, bis an die Meerenge von Calais, ſon - dern auch, in einer weitlaͤuftigern Bedeutung, das ganze Meer, welches England, Schottland und Irr - land und die dazu gehoͤrigen Inſeln umfließt. Ueber beide hat Grosbritannien mehrmalen ein EigenthumC 4und40und die Herſchaft behaupten wollen, iſt aber beſonders mit den vereinigten Niederlanden oͤfters daruͤber in Irrungen und Krieg gerathen. Es ſtuͤtzt ſich auf die gewoͤnlichen obangefuͤhrten Eigenthumsgruͤnde des Meeres uͤberhaupt, vornaͤmlich auf einen undenklichen Beſitz vor Julius Caͤſars Zeiten her: ia es will ſogar aus dem Namen, den es zum Zeichen des brittiſchen Eigenthums erhalten haben ſoll, ein Recht herleiten. Andere europaͤiſche Nazionen, beſonders Frankreich, haben dieſes Recht aber keinesweges anerkant, und ge - gen die letztere Behauptung erinnert, daß die Benen - nung nicht ſowohl von den Britten, als von der itzi - gen franzoͤſiſchen Landſchaft Bretagne herruͤhre, wie - wohl die vereinigten Niederlande der Krone Grosbri - tannien in verſchiedenen Vertraͤgen mancherley Vorzuͤ - ge in Abſicht auf das britanniſche Meer eingeraͤumt haben. a]
a]Beſonders 1654. 62. und 67. Dann in dem Frieden zu London 1674. worinnen ſie verwilligten, daß ganze hollaͤndiſche Flotten vor einzelnen engliſchen Schiffen die Segel ſtreichen ſollen. Doch haben ſie nachher ge - aͤuſſert, daß dieſe Ehrenbezeigung nicht eben zum Zei - chen der Herſchaft, ſondern aus Reſpect, Gewohnheit ꝛc. geſchehe.
a]*]Auſſer dem ſchon obenangefuͤhrten Selden gehoͤren hie - her noch folgende Schriften; I] Fuͤr die Rechte Grosbritanniens: Alb. Gentilis Advocatia hispanica Lib. II. Hanov. 1613. 4. Er ſoll auch ein beſonderes Buch de iure maris geſchrieben haben. The Sovereignty of the Britiſh Seas in the year 1633. proved by records hiſtory and the municipal laws of this Kingdom by Sir John Boroughs [oder Burr - hus, wie ihn Selden ſchreibt] Keeper of the recordsin41in the Tower of London 1651. 12. Moſer im Verſuch 5. Th. S. 482. fuͤhrt Ios. Bourough Im - perium maris Britannici ex monumentis hiſtoricis legibusque Anglicae demonſtratum, Lond. 1686, Fol. an, welches ich fuͤr eine Ueberſetzung des erſtern halte. Ich habe aber beide nicht zu Geſichte bekom - men koͤnnen. Guil. Welwood de dominio maris iuribusque praecipue ad dominium ſpectantibus. Hagae 1653. 4. II] Die Widerſpruͤche der vereinigten Niederlande ver - theidigten, naͤchſt dem Grotius: Theod. Graswinckelii vindicatio maris liberi adverſus Guil. Welwoodum Britannici maris dominii aſſer - torem. Hagae. 1653. 4. Mart. Schockii imperium maritimum in quo cuique genti, maximae Belgis foederatis, ſuus vindica - tur honos. Amſt. 1654. 12. auch in Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 57 — 110. gehoͤrt einigermaaſſen auch hieher, er iſt aber mehr hiſtoriſch und enthaͤlt viele gute Ermahnungen, die erworbene Seemacht zu erhalten.
*]**]M. vergl. Schweders Theatr. Praetens. von Gla - fey 1. Th. S. 312. u. f. Moſers Verſuch 5. Th. S. 473. u. f.
**]§. 21. Die Nordſee oder das teutſche Meer.
Das Eigenthum der Nordſee oder des teutſchen Meeres, [mare Germanicum] welches zwiſchen Gros - britannien, den vereinigten Niederlanden, Teutſchland und Daͤnemark hineingehet, und, mittelſt des Paſſes von Calais, ſich mit dem Kanal oder eigentlich ſoge - nanten britanniſchen Meere vereinigt, iſt von Gros - britannien, den vereinigten Niederlanden und Daͤne -C 5mark42mark verlangt und beſtritten, aber keiner Nazion von andern zugeſtanden worden.
