PRIMS Full-text transcription (HTML)
Europaͤiſches Voͤlkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Vertraͤgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutſchen Reichsſtaͤnde
Zweiter Theil.
Altenburg, 1792. In der Richterſchen Buchhandlung.
Europaͤiſches Voͤlkerrecht
Zweiter Theil.

Vorerinnerung.

Aufgemuntert durch die nachſichtsvollen und zum Theil nicht unguͤnſtigen Urtheile des Publikums uͤber den erſten Theil dieſes Voͤlkerrechts, wuͤrde ich nicht angeſtanden haben, die uͤbrigen Theile nachfolgen zu laſſen, waͤre ich nicht durch mancherley Zufaͤlle von einer Zeit zur andern daran gehindert worden. Endlich ſehe ich mich im Stande, hier wenigſtens den zweiten Theil zu liefern, der aus mehr als einem Betracht gleicher Nachſicht bedarf. Meiner vor - maligen Abſicht nach ſolte derſelbe die noch uͤbrigen Grundſaͤtze des europaͤiſchen Voͤlkerrechts in Friedenszeiten in ſich faſſen und dieſe Materie beſchlieſſen; ich ſehe mich aber durch die Menge von Materialien genoͤthigt, noch einen dritten Theil hinzuzufuͤgen, welcher die Ausfuͤhrung der einzelnen Hoheits - rechte in Beziehung auf das Voͤlkerrecht enthalten ſoll. Ich beſorge allerdings, daß mir von einigen der Vorwurf einer zu groſſen Weitlaͤuftigkeit in Anfuͤhrung der Beiſpiele gemacht werden duͤrfte; ich war auch mehr als einmal entſchloſſen, mich weniger dabey aufzuhalten; allein die Betrachtung: daß bey dem ſogenanten poſitiven Voͤlkerrechte das meiſte auf Beiſpiele ankomme, und daß die Saͤtze deſſelben eigentlich durch das Anerkentnis aller oder doch der meiſten und vor - zuͤglichſten Nazionen Europens beſtaͤttigt werden ſolten, be - ſtimte mich, von der bisherigen Methode nicht abzugehn,* 2undVorerinnerung.und ich hoffe, daß viele mir es im Gegentheil Dank wiſſen werden, hier manches Beiſpiel anzutreffen, das ſonſt, be - noͤthigten Falls, muͤhſam aufgeſucht werden muͤſte, zumal da ich mich meiſt der eignen Worte der Vertraͤge und Staats - ſchriften bedient habe.

Einige Erinnerungen, die man bey dem vorigen Theile gemacht hat, habe ich beſtens zu benutzen geſucht. Dahin gehoͤrt, daß ich den wuͤrklich nicht ganz angemeſſenen Aus - druck: Halbſouverain ſowohl von Landen als von Regenten gaͤnzlich aufgegeben und mich der, wie ich glaube, ſchickli - chern Benennung von Landesherrn und landeshoheitlichen Staaten bedient habe. Gegen andere Einwuͤrfe lieſſe ſich manches ſagen, ich will mich aber bey deren Widerlegung nicht aufhalten. Verſichern kann ich indes, daß mir iede gegruͤndete und belehrende Anmerkung angenehm ſeyn wird.

Der dritte und letzte Theil ſoll baldmoͤglichſt nachfolgen. Alsdann wird es von dem Wunſche des Publikums und von meinen uͤbrigen Verhaͤltniſſen abhangen, ob die verſprochene Ausarbeitung der uͤbrigen Voͤlkerrechts-Materien erſcheinen ſoll und kann. Wenigſtens hoffe ich mit einem Auszuge und der Fortſetzung des Georgiſchen Urkundenverzeichniſſes in Abſicht des Voͤlkerrechts keine unnuͤtze Arbeit zu unternehmen.

Die eingeſchlichenen Druckfehler wird der Leſer groͤſtenteils zu bemerken und zu verbeſſern im Stande ſeyn, da ich durch Abweſenheit und andere Umſtaͤnde behindert worden, die Bogen behoͤrig durchzuſehn. Dresden, am 28. April 1792.

Inn -

Innhalt.

  • Zweites Buch. Von dem Eigenthum der Nazionen, ihrem Ge - biete und deſſen Erwerbe uͤberhaupt, beſonders von dem Territorium der Voͤlker in Europa.
  • Erſtes Kapitel: Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker und deren urſpruͤnglichen Erwerbe. S. 1.
  • Zweites Kapitel: Von Erlangung des Eigenthums von andern oder den abgeleiteten Erwerbs - arten. S. 76.
  • Drittes Kapitel: Vom gemeinſchaftlichen und geteilten, unvolkomnen und eingeſchraͤnkten Eigen - thum der Lande. S. 149.
  • Viertes Kapitel: Von den Landesgrenzen. S. 170.
  • Fuͤnftes Kapitel: Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande. S. 211.
  • Sechſtes Kapitel: Von Garantirung der Lande. S. 243.
  • Drittes Buch. Von den Landesbewohnern und deren verſchiede - nen Beſtimmungen und Verhaͤltniſſen nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts.
  • Erſtes Kapitel: Von den verſchiedenen Gattungen der Lan - desbewohner und den Gerechtſamen der Voͤl - ker in Abſicht derſelben uͤberhaupt. S. 255.
  • Zweites Kapitel: Von den Rechten der Nazionen gegen ein - ander in Abſicht des geſamten Volks und der es darſtellenden Staͤnde. S. 264.
  • Drittes Kapitel: Von den Gerechtſamen in Anſehung der einzelnen Buͤrger und Unterthanen. S. 296.
  • Viertes Buch. Von der Landesregierung und den verſchiedenen Beſtimmungen der Oberherſchaft in einem Staate, im Verhaͤltnis gegen andere Nazionen.
  • Erſtes Kapitel: Von der Feſtſetzung einer gewiſſen Regie - rungsform. S. 368.
  • Zweites Kapitel: Von der Regierungsfolge. S. 391.
  • Drittes Kapitel: Von Antritt und Endigung der Regie - rung. S. 428.
  • Viertes Kapitel: Von den Titeln, Wapen und uͤbrigen Ehrenzeichen der Regenten. S. 439.
  • Fuͤnftes Kapitel: Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen der Regenten gegen einander nach dem Voͤl - kerrecht. S. 473.
  • Sechſtes Kapitel: Von den Familienangelegenheiten der RegentenS. 483.
Zwei -[1]

Zweites Buch. Von dem Eigenthum der Nazionen, ihrem Gebiete und deſſen Erwerbe uͤberhaupt, be - ſonders von den Territorien der Voͤlker in Europa.

Erſtes Kapitel. Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.

§. 1. Begrif des Eigenthums.

Die Natur ſelbſt hat zwar den Nationen eben ſo wenig, als einzelnen Menſchen einen beſtimmten Theil von den Guͤthern der Erde angewieſen; doch hat ſie ihnen in dem Geſetze der Erhaltung und Vervol - kommung [1. Buch. 6. K. 2 6 §. ] zugleich das Recht zugeſtanden, ſich aller zu Erreichung dieſes End - zwecks erforderlichen Dinge zu bemaͤchtigen, in ſofern den gleichen Rechten der andern dadurch kein Eintrag geſchieht. Das, was einzelne Menſchen und Fami - lien im natuͤrlichen Zuſtande, oder, nach EntſtehungGuͤnth. Voͤlk. 2. B. Ader2Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerder Staatsvereine, ganze Voͤlker auf dieſe Art an ſich bringen, wird ihr Eigenthum, das ſie, mit Aus - ſchlus aller uͤbrigen, nach ihrem Gefallen zu gebrauchen berechtigt ſind.

*]Io. Henr. Berger Diſſ. de exordio proprietatis ſ. ori - gine dominii, Witeb. 1709. Chr. Thomaſius, Diſſ. de dominio ejusque natura. Hal. 1730.
*]

§. 2. Deſſen Erwerb.

Alle Dinge waren urſpruͤnglich ohne einen beſtimm - ten Eigenthuͤmer, [res nullius] obſchon alle Menſchen das Recht hatten, ſich derſelben ohne Unterſchied zu ihrer Erhaltung und Vervolkommung zu bedienen. Es war iedem ſelbſt uͤberlaſſen, ſo viel als er hierzu noͤthig fand, an ſich zu nehmen. Wer eine Sache zuerſt zu ſeinem Gebrauch ergrif, dem gehoͤrte dieſelbe, ſo lange er ſich ihrer bediente, eigenthuͤmlich. Niemand war befugt, ihn an dieſer Ergreifung zu hindern, weil keiner ein mehreres Recht auf die Sache hatte. Es war den andern frey, von den noch uͤbrigen Guͤthern ſich ebenfalls das Noͤthige zu bemaͤchtigen. Dies war die erſte urſpruͤngliche Erwerbungsart [acquiſitio origi - naria.] Niemanden ſtand auch an der einmal zu eigen gemachten Sache nun ein Recht weiter zu, ſie muͤſte denn von dem erſten Eigenthuͤmer aufgegeben, und wieder herrnlos geworden ſeyn, oder dieſer ſeine Rechte einem andern foͤrmlich uͤberlaſſen haben [acqui - ſitio derivativa.] Jedem gebuͤhrte der wilkuͤhrliche und ausſchließliche Gebrauch, nicht nur der ſich eigenthuͤm - lich angemaaſten Hauptſache, ſondern auch aller derſel - ben anhangenden Nutzungen und kuͤnftigen Zuwuͤchſe [acceſſiones.]

*] Aus3und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
*]Aus dem Heer von Schriften uͤber den natuͤrlichen oder Voͤlkererwerb will ich nur folgende auszeichnen: Cph. Phil. Richter Diſſ. de acquirendo rerum domi - nio ex iure gentium, Jen. 1652. und in deſſen Velitat. n. 28. Jo. Georg. Kulpis collatio philoſophiae Grotianae cum principiis iuris Romani circa acquiſitiones iu - ris gentium ad Hug. Grot. L. II. c. 8. de I. B, & P. Arg. 1686. und in deſſen Diſſ. acad. p. 392 351. Gebh. Garber, Diſſ. de rerum dominio iure gentium acquirendo Lugd. Bat. 1722. 4. Ev. Otto, Diſſ. de modis acquirendi iuris gentium Vltraj. 1727. Paul Jac. Marperger, Diſſ. de acquiſitione dominii originaria in ſtatu naturae, Lipſ. 1741.
*]
**]Weiter als von dem gemeinſchaftlichen Rechte iſt die Gemeinſchaft der Guͤter im natuͤrlichen Zuſtande [communio primaeva] welche man gemeiniglich an - nimmt, wohl nicht zu verſtehen. In dieſer Ruͤckſicht wird ſie von einigen Naturrechtslehrern eine negative Gemeinſchaft [communio negativa] genant. Eine wirkliche oder ſogenante poſitive Gemeinſchaft, [com - munio poſitiva, oder condominium] ohne abgeſonderte Eigenthumsbezirke konte ſelbſt unter den erſten Bewoh - nern der Erde nicht lange Statt finden. Als die Natur ihnen ohne Muͤhe und Fleis uͤberall noch hinlaͤngliche Nahrung gewaͤhrte, war es freilich einerley, wo ſie die - ſelbe ſuchen und nehmen wolten: ſo bald aber eine meh - rere Bearbeitung der Erde hierzu erfoderlich wurde und dies geſchah, nach der aͤlteſten Geſchichtsurkunde, ſehr bald ſo war es natuͤrlich, daß jeder, um die Fruͤchte ſeines Fleiſſes gegen die Anmaaſſungen anderer zu ſichern, ein Stuͤck Landes zur Bebauung ſich zueigne - te. Die ausdruͤckliche, oder wenigſtens ſtilſchweigendeA 2Ein -4Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerEinwilligung der uͤbrigen, woraus Grotius [L. II. c. 2. §. 5. de I. B. & P.] Puffendorf [I. N. & G. L. IV. c. 4. §. 5. u. f.] und andere, die ihnen folgen, in Ruͤckſicht einer vermeintlichen Gemeinſchaft, ſowohl der Rechte, als der Guͤter, das Eigenthumsrecht an der ausſchließlich ſich angemaaſten Sache herleiten, war je - doch hierzu weder noͤthig noch moͤglich. Niemand hatte ein Recht auf eine beſtimte Sache; er konte alſo auch gegen den, der ſich in Ergreifung eines Stuͤck Landes ſeiner natuͤrlichen Freiheit bediente, nicht behaupten, daß ihm ſeine Sache und ſein Recht genommen wuͤrde, folg - lich ihn daran nicht hindern. Wer aber nicht wider - ſprechen kann, deſſen Einwilligung iſt auch unnoͤthig. Wie waͤre es uͤberdies moͤglich, daß irgend jemand ſei - nes Eigenthums je gewis haͤtte ſeyn koͤnnen, wenn er, vor deſſen Erlangung die ausdruͤckliche oder ſtilſchweigen - de Einwilligung aller uͤbrigen Erdenbewohner erwarten ſolte? aus einer bloſſen Vermuthung aber kann ſolche mit verbindlichem Rechte ohnmoͤglich gefolgert werden. Dies haben Locke in ſeinem Gouvernement civil [tra - duit de l’Anglois] Bruxelles 1749. c. 4. Barbeyrac in den Noten zu vorangefuͤhrten Stellen des Grotius und Puffendorf, ingleichen Achenwall in I. Nat. L I. §. 116. ſehr einleuchtend gezeigt. M. vergl. Sam. Cocceji Introd. ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. I. c. 3. diſſ. VI. c. 1. diſſ. XII. L. 4. c. 3. Schrodt Syſt. I. Gent. P. II. c. 1. §. 4 und 6.
**]

§. 3. Urſpruͤnglich durch Beſitzergreifung.

Jede Sache, woran niemand noch Eigenthum ge - habt hat [res nunquam occupata], oder die durch Ver - laſſung des erſten Eigenthuͤmers wieder in den natuͤrli - chen Zuſtand zuruͤckgegangen iſt, [res derelicta] kanndaher5und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.daher durch bloſſe Beſitzergreifung zu Eigenthum ge - macht werden. Dieſe Beſitznehmung erfodert nun zwar eben keine beſtaͤndige koͤrperliche Innehabung, a] ſie muß jedoch ſo beſchaffen ſeyn, daß der Wille, ſich eine Sache zuzueignen, und ſie ausſchlusweiſe zu ſeinen Ge - brauch zu behalten, daraus deutlich erhelle, und, daß dieſe dadurch den Anmaaſſungen anderer entzogen wer - de. Sie erfodert gewiſſe Thathandlungen, welche die - ſes beides zu bewirken im Stande ſind. Der bloſſe Wille und deſſen Erklaͤrung iſt eben ſo hinlaͤnglich, als die Beſitzergreifung ohne Abſicht der Zueignung. Daß die Sache, welche man ſich zueignen will, eines aus - ſchließlichen Beſitzes faͤhig ſeyn, und niemanden da - durch eine Beleidigung zugefuͤgt werden muͤſſe, bedarf keines weitern Beweiſes. b]

a]Chr. Gottl. Einert Diſſ. praeter occupationem nul - lum exiſtere modum dominii acquirendi naturalem, Lipſ. 1780. Monendum eſt, non ea ſolum in domi - nio eſſe, quae corpore poſſidentur, ſed in quibus tale ſignum relictum eſt, ex quo quilibet intelligere poteſt, ejusmodi res pro derelictis aut nullius non eſſe habendas. §. 1.
a]
b]Ickſtatt Elem. Jur. Gent. L. III. c. 2. §. 4 & 5.
b]
*]M. vergl. Achenwall I. Nat. L. IV. §. 231. Schrodt l. c. §. 6. 23.
*]

§. 4. Verſchiedene Gattungen des Eigenthums.

Das Eigenthum beſteht theils in beweglichen, theils in unbeweglichen Guͤtern, auch gewiſſermaaſſen in un - koͤrperlichen Dingen, naͤmlich in Gerechtſamen; wozu bei den Nazionen die Majeſtaͤtsrechte oder Regalien und deren ausſchließlicher Gebrauch gehoͤren. a] Das vorzuͤglichſte Eigenthum der Voͤlker, wovon die uͤbri -A 3gen6Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkergen Rechte groͤſtentheils abhangen, beſteht in den un - beweglichen Guͤthern derſelben, ihrem Territorium oder Gebiete: und davon ſoll in dieſem Buche gehandelt werden. Da dies wiederum theils aus feſtem Lande, theils aus Waſſer und was beiden anhaͤngig, zuſammen - geſetzt iſt, ſo will ich von dieſen verſchiedenen Gegen - ſtaͤnden nunmehro in beſondern Abſchnitten handeln.

b]Ickſtatt L. III. c. 1. §. 3. 5. und 7. Vattel droit des gens L. II. c. 7. §. 88.
b]

Erſter Abſchnitt. Von dem Eigenthum und der Herrſchaft der Voͤlker uͤber den Landesbeſitz.

§. 5. Eigenthum und Herrſchaft des Landes.

Es laͤßt ſich nicht wohl ein Volk ohne den Beſitz ei - nes gewiſſen Erdſtriches denken, wenn er auch nur, wie bey den herumziehenden Nazionen, eine Zeit lang dauern ſolte. Die Voͤlker Europens haben laͤngſt ihre beſtimten Wohnplaͤtze. Es ſey nun, daß dieſe Laͤnder zuerſt von einzelnen Familien bewohnt worden, die nachher in einen Staat ſich verbunden, oder, daß be - reits ganze Voͤlker ſich derſelben bemaͤchtigt, und ſie un - ter die Buͤrger vertheilt haben; ſo ſteht dem Volke nicht nur das Eigenthum, ſowohl des ganzen Landes, als gewiſſermaaſſen der Beſitzungen einzelner Buͤrger, zu, ſondern es hat auch, was zum Weſen der Voͤl - ker gehoͤrt, zugleich die Oberherrſchaft [Souverainetaͤt] uͤber das ganze Land und uͤber alle in deſſen Umfange befindliche, angebaute und unangebaute Oerter, Plaͤtze, Waͤlder und andere Zwiſchenraͤume erlangt, dergeſtalt,daß7und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.daß keinem andern Volk erlaubt iſt, ſich eines Eigen - thums oder Herrſchaft uͤber irgend etwas darinn anzu - maaſſen.

*]Wolff I. Gent. c. 1. §. 85. Vattel L. 1. c. 18. §. 204. u. f. L. 2. c. 7. §. 83.
*]
**]Hier gilt die Regel: Quicquid eſt in territorio, de territorio eſt. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 6. 10. Schrodt P. II. c. 1. §. 8. 9.
**]

§. 6. Recht zu neuen Entdeckungen.

Vermoͤge des natuͤrlichen Rechts der Erhaltung und Vervolkommung iſt es jedoch jeder Nazion er - laubt, neue unbebaute Laͤnder aufzuſuchen, und in je - ner Abſicht ſich mehreres Eigenthum, ohne Nachtheil anderer, zu verſchaffen. Als die Vergroͤſſerungsbegier - de der Voͤlker Europas in dieſem Welttheile keine hin - laͤngliche Befriedigung mehr fand, fingen ſie, mittelſt der immer mehr ausgebildeten Schiffahrt, an, auf Entdeckung neuer Laͤnder auſſer demſelben auszugehn. Portugal und Spanien waren bekantlich die erſten, welche zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts ein ſol - ches Unternehmen mit gluͤcklichem Erfolg ins Werk ſetzten. Sie bedurften hierzu weiter keiner Einwilli - gung oder Erlaubnis anderer Nazionen. Ganz uͤber - fluͤſſig und widerrechtlich, aber den Vorurtheilen dama - liger Zeiten angemeſſen, waren daher die Verguͤnſti - gungen, a] welche dieſe Maͤchte ſich uͤber ihre Entdeckun - gen und deren Beſitz von den Paͤbſten ertheilen lieſſen, und worinn zugleich andere Nazionen von aͤhnlichen Unternehmungen ausgeſchloſſen werden ſolten.

a]Dahin gehoͤrt hauptſaͤchlich die Bulle, welche Pabſt Nicolaus V. 1454. dem Koͤnig Alfonſus V. von Por - tugal, und ſeinem Sohn Heinrich ertheilte. [LeibnitiiA 4Cod. 8Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerCod. I. G. dipl. S. 165. Dumont C. D. T. III. P. I. S. 200.] der die Beſtaͤtigungen und Erneuerun - gen verſchiedener Paͤbſte, beſonders Sirt IV. 1481. [Schmauß Corp. I. G. Acad. T. I. S. 112.] und Alexander VI. 1493 [Ebendaſ. S. 130] folgten. Eben dieſer Pabſt Alexander VI. gab auch dem Koͤnige Ferdinand von Arragonien und der Koͤnigin Iſabelle von Kaſtilien 1493. eine aͤhnliche Erlaubnis, [Leibn. S. 406. Dumont S. 302. a. a. O.] jedoch, damit es wegen der aͤltern portugieſiſchen Verguͤnſtigungen keinen Streit erregen moͤchte, nach einer gewiſſen Grenzlinie, indem er Indien in das Oſt - und Weſtliche theilte, und letzteres der Krone Kaſtilien zueignete. Es entſtanden aber demungeachtet bald Irrungen daruͤber; weshalb der Pabſt 1494 zu Tordeſillas [ſ. Polit. Journ. May 1787. S. 466] einen Vergleich [den Pabſt Julius II. 1506. beſtaͤtigte, Rouſſet Suppl. C. dipl. T. II. P.I. S. 28.] zwiſchen beiden Maͤchten vermittelte, worinn ſie die Erdkugel, in Abſicht der kuͤnftigen Entdeckungen, foͤrmlich unter ſich theilten. Aber die uͤbrigen europaͤi - ſchen Nazionen kehrten ſich in der Folge hieran nicht, weil weder dieſer Vertrag, noch die paͤbſtliche Erlaubnis ſie von aͤhnlichen Entdeckungen ausſchlieſſen konte. M. vergl. Grotii mare liberum c. 6. und die Anmerkun - gen Sam. Cocceji daruͤber. Vattel L. I. c. 18. §. 208. Wie? fragte Koͤnig Franz I. von Frankreich im Scherz, wollen denn die Koͤnige von Spanien und Portugal die neue Welt ganz unter ſich theilen, und mir als ihrem Bruder, kein Stuͤckchen davon zukommen laſſen? Ich moͤchte doch den Artikel in Adams Teſtament ſehen, wor - inn ihnen dieſe groſſe Erbſchaft vermacht wird. Ruſſel Geſchichte von Amerika [aus dem Engl. uͤberſ.] 3. Th. S. 101. Aehnliche Aeuſſerungen der Koͤnigin Eliſabeth von England ſ. m. in Cambdeni Annal. rer. angl. ad an. 1580. Portugal und Spanien ſelbſt haben auch inneuern9und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.neuern Zeiten auf dieſe paͤbſtliche Schenkungen ſich we - nig geſtuͤtzt. Doch wolte Spanien im Jahre 1784 dem Vorgeben nach, unter andern auch aus dieſem Grunde, der ſaͤmtlichen Etabliſſements auf der Kuͤſte von Guinea ſich bemaͤchtigen, ſ. Polit. Journal 1784. Jan. S. 57.
a]

§. 7. Unbewohnter Lande.

Wenn unangebaute und unbewohnte Gegenden, die nicht in dem Gebiete eines andern Volks liegen, keinen Eigenthuͤmer haben, ſo iſt kein Zweifel, daß ſich jede Nazion derſelben nach Gefallen bemaͤchtigen und zueig - nen koͤnne, und daß ſolche, da ſie alle gleiche Rechte darauf haben, derjenigen gehoͤren, die ſie zuerſt in Be - ſitz nimt, ohne daß eine andere ihr desfals Einhalt thun koͤnte.

§. 8. Lande der Wilden.

Ganz anders verhaͤlt ſichs aber, nach den Grund - ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, mit den von Wil - den bewohnten Laͤndern. Ein Land, das einmal be - wohnt iſt, kann, weil es nicht mehr herrnlos [res nullius] iſt, von Rechts wegen, ohne Bewilligung der Bewohner, von keiner andern Nazion eigen gemacht, und ihrer Herrſchaft unterworfen werden, deſſen Be - wohner moͤgen auch noch ſo wild, roh und ohne Be - griffe von Religion und Gottesdienſt ſeyn. Indes ha - ben die europaͤiſchen Voͤlker hierinn allerdings ganz an - dere Grundſaͤtze angenommen, und ſich, beſonders un - ter dem Schein der Ausbreitung chriſtlicher Religion, fuͤr berechtigt gehalten, nicht nur die Lande der Wil -A 5den10Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerden in Amerika einzunehmen, ſondern auch ihre vorigen Beſitzer nicht ſelten ganz zu vertilgen.

*]Grotius L. II. c. 22. §. 9. ingl. de mari libero c. 4. Achenwall L. IV. §. 231. Schrodt P. II. c. 1. §. 19. 20.
*]
**]Jedoch glaubt Ickſtatt L. III. c. 2 §. 14. daß eine ſolche Beſitzergreifung weder dem natuͤrlichen Rechte noch der Billigkeit widerſtreite, weil dem menſchlichen Ge - ſchlecht daran gelegen ſey, der daſelbſt befindlichen unbe - nutzten Schaͤtze zu genieſſen, und geſittete Nachbarn zu haben. Allein dieſe etwa noͤthige Aufklaͤrung koͤnte allen - fals wohl, ohne die Eigenthumsrechte der aͤltern Beſitzer zu verletzen, bewirkt werden. Mit gleichem Rechte koͤnten ſonſt auch jene Wilden und andere fremde Nazio - nen, wenn ſie Luſt nach den europaͤiſchen Schaͤtzen be - kaͤmen, und es ihnen einfiele, ſich fuͤr vorzuͤglicher zu hal - ten, die europaͤiſchen Voͤlker aus ihren Wohnſitzen ver - jagen. Der Kaiſer von Marocco glaubte wenigſtens Urſach zum Krieg gegen Spanien zu haben, um dieſer Krone Ceuta, Oran und einige andere Plaͤtze abzuneh - men, weil es unanſtaͤndig ſey, daß irgend eine chriſtli - che Nazion etwas auf der Kuͤſte von Africa beſitze, ſ. neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 129. Noch eher lieſſe ſich gegen herumziehende wilde Voͤlker die Behauptung des Vattel [L. I. c. 18. §. 209.] und anderer [z. B. Wolff c. 3. §. 310. u. f.] rechtfertigen: daß ſie mehr Land inne haͤtten, als ſie brauchten und zu benutzen im Stande waͤren: und da das urſpruͤngliche Recht nicht mehr an ſich zu ziehen ge - ſtatte, als man noͤthig habe, und bewohnen und erbauen koͤnne; ſo verletze man keinesweges die Geſetze der Na - tur, wenn man ſie in engere Grenzen einſchraͤnkte, in - dem ihre unſtaͤte Wohnung in ſo unermeßlichen Landen kaum fuͤr eine wahre Beſitznehmung zu halten ſey. Wenn11und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Wenn die Wilden einen feſten Sitz haben, und nur hie und da in ihrem Lande noch unbebauete Plaͤtze ſich finden, ſo muß ohnſtreitig auch von ihnen der oben angefuͤhrte Grundſatz gelten: daß kein auswaͤrtiges Volk ſich derſelben mit Recht anmaaſſen koͤnne. Haben ſie aber, wie Vattel ſagt, wirklich unſtaͤte Wohnungen in einem unermeßlichen Lande, ſo kann es andern nicht fuͤglich verwehrt werden, ſich eines Stuͤck Landes zu be - maͤchtigen, deſſen die Wilden nicht beſonders benoͤthigt ſind, und wovon ſie keinen wirklichen und ununterbro - chenen Gebrauch machen; zumal wenn ihnen zu ihrem Unterhalt noch genug uͤbrig gelaſſen wird. Wenn die Wilden in Beſitzergreifung und Oberherrſchaft willigen, oder, wie Vattel bemerkt, die Entdecker ihnen das Land abkaufen, wie die Puritaner in Neuengland, und die Quacker unter Pen, in Penſilvanien, findet die Sache weiter keine Schwierigkeit, ſ. Ruſſel Geſch. von Ame - rika, 3. Th. S. 374.
**]

§. 9. Deren Beſitznehmung.

Um das Eigenthum dergleichen Lande, es ſey auf welche Art es wolle, zu erlangen, iſt es nicht hin - laͤnglich, ſie entdeckt zu haben, oder blos die Abſicht der Bemaͤchtigung an den Tag zu legen. Sie muͤſſen auf vorerwaͤhnte Weiſe [§. 3.] wirklich in Beſitz genommen werden. Das beſitzergreifende Volk muß, z. B. auf der Inſel ꝛc. wirklich landen, gewiſſe Grenzen abſte - cken a] und ſie entweder gleich mit Mannſchaft beſetzen, oder wenigſtens ſolche Veranſtaltungen zuruͤcklaſſen, woraus andere, die nachher dahin kommen, ſogleich ab - nehmen koͤnnen, daß ſie einen Eigenthuͤmer habe, und nicht mehr herrnlos ſey. Die Anbauung muß nachher auch wirklich erfolgen; denn wenn dieſes nicht ge -ſchieht,12Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerſchieht, ſo ſind andere Nazionen nicht verbunden, blos durch das etwa aufgeſteckte Zeichen eines Kreuzes oder eines andern Merkmals, b] daß bereits jemand da ge - weſen, ſich von der wirklichen Beſitznehmung abhalten zu laſſen, c] weil es unerlaubt iſt, ein Land, das man ſelbſt nicht anbauen kann oder will, ſich zuzueignen, blos um andere von deſſen Benutzung auszuſchlieſſen. d]

a]Eam demum ſufficere inventionem, quae cum poſſeſ - ſione coniuncta eſt, vbi ſcilicet res mobiles appre - henduntur aut immobiles terminis atque cuſtodia ſe - piuntur, ſagt Grotius in mar. lib. c. 2.
a]
b]Arma regia in littore erigendo haͤlt Sam. Cocceji jedoch fuͤr hinlaͤnglich in not. ad Grotii mare lib. c. 5. in Henr. Cocceji Grot. illuſtr. Tom. IV. Wratisl. 1752. Fol. S. 21.
b]
c]Die Koͤnigin Eliſabeth von England aͤuſſerte gegen den ſpaniſchen Geſandten: Hiſpani quod hinc illinc appu - lerint, caſulas poſuerint, flumen aut promontorium denominaverint, proprietatem acquirere non poſſunt vt imaginaria haec proprietas obſtare non debeat quominus caeteri principes colonias, vbi Hiſpani non agunt, iure gentium nequaquam violato dedu - cant. Cambdenus l. c. ad an. 1580.
c]
d]Pourvuqu’il n’en prenne pas plus qu’il ne faut, et qu’il en laiſſe aſſez pour les autres. Si l’on paſſe les bornes de la moderation et que l’on prenne au de de ce dont on a beſoin, on prend alors ſans contredit ce qui appartient aux autres, Barbeyrac in Not. ad Puffendorff. L. IV. c. 4. §. 4. M. vergl. Puffendorff L. IV. c. 6. §. 3.
d]
*]M. ſ. Ickſtatt L. III. c. 2. §. 7. 8. Vattel L. I. c. 18. §. 207. 208. Achenwall L. IV. §. 231. Moſers Grundſaͤtze des europ. Voͤlkerr. in fr. Zeit 4. B. 2. K. §. 12. **] Von
*]13und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
**]Von ſolchen Beſitznehmungen findet man mehrere Nach - richten in den Geſchichtsbuͤchern. Von einer ſpaniſchen Beſitzergreifung z. B. wurde 1771. in der Relation touchant la priſe de poſſeſſion du port de Monterrey, la miſſion et la garniſon qu’on y a établies ſous le nom de St. Charles l’année 1769. erzaͤhlt: après avoir occupé ce port par mer et par terre, en pré - ſence d’un grand nombre d’habitans de ce pays , qui n’y mirent pas la moindre oppoſition, on en prit poſſeſſion ſolemnellement par un acte authentique dreſſé par ordre de Don Gaſpar de Portola Comman - dant en Chef et ſigné de divers officiers des deux Convois etc. ſ. Moſers Beitraͤge zu dem neuſten europ. V. R. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 489. und in eben dieſem Jahre hieß es von der Inſel St. David: Après avoir viſité l’isle David le Commandant en a pris poſſeſſion au nom du roi d’Espagne avec tout l’appareil mili - taire, qui pouvoit rendre cet acte reſpectable a ſes nouveaux ſujets. Il a planté une croix faite pour éterniſer le ſouvenir de cet événement. Il a donné a cette Isle le nom de St. Charles. Ebendaſ. S. 494.
**]
***]Ueber die Entdeckung und Beſitznehmung der Laͤnder in Amerika ſind nicht wenig Streitigkeiten unter den eu - ropaͤiſchen Maͤchten entſtanden. Die Seefahrer kamen oͤfters auf eine unbebaute oder von Wilden bewohnte Inſel, die ſie aber zu bevoͤlkern theils der Muͤhe nicht werth hielten, theils durch die Wilden daran gehindert wurden. Doch lieſſen ſie zuweilen ein Zeichen ihrer Anweſenheit zuruͤck. Wenn nun andere Nazionen, die in der Folge ſich derſelben bemaͤchtigten, irgend einen betraͤchtlichen Nutzen daraus zogen, machten jene, der fruͤhern Entdeckung wegen, dieſen gemeiniglich das Recht darauf ſtreitig. Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel giebt die In - ſel Florida. Sie wurde zuerſt 1497. von dem Englaͤn - der Sebaſtian Eabot entdeckt, aber nicht benutzt. Im14Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerIm Jahre 1512. kam Ponce de Leon dahin, und nahm das Land, ohne von der erſten Entdeckung etwas zu wiſſen, im Namen der Krone Spanien foͤrmlich in Be - ſitz, und gab ihm den Namen Florida. Er wurde aber von den Einwohnern gehindert eine Colonie daſelbſt an - zulegen, hinterließ jedoch einen Stein mit einer Auf - ſchrift. 1528. wurde dieſe Beſitznehmung von dem Spa - nier Pamphilio de Narvaez wiederholt, aber mit eben ſo wenigem Erfolge. Seit 1524. geriethen auch die Franzoſen verſchiedentlich dahin, ohne ſich jedoch da - ſelbſt niederzulaſſen, bis Johann Rebaut 1562. auf der oͤſtlichen Seite landete und ein Fort, Namens Karl, dahin baute. Nachdem er eine Colonie rings um die aufgeworfene Feſtung abgezeichnet, und an der Muͤndung des May-Fluſſes eine Saͤule aufgerichtet hatte, mit der Aufſchrift: daß er dieſes Land fuͤr die Krone Frank - reich in Beſitz genommen habe, ließ er einige Mann - ſchaft zuruͤck. Dieſe wurde zwar durch allerhand trauri - ge Schickſale aufgerieben, aber doch in der Folge wieder durch neue erſetzt, und die Colonie Karolina gegruͤndet. Allein die Spanier vernichteten auch dieſe, wiewohl groͤ - ſtentheils aus Religionshaß, weil die Franzoſen lauter Proteſtanten waren, auf eine ſchreckliche Art. Ob nun gleich Dominiqve de Gourgues die Franzoſen durch eine nicht minder grauſame Behandlung der Spanier raͤchte, ſo blieben die letztern doch in Beſitz von Florida. Endlich ſuchten die Englaͤnder ihr altes Entdeckungsrecht wieder hervor, und machten verſchiedene Verſuche auf die Beſitznehmung, bis Florida ihnen im Frieden 1763. von Spanien abgetreten wurde. Ruſſel Geſchichte von Amerika, 1. Band, S. 111, 3. B. S. 90. u. f. ingl. S. 442. u. f. Auch wegen der Inſel Falkland geriethen Spanien und Grosbritannien in Streit, indem erſteres ſich den Beſitznehmungen der letztern Macht 1764. widerſetzte. Gros -15und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Grosbritannien behauptete: es ſey nach dem europaͤiſchen Voͤlkerrecht gewoͤhnlich, daß dieienige Nation, welche ein Land oder eine Inſel zuerſt entdeckt hat, auch ein ausſchlieſſendes Recht darauf habe, wenn ſie dieſelben gleich nicht wirklich mit Colonieen zu beſetzen fuͤr gut faͤn - de, ſ. Neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 125. Moſers Beitraͤge a. a. O. S. 516. So maßte auch Portugal, unter andern aus dem Rechte der erſten Ent - deckung, ſich aller Etabliſſements auf der Kuͤſte von Guinea an. Polit. Journ. Jan. 1784. S. 57. M. vergl. die Note des Herz uͤber Puffendorff I. N. & G. L. IV. c. 6. §. 8.
***]
****]Noch entſteht eine ſtreitige Frage: ob eine europaͤi - ſche Nazion, wenn ſie ein Stuͤck Landes in Amerika in Beſitz nimt, aber von den Wilden wieder vertrieben wird, nunmehro einem andern Volke die Einnahme ver - wehren koͤnne? Dies war beſonders zwiſchen Frankreich und Grosbritannien, in Abſicht der Inſel St. Lucie, der Fall, die bald von der einen, bald von der andern Macht beſeſſen worden war. Ganz richtig behauptete Grosbritannien: que l’Isle de St. Lucie a été poſſedée alternativement par les Anglois et les François; que les uns et les autres en ont été chaſſés à diverſes re - priſes par les Sauvages; qu’ainſi il y a eu des inter - valles, elle n’a été poſſedée ni par l’une ni par l’autre nation; et ils en concluent, qu’on ne ſauroit dèslors établis un droit de propriété ou ſouveraineté ſur cette isle, ſaute d’un titre ſuffiſant pour conſta - ter ce droit. Moſers Verſuch des neuſten europ. V. R. 5. Th. S. 24. u. f. Ruſſel a. a. O. 2. Th. S. 636. u. f. Es laͤßt ſich nach dem natuͤrlichen Rechte nicht fuͤglich behaupten, daß das Eigenthum weiter dauere, als man ſich bey dem Beſitz zu erhalten im Stande iſt; ſ. Moſers Grundſ. des europ. V. R. in fr. Zeit. 4. B. 2. K. §. 16. wiewohl einige das Gegen -theil16Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkertheil vertheidigen, ſ. Io. Gottl. Titius diſſ. de dominio in rebus occupatis vltra poſſeſſionem durante, Lipſ. 1674. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 14. Schol. welche aber Einert in der obenangefuͤhrten Schrift §. 1. zu widerlegen ſucht.
****]
*****]Wenn zwey Voͤlker zugleich in Begrif waͤren, ein Land in Beſitz zu nehmen, ſo erhellet aus dem Vorher - gehenden, daß dasjenige ein Eigenthum daran erwerbe, welches zuerſt koͤrperlichen Beſitz z. B. durch Anlandung ergreift. Treffen mehrere von verſchiedenen Seiten zu - ſammen, ſo muß jedem ſo viel gehoͤren, als er durch Zeichen der Beſitzergreifung ſich zu eigen gemacht hat. Ickſtatt L. III. c. 2. §. 9. 10. Wolff c. III. §. 308.
*****]

§. 10. Widerſpruͤche anderer Nazionen dagegen.

Es entſtehen nicht nur in den vorerwaͤhnten Faͤllen daruͤber Streitigkeiten, daß zwey oder mehrere Nazio - nen ein und daſſelbe Land in Beſitz nehmen, und ſich zueignen wollen, ſondern verſchiedene europaͤiſche Maͤch - te haben auch ſchon verlangt, daß keine Nazion weiter ſich auf einer andern Gegend der naͤmlichen Kuͤſte ꝛc. die ſie beſitzen, niederlaſſen, oder gewiſſer Laͤnder, auf deren Beſitz ſie ſelbſt keine Anſpruͤche machen, ſich blos darum nicht anmaaſſen ſolle, weil ſie durch die Naͤhe dieſer Beſitzungen ihrem Handel ꝛc. leicht ſchaͤdlich werden koͤnten. a] Wie ungerecht aber dieſes Verlangen ſey, erhellet leicht aus dem Grundſatz, daß es keiner Na - zion erlaubt ſey, ein Land blos aus der Urſach in Beſitz zu nehmen, um andere von deſſen Nutzen auszuſchlieſ - ſen, wenn es ſelbſt nicht im Stande iſt, daſſelbe zu bebauen. b] Kein Volk hat ſeines eignen Nutzens wegen zu dieſer Ausſchlieſſung ein Recht, wenn andere nicht durch Vertraͤge ihrem natuͤrlichen Erwerbungsrechte freiwillig entſagt haben, oder das algemeine Wohlder17und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.der uͤbrigen Nazionen dergleichen nothwendig er - fodert. c]

a]So haͤlt Spanien ſich fuͤr berechtigt, alle andere Nazio - nen von Beſitzungen in der Suͤdſee auszuſchlieſſen, und ſogar die dieſſeits der Meerenge gelegene Kuͤſte von den portugieſiſchen Grenzen in Braſilien bis an die Spitze von Suͤdamerika allein zu beſitzen, ob es gleich faſt gar keine Colonien daſelbſt hat. Moſers Beitraͤge ꝛc. 5. Th. S. 515. Auch die vereinigten Niederlande thaten Vor - ſtellungen gegen Anlegung einer grosbritanniſchen Colonie in Oſtindien auf einer den hollaͤndiſchen Beſitzungen nahe gelegenen Inſel. Ebendaſ. S. 556.
a]
b]Moſers Grundſaͤtze des europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 2. K. §. 13. u. f.
b]
c]Spaniſcher Seits behauptet man, daß Koͤnig Jakob. I. von England fuͤr ſich und ſeine Nachfolger, zu Gunſten Spaniens, in einem Vertrage des Rechts ſich begeben habe, Etabliſſements in irgend einem Theile von Suͤd - amerika anzulegen. Moſers Beitr. a. a. O. S. 521.
c]

§. 11. Auskunftsmittel in dergleichen Strei - tigkeiten.

Wenn bey dergleichen Streitigkeiten uͤber das Ei - genthum und den Beſitz zwiſchen mehreren Nazionen kein Theil dem andern ſolche uͤberlaſſen will, ſo bleibt nichts uͤbrig, als daß ſie das Land entweder in Ge - meinſchaft beſitzen, oder es fuͤr neutral erklaͤren, we - nigſtens ſo lange, bis das Eigenthumsrecht des einen unterſucht und entſchieden worden.

*]Um das Gezaͤnke mit Spanien wegen der Inſel Tor - tola glimpflich abzuthun, ſuchte Grosbritannien 1774 die Sache dahin einzuleiten, daß dieſe Inſel ein neutra - ler Ort bleibe, wo die Schiffe der beiden Nazionen ihreGuͤnth. Voͤlk. 2. B. BErfri -18Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerErfriſchungen ohngeſtoͤrt aufnehmen, und jedesmal frey anlanden koͤnnen. Ein Mittel, deſſen man ſich oͤfters bediente, ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 25. Eben - deſſ. Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 97. 452. u. 460. In den Streitigkeiten zwiſchen Rußland und Schweden, wegen der finlaͤndiſchen Grenzen, behauptete Schweden ebenfals, in Abſicht der Inſel Swart-wirn, in deren Beſitz Rußland ſich befand: que la poſſeſſion en auroit du au moins reſter neutre jusqu’à ce que l’on eut decidé du droit de propriété dans les conferences. Moſers Verſuch 5. Th. S. 354.
*]

§. 12. Rechte teutſcher Landesherrn.

Das, was in dem Vorhergehenden feſtgeſetzt wor - den, findet auch nicht nur in Abſicht Teuſchlands, als eines ſouverainen Staats im Ganzen, ſondern auch bey den einzelnen teutſchen Landesherrn und andern blos mit Landeshoheit verſehenen Staaten Platz, wenn ſie durch ihre Lage oder andere Umſtaͤnde beguͤnſtigt wer - den, neue Entdeckungen zu unternehmen.

Zweiter Abſchnitt. Von dem Eigenthum und der Herſchaft in Anſehung der Gewaͤſſer.

§. 13. Eigenthum der im Lande befindlichen Stroͤme, Fluͤſſe ꝛc.

Da nach obigen Grundſaͤtzen das Volk, welches einen Strich Landes in Beſitz nimt, das Eigenthum und die Herſchaft uͤber alles erlangt, was in deſſengan -19und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.ganzem Umfange ſich befindet, ſo gehoͤren ihm ohne Zweifel auch die vom Lande eingeſchloſſenen Gewaͤſſer, groſſe und kleine, flieſſende oder ſtehende Landſeen, Stroͤme, Fluͤſſe, Baͤche, Teiche ꝛc. mit ihrem Bette, Ufern und Waſſer, ſamt deren Benutzung ausſchließ - lich, dergeſtalt, daß keine andere Nazion berechtigt iſt, ohne Erlaubnis ſich irgend etwas davon anzumaaſſen. Sie machen einen Theil des Gebiets aus, und ein Volk iſt leicht im Stande, ſich im Beſitz derſelben zu erhalten, damit ſie nicht wieder in natuͤrlichen Zuſtand zuruͤckfallen.

*]Vattel L. I. c. 22. §. 274. Franz Ludw. von Cancrin Abhandlungen von dem Waſ - ſerrechte, ſowol dem natuͤrlichen, als poſitiven, vor - naͤmlich aber dem teutſchen, m. K. Halle 1789. 4. beſonders 1. Abh. 2. K. §. 88. u. f. S. 68. u. f. Man trift daſelbſt S. 23. u. f. auch ein weitlaͤuftiges Verzeichnis der Schriftſteller vom Waſſerrechte an.
*]

§. 14. Eigenthum der zwiſchen zwey Staaten laufenden Fluͤſſe.

Ein Volk, welches ein noch unbewohntes Land in Beſitz nimt, kan allerdings auch den an der aͤuſſerſten Ausdehnung ſeines Gebiets etwa vorbeilaufenden Fluß ganz ſich zueignen, wenn jenſeits nicht ſchon ein ander Volk Rechte darauf erworben hat. Im Fall aber zwey Nazionen von beiden Seiten zugleich das Land in Be - ſitz nehmen, oder es wenigſtens von einem ſolchen zwey Staaten trennenden Gewaͤſſer nicht zu erweiſen iſt, daß der eine zuerſt den ganzen Fluß ſich zugeeignet habe, ſo gehoͤrt jedem, weil ſie beide gleiche Rechte darauf ha - ben, das Eigenthum deſſelben bis in die Mitte; wenn ſie durch Vertraͤge, das beſte Auskunftsmittel in dieſemB 2Stuͤcke,20Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerStuͤcke, nicht ein anders feſtzuſetzen fuͤr gut finden. a] In den meiſten Voͤlkervertraͤgen wird aber auch ge - woͤhnlich die Halbſcheid angenommen, b] und nur ſel - ten dem einen Volke der ganze Fluß eingeraͤumt. c]

a]Grotius L. II. c. 3. §. 18. Wolff c. III. §. 106. u. f. Vattel L. I. c. 22. §. 266. Martens précis du d. des g. L. IV. c. 4. §. 121.
a]
b]Dies iſt nicht nur bey den ſouverainen europaͤiſchen Voͤl - kern unter ſich, ſondern auch mit den teutſchen Landes - herren und unter dieſen ſelbſt gewoͤhnlich. Die Donau und Sau ſoll z. B. wo ſie die Grenzen zwiſchen dem ottomanniſchen und oͤſterreichiſchen Gebiete macht, gemein - ſchaftlich ſeyn, ſowohl in Ruͤckſicht aller Fiſchereien, als andern noͤthigen Gebrauch, doch duͤrfen die Fiſcher die Haͤlfte des Fluſſes nicht uͤberſchreiten. Belgr. Fr. 1739. Art. 7. In einem der neueſten Grenzvertraͤge zwiſchen Frankreich und Wuͤrtenberg bey der Grafſchaft Moͤmpel - gard vom 21. May 1786. Art. 13. wird feſtgeſetzt: Der Fluß Doux ſolle, wo er die Grenze zwiſchen Frank - reich und dem Wuͤrtenbergiſchen beruͤhrt, mit der Sou - verainetaͤt halb nach Frankreich, halb nach Wuͤrtenberg, die linke Seite zum koͤniglichen, die rechte zum herzogli - chen Eigenthum gehoͤren. Reuß teutſche Staatskanzl. 20. Th. S. 137. Wie es aber zu verſtehen ſey, wenn im Vertrage geſagt wird, daß dieſes oder ienes Ufer eines Fluſſes dem einen Volke gehoͤren ſolle, daruͤber entſtanden 1774. zwiſchen Polen und Oeſterreich Strei - tigkeiten. In der Convention vom 21. Sept. 1773. war Oeſterreich zur Grenze geſetzt: la rive droite de la Viſtule. Polniſcher Seits behauptete man daher: le mot: rive droite doit ſouſtraire au domaine Au - trichien la ville de Kazimierz, puisque toujours et dans toute rencontre quand on parle des rives d’une rivière, on entend l’extrémité derniere du courant de ſes eaux; à moins que par quelque exceptionexpreſſé -21und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.expreſſément enoncée il n’y ſoit autrement pourvu. Aber Oeſterreich entgegnete: Il eſt conſtant par l’exem - ple de tant d’autres traités de ceſſion, que la moitie de l’eau d’une rivière ſuit toujours la rive attenante, à moins qu’en termes clairs et exprès ce ſens reçu ne ſoit reſtreint ou étendu. C’eſt ainſi que dans des traités en latin on ſe ſert plus proprement de l’ex - preſſion: dexter vel ſiniſter alveus fluvii, qui com - prend la rive avec la moitie du lit de la rivière au lieu des mots ripa, litus. In einer anderweiten Con - vention vom 9. Febr. 1776. wurde Caſimir zwar an Polen wieder uͤberlaſſen, doch blieb es dabey, que la moitie du lit de cette rivière appartiendra à S. M. Imp. et Roy. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 284. 288. und 307.
b]
c]Von Fluͤſſen, die ganz mit beiden Ufern einem anſtoſ - ſenden Staate uͤberlaſſen worden, giebt es verſchiedene Beiſpiele. Im Utrechter Frieden 1713. Art. 10. be - willigte Frankreich: que les deux bords de la rivière des Amazones tant le meridional que le ſeptentrional appartiennent en toute propriété, domaine et ſouve - raineté a S. M. Portugaiſe. Im Frieden 1785. Art. 7. erkennen die Generalſtaaten die voͤllige Souveraine - taͤt des Kaiſers auf alle Theile der Schelde von Ant - werpen bis Saftingen, zu Folge der Linie vom Jahre 1664. Die Oder ſoll, was Teutſchland anlanget, vermoͤge des weſtphaͤliſchen Friedens, beſtaͤndig mit al - ler Souverainetaͤt dem Koͤnig und der Krone Schweden bleiben. Friede zu St. Germain zw. Schweden und Kur - brandenburg 1679. Art. 12. Ueber den Ausdruck: der ganze Fluß, entſtanden bey dem polniſchen Theilungsge - ſchaͤft zwiſchen dieſer Krone und Preuſſen auch Streitig - keiten. Polen behauptete: La phraſe de la convention et du draité que la Netze appartienne en entier au roi de Pruſſe ne peut ſignifier que le cours de l’eau,B 3ou22Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerou les profits de cette eau Quant aux profits de cette eau pour le roi de Pruſſe, ils ne lui ſont pas disputés; mais ſous leur pretexte il ne peut préten - dre à l’autre bord de la Netze; car ce ne ſeroit plus de l’eau, mais de la terre, qui eſt un élément diffe - rent. Preuſſen entgegnete: Comme Elle doit avoir, ſelon le traité de Varſovie la rivière de Netze en entier, il faut qu’Elle en ait auſſi les deux rives. Sous le nom de rive on ne ſçauroit que comprendre tout le terrein adjacent au fleuve qui en eſt ſouvent inondé [vermuthlich nach Anleitung l. 3. Inſt. de rer. div. ] et en fait partie alors, ainfi que les marais que cette rivière cauſe par ſes inondations. Cette inter - prétation eſt conforme à l’uſage, et c’eſt en conſé - quence du meme principe, que la Couronne de Suede, après avoir obtenu par le traité de Weſtphalie la Po - meranie citerieure et la rivière de l’Oder avec les deux rives, ſ’eſt approprié une rive de deux miles d’Allemagne Ce qui eſt ajouté dans cette remar - que de l’élement de l’eau n’eſt qu’un jeu de mots. Le Roi doit avoir la Netze en entier c’eſt à dire avec les deux rives, qui en ſont un acceſſerie inſepa - rable. Il n’aura que l’élément de l’eau quand la rivière deborde, il aura du terrein quand elle rentre dans ſon lit. Dieſer Streit erſtreckte ſich auch uͤber das Eigenthum des Fluſſes in Anſehung der Laͤnge. M. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 321. 323. und 325. Auch im teutſchen Reiche maaſſen ſich einige Landes - herrn das alleinige Eigenthum der zwiſchen ihren und andern Landen laufenden Fluͤſſe an; wiewohl groͤſten - theils mit Widerſpruch der Anſtoſſenden. Den Rhein verlangen die vier rheiniſchen Kurfuͤrſten, Mainz, Trier, Koͤln und Pfalz ausſchließlich. Trier aͤuſſerte unter andern 1743.: Es ſey ein bey allen vier rheiniſchen Kurfuͤrſten feſtgeſetztes Principium: daßkein23und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.kein Fuͤrſt, Graf noch Reichsſtadt, deren Gebiet an den Rhein ſtoſſe, an der Herſchaft und Jurisdiction uͤber den Rheinſtrom participire, ſondern daß ſolche denen vier rheiniſchen Kurfuͤrſten privative zuſtehe. So we - nig die kaiſerlichen dieſen vier Kurfuͤrſten verliehenen Privilegien und Lehnbriefe, als die alte hergebrachte Reichs - und am Rhein landkundige Praxis, noch die Vereine der rheiniſchen Kurfuͤrſten, noch ihre alte und neue Principia laſſen zu, auſſer ihnen jemanden in das Condominium Rheni zu admittiren. Moſers nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 17. S. 442. Man vergl. die wegen einer bey Neuwied angelegten fliegenden Rhein - bruͤcke zwiſchen Trier und Neuwied gewechſelten Staats - ſchriften in Select. I. P. Tom. 9. p. 340. T. 10. p. 11. T. 12. p. 353. T. 14. p. 159. ingl. Jac. Chriſt. Klip - ſtein, Diſſ. de dominio Rheni inter plures controverſo, Gieſſ. 1740. 4. Den Mayn eignet ſich mit aller Oberherſchaft der Kurfuͤrſt von Mainz, hauptſaͤchlich vermoͤge kaiſerlicher Lehnbriefe, zu, welchen aber Heſſen-Darmſtadt, Ha - nau, Yſenburg und die Stadt Frankfurt widerſprechen. M. ſ. Moſers Einleit. in das churmainz. Staatsrecht S. 97. Philip Karl des H. R. R. Grafen Fugger von Kirch - heim Abhandlungen uͤber die Grenzen der dem hohen Kurthume Mainz uͤber den Mainſtrohm von Lohr bis an deſſen Ergieſſung in den Rhein zuſtehenden Oberherſchaft. Mainz 1786. 8. Gegen dieſe Behauptungen ſind, beſonders in Abſicht auf Heſſen, folgende Widerlegungen erſchienen: Chr. Hartm. Sam. Gatzert progr. III. de dominio Moeni quatenus imprimis ſpectat ad ſereniſſimos Haſſiae Landgravios tanquam Comites in Catime - liboco. Gieſſ. 1771. 4. B 4Helfr. 24Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerHelfr. Bernh. Wenck comment. I. de dominio Moeni. Darmſt. 1786. 4. Am Moſelſtrohm will Kurtrier auch das Eigenthum behaupten, es wird ihm aber von den angrenzenden Landesherren ebenfals nicht zugeſtanden. ſ. Moſers kurtrier. Staatsrecht S. 192. Ebendeſſ. nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 17. S. 446. Schweders Theat Praeſens von Glafey 1. Th. S. 810. Dieſe Streitigkeiten ſind zwar in gewiſſer Ruͤckſicht nach dem teutſchen Staatsrecht zu beurtheilen; wenn iedoch der das alleinige Eigenthum behauptende Landes - herr ſolches durch die in demſelben angenommenen Er - werbungsarten nicht zu erweiſen vermag; ſo ſind ohnſtrei - tig auch die Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts dabey anwend - bar, nach welchen, im Zweifelsfall, iedem Theile das Eigenthum zur Haͤlfte gehoͤrt. Ganz richtig behauptet Herr Gatzert, daß ehedem zwar der Kaiſer eine voͤllige Oberherſchaft uͤber die Fluͤſſe im teutſchen Reiche aus - geuͤbt, den Reichsſtaͤnden ſolche aber nur durch kaiſer - liche Verleihung zugeſtanden habe; daß hingegen, nach begruͤndeter Landeshoheit, das Recht des Eigenthums und der Oberherſchaft uͤber die Fluͤſſe nunmehr damit ver - bunden ſey, und es keiner weitern Verguͤnſtigung beduͤr - fe; daß daher die alten in algemeinen Ausdruͤcken abge - faſten Privilegien und Verleihungen, wie z. B. die kur - mainziſche mit aquis, aquarum decurſibus tam Rheni quam Moeni ripis & fluminibus &c. blos zu verſtehen ſind, ſo weit ſie innerhalb der Grenzen des Landes, die bey Fluͤſſen, welche zwey Gebiete von einander trennen, ſich gewoͤhnlich bis an die Mitte erſtrecken, flieſſen.
c]
§. 15.25und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.

§. 15. Eigenthum des Flußbettes, nach geaͤn - dertem Lauf des Waſſers.

Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geſchieht, ploͤtz - lich ſeinen Lauf, indem er ſich einen ganz andern Weg macht, ſo behalten die daran liegenden Voͤlker eben das Recht am Bette, welches ſie am Fluſſe hatten. Gehoͤrte er beiden zur Haͤlfte, ſo gehoͤrt ihnen auch das Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum allein, ſo bleibt ihm auch das verlaſſene Bette, weil bey Scheidung des Eigenthums nicht ſowohl auf das voruͤberflieſſende Waſſer, als auf das feſtgegruͤndete Bette deſſelben Ruͤckſicht zu nehmen iſt. Anders ver - haͤlt es ſich bey unmerklichen An - und Abſpielungen auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol - genden Abſchnitte bey den natuͤrlichen Anwuͤchſen, und in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et - was zu ſagen ſeyn wird.

*]Grotius L. II. c. 3. §. 17. Puffendorff L. IV. c. 7. §. 11. Wolff c. I. §. 107. Vattel L. I. c. 22. §. 270. v. Cancrin 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.
*]

§. 16. Eigenthum des Meeres uͤberhaupt.

Weit mehrern Schwierigkeiten iſt die Beſtimmung des Eigenthums und der Herſchaft der groͤſſern auf der Oberflaͤche der Erde befindlichen Waſſermaſſen, die man Meere und offene Seen nennt, unterworfen. Dieſe wichtige Materie hat von ieher, ſowohl unter den Schriftſtellern, als unter den Nazionen, mancher - ley Streit verurſacht. a] Einige haben die voͤllige Freiheit des Meeres uͤberhaupt von allem Eigenthum und Herſchaft und den iedermann offenſtehenden Ge -B 5brauch26Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerbrauch deſſelben behauptet. b] Andere ſuchten das Recht und die Moͤglichkeit von deſſen Beſitznehmung zu erweiſen, und ſchrieben dieſem und ienem Volke das Eigenthum und die Herſchaft des Meeres zu. c]

Die Gruͤnde der erſtern beſtehen darinnen: Sie ſagen 1] der Nutzen und Gebrauch des Meeres ſey unerſchoͤpflich, [inexhauſti vſus] es koͤnne ein ieder ſich deſſelben bedienen, ohne daß dem andern dadurch etwas entzogen oder er gehindert wuͤrde, auf dem Meere, z. B. ebenfals zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. ꝛc. die Abſicht der ausſchließlichen Zueignung falle daher weg, und es ſey nicht erlaubt, eine Sache der Gemeinſchaft zu entziehn, die einen hinlaͤnglichen Nutzen und Gebrauch fuͤr alle gewaͤhre. 2] Das Meer laſſe keine Grenzbeſtimmung zu, welche doch Statt finden muͤſte, wenn mehrere ſich das Eigenthum deſſelben anmaaſſen wolten. 3] Keine Macht der Erde ſey, wegen des groſſen Umfangs der offenbaren See, hinlaͤnglich, den zum Eigenthum er - foderlichen Beſitz zu ergreifen, und mit Ausſchlus an - derer zu behaupten.

Die Gegner erwidern: 1] Jede Sache, die kei - nen Herrn habe, gehoͤre dem, der ſich derſelben zuerſt bemaͤchtige. Dieſer Grundſatz ſey auf das Meer ſo - wohl, als auf die Erde anwendbar. Dieſe ſey in ih - rem Gebrauche ebenfals unerſchoͤpflich und doch ein Ei - genthum einzelner Nazionen. 2] Das Meer koͤnne allerdings durch die Kuͤſten, Klippen, Seebaͤnke, In - ſeln, Vorgebuͤrge, durch den Kompas, durch die Gra - de der Meereslaͤnge und Breite, Aequinoctialzirkel und andere in der mathematiſchen Erdbeſchreibung angenom - mene und in der Schifskunſt bekante Beſtimmungen begrenzt werden. 3] Zum Eigenthum ſey eben nicht ein beſtaͤndiger koͤrperlicher Beſitz erfoderlich; man koͤn - ne auf einem Landesbezirke eben ſo wenig uͤberal ſeyn, und ieden Fremden abhalten; genug, daß man einRecht27und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Recht habe, ihn abzuweiſen, wenn man ihn finde. Um dies auf dem Meere zu bewuͤrken, ſey die beſtaͤn - dige Unterhaltung einer Flotte hinlaͤnglich.

Noch andere ſchlagen einen Mittelweg ein und ge - ben zwar Eigenthum und Herſchaft des Meeres zu, aber unter gewiſſen Einſchraͤnkungen, wenn naͤmlich ein Volk ſolche durch Vertraͤge mit den uͤbrigen, ganz, oder nach gewiſſen Theilen erlangt hat. d]

Was das Meer im Algemeinen betrift, haben nach meinem Urtheile einzelne Nazionen weder Recht noch Macht, das Meer, mit Ausſchlus der uͤbrigen, ſich zu - zueignen. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Voͤlker, ſo wie Anfangs einzelne Menſchen und Familien, von Natur das Recht haben, durch Beſitzergreifung, die Guͤter der Welt an ſich zu bringen, ſo lange ſie noch herrnlos ſind. Sie haben an dem Meere ſo viel Recht, als an der Erde. Aber nur iſt das erſtere nicht blos als ein Anhang der letztern anzuſehn. e] Es ſind zwey, auch in Anſehung des Nutzens, den ſie gewaͤhren, ganz verſchiedene Hauptelemente, woraus unſere Weltkugel beſteht. So viel Recht nun ieder auf den Gebrauch der Erde hat, ſo viel Recht hat er auch auf das Meer: und ſo wenig ein oder etliche wenige Menſchen oder Voͤlker berechtigt ſind, ſich die ganze Erde ausſchließ - lich zuzueignen, f] ſo wenig duͤrfen ſie es auch bey dem Meere thun. Sie koͤnnen Erde und Meer ſich zueignen, aber von iedem Elemente nur ſo viel als ſie zu ihrer Erhaltung und Vervolkommung brauchen, und muͤſſen andern auch das Noͤthige laſſen. Gewoͤhnlich ſehn die - ienigen, welche einem oder einigen Voͤlkern das Eigen - thumsrecht des Meeres zuſchreiben, das Meer als einen unbetraͤchtlichen Theil der Erde an, der als Anhang zu dem bereits beſitzenden Landesbezirke geſchlagen wer - den koͤnne. Einige wenige Nazionen wuͤrden auch, wenn ſie den Einfall haben ſolten, ſich des MeeresEigen -28Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerEigenthum allein anzumaaſſen, eben ſo wenig im Stan - de ſeyn, daſſelbe zu behaupten, als wenn bey Anfang der Erdbevoͤlkerung einige Familien oder Voͤlker ſich der ganzen Erde oder auch nur eines Welttheils allein haͤtten bemaͤchtigen wollen.

Wenn das Meer rechtmaͤſſig zu Eigenthum gemacht werden ſoll, ſo darf iede Nazion von dieſem mit der Erde gleich wichtigen Elemente, wie gedacht, nur ſo viel nehmen, als ſie noͤthig hat, und ihr ohne Nachtheil aller uͤbrigen, die eben das Recht daran haben, ge - buͤhrt. Da aber die hierzu erfoderliche Abtheilung und Beſitznehmung unendlichen Schwierigkeiten unterwor - fen, und kaum moͤglich iſt, ſo bleibt im Algemeinen der gemeinſchaftliche Gebrauch des Meeres allerdings beinah das einzige Mittel, denen bey der Eigenma - chung unvermeidlichen Streitigkeiten auszuweichen. Hierzu komt, daß der Gebrauch des Meeres keine wei - tere Bearbeitung, als die Zueignung der Nutzungen, die es gewaͤhrt, erfodert; daß folglich durch die Ge - meinſchaft niemanden die Fruͤchte ſeines beſondern Fleiſſes entzogen werden.

Das Hauptwerk hierbey komt darauf an, daß man die offene See, oder das groſſe Weltmeer von den einzelnen Theilen deſſelben, die an oder zwiſchen die Laͤnder der Nazionen gehen, unterſcheide; wovon in dem Folgenden gehandelt werden ſoll.

a]Eine kurze Geſchichte der Herſchaft uͤber das Meer, liefert von Cancrin in der obenangefuͤhrten Schrift 1. Abh. 2. Kap. §. 52. u. f. S. 44. u. f. In den erſten Zeiten, ſagt er, war es frey und gemein. Dann entſtan - den Streitigkeiten daruͤber zwiſchen den Athenienſern und Lacedemoniern, indem iene die Herſchaft uͤber die an - grenzenden aͤuſſern Meere behaupteten. Die Karthagi - nenſer verlangten die Herſchaft uͤber das mitlaͤndiſche Meer. Nachdem Rom ſich zur Beherſcherin uͤber dieWelt29und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Welt emporgeſchwungen hatte, maaſte es ſich auch das Eigenthum uͤber den Strand und das Meer ſelbſt an. Mit der roͤmiſchen Hoheit ging die Herſchaft uͤber das Meer wieder verloren, weil kein ander Volk ſie behaup - ten konte. So wurden die Meere und offenen Seen nach und nach wieder frey und allen Nazionen gemein. In neuern Zeiten maaſten verſchiedene ſich derſelben wieder an, woruͤber heftige Kriege, beſonders zwiſchen England und den Niederlanden uͤber den Heringsfang, entſtanden, welchen die letztern lange Zeit ganz frey ausgeuͤbt hat - ten. Nun fanden ſich eine Menge Gelehrten, welche bald die eine, bald die andere Parthey nahmen. M. vergl. Puffendorff L. IV. c. 5. §. 8. Neyron prin - cipes du d. des g. E. §. 263. u. f. S. 237. Schriftſteller uͤber Eigenthum und Herſchaft des Meeres, ſ. in von Ompteda Litt. des V. R. 2. Th. S. 521. u. f. von Cancrin a. a. O. S. 23. u. f. Samlungen mehrerer Schriften dieſer Art ſind: Collectio variorum auctorum tractatuum de dominio maris 1615. 4. Variorum auctorum diſſertationes de dominio ſive im - perio maris cum praefatione Ioach. Hagemeyeri Frcf. ad Moen. 1663. 12. Henr. L. B. de Cocceji Grotius illuſtratus. Tomus IV. edit. Wratislav 1752. Fol. enthaͤlt 12. Schrif - ten uͤber dieſen Gegenſtand. M. vergl. auch: Fr. Franc. Lud. Peſtel diſſ. ſelecta capita iuris gen - tium maritimi, Lugd. Bat. 1786. 4.
a]
b]Die Freiheit der Meere vom Eigenthum behaupten vor - zuͤglich folgende Schriftſteller: Hug. Grotii mare liberum ſeu de iure quod Batavis competit ad indica commercia, Lugd. Bat. 1609. 8. und oͤfter, beſonders 1633. 12. auch in ang. Cocceji30Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerCocceji Grot. illuſtr. M. vergl. deſſen I. B. & P. L. II. c. 2. §. 3. c. 3. §. 8 16. Theod. Graswinkel Vindiciae adverſus Pet. Bapt. Burgum Liguſtici maris dominii aſſertorem. Hagae 1652. 4. Io. Henr. Boecler diſſ. de Minoe maris domino, Arg. 1656. in Diſſ. ej. T. II. S. 1073. u. f. Ad. Fr. Glafey Recht der Vernunft. Dritte Aufl. Frf. und Leipz. 1746. 4. 4. Kap. Doch haͤlt er den Grund des unerſchoͤpflichen Nutzens, worauf viele am mei - ſten ſich ſteifen, nicht fuͤr hinlaͤnglich zu Behauptung der Freiheit des Meeres, weil er auch auf die Erde, die doch beherſcht, anwendbar ſey, ſondern er glaubt, daß alles Eigenthum von der Vernunft gemisbilligt werde, nachher aber aus Noth, um groͤſſeres Uebel zu vermeiden, habe ratihabirt werden muͤſſen. Haͤt - te eine Anzahl Menſchen ſich der erſten Beſitznehmung widerſetzt, haͤtte ſolche nicht Statt finden koͤnnen. Da nun aber die Erde einmal im Eigenthum iſt, das Meer aber noch nicht, ſo folge, daß keine Nazion ſich daſſelbe zueignen koͤnne, weil bisher alle Voͤlker in Europa deſſen Eigenthum widerſprochen haben. Daſ. §. 90. und 91. M. vergl. Wolff c. I. §. 121. u. f. Vattel l. I. c. 23. §. 286. u. f. Schrodt P. II. c. 1. §. 10. u. f.
b]
c]Das Eigenthum deſſelben vertheidigen unter andern: Seraph. de Freitas de iuſto imperio Luſitanorum Aſiatico adverſus Grotii mare liberum Princiae 1625. 4. Io. Seldeni mare clauſum ſive de dominio maris Libri II. primo mare ex iure naturae ſive gentium omnium non eſſe commune ſed dominii privati ſive proprietatis capax pariter ac tellurem eſſe demon - ſtratur. Secundo Sereniſſimum magnae Britanniae regem maris circumflui vt individuae atque per -petuae31und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.petuae Imperii Britannici appendicis dominum eſſe aſſeritur, Lond. 1635. Fol. und oͤfter, auch in Cocceji Grot. illuſtr. p. 1 164. Die Entſte - hungsgeſchichte dieſes Werks enthalten: Io. Seldeni Vindiciae ſecundum integritatem exiſtimationis ſuae per convitium de ſcriptione maris clauſi, in Vindiciis maris liberi adverſus Petr. Bapt. Burgum, Liguſtici maritimi dominii aſſertorem, Lond. 1653. 4. und in Opp. T. II. p. 1415 1437. Dieſe ſind blos der Vertheidigung gegen die weiter unten anzufuͤhrende Schrift des Burgus gewidmet, wor - inn derſelbe vorgab, daß Selden, wie noch itzt viele glauben, ſein mare clauſum im Gefaͤngniſſe geſchrie - ben, und durch dieſe Vorſpiegelungen ſeine Freiheit erlangt habe. Allein Selden zeigt, daß er es laͤngſt vor ſeinem zweimaligen Gefaͤngniſſe, und zwar bereits 1618. vollendet, und zum Druck beſtimt gehabt; daß er es aber erſt vier Jahr nachher, als er das letzte - mal bereits wieder auf freien Fuß geweſen, mit vie - len Verbeſſerungen und Vermehrungen herausgegeben habe. Io. Strauch diſſ. de imperio maris, Ien. 1654. 4. Herm. Conring diſſ. de imperio maris, Helmſt. 1676. und in Opp. Tom. IV. S. 946. auch in Cocceji Grot. illuſt. S. 278. 294.
c]
d]Hieher gehoͤren nebſt den meiſten neuern: Conr. Sam. Schurzfleiſch, Diſſ. maris ſervitus, Wit - teb. 1671. und in Op. hiſt. polit. Berol. 1699. 4. S. 1003. Puffendorff I. N. & G. L. IV. c. 5. §. 5. u. f. Theod. Grauer Diſſ. de mari natura libero, pactis clauſo, Vltraj. 1728. 4.
d]
e]Wie ſchon Grotius nach dem Ausſpruche der Alten bemerkt: mare vero terra non continetur, par terraeaut32Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkeraut terra maius, vnde terram mari contineri veteres dixere, L. II. c. 2. §. 3. n. 2.
e]
f]Ganz richtig urtheilt Puffendorf: liberum quidem eſſe hominibus vacua occupando ſua facere, ſed ita ta - men vt meminerint, non vni & alteri, ſed vniverſo hominum generi orbem terrarum a numine eſſe con - ceſſum, ſimulque naturaliter homines eſſe aequales I. N. & G. L. IV. c. 5. §. 9. vergl. c. 6. § 3. und Conring Diſſ. cit. §. 32. Omnis occupatio ita debet eſſe conſtituta vt non vergat in praeſentiſſimam iniu - riam & inevitabile damnum alterius alicuius inno - centis, qui alias, ſi citra iſtam occupationem eſſet, eodem iure ac titulo circa hanc rem gauderet. Hinc vna aliqua respublica totum & vaſtum Oceanum ſibi ſoli, cum excluſione omnium aliorum, vindicare iure nequit, vtpote cum haec occupatio cederet in maximum detrimentum reliquarum ac praeſertim ma - ritimarum rerumpublicarum, quarum ſcilicet ſalus in libero maris vſu conſiſtit.
f]

§. 17. Herſchaft uͤber daſſelbe ohne Eigenthum.

Einige ſind der Meinung, daß eine Nazion, wenn gleich nicht das Eigenthum oder den alleinigen Beſitz und Genus, doch wenigſtens die Herſchaft uͤber das Meer erlangen koͤnne. a] Dieſes waͤren zwey ganz verſchiedene Dinge, die beiſammen ſeyn, oder getrennt werden koͤnten, indem ſich auch eine Herſchaft uͤber an - derer Eigenthum oder uͤber Dinge, die noch in der ur - ſpruͤnglichen Gemeinſchaft ſind, erwerben laſſe. Zu dieſer Herſchaft des Meeres rechnen ſie das Recht das Segelſtreichen zu verlangen, Schifszoͤlle anzulegen, Schiffahrtsgeſetze zu geben, Verbrechen auf dem Meere zu beſtrafen u. d. gl. Da aber die Geſetze der Naturan33und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.an ſich keine Herſchaft erkennen, ſo raͤumen die Ver - theidiger dieſer Meinung auch ein, daß eine ausdruͤck - liche oder ſtilſchweigende Einwilligung derer hierzu er - foderlich ſey, uͤber welche die Herſchaft behauptet wer - den ſoll. Ich will hier nicht alle die Schwierigkeiten, welchen die Herſchaft uͤber eine in Niemandes Eigen - thum befindliche Sache unterworfen ſeyn muß, weit - laͤufig anfuͤhren; b] aber man wird leicht einſehn, daß zu Einraͤumung einer ſolchen Herſchaft nicht die Ein - willigung eines oder mehrerer, ſondern aller Theilhaber noͤthig ſey. Wenn alſo auch eine oder die andere Na - zion einer dritten iene Herſchaftsrechte zugeſteht, ſo iſt dies nicht ſowohl fuͤr eine Herſchaft uͤber das Meer, als fuͤr eine perſoͤnliche Unterwerfung anzuſehn; denn wenn das Meer nicht im Eigenthum einzelner Voͤlker, ſondern im gemeinſchaftlichen Beſitz aller iſt, wie kann die eine Herſchaft anerkennende Nazion den Theil be - ſtimmen, der ihr gehoͤrt, oder andern etwas vergeben, wenn ſie nicht eingewilligt haben? Die Herſchaft uͤber das Meer ohne Eigenthum iſt daher allenfals denkbar, aber deſto weniger ausfuͤhrbar, da die meiſten Voͤlker in Europa, deren Beiſtimmung darzu noͤthig waͤre, alle Herſchaft des Meeres zu bekaͤmpfen ſuchen.

a]Theod. Graswinckel adverſ. Burgum l. c. c. 16. S. 229. u. f. Wolff c III. §. 357. Schrodt P. II. c. 1. §. 14. 15. Martens L. IV. c. 4. §. 120. Sam. Cocceji widerſpricht ſich in dieſem Puncte. In der In - troduct. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. Lauſan. 1751. 4. diſſ. prooem. XII. §. 237. behauptet er: acquiri imperium poteſt, etſi res ſingulae natura in dominium venire non poſſunt. Sane imperium ma - ris habere poſſumus, etſi in proprietate no - ſtra non ſit conſtituta. und in Not. ad Grotii mare li - berum c. 5. ſagt er: Ad id, vt imperium acquiratur, requiritur, vt res ſit in noſtra poteſtate: Sane ſoloGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Canimo34Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkeranimo imperium acquiri nequit: nemo autem diffuſam illam molem maris in poteſtate habet, nec per rei naturam habere poteſt.
a]
b]M. vergl. den unten angef. Burgus de dominio Reip. Gen. in mari Liguſt. L. I. c. 16. S. 502. u. f.
b]

§. 18. Eigenthum uͤber das Weltmeer oder die offene See.

So wenig das Meer einer wilkuͤhrlichen Begren - zung unterworfen iſt, ſo hat doch die Natur ſelbſt es in verſchiedene groͤſſere und kleinere Abtheilungen ge - bracht, ie nachdem es hier und da durch nahgelegene Lande beengt, oder wo dieſe fehlen, eine ungeheuere Strecke ausgedehnt iſt, die iedoch meiſt alle zuſam - menhangen. Die letztern heiſſen Ocean, offene See, Welt - und aͤuſſere Meere. [Oceanus, maria vni - uerſa, externa.] Die von Laͤndern umgebenen Meere werden, nach Beſchaffenheit ihres Umfangs und in wie - ferne ſie mehr oder weniger vom Lande eingeſchloſſen ſind, geſchloſſene, a] innere Meere [Maria particu - laria, clauſa, interna] genant. Das, was oben von dem Eigenthum des Meeres im Algemeinen geſagt worden iſt, leidet hauptſaͤchlich in Anſehung des Oce - ans, oder des groſſen Weltmeeres ſeine Anwendung. Die meiſten Gelehrten, ſelbſt viele von denen, welche im uͤbrigen das Eigenthum und die Herſchaft der Meere vertheidigen, ſind dahin einverſtanden, daß der Ocean voͤllig frey, und weder dem Eigenthum noch der Her - ſchaft, am wenigſten blos einer oder weniger Nazionen, unterworfen ſey. b] Der vorzuͤglichſte Grund wird von der Unmoͤglichkeit der Beſitznehmung und Erhaltung genommen, doch muß, wie ſchon gedacht, auch nochdie35und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.die Unrechtmaͤſſigkeit einer ausſchließlichen Anmaßung deſſelben in Erwaͤgung kommen. c]

Auſſer den ehemaligen Anſpruͤchen Portugals d] und nachher gewiſſermaaſſen Spaniens e] hat auch in neuern Zeiten kein Volk in Europa ausdruͤcklich ein ausſchließliches Recht auf das Weltmeer behauptet, obwohl einige Maͤchte der Krone Grosbritannien ein Beſtreben nach Herſchaft darauf beigemeſſen haben. f]

a]Z. B. die Oſtſee, oder das balthiſche Meer. Deswe - gen verglichen ſich Rußland und Preuſſen, beſonders in Abſicht des Handels neutraler Voͤlker im Kriege: de ſoutenir, que c’eſt une mer fermée inconteſtablement telle par ſa ſituation locale toutes les nations doi - vent et peuvent naviger en paix etc. Vertrag v. 8. May 1781. Art. ſep. 1. in Dohms Materialien 4. Th. S. 254. M. vergl. in Ruͤckſicht Daͤnemark die Aeuſſerungen ebendaſ. S. 281. und Polit. Journ. May 1781. S. 526.
a]
b]Schrodt P. II. c. 1. §. 12. Martens a. a. O. §. 125. Schurzfleiſch diſſ. cit. §. 13. ſchreibt ziemlich heftig: Atque id indicio eſt, alienum hic eſſe imperium ma - ris vniverſi, quod qui vni vindicaret inventus eſt nemo qui ſaperet quidem, neque adeo impetu ſed ratione vteretur. Ein hartes Urteil, das beſonders den Gen - tilis, Selden ꝛc. trift.
b]
c]Wieferne die Meinung des von Cancrin 1. Abh. 2. K. §. 57. u. f. S. 46. u. f. ſtatt finde, ergiebt ſich aus dem be - reits Geſagten. Er glaubt naͤmlich, man muͤſſe bey der Frage: ob die offenbare See einer Herſchaft unterworfen ſey? zwey Punkte in Betrachtung ziehn: 1] ob es nach der Natur des Voͤlkerrechts erlaubt, 2] ob es nach der Natur des Meeres und der Macht der Voͤlker moͤglich ſey? Die erſte Frage muͤſſe beiaht werden, weil alle Dinge zum Gebrauch der Menſchen erſchaffen ſind und dem gehoͤren, der ſie zuerſt occupirt. Aus dieſem GrundeC 2koͤnten36Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerkoͤnten auch Voͤlker mit Recht die offenbare See, die noch unter keiner Herſchaft ſteht, in Beſitz nehmen ꝛc. Die zwote Frage lieſſe ſich auch beiahen, wenn es moͤg - lich waͤre, daß ein Volk das nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts in Beſitz genommene Meer immer ſchirmen und ſchuͤtzen und ſich dabey erhalten koͤnnte, welches aber kein europaͤiſches Volk, wegen Eiferſucht der uͤbrigen, mit aller ſeiner Macht vermoͤgend ſey. M. vergl. Byn - ckershoeck de dominio mar. c. 3.
c]
d]Das geſchahe vornaͤmlich, vermoͤge der gedachten paͤpſt - lichen Schenkungen, damals, als die Niederlaͤnder an - fingen nach Indien zu ſchiffen; und Grotius ſchrieb ſein mare liberum eigentlich gegen Portugal.
d]
e]Der Titel der Koͤnige von Spanien: Koͤnig der In - ſeln Indiarum und terrae firmae des Meeres Oceani gab ehedem auch Anlas, Spanien eine vermeintliche Herſchaft uͤber den Ocean zuzuſchreiben. Alleine Sel - den l. 1. c. 17. bemerkte ſchon, daß nach terrae firmae keine Interpunction zu ſetzen ſey, weil dieſer Titel nur bedeuten ſolle: Koͤnig der Inſeln ꝛc. des oceaniſchen Meeres, welche Papſt Alexander V. dem Koͤnige von Spanien geſchenkt hatte. M. vergl. Stypmann de iure maritimo &c. L. I. c. 6. n. 179. 311. u. f. in Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 233 und 239. In die - ſem Verſtande ſchreibt der Koͤnig ſich auch noch heutzu - tage: Rey de las Islas y Tierra firme del Mar Oceano. Daß Spanien indes noch in neuern Zeiten, beſonders bey Gelegenheit der Streitigkeiten mit Gros - britannien wegen der Inſel Falkland ſich fuͤr berechtigt gehalten habe, alle Nazionen von der Suͤdſee auszu - ſchlieſſen, iſt ſchon oben §. 10. Not. a. erinnert worden. ſ. neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 124.
e]
f]Schon Alb. Gentilis in Advoc. Hiſpanica. L. I. c. 8. legte den Englaͤndern ein Recht auf die Herſchaft desOceans37und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Oceans bey. Auch Selden erſtreckte ſeine Behaup - tungen zu Gunſten Englands auf das ganze Meer. Mare, ſagt er, intelligimus vniverſum & tam Ocea - num apertum ſeu exteriora quae ſunt maria, quam quae interiora ſunt veluti Mediterraneum, Adriaticum Aegaeum, Britannicum, Balticum & quae ſunt id ge - nus alia haud aliter ab Oceano ac vti partes vnde - quaque homogeneae a toto diſerepantia L. I. c. 3. Allein der engliſche Hof ſelbſt hatte in den damaligen Zeiten ganz andere Geſinnungen; denn als der ſpaniſche Geſandte Bernardino Mendoza 1580. ſich uͤber einige Beeintraͤchtigungen des bekanten engliſchen Weltumſeg - lers Franz Dracke beſchwerte, machte die Koͤnigin Eliſa - beth mancherley Einwuͤrfe gegen die ſpaniſche Anmaaſ - ſungen auf die alleinige Schiffahrt nach Indien, und aͤuſſerte unter andern: maris & aeris vſus omnibus eſſe communis. Nec ius in Oceanum populo aut privato cuipiam poſſe competere, cum nec naturae nec vſus publici ratio occupationem permittat. Cambdenus ad an. 1580. In der Folge beſchwerten ſich iedoch die europaͤiſchen Maͤchte verſchiedentlich uͤber die grosbritanniſchen Herſchaftsabſichten. La Cour de Londres, hieß es, a depuis bien long tems pour ma - xime qu’elle doit dominer excluſivement ſur toutes les mers; toutes ſes demarches ſans ceſſe dirigeés vers ce but Ce ſont toutes ces cauſes réunies, qui la porterent à ſ’arrager un empire tyrannique en pleine mer; à préſcrire des loix arbitraires, incon - nues et inadmiſſibles La continuation de la guerre eſt devenue inévitable pour mettre un terme à l’empire tyrannique que l’Angleterre a uſurpé et prétend conſerver ſur toutes les mers V. Expoſé des motifs de la France contre la Grande Bretagne du 13. Juil. 1779. und Obſervat. ſur le Memoire juſti - ficatif. de la Cour de Londres in Dohms Materia -C 3lien38Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerlien 4. Th. S. 100. u. f. M. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 481.
f]

§. 19. Eigenthum uͤber die durch Lande abgeſon - derte Theile des Meeres.

Ob nun gleich die Freiheit der offenen See, oder der groſſen aͤuſſern Weltmeere, von Eigenthum und Herſchaft von ieher faſt durchgaͤngig anerkant worden, ſo haben doch auch immer verſchiedene Nazionen ſich der in Lande eingeſchloſſenen Abtheilungen des Meeres, oder der, nach Verſchiedenheit der Laͤnder, mit beſon - dern Namen belegten Particular-Meere anzumaaſſen geſucht, und es hat ihnen wenigſtens nicht an Schrift - ſtellern zu Behauptung ihrer Rechte gefehlt. Wenn ſaͤmtliche Lande, welche einen ſolchen Theil des Meeres umgeben, einem Volke gehoͤren, oder wenn, wo meh - rere daran ſtoſſen, ſich erweiſen lieſſe, daß ein Volk zuerſt denſelben in Beſitz genommen, und der Eingang ſo beſchaffen waͤre, daß andere davon fuͤglich abgehal - ten werden koͤnten, wie z. B. das mittlaͤndiſche Meer ehemals unter der Roͤmer Herſchaft, ſo kan man die - ſem Volke das Recht nicht abſprechen, ſich einen ſol - chen Theil des Meeres zuzneignen: es wuͤrde auch leicht im Stande ſeyn, theils vom Lande aus, theils mittelſt einer Flotte ſich bey dem Beſitze zu erhalten und andere von deſſen Gebrauch auszuſchlieſſen. Den uͤbrigen ge - ſchieht dadurch kein Unrecht, weil ihnen noch Meer ge - nug zur Benutzung uͤbrig bleibt. Ich will die vor - zuͤglichſten Particularmeere kuͤrzlich durchgehn, und zei - gen, in wie ferne ein oder das andere europaͤiſche Volk ſich eines Eigenthums daruͤber angemaaſt habe, und dann bemerken, welche dermalen gemeiniglich fuͤr frey oder beherſcht gehalten werden.

*] Gro -39und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
*]Grotius L. II. c. 3. §. 8. ſagt: mare occupari po - tuiſſe ab eo qui terras ad latus vtrumque poſſideat, etiamſi aut ſupra pateat vt ſinus, aut ſupra & infra vt fretum, dummodo non ita magna ſit pars maris, vt non cum terris comparata portio earum videri poſſit. M. vergl. §. 10. n. 2. Ein etwas groͤfferer oder geringerer Umfang im Verhaͤltnis zum Lande thaͤt zur Sache eben nichts. Das Hauptwerk komt darauf an, daß die Nazion, welche das Eigenthum eines ſol - chen Particularmeeres behauptet, den ganzen Umfang deſſelben vom Gebrauche anderer auszuſchlieſſen vermag. ſ. Martens L. IV. c. 4. §. 123.
*]
**]Die Beweiſe fuͤr die Rechtmaͤſſigkeit dieſes Eigenthums ſind gewoͤnlich aus einer Menge bibliſcher und profaner Schriftſtellen, aus Schenkungen, Belohnungen und an - dern Verguͤnſtigungen der Paͤpſte und roͤmiſchen Kaiſer von den Zeiten her, wo die Herſchaft der Welt noch unter dieſe beide Monarchen getheilt war, aus dem Be - ſitz der aͤlteſten Vorfahren, aus dem Anerkentnis andrer Nazionen, die um Erlaubnis, auf dieſen Meeren zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. angeſucht haben, aus Haltung eines Admirals u. d. g. hergenommen.
**]

§. 20. Das britanniſche Meer.

Unter dem britanniſchen Meere verſteht man nicht nur, im engern Verſtande, einen Theil des atlanti - ſchen Meeres, den ſogenanten Kanal zwiſchen den gros - britanniſchen und franzoͤſiſchen Kuͤſten, von den In - ſeln Queſſant, bis an die Meerenge von Calais, ſon - dern auch, in einer weitlaͤuftigern Bedeutung, das ganze Meer, welches England, Schottland und Irr - land und die dazu gehoͤrigen Inſeln umfließt. Ueber beide hat Grosbritannien mehrmalen ein EigenthumC 4und40Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerund die Herſchaft behaupten wollen, iſt aber beſonders mit den vereinigten Niederlanden oͤfters daruͤber in Irrungen und Krieg gerathen. Es ſtuͤtzt ſich auf die gewoͤnlichen obangefuͤhrten Eigenthumsgruͤnde des Meeres uͤberhaupt, vornaͤmlich auf einen undenklichen Beſitz vor Julius Caͤſars Zeiten her: ia es will ſogar aus dem Namen, den es zum Zeichen des brittiſchen Eigenthums erhalten haben ſoll, ein Recht herleiten. Andere europaͤiſche Nazionen, beſonders Frankreich, haben dieſes Recht aber keinesweges anerkant, und ge - gen die letztere Behauptung erinnert, daß die Benen - nung nicht ſowohl von den Britten, als von der itzi - gen franzoͤſiſchen Landſchaft Bretagne herruͤhre, wie - wohl die vereinigten Niederlande der Krone Grosbri - tannien in verſchiedenen Vertraͤgen mancherley Vorzuͤ - ge in Abſicht auf das britanniſche Meer eingeraͤumt haben. a]

a]Beſonders 1654. 62. und 67. Dann in dem Frieden zu London 1674. worinnen ſie verwilligten, daß ganze hollaͤndiſche Flotten vor einzelnen engliſchen Schiffen die Segel ſtreichen ſollen. Doch haben ſie nachher ge - aͤuſſert, daß dieſe Ehrenbezeigung nicht eben zum Zei - chen der Herſchaft, ſondern aus Reſpect, Gewohnheit ꝛc. geſchehe.
a]
*]Auſſer dem ſchon obenangefuͤhrten Selden gehoͤren hie - her noch folgende Schriften; I] Fuͤr die Rechte Grosbritanniens: Alb. Gentilis Advocatia hispanica Lib. II. Hanov. 1613. 4. Er ſoll auch ein beſonderes Buch de iure maris geſchrieben haben. The Sovereignty of the Britiſh Seas in the year 1633. proved by records hiſtory and the municipal laws of this Kingdom by Sir John Boroughs [oder Burr - hus, wie ihn Selden ſchreibt] Keeper of the recordsin41und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.in the Tower of London 1651. 12. Moſer im Verſuch 5. Th. S. 482. fuͤhrt Ios. Bourough Im - perium maris Britannici ex monumentis hiſtoricis legibusque Anglicae demonſtratum, Lond. 1686, Fol. an, welches ich fuͤr eine Ueberſetzung des erſtern halte. Ich habe aber beide nicht zu Geſichte bekom - men koͤnnen. Guil. Welwood de dominio maris iuribusque praecipue ad dominium ſpectantibus. Hagae 1653. 4. II] Die Widerſpruͤche der vereinigten Niederlande ver - theidigten, naͤchſt dem Grotius: Theod. Graswinckelii vindicatio maris liberi adverſus Guil. Welwoodum Britannici maris dominii aſſer - torem. Hagae. 1653. 4. Mart. Schockii imperium maritimum in quo cuique genti, maximae Belgis foederatis, ſuus vindica - tur honos. Amſt. 1654. 12. auch in Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 57 110. gehoͤrt einigermaaſſen auch hieher, er iſt aber mehr hiſtoriſch und enthaͤlt viele gute Ermahnungen, die erworbene Seemacht zu erhalten.
*]
**]M. vergl. Schweders Theatr. Praetens. von Gla - fey 1. Th. S. 312. u. f. Moſers Verſuch 5. Th. S. 473. u. f.
**]

§. 21. Die Nordſee oder das teutſche Meer.

Das Eigenthum der Nordſee oder des teutſchen Meeres, [mare Germanicum] welches zwiſchen Gros - britannien, den vereinigten Niederlanden, Teutſchland und Daͤnemark hineingehet, und, mittelſt des Paſſes von Calais, ſich mit dem Kanal oder eigentlich ſoge - nanten britanniſchen Meere vereinigt, iſt von Gros - britannien, den vereinigten Niederlanden und Daͤne -C 5mark42Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkermark verlangt und beſtritten, aber keiner Nazion von andern zugeſtanden worden.

*]Von Schriften koͤnnen hier noch bemerkt werden: Marc. Zuer. Boxhorn Apologia pro navigationibus Hollandorum, adverſus Pontum Heuterum [Auct. Rerum Burgundicarum Libr. VI. ] qua praeceden - tium ſaeculorum navigationes earumque iura & inſtituta ex tabulis praeſertim publicis aſſeruntur. Lugd. Bat. 1633. 12. und in Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 295 304. Io. Iſaac Pontani diſcuſſionum hiſtoricarum de marl libero adverſus Io. Seldeni mare clauſum libri II. Hardervic. 1637. 1640. 8. auch in Cocceji Grot, illuſtr. S. 111 192. Er vertheidigt die Rechte der Daͤnen. M. vergl. Schweders Theat. praet. 1. Th. S. 254.
*]

§. 22. Die Oſtſee.

Die Oſtſee, oder das baltiſche Meer [mare Balti - cum] iſt eigentlich ein groſſer Meerbuſen zwiſchen Daͤ - nemark, Schweden, Rußland, Polen, Preuſſen und Teutſchland. Auf derſelben ſchreiben ſich Schweden und Daͤnemark vorzuͤgliche Rechte zu, a] und letztere Krone hat beſonders in aͤltern Zeiten beinah eine aus - ſchließliche Herſchaft daruͤber ſich angemaſt, dem aber Schweden, Polen und die uͤbrigen angrenzenden Na - zionen widerſprochen haben. Wenn auch Neyrons Vorgeben gegruͤndet waͤre, daß Schweden, Daͤnemark und Rußland, in einem Vertrage zwiſchen den letztern beiden Maͤchten, 1730. das baltiſche Meer unter ſich ge - theilt haͤtten, b] ſo koͤnte doch dieſes einſeitige Unter - nehmen den uͤbrigen Nazionen nicht nachtheilig ſeyn. c]

a] Beide43und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
a]Beide nahmen es daher ſehr uͤbel auf, als Kaiſer Fer - dinand II. dem General Wallenſtein den Titel eines Generals des oceaniſchen und baltiſchen Meeres beilegte. Schweden [welches Kraft einer Verguͤnſti - gung Kaiſer Karls V. die im Stetiner Frieden mit Daͤ - nemark, unter Kaiſer Maximilian II. Vermittelung, 1570. beſtaͤtigt worden war, ein beſonderes Schutzrecht uͤber dieſes Meer verlangte] fuͤhrte dies ſogar mit als eine Urſach des Krieges wider den Kaiſer an. ſ. Stypmann de iure marit. L. I. c. 6. n. 179. 358. u. f. Henr. Com. a Bunau diſſ. de iure imp. circa maria §. 25. u. f.
a]
b]Neyron principes &c. §. 273. S. 245. Dieſer Ver - trag von 1730. 30. Octb. hat eigentlich blos den Schifs - gruß beiderſeitiger Schiffe zum Gegenſtand. Es wird des Dominii in der Oſtſee, als eines Grundes davon, in verſchiedenen Artikeln gedacht, deswegen iſt er aber immer noch kein Theilungsvertrag uͤber dieſes Meer.
b]
c]Eben ſo wenig, als wenn Schweden und Grosbri - tannien in der Allianz vom 21. Jan. 1720. Art. 15. bedingen: daß dieſes Buͤndnis keinem Theile an ſeinen Rechten und dominio marium, als Schweden in der Oſtſee, und Grosbritannien in den Meeren, welche Bri - tannica genant werden, praͤiudiciren ſolle.
c]
*]M. vergl. folgende Schriften: Mare Balticum, i. e. hiſtorica deductio vtri regum Daniae ne an Poloniae praedictum mare ſe deſpon - ſatum agnoſcat? Poloni cuiusdam nuper typis excuſo diſcurſui neceſſario oppoſita 1638. 4. Anti-Mare Balticum ſeu recapitulatio tractatus cui titulus: Mare Balticum, ſcilicet an ad Reges Daniae an ad Reges Poloniae pertineat? 1639. 4. D. du Maurier diſſ. ſuper vetere Auſtriacorum pro - poſito occupandi maris Baltici, Paris 1644. 4. Stypmann a. a. O. L. I. c. 6. ingl. Schweders Theat. praet. von Glafey 1. Th. S. 252.
*]
§. 23.44Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker

§. 23. Mitlaͤndiſches Meer.

Ueber das mitlaͤndiſche Meer, eines der groͤſten, welches die Lande verſchiedener europaͤiſcher Nazionen von Aſien und Afrika trennt, und, mittelſt der Meer - enge von Gibraltar, mit dem atlantiſchen Meere zu - ſammenhaͤngt, hat, ſeit dem die Herſchaft der Roͤmer, welche alle daran gelegenen Lande beſaſſen, ein Ende erreicht, a] im Ganzen eben kein Volk ein ausſchließli - ches Recht behauptet; auſſer was etwa einige Schrift - ſteller dieſem oder ienem zuzuſchreiben fuͤr gut gefunden haben. b] Indes iſt in neuern Zeiten daruͤber geſtrit - ten worden, ob es fuͤr ein geſchloſſenes Meer zu ach - ten. c] Auf einzelne Stuͤcke deſſelben hingegen, die ihren beſondern Namen fuͤhren, z. B. das adriatiſche, das liguſtiſche Meer, machen mehrere europaͤiſche Voͤl - ker Anſpruch.

a]Mart. Schockii Imperium marit. c. 5. in Cocceji Grot. illuſtr. S. 64. Bynckershoeck de domin. maris c. 3.
a]
b]Herm. Conringii Conſilium de maris mediterranei dominio & commerciis regi Chriſtianiſſimo vindicandis. Helmſt. 1670. 4. und in Opp. T. I. p. 989 1008. Er glaubt naͤmlich, daß Frankreich ſich zum Herrn des mitl. Meeres machen koͤnte, wenn es wolte; und Byn - kershoeck a. a. O. c. 6 aͤuſſert, daß der Koͤnig in Frankreich 1657. gegen den hollaͤndiſchen Geſandten wirklich einen ſolchen Eigenthumsgedanken gehabt habe.
b]
c]Rußland behauptete bey Gelegenheit der Irrungen mit der Pforte 1783. gegen Frankreich, welches die bevor - ſtehende Erſcheinung einer ruſſiſchen Flotte im mitlaͤn - diſchen Meere nicht mit gleichguͤltigen Augen anſah, daß dieſes Meer kein geſchloſſenes Meer [mare clauſum] wie die Oſtſee ſey, da die Straſſe von Gibraltar nicht ſo wie der Sund geſchloſſen werden koͤnte, und eineMenge45und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Menge Nazionen gleiches Recht daran haͤtten. Polit. Journal Jul. 1783. S. 684.
c]

§. 24. Adriatiſches Meer.

Das Eigenthum und die Herſchaft uͤber das adria - tiſche Meer, [Mare Adriaticum, Golſo di Venezia] wel - ches aus einem groſſen Meerbuſen des mitlaͤndiſchen Meeres zwiſchen den Kuͤſten von Dalmatien, Iſtrien und Italien von Otranto und gegenuͤber Valona bis Venedig beſteht, hat beſonders zwiſchen der Republik Venedig und dem Hauſe Oeſterreich, als Beſitzern des Koͤnigreichs Dalmatien, dann auch den Koͤnigen von Neapolis und Sicilien, ingleichen dem Papſt heftige Streitigkeiten und blutige Kriege veranlaßt. Am leb - hafteſten verfolgt Venedig, an deren Gebiete dieſes Meer groſſentheils ſtoͤßt, ihre vermeintlichen Rechte, und ſucht die Herſchaft dadurch zu erhalten, daß der Doge, wie bekant, iaͤhrlich mit dieſem Meere, durch Hineinwerfung eines Ringes, ſich feierlich vermaͤhlt. a] Die Republik haͤlt ihre Occupation fuͤr ſo rechtmaͤſſi - ger, weil ihr paͤpſtliche Schenkungen und Verguͤnſti - gungen b] und dann ein vieliaͤhriger Beſitz zu Statten kaͤmen, indem iene Feierlichkeit allemal in Gegenwart von Geſandten der meiſten Voͤlker in Europa geſchaͤhe, noch keiner aber einen Widerſpruch dagegen vorgebracht habe. Allein oͤſterreichiſcher Seits erklaͤrt man alles fuͤr widerrechtliche Anmaaſſungen.

a]Wie Alexander der Groſſe das indiſche Meer durch Hineinwerfung goldener Becher in Beſitz nahm. Diod. Sic. Biblioth. l. 17. Iuſtin. c. 12.
a]
b]Als iedoch in der Folge Papſt Alexander VI. die Vor - legung der Urkunde uͤber dieſe Schenkung verlangte, gab der venetianiſche Geſandte, Hyeron. Donatus, die be -kante46Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerkante beiſſende Antwort: Sie werde ſich bey dem Schen - kungsbriefe Kaiſer Conſtantins uͤber den Kirchenſtaat an den Papſt befinden. ſ. Schweders Theat. praet. 2. Th. S. 607.
b]
*]Es ſind uͤber dieſen Streit eine Menge Schriften erſchie - nen. Fuͤr die Republik Venedig: Aug. Mattheacius de iure Venetorum & iurisdictione maris Adriatici, Venet. 1617. 4. Alegazion in iure di Cornelio Francipane per la vitto - ria navale contro Federico I. Imperatore ed Atto del Papa Aleſſandro III. per il dominio della republica Veneta del ſuo Golfo contra alcune ſcritture de Na - politani, Venezia 1618. 4. Franc. de Ingenuis, Germani, Epiſtola de iurisdictione Venetae reipublicae in mare Adriaticum, ſcripta ad Liberium Vincentium, Batavum, contra Johannem Bapt. Valenzolam, Hiſpanum & Laurentium Moti - num, Romanum, Genev. 1619. 4. auch teutſch in Londorp. Act. publ. Tom. I. L. II. c. 15. und als Anhang bey nachſtehender Bergeriſchen Abhandlung. Iul. Pacii a Beriga de dominio maris Adriatici diſce - ptatio inter regem Hiſpaniae, ob regnum Neapolita - num, & rempublicam Venetam, Lugd. 1619. 4. und in Cocceji Grot. illuſtr. p. 1 18. Io. Palatii Leo maritimus ſive de dominio maris, Libri II. contra Graswinckelium, Venet. 1663. 12. Paolo Sarpi dominio del mare Adriatico della ſereniſſi - ma republica di Venezia, 1685. 12. auch im ſechſten Vol. ſeiner Opp. Venez. 1686. 12. Fuͤr Oeſterreich und Neapel: Io. Aug. de Berger Succincta Commentatio de imperio maris Adriatici, Caeſari qua regi Dalmatiarum ac principi Iſtriae, vt & regi Neapoleos atque Siciliae proprio, Lipſ. 1723. 4. auch italieniſch unter dem Titel:Il47und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Il dubbio chiarato intorno al dominio del mare Adria - tico 1725. 4. M. vergl. Schweders Theat. praet. von Glafey 1. Th. S. 195. 2. Th. S. 607. u. f.
*]

§. 25. Liguſtiſches Meer.

Ein anderes anſehnliches Stuͤck des mitlaͤndiſchen Meeres iſt das Liguſtiſche [mare Liguſticum] bei dem Gebiete der Republik Genua und der Inſel Corſica, deſſen Eigenthum die erſtere ſich zuſchreibt, und paͤpſt - liche ſowohl, als kaiſerliche Verguͤnſtigungen, inglei - chen einen langwierigen Beſitz fuͤr ſich anzieht; aber andere Nazionen, zumal die daran gelegenen, geſtehn ihr nichts zu.

*]Pet. Bapt. Burgi de dominio reipublicae Genuenſis in mari Liguſtico Libri II. Rom. & Bonon. 1641. Genuae 1643. 12. auch angehaͤngt dem Werke: Im - perii Germanici Jus ac Poſſeſſio in Genua Liguſtica, Hanov. 1751. 4. S. 415 610. Theod. Graswinckel Vindiciae adverſus Petr. Bapt. Burgum, Liguſtici maris dominii aſſertorem Hagae 1652. 4. Die Vindicias des Selden dagegen habe ich ſchon §. 16. angezeigt. M. vergl. Schweders Theat. Praet. 2. Th. S. 495. u. f.
*]

§. 26. Das ſchwarze und einige andere Meere.

An das mitlaͤndiſche Meer ſchlieſſen ſich noch das aͤgeiſche [mare Aegeum] oder der Archipelagus, wel - ches mittelſt des Helleſponts, mit dem Mar di Mar - mora [Propontis] zuſammenhaͤngt, durch den Bosporus Thracicus geht, und dann das ſchwarze Meer [Pon -tus48Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkertus Euxinus] formirt, von welchem das aſovſche [Pa - lus Moeotis] noch ein Anhang iſt. Da alle dieſe Mee - re im Gebiete der ottomanniſchen Pforte liegen, ſo be - hauptet dieſe auch das Eigenthum daruͤber.

§. 27. Meerengen und Meerbuſen.

Eben ſo iſt es mit den uͤbrigen kleinern Theilen des Meeres, Meerengen und Meerbuſen, ſie moͤgen Bayen oder Buchten ꝛc. ꝛc. ſeyn, beſchaffen. Wenn einem Volke die ſaͤmtlichen Kuͤſten oder Geſtade gehoͤren, wie z. B. Schweden an dem finniſchen Meerbuſen, oder der Pforte an dem Helleſpont und Bosphorus, oder wenn es ſich unter mehrern zuerſt in Beſitz geſetzt hat, und ſie ſo beſchaffen ſind, daß es andere davon abzuhalten vermag, ſo kan ihm das Eigenthum derſel - ben niemand ſtreitig machen.

*]Moſers Grundſ. des europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 1. Kap. §. 2. La Liberté de la navigation et du commerce des nations neutres pendant la guerre etc. Lond. et Amſt. 1780. §. 21. von Cancrin a. a. O. 1. Abh. 2. K. §. 66. S. 52.
*]

§. 28. Eigenthum und Herſchaft des Meeres an den Kuͤſten.

Wenn aber die Kuͤſten eines mit Land umgebenen Theils des Meeres verſchiedenen Nazionen zugehoͤren, und keine davon dieſen Theil zuerſt in Beſitz genom - men hat, oder der Umfang deſſelben auch ſo beſchaffen iſt, daß ein Volk denſelben ausſchlusweiſe zu behaup - ten nicht im Stande iſt; ſo gehoͤrt iedem anſtoſſenden Volke ſo viel von dem Meere, als es von den Kuͤſtenaus49und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.aus ſich zuzueignen im Stande iſt: das uͤbrige bleibt blos den anliegenden Nazionen gemeinſchaftlich, wenn ſie andern den Eingang verwehren koͤnnen, oder, wo dieſes nicht ſtatt findet, iſt es auch allen andern er - laubt, ſich des nicht in Beſitz genommenen Theils frey zu bedienen. Ueberſchreitet der Theil des Meeres, z. B. eine Meerenge, welche zwiſchen den Landen zweier Na - zionen durchgeht, die Breite eines groſſen Fluſſes nicht, ſo hat, wie bey dieſen, iede ein Recht bis auf die Haͤlfte. a]

Auch von dem offenen Meere, das nicht ins Land hineingeht, iſt es iedem Volke erlaubt, ſich an den Kuͤſten, die ihm gehoͤren, ſo viel zuzueignen, als es be - haupten kan. b] Dieſe Zueignung iſt rechtmaͤſſig und moͤglich. Es war ieder Nazion von der Natur ver - ſtattet, von dem Meere, ſo wie von dem Lande, einen Theil in Beſitz zu nehmen, ſo viel naͤmlich ihre Erhal - tung und Vervolkommnung erfordert. Sie thut daher niemanden Unrecht, wenn ſie ſich des ihr zunaͤchſtgele - genen Meeres ausſchließlich bedienet, und nicht geſtat - tet, daß andere ihr den ſo nahen Nutzen entziehn. Die uͤbrigen Voͤlker koͤnnen ſich der offenen See bedienen. Die Sicherheit und das Wohl des Staats uͤberhaupt erfordern auch, fremde Schiffe in einiger Entfernung von den Kuͤſten zu halten, um ſich nicht einem unver - mutheten Ueberfall auszuſetzen, der hier, wo alles of - fen, unendlich eher zu befuͤrchten iſt, als bey Nazio - nen, die mit andern Landen graͤnzen. Die Behauptung, daß in allen dieſen zu eigen gemachten Theilen des Meeres, wenigſtens die Schiffahrt, des Handels ꝛc. wegen, frey bleiben muͤſſe, iſt nach den Grundſaͤtzen zu beurtheilen, welche weiter unten in Anſehung des Durchzugs und des Handels durch die Lande eines an - dern Volks uͤberhaupt vorgetragen werden ſollen.

Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. DMoͤg -50Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker

Moͤglich iſt die Beſitznehmung und Behauptung des an die Kuͤſten ſtoſſenden Meeres auch, weil theils durch Unterhaltung einer Flotte, theils durch Anſtalten von den Kuͤſten aus, die Schiffe anderer Nazionen von deſſen Gebrauche fuͤglich abgehalten werden koͤn - nen. c]

Wie weit von den Kuͤſten aus ins Meer hinein das Eigenthum ſich erſtrecke? war beſonders ehedem eine ſehr ſchwer zu beſtimmende Frage. Die Antwort: ſo weit man daſſelbe zu behaupten im Stande, war damals ein ſehr unzuverlaͤſſiger Maasſtaab zur Grenz - ſcheidung. Jtzt, nachdem das grobe Geſchuͤtz erfunden worden, hat man das Eigenthum faſt durchgaͤngig ſo weit angenommen, als das Meer von den Kuͤſten aus mit Kanonen beſtrichen werden kann. d]

Von den meiſten neuern Voͤlkerrechtslehrern, ſo wie von den heutigen europaͤiſchen Nazionen ſelbſt, wird beinah allein uͤber dieſen an die Kuͤſte ſtoſſenden Theil des Meeres ein Recht des Eigenthums zugeſtan - den. e]

a]Martens précis du d. des g. L. IV. c. 4. §. 122.
a]
b]Grotius in mar. lib. c. 5. und I. B. & P. L. 2. c. 3. und einer ſeiner vorzuͤglichſten Commentatoren Sam. von Cocceji halten, nach der Meinung der roͤmiſchen Juri - ſten, zwar auch die Kuͤſten ſelbſt fuͤr frey und dem ge - meinſchaftlichen Gebrauche vorbehalten; non, wie Coc - ceji bey der erſten Stelle ſchreibt, quia natura occupari non poſſunt, ſed ex medii neceſſitate, quia quatenus littora ad maris vſum neceſſaria ſunt, communia ne - ceſſario manere debent [Gebaͤude darauf ſetzen, Baͤume pflanzen, Netze trocknen ꝛc. werden iedoch dahin nicht gerechnet] M. vergl. deſſen Introd. ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. XII. §. 221. u. f. ingl. Graswinckel adv. Burgum c. 13. p. 219. Allein dieUfer51und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Ufer und Kuͤſten gehoͤren offenbar zum Lande eines Volks und machen einen Theil deſſelben aus, muͤſſen daher auch zum Eigenthum desienigen gehoͤren, der das Gan - ze beſitzt: Von dem im Nothfall ieder andern Nazion erlaubten Gebrauche deſſelben kan keine algemeine Regel genommen werden. Ueberhaupt ſcheinen die roͤmiſchen Rechtslehrer, bey Behauptung einer Gemeinſchaft der Meere und Kuͤſten, mehr auf die innern Staatsverhaͤlt - niſſe, als auf die Nazionen Ruͤckſicht genommen zu ha - ben, ſ. v. Cancrin a. a. O. 2. Abh. 1. Kap. §. 2. S. 102.
b]
c]Ueber die Art, wie dieſer Beſitz ergriffen und erhalten wird, iſt man auch nicht einverſtanden. Die Haupt er - foderniſſe der Anſtalten dabey ſind, wie bey dem Lan - desbeſitz, daß die Abſicht der Zueignung daraus deut - lich erhelle, und daß die Ausſchlieſſung anderer dadurch bewuͤrkt werde. Defenditur, ſagt Burgus in dominio maris Liguſt. L. I. c. 17. ac retinetur maris impe - rium & poſſeſſio claſſe, bonaque diſciplina ac dili - gentia; atque vbi ita anguſtum eſt mare, vt e terris navigantes ad parendum cogi poſſint, arces quoque ſunt vtiles, quibus res Daniae ad fretum Oreſundae & Turcarum Imperator in faucibus Hellesponti ad maritimum imperium exercendum vtuntur. Dage - gen wendet zwar Graswinckel ein: qui navigat mare, non poſſidet mare aliam occupationem, niſi quae formam rei mutet, non agnosco puta ſi projectis molibus occupatur aut aggeribus clauditur, aut deni - que ſinus aliquis maris aut fretum occupatur. Quidſi ad exemplum privati praedii aliquis inferre velit, reſpectu provinciae alluens mare provinciae accedere poſſit: ſed neceſſe erit vt ſimiliter ſepiatur quo mare clauſum dici poſſit Verum admitti nullo modo poteſt id quod Burgus contendit: ſicut priva - tus ſepiendo mare ſuum facit, ita princeps mare claſ -D 2ſibus52Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerſibus occupando ſuum faciet. Graswinckel Vindic. adv. Burgum c. II. p. 189. c. 13. p. 219. c. 16. p. 227. und 232. Aber iener doppelte Zweck kan durch Flotten und Beſetzung der Kuͤſten mit Kanonen ohnſtrei - tig eben ſo gut erhalten werden, als durch Einzaͤu - nung ꝛc. die beim Meere ſelten moͤglich iſt.
c]
d]Hieruͤber hatten die Voͤlkerrechtslehrer der vorigen Zeiten gar verſchiedene Meinungen. Man ſetzte die Grenzen des Eigenthums auf ſechzig, hundert und mehr Meilen, auf zwey Tagereiſen, ſo weit das Meer uͤberſehen wer - den kann ꝛc. Der heutige Grundſatz der europaͤiſchen Nazionen iſt zwar nicht algemein ausdruͤcklich, aber doch von den meiſten ſtilſchweigend anerkannt. Am richtig - ſten urtheilt hiervon Bynckershoeck de domin. mar. c. 2. Exiſtimem itaque eo vsque poſſeſſionem maris proximi videri porrigendum, quousque continenti poteſt haberl ſubditum; eo quippe modo, quamvis non perpetuo navigetur, recte tamen defenditur & ſervatur poſſeſſio iure quaeſita: neque enim ambigen - dum eſt, eum poſſidere continuo, qui ita rem tenet, vt alius eo invito tenere non poſſit. Vnde domi - nium maris proximi non vltra concedimus quam e terra illi imperari poteſt & tamen eo vsque; nulla ſiquidem ſit ratio, quum mare quod in alicuius im - perio eſt & poteſtate, minus eiusdem eſſe dicamus, quam foſſam in eius territorio Quare omnium videtur rectius, eo poteſtatem terrae extendi, quous - que tormenta exploduntur, eatenus quippe cum im - perare tum poſſidere videmur. M. vergl. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 15. Schol. Moſers Grundſ. des europ. V. N. in Fr. Zeit. 4. B. 1. K. §. 3. deſſen erſte Grundlehren K. 6. §. 23. 24. deſſen Verſuch 5. Th. S. 486. Neyron §. 266. S. 239. Martens a. a. O. §. 122. v. Cancrin 1. Abh. 2. K. §. 65. S. 51.
d]e] Die53und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
e]Die Hauptſchriftſteller uͤber das Eigenthum des Meeres an den Kuͤſten ſind: Fr. Stypmann de iure maritimo Gryphisw. 1652. 4. und das erſte Buch in Cocceji Grot. illuſtr. ed. cit. beſonders L. I. c. 5. Conr. v. Bynkershoeck diſſ. de dominio maris Hag. 1703. 8. und in Opp. min. Lugd. 1752. 4. n. 6. p. 351. ingl. in Cocceji Grot. illuſtr. p. 361 392. M. vergl. Grot. I. B. & P. L. 2. c. 3. §. 8. u. f. Wolff c. I. §. 128. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 15. c. 2. §. 18. La liberté de la navigation etc. §. 22.
e]

§. 29. Gegenwaͤrtige Grundſaͤtze der europaͤi - ſchen Nazionen in Abſicht der Her - ſchaft und Freiheit der Meere.

Nach den heutigen Grundſaͤtzen der Voͤlker in Europa ſind von den vorgedachten Meeren einige ganz frey, andere beherſcht und uͤber noch andere wird geſtritten.

I] Im Eigenthum und beherſcht iſt 1) alles Meer an den Kuͤſten einer ieden Nazion, ſo weit es mit Kanonen beſtrichen werden kann. Von ganzen Meeren, Meerengen ꝛc. 2) das ſchwarze Meer. 3) Das aͤgeiſche Meer. 4) Das mar di Marmora nebſt den Meerengen. 5) Der Helleſpont, und 6) Bospo - rus thracicus, ſaͤmtlich von der ottomanniſchen Pforte. Die drey Meerengen zwiſchen Daͤnemark und Schwe - den naͤmlich 7) der Oreſund, 8) der groſſe und 9) der kleine Belt, welche aus der Nordſee in die Oſtſee fuͤh - ren, gehoͤren der Krone Daͤnemark a] 10) der bothni - ſche Meerbuſen von der Oſtſee, der Krone Schweden, 11) der Kanal St. George [mare hibernicum] eineD 3Meer -54Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerMeerenge zwiſchen Schottland und Irrland, der Kro - ne Grosbritannien; den vereinigten Niederlanden 12) die Suͤderſee, ein Meerbuſen aus der Nordſee im Ge - biete der Republik; endlich dem Koͤnige von Neapolis 13) die Meerenge zwiſchen Sicilien und Calabrien [fre - tum ſiculum, auch il Fano di Meſſina.]

II] Frey ſind, ausgenommen den Theil an den Kuͤſten, 1) der Ocean oder das groſſe Weltmeer nach allen ſeinen Haupttheilen; vom atlantiſchen Meer, welches von den Laͤndern, an die es ſtoͤſt, verſchiedene Benennungen naͤmlich, 2) das luſitaniſche Meer b] bey Portugal [mare Luſitanicum] 3) das ſpaniſche und biscayiſche bey Spanien [mare hiſpanicum] 4) das aqvitaniſche an den Grenzen von Frankreich [mare gal - licum] erhaͤlt; 5) die Nordſee 6) das weiſſe Meer, ein groſſer Meerbuſen des Nordmeers, 7) das mitlaͤn - diſche Meer, und 8) die Meerenge oder ſogenannte Straſſe von Gibraltar.

III] Man beſtreitet 1) dem Koͤnige von Grosbri - tannien das Eigenthum des britanniſchen Meeres, be - ſonders des Kanals; 2) der Republik Venedig, das adriatiſche; 3) der Republik Genua, das liguſtiſche Meer: 4) auch das Eigenthum des baltiſchen Meeres iſt unter ſaͤmtlichen Theilhabern noch unentſchieden. c]

a]Das daͤniſche Eigenthumsrecht uͤber den Oreſund gruͤn - der ſich auf den ehemaligen Beſitz von Schonen, weil dieſe Meerenge damals ganz im daͤniſchen Gebiete lag; aber auch nach dem Verluſt dieſes Landes hat Daͤnemark ſich dabey erhalten. Jedoch hat Schwoden im Broͤm - ſebroiſchen Frieden 1645. Art. 1. und 14. ſich die freye Schiffahrt durch den Sund und Belt ausbedungen ꝛc. ohne das Dominium maris zu iuſtificiren.
a]
b]Wiewohl man ehedem dem Koͤnige von Portugal eine Herſchaft uͤber das luſitaniſche Meer zugeſchrieben hat. ſ. Schweders Theat. praetens, von Glafey 1. Th. S. 391.
b]c] Man55und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
c]Man ſehe Moſers Grundſ. des europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. Buch 1. K. Martens précis L. IV. c. 4. §. 124. 125. und 132. von Cancrin Waſſerrecht 1. Abh. 2. Kap. §. 87. S. 66. u. f. La liberté de la navigat. §. 23.
c]

§. 30. Rechte des teutſchen Reichs und der ein - zelnen Landesherrn.

In vorigen Zeiten maaſten ſich die roͤmiſchteutſchen Kaiſer, vermoͤge ihrer eingebildeten Herſchaft uͤber die Welt, auch vorzuͤgliche Rechte nicht nur uͤber das an Teutſchland ſtoſſende Meer, ſondern auch uͤber andere Meere in Europa an. Daher lieſſen verſchiedene euro - paͤiſche Nazionen, als ſie noch in genauerer Verbin - dung mit dem teutſchen Reiche ſtanden, ſich von ihnen beſondere Verguͤnſtigungen uͤber das Meer ertheilen. a] Die meiſten der oben erzaͤhlten Eigenthumspraͤtenden - ten haben dergleichen fuͤr ſich aufzuweiſen. Nachdem man von ienem Irthum zuruͤckgekommen, maßt ſich der Kaiſer heutzutage keiner beſondern Oberher - ſchaft uͤber die Meere weiter an; iedoch ſtehen dem teutſchen Reiche alle dieienigen Rechte daruͤber zu, wel - che andere Voͤlker in Europa genieſſen. Dieſe Rechte aber werden, ſeit begruͤndeter Landeshoheit der Reichs - ſtaͤnde, nicht vom Kaiſer, ſondern von den einzelnen Landesherrn ausgeuͤbt, deren Gebiet am Meere liegt; und zwar nach allen obigen Grundſaͤtzen. b]

Dieſe finden auch zwiſchen den teutſchen Landesherrn untereinander, z. B. bey dem an den Grenzen von Teutſchland und der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft gelegenen, an das Gebiet verſchiedener Reichsſtaͤnde des ſchwaͤbiſchen Kraiſes ſtoſſenden Bodenſee [mare Sueuicum, Lacus Bodamicus] ſtatt. Zwar hat dasD 4Haus56Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerHaus Oeſterreich ſich verſchiedene Vorrechte, ia ſelbſt eine Oberherſchaft uͤber dieſes ſogenante teutſche Meer anmaaſſen wollen; aber die uͤbrigen Mitſtaͤnde haben ſich iederzeit darwider geſetzt. Jeder Landesherr be - hauptet das Eigenthum und die Herſchaft uͤber den an ſein Land ſtoſſenden Theil des Sees, und zwar nach den dort hergebrachten Grundſaͤtzen, ſo weit vom Ufer in den See hinein, als man leicht Grund faßt, oder wie es dort heißt, auf den Gruͤnden und Haldinen. Der Schweb aber, oder die tiefe, weite und freye See, iſt gemeinſchaftlich. Da dieſe Gruͤnde nicht uͤberall gleich weit hineingehen, ſo erſtreckt ſich auch das Eigenthum des einen Landesherrn zuweilen weiter als des andern. Nur die Stadt Lindau eignet ſich, unter andern Vorrechten, dieſen See bis in die Mitte zu c].

a]Henr. Com. a Bunau diſſ. de iure imperatoris atque imperii Rom. Germ. circa maria Lipſ. 1744. und in Cocceji Grot. illuſtr. T. IV. p. 393 420.
a]
b]Moſers Auswaͤrtiges Staatsrecht 2. B. 1. K. §. 3. S. 42. ingl. deſſen Landeshoheit in Anſ. Erde und Waſſer Kap. 17. §. 2. Kap. 23. §. 4. E. H. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen. Halle 1789. S. 250. v. Cancrin 1. Abh. 2. Kap. §. 78. S. 60.
b]
c]C. G. Buder diſſ. de dominio maris Sueuici vulgo Lacus Bodamici. Ien. 1742. und die im Anhange be - findlichen Rationes warum dem hoͤchſtloͤhl. Erzhaus Oeſterreich von dem hochloͤbl. ſchwaͤbil. Krais und ſon - derheitlich deſſen in und an dem Bodenſee ſituirten Fuͤr - ſten und Staͤnden das ſogenante und neuerlicher Dingen praͤtendirte Dominium maris weder in petitorio noch poſſeſſorio eingeſtanden werden koͤnne. Ingl. Moſers Nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 15. S. 440. v. Cancrin S. 70.
c]
Drit -57und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.