*]Von Schriften koͤnnen hier noch bemerkt werden: Marc. Zuer. Boxhorn Apologia pro navigationibus Hollandorum, adverſus Pontum Heuterum [Auct. Rerum Burgundicarum Libr. VI. ] qua praeceden - tium ſaeculorum navigationes earumque iura & inſtituta ex tabulis praeſertim publicis aſſeruntur. Lugd. Bat. 1633. 12. und in Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 295 — 304. Io. Iſaac Pontani diſcuſſionum hiſtoricarum de marl libero adverſus Io. Seldeni mare clauſum libri II. Hardervic. 1637. 1640. 8. auch in Cocceji Grot, illuſtr. S. 111 — 192. Er vertheidigt die Rechte der Daͤnen. M. vergl. Schweders Theat. praet. 1. Th. S. 254.
*]§. 22. Die Oſtſee.
Die Oſtſee, oder das baltiſche Meer [mare Balti - cum] iſt eigentlich ein groſſer Meerbuſen zwiſchen Daͤ - nemark, Schweden, Rußland, Polen, Preuſſen und Teutſchland. Auf derſelben ſchreiben ſich Schweden und Daͤnemark vorzuͤgliche Rechte zu, a] und letztere Krone hat beſonders in aͤltern Zeiten beinah eine aus - ſchließliche Herſchaft daruͤber ſich angemaſt, dem aber Schweden, Polen und die uͤbrigen angrenzenden Na - zionen widerſprochen haben. Wenn auch Neyrons Vorgeben gegruͤndet waͤre, daß Schweden, Daͤnemark und Rußland, in einem Vertrage zwiſchen den letztern beiden Maͤchten, 1730. das baltiſche Meer unter ſich ge - theilt haͤtten, b] ſo koͤnte doch dieſes einſeitige Unter - nehmen den uͤbrigen Nazionen nicht nachtheilig ſeyn. c]
a] Beide43a]Beide nahmen es daher ſehr uͤbel auf, als Kaiſer Fer - dinand II. dem General Wallenſtein den Titel eines Generals des oceaniſchen und baltiſchen Meeres beilegte. Schweden [welches Kraft einer Verguͤnſti - gung Kaiſer Karls V. die im Stetiner Frieden mit Daͤ - nemark, unter Kaiſer Maximilian II. Vermittelung, 1570. beſtaͤtigt worden war, ein beſonderes Schutzrecht uͤber dieſes Meer verlangte] fuͤhrte dies ſogar mit als eine Urſach des Krieges wider den Kaiſer an. ſ. Stypmann de iure marit. L. I. c. 6. n. 179. 358. u. f. Henr. Com. a Bunau diſſ. de iure imp. circa maria §. 25. u. f.
a]b]Neyron principes &c. §. 273. S. 245. Dieſer Ver - trag von 1730. 30. Octb. hat eigentlich blos den Schifs - gruß beiderſeitiger Schiffe zum Gegenſtand. Es wird des Dominii in der Oſtſee, als eines Grundes davon, in verſchiedenen Artikeln gedacht, deswegen iſt er aber immer noch kein Theilungsvertrag uͤber dieſes Meer.
b]c]Eben ſo wenig, als wenn Schweden und Grosbri - tannien in der Allianz vom 21. Jan. 1720. Art. 15. bedingen: daß dieſes Buͤndnis keinem Theile an ſeinen Rechten und dominio marium, als Schweden in der Oſtſee, und Grosbritannien in den Meeren, welche Bri - tannica genant werden, praͤiudiciren ſolle.
c]*]M. vergl. folgende Schriften: Mare Balticum, i. e. hiſtorica deductio vtri regum Daniae ne an Poloniae praedictum mare ſe deſpon - ſatum agnoſcat? Poloni cuiusdam nuper typis excuſo diſcurſui neceſſario oppoſita 1638. 4. Anti-Mare Balticum ſeu recapitulatio tractatus cui titulus: Mare Balticum, ſcilicet an ad Reges Daniae an ad Reges Poloniae pertineat? 1639. 4. D. du Maurier diſſ. ſuper vetere Auſtriacorum pro - poſito occupandi maris Baltici, Paris 1644. 4. Stypmann a. a. O. L. I. c. 6. ingl. Schweders Theat. praet. von Glafey 1. Th. S. 252.