Dritter Abſchnitt. Eigenthum des Zuwachſes an Land und Waſſer.

§. 31. Verſchiedene Arten des Zuwachſes.

Laͤnder, welche am Meere oder andern Gewaͤſſern liegen, ſind, durch die Gewalt des Waſſers, mancher - ley zufaͤlligen Veraͤnderungen der Abnahme und Ver - groͤſſerung unterworfen. Was dem einen entriſſen wird, waͤchſt gemeiniglich dem andern zu. Dieſer Zuwachs [acceſſio] iſt auf verſchiedene Art moͤglich. Wenn das Waſſer nach und nach von einem Lande das Erd - reich unvermerkt wegnimt, und anderswo anſetzt, ſo heißt es Anſpielung [alluvio]; ein Anwurf [appul - ſio, coalitio] hingegen, wenn auf einmal ein betraͤcht - liches Stuͤck [cruſta] getrennt, und einem andern Lande zugefuͤhrt wird. Zuweilen ſetzt das abgeſonderte Erdreich ſich nicht an ein anderes Land, ſondern es haͤuft ſich im Waſſer und macht, wenn es uͤber daſſelbe her - vorragt, eine Inſel. Ein abgeriſſenes Stuͤck Land, welches ſich noch nicht feſtgeſetzt hat, ſondern im Waſ - ſer, beſonders auf dem Meere herumſchwimmt, wird eine ſchwimmende Inſel genannt. Die Zueignung aller dieſer Anwuͤchſe rechnet man zu den urſpruͤnglichen Erwerbungsarten, weil ſie von der Natur ſelbſt dem Hauptlande zugefuͤhrt werden.

*]Nic. Got. Lyncker diſſ. de acceſſione fluviali. Ien. 1689. Petr. Haymann diſſ. de incrementis et acceſſionibus fluvialibus Ultraj. 1713. Iac. van der Lyn diſſ. de acceſſione naturali beneficio fluminis facta, Lugd. 1718. D 5Noae58Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerNoae Meureri tract. iurid. de alluvione, inſulis alveo et iure aquatico. Nurnb. 1733. 4.
*]

§. 32. Eigenthum der Anſpielungen.

So wie ein Volk, welches durch zweckmaͤſſige Vor - kehrungen ſich dagegen nicht ſchuͤtzt oder ſchuͤtzen kan, es ſich gefallen laſſen muß, wenn durch natuͤrliche Zu - faͤlle das Waſſer von ſeinem Grund und Boden das Erdreich nach und nach wegſpielt, ſo gehoͤrt ihm dage - gen auch der Zuwachs eigenthuͤmlich, welcher anders - woher ſeinem Gebiete wieder zugefuͤhrt wird, oder ſonſt in den ihm gehoͤrigen Waͤſſern entſteht. Es iſt bey al - maͤligen Anſpielungen nicht zu beſtimmen und zu erwei - ſen, wem die nach und nach angeſetzten Theile zugehoͤrt haben; keine Nazion kann ſie daher zuruͤckfodern, oder ſonſt einigen Anſpruch darauf machen.

*]v. Cancrin Waſſerrecht 3. Abh. 2. K. §. 64. S. 212. u. f. M. vergl. Bapt. Aymi tr. de fluviorum allu - vionibus etc. Venet. 1581. fol. und c. not. Ah. Frit - ſchii, Ien. 1675. 4. Io. Sebaſt. Gambs diſſ. de alluvionibus. Arg. 1658. Georg Engelbrecht diſſ. de iure alluvionis, Helmſt. 1695. Ios. El. van der Meulen diſſ. de iure alluvionis. Ultraj. 1738.
*]

§. 33. Eigenthum der Anwuͤrfe.

Wenn ein betraͤchtliches Stuͤck Erdreich durch irgend einen gewaltſamen Zufall von einem Gebiete abgeriſſen und dem andern zugefuͤhrt wird, ſo iſt der vorige Eigen -thuͤm -59und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.thuͤmer zwar eher in Erfahrung zu bringen; nach dem ſtrengen Rechte der Natur erwirbt aber demungeachtet dasjenige Volk, an deſſen Territorium es ſich anſetzt, das Eigenthum daran, indem es aus rechtmaͤſſiger Ueberzeugung [bona fide] ſich dieſes Zuwachſes bedient, da es nicht wiſſen kan, ob es wuͤrklich einen Eigenthuͤ - mer gehabt und ob dieſer nicht ſein Recht daran frei - willig aufgegeben habe. Das Wiederfoderungsrecht kan nach dem natuͤrlichen Rechte nur gegen einen un - rechtmaͤſſigen Erwerber eines andern Eigenthums, und welcher es mit dem Bewuſtſein der Unrechtmaͤſſigkeit innehat [malae fidei poſſeſſor] ſtattfinden, a) das Ei - genthum uͤberhaupt auch nicht laͤnger dauern als der Beſitz. Der erſte Beſitzer, der ſein Eigenthum durch einen ſolchen Zufall verliert, hat es, wenn er dem Los - reiſſen nicht zuvorzukommen, oder das Losgeriſſene ſo - gleich wieder an ſich zu bringen geſucht hat, entweder ſeiner Nachlaͤſſigkeit, oder dem Schickſale zuzuſchrei - ben. Er hat kein Recht des andern Waſſer oder Ge - biet zu betreten und das, was die Natur demſelben zu - fuͤhrte, wieder loszureiſſen.

Die roͤmiſchen Rechtslehrer haben dieſen Grundſatz des ſtrengen Naturrechts etwas zu mildern geſucht, und erlauben dem vorigen Eigenthuͤmer ſo lange das Wie - derfoderungsrecht, als die auf dem angeſetzten Stuͤck Erdreich etwa befindlichen Baͤume und Streicher ꝛc. nicht Wurzel gefaſt haben b]. Viele Natur - und Voͤl - kerrechtslehrer haben dieſe allerdings billigere und den geſelſchaftlichen Verbindungen angemeſſenere, aber blos wilkuͤhrliche Meinung als einen in der Natur gegruͤn - deten Satz vorgetragen c].

Einige glauben, daß zu Erlangung des Eigen - thums an dieſem natuͤrlichen Anwuchſe eine beſondere Beſitzergreifung noͤthig ſey; d] ſie ſcheint mir aber uͤber - fluͤſſig, weil ſolcher als ein mit dem Hauptlande ver -bun -60Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerbundener Theil anzuſehen iſt, und nach obigen Grund - ſaͤtzen niemand anders ſich irgend eines Theils des von einem Volke einmal beſitzenden Hauptlandes als unzu - geeignet [res nullius] anmaaſſen kan e].

a]G. S. Treuer in not. ad Puffendorff de Offic. hom. et civ. c. XII. §. 7. u. c. XIII. §. 5. Dahingegen halten Achenwall Ius Nat. L. I. 2. 3. §. 6. 125. u. ff. beſ. 155 und andere die Beſitznehmung einer Sache, die ſchon einen Eigenthuͤmer hat, welches man aber nicht weiß, und ſie in guter Meinung an ſich nimmt, fuͤr keine wuͤrkliche, ſondern nur fuͤr eine eingebildete [oc - cupatio putatiua] und den hier in Betrachtung kom - menden Zuwachs blos fuͤr einen eingebildeten [acceſſio putatiua] glauben daher, daß die Zuruͤckfoderung auch gegen den bonae fidei poſſeſſor anwendbar ſey.
a]
b]L. 9. §. 2. ff. de damn. inf.
b]
c]Vattel L. I. c. 22. §. 268. v. Cancrin 3. Abh. 2. K §. 52. S. 206.
c]
d]Einert diſſ. cit. praeter occup. §. 5.
d]
e]Achenwall a. a. O. §. 151. u. ff.
e]
*]M. vergl. Gerh. Feltmann diſſ. de acceſſionibus me - morabilibus immani aquarum vi vel terrae motu fa - ctis, Amſt. 1691. 8. und Treueri not. cit. ad Puffend. c. XII. §. 7. n. 1.
*]

§. 34. Inſeln, die in eigenthuͤmlichen Waͤſſern entſtehn.

Die Inſeln im offenen Meere oder ſonſt einem in Niemandes Eigenthum befindlichen Gewaͤſſer gehoͤren nach den im erſten Abſchnitt feſtgeſtelten Grundſaͤtzen dem erſten Beſitznehmer. Entſtehn dergleichen aber in einem ſchon eigengemachten Waſſer, ſo gehoͤrt die -ſer61und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.ſer Zuwachs dem Volke, deſſen Eigenthum das Waſ - ſer iſt. Geſchieht es in dem an den Kuͤſten beſitzenden Theile des Meeres oder in einem ihm allein zuſtehenden Fluſſe, ſo iſt die Inſel ihm allein eigen. Dies findet auch in dem Falle ſtatt, wenn der Fluß bis in die Mitte einer Nazion zugehoͤrt und an ihrer Seite derglei - chen anwaͤchſt. Von einer in der Mitte eines getheil - ten Gewaͤſſers entſtehenden Inſel gehoͤrt jeder ſoviel, als eine durch die Mitte des Fluſſes gezogene Linie ihr zutheilt. Iſt das Waſſer ganz gemeinſchaftlich, ſo wird auch die Inſel ein gemeinſchaftliches Eigenthum; es muͤſte denn in allen dieſen Faͤllen durch Vertraͤge et - was anders beliebt werden a].

Es bedarf auch hier keiner weitern Beſitzergreifung: doch muͤſſen ſchwimmende Inſeln, die von ſelbſt ſich nicht feſtſetzen, allerdings ergriffen und befeſtigt wer - den, wenn ein Volk das Eigenthum daran erwerben will; ſonſt gehoͤren ſie ihm nur ſo lange, als ſie in ſei - nen Gewaͤſſern ſich befinden.

a]Im Belgrader Frieden zwiſchen dem Wiener Hofe und der Ottomanniſchen Pforte 1739. Art. 7. z. B. wird feſtgeſetzt: Danubii et Savi emolumentum commune ſit . Si quae vero enascantur, aut iam enatae ſint inſulae, illi ex contrahentibus cedant, cu - jus ripae ſunt vieiniores. Mit Polen vergliche eben dieſer Hof ſich in der Convention vom 9. Febr. 1776: La ville de Caſimir attenant Craeovie eſt retrocedée à la Pologne; mais en echange, toutes les iles que forme la Viſtule dans ſon cours, jusqu’à L’endroit ſe terminent les bornes des pays eedés par la pré - ſente Convention, et la moitié du lit de cette rivière appartiendront à S. M. Imp. et Royale. Moſers Verſuch 5. Th. S. 309.
a]
*]Io. Gryphiander de inſulis, Frcf. 1622. und in A. Fritſchii iure fluv. Ien. 1672. n. 5. p. 294 948. Paul. 62Von dem Eigenthum und Gebiete der VoͤlkerPaul Engelb. Martens diſſ. de iure inſularum Traj. ad Rhen. 1735. 4. Franc. de la Rive diſſ. de inſularum adquiſitione Lugd. Bat. 1768. v. Cancrin a. a. O. 3. Abh. 2. K. §. 27. u. ff. S. 184. u. ff. welcher zugleich einen genauen Unter - richt von den verſchiedenen Abtheilungsarten ſolcher Inſeln giebt.
*]

§. 35. Anwuchs eines Gewaͤſſers.

Auf aͤhnliche Art iſt auch der Fall zu beurtheilen wenn zwiſchen zwey Nazionen ein See oder ander Waſ - ſer, welche der einen allein eigenthuͤmlich gehoͤren, ſich in das Gebiete der andern ausdehnen. Wird blos nach und nach unvermerkt von dem Erdreich derſelben etwas weggenommen und das Waſſer dadurch vergroͤſ - ſert, ſo komt dies freilich ienem Volke zu gute. Allein der Beſitzer des Waſſers kan keinen Anſpruch auf das Land des Nachbars machen, welches durch zeitige Ueber - ſchwemmung unter Waſſer geſetzt wird, a] oder die Buchten und Bayen ſich zueignen, welche bey ſolchen Gelegenheiten etwa in des andern Landen von ſeinem Gewaͤſſer entſtehen und mit demſelben zuſammenhaͤngen. Dieſe bleiben dem Eigenthuͤmer des Hauptlandes, wo der weniger veraͤnderliche Theil, das Bette, entſtan - den iſt. b].

a]Daß die roͤmiſchen Rechtsgelehrten [l. 3. Inſt. de rer. div. l. 96. ff. de verb. ſign. ] die Ufer wilkuͤhrlich ſo weit erſtreckt haben, als die groͤſten Ueberſchwemmungen eines Waſſers reichen, und daß Preuſſen in den polni - ſchen Theilungsangelegenheiten dieſen Grundſatz behauptet habe, iſt ſchon oben §. 14. not. c. bemerkt worden.
a]
b]Vattel L. I. c. 22. §. 275.
b]
§. 36.63und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.

§. 36. Rechte der teutſchen Landesherrn hierbey.

Alle dieſe Grundſaͤtze ſind auch auf die teutſchen Lan - desherrn, ſowohl in Ruͤckſicht auswaͤrtiger Nazionen als unter ſich anwendbar, wenn ſie nicht ganz beſon - dere Verguͤnſtigungen vom Kaiſer oder andere rechtliche Titel vor ſich haben. Die algemeinen Belehnungen mit den Inſeln in einigen Gewaͤſſern ſind, wie beim Eigenthum der Fluͤſſe uͤberhaupt erinnert worden, der - malen blos nach den Grundſaͤtzen der Landeshoheit zu beurteilen a]. Mehrere Landesherrn eignen ſich zwar in verſchiedenen Fluͤſſen ꝛc. alle entſtehende Inſeln ꝛc. mit Ausſchlus der benachbarten zu, z. B. Pfalz im Rhein, Mainz im Mayn ꝛc. ꝛc. aber die uͤbrigen ſind gewoͤnlich damit nicht einverſtanden b]. Vertraͤge c] oder beſonderes Herkommen d] geben auch hier der Sa - che den Ausſchlag.

a]So werden z. B. Mainz und Trier mit den Inſeln im Mayn ꝛc. Kurbrandenburg mit den Inſeln in den Waſ - ſerlaͤuften an dem pommeriſchen Meere, die Kron Schwe - den mit den Inſeln in Vorpommern ꝛc. beliehen ſ. v. Cancrin a. a. O. S. 189. und Moſers Landeshoheit uͤber Erde und Waſſer K. 18. §. 4.
a]
b]Moſers nachbarl. Staatsrecht 3. B. 15. K. §. 17. u. 24. S. 445. u. 456. C. H. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 239.
b]
c]Die Weſer zwiſchen der Grafſchaft Oldenburg und Delm - horſt und der Stadt Bremen iſt zwar gemeinſchaftlich aber in einem Vertrage iſt beliebt: ob neue Inſeln und Saͤnde in der Weſer ſich aufwerfen wuͤrden, die ſollen desjenigen ſeyn, des Land ſie zunaͤchſt beruͤhren. ſ. Gry - phiander l. c. c. XVII. n. 112. So werden auch im Vergleiche zwiſchen Holſtein und Hamburg 1768, letz -terer64Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerterer Stadt alle in einem gewiſſen Diſtrikt neu entſtehende oder kuͤnftig anwachſende Inſeln, Woͤrder und Saͤnde uͤber - laſſen ſ. Moſer a. a. O. S. 456.
c]
d]Dergleichen herſcht unter andern an verſchiedenen Orten in der Donau, wo die in dieſem Fluſſe entſtehenden In - ſeln dem gehoͤren, welcher das Fiſchrecht daſelbſt hat, und dem anſtoſſenden Landesherrn nur alsdann zufallen, wenn man theils trocknen Fuſſes von deſſen Lande auf die Inſel kommen, theils wenn nur zwiſchen dieſer neuen Inſel und dem Lande nicht mehr durchgeſchift werden kan, ſ. l. Rud. Engau diſſ. cuinam inſularum in fluminibus publicis naturam competat dominium? Ien. 1751. §. 43.
d]
*]M. vergl. Henr. Cocceji diſſ. de iure alluvionum in Imp. Heidelb. 1688. u. in deſſen Exercit. curioſ. Vol. I. p. 970 980. Marq. Freher diſſ. de inſulis Rheni, Heidelb. 1611. v. Cancrin a. a. O. 3. Abh. 2. K. §. 65. S. 212. u. ff.
*]

§. 37. Eigenthumserwerb an Landen ꝛc. die der vorige Beſitzer freiwillig wieder aufgegeben.

Wenn der Eigenthuͤmer den Beſitz eines Landes von ſelbſt aufgiebt und aufhoͤrt es weiter zu benutzen, ohne es iedoch auch einem andern zu uͤbertragen [derelictio praecedens] ſo wird daſſelbe wieder herrnlos [res nul - lius] und kan daher, nach allen obigen Grundſaͤtzen von iedem, der zuerſt ſich deſſen von neuem bemaͤchtigt, in Beſitz genommen und zu eigen gemacht werden a]. Nur iſt zuweilen ſchwer zu beſtimmen, ob etwas fuͤrauf -65und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.aufgegeben zu halten ſey? Komt eine ausdruͤckliche Erklaͤrung desfals hinzu, ſo iſt die Sache freilich auſſer Zweifel b]. Sobald indes eine Nazion freiwillig derge - ſtalt aufhoͤrt ein Land wuͤrklich zu beſitzen und zu benu - tzen, daß dadurch zugleich alle Merkmale eines fortdau - ernden Eigenthums verlohren gehen; c] ſo iſt dasjenige Volk, welches ſich deſſen anmaaſſet, allerdings fuͤr einen redlichen Beſitzer zu halten, von dem es der vori - ge Eigenthuͤmer nicht zuruͤckfodern kann d]. Denn ſo wie zu Erwerbung eines Eigenthums, auſſer der Beſitzer - greifung nicht eben die ausdruͤckliche Erklaͤrung der Zueignung erforderlich iſt, wenn dieſe Abſicht ſchon aus den auf die fortdauernde Benutzung abzweckenden Thathandlungen erhellet, [§. 3.] ſo iſt auch hier dieſe Erklaͤrung nicht unumgaͤnglich noͤthig. Der neue Be - ſitzer eines offenbar verlaſſenen Landes erlangt alsbald mit der Ergreifung das Eigenthum und bedarf der Ein - willigung des vorigen Eigenthuͤmers nicht: ſonſt wuͤrde eben ſo wenig irgend iemand ſeines Beſitzes gewis ſeyn koͤnnen, als wenn der erſte Beſitzergreifer auf die Ein - willigung aller uͤbrigen warten ſolte. Die Handlung ſelbſt legt ſchon den Willen genug am Tage. Dieſe Erwerbungsart gehoͤrt unter die urſpruͤnglichen, weil die aufgegebene Sache, vor Erlangung eines andern Eigenthuͤmers, wieder in ihren natuͤrlichen Zuſtand zu - ruͤckgeht.

a]Grotius L. II. c. 3. §. 19. n. 1. Deſſen Grundſaͤtze nahm Frankreich in ſeinen Staatsſchriften gegen Gros - britannien wegen des ſtreitigen Eigenthums der Inſel St. Lucie in Amerika durchgaͤngig an, Vne terre, heißt es unter andern in einem Memoire, quoique deeou - verte et reconnue par quelque nation; même quoique établie, ſi elle avoit été par la ſuite abandonnée, de - venoit au rang des terres vacantes et comme telle étoit le partage de celui qui l’occupoit et ſ’en mettoitGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Een66Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkeren poſſeſſion. Memoires des Commiſſaires de S. M. Très. Chret. et de ceux de S. M. Brit. ſur les poſſeſ - ſions des deux couronnes en Amerique. Amſt. 1755. 8. 3 Bde. Tom. I. P. 1. p. 306. vergl. p. 415. u. ff. Dergleichen Beſitzergreifungen von andern verlaſſener Laͤn - er, beſonders in Amerika, finden ſich verſchiedene in der Ge - ſchichte. [Man vergl. die eben angezogenen Memoires T. I. P. 2. p. 69. u. ff.] Das ehedem unter Florida begriffene Carolina entdeckten die Spanier zuerſt. Dieſe ſtritten ſich lange mit den Franzoſen darum, und nachdem beide es ver - laſſen hatten, kamen die Englaͤnder und nahmen es in Beſitz. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 279. und deſſen Nord - amerika nach den Friedensſchluͤſſen vom Jahre 1783. [Leipz. 1784. 85. 3. Baͤnde gr. 8.] 2. Band S. 682. wo ſich uͤberhaupt von den europaͤiſchen Beſitznehmungen in Amerika verſchiedene brauchbare Nachrichten finden, beſonders im 3. Bande 5. Hauptth. der europ. Nazionen Voͤlkerrecht in Anſehung Amerikas S. 292. u. ff.
a]
b]Die Grosbritanniſchen Commiſſarien wollen in den zu - vor angefuͤhrten Streitigkeiten: qu’il n’y ſauroit avoir d’abandonnement abſolu d’aucun pays. que lorsque le propriétaire poſſeſſeur s’en retire et le delaiſſe vo - lontairement et ſans aucune neceſſité; que pour qu’vn pareil abandonnement puiſſe ſervir de baſe au droit du premier venu ou d’on nouveau poſſeſſeur quel - conque, il faut que l’acquiescement de l’ancien poſ - ſeſſeur à cette nouvelle poſſeſſion, ait été intentionné volontaire et clairement manifeſté par quelque acte, declaration ou demarche dont ſon abandonnement puiſſe avoir été accompagné ou ſuivi; et qu’vne retraite ou deſertion oceaſionnée par ſurpriſe, ruſe ou force ſuperieure d’autrui, non plus qu’on acqui - escement apparent et paſſager aux ſuites d’vne pareille retraite, [le tout occaſionné par neceſſité et nulle - ment par vne renonciation volontaire] ne ſauroit etein -dre67und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.dre le droit de l’ancien poſſeſſeur ſur vn bien qu’il n’auroit delaiſſé que de cette matiere. Dagegen be - hauptete man franzoͤſiſcher Seits: Les Anglois fugitifs de Sainte-Lucie ont été ſ’établir à Montſerrat, y ſont demeurés et n’ont ſait pendant dix ans aucune demonſtration pour rentrer à Sainte-Lucie. Si vne telle conduite, ſurtout dans ces premiers temps des établiſſemens dans les isles Caraïbes, les revolu - tions etoient ſi fréquentes, n’eſt pas vn ſigne ſuſti - ſant qu’ils tenoient Sainte-Lucie pour abandonnée, quels ſignes plus certains peut-on donc exiger? Suivant Mrs. les Commiſſaires Anglois, il auroit fallu vne acte public et authentique par lequel l’Angleterre eut déclaré qu’elle abandonnoit cette isle; mais ſelon cette nouvelle iurisprudence, il n’y auroit aucun exemple d’abandon: [ce ſeroit alors, wird an einer andern Stelle hinzugefuͤgt, plustôt vne ceſſion ou vne donation qu’vn abandon] on pourroit quitter vn pays, n’y rentrer jamais, et ſ’en pretendre éternellement propriétaire et poſſeſſeur. L’abandon d’vn pays eſt vn fait qui ſe caracteriſe par lui-même: ſi vn autre l’ocupe et que celui qui l’occupoit auparavant garde le ſilence ſans y être eontraint ſans pouvoir pretexter qu’il ignore qu’vn autre ſ’en ſoit mis en poſſeſſion, c’eſt la preuve la plus forte et la plus complete de l’abandon, et telle eſt celle que l’hiſtoire fournit de l’abandon de Sainte-Lucie par les Anglois. Me - moires des Commiſſaires cit. Tom. I. P. 1. p. 418. 420 421. P. 2. p. 4.
b]
c]Puffendorf und andere glauben zwar, daß die bloſſe freiwillige Beſitzverlaſſung den Verluſt des Eigenthums nicht in ſich ſchlieſſe. Ut res pro derelicta habeatur duo requiruntur, primo vt quis nolit eſſe amplius dominus, deinde vt poſſeſſione ſe rei exuat, abii - eiendo eam aut deſerendo, alterutrum ſi defit domi -E 2nium68Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkernium non amittitur. Fac ergo rem a domino abiici, non tamen ea mente vt eam amplius ſuam eſſe nolit, nihil hic amittetur. Puffend. I. N. et G. L. IV. c. 6. §. 12. Dies lieſſe ſich alleufals behaupten, wenn der Eigenthuͤmer eine ſolche gegentheilige Willensmeinung dabey ausdruͤcklich erklaͤrte, ſonſt wuͤſte ich nicht, wofuͤr man das Wegwerfen oder Verlaſſen anders annehmen koͤnte als fuͤr ein Aufgeben des Eigenthums. Barbay - rac [in den Noten uͤber vorangezogenes Kapitel des Puffendorf §. 1.] ſagt, indem er die Fortdauer des Eigenthums ohne Beſitz recht einleuchtend machen will: La poſſeſſion ne fait rien , qu’autant qu’elle eſt vne marque inconteſtable de la volonté qu’on a de retenir ce dont on s’eſt emparé. Pour être donc autoriſé à regarder comme abandonnée vne ehoſe dont celui à qui elle appartenoit ne ſe trouve plus en poſſeſſion, il ſaut qu’on ait lieu d’ailleurs de croire qu’il a renoncé au droit particulier qu’il avoit acquis. Warum ſoll aber das freiwillige gaͤnzliche Aufgeben des Beſitzes nicht ein eben ſo untruͤgliches Merkmal des ver - laſſenen Eigenthums ſeyn? Indes ſind auch die europaͤiſchen Nazionen in ihren Grundſaͤtzen hieruͤber nicht einig, und ſcheinen nicht durchgaͤngig die bloſſe Verlaſſung eines Landes fuͤr eine Aufgabe des Eigenthums anſehen zu wollen. Auſſer dem ſchon obenangefuͤhrten hieß es 1782. das kaiſerliche Schif Joſeph und Thereſia hat auf den Nicobar-Inſeln Nancaveri, Souri, Iricutte und Cateſiout Beſitz genom - men. Sie ſind aber ſchon 1756. von der daͤniſch-oſtindiſchen Compagnie in Beſitz genommen und 1773 erſt, wegen des ungeſunden Klima, verlaſſen worden. Doch hat die Krone Daͤnemark ihr Recht daran noch behalten, woruͤber aber be - reits vor einigen Jahren der kaiſerliche Hof dem daͤniſchen hinreichende Genugthuung zu leiſten verſprochen hat. Polit. Journ. 1782. Aug. S. 175. Es69und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Es geſchieht zuweilen, daß eine Nazion eine Stuͤck Landes verlaͤßt und zu benutzen aufhoͤrt, aber ſich das Eigenthum durch eine ausdruͤckliche Erklaͤrung vorbehaͤlt. Merkwuͤrdig iſt hier unter andern der Fall, da 1774. Grosbritannien den Beſitz der Inſel Falkland verließ und dem Commandanten die Raͤumung derſelben befahl: après avoir aſſuré les droits de la Couronne ſur ces Isles de la manière que cela ſe pratique lorsque l’on ne juge pas encore la poſſeſſion actuelle convenable: il s’eſt rendu au fort Egmont et y a executé ſa com - miſſion. En conſequence Mr. Clayton fit attacher a ce fort vne plaque de plomb, ſur la quelle il avoit fait graver l’inſcription ſuivante: Qu’il ſoit notoire à toutes les Nations, que les Isles de Falkland, ainſi que ce fort, les magaſins, Quais, Havres, Baies et Griques qui en dependent, appartiennent de droit vniquement a ſa très ſacrée Majeſté George III. Roi de la Grande-Bretagne, de France et d’Irlande, Defenſeur de la foi etc. En foi de quoi cette plaque a été fixée et les pavillons de S. M. Britannique de - ployés et arbores comme vne marque de poſſeſſion par Samuel Guillaume Clayton, Officier commandant aux Isles de Falkland, le 22. Mai 1774. Moſers Ver - ſuch 5. Th. S. 455. ingl. deſſen Nordamerika 3. Th. S. 307. Hier iſt nun freylich die Abſicht des Verlaſ - ſenden nicht zu verkennen, nur widerſtreitet ſie dem Grundſatz, daß niemand mehr ſich zueignen ſolle, als er wuͤrklich beſitzen und benutzen kann. Moſer am letzt - erwaͤhnten Orte, S. 308. bemerkt auch, daß die Eng - laͤnder eine aͤhnliche franzoͤſiſche Schrift zerſtoͤrt und das Land in Beſitz genommen haben.
c]
d]Si avoir été quelque temps dans vn pays et l’avoir abandonné étoit vn titre legitime pour le reclamer ſur vne autre nation qui ſ’en eſt miſe en poſſeſſion et qui en jouit paiſiblement, les François ſeroient enE 3droit70Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerdroit de demander la reſtitution d’Antigoa etc. ſagen die franzoͤſiſchen Commiſſarien gegen Grosbritannien in angez. Memoires T. I. P. 1. p. 316.
d]
*]Man vergleiche Io. Henr. Feltz diſſ. Excerpta controverſiarum illuſtr. de rebus pro derelictis habitis, Argent. 1708. Sam. Fr. Willenberg diſſ. de rebus pro derelictis habi - tis in Exercit. Sabath. T. II. n. 14. Dan. Fr. Hoheiſel diſſ. de ſundamentis in doctrina de praeſcr. et derelictione gentium tacita, Hal. 1723. Io. van Alphen diſſ. de rebus pro derelictis habitis, Traj. 1733. 4.
*]

§. 38. Vermuthliche Verlaſſung eines Landes.

Niemand kann in der Regel wider Willen gezwun - gen werden, ſein Eigenthum aufzugeben, und es iſt eine offenbare Beleidigung der Eigenthumsrechte, wenn ein Volk auf ſolche Art von dem Beſitz eines Landes verdraͤngt wird a]. Jedoch ſind verſchiedene Voͤlker - rechtslehrer der Meinung, daß wenigſtens ein nachher erfolgtes Aufgeben [derelictio ſuperveniens] zu ver - muthen ſey, wenn der vorige Eigenthuͤmer den unrecht - maͤſſigen Erwerber viele Jahre im ruhigen und ungeſtoͤr - ten Beſitz laͤßt b]. Sie nehmen eine ſolche vermuthliche Auflaſſung [derelictio praeſumta] des Eigenthums als den Grund der Erwerbung durch die ſogenannte Ver - iaͤhrung an c]. Da aber in dieſem Falle die, wenn auch nur ſtilſchweigende, Einwilligung des vorigen Be - ſitzers noͤthig iſt, wenn der neue ein rechtmaͤſſiges Ei - genthum erlangen ſoll, die urſpruͤnglichen Erwerbsar - ten hingegen weiter nichts, als die Beſitzergreifung er - fodern; ſo gehoͤrt der Erwerb durch langwierigen Be -ſitz71und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.ſitz und Veriaͤhrung, wenn er anders ſtattfindet, mehr zu den abgeleiteten Arten, wovon in dem folgenden Kapitel gehandelt werden ſoll d].

a]Des Falls da eine europaͤiſche Nazion von dem Beſitz eines Landes in Amerika durch die wilden Einwohner wie - der vertrieben und ſolches nachher von einem dritten Volke eingenommen worden habe ich ſchon oben in der Note zum §. 9. in Anſehung der Inſel St. Lucie zwiſchen Grosbritannien und Frankreich gedacht; welches letztere iedoch mit den daſelbſt angefuͤhrten Grundſaͤtzen der er - ſtern Krone nicht einverſtanden war, ſondern entgegnete: Il eſt vrai, qu’il y a eu des intervalles pendant les - quels les François en ont été depoſſedés: mais comme l’inconſtance des Sauvages qui avoient été excités par quelques nations voiſines en fut la principale cauſe, l’abandon forcé ou involontaire d’vne poſſeſſion ne ſauroit anéantir le droit du proprietaire etc. Mo - ſers Beytraͤge in F. Zeit. 5. Th. S. 464.
a]
b]L’abandonnement eſt préſumé de droit lorsque l’an - cien poſſeſſeur inſtruit qu’vn autre poſſede et ayant la liberté de reclamer, garde neanmoins le ſilence. Memoires a. a. O. p. 306.
b]
c]Si ab initio quidem invitus rei poſſeſſionem amittat deinceps tamen pro derelicta eandem habeat. Puffen - dorff L. IV. c. 6. §, 12. und Maſcov in den Noten erinnert: in re quae pro derelicta tantum habetur, vſucapione opus eſt antequam dominium mutaſſe dici poſſit,
c]
d]A. Fr. Glafeys Recht der Vernunft 3. B. 4. K. §. 196. u. f.
d]

§. 39. Endigung des Eigenthums durch Verluſt des Beſitzes.

Es komt bey den vorerwaͤhnten Faͤllen hauptſaͤchlich auf Entſcheidung der ſo oft, beſonders zwiſchen Byn -E 4kershoeck72Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerkershoeck und Titius a] beſtrittenen Frage an: ob nach dem Naturrechte das Eigenthum mit Endigung des Beſitzes einer Sache verlohren gehe, und ob daher beide gewiſſermaſſen fuͤr gleich zu achten, oder ob das Eigenthum auch ohne Beſitz fortdauere? Ungeachtet die meiſten Rechtslehrer der letztern Meinung beitreten, b] ſo iſt mir die erſtere doch einleuchtender.

Das Eigenthum beſteht in dem ausſchließlichen Rechte an einer Sache, vermoͤge welchem man dieſelbe nach Gefallen gebrauchen oder auch einem andern wie - der uͤberlaſſen kan. Es gehoͤren zu deſſen Erwerbe zwey weſentliche Erforderniſſe: der Wille der Zueignung und die wuͤrkliche Beſitzergreifung. So lange beides, der Wille und der Beſitz fordauern, ſo lange waͤhrt auch das Eigenthum. Wenn aber eins, und beſonders das Hauptſaͤchlichſte, der Beſitz fehlt, ſo hoͤrt auch das Eigenthum auf: der Wille allein vermag nichts. Es iſt ſonderbar, daß die Gegner dieſer Meinung zum Verluſt des Eigenthums, ſo wie zu deſſen Erwerbe, beides, die Aufgebung des Beſitzes und des Willens fuͤr noͤthig halten, da doch iede Sache der ein weſent - liches Stuͤck mangelt, aufhoͤrt dieſelbe zu ſeyn. Wie will man auch etwas, das man nicht im Beſitz hat, mit Ausſchlus anderer gebrauchen, oder es andern uͤber - tragen? welches gleichwohl mit dem Begriffe des Ei - gemhums verbundene Folgen ſind. Das Eigenthum geht daher, meiner Meinung nach, mit dem Beſitze verlohren.

Dies iſt auf doppelte Art moͤglich. Der bisherige Eigenthuͤmer hoͤrt entweder von ſelbſt freywillig auf zu beſitzen nicht blos koͤrperlich, ſondern, wie bey der Beſitzergreifung, durch Aufhebung der Merkmale und Unterlaſſung der Thathandlungen, welche eine Sache von den herrnloſen unterſcheiden, ohne iedoch den Beſitz einem andern zu uͤbergeben, ſo hat auch dasEigen -73und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.Eigenthum ein Ende: ieder kann ſich durch neue Beſitz - ergreifung die wieder herrnlos gewordene Sache zueig - nen ohne ſtilſchweigende und vermuthliche Einwilligung des vorigen Eigenthuͤmers. Sein Beſitz iſt treulich und rechtlich und dieſer kan ſie auf keine Art wieder fodern. Wenn er den Beſitz einem andern ausdruͤcklich uͤbertraͤgt, iſt desfals noch weniger Zweifel vorhanden.

Wird der Eigenthuͤmer hingegen im zweiten Falle, wider ſeinen Willen, indem er naͤmlich die Sache noch beſitzt, ſeines Beſitzes beraubt, ſo geht das Eigenthum allerdings auch’verloren, denn er kan daruͤber nicht mehr nach Wilkuͤhr ſchalten; allein er hat ohnſtreitig das Recht Genugthuung deshalb von dem Beleidiger und unrechtmaͤſſigen Beſitzer zu fodern. Es iſt ihm auch erlaubt, dieſem die Sache, wo moͤglich, wieder abzunehmen. Auch der laͤngſte Beſitz kann ihn, wie in der Folge gezeigt werden ſoll, gegen dieſe Genug - thuungsfoderung nicht ſchuͤtzen. Nur iſt dies eben keine Folge eines dem erſtern Beſitzer annoch zuſtehenden Ei - genthums, ſondern der ihm zugefuͤgten Beleidigung. Wenn ein anderer die Sache von dem unrechtmaͤſſigen Beſitzer, ohne ſich des Unrechts auf irgend eine Art theilhaftig zu machen, rechtmaͤſſig erlangt, ſo kann der erſte Eigenthuͤmer, dem die Sache wider Willen entzogen worden, ſie eigentlich von dieſem letztern nicht wiederfodern, ſondern er muß blos an den Beleidiger ſich halten.

Nach dieſen Grundſaͤtzen bedarf es weder der ſo ſchwankenden und in den Rechtsbeſtimmungen gar nicht zulaͤſſigen vermeintlichen Dereliction, noch der ge - woͤnlich darauf gegruͤndeten Praͤſcription. Wer den Beſitz von ſelbſt ausdruͤcklich oder ſtilſchweigend auf - giebt verliert das Eigenthum auf eine rechtmaͤſſige Weiſe: wem der Beſitz wider Willen genommen wird verliehrt es unrechtmaͤſſig und kan die Sache von dem Beleidi -E 5ger74Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlkerger iederzeit zuruͤck - und Genugthuung fodern, wenn er ihm ſolche nicht nachher ausdruͤcklich oder ſtillſchwei - gend uͤberlaͤßt.

Die in unſerer heutigen Rechtswiſſenſchaft dagegen aufgenommenen Lehren ſcheinen mir blos wilkuͤhrliche Grundſaͤtze zu enthalten: und in denen Faͤllen, wo die Fortdauer eines Eigenthums ohne Beſitz ſich etwa ia noch annehmen lieſſe, liegen lediglich beſondere Ver - traͤge zum Grunde. Indes erhellet aus den oben hier und da vorgekommenen Behauptungen der europaͤiſchen Nazionen, daß ſie geneigter fuͤr dieſe Abweichungen ſind.

a]M. ſ. Bynckershoeck de dominio maris c. I. und die §. 9. angefuͤhrte Diſſertation des Titius de dominio in rebus occupatis vltra poſſeſſionem durante. vergl. C. H. Breuning diſſ. de praeſcriptione liberis genti - bus incognita, Lipſ. 1752. c. 3.
a]
b]Unter andern ſagt auch Puffendorff l. c. dominium rei ſuae, amiſſa licet poſſeſſione, nemo invitus amittit ſed retinet ius eandem recuperandi, quamdiu animum recuperandi non depoſuerit aut depoſuiſſe cenſeatur. Vnde talium rerum dominium per occupationem ad - quiri non poterit prioris domini iure adhuc ſubſiſtente.
b]

§. 40. Beſtimmung des Territoriums.

Alles was ein Volk an Land und Gewaͤſſer a] in einer zuſammenhangenden Strecke, oder in verſchiede - nen Weltgegenden eigenthuͤmlich beſitzt, und woruͤber es die Oberherrſchaft ausuͤbt, macht deſſen Territo - rium oder Gebiete aus b]. Dasienige wo es ſeinen eigentlichen und urſpruͤnglichen Wohnſitz hat, wird das Hauptland, die uͤbrigen auswaͤrtigen Beſitzungen aberwerden75und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.werden Nebenlaͤnder genannt. Was in Anſehung der erſtern Rechtens iſt, gilt in der Regel auch von den letztern: ob ſie gleich nicht beiſammen liegen, ſo hat es doch gleiche Bewandnis mit ihnen c]. Je nachdem eine Nazion ein blos in feſtem Lande beſtehendes Terri - torium beſitzt, oder auch einen Theil des Meeres unter ſein Gebiet rechnet, und durch ihre Lage zum Seehan - del ingleichen zu Unterhaltung einer Flotte, beſonders von Kriegsſchiffen, beguͤnſtigt wird d] giebt man ihr den Namen einer Land - oder Seemacht. In Europa werden hauptſaͤchlich Grosbritannien, die vereinigten Niederlande, Spanien, Portugal, Sicilien, Daͤne - mark, Schweden, die Pforte, Venedig und ſeit eini - ger Zeit auch Frankreich und Rußland, in einem noch vorzuͤglichern Sinne aber von ieher beſonders die beiden erſten, weil ihre groͤſte Staͤrke im Seeweſen beſteht, unter Benennung der Seemaͤchte verſtanden.

a]Wolff I. N. c. 1. §. 130.
a]
b]Quaevis ſocietas civilis quae ſub auſpieiis ſupremae alicujus poteſtatis certam regionem habitationis ergo occupat, territorium recte conſtituere dicitur. Sei - denſticker com. de iure emigrandi Sect. II. §. 3.
b]
c]Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 2. §. 12. Schrode P. II. c. 1. §. 17,
c]
d]Io. Henr. Boeckler diſſ. eivitas maritima, Arg. 1664. u. in diſſ. ae. T. II. p. 1037 1057.
d]
e]Martens précis du d. des G. L. I. c. 2. §. 18.
e]
Zwei -76

Zweites Kapitel. Von Erlangung des Eigenthums von andern oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.

§. 1. Begrif des abgeleiteten Eigenthumser - werbes.

Die Rechte des Eigenthums erlauben dem rechtmaͤſ - ſigen Beſitzer einer Sache nicht nur ſich derſel - ben nach Gefallen zu ſeinem Nutzen zu bedienen, ſon - dern ſie auch, wenn er es gut oder noͤthig findet, einem andern eigenthuͤmlich wieder zu uͤberlaſſen. Da aus dieſem letztern Rechte fuͤr andere dieienigen Erwerbungs - arten entſpringen, welche man abgeleitete nennt, ſo - will ich, um die Materie von dem Eigenthumserwerbe im Zuſammenhange zu vollenden, zuerſt hiervon han - deln, und dann in der Folge die Benutzung des Eigen - thums vortragen.

Wenn ein Volk ſein erlangtes Eigenthum eines Landes wovon hier hauptſaͤchlich die Rede iſt einem andern uͤbertraͤgt, ſo heißt die Handlung des erſtern eine Veraͤuſſerung [alienatio] und dieſe Art zum Eigenthum zu gelangen ein abgeleiteter Erwerb [acquiſitio derivativa]. Bey dieſem Erwerbe von an - dern kommen daher zwey Stuͤck in Betrachtung: der Erwerbungsgrund [titulus] und die Uebertragung [modus] dahingegen bey dem urſpruͤnglichen beyde in der bloſſen Beſitzergreifung zuſammentreffen.

*] Dan. 77Von Erlangung des Eigenthums von andern ꝛc.
*]Dan. Maichelii diſſ. de genuina dominii notione de - que ejus diverſis acquirendi modis praeſertim deriva - tivis, Tubing. 1740.
*]

§. 2. Recht zur Veraͤuſſerung.

Die Frage iſt nicht, ob und in wie ferne dem Re - genten eines Staats, nach Beſchaffenheit der Lande, die er erb - und eigenthuͤmlich [Patrimonialreiche] oder nicht beſitzt, das Recht der Veraͤuſſerung, vermoͤge der innern Verhaͤltniſſe, zuſtehe? Dies muß nach den Vor - ſchriften der verſchiedenen Staatsgrundgeſetze und Ver - faſſungen eines ieden Staats uͤberhaupt, auch allenfals nach den Grundſaͤtzen des algemeinen Staatsrechts be - urteilt und entſchieden werden; a] ſondern es komt hier darauf an: ob, wenn dieienigen, welchen es nach der innern Staatsverfaſſung zukomt, eine Landesveraͤuſſe - rung vornehmen wollen, andere Nazionen ſich derſelben widerſetzen koͤnnen? Da ieder mit ſeinem Eigenthum nach Gefallen alle moͤgliche Handlungen vornehmen kann und niemand befugt iſt, ſich in dieſelbe zu miſchen, wenn ihm kein Unrecht dadurch geſchieht, ſo iſt auch kein Zweifel, daß ein freies Volk wilkuͤhrlich uͤber ſeine eigenthuͤmlichen Lande ſchalten und ſie, nach Gutbefin - den, wie und an welche Nazion es will, veraͤuſſern koͤnne, es muͤſte denn durch Vertraͤge ſich ſeines natuͤr - lichen Rechts uͤberhaupt, b] oder auch nur in Abſicht gewiſſer Nazionen c] begeben, oder einem Volke ein beſonderes Vorrecht eingeraͤumt d] oder endlich andere Voͤlker ſonſt ein gegruͤndetes Recht zum Widerſpruch erlangt haben e].

a]Indes zaͤhlte Papſt Klemens VII. den Koͤnig Franz I. von Frankreich auch von ſeinen Eide: die Guͤter derKrone78Von Erlangung des Eigenthums von andernKrone nicht zu veraͤuſſern, los, um deſſen Abtretungen im Frieden zu Cambrai 1529. eine Guͤltigkeit beizulegen: Du Mont Corps Dipl. T. IV. P. 2. p. 61.
a]
b]Im Utrechter Frieden zwiſchen Grosbritannien und Spa - nien 1713. wurde z. B. nicht nur Art. 8. feſtgeſetzt: quod neque Rex Catholicus neque heredes ſucceſſo - resque ejus quilibetcunque, vllas ditiones, dominia ſive territoria in America Hispanici iuris, vel vllam eorundem partem, Gallis, ſive nationi alii cuicun - que vendent, cedent, oppignorabunt, transferent aut vllo modo vllove ſub nomine ab ſe et corona Hispa - nica alienabunt, ſondern der Koͤnig von Spanien ver - ſprach auch noch in einem Separatartikel: ſe in vllarum cujuscunque generis aut vbicunque ſitarum ditionum provinciarum aut terrarum ad coronam Hispaniae ſpe - ctantium alienationem vlteriorem non eſſe conſenſu - rum Schmauß C. I. Gent. T. II. p. 1422 u. 1428. In dem Grenz - und Tanſchvertrage zwiſchen Frankreich und Genf von 1749. trat erſteres der Republik gewiſſe Stuͤcke ab: ſous la condition expreſſe qu’Elle ne pourra jamais les aliener échanger, ceder ou donner en quelque cas et ſous quelque prétexte que ce puiſſe être. Moſers Verſuch 5. Th. S. 227.
b]
c]So wurde z. B. in nurgedachtem Utrechter Frieden Art. 14. wegen des an den Herzog von Savoyen abge - tretenen Koͤnigreichs Sicilien beliebt: vt regnum Siciliae nullo ſub praetextu nulloque prorſus modo alienari donarive poſſit principi aut ſtatui cuilibetcun - que praeterquam regi Hispaniae Catholico et heredi - bus ac ſucceſſoribus ſuis. M. vergl. den Utrechter Friedenstractat zwiſchen Spanien und Savoyen 1713. Art. 6. und die Ceſſionsacte vom 10. Jun. 1713. Art. 4.
c]
d]Wie in obgedachtem Frieden Grosbritannien wegen Gihraltar und der Inſel Minorca verſpricht Art. 10. quodſiCoronae79oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Coronae Magnae Britanniae commodum olim viſum fuerit donare vendere aut quoquo modo ab ſe alienare dictae vrbis Gibraltaricae proprietatem, vt prima ante alios ejus redimendae optio Coronae Hispanicae ſem - per deferatur; und Art. 11. quodſi quando inſulam Minorcae et portus, oppida locaque in eadem ſita a Corona regnorum ſuorum quovismodo alienari in po - ſterum contigerit, dabitur Coronae Hispanicae ante nationem aliam quamcunque prima optio poſſeſſionem et proprietatem praememoratae inſulae redimendi.
d]
e]Wenn z. B. das in Europa einmal angenommene Syſtem des Gleichgewichts [1. Th. 1. B. 5. K.] augenſchein - lich durch die Veraͤuſſerung leiden und den Nachbarn ein offenbarer Nachtheil zugefuͤgt werden oder eine etwa uͤber - nommene Garantie der die Veraͤuſſerungen verbietenden Staatsgrundgeſetze es erfodern ſolte. Der von dem Hauſe Oeſterreich vor einiger Zeit beabſichtigte Austauſch der oͤſterreichiſchen Niederlande gegen Bayern veranlaſte uͤber die hierunter guͤltigen Grundſaͤtze mancherley merk - wuͤrdige Erklaͤrungen der europaͤiſchen und teutſchen Hoͤfe. Preuſſen aͤuſſerte: daß, da durch den Tauſch von ganz Bayern gegen die Niederlande das Gleichgewicht von Teutſchland und ſelbſt von Europa verlohren gehen wuͤrde, ſo koͤnne dem Kurhauſe Brandenburg, welches natuͤrlich das erſte Opfer davon ſeyn wuͤrde, ſo koͤnne einem Koͤ - nige von Preuſſen wohl mit Grunde nicht verdacht wer - den, wenn er einen ſolchen an ſich nicht rechtmaͤſſigen, ſondern der Reichsverfaſſung und den Friedensſchluͤſſen zuwiderlaufenden Laͤndertauſch durch conſtitutionsmaͤſſige Mittel zu hemmen ſuche; und behauptete: daß weil die pfalzbaieriſchen Hausvertraͤge die Veraͤuſſerung der Lande ausdruͤcklich verboͤten und ſolche in dem Teſchner Frieden beſtaͤtigt worden waͤren, dieſer aber mit allen ſeinen beſondern Vertraͤgen von S. Maj. dem Koͤnig und vom Kurfuͤrſten zu Sachſen als vorzuͤglichen Contrahentenund80Von Erlangung des Eigenthums von andernund von den beiden vermittelnden Maͤchten, den Hoͤfen von Rußland und Frankreich, dann auch von dem gan - zen Reiche garantirt ſey, ſo folge daraus, daß niemals irgend ein Umtauſch von Bayern, ohne Einwilligung und Mitwuͤrkung aller dieſer Maͤchte und vorzuͤglich ohne iene des Koͤnigs und ſeiner Reichsmitſtaͤnde Statt haben koͤnne. Auf die oͤſterreichſche Erwiederung: daß, nach den eigenen vormals bey aͤhnlicher Gelegenheit angenomme - nen preuſſiſchen Grundſaͤtzen, die Contrahenten und Ga - rants des Teſchner Friedens durch die Beſtaͤtigung und Garantie der pfaͤlziſchen Hausvertraͤge kein Recht bekom - men, noch ſich vorbehalten haͤtten, uͤber die Neuerung derſelben einige Beurteilung ſich anzumaſſen, und dieſe Hausvertraͤge durch ſolche Garantie ſo wenig ein unver - aͤnderliches Geſetz geworden, als andere Vertraͤge von Reichsfuͤrſten, daß allein die Fuͤrſten des Hauſes Pfalz dabey intereſſirt waͤren und die Erfuͤllung der Hausver - traͤge verlangen koͤnten, und wenn dieſe ſich vereinigten, eine andere Einrichtung zu machen, niemand dagegen etwas zu ſagen haͤtte ꝛc. antwortete Preuſſen: daß, nach - dem S. K. M. mit dem Wiener Hofe uͤber ſeine ver - meintlichen Rechts - und Tauſchanſpruͤche an Bayern einen Krieg gefuͤhrt, nachdem dieſer Hof in dem Teſchner Frie - den allen ſeinen Anſpruͤchen entſaget und in demſelben alle pfalzbaieriſche Hausvertraͤge, welche allen Tauſch ihrer Laͤnder verbieten, beſtaͤtigt und garantirt worden, ſo koͤnne kein Tauſch von Bayern [naͤmlich des ganzen Herzogthums oder des groͤſten Theils deſſelben] mehr Statt haben, ohne ausdruͤckliche Einwilligung der haupt - ſchlieſſenden und garantierenden Theile dieſes Friedens. M. ſ. die gewechſelten Staatsſchriften unter andern in Reuß teutſcher Staatskanzley 12. Th. beſ. S. 246. 302. 304. u. 313. vergl. [v. Steck] Eclairciſſemens de divers ſujets intereſſans pour l’homme d’état etc. Ingolſt. 81oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Ingolſt. [Berlin] 1785. c. 3. de l’échange des états principalement de ceux de l’empire.
e]
*]G. A. Struvii diſſ. ius alienandi illuſtre, Ien. 1675. Io. Nic. Hertii diſſ. de diviſione regnorum vel quaſi Gieß. 1710. Burc. Goth. Struvii Iurisprudentia heroica P. VII. c. 2. de illuſtrium facultate circa res ad pertinentes disponendi. Doch nehmen dieſe Schriften mehr Ruͤckſicht auf die Staatsrechtlichen Grundſaͤtze.
*]

§. 3. Erwerbungsrecht.

Mit dem Rechte der Veraͤuſſerung ſteht auf der an - dern Seite das Recht der Erwerbung in der genauſten Beziehung: wenn dem einen verwehrt iſt zu veraͤuſſern, ſo kann der andere auch nicht erwerben. Doch geſchieht es auch, daß man zwar ienem die Veraͤuſſerung aber dieſem nicht die Erwerbung zugeſtehn wuͤrde. So wie an ſich iedes Volk die Freiheit hat, durch urſpruͤngliche Erwerbungen ſeinen Zuſtand zu vervolkomnen, ſo kann auch in der Regel keinem verwehrt werden, von andern mehrere Beſitzungen und Laͤnder auf rechtmaͤſſige Art zu erwerben, wenn nicht die im vorhergehenden Paragra - phen angefuͤhrten Hinderniſſe eintreten und ein Volk durch Vertraͤge ſich dieſes Rechts begeben hat a] oder andere Nazionen aus hinlaͤnglichen Urſachen befugt ſind, ſich einer ſolchen Erwerbung entgegen zu ſetzen b]. Um allen Widerſpruͤchen zuvorzukommen bedingt zuweilen ein Volk ſich von andern, von welchen es dergleichen beſorgt, die Freiheit ſowohl der Veraͤuſſerung als der Erwerbung c].

a]Frankreich kann z. B. nie das Koͤnigreich Spanien an ſich bringen und umgekehrt - Dies verlangt nicht nurGuͤnth. Volk. R. 2. B. Fdas82Von Erlangung des Eigenthums von anderndas Teſtament Koͤnig Karls II. von Spanien vom 2. Oct. 1700. Art. 13. ſondern es iſt auch in den Utrechter Frie - densſchluͤſſen von 1713. zwiſchen Frankreich und den vereinigten Niederlanden Art. 31. zwiſchen Spanien und Grosbritannien Art. 2. und zwiſchen Frankreich und Grosbritannien Art. 6., in dem Frieden zwiſchen Spa - nien und den vereinigten N. L. von 1714. Art. 37. und in mehrern Vertraͤgen auch in dem Wiener Frieden von 1725. zwiſchen Kaiſer Karl VI. und Spanien Art. 3. feſtgeſetzt, in welchem letztern es heißt: Quandoquidem vnica quae excogitari potuit ratio ad conſtituendum duraturum in Europa aequilibrium ea viſa fuerit vt pro regula ſtatuatur ne regna Galliae et Hispaniae vllo vnquam tempore in vnam eandemque perſonam nec in vnam eandem lineam coalescere vnirique poſ - ſent, iſtaeque duae Monarchiae perpetuis futuris tem - poribus ſeparatae remanerent. Eben ſo hat man ſich in dem Utrechter Frieden zwi - ſchen Frankreich und den Vereinigten N. L. Art. 14. auch verglichen: qu’aucune province, ville fort ou place des Pais-Bas Espagnols, ni de ceux qui ſont cédés par S. M. très Chretienne ſoient jamais cédés, transportés, ni donnés, ni puiſſent échoir à la Cou - ronne de France ni à aucun prince ou princeſſe de la maiſon ou ligne de France [ni autre qui ne ſera pas ſucceſſeur des états de la maiſon d’Autriche en Alle - magne. Barrieretract. zw. Kaiſer Karl VI. Grosbritan - nien und den V. N. L. 1715. Art. 2. [ſoit en vertu de quelque don, vente, échange, convention matri - moniale, ſucceſſion par teſtament, ou ab inteſtat, ou ſous quelque autre titre que ce puiſſe être, ni être mis de quelque manière que ce ſoit au pouvoir ni ſous l’autorité du Roi Très-Chretien ni de quel - que prince ou princeſſe de la maiſon ou ligne de France. M. vergl. auch den Barrieretract. zw. Gros -britt.83oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.britt. und den V. N. L. von 1709. Art. 12. und von 1713. Art. 10. Ob aus einem ſolchen Verſprechen auch andere Nazio - nen auſſer den Contrahenten, ein Recht erlangen, ſich der Erwerbung zu widerſetzen daruͤber wurde unter an - dern ebenfals bey Gelegenheit des nurgedachten Baieri - ſchen Tauſches geſtritten. Preuſſen aͤuſſerte in der da - mals bekantgemachten Erklaͤrung der Urſachen ꝛc. Auch ſolte das Haus Oeſterreich nicht vergeſſen, daß es in dem Barrieretr ꝛct. von 1715 den Seemaͤchten zu - geſagt hat, es wolle keinen Theil der Vereinigten N. L. iemals einem Fuͤrſten veraͤuſſern, der nicht vom oͤſterrei - chiſchen Hauſe waͤre. Eine Verbindlichkeit die ohne Ein - willigung der contrahirenden Theile nicht kann aufgeho - ben werden. Oeſterreich entgegnete in der Pruͤfung der Urſachen ꝛc. : Noch iſt es in Europa ganz unbe - kant, daß die zwo Seemaͤchte ihre allfaͤlligen Rechte und Befugniſſe der Obſorge des koͤnigl. preuſſiſchen Hofes uͤbergeben haben. Sobald derſelbe hierzu mit der erfor - derlichen Gewalt und Volmacht erſcheinen oder allenfals die Seemaͤchte ſelbſt mit der hier angefuͤhrten beſchwerſa - men Einwendung gegen den K. K. Hof hervortreten ſol - ten, wird derſelbe nicht ermangeln hieruͤber alle dienſame Erlaͤuterungen zu geben. Die Preuſſiſche Beantwortung war: Es kann keinem freien Staate verargt oder verwehrt werden, einen ſolennen und oͤffent - lich bekanten Tractat, wenn er ihn auch ſelbſt nicht ge - ſchloſſen, anzufuͤhren Nicht allein die Seemaͤchte ſondern auch ganz Europa und das teutſche Reich haben ein weſentliches Intereſſe, daß der Barrieretract. unver - bruͤchlich beobachtet werde. ſ. Polit. Journal November 1785. S. 1112. und Reuß a. a. O. S. 219. 254. u. 339. Es komt hier allerdings auf den Grund ienes Verbots an. Iſt dieſer algemein und zum Beſten der uͤbrigenF 2Nazio -84Von Erlangung des Eigenthums von andernNazionen angenommen, wie in dem vorangefuͤhrten Wie - ner Frieden: ad conſtituendum duraturum in Europa aequilibrium, ſo iſt wohl kein Zweifel daß andern ein Widerſpruchsrecht bleibt, wenn gleich die contrahirenden Theile einverſtanden waͤren.
a]
b]Das Syſtem des Gleichgewichts und die Furcht gefaͤhr - licher Nachbarſchaft ſind auch die gewoͤhnlichſten Urſa - chen, einem Volke die Erwerbung mehrerer Lande oder deren Eintauſch zu verwehren; wiewohl Moſer [Grundſ. des itztuͤbl. Europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 11. K. §. 5. 6. ] ſolche nicht fuͤr hinlaͤnglich zur Hindernis anſieht: indes ſagt er, ſey es eine andere Frage: ob es dennoch nicht geſchehen wuͤrde? Davon geben aber beſonders die Streitigkeiten und Kriege wegen der ſpaniſchen Erbfolge, nach dem Tode Karls II. von Spanien, im Anfange dieſes Jahrhunderts und das mehrgedachte baierſche Tauſchproject den einleuchtendſten Beweis. In Anſe - hung der erſtern ſind die Kriegserklaͤrungen gegen Frank - reich und andere Staatsſchriften voll von dieſen Grund - ſaͤtzen. Nur einiges anzufuͤhren, heißt es in dem Ma - nifeſte des Erzherzog Karl, als angeblichen Koͤnigs von Spanien vom Jahre 1704. le danger pour l’Espagne et pour toute la Chretienté ne ſeroit gueres moindre ſi ces deux grandes couronnes étoient jointes dans la même maiſon de Bourbon ſi formidable deja, et ſi deux rois ſi étroitement vnis et dont les grands pays ſont joints immediatement et de plein pied ſe trou - voient en état de ſ’entr’aider à opprimer même la liberté de l’Europe etc. Ja es werden ſogar der franzoͤſiſche Atheismus und andere Gruͤnde gegen die Ver - einigung dieſer beiden Reiche vorgebracht. In dem Ma - nifeſte des Koͤnigs von Portugal wird von dem bekanten Partagetractat unter andern geſagt: ita formidinem tolli duorum imperiorum inter ſe conjungendorum, quod haud dubie formiduloſum foret caeteris Europae regnis,Luſi -85oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Luſitanis praeſertim, cum Gallia cum Hispania con - juncta continenti terrarum ſtatu haud vanam finitimo regno timorem injicere deberet. Nam ſi duo ea imperia in vnum coirent, quae maximam totius orbis partem complectuntur, per quam ſuspecta ac formi - duloſa omnibus fieret ipſa duarum ampliſſimarum gen - tium indoles etc. Memoires de Lamberty T. III. p. 248. u. 275. ff.
b]
c]Spanien hatte ſich, wie oben erwaͤhnt worden, von Grosbritannien den Vorkauf an der dieſer Krone abgetre - tenen Inſel Minorca und an der Feſtung Gibraltar be - dungen. In der Wiener Allianz von 1725. ließ daher der Koͤnig von Spanien vom Kaiſer Karl VI. Art. 2. ſich verſprechen: S. Caeſ. Maj. huic reſtitutioni, ſi amicabiliter fieret, ſeſe non oppoſituram. Eine be - ſondere Bedingung machte die Kaiſerin Koͤnigin 1778 in dem baieriſchen Erbfolgskriege dem Koͤnige von Preuſ - ſen, indem ſie ihm, auſſer der kuͤnftigen Vereinigung der Anſpach-Bayreuthiſchen Lande, zwar auch deren Austauſch zugeſtehn wolte, bien entendu néanmoins que les acquiſitions à faire ne puiſſent porter ſur au - cun pays immediatement limitrophe aux états actuels de S. M. l’Impératrice Reine Reuß a. a. O. S. 324.
c]

§. 4. Erforderliche Einwilligung beider Theile.

Zu dem abgeleiteten Erwerbe iſt die Einwilligung beider Theile noͤthig, desienigen der ſein Eigenthum veraͤuſſern, und desienigen der es erwerben will, folg - lich ein foͤrmlicher Vertrag a]. Eine blos einſeitige Bemaͤchtigung anderer Eigenthums kann nie als recht - maͤſſig angeſehen werden, wenn deren Genehmigung nicht dazukomt. Da dieſe Einwilligung, wie bey an -F 3dern86Von Erwerbung des Eigenthums von anderndern Vertraͤgen, entweder ausdruͤcklich oder ſtillſchwei - gend geſchehen kann, ſo flieſſen daraus auch, wie wir in der Folge ſehn werden, verſchiedene Gattungen des Erwerbes.

a]Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 3. §. 12. Schrodt I. G. P. II. c. 2. §. 17.
a]
*]Durch Vertraͤge, und alſo durch abgeleitete Erwerbung kann ein Volk allenfalls auch das Eigenthum uͤber einen ſolchen Theil des Meeres erlangen, der urſpruͤnglich keines Eigenthums faͤhig iſt, wenn naͤmlich die uͤbrigen Voͤlker ſich verbindlich machten, darauf nicht zu ſchiffen und ſonſt keinen Nutzen daraus zu ziehn. Von einigen Voͤlkern, welche zu Gunſten einer andern Nazion ſich dieſes Rechts begeben haben werden unten bey der Ma - terie von der Schiffahrt Beyſpiele vorkommen.
*]

§. 5. Einraͤumung des Beſitzes.

Die wuͤrkliche Einraͤumung des Beſitzes d. i. die Handlung, wodurch etwas von einem in die Gewahr - ſame und Gewalt eines andern gebracht wird [traditio] halten Grotius a] und verſchiedene Rechtslehrer nach den Geſetzen der Natur und alſo unter freien Voͤlkern zu Erlangung des Eigenthums von andern nicht fuͤr noth - wendig, ſondern glauben, daß die Uebereinkunft wegen Ablaſſung eines Eigenthums dem neuen Erwerber ſchon das Recht zum Beſitz, als eine weſentliche Folge des Eigenthums zugeſtehe, und den vorigen Eigenthuͤmer zu Einraͤumung des Beſitzes verbinde. Cocceji und an - dere b] hingegen ſehen die Uebergabe fuͤr noͤthig an, weil ienes Verſprechen zwar eine Verbindlichkeit zur Ueberlaſſung, aber noch nicht die Erwerbung des Eigen - thums ſelbſt bewuͤrke. So wie der urſpruͤngliche Er -werb87oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.werb des Eigenthums eine Beſitzergreifung erfordere, ſo gehoͤre auch die Beſitzeinraͤumung zu deſſen Uebertra - gung auf andere, da ohne ſie keine Benutzung moͤglich ſey. Puffendorf c] macht einen Unterſchied zwiſchen Eigenthum ohne Beſitz und mit demſelben, zu welchem letztern er blos die Uebergabe erfodert. Schrodt d] glaubt hierbey noch richtiger unter Eigenthumsrecht und deſſen Ausuͤbung unterſcheiden zu muͤſſen: das erſtere koͤnne man durch bloſſe Vertraͤge, die letztere erſt durch Beſitzeinraͤumung erlangen. Mir ſcheint die zweite Meinung die richtigſte und die Uebernahme des Beſitzes zu Erlangung des Eigenthums von andern in der Re - gel allerdings nothwendig zu ſeyn. Ohne Beſitz kann, wie die Gegner ſelbſt nicht in Abrede ſind, e] keine aus - ſchließliche Benutzung einer Sache, noch das Vermoͤ - gen daruͤber nach Wilkuͤhr zu ſchalten, folglich kein Eigenthum Statt finden. Waͤre die bloſſe beiderſeitige Einwilligung dazu hinlaͤnglich, ſo muͤſte auch bey der urſpruͤnglichen Erwerbung der alleinige Wille ein Eigen - thum verſchaffen; denn der Grund, welchen man an - fuͤhrt, daß die Uebergabe unnoͤthig ſey, wo der Wille der Ablaſſung zu Tage liegt, iſt darauf ebenfals an - wendbar. Das Verſprechen des bisherigen Eigenthuͤ - mers wegen Ueberlaſſung einer Sache giebt dem andern ohnſtreitig ein Recht auf das Eigenthum, daß er die Einraͤumung des Beſitzes fodern, oder ſich ſolchen al - lenfals ſelbſt verſchaffen kann, aber das volkomne Ei - genthum erlangt derſelbe nicht eher, als bis er ſich in deren Beſitz befindet f]. Die Zuſage der Regenten macht natuͤrlicherweiſe keine Ausnahme von dieſer Re - gel g]. Wahrſcheinlich haben die durch wilkuͤhrliche Uebereinkunft eingefuͤhrten Abweichungen von dem ur - ſpruͤnglichen Naturrechte bey den Lehns - Pfand - und aͤhnlichen Vertraͤgen, wo auch demienigen, welcher nicht im Beſitz iſt, dennoch gewiſſe EigenthumsrechteF 4zuge -88Von Erwerbung des Eigenthums von andernzugeſtanden werden, die gegenſeitigen Irthuͤmer und beſonders den von Puffendorf, Schrodt und andern angenommenen Unterſchied veranlaßt. Allein in dieſen beſondern Eigenthumsbeſtimmungen ſind, wie weiter unten gezeigt werden ſoll, entweder die Eigenthums - rechte nur geteilt, dergeſtalt, daß beide Theile zuſam - men erſt ein volkomnes Eigenthum ausmachen, und weder der Beſitzer allein, noch der, welcher nur gewiſſe Eigenthumsrechte hat, als volkomner Eigenthuͤmer an - geſehen werden kann, oder es wird in den Faͤllen, wo dem Beſitzer ganz kein Eigenthum zukomt, z. B. bey der Hinterlegung, Verpachtung ꝛc. der Beſitz, durch Vertrag blos im Namen des Eigenthuͤmers von einem andern fortgeſetzt. Die Voͤlker ſelbſt ſcheinen auch der Beſitzeinraͤumung allerdings einigen Werth beizulegen h].

a]Grotius L. II. c. 6. §. 1. n. 2. c. 8. §. 25. c. 12. §. 15. etc. C. Wolff. Inſt. I. Nat. et G. P. II. c. 5. §. 320. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 12. u. Schol. I.
a]
b]Henr. Cocceji diſſ. an traditio neceſſaria ſit ad trans - ferendum dominium, Heidelb. 1676. und in Exerc. curios. T. I. n. 19. p. 213 216. ingl. Sam. a Coc - ceji in introduct. ad H. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. XII. L. IV. c. 3. Sect. I. §. 268. n. 6. u. ff. I. G. Kulpis Colleg. Grotian. Exercit. V. §. 1. I. N. Hertius in not. ad Puffend. bey der nachher an - gez. Stelle.
b]
c]Puffendorff I. Nat. et G. L. IV. c. 9. §. 8. u. ff.
c]
d]Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 17. u. ff.
d]
e]Cum ſine poſſeſſione dominium exerceri nequeat, ſagt Wolf a. a. O. dominio translato transferens quo - que obligatur ad transſerendam poſſeſſionem trans - lato dominio res quoque tradenda et apprehendenda. Atque hinc patet ad translationem dominii naturaliter non requiri traditionem. Ich muß geſtehn, daß ich dieſe Folge nicht recht einſehe. Wie kann man ſagen:translato89oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.translato dominio etc. da eben die Frage iſt, ob das Eigenthum durch den bloſſen Vertrag uͤbergegangen ſey? Mir ſcheint eher zu folgen, daß, wenn ohne Beſitz kein Eigenthum ausgeuͤbt werden kan, das Eigenthum nicht eher vorhanden ſey, als bis die Beſitzeinraͤumung erfolgt. Der Eigenthuͤmer muß ſein Recht wenigſtens ausuͤben koͤnnen, wenn er will, bevor er aber nicht kan, iſt er auch nicht Eigenthuͤmer.
e]
f]Daher auch nach dem natuͤrlichen Rechte und mehrern Geſetzgebungen vor der Uebergabe, wenn der Erwerber ſich keiner Nachlaͤſſigkeit ſchuldig macht, der Veraͤuſſerer den etwa eintretenden Schaden zu tragen hat, wiewohl die roͤmiſchen Rechtslehrer anderer Meinung ſind. Gro - tius L. II. c. 12. §. 15. wo er auch die Frage ganz richtig entſcheidet: wer, wenn ebendieſelbe Sache zweien verkauft worden iſt, den Vorzug habe? Illud quoque ſciendum, ſagt er daſelbſt, ſi res bis ſit vendita, ex duabus venditionibus eam valituram quae in ſe con - tinuit praeſentem dominii translationem ſive per tra - ditionem ſive aliter. Per hanc enim facultas moralis in rem abiit a venditore, quod non fit per ſolam pro - miſſionem. Schrodt hingegen a. a. O. §. 21. in der Note behauptet, daß der, dem die Sache durch Ver - trag zuerſt verſprochen worden, vorzuziehen ſey. Das Recht ſich deshalb an den Verkaͤufer zu halten wird man dieſem eben ſo wenig abſprechen, als ienem das durch Beſitz erlangte Eigenthum ſtreitig machen koͤnnen. M. vergl. indeſſen Puffendorff L. V. c. 5. §. 3. und Barbeyrac in den Noten zur franz. Ueberſetzung des Grotius L. II. c. 12. §. 15. und Sam. a Cocceji l. c. §. 268. n. 22. u. §. 426.
f]
g]I. H. Böhmer diſſ. de figmento translati ipſo iure dominii ex promiſſis principum, Hal. 1732. 4.
g]
h]In vielen Veraͤuſſerungsvertraͤgen wird der Uebergabe ausdruͤcklich erwaͤhnt. Man ſehe z. B. den Kaufkon -F 5tract90Von Erwerbung des Eigenthums von anderntract uͤber Duͤnkirchen und die franz. Volmacht zur Ueber - nahme in Memoires d’Eſtrades T. I. p. 413. ed, von 1743. und in dem Kauf uͤber Finale von 1713. wurde dieſes Marqviſat an Genua cum omnibus iis, cum quibus ab Anteceſſoribus noſtris et a nobis poſſeſſus eſt et ad traditionem usque poſſidetur. Bey Ge - legenheit der bekanten Streitigkeiten zwiſchen Grosbri - tannien und Frankreich wegen der Grenzen in Arkadien und verſchiedener anderer Inſeln ſagen die franzoͤſiſchen Commiſſarien in den Anmerkungen uͤber das Grosbritan - niſche Memoire v. 15. Novbr. 1751. que pluſieurs ceſſions et ventes qui ſe ſuccedent l’vne à l’autre ſans interruption et qui toutes ſont accompagnées de tradition réelle et ſuivies de poſſeſſion paiſible et publique denotent et confèrent vn droit de propriété actuelle etc. Memoires des Commiſſaires de S. M. T. C. et de ceux de S. M. Brit. etc. à Amſt. 1755. 8. T. I. p. 433. In dem Verkaufe der Stadt Avignon von der Koͤnigin Johanna von Sicilien an den Papſt 1358 erklaͤrt erſtere zwar, daß ſie blos precario nomi - ne und an Statt des Papſtes von Errichtung des Ver - trages an im Beſitz bleiben wolle, donec poſſeſſio fuerit per ipſum Papam realiter apprehenſa, giebt ihm auch zugleich die Erlaubnis poſſeſſionem au - toritate propria quandocunque voluerit apprehenden - di; allein ſie hatte das verkaufte Gebiet dem paͤpſtlichen Bevolmaͤchtigten bey dem Vertrage bereits ſymboliſch uͤbergeben, Papam, ſagt ſie in demſelben, in perſonam procuratoris ſui per traditionem annuli noſtri de iisdem liberaliter inveſtimus. Leibnitz Cod. I. G. p. 201. Gewoͤhnlich geſchehen dergleichen Uebergaben ſymbo - liſch blos durch gewiſſe Zeichen. M. vergl. Io. Gtfr. Schaumburg diſſ. de traditione ſymbolica, Viteb. 1727. u. Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 3. §. 12. Schol. I.
h]
§. 6.91oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.

§. 6. Verſchiedene Arten des Erwerbes von andern.

Die Arten und Bewegurſachen der Veraͤuſſerungen und Erwerbungen koͤnnen mancherley ſeyn. Man uͤber - laͤßt einem etwas entweder ohne irgend eine andere Verguͤtung, oder gegen aͤhnliche und andere Dinge, oder auch gegen Erfuͤllung ſonſt eines Verlangens; es geſchieht theils im Leben, theils auf den Todesfall ꝛc. zuweilen freiwillig oft auch gezwungen ꝛc. daher giebt es verſchiedene Arten des abgeleiteten Eigenthumser - werbes, welche den Namen Schenkung, Tauſch, Kauf, Abtretung, Erbfolge u. d. g. fuͤhren. Ich will die vor - zuͤglichſten davon nunmehr durchgehen.

*]I. N. Hertii diſſ. de conventionibus dominii trans - latiuis, Gieß. 1691. u. in Opuſc. Vol. I. T. 3. p. 65 94.
*]
**]Faſt alle dieſe Erwerbungsarten ſind in dem zweiten Theilungstractat, welcher 1700. wegen der bekanten ſpaniſchen Erbfolge geſchloſſen wurde, aufgefuͤhrt, in - dem Art. 9. feſtgeſetzt wird, daß das Koͤnigreich Spa - nien eben ſo wenig iemals an denienigen, welcher zu - gleich roͤmiſcher Kaiſer oder Koͤnig, als an den, welcher Koͤnig von Frankreich oder Dauphin ſeyn wuͤrde, kom - men ſolle: ſoit par ſucceſſion, teſtament, contract de mariage, donation, échange, ceſſion, appel, revolte ou quelque autre voïe que ce ſoit. M. vergl. den vorang. Art. 14. des Utrechter Friedens zw. Frank - reich und den V. N. Landen. Sie laſſen ſich allenfals, wie einige wollen, unter zwey Hauptgattungen bringen, unter Abtretung [freiwillig] und Abnahme [genoͤthigt] M. ſ. Io. Fr. Wilh. de Neumann Medit. iur. priv. princip. T. IV. p. 55.
**]***] Einige92Von Erwerbung des Eigenthums von andern
***]Einige dieſer Erwerbungsarten, als durch Heirath, Erbfolge, Wahl ꝛc. haben zwar mehr perſoͤnliche Bezie - hungen auf die Regenten der Nazionen, da ſolche aber, wenigſtens in Erbreichen, meiſtens auch dieſen zu gute kommen, wenn kein Hindernis der Vereinigung vorhan - den oder es vielmehr wohl gar ausgemachter Grundſatz iſt, wie in Frankreich, daß alle Guͤter welche der Koͤnig vor der Gelangung zum Thron beſeſſen, und er ſonſt durch Erbrecht, Geſchenke, oder andere Faͤlle erwirbt, dem Koͤnigreiche einverleibt werden muͤſſen, wie das Parlement zu Tours unter andern 1590. gegen Koͤnig Heinrich IV. behauptete, welcher ſein vaͤterliches Erbkoͤ - nigreich Navarra von der Krone Frankreich abgeſondert wiſſen wolte [Real Science du Gouv. T. II. c. 7. Sect. I. §. 15.] die neuſten Vorgaͤnge zu geſchweigen; ſo kann man ſie in gewiſſer Ruͤckſicht fuͤglich auch als Erwerbungen der Nazionen betrachten.
***]

§. 7. Tauſch.

Die aͤlteſte Erwerbung eines Eigenthums von an - dern geſchah, in Ermangelung des Geldes, wohl durch Tauſch. Es iſt auch noch heutzutage unter den Nazio - nen ſehr gewoͤhnlich, daß eine der andern tauſchweiſe ein Stuͤck Landes gegen ein anderes uͤberlaͤßt, mehren - teils um die aus deren Lage herruͤhrenden Unbequemlich - keiten oder Irrungen zu heben. Dergleichen Austau - ſchungen, beſonders kleiner Portionen, kommen unter benachbarten Voͤlkern faſt in allen Grenzvertraͤgen ſo haͤufig vor, daß es hier wohl keines Beiſpiels bedarf. Sie werden in Friedensſchluͤſſen, bey Abtretung der Lande und in andern Vertraͤgen zuweilen ausdruͤcklich bedungen a]. Auch ſind ſchon ganze Reiche, wie mitSicilien93oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Sicilien und Sardinien in der Quadrupelallianz, gegen einander ausgetauſcht worden.

a]Pour prévenir toutes les difficultés heißt es unter an - dern in dem Nimwegiſchen Frieden zwiſchen Frankreich und Spanien 1678. Art. 14. que les enclaves ont cauſées dans l’execution du traité d’Aix la Chapelle, et rétablir pour toujours la bonne intelligence entre les deux couronnes, il a été accordé que les terres enclavées ſeront echangées contre d’autres qui ſe trouveront plus proches des places et a la bien - ſéance de S. M. Catholique etc.
a]
*]B. G. Struvii Iurisprud. heroica P. VII. c. 2. Sect. 5. ſiſtens exempla alienationum illuſtrium mediante per - mutatione factarum.
*]

§. 8. Kauf.

Der Fall, daß eine Nazion fuͤr eine Summe Gel - des ganze Stuͤcke Landes an eine andere uͤberlaͤßt, ge - ſchieht, beſonders in neuern Zeiten, zwar ſeltener, doch finden ſich verſchiedene Beiſpiele davon in der Ge - ſchichte. So verkaufte die Koͤnigin Johanna von Neapolis 1358. das Gebiet von Avignon und die Grafſchaft Venaiſſin um 84000 Livres an den Papſt Klemens VI. ob ſie aber die Kaufſumme wuͤrklich erhal - ten habe zweifelt man a]. Ludewig XIV. Koͤnig von Frankreich kaufte 1662. von Koͤnig Karl III. in Eng - land die Stadt Duͤnkirchen, Mardyck ꝛc. um 5 Mil - lionen Livres b]. Kaiſer Karl VI. uͤberließ im Jahre 1713. das aus der ſpaniſchen Verlaſſenſchaft an ihn gekommene Marqviſat Finale kaͤuflich der Republick Genua fuͤr 1200000 Gulden c].

a]Real Science d. G. T. VI. c. 2. §. 10. Leibnitz Cod. I. G. p. 200.
a]b] Du94Von Erwerbung des Eigenthums von andern
b]Du Mont Corp. Dipl. T. VI. P. 2. p. 432.
b]
c]Du Mont T. VIII. P. I. p. 405.
c]
*]M. vergl. Struv a. a. O. Sect. IV. exempla aliena - tionum illuſtr. ſiſtens. und Moſers Verſuch 5. Th. S. 139. u. ff.
*]

§. 9. Abtretung.

Zuweilen ſieht ein Volk oder deſſen Regent ſich ver - anlaßt aus ſonſtigen Ruͤckſichten und Beweggruͤnden einem andern ein Stuͤck Landes freywillig abzutreten, um dadurch gewiſſe Anſpruͤche oder Foderungen zu be - friedigen. Dergleichen Ceſſionen pflegen hauptſaͤchlich bey Friedensſchluͤſſen vorzukommen, wiewohl dieſe letz - tern mehr zu den unwilkuͤhrlichen Veraͤuſſerungen gehoͤ - ren. Doch findet man auch auſſerdem mehrere Bei - ſpiele davon. Portugal trat an Spanien 1777 in dem Neutralitaͤts - und Handelsvertrage vom 11. Maͤrz die Inſeln Annobon und Ferdinando del Po ab, um letzterer Krone den Negerhandel an den Africaniſchen Kuͤſten zu erleichtern a]. Im Jahre 1784. trat Frank - reich der Krone Schweden, wegen des ihm eingeraͤum - ten freien Gebrauchs des Hafens von Gothenburg und anderer Handelsvortheile die Inſel St. Barthelemy in Weſtindien ab b]. Der Ueberlaſſung von Landen als Heirathsgut wird weiter unten gedacht werden. Oftmals tritt eine Nazion der andern blos ihr Recht oder ihre Anſpruͤche an ein Land ab, und uͤberlaͤßt es dieſer, ſolche geltend zu machen c].

a]Neuſte Staatsbegebenh. aufs J. 1779. S. 424.
a]
b]Convention vom 1. Jul. 1784. Art. 8. im Polit. Journ. November 1784. S. 2002, vergl. Auguſt S. 461.
b]c] Davon95oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
c]Davon findet man Beiſpiele genug in Schweders be -[kanten] Theatro praetenſionum.
c]

§. 10. Schenkung.

Schenkungen ganzer Lande waren in vorigen Zeiten ebenfals gewoͤhnlicher als dermalen. Beſonders waren die Paͤpſte ſehr freigebig in Austheilung ſolcher Laͤnder die ſie weder beſaſſen, noch ſonſt mit Recht in Anſpruch nehmen konten. Dies geſchah, aus dem damaligen Wahne einer vorgeblichen Weltherſchaft, vorzuͤglich unter dem Deckmantel der chriſtlichen Religionsausbrei - tung, mit den Landen der Wilden und anderer rohen Voͤlker. Die paͤpſtlichen Schenkungen an Portugal und Spanien, deren ich ſchon oben [1. Kap. §. 6. Anmerk. ] gedacht habe, gingen nicht nur auf die neuen amerikaniſchen Entdeckungen, ſondern auf alle Koͤnig - reiche und Laͤnder der Unglaͤubigen in Africa ꝛc. ꝛc. a], weshalb auch Ferdinand der Katholiſche von Arrago - nien verſchiedene Eroberungen daſelbſt vornahm. Die Inſel Sardinien wurde im Jahre 1004. von Papſt Johann XVIII. dem, der ſie den Arabern entreiſſen wuͤr - de geſchenkt, von Papſt Bonifaz VIII. aber 1297. nebſt Korſika dem Koͤnig Jakob II. von Arragonien ein - geraͤumt b]. Auf dieſe Art konten ſie die anſehnlichen Erwerbungen leicht vergelten welche ihnen, groſ - ſenteils durch eine gutmuͤthige Freigebigkeit zu Theil wurden. Die angeblichen Schenkungen der fraͤnkiſchen Koͤnige Pipin und Karls des Groſſen, die Schenkung und Erbſchaft der reichen Marggraͤfin Mathilde und unzaͤhlige andere kleine Schenkungen ſind theils zu be - kant, theils zu weitlaͤuftig, als daß ich ihnen hier einen Platz einraͤumen koͤnte.

Sonſt96Von Erwerbung des Eigenthums von andern

Sonſt ſchenkte noch die Koͤnigin Charlotte von Cy - pern dies Koͤnigreich 1485. an Herzog Karl I. von Savoyen, c] Kaiſer Karl V. die Inſel Maltha 1530 an den Johanniterorden d]. Durch Schenkung erwarb Frankreich 1349. Dauphiné ꝛc. ꝛc. e].

a]Idem praedeceſſor, heißt es in der Bulle Sixt IV. fuͤr den Koͤnig in Portugal, conceſſit facultatem quo - cunque Saracenos et Paganos aliosque Chriſti inimi - cos vbicunque conſtitutos, ac regna, ducatus, prin - cipatus, dominia poſſeſſiones et mobilia ac immobi - lia bona quaecunque per eos detenta ac poſſeſſa in - vadendi, conquirendi, expugnandi, debellandi et ſubiugandi, illorumque perſonas in perpetuam ſervi - tutem redigendi ac regna ducatus etc. ſibi et ſueceſ - ſoribus ſuis applicandi, appropriandi ac in ſuos ſuc - ceſſorumque vſus et vtilitatem convertendi. Schmauß C. I. G. T. I. p. 114.
a]
b]Urkunde beim Schmauß 1. Th. S. 14. M. vergl. Mich. Conr. Curtius diſſ. de donationibus regnorum et regionum a Pontificibus Romanis factis, Marb. 1772. 4.
b]
c]Schmauß a. a. O. 1. Th. S. 124.
c]
d]Lünig Cod. Ital. dipl. T. II. p. 2515.
d]
e]Real Science du Gouv. T. VI. c. 2. Sect. 2. §. 9.
e]

§. 11. Wahl.

Die Wahl eines Regenten in bloſſen Wahlreichen, beſonders wo man ſich auch nicht einmal an eine gewiſſe Familie zu halten hat, iſt lediglich ein Perſonalwerk und an ſich weder fuͤr den waͤhlenden Staat, noch fuͤr das Volk, deſſen Regent zum Beherſcher eines ſolchen Wahlreichs gerufen wird, ein Land-Erwerbungsmittel;doch97oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.doch kann ſie Gelegenheit dazu geben, wenn die Nazion einen Regenten waͤhlt, welcher eigene Erblande beſitzt und ihn vermoͤgen kann, ſolche dem Wahlreiche einzu - verleiben, wie die Polen durch die Wahl des Herzogs Jagello 1386 die Verbindung Litthauens mit der Krone bewuͤrkten a].

Eine dergleichen Erwerbung durch Wahl kann auch noch in dem Fall geſchehen, wenn in Erbreichen, nach gaͤnzlichem Abgang des regierenden Hauſes, die Staͤnde ſich genoͤthigt ſehn ein neues Oberhaupt zu erkieſen. So waͤhlten in Daͤnemark, nach Abſterben des koͤnig - lichen Mannsſtamms mit Waldemar III. im Jahre 1375., die Staͤnde Glav IV., Waldemars Enkel von ſeiner Tochter Margarethe, welcher bald drauf von ſei - nem Vater das Koͤnigreich Notwegen nebſt den Anſpruͤ - chen auf Schweden erbte. Dieſe letztern wurden nach - her von der Koͤnigin Margarethe ausgefuͤhrt und als - dann dieſe drey Reiche durch die bekante kalmariſche Union vereinigt b]. Durch die in Portugal, nach Ab - gang des Mannsſtammes mit Koͤnig Heinrich 1580., von den Staͤnden unter den Praͤtendenten vorgenom - mene Wahl Koͤnig Philip II. von Spanien erfolgte gleichfals auf eine Zeitlang die Vereinigung dieſer bei - den Koͤnigreiche c].

a]Hiſtoire des Rois de Pologne par Mr. M. Amſt. 1733. 8. T. II. p. 196.
a]
b]Allg. Welthiſtorie Auszug 14. Band von L. A. Geb - hardi, Halle 1774. 8. S. 80. ff.
b]
c]Real Science du G. T. IV. c. 2. Sect. 11. §. 79. ff.
c]

§. 12. Heirath.

Durch Heirath kann ein erblicher Regent auf ver - ſchiedene Art ſeinem Reiche neue Lande erwerben. Ehe -Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Gdem98Von Erlangung des Eigenthums von anderndem geſchah es nicht ſelten, daß die Prinzeſſinnen ein Heirathsgut an Landen und Provinzen erhielten und ihren Gemalen zubrachten a]. Alphons III. Koͤnig von Portugal bekam mit der natuͤrlichen Tochter Koͤnig Al - phons X. von Kaſtilien, Beatrix das Koͤnigreich Al - garve zum Heirathsgut b]. Philip III. Koͤnig von Frankreich erwarb mit ſeiner Gemalin Iſabelle von Ar - ragonien die Grafſchaften Carcaſſonne und Bezier und erweiterte damit die franzoͤſiſchen Beſitzungen c].

Es iſt auch eine Erwerbung und Vereinigung meh - rerer Reiche moͤglich, wenn ein Regent eine Gemalin nimt, die ſelbſt Beherſcherin von Reichen und Landen iſt. Philip IV der Schoͤne von Frankreich hatte die Koͤnigin Johanna von Navarra zur Gemalin und brachte dadurch dies Koͤnigreich wenigſtens eine Zeitlang an Frankreich. Nachdem es in der Folge wieder eige - ne Koͤnige gehabt hatte, gelangte nach Karls III. des letzten Tode deſſen Tochter Blanka zur Regierung. Dieſe war an Koͤnig Johann II. von Arragonien ver - maͤlt, welcher daher 1425. das Koͤnigreich Navarra mit ſeiner Krone verband. Die beiden Koͤnige von Frankreich Karl VIII. und Ludwig XIII. hatten nach einander die Herzogin Anna von Bretagne zur Ehe, durch welche dieſes Herzogthum an Frankreich kam d].

Sind die Beſitzungen des Gemals geringer, ſo wer - den dieſe auch wohl dem groͤſſern Reiche der Gemalin einverleibt. So geſchah 1137. die Vereinigung der Grafſchaft Katalonien mit dem Koͤnigreich Arragonien da Koͤnig Ramiro II. von Arragonien ſeine Tochter Pe - tronella an den Grafen Raymund V. von Barcellona oder Katalonien verheirathete und ihr das Koͤnigreich zum Heirathsgut uͤberließ e].

Zuweilen haben Prinzeſſinnen ihren Gemalen blos gewiſſe Anſpruͤche und Rechte auf Laͤnder zugebracht und dadurch uͤber kurz oder lang dem andern Reiche einenZuwachs99oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Zuwachs verſchaft. Koͤnig Franz I. von Frankreich verſprach im Frieden zu Noyon 1516. ſeine Tochter Lu - dovica dem Koͤnige Karl von Kaſtilien und zum Hei - rathsgut alle Rechte und Anſpruͤche die er an das Koͤ - nigreich Neapel hatte f].

Auch auf den Fall, wenn die verabredete Heirath durch Verſchulden des einen oder des andern Theils nicht volzogen wuͤrde hat man einander ſchon gewiſſe Lande zur Entſchaͤdigung verſprochen. Dies geſchah z. B. in den verſchiedenen Heirathsvertraͤgen zwiſchen den Koͤnigen von Frankreich und Spanien in Abſicht einer Vermaͤlung des ſpaniſchen Prinzen Karls, nach - maligen Kaiſers unter dem Namen Karls V., mit einer franzoͤſiſchen Prinzeſſin; wiewohl alles unerfuͤlt blieb g].

Am haͤufigſten aber wird noch heutzutage durch Ver - maͤlung den Regenten anderer Reiche ein Recht verſchaft, fuͤr die Zukunft, bey einem nach der Staatsverfaſſung ſich ereignenden Falle, durch Erbfolge, mehrere Laͤnder zu erwerben h], das ihnen mitunter in den Ehevertraͤ - gen ausdruͤcklich zugeſichert zu werden pflegt i].

a]B. G. Struvii Iurisp. her. P. II. c. 9. Sect. 1. de dote et pactis dotalibus exterorum §. 37. ſeqq. Real Science d. G. T. VI. c. 2. Sect. 2. §. 7.
a]
b]Io. Fr. Wilh. de Neumann Medit. iur. princ. priv. T. IV. p. 383.
b]
c]Henault Abrégé chron. de l’hiſt. de France 1258. T. I. p. 230. ed. de 1765.
c]
d]Struv. a. a. O. §. 1. u. ff.
d]
e]Struv. a. a. O. P. III. c. 1. Sect. 3. de regnis et principatibus iure vxorio adquiſitis §. 28.
e]
f]Struv. P. II. c. 9. Sect. 1. §. 60. u. ff.
f]
g]Recueil de traités de paix etc. à Amſt. 1700. fol. T. II. p. 11. 16. u. 69.
g]G 2h] Wenn100Von Erlangung des Eigenthums von andern
h]Wenn die Reichsgrundgeſetze die an Auswaͤrtige vermaͤl - ten Toͤchter nicht etwa von der Erbfolge ausſchlieſſen, wie in Portugal das Grundgeſetz zu Lamego.
h]
i]Struv. a. a. O. P. II. c. 9. Sect. 1. §. 55. u. ff. P. III. c. 1. Sect. 3. §. 26.
i]
*]Ob und wieferne durch dergleichen Vermaͤlungen eine laͤngere oder kuͤrzere Vereinigung mehrerer Reiche erfolge komt theils auf die errichteten Ehevertraͤge, theils auf die Grundgeſetze der Reiche an, wie z. B. die obenange - fuͤhrten in Frankreich. Zuweilen bleiben indes auch beide Reiche gaͤnzlich abgeſondert, ſo daß der Gemal gar kei - nen Theil an der Landesregierung ſeiner Gemalin nimt. Beiſpiele hiervon geben die Vermaͤlungen Koͤnig Philip II. von Spanien mit der Koͤnigin Marie von England, und Koͤnig Franz II. von Frankreich mit der Koͤnigin Marie von Schottland, auch Anfangs die Vermaͤlung Ferdi - nands von Arragonien und Iſabelle von Kaſtilien, ob - ſchon durch dieſe Heirath der Grund zur Vereinigung beider Reiche gelegt wurde. Gemeiniglich erfolgt wenig - ſtens in den beiderſeitigen Erben eine Verbindung: ob dieſe aber nur perſonell oder real ſey zeigt ſich unter an - dern hauptſaͤchlich beim Abgang der ganzen beſitzenden Linie. M. vergl. Real a. a. O. T. IV. c. 2. Sect. 7. §. 47. und F. L. W. v. Steck Abh. von dem Gemal einer Koͤnigin, Berlin 1777. 8.
*]

§. 13. Erbfolge vermoͤge Verwandſchaft.

Die bisher angefuͤhrten Erwerbungen der Voͤlker und ihrer Beherſcher durch freiwillige Veraͤuſſerung an - derer beziehen ſich auf die im Leben [inter vivos] ge - woͤnlich vorkommenden Veraͤnderungen: nun ſind noch dieienigen zu erwaͤhnen uͤbrig, welche auf den Todesfallzu101oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.zu geſchehen pflegen. Auf die Voͤlker ſelbſt laſſen ſich dieſe, wie Ickſtatt a] ganz richtig erinnert, eigentlich zwar wohl nicht anwenden, weil dergleichen moraliſche Perſonen erſt mit voͤlliger Aufloͤſung ihres ganzen geſel - ſchaftlichen Bandes ein Ende nehmen; da aber in mon - archiſchen Staaten die Regierung nur durch eine ein - zige Perſon beſorgt und die ganze Nazion durch den Regenten dargeſtelt wird, nach deſſen Tode, durch Wahl oder Erbfolge, iedesmal ein anderer eintreten muß, ſo kann dieſer Fall, wie ich ſchon bemerkt habe, oͤfter eine Gelegenheit zum Landeserwerb fuͤr andere Nazionen werden.

Es iſt freilich unter den Natur - und Voͤlkerrechts - lehrern eine annoch unentſchiedene Frage: ob die Natur ſelbſt gewiſſen Perſonen uͤberhaupt oder wenigſtens denen, welche der Verſtorbene ernannt hat, ein vor - zuͤgliches Recht auf deſſen hinterlaſſene Guͤter zugeſtehe? b] Mit dem Tode, ſagen viele, hoͤrt im Naturſtande das Eigenthum auf, die Guͤter des Verſtorbenen werden, weil ſie iedem nur zu Befriedigung ſeiner eignen Be - duͤrfniſſe von der Natur eingeraͤumt waren, wieder herrnlos, ſo daß ſie, ohne Auswahl, von dem erſten Beſitzergreifer wieder eigen gemacht werden koͤnnen. Im urſpruͤnglich natuͤrlichen Zuſtande, den man ſich ohne eheliche und alle andere geſelſchaftliche Verbindung folglich ohne Kinder, Verwandten ꝛc. denkt, c] hat dieſe Behauptung alsdenn allerdings ſeine Richtigkeit, wenn iemand ohne ſeinen Willen zu erklaͤren verſtirbt.

Grotius glaubt hingegen mit andern d] es ſey, was der Fall anlanget, da der Beſitzer ohne einen Nachfol - ger zu ernennen [ab inteſtato] verſtorben, nicht zu vermuthen, daß er ſeine Guͤter nach dem Tode habe Preis geben, ſondern wahrſcheinlicher, daß er ſie denen, welchen er die meiſte Liebe ſchuldig, z. B. ſeinen Kin - dern, Verwandten ꝛc. habe laſſen wollen; zumal daG 3aus102Von Erlangung des Eigenthums von andernaus einer iedermann erlaubten Beſitzergreifung eine Menge ſchaͤdlicher Unordnungen in Abſicht auf die To - desfaͤlle entſtehen wuͤrden e]. Allein aus einer ſolchen bloſſen Vermuthung iſt wohl kein beſtimtes Recht her - zuleiten: ich glaube vielmehr, daß es, nachdem auf unſern bewohnten Erdſtrichen alles bereits zu Eigen - thum gemacht iſt, Nothwendigkeit ſey, wenigſtens den Kindern und Nachkommen ſeine Guͤter zu hinterlaſſen, weil dieſe ſonſt, nach der Eltern Tode des nothduͤrf - tigen Unterhalts und Eigenthums groͤſtentheils wuͤrden entbehren muͤſſen f]. Die Erbfolge anderer Perſonen in Ermangelung der Kinder und Nachkommen hinge - gen beruht ohnſtreitig auf wilkuͤhrliche Beſtimmung theils des Sterbenden theils der Landesgeſetze.

Nach eingefuͤhrten Staatsverbindungen laͤßt ſich wenigſtens nicht mehr annehmen, daß die Guͤter der Verſtorbenen herrnlos wuͤrden. Hier pflegt die Erb - folge gewiſſer Perſonen durch Geſetze beſtimt zu ſeyn, im unbeerbten Fall aber das Obereigenthum des Staats einzutreten. Eben ſo wenig kann ein Volk, nach Ab - ſterben des Regenten in monarchiſchen Staaten als erledigt fuͤr ieden andern betrachtet werden, weil wenn die Regentenfolge nicht in voraus beſtimmt iſt, alle Gewalt auf das Volk ſelbſt zuruͤckfaͤlt.

Wenn nun eine Nazion die Oberherſchaft einem Regenten und ſeiner ganzen Familie aufgetragen hat, oder dieſer ſonſt ſogenante eigenthuͤmliche Lande beſitzt, uͤber die er wie uͤber Privateigenthum ſchalten kann, ſo dient vorzuͤglich entweder die in den Grundgeſetzen etwa vorgeſchriebene oder die ſonſt herkomliche Erbfolgs - art dabey zur Norm. Bey entſtehenden Zweifeln aber komt es, da die Natur auſſer der Nachfolge der Kin - der ꝛc. nichts beſtimt, im erſtern Falle hauptſaͤchlich auf die Entſcheidung des Volks, im letztern hingegen, wenn guͤtliche Vereinigung nicht Statt findet, nochmehr103oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.mehr auf den Ausſchlag der Waffen unter den Praͤten - denten an g].

Die verſchiedenen Gattungen der Erbfolge, die Theilnahme des weiblichen Geſchlechts daran und deren gewoͤhnliche Verzichtleiſtungen ſind hier kein Gegenſtand der Unterſuchung. Bey der Materie von der Regie - rungsfolge wird noch etwas davon zu ſagen ſeyn, das weitere gehoͤrt groͤſtenteils in das Staatsrecht. Uebri - gens iſt dieſe Erbfolge, ſowohl die ſogenante agnati - ſche, von Seiten der maͤnlichen Verwandten, als auch die cognatiſche, von weiblicher Seite, eine der gewoͤnlichſten Arten mehrere Laͤnder zu erwerben, aber auch die reichhaltigſte Quelle mannichfaltiger Streitig - keiten unter den Voͤlkern. Beiſpiele hiervon wuͤrden unnoͤthig ſeyn, da die Geſchichte faſt aller europaͤiſchen Staaten dergleichen in Menge darbietet, unter andern auch die weitlaͤuftigen Erbfolgsſtreitigkeiten wegen der ſpaniſchen und oͤſterreichiſchen Lande in dieſem Jahrhun - dert gewis iedem Leſer nicht unbekant ſind h].

a]Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 3. §. 13.
a]
b]Ioach. Georg Daries diſſ. de adquiſitione hereditatis ejusque effectibus ſecundum Ius Nar. Ien. 1746.
b]
c]Achenwall I. Nat. L. I. §. 237. not.
c]
d]Grotius L. II. c. 7. §. 3. etc. Puffendorff L. IV. c. 11. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 16.
d]
e]Glafey Recht der Vernunft 4. Kap. §. 277. ff.
e]
f]Sam. Cocceji Introd. ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. X. §. 12. et 13. cum rebus terrae in vniuerſum occupatis nihil amplius ſuperſit quod occu - pari poſſit, vel non quantum ſufficit homines oc - cupatis rebus nati ſuccedunt, in oceupationem parentum. M. vergl. Diſſ. prooem. XII. L. IV. c. 3. Sect. 2. §. 278. ff.
f]
g]Sam. Cocceji diſſ. cit. XII. §. 651. ff. vergl. Real Science d. G. T. IV. c. 2. Sect. 11. §. 77. ff.
g]G 4h] Struvii104Von Erlangung des Eigenthums von andern
h]Struvii Iurispr. her. P. VII. c. 3. de ſucceſſ. illuſtr. generatim und beſonders auch c. 4. de ſucceſſione foe - minar, illuſtr. in regna etc.
h]
*]Eine beſondere Art zu dieſem Erbfolgsrechte zu gelangen iſt auch unter Nazionen und deren Regenten, wenn die Staatsgrundgeſetze es erlauben, die Annahme an Kin - desſtatt, wovon in der Geſchichte verſchiedene Beiſpiele vorkommen. So wurde z. B. Koͤnig Alphons V. von Arragonien von der Koͤnigin Johanna II. von Neapel an Kindesſtatt angenommen und gelangte dadurch zum Beſitz dieſes Koͤnigreichs, ungeachtet die Koͤnigin Jo - hanna nachher aus Unzufriedenheit uͤber ihn Ludwig III. von Anjou an ienes Stelle geſetzt hatte. Die Republik Venedig erklaͤrte die Tochter des Senator Markus Cor - naro, vor ihrer Verheirathung mit dem Koͤnige Jakob von Cypern zur Tochter der Republik, und maaſte ſich deshalb des von ihrem Gemal hinterlaſſenen Koͤnigreichs an. Grotius L. II. c. 7. §. 12. 14. ff. Struv. a. a. O. P. IV. c. 5. Sect. 1. de adoptionibus illuſtrium §. 30. und Sect. 3. de adoptionibus regum et prin - cip. exter. de Neumann Med. Iur. princ. priv. T. III. L. 1. c. 8. §. 144.
*]

§. 14. Erbfolge vermoͤge letzten Willens.

Auch die natuͤrliche Guͤltigkeit des letzten Willens [teſtamentum] durch welchen der Erblaſſer allein, ohne Wiſſen und Einwilligung des Erben erklaͤrt, wer nach ſeinem Tode zum Beſitz der hinterlaſſenen Guͤter gelan - gen ſoll, ziehen viele in Zweifel, nicht nur aus den vorhin angefuͤhrten Gruͤnden, ſondern auch darum, weil aus einem einſeitigen Willen keine Verbindlichkeit entſtehe, zu der Zeit aber, wo die Einwilligung desErb -105oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Erbfolgers hinzukomt, der Verſtorbene den Beſitz nicht mehr uͤbergeben koͤnne. Das Teſtament ſey alſo ein unvolkomnes Geſchaͤft, welches blos durch wilkuͤhr - liche buͤrgerliche Geſetze ſeine Kraft erhalten a]. Allein da der Eigenthuͤmer einmal das Recht hat nach Wil - kuͤhr mit ſeinen Guͤtern zu ſchalten und ſolche im Leben andern zu uͤberlaſſen, ſo verdient die Meinung derer wohl den Vorzug, welche behaupten, daß auch nach dem Rechte der Natur die Uebertragung ſeines Eigen - thums an andere durch einen ſogenanten letzten Willen gegruͤndet ſey b]. Ohne die Einwilligung des Erben kann es freilich nicht geſchehn; aber es iſt eben nicht noͤthig, daß dieſe beiden Willenserklaͤrungen zuſam - mentreffen. Zur Vollendung der Erwerbung gehoͤrt zwar auch die Erlangung des Beſitzes, dieſen kan der Erbe ſich iedoch fuͤglich ſelbſt verſchaffen.

Indes leidet der Gebrauch und die Guͤltigkeit der Teſtamente unter den Regenten freier Voͤlker, wenn ſie ſonſt die nach den Staatsgrundgeſetzen erfoderlichen Eigenſchaften haben, keinen Zweifel, wie die Beiſpiele mehrerer durch letzte Willen an andere Nazionen gekom - mener Laͤnder bezeugen. Auch hier verdient das Teſta - ment Koͤnig Karls II. von Spanien von 1700 woraus die vorerwaͤhnten Erbfolgsſtreitigkeiten groͤſtenteils ent - ſtanden, angefuͤhrt zu werden.

a]Henr. Cocceji diſſ. de teſtamentis principum, Frcf. 1699. und in Exerc. curios. Vol. II. p. 377 401. Sam. Cocceji Introd. cit. diſſ. prooem. XII. L. 4. c. 3. Sect. 4. §. 293. ſeqq. Steph. Wiſcher diſſ. de teſtamentis I. Nat. ignotis Ultraj. 1720.
a]
b]Auſſer Grotius L. II. c. 6. §. 14. Puffendorff L. IV. c. 10. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 14. Schrodt P. II. c. 2. §. 30. ſ. m. G 5Diet. 106Von Erlangung des Eigenthums von andernDiet. Goth. Eckard diſſ. an et in quantum I. Nat. pa - rentes obligentur ad hereditatem liberis poſt obitum relinquendam, Lipſ. 1720. Io. Gotfr. Speirmann diſſ. qua teſtamenta I. N. eſſe demonſtratur, Helmſt. 1747.
b]
*]M. vergl. Herm. Gotfr. Ioergens diſſ. de ſucceſſione teſtamentaria regum et principum Lugd. Bat. 1752.
*]

§. 15. Erbfolge vermoͤge Vertrages.

Am wenigſten laͤßt ſich gegen eine Erbfolge einwen - den, welche durch foͤrmliche Vertraͤge, die man Erb - folgsvertraͤge, Erbverbruͤderungen ꝛc. [pacta ſuc - ceſſoria, confraternitates etc.] nennt, zwiſchen den Regenten zweier Staaten, auf einen gewiſſen Todes - fall oder nach Erloͤſchung eines ganzen Hauſes, entwe - der wechſelſeitig oder einſeitig ausdruͤcklich bedungen wird: vorausgeſetzt, daß ſolche nicht zum Nachtheil anderer, welche ein gegruͤndetes Recht auf den Nach - las haben, eingegangen werden. Hier kann der Ver - ſtorbene auch nicht mehr den Beſitz ſelbſt einraͤumen, gleichwol ſpricht man dieſen Vertraͤgen deshalb die Guͤltigkeit nicht ab. Durch eine dergleichen Erbver - aͤnderung erhielt Koͤnig Ludwig I. von Ungarn 1370 das Koͤnigreich Polen a]. Merkwuͤrdig iſt unter andern auch der Vertrag zu Troyes 1420. zwiſchen Koͤnig Karl VI. von Frankreich, oder vielmehr ſeine Gemalin und dem Koͤnig Heinreich V. von England, vermoͤge welchem dieſer des erſtern Tochter zur Ehe erhielt und gleichſam an Sohnes ſtatt, zum Nachtheil des Dau - phins mit der Bedingung angenommen wurde, daß er die Krone Frankreich erben ſolte, welches auch geſcha -he;107oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.he; wiewohl dieſe Erbſchaft durch Kriege bald wieder verlohren ging b].

Hieher kan man auch rechnen, wenn in oͤffentlichen Vertraͤgen, Friedensſchluͤſſen ꝛc. einem Hauſe der An - fall gewiſſer Laͤnder zugeſtanden wird, wie z. B. 1713 im Utrechter Frieden zwiſchen Grosbritannien und Spa - nien Art. 14. und zwiſchen Spanien und Savoyen Art. 6. bedungen wurde, daß nach Abgang des Hauſes Savoyen das Koͤnigreich Sicilien an Spanien fallen ſolte. Darauf that Spanien zwar im Wiener Frieden 1725. Art. 5. u. 7. Verzicht, doch wurde ihm die Erbfolge in Sardinien vorbehalten.

a]Hiſtoire des Rois de Pologne par Mr. M. Tom. I. p. 190.
a]
b]Leibnitz Cod. I. G. dipl. p. 325. M. vergl. Struvii Iurispr. Her. P. IV. c. 5. Sect. 3. §. 19.
b]
*]Nic. Martini diſſ. II. de ſucceſſione principum alia - rumque perſonarum illuſtrium pactitia per confraterni - tatem, Kilon. 1672. Casp. Wilh. Ioſ. Goedden diſſ. de pactis ſueceſſoriis confraternitatibus principum etc. Duisb. 1728.
*]

§. 16. Schenkung auf den Todesfall.

Zu den Vertraͤgen wegen der Erbfolge gehoͤrt auch die Schenkung auf den Todesfall [donatio mortis cauſſa] weil hier der Erbfolger noch bey Lebzeiten des Erblaſſers ſeinen Willen erklaͤrt ob das voͤllige Eigen - thum gleich erſt nach deſſen Tode an ihn gelangt. Fuͤr eine ſolche Schenkung duͤrfte z. B., wenigſtens nach den Begriffen des natuͤrlichen Rechts, dieienige anzu - ſehen ſeyn, welche Herzog Karl III. von Lothringen mit den Herzogthuͤmern Lothringen und Bar an KoͤnigLudwig108Von Erlangung des Eigenthums von andernLudwig XIV. von Frankreich 1662 vornahm a] wiewohl dieſelbe nicht in Erfuͤllung ging.

a]Le Duc cède et transporte dès-à preſent a S. M. la propriété de ſes dits Etats et Duchés de Lorraine et de Bar, leurs dependences et annexes pour en jouir après ſon decès en tous droits de Souveraineté et demeurer vnis et incorporés à la couronne de France à jamais. Du Mont C. D. T. VI. P. 2. p. 401. M. vergl. Puffendorff I. N. et G. L. IV. c. 10. §. 9.
a]

§. 17. Freiwillige Unterwerfung.

Eine moͤgliche, obgleich ſeltene Erwerbungsart kann auch vorkommen, wenn ein Volk, das bisher einen eigenen Staat ausgemacht hat, ſich, weil es ſeine Freiheit nicht laͤnger behaupten kan, oder aus andern Gruͤnden, einen politiſchen Tod zufuͤgt, freiwillig, und mit Einverſtaͤndnis derer, die ein Recht dabey haben, die Souverainete aufgiebt und ſich vertragsweiſe einer andern Nazion als eine Provinz unterwirft a]. Dies war gewiſſermaſſen der Fall als 1396. die Re - publik Genua ſich der Oberherſchaft der Krone Frank - reich unterwarf: doch that es mehr blos die Guelfiſche Parthey, der Staat wurde auch nachher durch die Gi - bellinen wieder in Freiheit geſetzt b].

a]Ickſtatt L. III. c. 3. §. 10. Wolff I. Gent. c. 1. §. 8. ff.
a]
b]Franz. Dom. Haͤberlein Gruͤndliche Nachricht von der Republick Genua ꝛc. Leipz. u. Hann. 1747. §. 16. ff.
b]

§. 18. Erwerb durch abgenoͤthigte Veraͤuſſerung.

Da bey den Erwerbungen von andern ein beider - ſeitiges. Einverſtaͤndnis erfoderlich iſt [§. 4.] ſo kannwider109oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.wider Willen keine Nazion in der Regel gezwungen werden, ihr Eigenthum einer andern auf irgend eine Art zu uͤberlaſſen a]. Doch giebt es allerdings Aus - nahmen wo in Nothfaͤllen z. B. zu Beendigung eines Krieges, oder wenn das algemeine Wohl oder die Er - haltung eines Staats es ſonſt unumgaͤnglich erfodert, das andere Volk zur Einwilligung genoͤthigt werden kan. So lange aber dieſe noch fehlt kann die Erwer - bung als beſtaͤndig nicht angeſehn werden. Zuweilen muß ein Staat, durch beſondere Umſtaͤnde veranlaßt, ſich in voraus verbindlich machen, kuͤnftig eine ver - langende Veraͤuſſerung unter gewiſſen annehmlichen Bedingungen einzugehn b].

a]Quid enim rationi, quid divino humanoque iuri mi - nus congruum, ſagt daher Koͤnig Karl XI. von Schwe - den 1689 in einem Beſchwerdeſchreiben an den Kaiſer gegen Daͤnemark in den damaligen Streitigkeiten wegen Holſtein-Schleswig, quam vt quis poſſeſſionibus ſuis legitimis per vim dejiciatur et ad ſua alienis commu - tanda invitus adigatur. Quod prodi poterit exem - plum pernicioſius ad fas nefasque omne miſcendum et vt potentiores quaevis ſibi licere in infirmiores credant? Lünig literae proc. Europ. P. III. p. 219.
a]
b]Die Beſchuldigungen wegen abgenoͤthigten Tauſches der baieriſchen Lande in den neuſten Zeiten ſind bekant. Zu den bedungenen Abtretungen rechnet Moſer unter andern die Uebereinkunft zwiſchen Preuſſen und Sachſen im Dresdner Frieden 1742. und Hubertsburger 1763. we - gen des Zolls zu Fuͤrſtenberg und Dorfs Schidlo. Mo - ſers Verſuch 5. Th. S. 435.
b]

§. 19. Einſeitige Vertheilung andrer Laͤnder.

Hieraus folgt von ſelbſt, daß es andern Nazionen eben ſo wenig erlaubt ſey, uͤber die Lande eines drittenVolks110Von Erlangung des Eigenthums von andernVolks, ohne deſſen Wiſſen und Willen, Verabredun - gen zu nehmen und deren Abtretung und Vertheilung zu bedingen; es muͤſte denn gleichfals die aͤuſſerſte Noth und das Wohl des Ganzen es erfodern. Indes haben die europaͤiſchen Nazionen freilich ſchon mehrmalen aus minder wichtigen Urſachen eine ſolche Uebereinkunft fuͤr erlaubt angeſehen a]. So gingen unter andern im Jahre 1500 die Koͤnige Ferdinand von Spanien und Ludwig XII. von Frankreich, welche beide Anſpruͤche auf das Koͤnigreich Neapel machten, einen Vertrag ein, wie ſie daſſelbe durch Krieg an ſich bringen und unter ſich theilen wolten b]. Koͤnig Karl II. von England errichtete mit Frankreich 1670. ein Buͤndnis gegen die Vereinigten Niederlande worinne man ſich wegen der kuͤnftigen Theilung ihrer Lande verglich c]. Hierher gehoͤren auch die bekanten Theilungstractaten wegen der ſpaniſchen Monarchie von 1698. und 1700 d]. In dem Wormſer Vertrage 1743. kamen Grosbritannien, Sardinien und Oeſterreich uͤberein, daß die Republik Genua das von Kaiſer Karl VI. 1713. erkaufte Mar - qviſat Finale gegen eine feſtzuſetzende Summe an Sar - dinien uͤberlaſſen ſolte, vermoͤge der Anſpruͤche, welche Oeſterreich darauf zu haben glaubte und welche es an Sardinien abtrat e]. Nicht weniger kann man hierher die zwiſchen Rußland, Preuſſen und Oeſterreich 1772. verglichene Theilung verſchiedener Lande der Krone Po - len, die ſie mit Vorlegung ihrer darauf machenden Anſpruͤche in Beſitz nahmen, rechnen.

Andern Maͤchten, welche etwa die Garantie ſolcher Lande uͤbernommen haben, oder wenn ſonſt das alge - meine Wohl es erfodert, ſteht allerdings das Recht zu, ſich dergleichen Maasregeln zu widerſetzen, zumal wenn ſie darum angeſprochen werden. Von Seiten der Krone Polen bot man zwar auch alles auf, dieſe Theilung zu hintertreiben; man proteſtirte dagegen,ſuchte111oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.ſuchte Huͤlfe bey andern Nazionen, beſonders den Ga - rants der Friedensſchluͤſſe zu Oliva, Wehlau und Kar - lowitz; aber es war alles ohne Erfolg, ſo, daß ſie am Ende ſich doch bequemen muſte f].

a]M. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. 5. Buch 11. Kap. vergl. 8. Th. S. 214.
a]
b]Auszug der allg. Welthiſtorie N. H. 18. Band S. 338.
b]
c]Ebendaſelbſt 15. Band S. 523.
c]
d]Schmaus Corp. I. Gent. Acad. 1. Th. S. 259. u. 261. Der Koͤnig von Spanien ließ, als er von dem erſten Theilungsvertrage Nachricht bekam, dem Gros - britanniſchen Miniſterium zu erkennen geben: le reſſen - timent que cauſent a S. M. ces opérations et proce - dés qui n’ont jamais été vus ni entrepris par aucune nation ſur les intéréts ou ſucceſſion d’vne autre que ſans vne avarice deteſtable on ne ſe laiſſeroit pas emporter à l’ambition d’vſurper et de boulever - ſer le pays d’autrui. Que ſi cela ſe permettoit et n’étoit pas contraire à la loi naturelle, il n’y auroit aucune nation ni domination en ſureté contre les ma - chinations et tromperies de la plus forte ou de la plus malicieuſe, au lieu que la raiſon et non la force limite les nations. Aehnliche Erklaͤrungen geſchahen auch gegen die vereinigten N. L. Memoires de Lam. berty T. I. p. 21. u. 24.
d]
e]Dies geſchah, wie die Worte des Vertrages lauten, dans la iuſte attente que la republique de Genes facilitera autant qu’il ſera néceſſaire vne dispoſition ſi indiſpen - ſablement requiſe pour la liberté et ſureté de l’Italie en conſideration de la ſomme qui ſera trouvée être du à la dite republique. Die Republick beſchwerte ſich aber hoͤchlich daruͤber beſonders bey Grosbritannien ſo - daß es zum Kriege mit Sardinien kam, in welchem letz - tere Krone zwar Finale 1746. eroberte, es aber beim Aachner Frieden wieder herausgeben muſte. In derVor -112Von Erlangung des Eigenthums von andernVorſtellung an Grosbritannien heißt es unter andern: Le droit le plus ſacré de la nature et de gens, la - ligion des traités etc. intereſſent trop la gloire de V. M. et de toute la nation Britannique pour que la republique ne ſoit pas à l’abri d’vne violence auſſi manifeſte Les Senateurs ont déclaré: que la republique ne ſe determineroit jamais volontairement a cette ceſſion qu’elle ne pouvoit reclamer en ſa faveur que la juſtice et la foi des traités le plus ſolemnels et qu’elle espéroit toujours de la religion et de l’équité des puiſſances qui ont conclu le traité de Worms qu’elles ne voudroient pas ſacrifier la republique à des ſimples raiſons de convenance. Mo - ſers Verſuch 5. Th. S. 140. u. 464.
e]
f]Moſer a. a. O. S. 64 u. ff. Der Koͤnig von Preuſ - ſen geſteht ſelbſt, daß dies das erſte Beiſpiel ſey, wel - ches die Geſchichte von einer Theilung aufweiſen koͤnne, die zwiſchen drey Maͤchten friedlich angeordnet und voll - endet worden, und daß ohne den Umſtaͤnden, worinn Europa ſich damals befand, der geſchickteſte Staats - mann damit geſcheidert ſeyn wuͤrde. Oeuvres posth. T. V. In den Staatsſchriften der Republick Polen an die Theilenden und andere Hoͤfe wurde geſagt: que le demembrement étoit contraire au droit des nations que le motif le plus vrai de cette entrepriſe étoit la force de ces puiſſances que les titres auxquels il ſe fait ne pouvoient être admis ſans infirmer la ſureté des poſſeſſions de toutes les ſouverainetés du monde, ſans ébranler la baſe de tous les trones und der Koͤnig erklaͤrte: qu’il regardoit l’occupation actu - elle des provinces de la Pologne par les cours de Vienne, de Petersburg et de Berlin comme injuſte, violente et contraire a ſes legitimes droits. M. ſ. Moſers Beitraͤge in Frz. 5. Th. S. 28. u. ff.
f]*] M.113oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
*]M. vergl. Unterſuchung: ob es dem Natur und Voͤl - kerrechte gemaͤs ſey, wenn fremde Maͤchte von den Lan - den eines dritten Vertraͤge unter einander machen? 1746. 4.
*]

§. 20. Eroberung im Kriege.