*] §. 23.44§. 23. Mitlaͤndiſches Meer.
Ueber das mitlaͤndiſche Meer, eines der groͤſten, welches die Lande verſchiedener europaͤiſcher Nazionen von Aſien und Afrika trennt, und, mittelſt der Meer - enge von Gibraltar, mit dem atlantiſchen Meere zu - ſammenhaͤngt, hat, ſeit dem die Herſchaft der Roͤmer, welche alle daran gelegenen Lande beſaſſen, ein Ende erreicht, a] im Ganzen eben kein Volk ein ausſchließli - ches Recht behauptet; auſſer was etwa einige Schrift - ſteller dieſem oder ienem zuzuſchreiben fuͤr gut gefunden haben. b] Indes iſt in neuern Zeiten daruͤber geſtrit - ten worden, ob es fuͤr ein geſchloſſenes Meer zu ach - ten. c] Auf einzelne Stuͤcke deſſelben hingegen, die ihren beſondern Namen fuͤhren, z. B. das adriatiſche, das liguſtiſche Meer, machen mehrere europaͤiſche Voͤl - ker Anſpruch.
a]Mart. Schockii Imperium marit. c. 5. in Cocceji Grot. illuſtr. S. 64. Bynckershoeck de domin. maris c. 3.
a]b]Herm. Conringii Conſilium de maris mediterranei dominio & commerciis regi Chriſtianiſſimo vindicandis. Helmſt. 1670. 4. und in Opp. T. I. p. 989 — 1008. Er glaubt naͤmlich, daß Frankreich ſich zum Herrn des mitl. Meeres machen koͤnte, wenn es wolte; und Byn - kershoeck a. a. O. c. 6 aͤuſſert, daß der Koͤnig in Frankreich 1657. gegen den hollaͤndiſchen Geſandten wirklich einen ſolchen Eigenthumsgedanken gehabt habe.
b]c]Rußland behauptete bey Gelegenheit der Irrungen mit der Pforte 1783. gegen Frankreich, welches die bevor - ſtehende Erſcheinung einer ruſſiſchen Flotte im mitlaͤn - diſchen Meere nicht mit gleichguͤltigen Augen anſah, daß dieſes Meer kein geſchloſſenes Meer [mare clauſum] wie die Oſtſee ſey, da die Straſſe von Gibraltar nicht ſo wie der Sund geſchloſſen werden koͤnte, und eineMenge45Menge Nazionen gleiches Recht daran haͤtten. Polit. Journal Jul. 1783. S. 684.
c]§. 24. Adriatiſches Meer.
Das Eigenthum und die Herſchaft uͤber das adria - tiſche Meer, [Mare Adriaticum, Golſo di Venezia] wel - ches aus einem groſſen Meerbuſen des mitlaͤndiſchen Meeres zwiſchen den Kuͤſten von Dalmatien, Iſtrien und Italien von Otranto und gegenuͤber Valona bis Venedig beſteht, hat beſonders zwiſchen der Republik Venedig und dem Hauſe Oeſterreich, als Beſitzern des Koͤnigreichs Dalmatien, dann auch den Koͤnigen von Neapolis und Sicilien, ingleichen dem Papſt heftige Streitigkeiten und blutige Kriege veranlaßt. Am leb - hafteſten verfolgt Venedig, an deren Gebiete dieſes Meer groſſentheils ſtoͤßt, ihre vermeintlichen Rechte, und ſucht die Herſchaft dadurch zu erhalten, daß der Doge, wie bekant, iaͤhrlich mit dieſem Meere, durch Hineinwerfung eines Ringes, ſich feierlich vermaͤhlt. a] Die Republik haͤlt ihre Occupation fuͤr ſo rechtmaͤſſi - ger, weil ihr paͤpſtliche Schenkungen und Verguͤnſti - gungen b] und dann ein vieliaͤhriger Beſitz zu Statten kaͤmen, indem iene Feierlichkeit allemal in Gegenwart von Geſandten der meiſten Voͤlker in Europa geſchaͤhe, noch keiner aber einen Widerſpruch dagegen vorgebracht habe. Allein oͤſterreichiſcher Seits erklaͤrt man alles fuͤr widerrechtliche Anmaaſſungen.
a]Wie Alexander der Groſſe das indiſche Meer durch Hineinwerfung goldener Becher in Beſitz nahm. Diod. Sic. Biblioth. l. 17. Iuſtin. c. 12.
a]b]Als iedoch in der Folge Papſt Alexander VI. die Vor - legung der Urkunde uͤber dieſe Schenkung verlangte, gab der venetianiſche Geſandte, Hyeron. Donatus, die be -kante46kante beiſſende Antwort: Sie werde ſich bey dem Schen - kungsbriefe Kaiſer Conſtantins uͤber den Kirchenſtaat an den Papſt befinden. ſ. Schweders Theat. praet. 2. Th. S. 607.
b]*]Es ſind uͤber dieſen Streit eine Menge Schriften erſchie - nen. Fuͤr die Republik Venedig: Aug. Mattheacius de iure Venetorum & iurisdictione maris Adriatici, Venet. 1617. 4. Alegazion in iure di Cornelio Francipane per la vitto - ria navale contro Federico I. Imperatore ed Atto del Papa Aleſſandro III. per il dominio della republica Veneta del ſuo Golfo contra alcune ſcritture de Na - politani, Venezia 1618. 4. Franc. de Ingenuis, Germani, Epiſtola de iurisdictione Venetae reipublicae in mare Adriaticum, ſcripta ad Liberium Vincentium, Batavum, contra Johannem Bapt. Valenzolam, Hiſpanum & Laurentium Moti - num, Romanum, Genev. 1619. 4. auch teutſch in Londorp. Act. publ. Tom. I. L. II. c. 15. und als Anhang bey nachſtehender Bergeriſchen Abhandlung. Iul. Pacii a Beriga de dominio maris Adriatici diſce - ptatio inter regem Hiſpaniae, ob regnum Neapolita - num, & rempublicam Venetam, Lugd. 1619. 4. und in Cocceji Grot. illuſtr. p. 1 — 18. Io. Palatii Leo maritimus ſive de dominio maris, Libri II. contra Graswinckelium, Venet. 1663. 12. Paolo Sarpi dominio del mare Adriatico della ſereniſſi - ma republica di Venezia, 1685. 12. auch im ſechſten Vol. ſeiner Opp. Venez. 1686. 12. Fuͤr Oeſterreich und Neapel: Io. Aug. de Berger Succincta Commentatio de imperio maris Adriatici, Caeſari qua regi Dalmatiarum ac principi Iſtriae, vt & regi Neapoleos atque Siciliae proprio, Lipſ. 1723. 4. auch italieniſch unter dem Titel:Il47Il dubbio chiarato intorno al dominio del mare Adria - tico 1725. 4. M. vergl. Schweders Theat. praet. von Glafey 1. Th. S. 195. 2. Th. S. 607. u. f.
*]§. 25. Liguſtiſches Meer.
Ein anderes anſehnliches Stuͤck des mitlaͤndiſchen Meeres iſt das Liguſtiſche [mare Liguſticum] bei dem Gebiete der Republik Genua und der Inſel Corſica, deſſen Eigenthum die erſtere ſich zuſchreibt, und paͤpſt - liche ſowohl, als kaiſerliche Verguͤnſtigungen, inglei - chen einen langwierigen Beſitz fuͤr ſich anzieht; aber andere Nazionen, zumal die daran gelegenen, geſtehn ihr nichts zu.
*]Pet. Bapt. Burgi de dominio reipublicae Genuenſis in mari Liguſtico Libri II. Rom. & Bonon. 1641. Genuae 1643. 12. auch angehaͤngt dem Werke: Im - perii Germanici Jus ac Poſſeſſio in Genua Liguſtica, Hanov. 1751. 4. S. 415 — 610. Theod. Graswinckel Vindiciae adverſus Petr. Bapt. Burgum, Liguſtici maris dominii aſſertorem Hagae 1652. 4. Die Vindicias des Selden dagegen habe ich ſchon §. 16. angezeigt. M. vergl. Schweders Theat. Praet. 2. Th. S. 495. u. f.
*]§. 26. Das ſchwarze und einige andere Meere.
An das mitlaͤndiſche Meer ſchlieſſen ſich noch das aͤgeiſche [mare Aegeum] oder der Archipelagus, wel - ches mittelſt des Helleſponts, mit dem Mar di Mar - mora [Propontis] zuſammenhaͤngt, durch den Bosporus Thracicus geht, und dann das ſchwarze Meer [Pon -tus48tus Euxinus] formirt, von welchem das aſovſche [Pa - lus Moeotis] noch ein Anhang iſt. Da alle dieſe Mee - re im Gebiete der ottomanniſchen Pforte liegen, ſo be - hauptet dieſe auch das Eigenthum daruͤber.