Eine der vorzuͤglichſten Gattungen dieſer abgenoͤ - thigten Erwerbsart ſind die Eroberungen im Kriege und darauf in den Friedensſchluͤſſen erfolgte Abtretungen, wogegen andere Nazionen eigentlich nichts zu ſagen haben, ſie muͤſten denn durch Vertraͤge oder andere hin - laͤngliche Urſachen, wozu auch die Erhaltung des Gleichgewichts gezaͤhlt wird, berechtigt ſeyn a]. Die umſtaͤndliche Eroͤrterung dieſes Gegenſtandes gehoͤrt iedoch zur Materie des Voͤlkerrechts in Kriegszeiten.

a]Wie z. B. im Utrechter Frieden zwiſchen Spanien und Grosbritannien 1713. Art. Sep. l. bedungen war: Cum S. Reg. M. Catholica ex parte ſuaſolemniter ſpondeat, ſe in vllarum cujuscunque generis aut vbicunque ſi - tarum ditionum provinciarum aut terrarum ad coro - nam Hispaniae ſpectantium alienationem vlteriorem non eſſe conſenſuram, proinde S. R. M. Magnae Bri - tanniae ex parte ſua reciproce ſpondet ne quis ex partibus belligerantibus in pace ineunda vlteriorem partem alicujus Monarchiae Hispaniae avulſionem a R. S. M. Catholiea exigat aut adipiſcatur.
a]

§. 21. Eigenmaͤchtige Wegnahme.

Es geſchieht aber auch wohl in Friedenszeiten, daß eine Nazion es fuͤr noͤthig oder zutraͤglich haͤlt, einerGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Handern114Von Erlangung des Eigenthums von andernandern ein Stuͤck Landes wegzunehmen und ſich deſſen Beſitzes zu bemaͤchtigen. Sind die Urſachen dazu nicht ſehr triftig, ſo iſt dies eine offenbare Beleidigung der Eigenthumsrechte a]. Auſſer der bereits erwaͤhnten Theilung von Polen giebt die ruſſiſche Einnahme der Krim eins der neuſten Beiſpiele hiervon. Dieſe ſolte iedoch, dem Vorgeben nach, nicht aus Vergroͤſſerungs - ſucht, ſondern aus Nothwendigkeit die Grenzen des Landes zu ſichern, geſchehen ſeyn, weil ſolche von einer Rotte Raͤuber bewohnt wuͤrde, die wider alles Voͤlker - recht Raͤubereyen und Mordthaten in der Nachbarn Land zu treiben fuͤr Pflicht hielten b].

a]Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 3.
a]
b]Polit. Journal October 1788. S. 1026. u. ff.
b]

§. 22. Abfall einer Provinz und Unterwerfung an eine andere Nazion.

Eine Nazion kann auch ein Stuͤck Landes verlieren, wenn eine Provinz durch Empoͤrung ſich losreißt und entweder einen neuen Staat bildet, [wovon im erſten Kapitel des erſten Buchs §. 4. bereits gehandelt wor - den] oder ſich einem andern Volke und Regenten un - terwirft und dadurch deren Lande erweitert a]. So wenig eine dergleichen rebellirende Provinz, wenn ſie einen eignen abgeſonderten Staatskoͤrper bilden will, eher fuͤr ein freies Volk anzuſehn und zu behandeln iſt, als bis der vorige Oberherr ſie von dem ihm ſchuldigen Gehorſam losgezaͤhlt und als frey erkant hat, eben ſo wenig kann eine Erwerbung auf dieſe Art als recht - maͤſſig angeſehen werden, bevor die erſtere Nazion ihre Einwilligung dazu gegeben hat. Ob ſolche Trennun - gen wohl den uͤbrigen Maͤchten ſelten gleichguͤltig ſeynkoͤnnen b]115oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.koͤnnen b], ſo finden ſich doch in der Geſchichte meh - rere Beyſpiele von Abfaͤllen und Unterwerfungen, wo - bey eine und die andere Nazion kein Bedenken getragen hat, die Unterwerfung gut zu heiſſen, ſie wohl gar zu veranlaſſen c], oder doch zu beguͤnſtigen um dadurch auf laͤngere oder kuͤrzere Zeit ihre Lande zu erweitern. So befreite 1282. Sicilien ſich durch die ſicilianiſche Veſper von dem franzoͤſiſchen Druck und ergab ſich dem Koͤnig Peter von Arragonien d]. Preuſſen riß ſich 1454 von dem teutſchen Orden, weil er ihm nicht Schutz genug gegen ſeine Feinde gewaͤhren konte, los und unterwarf ſich der Krone Polen e], dagegen fielen von dieſer 1654 die Koſaken ab und begaben ſich theils unter ruſſiſche theils unter ottomanniſche Herſchaft f]. Die Provinzen Katalonien und Rouſſillon gingen 1641. von Koͤnig Philip IV. in Spanien an Frankreich uͤber g].

a]Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 3. §. 22. Er nenut die Wegnahme und den Abfall der Lande exemtiones und rechnet ſie ad alienationes invitas.
a]
b]M. vergl. in Abſicht auf die neuerlichen Unruhen in den Niederlanden: Joh. Aug. Schlettwein die Ungerech - tigkeit der Trennung der N. L. vom Hauſe Oeſterreich und die Forderungen des europaͤiſchen Staats - und Voͤl - kerrechts wider dieſelbige 1790. 8.
b]
c]In der ſchwediſchen Erklaͤrung der Urſachen des Krieges gegen Rußland v. 21. Jul. 1788 heißt es: Es iſt eine ſeit vielen Jahren bekante Sache, daß Rußland kurz nach dem Frieden von Abo den Plan entwarf, Finnland von Schweden zu trennen und unter dem beſondern Schein - vorwande daſſelbe Land unabhaͤngig, in der That nur eine Lehnsprovinz von Rußland, wie Curland es heut - zutage wuͤrklich iſt, daraus zu machen NElb. Magaz. Sept. 1788. S. 1065. u. ff.
c]
d]Auszug der allg. Welthiſtorie von Meuſel 16. Band S. 643.
d]H 2e] Hiſtoire116Von Erlangung des Eigenthums von andern
e]Hiſtoire des Rois de Pologne T. I. p. 260.
e]
f]Ebendaſelbſt p. 386. u. ff.
f]
g]Das uͤber die Bedingungen wegen deren Annahme foͤrm - lich errichtete Document ſ. m. beim Dumont Corps dipl. Tom. VI. P. 1. p. 197.
g]

§. 23. Erwerb ſolcher Lande durch ſtilſchweigende Einwilligung.

Die noͤthige Einwilligung bey dieſen abgeleiteten Erwerbarten kann, ſchon oben erinnertermaaſſen, wie bey andern Vertraͤgen, von beiden Seiten ohnſtreitig auch ſtilſchweigend durch Thathandlungen geſchehen. Wenn eine Nazion auf vorgedachte eigenmaͤchtige Weiſe der andern ein Stuͤck landes abnimt oder ſich den aus - ſchließlichen Beſitz eines Landes anmaaßt, das ſie fuͤr herrnlos und aufgegeben haͤlt, da es doch noch einen Eigenthuͤmer hatte, ſo iſt an deren Abſicht der Zueig - nung wohl nicht zu zweifeln. Sie erlangt nach den im vorigen Kapitel angefuͤhrten Grundſaͤtzen des natuͤr - lichen Rechts allerdings auch ein Eigenthum an dem - ſelben, allein es iſt in Ruͤckſicht des vorigen Beſitzers ein unrechtmaͤſſiges Eigenthum, zu deſſen Beſtande wenigſtens ebenfals eine ſtilſchweigende Einwilligung und Aufgabe ſeines vormaligen Eigenthumsrechts [de - relictio ſuperveniens] erfolgen muß. Fuͤr nichts an - ders kann man es aber fuͤglich anſehen, wenn der vo - rige Eigenthuͤmer, unterrichtet von der unrechtmaͤſſigen Innehabung, ſolche Handlungen, beſonders mit dem gegenwaͤrtigen Beſitzer ſelbſt vornimt, welche eine An - erkennung des Eigenthums nothwendig vorausſetzen a]; z. B. Vertraͤge mit ihm uͤber das Land eingeht, die von dem andern Volke deshalb angenommenen Titel undWappen117oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Wapen anerkennt, oder wohl gar deſſen Garantie gegen einen dritten uͤbernimt, oder durch hinlaͤngliche Ver - wahrung, wenigſtens doch fortwaͤhrenden Gebrauch des Titels und Wapens ꝛc. b] die gegentheilige Abſicht we - gen Vorbehalt ſeiner Rechte an den Tag zu legen. Wo ſolche Merkmale der Einwilligung vorhanden ſind, bedarf es weiter keines Verlaufs von vielen oder wenig Jahren.

a]Grotius L. II. c. 4. §. 4. Dan. Fr. Hoheiſel diſſ. de fundamentis in doctrina de praeſcr. et derelictione gentium tacita, Hal. 1723. §. 21. 22. u. ff.
a]
b]Vattel droit d. g. L. II. c. 11. §. 145. In der preuſſiſchen Deduction bey Gelegenheit der Theilung von Polen wird von den Kurfuͤrſten zu Brandenburg geſagt: comme ils ont en même temps pris et conſervé jus - qu’à nos jours les armes et le titre des ducs de Po - meranie, nom qui eſt propre et particuliérement affecté au duché de Pomerellie ils ont conſervé par leurs pretenſions ſur ce pays etc. Recueil des Deductions du Comte de Herzberg T. I. p. 344.
b]

§. 24. Ob durch Veriaͤhrung a) nach den Grund - ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts?

Eine der wichtigſten aber auch zugleich der beſtrit - tenſten Fragen im Voͤlkerrecht iſt die: ob durch ſoge - nante Veriaͤhrung [vſucapio, praeſcriptio a] irgend ein Recht oder auch der Beſitz und das Eigenthum eines Landes verloren und von dem andern erworben werden koͤnne? Die Hauptſchriftſteller des Natur - und Voͤl - kerrechts, Grotius, Puffendorf, Ickſtatt, Wolf, Vattel, Real und mehrere b] beiahen, andere hinge - gen als Vasqvius, du Puy, Aubery, Glafey,H 3Achen -118Von Erlangung des Eigenthums von andernAchenwall ꝛc. ꝛc. c] verneinen ſie und halten die Ver - iaͤhrung blos fuͤr eine Vorſchrift der Privatgeſetze. Das Dunkle und Widerſprechende, welches man bey ſehr vielen in den Grundſaͤtzen und dem Vortrage die - ſer Materie antrift, ruͤhrt groͤſtenteils von den unrich - tigen Begriffen her, die ſie ſich von der Voͤlkerveriaͤh - rung machen, indem ſie dieſelbe mit der ſtilſchweigen - den Einwilligung durch Handlungen und dem undenk - lichen Beſitz entweder fuͤr eins halten, oder wenigſtens vermiſchen d]. Unter der Veriaͤhrung wovon hier die Rede iſt verſtehe ich dieienige Erwerbungsart, welche blos durch langwierigen Beſitz aus der Vermu - thung entſpringt, daß der vorige Eigenthuͤmer durch bloſſes Stillſchweigen ſeine Rechte aufgegeben und eingewilliget habe e]. Auſſer einer zum Veriaͤhren taug - lichen Sache erfodern f] ihre Vertheidiger hierzu haupt - ſaͤchlich das Stilſchweigen des vorigen Eigenthuͤmers g] den vieliaͤhrigen, laͤngſtens Menſchengedenken uͤberſtei - genden Beſitz h) und, beſonders bey Veriaͤhrungen kuͤrzerer Zeit, auch eine rechtmaͤſſige Ueberzeugung von Seiten des Erwerbenden i]. Sie glauben daß eines Theils daraus die Vermuthung entſtehe, der vorige Beſitzer habe die Sache voͤllig aufgegeben, weil er ſie ſonſt wahrſcheinlich ſo lange nicht vernachlaͤſſigen und ſeine Rechte daran, bey vorgekommener Gelegenheit, bemerklich zu machen gewis nicht unterlaſſen wuͤrde, andern Theils ſey ein ſo nachlaͤſſiger Eigenthuͤmer, der das Seinige in den Haͤnden eines andern weiß, ſeines Rechts billig fuͤr verluſtig zu erklaͤren, weil die alge - meine Sicherheit und Ruhe eine Gewisheit des Eigen - thums verlange, welches aber auſſerdem ſtets zweifel - haft bleiben, und nach ſo langen Jahren ſchwerlich zu erweiſen ſeyn, folglich beſtaͤndige Zwiſtigkeiten und Kriege veranlaſſen, auch uͤberhaupt mit einer geringern Sorgfalt behandelt werden wuͤrde.

Bey119oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.

Bey genauerer Unterſuchung iſt iedoch die Unzu - laͤnglichkeit dieſer Gruͤnde ſofort einleuchtend. Es iſt keine Urſach vorhanden, warum das gaͤnzliche Stil - ſchweigen mehr fuͤr ein Zeichen der Genehmigung als des Widerſpruchs angeſehen werden ſolte. Die Zeit an ſich bewuͤrkt eben ſo wenig und kann eine von An - fang unrechtmaͤſſige Handlung nicht rechtfertigen k]. Aus bloſſen Vermuthungen, die doch eben ſo ſtark und wohl noch ſtaͤrker fuͤr die Beibehaltung des Eigenthums ſind, laͤßt ſich kein kraͤftiger Beweis gegen ein gegruͤn - detes Recht hernehmen, welches durch den nachherigen Anſpruch dargethan werden kan l]. Bey der im natuͤr - lichen Zuſtande herſchenden Freiheit und Gleichheit un - ter den Menſchen und Voͤlkern fehlt es auch an der Verbindlichkeit, ihre Rechte gegen den dermaligen Be - ſitzer zu verwahren, zumal wenn Furcht der Uebermacht oder andere Umſtaͤnde ſie daran hindern m]: eben ſo wenig ſind andere befugt, die vermeintliche Nachlaͤſſig - keit durch Entziehung des Eigenthums zu beſtrafen n]. So wie die Natur Sicherung der oͤffentlichen Ruhe durch Gewisheit des Eigenthums verlangt, ſo will ſie auch nicht, daß iemanden das Seine von andern blos durch vieliaͤhrige Vorenthaltung entzogen werde o]. Der Nutzen allein ſchließt die Nothwendigkeit noch nicht in ſich. Solchergeſtalt laͤßt ſich die Veriaͤhrung nach dem natuͤrlichen Voͤlkerrechte nicht behaupten.

a]Wolff I. G. c. III. §. 358. not. macht einen Unterſchied zwiſchen beiden Woͤrtern. Uſucapio braucht er von dem Erwerber, praeſcriptio von dem der ein Recht oder Eigenthum verliert. Im Teutſchen wird: Veriaͤhrung ſo wie im Franzoͤſiſchen: préſcription von beiden geſagt. Vergl. Vattel L. II. c. 11. §. 140.
a]
b]Grotius L. II. c. 4. Puffendorff L. IV. c. 12. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 17. ſeq. Wolff c. III. H 4§. 358.120Von Erlangung des Eigenthums von andern§. 358 367. Vattel L. II. c. 11. §. 140 151. Real Tom. V. c. 4. Sect. 5.
b]
c]Ferd. Vasquius in controv. illuſtr. L. III. c. 51. n. 28. Pierre du Puy ſi la préſcription a lieu entre les princes ſouverains? in deſſen Werke: Les droits du roi très-Chretien ſur pluſieurs royaumes et états de l’Europe Paris 1655. fol. Ant. d’Aubery iuſtes prétenſions du roi ſur l’Empire, Paris 1667. 12. Glafey Recht der Vern. 4. Kap. §. 193 275. Achenwall I. N. L. I. S. 2. §. 241.
c]
d]M. ſ. Hoheiſel diſſ. cit. §. 3. ff. So ſagen z. B. Kipping am unten angefuͤhrten Orte §. 98. Conſen - ſus tacitus rectiſſime colligitur ex intermiſſa contra - dictione maxime ſi rei alicuius anterior dominus cum poſſeſſore tanquam domino contraxerit etc. und Ickſtatt l. c. ſi populus poſſeſſionem non in - terpellet ſi variis inſuper actibus atque indiciis v. c. de rebus a populo extero poſſeſſis contractus celebrando, agnoſcendo titulos ſuo ſe cedere iure palam commonſtret. Handlungen, welche offenbar zur ſtilſchweigenden Einwilligung nicht zur Ver - iaͤhrung gehoͤren.
d]
e]Praeſcriptio enim, omnibus rebus animo agitatis, quae de ea in medium proferuntur, eſt modus acqui - rendi dominium rei alienae per diuturnam poſſeſſio - nem ſcilicet ex praeſumta derelictione et conſenſione. Walther diſſ. infra cit. §. 15.
e]
f]Grotius c. l. §. 5. u. ff. Vattel §. 142. 43. 44. Kipping c. 2. §. 174. u. ff.
f]
g]Das Stilſchweigen ſoll die Stelle der Handlungen ver - treten. Sub factis, ſagt Grotius, §. 5. moraliter veniunt et non facta conſiderata cum debitis circum - ſtantiis. und Kipping §. 88. nam intermiſſio decla - rationis eſt loco facti.
g]h] Eine121oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
h]Eine natuͤrliche Beſtimmung der erfoderlichen Zeit iſt nicht vorhanden und eben ſo wenig Zuverlaͤſſiges laͤßt ſich aus den Meinungen der Schriftſteller erholen. Sie nehmen, nach Verſchiedenheit der beweglichen oder unbe - weglichen Dinge und nach der An - oder Abweſenheit der Theilhaber bald eine kuͤrzere bald eine laͤngere Zeit an. Da aber alle dieſe wilkuͤhrlichen Grundſaͤtze der Gelehr - ten fuͤr die Nazionen keine Verbindlichkeit haben, ſo wol - len Puffendorff [L. IV. c. 12. §. 9.] und andere, daß dieſe den Ausſpruch der natuͤrlichen Ungewisheit einem Schiedsrichter uͤberlaſſen muͤſten. Aber wer kann ſie dazu noͤthigen? Gemeiniglich verlangt man eine un - denkliche Zeit [tempus immemoriale] worunter Gro - tius [a. a. O. §. 7.] mit ſeinen Anhaͤngern iedoch mei - ſtens nicht eine ſolche Zeit verſteht, welche allen moͤgli - chen Beweis des Gegenteils ausſchließt, ſondern nur die, welche Gedenken eines Menſchenalters uͤberſteigt, weil er hinzuſetzt: niſi validiſſimae ſint in contrarium rationes. Allein hierbey bemerkt Walther [a. u. a. O. §. 17.] ganz richtig: Quodſi abſolutam quam di - cunt praeſcriptionem intelligit immemorialem, vbi priſtinus dominus vel actor neque teſtibus vivis neque literarum monimentis rem ſuam liquido vincere poteſt, non video quomodo validiſſimae in contrarium ratio - nes eſſe poſſunt hic acquirendi modus non in tem - poris lapſu, ſed in teſtimoniorum inopia nititur et minus recte in praeſcriptionibus numeratur. Viele Gelehrte ſcheinen indes eine ſolche undenkliche Zeit bey der Voͤlkerveriaͤhrung anzunehmen. M. vergl. Hoheiſel §. 39.
h]
i]Manche ſehen den redlichen Beſitz durchaus fuͤr noͤthig an. Mala fides vſucapioni et praeſcriptioni ſemper obſtat conſequenter toto tempore poſſeſſionis bona fides requiritur. Wolff Inſt. I. N. et G. P. II. c. 8. §. 464.
i]H 5k] Zu122Von Erlangung des Eigenthums von andern
k]Zu Widerlegung der vom Grotius ſelbſt, als ein Ein - wurf ſeiner Gegner angefuͤhrten Behauptung §. 1. tem - pus ex ſuapte natura vim nullam effectricem habet iſt die Antwort §. 6. ſed temporis magna vis eſt wohl nicht hinlaͤnglich. Wolff ſagt: Nemo adeo ab - ſurdus erit vt putet ſolo lapſu temporis invito domino ius transferri poſſe und ſetzt daher den Hauptgrund auf die vermeintliche Aufgebung.
k]
l]Certa iuris regula eſt, erinnert Cocceji uͤber den Gro - tius, rem noſtram ſine voluntate noſtra ſatis et ſuffi - cienter declarata in alium transferri non poſſe, in - certa autem et dubia modo praeſumtio qua qui longo tempore ſiluit rem deſeruiſſe videtur. Wolf ſcheint die Wuͤrkung dieſer Veriaͤhrung auch nur ſo lange anzu - nehmen, bis kein anderer komt und die Urſachen ſeines Stillſchweigens angiebt. Quodſi igitur, ſagt er §. 363. rationes ſilentii diuturni allegantur ratio praeſumtio - nis ceſſit, conſequenter etiam praeſcriptio ſi pars adverſa rationes ſaltem probabiliores allegare va - let praeſumtio potior vincit debiliorem. Leviſ - ſima vero omnino eſt praeſumtio, quae ſola temporis diuturnitate nititur, atque ideo patet, praeſcriptio - nem inter gentes quae ex ſolo diuturno ſilentio pro - cedere debet, maximis difficultatibus implicari, vt vix vnquam vllus ſit vſus. Abſit autem vt eam con - fundas cum praeſcriptione immemoriali. Verſchie - dene leſenswerthe zum Theil obenangefuͤhrte Aeuſſerungen uͤber dieſe vermuthliche Verlaſſung finden ſich in den zwi - ſchen Frankreich und Grosbritannien wegen den Streitig - keiten uͤber die Beſitzungen in Amerika, beſonders die Inſel St. Lucie gewechſelten Staatsſchriften, in den mehrerwaͤhnten Memoires des Commiſſaires etc. a Amſt. 1755. 8. 2. Tom. beſonders T. I. P. 1. p. 415. u. ff.
l]m] Gros -123oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
m]Grosbritannien fuͤhrte gegen Frankreich, in Abſicht der Inſel St. Lucie ſeine innerlichen Unruhen zur Entſchul - digung an. Il eſt vrai qu’il ſe paſſa deux ans depuis le maſſacre des Anglois et l’invaſion francoiſe, avant que la couronne Britannique eut revendiqué la poſ - ſeſſion de Sainte-Lucie par aucune voie de fait; mais ne gemiſſoit-on pas alors en Angleterre ſous les calamités d’vne guerre civile? Et vne ſuspen - ſions ſi paſſagère d’vn reclame actif, occaſionnée par vne criſe de cette nature, pourroit-on la conſiderer comme ce ſilentium ſcientis et libere volentit que Grotius requiert ſi abſolument pour conſtater vn aban - donnement parfait et volontaire? Dagegen aͤuſſerten iedoch die franzoͤſiſchen Commiſſarien: Les guerre ci - viles d’Angleterre ne lui ôtèrent ni la connoiſſance de l’établiſſement des Francois, ni la liberté de re - clamer. Que répondroit-on à la France ſi, ſous prétexte de ſes guerres civiles, elle vouloit revendi - quer le Breſil, la Caroline etc. Memoires des Com - miſſ. Tom. I. P. 1. p. 424.
m]
n]Damnanda eſt, glaubt dagegen Kipping §. 84. u. ff. inimica generi humano ſententia, neminem ſine facto vel conſenſu ſuo, a tertio poſſeſſore omni tempore probando, privari poſſe dominio ſuo Conſenſu cer - te non opus eſt, vbi poenis ſive naturalibus ſive po - ſitivis locus eſt declarationem negligens factum committit quod, niſi privatione rei puniatur, inex - tricabiles lites parit atque quietem et felicitatem com - munem gentium neceſſario turbat. Aber wer kann unter Voͤlkern, vermoͤge der natuͤrlichen Gleichheit, des Rechts zu ſtrafen ſich anmaaſſen? In der buͤrgerlichen Geſellſchaft iſt es dem Regenten wohl erlaubt, die Strafe der Veriaͤhrung auf eine ſolche Nachlaͤſſigkeit zu ſetzen.
n]o] Vattel124Von Erlangung des Eigenthums von andern
o]Vattel ſcheint mehr die vorausgehende freiwillige Verlaſ - ſung hierbey im Sinne gehabt zu haben, und die Unan - nehmlichkeiten die daraus entſtehen wuͤrden, wenn iemand, der ſein Eigenthum freiwillig aufgegeben, es dem wieder abnehmen wolte, welcher durch nachherige Beſitzergreifung ſich ſolches zu eigen gemacht hat. Tel ſeroit, heißt es §. 141. le droit [capable de porter le trouble dans la ſociété humaine] de negliger entiere - ment vne choſe qui lui appartient, de la laiſſer pen - dant vn long espace de tems ſous toutes les appa - rences d’vn bien abandonné ou qui n’eſt point à lui, et d’en venir enfin depouiller vn poſſeſſeur de bonne foi. Aber ich habe die Rechtmaͤſſigkeit einer ſolchen Be - ſitzergreifung ſchon oben gezeigt.
o]
*]Der beſondern Schriftſteller uͤber die Veriaͤhrung ſind bei - nah unzaͤhlige. Auſſer denen im erſten Theile S. 17. gelegentlich bereits angefuͤhrten will ich nur noch die vor - zuͤglichſten, welche hauptſaͤchlich die natuͤrliche Voͤlker - veriaͤhrung zum Gegenſtand haben, bemerken. Franc. Stuckhard de praeſcriptione reges et ſummos principes adſtringente, Marb. 1682. Io. Werlhoff diſſ. Vindiciae Grotiani dogmatis de prae - ſcriptione inter gentes liberas contra Petr. Putea - num, Helmſt. 1696. Car. Fr. Drollinger diſſ. de praeſcriptionibus inter gen - tes, Baſil. 1710. Dan. Fr. Hoheiſel diſſ. I.) de fundamentis in doctrina de praeſcriptione et derelictione gentium tacita. Hal. 1723. II. ) de praeſcriptione immemoriali ſanae rationi et iuri civili contrariante, ib. 1724. Gotfr. Krauſe progr. Num vſucapio pariter et prae - ſcriptio in iure naturae ſit fundata atque adeo inter liberas gentes locum habeat, vt principi huma - nam legem non agnoſcenti opponi queat? Witeb. 1733. Io. 125oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.Io. Chr. Hedler diſſ. an praeſcriptionis et vſucapionis origo ex iure naturali repetenda ſit, praeceptisque iuris naturalis nitatur? Wit. 1734. Io. Wolfg. Kipping comment. de vſucapione iuris pu - blici qua praeſcriptio et inter gentes etc. valida de - monſtratur, Helmſt. 1738. 4. Chr. Gottfr. Weidlich diſſ. de praeſcriptione in ſtatu naturali, Lipſ. 1739. Io. Ernſt Gunner diſſ. in qua demonſtratur praeſcriptio - nem non eſſe iuris naturalis, Ien. 1740. Iac. Car. Reigersmann diſſ. de praeſcriptione iuris gen - tium ſive immemoriali, Lugd. Bat. 1749. Io. Georg. Walther diſſ. de praeſcriptione inter liberas gentes ad Hug. Grotii Ius B. et P. L. II. c. 4. §. 1 9, Witeb. 1751, Chr. And. Meycke diſſ. de naturali principio vſucapio - nis et praeſcriptionis, Altona 1754. Io. Aug. Hellfeld diſſ. de auctoritate vetuſtae poſſeſ - ſionis in cauſſis praeſertim illuſtrium, Ien. 1773. 4. [Dan. Gralath.] Gedanken von der Veriaͤhrung nach den Grundregeln der Naturgeſetze und des algemeinen Voͤl - kerrechts in einem Schreiben eines pomerelliſchen Juriſten an ſeinen Freund in K** auf Veranlaſſung der behaupteten Anſpruchsrechte des Koͤnigs von Preuſ - ſen an Pomerellen ꝛc. 1773. 8. Leop. Fried. Fredersdorff Verſuch einer Unterſuchung uͤber die Frage: ob die Uſucapion unter freyen Voͤl - kern ſtatt finde? Braunſchweig 1785. 8. M. vergl. Meiſter Bibl. Iur. N. et G. P. III. p. 39. v. praeſcriptio und von Ompteda Literatur des Voͤlkerrechts 2. Th. S. 512.
*]
§. 25.126Von Erlangung des Eigenthums von andern

§. 25. b) Nach dem freiwilligen und europaͤi - ſchen Voͤlkerrechte?

Grotius fuͤhlte ſelbſt die Schwaͤche der aus einer blos vermuthlichen Auflaſſung hergenommenen natuͤr - lichen Gruͤnde, und ſucht daher der Veriaͤhrung meh - rere Kraft beizulegen, daß er ſolche als zu dem frei - willigen Voͤlkerrecht gehoͤrig anſieht a]. Ueberdies werden von ihm und andern eine Menge Beiſpiele aus der iuͤdiſchen, griechiſchen, roͤmiſchen und andern aͤl - tern und neuern Geſchichten angefuͤhrt, welche, be - ſonders die erſtern, als von dem Volke Gottes herge - nommen, ein algemeines Anerkentnis der Veriaͤhrung durch wilkuͤhrliche Einwilligung der Nazionen beweiſen ſollen b].

Was die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung nach dem frei - willigen Voͤlkerrechte anlanget, ſo laͤßt ſich wohl kaum mit Grunde behaupten, daß ſie zur geſelſchaftli - chen Verbindung der Voͤlker ſo weſentlich gehoͤrte, daß dieſe ohne ſolche Gefahr laufen wuͤrde. Die angefuͤhr - ten Beiſpiele zeigen zwar, daß einige beſonders aͤltere Nazionen dem langwierigen Beſitz einige Kraft beige - legt haben, ſie machen aber keinesweges eine algemeine auch noch dermalen unter den europaͤiſchen Nazionen verbindliche zu dem wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte gehoͤrige Uebereinſtimmung aus.

Dieſe laͤßt ſich auch in Anſehung der letztern nicht erweiſen. Einige kleinere Maͤchte haben zwar darinn einige Zuflucht zu finden geglaubt und ſich zuweilen auf die Veriaͤhrung bezogen c]; auch wohl die groͤſſern, wenn es ihr Vortheil erfoderte d] und verſchiedene ha - ben ihre Rechte gegen alle Veriaͤhrung ausdruͤcklich ver - wahrt e], woraus iedoch noch nicht folgt, daß ſie die -ſelbe127oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.ſelbe fuͤr zulaͤſſig angeſehen, ſondern eben ſo gut, daß ſie ſich nur noch mehr, auch gegen dieſes Vorurtheil haben verwahren wollen. Von vielen iſt im Gegen - theil erweislich, daß ſie ſich gegen die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung, zumal wenn der Beſitzer in keiner recht - maͤſſigen Ueberzeugung iſt, deutlich erklaͤrt haben f].

a]Das naͤmlich aus dem Begriffe der geſelſchaftlichen Ver - bindung ſelbſt, nicht aus wilkuͤhrlicher Uebereinkunft mehrerer Nazionen folgt [M. ſ. 1. Th. Einleit. §. 14. u. 15.] denn er ſagt §. 9. ausdruͤcklich: credibile eſt enim in id conſenſiſſe gentes cum ad pacem commu - nem id vel maxime intereſſet. Aber wieder bloſſe Wahrſcheinlichkeit! Auch Wolff ſucht §. 366. zu zei - gen, daß die Veriaͤhrung zu dem freiwilligen aus ſeinem groſſen Weltſtaate hergeleiteten Voͤlkerrechte gehoͤre, in - dem deſſen Ruhe die Gewisheit des Eigenthums erfo - dere, daher die Beſtaͤtigung der Veriaͤhrung durch Ver - traͤge ſehr nuͤtzlich ſey.
a]
b]Grotius a. a. O. §. 2. Kipping a. a. O. c. 3. §. 198. u. ff. Walther diſſ. cit. §. 25. u. ff.
b]
c]Dies hat unter andern am oͤfterſten der Papſt in ſeinen Streitigkeiten mit Frankreich unter andern europaͤiſchen Maͤchten gethan. Als z. B. Ludwig XV. 1768. Avignon ꝛc. abermals einziehen lies, wurde zu Gunſten des erſtern behauptet: L’on ne ſauroit nier, qu’vne préſcription de plus de deux ſiecles et vne poſſeſſion tranquille depuis le regne de Philippe de Valois jus - qu’à celui de Louis XIV. ne laiſſe aucun lieu de douter de la validité des droits du St. Siege ſur ce pays; und wegen ſeiner Anſpruͤche auf Parma und Pla - cenz, welche im Aachner Frieden dem Spaniſchen In - fanten zugeeignet wurden, ließ der Papſt durch ſeinen Geſandten proteſtiren, indem er aͤuſſerte: Le dit St. Siege a été pendant deux ſiecles entiers en vne poſ - ſeſſion de ces états non interrompue et approuvéopar128Von Erlangung des Eigenthums von andernpar le ſilence de l’Empire, des Empereurs et de tous les rois et princes de l’Europe. Cette longus poſſeſſion fortifiée d’vne preſcription plus que ſuffi - ſante, a été attaquée dans les derniers tems ete. Moſers Verſuch 5. Th. S. 55. u. S. 159. Auch die Vereinigten N. L. ſchuͤtzten gegen Preuſſen wegen An - ſtellung eines Kuͤſtenbewahrers bey Oſtfriesland, die Veriaͤhrung vor, welche letzteres aber nicht gelten laſſen wolte. Moſers Beitraͤge in Frz. 5. Th. S. 2 und 313. ff.
c]
d]Beſonders Frankreich, ob es gleich wider ſich keine Ver - iaͤhrung hat wollen gelten laſſen; forte, wie Walther diſſ. cit. §. 10. deshalb ſich aͤuſſert, quod ſe Romanos putarent hac in cauſſa imitaturos qui vſucapionis et praeſcriptionis iura vindicabant ſibi, peregrinis dene - gabant. M. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 5. Auch in den mehrgedachten Streitigkeiten zwiſchen Frank - reich und Grosbritannien wegen der Inſel St. Lucie kam die Veriaͤhrung mit in Anregung, wobey letztere Krone aber nicht ſowohl die Guͤltigkeit derſelben uͤberhaupt, als das Daſeyn in dieſem Falle beſtritt.
d]
e]So verwahrt z. B. der Koͤnig von Frankreich im Pyre - naͤiſchen Frieden von 1659. Art. 89. ſeine Gerechtſame die ihm aus dem Frieden zu Vervin Art. 21. u. 22. zu - ſtehen und behaͤlt ſolche ſich und ſeinen Nachkommen vor: non obſtante praeſcriptione quacunque aut temporis lapſu, quae allegari in contrarium poſſint in enu - merata regna, regiones quocunque ex titulo id ſit, cui expreſſe renunciatum non fuit.
e]
f]Unter andern laͤugnete in neuſten Zeiten Preuſſen, bey Gelegenheit der bekanten Tyeilung von Polen in der zum Behuf ſeiner Anſpruͤche bekantgemachten Deduction, die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung uͤberhaupt, und ſetzte den Polen vorzuͤglich auch den Mangel der rechtmaͤſſigen Ueberzeugung des Beſitzes entgegen puisqu’ils ont puet129oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.et du ſavoir par l’hiſtoire et par leurs Archives le vice de leur poſſeſſion etc. und poſſeſſio tam iniuſta et tam vitioſa heißt es in dem Preuſſiſchen Patent vom 13. Sept. 1772. ex conſenſu gentium moratiorum praeſcriptione longi temporis corrigi et emendari non potuit. M. ſ. Comte de Hertzberg, Recueil des deductions etc. Berlin 1789. Tom. I. p. 313. und 343. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 73. Spa - nien aͤuſſerte 1774. in den Streitigkeiten mit Portugal wegen einiger amerikaniſchen Beſitzungen: que ſes pre - tentions n’etoient pas plus ſusceptibles de préſcription que celles des puiſſances qui ont demembré la Pologne et qui ſ’etoient miſes en poſſeſſion des pays qu’elles avoient reclamés ſans que les autres puiſſances ſ’y fuſſent oppoſées. Moſers Beitraͤge in Frzeit. 5. Th. S. 480. Wegen einiger Anſpruͤche an das Koͤnigreich Neapel bey den weſtphaͤliſchen Friedenstractaten ſ. Mo - ſers Verſuch a. a. O. S. 128. ff.
f]
*]Ob zu Abwendung einer vermeintlichen Veriaͤhrung in Friedenszeiten die gewaltſame Wegnahme eines Landes von dem unrechtmaͤſſigen Beſitzer erlaubt ſey? wurde in den ofterwaͤhnten Irrungen zwiſchen Frankreich und Gros - britannien geſtritten. Dieſes behauptete: que les re - vendications de la part de la Grande-Bretagne avoient prévenu jusqu’à la moindre ombre de préſcription de ſon droit ſi en temps de paix il eſt permis d’vſer de repreſſailles en certaines occaſions, à plus forte raiſon eſt-il très licite de revendiquer et reprendre vn bien qu’on nous enleve ſous les memes auſpices, par pure ſurpriſe et ſous pretexte qu’on le trouve abandonné Comment peuvent les Commiſſaires de S. M. Très-Chretienne reprocher aux Anglois avec la moindre bonne grace et avec la moindre ombre de raiſon d’avoir eu recours en temps de paix aux moyens les plus propres pour ſe garantir d’vne pré -Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Jſcription130Von Erlangung des Eigenthums von andernſcription dont les mêmes Commiſſaires de S. M. T. C. n’auroient pas manqué de ſe prévaloir, ſi elle avoit eu lieu. Frankreich erwiderte aber: Ce nouveau ſy - ſtème des Commiſſaires Anglois, l’on confond les idées de reclamer et de reprendre tendroit vi - ſiblement à renverſer tous les principes du droit des gens, à mettre toutes les nations dans vn état d’in - certitude éternelle ſur les poſſeſſions et de guerre perpetuelle. Si vne nation refuſe de rendre ce qui appartient à vne autre e’eſt vne juſte raiſon de declarer la guerre. Mais trouvera-t-on, que le droit des gens autoriſe, ſous prétexte d’empêcher la préſcription, à reprendre de force et ſans aucune demande préalable vn pays ſur lequel on ſ’attribue des pretentions? Memoires des Commiſſaires cit. Tom. I. P. 1. p. 448. 462. 464. vergl. P. 2. p. 99.
*]
**]Von der Veriaͤhrung unter den Maͤchten in Europa uͤberhaupt ſehe man: Moſers Verſuch 5. Th. S. 4. u. ff. und deſſen Beitraͤge in Fr. Zeit. 1. Th. S. 12. u. 5. Th. S. 2. Martens précis du droit d. g. T. I. L. 2. c. 3. §. 48. u. 49. Neyron principes du droit d. g. L. I. c. 11. §. 292. u. ff. wo eine Geſchichte der Veriaͤhrung geliefert wird. Er ſagt die Natur beſtimme keine Zeit, wo - durch der Beſitz eines unrechtmaͤſſig erworbenen Ei - genthums befeſtigt werden kann. Die Roͤmer haͤtten mit den zwoͤlf Tafeln zuerſt dieſe Lehre zu Abkuͤrzung der vielen Streitigkeiten eingefuͤhrt. Die Anhaͤng - lichkeit an das roͤmiſche Recht im Mittelalter habe dieſen Grundſaͤtzen bey den meiſten Staats - und Voͤl - kerrechtslehrern ſowohl, als bey den Souverainen zu Beilegung ihrer Anſpruͤche, Eingang verſchaft, von welchem gelehrten Vorurtheil die Nazionen ſichiedoch131oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.iedoch in der Folge wieder losgeriſſen und die Guͤl - tigkeit der Veriaͤhrung unter ihnen verworfen haͤtten.
**]

§. 26. Undenklicher Beſitz.

Von der Veriaͤhrung, welche nach richtigen Begriffen blos eine lange, hoͤchſtens Menſchengedenken uͤberſteigende Zeit erfodert, iſt der undenkliche Beſitz, d. i. ein ſol - cher, deſſen Unrechtmaͤſſigkeit, wenn er gleich ſeinem Urſprunge nach nicht alle erfoderliche Eigenſchaften ge - habt haben ſolte, ſich weder durch Zeugen noch Urkun - den erweiſen laͤßt, gar ſehr unterſchieden a]. Faͤlſch - lich erfodern verſchiedene Voͤlkerrechtslehrer einen ſol - chen Beſitz bey der Veriaͤhrung b]. Wo dieſer vorhan - den iſt bedarf es der Veriaͤhrung und vermeintlichen Aufgabe nicht: es komt auch dabey weder auf einen rechtmaͤſſigen Titel noch auf eine rechtliche Ueberzeugung an. Dieſe werden vorausgeſetzt, weil das Gegentheil ſich nicht erweiſen laͤßt. Ueberhaupt iſt der undenkliche Beſitz nicht ſowohl eine beſondere Erwerbungsart, als nur ein Beweis des Eigenthums, der gegen alle andere Anſpruͤche ſchuͤtzt, indem der Mangel an Nachrichten die Unmoͤglichkeit in ſich ſchließt, ein gegruͤndeteres Recht darzuthun.

Wenn man dieſe drey Erwerbsarten und Beſitz - ſtaͤnde, der ſtilſchweigenden Einwilligung, der Veriaͤhrung und des undenklichen Beſitzes gehoͤrig von einander unterſcheidet, ſo wird es, glaube ich, nicht ſchwer ſeyn, iede derſelben nach ihren vorange - fuͤhrten eignen Grundſaͤtzen zu beurteilen und deren Werth unter den Voͤlkern zu beſtimmen.

Zu wuͤnſchen waͤre es freilich, daß die Nazionen uͤber dieſen ſo wichtigen Gegenſtand eine RichtſchnurJ 2feſt -132Von Erlangung des Eigenthums von andernfeſtſetzen moͤchten, wodurch die aus den oft ſehr weit - hergeholten Anſpruͤchen entſtehenden Streitigkeiten und Kriege, zum Beſten der algemeinen Ruhe, um vieles vermindert werden wuͤrden. Aber dies wird wohl ein frommer Wunſch bleiben!

a]Hoheiſel diſſ. cit. §. 1. Selbſt Wolf, der noch die richtigſten Begriffe von der Veriaͤhrung uͤberhaupt hat und das bloſſe lange Stilſchweigen von dem undenklichen Beſitz unterſchieden wiſſen will, rechnet gleichwohl §. 360. u. 61. letztern dahin und haͤlt ihn fuͤr die vor - zuͤglichſte Veriaͤhrungsart.
a]
b]Auſſer dem, was in den vorigen §. bereits angezogen worden ſehe man auch Kipping diſſ. cit. §. 143. und den daſelbſt angefuͤhrten Werlhof. Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 25.
b]

§. 27. Landeserwerb durch Unterthanen.

Noch verdient eine Erwerbsart angemerkt zu wer - den, wie Nazionen nicht von andern Voͤlkern, ſondern durch ihre eigene Unterthanen gewiſſermaaſſen den Be - ſitz ſouverainer Lande erlangen koͤnnen. Eine unab - haͤngige Privatperſon, die ihr Vaterland, gezwungen oder freiwillig, auf rechtmaͤſſige Weiſe verlaſſen hat, kan, wie Vattel lehrt a], ohnſtreitig auf Entdeckungen ausgehn und wenn es ihr gluͤckt, in einem herrnloſen Lande ein unabhaͤngiges Eigenthum und deſſen Ober - herſchaft erlangen, die niemand ihm zu entziehen befugt iſt. Ob aber wuͤrkliche Unterthanen eines Volks durch dergleichen auswaͤrtige Entdeckungen und Beſitznehmun - gen zugleich ein mit Oberherſchaft verbundenes Eigen - thum daran erwerben koͤnne, oder ob erſtere ihren Sou - verainen gebuͤhre? iſt eine Frage die nach den Grund -ſaͤtzen133oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.ſaͤtzen des Staatsrechts beurteilt werden muß. Hier bemerke ich nur ſo viel, daß ſeit den amerikaniſchen Entdeckungen einige europaͤiſche Nazionen ihren Unter - thanen, beſonders ganzen Geſelſchaften, zuweilen der - gleichen Beſitzungen mit einer Art von Oberherſchaft verſtattet oder nachgeſehen haben. Das von Spanien den Jeſuiten verſtattete Reich in Paraguay und die Be - ſitzungen der grosbritanniſchen oſtindiſchen Kompagnie ꝛc. koͤnnen zum Beiſpiel dienen b].

Wo nun ſolche Beſitzungen in den Haͤnden der Un - terthanen ſich befinden, kann der Staat ſie von ihnen entweder durch Vertraͤge, oder, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, durch Einziehung erwerben. Das Schickſal des ieſuitiſchen Reichs c], die ehemaligen Abſichten Grosbritanniens, die Beſitzungen der oſtin - diſchen Kompagnie zur Krone zu ziehen, weil ſolche in den Haͤnden einer Handelsgeſelſchaft ungebuͤhrlich und gefaͤhrlich waͤren ſind bekant d].

Daß dergleichen Lande, durch Abtretung oder Weg - nahme in die Gewalt anderer Nazionen gelangten, wer - den die Voͤlker, deren Glieder die Beſitzer ſind, ſchwer - lich zugeben.

a]Vattel droit d. g. L. II. c. 7. §. 96.
a]
b]M. vergl. Moſers Beitr. in Frzeit. 5. Th. S. 453.
b]
c]J. G. Buͤſch Geſchichte der merkw. Welthaͤndel neuer Zeit 2te Aufl. Hamb. 1783. 8. S. 384.
c]
d]Weltbegebenheiten im Groſſen 3. Band S. 99. u. ff. Auch Frankreich hob die 1664. geſtiftete oſtindiſche Handlungskompagnie 1674. wieder auf, und zog ihre Beſitzungen zur Krone ayant jugé que la plupart de ces droits et de ces revenus conviennent mieux à la première puiſſance de l’Etat qu’à vne Compagnie etc. Edit du Roi portant revocation de la Compagnie des Indes occid. du mois de Decembre 1674.
d]J 3*] Von134Von Erlangung des Eigenthums von andern
*]Von dem Eigenthum bloſſer Privatguͤther ohne Ober - herſchaft in dem Territorium eines andern Volks iſt hier die Rede nicht, ſondern die Rechtmaͤſſigkeit oder Unſtatt - haftigkeit deſſen Erwerbes und Beſitzes wird weiter unten bemerklich gemacht werden. M. vergl. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 16. Schol. 2.
*]

§. 28. Rechte und Verbindlichkeiten a) des ver - aͤuſſernden Volks;

Wenn beide Theile in den Bedingungen der Ver - aͤuſſerung und des Erwerbes einig ſind, ſo muß ſchon gedachtermaaſſen die veraͤuſſernde Nazion der andern, wenn ſie die eingegangenen Verbindlichkeiten erfuͤlt hat, vor allen Dingen den Beſitz einraͤumen, dieſelbe auch dabey ſchuͤtzen, wenn das Land von andern in Anſpruch genommen, und ſie ſchadlos halten, wenn es ihr wegen aͤlterer Rechte darauf, gar entzogen werden ſolte. Dieſe Gewaͤhrleiſtung [evictionis praeſtatio] fließt theils aus der Natur der desfals geſchloſſenen Vertraͤge, beſonders des Kaufs, Tauſches und dem aͤhnlicher Er - werbsarten, theils wird ſie auch ausdruͤcklich mit be - dungen a].

Die durch rechtmaͤſſige Vertraͤge volzogenen Veraͤuſ - ſerungen der Nazionen ſind in der Regel unwiderruf - lich und koͤnnen nicht durch die Ausflucht unkraͤftig ge - macht werden, daß die Grundgeſetze des Staats ſolche nicht erlaubten, weil die ſo nothwendige Zuverlaͤſſig - keit der Vertraͤge dadurch verletzt werden wuͤrde. Wenn die Nazion, aus Noth oder Vortheil bewogen, zur Veraͤuſſerung ſich entſchließt, ſo entſagt ſie, wie Vat - tel b] behauptet, ſogleich dieſem Grundgeſetze. Iſt aber der Regent allein, ohne Eiwilligung des Volkshierzu135oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.hierzu nicht berechtiget, ſo muß die erwerbende Nazion auch auf deren Herbeibringung Bedacht nehmen. In - des wird zuweilen beim Verkauf ausdruͤcklich der Wie - derkauf auf beſtimte oder unbeſtimte Friſt verabredet c] oder bey Abtretungen die Wiedererwerbung unter an - nehmlichen Bedingungen freigeſtelt d] oder endlich auf beſondere Eraͤugniſſe der Ruͤckfall feſtgeſetzt e].

Dieſe und alle andere den Vertraͤgen beigefuͤgte Be - dingungen ſind nach deren Vorſchrift lediglich zu beur - teilen und beide Theile zu deren Erfuͤllung verbunden.

a]Dies geſchah unter andern z. B. in dem obangezogenen Verkaufe der Koͤnigin Johanna von Sicilien uͤber die Stadt Avignon an den Papſt von 1358. §. 7. Leib - nitz Cod. I. G. p. 202. Auch Kaiſer Karl VI. macht ſich zu dieſer Gewaͤhrleiſtung in dem Kaufcontract uͤber das Marqviſat Finale vom 20. Aug. 1713. gegen die Republick Genua anheiſchig, wo es Art. 10. heißt: Li - cet hisce modis dictis, atque ita ſe habitis omnis evictionis timor abſit, volumus teneri nihilominus et promittimus per nos et noſtros ſucceſſores de de - bita legitima et perpetua evictione et defenſione. Du Mont C. Dipl. Tom. VIII. P. 1. p. 405.
a]
b]Vattel L. I. c. 21. §. 262.
b]
c]Wie z. B. die Koͤnigin Eliſabeth von England Calais ꝛc. auf 8. Jahr an Frankreich uͤberlies im Frieden zu Cha - teau-Cambreſis 1559. Im Bydgoſter Vertrage von 1657. war der Krone Polen der Wiederkauf des Gebiets von Draheim gegen Preuſſen vorbehalten; aber in dem Theilungsvertrage zwiſchen Polen und Preuſſen von 1773. Art. 5. that erſteres Verzicht auf dieſes Recht ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 92.
c]
d]Die Kolonie de Sacramento wurde im Utrechter Frieden 1715. Art. 6. von Spanien an Portugal uͤberlaſſen, iedoch Art. 7. hinzugefuͤgt: Quoique S. M. Catholique cède dès-à-préſent à S. M. Portugaiſe le dit terri -J 4toire136Von Erlangung des Eigenthums von anderntoire et Colonie du Sacrement, ſuivant le teneur de l’article précédent, S. M. Catholique pourra néan - moins offrir vn équivalent pour la dite Colonie qui ſoit au gré et à la Satisfaction de S. M. Portugaiſe; et on limite pour cet offre le terme d’vn an et demi a commencer du jour de la ratification de ce traité, avec cette declaration, que ſi le dit équivalent vint à être approuvé et accepté par S. M. P. les ſusdits territoire et Colonie appartiendront à S. M. C. comme ſi elle ne l’avoit jamais rendu, ni cédé; mais ſi le dit équivalent venoit à n’être pas accepté par S. M. P. elle demeurera en poſſeſſion du dit territoire et Colonie, comme il eſt déclaré dans l’Article précé - dent. Die Wiedergabe von Negapatnam an die Ver - einigten N. L. verſpricht Grosbritannien zu erleichtern vermoͤge des Friedens von 1784. Art. 6. in der Allianz mit dieſer Republick von 1788. Art. 10.
d]
e]Polen hatte ſich von Kurbrandenburg, nach Abgang der maͤnnlichen Linie des Kurhauſes in dem Welauer Ver - trage 1657. den Ruͤckfall von Preuſſen bedungen, that aber in dem vorerwaͤhnten Vertrage von 1773. eben - fals Verzicht darauf. Moſers Verſuch 5. Th. S. 185. An Oeſterreich wurden die polniſchen Lande 1773. abge - treten ſans aucun retour ni reverſion dans aucun cas imaginable. Moſer a. a. O. S. 84.
e]

§. 29. b) Des erwerbenden Volks.

Das erwerbende Volk wird, ſobald es den Beſitz erlangt hat, voͤlliger Eigenthuͤmer des Landes und kann damit, wie mit iedem andern Eigenthum, nach Gefal - len ſchalten und walten, in ſo fern die Vertraͤge, durch welche er es uͤberkommen, keine Einſchraͤnkung enthal -ten.137oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.ten. Was wegen Beobachtung der Landesfreiheiten, Bezahlung der auf den neuerworbenen Landen haften - den Schulden Rechtens iſt, wird weiter unten gelehrt werden. Hier iſt nur noch die Frage zu unterſuchen: ob das erwerbende Volk befugt ſey, die neuen Lande mit ſeinen bisherigen Beſitzungen zu vereinigen und nach Befinden ihnen voͤllig einzuverleiben, und als einen Theil derſelben zu behandeln? Es komt dabey hauptſaͤchlich auf die Bedingungen und Umſtaͤnde an, unter welchen der Erwerb geſchehen iſt. Wenn dieſer unbedingt erfolgt und die Verfaſſung des Landes es leidet a], ſo findet die Einverleibung allerdings Statt, zumal wenn, wie oben von Frankreich erwaͤhnt worden, die Staatsgrundgeſetze die Einverleibung aller Erwer - bungen zur Nothwendigkeit machen. Gemeiniglich pflegt ſolche bey der Ueberlaſſung entweder ausdruͤcklich verſtattet, oder verboten zu werden b].

a]In den Streitigkeiten zwiſchen Schweden und Daͤnemark wegen Holſtein wurde z. B. auf die ſchwediſche Erklaͤ - rung: que la Suede ne deſire point pour elle la poſ - ſeſſion du duché de Holſtein von Daͤnemark geaͤuſſert: que ce ſeroit vne choſe ſans aucune ſignification et invtile par la qualité féodale attachée au dit duché, laquelle ne permet point qu’il ſoit incorporé avec vn autre état au préjudice des droits éventuels de la mai - ſon Royale de Danemarc. Moſers Beitr. in Frz. 5. Th. S. 7.
a]
b]So tritt die Koͤnigin von Ungarn und Boͤhmen im Worm - ſer Vertrage 1743. dem Koͤnige von Sardinien das Ge - biet von Vigevano etc. ab pour être vnis à ſes autres états; und in dem Grenz - und Tauſchvertrage zwiſchen Frankreich und Luͤttich von 1772. werden beiden Theilen verſchiedene Orte uͤberlaſſen pour être le tout enſemble vni et incorporé à perpetuité. Moſers Verſuch 5. Th. S. 43. u. 232. 33. J 5Hin -138Von Erlangung des Eigenthums von andernHingegen wurde die Dauphine von ihrem letzten Be - ſitzer an Frankreich mit der ausdruͤcklichen Bedingung uͤberlaſſen, daß ſie der Krone nicht einverleibt werden ſondern beſtaͤndig einen beſondern Staat ausmachen ſolte; wie ſolches das Parlement von Dauphine beim Anfange der ietzigen franzoͤſiſchen Unruhen ahndete ſ. Niederelb. Magazin Auguſt 1788. S. 921. Auch wegen Lothrin - gen verlangt die Wiener Convention vom 3. Aug. 1736. Art. 13. daß es unter franzoͤſiſcher Hoheit ſeinen vorigen Namen behalten, ein eigenes Gouvernement aus - machen und davon nichts zu andern geſchlagen werden ſolle.
b]
*]M. vergl. Ahasv. Fritſchii diatr. de vnione et incor - poratione bonorum cumprimis provinciarum, Ien. 1667. und in Opp. ed. Gribneri Tom. II. P. 3. p. 351. 360.
*]
**]Es wuͤrde wohl keine unnuͤtze Arbeit ſeyn, nunmehro die europaͤiſchen Staaten nach der Ordnung durchzugehen und zu zeigen wie und aus welchen Titeln ſie ihre Lande nach und nach erworben und zum Theil wieder verloren haben. Blos der groſſe Umfang dieſes Gegenſtandes haͤlt mich dermalen davon ab, da ich ohnedies fuͤrchte ſchon etwas weitlaͤuftig daruͤber geweſen zu ſeyn. Ich behalte mir es indes nachzuholen vor, wenn Zeit und Umſtaͤnde annoch die Erſcheinung der in der Vorerinne - rung zum erſten Theile verſprochenen Regiſter oder Re - pertorien erlauben ſolten. Indes trift man in den geo - graphiſchen und ſtatiſtiſchen Schriften von Europa ſchon einige Nachrichten davon an.
**]
***]Von der bey den Veraͤuſſerungen und Erwerbungen uͤbligen Urkundenausfertigung an Ceſſionen ꝛc. wird in der Praxis des Voͤlkerrechts gehandelt.
***]
§. 30.139oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.

§. 30. Rechte teutſcher und anderer Landesherrn in Anſehung des Erwerbes von andern.

Nach eben dieſen Grundſaͤtzen ſind auch die Landes - veraͤuſſerungen und Erwerbungen der teutſchen und anderer bloſſen Landesherrn zu beurteilen, in ſo ferne die Grundgeſetze des Staats von dem ſie abhaͤngig ſind, ſo viel beſonders die zu demſelben gehoͤrigen Lande be - trift, nicht eigene Vorſchriften und mehrere Einſchraͤn - kungen enthalten.

In Teutſchland iſt das Veraͤuſſerungsrecht der Reichslande ſowohl von Seiten des Kaiſers, als der Staͤnde in vielen Stuͤcken eingeſchraͤnkt, iedoch ſind hier Tauſch, Kauf, Abtretung, Erbfolge ꝛc. und andere freiwillige, auch abgenoͤthigte Veraͤuſſerungen, ebenfals gewoͤnlich. Dabey komt hauptſaͤchlich die Eigenſchaft der Lande: ob ſie Lehen oder Erbe? und des Erwerbers: ob es eine auswaͤrtige Nazion, oder ein Mitſtand? in Betrachtung a].

Bey den Veraͤuſſerungen an auswaͤrtige Nazionen iſt wieder ein Unterſchied zu machen: ob ein Stuͤck Landes ganz von dem teutſchen Reiche getrennt, der Herſchaft eines andern Volks unterworfen und deſſen Landen einverleibt wird, oder ob es, mit Beibehaltung der Reichsverbindung und Hoheit, nur durch perſoͤn - liche Vereinigung an deſſen Regenten gelangt?

Wenn vorherige Vertraͤge, oder die im teutſchen Reiche uͤbliche Erbfolgsordnung hierunter nicht ſchon klare Maaſſe geben, ſo iſt in beiden Faͤllen eigentlich allerdings die Genehmigung des ganzen Reichs erfoder - lich b]; doch lehrt die Geſchichte, daß ſowohl mit als ohne dieſelbe manche Lande in Friedensſchluͤſſen und andern Vertraͤgen, zum Theil auch auf gewaltſameWeiſe,140Von Erlangung des Eigenthums von andernWeiſe, von Teutſchland ab - und an andere europaͤiſche Maͤchte gekommen ſind c].

Unter ſich haben die teutſchen Reichsſtaͤnde freiere Haͤnde, und wenn die unter ihnen vorkommenden Ver - aͤuſſerungen nicht den Reichsgrundgeſetzen, noch den Reichs - und Landesverfaſſungen zuwider ſind d], und bey den Lehnen die lehnsherrliche Einwilligung nicht ver - abſaͤumt wird, ſo kann ordentlicherweiſe weder Kaiſer und Reich, noch ein einzelner Reichsſtand, am aller - wenigſten eine auswaͤrtige Nazion e] etwas dagegen ein - wenden; es muͤſten denn beſondere Umſtaͤnde eintreten, welche einen oder den andern gleichwol zum Widerſpruch berechtigten f].

Genoͤthigt koͤnnen teutſche Landesherrn eben ſo wenig als freie Voͤlker werden, wider Willen, ihre Lande wegzugeben die Faͤlle einer Reichsacht ausge - nommen , indes iſt ſchon verſchiedenemal etwas der - gleichen verlangt und bedungen worden g].

Das Recht der Erwerbungen von auswaͤrtigen Nazionen iſt nirgends eingeſchraͤnkt. Die teutſchen Reichsſtaͤnde koͤnnen daher ſo viel unabhaͤngige Neben - lande erwerben und beſitzen, als ſie Gelegenheit haben zu erlangen, wenn ſonſt niemand gegruͤndete Urſach hat, ſich der Erwerbung entgegen zu ſetzen. Sie ſind in Ruͤckſicht dieſer ganz nach den Grundſaͤtzen des Voͤl - kerrechts zu beurteilen, und koͤnnen daher auch ihrer Wiederveraͤuſſerung halber nach Wilkuͤhr ſchalten. Es fehlt an Beiſpielen von dergleichen Erwerbungen nicht, und noch heutzutage beſitzen verſchiedene Reichsſtaͤnde als Kurbrandenburg, Kurhannover ꝛc. zugleich ſouve - raine Lande in Europa h].

Die Erwerbung der Reichslande ſteht mit der Veraͤuſſerung in genauem Bezug und kann, unter Be - obachtung des Erfoderlichen, in der Regel ebenfals keinem Reichsſtande verwehrt werden i].

Daß141oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.

Daß die Veriaͤhrung bey den Erwerbungen der Reichsſtaͤnde unter ſich Statt finde leidet keinen Zwei - fel, da die unter denſelben guͤltigen Reichs - und andere angenommene Geſetze ſolche ausdruͤcklich anerkennen k].

Die Vereinigung mehrerer unerworbener Lande oder deren abgeſonderte Regierung haͤngt von der beſon - dern Verfaſſung der Reichslande und den Bedingun - gen des Erwerbes ab und kann, wenn ſie dieſen nicht entgegen iſt von andern Reichsſtaͤnden eigentlich nicht gehindert werden l]. Aber alle dieſe vielfaͤltigen Be - ſtimmungen hierunter gehoͤren mehr in die Lehre des teutſchen Staatsrechts, und wuͤrden unnoͤthigerweiſe hier zu viel Platz wegnehmen m].

a]Nic. Cph - Lyncker diſſ. de poteſtate imperatoris alienandi bona imperii, Ien. 1695. Gotſr. de Stockhauſen diſſ. de iure ſtatuum imperii circa alienationem territorii competente, Erf. 1714. Ge. Henr. Ayrer progr. de liberiore principum imperii quam privatorum hominum alienandi et oppigno - randi poteſtate, Gotting. 1773.
a]
b]Die am haͤufigſten zwiſchen Frankreich und den anſtoſ - ſenden Reichsſtaͤnden getroffenen Grenz - und Tauſchver - traͤge, dergleichen beſonders in neuern Zeiten mehrere mit Naſſau-Saarbruͤcken, Naſſau-Weilburg, Stift Baſel, Wuͤrtenberg ꝛc. ꝛc. errichtet worden, machen daher einen gewoͤnlichen Gegenſtand der Reichstaͤgigen Berathſchlagungen aus. M. ſ. Moſer von den teut - ſchen Reichstagsgeſchichten, Frkf. 1768. 4. S. 79. ff. und die Staatskanzleien von Faber und Reuß.
b]
c]Joh. Heinr. Gottl. v. Juſti Abh. von Abtretung eines Reichslehens in dem Frieden mit auswaͤrtigen Maͤchten ꝛc. Frkf. u. Lpz. 1750. 4. und in deſſen hiſtor. und iuriſt. Schriften 2. Band S. 232. 272. auch in Select. I. P. noviſſ. T. 30. S. 220. u. ff. welcher behauptet,daß142Von Erlangung des Eigenthums von anderndaß die teutſchen Reichsſtaͤnde, vermoͤge des ihnen zu - ſtehenden Rechts des Krieges und Friedens, nicht aber die reichslehnbaren Fuͤrſten in Italien, befugt waͤren, ohne Einwilligung Kaiſers und Reichs, lehnbare Lande, iedoch mit Beibehaltung dieſer Eigenſchaft, an fremde Nazionen im Frieden zu uͤberlaſſen. M. vergl. Mo - ſers auswaͤrt. Staatsr. 2. Buch 1. Kap. S. 41. ff.
c]
d]Wie unter andern nach der goldenen Bulle die Unzer - trennlichkeit der Kurfuͤrſtenthuͤmer feſtgeſetzt und in den Haus - und Familienvertraͤgen die Veraͤuſſerung der bai - eriſchen Lande verboten iſt.
d]
e]Gleichwol verſprach im Pyrenaͤiſchen Frieden 1659. zwiſchen Frankreich und Spanien Art. 88. letztere Krone: die Stadt Juͤlich dem Herzoge von Pfalz-Neuburg ein - zuraͤumen, mit der Bedingung: Le dit Sieur Duc met - tant auparavant entre les mains de S. M. Catholique vn écrit en bonne forme ſigné de ſa main par lequel il ſ’oblige de ne pouvoir vendre, aliener ni engager la dite ville à aucun ni aucune autres princes ou perſonnes particuliéres; und im Baadiſchen Frieden 1714. Art. 17. machte Frankreich ſich verbind - lich, dem Austauſch einiger baieriſchen Lande kein Hin - dernis in den Weg zu legen.
e]
f]Die neuſten Vorfaͤlle in Anſehung der kurpfaͤlziſchen Ab - tretung eines betraͤchtlichen Stuͤcks von Baiern, nach Erloͤſchung des Wilhelmiſchen Mannsſtammes, an das Haus Oeſterreich, der deshalb entſtandene Krieg und darauf erfolgte Teſchner Friede haben mancherley Unter - ſuchungen und Eroͤrterungen uͤber dieſen Gegenſtand ver - anlaßt, die man groͤſtenteils beiſammen antrift in: Ab - handlungen und Materialien zum neuſten teutſchen Staatsrechte ꝛc. Berlin und Leipz. 1778. u. ff. 8. 6 Theile. Nicht minder merkwuͤrdig iſt der unter franzoͤſiſcher und ruſſiſcher Beguͤnſtigung auf die Bahn gebrachte Vor -ſchlag143oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.ſchlag eines Austauſches der oͤſterreichiſchen Niederlande gegen Baiern zwiſchen den Haͤuſern Oeſterreich und Pfalz, welcher bekantlich den berufenen teutſchen Fuͤrſtenbund veranlaßt hat. Auch hieruͤber ſind eine Menge Schrif - ten erſchienen, die man in Ren. Car. L. B. de Senken - berg Supplem. ad Lipenii Bibl. iurid. Lipſ. 1789. ſ. r. foedera principum Germaniae angezeigt findet. M. vergl. Polit. Journ. Januar 1786. S. 33. u. ff. ingl. Reuß teutſche Staatskanzley 9. Th. u. ſſ. Die Hauptgruͤnde des preuſſiſchen Widerſpruchs wa - ren, wie ſchon oben [§. 2. not. e. und §. 3. not. a.] erwaͤhnt worden, das durch dieſen Tauſch in Gefahr kommende Gleichgewicht von Teutſchland und ganz Eu - ropa [ſ. 1. Th. S. 384.], und dann die Verletzung der pfalzbaieriſchen Hausvertraͤge, zu deren Aufrecht - haltung Preuſſen ſich nicht nur durch den Teſchner Frie - den, ſondern auch durch das Geſuch des Herzogs von Zweibruͤcken fuͤr berechtigt und verbunden achtete. Ich will nur noch einige der vorzuͤglichſten Aeuſſerungen bei - der Theile hieruͤber anfuͤhren. Es wuͤrde, bemerkte man Koͤniglich-Preuſſiſcher Seits, daraus augenſchein - lich eine uͤbergroſſe Maſſe von Macht und ein in einer Strecke von 200. teutſchen Meilen, faſt vom ſchwarzen Meer bis an den Rhein zuſammenhaͤngender ungeheurer Staatskoͤrper entſtehen, gegen deſſen zuſammengedraͤng - te Staͤrke und Macht, die uͤbrige viel kleinere weniger fruchtbare und ſo ſehr vertheilte Kraiſe von Teutſchland niemals wuͤrden Widerſtand thun koͤnnen Wo wuͤrde denn das geſetzmaͤſſige Gleichgewicht von Teutſch - land bleiben, wenn eine ſolche uͤbergroſſe Macht, als die ietzige Oeſterreichiſche, wilkuͤhrlich vermehrt werden koͤnte, und keinem Reichsſtand erlaubt ſeyn ſolte, ſich dagegen mit offenen Erklaͤrungen und conſtitutionsmaͤſſi - gen Buͤndniſſen zu verwahren? Oeſterreich entgeg - nete zwar: Es war nie von einer Vergroͤſſerung desErz -144Von Erlangung des Eigenthums von andernErzhauſes, ſondern nur davon die Frage, daß das, was es auf einer Seite erhaͤlt, auf einer andern nicht nur durch ein volſtaͤndiges, ſondern ſogar den Empfang weit uͤberwiegendes Aequivalent wieder hergegeben wer - den ſolte. Wie nun hierinn eine nicht nur fuͤr Teutſch - land ſondern fuͤr ganz Europa ſchreckbare Acquiſition zu finden ſey, iſt eben ſo unbegreiflich, als die Wahrheit des Satzes unwiderſprechlich, daß, ſobald von dem vor - liegenden Austauſche die Rede iſt, das Haus Pfalz bey dem ihm angebotenen Aeqvivalente ſeine Rechnung ent - weder finden muͤſſe, oder nicht. Iſt das letztere, ſo faͤlt alle Idee des Austauſches von ſelbſt hinweg; iſt das erſtere, ſo ſtehet doch wohl weder Oeſterreich noch das Kurhaus Pfalz unter irgend einer fremden Vormund - ſchaft um uͤber ihre beiderſeitige Vortheile im Geben und Empfangen nicht nach ihren ſelbſt eigenen Einſichten urteilen, vergleichen und ſich entſcheiden zu koͤnnen Dem wahren und weſentlichen Gleich - gewichte im teutſchen Reiche ſtehet keinesweges die allen Staͤnden deſſelben gebuͤhrende Befugnis entgegen, ſo viele Reichslande an ſich zu bringen, als ihnen verliehen werden, oder in rechtlicher Ordnung an ſie fallen oder ſonſt auf eine in den Geſetzen gemaͤſſe Art durch Tauſch und andere erlaubte Wege von ihnen erworben werden koͤnnen Der Kaiſer erklaͤrt es daher fuͤr eine offenbare Illegalitaͤt und Nichtigkeit, die freundſchaftlichen, freiwilligen und auf eine der geſamten Reichs - Krais - und Staͤndiſchen Verfaſſung unſchaͤdliche Art vorzunehmende Austauſche und ſonſtige Arrangemens durch derley Verbindungen hindern zu wollen, daß ſich ſolchergeſtalt der ſogenante Unionstractat als ein Werk darſtelt, welches nach ſeiner ganzen vorliegenden Veranlaſſung, Abſicht und Beſtim - mung der Grundverfaſſung des Reichs, dem weſtphaͤli - ſchen Frieden, den kaiſerlichen Wahlkapitulationen offen -bar145oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.bar entgegen, auch wider Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt und das Kurhaus Pfalz geradezu offenſiv iſt, indem es im Grun - de auf nichts mehr und nichts weniger abzielet, als die beiden Haͤuſer Oeſterreich und Pfalz, in dem Falle, wenn ſie uͤber kurz oder lang zu irgend einem Austauſch einiger ihrer Beſitzungen einverſtehen ſolten, hievon mit den Waffen in der Hand abzuhalten, folglich ſie in der Ausuͤbung iener Rechte und Befugniſſe, die ſie nicht nur mit allen uͤbrigen Staͤnden des Reichs gemeinſchaft - lich, ſondern woruͤber ſie inſonderheit ſogar die eventuelle Beſtaͤtigung des Kaiſers und des geſamten Reichs fuͤr ſich zum voraus haben, [im Baadiſchen Frieden] auf eine gewaltſame Art zu verhindern. Siehe die Oeſterreichiſchen Staatsſchriften beim Reuß a. a. O. S. 251. 264. u. ff. Allein Preaſſen antwortete darauf: Es laͤßt ſich be - greifen, daß ein Laͤndertauſch moͤglich ſey zwiſchen Contrahenten, welche darunter freye Haͤnde haben, und daß er nicht moͤglich ſey, wenn ein ſolcher Laͤnder - tauſch, wie in Anſehung von Baiern, durch Hausver - traͤge und Friedensſchluͤſſe, wo nicht ganz verboten, den - noch auf die Einwilligung aller Contrahenten und Inter - eſſenten eingeſchraͤnket iſt, von denen man dieſelbe nie erwarten darf, ſo lange man bey ihnen Kentnis ihrer Rechte und ihres Intereſſe vorausſetzen kan. Wenn dazu ein Hof der durch Anſpruͤche und Tauſchprojecte verſuchten Erwerbung eines Landes durch einen Friedens - ſchlus entſaget, ſo kann man in allen dieſen Faͤllen ſehr richtig ſagen, daß ein ſolcher Laͤndertauſch politiſch und rechtlich unmoͤglich ſey Es iſt vorhin erwieſen, wie und wodurch der Tauſch von ganz Baiern gegen die Niederlande eine fuͤr Teutſchland und Europa ſchreckbare Acqviſition des Hauſes Oeſterteich ſey. Ein auch ſelbſt fuͤr das Haus Pfalz in Anſehung der Einkuͤnfte genug - ſames Eqvivalent, welches ihm das Haus Oeſterreich,Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Kwenn146Von Erlangung des Eigenthums von andernwenn es wolte, geben moͤchte, iſt noch kein genugſames Eqvivalent zur Sicherheit des teutſchen Reichs, daß ſel - biges nicht durch die, mittelſt ſolchen Tauſches, inner - lich und uͤbermaͤſſig vermehrte Macht des Hauſes Oeſter - reich in Gefahr gerathe. Das Reich und die Garants des Teſchner Friedens haben nach den vorhin ſo oft an - gefuͤhrten Gruͤnden ein Recht, bey dem ohne ihre Zuzie - hung verſuchten Tauſch von ganz Baiern ein Wort zu ſprechen. Man mag es auch, wenn man will, Vor - mundſchaft nennen. Reuß teutſche Staatskanzley 12. Th. S. 290. 310. 314. Die weitere Ausfuͤhrung der bei - derſeitigen Gruͤnde verdient in den gewechſelten Staats - ſchriften ſelbſt nachgeleſen zu werden. M. vergl. noch: Betrachtung uͤber das Gleichgewicht von Europa und Teutſchland in Ruͤckſicht auf den Umtauſch von Baiern; Reuß a. a. O. 14. Th. S. 100. u. ff. Der erwaͤhn - te Fuͤrſtenbund findet ſich nunmehro gedruckt in Martens Recueil des principaux traités etc. Gottingue 1790. u. 91. 3. Tom. 8. Tom. II. p. 553. u. ff.
f]
g]Beide nur angefuͤhrte Faͤlle von den baieriſchen Landen wolte man als abgenoͤthigte Veraͤuſſerungen anſehen. Im Nimwegiſchen Frieden kamen Frankreich und Spa - nien ſogar uͤberein, daß erſteres Dienant im Luͤttichſchen behalten und letzteres die Einwilligung des Reichs und des Stifts Luͤttich verſchaffen ſolte. Moſers ausw. Staatsr. 4. Buch 17. Kap. §. 8. S. 370.
g]
h]Man findet dergleichen Erwerbungen aller Art in der Geſchichte. Marggraf George zu Brandenburg kaufte 1524. das Herzogthum Jaͤgerndorf und vermachte es, weil ſein Prinz keine Kinder hatte, dem Kurhauſe Bran - denburg. Das Haus Oeſterreich hat bekantlich ſeine meiſten Beſitzungen durch Vermaͤhlung erworben. Nach Abſterben Chriſtoph III. Koͤnigs von Daͤnemark ꝛc. waͤhl - ten die Staͤnde 1448. Chriſtian I. Grafen von Olden - burg und Delmhorft. Die Schweden waͤhlten 1743. den147oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.den Herzog Adolf Friedrich von Holſtein Gottorf zu ihren Regenten. Dem Kurfuͤrſten Friedrich von der Pfalz unterwarfen ſich zu ſeinem Ungluͤck 1619. die Boͤhmen, nachdem ſie ſich von Oeſterreich losgeriſſen ꝛc.
h]
i]Car. Guil. Gaertner diſſ. qua materiam poſſeſſionis territoriorum S. R. I. G. immediatorum in titulis et modis acquirendi retinendi et amittendi examinat, Lipſ. 1724. J. J. Moſers Abh. von der teutſchen Reichsſtaͤnde Lan - den ꝛc. Frankf. u. Lpz. 1769. 4. 1. Buch 15. K. S. 194. u. ff. A. J. Schnaubert Anfangsgruͤnde des Staatsrechts der geſamten Reichslande, Jen. 1787. 8. 3. Buch 4. Hauptſt. §. 159. u. ff. Den Kurfuͤrſten werden vermoͤge der goldenen Bulle Tit. 10. §. 2. beſondere Vorrechte hierunter zugeſchrie - ben. M. ſ. I. Fr. Winter diſſ. de praerogativa Ele - ctorum S. R. I. circa acquirendas absque ſpecifico imperatoris conſenſu terras imperii, Arg. 1721. rec. Lipſ. 1737. u. Chr. Rau ſ. resp. Io. Chr. Knötzſch - ker diſſ. Exercitat. Iur. publ. de praerogativa S. R. I. principum Electorum ſine ſpeciali Imperatoris con - ſenſu terras imperil acquirendi, Lipſ. 1791. Ob aber ein Kurfuͤrſt gleichwol zwey Kutfuͤrſtenthuͤmer zu - gleich beſitzen koͤnne? wurde unter den Gelehrten in ver - ſchiedenen Schriften geſtritten ſ. Eroͤrterung der Frage: ob ein Churfuͤrſt zwey Churfuͤrſtenthuͤmer zugleich beſitzen koͤnne? 1729. 4. Io. Chr. Treitlinger diſſ. exhibens S. R. I. principem iuſtum duorum Electoratuum ſecularium poſſeſſo - rem, Arg. 1737. rec. 1750.
i]
k]M. ſ. Kipping diſſ. cit. Sect. II. Martens precis du d. d. G. L. II. c. 3. §. 49.
k]
l]Ge. Henr. Lehmann diſſ. de incorporatione provin - ciarum et territoriorum Germaniae, Helmſt. 1687. K 2Hier -148Von Erlangung des Eigenthums von andernHieruͤber entſtand beſonders in neuern Zeiten, wegen kuͤnftiger Vereinigung der Marggrafthuͤmer Anſpach und Bayrenth mit der Kur Brandenburg, Streit zwiſchen dieſem Kurhauſe und dem Hauſe Oeſterreich, indem letz - teres bey Gelegenheit der baieriſchen Erbfolgsirrungen verlangte, der Koͤnig von Preuſſen ſolle auf dieſe Ver - einigung Verzicht leiſten, ſo lange noch nachgeborne Prinzen dieſes Hauſes da ſind; demienigen zu Folge, was durch die im brandenburgiſchen Hauſe errichtete pragmatiſche Sanction feſtgeſetzt iſt, welche durch Kai - ſer und Reich beſtaͤtiget worden, und dadurch die Kraft eines oͤffentlichen Geſetzes erhalten hat. Der Koͤnig von Preuſſen wandte aber dagegen ein: daß die angebliche Sanction weiter nichts, als das Teſtament des Kurfuͤr - ſten Albrechts I. ſey, welches auf deſſen Anſuchen von Kaiſer Friedrich III. beſtaͤtigt worden, das aber von ſei - nen Nachfolgern habe geaͤndert werden koͤnnen und wuͤrk - lich geaͤndert worden ſey. Die kaiſerliche Beſtaͤtigung welche blos eine gewoͤhnliche Formalitaͤt ſey, koͤnne keine Kraft und Bedeutung haben, als nur zum Beſten der dabey intereſſirten Partheien; ſie koͤnne durch keinen an - dern Reichsſtand in Anſpruch genommen werden, der bey dieſer Erbfolgsordnung nicht intereſſirt iſt, und der eben aus dieſem Grunde gar kein Recht hat, darzwiſchen zu kommen oder darinn etwas nachzulaſſen. Eben daſ - ſelbe laſſe ſich von dem Reiche ſagen, deſſen Beitritt bey der erwaͤhnten Beſtaͤtigung in nichts andern beſtehe als in der bloſſen Erklaͤrung: daß dieſe Beſtaͤtigung mit Einwil - ligung des Reichs geſchehen ſey. [Oeuvres posth. Tom. 5.] Oeſterreich muſte auch davon abſtehen und im Teſchner Frie - den 1779. Art. 10. ausdruͤcklich verſprechen, daß es ſich dieſer Vereinigung nicht widerſetzen wolle.
l]
m]Mehrere zu dieſer Materie gehoͤrige Schriften ſehe man daher auch in Puͤtters Litteratur des teutſchen Staats - rechts 3. Th. S. 736. u. ff.
m]
Drit -149

Drittes Kapitel. Vom gemeinſchaftlichen und geteilten, unvolkomme - nen und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.

§. 1. Begrif dieſes Eigenthums.

In dem Begriffe des Eigenthums liegt zwar aller - dings das alleinige Beſitz - und Gebrauchsrecht [1. K. §. 39.] einer Sache, mit Ausſchlus aller andern Theil - haber, und wenn dieſe Erforderniſſe unzertrent beiſam - men ſind, und ohne Einſchraͤnkung ausgeuͤbt werden koͤnnen, ſo iſt es ein volkommenes, uneingeſchraͤnk - tes Eigenthum [dominium plenum, illimitatum]. Vermoͤge der dem Eigenthuͤmer zuſtehenden uneinge - ſchraͤnkten Gewalt, koͤnnen die Rechte des Eigenthums iedoch, durch das Einverſtaͤndnis mit andern, auf mancherley Art dergeſtalt beſtimt und verteilt werden, daß entweder mehrere Perſonen oder Nazionen gleiche Rechte, obſchon nach einem gewiſſen Maasſtabe, an dem Beſitze und an der Benutzung haben, oder daß einige Eigenthumsrechte dieſer, einige einer andern Perſon oder Nazion zugehoͤren, welche zuſammen erſt das voͤllige Eigenthum ausmachen [2. K. §. 5.]. Er - ſteres iſt ein gemeinſchaftliches, letzteres ein geteil - tes, unvolkommenes Eigenthum [dominium minus plenum]. Nach dieſem kann eine Art von Eigenthum ohne Beſitz und Benutzung, und ein Beſitz ohne Eigen - thum Statt finden a]. Geht der Eigenthuͤmer mitK 3andern150Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenandern blos ſolche Bedingungen ein, wodurch die Frei - heit in Ausuͤbung der Eigenthumsrechte einigermaaſſen beſchraͤnkt wird, ſo entſteht ein eingeſchraͤnktes Ei - genthum [dominium limitatum, reſtrictum] b].

a]Von dieſer Eigenthumsgattung erinnert Achenwall I. Nat. L. I. Sect. II. §. 140. ſehr richtig: Si domi - nio pars quaedam ſubtrahitur, id quod reſtat, pro - prie non amplius eſt totum, et hinc dominium minus plenum, ſi exacte loquamur, non eſt verum domi - nium. Interim tamen adhuc eodem nomine inſigni - tur, quatenus a potiori fieri ſolet denominatio, et quatenus iura dominii, quae parte detracta, reſidua manent, adhuc conſtituunt plurium iurium partialium ſummam et totum.
a]
b]Achenwall a. a. O. §. 141.
b]
*]Grotius L. II. c. 6. §. 1. Puffendorff I. N. et G. L. IV. c. 4. §. 2. Paul Franc. Romanus diſſ. de iure dominii reſtricto, Lipſ. 1675.
*]

§. 2. Gruͤndet ſich auf Vertraͤge.

Ein ſolches Eigenthum kann blos durch wechſel - ſeitige Uebereinkunft und Vertraͤge entſtehen, folglich gehoͤrt deſſen Erwerb zu dem abgeleiteten. So wie iedem Eigenthuͤmer erlaubt iſt, ſein Eigenthum ganz zu veraͤuſſern und andern zu uͤberlaſſen, ſo ſteht dem - ſelben auch frey, ihnen nur gewiſſe Stuͤcke oder Rechte davon einzuraͤumen, das uͤbrige aber ſich ſelbſt vorzu - behalten. Erbſchaft und aͤhnliche Erwerbsarten geben auch oͤfters zu dergleichen gemeinſchaftlichem oder geteil - tem Eigenthum Anlas. Es iſt zwar moͤglich daß bey dem urſpruͤnglichen Erwerbe mehrere gemeinſchaftlichein151und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.ein Land entdecken und ſich zueignen; dies ſetzt aber auch ſchon einen Vertrag voraus, weil nach dem ur - ſpruͤnglichen Naturrechte auf den Fall, wenn mehrere zufaͤllig ein Land zugleich entdecken und in Beſitz neh - men, iedem nur ſo viel mit voͤlligem Eigenthum gehoͤrt, als er wuͤrklich in Beſitz genommen hat a].

a]Wolff I. G. c. III. §. 308.
a]

§. 3. Gemeineigenthum.

Das Gemeineigenthum [condominium] welches in den gleichen ungeteilten Rechten zweier oder meh - rerer an einer Sache, wiewohl nach verſchiedenem Maasſtabe a] beſteht, kann, nach dem gleichen oder ungleichen Verhaͤltnis des letztern wiederum auf man - cherley Art beſtimt werden. Unter den europaͤiſchen Nazionen kommen indes dergleichen Gemeinſchaften ganzer Laͤnder ſelten, wohl aber bey einigen Orten vor. Zwiſchen Sardinien und Parma z. B. ſollen, nach Moſers Bericht b], in dem Grenzvergleiche vom 10. Maͤrz 1766. die beiden Orte Monſenico und Mon - caſacca gemeinſchaftlich geblieben ſeyn. Die Inſel St. Martin war ehemals Frankreich und den Vereinig - ten Niederlanden gemein, iedoch mehr nach gewiſſen beſtimten Theilen, die letztern wurden aber nachher daraus vertrieben c].

a]Nach den rechtswiſſenſchaftlichen Kunſtausdruͤcken: par - tibus indiviſis, pro rata, nicht in ſolidum, nach der bekauten Rechtsregel: duos ejusdem rei dominos in ſolidum eſſe non poſſe. Im uneigentlichen Sinne nennt man es auch noch eine Gemeinſchaft, wenn ein Land, das eigentlich ein Ganzes ausmacht, von meh - rern, iedoch ſo beſeſſen wird, daß iedem ſein AntheilK 4mit152Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenmit voͤlligem Eigenthum zuſteht [pro partibus di - viſis].
a]
b]Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 289.
b]
c]Ebendaſ. S. 466.
c]
*]Io. Andr. Frommann diſſ. de condominio, Tubing. 1680. Ejusdem diſſ. de condominio territorii, ib. 1682. Georg. Ioſ. Wagner diſſ. de condominio territorii. Mog. 1719.
*]

§. 4. Lehen.

Zu dem geteilten Eigenthum gehoͤren hauptſaͤchlich die lehnbaren Lande [feuda] an welchen, nach den Grundſaͤtzen der Lehnsverbindung, dem einen Theile das ſogenante Obereigenthum [dominium directum] den andern aber das nutzbare [dominium vtile] unter dem Verſprechen einer beſondern Ergebenheit und mit Uebernehmung gewiſſer Verbindlichkeiten zu deren An - erkennung uͤberlaſſen iſt. Dieſe Theilung kann auf doppelte Art geſchehen, wenn entweder der volkomne Eigenthuͤmer einem andern das Obereigenthum mit Vorbehalt der Benutzung auftraͤgt [feudum oblatum] oder wenn einer dem andern blos das nutzbare Eigen - thum zugeſteht, ſich aber die uͤbrigen Eigenthumsrechte, oder das Obereigenthum ausbedingt [feudum datum]. Von dieſen in aͤltern Zeiten auch unter den Staaten in Europa ſehr haͤufigen Lehnsverbindungen, von wel - chen heutzutage vorzuͤglich noch die Lehnsabhaͤngigkeit des Koͤnigreichs Neapel von dem paͤbſtlichen Stuhle und der Inſel Malta von Sicilien bemerkt zu werden verdient, habe ich, in Beziehung auf deren Unſchaͤd - lichkeit gegen die Souverainetaͤt, ſchon oben [1. B. 1. K. §. 38. im 1. Th. S. 135. ff. ] gehandelt.

§. 5.153und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.

§. 5. Pfandſchaft.

Dieſe Theilung des Eigenthums tritt auch bey der Verpfaͤndung [pignus] ein, wenn eine Nazion der andern zur Sicherheit und Entſchaͤdigung einer von ihr erhaltenen Geldſumme oder eines ihr gegebenen Ver - ſprechens a], bis zu deren Wiedererſtattung oder Er - fuͤllung, den Beſitz und gemeiniglich auch die voͤllige Benutzung eines Stuͤck Landes [cum pacto antichre - tico] einraͤumt. Es ſey nun daß man annehme, es werde hier, nach der angeblichen Eigenſchaft der ehe - maligen teutſchen Pfandſchaften, ein wenigſtens nutz - bares Eigenthum, bis zu Erfuͤllung der eingegangenen Verbindlichkeiten auf den andern uͤbertragen b], wel - ches den natuͤrlichen Begriffen des Eigenthums, wo - bey das Hauptwerk auf den Beſitz ankomt, keinesweges entgegen iſt; oder daß man dem Pfandsinnhaber blos einen im Namen des Schuldners fortfuͤhrenden Beſitz ohne alles Eigenthum, beilege, zumal wenn dieſer mehrere Eigenthumsrechte ſich ausdruͤcklich vorbehalten hat; ſo iſt doch auch das Eigenthum des letztern, wenn Beſitz und Benutzung ihm fehlen, fuͤr kein volſtaͤndi - ges anzuſehn, ſondern in beiden Faͤllen eine Theilung der Eigenthumsrechte vorhanden.

Dergleichen Verpfaͤndungen waren ehedem nicht ſelten unter den Nazionen. So wurden die Staͤdte und Schloͤſſer Vliſſingen, Rameken und Briel ꝛc. von den Vereinigten Niederlanden 1585. an England verpfaͤndet, unter Jakob I. aber wieder eingeloͤſt c]. Daͤnemark uͤberlies 1654. an Schweden die Provinz Halland mit ihren Zugehoͤrungen zu Sicherung des ge - ſchloſſenen Friedens auf dreiſſig Jahr zum Unterpfand d]. Im Jahr 1768 trat Genua die Inſel Corſica an Frank -K 5reich154Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenreich pfandweiſe, aber wie einige wollen mehr zum Schein und wuͤrklich, eigenthuͤmlich ab e].

Der Vertrag, wodurch iemanden ein Unterpfands - recht an einer Sache zugeſtanden wird, ohne ſie ihm in Beſitz zu geben [hypotheca] iſt mehr, zum Vortheil der Privatverhaͤltniſſe, durch buͤrgerliche Geſetze einge - fuͤhrt, und hat bey den Geſchaͤften der Nazionen kei - nen ſonderlichen Nutzen; da ein Volk, im unterblei - benden Zahlungsfall, auch ohne beſondere Verſicherung auf ein gewiſſes Land, ſich an den ſaͤmtlichen Beſitzun - gen der ſchuldigen Nazion zu erholen berechtiget iſt f]. Am wenigſten weiß das Natur - und Voͤlkerrecht etwas von einer ſtilſchweigenden Hypothek, wie das roͤmiſche Recht ſie lehrt g]. Indes fehlt es nicht ganz an Bei - ſpielen von Hypotheken der erſtern Gattung unter den europaͤiſchen Nazionen; wie unter andern die Vereinig - ten Niederlande 1625. der Krone England in einer Verſchreibung ein bloſſes Unterpfandsrecht an allen ihren Provinzen, Staͤdten ꝛc. Vermoͤgen ꝛc. zuſicher - ten h]. Da hierdurch das Eigenthumsrecht des Schuldners an dem Lande, worauf eine ſolche Verſi - cherung haftet, allerdings dergeſtalt eingeſchraͤnkt wird, daß er eigentlich, ohne Zuthun des Glaͤubigers, nicht nur frey damit nicht ſchalten, ſondern dieſer auch, der Zahlung wegen, eines vorzuͤglichen Rechts an dem ver - hypothecirten Lande ſich anmaaſſen, und es, wie einige wollen, ſogar von dem dritten Beſitzer, an den es, ohne ſeine Einwilligung gelangt iſt, zuruͤckfodern kann; ſo laͤßt ſich dabey auch fuͤglich ein nicht blos einge - ſchraͤnktes, ſondern ein wuͤrklich unvolkomnes und ge - teiltes Eigenthum annehmen.

a]Wolff I. G. c. IV. §. 481.
a]
b]Chr. Gottl. Riccii doctrinae de dominio pignoris Germanici in creditorem translato Examen polemi - cum, Goth. 1746. 4. C. F. Gerſtlachers Handbuchder155und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.der teutſchen Reichsgeſetze 10. Th. S. 2110. not. 186. Ein ſolches Eigenthumsrecht ſcheinen auch die Contra - henten des weſtphaͤliſchen Friedens den Pfandsinnhabern teutſcher Reichslande beigelegt zu haben Inſt. P. O. Art. V. §. 9. n. 27. wenigſtens laͤßt ſich dergleichen bey den Wiederkaͤufen, welche ehedem zu Sicherung der Darlehne haͤufig geſchloſſen zu werden pflegten, und von vielen fuͤr einerley mit dem teutſchen Pfandrechte gehalten werden, nicht bezweiflen. M. vergl. de Neu - mann Ius Priv. princ. T. IV. l. 3. tit. 2. §. 403. ff.
b]
c]Dumont C. Dipl. T. V. P. 1. p. 454.
c]
d]Ebendaſ. T. VI. P. 1. p. 314.
d]
e]Mr. de Martens Recueil des principaux traités, con - clus par les puiſſances de l’Europe etc. Götting. 1791. 3. Tom. 8. T. 1. p. 229.
e]
f]Puffendorff I. N. et G. L. V. c. 10. §. 16. vergl. I. H. Böhmer diſſ. de diverſo pignoris et hypothecae iure, Hal. 1718. c. II. §. 3.
f]
g]de Neumann I. Priv. Princ. T. IV. L. 3. tit. 2. §. 382. ff.
g]
h]Herz. in den Noten uͤber die vorangefuͤhrte Stelle des Puffendorf. M. vergl. Glaffey Voͤlkerrecht 7. Kap. §. 109. ff.
h]
i]M. vergl. de Neumann a. a. O. beſonders §. 384. Das Recht der Zuruͤckfoderung gegen den dritten redli - chen Beſitzer laͤßt ſich iedoch mit Grunde kaum behaup - ten, da, wie weiter unten gezeigt werden ſoll, das ſtrenge Naturrecht, ſelbſt dem volkomnen Eigenthuͤmer die Abforderung von einem dritten redlichen Erwerber nicht verſtattet.
i]

§. 6. Depoſitum.

Es geſchieht zuweilen, daß ein Volk einige ihm eigenthuͤmlich zugehoͤrige oder in ſeiner Gewalt ſich be -findliche156Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenfindliche Lande oder Orte einer andern Nazion auf eine Zeitlang in Beſitz und Gewahrſam giebt, ohne ihr iedoch ein weiteres Eigenthum daran zuzugeſtehn. Der Beſitzer uͤbt daher die ihm dabey etwa uͤberlaſſenen Rechte, ſo wie den Beſitz ſelbſt blos an der Stelle und im Namen des wuͤrklichen Eigenthuͤmers aus, und dieſer behaͤlt allerdings, auch ohne Beſitz noch Rechte des Eigenthums, weil hier ausdruͤcklich dem andern nichts als der bloſſe Beſitz ꝛc. eingeraͤumt worden. Es iſt aber immer ein ſehr unvolkomnes Eigenthum, weil daran eins der wichtigſten Erfoderniſſe, der Beſitz mangelt.

Die Urſachen und Abſichten einer ſolchen Beſitzein - raͤumung koͤnnen mancherley ſeyn. Im dreiſſigiaͤhrigen Kriege wurden der Krone Frankreich 1634. von Schwe - den und den evangeliſchen Reichsſtaͤnden in Teutſch - land die Feſtung Philipsburg und verſchiedene Staͤdte im Elſas zu ihrer und der Staͤnde Sicherheit in Ver - wahrung gegeben a]. Im Jahre 1757. gab die Kai - ſerin Koͤnigin die Haͤfen Oſtende und Nieu port dem Koͤnige in Frankreich in Verwahrung b]. Bey der unlaͤngſt errichteten bekanten Reichenbacher Convention zwiſchen Oeſterreich und der Pforte wurde ebenfals be - dungen, daß erſteres die Feſtung Choczim bis zum Frieden zwiſchen Rußland und der Pforte als ein De - poſitum behalten ſolte c].

a]Dumont C. Dipl. T. VI. P. 1. p. 74. 78.
a]
b]Cette Princeſſe n’ayant point aſſez de troupes dans les Pais bas Autrichiens pour garnir ſuffiſamment les ports d’Oſtende et de Nieupoort et les mettre à l’abri des hazards que les circonſtances du tems peu - vent amener, S. M. Imp. eſt convenue de les mettre à titre de depôt entre les mains du roi ſon allié. Moſers Verſuch 5. Th. S. 441. vergl. Beitraͤge zur neuern Staats - und Kriegsgeſch. z. B. S. 125. ff.
b]c] de157und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
c]de reſter dans la poſſeſſion de la fortreſſe de Choczim comme d’vn depot neutre auſſi longtems et jusqu’à ce que la paix ſera conclue entre la Ruſſie et la Porte. de Martens Recueil des traités T. III. p. 171. M. vergl. den Definitivfrieden v. 4. Aug. 1791. Art. 5. im Polit. Journ. Septbr. 1791. S. 946.
c]

§. 7. Seqveſtration.

Eine mit der vorigen verwandte Beſitzart ohne Ei - genthum iſt die Scqveſtration, wenn ein zwiſchen mehrern im Streite befangenes Land einem dritten bis zu Austrag der Sache, mit Einwilligung der Theil - haber a], in Beſitz gegeben wird. Auch hiervon kom - men Beiſpiele in der europaͤiſchen Staatengeſchichte vor. Als man in den Streitigkeiten zwiſchen Polen und Kurbrandenburg wegen Elbingen verlangte, daß vor Angehung der Tractaten, dieſe Stadt zufoͤrderſt reſti - tuirt werden ſolte, wolte Kurbrandenburg ſich dieſes nicht gefallen laſſen, ſondern allenfals die Stadt den Mediatorn als ein Seqveſtrum einſtweilen einraͤu - men b]. Dem Koͤnig von Preuſſen wurde 1713. von den nordiſchen Alliirten das von Schweden eroberte Stettin in Seqveſtration gegeben c].

a]Ein in den buͤrgerlichen Geſetzen vorkommendes ſogenan - tes ſequeſtrum neceſſarium, findet untern Voͤlkern ei - gentlich nicht Statt, da ſie hier keinen hoͤhern Richter uͤber ſich erkennen. Gleichwohl wurde unter den Con - trahenten uͤber die ſpaniſche Erbfolge 1698. feſtgeſetzt: que ſi l’Empereur, le roi des Romains ou l’Electeur de Bavière refuſent d’y entrer, les deux Seigneurs Rois et les Seigneurs Etats Généraux empêcherontle158Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenle prince fils ou frère de celui qui reſuſera d’entrer en poſſeſſion de ce qui lui ſera aſſigné et ſa portion demeurera comme en ſequeſtre entre les mains des Vice Rois etc. qui y gouvernent de la part du Roi d’Es - pague etc. Lamberty Memoires Tom. I. p. 17. u. 19.
a]
b]Monathl. Staatsſpiegel von 1699. Februar S. 90.
b]
c]In dem desfalſigen Tractat vom 6. October 1713. heißt es Art. 3. Sr. Koͤnigl. Maj. in Preuſſen verſpre - chen dagegen, daß ſie den Ort in Poſſeſſion und Seque - ſtration nehmen, ſelbigen auch der Cron Schweden eher nicht als bey kuͤnftigem Frieden wieder einraͤumen wollen.
c]

§. 8. Eingeſchraͤnktes Eigenthum.

Die Ausuͤbung des Eigenthums kann, wenn auch deſſen vorzuͤglichſte Rechte, der Beſitz und die Benu - tzung unzertrennt beiſammen ſind, doch durch Vertraͤge verſchiedentlich eingeſchraͤnkt werden, wenn der Eigen - thuͤmer ſich dadurch entweder ſeiner Freiheit in gewiſſen Stuͤcken, z. B. der wilkuͤhrlichen Veraͤuſſerung, zum Vortheil eines andern begiebt, oder ihm einigen An - theil an der Ausuͤbung dieſes oder ienes Rechts ein - raͤumt. Dergleichen Einſchraͤnkungen finden bey allen einzelnen Rechten des Eigenthums Statt, und ſchla - gen in die Materie der ſogenanten Voͤlkerdienſtbarkei - ten mit ein, wovon in der Folge mehrere Beiſpiele vor - kommen werden.

*]Achenwall I. N. Lib. I. Sect. II. §. 163.
*]

§. 9. Rechte der Theilhaber.

Daß die geſetzlichen Vorſchriften der Privat-Lehn und anderer buͤrgerlichen Rechte hier keine Anwendungleiden159und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.leiden darf ich kaum erinnern. Da alle dieſe beſondern Beſtimmungen des Eigenthums auf wilkuͤhrliche Ein - richtungen und Vertraͤge beruhen, ſo muͤſſen die Rechte der Theilhaber auch lediglich darnach, nach dem Her - kommen und allenfals aus der Abſicht und Natur dieſer Vertraͤge beurteilt werden.

In Anſehung der zwiſchen mehrern gemeinſchaft - lichen und geteilten Eigenthumsrechte, die zuſammen erſt ein volſtaͤndiges Ganzes ausmachen, ergiebt ſich im Algemeinen ſoviel, daß kein Theilhaber nach voͤlli - ger Wilkuͤhr mit dem ganzen Lande, und uͤber den ihm zuſtehenden Antheil nur in ſo weit ſchalten, denſelben veraͤuſſern oder ſonſt gebrauchen kann, als dem andern Theile kein Schaden dadurch zugefuͤgt wird.

Was die Lehen inſonderheit anlanget a] kann da - her der Vaſall ohne Einwilligung des Oberlehnsherrn [domini directi] das Lehn weder veraͤuſſern, verpfaͤn - den, demſelben eine bleibende Dienſtbarkeit auflegen, noch irgend einen dem Obereigenthum nachtheiligen Ge - brauch davon machen, wenn ihm nicht eins oder das andere ausdruͤcklich zugeſtanden iſt b] wohl aber hat er das Recht, alle Eigenthumsnutzungen ſelbſt oder durch andere daraus zu ziehn. Eine Afterverleihung [ſubinfeudatio] und Aufkuͤndigung des Lehns [refuta - tio feudi] findet nur dann Statt, wenn ſie ohne den mindeſten Nachtheil des Lehnsherrn geſchehen koͤnnen. Eben ſo wenig kann dieſer, zum Schaden des Vaſal - len das Obereigenthum wilkuͤhrlich veraͤuſſern, weil es bey der Lehnsverbindung zumal in aufgetragenen Lehen, mehr auf moraliſche Rechte und Pflichten, als auf phiſiſche Leiſtungen ankomt c]: er darf das nutzbare Ei - genthum nicht eher, als bis es, nach den Bedingungen des Lehnsvertrages, durch den Tod des Vaſallen, oder aller derer, welchen die Nachfolge zugeſtanden worden, oder durch Vergehn wider die Lehnsverbindlichkeit d] [Felonie]160Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen[Felonie] eroͤfnet wird wieder an ſich ziehn; doch iſt ihm frey, auf den bevorſtehenden Anfall, andern in voraus eine Anwartſchaft [Expectanz] darauf zu er - theilen e]. Uebrigens iſt der Lehnsherr und der Vaſall zu Leiſtung alles deſſen verbunden, was die Lehnbriefe und andere Vertraͤge oder ein beſtaͤndiges Herkommen verlangen f]. Dieſe geben bey entſtehenden Irrungen auch lediglich den Ausſchlag g]. Die Aufhebung der Lehnsverbindung, wie iedes andern Vertrages, durch gemeinſames Einverſtaͤndnis, leidet keinen Zweifel, und haben wir davon Beiſpiele zwiſchen Polen und Preuſſen ꝛc.

Bey den Pfandſchaften h] kan der Schuldner die ihm vermoͤge des Vertrages auch ohne Beſitz uͤbrigge - bliebenen Eigenthumsrechte zwar andern uͤberlaſſen, das Pfand ſelbſt darf aber nicht eher wieder zuruͤck gefodert werden, als bis die Zahlung erfolgt oder die Verbind - lichkeit erfuͤlt iſt. Wenn dem Glaubiger nicht der Be - ſitz, ſondern nur eine vorzuͤgliche Verſicherung auf ein gewiſſes Land [Hypothek] zugeſtanden worden iſt, ſo darf der Eigenthuͤmer daſſelbe ohne ienes Einwilligung nicht veraͤuſſern. Der Pfandinnhaber iſt nicht befugt ſich eines voͤlligen Eigenthumsrechts an dem verpfaͤn - deten Lande anzumaaſſen und daſſelbe weiter zu veraͤuſ - ſern, es waͤre denn eine gewiſſe Zeit zur Einloͤſung beſtimt und nach deren Verlauf die Zueignung oder der Verkauf bedungen [lex commiſſoria]. Eine bloſſe Veriaͤhrung, wenn die Einloͤſung auſſerdem auch noch ſo lange nicht erfolgen ſolte, findet hier keinesweges Statt i]. Indes kann dem Glaͤubiger, wenn es noͤthig iſt, die fernere Verpfaͤndung nicht verwehrt werden: er iſt aber verbunden, ſobald die Wiederbezahlung er - folgt, das Pfand wieder auszuantworten und darf es einer andern Foderung halber nicht zuruͤckhalten, wenn die Umſtaͤnde ihn nicht veranlaſſen, ſich aus den Beſi -tzungen161und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.tzungen des ſchuldigen Volks uͤberhaupt bezahlt zu ma - chen k]. Wegen Gebrauch des verpfaͤndeten Landes waͤhrend der Innehabung komt es auf den Vertrag an: in wie ferne dieſelbe einem Volke uͤberlaſſen wor - den? ob die Oberherſchaft dabey mit begriffen? ob die Benutzung blos zur Verguͤtung der Zinſen oder zugleich zu Abtragung der Hauptſumme angeſchlagen? ob die Zeit hierzu beſtimt oder uͤberhaupt bis zur gaͤnzlichen Tilgung hinausgeſetzt? und in welcher Maaſſe, letztern Fals, die Ablegung einer Rechnung erfoderlich ſey l]? Jede Benutzung muß indes ſo eingerichtet werden, daß alles im vorigen Stande bleibe und kein Nachtheil fuͤr das Land daraus erfolge.

Das Depoſitum und die Seqveſtration haben ge - meiniglich beſondere Ruͤckſichten auf dieienigen zum Grunde, welchen ſie anvertraut werden, die Rechte der Aufbewahrung und Zuruͤckfoderung ſchraͤnken ſich daher lediglich auf die contrahirenden Theile ein und ſind genau nach der deshalb getroffenen Uebereinkunft abzumeſſen m].

a]Regn. Engelhard Spec. iuris feudorum naturalis methodo ſcientifica conſcriptum, Lipſ. 1742. 4. C. F. Langemack algemeines Lehurecht aus philoſophi - ſchen Gruͤnden erwieſen, Potsdam 1747. 8.
a]
b]Bey mehrern Lehnen iſt das freye Veraͤuſſerungsrecht ausdruͤcklich feſtgeſetzt. Die ſchleſiſchen Herzogthuͤmer Liegnitz, Brieg und Wohlau welche der Herzog von Lieg - nitz den Koͤnigen in Boͤhmen zu Lehn aufgetragen hatte, durften nach einem Privilegium von 1511. veraͤuſſert werden. Moſers Verſuch 5. Th. S. 32.
b]
c]C. W. Wulflefs Beweis, daß ein Lehnherr ſein Ober - eigenthumsrecht ohne Einwilligung des Vaſallen nicht veraͤuſſern koͤnne; in K. F. Zepernicks Samlung auserleſener Abhandlungen aus dem Lehnrechte 2. Th. n. 21. S. 237. ff
c]Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Ld] Daß162Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
d]Daß die Beraubung des Lehns wegen eines Lehnsfeh - lers nur alsdann Statt habe wenn dieſe Strafe in dem Lehnsvertrage darauf ausdruͤcklich geſetzt iſt, behauptet unter andern auch Wolff Inſt. I. Nat. et Gent. P. II. c. 16. §. 747. Wenn indes der Vaſall der, beſon - dere Ergebenheit erfodernden, Lehnsverbindlichkeit nicht nur nicht gemaͤs ſondern durch offenbare Beleidigungen des Lehnsherrn, geradezu entgegen ſich betraͤgt, kann man dieſen wohl kaum der Ungerechtigkeit beſchuldigen wenn er auch ſeiner Seits, durch Einziehung des Lehns, den Vertrag aufhebt. Bey Gelegenheit der Streitigkei - ten zwiſchen Rußland und Polen wegen Curland aͤuſſerte erſteres: Si vn prince feudataire ne peut, ſans être coupable d’vn crime de felonie, être privé de fiefs qu’il a acquis légalement, de quel droit ſoutien - dra-t-on que le Duc Erneſt Iean doit être privé de ſes Duches ſans avoir été entendu, ni jugé et ſans avoir commis de crime ni contre le roi, ni contre la republique. Moſers Verſuch 1. Th. S. 154.
d]
e]Wenn uͤbrigens, nach Abgang des ganzen belehuten Hauſes, oder ſonſt aus rechtmaͤſſigen Urſachen der Anfall des nutzbaren Eigenthums erfolgt, ſo kann die Nazion, der das Obereigenthum zuſteht, wider ihren Willen zur anderweiten Verleihung, in der Regel mit Recht keines - weges genoͤthigt werden, doch erklaͤrte die Kaiſerin von Rußland 1730. wegen Curland: daß ſie niemals in die Incorporation willigen, ſondern das Land bey ſeinem Recht handhaben wuͤrde, einen eignen Herzog zu haben, der es als ein polniſches Lehn erkenne. Moſers Ver - ſuch 1. Th. S. 145. vergl. 5. Th. S. 184.
e]
f]So muß der Johanniter-Orden dem Koͤnig von Sicilien wegen des Lehns von Malta iaͤhrlich einen Falken uͤber - reichen und bey ieder ſicilianiſchen Thronveraͤnderung von neuem die Lehn nehmen. Hier verdienen die, wegen der Lehnsabhaͤngigkeit des Koͤnigreichs Neapel vom paͤpſt -lichen163und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.lichen Stuhle, zwiſchen beiden Theilen neuerlich ent - ſtandenen Streitigkeiten bemerkt zu werden, indem der Koͤnig von Neapel nicht eben die Lehnbarkeit ſelbſt ablaͤug - net, ſondern ſich nur weigert, die deshalb bisher ge - woͤnlich geweſene Entrichtung des Zelters und der 7000 Ducaten, wie der Papſt verlangt, als einen Tribut ab - zutragen, ſondern ſie als ein freiwilliges Geſchenk und Almoſen fuͤr die paͤpſtliche Kammer angeſehn wiſſen will. Dieſe Ceremonie war bisher, bey eingetretenen Irrungen zwiſchen beiden Hoͤfen, verſchiedentlich ausgeſetzt, aber nicht fuͤr immer verweigert worden [Moſers Verſuch 5. Th. S. 176. ff.]. In der Proteſtation, welche der paͤpftliche Fiſcal gegen die dermalige Verweigerung 1788. eingelegt hat, heißt es: Unter den Rechten des heiligen Stuhls und der apoſtoliſchen Kammer iſt keines, welches klaͤrer und ſicherer erwieſen waͤre, als das Recht von dem Koͤnige von Sicilien iaͤhrlich am Tage vor dem Feſte der heiligen Apoſtel Peter und Paul, oder auch an dieſem Feſte ſelbſt, mit den gewoͤnlichen Feierlichkeiten und Formalitaͤten die Bezahlung eines Tributs von 7000 goldenen Ducaten an die Kammer, und die Uebergabe eines weiſſen anſtaͤndig geſchmuͤckten Pferdes zur Anerkennung der hoͤchſten, wahren und un - mittelbaren Oberherrſchaft zu fodern, welche der apoſto - liſche Stuhl uͤber das Koͤnigreich Sicilien und das ganze Land ienſeits des Leuchtthurms bis an die Grenzen des Kirchenſtaats beſitzt. Dies Recht ward beſonders zur Zeit der ſehr bekanten Belehnung feſtgeſetzt, die Papſt Julius II. heiligſten Andenkens, und ſeine andern Vor - fahren und Nachfolger ertheilten, und ward im Jahre 1734. auf Anhalten Philips V. Koͤnigs von Spanien und Karls, Infanten von Spanien beſtaͤtiget, der es auch noch nachmals durch ſein zu Portici bey Neapolis den 9. April 1739. datirtes Schreiben an Clemens XII. heiligen Andenkens, ratificirte; welches Recht denn auchL 2durch164Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenendurch die beſtaͤndige Gewonheit mehrerer Jahrhunderte genehmigt worden iſt. Der ietzige Koͤnig von Sicilien Ferdinand IV. hat es ſelbſt zu beobachten durch Sr. Eminenz den Kardinal Dominicus Orſeici, der zu dieſem Ende beſonders deputirt worden, verſprochen, welcher im Namen des beſagten Koͤnigs Ferdinand volkomnes Homagium, Unterwuͤrfigkeit und Vaſallenpflicht gegen Clemens XIII. heiligen Andenks leiſtete und unter andern auf das Gewiſſen ſeines Herrn ſchwor, er wolle iaͤhr - lich alle Bedingungen, die in den Briefen der Paͤpſte gluͤckſeligen Andenkens, Julius II. Leo X. und anderer roͤmiſcher Paͤpſte und beſonders Clemens XII. bey Ge - legenheit der Belehnung und Inveſtitur beſagter Reiche und Laͤnder enthalten ſind, ſo wie auch alle umſtaͤndlich darinn angefuͤhrte Clauſeln erfuͤllen und ſich zu keiner Zeit derſelben weigern, ſo wie er denn auch wuͤrklich allem in den vorigen Jahren volkommen Gnuͤge geleiſtet hat. Da nun im gegenwaͤrtigen Jahre beſagter Koͤnig Ferdinand die erwaͤhnten Pflichtleiſtungen gaͤnzlich unter - laſſen hat; ſo proteſtire ich als Generalfiſcal Paͤpſtl. Heiligkeit und der apoſtoliſchen Kammer feſt und feier - lich gegen dieſe Unterlaſſung ꝛc. Von Seiten Nea - pels wurde eine Gegenproteſtation eingelegt. [Nieder - Elb. Magazin Auguſt 1788. S. 914. u. 979.] Auch erließ der Papſt unterm 9. Jul. 1788. ein Breve an den Koͤnig von Neapel mit der Aeuſſerung: daß wir eine Handlung hergeſtelt wuͤnſchen, die durch den Beſitz ſo vieler Jahrhunderte geheiligt, durch die heiligſten Bande garantirt, von den Vorfahren verlangt und mit einem Eide beſtaͤtigt und von Ew. Maj. ſelbſt durch die ruhige Beobachtung waͤhrend einer Reihe von Jahren anerkant worden iſt. A. a. O. October 1788. S. 1139. Dagegen fuͤhrte der Koͤnig von Neapel in dem Ant - wortſchreiben vom 20. Jul. an: Man weiß aus der Geſchichte, wie der heilige Stuhl damit [mit der Lehns -gerech -165und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.gerechtigkeit uͤber Neapel] den Anfang machte, ohne dies Reich ie beſeſſen, noch irgend ein Recht zu haben, die Souverains deſſelben einzuſetzen, da es durchs Recht der Eroberung bereits von ihnen beſeſſen ward. Man weiß wie der heilige Stuhl, da dieſe Souverainetaͤt ent - weder durch die Erbfolge oder durch Tapferkeit von einer Familie auf die andere kam, ſich des Rechts anmaaſſen wolte, ſie zu Lehn zu geben, und ſich das dominium directum, ohne es iemals in ſeiner Gewalt gehabt zu haben, vorzubehalten, indem er einen iaͤhrlichen Zins foderte und denenienigen ein Blatt Pappier gab, die durch das Voͤlkerrecht bereits fuͤr rechmaͤſſige und eigen - thuͤmliche Souverains deſſelben anerkant waren. Man weiß endlich wie der heilige Stuhl einmal aͤhnliche An - ſpruͤche an England, Sicilien, Sardinien, Schottland, Arragonien, ia ſogar an das roͤmiſch-teutſche Reich ſelbſt machte, und wie dieſe nachmals von ſelbſt ver - ſchwanden, ſo daß ihrer itzt nicht mehr gedacht wird. Wenn Ew. Heiligkeit nach Ihrer Redlichkeit und Auf - richtigkeit dieſes erwaͤgen; ſo werden Sie mit mir darinn uͤbereinſtimmen daß, was die Verſprechungen betrift, welche die Souverains dieſes Reichs von Zeit zu Zeit gemacht haben, daß ſie dem heil. Stuhle den Zins rei - chen und dasienige als von demſelben empfangen anſehn wolten, was ſie in der That doch nur in Worten em - pfangen hatten, dieſe Verſprechungen nur bloſſe Pacta waren, die in Geſetzen pacta ſine cauſſa genant werden, die, wenn ſie keine Verbindlichkeit in Anſehung von Pri - vatperſonen haben, noch viel weniger Fuͤrſten und Na - zionen verbinden koͤnnen, welche blos dem Voͤlkerrechte und der natuͤrlichen Billigkeit unterworfen ſind, die zur Guͤltigkeit eines ieden Contracts die wechſelſeitige wuͤrk - liche Praͤſtation der Contrahenten verlangt; und es hilft auch nichts, ſich auf einen Beſitz oder auf eine Praͤ - ſcription zu berufen, wenn es an einem gegruͤndetenL 3Rechte166Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenRechte fehlt, und wenn man weiß, daß das Principium fehlerhaft iſt und noch vielweniger, wenn von Sachen zwiſchen Souverains die Rede iſt, da die Veriaͤhrungen von den buͤrgerlichen Geſetzen blos eingefuͤhrt ſind, um die Ruhe der Privatleute zu unterhalten Uebrigens wird in dieſem Schreiben noch behauptet: daß bey der Uebergabe des Zelters keine feierliche Ceremonie und aͤuſ - ſerer Pomp noͤthig ſey, weil in den paͤpſtlichen Bullen beſonders Jul II. und Leo X. welche letztere nachher be - ſtaͤndig zur Norm gedient davon nichts enthalten ſey, die Fuͤrſten ſie auch niemals verſprochen haͤtten, wie ſie doch in Anſehung eines Artikels von ſolcher Wich - tigkeit ausdruͤcklich und mit Deutlichkeit, auch in beſtim - ten Worten haͤtten thun ſollen. Die Gewonheit ſey nach und nach, man wiſſe nicht wie, vielleicht aus Ceremo - nie und eitler Prachtliebe in vorigen Jahrhunderten ein - gefuͤhrt und in unſern Zeiten beibehalten worden. Und wenn auch der Koͤnig ſie ſelbſt in vorigen Jahren aus Convenienz beobachtet haͤtte, ſo glaube er doch nicht, ſich dadurch auf eine Art verbindlich gemacht zu haben, ſie fortſetzen zu muͤſſen, da es eine bloſſe Befugnis iſt, die niemanden vermoͤge ihrer eignen Natur zur eignen Beobachtung verbinden koͤnne. Aus einigen zufaͤlligen Worten, die nachher in etlichen Bullen gegen Kaiſer Karl VI. ꝛc. vorgekommen, ſey keine Abaͤnderung iener Bullen Leo X. ꝛc. zu folgern. Von paͤpſtlicher Seite erſchienen annoch uͤber dieſen Streit, iedoch blos als Privatſchrift, wovon der Car - dinal Stephan Borgia Verfaſſer ſeyn ſoll: Breve Iſtoria del dominio temporale della ſede apo - ſtolica nelle due Sicilie deſcritta in tre libri, Roma 1788. 4. Von Seiten Neapel: 1) Del preteſo dominio diretto della S. Sede in ragion feudale ſul reame di Napoli; e de vantati dirittidella167und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.della Camera apoſtolica di eſſigerne il cenſo e di eſſigerlo con iſtabilite ſollennitâ, in dichiarazione e dileyuazione delle propoſizione in ſu di ciò ſcorſe nelle ſcritture di Roma, Napoli 1789. 4. 2 ) Lettera a Monſignor Borgia nella quale gli ſi pro - pongono alcuni dubbj ſu di alcuni punti della di lui breve iſtoria, Roma 4. 3 ) Origine, progreſſi e ſine delle pontificie inveſtiture, Nap. 1789. 4. 4 ) Dimoſtrazione della falſità de’titali vantati di S. Sede ſulle Sicilie dell’Abbate Giuseppe Ceſtati Nap. Tom. I. 1789. 4. f, Deutſch. Gemeinnuͤtz. Magaz. 1789. 7. Stuͤck S. 301. Meuſels Litteratur der Statiſt. Leipz. 1790. 7. Hauptſt. 9. Abſch. S. 221. M. vergl. Io. Aug. Hier. Thalwitzer diff. de obligatione vtriusque Siciliae Regis tributum annuum ex nexu clientelari regni neapolitani cum eccleſia R. Pon - tifici R. more ſolito vlterius praeſtandi. Witteb. 1790. 4.
f]
g]Hier iſt naͤmlich die Rede von ganzen mit Oberherſchaft verſehenen lehnbaren Staaten. Bey einzelnen Guͤtern die zu dem Lande eines Volks gehoͤren und in dem Terri - torium liegen, die aber der Staat oder einzelne Landes - bewohuer von einem auswaͤrtigen Volke als Privatlehen empfangen, geben die Lehnbriefe ꝛc. zwar auch die vor - zuͤglichſte Norm, in zweifelhaften Faͤllen glaube ich iedoch, daß, wenn eine ſolche Verbindung einmal Statt findet, mehr auf die Lehnsvorſchriften des Oberlehnherrn als auf die Geſetze des Landes, worinnen das Lehn liegt, Ruͤck - ſicht zu nehmen ſey, weil dieſe fuͤr ienen nicht verbind - lich ſind, wohl aber der Vaſall die der Lehnsverbindung gemaͤſſen Einrichtungen des Lehnherrn annehmen muß, nur darf dabey allerdings nichts zu Schmaͤlerung der landesherrlichen Rechte verfuͤgt werden. Nach den po -L 4.ſitiven168Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenenſitiven Lehnsgeſetzen in Teutſchland nehmen indes die meiſten Rechtslehrer die gegenſeitige Meinung an. ſ. Gribner u. Struv. diſſ. de dominio directo in ter - ritorio alieno ed. Francke, Lipſ. 1743. 4.
g]
h]N. H. Gundling Sched. de iure oppignorati territo - rii ſecundum ius gentium et teutonicum, Hal. 1706. Viteb. et Lipſ. 1741. 4. vergl. Wolff I. G. c. IV. §. 481. ſeqq.
h]
i]Grotius L. III. c. 20. §. 60. M. vergl. Kipping comment. ſup. cit. de vſucapione iuris publici §. 183. 84. u. 88. Er meint die Veriaͤhrung laufe von der Zeit an, wenn der eine Theil einloͤſen, der andere es aber nicht zugeben wollen und iener ſich dabey beruhigt habe.
i]
k]Glaffey Voͤlkerrecht 7. Kap. §. 113. Grotius, [L. III. c. 20. §. 59.] Wolf und andere verſtatten iedoch die Zuruͤckbehaltung, wenn nicht ein anders be - dungen worden, wie es oͤfters geſchieht. In dem Pfandvertrage zwiſchen Frankreich und Genua wegen Corſica von 1768. Art. 4. heißt es z. B. bien-enten - du que les dites places ne ſeront comptables que des ſommes qui auront été employées en Corſe ſuivant la ſtipulation du premier traité etc.
k]
l]Wolff a. a. O. §. 491.
l]
m]In der von dem Kaiſerl. Koͤnigl. Miniſter der General - ſtaaten, wegen der bey Frankreich deponirten Haͤven Oſtende und Nieupoort, uͤbergebenen Erklaͤrung wird von den an dieſer Krone uͤberlaſſenen Gerechtſamen gemeldet: daß die Staatsverwaltung dieſer Plaͤtze in den Haͤnden derienigen Perſonen, die ſolche bisher beſorgt haͤtten ver - bleiben und die franzoͤſiſchen Commandanten nur die mi - litaͤriſche Direction haben, auch daruͤber den Eid der Treue der Oeſterreichiſchen Regierung ablegen ſolten und zwar auf eben den Fus, wie die hollaͤndiſchen Generals in den Grenzplaͤtzen zu thun gewohnt waͤren. Beitraͤge zur Staats - und Kriegsgeſch. 3. Band S. 126.
m]*] Es169und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
*]Es koͤnnen allerdings noch mehrere Arten des unvolkom - nen oder geteilten Eigenthums als Verpachtung, Nies - brauch ꝛc. Statt finden, die aber mehr unter Privatper - ſonen als ganzen Nazionen vorzukommen pflegen.
*]

§. 10. Rechte der Landesherrn in Teutſchland.