§. 27. Meerengen und Meerbuſen.
Eben ſo iſt es mit den uͤbrigen kleinern Theilen des Meeres, Meerengen und Meerbuſen, ſie moͤgen Bayen oder Buchten ꝛc. ꝛc. ſeyn, beſchaffen. Wenn einem Volke die ſaͤmtlichen Kuͤſten oder Geſtade gehoͤren, wie z. B. Schweden an dem finniſchen Meerbuſen, oder der Pforte an dem Helleſpont und Bosphorus, oder wenn es ſich unter mehrern zuerſt in Beſitz geſetzt hat, und ſie ſo beſchaffen ſind, daß es andere davon abzuhalten vermag, ſo kan ihm das Eigenthum derſel - ben niemand ſtreitig machen.
*]Moſers Grundſ. des europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 1. Kap. §. 2. La Liberté de la navigation et du commerce des nations neutres pendant la guerre etc. Lond. et Amſt. 1780. §. 21. von Cancrin a. a. O. 1. Abh. 2. K. §. 66. S. 52.
*]§. 28. Eigenthum und Herſchaft des Meeres an den Kuͤſten.
Wenn aber die Kuͤſten eines mit Land umgebenen Theils des Meeres verſchiedenen Nazionen zugehoͤren, und keine davon dieſen Theil zuerſt in Beſitz genom - men hat, oder der Umfang deſſelben auch ſo beſchaffen iſt, daß ein Volk denſelben ausſchlusweiſe zu behaup - ten nicht im Stande iſt; ſo gehoͤrt iedem anſtoſſenden Volke ſo viel von dem Meere, als es von den Kuͤſtenaus49aus ſich zuzueignen im Stande iſt: das uͤbrige bleibt blos den anliegenden Nazionen gemeinſchaftlich, wenn ſie andern den Eingang verwehren koͤnnen, oder, wo dieſes nicht ſtatt findet, iſt es auch allen andern er - laubt, ſich des nicht in Beſitz genommenen Theils frey zu bedienen. Ueberſchreitet der Theil des Meeres, z. B. eine Meerenge, welche zwiſchen den Landen zweier Na - zionen durchgeht, die Breite eines groſſen Fluſſes nicht, ſo hat, wie bey dieſen, iede ein Recht bis auf die Haͤlfte. a]
Auch von dem offenen Meere, das nicht ins Land hineingeht, iſt es iedem Volke erlaubt, ſich an den Kuͤſten, die ihm gehoͤren, ſo viel zuzueignen, als es be - haupten kan. b] Dieſe Zueignung iſt rechtmaͤſſig und moͤglich. Es war ieder Nazion von der Natur ver - ſtattet, von dem Meere, ſo wie von dem Lande, einen Theil in Beſitz zu nehmen, ſo viel naͤmlich ihre Erhal - tung und Vervolkommnung erfordert. Sie thut daher niemanden Unrecht, wenn ſie ſich des ihr zunaͤchſtgele - genen Meeres ausſchließlich bedienet, und nicht geſtat - tet, daß andere ihr den ſo nahen Nutzen entziehn. Die uͤbrigen Voͤlker koͤnnen ſich der offenen See bedienen. Die Sicherheit und das Wohl des Staats uͤberhaupt erfordern auch, fremde Schiffe in einiger Entfernung von den Kuͤſten zu halten, um ſich nicht einem unver - mutheten Ueberfall auszuſetzen, der hier, wo alles of - fen, unendlich eher zu befuͤrchten iſt, als bey Nazio - nen, die mit andern Landen graͤnzen. Die Behauptung, daß in allen dieſen zu eigen gemachten Theilen des Meeres, wenigſtens die Schiffahrt, des Handels ꝛc. wegen, frey bleiben muͤſſe, iſt nach den Grundſaͤtzen zu beurtheilen, welche weiter unten in Anſehung des Durchzugs und des Handels durch die Lande eines an - dern Volks uͤberhaupt vorgetragen werden ſollen.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. DMoͤg -50Moͤglich iſt die Beſitznehmung und Behauptung des an die Kuͤſten ſtoſſenden Meeres auch, weil theils durch Unterhaltung einer Flotte, theils durch Anſtalten von den Kuͤſten aus, die Schiffe anderer Nazionen von deſſen Gebrauche fuͤglich abgehalten werden koͤn - nen. c]
Wie weit von den Kuͤſten aus ins Meer hinein das Eigenthum ſich erſtrecke? war beſonders ehedem eine ſehr ſchwer zu beſtimmende Frage. Die Antwort: ſo weit man daſſelbe zu behaupten im Stande, war damals ein ſehr unzuverlaͤſſiger Maasſtaab zur Grenz - ſcheidung. Jtzt, nachdem das grobe Geſchuͤtz erfunden worden, hat man das Eigenthum faſt durchgaͤngig ſo weit angenommen, als das Meer von den Kuͤſten aus mit Kanonen beſtrichen werden kann. d]
Von den meiſten neuern Voͤlkerrechtslehrern, ſo wie von den heutigen europaͤiſchen Nazionen ſelbſt, wird beinah allein uͤber dieſen an die Kuͤſte ſtoſſenden Theil des Meeres ein Recht des Eigenthums zugeſtan - den. e]
a]Martens précis du d. des g. L. IV. c. 4. §. 122.
a]b]Grotius in mar. lib. c. 5. und I. B. & P. L. 2. c. 3. und einer ſeiner vorzuͤglichſten Commentatoren Sam. von Cocceji halten, nach der Meinung der roͤmiſchen Juri - ſten, zwar auch die Kuͤſten ſelbſt fuͤr frey und dem ge - meinſchaftlichen Gebrauche vorbehalten; non, wie Coc - ceji bey der erſten Stelle ſchreibt, quia natura occupari non poſſunt, ſed ex medii neceſſitate, quia quatenus littora ad maris vſum neceſſaria ſunt, communia ne - ceſſario manere debent [Gebaͤude darauf ſetzen, Baͤume pflanzen, Netze trocknen ꝛc. werden iedoch dahin nicht gerechnet] M. vergl. deſſen Introd. ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. XII. §. 221. u. f. ingl. Graswinckel adv. Burgum c. 13. p. 219. Allein dieUfer51Ufer und Kuͤſten gehoͤren offenbar zum Lande eines Volks und machen einen Theil deſſelben aus, muͤſſen daher auch zum Eigenthum desienigen gehoͤren, der das Gan - ze beſitzt: Von dem im Nothfall ieder andern Nazion erlaubten Gebrauche deſſelben kan keine algemeine Regel genommen werden. Ueberhaupt ſcheinen die roͤmiſchen Rechtslehrer, bey Behauptung einer Gemeinſchaft der Meere und Kuͤſten, mehr auf die innern Staatsverhaͤlt - niſſe, als auf die Nazionen Ruͤckſicht genommen zu ha - ben, ſ. v. Cancrin a. a. O. 2. Abh. 1. Kap. §. 2. S. 102.
b]c]Ueber die Art, wie dieſer Beſitz ergriffen und erhalten wird, iſt man auch nicht einverſtanden. Die Haupt er - foderniſſe der Anſtalten dabey ſind, wie bey dem Lan - desbeſitz, daß die Abſicht der Zueignung daraus deut - lich erhelle, und daß die Ausſchlieſſung anderer dadurch bewuͤrkt werde. Defenditur, ſagt Burgus in dominio maris Liguſt. L. I. c. 17. ac retinetur maris impe - rium & poſſeſſio claſſe, bonaque diſciplina ac dili - gentia; atque vbi ita anguſtum eſt mare, vt e terris navigantes ad parendum cogi poſſint, arces quoque ſunt vtiles, quibus res Daniae ad fretum Oreſundae & Turcarum Imperator in faucibus Hellesponti ad maritimum imperium exercendum vtuntur. Dage - gen wendet zwar Graswinckel ein: qui navigat mare, non poſſidet mare — aliam occupationem, niſi quae formam rei mutet, non agnosco — puta ſi projectis molibus occupatur aut aggeribus clauditur, aut deni - que ſinus aliquis maris aut fretum occupatur. — Quidſi ad exemplum privati praedii aliquis inferre velit, reſpectu provinciae alluens mare provinciae accedere poſſit: ſed neceſſe erit vt ſimiliter ſepiatur quo mare clauſum dici poſſit — Verum admitti nullo modo poteſt id quod Burgus contendit: ſicut priva - tus ſepiendo mare ſuum facit, ita princeps mare claſ -D 2ſibus52ſibus occupando ſuum faciet. Graswinckel Vindic. adv. Burgum c. II. p. 189. c. 13. p. 219. c. 16. p. 227. und 232. Aber iener doppelte Zweck kan durch Flotten und Beſetzung der Kuͤſten mit Kanonen ohnſtrei - tig eben ſo gut erhalten werden, als durch Einzaͤu - nung ꝛc. die beim Meere ſelten moͤglich iſt.