Teutſchland ſowohl im Ganzen, als deſſen einzelne Landesherrn wie nicht weniger andere mit Landeshoheit begabte Regenten richten ſich auch in allen dieſen vor - erwaͤhnten Verhaͤltniſſen gegen unabhaͤngige Nazionen lediglich nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts, in ſo ferne ihre uͤbrige Verbindung und Abhaͤngigkeit von dem hoͤhern Staate nicht beſondere Einſchraͤnkungen verlangen a].

Unter ſich haben aber die teutſchen Reichsſtaͤnde, bey denen die Gemeinheiten, Lehen, Pfandſchaften, Seqveſtrationen ꝛc. haͤufig vorkommen, auſſer den Nor - men der deshalb vorhandenen Vertraͤge allerdings zu - foͤrderſt die Geſetze des Staatsrechts und der in Teutſch - land aufgenommenen Lehn und anderer Privatrechte, und nur erſt, wo dieſe nicht entſcheiden die Vorſchrif - ten des Natur - und Voͤlkerrechts zu beobachten b].

a]Moſers auswaͤrtiges Staatsrecht 2. Buch 1. K. 4. B. 6. u. 17. K. S. 42. 300. u. 364. ff.
a]
b]Ebendeſſelben nachbarl. Staatsrecht 3. Buch und deſſen Tract. von der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen ꝛc. Frkf. u. Leipz. 1769. 4. A. J. Schnaubert Anfangsgr. des Staatsrechts der ge - ſamten Reichslande, Jena 1787. 8. 2. B. 5. Hptſt. S. 63. ff.
b]L 5*] Eine170Von den Landesgrenzen.
*]Eine beſondere Eigenthumstheilung, ſelbſt des nutzbaren, [dominii vtilis] findet, nach dieſen unter den Reichs - ſtaͤnden guͤltigen Lehnrechten, bey der ſogenanten geſam - ten Hand ſtatt, vermoͤge welcher abgeteilten Haͤuſern an den von der andern Linie beſeſſenen Lehnguͤtern, noch ein Recht auf kuͤnftige Faͤlle vorbehalten wird. Aehnliche Bewandnis hat es bey der Mitbelehnſchaft.
*]

Viertes Kapitel. Von den Landesgrenzen.

§. 1. Begrif der Landesgrenzen.

Der aͤuſſerſte durch gewiſſe Kenzeichen beſtimte Um - ris eines Landes von einem Ende zum andern macht deſſen Grenzen aus. Sie bezeichnen den Um - fang, welcher zum Eigenthum und zur Herſchaft eines ieden Volks gehoͤrt, und ſondern ihn von dem Terri - torium anderer Nazionen ab. So weit dieſe ſich aus - dehnen, ſo weit erſtrecken ſich in der Regel auch die Herſchaft und die Hoheitsgerechtſame des Volks. Wenn die letztern einer Nazion, durch ausdruͤckliche oder ſtilſchweigende Vertraͤge, uͤber die Grenzen ihres Eigenthums hinaus in andern Territorien zuſtehen; ſo werden deshalb beſondere Gerichts - Gleits - Forſt - Jagd - oder andere Grenzen errichtet. Grenzen, welche die Lande und Hoheit der Voͤlker von einander ſcheiden, werden oͤffentliche [fines publici] genant, im Gegen -ſatz171Von den Landesgrenzen.ſatz der Privatgrenzen [fines privati] wodurch das Eigenthum und die Gerechtſame einzelner Mitglieder des Staats bezeichnet werden b]. Ihre Beſtimmung iſt um ſo nothwendiger, ie bedenklichere Irrungen hierunter aus der Ungewisheit entſtehen koͤnnen c].

a]Lineae per extrema territoriorum ductae atque in ſe redeuntes fines eorundem dicuntur; particulae autem terrarum aquarumve, quae cujusvis reipublicae ſeu territorii extremae ſunt limites [Grenzorte, Grenz - zeichen] ejusdem audiunt. Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 1. §. 9.
a]
b]Da die Privatgrenzen zuweilen zugleich die Landesgren - zen ausmachen, ſo entſteht daraus eine Gattung vermiſch - ter Grenzen [fines mixti].
b]
c]Wolff I. C. c. III. §. 284.
c]
*]Die vorzuͤglichſten hiehergehoͤrigen Schriftſteller ſind: Io. Oettinger de iure et controverſiis limitum ac fini - bus regundis, Vlm. 1642. 4. noviſſ. Hanov. 1711. 8. Io. Lud. Nicolai diſſ. de iure terminorum et finium, Alt. 1676. 4. Franc. Rud. Mallinger diſſ. II. [die erſte ſub praeſ. Ulr. Marbachii] de terminis et illorum iure, Arg. 1700. et 1701. Iac. Brunnemann diſſ. de iure limitum provincialium, Hal. 1704. Io. Iod. Beck de iure limitum d. i. vom Rechte der Gren - zen und Markſteine, Nuͤrnb. 1722. u. oͤſt. 4. Chr. Aug. Menius diſſ. de finibus territorii, Lipſ. 1740.
*]
**]Von den Grenzbarrieren ſoll weiter unten gehandelt werden.
**]
§. 2.172Von den Landesgrenzen.

§. 2. Verſchiedene Gattungen der Landes - grenzen.

Die Grenzen des Landes ſind entweder ſolche, wo die Natur ſelbſt die Unterſcheidungszeichen an die Hand giebt, welche die Nazionen zur Richtſchnur annehmen, und heiſſen natuͤrliche [limites naturales, occupatorii] oder ſolche, welche durch Kunſt und menſchlichen Fleis aufgerichtet werden, kuͤnſtliche [artificiales]. Eine dritte Gattung, welche durch Beſtimmung abgemeſſe - ner Rechte in Vertraͤgen feſtgeſetzt werden, heiſſen po - litiſche Grenzen [politici, menſurati] a]. Dieienigen Territorien, welche natuͤrliche Grenzen haben, werden vom Grotius b] territoria arcifinia, die beiden andern hingegen limitata genant c].

a]Ickſtatt L. III. c. 1. §. 17. ff. Schrodt P. 2. c. 1. §. 25. 26.
a]
b]L. II. c. 3. §. 16.
b]
c]In dem niederlaͤndiſchen Grenzvergleiche zwiſchen Frank - reich und Oeſtreich vom 16. May 1769. wurde Art. 13. verglichen: Le Roi très-Chretien cède en équivalent à l’Impératrice-Reine Apoſtolique le Bourg, terre et Seigneurie de Neuve-Egliſe, de même que le village et la terre de Dranontre avec leurs depen - dances ainſi que cinq cents ſoixante dix meſures de la paroiſſe de Nieppe vers la partie elle eſt contigue à la Châtellenie de Warneton; le tout neanmoins ſous la reſerve expreſſe, et a condition que ces ceſſions ſeront et demeureront limitées de manière que le territoire Autrichien n’approchera dans aucun point plus près que de dix toiſes du grand chemin de Lille à Dunkerque etc. Moſers Verſuch 5. Th. S. 266.
c]
§. 3.173Von den Landesgrenzen.

§. 3. Natuͤrliche.

Zu den natuͤrlichen Grenzen gehoͤren alle Arten Ge - waͤſſer, Meere, Fluͤſſe, Baͤche, Teiche ꝛc. Thaͤler, Waͤlder, wuͤſte Plaͤtze und dergleichen von der Natur hervorge - brachte nicht leicht aufzuhebende Kennzeichen; welche daher, wo es moͤglich, allen andern Grenzzeichen vor - gezogen zu werden pflegen. Es finden ſich haͤufige Bei - ſpiele faſt aller dieſer Gattungen unter den Voͤlkern in Europa.

*]So macht von Meeren das Atlantiſche die Grenze Portugals nach Suͤden und Weſten, von Spanien gegen Norden und Weſten, ſo wie von Grosbritannien gegen Weſten; die Oſtſee nebſt dem groſſen und kleinen Belt die Grenzen Daͤnemarks gegen Oſten; die Nordſee die Grenzen von Grosbritannien gegen Oſten, von den Ver - einigten Niederlanden gegen Norden und Weſten, und von Daͤnemark gegen Weſten. Zwiſchen Rußland und der Pforte wurde in dem Ver - trage von 1773. Art. 2. feſtgeſetzt: que la Dwina ſera la limite naturelle entre les deux états. Die Donau wird zur Grenze angenommen zwiſchen der Pforte und Oeſterreich im Belgrader Frieden 1739. Art. 3. Der Fluß Kuban ſoll die Grenze zwiſchen Rußland und der Pforte machen. Friede von 1784. Art. 3. In dem Schleſiſchen Grenzvertrage zwiſchen Preuſſen und Oeſterreich vom 6. Decbr. 1742. [Wenck C. I. G. T. I. S. 748. ff. ] heißt es: Die nunmehrige Graͤnze zwiſchen Maͤhren und Schleſien wird durch einen eignen Graben, das Grenzwaͤſſerlein genant, bis an das bald unten beruͤhrende Pfaffenbaͤchlein ebenfals ganz deutlich unterſchieden. Auch kommen von Grenzteichen darinn verſchiedene Beiſpiele vor. Der174Von den Landesgrenzen.Der Friedens - und Grenzvertrag zwiſchen Portugal und Spanien von 1777. Art. 6. enthaͤlt: on préſcrira les bornes ſures et évidentes aux Vaſſaux pour que chaque nation ſache les limites C’eſt à cet effet qu’on choiſira des lais et des fleuves qui puiſſent ſervir de bornes fixes et inalterables et à leur defaut les montagnes les plus hautes, lesquels du pied jus - qu’au ſommet ſeront regardées comme des bornes n’appartenantes à perſonne. de Martens Recueil T. 1. p. 639. Die Pyrenaͤiſchen Gebuͤrge ſind gegen Oſten die Grenze Spaniens nach dem Pyren. Frieden zwiſchen Spanien und Frankreich 1659. Art. 42. und den dar - auf erfolgten Vertrage von 1660. Die Alpen ſcheiden Frankreich von Italien. Auch iſt im Paſſarowitzer Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte 1718. Art. 1. verabredet: Provinciarum Moldaviae et Vala - chiae partim Poloniae partim Tranſylvaniae limitibus conterminae interiacentibus vt ab antiquo montibus diſtinguantur et ſeparentur. Wuͤſtungen ſind verſchiedentlich gegen die Pforte zu Grenzen bedungen worden; z. B. nach dem Belgrader Frieden zwiſchen Rußland und der Pforte von 1739. Art. 3. ſoll die Feſtung Azoph geſchleift und der wuͤſte Platz zur Barriere zwiſchen beiden Reichen dienen. M. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 389. In dem neuſten Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte vom 4. Aug. 1791. wird eine kleine Ebene, die dem Fort der Inſel Orſowa gegen uͤber liegt, zur Grenze ange - nommen und dabey feſtgeſetzt: elle reſtera pour tou - jours dans le ſens le plus ſtrict neutre entre les deux dominations, c’eſt à dire que la Souveraineté n’en appartiendra ni à l’vn, ni à l’autre et les parties contractantes ſ’engagent à laiſſer la ditte plaine ab - ſolument deſerte ſans jamais permettre à perſonne d’ybâtir,175Von den Landesgrenzen.bâtir, d’y demeurer ni d’y exercer la culture. Polit. Journ. Septbr. 1791. S. 952. Eine aͤhn - liche Grenze ſuchten die vermittelnden Hoͤfe zwiſchen Ruß - land und der Pforte zu erlangen. Ebendaſ. Auguſt S. 888.
*]

§. 4. Kuͤnſtliche Grenzen.

Dahin ſind zu rechnen die durch menſchlichen Fleis gemachten Landgraben und Wehre, aufgeworfene Hau - fen, Steine, hoͤlzerne Saͤulen, gezeichnete Baͤume a] und dergleichen. Sie werden meiſtens nur in Erman - gelung der natuͤrlichen Grenzzeichen gewaͤhlt b] und ſind faſt in allen Grenzvertraͤgen anzutreffen c].

a]Landſtraffen und Baͤume rechnen einige, wegen Unver - aͤnderlichkeit, beſonders der erſtern, zu den natuͤrlichen Grenzzeichen, die Feldwege hingegen zu den kuͤnſtlichen. M. ſ. Moſers Tr. von der Reichsſtaͤnde Landen S. 14. Wenn man unter Baͤume ganze Waͤlder verſteht, lieſſe ſich dies wohl behaupten, ſonſt glaube ich, daß einzelne Baͤume, weil ſie, wie andere hoͤlzerne Saͤulen, gewoͤn - lich noch bezeichnet werden muͤſſen, mehr zu den kuͤnſt - lichen zu zaͤhlen ſeyn duͤrften. Einige nehmen, nicht ohne Grund, noch eine Gattung vermiſchter Grenzzei - chen [limites mixtos] an, die theils durch die Natur, theils durch die Kunſt bewerkſtelligt ſind. Mollinger diſſ. cit. I. th. 7.
a]
b]Doch werden auch den natuͤrlichen zuweilen noch kuͤnſt - liche beigeſetzt, und dieſe kann man denn auch ver - miſchte nennen. Zwiſchen Oeſterreich und Preuſſen in Schleſien machen nach dem vorangefuͤhrten Grenzver - trage von 1742, zwar die Oder und verſchiedene andere Fluͤſſe die Grenze, indes wurde zugleich beliebt - an denOrten,176Von den Landesgrenzen.Orten, wo ein Fluß die Grenze macht, die Stationes allemal mit zwey Saͤulen dies - und ienſeits zu bemerken. Auch bei Baͤumen wurde mehrenteils noch eine Saͤule hinzugefuͤgt. In dem Grenzvertrage zwiſchen Rußland und Polen 1781. Art. 4. wurde ebenfals feſtgeſetzt: An den Ufern der die Grenze beſtimmenden Fluͤſſe iſt ſelbige durch numerirte und mit dem Wapen der reſpe - ctiven Reiche gemerkte Grenzpfaͤhle bezeichnet.
b]
c]Um nur einige Beiſpiele anzufuͤhren, ſo wurden im Carlowitzer Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte 1699. Art. 5. beiden Theilen gewiſſe Beſitzungen wie - der zuruͤck gegeben ea conditione vt Commiſſarii vtrin - que mox deputandi diſtrictus atque territoria ſingula - tim deductis particularibus lineis ſeparantes per foſſas, lapides, palos aut alia quacunque ratione ad evi - tandam confuſionem poſita ſigna ſegregent atque di - ſtinguant. Nach dem Grenzvergleiche zwiſchen Daͤne - mark und Schweden von 1751. ſollen die verglichenen Grenzen mit Grenzmalen beſetzt werden. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 133. Zwiſchen Vene - dig und Oeſterreich wurde 1776. feſtgeſetzt, die Grenzen der Morlachie durch Steine zu bezeichnen, damit es daruͤber keine Streitigkeit mehr geben koͤnne. Moſers Verſuch 5. Th. S. 313.
c]
*]M. vergl. Henr. Hildebrand diſſ. de diverſitate lapi - dum finalium eorumque iure, Alt. 1710. Io. Phil. Streit diſſ. de iure lapidum terminalium, Erf. 1716.
*]

§. 5. Geſchloſſenes Territorium und einge - ſchloſſene Lande.

Alles, was innerhalb dieſer Grenzlinien ſich befin - det, iſt in der Regel als zum Eigenthum einer undeben -177Von den Landesgrenzen.ebenderſelben Nazion gehoͤrig und ihrer Herſchaft unter - worfen anzuſehn a]; wenn ein anderes Volk nicht er - weiſen kann, daß ihm irgend ein Stuͤck davon mit dem Rechte der Unabhaͤngigkeit zuſtehe b]. Iſt der ganze Inbegrif wuͤrklich nur einer Oberherſchaft unterworfen, ſo nent man es ein geſchloſſenes Territorium [terri - torium clauſum] c] befindet ſich aber innerhalb der Grenzen noch ein anderer unabhaͤngiger Landesbezirk, ſo iſt dieſer ein eingeſchloſſenes Territorium d]. Der Urſprung und Grund der letztern kann mannichfaltig ſeyn, ſetzt aber gemeiniglich abgeleitete Erwerbsarten voraus e]. Unter den Voͤlkern in Europa finden ſich einige ſolche eingeſchloſſene Lande f], noch haͤufiger aber ſind ſie unter den teutſchen Reichsſtaͤnden anzutreffen.

a]Quicquid intra fines territorii ſitum eſt, id omne genti ſeu populo proprium et dominio ejus reſpectu ſaltem gentium vicinarum accenſendum. Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 1. Coroll. ad §. 10. Bey den Nazionen in Europa leidet dieſe Regel weniger Abfall, als bey den Reichsſtaͤnden in Teutſchland, weil es bey ienen, keinen zuſammenhangenden Staat ausmachenden Reichen, ſchwerer moͤglich iſt, daß ein unabhaͤngiges Land innerhalb der Grenzen ſich bilde; es muͤſte ein ſol - ches Territorium denn, wie es nicht ſelten der Fall iſt, aus mehrern kleinen ſouverainen Landen entſtanden ſeyn und eins oder das andere davon ſeine Freiheit erhalten haben; welches aber allemal erſt zu erweiſen iſt.
a]
b]Von ſolchen Landen, welche ein Volk in des andern Gebiete als Privateigenthum ohne Oberherſchaft beſitzt, iſt hier die Rede nicht, auch nicht von dem obengedach - ten Gemeineigenthum zwiſchen mehrern Nazionen oder von einzelnen Rechten in eines andern Territorium ſon - dern blos von Landen, welche mit ausſchließlichen Eigen - thum und ganzen Umfang der Oberherſchaft von einem Volke beſeſſen aber von dem Gebiete eines andernGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. MVolks178Von den Landesgrenzen.Volks umgeben werden und innerhalb deſſen Grenzen liegen.
b]
c]M. vergl. Henr. Hildebrand diſſ. de territorio clauſo et non clauſo ſive mixto. Alt. 1715.
c]
d]Moſers Grundſaͤtze des Europ. V. R. in Friedzeit. 4. B. 6. Kap. S. 361. ff.
d]
e]Wolff I. G. c. III. §. 322. u. 23. nimmt einen beſon - dern Fall der urſpruͤnglichen Erwerbung eines ſolchen eingeſchloſſenen Territoriums an, naͤmlich: ſi gens quaedam in regione quadam vacua occupet certa loca et iura, poſtea vero alia integram regionem, loca iſta et iura manent gentis quae prior occupauit, cum quoad dominium tum quoad imperium nec quicquam iuris in ea competit genti alteri ac per con - ſequens loca non ſunt de territorio gentis alterius, eadem vero pati tenetur vt illa intra territorium ſuum iura ſibi competentia pro lubitu exerceat et de iisdem diſponat.
e]
f]So beſitzen Frankreich innerhalb der Grenzen Teutſch - lands die Feſtung Landau und verſchiedene teutſche Reichs - ſtaͤnde ihre Guͤter im franzoͤſiſchen Gebiete. Die paͤpſt - lichen Lande Avignon und Venaiſſin liegen in Frankreich, und die Republik San Marino iſt ganz von paͤpſtlichen Landen umgeben. M. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 53. u. 164. ff.
f]

§. 6. Zubehoͤrungen eines Landes.

Wenn die Grenzlinien eines Landes nicht genau genug beſtimt und die Territorialſtuͤcke benachbarter Staaten ſehr unter einander gemiſcht ſind, ſo iſt die Eroͤrterung der Frage: was zu dieſem oder ienem Ter - ritorium eigentlich gehoͤre? oft nicht geringen Schwie -rigkeiten179Von den Landesgrenzen.rigkeiten und Weiterungen ausgeſetzt a]. Dieſer Unter - ſuchungsfall trift hauptſaͤchlich alsdann ein, wenn ein ſolches Land etwa an ein anderes Volk abgetreten wird; wovon wir in der europaͤiſchen Staatengeſchichte merk - wuͤrdige Beiſpiele haben. Dahin gehoͤren unter andern die Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und Grosbritan - nien wegen des Landes Acadien b] und die franzoͤſiſchen Reunionskammern in Abſicht der von Teutſchland er - haltenen Provinzen c]. Es finden hier die naͤmlichen Beweiſe Statt, welche unten bey den Grenzſtreitigkei - ten uͤberhaupt vorkommen werden. Ein guͤtlicher Ver - gleich giebt am Ende die beſte Entſcheidung.

a]Spanien beſchwerte ſich z. B. uͤber Grosbritannien in dem Kriegsmanifeſt von 1739. daß letztere Krone, ob ihr gleich die Feſtung Gibraltar ohn einiges Territorium abgetreten worden, ſich dennoch alles zueignen wolle, wohin ein Canonenſchus reichen koͤnne. Moſers Ver - ſuch 5. Th. S. 29.
a]
b]Im Utrechter Frieden 1713. trat Frankreich an Gros - britannien unter andern Art. 12. ab: Novam Scotiam quoque ſive Acadiam totam limitibus ſuis antiquis comprehenſam, vt et Portus Regii vrbem nunc An - napolin Regiam dictam, caeteraque omnia in iſtis regionibus quae ab iisdem terris et inſulis pendent etc. Hieraus machte Grosbritannien in der Folge auf eine Menge Laͤnder Anſpruch welche Frankreich unter iener Abtretung gar nicht begriffen wiſſen wolte. Es ſetzte dieſen Anforderungen daher unter andern entgegen: Les mots de limitibus et de comprehenſam n’ont jamais été placés nulle part pour donner de l’exten - ſion. La phraſe [vt et] que eitent les Com - miſſaires Anglois, ne donne aucune extenſion à la ceſſion et ne peut pas opérer ſans le dire, et par une vertu ſecrete, que ce qui n’étoit pas Acadie avant le traité, ſoit devenu Acadie après le traité;M 2ni180Von den Landesgrenzen.ni que les pays circonvoiſins ou les confins de l’Aca - die, en ſoient devenus des dependences; ni que l’acceſſoire ſoit ſix ou huit fais plus conſidérable que le principal Iamais on ne prouvera, que par les apparténances et les dependances d’un pays, on doive entendre ceux qui en ſont voiſins. Proximité et dependance ſont deux idées differentes, diſtinctes: leur confuſion entraineroit celle des limites de tous les états. Memoires des Commiſſaires de S. M. très-Chretienne etc. beſonders Tom. I. P. 1. p. 54. 62. 183. ff. M. vergl. D. G. Struben von den zwiſchen den Kronen Frankreich und Grosbritannien ent - ſtandenen Streitigkeiten uͤber die Grenzen des Landes Akadien in Nordamerika; in den Nebenſtunden 5. Th. n. 42. S. 478. ff. Der hieruͤber nachher 1756. ent - ſtandene Krieg und darauf erfolgte Friede ſind bekant. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 222. ff.
b]
c]Daher, daß der Krone Frankreich im Muͤnſteriſchen Frieden 1648. Art. 11. §. 70. von Teutſchland abge - treten wurden: ſupremum dominium, iura ſuperiori - tatis aliaque omnia in Epiſcopatus Metenſem, Tul - lenſem et Viradunenſem, vrbesque cognomines eo - rumque Epiſcopatuum diſtrictus etc. nahm erſtere Krone durch die errichteten ſogenanten Reunionskammern in der Folge Gelegenheit, dem teutſchen Reiche eine Menge Lehn und andere Guͤter, die dem Vorgeben nach, ehemals zu erwaͤhnten Bisthuͤmern gehoͤrt haben ſolten, zu entziehn und an ſich zu reiſſen. M. ſ. Rechtmaͤſſi - ge und politiſche Vorſtellung des Reunions - und Dependenzenrechts, Kraft deſſen die Krone Frankreich nicht allein im Elſas, ſondern auch am Rhein und an - derswo viele Staͤnde des roͤmiſchen Reichs demſelben zu entziehn und nach Ausſpruch der Kammer zu Metz mit ſich als ex poſtliminio ſelbige zu incorporiren getrachtet;wie181Von den Landesgrenzen.wie weit ſolcher titulus aus den Rechten zu erweiſen und zu billigen ſey? 1687. 4.
c]
*]Sam. Stryck diſſ. de probatione pertinentiarum, Frcf. ad Viadr. 1688. 4. Henr. Engelbrecht diſſ. de reunione pertinentiarum, Helmſt. 1715. 4. J. J. Moſer von der geographiſchen Staatsklugheit bey Schlieſſung der Tractaten; in deſſen vermiſchten Ab - handl. aus dem Europ. V. R. Frkf. 1756. 8. S. 264.
*]

§. 7. Eigenthum der Grenzorte.

Sind aber auch die Grenzen durch Gewaͤſſer, Berge, Landſtraſſen ꝛc. an ſich hinlaͤnglich bezeichnet; ſo ent - ſteht doch zuweilen Zweifel: wem das Eigenthum daran zugehoͤre? Iſt daruͤber kein beſonderes Einver - ſtaͤndnis vorhanden; ſo gehoͤrt, wegen Gleichheit der Rechte, wie ſchon oben [1. Kap. 1. Abſchn. §. 14.] bemerkt worden, iedem Volke die Haͤlfte davon a]. In dieſer Maaſſe vergleicht man ſich auch in den mei - ſten Grenzvertraͤgen b]. Nur zuweilen wird hiervon eine Ausnahme gemacht, und das Eigenthum entwe - der einem Volke allein zugeſtanden c] oder die Grenz - linie gar neutral gelaſſen d], ſo daß keinem das Eigen - thum gehoͤrt. Bey neuabgetretenen Landen kan man ſich mitunter daruͤber nicht vereinigen: wem die im Vertrage genanten Grenzorte zugehoͤren ſollen? Dies kann aber, wenn der Buchſtabe des Vertrages nicht deutlich genug iſt, blos durch anderweite Uebereinkunft beſtimt werden e], und iſt die eigenmaͤchtige Weg - nahme der ſtreitigen Grenzorte keinesweges erlaubt f].

M 3a] Bey182Von den Landesgrenzen.
a]Bey Grenzbaͤumen nimt man gemeiniglich dieſe Regel an: Wenn der Baum auf beiden Seiten mit den ver - ſchiedenen Merkzeichen der daran ſtoſſenden Staaten be - zeichnet iſt; ſo gehoͤrt er beiden gemeinſchaftlich: hat er nur auf einer Seite ein Grenzzeichen, ſo gehoͤrt er dem, auf deſſen Seite er gezeichnet iſt. Menius diſſ. cit. de finibus territorii §. 20.
a]
b]Auſſer den ſchon oberwaͤhnten Faͤllen lieſſe ſich dieſes Herkommen noch durch eine unzaͤhlige Menge Beiſpiele von allen Nazionen erweiſen. Ich will nur noch einige wenige anfuͤhren. Die Oder macht die Grenze zwiſchen Preuſſen und Oeſterreich in Schleſien, und es heißt in dem Grenzvertrage vom 6. December 1742. deshalb: Gleichwie nunmehro die Mitte von dem Oberflus auf beiden Seiten die oberſchleſiſche Landesgrenze con - ſtituiret ꝛc. Im Wormſer Vertrage von 1743. wurde zwiſchen Sardinien und Oeſterreich beliebt: que le Theſſin formera à l’avenir au milieu de ſon courant la ſepa - ration et les limites des états reſpectifs. Moſers Verſuch 5. Th. S. 43. Im Aboer Frieden zwiſchen Rußland und Schweden 1743. Art. 7. l’on eſt ex - preſſément convenu, que tous les fleuves et ruiſſaux qui ſepareront les royaumes, ſeront auſſi partagés en eux mêmes. Wegen der Schelde zwiſchen Frank - reich und den Vereinigten Niederlanden iſt in dem Grenz - vertrage 1769. Art. 7. feſtgeſetzt: Le milieu de la rivière de l’Escaut ſera la ſeparation des deux domi - nations. Moſers Verſuch. 5. Th. S. 264. Einer beſondern Uebereinkunft hierunter gedenkt Mollinger a. a. O. [diſſ. I. th. 7.] nach welcher zwiſchen der Stadt Strasburg und Kehl: der Ort, da das meh - rere Theil Waſſer abhinlauft, oder wo der tieffeſt und groͤſſeſt Rhein iſt ꝛc. eine Grenzſcheidung macht.
b]
c]Daß die Netze bei der Theilung von Polen 1773. ganz an Preuſſen uͤberlaſſen worden, habe ich ſchon angefuͤhrt. In183Von den Landesgrenzen.In einer polniſchen Note bey den desfals entſtandenen Streitigkeiten hies es: C’eſt une exception faite en faveur de la cour de Berlin, du droit coutumier des nations. La propriété, l’uſufruit, la pêche, la navigation ne ſont pas partages comme de coutume entre les deux pays limitrophes. Moſers Beitraͤge in Frzeit. 5. Th. S. 237. So iſt auch in dem Grenz - vertrage zwiſchen Frankreich und Genf 1749. vergli - chen: que dans tous les endroits, les limites du territoire de Geneve ſe trouveront bornées par les grands chemins, ces grands chemins ſeront toujours à l’avenir ſous la ſouverainété de la Couronne de France et conſéquemment ſoumis à la jurisdiction de ſes officiers. Moſers Verſuch 5. Th. S. 229.
c]
d]Dergleichen neutraler Grenzorte habe ich auch ſchon gedacht. Es gehoͤrt unter andern hieher noch der Frie - dens - und Grenzvertrag zwiſchen Portugal und Spanien wegen der amerikaniſchen Beſitzungen von 1777. Art. 5. u. 6. wo es heißt: on reſervera entre les territoires des deux couronnes les marais de Menin et les langues de terre ſans qu’aucune des deux nations les occupe, ils ſerviront ſeulement de ſeparation und Art. 6. il reſtera encore reſervé un espace de terrein de ſorte que cet espace de terrein n’ap - partiendra ni à l’un ni à l’autre etc. de Martens Recueil T. I. p. 638. Zuweilen bleiben gewiſſe Grenzorte nur eine Zeitlang neutral, bis man ſich uͤber das Eigenthum vergleichen kann, wie z. B. der ſoge - nante Pamela-Sand zwiſchen Rußland und Schweden nach dem Aboer Frieden. Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 282. ff.
d]
e]Dieſe Zweifel ereigneten ſich unter andern bey den pol - niſchen Abtretungen 1773. zwiſchen Polen und Oeſter - reich. Polniſcher Seits wurde in einer Note ganz rich - tig bemerkt: comme les mots du traité portent, queM 4les184Von den Landesgrenzen.les limites des deux états ſeront, formées ſur la rive droite de la Viſtule depuis la Sileſie jusqu’au dela de Sendomir ces mots laiſſent une indeten - mination viſible qui a indispenſablement beſoin d’être remediée, en marquant préciſément l’endroit jus - qu’où les limites Autrichiennes doivent ſ’étendre; welches auch nachher erfolgte. Uebrigens behauptete Oeſterreich bey eben dieſer Gelegenheit: que les places deſignées pour former la frontière devoient appar - tenir à la puiſſance en faveur de la quelle ſe faiſoit la ceſſion. Moſers Verſuch 5. Th. S. 285. und 308. Mir ſcheint indes die Meinung der franzoͤſiſchen Commiſſarien in dem Memoire vom 4. Oct. 1751. in den Grenzſtreitigkeiten mit Grosbritannien uͤber Akadien richtiger zu ſeyn, daß man eher zu Gunſten des abtre - tenden entſcheiden muͤſſe. Il n’a jamais été queſtion, heißt es daſelbſt, en fait des ceſſions de l’intention du ceſſionaire, mais uniquement de celle du cedant [welches iedoch einige Einſchraͤnkung leiden duͤrfte] et de ce qui eſt exprimé dans l’acte de ceſſion; la loi doit même naturellement ſ’interpréter pour celui qui cède contre celui qui recoit, ſuppoſé qu’il y ait dans l’acte de ceſſion quelque expreſſion douteuſe, Memoires des Commiſſaires etc. T. I. P. 1. p. 196.
e]
f]Auf dieſe Art wurde die Venetianiſche Garniſon aus Zunigradt, auf den Grenzen von Dalmatien, von den kaiſerlichen Voͤlkern vertrieben und der Ort von dieſen, unter der Behauptung eingenommen, daß er zu Croatien gehoͤre; woruͤber heftige Streitigkeiten zwiſchen beiden Staaten ent - ſtanden. Monathl. Staatsſpiegel Jul. 1699. S. 105.
f]

§. 8. Grenzſtreitigkeiten.

Aus den Irrungen, welche die Unrichtigkeit und Unbeſtimtheit der Grenzen uͤberhaupt oder die Dunkel -heit185Von den Landesgrenzen.heit der daruͤber errichteten Vertraͤge nothwendig veran - laſſen muͤſſen, entſtehen oft die heftigſten Streitigkeiten unter den Nazionen, die, wenn ſie in Guͤte nicht ver - glichen werden koͤnnen, zuweilen in Thaͤtlichkeiten und wohl gar am Ende in Krieg ausſchlagen, wie dies 1555. wegen der Finniſchen Grenzen zwiſchen Rußland und Schweden, 1756. wegen der Grenzen Akadiens zwiſchen Grosbritannien und Frankreich und 1776. zwiſchen Spanien und Portugal wegen der Grenzirrun - gen in Braſilien der Fall war.

§. 9. Grenzcommiſſionen.

Die guͤtliche Beilegung der Grenzirrungen, ſie moͤgen bey alten Beſitzungen oder neuabgetretenen Lan - den ſich hervorthun, geſchieht gemeiniglich durch Er - nennung gewiſſer Perſonen von beiden Theilen, welche man Grenzcommiſſarien nennt a]. Dieſe pflegen ge - meinſchaftlich durch Beaugenſcheinigung an Ort und Stelle b] die erfoderlichen Unterſuchungen der ſtreitigen Gegend ſowohl, als der beiderſeitigen Gruͤnde vorzu - nehmen, auch wohl, bis auf hoͤhere Genehmigung ſich eines gewiſſen zu vergleichen, dem gemaͤs der Grenzzug und die Bezeichnung entweder ſogleich, oder in der Folge bewerkſtelliget wird c]. Es haͤngt von iedem Volks Wilkuͤhr ab, welcher Perſonen, wenn ſie nur ſachkundige Maͤnner ſind, er ſich hierzu bedienen will, wenn nicht daruͤber etwas bereits feſtgeſetzt iſt d].

a]Dergleichen Vereinigungen zu Abſendung gewiſſer Grenz - commiſſionen kommen ſo haͤufig vor, daß ich nur einige, die ich zuerſt auffinde, anfuͤhren will. Im Wiener Frieden zwiſchen dem Kaiſer und Frankreich von 1735. Art. 7. wurde beliebt: Il ſera nommé des Commiſ -M 5ſaires186Von den Landesgrenzen.ſaires de part et d’autre pour regler entre S. M. Imperiale et S. M. Très-Chretienne les details des limites d’Alſace et des Pays-Bas conformement aux traités précedens nommément celui de Bade. M. vergl. Def. Frieden von 1738. Art. 14. Zwiſchen Grosbritannien und Frankreich ſetzt der Definitiv Friede von 1783. Art. 11. feſt: Pour prevenir toute diſcuſ - ſion dans cette partie du monde les deux hautes par - ties contractantes nommeront dans trois mois après l’échange des ratifications du préſent traité des Com - miſſaires, lesquels ſeront chargés de determiner et fixer les bornes des poſſeſſions reſpectifs. In den Theilungsvertraͤgen zwiſchen Polen und Preuſſen ꝛc. 1773. iſt auch wegen der kuͤnftig entſtehenden Grenz - irrungen verglichen: S’il ſ’élévoit encore à l’avenir des difputes entre les deux états ou leurs ſujets par rapport aux limites, on nommera des Commiſſaires de part et d’autre, qui tacheront d’accommoder ces differends à l’amiable. Moſers Verſuch 5. Th. S. 95. u. 101.
a]
b]Preuſſen und Oeſterreich wolten, nach den bekanten Er - werbungen von Polen 1773. anfangs nichts von Unter - ſuchung der Grenzen auf dem Platze hoͤren, ſondern uͤber - gaben eine ſelbſtgefertigte Charte, und verlangten, daß die ernanten Commiſſarien darnach die Grenzen reguliren ſolten. In der Note des Oeſterreichiſchen Geſandten hieß es: Le Souſſigné croit ne pouvoir mieux accelerer l’ouvrage de l’arrangement des frontières qu’en communiquant la Carte cijointe, dans laquelle les limites deſignées ſont en tout conformes au 2. Article du traité de ceſſion il ſe croit autoriſé à demander, que les inſtructions des Commiſſaires de la republique y ſoient pareillement conformes afin que ceux-ci, inſtruits d’avance de la juſteſſe des limites, reconnue par l’illuſtre Delegation,n’aient187Von den Landesgrenzen.n’aient pour tout ouvrage, qu’à verifier et conſtater ſur les lieux la conformité de la poſition des aigles imperiales avec la Carte, qui leur doit ſervir de regle; au moyen de quoi l’operation longue et penible des Commiſſaires, n’étant point arrétée par l’attente des inſtructions particulières, ſe trouvera notablement abregée et ſera terminée avant la fin de la belle ſaiſon. Dagegen erregte man aber polniſcher Seits nicht geringe Schwierigkeiten und Einwendungen gegen die Richtigkeit und Zulaͤſſigkeit dieſer Charten. De tout ceci, aͤuſſerte man unter andern, il apparoit, que cette Carte ne peut pas être admiſe pour fonde - ment réel des limites des deux états. Mais de plus il eſt à remarquer, que dans le traité il a été convenu, qu’on nommera de part et d’autre des Commiſſaires, pour faire dreſſer ſur les lieux une Carte exacte des limites reſpectives, parcequ’on a ſenti et reconnu, en faiſant le traité qu’il falloit recueillir des nations ſur le local, ſur les demarcations les plus anciennes des frontières, pour eviter le melange inſeparable d’inconveniens de la ſuperiorité territoriale de l’un ou de l’autre état. Preuſſen machte aͤhnliche Foderun - gen. Es erklaͤrte: La Carte, que S. M. le Roi de Pruſſe à fait lever, eſt entierement conforme au vrai ſens du traité du 18. Septembre 1773. Elle doit donc avec juſtice être priſe pour règle dans la De - marcation qu’on ſe propoſe de faire. Allein Polen entgegnete: que ce ſeroit manquer le but d’une Com - miſſion de frontière, ſi, au lieu de dreſſer de nou - velles cartes, ainſi que le traité l’ordonne expreſſé - ment, on ſe bornoit à recommencer les conteſtations ſur le plan de demarcation levé unilatér alement et ſur des principes, qui ne ſont rien moins qu’incon - teſtables Nous ne connoiſſons d’autre règle de nos operations communes que le traité même; etnous188Von den Landesgrenzen.nous ne conſentirons jamais à lui ſubſtituer une Carte geographique inexacte à tous égards et dont la cor - rection demanderoit plus de tems, de travail et de diſcuſſions qu’il n’en couteroit pour en dreſſer une nouvelle, conformement au 2. Article du traité en queſtion. Endlich muſte Preuſſen nachgeben und die dieſſeitigen Commiſſarien verſicherten: que nous ne ferons aucune difficulté de concourir à faire lever une Carte geographique commune ſur les limites dont on ſera convenu de part et d’autre. Moſers Ver - ſuch 5. Th. S, 283. ff. u. Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 216. ff. vergl. Neuſte Staatsbegeben - heiten von 1775. S. 237. u. 293. In dem polniſchen Kriegsmanifeſt gegen Schweden von 1700. wurde als eine Beſchwerde auch die einſeitige Grenzbeſtimmung von Seiten Schwedens angefuͤhrt: imminutis Regni terminis, heißt es darinn, pro ſuo arbitrio in ſummum Reipublicae contemptum, non requiſitis neque exſpectatis Commiſſariis Regni Polo - niae, limites determinauit, ſigna metalia poſuit etc. Lamberty Memoires Tom. I. p. 76.
b]
c]Der Friedens - und Grenzvertrag zwiſchen Spanien und Portugal wegen der amerikaniſchen Beſitzungen von 1777. Art. 15. lautet dahin: Afin de fixer avec d’autant plus d’exactitude les limites propoſées par ce traité et pour les déterminer de façon, qu’il ne reſte plus à l’avenir le moindre doute ſur les endroits que traverſera la ligne et qui ſeront tous ſcrupuleuſe - ment detaillés par un traité deſinitif, L. M. Très-Fi - dele et Catholique nommeront des Commiſſaires ou authoriſeront les Gouverneurs des provinces, à ſe rendre en perſonne aux endroits determinés pour la demarcation, ou à y envoyer des gens d’une probité et intelligence reconnues, qui connoiſſent parſaite - ment le pays, pour en marquer les frontières con -formément189Von den Landesgrenzen.formément aux articles du préſent traité et faire enſuite vne carte detaillée des limites qu’ils deſigne - ront. Les Copies des Inſtrumens ou Actes authen - tiques dreſſés à cet effet et confirmés de part et d’autre ſeront remiſes aux deux Cours reſpectives, qui veulent qu’on ne tarde pas à mettre en execu - tion les articles ſur lesquels on ſ’accorde, et qu’on réuniſſe ſous un point de vue ceux, qui partagent les ſentimens, afin que les deux Puiſſances puiſſent prendre de concert là-deſſus le parti qu’elles juge - ront à propos. Pour hâter la dite demarcation, et faire executer les articles de ce traité d’autant plutôt, les deux Cours nommeront des Commiſſaires inſtruits, qui faſſent dans le meme tems ce dont on eſt convenu.
c]
d]In verſchiedenen Vertraͤgen mit der Pforte iſt ausdruͤck - lich bedungen, daß es ſachkundige, geſetzte und fried - liebende ꝛc. Maͤnner ſeyn ſollen, z. B. im Paſſarowitzer Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte 1718. Art. 9. ordinentur vtrinque pari numero Commiſſa - rii, viri neutiquam avidi, ſed graves, probi, pru - dentes, experti atque pacifici convenientes ſine exercitu cum aequali pacificarum perſonarum comi - tiva. Eben dieſes iſt auch im Belgrader Frieden 1739. Art. 13. u. 15. ꝛc. feſtgeſetzt.
d]
*]Eine recht feierliche zwiſchen Roͤm. Kaiſerlichen, Tuͤr - kiſchen und Venetianiſchen Commiſſarien in Croatien 1699. vorgenommene Grenzſcheidung ſehe man im Monathl. Staatsſpiegel September 1699. S. 95. ff,
*]

§. 10. Beweis der Grenzen durch Urkunden und Denkmaͤler.

Bey dieſen Unterſuchungen der ſtreitigen Grenzen geben aͤltere guͤltige Grenzvertraͤge und Beziehungen,auch190Von den Landesgrenzen.auch andere oͤffentliche Urkunden welche beſtimmte Nach - richten davon enthalten, den vorzuͤglichſten Beweis ab. Annoch ſichtliche mit den erforderlichen Merkma - len verſehene Grenzzeichen dienen ienen theils zur Er - laͤuterung und Beſtaͤtigung, theils vertreten ſie deren Stelle.

*]Man vergleiche die mehrangefuͤhrten: Memoires des Commiſſaires de S. M. Très-Chretienne et de ceux de S. M. Britannique ſur les poſſeſſions et les droits reſpectifs des deux Couronnes en Amerique.
*]

§. 11. Durch Zeugen.

In Ermangelung der Urkunden verdient die Aus - ſage, beſonders alter und an den Grenzen wohnender Zeugen, die ſie entweder nach eigner Kentnis, oder nach einem von ieher herſchenden algemeinen oͤffentli - chen Gerichte ablegen, allen Glauben.

*]Menius diſſ. cit. §. 46. 47.
*]
**]Von der obenerwaͤhnten von Oeſterreich an Polen uͤber - gebenen Charte verſicherte erſteres: on a uſé de la plus grande diligence poſſible pour en avoir une exacte connoiſſance. A cet effet on n’a pas manqué d’invi - ter tous les Poſſeſſeurs de terres, Officiers d’Econo - mie, Juges jurés et autres perſonnes des diſtricts reſpectifs pour aſſiſter au tracement des limites en y joignant auſſi un certain nombre de Payſans à chaque endroit; et ſoit à l’aide des depoſitions unanimes des uns et des autres ſoit par l’êxhibition des quit - tances de leurs contributions, on eſt parvenu à ſavoir avec certitude les appartenances et dependances de chaque diſtricte et Palatinat. Moſers Verſuch 5. Th. S. 301.
**]
§. 12.191Von den Landesgrenzen.

§. 12. Vieliaͤhriger Beſitz und Veriaͤhrung ꝛc.

Was oben [2. Kap. §. 23. ff. ] von dem Erwerbe durch ſtillſchweigende Einwilligung, undenklichen Beſitz und Veriaͤhrung uͤberhaupt vorgetragen worden, leidet auch in Anſehung der Grenzen ſeine Anwendung. Hat ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets zum Abbruch des benachbarten erweitert, dieſes aber es gewußt und dazu geſchwiegen, oder wohl gar durch Handlungen anerkant, ſo iſt dieſe Grenzſcheidung allerdings als rechtmaͤſſig anzuſehn. Eben ſo wenig kan dieienige in Zweifel gezogen werden, welche einen undenklichen Beſitz, davon das Gegentheil nicht zu erweiſen iſt, zum Grunde hat. Eine blos auf Verlauf gewiſſer Jahre beruhende Veriaͤhrung hingegen kann auch bey den Territorialgrenzen zwiſchen Nazionen nicht Statt finden.

*]Menius diſſ. cit. §. 10. ſeqq. u. §. 44. Georg. Henr. Ayrer ſ. resp. Arn. de Ramdohr, diſſ. de limitum praeſcriptione, Gotting. 1746.
*]

§. 13. Aus Vermuthungen.

Die Gruͤnde, welche man aus bloſſen Vermuthun - gen und Wahrſcheinlichkeiten, z. B. aus dem Eigen - thum allein, aus einzelnen Hoheitsrechten, als Erhe - bung der Gefaͤlle, aus dem Gleits - Jagd - oder andern Rechte, welche dieſem oder ienem Volke in einem ge - wiſſen Grenzorte zuſtehen, ſind minder zuverlaͤſſig, weil dieſes nur zu den Landen der andern Nazion gehoͤ - rige Privatguͤter ſeyn, dergleichen Rechte auch als Voͤlkerdienſtbarkeiten in eines andern Volks Territo -rium192Von den Landesgrenzen.rium ausgeuͤbt werden koͤnnen. Sie geben daher, wenn ſie nicht von andern Zeugniſſen unterſtuͤtzt wer - den, keinen volſtaͤndigen Beweis a].

a]Indes aͤuſſerte Poley bey den Theilungsſtreitigkeiten mit Oeſterreich: les vraies frontières de la Ruſſie-Rouge, de la Volhynie et de la Podolie ne ſçauroient être conſtatées avec certitude par aucun autre moyen que par les tarifs des contributions et par les actes et dietines et des grods qui prouvent, que tel ou tel territoire appartient à l’un ou l’autre de ces trois Palatinats. Moſers Verſuch 5. Th. S. 285.
a]
*]Grenzberichtigungen durch die ſogenante Wuͤnſchelruthe werden heutzutage wohl kaum mehr vorkommen, indes ſehe man desfals: Io. Fr. Wernher diſſ. a) de finibus per virgulam mer - curialem non inveſtigandis, Wittenb. 1734. b) Vindiciae diſſert. de finibus per virgulam mer - curialem non inveſtigandis ib. eod.
*]

§. 14. Landcharten und Geſchichtſchreiber.

Das Zeugnis der Privatſchriftſteller und Landchar - tenverfertiger kann hier allerdings allein keinen guͤltigen Beweis ausmachen, wenn ſie nicht mit andern zuver - laͤſſigern Nachrichten uͤbereinſtimmen, ob ſie dieſen gleich ein groͤſſer Gewicht beilegen. Die europaͤiſchen Nazionen haben ſich iedoch in ihren Grenzirrungen ſchon verſchiedentlich darauf bezogen.

*]Ueber den Werth der Beweiſe aus Landcharten, auch hiſtoriſchen und geographiſchen Schriften wurde beſonders zwiſchen Frankreich und Grosbritannien wegen der Gren - zen von Akadien geſtritten. Beide Theile bezogen ſich auf Charten, die in des andern Landen und unter ſeinerAutoritaͤt193Von den Landesgrenzen.Autoritaͤt herausgekommen waren. Die grosbritanniſchen Commiſſarien legten den Charten des de l’Isle, Bellin und Danville deshalb einen beſondern Werth bey: que de l’Isle étoit Membre de l’Académie royale des Sciences ainſi que premier Geographe du Roi; que la carte de Bellin a été compoſée par ordre exprès de la Marine de France et la carte du Sieur Dan - ville a été publiée avec privilège. Die franzoͤſiſchen fuͤhrten eine Menge Landcharten dagegen an, die in Grosbritannien herausgekommen z. B. die von Iean de Laët, Holtey, Poppel etc. dediées au Roi d’An - gleterre, aux Commiſſaires de l’Amirauté: beſon - ders ſagten ſie vom Poppel: il a entrepris ſa carte avec l’approbation des Commiſſaires du bureau du Commerce et des Plantations, et il paroit qu’ils lui ont fait communiquer les arpentages enfin cette carte eſt dediée à la feue reine d’Angleterre qui ac - cordoit une protection particulière aux arts et aux ſciences. Memoires des Commiſſaires etc. T. I. P. 1. p. 77. u. 233. ff. Im algemeinen aber behaupteten die grosbritanniſchen Commiſſarien von den Landcharten: Les cartes ſont naturellement des temoignages fort legers, les Geo - graphes les couchent fort ſouvent ſur des arpentages incorrects, copiant les mépriſes des autres: et ſi les arpentages ſont corrects, les cartes qui en ſont dreſ - ſées, quoiqu’elles puiſſent montrer la vraie poſition d’un pays, la ſituation des isles et villes et le cours des rivières, cependant elles ne peuvent jamais deci - der des limites d’un territoire, lesquelles dépendent entièrement des preuves authentiques; et en ce cas les preuves ſur lesquelles les cartes doivent être fon - dées pour leur donner du poids, ſeroient d’elles - mêmes les meilleurs temoignages, et ainſi devroientGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Nêtre194Von den Landesgrenzen.être produites dans une diſpute de cette nature, les droits des Royaumes ſont intereſſés. Franzoͤſiſcher Seits entgegnete man: On conviendra avec les Commiſſaires de S. M. Britannique que l’au - torité des Geographes ne doit point être deciſive. Ils ſont plus occupés de donner un air de Syſteme et de verité à leurs cartes ainſi qu’une apparence de ſcience et de recherche, qu’à fixer les droits des princes et les veritables limites des pays Quoique des cartes ne ſoient point des titres et qu’on ne pré - tende point leur donner plus de poids qu’elles n’en doivent avoir, un pareil concours d’autorités merite cependant qu’on y ait quelque égard; et quoiqu’il ne ſoit pas ſuffiſant pour faire une demonſtration il l’eſt cependant pour établir une opinion qui ne peut êlle-même être renverſêe que par des titres précis et formels. Memoires des Commiſſaires T. I. P. 1. p. 79. 232. u. 237. M. vergl. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 431. 433. Grosbritannien bezog ſich auch haͤufig auf franzoͤſiſche Schriftſteller, aber Frankreich erinnerte: Une hiſtoire n’eſt pas un acte et on ne doit pas y attendre une rigoureuſe préciſion qui la defigureroit pour la plu - part des lecteurs Que des Ecrivains particuliers augmentent ou diminuent les droits de leur nation; les Princes ni leurs Miniſtres ne ſe conduiſent pas par les erreurs populaires: ils doivent la juſtice a leurs ſujets ils la doivent a leurs voiſins ſoit que les uns ou les autres exagerent leurs droits qu’ils les negli - gent ou que même ils les ignorent. Ebendaſ. T. I. P. 1. p. 310. M. vergl. Reuß teutſche Staatskanz - ley 12. T. S. 278. Von etwas mehrerem Gewicht iſt es allerdings, wenn Staatsmaͤnner oder andere Perſonen, die in Geſchaͤften des Staats gebraucht werden, zumal uͤber einen zuihrem195Von den Landesgrenzen.ihrem Poſten gehoͤrigen Gegenſtand in Schriften etwas behaupten; wiewohl auch dieſe den Gerechtſamen dadurch nichts vergeben koͤnnen, weil es leicht moͤglich iſt, daß ſie durch mancherley Umſtaͤnde irre gefuͤhrt werden koͤn - nen. Frankreich behauptete ſogar von einem officiellen Memoire, welches der franzoͤſiſche Geſandte dem engli - ſchen Hofe ehemals uͤbergeben hatte: il n’y auroit rien d’extraordinaire qu’un Miniſtre de France en Angle - terre ſe fût laiſſé ſurprendre à l’art avec lequel les ecrivains Anglois ont cherché à établir ce nom [Neuſchottland von dem Lande Akadien] ſans qu’il eût aucune réalité; mais dans l’espérance, ſans doute, qu’il en pourroit acquerir par la ſuite. C’eſt ainſi qu’on ſ’en eſt ſervi dans des livres et ſur des cartes, long-tems avant le traité d’Utrecht; mais de ſimples enonciations Angloiſes [euſſent-elles adoptées par le Miniſtre de France à la Cour d’Angle - terre] ne ſont pas des titres et ne peuvent faire exiſter une colonie qui n’exiſtoit pas. Memoires des Commiſſ. T. I. P. 1. p. 175. 187.
*]
**]Es pflegt daher auch wohl der eine Theil ſich bey dem andern zu beſchweren, wenn bey dieſem Landcharten er - ſcheinen, welche unrichtig und ihm nachtheilig ſind, wovon unten ein Beiſpiel zwiſchen teutſchen Landesherrn vorkommen wird.
**]

§. 15. Grenzvertraͤge.

Gegen alle dieſe Beweiſe bleiben dem Gegentheile iedoch ſo viele Einwendungen und Ausfluͤchte uͤbrig, daß, da unter freien Nazionen, wenn ſie ſich nicht freiwillig einem ſchiedsrichterlichen Ausſpruch unter - werfen, keine Entſcheidung Statt findet, am EndeN 2eine196Von den Landesgrenzen.eine guͤtliche Uebereinkunft der Sache den beſten Aus - ſchlag giebt. Dieſe pflegt denn von den dazu verord - neten Commiſſarien in gewiſſe Receſſe oder Grenzver - traͤge gebracht und von den Regenten der Staaten ge - nehmigt zu werden a]. Zuweilen geſchieht in Friedens - ſchluͤſſen eine vorlaͤufige algemeine Verabredung des - halb, wenn zumal dem einen Theile neue Lande abge - treten werden oder etwan die Grenzirrungen eine Ver - anlaſſung des Krieges mit geweſen ſind b].

a]Die Anzahl ſolcher Grenzvertraͤge unter den europaͤiſchen Maͤchten, die theils noch nicht oͤffentlich zum Vorſchein gekommen theils bekant und gedruckt ſind, iſt nicht ge - ringe, und man kan dergleichen in allen Sammlungen oͤffentlicher Vertraͤge antreffen.
a]
b]Man ſehe z. B. wegen der Grenzen zwiſchen Rußland und Schweden den Nyſtaͤdter Frieden von 1721. Art. 8. und den Aboer Frieden von 1743. Art. 7. Wegen der Grenzen zwiſchen Rußland und der Pforte den Frie - den zu Adrianopel von 1713. Art. 7. ingleichen den Frieden zu Cainardgi von 1774. Art. 22. wegen der Grenzen zwiſchen den Grosbritanniſchen und Franzoͤſiſchen Beſitzungen in Amerika den Pariſer Frieden von 1763. Art. 7.
b]
*]Petr. Fr. L. B. ab Hohenthal diſſ. de foederibus finium, Lipſ. 1763. Vergl. Moſers vorerwaͤhnte Ab - handlung von der geographiſchen Staatsklugheit und de Bielefeld Inſtitutions politiques Tom. II. c. 6. §. 22.
*]

§. 16. Grenzcharten und Riſſe.

Zu mehrerer Sicherheit und kuͤnftiger Nachricht wird oͤfters, beſonders wenn die Grenzen durch Be - ſchreibung und aufgerichtete Zeichen nicht hinlaͤnglichunter -197Von den Landesgrenzen.unterſchieden werden koͤnnen, oder ſonſt eine Zernich - tung der Grenzmaͤler leicht zu beſorgen iſt, die vergli - chene Grenzlinie auch durch gemeinſchaftliche dazu ver - cidigte ſachkundige Perſonen, in einen beſondern Riß oder Charte gebracht und ſolche dem Grenzvergleiche beigefuͤgt.

*]Wegen der flandriſchen Grenzen bezog man ſich in der Erlaͤuterung des Barrieretractats zwiſchen den Vereinig - ten Niederlanden und Oeſterreich von 1718. Art. 1. durchgaͤngig auf eine deshalb entworfene Charte: qui en a été formée et ſignée de part et d’autre etc. Lamberty Memoires Tom. X. App. p. 62. In dem Vertrage zwiſchen Polen und Oeſterreich wegen Abtre - tung einiger Lande 1773. wurde Art. 2 verglichen: à fin qu’il puiſſe n’y avoir aucun doute ni incerti - tude à cet égard, il a été convenu, qu’on nommera de part et d’autre des Commiſſaires pour faire dreſſer ſur les lieux une carte exacte des limites reſpectives laquelle devra faire loi dans tous les tems à venir au ſujet de la frontière des provinces cedées. M. vergl. den Vertrag von 1776. Moſers Verſuch 5. Th. S. 85. u. 309. Dies war auch in dem Vertrage mit Preuſſen feſtgeſetzt. Ich habe aber ſchon oben die Schwierigkeiten bemerkt, welche deshalb gemacht wur - den, indem dieſe Hoͤfe die Grenzregulierung nach einer einſeitig in voraus entworfenen Charte verlangten, iedoch endlich nachgaben. Dem Definitiv Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte vom 4. Aug. 1791. wurde zu mehrerer Beſtimmung der Grenzen, ebenfals eine Charte beigefuͤgt Art. ſep. 3. ſ. Polit. Journ. Sept. 1791. S. 952.
*]

§. 17. Veraͤnderung der Landesgrenzen.

Die meiſten Grenzzeichen, ſie moͤgen natuͤrliche oder kuͤnſtliche ſeyn, ſind der Veraͤnderung unterwor -N 3fen,198Von den Landesgrenzen.fen, welche theils die Natur ſelbſt durch gewaltſame Zufaͤlle oder Laͤnge der Zeit, theils menſchliche Nachlaͤſ - ſigkeit oder wohl gar Bosheit ihnen zufuͤgt. Bey den natuͤrlichen Grenzen, beſonders den Fluͤſſen entſteht daher die Frage: ob ihr veraͤnderter Lauf auch eine Aen - derung in den Grenzen verurſache? Nach den bereits oben [1. Kap. 1. Abſchn. §. 15. u. 2. Abſchn. §. 32.] in Anſehung des Eigenthums angefuͤhrten Gruͤnden komt es hierbey darauf an: ob die Abweichung betraͤcht - lich ſey oder nicht und ob die an dem Waſſer liegende Territorien eine gemeſſene oder ungemeſſene Grenze haben? Iſt die Veraͤnderung unmerklich, oder die Grenze abgemeſſen a], ſo macht auch dies geringe An - und Abſpielen keinen weitern Unterſchied. Solte aber der Fluß ſeinen ganzen Lauf aͤndern, ſo vertritt alsdann deſſen bisheriges Bette die Stelle der Grenze b]. Bey einem Fluſſe, der oft ſeinen Lauf aͤndert, iſt es daher allerdings zutraͤglich, noch beſondere Grenzzeichen auf - zuſtellen und das Austreten durch dienſamen Bau zu hindern c], welches denn ohne Zweifel auf gemein - ſchaftliche Koſten geſchehen muß d]. Uebrigens werden die Grenzen bey den meiſten Nazionen fuͤr heilig und un - verletzlich gehalten, und die muthwilligen oder boshaften Veraͤnderungen und Zernichtungen der Grenzzeichen an den Unterthanen mit den haͤrteſten Strafen belegt c].

a]Hildebrand diſſ. cit. de diverſit. lapid. final. c. 4. §. 3.
a]
b]Grotius L. II. c. 3. §. 16. Wolff I. G. c. 1. §. 107. ff. Vattel L. I. c. 22. §. 269. u. 270. v. Can - crin Waſſerrecht 2. Abth. 1. Kap. §. 20. S. 110.
b]
c]In Anſehung der Netze, welche nach dem Vertrage zwiſchen Polen und Preuſſen die Grenze der abgetretenen Lande machen ſolte, erinnerte man von letzterer Seite daher ganz richtig: comme cette rivière change ſou - vent de cours et d’extenſion il n’y auroit point delimites199Von den Landesgrenzen.limites ſures et certaines ſi l’on ne mettoit des po - teaux ſur la rive de la Netze ou ſur l’extremité du terrain qu’elle inonde ſouvent. Moſers Verſuch 5. Th. S. 325. Zwiſchen Frankreich und Oeſterreich wurde in einem Vertrage von 1612. Art. 13. feſtge - ſetzt: Pour obvier cy-après aux contentions qui pourroient naitre pour le changement du cours de la dite rivière de Doubs entre les finages des dits lieux de Chaulein Peſuel, Champs divers, et Hottelans, avons dit et declaré que advenant changement du dit cours, procès verbal en ſera dreſſé par les offi - ciers des lieux, y pretendants intereſts enſemblement, que ſera par eux ſigné, et regiſtré es Greffes de leurs juſtices et baillages de leurs reſſorts pour y avoit recours quand beſoin ſera, à fin que la propriété, juſtice et ſouveraineté ſoit conſervée à qui il appar - tiendra et ſelon ſon droit ab Hohenthal diſſ. de foe - deribus fin. §. 14. p. 39.
c]
d]Dieſe Frage entſtand unter andern bey den Grenzſtrei - tigkeiten zwiſchen der Republik Venedig und Oeſterreich bey dem Fluſſe Bambo, welcher auf der Grenze in einen Kanal faͤlt und oͤfters austritt. Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 207.
d]
e]In dem Grenzvertrage zwiſchen Daͤnemark und Schwe - den von 1751. hat man ſich z. B. verglichen, daß der, welcher ſich unterſtehet, die feſtgeſetzte Grenzlinie durch Veraͤnderung oder gaͤnzliche Ausreiſſung eines Grenzmals zu brechen, zum Schrecken und Abſcheu anderer Uebel - geſinnten an ſelbiger Staͤdte aufgehangen werden ſoll. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 135. Die Pforte und Oeſterreich ſetzten im Carlowitzer Frieden 1699. Art. 5. feſt: Ex vtraque parte ſi quis auſus fuerit alterare, mutare, evellere, tollere aut quovis modo violare aliquod ex praedictis ſignis, ille perN 4omni -200Von den Landesgrenzen.omnimodam inquiſitionem deprehenſus ad exemplum aliorum ſeveriſſime puniatur.
e]

§. 18. Grenzbeſichtigungen.

Um dergleichen Veraͤnderungen in Zeiten zu bemer - ken und den daher zu beſorgenden Irrungen vorzubeu - gen, pflegen gewiſſe von beiden Theilen verordnete Commiſſarien zu beſtimten Zeiten gemeinſchaftlich die feſtgeſetzten Grenzen, nach den Vertraͤgen und Charten zu unterſuchen, und die angetroffenen Unrichtigkeiten entweder ſogleich abzuſtellen, oder ſie ihren Hoͤfen zur Entſcheidung vorzulegen a]. Einſeitige Grenzbeſich - tigungen koͤnnen zwar auch nicht verwehrt werden b], doch darf den Angrenzenden kein Nachtheil daraus er - wachſen.

a]So wurde in dem Grenzvertrage zwiſchen Oeſterreich und der Republik Venedig von 1764. wegen der Ge - waͤſſer von Tartaro Art. 27. verglichen: Damit alles genau beobachtet werde, ſollen die Viſitatorn der Mautuaniſchen und Veroneſiſchen Gewaͤſſer allemal im Monat Junius ſich in Geſelſchaft der zweien Ingenieurs auf die Reiſe begeben die man zur Viſitation des Tar - taro und der in denſelben fallenden Gewaͤſſer, wie auch des Grabens von Pozzuolo und der Malinella beſtimt hat, um allen Unordnungen zu ſteuern Und wenn ſie nicht mit einander uͤbereinkommen, ſo ſollen ſie ihren Regierungen gleich Nachricht davon geben, die ſich her - nach wegen der Verfuͤgungen mit einander verſtehen werden.
a]
b]Nach einem Kurſaͤchſiſchen Befehle von 1721. ſollen z. B. die Beamten [auſſer der iaͤhrlichen Grenzbeſichti - gung der Aemter] beſonders auf dieienigen Vaſallen,welche201Von den Landesgrenzen.welche an der Grenze in dem Kurſaͤchſiſchen Territorio und zugleich in benachbarter Herſchaften Landen an ein - anderſtoffende Guͤter beſitzen, ein wachſames Auge haben, die Confuſion der Landes - mit der Guͤter Particulargren - zen auf alle Art und Weiſe zu vermeiden ſuchen, auch ſo oft es noͤthig, und wenigſtens das Jahr einmal ihren Bericht davon erſtatten. Moſers Landeshoheit in An - ſehung Erde und Waſſers S. 6. Wegen der nachthei - ligen Folgen von Veraͤuſſerung der Grenzguͤter an Unter - thanen benachbarter Staaten. ſ. Menius diſſ. cit. §. 28.
b]
*]Henr. Hildebrand diſſ. de viſitatione finium provin - cialium atque publicorum, Alt. 1716.
*]

§. 19. Rechte dritter Nazionen bey Grenzſtrei - tigkeiten.

Dritte Nazionen, welche kein beſonderes Intereſſe bey den Landen haben, deren Grenzberichtigung in Frage iſt, oder von den ſtreitigen Theilen nicht etwa um Vermittelung erſucht werden a], haben kein Recht ſich in die Grenzirrungen anderer Voͤlker zu miſchen. Sie thun es gewoͤnlich auch eben ſo wenig, als andere ihnen Nachricht davon ertheilen b].

a]So verſprach Grosbritannien den Vereinigten Niederlan - den beim Utrechter Frieden 1713. in einem Separat Artikel: Quandoquidem Domini Ordines Generales vniti Belgii propoſuerunt quod ditionum ſuarum limi - tes in Flandria tam arcte et tam ineongrue conſtituti ſint, vt etc. Regia Sua Maieſtas Magnae Bri - tanniae promittit ſpondetque, ſeſe in pactis Caeſa - ream Suam Maieſtatem inter et Dominos ordines Ge - nerales ineundis operam et officia collaturam eſſe,N 5quo202Von den Landesgrenzen.quo per Caeſaream Suam Maj. Dominis Ordinibus Generalibus talis territorii Flandrici pars in proprie - tatem perpetuam cedatur quae praedictis aliisque in - commodis evitandis et limitibus ibidem amplificandis meliusque conſtituendis omnino ſufficiat.
a]
b]Als daher der ſardiniſche Geſandte zu Genua wegen der ſeit dem Wiener Tractate von 1735. entſtandenen und ſeit 1785. in oͤffentliche Thaͤtlichkeiten ausgebrochenen Grenzſtreitigkeiten ſeines Hofes mit der Republik ein Manifeſt oͤffentlich austheilen lies, worinn er das Be - tragen der Republik nicht eben von der beſten Seite vor - ſtelte, ſahe Genua dies als etwas ungewoͤhnliches an und theilte den europaͤiſchen Hoͤfen ein Gegenmemoire mit, das ſich alſo anfaͤngt: Da von dem Miniſter des Turiner Hofes zu Genua, dem Ritter Nomis von Coſ - ſila, eine Art von Manifeſt in der Stadt vertheilet wor - den, worinnen das Betragen der Durchl. Republik in den ſtreitigen Angelegenheiten mit dem Koͤnigl. Sardini - ſchen Hofe in einem wenig vortheilhaften Lichte darge - ſtelt wird, ſo hat die Regierung, ohne die Abſichten ienes Schritts des Miniſters, der wenigſtens unge - woͤhnlich iſt, aufſuchen zu wollen, folgende Darſtel - lung in der Abſicht zu entwerfen befohlen, um die Ein - druͤcke zu rectificiren, die eine widrige Lectuͤre veranlaſ - ſen kan. Polit. Journ. Februar 1791. S. 197. Maͤrz S. 225.
b]

§. 20. Grenzen des Meeres und anderer Ge - waͤſſer.

Die Begrenzung der Gewaͤſſer, wenn naͤmlich die Grenzlinien im Waſſer ſelbſt gezogen werden muͤſſen, wie bey Fluͤſſen, welche in der Mitte, oder ſonſt nacheinem203Von den Landesgrenzen.einem gewiſſen Maasſtabe die Grenzen zweier Gebiete machen, iſt zwar mancherley Schwierigkeiten unter - worfen, doch laſſen ſich ſolche in Waͤſſern von keinem betraͤchtlichen Umfange durch die nahen Ufer ꝛc. und dabey befindlichen Merkmale gar wohl bezeichnen a]. Weit groͤſſer aber ſind dieſe Schwierigkeiten bey dem Meere, ſo daß daher, wie ich ſchon oben [1. Kap. §. 16. ff. ] bemerkt habe, gewoͤnlich ein Haupteinwurf gegen das abgeleitete Eigenthum der Nazionen an dem offenen Meere genommen wird. Doch habe ich dabey ſchon erinnert, daß gleichwol auch hier, durch wil - kuͤhrliche Uebereinkunft, nach den Kuͤſten, Inſeln und andern Merkmalen, nicht weniger nach den in neuern Zeiten erfundenen Huͤlfsmitteln des Kompaſſes, der Abtheilung der Grade ꝛc. eine Art des Eigenthums und folglich der Grenzen angenommen werden koͤnnen b] und beſonders letztere wuͤrklich zuweilen in ſofern be - ſtimt werden, daß eine Nazion gegen andere ſich ver - bindet, uͤber gewiſſe Grenzen nicht zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. c]; wie man denn auch, ſchon oben [1. K. §. 28.] gedachtermaaſſen, die Grenzen der am Meere gelegenen Laͤnder, drey Meilen [lieues] in daſſelbe hinein, oder ſo weit ein Kanonenſchus reichen kann, zu erſtrecken pflegt d].

a]Dergleichen Vertraͤge, beſonders wegen der Grenzen des ſogenanten Bodenſees ſ. m. in Moſers Tract. von der Reichsſtaͤnde Landen ꝛc. 1. B. 2. K. §. 6. S. 16. und der daſelbſt angefuͤhrten Abhandlung des Buder de dominio maris Suevici.
a]
b]Papſt Alexander VI. zog, wegen der amerikaniſchen Entdeckungen in einer Bulle von 1493. eine Grenzlinie durch den Ocean und ſchenkte an Spanien: omnes inſu - las et terras firmas inventas et inveniendas verſus Occidentem et Meridiem fabricando et conſtituendovnam204Von den Landesgrenzen.vnam lineam a polo arctico ſc. ſeptentrione ad polum antarcticum ſc. Meridiem quae linea diſtet a qua - libet inſularum quae vulgariter nuncupantur de los Azores y Cabo verde centum leucis verſus Occiden - tem et Meridiem. Schmauß. C. I. Gent. A. T. 1. S. 130.
b]
c]Grotius L. II. c. 3. §. 15. Schrodt P. II. c. 1. §. 16. Wegen der Fiſcherey wurde unter andern im Utrechter Frieden zwiſchen Grosbritannien und Frankreich 1713. Art. 12. ſolche der erſtern Krone an beſtimten Orten zugeſtanden idque tam amplis modo et forma vt regis Chriſtianiſſimi ſubditis in dictis maribus ſinu - bus aliisque locis ad littora Novae Scotiae ea nempe quae Eurum reſpiciunt intra triginta leucas, incipien - do ab inſula vulgo Sable dicta eaque incluſa et Afri - cam verſus pergendo, omnis piſcatura in poſterum interdicatur. M. vergl. Art. 13. und Pariſer Frieden 1762. Art. 5. Im neuſten Definitiv Frieden zwiſchen dieſen beiden Maͤchten von 1783. Art. 5. wurde der 13. Art. des Utrechter Friedens aufgehoben und Gros - britannien verſprach: que la pêche aſſignée aux ſujets de S. M. Très-Chretienne, commençant au dit Cap St. Iean paſſant par le Nord et deſcendant par la Côre occidentale de l’Isle de Terre-Neuve, ſ’étende jusqu’à l’endroit appellé Cap Raye ſitué au quarante ſeptième degré cinquante minutes de latitude.
c]
d]Im Pariſer Frieden 1763. Art. 5. wurde unter an - dern den Franzoſen die Fiſcherey im Meerbuſen St. Lau - rent bewilliget à condition que les ſujets de la France n’exercent la dite pêche qu’à la diſtance de trois lieues de toutes les côtes appartenantes à la Grande Bretagne. und bey der Inſel Cap-Breton wird die Entfernung gar auf 15. lieues geſetzt.
d]
§. 21.205Von den Landesgrenzen.

§. 21. Rechte der Landesherrn.

Die Grenzen Teutſchlands, nach ſeiner geographi - ſchen und politiſchen Bedeutung a] ſind an vielen Orten noch ziemlich ungewis, und man ſtreitet uͤber verſchie - dene Lande ob ſie dazu gehoͤren, oder nicht? b] Die dahineinſchlagenden das Reich im Ganzen betreffenden Geſchaͤfte gegen Auswaͤrtige ſind nach allen obigen Grundſaͤtzen zu entſcheiden. Es duͤrfen aber, nach dem teutſchen Staatsrechte, weder der Kaiſer, noch die Staͤnde, einſeitig hierunter, ſondern mit gemein - ſchaftlicher Einwilligung verfahren c]. In ſo ferne nun die reichsſtaͤndiſchen Landesgrenzen zugleich die Grenzen des teutſchen Reichs d] ausmachen, ſind die Landesherrn in ihren mit auswaͤrtigen Nazionen zu er - richtenden Grenzvertraͤgen, ebenfals an die Genehmi - gung des Kaiſers und Reichs gebunden d].

Was die Landesgrenzen im innern des Reichs be - trift, darinn verfahren die Landesherrn unter ſich nach mehrerer Wilkuͤhr, und errichten die erfoderlichen Ver - traͤge daruͤber gemeiniglich ohne ſie dem Reiche vorzu - legen e]. Es findet auch dabey, beſonders was den Beweis der Grenzen, deren Feſtſetzung und Erhaltung anlanget, eben das Statt, was unter freien Voͤlkern gewoͤhnlich iſt f]: nur daß iene, wenn die deshalb ent - ſtehenden Streitigkeiten in Guͤte nicht beigelegt werden koͤnnen, nicht ſogleich zu Thaͤtlichkeiten ſchreiten duͤr - fen, [einige wenige Faͤlle ausgenommen, wo es ihnen zuweilen allenfals ſich ſelbſt Recht zu verſchaffen nach - gelaſſen iſt ꝛc. ] ſondern den Weg Rechtens, nach Ver - haͤltnis der Umſtaͤnde vor den Austraͤgen oder Reichs - gerichten, einſchlagen muͤſſen; wobey der Beſitz und die unvordenkliche Veriaͤhrung vorzuͤglich den Aus -ſchlag206Von den Landesgrenzen.ſchlag geben h]. Auswaͤrtige Nazionen oder dritte Lan - desherrn ſind auch hier keinesweges befugt, ſich in dieſe Grenzſtreitigkeiten zu miſchen, wenn nicht beſondere Rechte derſelben dabey eintreten i].

Der eingeſchloſſenen Territorien giebt es in Teutſch - land eine Menge, theils ſolche welche die teutſchen Reichsſtaͤnde in auswaͤrtigen Staaten, beſonders in Frankreich, theils welche die benachbarten Nazionen im teutſchen Reiche, theils welche die Reichsſtaͤnde in ihrer Mitſtaͤnde Landen beſitzen k]. Noch weniger fehlt es an Streitigkeiten uͤber die ſogenanten geſchloſſenen Territorien; wofuͤr verſchiedene Reichsſtaͤnde ihre Lande ausgeben, und daher alles, was von andern darin be - ſeſſen wird, fuͤr landſaͤſſig und ihrer Landeshoheit un - terworfen zu betrachten ſich berechtigt halten, wenn der, welcher eine Ausnahme behauptet, ſolche nicht zu erweiſen vermag l]; wiewohl, wenn es zur Unterſu - chung komt, nur wenige Lande dafuͤr anzunehmen ſeyn duͤrften, weil die meiſten nicht urſpruͤnglich nur einen Staat ausgemacht haben, ſondern aus mehrern kleinen unmittelbaren Provinzen zuſammengewachſen ſind, und vielmehr dem, welcher der Landeshoheit uͤber ein ſolch eingeſchloſſenes Territorium ſich anmaßt, der Beweis obliegt; wobey aber keinesweges die Ausuͤbung eines oder des andern Hoheitsrechts hinreichend iſt m].

Wegen Verruͤckung oder Verletzung der Grenzen giebt im teutſchen Reiche nicht nur das algemeine Kri - minalgeſetz Kaiſer Karls V. oder die Peinliche Hals - gerichtsordnung, deshalb Vorſchrift, ſondern es iſt auch in mehreren Landesgeſetzen die ſchaͤrfſte Strafe darauf geſetzt n].

Gleiche Bewandnis hat es groͤſtenteils mit andern bloſſen Landesherrn. Sie koͤnnen eben ſo wenig wil - kuͤhrlich einige Grenzveraͤnderungen mit andern Nazio - nen vornehmen, ſondern haben hierzu die Einwilligungdes207Von den Landesgrenzen.des hoͤhern Staats, von dem ſie abhangen, noͤthig, und muͤſſen uͤberhaupt hierunter deſſen geſetzliche Vor - ſchriften befolgen o].

a]Unter Teuſchland im politiſchen und eigentlichen Ver - ſtande begreift man gewoͤnlich blos dieienigen Lande, welche der Oberherſchaft des roͤmiſchteutſchen Kaiſers unterworfen ſind, ohne auf dieienigen Provinzen Ruͤck - ſicht zu nehmen, welche im geographiſchen Sinne, ihrer Lage nach, zuweilen zu Teutſchland gerechnet werden, wie C. H. v. Roͤmer im Voͤlkerrechte der Teutſchen, Halle 1789. 8. S. 245. nach Buͤſchings Grundſaͤtzen erinnert; denn vbi terminus ſupremae poteſtatis ibi limes territorii bemerkt ganz richtig Seidenſticker Comment. de iure emigr. Sect. II. §. 3. p. 10. M. vergl. Moſer von der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen 1. B. 2. K. S. 10. ff.
a]
b]Moſers auswaͤrtiges Staatsrecht. S. 42.
b]
c]Wahlcapitulation Art. 10. §. 5. v. Roͤmer a. a. O. S. 247. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 44.
c]
d]Es ſind daher beſonders in neuern Zeiten mehrere der - gleichen Grenzvertraͤge, hauptſaͤchlich zwiſchen Frankreich und den benachbarten teutſchen Landesherrn zur Geneh - migung an die Reichsverſamlung gebracht worden. M. ſ. oben 2. Kap. §. 30. Vergl. Moſer von der Reichs - ſtaͤnde Landen S. 15. ff. deſſen nachbarl. Staatsrecht S. 218. und auswaͤrtiges Staatsr. S. 368. Bey dem Grenzvertrage mit dem Hochſtift Baſel, worinn feſtgeſetzt war, daß innerhalb zwey Monaten, nach Aus - wechſelung der Ratificationen, zur Volziehung des Ver - gleichs geſchritten werden ſolte, ahndete der Kaiſer, daß das Geſuch um Genehmigung des Reichs ſpaͤter erfolge, als die Volziehung des Vertrags bedungen worden. ſ. Reuß teutſche Staatskanzley 1. Th. S. 59.
d]
e]v. Roͤmer a. a. O. S. 247.
e]f] Wegen208Von den Landesgrenzen.
f]Wegen Landcharten entſtand zwiſchen den Fuͤrſtlich Bran - denburgiſchen Haͤuſern und der Reichsſtadt Nuͤrnberg 1764. ein weitlaͤuftiger Streit. Erſtere verlangten, daß die zu Nuͤrnberg herausgekommenen, ihren vermeint - lichen Gerechtſamen nachtheiligen Charten confiſcirt, auch der Verfaſſer und Verleger beſtraft werden ſolten; letztere aber antwortete: die Landcharten waͤren weder mit des Raths Approbation, noch auf deſſen Befehl bekant gemacht worden, und er gedenke daher an denen etwa darinn vorkommenden Fehlern keinen Theil zu neh - men ꝛc. M. ſ. Gruͤndliche Anzeige, wie faͤlſchlich zum geſuchten Nachtheil der Gerechtſame der Fuͤrſtlichen Haͤuſer Brandenburg in denen im Jahr 1764. heraus - gekommenen dreyen Landcharten die desfalſigen Grenzen bemerkt ſind, auch wie ſehr ſolche Beſtimmung, und die den gedachten Landcharten beigefuͤgten Anmerkungen demienigen, was die Geſchichte und die von den hoͤchſten Reichsgerichten gefaͤlte Urtheile beſagen zuwiderlaufen, Bayreuth und Onolzbach 1766. fol. vergl. Moſers Nachbarl. Staatsr. S. 223. ff.
f]
g]Naͤmlich, wie Moſer von der t. Reichsſtaͤnde Landen S. 27. lehrt, 1) auf friſcher That, 2) in ſofern die Sache klar iſt, 3) nur vertheidigungsweiſe und 4) ſo - weit ſonſt und uͤberhaupt, die Selbſthuͤlfe nach den Reichsgeſetzen erlaubt iſt. M. vergl. Io. Ulr. L. B. de Cramer: Cauſſa violati territorii minime ad viam facti ſed mandatum S. C. qualificata eſt, in Ej. Ob - ſervat. Iur. vniv. P. I. n. 82.
g]
h]Moſer von der t. Reichsſtaͤnde Landen 1. B. 2. K. §. 7. S. 18.
h]
i]Auf Erſuchen uͤbernahmen iedoch der Koͤnig in Daͤne - mark nebſt dem Herzoge zu Braunſchweig die Vermit - telung und Beilegung der Grenzſtreitigkeiten zwiſchen Meckelnburg und Pommern 1584. Moſer a. a. O. S 37. Gegen den eilften Artikel des Grenzvergleichszwiſchen209Von den Landesgrenzen.zwiſchen Frankreich und dem Hochſtift Baſel von 1780. trat der Herzog von Wuͤrtenberg mit einem Widerſpruch in Betref der Herſchaft Franquemont hervor, weil er ihn ſeinen Rechten daran nachtheilig zu ſeyn erachtete, und bat die Genehmigung des Reichs zu verſchieben, bis dieſer Anſtand gehoben ſeyn wuͤrde. Frankreich ſtelte daher eine beſondere Erklaͤrung an den Herzog von Wuͤrtenberg deshalb aus. Neuſte Staatsbegebenheiten 1781. S. 975. Reuß teutſche Staatskanzley 4. Th. S. 43. ff.
i]
k]Moſers ausw. Staatsr. 4. B. 17. K. §. 1. ff. S. 364. Deſſelben nachbarl. Staatsr. z. B. 1. K. §. 8. S. 209.
k]
l]Moſers Tr. von der Reichsſtaͤnde Landen 1. B. 8. K. S. 104. u. nachbarl. Staatsr. 3. B. 1. K. §. 7.
l]
m]Henr. Hildebrand diſſ. de iure regali in alieno ter - ritorio ſuperioritatem territorialem non inferente, Alt. 1709. Von den geſchloſſenen Territorien in Teutſchland uͤberhaupt ſehe man: Io. Balth. Wernher diſſ. de probatione landſaſſiatus ex ſitu terrarum, Viteb. 1717. Andr. Wagner diſſ. II. a) hiſtorica b) iuris publici de diſtinctione territoriorum imperii in clauſa et non clauſa, Lipſ. 1752. Chr. Thomaſius diſſ. de inutilitate brocardici vulgaris: Quae ſunt in territorio praeſumuntur etiam eſſe de territorio, Hal. 1709. Georg. Frid. Aug. Dathe diſſ. de falſitate vulgati: quicquid eſt in territorio, praeſumitur etiam eſſe de territorio, Gotting. 1753.
m]Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. On] Menius210Von den Landesgrenzen.
n]Menius diſſ. cit. §. 49. ff. In der P. H. G. O. heißt es Art. 114. Welcher boͤßlicher und gefaͤhrlicher Weiſe ein Untermarkung, Reinung, Mahl - oder Mark - ſtein verruckt, abhauet, abthut oder veraͤndert, der ſoll darum peinlich am Leib, nach Gefaͤhrlichkeit, Groͤß, Geſtalt und Gelegenheit der Sachen und Perſon nach Rath geſtraft werden.
n]
o]In der Handlungs - und Grenz-Convention zwiſchen Rußland und dem Herzog von Curland vom 10 / 21. May 1783. wird z. B. ausdruͤcklich feſtgeſetzt, daß dieſelbe erſt, nachdem der Herzog und die Staͤnde von Curland und Semgallen daruͤber die Ratification des Koͤnigs und der Republik von Polen beſorgt haben werden, ſeine end - liche Beſtaͤtigung von Ihro Kaiſerl. Maj. aller Reuſſen erhalten ſoll.
o]
*]M. vergl. noch: Herm. Conring de finibus imperii Germanici, Helmſt. 1654. u. oͤfter 4. Io. Iac. Moſer diſſ. de dubiis regni Germanici finibus modernis, Frcf. ad Viadr. 1737. und in Opuſc. acad. Ien. 1744. n. 1. Car. Wilh. de Carlowitz diſſ. de inſignioribus naevis politicis Imp. Rom. Germ. in tuendis imperii fini - bus a tempore Ottonis M. vsque ad Maximilia - num I. Lipſ. 1764. ſ. Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsrechts 3. Th. S. 1. ff.
*]
Fuͤnf -211

Fuͤnftes Kapitel. Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker in An - ſehung des Eigenthums ihrer Lande.

§. 1. Umfang der Eigenthumsrechte.

Ein Volk kann von ſeinem Territorialeigenthum, d. i. von denienigen Landen und Gewaͤſſern, welche es als ein unter Oberherſchaft vereinigter Staatskoͤrper, durch urſpruͤnglichen oder abgeleiteten Erwerb, inne hat, nach den in den vorhergehenden Kapiteln feſtge - ſtelten Grundſaͤtzen, nach eigner Wilkuͤhr und mit Aus - ſchlus anderer, allen noͤthigen und moͤglichen Gebrauch machen, iedoch ohne andern Nazionen einen Schaden dadurch zuzufuͤgen. Sind gleich nur einige Guͤter des Territoriums zum Gebrauch des geſamten Staats oder ſeines Regenten ausgeſetzt, andere hingegen, als Pri - vateigenthum einzelnen Buͤrgern oder kleinern Geſel - ſchaften uͤberlaſſen, ſo erſtreckt ſich doch ienes Befug - nis, vermoͤge der Oberherſchaft a] verhaͤltnismaͤſſig uͤber alle dergleichen Beſitzungen b], weil dieſe auch fuͤr zweckmaͤſſigen Erwerb und Benutzung des Privateigen - thums zu ſorgen und iedermann im Staate bey dem ungeſtoͤrten Genuſſe des Seinigen zu erhalten verbun - den und im Nothfall berechtigt iſt, davon zum algemeinen Beſten, den erfoderlichen Gebrauch zu machen. Die - ſes Recht wird das Obereigenthum [dominium emi - nens] genannt c]. Es komt bey dem EigenthumeO 2haupt -212Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkerhauptſaͤchlich auf das ausſchließliche Recht des Beſitzes, der Benutzung und der Veraͤuſſerung in Betrachtung. Von dem letztern habe ich bereits oben gehandelt, und will daher hier nur noch die beiden erſtern im Algemei - nen erwaͤgen.

a]Io. Fr. Kayſer diſſ. de diverſo dominii et imperii iure, Gieß. 1728. J. Rave vom Unterſchied der Oberherſchaft und des Ei - genthums. Jen. 1766.
a]
b]Grotius L. III. c. 3. §. 4. und Cocceji ad Grot. diſſ. prooem. XII. L. IV. c. 2. §. 236. ſeq. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 11. Wolff I. G. c. I. §. 92. 102. 305. ſeq. Vattel droit d. g. L. I. c. 20. §. 244.
b]
c]Io. Bern. Frieſe diſſ. de iure principis cirea bona ſubditorum, Ien. 1711. und andere vom dominio emi - nente handelnde Schriften beym Puͤtter Litteratur des St. R. 3. Th. S. 378.
c]

§. 2. Ausſchließlicher Territorialbeſitz.

Was den Beſitz anlanget, ſo iſt iedes Volk berech tigt, andere von ſeinem Territorium, vermoͤge der ihm uͤber den ganzen Umfang deſſelben zuſtehenden Eigen - thums - und Oberherſchaftsrechte [1. Kap. §. 5.] aus - zuſchlieſſen und nicht zu erlauben, daß ſie irgend etwas innerhalb der Grenzen deſſelben ſich anmaaſſen. Im Gegentheil ſind andere Nazionen auch verbunden, iede in dem ungeſtoͤrten Beſitz des Ihrigen zu laſſen. Sie koͤnnen folglich, wenn gleich noch wuͤſte und unbekante Plaͤtze in dem Territorium eines andern Volks zu be - finden, ſich derſelben durch Beſitzergreifung keinesweges bemaͤchtigen und ein neues Gebiete daſelbſt errichten, noch weniger wuͤrklich bebaute Landſtriche an ſichreiſſen,213in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen vertreiben.

*]Ickſtatt L. III. c. 1. §. 13.
*]

§. 3. Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger Beſitzungen.

Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge - biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu verlangen [ius vindicandi] und wenn ſie ihm gutwillig nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen a]. Dieſes Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben [1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt, der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern auf unrechtmaͤſſige Art genommen war.

Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i. eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider - rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der, dem es von einem andern entzogen worden, ihm das Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be - ſitz ſeines vormaligen Eigenthums zu gelangen ſuchen; denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht -O 3maͤſſigen214Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkermaͤſſigen Titel erworben und ſich eigen gemacht. Er hat den erſten Eigenthuͤmer weder ſelbſt beleidigt, noch Theil an den Ungerechtigkeiten des Beleidigers genom - men. Ihm liegt auch nicht ob, bey ieder Erwerbung erſt oͤffentlich anzufragen, ob einige Anſpruͤche darauf vorhanden. Doch wird unter Voͤlkern mit ganzen Laͤndern ſelten der Fall eintreten, daß ſie ohne Wiſſen dem wahren Eigenthuͤmer entzogen, und ohne einige Regung deſſelben, auf rechtsbeſtaͤndige Art, von einem andern mit redlicher Ueberzeugung erworben werden koͤnten a].

In Anſehung des, bey der Zuruͤckfoderung, von dem letzten Beſitzer gehabten Aufwandes und der ge - noſſenen Nutzungen macht man ebenfals einen Unter - ſchied unter den redlichen und unredlichen Beſitzer. Er - ſterer ſoll zwar die auf den Erwerb gewandten Koſten verlieren, von den Nutzungen aber nur die noch vor - handenen und die zu ſeiner Bereicherung angewandten herauszugeben verbunden aber auch die erweißlichen Verbeſſerungen in Gegenrechnung zu bringen berechtigt ſeyn, dahingegen dem unrechtmaͤſſigen Beſitzer alles, auſſer der unumgaͤnglich noͤthige Aufwand, abgeſpro - chen wird b].

Indes iſt nicht zu laͤugnen, daß die europaͤiſchen Nazionen bey dem Rechte der Zuruͤckfoderung mehr dieienigen wilkuͤhrlichen Grundſaͤtze angenommen zu haben ſcheinen, nach welchen dieſelbe wider ieden Be - ſitzer unternommen werden kann c].

a]M. ſ. G. S. Treuer in not. ad Puffendorff de offic. hom. et civ. c. XIII. §. 5. Die meiſten Natur - und Voͤlkerrechtslehrer verſtatten zwar dem erſten Eigenthuͤ - mer das Recht der Wiederfoderung gegen ieden auch red - lichen Beſitzer [vergl. Grotius L. II. c. 10. §. 1. n. 2.]. Ich halte aber die gegentheiligen Gruͤnde fuͤrſtaͤrker;215in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.ſtaͤrker; denn wenn die Rechte des gehoͤrig erworbenen Eigenthums ſo weit ſich erſtrecken ſollen, ſo ſehe ich nicht, warum das Eigenthumsrecht des letztern redlichen Er - werbers, dem keine Schuld und Beleidigung zur Laſt faͤlt, nicht eben ſo ſtark und noch ſtaͤrker ſeyn ſolte, da er noch dazu im Beſitz ſich befindet.
a]
b]Wegen Wiedererſtattung der Koſten und Nutzungen nach dem nataͤrlichen Rechte uͤberhaupt ſehe man Puffen - dorff I. N. et Gent. L. IV. c. 13. Ein Beiſpiel von Wiedererſtattung der genoſſenen Nutzungen unter den europaͤiſchen Maͤchten findet ſich im Ryswickſchen Frieden zwiſchen Grosbritannien und Frankreich von 1697. Art. 13. wo es heißt: Et in quantum, per auctori - tatem Domini Regis Chriſtianiſſimi Dominus Rex Magnae Britanniae impeditus fuerit, quominus frue - retur reditibus, iuribus et commodis tam principatus ſui Arauſionenſis quam aliorum ſuorum Dominiorum, quae poſt concluſum tractatum Neomagenſem, vsque ad declarationem praeſentis belli ſub dominatione praedicti Regis Chriſtianiſſimi fuerunt, praedictus Dominus Rex Chriſtianiſſimus Regi Magnae Britan - niae reſtituet et reſtitui efficiet realiter, cum effectu et cum intereſſe debito, omnes iſtos reditiis, iurs et commoda ſecundum declarationes et verificationes coram dictis Commiſſariis faciendas.
b]
c]Es giebt Beiſpiele genug, daß an Beſitzungen, welche eine Nazion durch Friedensſchluͤſſe, oder auf andere rechtmaͤſſige Weiſe erworben, gleichwol dritte Maͤchte, aus vermeintlichen aͤltern Rechten, mancherley Anſpruͤche machen; wie man in Schweders Theatro praeten - ſionum und mehrern dahin gehoͤrigen Schriften ſehen kan.
c]
O 4§. 4.216Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker

§. 4. Privatbeſitzungen in einem auswaͤrtigen Territorium.

So wie es von der politiſchen Verfaſſung eines ieden Staats abhaͤngt, ob den Unterthanen der Ankauf unbeweglicher Guͤter in fremden Landen erlaubt ſeyn ſoll a]; ſo ſteht es auch in dem Gutfinden eines ieden Volks, ob es die in ſeinem Territorium vorhandenen unangebauten Plaͤtze, als ein Privateigenthum, mit Vorbehalt der Oberherſchaft b] oder auch den Beſitz anderer Privatguͤter fremden Nazionen und deren ein - zelnen Mitgliedern oder Gemeinheiten geſtatten oder verſagen, und dem gemaͤs ſeinen Unterthanen der Ver - aͤuſſerung halber die erfoderlichen Geſetze geben will c]. Zuweilen bedingen iedoch die Voͤlker ſich wechſelſeitig die Freiheit dieſes Erwerbes fuͤr ihre Unterthanen d]. Es koͤnnen die Nazionen einander aber auch durch Ver - traͤge verſprechen, daß ſie dieſer oder iener den Eigen - thumserwerb in einem gewiſſen Territorium nicht erlau - ben wollen e]. Da keine Nazion irgend ein Recht an dem Territorialeigenthum der andern hat, ſo kann auch keine, auſſer in den durch Vertraͤge bedungenen Faͤllen, wider das Verbot oder die Verſtattung dergleichen Privatbeſitzungen etwas einwenden f]. Uebrigens blei - ben die von Auswaͤrtigen beſeſſenen Privatguͤter in allen Stuͤcken der Oberherſchaft des Volks, dem das Territorium gehoͤrt, unterworfen, und muͤſſen ledig - lich nach den Landesgeſetzen behandelt werden g].

a]Frankreich z. B. verbot 1749. ſeinen in der Leyante be - findlichen Unterthanen, daſelbſt keine unbeweglichen Guͤter zu kaufen. Moſers Verſuch 6. Th. S. 37.
a]
b]Grotius L. II. c. 2. §. 17. meint zwar, ein Volk muͤſſe die unbebauten Gegenden in ſeinem Lande Frem - den uͤberlaſſen, wenn ſie ſolche verlangten, oder dieſe koͤnten vielmehr durch bloſſe Beſitzergreifung das Eigen -thum217in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.thum davon, iedoch unter ienes Volkes Oberherſchaft, erwerben, weil unbebaute Orte fuͤr nicht beſeſſen zu hal - ten. Aber dieſer Grundſatz, wenn er auch, wie es nach des Grotius Abſicht ſcheinet, blos von ſolchen Frem - den zu verſtehn waͤre, die mit Aufhebung ihrer vorigen Staatsverbindung, ſich voͤllig in dem Territorium des andern Volks niederlaſſen wollen, ſtreitet geradezu wider das einer ieden Nazioa unlaͤugbar zuſtehende Eigenthum uͤber den ganzen Umfang ſeines Territoriums, wie ſol - ches Barbeyrac in den Noten zur franzoͤſiſchen Ueber - ſetzung des Grotius bey dieſer Stelle angemerkt hat; obwohl der eigne Vortheil eines Volks allerdings erfo - dert, dieſes zu thun. M. vergl. Wolff I. G. c. III. §. 275. de Martini Poſit. de iure civit. c. XIX. §. 586.
b]
c]Nach der Meinung des Ickſtatt, Elem. I. G. L. III. c. 3. §. 16. Scol. 2. [vergl. Wolff I. G. c. III. §. 333.] verdienen dergleichen Veraͤuſſerungen der Pri - vatguͤter an Fremde eben keine Aufmerkſamkeit im Voͤl - kerrechte, weil dadurch weder die Gerechtſame noch die Grenzen des Staats geſchmaͤlert oder veraͤndert wuͤrden. Da ſie aber, beſonders an den Grenzen, zu mancherley Streitigkeiten Anlas geben, ſo ſind ſie keinesweges als gleichguͤltig zu betrachten. Daher erließ Frankreich un - term 10. Jul. 1731. an die Eigenthumsbeſitzer der Provinzen Hennegau, Flandern, Artois ꝛc. ein Verbot, ihre Guͤter, bey Strafe der Confiscation, an Fremde, die nicht franzoͤſiſche Unterthanen und im Reiche ange - ſeſſen waͤren, ohne Erlaubnis zu verkaufen, theils um die Einkuͤnfte davon nicht auſſer Landes gehen zu laſſen, theils weil den franzoͤſiſchen Unterthanen in den benach - barten Staaten der Guͤterankauf ebenfals verboten ſey. Real Science du Gouvern. Tom. IV. c. VII. Sect. 2. §. 20.
c]O 5d] In218Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
d]In dem Handelsvertrage zwiſchen Rußland und Oeſter - reich von 1785. Art. 24. wird z. B. den oͤſterreichi - ſchen Unterthanen die Erlaubnis zugeſtanden, in Peters - burg, Moſcau, Archangel ꝛc. Haͤuſer zu bauen und zu erkaufen. Desgleichen iſt nach dem Handelsvertrage zwiſchen Rußland und Portugal von 1787. Art. 36. den beiderſeitigen Kaufleuten erlaubt, in des andern Theils Staͤdten ſich anzubauen, Haͤuſer zu kaufen ꝛc. ꝛc.
d]
e]So verſpricht Portugal dem Koͤnige in Spanien im Utrechter Frieden 1715. Art. 6. nicht zu erlauben, daß in der von letzterer Krone abgetreten erhaltenen Colonie de Sacramento eine andere europaͤiſche Nazion, als die portugieſiſche ſich etablire: und die von Frankreich an Grosbritannien uͤberlaſſene Inſel St. Chriſtoph ſoll blos von grosbritanniſchen Unterthanen beſeſſen werden. Utrecht. Fr. zwiſchen Frankr. und Grosbrit. 1713. Art. 12. Nach dem Frieden zwiſchen eben dieſen bei - den Nazionen von 1783. Art. 7. ſollen die Untertha - nen des Koͤnigs von Grosbritannien, welche auf den Inſeln St. Lucie und Tabago, die an Frankreich abge - treten worden, Beſitzungen haben zwar auswandern und ſolche verkaufen koͤnnen, aber nur an Unterthanen des Koͤnigs in Frankreich.
e]
f]Noch haͤrter iſt es freilich, wenn fremde Unterthanen, die in einem Lande bereits angeſeſſen ſind, ihre Beſi - tzungen aufzugeben genoͤthiget werden, wie Spanien 1765. ſolches allen Fremden, die ſich in der Havana etablirt hatten befahl. Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 481. Jedoch muͤſſen die auswaͤrtigen Na - zionen ſich ſolches gefallen laſſen, wenn dadurch nicht eingegangene Verbindlichkeiten verletzt werden, wie man bey dem neuerlichen Verbote in Spanien von mehrern Seiten ſich beſchwerte.
f]
g]Ickſtatt Elem. I. G. L. II. c. 5. §. 19.
g]*] Von219in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
*]Von dem Verbote nur an keine andere, als von gewiſ - ſen Religionen die Gaͤter zu veraͤuſſern wird weiter unten bey den Religionsverhaͤltniſſen gehandelt werden.
*]

§. 5. Eintritt in das Territorium eines andern Volks.

Zu den ausſchließlichen Rechten des Territorial - eigenthums gehoͤrt das Befugnis der Nazionen, nach Wilkuͤhr, Fremden fuͤr ihre Perſonen und Sachen, den Eintritt in das Territorium zu erlauben oder zu verſagen a]. Sie koͤnnen ſolchen entweder gaͤnzlich, oder nur zu gewiſſen Zeiten b] und an beſtimten Or - ten c] oder beſondern Gattungen von Perſonen d] un - ter feſtgeſetzten Strafen verbieten, oder ihn nur unter gewiſſen Bedingungen e] und nach vorgaͤngiger Anſu - chung verſtatten. Auf ieden Fall ſind die Nazionen dabey fuͤr ihre Sicherheit zu ſorgen und zu dem Ende von dem Namen, Stande ꝛc. f] der ankommenden Fremden die noͤthige Erkundigung einzuziehn, glaub - wuͤrdige Paͤſſe g] von dem Orte der Herkunft zu ver - langen, und andere dienſame Vorkehrungen deshalb zu treffen berechtigt. Die Erlaubnis des Eintritts iſt auch nie anders zu verſtehn, als daß dem Lande kein Nachtheil und der Territorialhoheit kein Abbruch da - durch zugefuͤgt werde h]. Auswaͤrtige Nazionen koͤn - nen daher den Eintritt keinesweges als Recht fodern, und die Verweigerung als Beleidigung anſehn, auſſer wenn die Noth ſolchen erheiſcht; in welchem Falle ſie ihn auch wohl mit Gewalt nehmen duͤrfen i]. Unter den heutigen Voͤlkern in Europa pflegt in Friedenszei - ten einzelnen Fremden, ohne beſonderes Anſuchen, der Eintritt in das Territorium nicht leicht verſagt zu wer -den,220Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkerden k], wenn ſie ſich den Geſetzen des Staats, wohin ſie kommen, gehoͤrig unterwerfen l].

a]Wolff I. G. c. III. §. 295. ff. Vattel droit d. g. L. II. c. 7. §. 94.
a]
b]Z. B. zu Peſtzeiten oder wenn andere anſteckende Seu - chen in gewiſſen Gegenden herſchen. Verſchiedene Vor - kehrungen deshalb von Seiten des teutſchen Reichs und ſeiner Staͤnde in den Jahren 1713. u. f. ſehe man in Fabers Europ. Staatskanzley 21. Th. c. 11. S. 819. u. 22. Th. c. 8. S. 337. ff. ꝛc. In dem preuſſi - ſchen Edict unter andern wird das Commercium mit Oeſterreich und Maͤhren, Schleſien ꝛc. gaͤnzlich aufge - hoben und verboten, dergeſtalt, daß weder Perſonen, Vieh noch Waaren, am wenigſten aber alte Kleider, Betten, Federn, Mobilien und dergleichen leicht Gift fangendes Geraͤthe, ſo lange die Contagion daſelbſt waͤhret, in die Lande eingelaſſen werden ſollen, es ſeind die Perſonen und Sachen mit Paͤſſen verſehen oder nicht. Auf die welche heimlich ſich einſchleichen oder mit Ge - walt durchdringen wollen iſt meiſtens Leib - und Lebens - ſtrafe geſetzt. M. vergl. Gotfr. Strauß diſſ. II. de iure arcendi forenſes ob metum peſtis, Witteb. 1680. u. 83.
b]
c]So wird oͤfters allen Fremden, ohne beſondere Erlaub - nis, die Zulaſſung zu den Feſtungswerken, Arſenalen ꝛc. verboten. Moſers Verſuch 6. Th. S. 45.
c]
d]Dahin gehoͤren gemeiniglich Spionen und andere ver - daͤchtige Leute, welche die Abſicht haben, das Land aus - zuſpaͤhen oder Unruhen zu ſtiften, Bettler, Landſtreicher, Zigeuner und anderes herrn - und geſchaͤftsloſes Geſindel [m. ſ. ein Kurmaynziſches Edict deshalb in Elect. I. Pub. P. VI. S. 656. ff. ] fremde Juden, wegen wel - cher z. B. 1748. in Daͤnemark ein Placat erſchien, daß keiner ohne koͤniglichen Gleitsbrief ans Land geſetzt werden ſolle; Miſſionarien [dieſe wolte unter andernPortugal221in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.Portugal ohne beſondere Verguͤnſtigung in Indien nicht zulaſſen. Monathl. Staatsſp. Aug. 1699. S. 111. und dergleichen. M. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 43. ff.
d]
e]Daß ſie z. B. zu Contagionszciten die vorgeſchriebene Quarantaine halten ꝛc.
e]
f]Indes geſtattet man groſſen Herrn, Standes - und andern unverdaͤchtigen Perſonen, als Gelehrten ꝛc. ge - meiniglich das Incognito unter andern Namen. Mo - ſers Verſuch 6. Th. S. 44.
f]
g]Io. Chr. Lange ſ. Io. Wolfg. Textor diſſ. de litteris commeatus, Heidelb. 1674,
g]
h]de Martini Poſit. de iure civit. c. XIX. §. 593.
h]
i]Moſer in den Beitraͤgen zum V. R. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 481. fuͤhrt einige Beiſpiele an, wo beſonders die hollaͤndiſchen Statthalter in verſchiedenen amerikaniſchen Beſitzungen, den Schiffen anderer Nazionen, das An - landen nicht haben erlauben wollen. Als z. B. 1767. der grosbritanniſche Kapitain Carteret in den Hafen bey der Stadt Macaſſar einlaufen wolte, um Lebensmittel ꝛc. einzukaufen, ließ ihm der Statthalter ſagen: daß er nirgends auf der ganzen Kuͤſte landen ſolte. Carteret entgegnete: daß dies eben ſo viel heiſſe, als er ſolte mit ſeiner ganzen Mannſchaft umkommen, und ſo wolten ſie, wenn es ſeyn muͤſſe, ihr Leben theuer genug verkaufen; worauf der Statthalter ihm endlich die Erlaubnis zu landen, iedoch an einem andern Orte der Kuͤſte verſtat - tete. Dem franzoͤſiſchen Kapitain Bougainville erklaͤrte der hollaͤndiſche Reſident auf der molukkiſchen Inſel Boero ebenfals: daß hier keine andern, als der hollaͤn - diſchen Compagnie Schiffe landen duͤrften. Bougain - ville aber entſchuldigte ſich mit der Noth in welcher er ſich befinde, die ihn berechtigte in dem erſten Hafen den er antraͤfe die Rechte der Menſchheit geltend zu machen, und erhielt, gegen eine dem Reſidentenhier -222Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkerhieruͤber ausgeſtelte ſchriftliche Verſicherung, alle Un - terſtuͤtzung.
i]
k]Wenn daher ganze Haufen von Coloniſten, Auswan - derer, Recruten ꝛc. oder gar bewafnete Corps ein frem - des Territorium betreten ſollen, iſt die Erlaubnis hierzu vorher allerdings noͤthig, weshalb auch zuweilen in Ver - traͤgen die erfoderliche Uebereinkunft getroffen wird. Was beſonders das Einlaufen der Kriegsſchiffe in die Haͤfen anlanget wurde unter andern zwiſchen Frankreich und Portugal im Utrechter Frieden 1713. Art. 7. ver - glichen: Il ſera permis reciproquement aux Vaiſſeaux tant Marchands que de Guerre, d’entrer librement dans les ports de la Couronne de France et dans ceux de la Couronne de Portugal, ils avoient coutume d’entrer par le paſſé, pourvûque ceux-ci n’excedent tous enſemble le nombre de ſix à l’égard des ports d’une plus grande capaeité, et le nombre de trois à l’égard des ports qui ſont moindres. En cas qu’un plus grand nombre de Vaiſſeaux de Guerre de l’une des deux Nations ſe préſente devant quelque port de l’autre ils n’y pourront pas entrer ſans avoir deman - permiſſion au Gouverneur ou bien au Magiſtrat. Et ſ’il arrivoit, que les dits Vaiſſeaux pouſſés par le gros tems ou contraints par quelque autre neceſ - ſité preſſante, vinſſent à entrer dans quelque port, ſans en avoir demandé permiſſion ils ſeront obligés de ſaire part d’abord au Gouverneur ou au Magiſtrat de leur arrivée, et ils n’y pourront pas ſejourner audelà du tems qui leur ſera permis, ſ’abſtenant cependant de faire la moindre choſe dont le dit Port puiſſe être endommagé.
k]
l]M. vergl. uͤberhaupt Martens précis du droit d. G. L. III. c. 3. §. 63.
l]
*]Von der Nacheile und Jagdfolge in ein anderes Terri - torium wird weiter unten zu reden ſeyn.
*]
§. 6.223in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.

§. 6. Aufenthalt in demſelben.

Mit dem Aufenthalte fremder Unterthanen in einem andern Territorium hat es gleiche Bewandnis. Der - ſelbe kann iedoch nicht fuͤglich verweigert werden, wenn nothwendige Geſchaͤfte, Krankheit oder andere Um - ſtaͤnde ihn unumgaͤnglich erfodern a]. Zuweilen wird die wechſelſeitige Erlaubnis hierzu unter den Nazionen auch wohl ausdruͤcklich bedungen b]. Wo aber uͤble Abſichten bey dem Aufenthalte oder ſonſt unangenehme Folgen zu beſorgen, ſteht es iedem Volke allerdings frey, denſelben zu verbieten, [wenigſtens zu verkuͤrzen] oder andere zweckdienliche Maasregeln dabey zu er - greifen d].

a]Grotius L. II. c. 2. §. 15. n. 1. 2. Wolff I. G. c. III. §. 345. ff.
a]
b]Im Frieden zwiſchen Frankreich und Grosbritannien 1559. heißt es z. B. omnes et ſinguli vtriusque regni incolae quacunque dignitate quocunque ſtatu et conditione extiterint, poterunt ſeſe mutuis officiis amicitiae proſequi et excipere, libere, tuto, ſecure vltro citroque terra marive ac fluminibus com - meare navigare illicque quamdiu velint morari, vel hinc inde quando viſum erit recedere et abire etc.
b]
c]So darf in Genua kein Fremder, ohne beſtimte Geſchaͤfte und ohne beſondere Erlaubnis, ſich laͤnger als drey Tage [Moſer im Verſuch 6. Th. S. 44. ſagt, nicht eine Nacht] aufhalten; welches bey den neuerlichen franzoͤſiſchen Unruhen, wegen der haͤufig ankommenden Emigranten, zwiſchen der Republik und dem franzoͤſi - ſchen Geſandten zu Irrungen Anlas gab. ſ. Polit. Journal April 1791. S. 409.
c]Es224Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
d]Es iſt nicht ungewoͤnlich, dergleichen verdaͤchtige Fremde mit Wachten begleiten zu laſſen, welches, nach Mo - ſers Meinung, auch die Ankoͤmlinge in den Colonien ſich gefallen laſſen muͤſten, wo Fremden die Handlung verboten. Moſers Verſuch 6. Th. S. 43. Indes fuͤhrte Rußland es 1700. als eine Beſchwerde gegen Schweden an: quod Generalis ac Gubernator Rigen - ſis multifariam ad Magnos ac Plenipotentiarios Cza - reae Majeſtatis mittens, aſpere vociferatus ſit quaſi quidem ex Miniſtris ac perſonis ad legationem per - tinentibus, circumeundo vrbem, fortalitia ac muni - menta luſtrent ac dimetiantur, vociferationes, tur - bines ad quemcunque tumultum excitent, quod vero ſub vera promiſſione non factum, et omnibus cum vigilibus ire cogebantur, etc. Lamberty Memoires Tom. I. p. 126.
d]

§. 7. Durchzug und Reiſen durch ein fremdes Territorium.

Weniger kann der Durchzug durch das Territorium zu Lande und zu Waſſer einem andern Volke und deſſen Unterthanen in Friedenszeiten, ohne erhebliche Urſa - chen, wenn ſie deſſen noͤthig haben a], verweigert wer - den b]. Denn wenn auch eine Nazion ſelbſt mit der andern nichts zu ſchaffen haben wolte, ſo muß doch dieſer erlaubt ſeyn, das was ſie braucht anderswoher zu holen und zu dem Ende ſich des Durchzuges zu be - dienen, zumal wenn iener kein Nachtheil dadurch zu - gefuͤgt wird c]. Damit er unbeſchadet der Souverai - netaͤt geſchehe iſt uͤbrigens das Volk, durch deſſen Ter - ritorium der Durchzug begehrt wird, allerdings berech - tigt, gewiſſe Bedingungen dabey vorzuſchreiben d], denen die andere Nazion ſich unterwerfen muß.

In225in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.

In wie ferne dieſes gegenſeitige Befugnis bey Durchmaͤrſchen der Truppen, Tranſito der Waaren, Durchfuͤhrung der Verbrecher und Verſtorbenen ꝛc. ſeine Anwendung leide und den Territorialeigenthuͤmer zu gewiſſen Entſchaͤdigungsfoderungen berechtige, ſoll bey den einzelnen Hoheitsrechten unterſucht werden e].

Hier merke ich nur noch an, daß die Erlaubnis des Durchzugs uͤberhaupt zuweilen ausdruͤcklich bedun - gen zu werden pflegt, und dann um ſo weniger verſagt werden darf f].

Durchreiſen einzelner Unterthanen in Geſchaͤften koͤnnen in der Regel ebenfals nicht verwehrt werden; bey Reiſen hingegen aus Neugier ꝛc. hat eine Nazion mehrere Freiheit, ſie zu erlauben oder zu verbieten g], kann es aber auch fuͤr keine Beleidigung anſehn, wenn andere ihren Unterthanen die Bereiſung fremder Lande unterſagen oder doch einſchraͤnken h].

a]Der Durchzug iſt z. B. unumgaͤnglich noͤthig, wenn ein Volk eingeſchloſſene Lande in dem Territorium eines andern beſitzt. Wolff I. G. c. III. §. 323.
a]
b]Grotius L. II. c. 2. §. 13. c. 3. §. 12. Schrodt P. II. c. 2. §. 7. u. 8.
b]
c]Nicht aus dem Rechte des unſchaͤdlichen Gebrauchs [in - noxiae vtilitatis] allein, wie Grotius will, ſondern hauptſaͤchlich auch aus dem natuͤrlichen Rechte, ſeine Beduͤrfniſſe uͤberall aufzuſuchen. Cocceji Introd. diſſ. prooem. XII. L. IV. c. 1. §. 225.
c]
d]Daß z. B., wie bey dem Eintritte bereits erinnert wor - den, vorher deshalb angefragt werde; daß der Durchzug unbewafnet geſchehe ꝛc. Es werden auch wohl gewiſſe Wege vorgeſchrieben, deren die Reiſenden, nach Be - ſchaffenheit der Zeiten, Perſonen und Umſtaͤnde ſich be - dienen muͤſſen. Moſers Verſuch 6 Th. S. 43. oder man verbietet dieſen und ienen Weg fuͤr gewiſſe Perſo - nen ꝛc. In dem Accord, welchen die Staaten vonGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. PSee -226Algemeine wechſelſeitige Rechte der VoͤlkerSeeland 1596. mit der Stadt Bruͤgge errichteten, wurde Art. 8. beliebt: Que le chemin entre Bruges et l’Ecluſe des deux côtes du Canal de Bruges ſera libre pour toutes perſonnes qui ne ſont pas militaires, ſoit pour aller, ſoit pour revenir. Lettres et Negoc. de Witt. à Amſt. 1725. 8. T. 5. p. 311.
d]
e]Die Materie von der Schiffahrt in den eigenthuͤmlichen Gewaͤſſern eines andern Volks wird wegen der genauen Verwandſchaft mit dem Handel ꝛc. daſelbſt am fuͤglich - ſten mit abzuhandeln ſeyn.
e]
f]In dem Grenzvertrage zwiſchen Frankreich und dem Hochſtift Luͤttich von 1772. wird z. B. Art. 18. feſt - geſetzt: Frankreich ſolle haben à perpetuité un tranſit libre et illimité par le territoire de Heer und Art. 19. verſpricht Frankreich dem Hochſtift Luͤttich: de maintenir perpetuellement entierement et irrevo - cablement libre le paſſage par la grande route qui du territoire de Heer traverſera celui de Blemont, et par le territoire de Flamignoul. Moſers Verſuch 5. Th. S. 239. M. vergl. deshalb den Grenzvertrag zwiſchen Frankreich und Oeſterreich von 1769. Art. 31. Ebendaſ. S. 272. Auch in dem Hubertsburger Frie - den zwiſchen den Koͤnigen in Polen und Preuſſen 1763. Art. 9. wurde bedungen: Sa M. le Roi de Pruſſe accorde a Sa M. le Roi de Pologne Electeur de Saxe le libre paſſage en tout tems par la Sileſie en Po - logne et renouvelle en particulier ce qui a été ſtipulé la-deſſus dans l’article X. du traité de paix conclu a Dresde en 1745.
f]
g]Bened. Hopfferi diſſ. de mutua commereiandi et pe - regrinandi libertate inter gentes, Tubing. 1678. Auch in Abſicht der Reiſen werden die Erlaubnis und Bedingungen oͤfters im voraus unter den Voͤlkern verab - redet. Zwiſchen dem Roͤmiſchen Kaiſer und der Pforte wurde in dem Handelstractat von 1718. Art. 13. feſt -geſetzt:227in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.geſetzt: Liberum eſto Caeſareo-Regiis Subditis, ſive commercii ſive piae peregrinationis cauſa ad quemcun - que ditionum Ottomannicarum locum contendere, vltro citroque absque impedimento commeare, iis autem, ne in quocunque loco et itinere a tributi exactoribus aliisve hominibus infeſtentur, a Porta Ottomannica rigoroſae litterae patentes dabuntur. Rußland und die Pforte verabredeten 1754. Que deſormais ceux qui paſſeront du territoire de Tur - quie ſur celui de Ruſſie et vice verſa devront être munis de paſſeports imprimés en langues Ruſſe et Turque. Ceux au contraire qui n’auront point de tels paſſeports ſeront arrêtés et punis. Moſers Verſuch 5. Th. S. 390. In dem nachherigen Han - delsvertrage von 1783. Art. 3. wurde gleichfals bedun - gen, daß die Ruſſiſchen Unterthanen ꝛc. mit ruſſiſchen Paſſeports uͤberall durch das ottomanniſche Gebiet ſolten reiſen koͤnnen. M. vergl. Moſers Verſuch 6. Th. S. 42. ff.
g]
h]Eine ſolche Verordnung gab unter andern Preuſſen den 21. Jan. 1714. ingleichen unterm 16. Jan. 1748. Moſer von der Landesh. in Policeyſachen 6. Kap. §. 5. S. 104. M. vergl. Gottl. Sam. Treuer exerc. po - lit. de licentia peregrinandi legibus circumſcribenda, Lipſ. 1720. 4.
h]
*]Ueberhaupt verdienen noch nachgeſehn zu werden: Dan. Nic. Roſenhand de iure tranſeundi per territoria, Argent. 1672. 4. Herm. Zoll diſſ. de tranſitu innoxio Rintel 1701. Chr. Phil. Streit diſſ. de tranſitu noxio et innoxio per alienum territorium, Alt. 1713. Del diritto ai tranſiti Mantua 1785. 8. der Verfaſſer ſoll der Graf Joh. Bapſt. Gerh. d’Arco ſeyn.
*]
P 2§. 8.228Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker

§. 8. Wilkuͤhrliche Benutzung des Territoriums.

Zu den hauptſaͤchlichſten Rechten des Eigenthums uͤberhaupt und alſo auch des Territorialeigenthums der Voͤlker gehoͤrt ferner der wilkuͤhrliche Gebrauch oder Misbrauch und die Benutzung deſſelben, ſo, wie ſie es ihrer Erhaltung und Vervolkomnung angemeſſen finden. Es ſteht ihnen daher frey, alles, was zu die - ſen Endzweck fuͤhrt zu thun oder zu laſſen und vermoͤge der Oberherſchaft in ihrem Gebiete anzuordnen, ohne daß andere Nazionen ihnen Einhalt thun duͤrften; es muͤſte dieſen denn eine Beleidigung dadurch zugefuͤgt werden, oder iene ihrer natuͤrlichen Freiheit zum Vor - theil eines andern Volks ſich ausdruͤcklich begeben haben a]. Zum Ueberflus und zu mehrerer Sicherheit bedingen indes die Nazionen zuweilen ſich noch die Ausuͤbung dieſes und ienes Rechts insbeſondere von andern b].

a]So errichtete unter andern Frankreich 1742. mit dem Hauſe Naſſau einen Vergleich, worinn letzteres ver - ſprach, ſeine Salzqvelle in der Voigtey Herbizheim lie - gen zu laſſen, wogegen ihm von Frankreich aus der lothringiſchen Saline Dieuſe iaͤhrlich eine gewiſſe Quan - titaͤt Salz unentgeldlich zugeſtanden wurde. Moſers ausw. Staatsr. 4. B. 8. Kap. §. 3. S. 315. Unten werden hiervon mehrere Beiſpiele vorkommen.
a]
b]Auch davon kuͤnftig bey den einzelnen Hoheitsrechten ein mehreres.
b]

§. 9. Rechte in dem Gebiete anderer Nazionen.

Kein Volk kann auch von Natur auf die Benu - tzung des Territoriums eines andern, oder auf die Aus -uͤbung229in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.uͤbung irgend eines dahineinſchlagenden Hoheitsrechts im eignen Namen, Anſpruch machen, noch iſt das an - dere Volk verbunden ihm dergleichen zuzugeſtehn a]. Das Befugnis hierzu muß durch ausdruͤckliche oder ſtilſchweigende Vertraͤge beſonders erworben werden, und es haͤngt von der Wilkuͤhr der Nazionen ab, ob und was fuͤr Rechte ſie andern in ihrem Territorium einraͤumen wollen. Was iedoch allen uͤbrigen fremden Nazionen in einem Lande erlaubt iſt, kann einer allein nicht fuͤglich abgeſchlagen werden, wenn ſie durch vor - herige Beleidigung ſich eine ſolche Behandlung nicht zugezogen hat, ob ſie gleich das, was nur einigen aus beſonderer Verguͤnſtigung zugeſtanden wird, nicht ver - langen koͤnnen b]. Durch dieſe Geſtattung einzelner zufaͤlliger Hoheitsrechte geſchieht indes der Souverai - netaͤt uͤberhaupt kein Abbruch c]. Uehrigens iſt alles das hieher zu wiederholen, was vormals [1. Th. 4. K.] von der Freiheit der Nazionen ihre Handlungen nach eignem Gefallen einzurichten, geſagt worden.

a]Wolff I. G. c. III. §. 293.
a]
b]Grotius L. II. e. 2. §. 22. Wolff c. III. §. 348. ff. Vattel L. II. c. 10. §. 237. ff. vergl. Moſers Anfangsgruͤnde der Staatsverf. von Europa 1. Th. S. 252.
b]
c]Martens precis du droit d. g, L. III. c. 3. §. 94. p. 138.
c]
*]Sam. Stryck diſſ. de iure principis extra territorium, Frcf. ad V. 1676. und in diſſ. Franc. Vol. II. n. 1. Mich. Henr. Gribner diſſ. de dominio directo in terri - torio alieno, Witteb. 1717. Burc. Gotth. Struv. diſſ. de dominio directo in alieno territorio, Ien. 1724. Beide letztere zuſammen herausgegeben von Heinr. Gottl. Franke, Lipſ. 1743. 4. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. 6. Kap. S. 309. ff.
*]
P 3§. 10.230Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker

§. 10. Rechte der Nachbarſchaft.

Die benachbarten Nazionen haben, der bloſſen Nachbarſchaft wegen, hierzu kein ſtaͤrkeres Recht, wenn auch das Territorium ganz mit den Landen eines andern Volks umſchloſſen ſeyn ſolte a]. Sie koͤnnen zwar ver - langen, daß der Nachbar ſein Territorium nicht zum offenbaren Schaden gebrauche b] ihm iedoch nicht ver - wehren, ſolche an ſich unſchaͤdliche Anſtalten zu treffen, die er ſeinen Vortheilen angemeſſen findet, wenn auch den benachbarten Nazionen dadurch ein gehofter Nutzen entgehen und ihm alſo mittelbar einiger Nachtheil zu - gefuͤgt werden ſolte c]. Denn mit eignem Schaden iſt niemand verbunden des andern Vortheil zu befoͤr - dern. Indes iſt nicht zu laͤugnen, daß die benach - barten, beſonders maͤchtigern Nazionen, unter dem Vorwand der Nachbarſchaftsrechte ſich nicht ſelten eins und das andere herausnehmen d] und die mindermaͤch - tigen oft etwas dulten, thun oder laſſen muͤſſen, wozu ſie den Rechten nach eben nicht verbunden waͤren: wie denn uͤberhaupt die Klugheit allerdings unter Nachbarn, wegen der beſtaͤndigen Verbindungen und mannichfal - tigen Verhaͤltniſſe, eine genauere Beobachtung der an ſich unvolkomnen und ſogenanten Liebespflichten fodert.

a]Moſers Verſuch 6. Th. S. 167.
a]
b]Ebendaſ. 5. B. 4. K. Von den Rechten und Pflich - ten benachbarter Maͤchte S. 372. ff. und Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. 7. Kap. S. 321. ff.
b]
c]z. B. Anlegung eigner Fabriken ꝛc. Moſers Verſuch 5. Th. S. 374.
c]
d]Ueber den Misbrauch dieſes vermeintlichen Rechts der Nachbarſchaft geriethen unter andern Rußland und Polen, wegen des Herzogthums Curland in Streit. Polen aͤuſ -ſerte:231in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.ſerte: Si c’eſt par droit de voiſinage, droit nouveau que cet expoſé introduit, que S. M. Imp. preten - droit diſpoſer de la Courlande ſur les motifs qu’il Lui plairoit d’adopter, il n’y a pays ni cour qui n’ait des droits ſur les voiſins. worauf die Kaiſerin von Ruß - land entgegnete: S. M. Imp. eſt bien eloignée de vou - loir deroger aux droits de ſes voiſins et par conſequent de vouloir agir en aucune manière contre les droits et privilèges de la Courlande province voiſin et limi - trophe de ſon empire etc. Moſers Verſuch 5. Th. S. 161. u. 164.
d]

§. 11. Voͤlkerdienſtbarkeiten.

Der Hauptgrund aller in eines endern Volks Ge - biete auszuuͤbenden Gerechtſame beruht auf ausdruͤck - liche oder ſtilſchweigende Einwilligung des Territorial - eigenthuͤmers, d. i. auf Vertraͤge und Herkommen a]. Man giebt dieſen Rechten gewoͤnlich den Namen der Voͤlkerdienſtbarkeiten [auf lateiniſch in einer etwas uneigentlichen Bedeutung: Servitutes iuris publici oder vielmehr iuris gentium b], und theilt ſie in Activ - und Paſſiv-Dienſtbarkeiten. Erſtere ſind die, welche ein Volk in eines andern Territorium auszuuͤben, und letztere welche es von andern in ſeinen Landen zu dulten hat. Ueberdies finden bey denſelben noch mancherley Eintheilungen in verneinende [ſervitutes negativae] wenn eine Nazion ein gewiſſes Recht z. B. Feſtungen, Meſſen ꝛc. anzulegen, nicht ausuͤben darf, und beia - hende [affirmativae] wenn ſie die Ausuͤbung irgend eines Rechts von andern auf ihrem Territorium leiden muß, in geiſtliche und weltliche, bey Lehen und Erb - beſitzungen ꝛc. Statt c]. Auch auf dem Meere und Ge -P 4waͤſſern232Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkerwaͤſſern die eigentlich unter keiner Herſchaft ſtehen, koͤnnen gewiſſe Arten von Voͤlkerdienſtbarkeiten einge - fuͤhrt werden, wenn ein Volk ſich zu Gunſten anderer, ſeiner natuͤrlichen Freiheit begiebt und verſpricht, in einer beſtimten Gegend nicht zu fiſchen, zu ſchiffen ꝛc. d]. Alle dieſe Vertraͤge ſind jedoch nicht weiter auszudeh - nen, als ihr ausdruͤcklicher Innhalt beſaget e].

a]Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 2. §. 19. 20. Der Fall, welchen Wolf, c. III. §. 322. erwaͤhnt, wo ein Volk durch urſpruͤnglichen Erwerb gewiſſe Gerechtſame in eines andern Territorium erlangen koͤnne, iſt nach vorhin angefuͤhrten Grundſaͤtzen kaum denkbar.
a]
b]Ioach. Erdm. Schmidt diſſ, de ſervitutibus iuris pub - lici falſo nomine ſic appellatis, Ien. 1764.
b]
c]v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 222. Eine dergleichen blos auf gewiſſe Umſtaͤnde eingeſchraͤnkte Ser - vitut fuͤhrt Moſer im nachbarl. Staatsrecht S. 23. aus einem Vertrage zwiſchen Oeſterreich und dem Hoch - ſtift Chur von 1665. an, nach welchem erſteres dem Biſchoffe verwilligt, daß wenn er ſich ſelbſt auf ſeiner Herſchaft Fuͤrſtenberg in Tyrol befaͤnde, er in dem See auf der Malſerhaide fuͤr ſeine Tafel durch die oͤſterrei - chiſchen Fiſcher fiſchen laſſen koͤnne ꝛc.
c]
d]Wolff I. G. c. I. §. 126.
d]
e]Schutz - Lehns - und andere dergleichen Verbindungen geben daher, auſſer was die Natur dieſer Vertraͤge mit ſich bringet, keine weitern Anſpruͤche auf die Ausuͤbung einiger Rechte in dem Territorium, wenn ſolche nicht ausdruͤcklich mit bedungen worden, obgleich der Schutz - herr ꝛc. nur zu oft ſeine Gerechtſame weiter als ihm ge - buͤhrt zu erſtrecken pflegt. Ganz richtig bemerkt Frank - reich in dem Kriegsmanifeſt gegen den Roͤmiſchen Kaiſer 1733. Ce n’eſt point en étouffant les droits d’une nation qu’on merite le nom de ſon protecteur maisen233in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.en la defendant contre ceux qui la voudroient oppri - mer. Moſers Reichsfama 15. Th. S. 510.
e]
*]Io. Henr. Felz de ſervitutibus iuris publici ſeu de iuribus in alieno territorio, Argent. 1701. 1737. 4. Chr. Io. Conr. Engelbrecht de ſervitutibus iuris publici Helmſt. 1715. und cum praef. C. G. Buderi, Lipſ. 1739. 4. de Steck Eclairciſſemens de divers ſujets intereſſ. pour l’homme d’Etat 1785. 8. n. 6.
*]
**]Da dieſe Voͤlkerdienſtbarkeiten bey iedem Hoheitsrechte vorkommen, ſo will ich Beiſpiele davon unten, wo von den einzelnen Hoheitsrechten gehandelt werden ſoll, anfuͤhren.
**]

§. 12. Nothfall.

Was bey dem Eintritt, Durchzuge und Aufenthalt in einem andern Territorium bereits erinnert worden, findet auch bey der Benutzung ſeine Anwendung, daß naͤmlich im Nothfall a], wo es die Erhaltung unum - gaͤnglich erfodert, einem Volke gar wohl erlaubt iſt, des andern Lande zu gebrauchen, iedoch dergeſtalt daß dieſem der dadurch verurſachte Schaden nachher wieder erſetzt werde b].

a]In dieſem Falle tritt, nach Grotius und anderer Mei - nung, die urſpruͤngliche Gemeinſchaft der Guͤter wieder ein, die ieden zu gleichen Gebrauch berechtigte. Grotius L. II. c. 2. §. 6. Ickſtatt L. III. c. I. §. 13. Schol. Vattel L. II. c. 9. §. 117. u. 119. Herz nennt dies Recht eine natuͤrliche Dienſtbarkeit m. ſ. Nic. Hertius diſſ. de ſervitute naturaliter conſtituta cum inter di - verſos populos, tum inter ejusdem reipubl. cives in ej. Opuſc. Vol. II. Tom. 3. p. 103 154.
a]
b]Moſers Verſuch 5. Th. S. 383.
b]
P 5§. 13.234Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker

§. 13. Verletzung des Territoriums.

Wenn ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets in das unſtreitige Territorium a] eines andern erſtrecket, ſich unbefugt Handlungen und Gerechtſame in demſelben anmaßt, oder andere an Ausuͤbung ihrer Rechte hin - dert, ſo begeht es eine Verletzung des Territoriums b] und fuͤgt der andern Nazion eine Beleidigung zu, welche dieſe verhaͤltnismaͤſſig zu ahnden c] gleiches mit gleichem zu vergelten d] oder, wenn alle guͤtliche und gelinde Mittel nichts fruchten, ſich Genugthuung e] mit Gewalt zu verſchaffen berechtigt iſt f]. Zwiſchen Nachbarn fallen dergleichen Verletzungen oͤfters vor. Da ſolche vielmals aus bloſſer Unwiſſenheit, Verſehn und Uebereilung g] der Unterthanen oder Beamten an den Grenzen geſchehen, ſo wird nicht ſelten in voraus feſtgeſetzt, wie man ſich in dergleichen Faͤllen, zu Ver - huͤtung groͤſſern Misverſtaͤndniſſes, zu verhalten habe h]. Dritte Nazionen nehmen ohne beſondere Veranlaſſung, an dieſen, ſo wie an andern Streitigkeiten gewoͤnlich keinen Theil i].

a]So lange das Eigenthum und die Oberherſchaft uͤber ein Territorium ſtreitig iſt, laͤßt ſich wegen deſſen Ver - letzung nichts Entſcheidendes behaupten. Moſers Ver - ſuch 5. Th. S. 379. u. Beitraͤge in Frz. 5. Th. S. 334.
a]
b]Die Verletzung kann theils von dem Souverain ſelbſt, theils von den Beamten und Unterthanen entweder mit deſſen Befehl, Zulaſſung und Genehmigung, oder ohne dieſelben und ihm unwiſſend auf mancherley Art geſche - hen, z. B. durch gewafueten Einfall in ein Land oder Durchmarſch ohne Anfrage, gewaltſame und heimliche Werbung, Verfolgung und Wegnahme oder hinterliſtigeWeg -235in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.Weglockung entflohener Verbrecher [denn wenn der ein - geholte Uebelthaͤter der Landesobrigkeit zur Beſtrafung uͤbergeben, oder die Auslieferung gegen Revers bey der - ſelben gebuͤhrend geſucht wird, kann die Nacheile gar wohl geſchehen] durch eigenmaͤchtige Genugthuungsver - ſchaffung wegen Foderungen oder Beleidigungen des an - dern Staats Unterthanen ꝛc. Moſer a. a. O. S. 379. ff.
b]
c]Auſſer dem, daß keiner Nazion verwehrt werden kann, gegen ſolche etwa zu beſorgende Verletzungen in voraus die noͤthigen Vorkehrungen auf ſeinem Territorium an den Grenzen zu treffen, ſind ſie auch berechtigt, dieieni - gen Fremden, welche ſie bey unerlaubten Handlungen in ihrem Gebiete antreffen, nach gebuͤhrender Unterſu - chung, ſogleich ſelbſt zu beſtrafen. vergl. Moſers Beitr. in Frz. 5. Th. S. 385. Auf alle Faͤlle aber, zumal wenn der Souverain den Beleidiger ſeine Misbilligung zu erkennen giebt, ſind ſie befugt, entweder deren Aus - lieferung oder die Beſtrafung von dem eignen Souverain zu verlangen, wenn dieſer nicht, auf davon erhaltene Nachricht, freiwillig ſich zu dem einen oder andern ver - ſteht. Jedoch gebuͤhrt letzterm allerdings die vorlaͤufige Unterſuchung uͤber die Richtigkeit der angebrachten Be - ſchwerden. Le Roi de Sardaigne, hieß es 1755, a fait porter des plaintes à la Cour de France tou - chant la manière dont on ſ’eſt ſaiſi de Mandrin ſur le territoire de Savoye, et en y uſant de voyes de fait, pour lesquelles S. M. Sarde Se croyoit en droit de demander Satisfaction. Le Roi a donné ordre de prendre d’exactes informations à ce ſujet, afin que ſur le compte qui lui en ſera rendu, S. M. puiſſe or - donner ce qui lui paroitra convenable à cet égard, attendu que ſi l’on a commis dans cette occaſion quelque violation territoriale c’eſt contre ſes inten - tions, et que ceux qui etoient à la pourſuite de Man - drin n’ont conſulté apparement que la neceſſité deprendre236Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkerprendre ce Chef des Contrebandiers partout ils le trouveroient. Moſers Verſuch 5. Th. S. 385. vergl. Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 389.
c]
d]Sie kann, wenn die verlangte Beſtrafung oder Genug - thuung nicht erfolgt, Repreſſalien und die bey andern Beleidigungen unter Voͤlkern uͤblichen Mittel gebrauchen. Von Preuſſiſcher Seite ließ man 1777. in die Zeitungen ſetzen: Il n’eſt pas moins ſingulier, que dans le rapport des Commiſſaires Polonois, publié dans la Gazette, on ait rapporté comme une procédure illé - gale l’enlevement du Sr. Gotorowsky fait a Ripin par un detachement de Huſſars Pruſſiens. Ce fait n’a aucune connexion avec l’affaire de la demarca - tion. On ſ’eſt vu obligé de faire enlever par répreſ - ſailles le dit Polonois dont le véritable nom eſt Gota - ſtowsky parce qu’il avoit enlevé peu auparavant du territoire Pruſſien et a main armée, ſon Beau-père établi ſur ſa terre, et que d’autres Gentils-hommes Polonois ont exercé depuis quelque tems pluſieurs violences dans les limites du Royaume de Pruſſe, ſans qu’on ait pu en obtenir de redreſſement par les plaintes qu’on en a portées a Varſovie. Cependant le dit Gotaſtowsky a été relaché dès qu’il ſ’eſt re - concilié avec ſes parens et a promis de ne plus vio - ler le territoire Pruſſien. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 388.
d]
e]Ueber die Art der Genugthuung entſtehn gemeiniglich die groͤſten Schwierigkeiten. Die Foderung haͤngt aller - dings von dem beleidigten Theile ab, doch kann der an - dere auch verlangen, daß ſie mit der Beleidigung in Ver - haͤltnis ſtehe. Beide Nazionen muͤſſen ſich daruͤber ver - gleichen. Moſers Verſuch 5. Th. S. 384. Wegen vorerwaͤhnter Wegnahme des Mandrin auf Savoyiſchen Territorium verlangte Sardinien von Frankreich: Que l’Officier et ceux qui ont été employés ſous ſesordres,237in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.ordres, a exécuter l’enlèvement de Mandrin ſoient punis d’une manière propre à ſervir d’exemple: que le dommage cauſé par les circonſtances de cet enlève - ment, ſoit reparé: et qu’un Seigneur, ou Miniſtre de la Cour de France ſoit envoyé a Turin pour y faire des excuſes au Roi de la part de S. M. Es hieß auch nachher: Le Comte de Noailles revela du caractère d’Ambaſſadeur Extraordinaire de S. M. T. C. ſ’eſt aquitté de la Commiſſion qu’il a eue de ſa Cour de venir temoigner a S. M. le deſaven que le Roi ſon Maitre a fait de l’attentat commis en Sa - voye le II. du Mois de Mai dernier etc. Ebendaſ. S. 387. f.
e]
f]Wenn die Verletzung z. B. von dem Souverain ſelbſt oder mit deſſen Vorwiſſen und Genehmigung begangen worden iſt, er aber die Beleidigung gar nicht einraͤumen und ſich zu keiner Genugthuung verſtehen will. Ueber die zu geſchwinde Ergreifung gewaltſamer Mittel, be - ſonders des Krieges, beſchwerte ſich Rußland gegen Schweden bey den letztern Streitigkeiten. Aber geſetzt auch, aͤuſſerte man, es haͤtten Koſaken einige Ausſchwei - fungen auf dem ſchwediſchen Territorium begangen, auf gehoͤrig angebrachte Klagen wuͤrden die Schuldigen ge - wis beſtraft worden ſeyn, wenigſtens folgt daraus kei - nesweges das Recht, Rußland den Krieg zu erklaͤren. Ruſſiſche Erklaͤrung vom 4 / 15. Aug. 1788. uͤber die erſte Veranlaſſung zum Bruche, im NElb. Magaz. Septbr. 1788. S. 1077.
f]
g]Oft wird indes die Unwiſſenheit freilich blos zum Deck - mantel genommen. Daruͤber ſtritten beſonders Preuſſen und Oeſtreich beim Ausbruch des Krieges 1756. Erſte - res aͤuſſerte unter andern in einem P. M.: Der fuͤnfte Artikel des Berliner Friedens beſtimt allerdings die Gren - zen des geteilten Schleſien, und es ſind dem Frieden gemaͤs beſondere Grenzſaͤulen aufgerichtet worden. Den -noch238Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkernoch ſind dieſe Grenzzeichen an einigen Orten ſo weit von einander entfernt, daß die Ueberſchreitung der Grenzen aus Verſehn ſehr moͤglich iſt. So wenig dieſe Moͤglich - keit in der gegenſeitigen Schrift anitzo zugegeben werden will, ſo iſt doch dieſelbe zur einzigen Entſchuldigung eines von einem ganzen Commando von zehn Dragonern veruͤbten gewaltſamen Einfalls in das Koͤnigl. Preuſſiſche Territorium behauptet worden. Wenn alſo ein glei - ches Recht gelten ſoll, ſo verdienen die dieſſeitige und aus Verſehn geſchehene Ueberſchreitung der Grenze den Namen violationis territorii nicht; vielmehr wird der Unterſchied zwiſchen ſolchen und den gegenſeitigen Ein - faͤllen zeigen, daß nicht iene, ſondern dieſe wahre vio - lationes territorii geweſen ſind. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 351.
g]
h]In nur erwaͤhnten Streitigkeiten bemerkte Preuſſen fer - ner: Zwiſchen aneinander grenzenden Staaten und darinn eingvartierten Truppen iſt es nicht moͤglich, alle kleine Verſehen zu verhuͤten. Die Kaiſerin Koͤnigin haben die - ſes ſelbſt eingeſehen und ſind daruͤber mit des Koͤnigs von Preuſſen Maj. einig geworden, daß alle dergleichen an den Grenzen vorfallenden Militaͤrſtreitigkeiten durch die von beiden Theilen dazu ernanten Generals kurz abge - than werden moͤchten ſo iſt um ſo mehr zu verwun - dern, wie gegenſeitig nunmehro alle dieſe oben angefuͤhr - te, wiewohl nichts weniger als violationes territorii be - weiſende Vorfaͤlle, als eben ſo viel Friedensbruͤche ange - fuͤhrt werden moͤgen. Moſers Beitraͤge a. a. O. S. 356. Daͤnemark und Schweden verglichen ſich in dem Grenzvertrage von 1751. Art. 6. Um fernerhin allen dergleichen Schaden, Verdrus und Gewaltthaͤtig - keiten vorzubeugen, ſo bisher beider Reiche Grenzunter - thanen zugefuͤgt worden, dadurch daß ſie auſſerhalb ihrer Grenzen Holz gefaͤlt und einander verſchiedenen an - dern Eintrag gethan; ſo iſt man uͤbereingekommen, daßder -239in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.ienige, welcher von beider Reiche Unterthanen ſich kuͤnf - tig unterſtehet, auf einige Art die andere Seite auſſerhalb dieſer nun feſtgeſetzten Grenze zu vervortheilen oder zu beunruhigen, den Schaden erſetzen und eine gewiſſe Zeit nach Beſchaffenheit der Sache in der naͤchſten Feſtung arbeiten ſoll. Ebendaſ. S. 134.
h]
i]In den Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und Sardinien, wegen Aufhebung des Mandrin auf ſavoyiſchen Grund und Boden ließ letzterer Hof ein Memoire aufſetzen von welchem gemeldet wurde: Dans ce Memoire, qui a de même été envoyé par la Cour de Turin à tous ſes Miniſtres dans les Cours étrangères S. M. Sard. declare, que le droit des Gens par rapport a Sa Souverainété ayant été enfraint a cette occaſion, Elle en a demandé une ſatisfaction proportionnée à la nature du grief. Ebendaſ. S. 339.
i]
*]M. vergl. uͤberhaupt Moſers Verſuch 5. Th. 5. B. 5. Kap. Von Verletzung eines fremden Gebiets S. 278. ff. ingl. deſſen Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. 8. Kap. S. 337. ff.
*]

§. 14. Anſpruͤche, Beſchwerden, Garantie ꝛc.

Ein Volk, welches ein Recht auf das Eigenthum oder den Beſitz eines Territoriums oder auf die Aus - uͤbung irgend eines Hoheitsrechts in demſelben hat, oder zu haben vorgiebt, welches von andern beſeſſen oder ausgeuͤbt wird, macht Anſpruͤche darauf. Wie dieſe durch guͤtliche oder gewaltſame Mittel zu verfolgen und die diesfalſigen Beſchwerden zu erledigen, davon wird kuͤnftig umſtaͤndlicher zu handeln ſeyn. Indes pflegen die Nazionen zu Sicherung gegen dergleichen beſonders ungegruͤndete Anſpruͤche ſich gemeiniglich von andernden240Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlkerden wechſelſeitigen Schutz bey ihren Beſitzungen und deren Benutzung, auch Beiſtand im Fall eines thaͤtli - chen Angrifs verſprechen zu laſſen. Dieſe letztern Ver - traͤge ſollen den Gegenſtand des folgenden Kapitels ausmachen.

§. 15. Rechte in Abſicht Teutſchlands.

Die teutſchen und andern Landesherrn genießen in ihren Landen gegen auswaͤrtige Nazionen in allen vor - beruͤhrten Gegenſtaͤnden mit dieſen gleiche Rechte, und ſind daher nicht verbunden, wider ihren Willen, einem fremden Volke die Ausuͤbung irgend eines Rechts auf ihren Territorien im eignen Namen einzuraͤumen, ſon - dern berechtigt, ſich gegen alle Beeintraͤchtigungen der - ſelben, auf alle ſonſt erlaubte Art zu ſchuͤtzen a]. Im aͤuſſerſten Falle koͤnnen Kaiſer und Reich, auf behoͤri - ges Anſuchen, oder von freien Stuͤcken, ſich nicht ent - brechen, die Staͤnde bey ihren Rechten zu handhaben und ihnen gegen auswaͤrtige Eingriffe den erfoderlichen Beiſtand angedeihen zu laſſen b]. Wenn hingegen ein teutſcher Landesherr ſich in dem Gebiete anderer Nazionen zu viel herausnimt, koͤnnen auch dieſe ent - weder ſelbſt ſich ſogleich Genugthuung verſchaffen, oder ihre Beſchwerden bey dem Reiche anbringen c]. In wie ferne uͤbrigens die teutſchen Landesherrn befugt ſind, auswaͤrtigen Nazionen durch Vertraͤge einige Ge - rechtſame und gewiſſe ſogenante Voͤlkerdienſtbarkeiten auf dem Reichsterritorium einzuraͤumen, muß nach den Grundſaͤtzen des teutſchen Staatsrechts, aus den Lehns - und andern Verbindungen, worinn ſie mit dem teut - ſchen Reiche ſtehen und welchen dadurch kein Nachtheil zugefuͤgt werden darf, beurteilt werden d]. Eben ſogehoͤrt241in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.gehoͤrt die Eroͤrterung derienigen Rechte, und ſogenan - ten Reſervaten, welche dem Kaiſer, als Oberhaupt von Teutſchland, in den Territorien der einzelnen Reichsſtaͤnde und Landesherrn theils als Ueberbleibſel ſeiner ehemaligen weitumfaſſenden Macht, theils ver - moͤge beſonderer Vertraͤge und Herkommen, zuſtehen, in die Lehre des teutſchen Staatsrechts e].

Die Landesherrn eines naͤmlichen Staats unter ein - ander muͤſſen in Abſicht auf die Erſtreckung ihrer Ho - heitsrechte in der Mitſtaͤnde Lande vor allen Dingen die in den Reichsgrundgeſetzen enthaltenen Vorſchriften befolgen, und koͤnnen nur dann nach dem Voͤlkerrechte handeln, wenn iene hierunter nichts beſtimmen und ihrer Freiheit uͤberhaupt keine Schranken ſetzen. In Teutſchland ſtehen den Landesherrn nach der Reichsver - faſſung, beſonders auch vermoͤge kaiſerlicher Privile - gien, mancherley Gerechtſame in den Territorien an - derer zu, die keinesweges nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts beurteilt werden koͤnnen, und mit Recht den Namen der Staatsrechtsdienſtbarkeiten verdie - nen f]. Es giebt aber auch noch Faͤlle genug, worinn die teutſchen Landesherrn nach freier Wilkuͤhr handeln und andern dieſes oder ienes Recht zugeſtehn oder ver - ſagen koͤnnen g]. Dieſe andern eingeraͤumte Ausuͤbung einzelner Hoheitsrechte ſchadet uͤbrigens der Landesho - heit eben ſo wenig, als der Souverainetaͤt unter unab - haͤngigen Nazionen h]. Beſchwerden uͤber die zu weite Ausdehnung ſolcher Gerechtſame und uͤber die Verle - tzung des Tetritoriums uͤberhaupt kommen auch unter den teutſchen Reichsſtaͤnden oͤfters vor i] und es finden dabey eben dieienigen Rechtsmittel Statt, welche oben bey den Grenzſtreitigkeiten bemerkt worden k].

a]Moſers auswaͤrt. Staatsr. 4. B. 12. u. 13. Kap. S. 236. ff.
a]
b]Ebendaſelbſt S. 147. ff.
b]Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Qc] Eben -242Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker ꝛc.
c]Ebendaſ. S. 338.
c]
d]Als daher, nach dem Anfall von Oſtfrießland an Preuſſen die Vereinigten Niederlande die Haltung eines Wachtſchiffes an den Oſtfrieſiſchen Grenzen verlangten, und ſich dieſerhalb auf ein altes Herkommen beriefen, entgegnete Preuſſen unter andern: Quand même tous ces princes auroient connivé ou conſenti à la dite poſſeſſion, ils n’ont pas été en droit de le faire ni d’établir ſoit formellement ſoit tacitement une ſervi - tude ſur le territoire de l’Empire au prejudice de l’Empire, particulièrement a celui des ſucceſſeurs feodaux et de ceux qui ſuccedent par un droit ſingu - lier, weil, wie in einer beſondern Ausfuͤhrung gezeigt wurde, nach den Reichsgeſetzen kein Reichsfuͤrſt berech - tigt ſey, das geringſte von den Reichslehen zu alieniren, noch etwas zu geſtatten, ſo zum Schaden nicht nur des Landes, ſondern auch der Souverainetaͤt, der Regalien, Jurisdiction oder anderer Gerechtſame der Unterthanen gereiche. Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 317.
d]
e]Moſer von den Kaiſerl. Regierungsrechten ꝛc. S. 73. ff. Schnauberts Anfangsgr. des Staatsr. der geſam - ten Reichslande S. 56. ff.
e]
f]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 240. ff. Majers teutſches weltl. Staatsr. 3. Th. S. 34. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 221. ff. Die Durchreiſe z. B. muͤſſen die teutſchen Landesherrn einander verſtat - ten vermoͤge des Landfriedens von 1548. Pr. §. 1. und im weſtphaͤl. Frieden Art. IX. §. 2. heißt es: ſit tranſitus vbique locorum terra marique tutus omnibusque eundi redeundique poteſtas data ſit etc. vergl. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 676. Dahin gehoͤren ferner die vermoͤge der goldenen Bulle dem kurfuͤrſtlichen Kollegium in der Wahlſtadt zuſtehenden Gerechtſame, die Rechte des Erz - und Erbmarſchalls auf Reichstaͤgen ꝛc. Moſer a. a. O. S. 242. f.
f]g] Wegen243Von Garantirung der Lande.
g]Wegen des Auswaͤrtigen zu geſtattenden Ankaufs von Privatguͤtern ließ unter andern Kur Mainz 1721. einen Befehl ergehen: daß kein Unterthan, unter was Praͤtert es auch ſey, ſich unterſtehen ſolle, fuͤhrohin von ſchaͤtz - baren und in dem kurfuͤrſtlichen Territorio befindlichen Guͤtern, wie die Namen haben moͤgen, an ausgeſeſſene anderer benachbarten Herſchaften Unterthanen und ſonſt freyen Perſonen zu verkaufen und zu veralieniren ꝛc. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 682.
g]
h]M. ſ. die obangezogene Diſſertation des Hildebrand de iure regali in alieno territorio etc. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 243. ff.
h]
i]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 117. 244. ff.
i]
k]Ebendaſ. S. 118. 245. ff.
k]

Sechſtes Kapitel. Von Garantirung der Lande.

§. 1. Begrif der Landesgarantie.

Um in Beſitz und Benutzung der Lande, beſonders ſolcher die durch Krieg oder auf andere Art erſt neu erworben worden, gegen Anſpruͤche und Eingriffe deſto ſicherer und ungeſtoͤrter zu ſeyn, pflegen die Na - zionen in Friedensſchluͤſſen, Buͤndniſſen und andern Vertraͤgen a], auch wohl in beſondern Urkunden b] ein - ander zu verſprechen, ſich bey dem ruhigen Beſitz ihrer Lande gegen alle Beeintraͤchtigungen wechſelſeitig zu ſchuͤtzen c], welches man die Landesgarantie nennt.

Q 2a] In244Von Garantirung der Lande.
a]In Friedensſchluͤſſen und Allianzen ſind die Landesgaran - tien ſo haͤufig, daß man faſt den erſten beſten deshalb nachſchlagen darf.
a]
b]Von beſondern Garantie-Acten dienet die Garantie der Koͤnige von Frankreich und Grosbritannien uͤber das Her - zogthum Schleswig an Daͤnemark, iene vom 3. dieſe vom 26. Jul. 1720. zum Beiſpiel ſ. Du Mont. C. D. T. VIII. P. 2. p. 32. u. 33. So garantierte Frank - reich der Republik Genua 1746. durch eine Art von Manifeſt, das es an die auswaͤrtigen Hoͤfe mittheilen ließ, den Beſitz der Inſel Corſica. Europ. Staats Sekr. 117. Th. S. 819.
b]
c]Es gehen auch wohl zwey Nazionen einen Vertrag ein, einer dritten den Beſitz gewiſſer Lande zu garantiren, wie z. B. der Koͤnig von Frankreich und Kaiſer Karl VI. 1735. eine Convention errichteten, worinn ſie einander verſprachen, welchergeſtalt ſie niemals verſtatten wolten, daß die Inſel Corfica der Genueſiſchen Bothmaͤſſigkeit unter einigem Vorwand, wie derſelbe Namen haben moͤge, entriſſen werde. Und daferne ſogar die Re - publik Genua dieſe Anerbietungen nicht anzunehmen ge - daͤchte, wolten Sie dennoch nicht unterlaſſen, entweder gemeinſchaftlich oder beſonders die erfoderlichen Mittel und Wege anzuwenden, die Rebellion foͤrderſamſt zu daͤmpfen, in der Abſicht, der Republik den Beſitz von Corſica auf immer zu verſichern. Europ. St. S. a. a. O. S. 820.
c]
*]M. vergl. P. I. Neyron Eſſai hiſtorique et politique ſur les Garanties et en général ſur les diverſes me - thodes des anciens et des nations modernes de l’Eu - rope d’aſſurer les traités publics à Gotting. 1777. 8. Moſers Verſuch 5. Th. 5. B. 10. Kap. Von Ga - tantirung der Lande S. 455. ff.
*]
§. 2.245Von Garantirung der Lande.

§. 2. Verſchiedene Gattungen derſelben.

In Abſicht auf die Dauer der Zeit, und auf den Umfang der Lande, welche ſie auf beiden Seiten zum Gegenſtand haben, finden bey dieſer Garantie ver - ſchiedene Eintheilungen in beſtaͤndige und zeitige, algemeine und eingeſchraͤnkte, gleiche und ungleiche Statt.

§. 3. In Anſehung der Dauer.

Die Dauer dieſer Garantieen beruht auf den Inn - halt der Vertraͤge und auf die uͤbrigen dabey eintreten - den Umſtaͤnde. Sind ſolche ausdruͤcklich fuͤr immer errichtet a] oder wenigſtens auf keine beſtimte Zeit ein - geſchraͤnkt, auch den Umſtaͤnden nach nicht ſo zu ver - ſtehen b], ſo dauert die Verbindlichkeit der Garantie beſtaͤndig fort. Iſt aber die Garantie, oder der Ver - trag, worinn dieſe mit bedungen worden, nur auf ge - wiſſe Jahre eingegangen c], wie dies bey den gewoͤhn - lichen Allianzen zu geſchehen pflegt d] oder die Umſtaͤnde werden gaͤnzlich veraͤndert, ſo hoͤrt mit ihnen zugleich die Garantie der Lande auf e].

a]In dem auf immer errichteten Familienvertrage der bur - boniſchen Hoͤfe, Spanien, Frankreich, Sicilien ꝛc. von 1761. Art. 2. 3. wird z. B. die Garantie ihrer Lande feſtgeſetzt. Rußland, Preuſſen und Oeſterreich garan - tiren in den wegen der Theilung von Polen 1773. er - richteten Vertraͤgen die dabey erworbenen Lande einander auf immer.
a]
b]So ſind dieienigen Garantieen, welche in Friedens - ſchluͤſſen, die den Worten nach gemeiniglich auf ewigQ 3geſchloſſen246Von Garantirung der Lande.geſchloſſen werden, bedungen ſind, nicht anders als fuͤr beſtaͤndige zu achten.
b]
c]In der vorangezogenen Garantie-Acte des Koͤnigs in Grosbritannien wegen Schleswig vom 26. Jul. 1720. heißt es z. B. Nachdem Ihro Maj. der Koͤnig von Grosbritannien mit Ihro Maj. dem Koͤnige in Daͤne - mark einen Vergleich getroffen, in welchem ſelbige, dem Koͤnige in Daͤnemark die Garantie des Herzogthums Schleswig zugeſagt, ſo lange der Waffenſtillſtand zwiſchen den beiden Kronen Daͤnemark und Schweden beſtehen wuͤrde mit der ausdruͤcklichen Be - dingung, daß wofern der Friede zwiſchen ermeldten bei - den Kronen noch vor Ausgang des Stillſtandes der Waf - fen koͤnte geſchloſſen werden, daß alsdann und auf dieſen Fall die Garantie beſtaͤndig ſeyn und im - merfort bleiben ſolle. Und der Friede endlich zu einem gluͤcklichen Zweck gediehen und Ihre Koͤnigl. Maj. in Daͤnemark, um ſolche Verbindniſſe deſto vol - komner zu machen annoch eine weitere Erklaͤrung verlan - gen; als verſprechen und verbinden ſich Ihre Koͤnigl. Maj. von Grosbritannien, fuͤr ſich, Ihre Erben ꝛc. Ihrer Maj. dem Koͤnige in Daͤnemark ꝛc. ꝛc. denienigen Theil des Herzogthums Schleswig, welchen J. K. M. in Daͤnemark wuͤrklich in Haͤnden haben, zu garantiren und ſie bey friedlichem und beſtaͤndigen Beſitz deſſelben zu erhalten auch wider alle und iede ſo ſelbige darinn zu ſtoͤren trachten wolten, es geſchehe ſolches directe oder indirecte beſtens zu ſchuͤtzen.
c]
d]Der zeitigen Garantieen in Allianzen giebt es eine Menge und trift man ſolche faſt in allen Allianztractaten der Hoͤfe an. Rußland und Preuſſen garantirten einander z. B. in der Allianz vom 31. Maͤrz 11. April 1764. Art. 2. alle Beſitzungen in Europa, das ganze Buͤndnis war aber nach Art. 13. nur auf acht Jahr errichtet.
d]e] Wenn247Von Garantirung der Lande.
e]Wenn eine Nazion der andern gewiſſe Lande garantirt, dieſe aber ſolche nachher andern freiwillig abtritt, ſo faͤlt natuͤrlich auch die Garantie weg, wie dies unter andern der Fall in Anſehung Schleſiens mit Oeſterreich war. Moſers Verſuch 5. Th. S. 460.
e]

§. 4. In Abſicht des Umfanges.

Die Garantieen erſtrecken ſich entweder auf alle von den Theilhabenden Nazionen in und auſſerhalb Europa beſitzenden a] oder nur auf gewiſſe benante Lande b]. Zuweilen uͤbernimt auch wohl der eine Theil eine weit - umfaſſendere Garantie, als der andere dagegen ver - ſpricht c]. Es komt hierbey alles auf den Inhalt der desfals errichteten Vertraͤge an d].

a]In dem gedachten burboniſchen Familienvertrage von 1761. Art. 2. garantiren Frankreich, Spanien ꝛc. ein - ander tous les états, terres isles et places qu’ils poſſedent dans quelque partie du monde que ce ſoit ſans aucune reſerve ou exception. Frankreich und die Vereinigten N. Lande machen ſich in dem Buͤndniſſe vom 10. Nov. 1785. Art. 2. anheiſchig de ſe main - tenir en la poſſeſſion actuelle de tous leurs états etc. dans quelque partie du monde que ce puiſſe être.
a]
b]Die Garantie ihrer Reiche, Staaten, Lande und Her - ſchaften in Europa verſprechen einander England, Schweden und die V. NLande im Buͤndniſſe vom 23. Jan. 1700. Art. 4. In der Tripelallianz zwiſchen Grosbritannien, Frankreich und den V. N. Landen vom 4. Jan. 1717. hatten dieſe Maͤchte Art. 5. eine wechſel - ſeitige algemeine Garantie ihrer Beſitzungen bedungen, in einem Separatartikel aber wurde beſtimt, que laQ 4garantie248Von Garantirung der Lande.garantie ſtipulée dans l’Article V. du même traité n’aura lieu à l’égard de S. M. T. Chretienne que pour les états et poſſeſſions qu’ils ont reſpective - ment dans l’Europe und in der Beitritts-Acte von 1727. zur Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Grosbritan - nien, Frankreich und Preuſſen bedunge Schweden ſich Art. 2. S. M. et la Couronne de Suede n’ayant point preſentement de poſſeſſion hors de l’Europe ſe reſer - vent que leur Garantie ne ſ’etendra point hors des limites de l’Europe. Frankreich garantirte an Genua in dem Vertrage von 1768. Art. 13. alle ſeine auf dem feſten Lande beſitzenden Staaten.
b]
c]So iſt im Hubertsburger Frieden 1763. zwiſchen Preuſ - ſen und Oeſterreich Art. 16. feſtgeſetzt: S. M. l’Impe - ratrice Reine Apoſtolique de Hongrie et de Boheme et S. M. le Roi de Pruſſe ſe garantiſſent mutuellement de la manière la plus forte leurs états, ſavoir: Sa M. l’Imperatrice Reine tous les états de S. M. Pruſ - ſienne ſans exception et S. M. le Roi de Pruſſe tous les états que S. M. l’Impératrice Reine de Hongrie et de Bohème poſſede en Allemagne.
c]
d]Wenn die Garantie nicht algemein, ſondern nur fuͤr ge - wiſſe Lande bedungen iſt, ſo entſteht zuweilen Streit: ob dieſes oder ienes Land mit darunter begriffen ſey oder nicht? Preuſſen hatte z. B. im Dresdner Frieden 1745. Art. 8. dem Hauſe Oeſterreich ebenfals alle Staaten ꝛc. in Teutſchland garantirt. Dieſe Garantie wolte letzteres auch von den Niederlanden verſtanden wiſſen, Preuſſen hingegen laͤugnete es. M. ſ. Moſer von der geogra - phiſchen Staatsklugheit bey Schlieſſung der Tractaten; in deſſen vermiſcht. Abhandl. aus dem Europ. V. R. Frkf. 1756. 8. n. 9. beſ. S. 267.
d]
§. 5.249Von Garantirung der Lande.

§. 5. Garantie ſtreitiger Lande und kuͤnftiger Beſitzungen.

Eigentlich gehen die Garantieen nur auf dieienigen Lande in deren ruhigem Beſitz eine Macht ſich bey Er - richtung des Garantievertrages befindet, wie dies oͤfters ausdruͤcklich bemerkt zu werden pflegt a]. Doch ge - ſchieht es auch wohl, daß eine Nazion die Garantie ſolcher Lande uͤbernimt, deren Eigenthumsrecht noch nicht entſchieden und der Beſitz daher ſtreitig iſt b] oder auch ſolcher, deren Beſitz die andere Nazion erſt kuͤnf - tig zu hoffen hat c]. Da es, bey entſtehenden Strei - tigkeiten, ſchwer zu beſtimmen iſt, welcher Theil das ſtaͤrkſte Recht an einem Lande habe, ſo haͤngt es von dem Gutbefinden eines ieden Volks ab, ob es ſich zur Garantie des einſtweiligen Beſitzes, nicht ſowohl gegen Recht, als nur gegen unerlaubte Gewalt verſtehen wolle; doch kann den gegruͤndetern Rechten eines drit - ten dadurch nie einiger Nachtheil zugefuͤgt werden d].

a]Dahin lauten die meiſten Garantievertraͤge. Der mehr - gedachte Burboniſche Familienvertrag verlangt deutlich: les poſſeſſions, objet de leur Garantie, ſeront con - ſtituées ſuivant l’état actuel ou elles ſeront au pre - mier moment l’une et l’autre couronne ſe trou - veront en paix avec toutes les autres puiſſances. In der Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Grosbritannien Frankreich und Preuſſen von 1725. Art. 2. heißt es: Leurs Majeſtés ſusdites ſ’entrepromettent leur garan - tie réciproque pour proteger et maintenir générale - ment tous les états, pays etc. tant dedans que dehors l’Europe dont chacun des Alliés ſera actuellement en poſſeſſion au tems de la ſignature de cette alliance. In dem Buͤndniſſe zwiſchen Grosbritannien und den Ver -Q 5einigten250Von Garantirung der Lande.einigten N. Landen 1788. Art. 2. iſt bedungen: Dans le cas ou une des deux Parties contractantes ſeroit hoſtilement attaquée par quelque Puiſſance Européenne, dans quelque partie du monde que ce puiſſe être, l’autre partie Contractante ſ’engage de ſecourir ſon allié tant par mer, que par terre pour ſe maintenir et ſe garantir mutuellement dans la poſſeſſion de tous les états etc. qui leur appartenoient reſpectivement avant le commencement des hoſtilités.
a]
b]Moſers Verſuch 5. Th. S. 458.
b]
c]Z. B. in der Londner Quadrupelallianz von 1718. Art. 5. verſprachen der Kaiſer und Koͤnig von Spanien einander die Garantie omnium regnorum et provincia - rum quae vel quas actu poſſident aut quorum poſſeſſio ad illas vigore hujus tractatus pervenire debet. M. vergl. den Wiener Frieden zwiſchen dieſen beiden Maͤch - ten von 1725. Art. 8. Im Wormſer Vertrage von 1743. zwiſchen dem Koͤnige von Sardinien und der Koͤ - nigin von Ungarn ꝛc. garantirten dieſe Maͤchte einander tous les royaumes, états, pays etc. qu’ils poſſedent à preſent ou qu’ils doivent poſſeder en vertu du traité d’alliance faite a Turin en 1703. etc. In dem Buͤndnis zwiſchen Frankreich und den Nordamerikaniſchen Staaten vom 6. Febr. 1778. garantiren letztere unein - geſchraͤnkt les poſſeſſions préſentes de la Couronne de France en Amerique ainſi que celles qu’Elle y pourra acqucrir par le futur traité de paix.
c]
d]Der Koͤnig in Frankreich hatte dem Hauſe Oeſterreich die Erbfolge ſeiner Lande nach der bekanten pragmati - ſchen Sanction garantirt, unterſtuͤtzte aber gleichwohl, als es nach Abſterben Kaiſer Karls VI. zum Kriege dar - uͤber kam, die Anſpruͤche des Kurfuͤrſten von Bayern darauf, unter der Entſchuldigung, daß bey allen der - gleichen Vertraͤgen die iura tertii ausgenommen, ſo wie auch bey dieſer Garantie die Rechte eines dritten unge -ſchmaͤlert251Von Garantirung der Lande.ſchmaͤlert geblieben waͤren. Auf die oͤſterreichiſche Ein - wendung, daß ſolchergeſtalt die Garantieen ohne Wuͤr - kung ſeyn wuͤrden, entgegnete Frankreich: daß ſolche nur gegen dieienigen Aggreſſores gerichtet waͤren, die ohne Titel, Schein und Recht eine garantirte Sache mit Ge - walt der Waffen anzufechten ſich unterſtuͤnden. Glafey Voͤlkerrecht Kap. 8. §. 90. ff. welcher iedoch glaubt, daß man in vielen Faͤllen contra iura cujusvis tertii garan - tiren koͤnne, weil unter Voͤlkern oft kein ander Mittel zur Ruhe zu gelangen und Frieden zu ſtiften uͤbrig ſey, als wenn man, mit Hintanſetzung des Streits, wer Recht oder Unrecht hat, entweder das vti poſſidetis zum Fundament nehme, oder auch ſonſt einen bey dem Beſitz einer Sache wider ieden ohne Unterſchied zu ſchuͤ - tzen verſpreche, und weil die Frage: wer Recht zu etwas habe unter Voͤlkern, ſowohl wegen eines ermangelnden Richters, als auch wegen der gemeiniglich dabey obwal - tenden Zweifel und angefuͤhrten Scheingruͤnde von beiden Theilen, ſehr ſchwer zu entſcheiden ſey. Seiner Mei - nung nach ſind daher auch in dergleichen Vertraͤgen die Gerechtſame dritter Nazionen, wenn es nicht ausdruͤcklich bedungen worden, keinesweges ſtilſchweigend fuͤr ausge - nommen zu achten.
d]

§. 6. Wechſelſeitige Rechte und Verbindlich - keiten bey den Landesgarantieen.

Keine Nazion iſt von Natur verbunden, andere bey dem ruhigen Beſitz ihrer Lande zu ſchuͤtzen, ob ſie gleich ſelbſt ſich aller Stoͤhrungen, ohne hinlaͤnglichen Grund enthalten muß. Eine ſolche Garantie kann da - her auch von andern nicht als Schuldigkeit verlangt, ſondern muß durch ihre Einwilligung erworben werden. In252Von Garantirung der Lande.In den diesfals errichteten Vertraͤgen, worauf es hier - bey hauptſaͤchlich ankomt, werden gemeiniglich die Be - dingungen feſtgeſetzt, unter welchen die Huͤlfsleiſtung gegen Beeintraͤchtigungen und Angriffe erfolgen ſoll, auch die Staͤrke der Huͤlfe und die Art der Leiſtung be - ſtimt. Bey eintretenden Umſtaͤnden komt es zwar auf die in Gefahr ſich befindende Nazion an, ob ſie den von andern ihr verſprochenen Beiſtand fodern will oder nicht. Dieſen ſteht aber, wenn der Vertrag nicht ganz allgemein abgefaſt iſt, allerdings auch frey zu un - terſuchen: ob der bedungene Fall der Huͤlfsleiſtung wuͤrklich vorhanden ſey? a] Dieſer Umſtand und an - dere hierunter moͤgliche Ausfluͤchte und Hinderniſſe b] ſind denn freilich ſehr oft Urſach, daß die erwartete Garantie, zumal wenn es bey dem andern Theile am guten Willen fehlt, entweder gar keine Wuͤrkung hat, oder doch nicht zum gehoͤrigen Zeitpunct c]. Wenn uͤbrigens ein Volk andern Lande zu garantiren ver - ſpricht, woran es vorher ſelbſt Anſpruͤche machte, oder zu haben glaubte, ſo laͤßt ſich daraus ohnſtreitig eine Verzichtleiſtung dieſer Anſpruͤche folgern, es muͤſte denn zur Zeit der uͤbernommenen Garantie noch keine Wiſſenſchaft davon gehabt und das Recht darauf erſt nachher erlangt, auch dabey ausdruͤcklich allen ſeinen bekanten und unbekanten Rechten nicht entſagt haben d]. Jedoch hindert die Garantie an ſich keinesweges, daß eine Nazion uͤber die ihr garantirten Lande nicht nach Wilkuͤhr ſchalten koͤnte, und ſelbſt der garantirenden nicht frey ſtehen ſolte, mit Einverſtaͤndnis der andern, etwas davon an ſich zu bringen e].

a]Als nach Abſterben Koͤnig Auguſt II. von Polen, Frank - reich, Spanien und Sardinien die italiaͤniſchen Staaten Kaiſer Karls VI. angriffen, und dieſer von Grosbritan - nien und den Vereinigten NLanden die verſprochene Ga - rantie verlangte, entſchuldigten ſie ſich damit, daß derTod253Von Garantirung der Lande.Tod Koͤnig Auguſts II. und die uͤber die neue Koͤnigs - wahl entſtandenen Haͤndel Urſach an dieſem Krieg waͤren, und ſolchergeſtalt, weil man dergleichen Faͤlle nicht vor - ausſehen koͤnnen, ad caſum foederis nicht gehoͤrten. Glafey V. R. 2. Kap. §. 196. S. 131.
a]
b]Z. B. ein Zwiſchenreich in Abſicht Deutſchlands, Dro - hungen von andern Maͤchten ꝛc. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 459.
b]
c]Moſer a. a. O. S. 459. ff.
c]
d]Glafey a. a. O. 8. Kap. §. 97. S. 408. ff.
d]
e]In dem Buͤndniſſe zwiſchen Polen und Preuſſen von 1790. Art. 2. wurde dieſes ausdruͤcklich bedungen: Cette garantie des poſſeſſions actuelles n’empechera cependant pas l’arrangement amiable de quelques controverſes qui ont exiſté avant la concluſion de ce traité relativement à des limites particulières et qui n’ont pas encore été applanies.
e]

§. 7. Rechte der teutſchen Landesherrn ꝛc.

Teutſchland hat in Anſehung der Landesgarantieen unſtreitig das Recht iedes andern unabhaͤngigen Volks a]. Auch deſſen einzelnen Landesherrn ſtehet es, vermoͤge des ihnen zukommenden Kriegs. Friedens - und Buͤnd - nisrechts mit Auswaͤrtigen, frey, die Gatantie deren Lande zu uͤbernehmen b]. Gegen die von letztern ſich zu bedingende Garantie ihrer Reichslande ſcheint dar - um einiges Bedenken obzuwalten, weil die Entſchei - dung der uͤber den Beſitz entſtehenden Streitigkeiten der hoͤchſten Gerichtsbarkeit im teutſchen Reiche unter - worfen iſt c], wenigſtens kann die Garantie ſtreitiger Lande hier nicht Statt finden d]. Dies laͤßt ſich auch von den Landesherrn gegen einander behaupten.

a] Unter254Von Garantirung der Lande.
a]Unter andern giebt hier der weſtphaͤliſche Friede ein Bei - ſpiel, worin Teutſchland und die Kronen Frankreich und Schweden einander die Feſthaltung des Friedens uͤber - haupt und alſo auch der darin abgetretenen Lande garan - tiren. vergl. Moſers ausw. Staatsr. S. 98.
a]
b]So garantirt z. B. Kurbrandenburg in der Stockholmer Allianz 1666. Art. 4. und im anderweitigen Buͤndnis zu Coͤln an der Spree 1673. Eſthland und Liefland an Schweden.
b]
c]Indes giebt es doch auch mehrere Beiſpiele ſolcher Ga - rantieen. Die Braunſchweig. Luͤneburgiſchen Lande in Teutſchland werden von auswaͤrtigen Maͤchten garantirt im Aachner Frieden 1748. Art. 20. und von Frank - reich und Spanien insbeſondere im Pariſer Frieden 1763. Art. 26.
c]
d]In der Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Frankreich, Gros - britannien und Preuſſen 1725. hatten dieſe Maͤchte ein - ander Art. 2. alle ihre Laͤnder, Gerechtſame ꝛc. garan - tirt. Kaiſerlicher Seits wurde in einer Analyſe uͤber dieſen Tractat hierbey bemerkt: Ce qu’il y a de certain, eſt, que le ſens des Conſtitutions imperiales, les ſeuls droits que les princes et autres états de l’Em - pire, peuvent ſe garantir entr’eux par des alliances, ſont ceux dont on jouit ou ſans conteſtation des par - ties ou en vertu d’une ſentence juridiquement et de - finitivement rendue, mais non pas ceux dont on pourroit croire ou prétendre devoir jouir vel lite pendente vel iudicio praetermiſſo. ſ. Zinkens Ruhe von Europa 4. Abth. S. 505. Vergl. Moſers Grundſ. des Europ. V. R. in Frz. S. 374. u. Verſuch 5. Th. S. 458.
d]
Drittes255

Drittes Buch. Von den Landesbewohnern, deren verſchie - denen Beſtimmungen und Verhaͤltniſſen nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts.

Erſtes Kapitel. Von den verſchiedenen Gattungen der Landesbe - wohner und den Gerechtſamen der Voͤlker in Abſicht derſelben uͤberhaupt.

§. 1. Begrif der Landesbewohner.

Ein vorzuͤgliches Augenmerk verdienen nunmehro die Mitglieder der Nazion, welche ihren Willen und ihre Kraͤfte zum algemeinen Beſten unter eine Ober - herſchaft vereinigt haben, und uͤberhaupt alle Landes - bewohner, in ſofern ſie naͤmlich einen Gegenſtand wech - ſelſeitiger Rechte und Verbindlichkeiten unter den Na - zionen ausmachen. Unter den Landesbewohnern ver - ſtehe ich hier, im weitlaͤuftigen Sinne und im Gegen - ſatz der Auswaͤrtigen, alle dieienigen Perſonen und Familien, welche ſich in einem Lande entweder beſtaͤn - dig oder nur eine Zeitlang aufhalten, ſie moͤgen darinngebohren256V. d. verſchiedenen Gattungen d. Landesbew.gebohren oder anderswoher aufgenommen ſeyn. Dieſe Umſtaͤnde veraͤndern indes allerdings die Verhaͤltniſſe und beſtimmen die verſchiedenen Gerechtſame derſelben ſowohl in Abſicht der Nazion, deren Mitglieder ſie ſind, als der, wo ſie ſich aufhalten, oder anderer und deren einzelne Glieder. Um die letztern deſto beſſer beurteilen zu koͤnnen, iſt es noͤthig, zufoͤrderſt die aus den erſtern flieſſenden Begriffe feſtzuſetzen.

§. 2. Einheimiſche und Fremde.

Die Landesbewohner beſtehen theils aus Einheimi - ſchen, theils aus Fremden. Einheimiſche ſind die - ienigen, welche ihre beſtaͤndige Heimath oder Wohnung [domicilium] in einem Lande haben a], Fremde, wel - che ſich nur einige obſchon lange Zeit darinn, gewiſſer Geſchaͤfte wegen, aufhalten und daſelbſt wohnen, ohne die Abſicht zu haben, ſich beſtaͤndig niederzulaſſen, und Mitglieder des Staats oder nur Einwohner zu werden b].

a]Wolff I. G. c. I. §. 137. Io. Feſting diſſ. de domi - cilio. Roſt. 1688.
a]
b]Ier. Eb. Linck diſſ. de civibus et peregrinis Arg. 1729. Car. Ferd. Hommel diſſ. de vſu hodierno diviſionis ho - minum in cives et peregrinos. Lipſ. 1750. Io. Gotth. Tilsner diſſ. de peregrini et civis notione. Lipſ. 1786.
b]

§. 3. Eingebohrne und Auslaͤnder.

Die Einheimiſchen koͤnnen wieder entweder im Lande, oder auch auswaͤrts aber von Eltern, die ihrebeſtaͤndige257u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.beſtaͤndige Wohnung in dem Lande haben, gebohren ſeyn a]; oder ſie haben ſich von andern Orten her da - ſelbſt niedergelaſſen. Die erſtern werden Einge - bohrne, die andern Auslaͤnder genannt. Das Land, in welchem die Eltern zur Zeit der Geburt ihren feſten Wohnſitz hatten, heißt ihr Vaterland, wiewohl man im weitlaͤuftigern Verſtande dafuͤr auch das Land an - nimmt, wo einer ſelbſt ein Mitglied des Staats iſt und ſeine Wohnung hat.

a]Der zufaͤllige Ort der Geburt komt hier eigentlich nicht in Betrachtung, ſondern man nimt mehr auf den Stand der Eltern Ruͤckſicht und laͤßt den Kindern gleiche Rechte genieſſen, indem man eine ſtilſchweigende Einwilligung in die elterlichen Verbindungen ſo lange vorausſetzt, als ſie denſelben in der Folge nicht entſagen. Gemeiniglich werden daher auch dieienigen fuͤr Eingebohrne gehalten, welche von Einheimiſchen in einem fremden Lande geboh - ren ſind, wo die Eltern, ohne ihr Vaterland zu verlaſ - ſen, ſich nur eine Zeitlang aufhielten z. B. bey den Kriegsheeren auſſer Landes, in dem Hauſe des an einem auswaͤrtigen Hofe ſtehenden Geſandten ꝛc. Nach den grosbritanniſchen Parlementsacten werden die auſſer Lan - des gebohrnen Kinder, wenn ihre Eltern natuͤrliche engli - ſche Unterthanen ſind, fuͤr Eingebohrne erklaͤrt. Real Science du Gouv. Tom. IV. c. 7. Sect. I. §. 3. Das daͤniſche Indigenatrecht vom 15. Jan. 1776. §. 1. erfodert zur Eigenſchaft der Eingebohrnen: daß die Per - ſon in Unſern Staaten, oder von ſolchen daſelbſt gebuͤr - tigen Unterthanen, die ſich auf Reiſen, oder um Unſers Dienſtes willen auſſerhalb Landes aufhalten moͤchten, gebohren ſey. In den franzoͤſiſchen Geſetzen werden ſo - gar Kinder, welche von Franzoſen, die ſich auswaͤrts niedergelaſſen haben, gebohren ſind, wenn ſie nach Frank - reich ſich zuruͤckſetzen, nicht als Fremde, ſondern als Eingebohrne angeſehn, ohne ſich duͤrfen naturaliſiren zuGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Rlaſſen,258V. d. verſch. Gattungen d. Landesbewohnerlaſſen. Real a. a. O. §. 16. Was die auf der offe - nen See Gebohrnen anlanget [denn die in einem unter der Bothmaͤſſigkeit ihrer Nazion ſtehenden Theile des Meeres, obgleich auf fremden Schiffen Gebohrnen ſind eben ſo zu betrachten als ob ſie im Lande gebohren waͤren] ſo achtet man dieienigen, welche auf den eignen Schiffen der Nazion zur Welt kommen, gewoͤnlich denen gleich, die im Lande gebohren ſind, weil man die Schiffe ge - wiſſermaaſſen als ihren Grund und Boden anſieht, die auf fremden Schiffen Gebohrnen hingegen werden zu den auswaͤrts Gebohrnen gerechnet. ſ. Vattel droit des g. Liv. I. c. 19. §. 215. ff. In Grosbritannien ſollen blos die auf der grosbritanniſchen See gebohrnen Kin - der der Englaͤnder als Eingebohrne betrachtet werden, die auf andern Meeren gebohrne hingegen nicht. ſ. Mo - ſers Verſuch 6. Th. S. 8. In Antwerpen ſoll eine beſondere Gewonheit gelten, daß alle dieienigen fuͤr Eingebohrne geachtet werden, welche durch Zufall daſelbſt zur Welt kommen, ob ihre Eltern gleich nicht daſelbſt wohnen. ſ. Henr. Hahn diſſ. de iure indigenatus ſingulari. Helmſt. 1663. §. 27. Man vergl. uͤberhaupt Henr. Hildebrand diſſ. de iure civium originariorum. Alt. 1724.
a]

§. 4. Buͤrger, Einwohner und Anſaͤſſige.

Alle Einheimiſche ſind zwar Mitglieder des Staats, ſie genieſſen aber nicht alle immer gleiche Rechte. Die - ienigen, welche an allen Vortheilen der Staatsverbin - dung Theil nehmen, und ſowohl in perſoͤnlicher Ruͤck - ſicht, als in Beſetzung der Aemter, des Guͤterbeſitzes und andern Stuͤcken ſich gewiſſer Vorzuͤge zu erfreuen haben, werden Buͤrger [cives] genennt. Die, denenzwar259u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.zwar erlaubt iſt, ihre Wohnung in einem Lande auf - zuſchlagen, aber nicht alle, ſondern nur gewiſſe Vor - theile von geringerm Grade, nach Vorſchrift der Lan - desgeſetze, zugeſtanden werden, ſind bloſſe Einwoh - ner [incolae]. Welche Guͤter in einem Lande beſitzen, aber nicht daſelbſt wohnen, heiſſen Anſaͤſſige [forenſes] und koͤnnen eigentlich auf keine perſoͤnlichen, ſondern nur auf ſolche Vortheile Anſpruch machen, welche der Guͤterbeſitz gewaͤhrt. Gemeiniglich wiederfahren den Eingebohrnen beſonders iene Vorzuͤge. Ob und in wieferne iedoch zuweilen auch die bloſſe Wohnung oder die Anſaͤſſigkeit einen des Buͤrgerrechts theilhaftig mache, komt auf die beſondern Landesverfaſſungen an.

*]Dav. Schmück diſſ. de civibus eorumque verſus inco - las etc. iuribus et praeferentiis. Alt. 1628. Io. Rich. Malcomeſii diſſ. de incolis. Gieß. 1663. Ioſ. Phil. Elvert diſſ. de iure incolarum. Argent. 1709. Theod. Geo. Wilb. Emminghaus diſſ. de adquiſitione et reſignatione iuris civitatis. Ien. 1753. Io. Chr. Limbach diſſ. de forenſibus. Gieß. 1669.
*]

§. 5. Vagabonden.

Dieienigen, welche nirgends einen beſtaͤndigen Wohnſitz haben, ſondern hie und da herumziehn und nur eine Zeitlang ſich aufhalten, heißt man Vaga - bonden, Landſtreicher, Landlaͤufer. Man ſieht indes gewoͤnlich die durch die Geburt von der Natur ihm angewieſene Heimath ſeiner Eltern auch ſo lange fuͤr die ſeinige an, als er ſie nicht in der Abſicht auf - gegeben hat, nirgends ſich haͤuslich niederzulaſſen. Dahin werden unter andern herumziehende Comoͤdian - ten und Gaukler, Marktſchreier, Zigeuner, Bettler ꝛc. gerechnet.

R 2*] Wolff260V. d. verſch. Gattungen d. Landesbewohner
*]Wolff I. G. c. I. §. 139. Chr. Thomaſius diſſ. de Vagabundo ſive eo qui eſt ſine domicilio. Lipſ. 1681. u. in Diſſ. ej. Hal. 1773. edit. T. I. n. 3. Iac. van Haeſten diſſ. de Vagabundis. Ultraj. 1773.
*]

§. 6. Emigranten, Fluͤchtige, Vertriebene ꝛc.

Wenn ein Mitglied des Staats ſich veranlaßt ſieht, ſeinen bisherigen Wohnſitz zu verlaſſen, ſo nennt man ihn einen Exulanten [Exul]. Geſchieht es aus recht - maͤſſigen Urſachen um anderswo ſich niederzulaſſen, ſo wird er mit dem Namen eines Emigranten belegt; wer ſich hingegen von einer Nazion wegen Verbrechen auf eine unerlaubte Art trennt, iſt ein Fluͤchtiger, Ausgetretener [fugitivus]. Beide Faͤlle ſind iedoch ein freiwilliges Exilium [exilium voluntarium]. Wird einer aber vom Staate genoͤthigt, das Land, wie - wohl ohne Verletzung ſeiner Ehre zu verlaſſen, ſo tritt ein unwilkuͤhrliches Exilium [invitum] ein, und er iſt ein Verwieſener oder Vertriebener. Iſt der Verluſt der Ehre damit verbunden, ſo heißt man es eine Verbannung.

*]Wolff I. G. c. I. §. 145. ff. Vattel dr. d. g. L. I. c. 19. §. 124. ff. Henr. Linck diſſ. de iuribus exulum. Alt. 1675. Henr. Cocceji diſſ. de fuga. Frcf. 1706. u. in Exerc. curioſ. T. II. n. 39. Walth. Vinc. Wieſe prg. de differentiis iuris fugam inter et emigrationem tam voluntariam quam coactam. Roſt. 1778.
*]
§. 7.261u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.

§. 7. Unterthanen.

Wer der Oberherrſchaft im Staate unterworfen iſt und derer Befehlen und Anordnungen gehorchen muß, wird Unterthan [ſubditus] genennt. Das Weſen der Staatsvereine erfodert, daß alle einzelne Landesbewohner, ſie moͤgen Einheimiſche oder Fremde ſeyn, ſo lange ſie Mitglieder des Staats ſind, oder im Lande ſich aufhalten [ſubditi temporarii] dieſe Oberherſchaft anerkennen, ſo wie ſie alle auf gleichen Schutz und Sicherheit Anſpruch zu machen berechtigt ſind; obgleich die letztern zu den Staatslaſten und per - ſoͤnlichen Beſchwerungen nicht gezogen werden koͤnnen, denen die wuͤrklichen Mitglieder des Staats unterwor - fen ſind. Den Fremden wird, wie ich ſchon oben er - innert habe, unter keiner andern Bedingung der Ein - tritt und Aufenthalt in dem Territorium verſtattet, als daß ſie ſich und ihre Handlungen, welche hier eine rechtliche Wuͤrkung haben koͤnnen und ſollen, den Vor - ſchriften und Einrichtungen unterwerfen, welche die oberſte Gewalt zum Beſten des Staats zu machen fuͤr gut angeſehen hat. Sie machen ſich daher durch den Eintritt ſtillſchweigend darzu verbindlich.

*]Real Science du Gouv. Tom. 4. c. 7. Sect. I. §. 1. ff.
*]

§. 8. Rechte einer Nazion in Anſehung ihrer Unterthanen im eignen Territorium.

Eine Nazion hat, vermoͤge ihrer Freiheit und Un - abhaͤngigkeit das Recht, in ihrem Lande ſowohl in Ab - ſicht der Mitglieder und Unterthanen, als der Frem -R 3den262V. d. verſch. Gattungen d. Landesbewohnerden die in ihr Territorium kommen, alle diejenigen An - ſtalten zu machen, welche ihr zum Wohl des Staats gutduͤnken, ohne daß eine andere Nazion deshalb Ziel und Maas ſetzen koͤnte; obgleich ſolche den bey dieſer angenommenen Grundſaͤtzen entgegen ſind: denn es haͤngt von ihr ab, ob ſie ihren Unterthanen unter dieſen Verhaͤltniſſen den Aufenthalt daſelbſt verſtatten, und ob die letztern durch den Eintritt in das Territorium ſich den Vorſchriften unterwerfen wollen. Doch darf allerdings den etwa vorhandenen Vertraͤgen kein Nach - theil oder dem andern Volke und ſeinen Unterthanen keine offenbare Beleidigung dadurch zugefuͤgt werden.

*]Moſers Verſuch 6. Buch 3. Kap. Von den Rechten eines Souverains uͤber ſeine eignen Bedienten und Unter - thanen in ſeinen eignen Landen; und 5. Kap. Von den Rechten ꝛc. uͤber fremde Bedienten und Unterthanen in ſeinen eignen Landen; im 6. Th. S. 23. u. 43. ff.
*]

§. 9. Rechte der Nazionen uͤber Unterthanen in fremden Territorien.

Dadurch, daß ein Mitglied der Nazion, welches in ein fremdes Territorium, nicht in der Abſicht um daſelbſt beſtaͤndig zu wohnen, ſondern nur um Ge - ſchaͤfte willen, auf eine Zeitlang ſich begiebt, als zei - tiger Unterthan den Geſetzen dieſes Landes gehorchen muß, wird die vorige Verbindung zwiſchen dem Volke, deſſen Mitglied er iſt, nicht gaͤnzlich aufgehoben, ſon - dern es bleiben allerdings wechſelſeitige Rechte und Pflichten, die aber nur inſoweit wuͤrkſam ſeyn koͤnnen, als ſie den Geſetzen des Volks, wo der Fremde ſich aufhaͤlt, keinen Eintrag thun. Die uͤbrigen Rechte ienes Staats ruhen in dieſer Beziehung einſtweilen. Der263u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.Der Fremde kann daher von Rechtswegen auf keinen der Vortheile in einem andern Territorium Anſpruch machen, die ihm, nach der Verfaſſung ſeines Landes zukommen. Was ihm hierunter, beſonders nach den heutigen Grundſaͤtzen der europaͤiſchen Nazionen, ein - geraͤumt wird, beruht auf eine herkoͤmliche Gefaͤlligkeit, welche den geſelſchaftlichen Verbindungen gemaͤs wech - ſelſeitig ausgeuͤbt wird. Ueber auswaͤrtige Unterthanen aber kann kein Volk, wenn ſie nicht in ſein Land kom - men, ſich irgend eines Rechts anmaaſſen, oder ſich in die dieſelben betreffende Einrichtungen und in die Ver - haͤltniſſe der Unterthanen zu ihrer Oberherrſchaft miſchen, wenn es nicht durch Vertraͤge, durch Anſuchen ein und des andern Theils oder durch ein gemeinſames Intereſſe dazu veranlaßt worden.

*]Moſers Verſuch 6. Buch 4. Kap. Von den Rech - ten eines Souverains uͤber ſeine eignen Bediente und Unterthanen in fremden Landen und 6. Kap. Von den Rechten ꝛc. uͤber fremde Bediente und Unterthanen in fremden Landen; im 6. Th. S. 34. u. 77. ff.
*]

§. 10. Teutſchland.

Dieſe Eintheilungen und Gerechtſame finden groͤ - ſtentheils auch in Teutſchland und unter den teutſchen Landesherrn Statt; nur kann man hier in noch meh - rerm Sinne als Fremder, Buͤrger ꝛc. betrachtet werden, theils in Ruͤckſicht des ganzen Reichs, theils einzelner Provinzen ꝛc. ; und dann hat, vermoͤge der Staats - verfaſſung, manche Einrichtung hierunter in den ge - ſamten Reichslanden eine geſetzliche Kraft, deren An - erkennung bey voͤllig unabhaͤngigen Nazionen auf bloſſe Wilkuͤhr beruhet.

R 4*] M.264Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
*]M. vergl. Fr. Wilh. Peſtel diſſ. iuſtitia et benignitas legum germanicarum erga peregrinos examinata, Rintel. 1754. J. U. Freiherr v. Cramer von Ein - und Auszuggeldern der Fremden ins Land und der Unterthanen aus dem Lande, wie auch dem Unterſchiede unter ganz und halb Fremden; in Nebenſtunden Th. 100.
*]

Zweites Kapitel. Von den Rechten der Nazionen gegen einander in Abſicht des geſamten Volks und der es dar - ſtellenden Staͤnde.

§. 1. Geſamtes Volk und Staͤnde.

Alle Mitglieder des Staats zuſammen als eins be - trachtet, machen den Koͤrper des geſamten Volks [populus] oder der Nazion im engern Sinne aus, deſſen Verhaͤltnis zur Oberherrſchaft durch gemeinſchaft - liche Vertraͤge oder ſogenante Reichsgrundgeſetze beſtimt zu werden pflegt. Wegen der Unbequemlichkeit ganzer Volksverſamlungen ſind heutzutage bey den Nazionen, wo die beſondere Einwilligung des Volks zu Ausuͤbung einzelner Hoheitsrechte noͤthig iſt, meiſtens nur gewiſſe Perſonen oder Gemeinheiten auserſehn, welche unter dem Namen der Reichs - oder Landſtaͤnde, erfoderlichen Falls, das geſamte Volk darſtellen, die Obſorge fuͤr die dieſem zuſtehenden Gerechtſame tragen und den An -theil265in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.theil beſorgen, der ihm, nach der Staatsverfaſſung, an der Regierung zugeſtanden iſt.

§. 2. Gleichheit der geſamten Volksmenge und der Staͤnde bey den Nazionen.

Die geſamte Volksmenge und ihre Repraͤſentanten ſind bey allen europaͤiſchen Nazionen einander gleich, ſo daß keine Rangordnung, wie bey ihren Souverai - nen, Statt findet, wenn ſie in Verhaͤltnis gegenein - ander dargeſtelt oder ihrer in Vertraͤgen gedacht werden ſoll a]. Sie beſtehn alle aus freien von einander un - abhaͤngigen Menſchen, und auch das Herkommen hat hier nicht wie bey ienen einen gewiſſen Vorrang einge - fuͤhrt. Nur in Anſehung Teutſchlands und ſeiner Staͤnde leidet dies einige Ausnahme, indem dieſe, ihrer anſehnlichen Vorrechte wegen b] dergleichen nicht nur verlangen, ſondern auch zum Theil hergebracht haben c]. Die Kurfuͤrſten, Fuͤrſten, Herzoge und an - dere teutſche Reichsſtaͤnde, welchen das Recht des Krieges, Friedens und der Buͤndniſſe, ſogar mit aus - waͤrtigen Nazionen, zuſteht, wollen den Reichsſtaͤnden in andern Reichen, wenn ſie ſonſt auch noch ſo ange - ſehn ſind und zum Theil gleiche Namen fuͤhren, keines - weges den Vorrang laſſen d] und es wird ihnen ſolcher auch ſonſt durchgaͤngig nicht ſtreitig gemacht. Uebri - gens iſt es ieder Nazion unverwehrt, der geſamten Volkſchaft eines Staats vor andern bey ſich gewiſſe Vorzuͤge einzuraͤumen.

a]Moſers Verſuch 6. Th. S. 1.
a]
b]M. vergl. Io. Strauch diſſ. de Germanicae nationis in hodierno imperii Romani ſtatu praeeminentia. Ien. 1659.
b]R 5c] Mo -266Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
c]Moſers erſte Grundlehren S. 139.
c]
d]Moſers Verſuch 6. Th. S. 4. ff.
d]

§. 3. Verſchiedenheit der Rechte.

Dieſe Gleichheit berechtigt das geſamte Volk iedoch nicht, eben die Rechte bey andern Nazionen zu ver - langen, welche dieſe einem oder dem andern Volke ein - geraͤumt haben, ſondern es haͤngt von der Wilkuͤhr der Nazionen ab, was fuͤr Rechte und Freiheiten ſie einem ieden Volke in ihren Staaten zugeſtehn wollen, und es kann ihnen nicht verwehrt werden, einem mehrere Gerechtſame in Handels - und dergleichen Angelegen - heiten zu goͤnnen. Da keine Nazion hierunter zu et - was weiter, als zu Beobachtung der algemeinen Pflich - ten, die freilich gegen alle gleich ſind, verbunden iſt, ſo muß eine mehrere Verbindlichkeit lediglich durch Vertraͤge erworben werden a].

a]Unter andern heißt es daher im Utrechter Frieden zwi - ſchen Grosbritannien und Spanien 1713. Art. 9. Conventum inſuper et ſtatutam eſt pro regula gene - rali, quod omnes et ſinguli vtriusque regni ſubditi in omnibus terris et locis vtrinque circa omnia iura, impoſitiones perſonas, merces et commercia concernentia iisdem ad minimum privilegiis libertati - bus et immunitatibus vtentur, fruentur parique favore in omnibus gaudebunt, quibus Galliarum ſubditi aut amiciſſima quaevis gens extera vtuntur, fruuntur gau - dentque aut vllo dehinc tempore vti, frui aut gaudere poſſint. Ein Gleiches wurde auch in dem Frieden zwi - ſchen Spanien und den Vereinigten N. Landen 1714. Art. 17. bedungen. In dem burboniſchen Familienver - trage von 1761. ſind den Unterthanen der KoͤnigreicheFrank -267in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.Frankreich, Spanien und Sicilien in den gegenſeitigen Landen in Handelsſachen alle Rechte der Eingebohrnen zugeſtanden, und es iſt dabey Art. 24. ausdruͤcklich feſt - geſetzt: bien entendu que nulle autre puiſſance étran - gère ne jouira en Espagne, non plus qu’en France, d’aucun privilège plus avantageux, que celui des deux nations; ia ſie ſollen nicht einmal gleiche Rechte genieſſen, ſondern [Art. 25.] Si les hautes parties contractantes font dans la ſuite quelque traité de commerce avec d’autres puiſſances et leur accordent ou leur ont, deja accordé les traitemens de la nation la plus favoriſée, on préviendra les dites puiſſances, que le traitemens des Espagnols en France et dans les deux Siciles et des Napolitains et Siciliens en France et en Espagne ſur le même ſujet eſt excepté à cet égard et ne doit point être cité ni ſervir d’exemple. Zwiſchen Rußland und der Pforte iſt im Handelsvertrage von 1783. Art. 17. feſtgeſetzt: Comme la nation Ruſſe doit être regardée dans les états de la Sublime Porte Ottomanne à l’égal de la Francoiſe et Angloiſe, comme des nations qui en ſont les plus favoriſées, la Porte ſ’engage auſſi d’accorder aux ſujets Ruſſes tous les privilèges et honneurs dont on le ſert vis à vis d’elles et d’autres nations libres, tout comme dans l’Empire de Ruſſie on accordera reciproquement aux ſujets de la Porte les memes égards dont jouiſſent les nations les plus favoriſées et amies de la Ruſſie. Dies geſchieht auch in dem Handelsvertrage zwiſchen Rußland und Oeſter - reich 1785. Art. 3. und in vielen andern Handelsvertraͤgen.
a]

§. 4. Naturaliſation.

Noch weniger koͤnnen Nazionen und ihre Mitglie - der, die in ein fremdes Territorium entweder nur eineZeit -268Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderZeitlang, oder um daſelbſt beſtaͤndig zu wohnen kom - men, verlangen, daß ihnen die Rechte und Vortheile der Eingebohrnen, welche man unter dem Namen des Indigenats begreift, zugeſtanden werden ſollen. Zuweilen bringt es die Verfaſſung des Landes mit ſich, daß die bloſſe Aufnahme eines Fremden als Unterthan ihm iene Rechte gewaͤhrt a]. Gemeiniglich aber wird eine beſondere Verguͤnſtigung, welche Naturaliſation heißt, und einzelnen Perſonen oder Familien meiſt in eignen Urkunden oder ſogenannten Naturaliſations - briefen, ertheilt werden, hierzu erfodert. Dieſe Na - turaliſation begreift gewoͤnlich alle Rechte der Einge - bohrnen in ſich, doch giebt es bey einigen Nazionen gewiſſe Grade derſelben, die den Fremden bald mehrere bald mindere Gerechtſame beilegen b]. Dergleichen Naturaliſation wiederfaͤhrt entweder ganzen Nazionen, ſo daß alle Glieder derſelben als Eingebohrne anzuſehn ſind c]; oder allen Fremden, die ſich in einem Lande niederlaſſen, entweder nur von einer gewiſſen Gat - tung d] oder ohne Unterſchied e], oder es werden auch nur einzelne Perſonen und Familien mit dem Indigenat in einem Lande begnadigt f].

a]Dies geſchieht meiſtens in ganz Teutſchland. Moſers Verſuch 6. Th. S. 8.
a]
b]Wie in Grosbritannien. Ebendaſ. S. 12.
b]
c]So genieſſen in Frankreich, die Hollaͤnder, Schweitzer, Genfer und andere Nazionen, vermoͤge Vertraͤge, die Rechte der Eingebohrnen Real Science du Gouvern. Tom. IV. c. 7. Sect. 3. §. 28. ff. Dies iſt auch in dem burboniſchen Familienvertrag von 1761. zwiſchen Frankreich, Spanien ꝛc. bedungen. Preuſſen behauptet kraft beſonderer Privilegien und Vertraͤge das Indige - natrecht in Polen. ſ. Diſquiſit. de Indigenatu, eum - que conferendi iure apud Pruſſos et Curonos ſ. l. 1748. 4.
c]d] Von269in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
d]Von Grosbritannien wurden 1740. alle Proteſtanten, die ſich in den Colonieen niederlaſſen wolten, naturali - ſirt. Moſers Verſuch 6. Th. S. 10. Von Spa - nien hingegen geſtand man allen Fremden catholiſcher Religion die Naturaliſation zu, welche ſich in Anda - luſien niederlaſſen wuͤrden. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 411.
d]
e]Preuſſen z. B. erklaͤrte in einem Edict vom 13. May 1709. daß alle in ſeinen Staaten bereits anſaͤſſig ge - wordene oder erſt darein ziehende Refugiés, ſie moͤchten aus Frankreich oder aus andern Laͤndern, der Religion halber, zu weichen genoͤthigt worden ſeyn, von dem Augenblicke an, wenn ſie den Huldigungseid geleiſtet, als natuͤrliche Unterthanen angeſehn werden ſolten. Ruß - land verſprach in einer Ukaſe vom 22. Febr. 1783. alle Fremde, welche ſich in den neuerworbenen Laͤndern Taurien ꝛc. niederlieſſen, wenn ſie es wuͤnſchten, zu naturaliſiren. Polit. Journal April 1784. S. 357. Nach dem daͤniſchen Indigenatrechte vom 15. Jan. 1776. werden den Eingebohrnen gleich geachtet 1] alle Auslaͤnder von Geburt, die Landguͤter oder andere Im - mobilien, wenigſtens dreiſſigtauſend Reichsthaler werth, oder Haͤuſer und Fabriken zehntauſend Reichsthaler werth erwerben und an ſich bringen, 2] die Fremde, welche ſich in den daͤniſchen Landen niederlaſſen und daſelbſt verbleiben, auch beweiſen koͤnnen, daß ſie in den dorti - gen Handlungs-Compagnieen oder ſonſt in der Hand - lung der Koͤnigreiche zwanzigtauſend Reichsthaler zu Ei - gen beſitzen und ſtehen haben; 3] die Lehrer, die von fremden Orten nach der Univerſitaͤt Kiel, nach der St. Peterskirche zu Koppenhagen, zu der Miſſion in Tran - quebar, oder zu den reformirten Gemeinen in den Koͤ - niglichen Staaten berufen werden; 4] die auswaͤrtigen Fabrikanten, Kuͤnſtler und Meiſter, die zu einem neuen Werke oder Einrichtung vonnoͤthen ſeyn moͤchten ꝛc. Vergl.270Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderVergl. Ueber das Koͤnigliche daͤniſche Indigenatrecht ꝛc. Hamburg 1779. 4.
e]
f]So verlieh der Koͤnig in Daͤnemark dem evangeliſchen Prediger Scheidemantel zu Warſchau den Indigenat, und die Kaiſerin Koͤnigin 1758. der Venezianiſchen Fa - milie Rezzonico das Recht der Eingebohrnen in allen ihren Landen. Moſers Verſuch 6. Th. S. 9.
f]
*]Nach einem Herkommen in Frankreich bedurften auch die Einwohner derienigen Provinzen, welche ehemals der Krone gehoͤrt hatten, aber durch Krieg ꝛc. unter andre Bothmaͤſſigkeit gekommen waren, keiner beſondern Na - turaliſationsbriefe, ſondern wurden den Eingebohrnen gleich erklaͤrt. Real a. a. O. §. 26.
*]
**]M. vergl. Wolff I. G. c. I. §. 134. Vattel L. I. c. 19. §. 214. Henr. Hahn diſſ. de iure Indigenatus ſingulari. Helmſt. 1663. Car. Fr. Lav diſſ. de iure indigenatus. Regiomont. 1686.
**]

§. 5. Recht der Standſchaft.

Was die Darſtellung des geſamten Volks durch ge - wiſſe Repraͤſentanten oder die Staͤnde anlanget, ſo hat auch hierinn keine auswaͤrtige Nazion etwas zu ſagen, wenn ſie nicht ſelbſt oder ihre Glieder, wegen des Beſitzes gewiſſer Guͤter oder aus einem andern recht - maͤſſigen Grunde, an der Standſchaft Theil zu neh - men befugt iſt. Bekantlich beſitzen verſchiedene aus - waͤrtige Souverains zugleich in Teutſchland ſolche Reichslande, auf welchen das Recht der Standſchaft mit Sitz und Stimme auf dem Reichstage haftet a]; auch giebt es Faͤlle, daß teutſche Reichsſtaͤnde zugleichals271in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.als Staͤnde auswaͤrtiger Reiche aufgenommen wer - den b]. Wenn einem Auswaͤrtigen ein ſolches Sitz und Stimmfaͤhiges Land auf irgend eine geſetzmaͤſſige Art zufaͤlt, ſo kann ihm das Recht der Reichsſtand - ſchaft nicht verſagt werden, wenn er ſich deſſen nicht freiwillig begiebt c] oder beſondere Reichsgrundgeſetze deshalb vorhanden ſind d].

a]Dahin gehoͤren Grosbritannien, Daͤnemark, Schweden und mehrere. ſ. Moſers auswaͤrt. Staatsrecht S. 52.
a]
b]So wurde der Biſchof von Osnabruͤck, der als teutſcher Reichsſtand bey der Reichsverſammlung zu Regensburg ſeinen Bevolmaͤchtigten hat, unter dem Titel eines Her - zogs von York und Grafen von Alkany zum koͤniglichen Pair von Grosbritannien mit Sitz und Stimme im Oberhauſe ernannt. Polit. Journal April 1787. S. 434.
b]
c]Wie Frankreich, welches im Wiener Praͤliminar-Frie - den 1735. Art. 1. auf Sitz und Stimme auf dem Reichstage zu Regensburg Verzicht leiſtete, im Fall es, nach Abgang Stanislaus Leſcinzki zum Beſitz des Her - zogthums Lothringen gelangte.
c]
d]Wenn z. B. die Grundgeſetze nur gewiſſe Religionsver - wandte ꝛc. zulaſſen.
d]
*]Man vergl. Guil. Fr. de Beulwitz diſq. an expediat Germaniae cenſere in imperii proceribus exteros re - ges? Hal. 1743. 4.
*]

§. 6. Unterhandlungen auswaͤrtiger Nazionen mit dem geſamten Volke und deſſen Staͤnden.

In wie ferne das geſamte Volk, als ein ſelbſtſtaͤn - diger Koͤrper betrachtet, durch ſeine Repraͤſentanten dieStaͤnde,272Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderStaͤnde, befugt ſey, ohne Zuziehung des Reichsober - haupts, oder gemeinſchaftlich mit ihm, in Unterhand - lungen und Vertraͤge mit auswaͤrtigen Nazionen ſich einzulaſſen, und dieſe ſich alſo an iene wenden koͤnnen; ob daher das Unternehmen des Volks und der auswaͤr - tigen Nazion als erlaubt oder unerlaubt und fuͤr eine Beleidigung ienes Souverains anzuſehn ſey? komt auf die Grundvertraͤge des Staats an. Sind derglei - chen Verhandlungen dieſen nicht zuwider, ſo koͤnnen ſolche, wenn ſie nicht zum Nachtheil des Staats gerei - chen, der andern Nazion nicht fuͤglich als Beleidigung angerechnet werden a]. Im teutſchen Reiche, in Po - len ꝛc. komt dieſer Fall am haͤufigſten vor.

a]Bey den letzten Uneinigkeiten zwiſchen Rußland und Schweden entfernte dieſe Krone den ruſſiſchen Geſandten unter andern auch um deswillen von ſeinem Hofe, weil er in einem uͤbergebenen Memoire ſich an den Koͤnig und die Staͤnde zugleich gewandt hatte. Der ruſſiſche Ge - ſandte ſagte naͤmlich bey den damaligen Irrungen: In dieſen Umſtaͤnden traͤgt die Kaiſerin an ihrer Seite kein Bedenken, dem Miniſterium Sr. Schwed. Maj. erklaͤ - ren zu laſſen, ſo wie allen denen von der Nazion, die einigen Theil an der Verwaltung haben: daß Ihro Kaiſerl. Maj. ihnen keinen gruͤndlichern Beweis von ihren friedfertigen Geſinnungen geben kann, als durch die Verſicherung, daß alle entgegengeſetzten Ab - ſichten, die man derſelben beimeſſen koͤnte, ohne allen Grund ſind. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 713. Die Schwediſche Antwort lautete dahin: Unter dieſen Umſtaͤnden war es, daß der Graf von Raſumovsky, indem er ſeine beleidigenden Schritte in einer Miniſterial - note aufs hoͤchſte trieb, es gewagt hat, den Koͤnig von der Nazion trennen zu wollen, daß er an ſie ap - pellirt hat, und daß er unter dem ſcheinbaren Vorwand der Freundſchaft der Kaiſerin fuͤr die Nazion, die hei -ligen273in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.ligen Bande hat zerreiſſen wollen, welche den Koͤ - nig mit ſeinen Unterthanen vereinigen. Ebendaſ. S. 820. Rußland aber entgegnete in der Declaration vom 30 Jun. / 11. Jul. 1788. Nur kann man ſich nicht der Bemerkung enthalten, daß dies das erſte Beiſpiel iſt, daß ſich ein Souverain daruͤber beleidigt findet, daß ein anderer Souverain ihn in Verbindung mit ſeinen Unter - thanen ſeine friedlichen und geneigten Geſinnungen ver - ſichert. Polit. Journ. Aug. 1788. S. 824. In dem Berliner Frieden zwiſchen Preuſſen und Oeſterreich 1742. wurde Art. 11. u. 12. ausdruͤcklich bedungen, daß die boͤhmiſchen Staͤnde, wegen der er - laſſenen boͤhmiſchen Lehnſchaft ſowohl, als wegen der an Preuſſen abgetretenen ſchleſiſchen Lande, foͤrmliche Re - nunciationsacten an Preuſſen ausſtellen ſolten.
a]

§. 7. Erhaltung ihrer Rechte und Freiheiten.

Was fuͤr Rechte und Freiheiten dem geſamten Volke und deſſen Staͤnden, im Verhaͤltnis zur Ober - herſchaft, in iedem Staate gebuͤhren, beruht ebenfals auf die unter ihnen errichteten Grundvertraͤge und wird in dem Staatsrechte gelehrt. Andere Nazionen haben weder in Anſehung deren Errichtung noch Beobachtung einige Rechte, wenn ſie nicht durch beſondere Vertraͤge oder eine uͤbernommene Garantie ſolcher Rechte und Freiheiten a] auf Erſuchen beider, oder eines und des andern Theils, oder auch des algemeinen Beſten hal - ber dazu veranlaßt werden b].

a]Beſonders werden bey Abtretung einiger Lande gemeinig - lich von dem Abtretenden die Aufrechthaltung aller Lan - desfreiheiten, Rechte ꝛc. der Staͤnde und UnterthanenGuͤnth. Voͤlk, R. 2. B. Saus -274Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderausdruͤcklich bedungen. Wegen der von Daͤnemark an Schweden abgetretenen Lande wurde z. B. im Roſchilder Frieden 1658. Art. 9. feſtgeſetzt: quod omnes ſtatus, ſive nobiles, ſive ignobiles Provinciarum quae mediantibus his tractatibus fuerunt ceſſae, bona ſua ac proprietates retinere debeant Similiter retinebunt conſueta ſua iura, leges antiquas, privi - legia et immunitates ſine omni impeditione et turba - tione, in quantum tamen illa non contrariantur vel pugnant cum legibus fundamentalibus regnorum Sue - ciae, cum quibus ſcilicet ceſſae hae provinciae in per - petuum poſthac adunientur et conſociabuntur. M. vergl. den Coppenhager Frieden 1660. Art. 12. Im Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und den Vereinig - ten N. Landen 1713. Art. 24. iſt bedungen: que les Communeautés de toutes les places villes et pays que S. M. T. Chretienne cède par le preſent traité ſeront conſervées et maintenues dans la libre jouiſſance de tous leurs priviliges, prérogatives, coutumes etc. Der Koͤnig von Preuſſen verſpricht im Hu - bertsburger Frieden mit Oeſterreich, in den abgetreten erhaltenen ſchleſiſchen Provinzen alle Freiheiten, Vor - rechte ꝛc. der Staͤnde zu erhalten. M. vergl. Breßlauer Praͤlim. und Berliner Def. Frieden von 1742. u. 1743. Art. 6. Wo dergleichen Zuſicherungen geſchehen ſind, ſtehet dem andern Theile, wenn die ſtaͤndiſchen Privilegien verletzt werden, allerdings das Recht zu, ſich der Staͤn - de und Unterthanen anzunehmen. In dem Bromberger Vertrage trat Polen an Preuſſen Buͤtow und Lauenburg als Lehn mit allen vorigen Freiheiten ꝛc. ab. Den Ein - wohnern wurden daher durch einen polniſchen Reichstags - Schlus nochmals alle alte Rechte, Ehren, Vorzuͤge ꝛc. zugeſichert, und ihnen, im Verletzungsfalle, freigege - ben, ſich an den Koͤnig und die Republik zu wenden. Moſers275in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. StaͤndeMoſers Verſuch 5. Th. S. 169. Polen fuͤhrte in dem Manifeſte 1700. gegen Schweden als eine Kriegs - urſache mit an, daß letztere Krone den Lieflaͤndern, dem oliviſchen Frieden, worinn die Abtretung dieſer Provinz geſchehen, zuwider, ihre Freiheiten verletzt habe: Livo - nia in plenum dominium Sueciae tradita et re - ſignata cum ea tamen iurium et privilegiorum reſer - vatione vt ſupra expreſſum eſt. Hinc quam iniurium in Rempublicam, quam pactis contrarium inductum in illam provinciam despoticum regimen, dum triſtem ſervitutem ſub gravi iugo gementes et querimoniis ſidera pulſantes deplorant Livones! Lamberty Mem. Tom. I. p. 73. Der Koͤnig in Sardinien als Garant des Tractats, durch welchen die Dauphine von dem letzten Beſitzer Humbert an Frankreich gekommen iſt, nahm ſich dieſer Provinz bey den Unruhen der Staͤnde mit dem Koͤnige in Frankreich an, und erließ ein Schreiben deshalb an Ludwig XVI. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 739.
a]
b]Moſers Verſuch 6. Th. S. 92. ff. Kaiſer Peter III. von Rußland gab dem Curlaͤndiſchen Adel, bey Gelegen - heit der von ihm erhaltenen Gluͤckwuͤnſchungsdeputation zur Throngelangung, in den damaligen Streitigkeiten wegen des Herzogs, die Erklaͤrung: que S. M. Impe - riale conſiderant les differentes oppreſſions, que la nobleſſe de Courlande à ſouffertes depuis quelque tems dans ſes privilèges libertés et immunités ſe trouve dans la très-gracieuſe intention de proteger à l’avenir efficacement les Duchés de Courlande et de Semgalle dans tous leurs droits, prerogatives et immunités etc. Moſers Verſuch 1. Th. S. 149.
b]
S 2§. 8.276Von d. Rechten der Nazionen gegen einander

§. 8. Aufwiegelung des Volks.

Es iſt aber keinesweges, zumal in Friedenszeiten, erlaubt, das Volk eines andern Staats durch gehaͤſ - ſige Inſinuationen, Beſtechungen und andere Vorſpie - gelungen zu Beſchwerden gegen die Oberherſchaft, oder gar zur Untreue und zum Aufruhr gegen dieſelbe zu verleiten a]. Indes fehlt es doch auch nicht an Beiſpielen hiervon in der Geſchichte b]. Gegen ein ſolches Benehmen ſind, wegen der uͤblen Folgen fuͤr die algemeine Ruhe, die ſchaͤrfſten Ahndungen erlaubt.

a]Amicitiae aeque ac iuſtitiae repugnare et adverſare videtur, ſollicitare populum ad defectionem. Gra - vis haec ad ſeditionem commotis offenſa foret bello vlciſcenda de Steck Obſerv. ſubſeciv. Spec. Hal. 1779. n. 14. p. 50. Glafey im V. R. 3. Kap. §. 44. S. 159. billigt daher mit Recht die Antwort, welche Kaiſer Karl V. ſeinen Miniſtern gab, die ihm zu Unterſtuͤtzung der damaligen franzoͤſiſchen Unruhen riethen: que Dieu lui avoit donné aſſez de bon ſens et de conſcience pour ne pas ignorer, qu’vn prince Sou - verain et ſurtout vn Empereur ne doit jamais embraſ - ſer les occaſions de fomenter les ſeditions et les re - voltes dans les états des autres princes, ni donner du ſecours aux rebelles.
a]
b]Der aͤltern zugeſchweigen, verdienen beſonders die ge - genwaͤrtigen franzoͤſiſchen Unruhen die groͤſte Aufmerk - ſamkeit, und die zu Verbreitung derſelben vorhanden ſeyn ſollende Propaganda, in Abſicht welcher die Aeuſ - ſerung des Grafen von Montmorin in der Nationalver - ſammlung merkwuͤrdig iſt. Die Verhaͤltniſſe der Nazio - nen, ſagte er, ſetzen eine gegenſeitige Achtung fuͤr die verſchiedenen Regierungsformen voraus, Will eine da -von277in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.von ihre Conſtitution aͤndern, ſo muß ſie ſich auf ihr Gebiet einſchraͤnken und nicht andere bewegen wollen, die neuen Grundſaͤtze ihrer Conſtitution anzunehmen. So ſahe man England und Holland groſſe Revolutionen machen und ihrer neuen Conſtitution Achtung verſchaffen, weil ſie ſelbſt die Conſtitutionen anderer Staaten reſpectir - ten. Man beſchuldigt uns aber, daß wir unſere Grundſaͤtze verbreiten und die Voͤlker gegen ihre Regie - rungen zu empoͤren ſuchen. Ich weiß, daß dieſe Be - ſchuldigungen ungegruͤndet ſind, wenn man ſie der Na - zion und der Regierung macht; aber es iſt nur zu wahr, daß einzelne Perſonen und ſelbſt Geſelſchaften in die - ſer Abſicht einen Briefwechſel mit den an unſern Grenzen benachbarten Laͤndern zu errichten und zu unterhalten ge - ſucht haben: und es iſt auch nur zu wahr, daß faſt alle Fuͤrſten und faſt alle Regierungen in Europa in aufruͤh - reriſchen Blaͤttern inſultirt und beleidigt worden ſind. Polit. Journ. December 1791. S. 1282. Spa - nien erließ daher bey Gelegenheit dieſer Unruhen eine Verordnung, daß auf alle Fremde und Profeſſioniſten, welche das Land durchſtreichen und die franzoͤſiſchen auf - ruͤhreriſchen Schriften oder Grundſaͤtze muͤndlich verbrei - ten, Acht gegeben und ſie in Verhaft genommen werden ſolten, weil S. Koͤnigl. Maj. mit dem groͤſten Unwillen daruͤber erfuͤlt ſind, daß die Franzoſen, durch eine aus - ſchweifende Freiheit trunken, ihre abſcheulichen Grund - ſaͤtze durch Keſſelflicker, Scherenſchleifer und andere der - gleichen Vagabonden, die im Lande herumſtreichen und deren Anzahl, ohngeachtet der genommenen Maasregeln, noch auſſerordentlich zugenommen hat, verbreiten und in Umlauf bringen laſſen. Ebendaſ. Aug. 1791. S. 863. Die bekanten Vorfaͤlle in Bern, Pays, de Vand und Avignon ſind traurige Erfahrungen hiervon. Wegen des letztern rief der Papſt alle Maͤchte in Europa um Bei - ſtand an. Ebendaſ. December 1791. S. 1296. ff.
b]
S 3§. 9.278Von d. Rechten der Nazionen gegen einander

§. 9. Verhalten anderer Nazionen bey entſte - hendem Aufruhr.

Wenn gleichwohl Aufruhr und Empoͤrung in einem Staate entſtehen, indem ein Theil des Volks der recht - maͤſſigen Oberherſchaft den ſchuldigen Gehorſam auf eine unrechtmaͤſſige Art zu entziehen ſucht, ihr auch wohl Gewalt entgegen ſetzt a]; ſo duͤrfen andere Nazio - nen ſich ebenfals darein nicht miſchen, noch weniger den Rebellen einigen Vorſchub an Gelde, Unterhalt, Kriegsbeduͤrfniſſen leiſten, ſie mit Rath und That un - terſtuͤtzen, oder ihnen auch nur Aufenthalt und Sicher - heit bey ſich verſtatten b]. Beſondere Vertraͤge und Garantieen c], das Anſuchen der ſtreitigen Theile d] und die Erhaltung der algemeinen Ruhe e] machen iedoch auch hier eine Ausnahme. So feſt dieſes auch ſchon in den Vorſchriften des natuͤrlichen Voͤlkerrechts ge - gruͤndet iſt, und von den meiſten Nazionen beobachtet wird f]; ſo werden doch auch in den Vertraͤgen der Nazionen haͤufig daruͤber noch ausdruͤckliche Verabre - dungen getroffen g], da die Erfahrung gelehrt hat, daß Nazionen zuweilen kein Bedenken tragen, ſich ſolcher Rebellen heimlich oder oͤffentlich anzunehmen und ſie zu unterſtuͤtzen h]. Bloſſe Interceſſionen fuͤr die Re - bellen in Anſehung ihrer Beſtrafung koͤnnen indes nicht fuͤglich als eine Theilnahme angeſehn werden i]. Ueb - rigens iſt es nicht ungewoͤnlich, daß eine Nazion der andern von den bey ihr entſtehenden Unruhen Nachricht ertheilt k].

a]Nur iſt nicht allemal ausgemacht, ob dieienigen, welche den Aufſtand erregen, wuͤrklich fuͤr Rebellen anzuſehen ſind, die ſich dem ſchuldigen Gehorſam auf eine unrecht - maͤſſige Weiſe zu entziehen ſuchen, oder ob vielmehr derFall279in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.Fall vorhanden iſt, daß ſie, im Namen des geſamten Volks, deſſen unterdruͤckte Gerechtſame gegen die Tyran - ney der Oberherſchaft zu vertheidigen ſich gedrungen ſehen. So wenig die Aufruͤhrer gemeiniglich fuͤr Rebellen ange - ſehn werden wollen, ſo entſteht auch zuweilen zwiſchen ihren Souverain und andern Razionen Streit daruͤber. Bey den Unruhen auf der Inſel Corſica gegen Genua behaupteten die von den Corſen an verſchiedene europaͤi - ſche Hoͤfe geſchickten Deputirten: que cette infra - ction les a mis à même de reprendre leur prémier état; que ce ne ſont point quelques Particuliers qui ſe ſont ſoulevées, mais que c’eſt toute la nation en corps qui a jugé n’être plus tenue à la Convention, qui leur a paru être anéautie par la republique elle - même. Mercure hiſt. et polit. 1763. T. I. p. 370. Auch ſind die Streitigkeiten merkwuͤrdig, welche durch die nordamerikaniſchen Unruhen zwiſchen Grosbritannien und Frankreich veranlaßt wurden. Auſſer dem, was ich ſchon oben im 1. Th. 1. K. §. 4. bey der Anerken - nung der Unabhaͤngigkeit angefuͤhrt habe, aͤuſſerte Gros - britannien unter andern noch: Auſſitôt que les Colo - nies revoltées eurent conſommé leurs attentats crimi - nels par la declaration ouverte de leur independence prétendue, elles ſongerent à former des liaiſons ſe - cretes avec les puiſſances les moins favorables aux intérèts de la mère-patrie La Cour de Verſailles ne rougit point d’avilir ſa dignité par les liaiſons ſe - cretes qu’elle forma avec des ſujets rebelles, et après avoir épuiſé toutes les reſſources honteuſes de la per - fidie et de la diſſimulation, elle oſa avouer à la face de l’Europe, indignée de ſa Conduite, le traité ſolemnel que les Miniſtres du Roi Très-Chretien avoient ſigné avec les Agens ténébreux des Colonies Angloiſes, qui ne fondinent leur indépendence pré - tendue, que ſur la hardieſſe de leur revolte LeS 41. Article280Von d. Rechten der Nazionen gegen einander1. Article du traité de 1763. confirme de la manière la plus préciſe et la plus ſolemnelle les obligations que le droit naturel impoſe à toutes les nations qui ſe reconnoiſſent mutuellement pour amis. Si la France ſ’étoit propoſé de remplir ſes devoirs, il lui étoit impoſſible de les meconnoitre, l’eſprit auſſi bien, que la lettre du traité de Paris lui impoſent l’obligation de fermer ſes ports aux vaiſſeaux des Americains, d’intredire à ſes ſujets tout commerce avec ce peuple rebelle et de ne point accorder ſon ſecours ni ſa protection aux ennemis domeſtiques d’vne couronne à la quelle elle avoit juré vne amitié ſincère et inviolable. Il ſuffit ici de remarquer, que la France ne peut ſe prevaloir de l’injuſtice qu’elle reproche à la Cour de Londres [par rapport à la con - duite de la reine Eliſabeth à l’égard des Pays-bas] ſans introduire dans la jurisprudence de l’Europe des maximes auſſi nouvelles qu’elles ſeroient ſauſſes et dangereuſes; ſans ſuppoſer, que les diſputes qui ſ’élèvent au ſein d’vn état indépendent et ſouverain, ſont ſoumiſes à la jurisdiction d’vn prince étranger, et que ce prince peut évoquer à ſon tribunal ſes alliés et leurs ſujets revoltés pour juſtifier la conduite du peuple qui ſ’eſt affranchi des devoirs de l’obeiſſance legitime. Les Miniſtres du Roi Très-Chretien ſ’appercevront peut-être vn jour, que l’ambition les a fait oublier les intérêts et les droits de tous les Souverains!!! Die franzoͤſiſchen Gegenerinnerungen gingen dahin: Sa Majeſté fit connoitre ſans detour au roi d’Angle - terre, qu’elle n’étoit ni prétendoit être le juge de la querelle avec ſes anciennes Colonies et que ce n’étoit point à Elle â la venger; que par conſe - quent rien ne lui impoſoit l’obligation de traiter les Americains comme des Rebelles; de leur fermer lesports281in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.ports de ſon royaume etc. En donnant aſyle aux Américains le Roi n’a fait que remplir vn des prémiers devoirs de l’humanité, en même tems qu’il a exercé vn droit inhérent à la ſouveraineté, droit qui appartient à toutes les nations independentes, qui ne peut être reſtreint, que par des conventions, et dont l’exercice eſt plus étendu en Angleterre que dans aucun autre état de l’Europe. Le roi n’a eu aucune raiſon de renoncer à l’exercice de ce droit au préjudice des Americains parce que cette nation ne l’a jamais offenſé; et c’eut été de ſa part vne tyrannie, une cruauté inoüie que de les expulſer de ſes états, parce qu’ils étoient injuſtement opprimés par la Grande Bretagne Ainſi bien-loin que S. M. ait renverſé tout principe en ſe liant avec les Americains, on peut ſoutenir au contraire, qu’Elle a pu les regarder et les traiter comme independans après la proclamation de leur Manifeſte du 4. Juillet 1776. et qu’en le faiſant, Elle n’a violé ni le droit des gens ni les traités, qu’Elle a encore moins fait injure à l’Angleterre et ro〈…〉〈…〉 pu la paix avec cette puiſſance. M. ſ. die beiderſeitigen Memoiren in Dohms Materialien 3. Th.
a]
b]Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 21.
b]
c]Grosbritannien erhielt daher, 1745. vermoͤge der be - dungenen Garantie der Grosbritanniſchen Erbfolge, bey der ausgebrochenen Rebellion in Schottland, von den Vereinigten N. Landen die verlangte Huͤlfe. Moſers Verſuch 5. Th. S. 462. In Anſehung der von Frank - reich nebſt den Republiken Zuͤrch und Bern, 1738. uͤbernommenen Garantie der Verfaſſung der Republik Genf, aͤuſſerte die Buͤrgerſchaft daſelbſt bey den 1767. ausgebrochenen Unruhen: La Garantie a inconteſtable - ment acquis en 1738. un droit ſur nous. Le Roi en ſa qualité de Co-Mediateur a part à ce droit. CeS 5droit282Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderdroit eſt, de protéger, dans une diſcorde civile le partie, que, d’après nos loix, elle jugera être le parti opprimé en forçant l’autre à main armée à ſe ſoumettre etc. Moſers Verſuch 6. Th. S. 82. Als Rußland bey den Unruhen in Polen auf dem Reichs - tage 1767. einige Staͤnde in Verhaft nehmen und nach Rußland fuͤhren ließ, erklaͤrte es: S. M. I. eſt l’amie, la voiſine et l’Alliée de la republique. Elle eſt ori - ginairement, par des traités ſolemnels, la garante des droits d’une partie de la nation, et ces droits lui ont été ravis. Le devoir et le ſentiment de l’hu - manité reunis engagent S. M. I. à interceder en fa - veur des Diſſidens. Le droit en eſt clairement de - montré, mais l’Imperatrice eſt bien loin encore de l’exercer comme un droit, Repreſentations amicales, conſeils, inſinuations officieuſes, ſollicitations preſ - ſantes, avertiſſemens ſur les conſequences dange - reuſes de cette affaire, tout eſt employé par Elle. Ebendaſ. S. 105.
c]
d]Moſers Verſuch 6. Th. S. 92. ff.
d]
e]Ebendaſelbſt.
e]
f]So ließ Grosbritannien 1763. in den Corſiſchen Unru - hen, auf Anſuchen der Republik Genua bekant machen: S. M. voulant donner toute ſatisfaction juſte et raiſonnable à ſa bonne amie et alliée la Republique de Genes le Roi enjoint par ces Préſentes et or - donne expreſſément à tous ſes ſujets de ne donner ni fournir aide aſſiſtance, apui, ni ſecours de quelque manière que ce puiſſe être à aucun des habitans de l’Isle de Corſe actuellement revoltés contre la dite Sereniſſime Republique Moſers Verſuch 5. Th. S. 414.
f]
g]Unter vielen andern Beiſpielen wurde in der Allianz zwi - ſchen Frankreich und Daͤnemark von 1663. Art. 5. verglichen qu’aucun des deux rois ne recevra ni neſouffrira283in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.ſouffrira dans ſes royaumes, provinces et principau - tés au terres de ſon obeiſſance les rebelles ou les criminels d’état de l’autre, ſ’il ſçait qu’il y en ait. Zwiſchen England und den Vereinigten N. Lauden iſt im Bredaer Frieden von 1667. Art. 13. feſtgeſetzt: quod neque dictus Rex vel dicta respublica, neve vllus ex ſubditis alterutrius incolis aliisve in eorum ditione commorantibus, alterutrius rebelles quocunque ſub - ſidio, conſilio, ſtudio fovebit et adjuvabit, ſed expreſſe contradicet atque efficaciter obſtabit, ne quid auxilii aut adjumenti ab vllo, qui aut ex ſubditis incolis aut commorantibus in alterutrius dominiis fuerit vllis iſtiusmodi rebellibus praedictis, ſeu ſint viri, naves, arma, bellicus apparatus aliave bona interdicta, ne - que etiam pecuniae etc. ſuppeditentur. M. vergl. die ff. Artikel. Grosbritannien und Schweden verban - den ſich in der Stockholmer Allianz 1720. Art. 2. Uterque Confoederatorum hoſtes ejus ſive rebel - les et inimicos in Confoederati damnum nullatenus fovebit, neque rebellium et proditorum quemcunque in ditiones ſuas recipiet aut admittet, multo minus conſilium, auxilium et favorem illis praeſtabit vel tale quid per ſubditos populos aut incolas ſuos praeſtari ſinet aut permittet. Im Wiener Frieden 1739. zwi - ſchen dem Roͤm. Kaiſer und dem Koͤnige in Frankreich wird Art. 1. verſprochen ni recevoir, protéger ou aider, de quelque manière que ce ſoit, les ſujets rébelles ou réfractaires.
g]
h]Moſers Anfangsgruͤnde der Wiſſenſch. von der heutigen Staatsverf. von Europa 1. Th. S. 260. Sardinien nahm 1745. die Rebellen der Inſel Corſica gegen die Republik Genua durch ein foͤrmliches Edict in Schutz, und ſagte darinn unter andern: Das Volk der Inſel Corſica hat uns vorſtellen laſſen, wie es ſeit kurzem genoͤthiget worden, die Waffen zu ergreifen um ſich derHerſchaft284Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderHerſchaft der Republik Genua zu entziehn, welche, da ſie die Geſetze der Menſchlichkeit und der Gerechtigkeit mit Fuͤſſen tritt, nicht aufgehoͤrt hat, es auf eine tyran - niſche Weiſe zu halten, und fortfaͤhrt, gegen ſelbiges das haͤrteſte Bezeigen zu gebrauchen, das auf nichts an - ders, als auf den gaͤnzlichen Untergang dieſer ungluͤck - lichen Nazion abzielen kann. Dieſes Volk hat uns zu gleicher Zeit erſuchen laſſen, ihm unſern koͤniglichen Schutz zu gewaͤhren. Da wir von einem wahren Mitleiden uͤber den klaͤglichen Zuſtand, worinn ſich die Inſel Corſica unter dem Regiment der Republik Genua befindet, geruͤhrt, und durch ihre Ungerechtigkeit ge - gen uns aufgemuntert worden, wegen ihrer Auf - fuͤhrung, daß ſie ſich zu unſern Feinden geſchla - gen, auf Rache zu denken; ſo haben wir uns ent - ſchloſſen, beſagten Einwohnern der Inſel Corſica, un - ſern koͤniglichen Schutz und Beiſtand zuzuſagen ꝛc. Europ. Staatsſekretaͤr 114. Th. S. 548. Doch haben auch zuweilen andere Nazionen ſich der Oberherſchaft angenommen, gegen welche ſich Rebellio - nen im Volke entſponnen hatten. Rußland und Daͤne - mark nahmen ſich 1746. der Krone Grosbritannien ge - gen die Schottiſchen Rebellen an, und erſteres erklaͤrte deshalb gegen Frankreich: die Kaiſerinn ſaͤhe die in Schottland ausgebrochene Rebellion mit aͤuſſerſtem Mis - vergnuͤgen an. Ihro Kaiſerl. Maj. waͤre gemeldet wor - den, daß gedachte Rebellen den Succurs aus Frankreich erhielten, deſſen ſie, um ferner zu beſtehen, benoͤthigt waͤren Ihro Kaiſerl. Maj. Freundſchaft zu dem Koͤnige von Grosbritannien erlaubten Ihro nicht, hoͤchſt - beſagten Prinzen, wofern es noͤthig ſeyn ſolte, den Bei - ſtand zu verſagen. Ebendaſ. S. 351. ff.
h]
i]Da ich ſo eben der Schottiſchen Rebellen unter Anfuͤh - rung des Praͤtendenten von Grosbritannien gedacht habe, ſo will ich hier noch die Interceſſion anfuͤhren, welcheder285in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.der Koͤnig von Frankreich, durch Vermittelung des hol - laͤndiſchen Geſandten, bey dem grosbritanniſchen Mini - ſterium fuͤr dieſe Rebellen, nach der Niederlage des Her - zogs von Cumberland erließ. Darinn heißt es: daß man hoffe, der Koͤnig von England werde nicht geſtat - ten, daß man die aͤuſſerſte Schaͤrfe wider die Perſonen von iedem Stande und Geſchlechte gebrauche, welche bey dieſen Umſtaͤnden der Unruhe und Unordnung, den Fahnen gefolgt, welche gegen die engliſchen Waffen un - ter Commando des Herzogs von Cumberland untergele - gen. Europ. Staatsſekr. 118. Th. S. 912. vergl. S. 977. u. 980.
i]
k]Von der Conſpiration, welche 1749. zu Bern entdeckt und abgeſtraft wurde, ertheilte der Canton den Miniſtern von Grosbritannien und den V. N. Landen Nachricht. Als 1791. die Studenten zu Turin einigen Tumult er - regten, und ſolches in den franzoͤſiſchen Blaͤttern als eine foͤrmliche Revolution vorgeſtelt wurde, ließ der Hof durch ſeinen Staats-Sekretaͤr, den auswaͤrtigen Geſandten eine beſondere Note mittheilen, worinn das Unbedeutende des Vorfalls und dadurch die Unwahrheit iener Darſtellung ins Licht geſetzt wurde. Polit. Journ. Auguſt 1791. S. 859.
k]
*]M. vergl. Joh. Wilh. Neumair Tract. vom Aufſtand der Unterthanen wider ihre Regenten und Obern. Jena 1633. 4. Iac. le Bleu diſſ. de rebellione. Gieß. 1660. Io. Chr. Wilh. de Steck de iuribus et officiis populi ac nationis intuitu deficientium et ſeditioſorum alterius ſubditorum, in Ej. Obſervat. Subſeciv. Hal. 1779. 8. c. 14.
*]
§. 10.286Von d. Rechten der Nazionen gegen einander

§. 10. Aufkuͤndigung des Gehorſams.

Ein anderer Fall iſt es, wenn das geſamte Volk oder deſſen Repraͤſentanten, wegen unertraͤglicher Be - druͤckungen und tyranniſcher Behandlungen oder ande - rer offenbar grundgeſetzwidriger, dem Wohl des Staats entgegenlaufender Unternehmungen der Oberherſchaft, ſich berechtigt glauben, ihr den Gehorſam gaͤnzlich auf - zuſagen, ſich fuͤr unabhaͤngig zu erklaͤren oder einem andern Regenten zu unterwerfen oder wenigſtens dem vorigen, mit Umwerfung der ganzen bisherigen Ver - faſſung, neue und eingeſchraͤnktere Grundgeſetze vorzu - ſchreiben. Verſchiedene Rechtslehrer wollen auch hier, weil ſie zum Theil dem zu Gehorſam und Unterthaͤ - nigkeit verpflichteten Volke ſelbſt kein Recht der Beur - teilung, des Widerſtandes und der Beſtrafung uͤber den Regenten hierunter zugeſtehn, die Einmiſchung anderer Nazionen in dieſe blos die innere Verfaſſung betreffende Angelegenheit fuͤr unerlaubt anſehn a]. Gro - rius hingegen b] und andere machen einen Unterſchied, ob die Vergehungen der Oberherſchaft blos in harten Privatbeleidigungen beſtehen, oder ob ſie wuͤrklich of - fenbare Ungerechtigkeiten und Grauſamkeiten gegen den Staat ſich habe zu Schulden kommen laſſen und geſtat - ten im letztern Falle den auswaͤrtigen Nazionen mehr Recht als dem Volke. Ich will hier die in das Staats - recht gehoͤrige Frage: wie weit das Volk, ſowohl in einem uneingeſchraͤnkten Staate, als in einem ſolchen, wo die Regierung auf gewiſſe Grundgeſetze beruht, be - rechtigt ſey, der Oberherſchaft, wegen zweck - und ge - ſetzwidriger Unternehmungen, den Gehorſam aufzukuͤn - digen? nicht weitlaͤuftig unterſuchen. Die vorzuͤg - lichſten Staatsrechtslehrer ſind indes dahin einverſtan -den,287in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.den, daß der Staat eine zum gemeinſamen Wohl er - richtete Geſelſchaft ſey, wo zwar iedes einzelne Mit - glied, als Unterthan gehorchen muß, das geſamte Volk, als ein Ganzes aber gegen die Oberherſchaft in gleichen Verhaͤltniſſen ſteht, deren wechſelſeitige Rechte und Verbindlichkeiten entweder blos aus dem Weſen des Staats, der gemeinſchaftlichen Wohlfahrt, oder aus denen zwiſchen ihnen errichteten Grundvertraͤgen zu beurteilen ſind. Wenn nun ein Theil dem Weſen der Staatsverbindung oder den ausdruͤcklichen Grund - geſetzen gerade zuwider handelt, ſo iſt auch der andere berechtigt, ſich ſeiner Berbindlichkeiten zu entaͤuſſern. Hier laͤßt ſich nicht ſagen, daß der Untere uͤber ſeinen Obern urteile ꝛc. c]. Es kann daher allerdings Faͤlle geben, wo die Tyranney des Oberherrn das Volk zur Aufkuͤndigung des Gehorſams noͤthigt, zumal wenn in den Grundgeſetzen der Verluſt der Oberherſchaft auf deren Verletzung [lex commiſſoria] bedungen iſt d]. Ein Schritt der aber freilich viele Behutſamkeit erfo - dert und mit unendlichen Schwierigkeiten verknuͤpft iſt.