c]d]Hieruͤber hatten die Voͤlkerrechtslehrer der vorigen Zeiten gar verſchiedene Meinungen. Man ſetzte die Grenzen des Eigenthums auf ſechzig, hundert und mehr Meilen, auf zwey Tagereiſen, ſo weit das Meer uͤberſehen wer - den kann ꝛc. Der heutige Grundſatz der europaͤiſchen Nazionen iſt zwar nicht algemein ausdruͤcklich, aber doch von den meiſten ſtilſchweigend anerkannt. Am richtig - ſten urtheilt hiervon Bynckershoeck de domin. mar. c. 2. Exiſtimem itaque eo vsque poſſeſſionem maris proximi videri porrigendum, quousque continenti poteſt haberl ſubditum; eo quippe modo, quamvis non perpetuo navigetur, recte tamen defenditur & ſervatur poſſeſſio iure quaeſita: neque enim ambigen - dum eſt, eum poſſidere continuo, qui ita rem tenet, vt alius eo invito tenere non poſſit. Vnde domi - nium maris proximi non vltra concedimus quam e terra illi imperari poteſt & tamen eo vsque; nulla ſiquidem ſit ratio, quum mare quod in alicuius im - perio eſt & poteſtate, minus eiusdem eſſe dicamus, quam foſſam in eius territorio — Quare omnium videtur rectius, eo poteſtatem terrae extendi, quous - que tormenta exploduntur, eatenus quippe cum im - perare tum poſſidere videmur. M. vergl. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 15. Schol. Moſers Grundſ. des europ. V. N. in Fr. Zeit. 4. B. 1. K. §. 3. deſſen erſte Grundlehren K. 6. §. 23. 24. deſſen Verſuch 5. Th. S. 486. Neyron §. 266. S. 239. Martens a. a. O. §. 122. v. Cancrin 1. Abh. 2. K. §. 65. S. 51.
d]e] Die53e]Die Hauptſchriftſteller uͤber das Eigenthum des Meeres an den Kuͤſten ſind: Fr. Stypmann de iure maritimo Gryphisw. 1652. 4. und das erſte Buch in Cocceji Grot. illuſtr. ed. cit. beſonders L. I. c. 5. Conr. v. Bynkershoeck diſſ. de dominio maris Hag. 1703. 8. und in Opp. min. Lugd. 1752. 4. n. 6. p. 351. ingl. in Cocceji Grot. illuſtr. p. 361 — 392. M. vergl. Grot. I. B. & P. L. 2. c. 3. §. 8. u. f. Wolff c. I. §. 128. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 15. c. 2. §. 18. La liberté de la navigation etc. §. 22.
e]§. 29. Gegenwaͤrtige Grundſaͤtze der europaͤi - ſchen Nazionen in Abſicht der Her - ſchaft und Freiheit der Meere.
Nach den heutigen Grundſaͤtzen der Voͤlker in Europa ſind von den vorgedachten Meeren einige ganz frey, andere beherſcht und uͤber noch andere wird geſtritten.
I] Im Eigenthum und beherſcht iſt 1) alles Meer an den Kuͤſten einer ieden Nazion, ſo weit es mit Kanonen beſtrichen werden kann. Von ganzen Meeren, Meerengen ꝛc. 2) das ſchwarze Meer. 3) Das aͤgeiſche Meer. 4) Das mar di Marmora nebſt den Meerengen. 5) Der Helleſpont, und 6) Bospo - rus thracicus, ſaͤmtlich von der ottomanniſchen Pforte. Die drey Meerengen zwiſchen Daͤnemark und Schwe - den naͤmlich 7) der Oreſund, 8) der groſſe und 9) der kleine Belt, welche aus der Nordſee in die Oſtſee fuͤh - ren, gehoͤren der Krone Daͤnemark a] 10) der bothni - ſche Meerbuſen von der Oſtſee, der Krone Schweden