Nun gebe ich gern zu, daß keine fremde Nazion ſich in die innere Verfaſſung der andern miſchen duͤrfe; hat aber das geſamte Volk, oder deſſen Repraͤſentan - ten, nach allen vorher fruchtlos angewandten gelin - dern Mitteln, endlich ſich von der Nothwendigkeit uͤberzeugt, der Oberherſchaft den Gehorſam aufzukuͤn - digen, und ihn fuͤr ihren Feind erklaͤrt; ſo ſind die Bande, welche beide verknuͤpften, zerriſſen: ſie hoͤren auf einen Staat auszumachen und ieder Theil faͤllt in die natuͤrliche Freiheit zuruͤck; es finden daher keine in - nern Verhaͤltniſſe mehr Staat. Andere Nazionen ha - ben alſo, wenn ſie ſich nicht zu Beobachtung der Neu - tralitaͤt veranlaßt ſehn, die Freiheit, eine oder die andere Parthie zu ergreifen, ie nachdem ſie von den - ſelben um Huͤlfe und Beiſtand angeſprochen, oder ausUeber -288Von d. Rechten der Nazionen gegen einanderUeberzeugung des Unrechts, oder aus andern Gruͤn - den e] dazu bewogen werden; denn es kann auch das Volk zu weit gehn und die Unterſtuͤtzung der Oberher - ſchaft rathſamer ſeyn. Deshalb darf man die auswaͤr - tigen Nazionen noch nicht als Richter dieſer Irrungen anſehn, indem ſie die beiderſeitigen Gruͤnde an ihren Ort geſtelt ſeyn laſſen f]. Daß uͤbrigens die Anerken - nung der voͤlligen Unabhaͤngigkeit, wo es darauf abge - ſehn iſt, von Rechtswegen nicht eher erfolgen ſolle, als bis die vorige Oberherſchaft ſie genehmigt, habe ich ſchon im erſten Theile erinnert. Gegen die Uebernahme einer bloſſen Vermittelung laͤßt ſich noch weniger ein - wenden, zumal wenn ſie auf Erſuchen beider Theile geſchieht.

a]Wolff I. G. c. 2. §. 258. Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 13. ſeqq. Alb. Gentilis diſſ. de poteſtate principis abſoluta et de vi civium in regem ſemper iniuſta. Lond. 1605.
a]
b]Grotius L. II. c. 25. §. 8. Er ſagt, wenn man auch dem Volke wegen ſeiner Verbindlichkeit gegen die Oberherſchaft kein Widerſpruchsrecht zugeſtehn koͤnte, ſo hinderte dieſe doch andere Nazionen nicht, ſich ſeiner Be - druͤckungen anzunehmen, ſo wie der Vormund den Muͤn - del zu vertheidigen befugt ſey. Vergl. Grotius L. I. c. 4.
b]
c]De violatione pacti regii quando queritur, opus non eſt vt per modum ſollemnis iudicii, a populo forte conſtituti de eadem cognoſcatur id quod recte fieri non poteſt. Sed ſufficit publica per iuſtas-querelas accuſatio, ſufficit illa, quae in ipſis rerum monumen - tis latet facti aut agnitio aut probatio, ſufficit deni - que ſententiae, quam iudicium mentis eorum, qui oppreſſionem patiuntur, efformat ſolennis pronuncia - tio, vt obſequium male imperanti renuncietur. Io. Phil. 289in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.Phil. Palthenii diſſ. polit. de dethroniſatione. Gry - phisw. 1704. §. 14. Zu gehoͤriger Beurteilung ande - rer iſt daher die Bekantmachung der etwa vorhandenen Grundvertraͤge noͤthig.
c]
d]Vattel droit des gens L. I. c. 4. §. 51. Scheide - mantel allg. Staatsrecht 5. Abth. 2. K. §. 262. ff. M. vergl. indes Real Science du Gouv. T. IV. c. 2. Sect. 12. §. 85. ſeq.
d]
e]Fuͤr eine der erheblichſten Bewegurſachen zur Einmi - ſchung iſt gewis die Erhaltung der algemeinen Ruhe Eu - ropens anzuſehn, wenn bey dergleichen Unruhen die Zuͤ - gelloſigkeit und die Ausſchweifungen ſo weit gehn, daß nicht nur alle Verbindungen gegen auswaͤrtige Nazionen auſſer Augen geſetzt werden, ſondern auch die Sicherheit der letztern ſelbſt dabey in Gefahr komt; zumal wenn man abſichtlich den Geiſt des Aufruhrs in andere Staa - ten zu verbreiten ſucht. Ein ausgezeichnetes Beiſpiel hiervon giebt am Schluſſe unſers empoͤrungsvollen Jahr - hunderts, die Revolution in Frankreich, welche ein groſſer Theil der europaͤiſchen Nazionen wohl nicht ohne Urſach als ein objet d’un intérêt commun à tous les Souverains de l’Europe anſehn und ſich verbunden ha - ben, noͤthigen Falls, die geheiligten Rechte des Koͤnigs und der franzoͤſiſchen Monarchie zu beſchuͤtzen. Dahin gehoͤren Portugal, Spanien, Sardinien, Neapel, die Vereinigten N. Lande, Rußland, Preuſſen, Daͤnemark, Schweden und Oeſterreich. ſ. Polit. Journal De - cember 1791. S. 1295 u. 1324.
e]
f]Moſers Verſuch 6. Th. S. 120. ff. de Martens precis d. droit des gens L. III. c. 2. §. 61.
f]
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. T§. 11.290Von d. Rechten der Nazionen gegen einander

§. 11. Wie ferne das geſamte Volk fuͤr die von dem Regenten einer andern Nazion zuge - fuͤgten Beleidigungen zu haften verbunden.

Die Meinungen der Voͤlkerrechtslehrer ſind uͤber die Frage; in wie ferne das geſamte Volk die Hand - lungen ſeines Regenten zu vertreten und fuͤr die einer andern Nazion von ihm zugefuͤgten Beleidigungen zu haften verbunden? nicht einſtimmig. Es kommt hier allerdings auf deren Einwilligung an. Einige erſtrecken daher die Verbindlichkeit des Volks auf alle Handlun - gen der Regierung, weil es ſeinen Willen, bey Errich - tung des Staatsvereins, uͤberhaupt dem Willen der Regierung unterworfen haͤtte a]. Andere verlangen eine iedesmalige beſondere Beiſtimmung des Volks, die entweder ſtilſchweigend durch Unterſtuͤtzung ihrer Unternehmungen mit Geld, Manſchaft ꝛc. oder aus - druͤcklich bey den daruͤber vorher angeſtelten Berath - ſchlagungen ertheilt werden koͤnte b]. Noch andere nehmen auf die verſchiedenen Handlungen des Regen - ten Ruͤckſicht, ob ſie naͤmlich aus den Quellen der Oberherſchaft oder aus einem tyranniſchen Eigenwillen flieſſen, und wollen zwar im erſtern Falle dem Volke eine algemeine Verbindlichkeit, im zweiten aber nur in ſo weit auferlegen, als es ſich der einen oder andern theilhaftig gemacht hat c]. Da aber der Regent, ver - moͤge der Staatsverbindung zu allem berechtigt iſt, was er dem algemeinen Beſten fuͤr zutraͤglich haͤlt, und, wenn die Verfaſſung es nicht erfodert, nicht alle - mal einer beſondern Einwilligung des Volks bedarf, dieſem auch an ſich kein Recht zuſteht uͤber iede Hand - lung der Regierung die ſie vermoͤge iener Verbindungunter -291in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.unternimt zu urteilen, oder nach der Meinung der Mo - narchomachen, ſich ihr zu widerſetzen; ſo iſt ohnſtreitig das Urteil des Schrodt d] das richtigſte, daß man einen Unterſchied machen muͤſſe unter den Handlungen der Regenten, die ſie vermoͤge des Staatsvertrages, als Repraͤſentanten der Nazion, und unter ſolchen, die ſie auſſer der Staatsverbindung, blos als Privat - perſonen vornehmen. Im erſtern Falle iſt das Volk im algemeinen verbunden die Handlungen zu vertreten, im letztern nur alsdann, wenn es ſich derſelben auf irgend eine Art theilhaftig gemacht hat. Ebenſo koͤn - nen auch die Handlungen der Unterthanen und ſelbſt des geſamten Volks welche ſie ohne Theilnahme der Regierung unternehmen, nicht der ganzen Nazion zu - gerechnet, ſondern als Privathandlungen angeſehn und beſtraft werden e].

a]Keuffel Exercit. Grot. VII. §. 163.
a]
b]Grotius L. II. c. 21. §. 2. u. 7. vergl. Sam. de Coc - ceji Introd. ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. XII. §. 551,
b]
c]Henr. Coccejus ad Grot. l. c.
c]
d]Schrodt Syſt. P. I. c. 2. §. 35. ſeqq.
d]
e]Puffendorff I. N. et G. L. VII. c. 2. §. 14.
e]
*]M. vergl. Petr. Müller diſſ. de obligatione ſubdito - rum ex delicto ſummae poteſtatis ad Hug. Grot. L. 2. c. 21. Ien. 1698.
*]

§. 12. Diesfalſige Rechte teutſcher Landesherrn.

So wie in andern Staaten das geſamte Volk in Beziehung auf den Regenten ein mit gewiſſen Rechten begabtes Ganze ausmacht, ſo iſt auch nicht zu laͤug - nen, daß die geſamten teutſchen Reichsſtaͤnde, im Ge -T 2genſatz292Von d. Rechten der Nazionen gegen einandergenſatz des Reichsoberhaupts als ein eignes Ganze an - zuſehn ſind. Aus dieſem Geſichtspuncte haben ſie auch ſelbſt von ſich verſchiedentlich den Ausdruck: Corpus Germanicum gebraucht, und es kann ihnen, zumal da ſogar iedem einzelnen Reichsſtande das Recht des Krie - ges, Friedens ꝛc. zukomt, das Befugnis nicht fuͤglich abgeſprochen werden, auch in dieſer Eigenſchaft, der - gleichen Rechte gegen auswaͤrtige Nazionen auszuuͤben, Geſandte abzuſchicken und anzunehmen ꝛc. und ſelbſt mit dem Kaiſer in Geſtalt eines beſondern Koͤrpers in Unterhandlungen zu treten. Indes hat der Kaiſer die - ſen Ausdruck ſchon als verfaſſungswidrig anſehn und deſſen Gebrauch nicht zugeben wollen a]. In Anſe - hung der Naturaliſation finden gegen auswaͤrtige Na - zionen die Grundſaͤtze des algemeinen europaͤiſchen Voͤlkerrechts Statt, unter den Mitſtaͤnden hingegen bedarf es derſelben eben nicht, da in Teutſchland ge - woͤnlich uͤberall ohnedies durch bloſſen Guͤterbeſitz ꝛc. das Buͤrgerrecht erworben wird b]. In wie ferne ein Auswaͤrtiger oder Reichsmitſtand, vermoͤge des Guͤ - terbeſitzes oder ſonſt, zugleich das Recht eines Land - ſtandes in eines andern Territorium genieſſe, haͤngt von ieder Landesverfaſſung ab c]. Zu Aufrechthaltung der reichsſtaͤndiſchen Rechte und Freiheiten duͤrfen fremde Nazionen ſich der teutſchen Reichsſtaͤnde eben ſo wenig annehmen, als dieſe ſich des in - und auslaͤn - diſchen Anhangs enthalten und fremde Huͤlfe nicht an - rufen ſollen d], es muͤſten denn beſondere Vertraͤge deshalb zu Grunde liegen e]. Dies gilt auch bey Strei - tigkeiten zwiſchen einzelnen Landesherrn und ihren Land - ſtaͤnden, wo die Mitſtaͤnde, auf Erſuchen zwar der Vermittelung ſich unterziehn, aber eigenmaͤchtig nichts unternehmen koͤnnen, weil dem Reichsoberhaupt der alleinige Schutz und rechtliche Beiſtand hierunter ge - buͤhrt f]. Sie muͤſſen allerſeits, zumal die Mitſtaͤndeſich293in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.ſich der Aufwiegelung der Unterthanen enthalten g]. Bey auswaͤrts entſtehendem Aufruhr aber komt es auf das Gutbefinden der Reichsſtaͤnde an, ob ſie ſich, auf Erſuchen, in dieſe Haͤndel miſchen wollen h]. Die Landesherrn gegeneinander aber, und beſonders die be - nachbarten Kraisſtaͤnde, ſollen in dergleichen Faͤllen einander beiſtehn i] und die aufruͤhreriſchen Unterthanen des andern keinesweges in Schutz nehmen k]. Aus - waͤrtige Nazionen ſollen ſich derſelben nicht theilhaftig machen l].

a]Als der franzoͤſiſche Geſandte 1727. in einem Memo - rial an den Reichsconvent ſich dieſes Ausdrucks oͤfters bediente, aͤuſſerte der Kaiſer in dem Commiſſionsdecret vom dict. 17. Maͤrz: daß daraus deutlich abzunehmen, mit was weiterer Art und Liſt und aus welcher Veran - laſſung man trachte das allerhoͤchſte Oberhaupt im roͤmi - ſchen Reich von deſſen Gliedern zu trennen, ſolche unter einem noch niemals gebrauchten unanſtaͤndigen methapho - riſchen Namen und ungewoͤnlichen Stylo von Corps Ger - manique in eine Spaltung a Caeſarea Majeſtate zu bringen. ſ. Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 178. Hingegen vertheidigt die Geſetzmaͤſſigkeit dieſes Aus - drucks unter andern v. Selchow Elem. I. P. T. I. p. 50.
a]
b]So werden die Schweitzer und Elſaſſer von verſchiede - nen fuͤr Indigenae in Teutſchland gehalten. M. vergl. Conr. Wilh. Strecker diſſ. de indigenis Germaniae eo - rumque iuribus. Erf. 1731. Io. Rud. Engau ſ. reſp. Io. Andr. Hoffmann diſſ. de iuribus indigenarum Germaniae. Ien. 1747. Io. Andr. Hoffmann comment, de indigenis eorumque praerogativis itemque emolumentis tum in terris cum in civitatibus et locis Germaniae conſtitutis Marb. Catt. 1758. 4.
b]
c]Moſer von der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen, deren Landſtaͤnden ꝛc.
c]T 3d] Wahl -294Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
d]Wahlcapit. Art. XXVII. §. 3. vergl. Moſers ausw. Staatsr. S. 294.
d]
e]So wandten die Reichsfuͤrſten ſich in den Streitigkeiten wegen der bekanten neunten Kurſache an verſchiedene europaͤiſche Hoͤfe, beſonders an Frankreich und Schwe - den und verlangten ihre Huͤlfe vermoͤge der bedungenen Garantie des weſtphaͤliſchen Friedens. Die erſtere Krone that auch deshalb 1700. 14. Sept. Vorſtellun - gen auf dem Reichstage, worinn es heißt: Ils ont ef - fectivement en recours à Sa Majeſté pour le maintien des loix de l’Empire et des conditions des traités également bleſſés par les nouveautés introduites en faveur du Duc de Hannover; le Roi voulant marquer en toutes occaſions, et principalement dans la con - joncture préſenter ſon affection pour les princes de l’Empire, l’attention qu’il donne à leurs intérêts, le deſire qu’il a de faire exécuter ponctuellement les traités dont il eſt Garant, Sa Majeſté portée par ces conſiderations a ordonné a Son Plenipotentiaire à la Diéte de l’Empire, de déclarer qu’après avoir reçu l’Acte de Réquiſition de Sa Garantie ſigné au nom des plus conſiderables Princes de l’Empire, Elle ſe croit obligée, comme Garant du traité de Weſtphalie, de protéger ces Princes ſuivant leur de - mande, dans les droits qui leur ſont acquis par ce même traité et de ſoutenir les reſolutions qu’ils ont priſes, et les liaiſons formées pour maintenir leurs prérogatives. Lamberty Memoires Tom. I. p. 143. M. vergl. Fabers Staatscanzley Tom. V. S. 193. u. 273. edit. nov. Monathl. Staatsſpiegel 1699. April S. 94. May S. 25. ꝛc.
e]
f]Wahlcapit. Art. XV. vergl. Moſer von der teutſchen Neichsſtaͤnde Landen S. 1355. In dem Frieden zwi - ſchen den Vereinigten N. Landen und dem Biſchof von Muͤnſter von 1666. wird Art. 13. uͤberdies noch aus -druͤcklich295in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.druͤcklich bedungen: Der Biſchof ſolle ſich hinfuͤhro in die Streitigkeiten der Generalſtaaten, ihre Incorporir - ten und Unterthanen betreffend nicht miſchen und im Gegentheil auch die Generalſtaaten. Moſers auswaͤrt. Staatsr. S. 325. Der Anhaͤngigkeit der Oſtfrieſiſchen Landſtaͤnde an die Generalſtaaten erwaͤhnt Moſer a. a. O. S. 333. ff.
f]
g]Dies verbietet unter andern der Landfriede von 1548. Prooem. §. 1. ausdruͤcklich.
g]
h]So nahm z. B. Pfalzgraf Wolfgang 1569. ſich der wegen der Religion bedraͤngten Unterthanen in Frank - reich an und bekriegte dieſe Krone nebſt andern Reichs - ſtaͤnden. Neumayr v. Namsla von Aufſtand ꝛc. S. 294. Moſers auswaͤrt. Staatsr. S. 294.
h]
i]Die Reichsgrundgeſetze, beſonders die Wahlcapitulation Art. XV. §. 8. verordnen deutlich: Immaſſen denn Kurfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnden ꝛc. zugelaſſen und er - laubt ſeyn ſoll, ſich nach der Verordnung der Reichscon - ſtitutionen bey ihren hergebrachten und habenden landes - fuͤrſtlichen und herrlichen Iuribus ſelbſt, und mit Aſſiſtenz der benachbarten Staͤnde wider ihre Unterthanen zu ma - nuteniren, und ſie zum Gehorſam zu bringen, iedoch andern benachbarten oder ſonſt intereſſirten Staͤnden ohne Schaden und Nachtheil.
i]
k]M. ſ. unter andern den Reichsabſchied von 1555. §. 45. ff.
k]
l]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 513. ff. Gleichwol ſcheint es den Landesherrn erlaubt zu ſeyn, deshalb zu ihrer Sicherheit auch mit Auswaͤrtigen Vertraͤge und Buͤndniſſe zu ſchlieſſen. ſ. Moſer a. a. O. S. 161.
l]
*]M. vergl. Ueber den Einflus der dem teutſchen Reiche bey Stillung der brabantiſchen Unruhen zuſtehet v. G. 1787. 4. Joh. Aug. Schlettwein die Ungerechtigkeit der Trennung der N. Lande vom Hauſe Oeſterreich und die Fo -T 4derungen296Von den Gerechtſamenderungen des Europ. Staats - und Voͤlkerrechts wider dieſelbe 1790. 8. Ebendeſſelben: Koͤnnen Europ. Maͤchte den N. Landen wider das Haus Oeſterreich Beiſtand leiſten? An - hang zu der Schrift: Die Ungerechtigkeit ꝛc. 1790. 8.
*]

Drittes Kapitel. Von den Gerechtſamen in Anſehung der einzelnen Buͤrger und Unterthanen.

§. 1. Verſchiedenheit der Verhaͤltniſſe.

Bey den Gerechtſamen der Voͤlker gegen einander in Abſicht auf die einzelnen Buͤrger und Unter - thanen kommen verſchiedene Verhaͤltniſſe in Erwaͤgung. Man kann ſie theils nach ihrer Anzahl, theils nach ihrem Stande, Range, ihren Pflichten, haͤuslichen Verfaſſung, Vermoͤgenszuſtand ꝛc. betrachten.

*]Einige dieſer Gerechtſame, was z. B. die Durchreiſe und den Aufenthalt in einem fremden Territorium, die Abhaltung der Vagabonden, Bettler ꝛc. anlanget, ſind ſchon im Vorhergehenden erwaͤhnt worden.
*]

§. 2. Bevoͤlkerung und Anlegung neuer Colo - nieen.

In den meiſten Staaten wird die Menge der Lan - desbewohner und Unterthanen als eine der vorzuͤglich -ſten297in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.ſten Grundlagen des Wohlſtandes angeſehn: es erfo - dert daher die Staatsklugheit alle Mittel anzuwenden, wodurch die Vermehrung derſelben befoͤrdert und die Verminderung verhuͤtet werden kann. Jede Nazion hat auch das unſtreitige Recht dazu, in ſofern andern keine Beleidigung zugefuͤgt wird. Es kann ihr daher von andern nicht verwehrt werden, neue Colonieen an - zulegen, d. i. entweder noch unbebaute Gegenden ihres Territoriums innerhalb Europa, oder auch neu ent - deckte Lande in andern Welttheilen mit Bewohnern zu beſetzen; ſie muͤſte denn durch Vertraͤge, dergleichen ich ſchon oben angefuͤhrt habe, ſich verbindlich gemacht haben, daß eine gewiſſe Gegend ganz unbebaut und neutral liegen bleiben, oder die Etablirung einer Hand - lung daſelbſt unterlaſſen werden ſolle a]. Daß eine Nazion zu dieſer Bevoͤlkerung ſich ſeiner eignen in ge - wiſſen Gegenden vielleicht im Ueberflus vorhandenen Bewohner ſich bediene und ſolche in die unbebauten Lande verſetze, kann andern Nazionen gleichguͤltig ſeyn, wenn ſie nicht durch Vertraͤge beſondere Rechte in Ab - ſicht der zu verſetzenden Unterthanen erlangt haben b].

a]Moſers Verſuch 5. Th. 5. Buch 6. Kap. Von der europaͤiſchen Souverainen Colonieen, beſonders auſ - ſer Europa S. 391. und Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. 9. Kap. Von Colonieen in und auſſer Europa T. 398. ff. Die Pforte wolte z. B. 1755. nicht zulaſſen, daß Rußland die Colonie Neu-Servien anlegte, unter der Behauptung, daß dieſe Gegend ungebaut liegen bleiben muͤſte, und fuͤhrte dies auch 1769. als eine Urſache des Krieges an, muſte aber in dem Frieden 1774. nachge - ben. ſ. Moſers Beitr. a. a. O. S. 409.
a]
b]Nach dem weſtphaͤliſchen Frieden haben die Unterthanen der von ihrer Landesherſchaft abweichenden Religionsver - wandten, unter gewiſſen Vorausſetzungen das Recht und die Verbindlichkeit auszuwandern; gegen ihre VerſetzungT 5in298Von den Gerechtſamenin ein anderes Land, wider ihren Willen, um es anzu - bauen, wuͤrden aber die Garants dieſes Friedens, auf die diesfalſigen Beſchwerden, ein gegruͤndetes Recht zum Widerſpruch haben. M. vergl. Io. Rud. Engau prog. an cives religionis cauſſa emi - graturi queant transplantari. Ien. 1740. Herm. Becker diſſ. de imperante ſubditum religionis cauſſa emigratarum transplantandi iure gaudente, iuxta pacif. relig. §. Wo aber unſere ꝛc. Roſtoch 1755. Io. Cph. Rudolph obſervat. de iure emigrandi et trans - plantandi ſubditorum eorumque expulſione et trans - plantatione in genere. Erl. 1756.
b]
*]M. vergl. Fr. Pet. Wilh. van Schuilenburch diſſ. de iure coloniarum. Lugd. Bat. 1787.
*]

§. 3. Aufnahme der Fremden.

Es ſteht ihnen aber auch frey, Fremde, welche freiwillig kommen und ſich daſelbſt niederlaſſen wollen, aufzunehmen, ohne daß die Nazionen deren Mitglie - der ſie ehemals waren, ſich daruͤber beſchweren koͤnten, ob ſie es gleich ungern ſehen a], wenn die andern Na - zionen nicht beſondere Vertragspflichten auf ſich haben; welches beſonders in Anſehung der Fluͤchtigen, die Verbrechen oder anderer Urſachen wegen ihr Vaterland heimlich verlaſſen, oͤfters bedungen zu werden pſlegt b]. So rathſam es indes iſt, fremde Ankoͤmlinge im Staate aufzunehmen, ſo kann eine Nazion doch, wenn ſie einiges Bedenken dabey findet, nicht genoͤthigt wer - den, beſonders die aus einem andern Lande Vertrie - benen aufzunehmen, ob ihnen gleich der Durchzug nicht wohl verweigert werden darf c].

a] Doch299in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
a]Doch leidet dies bey Leibeigenen, welche ihre vorige Verbindung nicht ſoleicht aufheben koͤnnen, eine Aus - nahme. Zuweilen werden aber auch fremde Unterthanen uͤberhaupt nicht eher aufgenommen, als wenn ſie eine foͤrmliche Entlaſſung von ihrer vorigen Obrigkeit vorzei - gen; welches oͤfters in Vertraͤgen ausdruͤcklich bedungen wird. In der Convention zwiſchen Daͤnemark und der Stadt Hamburg von 1736. Art. 6. iſt z. B. vergli - chen, daß Daͤnemark keinen, der durch wuͤrklichen Buͤr - gereid ſich in Hamburg ſeßhaft gemacht hat, ohne Ent - laſſungsatteſtat von Buͤrgemeiſter und Rath aufnehmen ſoll. Eben ſo heißt es in der Convention zwiſchen Preuſ - ſen und der Stadt Danzig von 1785. Art 6.: Die Convention zwiſchen Preuſſen und Danzig vom 3. Jan. 1771. worinnen der Magiſtrat der Stadt Danzig ver - ſprachen, keinen preuſſiſchen Unterthanen und Cantoniſten in die Stadt Danzig aufzunehmen, wenn ſie nicht die dazu habende Erlaubnis von dem Miniſterium oder der Landesregierung S. Koͤnigl. Maj. vorzeigen, ſoll ſich auch auf die nachher acquirirte Provinz Weſtpreuſſen, von dato der Unterzeichnung dieſes Vertrages erſtrecken.
a]
b]Was wegen Auslieferung der Verbrecher ꝛc. Rechtens iſt wird weiter unten gelehrt werden. Verſchiedene Staa - ten tragen kein Bedenken, ihnen Aufenthalt und Schutz bey ſich zu geſtatten. ſ. Moſers Anfangsgruͤnde von der Staatswiſſenſchaft ꝛc. 1. Th. S. 262. Doch wird zuweilen in Vertraͤgen bedungen, daß ſie nicht aufge - nommen werden ſollen. Im Buͤndniſſe zwiſchen Frank - reich und der Schweitz von 1777. heißt es Art. 13. Ein betruͤgeriſcher Banqveroutier, ſo ein franzoͤſiſcher Unterthan iſt, ſoll keinen Zufluchtsort in der Schweitz finden, um ſeine Schuldglaͤubiger zu hintergehn; es kann im Gegentheil derſelbe verfolgt, handfeſt gemacht und das in Bezug auf die Habſchaften uͤber ihn ausge - ſprochene Urtel voͤlligermaaſſen an ihm volſtreckt werden;und300Von den Gerechtſamenund auf gleiche Weiſe ſoll im aͤhnlichen Fall in Frank - reich gegen einen Schweitzer verfahren werden. Auch verpflichten ſich Art. 14. S. Maj. und die Eidgenoſſen - ſchaft, dieienigen von ihren gegenſeitigen Unterthanen nicht in ihren Schutz aufzunehmen, welche um offenba - rer und erwieſener Miſſethaten willen fluͤchtig, oder um Hauptverbrechen aus der ein - oder andern Botmaͤſſigkeit verwieſen worden ſind; ſie verſprechen vielmehr, wie es zwiſchen guten und getreuen Verbuͤndeten ſich geziemet, alle ihre Sorgen dahin zu verwenden, daß dieſelben weggeiagt werden.
b]
c]Die Staaten von Holland faßten 1653. eine Reſolu - tion, daß keine fremde Standesperſon, ohne vorherige Erlaubnis, ſich in ihr Gebiet fluͤchten ſolle. ſ. Lettres et Negociat. de Witt Tom. 5. p. 4. 5. So wurden auch bey Anbauung eines Theils von Andaluſien von Seiten Spaniens keine Franzoſen angenommen, ob ſie ſich ſchon haͤufig meldeten. Die verdaͤchtigen Perſonen muſten einen Taufſchein oder ſonſt ein glaubwuͤrdiges Zeugnis aufweiſen. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 412. Daß Grotius [L. II. c. 2. §. 16.] hierinn zu weit gehe, und daß den fremden Ankoͤmlingen kein volkomnes Recht auf die noch unbebauten Gegenden eines Landes, obgleich unter deſſen Oberherſchaft, zuſtehe, habe ich bereits zuvor [2. B. 5. K. §. 4.] gezeigt. Vertriebene haben allerdings Anſpruch an irgend einen Wohnplatz [Wolff I. G. c. 1. §. 147. ſeqq. ] und die - ſer iſt ihnen ohne triftige Urſachen nicht leicht zu verwei - gern, er bleibt aber, in Ruͤckſicht einzelner Nazionen, immer unvolkommen, weil dieſen die Unterſuchung uͤber - laſſen iſt, ob die Aufnahme ihrem Staate zutraͤglich ſey oder nicht, ob die Fruchtbarkeit des Landes ſie erlaube, und ob ſie ohne Nachtheil der Sitten, Religion ꝛc. ge - ſchehen koͤnne? Es ſtehet ihnen auch auf ieden Fall frey, durch Vertheilung der Einwandernden in einzelne Hau -fen301in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.fen oder auf andere Art ſolche Maasregeln zu ergreifen, daß der Staat gegen Aufruhr und andere Gefahr geſi - chert werde. Nur im aͤuſſerſten Nothfall, wenn die Vertriebenen dadurch, daß ihnen die Aufnahme nirgends zugeſtanden werden will, ihren Untergang vor ſich ſehen, ſind ſie berechtigt ſolche mit Gewalt zu bewuͤrken. ſ. Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 4. ff. Puffen - dorff I. N. et G. L. III. c. 3. §. 10. Vattel droit d. g. L. I. c. 19. §. 229. ff. wegen des zu verſtatten - den Durchzugs aber vergl. m. Io. Georg Simon diſſ. iura emigrandi. Ien. 1679. c. 3. th. 3.
c]
*]M. vergl. Rich. Zouchaei ius feciale P. II. Sect. 5. q. 7. An ſit contra amicitiam ſubditos alienos re - cipere? Ern. Aug. Bertling majeſtatem ſine tali peregrinos recipiendi iure quo alii ab ejus vſu excluduntur conſiſtere non poſſe. Gotting. 1744.
*]

§. 4. Deren Anlockung.

Eben ſo wenig kann den Nazionen verwehrt wer - den, durch oͤffentliche Bekantmachungen, fremden Un - terthanen, die ſich bey ihnen niederlaſſen wollen, ge - wiſſe Vortheile und Freiheiten zu verſprechen, um die, welche irgendwo auszuwandern veranlaßt ſind, zu be - wegen ſich eher zu ihnen als anderswohin zu begeben. Faſt alle europaͤiſche Nazionen haben ſich, nach Be - ſchaffenheit der Umſtaͤnde, dieſes Mittels bedient a] ohne ſich an die Einwendungen zu kehren, welche etwa hier und da deshalb geſchehen ſind b].

a]Moſers Verſuch 6. Th. S. 118. Um nur einige Beiſpiele anzufuͤhren, ſo ließ 1782. der Kaiſer zu Vermehrung der Volksmenge in den oͤſterreichiſch polni -ſchen302Von den Gerechtſamenſchen Provinzen, ein Anſiedelungspatent ergehen, wor - inn er alle fremde Bauern, Profeſſioniſten ꝛc. einladet, und 1] Befreiung von Abgaben auf 10 Jahr; 1] ein Grundſtuͤck von 1600 Quadratklaftern; 3] Holz aus den kaiſerlichen Waldungen zum Anbau, wie auch die Arbeitsleute zu Erbauung des Wohnhauſes unentgeltlich; und 4] 200 polniſche Gulden oder 50 Rthlr. zu An - ſchaffung des Gewerbzeuges verſpricht. Polit. Journ. Febr. 1782. S. 182. In eben dieſem Jahre erſchien ein franzoͤſiſches Arret zu Anlockung der Fremden, worinn beſonders den Schweitzern, die ſich in Frankreich niederlaſſen wuͤrden, groſſe Privilegien und Freiheiten verſprochen wurden. Ebendaſ. S. 186. Einige Zeit drauf 1786. erließ Frankreich ein anderweitiges Arret, worinn unter andern Art. 3. den fremden ankommenden Handwerksleuten und ihren mitgebrachten Arbeitern eine dreiiaͤhrige Freiheit von allen perſoͤnlichen Auflagen, und von den Militzabgaben, Frohndienſten und Einquartie - rungen eine beſtaͤndige Befreiung; die Freiheit ihrer Ge - braͤuche, in ſofern ſie den Geſetzen des Reichs nicht zu - wider, alle Rechte der Succeſſion ꝛc. die Erlaubnis Guͤ - ter, Haͤuſer ꝛc. zu kaufen, verſtattet wurde. Von Preuſſen ſind mehrere dergleichen Patente z. B. in Ab - ſicht Preuſſens unterm 10. April 1723. und 17 Febr. 1724; wegen Schleſien und Glatz unterm 31. Maͤrz 1749. [Fabers Staatscanzley 60. Th. S. 146.] erlaſſen worden. Im Jahre 1764. wurde in Schleſien bekant gemacht: daß wenn in Polen innerliche Uneinig - keiten, Verwuͤſtungen oder Krieg entſtehen ſolten, und die polniſchen Unterthanen ſich in Schleſien niederlaſſen wolten, ſie alda wohl aufgenommen werden wuͤrden. Moſers Verſuch 6. Th. S. 118. Schweden ließ 1752. denen, welche ſich zu Betreibung des Fiſchfanges auf den ſchwediſchen Kuͤſten niederlaſſen wolten, man - cherley Freiheiten zuſichern. Ebendaſ. S. 119. Ruß -land303in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.land hat wiederholte dergleichen Declarationen und Ma - nifeſte ausgehn laſſen. 1763. wurde zum Beſten dieſer fremden Ankoͤmlinge eine beſondere Tutelkanzley daſelbſt angelegt, ſo wie die Stiftung des groſſen Kinderhauſes in Moſkau gleiche Abſicht hatte. Durch das im gedach - ten Jahre ergangene Edict machte man Art. 3. ſogar bekant, daß die ruſſiſchen Geſandten an den auswaͤrti - gen Hoͤfen, denen die ſich zu ſolchem Zug entſchlieſſen wuͤrden, alle benoͤthigten Reiſekoſten vorſchieſſen ſolten. Ebendaſ. S. 119. vergl. Beitraͤge 5. Th. S. 405.
a]
b]Gegen das letztgedachte Preuſſiſche Edict von 1764. ſtelte Polen vor, daß man mit dergleichen Anerbietungen nicht fortfahren, ſondern vielmehr die bereits erlaſſenen wieder zuruͤcknehmen moͤchte, weil nicht nur gegenwaͤrtig in Polen alles ſicher und ruhig waͤre, ſondern man der - gleichen auch in Zukunft hoffen duͤrfte. Moſers Ver - ſuch 6. Th. S. 119.
b]

§. 4. Verleitung durch Emiſſarien.

Ob ſich nun gleich gegen dieſe innerhalb der Gren - zen eingeſchraͤnkt bleibende Mittel nichts einwenden laͤßt, ſo iſt es doch keinesweges erlaubt, Leute oder ſogenante Emiſſarien in des andern Volks Lande zu ſchicken, um deſſen Unterthanen durch mancherley Ver - ſprechungen abwendig zu machen, oder ſie durch andere liſtige Mittel zum auswandern zu bewegen a]. Die andere Nazion kann ſich daruͤber mit Grunde beſchwe - ren b], deſſen Abſtellung, auch die Beſtrafung ſolcher Perſonen verlangen, ſie auch, im Betretungsfall, ſelbſt mit den haͤrteſten Strafen belegen c]. Oefters ver - wahren Nazionen ſich durch Vertraͤge gegen dergleichen hinterliſtige Abziehung der Unterthanen d]. Eben ſowenig304Von den Gerechtſamenwenig duͤrfen die nach auswaͤrtigen Gegenden beſtimten Emigranten, denen man den Durchzug verſtattet hat, waͤhrend ihres Aufenthalts im Lande verleitet werden e].

a]Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 24. Buͤſching in der Lebensbeſchreibung Koͤnig Friedrich II. von Preuſſen erwaͤhnt, daß der General von Kalkſtein 1742. an 2500 Perſonen aus Boͤhmen nach Muͤnſterberg in Schleſien zu gehn bewogen habe, indem er ihnen im Namen des Koͤnigs die Erbauung einer Kirche, eines Schul - und Pfarrhauſes verſprochen. Lebensbeſchr. denkw. Perſonen 5. B. S. 153. Auch Rußland ſchickte 1763. beſonders in Teutſchland uͤberall Werber aus. Moſers Beitr. 5. Th. S. 405.
a]
b]So beſchwerte ſich die Pforte 1787. gegen Rußland, daß die ruſſiſchen Conſuls in der Moldau und Wallachey Paͤſſe und eine uneingeſchraͤnkte Protection an alle Unter - thanen des Grosherrn, die aus ſeinen Staaten gehn wolten, ertheilten: durch dieſes Mittel beguͤnſtigten ſie die Auswanderungen immer mehr, welches den letztern mit Rußland geſchloſſenen Tractaten ſchnurſtracks entge - gen ſey, und ſetzte auch nachher unter die Beſchwerden in ihrem Kriegsmanifeſt vom 24. Aug. 1787. Daß die Conſuls des letztern Hofes die tuͤrkiſchen Unterthanen zur Auswanderung zu verleiten ſuchten. Polit. Journ. Aug. und Sept. 1787. S. 749. und 916.
b]
c]Daͤnemark erlies z. B. 1753. ein Edict wegen der Aus - wanderungen, worinn es heißt: Qu’ayant été infor - més qu’en divers endroits des terres et états de notre domination il ſe trouvoient des Enroleurs, qui par des promeſſes auſſi vaines que trompeuſes, cher - chent à debaucher nos ſujets et à les obliger de ſ’expatrier Ordonnons de plus que tous les ſusdits Enroleurs ou Emiſſaires qui ſeront convaincus d’avoir debauché quelqu’un de nos ſujets et de les avoir par de pareilles promeſſes ou autrement, portésà305in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.à entreprendre un voyage auſſi préjudiciable à leurs veritables interêts, devront ſans aucune connivence être condamnes à travailler durant tout le reſte de leur vie aux fortifications et même a une punition plus exemplaire, ſuivant l’exigence des cas. Mo - ſer 6. Th. S. 29. Wegen der haͤufigen Auswande - rungen aus Teutſchland, nach dem ſiebeniaͤhrigen Kriege, erging 1768 ein kaiſerl. Edict, darinn befohlen wurde: Auf die ſich irgendwo aufhaltende oder herumziehende Anwerber, Emiſſarien, Verfuͤhrer, Unterhaͤndler und deren Helfer allenthalben die genaueſte Kundſchaft aus - zuſtellen, bey entſtehendem Verdacht ſie gefaͤnglich anzu - halten, ſolche dem Befinden nach mit Leibes oder allen - falſiger Lebensſtrafe anzuſehn. Ebendaſ. S. 28. Daſelbſt wird auch S. 26. erwehnt, daß 1766. ein von Regensburg abgegangener Transport von 170. nach Rußland beſtimter Coloniſten in dem Churbayeriſchen angehalten und der Conducteur, ein entlaſſener regens - burger Buͤrger, in die Schellen geſchlagen worden, ohne daß die Vorſtellungen des ruſſiſchen Miniſters zu Re - gensburg etwas dagegen gefruchtet.
c]
d]In dem Frieden zu Stolbowa zwiſchen Rußland und Schweden von 1617 wird z. B. Art. 19. bedungen, daß kein Theil des andern Unterthanen mit Liſt abwen - dig machen ſolle.
d]
e]Als daher eine Anzahl Coloniſten, fuͤr welche Rußland bey den Generalſtaaten um den Durchzug angeſucht hatte, in dem Dorfe Weſep in der Naͤhe von Amſterdam, wo ſie eine Zeitlang ſich aufhielten, verleitet wurden, nicht nach Rußland, ſondern lieber nach Indien zu gehn, ſo daß die Coloniſten ſich auch wider ihre ruſſiſchen Fuͤhrer empoͤrten, kam es deshalb bey den Generalſtaaten zur Klage, welche den Entſchlus faßten, daß kuͤnftig alle dergleichen Emigranten an keinem Orte der Republik mehr ans Land ſteigen, ſondern bis zu ihrer weitern Ein -Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Uſchiffung306Von den Gerechtſamenſchiffung in denienigen Fahrzeugen bleiben ſolten auf de - nen ſie angekommen waͤren. Moſers Beitr. 5. Th. S. 406. ff.
e]

§. 6. Deren Wegnahme.

Eine nicht nur unerlaubte, ſondern auch als wahre Verletzung des Territoriums anzuſehende Handlung iſt es, wenn ſogar Unterthanen aus dem Gebiete einer andern Nazion, zu Bevoͤlkerung irgend einer Gegend mit Gewalt weggeholt werden. Sie giebt zu den ge - gruͤndeteſten Klagen Anlas, und kann, wenn die Zu - ruͤckgabe und andere Genugthuung nicht erfolgen, wie iede andere Beleidigung mit Recht geahndet werden a].

a]Hieruͤber ſind hauptſaͤchlich zwiſchen Rußland, Polen und der Pforte zuweilen Streitigkeiten entſtanden. In der Declaration, welche Rußland zu Begruͤndung ſeiner Anſpruͤche in Polen 1773. ausgehn ließ, beſchwerte es ſich auch daruͤber, daß die Polen in gewiſſe an ſich ge - riſſene Diſtricte, zum groͤſten Schaden Rußlands, ſogar ruſſiſche Unterthanen aus Klein-Reuſſen gezogen haͤtten. Dieſe Leute wurden, heißt es, von ihnen verfuͤhrt, und wenn ſie nicht hinreichend waren, ſo that man Einfaͤlle ins ruſſiſche Gebiet und nahm die Leute mit Gewalt weg. Moſers Beitr. 5. Th. S. 72. Hingegen beſchwerte auch Polen zu anderer Zeit ſich deshalb uͤber Rußland und foderte die weggenommenen Unterthanen zuruͤck. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 376. u. 390.
a]

§. 7. Auswanderung.

Die Unterſuchung uͤber das Befugnis der Untertha - nen, einzeln oder Schaarenweiſe, mit Aufhebung ihrerbis -307in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.bisherigen Staatsverbindung, aus dem Lande zu wan - dern und ſich anderswo niederzulaſſen, und das Recht des Regenten, die Auswanderung bey Strafe zu ver - bieten, gehoͤrt in das Staatsrecht und die Verfaſſung einzelner Lande a]. Ein ſolches Verbot koͤnnen andere Nazionen indes nicht als eine Beleidigung anſehn und ſich daruͤber beſchweren, da eine iede berechtigt iſt, in - nerhalb ihrem Gebiete dieienigen Anſtalten zu treffen, welche ihr eignes Wohl erfodert, und daher nicht zuzu - geben, daß der Staat durch nachtheilige Auswande - rungen von Einwohnern entbloͤßt werde. Ob auch gleich die meiſten Nazionen ſich der gewoͤnlichen Anlo - ckungsmittel zu Bevoͤlkerung ihrer Staaten bedienen; ſo treffen ſie doch dagegen bey ſich, die zweckmaͤſſigſten Vorkehrungen zu Verhuͤtung des Auswanderns b]. Ein anders iſt es, wenn durch Vertraͤge der Nazionen fuͤr die Unterthanen gewiſſer Lande die Erlaubnis der freien Auswanderung uͤberhaupt, oder nur unter beſon - dern Umſtaͤnden bedungen worden iſt c]; wie dies bey Abtretung einiger Provinzen in Friedensſchluͤſſen oder ſonſt zu geſchehen pflegt d].

a]de Martens droit d. g. L. III. c. 3. §. 67. M. vergl. Henr. Hildebrand diſſ. de intempeſtivo civium diſceſſu cohibendo. Alt. 1716. Fr. Hirſch comment. de iure emigrationem civium prohibendi vel circumſcribendi. Gotting. 1787. Io. Fr. Guil. Schlegel comm. de eo quod iuſtum eſt circa emigrationem civium. Gotting. 1787.
a]
b]In ſehr vielen Staaten ſind daher die Auswanderungen, ohne beſondere Verguͤnſtigung, entweder ganz verboten, oder doch ſehr eingeſchraͤnkt. Wegen des ehemaligen Frankreichs ſehe man Real Science d. g. T. IV. c. 7. §. 9. In dem vorangefuͤhrten kaiſerlichen Edict von 1768. wurde alles Ausziehn teutſcher ReichsunterthanenU 2in308Von den Gerechtſamenin fremde mit dem Reiche in keine Verbindung ſtehende Laͤnder, und alle Gattungen des Fortwanderns verboten, und daher allen befohlen 1] daß ſie niemanden, wer der auch ſeyn moͤge, ohne die den Reichsſatzungen gemaͤſſen Wege und Mittel auſſer des Reichs Grenzen den Auszug verſtatten; 2] Gegen iene die ſich heimlich fortzumachen unternehmen, genaue Obacht halten, und ſie, auf Be - treten, mit gemeſſenen Strafen belegen; 3] keinem die Veraͤuſſerung ſeiner Guͤter und Habſchaft, in ſtraͤflicher Abſicht ſolches verbotenen Auszugs, mittelſt dagegen vorkehrender gnugſamen Verfuͤgung zu geben ꝛc. In dem oben erwaͤhnten daͤniſchen Verbote war die Confiſca - tion aller beſitzenden und kuͤnftig zu hoffen habenden Guͤ - ter zur Strafe geſetzt. Moſers Verſuch 6. Th. S. 25. ff.
b]
c]Dahin gehoͤrt z. B. die im Religions - und weſtphaͤliſchen Frieden den Unterthanen in Teutſchland, welche einer andern als der im Lande herſchenden Religion zugethan ſind, bedungene Freiheit zu emigriren. Relig. Fr. 1555. §. Wo aber Inſt. P. O. Art. V. §. 12. wegen der Salzburgiſchen Emigranten ſehe man z. B. Moſers Reichs-Fama 9. Th. S. 424. 10. Th. S. 33. ꝛc.
c]
d]Dergleichen Bedingungen trift man faſt bey allen in Friedensſchluͤſſen ꝛc. geſchehenden Abtretungen von Lan - den an. M. ſ. unter andern beſonders die Utrechter Friedensſchluͤſſe von 1713. zwiſchen Grosbritannien, Frankreich, Vereinigte N. Lande, Preuſſen ꝛc. Zu den neuſten Beiſpielen gehoͤrt ferner der Friede zwiſchen Frank - reich und Grosbritannien von 1783. Art. 7. worinn die Inſeln St. Lucie und Tabago an Frankreich wieder uͤberlaſſen worden, mit dem Beding: Les habitans Bri - tanniques ou autres qui auroient été ſujets du roi de la Grande Brétagne dans les ſusdites iles, conſer - veront leurs propriétés ou bien ils pourront ſe retirer en toute ſureté et liberté ou bon leur ſem -blera 309in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.blera ſans être génés dans leur émigration ſous quelque prétexte que ce puiſſe être hors celui de dettes ou de procès criminels. Le terme limité pour cette émigration eſt fixé à l’espace de dix-huit mois à compter du jour de l’échange des ratifications du préſent traité. M. vergl. Art. 18. wegen der fran - zoͤſiſchen Abtretungen. Ein gleiches iſt auch zwiſchen Grosbritannien und Spanien im Frieden von dieſem Jahre Art 5. beliebt. Die Proviſionalconvention zwi - ſchen Frankreich und Schweden von 1784. Art. 11. in Abſicht auf die Inſel St. Barthelemi ſetzt feſt: Les habitans françois etc. pourront en tout tems ſe retirer en toute ſureté et liberté en tel endroit de la domi - nation du roi qu’il leur plaira etc. M. vergl. Mo - ſers Nordamerika 3. Th. S. 335. Auch in andern Abtretungen wird dies Recht der Auswanderung oͤfters bedungen, z. B. in dem Grenzvertrage zwiſchen Sar - dinien und Genua von 1754. worinn wechſelſeitig einige Lande abgetreten wurden: Les habitans des lieux reci - proquement cédés auront pendant le terme de vingt - cinq ans la liberté de ſe rétirer ſans obſtacle. Mo - ſers Verſuch 5. Th. S. 359.
d]

§. 7. Zuruͤckfoderung der Unterthanen.

Die Unterthanen eines Volks, welche in einem andern Lande ſich blos eine Zeitlang aufhalten, daſelbſt aber keinen feſten Sitz, mit Aufhebung ihrer vorigen Verbindung, aufgeſchlagen haben, koͤnnen ſich in der Regel, wenn ſie nicht Verbrechens, Schulden oder anderer Urſachen wegen, gehalten werden a] iederzeit ungehindert wieder weg und in ihre vorige Heimath be - geben. Zum Ueberflus wird dieſe Freiheit iedoch auchU 3in310Von den Gerechtſamenin Vertraͤgen zuweilen noch beſonders bedungen b]. Das andere Volk hat auch, zumal unter gewiſſen Ver - haͤltniſſen c] das Recht, ſeine in fremden Landen be - findlichen Unterthanen, welche nicht foͤrmlich entlaſſen worden ſind, abzuberufen und zuruͤckzufodern d]. Dieſe muͤſten denn, durch Naturaliſation ꝛc., bereits engere Verbindungen eingegangen ſeyn e], freiwillig daſelbſt bleiben wollen f], oder Verfolgungen halber ſich dort - hin gefluͤchtet haben g]. Die Anſchlagung der Avoca - torien in fremden Landen kann aber eben ſo wenig ver - langt werden h] als es erlaubt iſt, ſeine Unterthanen mit Gewalt daraus abzuholen i]. Da deren Vorent - haltung indes oͤfters Streitigkeiten veranlaßt k], ſo pflegen die Nazionen ſich wegen Zuruͤckgabe und Aus - lieferung, beſonders der Fluͤchtigen l], oder deren Un - ſtatthaftigkeit m] in voraus zu vergleichen.

a]Nur im Colliſionsfall, als Repreſſalien, oder im Kriege kann eine zeitlange Zuruͤckbehaltung gerechtfertigt werden. de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 3. §. 67.
a]
b]Im Handelsvertrage zwiſchen Portugal und Rußland 1787. heißt es z. B. Art. 37. Les ſujets de l’une et l’autre puiſſance contractante pourront librement ſe retirer quand bon leur ſemblera des états reſpectifs ſans éprouver le moindre obſtacle de la part du Gou - vernement qui leur accordera avec les précautions préſcrites dans chaque endroit, les paſſeports en uſage pour pouvoir quitter le pays et emporter librement les biens qu’ils y auront apportés ou acquis après ſ’être aſſuré qu’ils ont ſatisfait à toutes leurs dettes ainſi qu’aux droits finés par les loix ſtatuts et ordon - nances du pays qu’ils voudront quitter.
b]
c]Bey entſtehenden Mishelligkeiten ꝛc. ſ. Moſers Grund - ſaͤtze in Frz. 5. B. 1. K. S. 388.
c]
d]Georg. Beyer diſſ. de iure avocandi cives et incolas ex territorio alieno. Lipſ. 1695. vergl. MoſersVerſuch311in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Verſuch 6. Th. S. 38. Merkwuͤrdig iſt der Befehl, welcher 1740. in Neapel, wo viele Auswaͤrtige Lehn - guͤter beſitzen, erging, daß alle Lehnleute bey Verluſt der Guͤter, ſich perſoͤnlich im Koͤnigreiche aufhalten ſol - ten. Moſers Verſuch 6. Th. S. 75.
d]
e]Die Naturaliſirten ſind auch hierinn den Eingebohrnen gleich. Ihrenthalben entſtand zwiſchen den Vereinigten Niederlanden und Frankreich, nach Wiederrufung des Edicts von Nautes, Streit, indem die erſtern verlang - ten, daß auch den Naturaliſirten die Erlaubnis auszu - wandern verſtattet werden ſolte; aber der Koͤnig in Frank - reich entgegnete: que S. M. ne prétendoit pas empê - cher, que les ſujets des dits états ne puiſſent ſortir de ſon royaume et y revenir ainſi qu’ils le jugeroient à propos, pour le bien et l’avantage de leur com - merce, qu’ell étoit bien aiſe de faciliter; mais qu’à l’égard de ceux qui ſ’etoient fait naturaliſer, elle me repetoit encore qu’ils étoient devenus par-là ſes ſujets etc. Negociations de Mr. le Comte d’Avaux en Hollande Tom. V. p. 172. M. vergl. de Mar - tens précis L. III. c. 3. §. 67.
e]
f]Der Buͤrger und Unterthan welcher heimlich und ohne Erlaubnis des Staats wegzieht, vergeht ſich zwar gegen dieſen, der andere Staat, wohin er ſich wendet, iſt aber nicht verbunden, ihn zuruͤckzugeben, wohl aber iſt erſterer berechtigt, bey dieſem ſeine Anſpruͤche gegen ſei - nen vormaligen Unterthanen anzubringen, daß er das gewoͤnliche Abzugsgeld und andere Schuldigkeiten leiſte. Beyer l. c. §. 33. [Moſer in Grundſ. in Fr. Zeit. 5. B. 1. K. §. 27. glaubt iedoch, daß der andere Staat, auf Verlangen, zur Auslieferung verbunden ſey, es geſchaͤhe aber nicht]. Nur in Anſehung der Leibei - genen wird behauptet, daß ſie zu allen Zeiten abgefodert werden koͤnnen, wenn nicht beſondere Vertraͤge oder Herkommen vorhanden ſind, vermoͤge welcher ſie, wennU 4die312Von den Gerechtſamendie Abfoderung binnen einen gewiſſen Zeitraum nicht ge - ſchieht, ihre Freiheit erhalten. ſ. Io. Ernſt von der Linde diſſ. de vindicatione hominum propriorum ejus - que praeſcriptione. Ged. 1698.
f]
g]Auch in Anſehung derer, welche, ohne grobe Verbrecher zu ſeyn, beſonderer Vorfaͤlle wegen, durch die Flucht Sicherheit in einem Staate ſuchen, behaupter Kahrel in ſeinem Voͤlkerrechte S. 83. das nothwendige Recht verlange die Auslieferung aller Fluͤchtigen, das Gewon - heitsrecht mache aber viele Ausnahmen hierunter. Was wegen Auslieferung der Verbrecher insbeſondere Rechtens iſt wird weiter unten vorkommen.
g]
h]M. vergl. Moſers nachbarl. Staatsrecht S. 118.
h]
i]Bey den beſtaͤndigen Streifereien der Unterthanen an den Grenzen des ruſſiſchen Gebiets und der Republik Polen ließ Rußland 1763. erklaͤren: Es ſey genoͤthigt, De - taſchements nach Polen zu ſchicken, um die ſich dahin gefluͤchteten Unterthanen mit Gewalt abzuholen; welches Polen nicht uͤbel nehmen koͤnne. Moſers Beitraͤge in Frzeit. 5. Th. S. 391. Als auch wegen Mangel ſchlechter Erndten und Theuerung viele Bauern und Ein - wohner des platten Landes aus den ruſſiſchen Provinzen, nach Polen ſich begaben, ließ Rußland nicht nur eine Reclamation an Polen ergehen, ſondern ſchickte auch ſelbſt Truppen nach den Waͤldern, in denen ſich die Emigranten zum Theil bewafnet aufhielten. Polit. Journ. Jul. 1786. S. 695.
i]
k]Auf dem neumaͤrkiſchen Landtage 1653. aͤuſſerte der Kurfuͤrſt von Brandenburg wegen der Streitigkeiten mit Polen gegen ſeine Staͤnde: Man wuͤrde ihm nicht ver - denken koͤnnen, daß er ſich des iuris retorſionis hinwie - derum gebrauche, geſtalt denn die Neumaͤrkiſche Regie - rung und andere iudicia keinem polniſchen Gerichtsherrn ſeine Unterthanen losgeben ſolle, ſo lange als ſich in ſei - nem Lande etliche von Adel oder Magiſtrate in Staͤdtenbefaͤn -313in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.befaͤnden, welchen ihre Unterthanen in Polen vorenthal - ten wuͤrden. Moſers ausw. St. R. S. 341.
k]
l]Im Aboer Frieden zwiſchen Rußland und Schweden 1743. Art. 20. heißt es z. B. Tous ceux qui étant coupables de trahiſon etc. ou même ſans aucune de ces raiſons auroient quitté la Ruſſie pour la Suede et pareillement celleci pour la Ruſſie ſoit ſeuls ou avec femme et enſans ſeront rendus à la première reclame à la partie dont ils ſont fugitifs ſans aucun reſus ni égard à la nation et cela dans le même état dans le - quel ils ſe ſont refugiés avec ſemme et enfans etc. Zwiſchen Rußland und der Pforte wurde im Handelsver - trage 1783. Art. 10. verglichen: Si dans les états de la Ruſſie il ſe trouvoit des ſujets de la Porte Otto - manne, ils ſeront rendus à la Sublime Porte ſans la moindre difficulté après qu’on en aura donné les preuves neceſſaires. Doch werden dieienigen ausge - nommen, welche der Religion halber ausgetreten. In dem Kriegsmanifeſte der Pforte vom 24. Aug. 1787. beſchwerte ſich dieſe daher, daß der ruſſiſche Hof durch Huͤlfe ſeiner Conſuls den Woywoden der Moldau ent - weichen laſſen, und auf die Zuruͤckfoderung der Pforte der ruſſiſche Miniſter gerade zu, im Widerſpruche mit den eingegangenen Vertraͤgen geantwortet habe: Sein Hof liefere dieienigen, die ſich zu ihm fluͤchteten, nicht aus. ſ. Polit. Journal Sept. 1787. S. 915. Hieruͤber wurde auch eine weitlaͤuftige Uebereinkunft zwi - ſchen Rußland und Curland in dem Handelsvertrage von 1783. Art. 1. getroffen.
l]
m]Wie im Def. Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pfor - te 1791. Art. 8. bedungen iſt, daß dieienigen Unter - thanen, die ſich vor, oder waͤhrend des Krieges in dem Gebiet der andern etablirt haben, der Herſchaft unter - worfen bleiben und von ihrem urſpruͤnglichen SouverainU 5nicht314Von den Gerechtſamennicht reclamirt werden ſollen. Polit. Journ. Sept. 1791. S. 947.
m]

§. 9. Deren Ausſchaffung.

Einer Nazion ſteht aber auch frey, fremde Unter - thanen, die ſich bey ihr aufhalten, wegen uͤbler oder verdaͤchtiger Auffuͤhrung, oder aus andern erheblichen Urſachen a] auch vermoͤge Repreſſalien, beſonders bey ausbrechenden Feindſeeligkeiten b] aus dem Lande fort - zuſchaffen c]. Es kann aber keine mit Recht verlangen, daß ihre, oder die Unterthanen einer dritten Macht, die ihr verdaͤchtig und gefaͤhrlich ſcheinen, von der an - dern fortgeſchaft werden ſollen, ob es wohl aus Gefaͤl - ligkeit zu geſchehen pflegt d].

a]Wenn es ohne hinlaͤngliche Urſachen geſchieht; ſo ent - ſtehn gegruͤndete Klagen daruͤber. Als man 1767. in Neufchatel den franzoͤſiſchen Capitain Freyherrn von Tott weggehn hieß, ſchrieb der franzoͤſiſche Staatsminiſter an den dortigen Staatsrath: Monſieur le Baron de Tott m’a fait part de la ſignification que le Maire de Neufchatel lui a faite de ſe retirer de votre ville, ſans rien alleguer ſur ſa conduite qui pût autoriſer un pareil procédé: Le Roi, à qui j’en ai rendu compte, m’a chargé de vous témoigner toute la ſur - priſe que lui cauſe cette nouvelle: S. M. ne peut ſe perſuader, qu’on veuille gèner chez vous la liberté de ſes ſujets, tandis que tous les Neufchatelois jouiſſent en France des avantages et privilèges des regnicoles, et vous jugez, Meſſieurs, des conſe - quences qui reſulteroient pour vos Compatriotes, ſi M. le Baron de Tott, et même tout autre François, éprouvoit des difficultes ſur le deſir qu’il auroit deſéjourner315in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.ſéjourner dans votre ville, ſans qu’il eut donné des ſujets de plaintes ou de mécontentement. Je compte, Meſſieurs, que vous voudrez bien me mettre au plutôt à portée d’édifier S. M. ſur vos ſentimens, et, dans l’aſſurance je ſuis que vous deſavouerez la demarche, qui a été faite vis-a-vis de M. le Baron de Tott, je mande a cet Officier, dont la ſageſſe et les bonnes moeurs me ſont bien connuës, de conti - nuer ſon ſejour à Neufchatel, autant qu’il le jugera à propos. Moſers Verſuch 6. Th. S. 61.
a]
b]Moſers ausw. Staatsr. S. 329.
b]
c]In Portugal arretirte man bey Gelegenheit der franzoͤ - ſiſchen Unruhen einige eingewanderte democratiſche Fran - zoſen, welche verſchiedene franzoͤſiſche Revolutionsſchrif - ten ins Portugieſiſche uͤberſetzten und transportirte ſie zu Schiffe wieder nach Frankreich zuruͤck. Polit. Journ. November 1791. S. 1229.
c]
d]Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. 4. B. 7. K. §. 19. ff. S. 368.
d]

§. 10. Anerkennung des Standes, Titels, Ran - ges ꝛc. fremder Unterthanen.

Jede Nazion kann ihre Buͤrger und Unterthanen in gewiſſe Klaſſen und Staͤnde eintheilen, ihnen, nach Gefallen, Wuͤrden, Titel, Orden, Wapen ꝛc. beile - gen und einem vor dem andern gewiſſe Vorzuͤge und den Rang, iedoch ohne Nachtheil anderer Staaten a] einraͤumen. Sie kann aber freilich von andern Na - zionen nicht als Schuldigkeit verlangen, daß ſie alles dieſes ebenfals anerkenne und ihnen desfals gleiche Ehre erweiſen b]. Doch erfodert der eigne Vortheil allerdings, es zu thun c], wenn dergleichen Einrich -tungen316Von den Gerechtſamentungen den Grundgeſetzen und Verfaſſungen des eignen Staats nicht zuwider ſind d]; weil ſonſt von der an - dern Seite eine gleiche Verweigerung erfolgen wuͤrde. Unter den europaͤiſchen Nazionen iſt es auch Herkom - mens, daß der auswaͤrtige Stand, Titel, Bedienung ꝛc. in andern Landen gleichfals erkant werden e]; iedoch iſt, wenn Zweifel daruͤber entſteht, einige Legitimation noͤthig f]. Die Vorſtellung des Fremden durch den dort befindlichen Geſandten ſeines Hofes, oder eines andern angeſehenen Mannes iſt meiſt hinreichend hierzu. Der Fremde kann iedoch wegen ſeiner bekleidenden, dem Namen nach, etwa gleichen Wuͤrde, keinesweges gleiche Ehre mit den Einheimiſchen, welche eine aͤhn - liche fuͤhren g], oder wohl gar gewiſſe Vorzuͤge uͤber die Einheimiſchen verlangen, die in ſeinem Lande da - mit verbunden ſind h]; ſondern muß ſich, weil die Grundſaͤtze hierunter ſehr wilkuͤhrlich und an den mei - ſten Hoͤfen verſchieden ſind, in Anſehung Ranges, Ceremoniels ꝛc. nach ieden Orts Gebrauche richten, oder, wenn er ſich damit nicht begnuͤgen will, lieber die Gelegenheiten zu Streitigkeiten hierunter vermeiden, da freilich dergleichen Anordnungen an ſich fuͤr ihn nicht verbindlich ſind i]. Doch darf keinem, zumal bey Militaͤr-Chargen, die faſt uͤberall einander gleich ſind, und ihren beſtimten Rang haben k] dasienige verweigert werden, was ſeines Gleichen von andern Nazionen wiederfaͤhrt l]. Gegen blos durchreiſende oder nur kurze Zeit ſich aufhaltende Standesperſonen wird indes zuweilen eine Ausnahme gemacht und ihnen mehrere Ehre erwieſen m].

a]Nachtheilig fuͤr andere wuͤrde es ſeyn, wenn ein Sou - verain ſeinen Unterthanen den Titel, Wapen ꝛc. eines fremden Hauſes beilegen wolte. Moſers Verſuch 7. Th. S. 272.
a]b] de317in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
b]de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 3. §. 73.
b]
c]Martini poſit. de iure civit. c. XVI. §. 537. c. XVII. §. 564. ff.
c]
d]Moſers Verſuch 6. Th. S. 3. ff. Wenn z. B. zwey Nazionen zugleich auf das Recht Anſpruch machen, einen gewiſſen Orden ꝛc. zu vergeben, ſo werden gemei - niglich die Ritter der einen bey der andern nicht erkant. Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. 5. B. 1. K. §. 4. So auch wenn einer das Recht, gewiſſe Standeserhoͤ - hungen uͤberhaupt zu ertheilen, ſtreitig gemacht wird.
d]
e]Moſers Verſuch 6. Th. S. 3. Real Seience du Gouv. Tom. IV. c. 6. Sect. 7. §. 40.
e]
f]Moſers Anfangsgruͤnde ꝛc. S. 254. und Grundſaͤtze in Frzeit. 5. B. 2. K. §. 5. 6. Hierzu iſt aber nicht genug, wenn einer erweiſen kann, daß anderwaͤrts ſein angeblicher Stand ꝛc. erkant worden ſey. de Martens L. III. c. 3. §. 74. not. b.
f]
g]Ein Herzog, Marquis, Graf ꝛc. kann daher nicht ver - langen, daß er in einem fremden Lande denen gleichge - ſetzt werde, welche daſelbſt ebenfals Herzoge ꝛc. heiſſen. So iſt z. B. ein groſſer Unterſchied unter einem teutſchen Herzog, Marckgraf, Reichsgraf und den auswaͤrtigen Ducs, Marquis, Marcheſe etc. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 5. Im teutſchen Reiche iſt den Reichspraͤ - laten und Reichsgrafen, vermoͤge Reichsſchlus von 1714. und der Wahlkapitulation Art. 3. §. 22. ausdruͤcklich der Vorrang vor auswaͤrtigen zugeſtanden. ſ. Moſers ausw. Staatsr. S. 255. und Verſuch a. a. O.
g]
h]Wenn zwey Souverains ſich deshalb einverſtehn, iſt freilich kein Bedenken dabey. So erklaͤrte 1701. der Koͤnig in Spanien, daß die Herzoge und Pairs von Frankreich, welche an den ſpaniſchen Hof kommen wuͤr - den, wie die Grands von der erſten Klaſſe gehalten wer - den ſolten, wogegen der Koͤnig in Frankreich befahl, daß die Grands von Spanien am franzoͤſiſchen Hofe ebendie318Von den Gerechtſamendie Ehre wie die Herzoge und Pairs genieſſen ſolten. Real l. c. Aber deswegen iſt ein ſpaniſcher Grand nicht uͤberall der erſte nach dem Souverain. Moſer fuͤhrt ein Beiſpiel an, daß einer in Wien dem bayeriſchen Ge - ſandten, den er beleidigt hatte, keine Abbitte thun wollen, weil er ſo gut ein Grand der erſten Klaſſe in Spanien, als der Kurfuͤrſt ein teutſcher Grand waͤre, bis er durch Arreſt von dem Unterſchiede belehrt worden ſey. Moſers Verſuch 6. Th. S. 4.
h]
i]Moſers erſte Grundlehren S. 140.
i]
k]Wo die Civilbedienungen daher nach dem Militaͤrrange abgemeſſen ſind, hat der Rang ꝛc. der Fremden weniger Schwierigkeiten.
k]
l]Moſer a. letzt a. O.
l]
m]Ebendaſelbſt S. 141.
m]

§. 11. Standes, Titulatur ꝛc. ꝛc. Ertheilungen an fremde Unterthanen.

Den eigenen Unterthanen kann ein Souverain der - gleichen Gnadenbezeigungen ertheilen, auch wenn ſie ſich auſſerhalb Landes in anderer Nazionen Gebiete auf - halten a]. Auch werden gewoͤnlich keine Schwierig - keiten gemacht, den Adel ꝛc. derer zu erkennen die ſich von auswaͤrts in einem andern Lande niederlaſſen wol - len, wenn ſie den vorgeblichen Adel erweiſen koͤnnen b]. Es fragt ſich aber: ob ein Souverain befugt ſey, frem - den Unterthanen, die ſich bey ihm oder auswaͤrts auf - halten, dergleichen Standeserhoͤhungen ꝛc. angedeihen zu laſſen? Dies kann, wenn den Unterthanen deren Annahme uͤberhaupt nach den Grundgeſetzen ſeines Staats erlaubt iſt, nicht anders geſchehen, als ent - weder auf eignes Verlangen oder Veranlaſſen, oderdoch319in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.doch mit vorhergehendem Wiſſen und Willen, oder endlich wenigſtens mit nachheriger Genehmigung des Souverains, deſſen Unterthan er iſt; zumal wenn es Wuͤrden, Praͤdicate ꝛc. ſind, welche dieſer ſelbſt zu ertheilen das Recht hat c]. Der begnadigende Sou - verain pflegt dem andern auch ſelbſt davon Nachricht zu ertheilen. Gewoͤnlich macht man keine Schwierig - keiten, die Annahme zu geſtatten; wenn aber iene Er - foderniſſe mangeln, hat der andere Souverain aller - dings Urſach, ſich daruͤber zu beſchweren d] wenigſtens die Anerkennung der Standeserhoͤhung bey ſich zu ver - weigern e], und uͤberhaupt deren Gebrauch ſeinem Un - terthan auch auswaͤrts zu verbieten. Es fehlt indes an Beiſpielen nicht, daß Souverains fremden Unter - thanen, dergleichen Standeserhoͤhungen ertheilt oder ſie doch unter die Zahl des Adels in ihrem Lande auf - genommen haben f]. Doch iſt es auch in verſchiede - nen Staaten verboten, fremde Wuͤrden, Titel ꝛc. an - zunehmen, und ſich deren zu bedienen g]. Wenn uͤbri - gens die Annahme derſelben gleich verſtattet wird, ſo kann der begnadigte Unterthan doch auf keine Art einen der Verfaſſung ſeines Staats und deſſen Unterthanen nachtheiligen Gebrauch davon machen h].

a]Rich. Zouchaeus in iure feciali P. II. Sect. 2. quaeſt. 9. wirft iedoth die Frage auf: ob ein Souverain, wenn er ſich in einem fremden Lande aufhaͤlt, ſeinen ei - genen Unterthanen dergleichen Wuͤrden ꝛc. ertheilen koͤnne? und beiaht ſie, fuͤhrt iedoch Beiſpiele an, wo man Schwierigkeiten dagegen gemacht habe, weil der Sou - verain auswaͤrts dafuͤr nicht zu betrachten ſey. Allein et bleibt gleichwol Souverain in Abſicht ſeiner Unter - thanen.
a]
b]Nach der Rußl. Kaiſerlichen Verordnung fuͤr den Adel vom 29. April 1785. ſollen als unverwerfliche Beweiſe des Adels angenommen werden, Diplome, die vonvorigen320Von den Gerechtſamenvorigen ruſſiſchen Regenten oder von andern gekroͤnten Haͤuptern auf die adeliche Wuͤrde verliehen worden ſind ꝛc. von regierenden Herrn verliehene Wappen ꝛc. Polit. Journ. Sept. 1785. S. 876. In Boͤhmen hingegen muß ein Fremder, der erſt neuerlich von einem andern als dem Koͤnige in Boͤhmen, eine Standeserhoͤhung er - halten hat, wenn er ſich in Boͤhmen niederlaſſen und ſich ſolchen Standes bedienen will, deſſen Approbation aus der boͤhmiſchen Hofkanzley erhalten. Moſers teutſches Staatsrecht 5. Th. S. 396.
b]
c]Moſers erſte Grundlehren des Europ. V. R. S. 175. und deſſen Verſuch 7. Th. S. 280.
c]
d]So nahm es die Koͤnigin Eliſabeth von England ſehr uͤbel auf, daß Kaiſer Rudolph II, wider ihr Wiſſen, den Thomas von Arundel, wegen ſeiner Verdienſte wider die Tuͤrken 1596. zum Reichsgrafen machte; allein der Kaiſer ſchrieb ihr deshalb, mit Beziehung auf verſchie - dene Beiſpiele bey andern Nazionen: neque enim nobis novum eſt, vt ad anteceſſorum noſtrorum imitatio - nem etiam aliorum principum ſubditis decernamus, qui facile ferimus, ſubditos itidem noſtros, a quovis ſummo principe ornari. Joh. Wilh. von Goͤbel Ab - handl. aus dem Staatsr. ꝛc. Helmſt. 1737. 8. 3. Stuͤck S. 182. M. vergl. Rich. Zouchaei ius ſeciale P. II. Sect. 2. q. 10. Vtrum ſubditus, cui ab extraneo principe honor delatus eſt, eodem apud ſuos gaudere debeat? welcher zugleich anfuͤhrt, daß eben dieſe Koͤnigin zwey Englaͤndern, welche von dem Koͤnig in Frankreich den Orden des heiligen Michael er - halten hatten, genoͤthigt habe, ihn aufzuſagen, zuruͤck - zugeben und zu verlangen, daß man ſie in dem Verzeich - niſſe ausſtreichen ſolle.
d]
e]Daher wurde dem aͤltern Moſer von dem Herzog von Wuͤrtemberg der ihm von Kur Koͤln ertheilte Geheime Raths Character nicht beigelegt, weil er ihn ohne lan -desherr -321in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.desherrliche Erlaubnis erlangt hatte. S. deſſen nach - barl. Staatsr. 4. B. 8. K. §. 5.
e]
f]Verſchiedene auswaͤrtige Familien in Polen, Rußland, Italien ꝛc. haben z. B. mit Einwilligung ihrer Souve - rains, den Reichsfuͤrſtenſtand in Teutſchland erhalten, der haͤufigen Misbraͤuche wegen aber verlangt die Wahl - kapitulation Art. XXII. §. 1, daß dergleichen Wuͤrden allein denen, die im Reiche angeſeſſen ſind, ertheilt werden ſollen. ſ. Moſers Staatsrecht 6. Th. S. 37. de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 3. §. 75. Der hollaͤndiſche Admiral Ruyter wurde kurz vor ſeinem Ende vom Koͤnige in Spanien zum Herzog ernant. v. Goͤbel a. a. O. S. 183. Die Republik Genua erklaͤrte den Cardinal Mazarin und den Marquis Manchyn zu Genueſiſchen Edelleuten. Theat, Europ. T. VII. S. 733. In dem Falle wenn einer, der den Adel be - reits beſitzt, unter den Adel eines andern Staats auf - genommen wird, iſt meiſtens auch das Indigenatrecht damit verbunden. v. Goͤbel a. a. O. So ertheilte der Koͤnig von Preuſſen vor einiger Zeit dem Geheimen Oberfinanzrath und erſten Director der Seehandlungs - Societaͤt, Herrn von Struenſee die Erlaubnis, die ihm von dem Koͤnige in Daͤnemark verliehenen Rechte und Vorzuͤge eines daͤniſchen Edelmanns anzunehmen.
f]
g]In Venedig darf z. B. kein Mitglied des hoͤchſten Raths eine auswaͤrtige Wuͤrde annehmen. ſ. de Martens L. III. c. 3. §. 75. not. b. So wird in Boͤhmen, wenn eingebohrne Landesbewohner ſich, ohne Vorwiſſen und Genehmigung, von iemand anders, als dem Koͤnig in Boͤhmen eine Standeserhoͤhung oder ein Praͤdicat er - theilen laſſen, ſolche nicht nur nicht anerkant, ſondern der Unterthan auch, der ſie annimt, nach Befinden mit Strafen belegt. Moſers Staatsr. 5. Th. S. 396. Vermoͤge einer paͤpſtlichen Bulle ſoll kein Unterthan des Kirchenſtaats einen hoͤhern Titel als Excellenz fuͤhren. Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. XMo -322Von den GerechtſamenMonathl. Staatsſpiegel 1699. April S. 124. Der Kaiſer verbot in den von Polen ihm abgetretenen Provinzen Gallizien und Ludomerien, daß kein dortiger Unterthan, bey Strafe von 500. Ducaten, die vorigen polniſchen Titel als Woywod, Caſtellan ꝛc. fuͤhren ſolte, weil er daſelbſt alles auf den Fuß, wie in den uͤbrigen oͤſterreichiſchen Landen geſetzt wiſſen wolte. Da hier keine Woywodſchaften, Caſtellaneyen und dergleichen mehr Statt faͤnden, ſo waͤren auch die Titel unnoͤthig. Neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 2024.
g]
h]Moſers Verſuch 7. Th. S. 271. ff. vergl. Wildvo - gel Conſil. R. 132. p. 253. Wenn ein ſolcher Unter - than criminell behandelt werden muß, wird er gewoͤnlich ſeiner Wuͤrden entſetzt, der Orden ihm abgenommen und zuruͤckgeſchickt.
h]

§. 12. Wuͤrkung der Ehrloſigkeit auſſer Landes.

Wenn im Gegentheil ein Unterthan in einem Lande gewiſſer Vergehungen halber, ſeiner Wuͤrden entſetzt und fuͤr ehrlos erklaͤrt worden iſt, ſo kann dieſe Ehr - loſigkeit auſſerhalb Landes von Rechtswegen ebenfals keine Wuͤrkung haben: die europaͤiſchen Nazionen pfle - gen hierinn auch gegen die Schuldigen, die ſich zu ihnen begeben, nachſichtiger zu ſeyn, und ſie, wenn das Verbrechen nicht zu gros, ſogar Militaͤrperſonen, ohne foͤrmliche Einſetzung in ihre vorige Ehre, fuͤr ehr - lich zu erkennen und ihnen wohl gar Dienſte und Wuͤr - den zu uͤbertragen, wie dies mehrere Beiſpiele, unter andern des Herzogs von Ormond ꝛc. beweiſen. Die andere Nazion findet ſich dadurch nicht leicht beleidigt, es muͤſte der Unterthan denn ſich eines ſehr groben Staatsverbrechens ꝛc. ſchuldig gemacht haben; ſie iſtiedoch,323in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.iedoch, bey vorkommenden Gelegenheiten, nicht ver - bunden, ſeine Reſtitution zu erkennen.

*]Moſers Anfangsgruͤnde S. 258. und deſſen Grund - ſaͤtze in Fr. Zeit. S. 393. ff. Chr. Thomaſii diſſ. de exiſtimatione fama et infamia extra rempublicam. Hal. 1709.
*]

§. 13. Auswaͤrtige Verheirathungen ꝛc.

Was den Hausſtand der Unterthanen, die Ehen, die Geburt und Erziehung der Kinder und andere recht - liche Beſtimmungen die davon abhangen und auf aus - waͤrtige Lande eine Beziehung haben, anlanget, haͤngt es nicht weniger von dem Gutbefinden einer Nazion ab, ob und wie ferne ſie den Maͤnnern z. B. die Verheira - thung mit auswaͤrtigen Weibern und den Frauensper - ſonen das Heirathen auſſer Landes verſtatten wollen. Den Fremden ſteht zwar frey, um auswaͤrtige Weiber anzuhalten, die andere Nazion hat aber auch das Recht zu unterſuchen, ob ihr dergleichen Heirathen zutraͤglich ſeyn moͤchten a], und kann ſolche, wegen eignem Man - gel an Weibern, wegen beſorgender Verfuͤhrung zum Auswandern, wegen des Vermoͤgens und anderer truͤf - tigen Gruͤnde fuͤglich abſchlagen b], ohne daß iene Na - zion, deren Mitglieder ſie ſind, es fuͤr eine Beleidi - gung anſehn koͤnte, wenn es nicht aus offenbarer Ver - achtung und mit wuͤrklichem Schimpf geſchieht. Nur im aͤuſſerſten Nothfall wuͤrde eine Nazion zum gewalt - ſamen Raube und Entfuͤhrung der Frauensperſonen aus fremden Landen berechtigt ſeyn c]. In verſchiedenen europaͤiſchen Staaten ſind dem Frauenzimmer auch die Ehen ins Ausland verboten und gewiſſe Strafen, als der Verluſt des Buͤrgerrechts ꝛc. darauf geſetzt d], oderX 2auch324Von den Gerechtſamenauch den Maͤnnern die Verheirathung mit Fremden nur unter gewiſſen Bedingungen erlaubt e].

Bey Geburt der Kinder und deren Erziehung haben die Unterthanen mehrenteils volkomne Freiheit; wenn iedoch in den Landesgeſetzen, in Beziehung auf Aus - waͤrtige, deshalb etwas feſtgeſetzt iſt f], ſo muͤſſen iene ſolches allerdings befolgen, und dieſe haben kein Recht ſich daruͤber zu beſchweren.

Mit Legitimation der Unehelichen, Ertheilung der Voliaͤhrigkeit hat es die Bewandnis wie mit den Wuͤr - den. Der andere Staat hat zwar keine Verbindlich - keit dergleichen Handlungen anzuerkennen, es wird aber doch wegen Gleichheit auf der andern Seite nicht unterlaſſen; nur koͤnnen auch iene hier die Rechte nicht verlangen, welche ihnen nach ihrer Landesverfaſſung deshalb zukommen g].

a]Grotius L. II. c. 2. §. 21. nimt hier nicht bloſſe Lie - bespflichten, ſondern eine Nothwendigkeit [ius innoxiae vtilitatis paſſiv. perf. ] an, einer Nazion, beſonders einer ſolchen, die aus lauter Maͤnnern beſtuͤnde, und irgend aus einem Lande vertrieben waͤre, das Heirathen der Toͤchter des Landes bey andern Nazionen zu erlau - ben; aber Barbeyrac in den Noten aͤuſſert mit Grunde ſeine Bedenklichkeiten dagegen, weil unter andern die Ehe eine freiwillige Handlung ſeyn ſoll.
a]
b]de Martini Poſit. de iure civ. c. XVIII. §. 576. c. XX. §. 603. Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 3. §. 52. ſeq.
b]
c]Hier wird gewoͤnlich der Raub der Roͤmer an den Sabi - nerinnen zum Beiſpiel angefuͤhrt. ſ. Vattel droit d. g. L. II. c. 9. §. 122.
c]
d]Nach vormaligen franzoͤſiſchen Geſetzen verliert eine Frauensperſon, die an einen Fremden auſſer Landes ver - heirathet iſt, das Buͤrger - und Erbrecht; uͤberdies iſt die Strafe der Galeeren auf die Maͤnner, und ewige Ver -bannung325in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.bannung auf die Weiber geſetzt, welche Einwilligung zu Verheirathung ihrer Kinder auſſer Landes geben. Real Science d. g. Tom. IV. c. 7. §. 9. u. 21. M. vergl. Declaration du roi portant defenſes aux ſujets du roi de marier leurs enfans hors du royaume et terres de ſon obéiſſance 12. Juillet 1685. in Ordon. d’Alſace Tom. I. p. 150.
d]
e]So darf an einigen Orten der Schweitz kein Buͤrger eine Fremde heurathen, wenn er nicht beweiſen kann, daß ſie ihm eine in den Geſetzen beſtimte Summe zum Heu - rathsgut mitbringe. Vattel L. II. c. 8. §. 115.
e]
f]In Genua ſoll zum Beiſpiel niemand zum Amte eines Syndicus gelaſſen werden, welcher im Auslande geboren iſt, daher auch viele genueſiſche auswaͤrts ſich aufhaltende Weiber, bey Annaͤherung ihrer Niederkunft, ſich nach Genua begeben um daſelbſt zu gebaͤren. ſ. Hoffmann diſſ. cit. de indigenis. §. 92. Unter andern wurde auch in England 1695. eine Parlamentsacte errichtet, daß die Kinder der Einwohner nicht auſſer Landes erzo - gen werden ſolten. Theat. Europ. Tom. XIV. S. 853 b.
f]
g]Es komt daher blos auf Landesverfaſſung und Geſetze an, ob die z. B. Legitimirten, Unehelichen ꝛc. in dieſen und ienen Guͤtern erbfaͤhig ſind oder nicht.
g]

§. 14. Aufnahme Fremder zu Buͤrgern oder Va - ſallen, und deren Huldigungs - und Lehnspflicht ꝛc.

Daß alle Fremden, welche in einem Lande ſich auf - halten, der Oberherſchaft des Staats, worinn ſie ſich befinden, unterworfen und als zeitige Unterthanen an - zuſehen ſind, habe ich ſchon oben erinnert a]. Sie ſindX 3dieſem326Von den Gerechtſamendieſem Staate aber weiter keine beſondere Treue und Unterwuͤrfigkeit anzugeloben verpflichtet b]. Mit den Naturaliſirten wird es verſchiedentlich gehalten. An einigen Orten muͤſſen ſie den Eid der Treue ſchwoͤren, an andern nicht c]. Gewoͤnlich geſchieht dies beim Ankauf von Guͤtern oder Anlegung anderer Etabliſſe - ments in auswaͤrtigen Landen d], wenn anders, obge - dachtermaaſſen, nach der Verfaſſung der beiderſeitigen Staaten, in dem einen den Fremden erlaubt iſt, der - gleichen Beſitzungen zu haben, und in dem andern den Buͤrgern und Unterthanen freiſteht, ſich anderswo an - zukaufen. Niemand darf ſich indes weiter, als es die Geſetze ſeines Landes verſtatten, gegen andere Nazio - nen verpflichten e]. Von dieſen allein haͤngt es auch ab, ob einer eine ſolche doppelte Verbindung als be - ſtaͤndiger Unterthan zweier Herrn aufhaben koͤnne f] oder unter gewiſſen Verhaͤltniſſen eine davon aufgeben muͤſſe g]. Zuweilen ſind die Unterthanen des einen Landes vermoͤge Vertraͤge verbunden, zugleich die Ober - herſchaft eines andern, aus beſondern Urſachen, die Huldigung zu leiſten, wenn ſie auch daſelbſt nicht an - ſaͤſſig ſind h]. In wie ferne Fremde durch den Guͤter - beſitz und die Huldigung, auſſer der Unterthanen Eigen - ſchaft auch das Buͤrgerrecht und alle damit verknuͤpfte Vortheile erlangen, beruht ebenfals auf die Verfaſſung eines ieden Landes i]. Wer uͤbrigens, durch rechtmaͤſ - ſige Entlaſſung, ſeiner bisherigen Unterthanenpflicht erledigt worden iſt, kann nachhero nicht weiter als Un - terthan angeſehn und behandelt werden k]. Auch die wegen des Beſitzes von Lehnguͤtern abzulegende Vaſal - lenpflicht, und der Umfang deren Verbindlichkeit be - ruht auf beſondere Landesverfaſſungen l].

a]Z. Buch 1. Kap. §. 7.
a]
b]An verſchiedenen Orten duͤrfen Fremde ſich jedoch nicht laͤnger als eine gewiſſe Zeit aufhalten, wenn ſie nichtBuͤrger327in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Buͤrger werden. ſ. Wilh. Leiſer diſſ. de iure civili - tatis. Viteb. 1681. §. 32.
b]
c]Real Science du Gouv. T. IV. c. 7. Sect. I. §. 2.
c]
d]In dem Nyſtaͤdter Frieden zwiſchen Schweden und Ruß - land 1721. Art. 12. iſt z. B. bedungen, daß die Un - terthanen der an Rußland abgetretenen Provinzen dem Czaar entweder huldigen, oder innerhalb gewiſſer Friſt ihre Guͤter verkaufen ſolten; wobey zugleich feſtgeſetzt wird: Solte auch inskuͤnftige, nach den Landesrechten iemanden, der nicht gehuldigt hat, eine Erbſchaft zufal - len, ſo ſoll derſelbe ebenfals gehalten ſeyn, bey Antre - tung der ihm angeſtorbenen Erbſchaft Sr. Czaaril. Maj. zu huldigen, und den Eid der Treue abzuſtatten, oder auch alsdann Freiheit haben, innerhalb Jahr und Tag ſolche Guͤter zu verkaufen.
d]
e]Moſers erſte Grundlehren S. 143. An ſtreitigen Orten werden die Unterthanen wohl auch gezwungen, der einen und andern Nazion zu huldigen. Als nach der Teilung von Polen zwiſchen dieſer Republik und Preuſſen wegen der Zubehoͤrungen der abgetretenen Lande Streit entſtand, noͤthigte Preuſſen demungeachtet die Untertha - nen gewiſſer Diſtricte zur Huldigung, die ſich zum Theil auch dazu bequemten, ob es ihnen gleich von der Re - publik war unterſagt worden. Preuſſen zwang ſie durch Sequeſtration ihrer Guͤter, weshalb Polen ein gleiches drohte. La Republique, hieß es in einer Note des polniſchen Geſandten vom 19. April 1775. ſent le droit qu’elle auroit et qui ſouvent a été employé en pareil cas entre nations libres et independentes de ſéqueſtrer reciproquement, le reſtant des terres de ceux qui ont manqué à leur devoir en prétant hom - mage à un autre ſouverain lorsqu’ils en avoient la defenſe du leur. Moſers Beitraͤge 5. Th. S. 260. u. 262.
e]X 4f] Der -328Von den Gerechtſamen
f]Dergleichen Unterthanen zweier Herrn giebt es iedoch verſchiedene. ſ. Moſers erſte Grundlehren S. 138. Daruͤber beſchwerte ſich aber Grosbritannien, daß 1751. der Kaiſer verlangte, daß die in ſeinen toſcaniſchen Staa - ten erablirten grosbritanniſchen Kaufleute ihn in allen Stuͤcken als ihren voͤlligen Souverain anſehn ſolten. L’Empereur ayant exigé, que les Negociants An - glois etablis à Livourne et ailleurs, dans ſon Grand Duché de Toscane, reconnoitroient S. M. Imp. pour leur Souverain dans tous les Actes, Memoires etc. ils ont refuſé de ſe conformer à cette demande, et en ont informé la Cour; ſurquoi on leur a envoyé ordre de perſiſter dans ce refus, et au cas que l’on faſſe quelques violences ſur ce ſujet, d’en faire par - venir leurs plaintes à la Cour. Le Roi a fait auſſi connoitre à l’Empereur combien cette demarche étoit contraire à ce qui ſ’uſite à l’égard des Nego - ciants d’un pays, établis dans un autre et particu - lierement ceux de deux puiſſances amies et alliées. Moſers Verſuch 6. Th. S. 52.
f]
g]Doch geſchieht es zuweilen, daß ein Staat fremden Un - terthanen keine Beſitzungen ꝛc. eher verſtattet, als bis er ſeine Verbindungen mit der vorigen Nazion aufgege - ben hat. Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 395. u. 401. Wenn dieſe Bedingung in voraus gemacht wird, ſo haͤngt es von ihm ab, ob er ſie eingehn will; aber haͤrter iſts, wenn ihm erſt nachher dieſe Wahl vor - gelegt wird. In dem neuſten Definitiv Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte von 1791. Art. 8. wurde verglichen, daß die Unterthanen, welche in dem Gebiete beider Maͤchte Beſitzungen haben, ohne Hindernis ihren Aufenthalt ſollen waͤhlen koͤnnen, wo ſie wollen; doch muͤſſen ſie alsdenn ihre Beſitzungen in dem Staate, den ſie verlaſſen, verkaufen. Polit. Journ. Septbr. 1791. S. 947. Das Decret, welches vor einigerZeit329in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Zeit in Spanien erſchien, machte, weil es beſonders wider die Tractaten mit verſchiedenen Nazionen lief, groſſes Aufſehn, indem es verlangte, daß die Fremden, welche ſich in Spanien etablirt haben, katholiſch ſeyn, und der Religion nebſt dem Koͤnige den Eid der Treue ſchwoͤren ſollen. Sie muͤſſen zugleich allen fremden Pri - vilegien und allen Verhaͤltniſſen und Verbindungen mit ihrem Vaterlande entſagen und verſprechen, nie von deren Schutze, noch von dem der Geſandten und Con - ſuls derſelben Gebrauch zu machen, alles bey Strafe der Galeeren und Confiſcation des Vermoͤgens und der Vertreibung aus Spanien. Die im Lande domiciliirten Fremden erhielten nur 14 Tage Zeit um den Ort ihres Aufenthalts, und 1. Monat um das Koͤnigreich zu ver - laſſen, wenn ſie ſich dem Decrete nicht unterwerfen wol - ten. Auch in Portugal muſten nach dieſem Beiſpiele alle eingeſeſſene Auslaͤnder der Regierung den Eid der Treue ſchwoͤren, doch ohne die Religion veraͤndern zu duͤrfen. Polit. Journ. Octbr. 1791. S. 1092.
g]
h]Dieſe Art von Voͤlkerſervitut kommt beſonders unter den teutſchen Reichsſtaͤnden, in Ruͤckſicht ihrer haͤufigen Erb - verbruͤderungen und andern Verbindungen des kuͤnftigen Anfalls wegen ꝛc. vor. ſ. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 232.
h]
i]In der Allianz zwiſchen Frankreich und den Vereinigten N. Landen von 1662. Art. 23. verglich man ſich z. B. Pourront pareillement ſans les dites lettres de Natu - ralité ſ’établir en toute liberté les ſujets des dits Seigneurs Etats, en toutes les villes pour y faire leur commerce ſans pourtant pouvoir y acquerir aucuns droits de Bourgeoiſie, ſi ce n’eſt qu’ils euſſent obtenu lettres de naturalité de S. M. en bonne forme.
i]
k]Wie z. B. Schweden den bekanten Patkul behandelte. Moſers erſte Grundlehren S. 138.
k]X 5l] So330Von den Gerechtſamen
l]So darf z. B. in Frankreich kein Fremder ein Lehn be - ſitzen, wenn gleich die Oberlehnsherſchaft daruͤber einem auswaͤrtigen Souverain zuſteht. Ordonnance du Roi du 16. Mars 1681. in Ordonn. d’Alſace Tom. I. p. 101.
l]

§. 15. Gebrauch fremder Unterthanen zu Ge - ſchaͤften.

So wie man gemeiniglich bey den in einem Lande vorfallenden Geſchaͤften und Arbeiten eher einheimiſche, als Fremde zu gebrauchen pflegt, auſſer wo etwa zu dieſer oder iener Verrichtung oder Handthierung Aus - waͤrtigen mehrere Kentnis und Geſchicklichkeit bei - wohnt; ſo ſteht es iedoch auch dem andern Volke frey, ſeinen Unterthanen, wenn er ſie entweder ſelbſt noͤthig hat, oder der andern Nazion dieſen Vortheil zuzuge - ſtehn ſonſt Bedenken traͤgt, ſo wie das Wegreiſen oder Wegziehn uͤberhaupt, alſo auch zu verbieten, daß ſie ſich in fremden Landen zu gewiſſen Arbeiten nicht ge - brauchen laſſen und auswaͤrts in keine Dienſte treten a] wenn die Freiheit hierzu ihnen durch Vertraͤge nicht ausdruͤcklich bedungen iſt b]. Was die Annahme fremder Staats-Kriegs - und anderer angeſehener Be - dienungen betrift, davon ſoll weiter unten noch einiges beigebracht werden.

a]So iſt bey den Generalſtaaten verboten, daß niemand von den Eingeſeſſenen der Republik bey fremden Fiſche - reien Dienſte nehmen ſoll, bey Strafe an Leib und Gut.
a]
b]In dem Nyſtaͤdter Frieden zwiſchen Rußland und Schweden 1721. Art. 12. iſt z. B. enthalten, daß die Unterthanen in den von Schweden an Rußland ab - getretenen Landen, wenn ſie gehuldigt haben aus demLande331in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Lande reiſen und fremden mit dem ruſſiſchen Reiche in Freundſchaft ſtehenden und neutralen Potentaten dienen koͤnnen.
b]

§. 16. Religion der Unterthanen.

Was die eigentliche Verfaſſung eines Landes in Religions - Kirchen - und andern geiſtlichen Sachen an - langet, davon ſoll kuͤnftig bey den einzelnen Hoheits - rechten ausfuͤhrlicher gehandelt werden. Hier will ich nur der Religion der Unterthanen in ſo ferne gedenken, als ihre Verſchiedenheit auf die Dultung, Aufnahme, Abhaltung, Vertreibung oder Verſtattung gewiſſer Gerechtſame derer, die ſich zu einer andern Religion als die herrſchende im Lande iſt, bekennen, einigen Einflus hat. Vermoͤge der Freiheit und Unabhaͤngig - keit der Nazionen beruht es allerdings, in Gemaͤsheit der bey ihnen errichteten Staatsgrundgeſetze, ganz auf ihrer Wilkuͤhr, ob ſie andere Religionsverwandten un - ter ihre Landesbewohner auf - und in Schutz nehmen, dulten a], und an den buͤrgerlichen und andern Rech - ten Theil nehmen laſſen b], oder ihnen den Aufenthalt abſchlagen, ihre Religionsuͤbung, iedoch ohne einigen Glaubens - und Gewiſſenszwang, einſchraͤnken oder ſie gar ausſchaffen will c]. Wenn ihnen iedoch, nach den Grundgeſetzen des Staats einmal gewiſſe Rechte zuge - ſtanden ſind, und ſie denen zuwider, in ihrer Religion zu ſehr gedruͤckt und gekraͤnkt werden; ſo iſt es weder den Unterthanen zu verargen d], wenn ſie bey andern Nazionen ihres Glaubens Huͤlfe und Beiſtand ſuchen, noch dieſen uͤbel auszulegen, wenn ſie ſich ihrer Glau - bensgenoſſen durch guͤtliche Vorſtellungen und andere dienſame Mittel annehmen, weil alle Verwandteneiner332Von den Gerechtſameneiner Kirche mit einander in Verbindung ſtehen und gewiſſermaaſſen ein Ganzes ausmachen, die Religions - angelegenheiten daher nicht blos als ein zur innern Ein - richtung eines ieden Staats gehoͤriger Gegenſtand be - trachtet werden koͤnnen e]. Wenigſtens pflegen die eu - ropaͤiſchen Nazionen einander dieſes Recht nicht ſtreitig zu machen f]. Hat eine Nazion uͤberdies die Garan - tie desfals uͤbernommen g], oder ſonſt ein weſentliches Intereſſe dabey h], ſo iſt ſie auch wohl noch zu ernſtli - chern Schritten berechtigt i]: das meiſte kommt hier auf Vertraͤge und beſondere Verfaſſungen und Verhaͤlt - niſſe der verſchiedenen Glaubensgenoſſen, ſowohl in einem Staate, als gegen andere Nazionen an k].

a]Es muͤſte denn ein anderes durch Vertraͤge bedungen ſeyn; wie z. B. in dem wegen der Diſſidenten in Polen, mit Beitritt auswaͤrtiger Maͤchte, 1768. errichteten Vertrage Art. 19. feſtgeſetzt iſt: La religion Greque non-unie, ou Diſſidente ne ſera point pour les étrangers un empêchement d’obtenir l’Indigenat de Pologne; et les Grecs non-unis et Diſſidens ſeront admis à la nation Polonoiſe ſans obligation de chan - ger de religion. Moſers Verſuch 6. Th. S. 275. vergl. S. 166. ff. Dieienigen, welche um des Religions - und Gewiſ - ſenszwanges zu entgehn, in das Territorium einer an - dern Nazion ſich fluͤchten, werden nicht leicht wieder ausgeliefert, ſelbſt wenn es Leibeigene ſind. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 176. Zuweilen werden dieſe von den auszuliefernden Fluͤchtigen in Vertraͤgen ausdruͤcklich ausgenommen, wie z. B. zwiſchen Rußland und der Pforte in dem Caingardſchen Frieden 1774. Art. 2. nach welchem die Verbrecher auf Requiſition ausgeliefert werden ſollen, dieienigen ausgenommen ſind, welche um die Religion anzunehmen, ſich in des andern Theils Reich begeben. Hieher333in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Hieher gehoͤrt auch die Dultung und der Schutz der Juden, die mit unter wohl gar naturaliſirt werden, wie 1753. in Grosbritannien. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 165. So hat auch unlaͤngſt der Koͤnig in Preuſſen dem Hofbanqvier Daniel Itzig ein Naturaliſationspatent fuͤr ihn und ſeine Deſcendenten maͤnnlichen und weiblichen Geſchlechts ausfertigen laſſen, daß ſie alle Rechte chriſt - licher Buͤrger in ſeinen Staaten genieſſen ſollen. Daß aber die Schutziuden einer Nazion auch anderwaͤrts ge - dultet werden, beruht auf Vertraͤge. So iſt z. B. in der Convention zwiſchen Preuſſen und der Stadt Danzig von 1784. Art. 8. bedungen, daß die preuſſiſchen Schutziuden in der Stadt Danzig und derſelben Gebiet wie andere teutſche Juden betrachtet und behandelt wer - den, dieſe hingegen ſich, nach den Danziger Policeyge - ſetzen, alles unerlaubten Handels enthalten ſollen. M. vergl. Chr. Wildvogel diſſ. de iudaeorum re - ceptione ac tolerantia. Ien. 1700. Ge. Henr. Ayrer diſſ. de iure recipiendi iudaeos etc. Gotting. 1741.
a]
b]Unter andern erklaͤrte die Kaiſerin Koͤnigin 1774. in einem Edict: Quant aux marchands Non-Catholiques, ils pourront auſſi acheter des Immeubles dans ceux de nos pays hereditaires les individus de leur re - ligion ſont admis à poſſeſſion etc. In dem vorge - dachten Vertrage wegen der Diſſidenten in Polen, iſt dieſen von den auswaͤrtigen Maͤchten ausdruͤcklich die Freiheit ausbedungen, daß ſie ſich mit Perſonen von dem andern Religionstheile verheirathen duͤrfen, und, wenn nichts beſonderes ausgemacht iſt, die Kinder maͤnn - lichen Geſchlechts in der Religion des Vaters, die weib - lichen aber nach der Religion der Mutter erzogen wer - den ſollen. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 272. u. 277.
b]c] Die334Von den Gerechtſamen
c]Die andere Nazion kann es daher nicht als Beleidigung anſehn, wenn man ſeinen Unterthanen, die anderer Re - ligion ſind, keine Religionsuͤbung verſtattet - oder mehr einſchraͤnkt ꝛc. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 178. u. 180. ff. insbeſondere wegen Ausſchaffung der Juden aus Prag und der grosbritanniſchen Interceſſion fuͤr die - ſelben. Ebendaſ. S. 97.
c]
d]Daher beſchwerten ſich die evangeliſchen Maͤchte ſehr gegen Polen, daß den Diſſidenten, bey Verluſt aller Guͤter, ia bey Leib - und Lebensſtrafe, verboten worden war, bey ihnen Huͤlfe zu ſuchen. Moſer a. a. O. S. 211.
d]
e]Moſer ebendaſ. S. 184.
e]
f]Bey dem Stockholmer Frieden 1720. vergleichen ſich unter andern Schweden und Preuſſen in dem erſten Se - paratartikel: Demnach bekantermaaſſen denen weſtphaͤ - liſchen und oliviſchen Friedensſchluͤſſen zuwider, die pro - teſtantiſche Religion an unterſchiedenen Oertern, in - und auſſerhalb des roͤmiſchen Reichs ſehr hart gedrucket und verfolget wird, dergeſtalt, daß ſelbige groſſe Gefahr laͤuft, an gewiſſen Orten gaͤnzlich ausgerottet zu werden; derowegen verbinden ſich hiemit aufs kraͤftigſte beiderſeits Koͤnigl. Majeſtaͤten, alle nur erſinnliche Mittel nach - druͤcklich anzuwenden, damit die evangeliſche, ſowohl der Reformirten Religion, als der unveraͤnderten Augs - burgiſchen Confeſſionsverwandte, bey Ihrem, vermoͤge des weſtphaͤliſchen Friedensſchluſſes, anderen Pacten, Vertraͤgen und Pacificationen rechtlich erworbenen Reli - gions-Exercitio und Gewiſſensfreiheit, nicht allein in dem roͤmiſchen Reich, ſondern auch in allen andern Orten, wo dieſelbige eingefuͤhret und gebraͤuchlich gewe - ſen oder ſeyn ſollen, beſtaͤndig erhalten und die unter - druͤckte Reformirte und Evangeliſche Religionsverwandte in den vorigen Beſitz und Genus ihrer Rechte, Privile -gien,335in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.gien, Gewiſſens - und Religionsfreiheit volkommen ge - ſetzt werden. Vor andern aber koͤnnen hier die Streitigkeiten wegen der Diſſidenten in Polen zum Beiſpiel dienen; deren ſich Grosbritannien, Preuſſen, Schweden, Daͤnemark, Rußland ꝛc. annahmen. Die deshalb an die Republik Polen erlaſſenen zum Theil merkwuͤrdigen Staatsſchriften ſ. m. in Moſers Verſuch 6. Th. S. 197. ff.
f]
g]In dem grosbritanniſchen Memoire wegen der Diſſiden - ten hieß es: Sa Majeſté Britannique toujcars excitée par de raiſonnables deſirs à protéger de toute manière les Chretiens proteſtans, et ſur tout ceux, qui en vertu de Conventions particulières ont droit de pré - tendre à ſon aſſiſtence, ſe voit obligée de réiterer ſes preſſentes repréſentations en faveur de cette par - tie opprimée de la nation polonoiſe connuë ſous le nom des Diſſidens. En Conſequence le ſouſſigné à l’honneur de Vous repréſenter que S. M. Bri - tannique outre tant de ſolides motifs de juſtice et d’humanité ſe trouvant forcé par une étroite alliance avec les Cours de Petersbourg, de Berlin et de Coppenhague, à ſ’intéreſſer pour les Diſſidens dans toutes les formes de droit et en ſa qualité de Garante du traité de paix d’Oliva ſouhaite, qu’en la préſente Dicte cette vertueuſe mais malheureuſe partie des ſujets Polonois ſoit rétablie-dans la poſſeſ - ſion de leurs droits et Privilèges. Und in der ruſſiſcher Seits uͤbergebenen weitlaͤuftigen Expoſition des droits etc. wird geſagt: On a vu par ce que nous avons dit, les droits des Diſſidens, tels que les établiſſent les loix fondamentales de la repub - lique. La Garantie des Puiſſances voiſines leur a donné une nouvelle Sanction et les a mis ſous la pro - tection ſacrée du droit public. Moſer a. a. S. 218. und 246.
g]h] Die336Von den Gerechtſamen
h]Die Ruſſiſche Erklaͤrung in der Diſſidentiſchen Angele - genheit ging unter andern dahin: Les obligations qu’impoſent à S. M. l’Impératrice de toutes les Ruſſies les traités qui ſubſiſtent entr’Elle et la Republique de Pologne, ainſi que l’intérêt le plus reſpectable qui l’unit aux habitans de cette repub - lique de la religion de S. M. Impériale et à ceux qui y ſont connus ſous le nom des Diſſidens, ne lui per - mettent pas de regarder avec indifférence l’oppreſ - ſion ſous laquelle gémit une partie conſiderable des habitans de la même republique à cauſe de leur attachement à des croyances publiquement adoptées par tant de grands Etats et par tant de grandes na - tions et puiſſances de l’Europe, lesquelles croyances ſont d’ailleurs autoriſées par des loix fondamentales de la ſusdite republique etc. und in der vorangefuͤhrten Expoſition heißt es: L’Imperatrice ſans fermer l’oreille au cri de la juſtice et étouffer tout ſentiment d’humanité pouvoit-Elle voir d’un oeil indifferent et tranquille le fort des malheureuſes victimes de leur foibleſſe, dont une partie lui eſt réunie par le lien d’une meme religion? S. M. connoit les droits des Diſſidens. Elle en voit la juſtice, et ce ne lui eſt pas une petite ſatisfaction d’être perſuadée en même tems, tandis que la religion et la compaſſion ſi na - turelle l’y portent, que le droit, qu’Elle a de les proteger, n’eſt pas moins fondé. Outre l’intérêt du voiſinage de ſon empire avec la Pologne, intérêt que la Republique a en commun avec Elle S. M. ſe trouve encore engagée par la promeſſe qu’Elle a faite à la nation polonoiſe lors de l’Interregne, qu’Elle contribueroit à l’affermiſſement de ſon benheur et de ſa tranquillité etc. Moſer a. a. O. S. 214. u. 247.
h]i] Es337in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
i]Es muͤſſen iedoch allerdings gewiſſe Grade beobachtet, erſt glimpfliche Vorſtellungen, dann Drohungen, Res preſſalien ꝛc. und endlich Gewalt angewandt werden. Moſer a. a. O. S. 187. ff.
i]
k]In vielen Buͤndniſſen, Handelsvertraͤgen ꝛc. wird be - dungen, daß die beiderſeitigen Unterthanen in des andern Theils Landen, ohne Unterſchied der Religion, gedultet werden, auch wohl das Recht der Religionsuͤbung ge - nieſſen ſollen. Mit Bewilligung des Souverains, kann einem auswaͤrtigen ſogar ein beſonderer Religionsſchutz in des andern Landen zuſtehn, wie z. B. die lutheriſche Kirche in Warſchau den daͤniſchen Schutz genieſſet. Bey Abtretung von Laͤndern wird mehrenteils feſtgeſetzt, daß die herſchende Religion darinn ungeſtoͤrt bleiben ſoll. Moſer a. a. O.
k]
*]M. vergl. Io. Ernſt ab Auerswalde diſſ. de eo quod lege naturali pro fidei ſociis propter religionem afflictis iuſtum eſt. Viteb. 1723.
*]

§. 17. Beraubung der Freiheit, Sklaverey ꝛc.

Bey den chriſtlichen Nazionen in Europa iſt der dem freigebohrnen Menſchen ganz zuwiderlaufende bar - bariſche Stand der Sklaverey, und die ehedem her - ſchende Gewonheit, die Kriegsgefangenen als Sklaven zu behandeln, zwar aufgehoben, obgleich in der hier und da noch uͤblichen Leibeigenſchaft einige Spuren da - von anzutreffen ſind a]; bey der Pforte hingegen ſind iene Grundſaͤtze noch groͤſtentheils im Schwange. Be - ſonders pflegen auch die Unterthanen derienigen Nazion, die mit ihr nicht in Buͤndnis und Freundſchaft ſteht, wenn ſie auf ihr Gebiet kommen, zu Sklaven gemacht und ihre Guͤter confiſcirt zu werden b]. Daher habenGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Yver -338Von den Gerechtſamenverſchiedene europaͤiſche Nazionen in Vertraͤgen mit ihr, ſich deshalb zu verwahren geſucht c]. In Frank - reich iſt es im Gegentheil Herkommens, daß ein Sklave, ſobald er auf franzoͤſiſches Gebiet komt, ſeine Freiheit erlangt, ausgenommen die zu Bauung des Landes in die amerikaniſchen Colonieen beſtimten Ne - gern d]. Des in der Pfalz uͤblichen Gebrauchs, nach welchem freie Leute, durch den Aufenthalt daſelbſt, zu eine Art von Sklaven, welche man Wildfaͤnge nennt, gemacht werden, ſoll weiter unten mehrere Erwaͤhnung geſchehn.

a]Real Science du Gouv. Tom. IV. c. 1. Sect. IV. §. 38. ff.
a]
b]Bynckershoeck de dominio maris c. 1.
b]
c]Davon wurden die Niederlaͤnder durch ein eigen Privi - legium befreit. ſ. Dumont Corps dipl. Tom. V. P. II. p. 205. auch in dem Paſſarowitzer Frieden zwi - ſchen Oeſterreich und der Pforte 1718. Art. 17. iſt vergleichen: Si mercatorum ſubditorumve S. C. Re - giaeque Maj. in nave pyratica quispiam inventus fue - rit, capta nave abductisque in ſervitutem pyratis neutiquam captivetur, ſed liber dimittatur. Zufolge des zwiſchen Daͤnemark und der Pforte 1756. geſchloſ - ſenen Freundſchafts - und Handelsvertrages, ſoll kein in dem Gebiete des Koͤnigs von Daͤnemark gebohrner Unterthan im ottomanniſchen Reiche gefaͤnglich eingezo - gen, oder als Sklave behalten werden, ausgenommen die, welche unter feindlichen Armeen oder auf feindlichen Schiffen angetroffen und in der Schlacht zu Gefangenen gemacht werden. Wer aus Irthum eingezogen iſt, und zum feindlichen Schwarm nicht gehoͤrt, ſoll dem daͤni - ſchen Geſandten ausgeliefert werden. Vergl. den Han - delsvertrag zwiſchen Preuſſen und der Pforte von 1761. Art. 6.
c]
d]Real l. c. §. 43.
d]
§. 18.339in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.

§. 18. Rechte in Abſicht des Vermoͤgens der Fremden.

Jeder Buͤrger und Unterthan im Staate hat in der Regel das mit dem Eigenthum verbundene Recht, uͤber ſein Vermoͤgen, es moͤgen Guͤter oder Barſchaften ꝛc. ſeyn, zu beſtimmen, und es, nach den Geſetzen des Landes, unter den Lebendigen und auf den Todesfall an andere zu bringen, wenn nicht beſondere Verbote hier - unter vorhanden ſind a]. Auch den Fremden kann, wenn ihnen einmal der eigenthuͤmliche Guͤterbeſitz in einem auswaͤrtigen Staate erlaubt iſt, dies Recht nicht fuͤglich verſagt werden b]. Die Erbfolge ohne Teſta - ment richtet ſich gemeiniglich in Anſehung der Guͤter nach den Landesgeſetzen wo ſie gelegen, im uͤbrigen aber nach den Vorſchriften des Staats, deſſen Mitglied iemand iſt. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Feierlich - keiten bey den deshalb zu errichtenden Teſtamenten. Das meiſte komt hierbey auf die beſondern Landesver - faſſungen an c]. Indes iſt bey einigen Nazionen den Fremden zwar bey Lebzeiten verſtattet, uͤber ihr Ver - moͤgen auf eine verbindliche Art zu diſponiren, ſie koͤn - nen es aber nach dem Tode weder durch Teſtament, noch auf ſonſt eine Weiſe an auswaͤrtige Verwandte oder uͤberhaupt in fremde Haͤnde bringen, ſondern der Staat maaßt ſich deſſelben an d]. Dieſe unter dem Namen des Albinagialrechts [ius albinagii] bekante Gewonheit, war vormals beſonders in Frankreich ein - gefuͤhrt e], und genoſſen nur wenige Gattungen von Perſonen eine Befreiung davon f]. Dies Recht iſt aber nach und nach durch Vertraͤge mit Frankreich ge - gen die mehreſten europaͤiſchen Nazionen ſowohl, als gegen die teutſchen Reichsſtaͤnde aufgehoben worden g];Y 2iedoch340Von den Gerechtſameniedoch erſtrecken dieſe Vertraͤge ſich nicht auf die ameri - kaniſchen Colonieen, wenn es nicht ausdruͤcklich bedun - gen worden iſt h]. Zum Ueberflus haben auch verſchie - dene andere Nazionen ſich in Vertraͤgen wechſelſeitig das freie Erbrecht fuͤr ihre in des andern Landen befind - lichen Unterthanen verſprochen i].

Eine andere billigere Gewonheit beſteht in dem Ab - zuge gewiſſer in den Geſetzen zuweilen beſtimter Sum - men, [fuͤnf auch zehen und mehr vom Hundert] welche unter dem Namen der Nachſteuer von dem Vermoͤ - gen derer die aus einem Lande in ein anderes wandern, oder als Abzugsrecht von den an Auswaͤrtige fallen - den Erbſchaften erhoben werden k]. Gegen dieienige Nazion, wo dergleichen hergebracht iſt, wird von an - dern gemeiniglich ein Gleiches beobachtet l]. Verſchie - dene Staaten haben iedoch auch wegen dieſer Abgaben beſondere Verabredungen mit einander getroffen, nach welchen dieſelben entweder ganz aufgehoben oder doch auf ſehr geringe Summen geſetzt ſind m].

a]Von dem verbotenen Guͤterbeſitz der Fremden in einem Lande habe ich ſchon oben [2. B. 5. K. §. 4.] gehan - delt. Nach vormaligen franzoͤſiſchen Geſetzen war es auch nicht erlaubt Geld auſſer Landes zu verleihen. Arret du 20. Juin 1720. in Ordonn. d’Alſace T. I. p. 552.
a]
b]Wolff I. G. c. III. §. 327.
b]
c]Vattel droit d. g. L. II. c. 8. §. 111. In Anſehung z. B. der Kinder ungleicher Ehen, der Legitimirten ꝛc. komt es blos auf die Verfaſſung des Landes an, wo ſie ſuccediren wollen, ob ſolche erbfaͤhig ſind oder nicht; denn wenn ſie es auch in ihrem Vaterlande ſind, ſo folgt noch nicht, daß ſie es in dem Auslande ſeyn muͤſſen: oder der Fall kann umgekehrt ſeyn. Moſers Verſuch 6. Th. S. 7.
c]
d]Dieſe Gewohnheit ſtamt noch von dem ehemaligen Haſſe der Nazionen gegen die Fremden her, die ſie gleichſamals341in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.als Feinde anſahen. Sie widerſtreitet aber der Billig - keit, hindert die Handlung und hat mehrere nachteilige Folgen. Grotius L. II. c. 6. §. 14. Vattel L. II. c. 8. §. 112. Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 8. not.
d]
e]Hiervon ſehe man, auſſer den in Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsr. 3. Th. S. 610. angefuͤhrten Schrif - ten, vorzuͤglich: Maria Carol. Monglas diſſ. de origine et natura iuris albinagii in Gallia. Argent. 1785. Mathurin Alexius Sermonin de St. Gerans diſſ. de vſu hodierno iuris albinagii in Gallia, ib. eod. Vergl. Moſers Verſuch 6. Th. S. 63. ff.
e]
f]Dahin gehoͤren z. B. 1] alle regierende Herrn und ihr Gefolge in Anſehung der beweglichen Gaͤter; 2] Ge - ſandte mit ihrem Gefolge, die uͤber ihre Mobilien teſti - ren koͤnnen; 3] Doctoren, Magiſter und Studenten, die Studirens halben ſich auf franzoͤſiſchen Univerſitaͤten aufhalten; 4] die Arbeiter in der Gobelins-Manufactur und einige andere Arbeiter, als bey dem Bergbau, bey Urbarmachung des Landes, Austrocknung der Suͤmpfe ꝛc. 5] Soldaten die zehn Jahr gedient haben und Seeſol - daten nach fuͤnfiaͤhrigem Dienſt ꝛc. ſ. St. Gerans diſſ. cit. §. 6. Die Befreiung, welche einigen durch beſon - dere Verguͤnſtigungen zugeſtanden wird, iſt eine weitere oder engere ie nachdem ſie entweder blos die Erlaubnis, teſtiren aber nicht ſuccediren zu koͤnnen [auſſer einem verwandten Albino, aber nicht einem Buͤrger, ob ſie gleich verwandt ſind], giebt oder beides enthaͤlt. Sie erſtreckt ſich gewoͤhnlich auf bewegliche und unbewegliche Guͤter, auſſer den Vertraͤgen mit England und Schwe - den, welche nur auf die beweglichen gehn.
f]
g]Dergleichen Vertraͤge haben z. B. Grosbritannien, Por - tugal, Spanien, Neapel und Sicilien, Sardinien, die Schweitz, Venedig, Genua, Monaco, Raguſa, dieY 3Ver -342Von den GerechtſamenVereinigten N. Lande, Daͤnemark, Schweden, Polen, Genf, Toſcana, Parma, Placenz und Guaſtella, in - gleichen faſt alle geiſt - und weltliche Reichsſtaͤnde, als Kur Trier und Kur Koͤln, Bamberg, Wuͤrtzburg, Baſel, Luͤttich, Speyer, Straßburg, Muͤnſter, Fulda, Teutſch - orden ꝛc. Kurpfalz, Kurſachſen, Sachſen-Weimar und Eiſenach ꝛc. Sachſen-Coburg, Hildburgshauſen, Sach - ſen-Gotha und Altenburg, Oeſterreich, Wuͤrtenberg, Zweibruͤcken, Mecklenburg-Schwerin und Strelitz, Braunſchweig-Wolffenbuͤttel, Heſſen-Caſſel, Darm - ſtadt und Heſſen-Homburg, Baden, die Fuͤrſten von Fuͤrſtenberg, Schwarzburg, Naſſau-Saarbruͤcken, Weilburg und Uſingen, Salm, Neuwied und die mei - ſten Reichs - und Hanſeeſtaͤdte, Aachen, Frankfurt am Mayn, Nuͤrnberg, Regensburg ꝛc. nicht weniger die geſamte Reichsritterſchaft. ſ. St. Gerans diſſ. cit. §. 8. u. 9.
g]
h]Vermoͤge einer ausdruͤcklichen koͤniglichen Erklaͤrung we - gen eines Falls auf der Inſel St. Domingo, beſonders aus dem Grunde, weil der Colonieen in den Vertraͤgen gewoͤnlich nicht gedacht ſey, und ein Gleiches auch bey andern Staaten nicht beobachtet werde. ſ. St. Gerans §. 11.
h]
i]Im Muͤnſteriſchen Frieden z. B. zwiſchen Spanien und den Vereinigten N. Landen von 1648. Art. 62. wer - den beiderſeitige Unterthanen in des andern Landen, nach ieden Orts, wo die Erbſchaft zufaͤlt, Gewonheit, fuͤr erbfaͤhig erklaͤrt. Vergl. den Utrechter Frieden zwiſchen eben dieſe beiden Maͤchte von 1714. Art. 25. Ein Gleiches wird im Madriter Frieden zwiſchen Spanien und England 1667. Art. 33. bedungen. In dem Handelsvertrage zwiſchen Daͤnemark und Sicilien von 1748. Art. 14. iſt die ungehinderte Erbſchaftsabfolgung an die beiderſeitigen Unterthanen ebenfals zugeſtanden; wenn aber binnen 5 Jahren ſich niemand meldet, iſt ſiedem343in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.dem Fiſcus verfallen. Vergl. Handelsvertrag zwiſchen Daͤnemark und Genna 1756. Art. 13. Beſonders geſchieht dies noch in den meiſten Vertraͤgen mit der Pforte. Man ſehe z. B. den Carlowitzer Frieden zw. Polen und der Pforte 1619. Art. 8. Den Schiff - und Handelsvertrag mit Schweden 1737. Art. 9. Den Frieden mit Sicilien 1740. Art. 4. Den Handels - vertrag mit Spanien 1782. Art. 4. Den Handels - vertrag mit Rußland 1783. Art. 8. In dem Handels - vertrage zwiſchen Rußland und Portugal von 1787. Art. 38. heißt es: Quoique le droit d’Aubaine n’exiſte pas dans les états des deux hautes parties Contractantes, cependant leurs Majeſtés voulant pre - venir tout doute quelconque à cet égard conviennent reciproquement entr’Elle, que les biens meubles et immeubles delaiſſés par la mort d’un des ſujets re - ſpectiß dans les Etats de l’autre Puiſſance con - tractante ſeront librement devolus ſans le moindre obſtacle à ſes heritiérs legitimes par teſtament ou ab inteſtat etc.
i]
k]Moſers Verſuch 6. Th. S. 31. u. 73. Vergl. Henr. Cocceji diſſ. a) de cenſu emigrationis. Heidelb. 1681. b) de iure detractus, ib. 1687. und mehrere in Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsr. 3. Th. S. 611. angefuͤhrte Schriften von dieſer Ma - terie.
k]
l]Von vielen werden dieſe Abgaben auch blos in dem Falle der Repreſſalien fuͤr erlaubt angeſehn.
l]
m]Moſer a. a. O. S. 73. ff. In dem Handelsvertrage z. B. zwiſchen Frankreich und Schweden von 1784. Art. 11. iſt feſtgeſetzt: Les habitans François ou autres qui ont été ſujets du Roi Très-Chretien dans l’isle de St. Barthelemi et leurs deſcendans pourront en tout temps ſe retirer et transporter leurs effectsY 4 et344Von den Gerechtſamen et il ne ſera jamais rien exigé d’eux à titre de droit de detraction, ni autres quelconques.
m]

§. 19. Uebrige Pflichten gegen Fremde uͤber - haupt.

Uebrigens ſind die Nazionen und deren einzelne Glieder verbunden, ihr Betragen gegen andere Nazio - nen und deren Mitglieder, ſie moͤgen ſich auſſer dem Lande oder bey ihnen als Fremde aufhalten, ſo einzu - richten, daß ſie dieſe in allen ihren ſowohl natuͤrlichen als erworbenen Rechten ungeſtoͤrt laſſen und ihnen keine Beleidigung zufuͤgen a]. Sie muͤſſen beſonders denen, welche in ihr Gebiet kommen, alle moͤgliche Sicherheit und Schutz gegen Beleidigungen und andere Gewalt - thaͤtigkeiten oder unrechtmaͤſſige Beſchwerungen ihrer Guͤter und Perſonen gewehren b], ihnen auch, wenn ſie von irgend iemand daſelbſt Unrecht erlitten haben ſolten, durch Beſtrafung der Beleidiger und ſonſt alle erfoderliche Genugthuung wiederfahren laſſen c]. Zu Huͤlfe und Beiſtand in Gefahr und zu Leiſtung anderer Liebespflichten, ſo wie zu einem dienſtfertigen und ge - faͤlligen Betragen uͤberhaupt, ſind ſie zwar durch keine aͤuſſere volkomne Verbindlichkeit verpflichtet, aber die Grundſaͤtze der Voͤlkermoral und Staatsklugheit erhei - ſchen ſolche allerdings von ihnen, beſonders gegen Nachbarn und andere freundſchaftliche Nazionen d]. Zuweilen werden ſie in Vertraͤgen ausdruͤcklich verſpro - chen und koͤnnen dann als Schuldigkeit verlangt werden e].

a]Vattel L. II. c. 1. §. 19. c. 6. §. 17.
a]
b]Und zwar ohne Ruͤckſicht der Religion oder anderer Ver - haͤltniſſe. Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 398. Deſſen345in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Deſſen erſte Grundlehren S. 144. Verſuch 6. Th. S. 54. u. 175. In dem neuſten Deſinitivfrieden zwi - ſchen Oeſterreich und der Pforte 1791. iſt Art. 11. aus - druͤcklich bedungen: die Unterthanen der andern Macht, die in ihrem Gebiete reiſen oder Geſchaͤfte halber ſich auf - halten, gut und nach den Rechten und Stipulationen zu behandeln. Polit. Journ. September 1791. S. 948. Als bey den ietzigen franzoͤſiſchen Unruhen, ein Theil der Nazion gegen die auswaͤrtigen Staaten, wo die Emi - granten ſich aufhielten, ſehr aufgebracht war, und Krieg gegen dieſelben verlangte, befahl der Koͤnig in einer Pro - clamation vom 4. Jaͤnner 1792. allen Commandanten unter andern: de veiller également à ce que tous les étrangers qui peuvent ſe trouver en France de quelque nation qu’ils ſoient, y jouiſſent de tous les égards de l’hoſpitalité et de la protection des loix en ſ’y conformant. Nur im aͤuſſerſten Nothfall iſt es erlaubt zum Dienſt des Staats, ſich z. B. der Schiffe und anderer Geraͤt - ſchaften fremder Unterthanen ꝛc. zu bedienen. Moſers erſte Grundlehren S. 144.
b]
c]Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 34. Beduͤrfenden - fals ſind auch die an dem Orte befindlichen auswaͤrtigen Geſandten befugt, ſich der Unterthanen ihrer Nazion, ſo weit es ſeine habenden Befehle oder die Gerechtigkeit und Ehre uͤberhaupt erlauben, gegen die ihnen zugefuͤgten Beleidigungen anzunehmen. Real Science d. g. Tom. V. c. 1. Sect. 15.
c]
d]Vattel L. II. c. 10. §. 139. So erhielt z. B. Por - tugall bey dem Erdbeben in Liſſabon ꝛc. von Grosbritan - nien und Spanien alle Unterſtuͤtzung. Moſers Verſuch 6. Th. S. 77.
d]
e]So heißt es in dem Handelsvertrage zwiſchen Frankreich und Rußland von 1787. Art. 1. Les hautes parties contractantes ſ’engagent tant pour Elles-mêmes,Y 5que346Von den Gerechtſamenque pour leurs ſujets ſans aucune exception, non ſeulement à éviter tout ce qui pourroit tourner à leur préjudice reſpectif, mais encore à ſe donner mutuellement des temoignages d’affection et de bienveillance à ſ’entreaider par toutes ſortes de ſecours et de bons offices en ce qui concerne le com - merce etc. und in dem Vertrage zwiſchen Portugal und Rußland von eben dieſem Jahre Art. 1. de ſe trai - ter reciproquement en bons amis dans toutes les occaſions et d’éviter non ſeulement tout ce qui pourroit tourner au préjudice des vns ou des autres, mais de ſ’entre aider mutuellement par toutes ſortes de bons offices, ſurtout en ce qui concerne la navigation et le commerce. Man vergl. 1. Th. 1. B. 6. Kap. §. 16.
e]
*]Io. Schilter diſſ. iura peregrinorum. Ien. 1676.
*]

§. 20. Betragen der Fremden in einem Lande.

Dagegen duͤrfen aber auch die in einem Lande be - findlichen Fremden nichts unternehmen, wodurch die oͤffentliche Ruhe geſtoͤhrt oder den Landesbewohnern einige Beleidigung zugefuͤgt werden koͤnte. Widrigen - fals iſt die Landesregierung, welcher die Beſchuͤtzung der eignen Unterthanen in einem noch vorzuͤglichern Grade obliegt, befugt, den fremden Beleidiger zur Genugthuung und zum Erſatz des ienen etwa zugefuͤg - ten Schadens anzuhalten a]. Sie hat daher das Recht, alle nicht nur wuͤrklicher Vergehungen ſchuldige, ſon - dern auch blos verdaͤchtige Perſonen von andern Na - zionen in ihrem Lande in Verhaft nehmen und ſie nach Befinden beſtrafen zu laſſen b]. Doch erſtreckt ſich dies Befugnis nicht auf dieienigen, welche in andernLanden347in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Landen etwas unerlaubtes begangen haben, wenn nicht beſondere Veranlaſſungen von der andern Seite des - halb vorhanden ſind c], ſondern ſie genieſſen hier ſo lange des Schutzes, als ſie ſich den Geſetzen des Staats gemaͤs betragen d].

a]Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 398. 401. Deſ - ſen Verſuch 6. Th. S. 23.
a]
b]Ebendeſſelben Anfangsgruͤnde S. 270. u. Verſuch 6. Th. S. 45.
b]
c]In dem Belgrader Frieden zwiſchen Kaiſer Karl VI. und der Pforte 1739. Art. 18. iſt z. B. feſtgeſetzt: omnes praedones, raptores, etiamſi alterius partis ſubditi ſint, quos in ditione ſua deprehenderint, me - rito ſupplicio afficere vtraque pars adſtricta ſit, qui ſi deprehendi nequeant, Capitaneis aut praeſectis eorum, ſicubi eos latitare compertum ſuerit, indi - centur, iique illos puniendi mandatum habeant etc.
c]
d]Auf den Antrag des Gouvernements zu Bruͤſſel: den in den niederlaͤndiſchen Unruhen beruͤchtigten Hendrick van der Noot arretiren zu laſſen, ging das Reſultat der Beratſchlagungen der Generalſtaaten dahin: daß dieſer Menſch ihnen gar nicht bekannt ſey, daß er alſo keines beſondern Schutzes von ihnen genoͤſſe; daß aber die conſtitutionsmaͤſſige Freiheit der Republik es erfodere, daß derienige, der ſich in ſelbiger der buͤrgerlichen Geſel - ſchaft nicht unwuͤrdig macht, den Schutz der Geſetze ſo lange genieſſen muͤſſe, als er ſelbigen gehorcht; wie denn auch Ihro Hochmoͤgenden niemals bey einer der benach - barten Maͤchte ſich daruͤber beklagt haͤtten, daß ſie ver - ſchiedenen Perſonen, die an den Unruhen der Republik weſentlichen Antheil hatten, eine Freiſtatt und noch be - ſondere Gnadenbezeigungen bewilligt haben.
d]
§. 21.348Von den Gerechtſamen

§. 21. Wie ferne die Handlungen einzelner Glie - der der ganzen Nazion zuzurechnen?

Nicht alle Unternehmungen einzelner Unterthanen ſind indes als Handlungen der ganzen Nazion anzu - ſehn und ihr zur Laſt zu legen. Ob und in wie ferne ſolches geſchehen koͤnne, komt auf den Antheil an, den man dieſer dabey zuſchreiben kann. Wenn daher ein Mitglied derſelben gegen eine andere Nazion etwas vorgenommen, das Volk, oder deſſen Regent aber ihm ſolches weder geheiſſen oder Anleitung dazu gege - ben, noch nachher genehmigt oder auf irgend eine Art ſich deſſelben theilhaftig gemacht hat, ihnen auch keine Schuld oder Nachlaͤſſigkeit zum Vorwurf gereichet, daß ſie naͤmlich die Handlung, durch zweckmaͤſſige Vorkehrungen, haͤtten verhindern ſollen und koͤnnen; ſo findet auch keine Zurechnung gegen dieſelben Statt a]. Indes iſt die Nazion, deren Mitglied er iſt, wenn das rechtswidrige Unternehmen auſſer dem Territorium des andern Volks geſchehen, oder er ſich vor der Be - ſtrafung aus demſelben entfernt hat, allerdings ver - bunden, die gebuͤhrende Ahndung an ihm zu volſtrecken und den aus ſeinen Guͤtern moͤglichen Erſatz zu bewuͤr - ken b], oder denſelben der Nazion, welcher der Scha - den oder die Beleidigung zugefuͤgt worden, zur eignen Genugthuung auszuantworten c], weil die Verweige - rung der Strafe eine ſtilſchweigende Genehmigung des Vergehens in ſich ſchlieſſen wuͤrde. Die letztere iſt iedoch nicht befugt, ſich ienes Unterthanen durch eigene gewaltſame Wegnahme aus dem andern Territorium zu bemaͤchtigen d]. In Friedensſchluͤſſen und andern Ver - traͤgen wird uͤbrigens nicht ſelten ausdruͤcklich bedungen, daß dergleichen Vergehungen einzelner Unterthanennicht349in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.nicht der ganzen Nazion zur Laſt fallen, ſondern blos an dieſen gehoͤrig geahndet werden ſollen e].

a]Grotius L. II. c. 17. §. 20. 21. c. 21. §. 2. Sam. Cocceji introd. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. XII. L. 5. c. 6. §. 551. n. 2. Vattel L. II. c. 6. §. 71. ff. Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 27. ſeqq.
a]
b]Schrodt l. c. §. 34.
b]
c]Doch kann die Auslieferung nicht als Schuldigkeit ver - langt werden, wenn das andere Volk ſich nicht freiwillig dazu verſieht, ſondern man muß ſich an der eignen Be - ſtrafung ſeiner Nazion begnuͤgen. Schrodt l. c. §. 33. Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 403.
c]
d]Die Beſchwerden Polens uͤber Rußland, welches 1767. die Biſchoͤfe von Krakau und Kiow ꝛc. auf dem Reichs - tage zu Warſchau in Verhaft nehmen und nach Rußland abfuͤhren ließ. ſ. in Moſers Verſuch 6. Th. S. 98. ff.
d]
e]In dem Bredaer Frieden zwiſchen England und den Vereinigten N. Landen iſt Art. 23. verglichen: Quod ſi acciderit vt ab vllo ex ſubditis aut incolis alter - utrius partis contra hoc foedus quicquam fiat aut tentetur, amicitia haec foedus et ſocietas inter has nationes non idcirco interrumpentur aut infringentur, verum integra nihilominus perſtabunt, vimque ſuam plenariam obtinebunt, tantummodo illi ipſi, qui contra foedus praedictum commiſerint ſinguli punien - tur et nemo alius, iuſtitiaque reddetur et ſatisfactio dabitur illis omnibus quorum id intereſt, ab iis om - nibus qui contra hoc foedus quidquam commi - ſerint. Quodſi vero foederis ruptores non com - paruerint, neque ſe iudicandos ſubmiſerint, neque ſatisfactionem dederint praedicti illi vtriusque partis hoſtes iudicabuntur, eorumque bona, faculta - tes et quicunque reditus publicabuntur plenaeque ac iuſtae ſatisfactioni impendenda erunt earum iniuria -rum,350Von den Gerechtſamenrum, quae ab ipſis illatae ſunt, ipſique praeterea, cum in alterutrius partis poteſtate fuerint, iis poenis obnoxii erunt quas ſuo quisque crimine commeruerit; und im Liſſaboner Frieden zw. Spanien und Portugal 1668. Art. 9. Quoties contra tenorem hujus tra - ctatus incolae quidam, praeter iuſſum et mandatum vtrorumque reſpective regum, alteri damnum infe - rent illud reſarcietur et violatores, ſi deprehendi pot - erunt poenis ſubjicientur: Neque fas eſto hanc ob cauſam ad arma venire et pacem rumpere etc. M. vergl. oben 2. K. §. 11. u. 5. K. §. 13.
e]
*]Von der Gerichtsbarkeit uͤber Fremde in buͤrgerlichen und peinlichen Faͤllen, von den ihnen aufzulegenden Steuern ꝛc. wird in der Folge gehandelt werden.
*]

§. 22. Landesherrliche Rechte der teutſchen Reichs - ſtaͤnde hierbey, und zwar a] in Anſehung der Volksmenge.

Die Landesherrn haben in dieſen Stuͤcken groͤſten - teils gleiche Rechte, in ſo weit die Verfaſſung des Hauptſtaats nicht beſondere Vorſchriften deshalb ent - haͤlt. Den Reichsſtaͤnden in Teutſchland ſteht ſowohl in Beziehung gegen andere unabhaͤngige Staaten, als gegen ihre Mitſtaͤnde a] frey, fuͤr die moͤglichſte Be - voͤlkerung ihrer Staaten, auch, wenn ſie Gelegenheit dazu haben, fuͤr die Anlegung auswaͤrtiger Colonieen Sorge zu tragen. Sie koͤnnen ſich hierzu aller zweck - maͤſſigen Mittel, iedoch ohne den Gerechtſamen anderer zu nahe zu treten, bedienen. Es iſt ihnen erlaubt, durch oͤffentliche Bekantmachung, Fremden, die aus andern europaͤiſchen oder teutſchen Provinzen, ſich bey ihnen niederlaſſen wollen, mancherley Vortheile zuver -351in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.verheiſſen b], nur duͤrfen ſie nicht durch Gebrauch der Emiſſarien oder anderer liſtigen Mittel, ſelbſt in andern Landen die Unterthanen abwendig zu machen und an ſich zu locken ſuchen c]. Sie ſollen uͤberhaupt eigentlich keine Unterthanen, beſonders Leibeigene d] ihrer Mitſtaͤnde anders annehmen, als wenn ſie von dieſen rechtmaͤſſig entlaſſen worden ſind e]. Ohne aus - druͤckliche Vertraͤge ſind ſie aber eben ſo wenig ſchuldig, dieienigen, die ſich der Sicherheit und des Schutzes wegen zu ihnen gefluͤchtet haben, auszuliefern f], als ihnen verwehrt werden kann, die Vertriebenen aufzu - nehmen g].

Der Auswanderung ſind ſie auf alle Art Schranken zu ſetzen befugt h], wo die Reichsgrundgeſetze i] oder andere Vertraͤge k] nicht beſondere Erlaubnis hierzu verſtatten, ohne daß iemand ſich daruͤber beſchweren duͤrfte l]. Sie haben das Recht, ihre Unterthanen, welche ohne Erlaubnis das Land verlaſſen, zuruͤckzufo - dern m] und koͤnnen Fremde, die ſich ungebuͤhrlich auf - fuͤhren, ausſchaffen n].

a]Moſers auswaͤrtiges Staatsr. 4. B. 11. K. und deſſen nachbatliches Staatsr. 3. B. 4. K. 4. B. 1. u. 8. Kap.
a]
b]So lud Kurbrandenburg, als bey der 1685. entſtan - denen Verfolgung der Reformirten in Frankreich, ſich verſchiedene Refugiés nach Teutſchland wandten, die - ſelben durch oͤffentliche Edicte, worinn ihnen mancherley Freiheiten verſprochen wurden, ein, und nahm ſie auf, obgleich Frankreich Beſchwerden dagegen fuͤhrte. Mo - ſers ausw. Staatsr. S. 295. 330. Verſchiedene Reichsſtaͤnde haben aͤhnliche Edicte erlaſſen, worinn ſie fremde Unterthanen, unter allerhand Verſprechungen, uͤberhaupt einladen, ſich bey ihnen niederzulaſſen. Ein dergleichen Kurbraunſchweigiſches Edict erſchien z. B. unterm 17. Febr. 1750. Moſers nachbarl. St. R. S.352Von den GerechtſamenS. 680. Deſſen Landeshoheit in Policeyſachen S. 31.
b]
c]Im Landfrieden 1548. Pr. §. 1. iſt ausdruͤcklich ver - boten, daß kein Reichsſtand des andern Unterthanen abziehn ſolle. Des 1768. gegen die liſtige Abwendig - machung der Unterthanen durch Briefe, Emiſſarien ꝛc. erlaſſenen kaiſerlichen Edicts habe ich ſchon oben Erwaͤh - nung gethan [§. 4. not. c.]. Bayern erließ 1764. den 28. Februar ein Patent, nach welchem dieienigen, welche Unterthanen zum Auswandern verleiten oder den Emiſſarien behuͤlflich ſeyn wuͤrden, mit Todesſtrafe be - legt werden ſollen. Moſers ausw. St. R. S. 330. Ein Kurtrieriſches Verbot von 1786. ſetzt auf die Ver - fuͤhrung zum Auswandern nach Befinden ebenfals Leib - und Lebensſtrafe. Polit. Journal Jun. 1786. S. 605. Vergl. Kurſaͤchſiſches Mandat vom 21. Aug. 1764. im Cod. Aug. Fortſetz. 1. Th. S. 883.
c]
d]Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 397. Verſchie - dene Reichsſtaͤnde haben deshalb noch beſondere Vertraͤge mit einander. Zwiſchen Kurpfalz und dem Hochſtift Speier wurde z. B. in einem Tractat von 1709. feſtge - ſetzt, daß kein Leibeigener ohne von beiderſeits Regierun - gen ausgefertigte Manumiſſionsſcheine, angenommen, ſondern bis dahin lediglich abgewieſen werden ſolten. Moſers nachbarl. St. R. S. 404. Vergl. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 241.
d]
e]Nach der goldenen Bulle Tit. 16. de Pfahlburgeris ſoll kein Reichsſtand des andern Unterthanen zu Unterthanen und Buͤrgern, beſonders zu ſogenanten Pfahlbuͤrgern [welche mit Beibehaltung der Wohnung unter ihrem vorigen Landesherrn, das Buͤrgerrecht in einer Reichs - ſtadt nahmen, um ſich dem Gehorſam und der Mitlei - denheit gegen ihre rechten Landesherrn zu entziehn] an - nehmen, ehe ſie von dem erſtern ihrer Pflicht entlaſſen worden ſind. ſ. Io. Iac. Wencker diſſ. de Pfahlbur -geris353in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.geris. Argent. 1692. und in deſſen Collectan. Iur. publ. Arg. 1702. 4. p. 1. ſeq. Olenſchlager Er - laͤuter. der G. B. S. 316. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 512. u. 679. Als vor einiger Zeit die Auswande - rungen aus der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen nach Oe - ſterreich zu haͤufig wurden, erklaͤrte der Kaiſer, auf die Vorſtellungen mehrerer teutſchen Fuͤrſten, daß dergleichen Emigranten kuͤnftig nur alsdann aufgenommen werden ſolten, wenn ſie von ihrer Landesobrigkeit Paͤſſe und Conceſſionen aufweiſen koͤnten. Polit. Journ. Jul. 1785. S. 692. vergl. S. 708.
e]
f]Wenn deren Aufnahme nicht ausdruͤcklich in den Reichs - geſetzen unterſagt iſt, wie unter andern der Reichsab - ſchied von 1555. §. 45. ff. ſolche in Abſicht der Befeh - der und die Policeyordnung von 1548. Tit. 22. §. 1. u. 1577. Tit. 23. §. 1. ff. wegen der bankerutirten Kaufleute verbieten. Auch die Auslieferung der Ver - brecher pflegt, ohne beſondere Uebereinkunft nicht zu ge - ſchehn, ſondern die Beſtrafung auf davon erfolgte An - zeige, an dem Orte des Aufenthalts volzogen zu wer - den, wovon weiter unten mehr zu handeln ſeyn wird. Doch wollen einige auch die Verbindlichkeit zur Auslie - ferung ſolcher Perſonen behaupten. M. vergl. Moſers ausw. Staatsr. S. 331. und deſſen nachbarl. St. R. S. 556. u. 687.
f]
g]Weil die Gerichtsbarkeit eines Landesherrn ſich nicht weiter als bis auf die Grenzen ſeines Gebiets erſtreckt, und die Verbannung zwar fuͤr den Uebelthaͤter in Ruͤck - ſicht des Staats, woraus er verbannt worden iſt, aber nicht fuͤr andere Landesherrn eine verbindliche Kraft hat. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 544. Ein anders iſt es, wenn iemand in die algemeine Reichsacht verfaͤlt.
g]
h]Auſſer dem ſchon oͤfter erwaͤhnten algemeinen kaiſerlichen Edict von 1768. haben auch verſchiedene einzelne Reichs - kraiſe und Reichsſtaͤnde dergleichen Verbote erlaſſen,Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Zweiche354Von den Gerechtſamenwelche Moſer im auswaͤrt. St. R. S. 205. und im nachbarl. St. R. S. 685. anfuͤhrt. Zu den neuſten gehoͤren noch ein Herzoglich Wuͤrtenbergiſches Edict vom 25. April 1782. und ein Kurtrieriſches von 1786. ſ. Polit. Journ. Jun. 1782. S. 636. u. Jun. 1786. S. 603. M. vergl. Io. Ge. Fr. Heyd diſſ. de iure emigrandi in Germania. Stuttg. 1775. Io. Ant. Lud. Seidenſtieker comment. de iure emi - grandi ex moribus Germanor. iure comm. ac L. L. Imp. conſtituto. Gotting. 1788. Ern. Henr. Oelrichs comm. de eo quod iuſtum eſt circa emigrationem civium Germaniae. Hal. 1788. 8.
h]
i]Wie z. B. im weſtphaͤliſchen Frieden das Emigriren der Religion wegen ausdruͤcklich erlaubt iſt.
i]
k]Kurſachſen und Brandenburg ſetzten im Hubertsburger Frieden 1763. Art. 6. feſt: qui auront changé ou voudront encore changer de domicile et le transferer de la domination de l’une ſous celle de l’autre des hautes parties contractantes, on ne leur fera point de difficulté a cet égard. Nach dem Grenzvertrage zwiſchen Frankreich und Wuͤrtenberg vom 21. May 1786. Art. 21. ſollen die beiderſeitigen Unterthanen in den ausgewechſelten Orten binnen Jahr und Tag von der Beſitzergreifung und Volziehung des Tractats ihren Wohnort veraͤndern, ſich unter eine oder die andere Ober - herſchaft begeben, und ihre Guͤter ohne irgend einen Ab - zug verkaufen koͤnnen.
k]
l]Doch beſchwerte ſich Kurpfalz uͤber das Hochſtift Speier, welches beguͤterten leibeigenen Unterthanen mehrmalen den Abzug in die kurpfaͤlziſchen Lande verweigerte. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 686. Auch Branden - burg beſchwerte ſich 1730. uͤber die Stadt Nuͤrnberg, daß dieſe ihren Buͤrgern das Emigriren ins Brandenburg -Bay -355in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.Bayreuthiſche unter dem Vorwand verbiete, ſie habe ein kaiſerlich Privilegium, daß keiner ihrer Buͤrger ſich aus - waͤrts in einem unter fuͤnf Meilen von der Stadt gele - genen Ort ſich niederlaſſen duͤrfe. Moſers Reichsfama 6. Th. S. 514. 13. Th. S. 612. 15. Th. S. 106.
l]
m]Nur duͤrfen die Avocatorien in der Mitſtaͤnde Landen nicht ohne Concurrenz des Landesherrn angeſchlagen, oder die Unterthanen mit Gewalt daraus weggenommen werden. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 118. u. 687.
m]
n]Dies geſchieht auch entweder aus eigner Bewegung, z. B. bey ausbrechendem Kriege mit den feindlichen Un - terthanen; oder auf Anſuchen des andern Staats. Als bey den franzoͤſiſchen Unruhen die Emigranten im Kur - trieriſchen eine Art von Sammelplatz zur Bewafnung anlegten, erließ der Kurfuͤrſt, auf wiederholte Vorſtel - lungen und Beſchwerden von Frankreich den Befehl, daß alle Franzoſen, mit Ausſchlus der Frauenzimmer, Geiſtlichen, Civilperſonen und Particuliers, die mit ihren Familien in der Stille leben, und zu keinem Corps gehoͤren, binnen 8 Tagen ſich wegbegeben ſolten. Auch beurlaubte Soldaten, welche keine erweisliche Urſach ihres Aufenthalts in fremden Landen anzugeben wiſſen, und wohl gar der heimlichen Werbung und Verfuͤhrung der Unterthanen verdaͤchtig ſind, werden zuweilen fort - geſchickt. Moſers nachbarl. St. R. S. 341. vergl. deſſen Landeshoheit in Anſehung der Unterthanen S. 222.
n]

§. 23. b] In Anſehung des Standes, der Ehre ꝛc.

Im Verhaͤltnis gegen Auswaͤrtige iſt bey den teut - ſchen Landesherrn wegen wechſelſeitiger Anerkennung des einheimiſchen Standes, der Wuͤrden, Titel beiderZ 2Unter -356Von den GerechtſamenUnterthanen in des andern Landen eben das Rechtens, was unter den europaͤiſchen Nazionen deshalb ange - nommen iſt a]. Dies findet auch in Anſehung der Wuͤrden, Titel ꝛc. unter den Reichsſtaͤnden ſelbſt Statt b]. Nur was die Standeserhoͤhungen und Wappenertheilungen anlanget, wird der Kaiſer bekant - lich hierinn als die einzige Quelle derſelben durch ganz Teutſchland angeſehn, wenn ein Reichsſtand nicht be - ſondere Privilegien deshalb beſitzt c]. Ob man dem Reichsoberhaupte nun gleich dieſes Recht nicht in Zweifel ziehen kann, ſo werden doch deſſen Begnadi - gungen hierunter in den meiſten Reichslanden nicht ganz unbedingt, auch gewoͤnlich nicht eher anerkant d], als bis derienige, welcher dergleichen erhalten zu haben vorgiebt, ſich durch Vorzeigung des daruͤber erhaltenen Diploms e] behoͤrig legitimirt, und nach deshalb an - geſtelter Unterſuchung, die Notification ins Land er - gangen iſt. Gemeiniglich geſchieht auch vom Kaiſer ſelbſt eine Anzeige davon an den Landesherrn, deſſen Unterthan der Begnadigte iſt. Daß uͤbrigens derglei - chen kaiſerliche Standeserhoͤhungen und Titulaturen den Landesherrn keinen Nachtheil zufuͤgen ſollen, wird ausdruͤcklich in der kaiſerlichen Wahlcapitulation ver - ſichert f]: und ſo verſteht es ſich auch, daß Untertha - nen die von Mitſtaͤnden erhaltenen Titel, Wuͤrden ꝛc. nicht zum Nachtheil ihrer Landesfuͤrſten gebrauchen duͤrfen g].

Bey der Ehrloserklaͤrung eines Unterthanen komt es auf das Gutbefinden der Mitſtaͤnde an, ob ſie ihm bey ſich der Ehre wieder theilhaft werden laſſen wollen; doch kann dieſes allerdings bey dem erſtern Staate keine Wuͤrkung haben h].

a]Als Schuldigkeit koͤnnen die teutſchen Landesherrn, wie v. Roͤmer im Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 212. erinnert, freilich nicht verlangen, daß auswaͤrtige Na -zionen357in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.zionen die den Unterthanen von ihnen beigelegten Wuͤr - den ꝛc. erkennen. Das Anerkenntnis beruht auf den naͤmlichen Grund wie unter ſouverainen Staaten. Ein ſtaͤrkeres Recht koͤnten die Mitſtaͤnde haben dies zu ver - langen.
a]
b]Beſonders wird auch den militaͤriſchen Wuͤrden aus - waͤrts der ihnen, dem Titel nach, gebuͤhrende Rang zugeſtanden. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 572. Ein Landesherr iſt iedoch gar wohl befugt, die ſeinen Unterthanen von einem andern Landesherrn beigelegten Wuͤrden, wenn ein Bedenken dabey obwaltet, nicht zu erkennen. So erwaͤhnt Moſer im nachbarl. Staatsr. S. 672. daß der Herzog von Wuͤrtenberg ihm den von Kur Koͤln erhaltenen Geheimenraths-Titel deswegen nicht beigelegt habe, weil er ihn, ohne vorhergegangene landesherrliche Erlaubnis erlangt gehabt.
b]
c]Moſers Staatsrecht 5. Th. S. 386. ff. und deſſen Tr. von den Kaiſerl. Regier. Rechten ꝛc. S. 419. ff. Dergleichen Recht behauptet z. B. Oeſterreich in Abſicht ſeiner oͤſterreichiſchen Unterthanen vermoͤge Privilegiums Kaiſer Friedrich III. von 1453. und ſollen die von ihm Geadelte, wie Schroͤter im Oeſterr. Staatsr. 4. Stuͤck S. 150. ff. anfuͤhrt, durch das ganze teutſche Reich an - erkannt werden. Auch Bayern maaßt ſich dergleichen an, aber nach Moſers Verſicherung in der Abh. von der Landeshoheit in Gnadenſachen S. 18. ſoll der hier ertheilte Adel weder vom Kaiſer noch Reiche anerkannt werden. Es wird zwar auch den ſogenanten kaiſerlichen Pfalzgrafen in der groͤſſern Comitive, die Macht zu adeln ertheilt, ihre Edelleute werden aber faſt nirgends dafuͤr erkant. In Boͤhmen z. B. erging 1707. und oͤfter der ausdruͤckliche Befehl, daß die Nobilitationes und andere Privilegia welche von den Comitibus Pala - tinis ertheilet und ausgefertigt werden, fuͤr null und nichtig gehalten werden ſollen. Moſers Staatsr. 5. Th. Z 3S. 397.358Von den GerechtſamenS. 397. Vergl. Reuß teutſche Staatskanzley 20. Th. S. 449. Auch die uͤbrigen Rechte der Pfalzgrafen. als die Ehrlichmachung, Legitimation Unehelichgebohr - ner ꝛc. haben dermalen eine ſehr eingeſchraͤnkte Wuͤrkung. ſ. Ioſ. Lud. Ern. Püttmann prog. de poteſtate comi - tum palatinorum hodie valde reſtricta. Lipſ. 1784.
c]
d]Sogar in Boͤhmen iſt z. B. verordnet, daß dieienigen, welche von der kaiſerlichen Reichskanzley einigen Stand oder Praͤdicat erworben, ſich deſſen zwar in fremden Landen gebrauchen moͤgen, in dem Erbkoͤnigreiche Boͤh - men und deſſen incorporirten Landen aber nicht eher, als wenn ſie zuvor hieruͤber auch die Intimationes durch die Koͤniglich Boͤhmiſche Hofkanzley erlangt haben. Mo - ſer a. a. O. wo er auch aͤhnliche Verfuͤgungen von Kur - ſachſen, Brandenburg ꝛc. anfuͤhrt S. 401. ff. Der Kaiſer und Reichshofrath maſſen ſich uͤbrigens auch die alleinige Entſcheidung der uͤber den Adelſtand entſtehen - den Streitigkeiten im teutſchen Reiche an. Reuß a. a. O. 3. Th. S. 216. ff. Die weitere Ausfuͤhrung die - ſer Materie gehoͤrt mehr in die Lehre des teutſchen Staats - rechts. Man ſehe auch die hiehergehoͤrigen Schriften in Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsr. 3. Th. S. 326. ff.
d]
e]Um dadurch den eigenmaͤchtigen Anmaaſſungen eines Standes, einer Wuͤrde ꝛc. vorzubeugen. Es ſind des - halb 1674. 82. und oͤfter verſchiedene kaiſerliche Edicte in die Reichskraiſe erlaſſen worden; weil zu vernehmen ſey, daß in unterſchiedenen Orten die mittelbaren Reichs - glieder ꝛc. ſich ganz eigenmaͤchtig unterſtanden haͤt - ten, einander neue ihnen nicht zukommende Titel und Praͤdicate beizulegen, ohne daß ſie, oder ihre Vor - eltern die vorwendenden und fuͤhrenden Standeserhoͤhun - gen von den Roͤmiſchen Kaiſern durch ordentliche Con - ceſſionen erlangt haͤtten hinfuͤhro niemanden, wer der auch ſey, auf deſſen oder eines andern Anbringenoder359in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.oder Vorgeben einige Titel oder Praͤdicate von neuem nicht, er koͤnne es denn mit dem hierzu erfoderlichen Originalurkunden und Documenten in probanti forma belegen, attribuiret und zugeſchrieben werde. Moſer a. a. O. S. 403.
e]
f]Wahlkapitulation Art. XXII. §. 7.
f]
g]Wildvogel Conſil. r. 132. p. 253. fuͤhrt ein Reſpon - ſum der Juriſtenfacultaͤt zu Jena von 1699. an, wor - inn gezeigt wird, daß die Graͤfliche Regierung zu F *. nicht verbunden ſey, das von Koͤnigl. Maj. in P *. einem gewiſſen Doctor der Rechte und Advocaten ertheilte Praͤdicat eines Commiſſionsraths in den Regierungsver - ordnungen beizulegen, weil er ſich deſſen zum Praͤiuditz der graͤflichen Diener zu gebrauchen gemeinet.
g]
h]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 545. Vergl. Mich. Henr. Griebner diſſ. qua ius reſtituendi famam prin - cipibus imperii aſſeritur et vindicatur. Viteb. 1710.
h]

§. 24. c] In Anſehung des Haus - und Familien - ſtandes.

Hierinn koͤnnen die teutſchen Landesherrn ſowohl gegen auswaͤrtige Nazionen, als gegen ihre Mitſtaͤnde, die ihnen beliebigen Verordnungen treffen, z. B. die Verheirathung in - oder aus fremden Landen erlauben oder verbieten a]. Faſt durchgaͤngig iſt es aber den Geiſtlichen unterſagt, Perſonen, welche von auswaͤrts kommen, ohne die erfoderlichen Zeugniſſe und Erlaub - nis von der Obrigkeit ihres Landes, zu trauen b]. Die Legitimationen unehelicher Kinder hat zwar der Kaiſer das Recht durch ganz Teutſchland guͤltig zu ver - richten, iedoch werden ſie auch von den Landesherrn vorgenommen. Indes behaupten verſchiedene Rechts -Z 4lehrer360Von den Gerechtſamenlehrer, daß die letztern auſſer eines ieden Gebiete nicht guͤltig waͤren c]. Aber dies iſt wohl blos nach dem ſtrengen Rechte zu verſtehn, nach welchem dergleichen Handlungen auch unter ſouverainen Staaten auswaͤrts keine Wirkung haben, weil die Hoheitsrechte ſich nicht uͤber das Territorium hinaus erſtrecken. Nach einem faſt algemeinen Herkommen wird ihnen das Anerkent - nis in andern Landen nicht leicht verſagt werden. Ueb - rigens kann freilich kein Reichsſtand einen Unterthanen des andern legitimiren ꝛc. welches Recht nur dem Kai - ſer, nach den Reichsgeſetzen, gebuͤhrt, den kaiſerli - chen Pfalzgrafen hingegen werden auch in dieſem Stuͤcke hier und da Schwierigkeiten gemacht d].

a]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 680.
a]
b]Ebendaſelbſt S. 681.
b]
c]Ebendaſ. S. 673.
c]
d]Mich. Henr. Griebner diſſ. qua ius legitimandi prin - cipibus imperii aſſeritur ac vindicatur. Lipſ. 1705.
d]

§. 25. d] Aufnahme fremder Unterthanen zu Buͤrgern, Huldigung, Wildfangsrecht ꝛc.

In Teutſchland iſt es nicht ungewoͤnlich, daß ein Landesherr in des andern Landen Unterthanen habe, die im uͤbrigen unter der Landeshoheit der letztern ſtehn. So wie die meiſten der diesfalſigen beiderſeitigen Ge - rechtſame auf Vertraͤge und Herkommen beruht, ſo wird dem erſtern Landesherrn auch von den Untertha - nen in andern Landen, nach Befinden und den etwa habenden Beſitzungen die Huldigung geleiſtet oder nicht a]. Ja es leiſtet hier, vermoͤge Vertraͤge, wohl ein Landesherr dem andern eine Art von Huldigung b]. Noch gewoͤnlicher iſt in Teutſchland, ſchon obgedach -termaaſſen,361in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.termaaſſen, die Huldigung von eines andern Landes Unterthanen wegen Erbverbruͤderungen und anderer Staatsrechtsſervituten c]. In wie fern ein Fremder, der ſich in einem reichsſtaͤndiſchen Territorium nieder - laͤßt, zugleich das Buͤrgerrecht erwerbe, haͤngt von der Verfaſſung eines ieden Landes ab d].

Auch ſind im teutſchen Reiche viele Unterthanen andern Landesherrn mit Lehnspflicht zugethan, nicht nur in ſo fern ſie auswaͤrts Lehnguͤter beſitzen, ſondern es finden ſich haͤufig Guͤter im Lande, die von auswaͤr - tigen Landesherrn zu Lehn gehen e]. Dies ſind noch Ueberbleibſel des alten Feudalſyſtems; denn heutzutage wird, wegen der zu beſorgenden nachtheiligen Folgen, einem Unterthanen nicht leicht verſtattet, ſein Gut einem Auswaͤrtigen zu Lehn aufzutragen f].

Leibeigene haben, wenn ſie ohne entlaſſen zu ſeyn, an einem andern Orte wohnen, ebenfalls einen doppel - ten Landesherrn, da ſie in dieſem Falle, ihrem vorigen Herrn noch verpflichtet bleiben, bey ihm zur Huldigung erſcheinen, einen gewiſſen Zins erſtatten und andere hergebrachte Gerechtſame uͤber ſich erdulten muͤſſen g]. Ein beſonderes ſogenantes Wildfangsrecht hat hier - unter, vermoͤge alten Herkommens und der von Kaiſer Maximilian I. 1518. und nachher oͤfter beſtaͤttigten Privilegien, Kurpfalz in einem gewiſſen Diſtrict ſo - wohl in ſeinen als in verſchiedener benachbarten Lan - desherrn Territorien, daß alle auſſer einer rechtmaͤſſigen Ehe erzeugte Perſonen, und alle Fremde, die in Jahr und Tag keinen nachfolgenden Herrn haben, kurpfaͤl - ziſche Leibeigene oder Wildfaͤnge werden, uͤber welche Kurpfalz, auſſer der Huldigungs - und Dienſtpflicht, manche dem Landesherrn, unter dem ſie ſich befinden, beſchwerliche Gerechtſame ausuͤbt h], die ſchon zu vie - len Streitigkeiten Anlas gegeben haben, welche zum Theil durch den ſogenannten Heilbronner Schied vonZ 51667.362Von den Gerechtſamen1667. den Frankreich und Schweden, auf Anſuchen, zwiſchen Pfalz und den intereſſirten Reichsfuͤrſten, Trier, Koͤln, Speyer, Worms, Wuͤrzburg ꝛc. er - theilten, beigelegt und die pfaͤlziſchen Rechte naͤher beſtimt worden ſind i].

a]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 401. und deſſen Lan - deshoheit in Anſehung der Unterthanen S. 29. 45. ff. Vergl. Dav. Georg Struben Abh. Ein Unterthan kann in der Regel, ohne der Landesobrigkeit Genehmi - gung und Vorbewuſt, ſich in ein anderes Land begeben, und auch unter zweien Landesherrn Wohnung haben; in deſſen rechtl. Bedenken 5. Th. n. 76.
a]
b]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 3.
b]
c]v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 232. Vergl. Iuſt. Ge. Chladenius diſſ. de iuramento ſubjectionis ſpeciatimque in eventum praeſtari ſolito occaſione Art. XI. §. 7. Inſt. P. O. Witeb. 1727. 4.
c]
d]Moſer a. a. O. S. 679.
d]
e]Moſer von der Lehnsverf. S. 574. Vergl. deſſen auswaͤrt. Staatsr. S. 125. u. 301.
e]
f]W. X. Neumann de Buchholz diſſ. de iurisdictione feudali et ſuperiorit. territ. in ſubfeudis imp. Pragae 1716. und in Ienichen Theſaur. Iur. feud. Tom. III. p. 547.
f]
g]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 404. ff. v. Roͤmer a. a. O. S. 241.
g]
h]Moſer a. a. O. S. 406. ff. M. vergl. Henr. Hilde - brand diſſ. de iure Wildfangiatus Elect. Palat. pro - prio. Alt. 1717.
h]
i]Luͤnigs Reichs-Archiv Part. Spec. Kur Mainz S. 424. Du Mont Corps Dipl. Tom. VII. P. I. p. 10.
i]
§. 26.363in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.

§. 26. e] In Anſehung der Arbeiten auſſer Landes.

Auch die Landesherrn koͤnnen ihren Unterthanen, beſonders Kuͤnſtlern und Handwerkern verbieten, ſich ihrer Arbeit wegen auſſer Landes zu begeben a], und von den auswaͤrtigen oder benachbarten Staaten ſich brauchen zu laſſen; es ſey nun, daß das Land ſie ſelbſt noͤthig habe, oder daß man Auswaͤrtigen dadurch nicht gewiſſe Vortheile uͤberliefern wolle, oder aus andern Urſachen b]. Die Auswaͤrtigen haben kein Recht ſich daruͤber zu beſchweren.

a]So erging in Kurſachſen nicht nur 1668. ein Befehl wegen Verleitung der Blechſchmiede und Arbeiter von den ſaͤchſiſchen Hammerwerken, ſondern 1677. auch einen wegen den Meſſingwerke, worinn es heißt: Dem - nach verlauten will, ob wolten nicht allein in denen be - nachbarten Landen, und nahe angrenzenden Orten neue Meſſingwerke aufgerichtet werden, ſondern auch dieieni - gen Perſonen, welche auf dem in Unſerm Kurfuͤrſten - thum und Landen befindlichen Meſſingwerke zu Nieder - auerbach zeithero in Arbeit geſtanden, ſich von dar und auſſer Landes auf ſelbige Meſſingwerke begeben, welches ſowohl uns und unſern Landen, als bemeldetem Nieder - auerbaͤchiſchen ꝛc. zu nicht geringem Schaden und Nachtheil gereichen wuͤrde, und wir daher uͤber dem Vorhaben beruͤhrter Arbeiter ein ungnaͤdiges Misfallen tragen Als befehlen wir auf dieſe Leute ein wachſames Auge zu haben und ihnen anzudeuten, daß bey Vermeidung hoher Leibesſtrafe oder des Veſtungs - baues, auf fremden auslaͤndiſchen Meſſingwerken ſie ſich zu dergleichen Arbeit nicht gebrauchen laſſen ſollen, we - niger gar auſſer Landes ſich zu begeben, ſ. Caſp. Henr. Horn364Von den GerechtſamenHorn diſſ. de deſertoribus civitatum eorumque poena. Witeb. 1708.
a]
b]Ein merkwuͤrdiges Mandat erſchien 1738. in Bayern, daß beſonders auch die Maͤgde, wegen daraus zu beſor - gendem Nachtheil fuͤr die Religion nicht auſſer Landes und vornaͤmlich nicht bey uncatholiſchen Herſchaften die - nen ſolten. Es heißt darinn unter andern: So viel aber in ſpecie die ledige Dienſtmaͤgd, oder andere Maͤgdlen und dergleichen Weibsperſonen anlanget; nachdem die taͤgliche Erfahrung giebt, daß von ihnen das Auslauffen an fremde uncatholiſche Orte eine Zeithero, aus Conni - venz ihrer Eltern, Vormuͤnder und Befreundten, wie auch der Obrigkeiten und Beamten allzugemein gemacht werden wollen, und zwar mehrenteils ohne Noth, aus lauter Muthwillen und um uͤppiger Kleider-Hoffarts willen, oder damit ſie nur deſto freiers und ungezaͤum - ters Leben fuͤhren moͤgen; durch welches, wie auch ſonſten durch allerhand Schenk - und Verſprechungen und anderen ſchmeichleriſchen Einblaſen, ſchon manche Per - ſon zu dem leidigen Abfall von dem Catholiſch - allein ſeeligmachenden Glauben und Annehmung anderer Reli - gionen gebracht und verfuͤhret worden, oder noch in Gefahr ſtehen ꝛc. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 533.
b]

§. 27. f] Religionsfreiheit der Unterthanen.

In Abſicht der Religionseigenſchaft der teutſchen Unterthanen, ihrer Rechte und Freiheiten hierunter auch im Verhaͤltnis zu andern Landesherrn, ihres Rechts zu emigriren, geben die teutſchen Reichsgrund - geſetze, beſonders der Religions - und weſtphaͤliſche Friede groͤſtenteils hinlaͤngliche Beſtimmungen an die Hand, welche in den Lehrbuͤchern des teutſchen Staats -rechts365in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.rechts zu erſehen ſind. Da die Kronen Frankreich und Schweden, ſchon oben erinnertermaaßen, wegen der uͤbernommenen Garantie dieſes letztern Friedens, ſo wie die uͤbrigen contrahirenden Theile deſſelben, das Recht und die Verbindlichkeit haben, fuͤr deſſen Auf - rechthaltung auch in Anſehung der Religionsfreiheit der teutſchen Unterthanen zu ſorgen; ſo kann es dieſer bey erleidenden reichsgrundgeſetzwidrigen Bedruͤckungen nicht verwehrt werden, bey ienen und ihren Glaubens - verwandten Reichsſtaͤnden Huͤlfe zu ſuchen a]. Bloſſe freundſchaftliche Interceſſionen ſind wohl auch andern Staaten erlaubt. Eben ſo wenig kann einzelnen Lan - desherrn, oder auch den geſamten Staͤnden eines Re - ligionstheils das Recht ſtreitig gemacht werden, ſich ihrer Glaubensgenoſſen ſowohl bey Auswaͤrtigen, als bey ihren Mitſtaͤnden durch behufige Vorſtellungen und andere zweckdienliche Mittel anzunehmen b]. Die Auf - nahme und Dultung fremder von der herſchenden Re - ligion eines Landes abweichenden Glaubensgenoſſen ſind ebenfals nach obigen Grundgeſetzen und der Ver - faſſung eines ieden Staats zu beurteilen. Der Ju - denſchutz war ſonſt ein kaiſerliches Reſervat, das nur durch Privilegien einzelnen Staͤnden ertheilt wurde, wird aber itzt, vermoͤge der Landeshoheit faſt durchgaͤn - gig ausgeuͤbt c].

a]M. ſ. unter andern Fabers Staatskanzley 38. Th. S. 224. 40. Th. S. 438. ꝛc.
a]
b]Dieſes Recht haben iedoch die Catholiſchen dem evan - geliſchen Reichstheile oͤfters ſtreitig machen wollen. ſ. Moſers Reichsfama 6. Th. S. 383. und 766. 7. Th. S. 524. ꝛc. M. vergl. die Schriften in Puͤt - ters Litteratur des teutſchen Staatsr. 3. Th. S. 189. beſonders: Ge. Chr. Gebauer diſſ. de iure corporis evangelici va - lide intercedendi mutationibus ſtatus anni decreto - rii. Gotting. 1752. Io. 366Von den GerechtſamenIo. Iac. Ioſ. Sündermahler diſſ. de iure intercedendi in cauſſis religionis non cuivis permiſſo. Herbip. 1759. und in Opuſc. n. 7.
b]
c]Iac. Aug. Franckenſtein diſſ. de iuribus ſingularibus circa iudaeos maxime in Germania. Lipſ. 1722. und mehrere Schriftſteller beim Puͤtter a. a. O. S. 605. ff.
c]

§. 28. g] In Anſehung des Vermoͤgens.

Das Nachſteuer - und Abzugsrecht wird von den teutſchen Landesherrn in Anſehung des Vermoͤgens, welches durch Auswanderung oder Erbſchaft in fremde Lande geht, eben ſo ausgeuͤbt, wie unter den europaͤi - ſchen Staaten, und kann durch Vertraͤge gemindert oder ganz aufgehoben werden a]. Das Albinagialrecht wird gewoͤnlich nur als Retorſion gegen Frankreich oder andere Staaten, wo es hergebracht iſt, ausgeuͤbt; doch iſt dieſes Recht, wie ich oben bereits angemerkt habe, in neuern Zeiten von Frankreich gegen die meh - reſten Reichsſtaͤnde aufgehoben worden b].

a]In dem Handelsvertrage zwiſchen Frankreich und Me - ckelnburg 1779. Art. 3. wurde unter andern verglichen, daß die franzoͤſiſchen Unterthanen, welche mit Erlaubnis aus dem Lande in das Meckelnburgiſche gezogen, ohne Abzugsgeld, oder andere Abgaben, wieder dahin zuruͤck - kehren koͤnnen, und ſo auch die meckelnburgiſchen Un - terthanen.
a]
b]Moſers auswaͤrt. Staatsr. S. 331. Iac. Aug. Franckenſtein diſſ. de vſu albinagii in Ger - mania. Francf. 1719. Iuſt. Chr. Dithmar diſſ. de iure albinagii in Germ. Frcf. 1721. Vergl. Puͤtters Litteratur 3. Th. S. 610. ff.
b]
§. 29.367in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.

§. 29. h] Sicherheit und Schutz der Fremden in Teutſchland.

Die Grundſaͤtze des europaͤiſchen Voͤlkerrechts ſind hierinn auch bey den teutſchen Landesherrn, ſowohl ge - gen Auswaͤrtige, als gegen Mitſtaͤnde anwendbar. So lange des andern Unterthanen in fremden Landen ſich aller Beleidigungen und unerlaubten Handlungen enthalten, muͤſſen ſie auch allen Schutz daſelbſt genieſ - ſen; wenn dieſer aber auch auſſer Landes uͤber fremde Unterthanen ſich erſtrecken ſoll, muͤſſen beſondere Ver - traͤge zum Grunde liegen. Ohne Wiſſen und Willen des Landesherrn iſt indeſſen dergleichen und beſonders der auswaͤrtige Schutz teutſcher Unterthanen, welcher zu Abbruch der dem Kaiſer deshalb zuſtehenden algemei - nen Rechte gereichet, keinesweges erlaubt a]. Verge - hungen fremder Unterthanen koͤnnen, wenn dieſe im Lande anzutreffen ſind, ſofort geahndet, oder es muß, wenn ſie auſſerhalb ſich befinden, auf geſetzmaͤſſige Art Genugthuung gefodert werden, die auch ienen wieder - fahren muß, wenn ſie in fremden Landen beleidigt wor - den ſind.

a]Moſers ausw. Staatsr. S. 326. Deſſen nachbarl. Staatsr. S. 514. Vergl. Io. Henr. Bocris diſſ. de eo quod circa protectionem ſubditorum alterius do - mini territorialis inter ſtatus imperii iuſtum eſt. Bamb. 1751.
a]
Viertes368

Viertes Buch. Von der Landesregierung und den verſchiede - nen Beſtimmungen der Oberherſchaft in einem Staate im Verhaͤltnis gegen an - dere Nazionen.

Erſtes Kapitel. Von der Feſtſetzung einer gewiſſen Regierungsform.

§. 1. Begrif der Regierungsform oder Conſti - tution eines Staats.

Jeder unabhaͤngige Staat erfodert eine hoͤchſte Ge - walt, [Majeſtaͤt, Souverainetaͤt,] welche die zur gemeinſchaftlichen Gluͤckſeeligkeit vereinigten Willen und Kraͤfte der in eine Staatzgeſelſchaft ver - bundenen Mitglieder und Landesbewohner dieſer Abſicht gemaͤs regiere und anwende. Die Ernennung derieni - gen Perſonen, welche dieſe Gewalt und die dazu gehoͤ - rigen Rechte nach ihrem ganzen Umfange, oder wenig - ſtens die weſentlichſten derſelben, beſitzen, die Bedin - gungen, unter welchen ihnen ſolche anvertraut, und die Art, wie ſie ausgeuͤbt werden ſollen, geben demStaate369Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.Staate die Form, unter welcher er ſich als ein politi - ſcher Koͤrper darſtelt und beſtimmen die Regierungs - form oder die Conſtitution und Verfaſſung deſſelben. Die umſtaͤndlichere Ausfuͤhrung dieſer Materie gehoͤrt in das algemeine Staatsrecht, und indem ich die Kent - nis der daſelbſt angenommenen Grundbegriffe voraus - ſetze, will ich hier nur ſoviel davon beruͤhren, als zu dem gegenwaͤrtigen Zwecke[erforderlich] ſeyn duͤrfte.

§. 2. Verſchiedene Arten derſelben.

Es ſind verſchiedene Beſtimmungen hierunter moͤg - lich. Die gewoͤhnlichſte Eintheilung wird iedoch daher genommen, ob die hoͤchſte Gewalt nur einer phyſiſchen Perſon, oder mehrern, die zuſammen eine moraliſche Perſon ausmachen, uͤbertragen iſt: die erſtern werden Monarchieen, und die Perſon, der Monarch oder Souverain, die andern Republiken genannt. Von den letztern giebt es wieder zwey Hauptgattungen, naͤmlich Ariſtocratieen und Democratieen, ie nachdem die mehrern Perſonen blos in einer Auswahl der Na - zion, oder in dem ganzen Volke beſtehen. Alle dieſe nennt man einfache Regierungsformen. Daraus, daß dieſe wieder verſchiedentlich zuſammengeſetzt wer - den koͤnnen, entſtehen die vermiſchten, welche iedoch darnach beurteilt zu werden pflegen, wo die meiſten und vorzuͤglichſten Majeſtaͤtsrechte ſich beiſammen fin - den a]. Hierzu komt noch das Staatenſyſtem, wenn mehrere unabhaͤngige Staaten, zu Befoͤrderung des gemeinſchaftlichen Wohls, in eine gleiche Geſelſchaft als ein politiſcher Staatskoͤrper zuſammentreten [Syſte - ma foederatorum civitatum].

Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. A aVon370Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.

Von den heutigen ſouverainen Staaten in Europa gehoͤren bekantlich zu den Monarchieen, 1] Portu - gal, 2] Spanien, 3] Frankreich, 4] Teutſchland, 5] Grosbritannien, 6] der Kirchenſtaat, 7] Neapel und Sicilien, 8] Sardinien, 9] Malta, 10] Daͤne - mark, 11] Schweden, 12] Polen, 13] Preuſſen, 14] Ungarn, 15] Rußland und 16] die Pforte. Re - publiken ſind: 1] die vereinigten Niederlande, 2] die Schweitz, 3] Venedig, 4] Genua, 5] Lucca, 6] Ra - guſa und 7] San-Marino, wovon die vier vorletzten eine ariſtokratiſche, die letzte aber eine ariſto-demokra - tiſche Regierung haben. Die beiden erſtern hingegen machen Staatskoͤrper verbundener Voͤlker oder Staa - tenſyſteme aus, in deren verſchiedenen einzelnen Staͤd - ten und Cantons die demokratiſche Regierungsform eingefuͤhrt iſt b].

a]Zu den vermiſchten Regierungsformen werden Teutſch - land, Grosbritannien, Polen ꝛc. gerechnet. Ob aber gleich in verſchiedenen dieſer Staaten das Volk und deſ - ſen Repraͤſentanten die Staͤnde, an der Regierung groſ - ſen Antheil haben, ſo werden ſie doch billig zu den Mo - narchieen gerechnet, weil die eigentliche Majeſtaͤt auf einer phyſiſchen Perſon beruhet; dahingegen Venedig, Genua, und die einzelnen Provinzen der Vereinigten N. Lande dennoch zu den Republiken gehoͤren, obgleich die erſten beiden durch eine Perſon, den Doge vorgeſtelt werden, und die letztern einen Statthalter haben, weil dieſe nur als Glieder des hoͤchſten Magiſtrats anzuſehen ſind, und die Rechte der hoͤchſten Gewalt weder in ihrem ganzen Umfange noch die weſentlichſten derſelben, auch nicht die perſoͤnliche Majeſtaͤt beſitzen, ſondern nur im Namen iener Gewalt gewiſſe Hoheitsrechte ausuͤben. Vergl. de Martens precis du droit d. g. L. I. c. 3. §. 20.
a]b] de371Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
b]de Martens l. c. Die naͤhere Erlaͤuterung uͤber die Regierungsformen der europaͤiſchen Staaten ſehe man in den Schriften von der Statiſtik. Vergl. Verſuch uͤber den Urſprung und die Bildung der europaͤiſchen Regie - rungsformen; in den philoſ. und hiſtor. Abhandlungen der Koͤnigl. Geſelſchaft der Wiſſenſchaften in Edinburgh, aus dem Engl. Goͤtting 1789. S. 1 122.
b]
*]Die geringern Souverainetaͤten als Monaco, Bouillon, Gerſau ꝛc. kommen hier kaum in Betrachtung, ſo wie die Staaten, deren Unabhaͤngigkeit ſtreitig iſt; zumal die letztern groſſenteils von andern Souverains mit be - ſeſſen werden.
*]

§. 3. Staatsgrundgeſetze.

Vermoͤge der Freiheit und Unabhaͤngigkeit hat iedes Volk das Recht, lediglich nach eigner Wilkuͤhr ſich eine Regierungsform zu waͤhlen, welche es fuͤr die beſte, oder ſeinen Verhaͤltniſſen am zutraͤglichſten haͤlt. Dies pflegt durch gewiſſe Vertraͤge zwiſchen dem Volke und denen, welchen die Ausuͤbung der hoͤchſten Gewalt anvertraut wird, zu geſchehen. Man nennt ſolche Grundvertraͤge oder Grundgeſetze des Staats [pacta fundamentalia, leges fundamentales] und ſie geben die vorzuͤglichſte Norm, nach welcher der Re - gent die Regierung des Staats einzurichten verbunden iſt, und wornach die beiderſeitigen Verhaͤltniſſe und die Grenzen der Macht des Regenten zu beurteilen ſind. Das Wohl des Staats erfodert fuͤr deren Aufrechthal - tung die vorzuͤglichſte Sorgfalt zu tragen und ſolche gegen innere und aͤuſſere Verletzungen zu verwahren a]. Indes fehlt es auch hier an Beiſpielen nicht, daß der - gleichen Grundgeſetze mit Concurrenz fremder Nazionen errichtet worden b].

A a 2a] Vattel372Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
a]Vattel droit d. g. L. I. c. 3. §. 29.
a]
b]In Anſehung Polens, wo 1768 auf dem Reichstage, dem die ruſſiſchen und preuſſiſchen Miniſter beiwohnten, und auf welchem die Diſſidenten in alle ihre Rechte wie - der eingeſetzt und die Grundgeſetze des Koͤnigreichs unterſchrieben wurden, durch welche man die Gewalt der erſten Beamten der Republik einſchraͤnkte, aͤuſſert der Koͤnig von Preuſſen in ſeinen hinterlaſſenen Werken [5. Band] ſelbſt, daß ſo viele Anmaaſſungen einer Art von Souverainetaͤt, die ſich fremde Maͤchte in dieſer Republik erlaubten, endlich alle Gemuͤther empoͤren muͤſſen.
b]

§. 4. Streitigkeiten uͤber die Regierungsver - faſſung.

Wenn uͤber dieſe Grundgeſetze und uͤber die Regie - rungsverfaſſung uͤberhaupt Zweifel entſtehen, ſo iſt niemand als die Theilhaber befugt, ſich der Entſchei - dung anzumaaſſen, oder eine Erklaͤrung der zweifel - haften Grundgeſetze vorzunehmen a]. Keinesweges aber ſteht einer andern auswaͤrtigen Nazion einiges Recht hierunter zu b]; wiewohl beſonders dieienigen, welche etwa eine Garantie hierbey uͤbernommen haben, ſich nicht ſelten dergleichen anzumaaſſen pflegen.

a]Vattel droit d. g. L. I. c. 3. §. 36. In dem Ver - trage zwiſchen dem Hauſe Oeſterreich und den Koͤnigen von Preuſſen und Grosbritannien ingleichen den Ver - einigten N. Landen vom 10. December 1790. wegen der Niederlaͤndiſchen Unruhen iſt z. B. ausdruͤcklich feſt - geſetzt: Comme il eſt impoſſible de déterminer tou - jours un ſens tellement clair à la lettre des ſtipu - lations conſtitutionelles, que, par la ſuite des temset373Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.et des circonſtances, il ne ſe préſente jamais des cas douteux, ſujets à des interpretations difficiles et que jusqu’ici il n’a pas été aſſéz prévu ni réglé, quelle devroit être en pareil cas la voye[décisive] à l’amiable pour prevenir toute aigreur entre le Prince et ſes peuples, S. M. promet, que dans tous les cas il y auroit des doutes ou des difficultés ſur l’eſprit ou le ſens de quelque Article de Conſtitution de l’une ou de l’autre province, il ſera nommé des Commiſſaires par S. M. et que les états de la Pro - vince que la difficulté concernera, en nommeront de leur côté, pour ſ’expliquer et ſ’entendre en - ſemble ſ’il eſt poſſible etc.
a]
b]Die franzoͤſiſche Kriegserklaͤrung gegen den Kaiſer 1733. geht daher unter andern dahin: L’Empereur a entre - pris de prononcer ſans autorité ſur ce qui ſ’étoit paſſé dans l’interieur de la republique de Pologne; il a decidé en legislateur ſouverain des loix qui doivent ſubſiſter en Pologne et des fondemens de la liberté qu’il a voulu renverſer. Moſers Reichsfama 15. Th. S. 508.
b]

§. 5. Einmiſchung anderer Nazionen.

Ueberhaupt darf keine Nazion ſich unterſtehn, etwas gegen die Regierungsverfaſſung einer andern zu unter - nehmen a], oder ſich in Gegenſtaͤnde, welche dieſelbe betreffen, ſo wenig als in die uͤbrigen innern Angele - genheiten b] zu miſchen und ſich irgend ein Recht hier - bey anzumaaſſen c]; ſie muͤſte denn, wie bey den Strei - tigkeiten zwiſchen der Oberherſchaft und dem Volke bereits erinnert worden, von der andern Nazion dar - um erſucht werden d] oder vermoͤge einer uͤbernomme -A a 3nen374Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.nen Garantie oder ſonſtigen Verbindlichkeit e], oder ihres eignen Wohls und Intereſſe wegen, wohin man auch die Nachbarſchaft und Bundsgenoſſenſchaft zu rech - nen pflegt, dazu berechtigt ſeyn f]. Das bloſſe Er - bieten einer freundſchaftlichen Vermittelung kann ihr indes nicht fuͤglich als Beleidigung angerechnet werden, ſondern wird eher zuweilen mit Dank angenommen g]. Selbſt dritte Nazionen wollen oͤfters nicht zugeben, daß Fremde ſich in die Conſtitution einer andern miſchen und deren Freiheit dadurch in Gefahr ſetzen h]. Dieienigen, welche einigen Grund zur Einmiſchung zu haben glauben, pflegen den uͤbrigen Nazionen von ihren Maasregeln Nachricht zu erteilen i].

a]Schrodt Syſt. I. Gent. P. I. c. 2. §. 19. Vattel l. c. §. 30.
a]
b]M. vergl. oben 1. B. 4. Kap.
b]
c]Der Koͤnig in Grosbritannien aͤuſſerte in einem Me - moire an die Generalſtaaten vom 5. Jul. 1788. in Be - tref der damaligen Unruhen in den N. Landen wegen des Erbſtatthalters: Er habe ſich alles deſſen ſorgfaͤltig ent - halten, was auf die innern Beratſchlagungen des Staats haͤtte Einflus haben koͤnnen Da aber ſeit kurzem zwey reſpectable freundſchaftliche und benachbarte Maͤchte [Preuſſen und Frankreich] Ihro Hochmoͤgenden ihre auf die gegenwaͤrtige Lage ſich beziehenden Geſinnungen erklaͤrt haben, ſo wuͤrde Sr. Maj. glauben, ihren be - ſtaͤndigen Geſinnungen entgegen zu handeln, wenn ſie noch laͤnger verzoͤgerten, ihre aufrichtigen Wuͤnſche fuͤr die innere und aͤuſſere Ruhe der Republik und fuͤr die Aufrechthaltung der gegenwaͤrtigen Conſtitution zu erken - nen zu geben. Der Koͤnig glaubt zugleich erklaͤren zu muͤſſen, daß nichts ſeinen Abſichten ſo ſehr zuwider ſey, als ein fuͤr die Ruhe und Unabhaͤngigkeit der Republik ſo gefaͤhrliches Beiſpiel, wie eine fremde Intervention in die innern Angelegenheiten der Republik ſeyn wuͤrde,zu375Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.zu geben, deren freie Direction beſtaͤndig in den Haͤnden derer beibehalten werden muß, denen ſie durch die Con - ſtitution anvertraut worden ꝛc. Polit. Journal Julius 1788. S. 709. Zuweilen verſprechen die Nazionen einander noch ausdruͤcklich, ſich in dieſe Angelegenheiten nicht zu miſchen, wovon ich ſchon oben am a. O. Bei - ſpiele angefuͤhrt habe, oder ſie verbinden ſich auch mit andern gegen die Einmiſchung dritter Nazionen. In dem Buͤndniſſe zwiſchen Polen und Preuſſen von 1790. Art. 6. heißt es z. B. Si quelque puiſſance étran - gère que ce ſoit vouloit à titre d’actes et ſtipulations précedentes quelconques ou de leur interpretation ſ’attribuer le droit de ſe mêler des affaires internes de la republique de Pologne ou de ſes Dependences en tel tems ou de quelque matière que ce ſoit, S. M. le Roi de Pruſſe ſ’employera dabord par ſes bons offices les plus efficaces pour prevenir les hoſtilités par rapport à une pareille prétention: Mais ſi ces bons offices n’avoient pas leur effet, et que des ho - ſtilités reſulteroient à cette occaſion contre la Pologne, S. M. le Roi de Pruſſe en reconnoiſſant ce cas comme celui de l’Alliance, aſſiſtera alors la republique.
c]
d]Der grosbritanniſche Geſandte im Haag, Ritter Harris gab in einem Memoire vom 14. Aug. 1787. den Ge - neralſtaaten zu erkennen, daß der Koͤnig von Grosbri - tannien, da er erfahren habe, daß die Staaten von Seeland und Frießland ihre Geneigtheit zu erkennen ge - geben, die Mediation einiger benachbarten Maͤchte zu fodern, und da er die Herſtellung der Ruhe in der Re - publik und die Erhaltung der wahren Conſtitution ſehr zu Herzen nehme, ſo ſey er geneigt, alles was von ihm abhange, anzuwenden, daß die Unterhandlungen einen gluͤcklichen feſten und dauerhaften Ausgang haben moͤ - gen. Polit. Journal 1787. S. 774. Auch der Koͤnig von Preuſſen ließ unterm 5. Sept. 1787. denA a 4Geueral -376Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.neralſtaaten erklaͤren, daß Sr. Maj. mit Vergnuͤgen das Verlangen der Staaten von Geldern und Utrecht, Dero Mediation zu Stillung der innern Unruhen zu der der Hoͤfe von Verſailles und London beizufuͤgen vernom - men haͤtten, und daß ſie die Einladung, die Ihnen zu dem Ende gethan werden moͤchte, mit Bereitwilligkeit annehmen wuͤrden. Sr. Maj. verſicherten, daß Die - ſelben an der Ruhe und dem Wohlſtand der Republik Theil naͤhmen und eifrig wuͤnſchten, daß die alte Con - ſtitution, welche ſo ungluͤcklicherweiſe zum Wanken ge - bracht worden, durch eine freundſchaftliche Uebereinkunft aufrecht erhalten werde ꝛc. Ebendaſ. Sept. 1787. S. 877.
d]
e]Die Einmiſchungen wegen uͤbernommener Garantie kom - men haͤufig vor. Dies geſchah unter andern nach wei - ter anzufuͤhrenden Beiſpielen von den beiden Seemaͤchten Grosbritannien und den Vereinigten N. Landen bey den Belgiſchen Unruhen zu Gunſten des Hauſes Oeſterreich. Vergl. Hiſt. polit. Magazin Sept. 1790. S. 273. ff.
e]
f]Dieſer Titel des beſondern dabey habenden Intereſſe iſt allerdings von ſolchem Umfange, daß, wie Martens précis du droit d. g. L. III. c. 2. §. 52. S. 77. be - merkt, nicht leicht ein Fall eintreten wird, bey welchem andere Nazionen, nach Gutbefinden, daher nicht einen Vorwand ſolten hernehmen koͤnnen, ſich darein zu miſchen. Was die benachbarten Maͤchte Rußland, Preuſſen und Oeſterreich vor und bey der Theilung von Polen hier - unter mehrmalen geaͤuſſert haben, verdient bemerkt zu werden. In der ruſſiſchen Expoſition des droits des Diſſidens etc. heißt es z. B. Les engagemens qui tirent leur origine du voiſinage, ont rapport à la convenance reciproque des differentes formes de Gouvernement, et l’avantage de ſe pouvoir prêter un ſecours mutuel. Ces engagemens ſont ſouvent ſi étroits qu’une attention non interrompue a tout cequi377Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.qui concerne une puiſſance voiſine, ſoit à l’égard de ſa ſureté au dehors ou de ſa Conſtitution inte - rieure eſt néceſſairement compriſe dans un plan d’état et occupe la prémière place après les ſoins qu’on doit à ſa propre conſervation. Par cette raiſon la Pologne peut être aſſurée qu’elle trouvera en tout tems dans la Ruſſie une fidele Alliée qui prend a Coeur le maintien de ſa Conſtitution, puis - que les atteintes qu’on y pourroit porter, concer - nent à pluſieurs égards le bonheur et le repos de la Ruſſie. Moſers Verſuch 6. Th. S. 224. Unter Vermittelung dieſer Maͤchte wurde bekantlich auch da - mals die Conſtitution in Polen abgeaͤndert und garantirt. Ebendaſ. 5. Th. S. 94 101. Bey den Unruhen in den Vereinigten N. Landen we - gen des Erbſtatthalters ſchrieb der Koͤnig von Preuſſen 1785. an die Generalſtaaten: S. Maj. waͤren zwar nicht gemeint, ſich in die innern Angelegenheiten des dortigen Freyſtaats zu miſchen, da ſie aber von der Bil - ligkeit und Gerechtigkeit der Staaten uͤberzeugt waͤren; ſo wuͤrden dieſe Ihnen nicht verdenken, wenn ſie bey dem Schickſale eines Ihnen ſo nahe verwandten Fuͤrſten und deſſen Hauſes nicht gleichguͤltig ſeyn koͤnten. Po - lit. Journ. Oct. 1785. S. 1036. Dies wurde mehrmalen wiederholt und unter andern auch im May 1786. erklaͤrt: Sr. Maj. nehme blos als Freund und naͤchſter Nachbar an der Wohlfahrt der Vereinigten Pro - vinzen Antheil, und werde daher ſeine guten Dienſte, ſeinen Rath und ſeine Zwiſchenkunft bereitwillig anwen - den. Nach der Meinung des Biſchof von Landaff, die er in einer Parlamentsſitzung aͤuſſerte, ſind alle Nazio - nen in Europa als eine Kette zu betrachten, wovon iedes Glied zur Erhaltung des Ganzen weſentlich nothwendig ſey, daher Preuſſen und Grosbritannien, nach den Grundſaͤtzen der Selbſtvertheidigung, dem Natur - undA a 5Voͤl -378Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.Voͤlkerrechte ganz gemaͤs, ſich in die innern hollaͤndiſchen Angelegenheiten gemiſcht haͤtten. Polit. Journ. De - cember 1787. S. 1159.
f]
g]Vattel L. I. c. 3. §. 37. Zu dergleichen Vermitte - lungen haben ſich mehrere europaͤiſche Nazionen erboten. Durch die franzoͤſiſche wurde z. B. 1738. die Conſtitu - tion der Republik Genf regulirt. Im Eingange der dar - uͤber errichteten Urkunde heißt es: S. M. Tres-Chre - tienne étant informée de l’extréme danger ſe trou - voit cette Republique qu’Elle a toujours honoré de ſa bienveillance; et faiſant d’ailleurs attention à l’Alliance qu’Elle a avec elle, a bien voulu lui ac - corder ſa mediation conjointement avec celle des louables Cantons de Zurich et de Berne La quelle médiation fut acceptée par tous les differens ordres de la Republique. In Anſehung der Dankbarkeit beſchloſſen die General - ſtaaten 1787. dem Koͤnige von Preuſſen ſolche feierlichſt deswegen durch ihren am Hofe zu Berlin befindlichen Geſandten, den ſie mit dem Botſchafscharacter beklei - deten, fuͤr die wuͤrkſame Vermittelung darzubringen, in - dem die preuſſiſchen Waffen die gluͤcklichſte Revolution in der Republik volbracht haben, wodurch die wahre Con - ſtitution des Landes gegruͤndet und die erblichen Rechte des Erbſtatthalters geſichert worden. Dies geſchahe auch am 2. Januar 1788. Man bemerkte hierbey in Ber - lin, daß dieſe Geſandſchaft in ihrer Veranlaſſung und Art das einzige Beiſpiel in der Geſchichte ſey, indem die Geſandſchaft der Republik Genua, zu welcher Ludewig XIV. dieſen gegen ihn ſo kleinen Staat noͤthigte, damit nicht verglichen werden koͤnne. Aehnliche Dankſagung ſolte auch dem Londner Hofe, wegen deſſen ſtandhafter Mitwuͤrkung geſchehen. Polit. Journ. December 1787. S. 1187. Januar 1788. S. 74.
g]h] So379Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
h]So ließ der franzoͤſiſche Hof den Generalſtaaten bey den Unruhen wegen des Erbſtatthalters erklaͤren, daß er die Einmiſchung fremder Maͤchte in die innere Angelegen - heiten der Republik auf keine Art zulaſſen wuͤrde. Po - lit. Journ. April 1786. S. 407. Vergl. May S. 496. Nach der durch Grosbritannien und Preuſſen wieder hergeſtelten Ruhe verlangten dieſe beiden Maͤchte daher auch von Frankreich eine beſtimte Erklaͤrung, daß es die wiederhergeſtelte alte Conſtitution von Holland ge - nehmige und die wiedererlangten Vorrechte des Erbſtatt - halters billige. Polit. Journ. Octb. 1787. S. 976. u. 1014.
h]
i]Der Koͤnig von Preuſſen z. B. ließ ſeine Maasregeln gegen die Vereinigten N. Lande allen groſſen und inter - eſſirten Hoͤfen in Europa, auch denen zu Petersburg und Madrid notificiren. Polit. Journ. Sept. 1787. S. 867. Vergl. de Martens précis L. III. c. 2. §. 60.
i]

§. 6. Garantie und Aufrechthaltung der Con - ſtitution.

Um einer Regierungsverfaſſung deſto mehr Dauer und Sicherheit gegen innere und aͤuſſere Erſchuͤtterun - gen zu geben, pflegen Nazionen oͤfters ſich ſolche von andern garantiren und verſprechen zu laſſen, ihnen bey vorfallenden gewaltſamen Angriffen auf dieſelbe Bei - ſtand zu leiſten. Dieſe Garantie erfolgt, auf Erſu - chen, gemeiniglich von denen, welche bey Feſtſetzung der Conſtitution mit gewuͤrkt haben. Dieienigen, welche dergleichen uͤbernommen haben, koͤnnen dann, bey eintretendem Falle, der andern Nazion, wenn ſie es verlangt, die verſprochene Huͤlfe nicht wohl verwei -gern.380Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.gern a]. Zuweilen errichten ſogar dritte Maͤchte unter ſich Vertraͤge uͤber die Garantie der Regierungsverfaſ - ſung einer andern Nazion, wenn ihnen an deren Auf - rechthaltung beſonders gelegen iſt b]. Auch iſt eine ehemals uͤbernommene Garantie ſchon wieder aufgekuͤn - digt und zuruͤckgenommen worden c]. Uebrigens ſind hier die bey den Garantieen uͤberhaupt guͤltigen Grund - ſaͤtze anwendbar.

a]Dergleichen Garantieen haben in neuern Zeiten untern andern die bey der Theilung von Polen intereſſirten Maͤchte, beſonders Rußland, in Anſehung der 1775. verbeſſerten polniſchen Conſtitution, und Grosbritannien und Preuſſen bey den Vereinigten N. Landen wegen Auf - rechthaltung der Erbſtatthalterwuͤrde uͤbernommen. In dem Vertrage von 1773. worinn Polen an Preuſſen gewiſſe Lande abtrat, verſprach letzteres zugleich Art. 6. in voraus: S. M. le Roi de Pruſſe ayant déclaré vou - loir contribuer par ſes bons offices à rétablir le calme et le bon ordre en Pologne ſur un pied ſolide et permanent, garantira toutes et telles conſtitutions qui ſeront faites d’un parfait concert avec les Mi - niſtres des trois cours contractantes en la Diete actuellement aſſemblée a Varſovie, ſous le noed de la Conſéderation tant ſur la forme du gouvernement libre republicain et independent, que ſur la pacifica - tion et l’état des Diſſidens et pour cet effet, il ſera dreſſé un Acte, ſeparé contenant les dites Con - ſtitutions, lequel ſera ſigné par les Miniſtres et Com - miſſaires reſpectifs comme faiſant partie du préſent traité. Eben dahin lautete auch der Ceſſionsvertrag mit Rußland. Die Garantie der Erbſtatthalterſchaft in den Vereinig - ten N. Landen wurde vorerſt in zwey beſondern Vertraͤ - gen, welche dieſe Republik mit Grosbritannien und Preuſſen unterm 15. April 1788. ſchlos, bedungen. Es381Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.Es heißt daſelbſt im erſtern Art. 3. und im letztern Art. 9. S. M. garantit de la manière la plus efficace le Stadhonderat héréditaire ainſi que la charge du Gouverneur héréditaire de chaque province dans la Séréniſſime maiſon d’Orange avec toutes ſes charges et prérogatives, comme faiſant partie eſſentielle des Provinces Unies en ſ’engageant à maintenir cette forme de Gouvernement contre toute attaque et en - trepriſe directe et indirecte de quelque nature qu’elle puiſſe être. Dann ſtelten auch die ſieben Provinzen der Vereinigten N. Lande eine beſondere Garantie-Acte unterm 3. Julius 1788. aus, worinn ſie ſich zu Auf - rechthaltung dieſer Conſtitution verbanden: und endlich kamen Grosbritannien und Preuſſen in dem Buͤndniſſe vom 13. Aug. 1788. Art. 5. uͤberein: Les hautes parties contractantes ſ’engagent de nouveau et promettent d’agir en tout tems de concert et en con - fiance mutuelle, pour maintenir la ſureté, l’indépen - dence et le Gouvernement de la Republique des Pro - vinces-Unies conformement aux engagemens qu’Elles viennent de contracter avec la dite Republique etc.
a]
b]Wie z. B. Rußland und Preuſſen ſich verbanden, die 1720. in Schweden eingefuͤhrte Reichsverfaſſung auf - recht zu erhalten.
b]
c]Bey den neuern zu Genf entſtandenen Unruhen 1781. erklaͤrte der Koͤnig in Frankreich, daß er ſich der im Jahre 1738. zu Garantirung der Genfer Staatsverfaſ - ſung eingegangenen Verbindung fuͤr erledigt halte und den Cantons Zuͤrch und Bern dieſe Sache allein uͤberlaſſe. Dieſe nahmen aber in der Folge ebenfals ihre verſpro - chene Garantie zuruͤck und hoben ihre Friedensmediation auf. Polit. Journ. Octob. 1781. S. 341. und Februar 1782. S. 209.
c]
§. 7.382Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.

§. 7. Veraͤnderung der Regierungsform.

So wie iede Nazion das Recht und die Freiheit hat, ihre urſpruͤngliche Regierungsform und Verfaſ - ſung nach Gutbefinden feſtzuſetzen, ſo muß es ihr, wenn es mit Einwilligung ſaͤmtlicher intereſſirten Theile geſchieht, auch erlaubt ſeyn, ſolche in der Folge, wenn es die Umſtaͤnde erfodern, zu verbeſſern und umzuaͤn - dern a]. Kein ander Volk iſt an ſich befugt, dies zu verhindern, es muͤſte denn durch beſondere Verbind - lichkeiten b] oder durch ein wegen Verletzung ſeiner eig - nen volkomnen Rechte dabey habendes Intereſſe, hier - zu berechtigt ſeyn c]. Ob aber eine blos im algemeinen uͤbernommene Garantie hinlaͤnglich ſey, ſich einer vor - zunehmenden Veraͤnderung der Regierungsform zu wi - derſetzen, leidet eben die Zweifel, welche ich ſchon oben [2. B. 2. Kap. §. 2. und 6. Kap. beſonders §. 6.] bey der Landesveraͤuſſerung wegen obwaltender Garan - tie bemerkt habe. Da die Garantie in der Regel mehr zum Nutzen derer, welche ſich die Aufrechthaltung ver - ſprechen laſſen abzweckt, damit keine gewaltſamen und widerrechtlichen Veraͤnderungen vorgehen, ſo kann die - ſes, wenn ſie mit Einverſtaͤndnis aller Theilhaber ge - ſchehen, die garantierende Nazion ſchwerlich zu einem Widerſpruche berechtigen, wenn ſie ſonſt kein weſent - licheres Intereſſe dabey hat d]. Eben ſo wenig duͤrfen andere Nazionen ein Volk zu Veraͤnderung ſeiner Con - ſtitution noͤthigen, oder ſich anderer unerlaubter Mittel hierzu bedienen e].

a]Vattel droit d. g. L. I. c. 3. §. 31. ff. Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 20. de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 2. §. 60.
a]b] Wenn383Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
b]Wenn z. B. eine Nazion der andern ein Land mit der Bedingung abgetreten hat, daß die vorige Regierungs - verfaſſung und alle Rechte und Freiheiten daſelbſt beibe - halten werden ſollen; wovon ich ſchon oben Beiſpiele angefuͤhrt habe.
b]
c]So kann Preuſſen, welches die Anwartſchaft auf die Statthalterwuͤrde der Vereinigten N. Lande hat, nicht geſchehen laſſen, daß dieſe Waͤrde vernichtet werde. Polit. Journ. Sept. 1787. S. 887. Bey der Note der ottomanniſchen Pforte an die auswaͤrtigen Mi - niſter in den polniſchen Angelegenheiten, vom 23. No - vember 1788., worinn es heißt: Es iſt unerhoͤrt unter Nazionen, daß eine die andere, ihre Nachbarin verhin - dern koͤnne, dieienigen Beratſchlagungen anzuſtellen, welche ſie fuͤr dienlich erachtet, ihr innerliches Syſtem in ihrer Regierungsart zu verbeſſern oder zu aͤndern, wird im Hiſtoriſch-polit. Magazin Februar 1789. S. 206. die Anmerkung gemacht: Wenn dieſe Ver - aͤnderungen einer benachbarten Nazion, die noch dazu die gegenwaͤrtige Verfaſſung garantirt hat, ſchaͤdlich ſind, wenn ſie das Gleichgewicht aͤndern und andern ge - faͤhrlich wird, ſo hat die garantirende Macht allerdings ein Recht, dieſen Neuerungen vorzubeugen, und es waͤre gar nicht unerhoͤrt, wenn ſie dieſelben mit Gewalt zu verhindern ſuchte.
c]
d]Hieruͤber entſtand beſonders zwiſchen Rußland, Polen und Preuſſen Streit bey der neuen Veraͤnderung der pol - niſchen Conſtitution, welche erſteres aus dem Grunde einer uͤber die vorige aufhabenden Garantie verhindern wolte. Aus den deshalb gewechſelten Staatsſchriften will ich nur einige der vorzuͤglichſten Stellen anfuͤhren. Der ruſſiſche Miniſter erklaͤrte unterm 5. November 1788. gegen Polen: Er habe ſich bisher ein gaͤnzliches Stillſchweigen auferlegt und keine Vorſtellungen in Ab - ſicht der Beſchluͤſſe der Erlauchten Staͤnde gemacht,welche384Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.welche zwar ſchon die im Jahre 1776. mit den drey Hoͤfen verabredete Conſtitution uͤbertreten, aber doch nicht geradezu die Garantie-Acte von 1775. verletzten. Die Befehle der Kaiſerin, ſetzte er hinzu, haben immer ſo deutliche Beweiſe von den geneigten Geſinnnungen Ihro Maj. gegen die polniſche Nazion gegeben, daß der Unterzeichnete gewuͤnſcht haͤtte, ſich nie in die unange - nehme Nothwendigkeit verſetzt zu ſehn, gegen eine Ver - letzung der durch die Garantie-Acte von 1775. feierlichſt beſtaͤtigten Regierungsform zu proteſtiren. Indeſſen bewegt doch die in verſchiedenen Projecten enthaltene Ab - ſicht, einen immerwaͤhrenden Reichstag zu errichten, und folglich die ganze Regierungsform umzuſtuͤrzen, den Un - terzeichneten, im Namen Ihro Maj. der Kaiſerin zu er - klaͤren, daß, ſo ungern ſie auch der Freundſchaft ent - ſagt, welche ſie Sr. Maj. dem Koͤnig und der Erlauch - ten Republik gewidmet hat, Sie doch die mindeſte Ver - aͤnderung in der Conſtitution von 1775. fuͤr nichts an - ders, als einen Bruch des Tractats wuͤrde anſehn muͤſ - ſen. Polit. Journ. November 1788. S. 1213. Die Preuſſiſchen Aeuſſerungen aber gingen unterm 19. Nov. 1788. dahin: Sr. Maj. glaube von der Klugheit und der erprobten Standhaftigkeit der Staͤnde des Reichstags erwarten zu koͤnnen, daß ſie ſich von einer ihrer weiſen Vorſicht ſo viel Ehre machenden Ein - richtung durch die Anfuͤhrung oder Vorſtellung irgend einer beſondern Garantie der vorigen Conſtitutionen nicht werden abwendig machen laſſen, als welche die Repu - blik nicht hindern kann, daß ſie nie mehr die Form ihres Gouvernements verbeſſern ſolte, beſonders nach den ganz neuerlich erfahrnen Misbraͤuchen, in welche nicht ein - mal den urſpruͤnglichen Stipulationen der Tractate von 1773. gemaͤs iſt, auf welche die Garantieen gegruͤndet ſind, indem ſie auf dem Reichstage 1775. blos durch dieienige Macht unterzeichnet worden, welche ſie itztreclamirt.385Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.reclamirt. Der Koͤnig iſt richt weniger willig und bereit, gegen die Durchl. Republik ſeine Allianz - und algemeine Garantieverbindungen zu erfuͤllen, beſonders um ihr ihre Unabhaͤngigkeit zu ſichern, ohne ſich uͤbrigens in ihre innere Angelegenheiten zu miſchen, auch die Freiheit ihrer Deliberationen und Reſolutionen einſchraͤn - ken zu wollen, als welche er vielmehr aufs beſte garan - tiren wird. Polen entgegnete darauf in einer Note an den preuſ - ſiſchen Geſandten vom 8. December 1788. Die Na - zion, unwillig uͤber die ungewoͤhnliche und uneinge - ſchraͤnkte Auslegung der Garantie ihrer Regierungsform, treibt ihre Beſorgniſſe nicht ſo weit, daß ſie ſich uͤber eine ihrer Unabhaͤngigkeit gemaͤſſe Garantie beunruhigen ſolte. Eine ſolche iſt dieienige, welche Sr. Koͤnigl. Preußil. Maj. in ihrer Declaration bezeichnen, als eine algemeine Garantie der Unabhaͤngigkeit der Republik, ohne ſich in ihre innere Angelegenheiten zu miſchen, nach der Freiheit ihrer Beratſchlagungen und Entſcheidungen einigen Zwang anzuthun; eine Garantie, welche von dem Garant nie wider die Republik gebraucht werden kann, und welche ſelbſt zu ſeinen Gunſten wider den Be - leidiger ihrer Souverainetaͤt, ihrer Freiheit und Integri - taͤt ihrer Beſitzungen nicht anders als auf das Verlan - gen der auf dem Reichstage verſamleten Staͤnde ge - braucht werden kann. Bekantlich kam auch dieſe Aenderung dennoch zu Stande. Auch wegen der Schwediſchen Regierungsform aͤuſſerte Rußland bey den Streitigkeiten dieſer beiden Maͤchte in dem Jahre 1788. in dem Manifeſt gegen Schweden vom 30. Jun. / 11. Jul. Als der Koͤnig von Schweden auf eine gewaltſame Weiſe in Schweden die Regierungsform, worauf die Macht des Senats und die Freiheit des VolksGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. B bſich386Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.ſich gruͤndeten, uͤber den Haufen warf, und ſo die Allein - macht errang, haben wir bis ietzt Unſer Recht, Uns dieſem zu widerſetzen nicht geltend gemacht, obgleich die Stipulation des Nyſtaͤdter Friedens, die in dem letz - ten Aboiſchen Frieden in ihrem ganzen Umfange beſtaͤttigt worden ſind, ſich dadurch offenbar verletzt finden. Ein ſolches Benehmen von Unſerer Seite gruͤndet ſich auf die Vermuthung, daß iene Ereigniſſe das Wohl Schwedens nicht erſchuͤttern, noch eine nachteilige Folge auf die Ruhe der Nachbarn haben konten. Polit. Journ. Aug. 1788. S. 826.
d]
e]de Martens l. c. p. 87.
e]

§. 8. Anerkennung der Regierungsform.

Wenn eine Nazion fuͤr gut gefunden hat, ihre Con - ſtitution zu verbeſſern oder umzuaͤndern, ſo pflegt ſie den uͤbrigen, beſonders denen, mit welchen ſie in freundſchaftlichen Verhaͤltniſſen ſteht, ſolches bekant zu machen a]; und dieſe koͤnnen mit Grunde die Aner - kennung der neuen Regierungsverfaſſung nicht verwei - gern, wenn die Veraͤnderung auf eine rechtmaͤſſige Art geſchehen und ihren etwa dabey habenden Rechten da - durch nicht zu nahe getreten worden iſt b].

a]Der polniſche Geſandte zu Wien, Graf von Woyna, machte dem kaiſerlichen Hofe die am 3. May 1789. zu Warſchau erfolgte Revolution in der Conſtitution in einem eignen Memoire bekant, und erhielt deshalb die Gluͤckwuͤnſche von dem Corps diplomatique und andern hohem Adel ꝛc.
a]
b]Als aber nach der Hinrichtung Koͤnig Karls I. in Eng - land 1649. das ſogenannte Rumpparlement dieſes Reich in die Form einer Republik umgieſſen wolte, fanden deſ -ſen387Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.ſen Geſandte an den auswaͤrtigen Hoͤfen ſchlechte Auf - nahme, und wurden in Holland und Spanien gar er - mordet.
b]

§. 9. Teutſche Landesherrn.

Auch die landeshoheitlichen Staaten, und beſon - ders die der teutſchen Reichsſtaͤnde, werden nach ver - ſchiedenen Formen regiert. Allein dieſe haben, weil ſie nicht voͤllig unabhaͤngig ſind, und keinen ſelbſtſtaͤn - digen Staat ausmachen, ſondern als Theile eines an - dern Hauptſtaats gelten, allerdings in Anordnung ihrer Regierungsverfaſſung und deren Veraͤnderung nicht dieienige Freiheit, welche den unabhaͤngigen Nazionen hierunter zuſteht. Sie koͤnnen keine Veraͤnderung vor - nehmen, wenn ſie auch der Verfaſſung ihres Landes nicht zuwider waͤre, und mit Einwilligung ihrer Land - ſtaͤnde geſchaͤhe, weil das ganze Reich dabey intereſſirt iſt, und eine iede Haupaͤnderung auf das Reichsſyſtem einen Einflus haben wuͤrde; wogegen ihnen irgend et - was zu unternehmen nicht erlaubt iſt a]. Eben ſo we - nig kann das Reichsoberhaupt fuͤr ſich allein, weder in Anſehung der ganzen Reichsverfaſſung, noch in der Einrichtung einzelner Staaten ſich einer Aenderung an - maaſſen b]. Noch weniger haben auswaͤrtige Nazio - nen einiges Recht hierunter oder duͤrfen von den Lan - desherrn in ſolcher Abſicht gebraucht werden c]. Es gehoͤrt vielmehr zur Obliegenheit und zum Wohl des Reichsoberhaupts und ſaͤmtlicher Glieder fuͤr die Auf - rechthaltung der Reichsverfaſſung die moͤglichſte Sorg - falt zu tragen: wie denn ſelbſt Auswaͤrtigen ſolche nicht ganz gleichguͤltig zu ſeyn pflegt. Und ob wohl die Kla - gen uͤber Verletzung der Reichsverfaſſung von dieſerB b 2und388Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.und iener Seite nicht ſelten ſind, ſo fehlt es doch auch an Beiſpielen nicht, daß der Kaiſer d] und die Lan - desherrn ſowohl unter ſich e] als mit fremden Nazio - nen f], oder auch wohl dieſe letztern allein g] ſich zu Erhaltung der Conſtitution des teutſchen Reichs nicht nur im Ganzen, ſondern auch deſſen einzelnen Staa - ten, durch Vertraͤge verbindlich gemacht haben.

a]In einem Commiſſionsdecret vom 17. Maͤrz 1727. macht der Kaiſer dem Koͤnige von Grosbritannien als Kurfuͤrſten von Braunſchweig daher den Vorwurf, daß er ſich bemuͤhe, das innerliche Reichsſyſtem, mit Hint - anſetzung derer Ihro und dem Reich von Ihnen als Kur - fuͤrſten abgeſchwornen Eid und Pflichten umzukehren und in der That uͤber den Haufen zu werfen, durch den Herrnhaͤuſer Tractat andere Mitſtaͤnde und auswaͤrtige Potenzien, wider die Reichsverfaſſung und deutlichen Innhalt des weſtphaͤliſchen Friedens in hoͤchſtverderbliche Verbindungen zu verleiten. ſ. Moſers Reichsfama 1. Th. S. 384.
a]
b]Bey Gelegenheit des vor einigen Jahren unter verſchie - denen Reichsſtaͤnden errichteten ſo berufenen Fuͤrſtenbun - des ließ der Kaiſer an mehrern europaͤiſchen Hoͤfen er - klaͤren, daß das Mistrauen, als wenn Sr. Kaiſerl. Maj. Willens waͤren, die teutſche Conſtitution zu ver - aͤndern, ungegruͤndet ſey, daß Allerhoͤchſt dieſelben viel - mehr bereit waͤren, ſich an die Spitze einer Confoͤdera - tion zu ſtellen, deren Abſicht ſeyn ſolte, die Conſtitution des teutſchen Reichs aufrecht zu erhalten, und ihre Rechte und Privilegien zu ſchuͤtzen; und um die Staͤnde des Reichs auf die werkthaͤtigſte Art zu uͤberzeugen, wie feſt Sr. Kaiſerl. Maj. entſchloſſen ſey, die geſetzmaͤſſige Reichsverfaſſung im Ganzen und Einzeln genommen, unverruͤckt aufrecht zu erhalten, wolten ſie gedachten Staͤnden eine foͤrmliche und feierliche Verbindung unmit - telbar mit dem Reichsoberhaupte ſelbſt anbieten ꝛc. ſ. Krais -389Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.ſ. Kraisſchreiben des Kaiſers an alle ſeine Miniſter im teutſchen Reiche wegen des baieriſchen Laͤndertauſches im Polit. Journ. Jul. 1785. S. 745. und die ſchon oben angefuͤhrten Schriften uͤber den Fuͤrſtenbund ꝛc.
b]
c]Wie es nach der Wahlkapitulation verboten ſey, fremde Maͤchte in die innere Reichsverfaſſung miſchen zu laſſen, habe ich ſchon erinnert.
c]
d]Daß das neue Buͤndnis zwiſchen dem Kaiſer und Preuſ - ſen von 1791. hauptſaͤchlich die Aufrechthaltung und Garantie der Conſtitution und Rechte des teutſchen Reichs zur Grundlage habe, wurde von beiden Hoͤfen ausdruͤck - lich erklaͤrt. Polit. Journ. Januar 1792. S. 14. ff. In dem Buͤndniſſe zwiſchen dem Kaiſer und Kur - ſachſen von 1733. verſprach erſterer Art. 7. Die Ver - faſſung des Kurhauſes Sachſen, wie ſie in einem lang - wierigen ruhigen Beſitz gegruͤndet, gegen iedermaͤnniglich zu handhaben oder zu gewaͤhren.
d]
e]In dem mehrgedachten Bunde einiger Kur - und Fuͤrſten des Reichs von 1785. verſprechen die Theilhaber Art. 1. ſich die Aufrechthaltung und Befeſtigung des teutſchen Reichsſyſtems nach dem weſtphaͤliſchen und andern ver - bindlichen Reichsfriedensſchluͤſſen, der Kaiſerl. Wahl - kapitulation, und den uͤbrigen Reichsgeſetzen zum un - veraͤnderlichen, ſorgfaͤltigen Augenmerk zu nehmen; und Art. 6. Wo auch uͤbrigens in irgend einem Stuͤcke der algemeinen Reichsverfaſſung Schaden, Gefaͤhrde, Ein - griffe, Neuerungen, Kraͤnkungen, Bedruͤckungen und Stoͤhrungen zu beſorgen ſeyn koͤnnen, ſolches alles wol - len dieſelben mit gemeinſchaftlichen nachdruͤcklichen geſetz - maͤſſigen Maasregeln abzuwenden, zu hemmen und uͤber - haupt den Ruheſtand des ganzen Reichs auf alle Weiſe zu handhaben bedacht ſeyn.
e]
f]Hieher gehoͤren mehrere Vertraͤge, welche die teutſchen Reichsſtaͤnde, beſonders vor dem weſtphaͤliſchen Frieden, mit Frankreich, Schweden und andern auswaͤrtigen Na -B b 3zionen390Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.zionen geſchloſſen haben. Auch gehoͤrt dahin das Buͤnd - nis zwiſchen Daͤnemark und Brandenburg von 1676. wo, nach Art. 13., der Kaiſer, als des Reichs Ober - haupt bey ſeiner Autoritaͤt, die Kurfuͤrſten und Staͤnde bey ihren Freiheiten wider alle auswaͤrtige Turbatores geſchuͤtzt, und die Reichsconſtitutionen bey ihrer Kraft erhalten werden ſollen.
f]
g]Im Eingange der Haager Allianz zwiſchen England, Holland und Daͤnemark von 1625. heißt es z. B. Comme ainſi ſoit, que d’un commun conſentement et en conſidération des mauvaiſes et très-dangereuſes menées, outrages, violences et oppreſſions lesquelles depuis quelques années jusqu’à préſent, non ſeule - ment ſe ſont menacées, mais auſſi par guerre ouverte et de fait executées contre la pacification éſtablie et confirmée de temps en temps ſucceſſivement par les Empereurs mesmes et contre les autres conſtitutions fondamentales de l’Empire, et les Capitulations ju - rées: tout ce qui concerne non ſeulement les Electeurs, Princes, Villes et Etats d’Allemagne mais auſſi par une inévitable conſéquence les pays Princes et Eſtats voiſins, Amis et Alliés à cauſe de l’intereſt qu’ils ont en la conſervation des dites paix; conſtitutions, capitulations et confirmations, on a été pouſſé et contraint pour en temps obvier de ſ’oppoſer à une ſi évidemment approchante ruine.
g]
Zwei -391

Zweites Kapitel. Von der Regierungsfolge.

§. 1. Von der Regierungsfolge und deren ver - ſchiedenen Gattungen uͤberhaupt.

Nach Beſtimmung der Perſonen, welchen man die hoͤchſte Gewalt im Staate anvertrauen will, in der Regierungsform, muß auch, beſonders in monarchiſchen Staaten, die Art feſtgeſetzt werden, wie dieſe Perſonen zur Ausuͤbung der Regierung gelan - gen ſollen, d. i. die Regierungsfolge. Wird das Recht hierzu einer Perſon iedesmal blos auf ihre Le - benszeit uͤbertragen, ſo, daß nach deren Abſterben ein neuer Regent gewaͤhlt werden muß, ſo iſt es ein Wahl - reich; wenn aber die Regierung und das Recht dazu zu gelangen einer ganzen Familie, oder einer Perſon fuͤr ſich und in voraus fuͤr ihre ſaͤmtlichen Nachkom - men, nach einer gewiſſen Ordnung, aufgetragen wird, ſo iſt es ein Erbreich a]. Aus der Verſchiedenheit dieſer Ordnung entſtehen mehrere Gattungen der Erb - reiche. Iſt die Regierungsfolge mit der gewoͤnlichen Privaterbfolge verbunden und durch Vertraͤge der regie - renden Familie oder anderer Souverains feſtgeſetzt; ſo nennt man es im eigentlichen Verſtande ein Erbreich [regnum hereditarium]; iſt hingegen die Ordnung der Erbfolge in der Regierung durch beſondere Grundge - ſetze der Nazion angeordnet, ſo heißt es ein Erbfol - gereich [regnum ſucceſſorium]. Eine dritte Gattung entſteht, wenn gar keine Grundgeſetze oder Familien -B b 4ver -392Von der Regierungsfolge.vertraͤge deshalb vorhanden ſind, ſondern theils der iedesmalige Regent aus ſeiner Familie, oder ſonſt, den Nachfolger, theils wenigſtens der letzte, eine neue Familie zur Regierungsfolge, mit Einſtimmung der Nazion, wilkuͤhrlich erwaͤhlen kann: dieſe werden Pa - trimonialreiche und gemiſchte Erbreiche [regnum patrimoniale und mixtae ſucceſſionis] genannt, weil ſie ſowohl von den Erb - als Wahlreichen etwas gemein haben b].

Wahlreiche ſind in Europa dermalen nur noch Teutſchland, der Kirchenſtaat und Malta, nachdem Polen durch die neuere Conſtitutionsaͤnderung bekant - lich nunmehr zum Erbreich erklaͤrt worden iſt.

Erbreiche hingegen, und zwar im eigentlichen Sinne: Spanien, Sicilien, Sardinien, Daͤnemark, Ungarn und Boͤhmen nebſt den uͤbrigen oͤſterreichiſchen Staaten, ingleichen Preuſſen; Erbfolgsreiche: Portugal, Frankreich, Grosbritannien und Schweden. Zu den Patrimonialreichen werden gewoͤnlich die Pforte und Rußland, ſeit Peter I. gerechnet c].

a]Vattel droit des gens L. I. c. 5. §. 56. ff. Vergl. Cph. Beſold diſſertat. nomico-politic. libri III. vbi de ſucceſſione quae regni fit iure et electione regis diſſeritur. Tubing. 1616. 4. B. G. Struv diſſ. de variis modis decernendi ſucceſſo - rem in regnis. Ien. 1703.
a]
b]Neyron principes du droit d. g. c. III. Art. 3. 6. de Martens precis du droit d. g. L. I. c. 3. §. 21. Gotfr. Achenwall diſſ. de regnis mixtae ſucceſſionis. Gotting. 1762. Car. Gottl. Weidlich diſſ. de iure principis in regno electivo circa proſpiciendum reipubl. ſucceſſorem. Lipſ. 1729.
b]
c]Neyron u. Martens l. c. M. vergl. Io. Iac. Moſer diſſ. de iure et modo ſuccedendi in regna Europae,ſpeciatim393Von der Regierungsfolge.ſpeciatim in regnum Bohemiae. Frcf. ad Viadr. 1739. und in deſſen Select. Iur. Publ. etc. n. 9. p. 351.
c]

§. 2. Recht der Nazionen in Beſtimmung der Regierungsfolge uͤberhaupt und beſonders der Erbfolge.

Die urſpruͤngliche Beſtimmung der Ordnung in der Regierungsfolge haͤngt, ſo wie die Regierungsform ſelbſt, lediglich von der Wilkuͤhr einer Nazion ab; es ſey nun, daß das Volk oder die Staͤnde ſolche wuͤrk - lich ſelbſt anordnen, oder daß ſie ſich die Vertraͤge der Familie, der ſie das Erbfolgsrecht uͤbertragen hat, oder auch andere Einrichtungen hierunter durch ſtillſchwei - gende Einwilligung gefallen laſſen a]. Sie kann auch gewiſſe Bedingungen hinzufuͤgen und verlangen, daß der iedesmalige Regent z. B. einer gewiſſen Religion zugethan ſeyn oder andere Erfoderniſſe haben ſolle b]. Wenn eine Veraͤnderung in der Regierungsfolge vor - zunehmen noͤthig oder gut iſt c], ſtehet ſolches der Na - zion, oder der regierenden Familie oder denen, die ſonſt ein gegruͤndetes Recht dazu erlangt haben, allerdings frey d], ſolche durch neue Vertraͤge, Teſtamente ꝛc. oder auf andere ihrer Verfaſſung nach, rechtsbeſtaͤndige Art zu beſtimmen e].

a]Vattel L. I. c. 5. §. 59. ff. Vergl. oben 2. B. 2. Kap. §. 13. ff. Ein ſolcher Auftrag geſchahe z. B. von den Schwediſchen Staͤnden an Herzog Adolph Fried - rich von Holſtein 1743. in Wenck Cod. Iur. Gent. Tom. II. p. 83.
a]
b]Wie der Koͤnig in Grosbritannien der altengliſchen Kirche zugethan, der Koͤnig von Daͤnemark Evangeliſch-luthe - riſch ꝛc. ſeyn muß, ſ. Moſers erſte GrundlehrenB b 5S.394Von der Regierungsfolge.S. 35. und deſſen Beitraͤge in Friedenszeiten 1. Th. S. 82.
b]
c]Georg Wilh. Wagner diſſ. de mutatione ſucceſſionis in familiis illuſtribus. Gieſsae 1740.
c]
d]In dem oͤſterreichiſchen Manifeſt gegen Frankreich we - gen der ſpaniſchen Erbfolge von 1701. heißt es hiervon: Attendu la neceſſité de l’introduction de la vie civile comme d’une forme ſelon laquelle elle devoit être gouvernée par un ſeul, il a été dans une très-libre volonté de chaque nation, la Principeauté ou la Roiauté a été agrée, de la déférer à un ſeul homme, ou enſemble à toute la famille qui en deſcen - droit. En ce cas la ſucceſſion de la famille roiale étant perpetuellement établie ſelon l’âge, les degréz ou les lignes, ſoit avec l’excluſion totale des femmes, après l’extinction de tous les mâles, ou du moins de ceux qui auroient été dans la même ligne et le même degré, ſoit par leur admiſſion; ou avec l’ad - dition d’autres conditions relatives aux perſonnes regnantes, à leur naiſſance leur état ou leur mariage, et la manière de regner, ſelon qu’il auroit été trouvé le plus àpropos. Il n’eſt pas moins évident que la forme de la ſucceſſion étant une fois agrée, les peuples et la famille roiale ne ſont pas bornés en ſorte qu’elle ne puiſſe, par le conſentement mutuel de ceux, qui ſurvivroient dans un tems, être ou totalement abrogée, ou en partie altérée, de ſorte qu’on n’y puiſſe ſubſtituer ou une nouvelle forme de republique ou une autre manière de ſucceder, à la quelle toute la poſterité eſt ſucceſſivement obligée jusques à ce que de commun conſentement on en ait de nouveau établi une autre. Lamberty Me - moires T. I. p. 551.
d]
e]Dergleichen Veraͤnderungen ſind beſonders in Rußland oͤfters vorgekommen. M. ſ. z. B. Peter I. Verord -nung395Von der Regierungsfolge.nung wegen der Erbfolge in ſeinem Reiche vom 5. Febr. 1722. und daruͤber: Das Recht der Monarchen in wilkuͤhrlicher Beſtellung der Reichsfolge, durch Unſers Grosmaͤchtigſten Landesherrn Petri des Erſten ꝛc. den 11. Febr. 1722. publicirte Verordnung feſtgeſetzt und von der ganzen Nazion eidlich approbiret ꝛc. Berlin 1724. 4. Io. Fr. Buddeus diſſ. de teſtamentis ſummorum im - perantium ſpeciatim Caroli II. Hispaniae regis. Hal. 1701. Von der Erbfolge in den europaͤiſchen Staaten, beſonders ſeit 1740. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. 2. B. 1. Kap. S. 75. ff.
e]

§. 3. Einmiſchung anderer Nazionen hierbey.

Andere Nazionen muͤſſen ſich dieſe zur innern Ver - faſſung eines ieden Volks gehoͤrige Einrichtungen ge - fallen laſſen und ſie anerkennen a]. Sie haben kein Recht, ſich darein zu miſchen, eine dahingehoͤrige Be - ſtimmung vorzuſchreiben, oder die rechtmaͤſſig feſtge - ſetzte Erbfolge zu verhindern, wenn ihnen keine Ge - rechtſame dadurch gekraͤnkt werden b] und, nach den heutigen Grundſaͤtzen der europaͤiſchen Nazionen, das Gleichgewicht dabey nicht in Gefahr komt c]. Zuwei - len laſſen Nazionen ſich dies ausdruͤcklich in Vertraͤgen verſprechen d]; es ſind iedoch, vorzuͤglich in neuern Zeiten, oͤfters Faͤlle vorgekommen, wo auswaͤrtige Maͤchte, unter allerhand Vorwand, wegen verletzter Gerechtſame ihrer Regenten, wegen des Gleichge - wichts, oder auch blos aus Freundſchaft und Nachbar - ſchaft, eine ſonſt rechtliche Erbfolge vernichtet und da - gegen nach wilkuͤhrlichen Grundſaͤtzen eine andere vor -geſchrieben396Von der Regierungsfolge.geſchrieben oder bey deren Feſtſetzung mit gewuͤrkt haben e].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 182. und deſſen erſte Grundlehren S. 33. Die Erkennung einer neuen Erb - folge kann entweder ausdruͤcklich, in beſondern Erklaͤ - rungen, durch Geſandſchaften, und in Vertraͤgen [wie z. B. die Grosbritanniſche des gegenwaͤrtig regierenden Hauſes im Utrechter Frieden mit Frankreich Art. 4. u. 5. und mit Spanien Art. 5. u. 6.] oder ſtilſchweigend ge - ſchehen, wenn andere Nazionen, auf die davon erhal - tene Notification, keine Widerſpruͤche dagegen machen, ſondern vielmehr in der Antwort ihre Zufriedenheit dar - uͤber bezeigen. Wenn ſie Bedenklichkeiten dabey finden wird mehrenteils Anſtand mit der Antwort genommen. ſ. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 254.
a]
b]Daher proteſtirte Kaiſer Leopold, wegen Oeſterreich, wider das Teſtament Koͤnig Karls II. in Spanien und erklaͤrte es fuͤr null und nichtig, weil es wider alle vor - hergegangene Ehepacten, Verzichte, Ceſſionen, Frie - densſchluͤſſe und Eidſchwuͤre liefe, und erklaͤrte Frank - reich, zu deſſen Gunſten es errichtet war, den Krieg. ſ. Fabers Staatskauzley 5. Th. S. 718. und 7. Th. S. 629. ff. ed. nov.
b]
c]de Martens précis L. III. c. 2. §. 53.
c]
d]Rußland verſprach z. B. im Nyſtaͤdter Frieden mit Schweden 1721. Art. 7. Daß Ihro Czaaril. Maj. in die domeſtiken Sachen des Koͤnigreichs Schweden, als in die von den Staͤnden des Reichs einhellig beliebte und beſchworene Regierungsform und Succeſſionsart ſich nicht miſchen und keinem, wer es auch ſeyn mag, darinn weder directe noch indirecte auf einigerley Weiſe beiſtehn wolle. Daher erklaͤrte Schweden 1741. Ruß - land den Krieg wegen Uebertretung dieſes Verſprechens. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 115.
d]e] Eins397Von der Regierungsfolge.
e]Eins der merkwuͤrdigſten Beiſpiele hiervon ſind die wegen der ſpaniſchen Erbfolge errichteten Partage-Tractaten, Allianzen und Friedensſchluͤſſe, wovon ich bereits bey der Materie von dem Gleichgewichte und den abgeleite - ten Erwerbsarten gehandelt habe. Auch die bekante pragmatiſche Sanction im Hauſe Oeſterreich erhielt, nach Abſterben Kaiſer Karls VI. durch andere Maͤchte manche Abaͤnderung. Frankreich und Oeſterreich mach - ten ſich in der Allianz vom 30. December 1758. Art. 16. verbindlich, gemeinſchaftlich mit dem Herzog von Parma bey dem Koͤnig beider Sicilien es dahin zu bringen, die Thronfolge im Koͤnigreiche beider Sicilien feſtzuſetzen.
e]

§. 4. Erbfaͤhigkeit der einzelnen Perſonen von der regierenden Familie und deren Aus - ſchlieſſung von der Regierungsfolge.

Erbfolgsfaͤhig ſind an ſich alle dieienigen, die zur Familie, der die Regierung aufgetragen iſt, gehoͤren und auf welche die vorgeſchriebene Ordnung ſich er - ſtreckt a]; denn es ſteht denen, welche ein Recht die Erbfolge zu beſtimmen haben, ohnſtreitig bey Feſtſe - tzung derſelben frey, gewiſſe Perſonen der regierenden Familie z. B. die aus ungleicher Ehe erzeugten, legi - timirten Kinder, oder das weibliche Geſchlecht b] ent - weder ganz oder unter gewiſſen Bedingungen c] davon auszuſchlieſſen. Dieienigen, welche ein Recht dazu haben, koͤnnen auch ſelbſt ſich deſſen begeben d]. Wenn die Regierungsfolge aber einmal gehoͤrig angeordnet iſt, und die Ordnung eine Perſon trift, auf welche iene Ausſchlieſſung ſich nicht erſtreckt, ſo kann ihnen ſolche nicht, am wenigſten von fremden Nazionen ent -zogen398Von der Regierungsfolge.zogen werden e]. Doch fehlt es auch hier des Gleich - gewichts und anderer Staatsurſachen wegen, nicht an Beiſpielen vom Gegentheil f].

a]Moſers erſte Grundlehren S. 34.
a]
b]Die Ausſchlieſſung des weiblichen Geſchlechts von der Thronfolge iſt in den meiſten europaͤiſchen Reichen uͤblich, entweder ganz, wie in Frankreich und Schweden, oder erſt nach Erloͤſchung des ganzen Mannsſtammes, wie in Daͤnemark, Spanien, Sicilien und Preuſſen, oder daß wenigſtens in ieder Linie die Maͤnner den Weibern vorgezogen werden, als in Grosbritannien und Portu - gal. ſ. de Martens precis du droit d. g. L. I. c. 3. §. 21. not. a. Zum Ueberflus muͤſſen daher die Prin - zeſſinnen bey ihren Vermaͤhlungen mehrenteils noch be - ſondere Verzichte ausſtellen.
b]
c]Wie wenn z. B. einer eine andere Religion annimmt, als die Reichsgrundgeſetze erfodern, oder der Regent ein anderes fremdes Reich bereits beſitzt oder erwirbt, wie nach dem von der Kaiſerin Eliſabeth errichteten Staats - geſetz in Rußland alle von der Erbfolge ausgeſchloſſen ſeyn ſollen, welche eine andere Monarchie beſitzen. Vattel L. I. c. 5. §. 62.
c]
d]Als die Kaiſerin Eliſabeth in Rußland den Herzog Karl Peter Ulrich von Holſtein Gottorf zu ihren Thronfolger erklaͤrt hatte, leiſtete er daher Verzicht auf Schweden, zu deſſen Regenten er anfangs beſtimt war. ſ. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 265.
d]
e]In dem vorangefuͤhrten oͤſterreichiſchen Manifeſt gegen Frankreich heißt es: Or nul roi ni autre membre de la famille roiale ni ne peuple ne doit ou peut ôter à un membre ſurvivant de la famille roiale le droit qui lui eſt actuellement devolu par la Convention faite avec le peuple ni le frauder, malgré lui, de l’espé - rance qu’il acquiſe par ſa naiſſance. Lamberty l. c. Daß eine ſolche Ausſchlieſſung in den ſogenannten Patri -monial -399Von der Regierungsfolgemonial - und vermiſchten Reichen, wo die Beſtimmung des Erbfolgers in oder auſſer der Familie blos von der Wahl des letzten Regenten abhaͤngt, wie in Rußland, leidet keinen Zweifel. Man ſehe z. B. das Czaariſche Manifeſt wegen der Enterbung und Ausſchlieffung von der ruſſiſchen Thronfolge des Czaarowitzens Alexis ꝛc. d. d. Moſcau 3 / 14 Febr. 1710. Eben ſo wenig hat es ein Bedenken, wenn der eigentliche Nachfolger, wegen Gemuͤthskrankheit und Schwachheit unfaͤhig iſt. So koͤnnen auch zuweilen andere erhebliche Urſachen vorhan - den ſeyn, daß gewiſſe Perſonen von der regierenden Fa - milie ausgeſchloſſen werden, wie Koͤnig Karl in Sici - lien, als er 1759. Koͤnig in Spanien wurde, die Ber - ordnung machte, daß Spanien und die italiaͤniſchen Staaten, des Gleichgewichts in Europa wegen, nicht ſolten in einer Perſon vereinigt werden. In der Ur - kunde heißt es: L’Eſprit des traités de ce ſiecle - montre, que, lorsqu’il ſe peut, ſans bleſſer la ju - ſtice, l’Europe deſire, que la Puiſſance eſpagnole ſoit ſeparée d’avec la Puiſſance italienne. Bien entendu que ſuivant l’ordre de ſucceſſion préſcrit par nous, la Monarchie d’Eſpagne ne pourra jamais être unie avec la Souveraineté des Etats de Domaines d’Italie, de manière que les mâles ou les femmes de notre deſcendence appellés ci-devant ne pourront jamais être admis à la Souveraineté des Etats d’Italie au cas qu’il ſoient ou qu’ils duſſent être declarés Roi d’Eſpagne ou Prince d’Aſturies ſ’il ſe trouve un autre mâle, qui en vigueur de la préſente diſpo - ſition, puiſſe ſucceder aux Etats et biens d’Italie etc. Moſers Verſuch 1. Th. S. 122. und deſſen Beitr. in Frz. 1. Th. S. 168. ff. Aus dem hier angefuͤhr - ten Grunde, duͤrften andere europaͤiſche Nazionen denn, wenn dieſem zuwidergehandelt wuͤrde, dabey allerdings einiges Recht haben.
e]f] Auch400Von der Regierungsfolge.
f]Auch hier koͤnnen die ſpaniſche Erbfolge und die deshalb errichteten Vertraͤge und erfolgte Verzichten zum Beweiſe dienen. Daß die Paͤpſte ſich ehedem ein Ausſchlieſſungs - recht herausgenommen iſt bekannt, und lehret ſolches unter andern das Beiſpiel Heinrichs von Navarra, der nebſt dem Prinzen von Conde von Papſt Sixt V. 1584. in den Bann gethan und der Thronfolge in Frankreich unfaͤhig erklaͤrt wurde.
f]

§. 5. Entſcheidung der Erbfolgsſtreitigkeiten.

Wenn die Erbfolge ſo zweifelhaft iſt, daß daruͤber in der Nazion Streitigkeiten entſtehen, ſo komt es ent - weder lediglich auf die guͤtliche Vereinigung der Na - zion a], oder auf das Gluͤck der Waffen an b], wer fuͤr den rechtmaͤſſigen Erbfolger zu erklaͤren ſey. Auf keinen Fall ſteht andern Nazionen ein Recht der Beur - teilung und Entſcheidung zu. Sie haben ſich auch, wenn durch innere Unruhen eine Revolution in der Ebfolge bewuͤrkt wird, darein nicht zu miſchen c]. In - des ſteht es, wenn ſie ſich alles deſſen enthalten, gleich - wohl frey, die Parthey eines oder des andern Theils zu nehmen oder neutral zu bleiben d], wenn ſie ſich nicht durch Vertraͤge zu etwas anderm verbunden haben e].

a]Vattel L. I. c. 5. §. 66. ff.
a]
b]ſ. oben 2. B. 2. Kap. §. 13.
b]
c]So gingen 1742. und 1762. durch innere Unruhen Veraͤnderungen in der ruſſiſchen Thronfolge vor, ohne daß andere europaͤiſche Maͤchte ſich oͤffentlich darein miſchten. ſ. Moſers Verſuch. 1. Th. S. 112.
c]
d]Wie die ſpaniſchen und oͤſterreichiſchen Erbfolgskriege lehren.
d]e] Naͤm -401Von der Regierungsfolge.
e]Naͤmlich, wie oben angefuͤhrt worden, ſich darein nicht zu miſchen, oder Beiſtand zu leiſten. Auch Grosbri - tannien, Frankreich und die Vereinigten N. Lande ver - glichen ſich in der Tripelallianz 1717. Art. 7. que ſi les Roiaumes etc. ſont troublés par des diſſenſions inteſtines ou par des rebellions au ſujet des dites ſucceſſions celui des Alliés qui ſe trouvera dans ces troubles ſera en droit de demander, que ſes Al - liés lui fourniſſent les ſecours ci-deſſus exprimés etc.
e]

§. 6. Garantie der Erbfolge.

Um mancherley Streitigkeiten bey der Erbfolge, und der Einmiſchung fremder Nazionen dabey vorzu - beugen, pflegen die Regenten ſich das Recht der Erb - folge von andern garantiren zu laſſen. Dies geſchieht entweder in Friedensſchluͤſſen oder in beſondern Ver - traͤgen, und zwar theils ausdruͤcklich, theils dadurch, daß einem Souverain alle ſeine Reiche, Beſitzungen ꝛc. verſichert werden a]. Mehrere europaͤiſche Nazionen haben ſich auf dieſe Art wegen ihrer Erbfolge vorzuſehn geſucht b]. Es komt ohnſtreitig auf ieder Nazion Gut - befinden an, wenn ſie um eine dergleichen Garantie angeſprochen wird, ob, in wie ferne, und unter wel - chen Bedingungen ſie ſolche uͤbernehmen will. Nur tritt, wie bey allen Garantieen, auch hier oft der Fall ein, daß ſie zur Zeit der Noth ohne Wuͤrkung bleiben c].

a]Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 259.
a]
b]Die ſpaniſche Erbfolge z. B. iſt unter andern vom Hauſe Oeſterreich in dem Wiener Frieden 1725. Art. 12. garantirt, indem S. M. Caeſarea adpromittit ordinem ſuccedendi in regno Hiſpaniae receptum atque per tractatum Trajectenſem et per renunciationes, itemGuͤnth. Voͤlk. R. 2. B. C cvi402Von der Regierungsfolge.vi Quadruplicis foederis ſubſecutas nec non per prae - ſens pacis inſtrumentum confirmatum, tueri ſe, Gua - rantiamque deſuper praeſtare et quoties opus manu - tenere velle; viciſſim rex Hiſpaniae tueri et guaran - tigiare quoque ſpondet eum ſuccedendi ordinem quem S. M. Caeſarea in Sereniſſima ſua domo declaravit et ſtabilivit etc. Wegen der franzoͤſiſchen Erbfolge wurden in dem Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und Grosbritan - nien 1713. Verabredungen genommen und dann verban - den ſich Grosbritannien, Frankreich und die Vereinigten N. Lande in der Tripelallianz 1717. Art. 5. On eſt convenu et demeure d’accord, que tous et chacun des Articles des dits traités de paix entant qu’ils re - gardent les ſucceſſions à la Couronne de la G. B. dans la ligne proteſtante et a la Couronne de France ſuivant les ſusdits traités demeureront dans toute leur force et vigueur et que les dits Sereniſ - ſimes Rois et les dits Seigneurs Etats Généraux pro - mettent leur Garantie reciproque pour l’execution de toutes les conventions entant qu’ils re - gardent les ſucceſſions etc. welche Garantieen 1718. 1725. und 1748. wiederholt wurden. Die grosbritanniſche Erbfolge in dem proteſtan - tiſchen Hauſe Hannover iſt faſt von allen europaͤiſchen Maͤchten garantirt worden. Die Vereinigten N. Lande machten ſich zuerſt mit in dem Barrieretractat mit Eng - land 1709. Art. 2. anheiſchig: La Succeſſion à la Couronne d’Angleterre ayant été reglée par un acte du Parlement et aucune Puiſſance n’ayant droit de ſ’oppoſer aux loix faites ſur ce ſujet par la Cou - ronne et le Parlement de la Grande Bretagne ſ’il arrivoit neanmoins ſous quelque prétexte ou pour quelque cauſe que püt être que quelque perſonne ou quelque puiſſance ou Etat pretendoit revoquer endoute403Von der Regierungsfolge.doute l’établiſſement que le Parlement a fait de la dite ſucceſſion dans la Sereniſſime maiſon de Hano - ver de ſ’oppoſer à la dite ſucceſſion d’aider ou de favoriſer ceux qui ſ’y oppoſeroient, ſoit directe - ment ou indirectement les Etats Generaux des Provinces Unies ſ’engagent et promettent d’aſſiſter et de maintenir dans la dite ſucceſſion celle ou celui à qui elle appartiendra etc. Dahin lautete auch der anderweite Barrieretractat von 1713. Art. 2. und nachdem dieſe Erbfolge im Utrechter Frieden mit Frank - reich 1713. Art. 4. und 5. und mit Spanien Art. 5. und 6. anerkant worden war, erfolgte die anderweite Garantie in der ſogenannten Tripelallianz 1717. Art. 5. und dann in der Quadrupelallianz 1718. Art. 5. da - hin: S. M. Caeſarea Regio Catholica nec non Regia Majeſtas Chriſtianiſſima Statusque Generales ſoederati Belgii obligant ſe ad manutenendam et guaran - tigiandam ſucceſſionem in regno Magnae Britanniae quemadmodum ea per leges regni ſtabilita eſt in domo Suae Maj. Brit. modo regnantis, welche in dem Aachner Frieden 1748. Art. 19. und in dem Frieden mit Frankreich 1763. Art. 2. ausdruͤcklich beſtaͤtigt wurden. M. vergl. Kurze und actenmaͤſſige Nachricht von der grosbritanniſchen Kronfolge und deren Praͤten - deuten in Moſers Nachleſe ungedruckter Staatsbeden - ken. Frankf. 1743. 2. Th. n. 3. S. 16 45. und deſſen Verſuch 1. Th. S. 86. ff. Die Garantie der ſchwediſchen Erbfolge uͤber - nahm Rußland in den Aboer Friedenspraͤliminarten 1743. Art. 3. und Preuſſen verſprach in dem Buͤnd - niſſe mit Schweden 1747. in einem Separatartikel: La Succeſſion à la Couronne de Suede étant reglée du conſentement unanime des Etats en ſaveur de S. A. R. le Prince Adolphe Frederic S. M. le Roi de Pruſſe ſ’engage expreſſement par le préſentC c 2article404Von der Regierungsfolge.article de ne pas ſouffrir qu’il ſoit donné la moindro atteinte au ſusdit ordre de Succeſſion, mais de le maintenir de toutes ſes forces, le cas exiſtant, contre tous ceux qui voudroient la troubler de la part de qui et ſous quelque prétexte que cela puiſſe arriver etc. Moſers Verſuch 1. Th. S. 120. Die Erbfolge des Hauſes Oeſterreich, nach der pragmatiſchen Sanction Kaiſer Karls VI. wurde eben - fals faſt von ganz Europa, Spanien, Frankreich, Gros - britannien, den Vereinigten N. Landen, Daͤnemark, Preuſſen, Rußland, dem teutſchen Reiche im ganzen und von mehrern Staͤnden insbeſondere garantirt; gleich - wol kam es 1740, nach Abſterben deſſelben zum Kriege, bis endlich im Aachner Frieden 1748. Art. 21. von den contrahirenden Theilen die nochmalige Garantie, doch mit Ausnahme der bereits geſchehenen Abtretungen erfolgte. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 101. ff. M. vergl. Meditatio ad Auguſt. Imp. Rom. Caroli VI. Sanctionem Pragmaticam de ordine ſuccedendi in Regna, Provincias et Ditiones ad Sereniß-Domum Auſtriacam iure haereditario ſpectantes ejusque Gua - rantiam generalem ab Imperio Decreto Comitiali ma - joribus numero ſuffragiis confecto ſuſceptam et con - tra quoscunque praeſtandam S. l. 1732. 4. In Ge - maͤsheit des Aachner Friedens haben dieſe Garantie auch nachher Spanien und Sardinien in der Allianz mit Oeſterreich von 1752. Art. 5. u. 6., dem auch Parma beitrat, ingleichen Frankreich in dem Allianztractat mit Oeſterreich 1756. Art. 4. uͤbernommen.
b]
c]Moſers erſte Grundlehren S. 33.
c]

§. 7. Wahlfolge.

Nach Abgang oder Abſetzung der bisherigen regie - renden Familie iſt ſelbſt in Erbreichen die Wahl einesneuen405Von der Regierungsfolge.neuen Regenten und ſeiner Nachkommen erfoderlich. Sie findet auch in den ſogenanten Patrimonial - und vermiſchten Reichen, wo dem vorigen Regenten einiges Wahlrecht zuſteht, Statt. Hauptſaͤchlich aber komt die Wahlfolge in den eigentlichen Wahlreichen vor, wo iedesmal, nach Abſterben eines Regenten, ein neuer durch die Wahl zu ernennen iſt. Die Grundver - faſſung des Staats muß das Recht der Wahl in allen dieſen Faͤllen beſtimmen.

*]Matth. Bernegger diſſ. de iure eligendi reges atque imperatores. Argent. 1624.
*]

§. 8. Wahlrecht und Freiheit.

Das Wahlrecht kann denen, welchen es nach der Verfaſſung zukomt, auf keine Weiſe, zumal durch an - dere Nazionen entzogen oder ihnen die verfaſſungsmaͤſ - ſige Freiheit hierunter benommen werden a], wenn ſie nicht durch beſondere Vertraͤge ſich dieſer Freiheit bege - ben b] und etwa zu Gunſten einer Perſon bereits er - klaͤrt haben c]. In manchen Reichen ſind hieruͤber be - ſondere Vorſchriften und Wahlgeſetze vorhanden d], deren Errichtung zwar allein von der Nazion abhangt, die aber doch, auf Erſuchen, von andern Nazionen garantirt werden koͤnnen e].

a]Das Recht einen Roͤmiſchen Koͤnig und Kaiſer zu erwaͤh - len, gehoͤrt bekantlich den Kurfuͤrſten des teutſchen Reichs. Bey Ferdinand I. Wahl wolte der Papſt den Kurfuͤrſten von Sachſen, als einen Ketzer, von der Wahl aus - ſchlieſſen. Als bey der Wahl Kaiſer Karls VII. der ſpaniſche Geſandte wegen der Stimmfuͤhrung der Gros - herzogin von Toſcana allerhand Einwendungen machte, und ſich dabey auf die Goldene Bulle bezog, entgegneteC c 3ein406Von der Regierungsfolge.ein kurfuͤrſtl. Geſandter: die G. B. ſey in dieſem Stuͤck gar unrecht verſtanden und es haͤtten um deren Ausle - gung und geſetzmaͤſſige Erfuͤllung nicht auswaͤrtige Maͤchte, ſondern das Reich und vornaͤmlich das kur - fuͤrſtliche Kollegium zu ſorgen. Moſers Verſuch 1. Th. S. 197. Hingegen ließ die Kaiſerin Koͤnigin 1763. wegen der polniſchen Koͤnigswahl erklaͤren: S. M. Imperiale et Roiale déclare de la manière la plus forte et la plus ſolemnelle, qu’Elle conſidère la Re - publique de Pologne comme un Etat Souverain et indépendant, dont le droit, que lui aſſûrent les loix et les Conſtitutions du Pays de ſe choiſir un Roi par liberté des ſuffrages, ne peut être en aucune manière reſtraint; que par conſéquent l’excluſion d’aucun Candidat ne ſauroit avoir lieu, ſans porter atteinte à ſon independance et a ſon entière liberté, qui n’ad - mettent ni exception ni limitation, et que les voyes de fait ou les menaces que l’on pourroit employer pour lui empécher l’exercice, ſont également in - compatibles avec ces prérogatives. Ebendaſ. S. 220.
a]
b]Wenn z. B. in Erbreichen durch Vertraͤge, auf Abgang einer Familie, in voraus bereits eine andere beſtimt iſt, wie nach dem Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und Savoyen Art. 6. und zwiſchen Spanien und Savoyen Art. 3., nach Abgang des regierenden Hauſes in Spa - nien, Sardinien oder Savoyen folgen ſollen.
b]
c]Die Kaiſerwahl ſoll nach der G. B. zwar frey ſeyn, doch haben wir ſchon Beiſpiele, daß Kurfuͤrſten ihre Stimme im voraus entweder einer gewiſſen Perſon, oder auch gar einem ganzen Hauſe zugeſichert haben. So verſprach Kurbrandenburg im Hubertsburger Frieden 1763. 1. Separatartikel dem Erzherzoge Joſeph ſeine Stimme zum Roͤmiſchen Koͤnig; und das Haus Braunſchweig machte ſich bey ſeiner Gelangung zur Kurwuͤrde, in dem Unionsvertrage mit dem Hauſe Oeſterreich 1692. Art. 9. an -407Von der Regierungsfolge.anheiſchig, daß die kuͤnftigen Kurfuͤrſten, ſo oft es zu der Wahl eines Roͤmiſchen Kaiſers und Koͤnigs kommen wird, ihr Suffragium keinem andern als dem Primo - genito der Erzherzoglichen Linie geben wollen. ſ. Luͤ - nigs Reichsarchiv Part. Spec. S. 171.
c]
d]Dahin gehoͤrt im teutſchen Reiche die Goldene Bulle. Wegen der Wahlen in dem nunmehro zum Erbreich er - klaͤrten Koͤnigreich Polen wurde 1775. feſtgeſetzt: 1] daß kuͤnftig niemand zum Koͤnig von Polen erwaͤhlt werden koͤnne, wenn er nicht ein Piaſt von Urſprung, von Adel und in den Staaten der Republik anſaͤſſig iſt; 2] daß die Soͤhne und Enkel des letzten Koͤnigs nicht unmittel - bar nach ihrem Vater oder Grosvater, zum Koͤnig er - waͤhlt werden, ſondern erſt nach einer Zwiſchenzeit von wenigſtens zwey Regierungen wahlfaͤhig ſeyn ſollen. ſ. Neuſte Staatsbegebenheiten auf das Jahr 1775. S. 616. f. Neyron principes du droit d. g. p. 79.
d]
e]Die Garantie dieſer polniſchen Wahlgeſetze uͤbernahm hauptſaͤchlich Rußland; daher es auch der neuern Ver - aͤnderung bisher entgegen geweſen iſt.
e]

§. 9. Einmiſchung anderer Nazionen.

Andere Nazionen duͤrfen ſich in die Wahlen eben ſo wenig als in die Erbfolge miſchen, die Wahl eines Kandidaten mit Gewalt durchſetzen wollen, oder ande - rer directer oder indirecter Mittel ſich bedienen, ihre Abſicht hierunter zu erreichen a]. Es werden daher in Wahlreichen mehrenteils die auswaͤrtigen Geſandten, und andere fremde Perſonen, denen man einigen Ein - flus zutrauen koͤnte, von dem Wahlorte abgehalten b]. Doch giebt es Beiſpiele genug, daß fremde Nazio - nen c], ſelbſt unter dem Scheine die Wahlfreiheit zu erhalten, die waͤhlende Nazion nach ihren AbſichtenC c 4gelenkt d],408Von der Regierungsfolge.gelenkt d], einem Prinzen die Wahl angetragen e] und ihm ſolche in Vertraͤgen verſprochen, auch die verlangte Wahl mit Gewalt durchgeſetzt haben f]. Ohne Erſu - chen des intereſſirten Staats ſind andere Nazionen eigentlich auch nicht befugt, unter ſich Vertraͤge uͤber die Aufrechthaltung der Wahlfreiheit eines dritten Reichs zu[errichten] g]. Ihre Einmiſchung pflegt ie - doch alsdenn zu erfolgen und entſchuldigt zu werden, wenn eine Auffoderung vorausgegangen iſt h], eine uͤbernommene Garantie, oder beſondere Vertraͤge i] deshalb vorhanden ſind, oder eine wuͤrkliche Gefahr des Gleichgewichts k], wie nicht weniger deren eigenes weſentliches Intereſſe und Erhaltung dabey obwaltet l]; wiewohl oͤfters auch bloſſe Nachbarſchaft, Conve - nienz ꝛc. als hinlaͤngliche Urſachen angeſehen werden wollen m].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 186. ff. 231. Bey Ge - legenheit der Koͤnigswahl in Polen aͤuſſerte Frankreich 1764. in einer Erklaͤrung an die Republik: Il appar - tient a la Nation de régler ſon Election ſur les con - ſiderations de ſa propre convenance, ſans avoir atten - tion aux influences d’Etrangers. Ebendaſ. S. 223.
a]
b]Z. B. Nach der goldenen Bulle 1. Kap. §. 25. ſoll waͤhrend der Wahl eines Roͤmiſchen Koͤnigs kein Frem - der in der Stadt Frankfurt gedultet werden. Doch fin - den ſich mehrenteils auch verſchiedene auswaͤrtige Ge - ſandte, theils der Wahl, theils um anderer Anbringen willen bey dem kurfuͤrſtlichen Kollegium daſelbſt ein, die aber wenigſtens den Tag der Wahl hinaus muͤſſen, wenn ſie nicht Diſpenſation von dem kurfuͤrſtlichen Wahlcon - vent erhalten, welches aber nur in Krankheitsfaͤllen zu geſchehen pflegt. Moſers Staatsrecht 2. Th. S. 359. 376. ff. Auch der Kaiſer ſchikt nach dem Tode des Papſts einen Geſandten nach Rom, und laͤßt als Schutz - herr der roͤmiſchen Kirche, den Kardinaͤlen ſeinen Schutzanbieten.409Von der Regierungsfolge.aubieten. Ebendaſ. 3. Th. S. 361. ff. M. vergl. Chr. Gottl. Buder obſ. de legationibus regum et prin - cipum exterorum ad Comitia Electionis Regum ac Imperatorum Romanorum; in Ej. Obſervat. Iur. Publ. n. 1. p. 1.
b]
c]Beſonders Frankreich bey den teutſchen und polniſchen Koͤnigswahlen. Es iſt bekant, wie es ſich beſonders bey den Kaiſerwahlen 1741. und 45. benommen hat. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 206. Als die Alliir - ten Grosbritannien, die Vereinigten N. Lande und die Koͤnigin von Ungarn ihre Armee anruͤcken lieſſen, um die franzoͤſiſchen Truppen aus der Naͤhe von Frankfurt zu vertreiben, und die Wahlfreiheit zu ſichern, erklaͤrte Frankreich, daß es, als Garant des weſtphaͤliſchen Frie - dens nur verlange, die Wahlfreiheit gegen die vorha - bende oͤſterreichiſche Forcirung derſelben zum Vortheil des Grosherzogs von Toſcana zu ſchuͤtzen, und wolle er - meldter Wahlfreiheit nicht den geringſten Einhalt thun. Ebendaſ. S. 207. Die ehemaligen Anmaaſſungen der Paͤpſte bey den Wahlen eines teutſchen Reichsoberhaupts gingen noch weiter, indem ſich derſelbe ſogar das Recht der Beſtaͤttigung ꝛc. zuſchrieb, ſie haben aber heutzutage ihre Kraft verloren. M. ſ. Ioh. Meißner diſſ. de iure pontificis circa electionem Imperatoris Romani. Witteb. 1657. Imm. Weber Papa quid facis? ſive de vanis et iniquis Pontificum circa Electiones Impe - ratorum moliminibus. Gieß. et Frcf. 1720. 4. Io. Chr. Pesler diſſ. II. de poſtulato pontificis Rom. confirmandi electionem regis Rom. Frcf. ad Viadr. 1742. u. 1748.
c]
d]Von der verſchiedenen Einwuͤrkung fremder Nazionen auf die Beſtimmung des Regenten in Wahlreichen, und vorzuͤglich von den Maasregeln Frankreichs, des Kai - ſers, Rußlands bey den Wahlen Koͤnig Auguſt III. in Polen 1733. und Kaiſer Karl VII. in Teutſchland 1741. C c 5und410Von der Regierungsfolge.und den daruͤber entſtandenen Mishelligkeiten lieſſe ſich ſehr viel ſagen. M. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 187. u. 212. ff.
d]
e]Im Jahre 1745. z. B. ließ Frankreich dem Koͤnige in Polen und Kurfuͤrſten zu Sachſen die Kaiſerwuͤrde an - tragen und erklaͤren: qu’en cas, que S. M. Polonoiſe vouloit bien accepter la dignité imperiale, le Roi T. C. et ſes Alliés contribueroient de tout leur pou - voir à faire monter S. M. Polonoiſe ſur le trône im - perial, ſans que perſonne ſ’y oppoſat. Aber der Koͤnig in Polen gab zur Antwort: Que S. M. ne bri - guoit en aucune façon la Couronne Impériale; mais qu’en cas que tous les Electeurs jugeaſſent vnanime - ment, qu’étant revêtue de la dignité ſuprême, Elle ſeroit capable de travailler avec ſuccès au retabliſſe - ment du repos en Allemagne, c’étoit au Collège Electoral ſeul qu’il appartenoit de reunir les ſuffrages pour l’Election d’un Empereur; qu’ainſi il ſeroit non ſeulement ſuperflu, mais même contraire aux Conſtitutions de l’Empire et de le Bulle d’Or, qu’au - cune Puiſſance étrangêre vint à ſe mêler de l’Election d’un Chèf du Corps Germanique. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 276. Oeſterreich und Sachſen errichteten 1733. ein Buͤnd - nis, worinn der Kaiſer Art. 8. verſprach, bey der vor - ſeyenden polniſchen Koͤnigswahl, Ihro Kurfl. Durchl. vorzuͤglich vor andern Kandidaten zur Beſteigung des pol - niſchen Throns allen Vorſchub zu geben, welchen der Republik freie Wahlgerechtſame, und Ihre mit Ruß - land und Preuſſen desfals obhabende Verbindlichkeiten nur immer zulaſſen. Es wurden auch die zu ergreifen - den Maasregeln umſtaͤndlich angegeben. In dem Buͤnd - nis zwiſchen Frankreich und Oeſterreich 1758. Art. 19. verſpricht erſteres durch ſeine Dienſte mit beizutragen,daß411Von der Regierungsfolge.daß der Erzherzog Joſeph auf eine der Reichsverfaſſung gemaͤſſe Art zum roͤmiſchen Koͤnig erwaͤhlt werde.
e]
f]Wie Frankreich 1733. ſich beſchwert, daß der Kaiſer, Rußland und Sachſen durch ihre Truppen die polniſche Wahl zu bewuͤrken geſucht, ſehe man in dem Kriegsma - nifeſt des Koͤnigs in Frankreich gegen den Kaiſer 1733. in Moſers Reichsfama 15. Th. S. 501. ff. Im Jahre 1764. ruͤckten wegen der Wahl in Polen ruſſiſche und preuſſiſche Truppen an die Grenzen, die Pforte er - klaͤrte daher 1768. Rußland um deswillen mit den Krieg, daß es, nach dem Tode Auguſt III. mit Gewalt einen polniſchen Officier auf den Thron geſetzt habe. Mo - ſers Verſuch 1. Th. S. 229.
f]
g]Frankreich und die Kaiſerin Koͤnigin in Ungarn ꝛc. ver - einigten ſich in einem Allianztractat 1758. Art. 20. in Ruͤckſicht einer kuͤnftigen polniſchen Koͤnigswahl nur gemeinſchaftliche Maasregeln zu nehmen, und da ihre Abſicht keine andere iſt, als blos die Freiheit der polni - ſchen Nazion aufrecht zu erhalten, ſo erklaͤren ſie von itzt an, daß, wenn die freie Wahl der Republik auf einen Prinzen des ſaͤchſiſchen Hauſes fallen ſolte, ſie dieſe Wahl nach ihren beſten Kraͤften unterſtuͤtzen werden.
g]
h]So ruͤckten, dem Vorgeben nach, auf Erſuchen vieler vornehmer Glieder der Republik Polen 1733. daſelbſt kaiſerliche, ruſſiſche und preuſſiſche Truppen ein, um die Freiheit der Wahlſtimmen zu handhaben. ſ. Mo - ſers Reichsfama 16. Th. S. 218. 743. ff.
h]
i]Der Koͤnig in Frankreich ließ 1741. den Wahlconvent erinnern, die Kaiſerwahl zu beſchleinigen, weil er, als Garant des weſtphaͤliſchen Friedens, dieſes allerdings zur Mitſorge zu ziehen haͤtte; es wurde ihm aber geantwor - tet: Man wiſſen den Articulum pacis Weſtphalicae nicht, kraft deſſen die Garants deſſelben Theil an dieſen innern Reichsgeſchaͤften nehmen koͤnnen. Moſers Ver - ſuch 1. Th. S. 194. k] Als
i]412Von der Regierungsfolge.
k]Als 1743. Daͤnemark ſich Muͤhe gab, daß, nach Ab - gang der regierenden Familie in Schweden, der Erb - prinz in Daͤnemark gewaͤhlt und beide Reiche vereinigt werden moͤchten, aͤuſſerte Schweden: Qu’on devroit être aſſuré, que les Puiſſances intereſſées au main - tien de l’équilibre dans le Nord, n’auroient jamais un pareille choſe avec indifference. Moſers Verſuch 1. Th. S. 157.
k]
l]Im Jahre 1733. wurden bey der Koͤnigswahl in Polen von mehrern Seiten verſchiedene Aeuſſerungen deshalb gethan. Der Kaiſer ſchrieb an den Primas von Polen, daß mit freien und einhelligen Stimmen der polniſchen Nazion ein ſolcher Koͤnig, er moͤge auch ſeyn wer er wolle, erwaͤhlt werden moͤchte, von welchem die Freiheit der Republik in keine Gefahr geſetzt, noch den Nach - barn wegen zu erregender Unruhen eine Furcht eingeiagt werde. ſ. Moſers Reichsfama 16. Th. S. 249. Aehnlichen Innhalts war das Schreiben des kaiſerlichen Hofkriegsraths-Praͤſidenten, Herzog Eugen von Wuͤr - tenberg, an den Grosvezier zu Conſtantinopel: Poloniae regnum conterminum eſſe regionibus partim Roma - norum Imperatoris partim Portae partim Avtocratoris atque adeo horum principum quam maxime intereſſe, ne Polona libertas ac praecipue liberrimae electionis ius detrimenti quicquam capiant. Praeter iuris et aequitatis rationem, quae id ipſum efflagitat, proprii quoque commodi prudens contemplatio vici - nos principes impellit, ne vel latum vnguem ab ea quam diximus cynoſura diſcedant. Ebendaſ. S. 750. und Frankreich erklaͤrte: S. M. ne peut diſſimuler, qu’autre l’interêt, commun, que tous les princes ont, de maintenir la liberté de la Pologne, ſa digni - et le rang qu’Elle tient parmi les Puiſſances de l’Europe, le mettent en droit et l’obligent même, à prendre part aux affaires que peuvent troubler latran -413Von der Regierungsfolge.tranquillité générale. C’eſt dans cette vue que le Roi a deja fait aſſurer les Polonois, qu’il maintien - droit, autant qu’il ſeroit en lui, la liberté entière des Suffrages etc. Ebendaſ. 15. Th. S. 512. M. vergl. Franc. Druſi [Sam. Fr. Gruͤttner] biga Com - mentariorum Iur. Publ. Prutenici, prima de iure Bo - ruſſorum circa electionem coronationem et pacta conventa novi regis Poloniae etc. Dant. 1746. 4.
l]

§. 10. Empfehlung eines Wahlkandidaten.

Die Einmiſchung geſchieht hauptſaͤchlich in ſo ferne, als man entweder einen Wahlkandidaten vorzuͤglich unterſtuͤtzt, oder andere nicht anſtaͤndige von der Wahl ausſchlieſſen will. Die bloſſe Aeuſſerung: daß man es gern ſaͤhe, wenn dieſer oder iener gewaͤhlt wuͤrde, und eine Empfehlung ohne Aufdringen, und Anwendung anderer nachdruckſamer Mittel, kann mit der Wahl - freiheit gar wohl beſtehen a], und iſt bey den meiſten Wahlreichen von den benachbarten und andern intereſ - ſirten Nazionen uͤblich b]; wird auch von dem waͤhlen - den Volke ſelten als Beleidigung aufgenommen.

a]In den kaiſerlichen Anmerkungen gegen das franzoͤſiſche Kriegsmanifeſt von 1733. wegen der Koͤnigswahl in Polen heißt es: Employer ſes bons offices pour faire tomber la préférence ſur l’un Candidat plutôt, que ſur l’autre, n’eſt pas préjudicier à un attribut ſi eminent de la liberté. Mais marquer le ſeul Candi - dat, qu’on vent porter ſur le thrône, à l’excluſion de tant autre, en uſant des menaces et des violences contre quiconque voudroit ſ’y oppoſer, c’eſt ren - verſer la liberté qu’on ſe vente de proteger, ſ. Mo - ſers Reichsfama 16. Th. S. 490. b] Auf
a]414Von der Regierungsfolge.
b]Auf ſolche Art empfahlen die Vereinigten N. Lande, nach Abſterben Kaiſer Joſeph I. den Koͤnig von Spanien allen Kurfuͤrſten zur Wahl. Moſers auswaͤrt. Staatsr. S. 4. Bey der Koͤnigswahl 1763. in Polen erklaͤrte Rußland: Neanmoins nous ne pouvons nous empê - cher de faire ſavoir, qu’en vertu des relations de la vraie amitié et du bon voiſinage qui ſubſiſtent entre nous et la Sereniſſime Republique, nous ſouhaite - rions, que dans la future election Elle élevat ſur le trône un Piaſte, qui du côté du père et de la mère fût iſſu du ſang de la nobleſſe nationale et dans le royaume. Durch ruſſiſche und preuſſiſche Em - pfehlung und Unterſtuͤtzung kam auch hauptſaͤchlich Stanislaus Auguſtus auf den Thron. ſ. Moſers Ver - ſuch 1. Th. S. 214. 227. Die Kaiſer ſchlagen oͤfters Kardinaͤle zu Paͤpſten vor, es wird aber auf dieſe Em - pfehlung weniger geſehn, als auf ihre Excluſive. ſ. Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 519. Von vorgeſchlagenen Wahlen nach Abſterben einer ganzen Familie in Erbreichen giebt vorzuͤglich die Wahl Adolph Friedrichs von Holſtein Gottorf zum Koͤnig in Schweden, durch ruſſiſche Empfehlung und Vermitte - lung 1743. ein Beiſpiel. Als 1728. Rußland Schwe - den erklaͤren ließ, daß ein bequemes Mittel die Freund - ſchaft zwiſchen beiden Staaten zu erhalten, ſeyn wuͤrde, wenn den Reichsſtaͤnden, bey naͤchſtem Reichstag, die Erbfolge des Herzogs zu Holſtein recommandirt wuͤrde. Man antwortete aber, daß ſolche Erbfolge auf der freien Wahl der Staͤnde beruhe und man daher keine Entſchlieſ - ſung daruͤber zu erteilen im Stande ſey, und moͤchte der ruſſiſche Geſandte den Koͤnig und Reichsrath mit derglei - chen verſchonen. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 145. Bey dem nachher eingetretenen Kriege ließ Rußland 1743. abermals erklaͤren: Das natuͤrliche Intereſſe von Rußland erfodere, daß nach Abſterbendes415Von der Regierungsfolge.des ietzigen Koͤnigs ein ſolcher Prinz den Thron beſteige, welcher par principe mit Rußland gute Freund - ſchaft unterhielte. Da man ſich nun ſolches von dem Biſchof zu Luͤbeck verſpreche; ſo wuͤrde Rußland, wenn die Schweden ihn erwaͤhlten, dieſer Krone einen deſto vortheilhaftern Frieden zugeſiehn. Dies geſchah auch, und wurde in den Aboer Friedenspraͤliminarien 1743. Art. 2. feſtgeſetzt: In Betrachtung der Recom - mendation Ihro Maj. der Kaiſerin und Sr. Kaiſerl. Hoheit des Grosfuͤrſten von Rußland, werden die Staͤnde des Koͤnigreichs Schweden bewilligen, Sr. Durchl. den Prinzen Adolph Friedrich, Adminiſtratorn des Her - zogthums Holſtein und Biſchof zu Luͤbeck zum Succeſſor der Kron Schweden zu erwaͤhlen und zu erklaͤren, ſobald gegenwaͤrtige Acte zu Stockholm wird augekommen ſeyn.
b]

§. 11. Ausſchlieſſung eines Candidaten.

Aehnliche Bewandnis hat es mit der Ausſchlieſſung eines Wahlkandidaten, wider welchen andere Nazio - nen etwas einzuwenden haben. Sie koͤnnen allenfals ihre Bedenklichkeiten gegen denſelben dem waͤhlenden Volke zu erkennen geben, und anſuchen, daß er nicht gewaͤhlt werden moͤchte, deſſen Ausſchlieſſung aber nicht als Schuldigkeit verlangen; ſie muͤſten denn das Recht hierzu auf andere Art erlangt a], oder, nicht ſowohl wegen einer vermeintlichen Schuldigkeit des Candida - ten fuͤr das Wahlreich, als wegen der eignen daraus zu beſorgenden Gefahr, ein beſonderes Intereſſe bey der Wahl haben b]. Es iſt daher ſchon oͤfter geſchehen, daß andere Nazionen wider die Wahl dieſes oder ienes Prinzen proteſtirt und erklaͤrt haben, ihn nicht zu er - kennen c], woruͤber zuweilen heftige Streitigkeiten ent - ſtanden ſind d].

a] Wie416Von der Regierungsfolge.
a]Wie z. B. verſchiedene europaͤiſche Maͤchte, beſonders der Kaiſer, Frankreich und Spanien es hergebracht ha - ben, bey der Papſtwahl einen vorgeſchlagenen Kardinal auszuſchlieſſen, oder ihm, wie man zu ſagen pflegt, die Excluſive zu geben. ſ. de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 2. §. 56. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 307. Man vergl. Ev. Otto diſſ. de iure imperatoris circa electionem Pon - tificis Romani ed. 2. Traj. ad Rh. 1722. und in Ej. Diſſert. Iur. Publ. Ultraj. 1723. Io. Georg Eſtor comment. de iure excluſivae vt appel - lant, quo Caeſar Auguſtus vti poteſt quum patres purpurati in creando pontifice ſunt occupati. Ien. 1740. und in Ej. Comment. et Opuſc. Vol. I. P. 1. p. 154. Eobald Tatze von dem Rechte des Roͤmiſchen Kaiſers und der Koͤnige von Frankreich und Spanien einen oder mehrere Kardinaͤle bey einer Papſtwahl von der paͤpſt - lichen Wuͤrde auszuſchlieſſen; in deſſen kleinen Schrif - ten hiſt. und ſtatiſt. Inhalts von Voigt. Leipzig 1791. 8. n. 18. S. 412 63.
a]
b]Ickſtatt Elem. I. Gent. L. IV. c. 7. §. 12. Joh. Heinr. v. Juſti Eroͤrterung der Frage: ob die Pro - teſtationes derer auswaͤrtigen Monarchen wider eine auf die Wahl gebrachte Perſon zum Beherſcher eines Wahlreichs in dem Natur - und Voͤlkerrecht einigen Grund haben; in deſſen hiſtor. juriſt. Schriften 1. Band S. 185. ff. Dieſer ſagt es koͤnne geſche - hen, wenn man einen Prinzen waͤhlen wolte, der die mit andern Voͤlkern eingegangenen Friedensſchluͤſſe nie gehalten, und der bereits ſeine Nachbarn, ohne Urſach, mit Krieg uͤberzogen hat; aber nicht aus bloſſer Feindſchaft, oder wenn er den Staatsabſich - ten anderer Nazionen entgegen iſt. a] Z.
b]417Von der Regierungsfolge.
c]Z. B. Kaiſer Karl VI. gegen die Wahl Stanislaus Lesczinsky in Polen, und Frankreich gegen die Wahl Kaiſer Franz I. In der Ausfuͤhrung der Urſachen, warum der Kaiſer, Rußland und Preuſſen 1733. ihre Truppen in Polen haben einruͤcken laſſen heißt es: C’eſt pourquoi les Puiſſances alliées eſpèrent, que le Pri - mat ne prendra pas en mauvaiſe part qu’elles ſuivent l’Exemple de cette Couronne [de France] et ſes maximes en donnant l’excluſion à Stanislas, d’autant plus que cette couronne n’a d’autre raiſon d’en agir ainſi qu’une ſimple amitié et ſon alliance avec Stanis - las, au lieu que les Alliez ſont obligés par les Pacta Conventa, Alliances et Garanties non ſeulement avec le Roi de Pologne, mais même avec toute la Repu - blique, de la deſendre en tous tems contre ſes Enne - mis et de maintenir ſes Conſtitutions. M. vergl. Unvorgreifliche Gedanken von der polniſchen Wahl, und ob ſich der Kaiſer darein meliren und ſonderlich der Wahl Stanislaus widerſetzen koͤnne? entworfen von J. G. F. R. C. M. 1734. 4.
c]
d]Daruͤber, daß der Kaiſer bey der polniſchen Koͤnigs - wahl 1733. den Stanislaus Lesczynsky von der Wahl ausgeſchloſſen wiſſen wolte, erklaͤrte Frankreich den Krieg, und ſahe den Kaiſer deshalb fuͤr den angreifenden Theil an. In der Kriegserklaͤrung heißt es: Les trai - tés par lesquels l’Empereur a voulu diſpoſer en maitre abſolu de la Couronne de Pologne; l’exclu - ſion, qu’il ſ’eſt efforcé de donner ſans autorité et ſans pouvoir, à un prince que ſes vertus rendent digne du trône etc. Moſers Reichsfama 15. Th. S. 505.
d]

§. 12. Entſcheidung ſtreitiger Wahlen.

Die Entſcheidung ſtreitiger oder zwieſpaͤltiger Wahlen durch innere Unruhen und Factionen, kommtGuͤnth. Voͤlk. K. 2. B. D dlediglich418Von der Regierungsfolge.lediglich der Nazion zu, und muͤſſen die intereſſirten Theile ſich der Reichsverfaſſung gemaͤs deshalb verglei - chen oder die Sache ſonſt ausmachen a]. Auswaͤrtige Maͤchte haben darein nichts zu ſagen, auſſer wenn ſie, nicht wie bey der uͤbrigen Einmiſchung, durch beſondere Vertraͤge, den eignen aus dieſen Unruhen ihr zuwach - ſenden Schaden und Nachtheil dazu berechtigt oder ſonſt aufgefodert werden. Ehedem maßten ſich vor - zuͤglich die Paͤpſte ein Entſcheidungsrecht hierunter an, das ihnen aber beſonders in neuern Zeiten keinesweges mehr zugeſtanden wird b]. Deſto haͤufiger pflegen an - dere Nazionen, unter irgend einem Vorwand, in ſol - chen Faͤllen geſchaͤftig zu ſeyn c].

a]Moſers erſte Grundlehren S. 39. und Beitr. in Frz. 1. Th. S. 364.
a]
b]Noch bey der Wahl Kaiſer Franz I. wolte indes der Papſt ſich die Entſcheidung der daruͤber entſtandenen Streitigkeiten anmaaſſen, ſtund aber, auf die ſeinem Geſandten zu Frankfurt desfals gethane Vorſtellungen wieder davon ab. Moſers Verſuch 1. Th. S. 219.
b]
c]Vor der polniſchen Koͤnigswahl 1763. erklaͤrte der Koͤ - nig in Preuſſen: Er wuͤnſche, daß die Republik bey Erwaͤhlung eines Koͤnigs einerley Geſinnungen haben moͤge, damit nicht, wenn innerliche Uneinigkeiten und Factionen entſtuͤnden, ſolches veranlaſſe, daß fremde Truppen in Polen einruͤcken und er dadurch genoͤthigt werde, mit einem Theil der ſeinigen ein gleiches zu thun.
c]
*]M. vergl. Io. Iac. Maſcov diſſ. de legitima electione et coronatione potentiſſ. Poloniarum regis Auguſti III. Lipſ. 1734. Henr. Gotfr. Scheidemantel diſſ. de iudicio in cauſſis litigioſae ſucceſſionis in regna. Ien. 1768. 4.
*]
§. 13.419Von der Regierungsfolge.

§. 13. Garantie der Wahlen.

Die Garantie der in einem Reiche etwa vorhande - nen Wahlgeſetze, und daß oͤfters andere Nazionen, ohne Concurrenz des Wahlreichs, blos ihres eignen Vorteils wegen, zu Aufrechthaltung der Wahlfreiheit eines dritten Staats unter ſich Vertraͤge errichten, habe ich ſchon oben [§. 9.] beruͤhrt. Uebrigens ge - ſchieht die Garantie der Wahlen auch zuweilen auf Er - ſuchen oder mit Theilnahme des Wahlſtaats. Dieſe Garantie liegt entweder ſchon in der uͤbernommenen Garantie der Conſtitution a] oder wird noch beſonders verſprochen, und geht entweder die Wahlfreiheit uͤber - haupt an b] oder erſtreckt ſich auch nur auf einen einzel - nen gewaͤhlten Regenten, deſſen Wahl man aufrecht zu erhalten ſich verbindet c], oder man macht ſich auch wohl anheiſchig, die Garantie einer Wahl in voraus zu uͤbernehmen d].

a]Daher aͤuſſerte der Kaiſer 1733. auf die franzoͤſiſche Kriegserklaͤrung: L’Empereur bien loin de per - mettre qu’on donne la moindre atteinte à la liberté de la république et a ſa Conſtitution telle qu’elle ſe trouve établie par les loix, en ſera toujours le plus ferme appui: Garant de cette liberté en vertu des Pacta Conventa, que depuis deux ſiecles ſubſiſtent entre l’Auguſte maiſon d’Autriche et les Séréniſſimes Rois de Pologne et la Republique de ce nom, le ſoin de la maintenir contre les entrepriſes de qui que ee ſoit le touche principalement. Moſers Reichs - fama 15. Th. S. 513.
a]
b]So wurde in den Wiener Friedenspraͤliminarien zwiſchen dem Kaiſer und Frankreich 1735., welchen Polen und Rußland ꝛc. nachher beitraten, Art. 1. verglichen: OnD d 2ſtipu -420Von der Regierungsfolge.ſtipulera comme auſſi la Garantie pour toujours, des libertés et particulièrement de la libre election de leurs Rois, und ſolches im Definitivfrieden 1738. Art. 6. beſtaͤtigt.
b]
c]Der Kaiſer und Grosbritannien verbanden ſich mit Polen 1719. Art. 8. Hoc foedus complectetur et aſſecu - rabit etiam tam regni Polonici tuitionem atque con - ſervationem, quam ipſius Poloniae regis[aſſertionem] et manutentionem in throno ſuo contra quoscunque qui aut clam aut palam, directe vel indirecte illum turbare et moleſtare praeſument, in quieta poſſeſſione regni ſui etc. Rußland erklaͤrte 1743. in Abſicht des zum kuͤnftigen Erbfolger in Schweden beſtimten Herzogs Adolph Friedrich von Holſtein: Que comme S. M. Imp. ſ’étoit engagée par le traité de paix qu’elle venoit de conclure avec cette Couronne de la ſecourir puiſſamment au cas qu’elle fut attaquée à l’occaſion du choix que les Etats de Suede ont fait du prince Evéque de Lubec pour ſucceſſeur au trône, elle étoit reſolue de remplir cet engagement avec la dernière exactitude: Qu’Elle ſ’y trouvoit d’autant plus obligée que cette élection avoit été faite à ſa recom - mendation particulière. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 157.
c]
d]Wie Grosbritannien unter gewiſſen Umſtaͤnden verſprach, die Wahl Erzherzog Joſephs zum roͤmiſchen Koͤnig zu garantiren. Moſers Beitr. a. a. O. S. 278. Vergl. deſſen Grundſaͤtze in Frzeit. S. 101.
d]

§. 14. Competenten und Praͤtendenten.

Wenn in Erbreichen eine Perſon vorhanden iſt, welche aus einer Menge moͤglicher Urſachen, als wegenent -421Von der Regierungsfolge.entfernterer Verwandſchaft, wegen unehelicher, un - rechtmaͤſſiger und untergeſchobener Geburt ꝛc. von einer andern, die ein ſtaͤrkeres Recht zur Regierung hat, oder wenigſtens zu haben glaubt, ausgeſchloſſen wird, oder wenn in Wahlreichen, bey entſtehenden Unruhen und Spaltungen des Volks, von den verſchiedenen Partheien mehrere erwaͤhlt werden, wovon ieder die Rechtmaͤſſigkeit der Wahl behauptet und auf die Regie - rung Anſpruch macht, oder auch wenn Betruͤger ſich aufwerfen und fuͤr eine Perſon ausgeben, die allenfals wuͤrklich einiges Recht auf den Thron haben koͤn - ten, ſo nennt man dieſe, wenn ſie noch darum ſtreiten, Mitwerber, Competenten, Praͤtendenten hingegen die uͤbrigen wenn der eine ſich bereits im Beſitz befin - det a]. Dergleichen Praͤtendenten koͤnnen auch daher entſtehen, wenn ein Regent durch Krieg oder innere Factionen ſein Reich verliert b]. Die beiderſeitigen Rechte muͤſſen, wie von den uͤbrigen Wahlſtreitigkeiten ſchon erinnert worden, lediglich nach den Grundgeſetzen der Conſtitution, welche die Nazion in zweifelhaften Faͤllen gar wohl zu erklaͤren befugt iſt, entſchieden, oder, wenn dieſe nicht auslangen und in Anwendung zu bringen ſind, die Streitigkeiten durch die Praͤten - denten ſelbſt, entweder in guͤtlichen Vertraͤgen, durch compromiſſariſchen Ausſpruch oder auf andere Weiſe c] und endlich mit Gewalt der Waffen beendigt werden d]. Andern Nazionen ſteht, auſſer unter ienen mehrerwaͤhn - ten Umſtaͤnden, kein Entſcheidungsrecht dabey zu e]. Doch haͤngt es, ſo lange die Sache zweifelhaft iſt, von ihrem Gutbefinden ab, ob ſie die Parthen des einen oder andern ergreifen f], ihm Aufenthalt, Schutz und die einem Regenten gebuͤhrenden Ehrenbezeigungen gewaͤhren wollen g]. Wenn der eine aber bereits zum ruhigen Beſitz gelangt und von den meiſten uͤbrigen Nazionen anerkant iſt, ſo wird es allerdings als Be -D d 3leidigung422Von der Regierungsfolge.leidigung angeſehen, wenn dem andern Theile derglei - chen zugeſtanden oder ihm wohl gar Beiſtand gegen ienen geleiſtet wird h]. Um dergleichen Theilnahme zu verhindern, laſſen ſich die Nazionen daher von an - dern oͤfters verſprechen, daß ſie der Praͤtendenten ſich nicht annehmen, und ihnen in ihren Landen weder Auf - enthalt verſtatten, noch ſonſt eine Unterſtuͤtzung zu - kommen laſſen wollen i].

a]Daher haben wir eine Menge Gegenkaiſer, Gegenkoͤnige, Gegenpaͤpſte, ingleichen falſche Regenten, als den fal - ſchen Eduard und Richard in England, die falſchen De - metrii und Sebaſtiane, einen Pugatſchef ꝛc. in Rußland, in der Geſchichte; von welchen letztern iedoch hier eigent - lich nicht die Rede iſt. M. ſ. Gotfr. Achenwall diſſ. de iure in aemulum regni vulgo Praetendentem. Marb. 1747.
a]
b]Sam. Cocceji diſſ. de regimine vſurpatoris rege ejecto. Frcf. 1702.
b]
c]Wie Katharina II. in Rußland ſich des von der Kaiſerin Anna zum Thronfolger beſtimten Ivan entledigt habe, ſehe man das Manifeſt in Moſers Verſuch 5. Th. S. 188.
c]
d]Achenwall l. c. c. 3. §. 48. ſeq. So muſte endlich Stanislaus Lesczynsky im Wiener Frieden gegen Au - guſt III. auf die Krone Polen Verzicht leiſten. ſ. Ur - kunde vom 27. Jan. 1736. in Wenck Cod. I. G. T. I. p. 8.
d]
e]Achenwall l. c. §. 57. Daher proteſtirte der Praͤten - dent von Grosbritannien nicht nur 1712. wider den da - mals zwiſchen Frankreich und Grosbritannien vorhaben - den Frieden, ſondern auch 1748. bey dem Aachner Frieden, wider alles, was ihm zum Nachtheil geſchloſ - ſen werden koͤnte alſo: Comme nous voyons, que les Puiſſances intereſſées dans cette dernière guerre ſont ſur le point de conclure un traité de paix ſans avoiraucun423Von der Regierungsfolge.aucun égard à nos juſtes droits; afin que notre ſilence ne ſoit pas interpreté et regardé comme un conſente - ment tacite à ce qui pourra être ſtipulé à notre pré - judice ou au préjudice de nos heritiers legitimes, Nous proteſtons ſolemnellement et de la manière la plus ſorte que nous pouvons contre tout ce qui ſera traité reglé ou conclu-comme étant nul par defaut d’autorité legitime. Moſers Verſuch 5. Th. S. 206.
e]
f]Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 137. ff. und deſſen Grundlehren S. 40. ff. beſonders Verſuch 1. Th. S. 185. ff.
f]
g]Hier iſt beſonders der Praͤtendent auf den grosbritanni - ſchen Thron, der Sohn Koͤnig Jakob II. aus dem Hauſe Stuart und ſeine Nachfolger merkwuͤrdig. Dieſer wurde, nach Jakob II. Tode, unter dem Namen Ja - kob III. von Frankreich, Spanien und dem Papſt, als Koͤnig in England, Schottland und Irrland erkant und erhielt koͤnigliche Ehrenbezeigungen: Er wurde auch in verſchiedenen Unternehmungen ſich auf den Thron zu ſchwingen heimlich und oͤffentlich unterſtuͤtzt, vorzuͤglich von Spanien, welches ihn 1719. mit gewafneter Hand dazu verhelfen wolte. Vergl. Moſers Verſuch 1. Th. S. 193. u. S. 209.
g]
h]Vattel droit des gens L. II. c. 12. §. 198.
h]
i]So verſprach z. B. Frankreich im Utrechter Frieden mit Grosbritannien 1713. Art. 4. u. 5. quod cum e regno Galliae ſponte nuper alibi commoraturus exierit ille qui vivente nupero rege Iacobo ſecundo, Principis Walliae, eodem vero defuncto, Regis Magnae Bri - tanniae titulum aſſumpſit, curam omnem per prae - dictum regem Chriſt. datum iri ne in regnum Galliae aut aliquas ejusdem ditiones vllo dehinc tem. pore vllove ſub praetextu in poſterum revertatur. neque vllum vllo tempore auxilium, ſuppetias, fa - vorem aut conſilium praeſtabit Rex Chriſt. directeD d 4vel424Von der Regierungsfolge.vel indirecte, terra, marive, pecunia, armis, mu - nitionibus, apparatu bellico, navibus milite, nautis aliove quovis modo cuicunque perſonae aut perſonis, ſi quae fuerint, quae quacunque de cauſſa aut prae - textu dictae ſucceſſioni ſeſe in poſterum opponere molientur etc. Das letztere verſprach auch Spanien im Utrechter Frieden 1713. Art. 6. und dieſes Verſpre - chen wurde von Frankreich in der Tripelallianz mit Gros - britannien und den Vereinigten N. Landen 1717. Art. 2. beſonders um ihn aus Avignon zu ſchaffen, wiederholt, und in der Quadrupelallianz 1718. Art. 5. erneuert, auch im Aachner Frieden 1748. Art. 19. beſtaͤtigt; welchem zu Folge der Praͤtendent, da er in Guͤte nicht wolte, mit Gewalt aus Frankreich fortgeſchaft werden muſte, und ſich nach Rom begab. Vergl. die ſchon oben angefuͤhrte Schrift in Moſers ungedruckten Staats - bedenken: Kurze actenmaͤſſige Nachricht von der Gros - britanniſchen Cronfolge ꝛc. nebſt deſſen Verſuch 1. Th. S. 86. ff. und Franz. Dom. Haͤberlin Betrachtungen uͤber das Betragen der Krone Frankreich gegen die Krone Grosbritannien in Anſehung des Praͤtendenten. Goͤtting 1745. 8. Durch den am 31. Jan. 1788. erfolgten Tod des letzten von dieſem Stamme Karl Eduards ſind dieſe Praͤtenſionen erloſchen, und ſollen, nach einiger Meinung, nun auf den Koͤnig von Sardinien oder den Herzog von Orleans gefallen ſeyn. ſ. Polit. Journ. Maͤrz 1788. S. 242. ff. 290. u. 333.
i]

§. 15. Mitregenten.

Ob und in wie ferne die Souverains einer Nazion einen Mitregenten annehmen koͤnnen, komt auf die Grundverfaſſung eines ieden Reichs an, und wenndieſe425Von der Regierungsfolge.dieſe es erlaubt, haben andere Nazionen eigentlich nichts dagegen zu ſagen, wenn nicht beſondere ihnen zuſtehen - de Rechte dadurch verletzt werden.

*]Als die Koͤnigin Maria Thereſia in Ungarn und Boͤh - men 1740. ihren Gemal, den Grosherzog Franz von Toſcana zu ihren Mitregenten ernante, proteſtirte Sach - ſen dagegen, weil dies zum Nachtheil Kaiſer Karls VI. pragmatiſcher Sanction gereiche. Dieſe Mitregentſchaft hatte iedoch, wegen anderer dabey eintretender Wider - ſpruͤche keine Wuͤrkung. ſ. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 262. Im Jahre 1741. ſoll zwiſchen Oeſterreich und Kurſachſen eine Convention, daß letzteres der Mitregentſchaft des Grosherzogs nicht entgegen ſeyn wolle, gemacht, aber nicht notificirt worden ſeyn.
*]

§. 16. Landesherrn.

Bey den teutſchen Landesherrn trift man ebenfals verſchiedene Arten der Regierungsfolge, Erb - und Wahlſtaaten an. Zu den letztern gehoͤren die geiſtli - chen Erz - und Bisthuͤmer ꝛc. Es ſind mehrenteils ge - wiſſe Grundgeſetze, Erbvertraͤge, Erbverbruͤderun - gen ꝛc. deshalb vorhanden, welche in zweifelhaften Faͤllen zur Beurteilung und Entſcheidung dienen. Dieſe gehoͤrt aber allerdings vor das Reichsoberhaupt und die Reichsgerichte a]; daher auch die Landesherrn in Anſehung der Garantie und im uͤbrigen nicht ſo nach voͤlliger Wilkuͤhr verfahren koͤnnen, wie unabhaͤngige Nazionen b]. Die Einmiſchung anderer, beſonders auswaͤrtiger Staaten ſolte auch hier keinesweges Statt finden, doch fehlt es an Beiſpielen nicht, daß ſie ſich in die Regierungsfolge gemiſcht c], und ſolche durch ihre Einwuͤrkung regulirt haben d].

D d 5Bey426Von der Regierungsfolge.

Bey den Wahlen der teutſchen geiſtlichen Landes - herrn haben die Kapitel zwar das freie Wahlrecht, doch ſteht dem Kaiſer e] ſowohl, als einigen Mitſtaͤnden f], vornaͤmlich den Schutzherrn, einige Concurrenz dabey zu; nicht zu gedenken, daß auch hier ſehr oft auswaͤr - tige Nazionen, nicht blos durch Empfehlungen, ſon - dern oͤfters durch nachdruͤcklichere Mittel ihren Einflus haben g].

Die Anſpruͤche eines Praͤtendenten gehoͤren ebenfals zur Entſcheidung des Reichsoberhaupts h].

a]Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 255. Vergl. Io. Steph. Puͤtter diſſ. de normis decidendi ſucceſſio - nem illuſtrium controverſam. Gotting. 1757. 4. und in Ejusdem Syllog. Comment. Ius Priv. Princ. illuſtr. n. 3.
a]
b]Moſer a. a. O. S. 261. Wie der Kaiſer die von dem Corpore Evangelicor. uͤbernommene Garantie des Hohenloiſchen Erbfolgsvertrages geahndet. ſ. in Fabers Staatskanzley 44. Th. S. 237. ff. 47. Th. S. 28. ff.
b]
c]Unter andern gehoͤrt hieher was wegen der Erbfolge in Parma, Placenz ꝛc. im Wiener und Aachner Frieden ver - handelt worden, die Regulirung der baieriſchen Erbfolge im Teſchner Frieden ꝛc. ſ. Moſer a. a. O. S. 181. ff.
c]
d]Von andern landesherrlichen Staaten auſſer Teuſchland geben beſonders die wegen der Erbfolge und des Rechts der Staͤnde, einen neuen Herzog zu waͤhlen, im Her - zogthum Curland entſtandenen Streitigkeiten, und die ruſſiſche und preuſſiſche Einmiſchung dabey ein Beiſpiel. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 142. ff. Vergl. Ius eligendi Ducem ſtatibus Curlandiae et Semigalliae ex principiis iuris naturalis vindicatum ſ. l. 1736. Solida atque in actis publicis et hiſtoriarum monumen - tis fundata demonſtratio, quod ſtatibus Curlandiae tanquam vaſallis feudi inlyto Poloniae regno aper - ti, nullum de eo diſponendi arbitrium vel iusliberae427Von der Regierungsfolge.liberae quam vocant electionis competat ſ. l. 1742.
d]
e]Doch kann der Kaiſer keinen vorſchlagen, daß er ge - waͤhlt werden muͤſte oder einem die Ercluſive geben. Moſers Staatsr. 3. Th. S. 300.
e]
f]Ebendaſelſt S. 316. und deſſen nachbarl. Staatsr. S. 2. Quedlinburg hatte mit Sachſen einen ausdruͤck - lichen Vertrag errichtet, daß die Wahl zwar frey ſeyn, aber nicht anders als mit des Schutzherrn Vorwiſſen und demſelben nicht zuwidet geſchehen ſolte.
f]
g]Dergleichen Einflus haben mehrenteils die Generalſtaa - ten der Vereinigten N. Lande bey den Biſchofswahlen zu Luͤttich und Muͤnſter. ſ. Moſers Staatsr. 3. Th. S. 306. und deſſen auswaͤrt. Staatsr. S. 293. Auch Frankreich hat hier oft ſeine Kuͤnſte angewandt. Im Jahre 1689. wurde unter den Kriegsurſachen des Reichs gegen Frankreich dieſe mit angegeben, daß letzteres den Cardinal von Fuͤrſtenberg mit Gewalt dem Domkapitel zu Koͤln habe aufdringen wollen, obgleich im Gegentheil auch Frankreich ſich uͤber den Kaiſer beſchwerte, daß er widerrechtlich dieſem die Ercluſive gegeben habe. ſ. Moſers Staatsr. 3. Th. S. 304. und deſſen ausw. Staatsr. S. 213. Vergl. Joh. Chr. Wilh. von Steck von Einmiſchung fremder Maͤchte und anderer Reichs - ſtaͤnde in die Wahlen der teutſchen Praͤlaten; in deſſen Verſuch uͤber verſch. Materien polit. und rechtlicher Kent - niſſe. Berl. und Stralſ. 1783. 8.
g]
h]Wegen Curland ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 185. und wegen des Naſſauiſchen Praͤtendenten am Fuͤrſten - thum Siegen und die Haͤlfte des Fuͤrſtenthums Hademar den beim Reichshofrath angeſtelten Proceß in Reuß teutſcher Staatskanzley 14. Th. S. 50. ff.
h]
Drit -428

Drittes Kapitel. Von Antritt und Endigung der Regierung.

§. 1. Kroͤnung.

In monarchiſchen Staaten, deren Oberhaupt mit der kaiſerlichen oder koͤniglichen Wuͤrde bekleidet iſt, pflegt nach einem Herkommen unter den Nazionen, der neue Regent, nachdem er durch die Erbfolge oder Wahl zur Regierung gelangt iſt, gleichſam zur Beſtaͤ - tigung und feierlichen Einweihung, gekroͤnt und geſalbt zu werden, und man nent ſie daher gekroͤnte Haͤup - ter a]. Die Nothwendigkeit und Feierlichkeiten der Kroͤnung beruhen auf die Verfaſſung und das Herkom - men ieden Reichs. Auswaͤrtige Nazionen haben da - bey nichts zu ſagen b], als daß ihre Souverains zu - weilen zu den Feierlichkeiten eingeladen werden und denſelben beiwohnen. Doch haben die Paͤpſte ſich be - kantlich in aͤltern Zeiten mancherley Rechte hierunter, beſonders in Abſicht der roͤmiſchen Kaiſerkroͤnung ange - maßt c]. Auch geſchieht es wohl, daß dieienigen, welche wider die Wahl oder Erbfolge des Regenten etwas einzuwenden haben, auch die Kroͤnung deſſelben zu verhindern und ihre Gerechtſame hierunter durch Proteſtationen zu verwahren ſuchen d].

a]Dahin rechnet man auch den Papſt, aber keinesweges den Doge zu Venedig und Genua, obgleich erſterer we - gen des anſprechenden Koͤnigreichs Cypern, und letzterer wegen des ehemals beſeſſenen Koͤnigreichs Corſica eineArt429Von Antritt und Endigung der Regierung.Art von Kroͤnung zu erhalten pflegt. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 14.
a]
b]Daß einige auswaͤrtige Koͤnige, die zugleich Kurfuͤrſten ſind, an der Kroͤnung des roͤmiſchen Kaiſers Theil neh - men, geſchieht bekantlich blos in der letztern Eigenſchaft.
b]
c]Die paͤpſtliche Kroͤnung ſoll das Reichsoberhaupt erſt zu den Kaiſertitel berechtigen, und die teutſche Kroͤnung ihm blos den roͤmiſchen Koͤnigstitel verſchaffen. Doch bedienen ſie ſich, ſeitdem die roͤmiſche Kroͤnung nicht mehr zu geſchehen pflegt, wenigſtens des Titels: er - waͤhlter Roͤmiſcher Kaiſer, wie auch andere Koͤnige vor der Kroͤnung ſich zuweilen blos: erwaͤhlter ſchrei - ben z. B. Koͤnig Auguſt II. in Polen. ſ. Luͤnig Litt. Proces. Tom. II. p. 562. Vergl. Rich. Zouchaeus vtrum dignitas imperatoria pendeat a Coronatione pontificia; in iure fecial. P. II. Sect. 2. g. 2. Io. Iac. Maſcov diſſ. de regali imperialique Auguſtorum Germaniae Auguſtarumque Coronatione. Lipſ. 1723.
c]
d]Z. B. dadurch, daß ein Praͤtendent die Krone und Reichskleinodien ꝛc. zu entfernen ſucht. Im Altranſtaͤdter Frieden zwiſchen Schweden und Sachſen 1706. Art. 7. wurde daher die Auslieferung der nach Sachſen gebrach - ten polniſchen Krone ꝛc. bedungen: Wider die Kroͤnung der Koͤnigin Maria Thereſia in Ungarn und Boͤhmen proteſtirten Spanien und Kurbaiern. ſ. Europ. Staats - Sekret. 67. Th. S. 573. 577.
d]
*]M. vergl. Io. Cph. Becmann diſſ. II. de inaugura - tionibus regiis in Ej. Synt. dignit P. I. n. 5. et 6. Dan. Nettelbladt diſſ. de coronatione ejusque effectu inter gentes. Hal. 1747. Io. Iac. Chifletius de vnctione regum contra Alex. Tennevriam, cum ej. Ampulla Remenfi. Antw. 1651. f. Io. Ioach. Zentgrav de vnctione regum. Argent. 1688. 4.
*]
§. 2.430Von Antritt und Endigung der Regierung.

§. 2. Antritt der Regierung.

Von dem erfolgten Regierungsantritt pflegen die Souverains den andern, beſonders freundſchaftlichen Nazionen a], in Schreiben, welche durch den gewoͤn - lichen oder einen auſſerordentlichen Geſandten b], oder durch Curirs ꝛc. wie es herkomlich, uͤberreicht werden, Nachricht zu ertheilen, und von dieſen dagegen Gluͤck - wuͤnſche zu erhalten c]. Dieſe Gewonheit beruht ſo - wohl uͤberhaupt, als in der Art, auf bloſſe Wilkuͤhr d], und kann nicht leicht als Schuldigkeit angeſehn wer - den. Nur der Papſt verlangt deren Beobachtung als eine ſolche von dem Kaiſer und den uͤbrigen catholiſchen Maͤchten e]. Doch pflegen uͤber die Notification und uͤber die Abſtattung der Gluͤckwuͤnſche zuweilen Ver - traͤge errichtet zu werden f], welche, ſo wie ein etwa vorhandenes verbindliches Herkommen, allerdings be - folgt werden muͤſſen; widrigenfals die andere Nazion die Unterlaſſung oder Abweichung auf irgend eine Weiſe als Beleidigung anſehn, und die Annahme verweigern kan g]. Die Notification wird iedoch gemeiniglich un - terlaſſen, wenn man weiß, daß die andere Nazion die Anerkennung eines Regenten verweigert h]. Zuweilen ſtelt der Hof, dem die Notification geſchieht, ſelbſt einige Feierlichkeiten deshalb an, wenigſtens aber wird den Unterthanen der Nazion, deſſen Regent die Regie - rung antritt, die ſich in andern Landen befinden, wenn ſie deshalb gewiſſe oͤffentliche Freudenbezeigungen an - ſtellen wollen, ſolches, mit Vorbewuſt der Obrigkeit nicht leicht verwehrt i].

a]Die Koͤnigin von Schweden notificirte 1719. Rußland, ob es gleich mit ihm in Krieg verwickelt war, dennochihre431Von Antritt und Endigung der Regierung.ihre Gelangung auf den Thron, und dieſes legte ſeinen Gluͤckwunſch dagegen ab.
a]
b]Moſers Verſuch 3. Th. S. 71.
b]
c]Moſers erſte Grundlehren S. 58. de Martens pré - cis du droit d. g. L. III. c. 2. §. 58. Wie Frank - reich die Beantwortung des Notificationsſchreibens der Koͤnigin in Ungarn Maria Thereſia unter allerhand Vor - wand verzoͤgert hat. ſ. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 257.
c]
d]Ickſtatt Elem. I. G. L. II. c. 6. §. 3. ff.
d]
e]Die ſogenanten Obedienzgeſandſchaften. ſ. Moſers Staatsr. 2. Th. S. 325. 476. ff. Legnich Ius Publ. Pal. LII. c. 5. §. 23. Chr. Gottl. Buder de legationibus obedientiae Romam miſſis. Ien. et Lipſ. 1737. 4. und in Ej. Opuſculis quibus ſelectiora Iur. Publ. argumenta exhibentur. Ien. 1745. n. 5. p. 333.
e]
f]Im Frieden zu Stolbova zwiſchen Rußland und Schwe - den 1617. Art. 29. wurde z. B. verglichen, daß bey vorfallenden Succeſſionsaͤnderunger der neue Regent dem andern durch Geſandſchaft ſeine Freundſchaft erbieten, und dieſer darauf ihn wieder durch Geſandſchaft beſuchen laſſen ſoll. Auch im Def. Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte 1791. Art. 13. wurde die Notification der Thronbeſteigung des neuen Regenten durch Miniſter vom zweiten Range mit beſtimtem gewoͤnlichem Ceremo - niell bedungen.
f]
g]Hieruͤber entſtand 1774, Streit zwiſchen dem Koͤnig von Sardinien und der Republik Venedig, weil erſterer verlangte, daß dieſe nicht einen, ſondern zwey Ambaſ - ſadeurs zu Abſtattung ihres Gluͤckwunſches ſchicken ſolte, da, wie einige Nachrichten wollen, ſonſt zwey waͤren ge - ſchickt worden, oder die Republik wenigſtens an andere gekroͤnte Haͤupter deren zwey ſchickte; und man berief deshalb die beiderſeitigen Geſandſchaften von den Hoͤfenzuruͤck.432Von Antritt und Endigung der Regierung.zuruͤck. ſ. Moſers Verſuch 3. Th. S. 71. und deſſen Beitr. zum Geſandſchaftsr. S. 37. Neuſte Staatsbe - gebenheiten 1775. §. 469.
g]
h]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 87.
h]
i]Bey der Thronbeſteigung Koͤnig George III. in Gros - britannien 1762. erlaubte der Koͤnig in Portugall denen auf dem Tagus liegenden engliſchen Schiffen, daß iedes derſelben durch 77. Schuͤſſe [als ſo viele Jahr der ver - ſtorbene Koͤnig Georg II. erlebt hatte] minutenweis ſeine Trauer und endlich alle mit einander durch eine General - ſalve ihre Freude wegen des Regierungsantritts des neuen Koͤnigs bezeigen durften.
i]

§. 3. Erkennung des Regenten.

Auf dieſe Notification ſind andere Nazionen, wenn die Gelangung auf den Thron durch Erbfolge oder Wahl gehoͤrig geſchehen iſt a] verbunden, den neuen Regenten, den die Nazion annimmt, auch zu erken - nen, welches gemeiniglich dadurch geſchieht, daß die Notification angenommen und beantwortet wird b]; denn wenn Streitigkeiten und Zweifel dabey obwalten, haͤngt es, ſchon obgedachtermaaſſen, von der Wilkuͤhr einer ieden ab c]. So lange aber eine oder die andere Nazion, aus vorerwaͤhnten Gruͤnden, Urſach zum Widerſpruch gegen die Thronbeſteigung eines Regenten zu haben glaubt, kann die Anerkennung freilich nicht verlangt werden. Es ſind daher ſchon oͤfter Faͤlle vor - gekommen, daß andere Nazionen, beſonders einen ge - waͤhlten Regenten, wegen zwieſpaltiger Wahl, wegen Unanſtaͤndigkeit der Perſon, wegen unrechtmaͤſſiger Entſetzung des vorigen Oberhaupts, wegen mangeln - der Theilnahme einiger Wahlglieder und ſonſt die An -erkennung433Von Antritt und Endigung der Regierung.erkennung verweigert haben d]; und daß dieſe erſt in der Folge zuweilen durch Krieg, in den darauf gefolg - ten Friedensſchluͤſſen bewuͤrkt werden muͤſſen e]. Wenn dieſe nicht erfolgen will, pflegt der andere Theil ſich aller dienſamen Mittel, als Anfangs Vorſtellungen, Negociationen, Drohungen und am Ende gar Gewalt zu bedienen f]. Auch haben ſchon dritte dabey inter - eſſirte Nazionen ſich bemuͤht, die Anerkennung zu er - halten g], oder von andern verlangt, daß ſie einen gewiſſen Regenten nicht erkennen moͤchten h].

a]In Patrimonialreichen erkennt man, nach Neyrons Meinung, iedoch ohne Bedenken den Regenten, welcher ſich im Beſitz befindet, ohne zu unterſuchen, wie er auf den Thron gekommen. Neyron principes du droit d. g. C. III. Art. 6. §. 94.
a]
b]de Martens précis L. III. c. 2. §. 59.
b]
c]ſ. oben 2. Kap. §. 5. u. 12.
c]
d]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 100. Deſſen Beitr. in Frz. 1. Th. S. 256. u. 329. erſte Grundlehren S. 37. Dies iſt unter andern bey den teutſchen Kai - ſer - und Koͤnigswahlen oͤfters vorgekommen. Den roͤmi - ſchen Koͤnig Ferdinand III. wolte Frankreich nicht erken - nen, weil der gefangene Kurfuͤrſt von Trier und der ge - aͤchtete Kurfuͤrſt von der Pfalz bey der Wahl ausgeſchloſ - ſen geweſen. Eben ſo wolte es Kaiſer Karl VI. nicht erkennen, weil die in der Acht befindlichen Kurfuͤrſten von Koͤln und Baiern an der Wahl keinen Theil genom - men hatten. Auch Franz I. wolte von dieſer Krone nicht erkant werden, weil ſie mit deſſen Gemalin im Krieg war. Spanien - und Sicilien wolten ihn gleich - fals nicht erkennen ꝛc. Moſers ausw. Staatsr. S. 8. u. 40. Deſſen Beitraͤge in Frz. 1. Th. S. 330. 341. ff.
d]
e]So genehmigte unter andern Frankreich im Utrechter Frieden mit Savoyen 1713. Art. 5. die ſpaniſche Ab -Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. E etretung434Von Antritt und Endigung der Regierung.tretung von Sicilien an den Herzog von Savoyen recon - noiſſant dès à préſent, en vertu de ce traité, S. A. Royale de Savoye pour ſeul et legitime roi de Sicile. Koͤnig Philip V. von Spanien wurde von dem Kaiſer im Wiener Frieden 1725. Art. 4. erkant. Auguſt III. von Polen im Wiener Frieden 1735. Praͤlim. Art. 1. Def. Fr. Art. 6. und beſondere franzoͤſiſche Acte vom 23. Nov. 1736. So auch der Koͤnig von Neapel in dieſem Frieden Art. 3. Die Anerkennung Franz I. geſchahe von Pfalz und Brandenburg im Dreßdner Frieden 1745. Art. 7. und 12. und von Frankreich ꝛc. erſt in den Aachner Friedenspraͤlim. 1748. Art. 14. wo es heißt: Le Prince élû à la dignité de l’Empereur ſera reconnu par toutes les Puiſſances qui ne l’ont pas encore reconnu dans la dite qualité. Merwuͤrdig iſt es, daß Kaiſer Karl VII. von der Koͤnigin in Ungarn ꝛc. erſt nach ſeinem Tode im Fuͤeße - ner Frieden Art. 1. erkant worden iſt. Moſers Ver - ſuch 1. Th. S. 205.
e]
f]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 91.
f]
g]Stanislaus Lesczynsky in Polen wurde anfangs von keiner europaͤiſchen Nazion, auſſer Schweden erkant, nach dem Altranſtaͤdter Frieden aber ſuchte dieſe Krone die Anerkennung uͤberall zu bewuͤrken.
g]
h]So verlangte 1741. der baieriſche Geſandte zu Wien an die fremden Miniſter, nach Kaiſer Karls VI. Tode, daß ſie die Koͤnigin von Ungarn und Boͤhmen ꝛc. Maria Thereſia nicht erkennen moͤchten. ſ. Fabers Staats - kanzley 79. Th. S. 532.
h]
*]M. vergl. Lud. God. Magen diſſ. de eo quod circa imperantem agnoſcendum eſt iuris Gentium; occa - ſione denegatae agnitionis Aug. Imp. Franciſci legi - time electi a rege Galliae ejusque foederatis. Gießae 1748. 4.
*]
§. 4.435Von Antritt und Endigung der Regierung.

§. 4. Abdankung der Regierung.

Ob und in wie ferne einem Regenten erlaubt ſey, freiwillig die Regierung niederzulegen, muß aus den Grundgeſetzen eines ieden Staats beurteilt werden; andere Nazionen haben in der Regel nichts darein zu ſagen a]. Ein Souverain, welcher die Regierung ab - gedankt hat, pflegt iedoch ſowohl in ſeinem Staate, als auswaͤrts, die perſoͤnlichen Gerechtſame der Sou - verains zu genieſſen b]. Indes kann auch andern Nazionen, wenn ſie Nachtheil daraus zu befuͤrchten haben ſolten, nicht verargt werden, andere Maasre - geln hierunter zu ergreifen, und ihm z. B. ſogar den Aufenthalt bey ſich abzuſchlagen c].

a]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 163. Es giebt hiervon verſchiedene Beiſpiele in der Geſchichte: als Koͤnig Phi - lips V. in Spanien, der Koͤnigin Chriſtine in Schwe - den, Johann Caſimirs in Polen, Victor Amadens in Sardinien, Kaiſer Karls VI. ꝛc. Doch haben auch ſchon andere Nazionen ſolche als unguͤltig anſehn wollen. Die letztere wolte beſonders der Papſt nicht erkennen, und erklaͤrte ſie fuͤr null, weil die Reſignation nicht in ſeine Haͤnde geſchehen ſey. Als die Koͤnigin Chriſtine in Schweden abdankte und ihrem Vetter dem Pfalzgra - fen Karl Guſtav die koͤnigliche Wuͤrde uͤbertrug, ſchickte Koͤnig Johann Caſimit in Polen eine eigne Geſandſchaft nach Schweden, eine ſolenne Proteſtation dagegen in - zulegen, aber die Koͤnigin gab die nachdruͤckliche Ant - wort: Mein Vetter wird euch mit dreiſſigtauſend Zeu - gen beweiſen, daß er der rechtmaͤſſige Koͤnig in Schwe - den ſey. Puffendorff de rebus geſtis Caroli Guſtavi L. I. §. 43.
a]E e 2b] Moſer436Von Antritt und Endigung der Regierung.
b]Moſer a. a. O. S. 164. vergl. Sam. Fr. Willenberg diſſ. de veneratione erga principem poſt abdicatum imperium. Gedan 1723.
b]
c]Ebendaſelbſt S. 165.
c]
*]M. vergl. unter andern Ahaſ. Fritſchii tract. de reſignationibus imperatorum, regum, principum etc. Gedan. 1669. 4. Iuſt. Cph. Dithmar diſſ. de abdicatione regnorum alia - rumque dignitatum illuſtrium. Frcf. 1724. Mart. Haſſen diſſ. de conditione principis qui imperio ſe abdicavit. Witeb. 1734.
*]

§. 5. Abſetzung.

Eben ſo verhaͤlt es ſich mit der wider Willen des Regenten abgenoͤthigten Entſagung oder Abſetzung eines Souverains, wenn die Nazion etwa, vermoͤge der ſogenannten commiſſoriſchen Clauſel a], oder wegen offenbarer Tyranney das Recht hat, ſich der Abſetzung anzumaſſen b], oder ſolche durch Unruhen und Factio - nen bewuͤrkt wird c]. Andere Nazionen aber koͤnnen von einem Volke die Entſetzung ſeines Regenten nicht verlangen, oder ſich ſelbſt derſelben unterfangen d], als allenfals im Kriege, wenn die Nothwendigkeit es er - fodert e]. Wenn ſie aber auf irgend eine Art geſchieht, ſo komt es auf die Umſtaͤnde, und einer ieden Nazion Wilkuͤhr und Gutbefinden an, ob ſie ſich deſſen anneh - men, wenn er das Gluͤck hat, ſich wieder auf den Thron zu ſchwingen, ihn anerkennen, ihm, wenn er Zuflucht zu ihnen nimt, wenigſtens Aufenthalt ver - ſtatten, und ihm andere Ehre erweiſen wollen f]. Nur ſteht ihnen kein Recht einer entſcheidenden Beurteilung zu g].

a] Wie437Von Antritt und Endigung der Regierung.
a]Wie z. B. in Portugall auf den Misbrauch der hoͤchſten Gewalt die Dethroniſation geſetzt iſt. ſ. Neyron prin - cipes etc. c. III. art. 4. §. 81. Vergl. Imm. Weber diſſ. de regnis ſub lege commiſſoria delatis. Gießae 1715.
a]
b]Glafey Voͤlkerrecht S. 41.
b]
c]So erklaͤrte die Baarer Confoͤderation in Polen 1771. in Raͤckſicht des durch ruſſiſche Macht vermeintlich ein - gedrungenen Koͤnigs Stanislaus Auguſtus, den polni - ſchen Thron fuͤr vacant, wurde aber von Rußland zum Gehorſam gebracht. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 365.
c]
d]Moſers erſte Grundlehren S. 40. Daß die Paͤpſte ſich dieſes Rechts, Koͤnige ab - und einzuſetzen, ehedem angemaßt haben iſt bekant, und es entſtanden daruͤber viele Streitigkeiten, als der Kardinal du Perron ihm ſolches in verſchiedenen oͤffentlichen Reden in Frankreich beilegte. ſ. Moſers Grundſaͤtze in Frzeit. S. 156. ff. Nieder Elb. Magazin November 1788. S. 1290. Auch der Koͤnig von Schweden Karl XII. verlangte die Abſetzung Koͤnig Auguſts II. in Polen von den Staͤn - den. Er ſchrieb an den Primas nach Anfuͤhrung vieler ihr und das Koͤnigreich Polen angehender Beſchwerden gegen ihn: Huic igitur malo mature preſcindendo medium accommodatius vix adhiberi poteſt vllum, quam ſi rex iſte throno quam primum dejiciatur quippe qui ſe infracta toties legum et iuratae Capitu - lationis fide reddit indignum. In quo cum non mi - nus Reipublicae Veſtrae quam noſtra poſita ſit ſecu - ritas, non poſſumus non huic rei perficiendae ſum - mopere inſiſtere etc. Lamberty Memoires etc. Tom. I. p. 639. Er erreichte auch bekantlich ſeine Abſicht auf kurze Zeit im Altranſtaͤdter Frieden.
d]
e]Glafey im Recht der Natur S. 408. wo er aber die Entſetzung Koͤnig Auguſt II. in Polen von KoͤnigE e 3Karl438Von Antritt und Endigung der Regierung.Karl XII. in Schweden allerdings fuͤr unrechtmaͤſſig erklaͤrt.
e]
f]Moſers Grundſ. in Frz. S. 164. und deſſen erſte Grundlehren S. 41. Koͤnig Ludewig XIV. bekriegte die Vereinigten N. Lande und Grosbritannien wegen der Abſetzung Koͤnig Jakob II. ſeines Bundesgenoſſen.
f]
g]Glafey Voͤlkerrecht S. 441. 456.
g]
*]M. vergl. Eberh. Rud. Roth diſſ. de coacta imperio - rum abdicatione. Vlm 1682. Io. Phil. Palthenius diſſ. de dethroniſatione. Gry - phisw. 1704. und Gundlings Anmerkungen daruͤber in deſſen Otiis P. II. c. 6. S. 222. ff.
*]

§. 6.

Die Landesherrn pflegen einander, auch wohl aus - waͤrtigen Nazionen, ebenfals von ihrem Regierungs - antritt Nachricht zu erteilen, und erhalten Gluͤckwuͤn - ſche dagegen. Die Anerkennung unter ſich hat hier um ſo weniger Schwierigkeiten, weil bey entſtehenden Zweifeln in den meiſten Faͤllen die Entſcheidung des Reichsoberhaupts eintritt. In Anſehung auswaͤrtiger Nazionen iſt es ſchon oͤfter vorgekommen, daß dieſe einen teutſchen Landesherrn nicht haben erkennen wollen oder von letzterm nicht erkant worden ſind a]. In die Abdankung der Regierung, beſonders in den geiſtlichen Wahlſtaaten, haben, wenn ſie rechtmaͤſſig geſchieht, weder die Mitſtaͤnde noch andere Nazionen ſich zu mi - ſchen, ſo wenig als in die Entſetzung, welche iedoch, durch die Achtserklaͤrung, nach den Reichsgeſetzen b] nicht anders als mit Einwilligung der Reichsſtaͤnde geſchehen ſoll, und wobey in Anſehung der Geiſtlichen dem Papſt vermoͤge der Concordaten von 1448. zumal ehedem viele Gewalt zuſtand c].

a] So439Von d. Titeln, Wapen u. andern Ehrenzeich. ꝛc.
a]So erkannte z. B. Bayern die Koͤnigin von Ungarn ꝛc. nicht bey den Streitigkeiten wegen der pragmatiſchen Sanction. Moſers Verſuch 1. Th. S. 107.
a]
b]Wahlkapitulation Art. 1. §. 3. u. 4. Art. XX.
b]
c]Moſers perſoͤnl. Staatsr. 1. Th. S. 234. u. 238. Bey dem vor einigen Jahren mit dem Kardinal Rohan ſich ereigneten Falle kam eine Schrift heraus: Frage: ob ein teutſcher Fuͤrſtbiſchof von dem Papſte, ohne Zu - ziehung des Kaiſers und Reichs auch nur als Biſchof ab - geſetzt werden koͤnne? [Regensburg 1787. 4.]
c]

Viertes Kapitel. Von den Titeln, Wapen und andern Ehrenzeichen der Regenten.

§. 1. Von den Titeln der Regenten uͤberhaupt.

Die Titel der Regenten ruͤhren entweder von ihren Wuͤrden, oder ihren Landen, oder von andern Ehrenbezeigungen und Veranlaſſungen her. So wie iede freie und unabhaͤngige Nazion befugt iſt, ſich ihre Regierungsform und die Art der Regierungsfolge ihrer Regenten zu erwaͤhlen, ſo hat ſie ohnſtreitig auch das Recht, nach Wilkuͤhr, ihrem Territorium eine Be - nennung zu geben, die Wuͤrde ihres Regenten zu be - ſtimmen und ihm andere Ehrenzeichen und Titel beizu - legen; oder der Regent kann mit Einſtimmung ſeines Volks ſelbſt dergleichen annehmen a]. Nach dem na - tuͤrlichen Rechte haben die Wuͤrden und Titel an ſichE e 4frei -440Von den Titeln, Wapenfreilich keinen Werth, und geben den Nazionen, die urſpruͤnglich alle einander gleich ſind, durch ihre Ver - ſchiedenheit keinen Vorzug b]. Man hat auch in neu - ern Zeiten dieſen Grundſatz mehr als ehemals zu befol - gen geſucht. Indes haben Vorurtheil und Herkom - men mit gewiſſen Namen eine hoͤhere Meinung verbun - den, welche, iener Gleichheit ungeachtet, doch auf die Verhaͤltniſſe der Nazionen, und die perſoͤnlichen Zu - ſtaͤndigkeiten der Regenten, die ſie fuͤhren, einen groſ - ſen Einflus haben. Dahin gehoͤren beſonders die Kai - ſer - und Koͤnigswuͤrde.

a]Ickſtatt Elem. I. G. L. II. c. 6. §. 19. Wolff I. G. c. II. §. 244. ſeqq. Vattel L. II. c. 3. §. 41. ff. Real Science du Gouv. T. V. c. 5. Sect. 6.
a]
b]ſ. 1. Buch 3. K. im 1. Th. S. 198. ff.
b]
*]Io. Cph. Becmann diſſ. de dignitatibus. Frcf. ad Viadr. 1676.
*]

§. 2. Kaiſerwuͤrde.

Die Kaiſerwuͤrde hielten in aͤltern Zeiten nicht nur die Regenten, die damit bekleidet waren, ſondern auch andere Nazionen fuͤr die hoͤchſte. Sie wurde vorzuͤg - lich a] von den Beherrſchern des Roͤmiſchteutſchen Reichs [naͤchſt den Regenten des orientaliſchen Kaiſer - thums zu Conſtantinopel, von welchen letztern die tuͤr - kiſchen Sultane, nach Zerſtoͤhrung dieſes Reichs, ſolche annahmen und dem roͤmiſchen Kaiſer ſelbſt ſtrei - tig machten, bis ſie 1606. ſich verglichen, beide dieſen Titel zu gebrauchen b];] und gewiſſermaaſſen ausſchlus - weiſe gefuͤhrt, indem ſie nicht zugeben wolten, daß ein anderer Regent ſich deſſen bediente c]. Die Czaare,oder441und andern Ehrenzeichen der Regenten.oder Koͤnige von Rußland hatten zwar laͤngſt den Titel: Autocrator, welcher im Griechiſchen eben ſo viel, als Imperator bedeutet, [wiewohl die roͤmiſchen Kaiſer dieſe Ueberſetzung nicht dulten wolten] gefuͤhrt, nah - men aber 1721. den Kaiſertitel foͤrmlich an d]. An - dere europaͤiſche Souverains als Spanien, Frankreich, Grosbritannien, legten ſich ehedem zwar zuweilen eben - fals den kaiſerlichen Titel bey und pflegen ſich deſſen noch, aber nicht gegen andere europaͤiſche Nazionen, ſondern nur in Verhandlungen mit einigen Aſiatiſchen und Africaniſchen Fuͤrſten zu bedienen, und erhalten ſolchen von ihnen wieder e].

a]Daher auch der bloſſe Titel: Kaiſer ohne Zuſatz ge - woͤhnlich den roͤmiſchen Kaiſer anzeigt. ſ. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 377.
a]
b]Rudolph II. und Achmet I. errichteten dieſen Vergleich. Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 22.
b]
c]Ebendeſſelben Voͤlkerrecht in Frzeit. S. 107. ff. und ausw. Staatsr. S. 9. f.
c]
d]Joh. Jac. Moſers Reflexiones uͤber derer Ruſſiſchen Monarchen-Titel eines Autocratoris; in deſſen Neben - ſtunden Anh. zum 2ten Th. S. 285. Ev. Otto tract. de titulo imperatoris Ruſſorum. Vltraj. 1722. Hal. 1724. Mart. Schmeizel orat. de imperatoris titulo, quem Czaarus Ruſſorum ſibi dari praetendit. Ien. 1722. 4. Politiſches Bedenken uͤber die Frage: ob der kaiſerliche Titel und Namen, unbeſchadet Kaiſerlicher Majeſtaͤt und des roͤmiſchen Reichs allerhoͤchſter Wuͤrde, nicht weniger der chriſtlichen Koͤnige und freien Staaten Vorrecht und Intereſſe, dem Czaar communiciret wer - den koͤnne? verfaſſet von F. L. N. D. d. B. [Frid. Lud. Nob. Dom. de Berger] 1722. 4. E e 5Burch.442Von den Titeln, Wapen[Burch. Gotth. Struvens] Grundmaͤſſige Unterſuchung von dem Kaiſerl. Titel und Wuͤrde, wobey von der Czaariſchen Titulatur und was maaſſen von Ihro Czaariſchen Majeſtaͤt der Kaiſerliche Titel gefuͤhret und praͤtendiret werde, gehandelt wird. Coͤln 1723. 4. Jac. Paul von Gundlings Beſtand des roͤmiſchen Kaiſer - titels. Riga 1724. 4.
d]
e]Struv Corp. Iur. Publ. c. VIII. §. 13. de Martens L. IV. c. 2. §. 103. not. b. Der Urſprung des fran - zoͤſiſchen Kaiſertitels ſoll, nach dem Vorgeben einiger franzoͤſiſchen Schriftſteller, daher ruͤhren, daß Andreas Palaͤologus, des letzten conſtantinopolitaniſchen Kaiſers Conſtantins XI. Bruders Sohn und naͤchſter Erbe, ſeine Rechte auf das morgenlaͤndiſche Kaiſerthum dem Koͤnige Karl VIII. und ſeinen Nachfolgern abgetreten und dieſer ſich darauf zu Rom zum morgenlaͤndiſchen Kaiſer erklaͤren und von Papſt Alexander VI. habe kroͤnen laſſen. Die tuͤrkiſchen Kaiſer geben Frankreich dieſen Titel ſchon vor 1618. und durch den ewigen Frieden 1673. iſt er aus - druͤcklich bedungen. ſ. Eobald Toze Abhandl. von dem kaiſerlichen Titel der Koͤnige von Frankreich; in deſſen kleinen Schriften hiſt. und ſtatiſt. Inhalts, herausgege - ben von Voigt. Leipz. 1791. 8. n. 7. S. 109 124.
e]
*]Erh. Reaſch de Imperatoris titulo ex antiquitate ſe - lecta capita. Gieß. 1728. 4. Io. Petr. de Ludewig differentiae Iuris Rom. et Germ. in titulo Imperiali in Opuſc. p. 985. Mehrere Schriftſteller ſ. m. in Puͤtters Literatur des teut - ſchen Staatsrechts 2. Th. S. 107. ff.
*]

§. 3. Koͤnigliche Wuͤrde.

Nach der kaiſerlichen folgt zunaͤchſt die koͤnigliche Wuͤrde, womit auch der Roͤmiſche Kaiſer zugleich alsKoͤnig443und andern Ehrenzeichen der Regenten.Koͤnig in Germanien bekleidet iſt. Sie begreift eben - fals verſchiedene Vorzuͤge vor den uͤbrigen Wuͤrden anderer Regenten in ſich, welche man mit dem Namen der Koͤniglichen Ehrenbezeigungen zu belegen pflegt. Das Land desienigen, der dieſe Wuͤrde fuͤhrt, iſt ge - woͤnlich ein Koͤnigreich, doch iſt ſie zuweilen auch blos perſoͤnlich, indem ſie ſolchen Prinzen zugeſtanden wird, die entweder gar keinen a] oder doch einen geringen Staat zu regieren haben. Die letztern fuͤhren indes nicht ſowohl den Titel: Koͤnig als Koͤnigliche Ho - heit, und erhalten ihn mehrenteils in Ruͤckſicht ihrer Abſtammung aus koͤniglichem Geſchlechte oder wegen Anſpruͤche auf ein Koͤnigreich b].

a]Gewoͤnlich werden denen, welche eines koͤniglichen Throns auf irgend eine Weiſe verluſtig worden ſind, doch koͤnigliche Titel und Ehre gelaſſen, wie ſolche z. B. dem Koͤnig Stanislaus Lesczynsky in Polen in den Wiener Friedenspraͤlim. 1735. Art. 1. durch beſondere Acten von Rußland und dem Koͤnige Auguſt in Polen, und endlich im Def. Frieden 1738. Art. 6. bewilligt wurden.
a]
b]So haben die Grosherzoge von Toſcana, die Herzoge von Savoyen, die ihn vorher eigenmaͤchtig angenommen hatten, 1633. wegen ihrer Anſpruͤche auf das Koͤnig - reich Cypern, 1690. die Herzoge von Lothringen wegen Jeruſalem vom Kaiſer das Praͤdicat: Koͤnigliche Ho - heit erhalten. Dem Herzoge Karl Friedrich zu Holſtein Gottorf wurde es von Schweden und nachher 1726. auch vom Kaiſer beigelegt. Moſers Staatsr. 4. Th. S. 193. ff. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 242.
b]
*]Lettre touchant le titre d’Alteſſe Royale du Duc de Savoye et les traitemens royaux que ſes Ambaſſa - deurs recoivent de l’Empereur et de tous les rois de la Chretienté. à Cologne 1701. 8. Fr.444Von den Titeln, WapenFr. Carl v. Moſer von dem Titel: Hoheit, Alteſſe, Alteſſe Seréniſſime etc. in deſſen kl. Schriften 7. Th. S. 167. ff.
*]

§. 4. Koͤnigliche Ehrenbezeigungen.

Die eigentlich mit der koͤniglichen Wuͤrde verbun - denen Vorzuͤge werden, theils vermoͤge Vertraͤge, theils wegen Herkommen, auch ſolchen Regenten zugeſtan - den, die nicht einmal den koͤniglichen Titel fuͤhren, ia ſelbſt Staaten, die keine monarchiſche Regierungs - form haben, und zwar in der Perſon der ſie darſtellen - den Geſandten, indem man dieſen dieienige Ehre er - weißt, welche eigentlich blos denen von gekroͤnten Haͤuptern gebuͤhren. Dahin gehoͤren, auſſer den Kur - fuͤrſten des teutſchen Reichs, die Republiken Venedig, die Vereinigten N. Lande und die Schweitz, ingleichen der Grosmeiſter zu Malta. Genua und andere Re - publiken machen auch Anſpruͤche darauf, ſie werden ihnen aber beſtritten.

*]Real Science du Gouv. Tom. V. c. 5. Sect. 1. de Martens precis L. IV. c. 2. §. 104.
*]

§. 5. Ehemalige Rechte des Roͤmiſchen Kaiſers und der Paͤpſte hierunter.

In denen Zeiten, wo die Kaiſer und Paͤpſte noch als Oberherrn der ganzen Chriſtenheit angeſehn wur - den, maaßten ſich beide auch an, koͤnigliche und an - dere Wuͤrden zu ertheilen, und ſtritten ſich um das vor - zuͤglichere Recht dazu. Andere Nazionen trugen kein Bedenken, dieſe Standeserhoͤhungen anzuerkennen,wie445und andern Ehrenzeichen der Regenten.wie verſchiedene Beiſpiele von einem und dem andern lehren a]. Am meiſten nahmen ſich die Paͤpſte dabey heraus, die keine andere Erhebung fuͤr guͤltig anſehn wolten, als welche von ihnen geſchehen war. Aus dieſem Grunde erregten ſie auch bekantlich gegen die preuſſiſche Koͤnigswuͤrde, welche Friedrich I. ohne ihr Zuthun eigenmaͤchtig angenommen hatte, ehemals hef - tige Streitigkeiten b], iedoch haben ſie in neuern Zei - ten nachgegeben c]. Ueberhaupt aber raͤumt man heut - zutage keinem von beiden ein Recht weiter ein, andern Nazionen dergleichen Geſetze vorzuſchreiben d], auſſer daß der Kaiſer, unter andern Standeserhebungen, wie obgedacht, zuweilen noch den Titel: Koͤnigliche Ho - heit zu erteilen pflegt.

a]Papſt Sylveſter II. erhob Ungarn von neuem zum Koͤ - nigreich, Alexander III. ertheilte Alphons I. von Por - tugal, gegen einen Zins, 1179. den Koͤnigstitel [Schmaus Corpus I. G. Tom. I. p. 3.]. In Sici - lien wurde Roger II. vom Gegenpapſt Anaclet II. zum Koͤnig erklaͤrt. Heinrich VIII. in Irrland, der ohne den Papſt dieſen Titel annahm, erhielt auch noch von dieſem ſolche Wuͤrde. Kaiſer Karl der Kahle erhob Burgund zum Koͤnigreich. Ungarn gelangte durch Kaiſer Heinrich II. 906. und durch den Papſt zu verſchiedenen Zeiten dazu, Sardinien verdankte dieſe Wuͤrde Kaiſer Friedrich I. ſ. Vattel droit des gens L. II. c. 3. §. 45. Real Science du Gouvern. Tom. V. c. 4. Sect. 6. Moſers Staatsrecht 4. Th. S. 108. ff. 6. Th. S. 35. ff. de Martens précis L. IV. c. 2. §. 103. not. c. et d.
a]
b]Der Papſt aͤuſſerte 1701. in einem Conſiſtorium, und beſchwerte ſich uͤber den Kaiſer, daß er zur preuſſiſchen Koͤnigswuͤrde die Haͤnde geboten ſans conſiderer qu’il n’appartenoit qu’au St. Siège de faire des rois. Lamberty Memoires Tom. I. p. 353. ſ. Io. 446Von den Titeln, Wapenſ. Io. Petr. Ludwig diſſ. de auſpicio regum. Hal. 1701. und nachher unter dem Titel: de iure reges appellandi. Hal. 1704. und in Opuſc. Miſcell. Tom. I. p. 1 120. Ejusdem Naeniae Pontificis de iure reges appellandi. Hal. 1702. und in Opuſc. cit. Tom. I. p. 129. auch teutſch: Paͤpſtlicher Unfug wider die Krone Preuſſen, welche Clemens XI. in einem den 16. April 1701. ausgeſtreuten irrigen Brevi zu Verklei - nerung aller gekroͤnten Haͤupter begangen. Coͤln 1702. Dagegen erſchienen Joh. Heinr. Imhof Anmerkungen contra ſcriptum Paͤpſtlicher Unfug titulirt. Nuͤrnberg 1702. 8. Dietr. Herm. Kemmerich diſſ. de Corona Boruſſiae. Lipſ. 1704.
b]
c]Dies geſchah von dem gegenwaͤrtigen Papſt Pius VI. durch Vermittelung des damaligen Staats - und Kabi - netsminiſter von Herzberg. ſ. von Herzberg hiſtoriſche Nachrichten von dem ehemals von den Paͤpſten beſtrit - tenen nunmehro aber anerkanten Preuſſiſchen Koͤnigstitel in der Berliner Monatsſchrift Auguſt 1786. S. 101. ff. Vergl. May 1787. S. 501.
c]
d]Vattel, Real und de Martens a. a. O. Indes glaubt Koͤhler in ſeiner Reichshiſtorie, daß der Kaiſer bey der preuſſiſchen Koͤnigswuͤrde ſein Recht einigermaaſſen aus - geuͤbt habe, indem die Erhebung mit Erlaubnis und vorherigem Einverſtaͤndnis deſſelben geſchehen ſey.
d]

§. 6. Eigne Annahme hoͤherer Wuͤrden.

So wie die Nazion urſpruͤnglich das Recht hat, ihrem Souverain eine gewiſſe Wuͤrde beizulegen oder annehmen zu laſſen, ſo kann es, auch nach den heut -zutage447und andern Ehrenzeichen der Regenten.zutage unter den europaͤiſchen Nazionen angenommenen Grundſaͤtzen, ihr nicht verwehrt werden, ſich kuͤnftig einer hoͤheren Titulatur zu bedienen, als ſie bisher ge - fuͤhrt hat a], oder dem Lande eine andere Benennung zu geben ꝛc. b]. Jedoch duͤrfen ſie dabey den Rechten anderer nicht zu nahe treten und etwa mehrere Vorzuͤge verlangen. In neuern Zeiten haben wir zwey merk - wuͤrdige Beiſpiele hiervon bey den Regenten in Ruß - land c] und Preuſſen d], wovon der erſte den Kaiſer - dieſer aber den Koͤnigstitel annahmen.

a]Wolff I. G. c. II. §. 244.
a]
b]Die Kaiſerin Koͤnigin in Ungarn erklaͤrte z. B. 1766. ihr Fuͤrſtenthum Siebenbuͤrgen zu einem Grosfuͤrſtenthum, und ſetzte es ohne Widerrede in die Titulatur. Moſers Beitr. in Frz. 5. Th. S. 306.
b]
c]Im Jahre 1721. bey Gelegenheit des Nyſtaͤdter Friedens erklaͤrte der Ruſſiſche Senat in einer Rede den Czaar Peter zum Kaiſer, welchen Titel dieſer auch annahm.
c]
d]Die Annahme der preuſſiſchen Koͤnigswuͤrde erfolgte be - kantlich 1701. in welchem Jahre Kurfuͤrſt Friedrich von Brandenburg ſich ſelbſt zum Koͤnig erklaͤrte und den 18. Jan. zu Koͤnigsberg kroͤnen ließ.
d]

§. 7. Anerkennung anderer Nazionen.

Ob aber eine ſolche Erhoͤhung der Wuͤrde und Ver - aͤnderung der Titulatur gleich bey der Nazion ſelbſt an - erkant und dem Regenten gegeben werden muß; ſo koͤnnen doch andere Nazionen nicht genoͤthigt werden, aus Schuldigkeit ein Gleiches zu thun. Wenn ſie ſich auch gefallen laſſen, daß eine andere ſelbſt ſich ihrer bediene a], ſo iſt dennoch, damit ſie dieſelben auch von ihnen beigelegt erhalte, deren ausdruͤckliche oder ſtil -ſchwei -448Von den Titeln, Wapenſchweigende Einwilligung erfoderlich b]. Sie pflegen, nach den Pflichten der Geſelſchaft, auch die Anerken - nung der Wuͤrden und Titel, welche eine Nazion ſelbſt ihrem Souverain erteilt, nicht leicht zu verweigern, wenn dieſe die zu Behauptung einer ſolchen Wuͤrde er - foderlichen Eigenſchaften beſitzt, und die Titel nicht ungewoͤnlich und beſonders in Anſehung der daraus her - zuleitenden Anſpruͤche auf Vorzuͤge, Rechte ꝛc. nicht bedenklich ſind c]. In dieſem letztern Falle aber ſind die andern allerdings berechtigt, dieſelben nicht zu er - kennen und ſich dagegen zu verwahren d], die Sicher - ſtellung ihrer Gerechtſame hierunter zu verlangen, oder wenigſtens gewiſſe Einſchraͤnkungen und Bedingungen dabey feſtzuſetzen e]. Gewoͤnlich geben die Souve - rains, welche eine andere Wuͤrde oder Titulatur ange - nommen haben, dem andern Nachricht davon f] und dann pflegt die Anerkennung entweder ausdruͤcklich in foͤrmlichen Erklaͤrungen, Vertraͤgen ꝛc. g] oder durch ſtilſchweigende Genehmigung in Beilegung derſelben, durch Gluͤckwuͤnſche dazu ꝛc. h] zu erfolgen. Zuweilen wird, um deſto ſicherer zu gehn, die Anerkennung auch wohl im voraus vor der foͤrmlichen Annahme bedun - gen i]. Ehe dieſe Anerkennung nicht erfolgt iſt, kann die Verweigerung eines Titels nicht als Beleidigung angeſehn werden k], wenn auch mehrere Maͤchte ihn bereits erkant haben l]. Indes ſteht es der Nazion, deren Wuͤrde ꝛc. von einer andern nicht anerkant wer - den will, ohnſtreitig frey, mit dieſer die Verbindung und Gemeinſchaft aufzuheben m]. Auch von allen die - ſem geben die Ruſſiſchen und Preuſſiſchen Kaiſer - und Koͤnigswuͤrden die deutlichſten Beweiſe n]. Weniger Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten hat es, wenn die Annahme eines Titels nicht ganz neu iſt, ſondern z. B. nur ein Koͤnigreich, das vorher mit einem an - dern verbunden war, als ein beſonderes Reich an einanderes449und andern Ehrenzeichen der Regenten.anderes regierendes Haus komt, wie Sicilien und Sar - dinien im Utrechter Frieden o].

a]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 112.
a]
b]Wolff. I. G. c. II. §. 246. Vattel L. II. c. 3. §. 45. Ickſtatt L. II. c. 6. §. 20. Schrodt P. I. c. 3. §. 25. Moſers Verſuch 1. Th. S. 279. de Martens L. IV. c. 2. §. 102.
b]
c]Wenn z. B. ein kleiner unbedeutender Staat ſeinem Re - genten den Koͤnigstitel geben wolte, ſo daß andere Koͤnige ſich ſeiner als Bruder ſchaͤmen muͤſten. Moſers Grund - ſaͤtze in Frz. S. 109. Wegen der Anſpruͤche auf Preuſ - ſen fand Polen die Errichtung der preuſſiſchen Koͤnigs - wuͤrde anfangs bedenklich, und ſie wird deshalb von dem teutſchen Orten noch bis itzt nicht anerkant.
c]
d]Auch wohl die Schreiben ꝛc. worinn eine Nazion ſich derſelben bedient wieder zuruͤckgeben. Moſers Grund - ſaͤtze in Frz. S. 111. Verſuch 1. Th. S. 281.
d]
e]In der franzoͤſiſchen Erklaͤrung von 1763. wegen Bewil - ligung des Kaiſertitels an Rußland heißt es: Les titres ne ſont rien par eux-mêmes, ils n’ont de réalité qu’antant qu’ils ſont reconnus, et leur valeur depend de l’idée qu’on y attache et de l’étendue que leur donnent ceux qui ont le droit de les admettre, de les rejetter ou de les limiter. Les Souverains eux - mêmes ne peuvent pas ſ’attribuer des titres à leur choix, l’aveu de leurs ſujets ne ſuffit pas; celui des autres puiſſances eſt neceſſaire, et chaque couronne libre de reconnoitre ou de recuſer un titre nouveau, peut auſſi l’adopter avec les modifications et les con - ditions qui lui conviennent. Moſers Verſuch 1. Th. S. 263. Bey Annahme der preuſſiſchen Krone gab der neue Koͤnig daher auch der Republik Polen einen Revers dahin: Cum titulum et dignitatem regalem reaſſumendam cenſeamus nihil ex hac Majeſtatica praerogativa Pruſſiae noſtrae, quae nunc ducalis ap. Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. F fpellatur,450Von den Titeln, Wapenpellatur, praejudicii inferendum nec inferri poſſe iuri ac poſſeſſioni regalis Pruſſiae qua Sereniſſ. Rex et Respublica Poloniae gaudent neque vllam in eandem Pruſſiam regalem praetentionem à nobis et ſucceſſo - ribus noſtris inde vindicandam. Lamberty Mem. Tom. I. p. 95. So behielt ſich auch Polen bey An - erkennung des ruſſiſchen Titels: Kaiſerin aller Reuſſen vor, daß man Rußland dadurch kein Recht auf das pol - niſche Reuſſen eingeraͤumt haben wolle. Moſers Ver - ſuch 1. Th. S. 267. 5. Th. S. 164. In Anſehung der ruſſiſchen Kaiſerwuͤrde haben verſchiedene europaͤiſche Nazionen ſich bedungen, daß dadurch keine weitere Vor - zuͤge im Range ꝛc. bewilligt wuͤrden. Die Kaiſerin Ka - tharina II. welche die ehedem deshalb ausgeſtelten beſon - dern Reverſe nicht erneuern wolte, gab daher die aus - druͤckliche Verſicherung: daß die Kaiſerwuͤrde keine Aen - derung im Ceremoniel bewuͤrken ſolte. Der franzoͤſiſche Geſandte erklaͤrte 1763. bey der foͤrmlichen Zugeſtehung dieſes Titels: que ſi par la ſuite quelqu’un des ſuc - ceſſeurs de l’Impératrice, oubliant cet engagement ſolemnel et reciproque, venoit à former quelque pré - tention contraire à l’uſage conſtamment ſuivie entre les deux cours ſur le rang et la préſeance, dès ce moment la Couronne de France par une juſte reci - procité reprendroit ſon ancien ſtile et ceſſeroit de donner le titre d’Impériale de Ruſſie. Eben dahin ging auch die ſpaniſche Erklaͤrung. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 262. ff. Vergl. oben 1. Buch 3. K. §. 32.
e]
f]Als Peter I. die Kaiſerwuͤrde annahm, ließ er durch den Vicecanzler allen fremden Geſandten Nachricht da - von geben, und ihnen Abdruͤcke von dem Schreiben Kai - ſer Maximilian I. worinn er ihn Kaiſer genannt haben ſolte, mittheilen, ſie entſchuldigten ſich aber damals mit Mangel der Inſtruction. Moſer a. a. O. S. 259. Von451und andern Ehrenzeichen der Regenten.Von den Koͤnigl. Preuſſiſchen Notificationen. ſ. z. B. Luͤnigs Reichs-Canzley Tom. V. p. 310.
f]
g]Zu der ausdruͤcklichen gehoͤren die ſchon angefuͤhrten bei - den Erklaͤrungen von Frankreich und Spanien vom 18. Jan. und 5. Febr. 1763. beim Moſer a. a. O. S. 263. ff. Desgleichen erkante Frankreich fuͤr ſich und Namens Koͤnig Philip V. in Spanien den preuſ - ſiſchen Koͤnigstitel im Utrechter Frieden 1713. Art. ſep. Mit der Pforte wurde wegen des ruſſiſchen Kaiſertitels im Belgrader Frieden 1739. Art. 12. feſtgeſetzt, ſich kuͤnftig deshalb zu vergleichen. Die Anerkennung erfolg - te auch in einem Vertrage 1741. und wurde in dem Frieden zu Cainardgi 1774. Art. 13. wiederholt.
g]
h]Moſers Verſuch 1. Th. S. 282. Wie der Ruſſiſche Kaiſertitel ſowohl von dem Kurfuͤrſtl. Kollegium zu Frankfurt als von dem Reichstage, in den Recreden - tialien fuͤr den ruſſiſchen Geſandten gebraucht wurden, und auch Spanien 1759. der Kaiſerin ſolchen bereits in einem Schreiben beigelegt haben ſoll. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 384. Auf Befehl ſeines Hofes wuͤnſchte der preuſſiſche Geſandte dem Czaar Peter I. ſo - gleich Gluͤck zur angenommenen Kaiſerwuͤrde.
h]
i]Wie Kurbrandenburg in dem ſogenanten Krontractat von 1700. mit dem Kaiſer ſich daruͤber verglich.
i]
k]Vattel l. c. §. 44.
k]
l]Indes ſiebt man es um ſo mehr fuͤr ein freundſchafts - widriges Benehmen an, wenn etwa nur ein oder zwey Nazionen damit zuruͤckbleiben. Moſers Verſuch 1. Th. S. 282. und deſſen Beitr. in Frz. 1. Th. S. 388.
l]
m]Wenn die Verweigerung indes, nach bereits erfolgter Anerkennung geſchieht, ſo kann man es allerdings als Beleidigung anſehn, ſolches erinnern, und, wenn kein bloſſer Canzleyfehler ꝛc. dabey obwaltet, ſondern ſolche wohl gar eine offenbare Beſchimpfung zum Grunde hat, wohl noch zu ernſtlichern Maasregeln, als z. B. dieF f 2Auf -452Von den Titeln, WapenAufhebung aller wechſelſeitigen Gemeinſchaft und Cor - reſpondenz ſchreiten. Die ruſſiſche Kaiſerin Katharina II. erklaͤrte 1762. bey ihrer Thronbeſteigung: Que le titre d’Imperial par ſa nature même etant une fois attaché à la Couronne et à la Monarchie de Ruſſie et per - petué depuis longues années et ſucceſſions ni Elle ni ſes Succeſſeurs a perpetuité ni pourront plus entretenir quelque correſpondence avec des Puiſſances qui refuſeront de reconnoitre le titre d’Imperial dans les perſonnes des Souverains de toutes les Ruſſies, ainſi que dans leur Couronne et leur Monarchie. Moſers Verſuch 1. Th. S. 263. Beitr. in Frz. 1. Th. S. 385.
m]
n]Wie die Ruſſiſche Kaiſerwuͤrde nach und nach und zwar 1723. von Preuſſen, den Vereinigten N. Landen und Schweden, 1732. von Daͤnemark, 1739. von der Pforte, 1742. von der Koͤnigin in Ungarn, 1745 und 1746. vom Kaiſer und Reich, 1745. von Frankreich, 1759. von Spanien, 1764. von Polen ꝛc. anerkant worden. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 258. de Martens L. IV. c. 2. §. 103. not. f. Der Preuſſiſche Koͤnigstitel wurde erkant 1700. vom Kaiſer in voraus, 1701. von England, den Vereinig - ten N. Landen, der Schweitz, Daͤnemark, Polen und Portugal, 1713. von Frankreich und Spanien, 1723. von Schweden ꝛc. ſ. Moſer a. a. O. S. 247. ff. de Martens l. c.
n]
o]Moſers erſte Grundlehren S. 43.
o]

§. 8. Titel: Majeſtaͤt.

Auſſerdem giebt es noch verſchiedene Titel und Praͤ - dicate, welche theils allen Regenten gemein, theilseinigen453und andern Ehrenzeichen der Regenten.einigen, durch beſondere Verguͤnſtigungen, zugeteilt ſind. Die Regenten der republikaniſchen Staaten in Europa bedienen ſich keiner ihnen gemeinſamen Titu - latur, indem einige Hochmoͤgende, die andern Groß - moͤgende ꝛc. Herrn genant werden a]. Den monarchi - ſchen Regenten aber iſt der Titel: Majeſtaͤt b] ge - mein, den ietzt alle gekroͤnte Haͤupter, auſſer dem Papſte c], einander beizulegen, und ſolchen auch von den Republiken zu erhalten pflegen, ſo daß ſie, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, entweder Kaiſerliche oder Koͤnigliche oder Kaiſerlich-Koͤnigliche Maje - ſtaͤt genannt werden, da ſonſt nur der Titel: Koͤnig - liche Wuͤrde, Hoheit ꝛc. gewoͤnlich war d]. Die aͤltere Bedeutung und den wilkuͤhrlichen Gebrauch des Majeſtaͤtstitels nicht zu gedenken, eigneten ſich die roͤmiſchteutſchen Kaiſer beſonders ſeit Karl V. denſel - ben vorzuͤglich zu, und wolten ihn keinem andern Mon - archen verwilligen e]. Doch fingen dieſe nach und nach auch an ſich deſſen zu bedienen, legten ihn ein - ander bey, und erhielten ihn auch, ſeit dem weſtphaͤli - ſchen Frieden, von dem Kaiſer theils durch Vertraͤge, theils durch ſtilſchweigende Bewilligungen von Zeit zu Zeit zugeſtanden f]. Spanien und Frankreich machten den Anfang damit. Doch erſtreckte ſich dies nicht auf die in der Reichskanzley ausgefertigte Schreiben, und Preuſſen erhielt auch dieſes Vorrecht unter Karl VII. durch ein beſonderes Kaiſerliches Reſcript g]. Heut - zutage wird daher der Titel: Majeſtat als verbunden mit der koͤniglichen Wuͤrde betrachtet, obgleich Frank - reich und Spanien ſolchen Preuſſen im Utrechter Frie - den durch einen Separatartikel noch beſonders bewil - ligten h].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 240.
a]F f 3b] Vattel454Von den Titeln, Wapen
b]Vattel L. II. c. 3. §. 44. Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 120. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 234. Auswaͤrt. Staatsrecht S. 11. ff.
b]
c]Der bekantlich dagegen von den der Roͤmiſchkatholiſchen Re - ligion zugethanen Souverains den Titel: Paͤpſtliche Heiligkeit bekomt. Aber auch die tuͤrkiſchen Kaiſer be - kommen nicht durchgaͤngig die Majeſtaͤt. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 238. f. de Martens L. IV. c. 2. §. 104.
c]
d]Real Science du Gouvern. Tom. V. c. 4. Sect. I -
d]
e]Joh. Petr. von Ludwig Zufaͤllige Gedanken: was Ge - legenheit gegeben, daß der Roͤm. Kaiſer keinen andern Monarchen Majeſtaͤt heiſſen wollen? in deſſen Gelehrt. Anzeigen 3. Th. S. 274.
e]
f]Real a. a. O. de Martens a. a. O. not. d. und e.
f]
g]Fr. Carl Moſers kleine Schriften 6. Th. S. 37.
g]
h]Es heißt daſelbſt: Puisque le Roi très-Chretien re - connoit et tient pour Roi, Sa Maj. Pruſſienne le dit Seigneur Roi tres pour une plus ample preuve de Sa grande affection declare par cet article par - ticulier et promet tant de Son Chef propre que pour ſes Succeſſeurs et au nom du Philippe V. Roi d’Eſpagne que S. M. T. C. et le Roi Catholique don - neront dès à préſent et a perpetuité le titre de Ma - jeſté au Roi de Pruſſe et à ſes heritiers Rois de la même Monarchie, ſans le changer ni diminuer jamais, ſous aucun prétexte et dans aucune occaſion.
h]
*]Fr. Carl Moſer der Titel: Majeſtaͤt aus den Ge - ſchichten, dem Ceremoniel und dem Voͤlkerrecht erleitert; in deſſen kl. Schriften 6. Th. S. 20.
*]

§. 9. Beſondere paͤpſtliche Praͤdicate.

Verſchiedene Souverains der europaͤiſchen Staa - ten Roͤmiſchkatholiſcher Religion haben in aͤltern undneuern455und andern Ehrenzeichen der Regenten.neuern Zeiten von den Paͤpſten, mehrenteils wegen beſonderer Verdienſte um die Religion, gewiſſe Ehren - benennungen erhalten a], die ſie ſowohl ſelbſt gebrau - chen, als von ihren Glaubensgenoſſen und gewoͤnlich auch von den Evangeliſchen erhalten. Grosbritannien hat dergleichen Ehrennamen ſogar nach veraͤnderter Re - ligion beibehalten. Vermoͤge dieſer Praͤdicate heißt der Koͤnig von Frankreich: Chriſtianiſſimus, der Aller - chriſtlichſte ꝛc. Der Urſprung hiervon iſt ungewis. Auch wird ihm in den paͤpſtlichen Bullen und Breven der Titel des erſtgebohrnen Sobns der Kirche bei - gelegt. Spanien erhielt wahrſcheinlich vom Papſt Alexander VI. 1496. wegen ſeines in Bezwingung der Mauren bewieſenen Eifers und Einfuͤhrung der Inqui - ſit on den Titel Catholicus, der Catholiſche. In England wurde dem Koͤnig Heinrich VIII. 1521. vom Papſt Leo X. das Praͤdicat: Defenſor fidei, Beſchuͤ - tzer des Glaubens beigelegt, weil er ein Buch wider Luthern zu Vertheidigung der ſieben Sacramente ge - ſchrieben hatte: Papſt Klemens VII. beſtaͤtigte es. Papſt Alexander VII. legte auch dem Koͤnig in Polen Johann Caſimit den Titel: Rex Orthodoxus bey, weil er die Socinianer aus Polen vertrieben hatte, er iſt aber nicht gebraucht worden b].

Noch in neuern Zeiten erhielt Koͤnig Johann V. in Portugall von Papſt Benedict XIV. 1748. den Titel: Fideliſſimus, der Allergetreuſte c], und der Koͤnigin Maria Thereſia in Ungarn ꝛc. wurde 1758. vom Papſt Clemens XIII. der von einigen Koͤnigen in Ungarn ſchon ehedem gefuͤhrte Titel: Apoſtoliſche er - neuert d].

Da die katholiſchen Koͤnige einen beſondern Werth auf dieſe Ehrennamen zu ſetzen pflegen, ſo kann ihnen allerdings nicht verwehrt werden ſie zu fuͤhren; es komt aber, wie bey den uͤbrigen Titeln, auf die andern Na -F f 4zionen456Von den Titeln, Wapenzionen an, ob ſie ihnen ſolche beilegen wollen, weil der Papſt ihnen hierunter nichts vorzuſchreiben hat. Doch ſind die Catholiſchen desfals allerdings meiſtens wilfaͤh - rig, und die Evangeliſchen ſehen es auch als eine gleich - guͤltige ihnen weiter nicht nachtheilige Sache an, und nehmen keinen Anſtand iene Praͤdicate zu erkennen, und den Souverains beizulegen. Von Rußland be - merkt Moſer, daß zwar deſſen Miniſter, aber nicht die Beherſcher dieſes Reichs dergleichen Praͤdicate in ihren Schreiben zu geben pflegten.

a]In dem Eingange der Bulle Papſt Benedict XIV. uͤber das Praͤdicat der Koͤnige von Portugal heißt es von dem Papſte: a qui en qualité de Vicaires ſur la terre de Jeſus Chriſt, Roi des Rois et Seigneur des Seigneurs, il appartient principalement d’orner et d’honorer par des éloges particulières et des titres charactériſes d’honneur ceux qui ont rendu des ſervices éclatants à la foi catholique et a ce Saint Siège Apoſtolique.
a]
b]I. C. Becmann diſſ. II. de titulis regiis ſpecialibus in Ej. Synt. dignit. P. I. n. 2. u. 3. D. I. Moller diſſ. de titulo Chriſtianiſſimi. Alt. 1694.
b]
c]Die Bulle hieruͤber ſteht franzoͤſiſch in Moſers Verſuch 1. Th. S. 270.
c]
d]Ebendaſelbſt S. 272.
d]
e]Moſers Verſuch a. a. O. S. 276.
e]
*]Die in denen wider alles Recht von den Paͤpſten aus - geuͤbten Majeſtaͤtsrechten, beſonders aber in Ertheilung der Titel denen gekroͤnten Haͤuptern und neuerdings erſt beigelegten Apoſtoliſchen Namens der Koͤnigin von Un - garn Maria Thereſia Maj. verborgene Abſichten 1759. 4.
*]
**]Mehrere unter den Kaiſern, Koͤnigen und andern euro - paͤiſchen Regenten uͤblichen Titel z. B. eines Bruders, des Unuͤberwindlichſten ꝛc. ſo wie mehrere aͤhnliche Gegenſtaͤnde uͤbergehe ich hier, weil ſie mehr in die Ma - terie vom Ceremoniel gehoͤren.
**]
§. 10.457und andern Ehrenzeichen der Regenten.

§. 10. Beſondere Benennungen einiger Staaten.

Die von einer phyſiſchen oder moraliſchen Perſon des Oberhaupts hergenommene Benennung der Staa - ten als Reiche, Monarchieen oder Republiken ꝛc. habe ich ſchon oben angefuͤhrt. Was die Ehrenbe - nennungen einiger Staaten, nicht ſowohl in Abſicht auf die Titel des Regenten, als auf den Staat im Ganzen, zuweilen auch ohne Innbegrif des Oberhaupts, anlangen, ſo hat das teutſche Reich gewiſſermaaſſen hergebracht, daß ihm vorzugsweiſe auch vor dem ruſ - ſiſchen, die Benennungen: Sacrum und Imperium bei - gelegt werden, indem man nicht nur ſchon geahndet, wenn das Wort ſacrum ausgelaſſen worden, ſondern auch Bedenken getragen hat, in oͤffentlichen Verhand - lungen zu ſetzen: Sacrum Romanorum et Ruſſorum im - perium, und dafuͤr der Ausdruck: inter Sacrum Roma - norum Imperium et Majeſtatem Veſtram Imperatoriam angenommen worden, gleichſam zum Zeichen, daß man zwar der Ruſſiſchen Regenten perſoͤnliche Kaiſer - wuͤrde, aber das Reich ſelbſt fuͤr kein Kaiſerthum an - erkenne a]; wie man denn auch unter dem Worte: Imperium, ohne Beiſatz, gewoͤnlich das teutſche Reich verſteht. Indes bedient Rußland ſich allerdings dieſer Benennungen: es fehlt auch an Beiſpielen nicht, daß der Ausdruck: ſacrum von andern Reichen gebraucht worden. Den Republiken Polen, ohne den Koͤnig, Venedig und Genua wird gewoͤnlich der Titel: Sereniſ - fima Respublica, die Durchlauchtigſte Republik bei - gelegt c].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 240.
a]
b]Ebendeſſelben ausw. Staatsrecht S. 48.
b]
c]Deſſen Verſuch am a. O. S. 241.
c]
F f 5§. 11.458Von den Titeln, Wapen

§. 11. Titel von Landen.

Daß ein Regent ſich des Titels von den Landen, die er, ohne Widerſpruch anderer, wuͤrklich beſitzt a], oder von neuem erwirbt, bedienen koͤnne, leidet keinen Zweifel, und ſie werden ihm ſodann auch von andern ohne Bedenken beigelegt b]. Bey Abtretung einiger Lande von andern Nazionen wird dies mehrenteils aus - druͤcklich mit bedungen. Wenn eine Nazion durch Krieg oder andere Revolutionen zu dem Beſitz eines Landes gelangt, und die Titulatur davon annimt, ſo pflegen andere gemeiniglich ſo lange anzuſtehn, ihr ſolche zu geben, bis dieſelbe durch Friedensſchluͤſſe oder andere Vertraͤge von dem vorigen Beſitzer foͤrmlich an - erkant worden iſt c], wenn ein anderes Volk nicht ſonſt noch beſondere Rechte dabey hat.

Oefters fuͤhren die Souverains aber auch Titel von Landen, auf die ſie nur ein kuͤnftiges Recht haben d], oder worauf ſie Anſpruͤche machen e], oder welche ſie blos ehemals beſeſſen haben f]. Dieienigen, welche ſich auf Anſpruͤche gruͤnden, werden von dem andern, der ſie beſitzt gewoͤnlich nicht anerkant, ſondern man widerſpricht ihnen bey vorkommenden Gelegenheiten g]. Um die Streitigkeiten, welche deshalb bey Vertraͤgen oder andern oͤffentlichen Verhandlungen vorzukommen pflegen, zu vermeiden, iſt es gewoͤnlich, daß man, unbeſchadet der beiderſeitigen Gerechtſame entweder bey Verleſung der Volmachten ꝛc. die Titulaturen ganz weglaͤßt, oder dabey bedingt, daß deren Gebrauch oder Nichtgebrauch keinem Theile ſchaͤdlich ſeyn ſoll h]. Auch in Anſehung der erſt zu hoffen habenden oder ehe - mals beſeſſenen Lande, kommt es auf die beſitzende Nazion an, ob ſie zugeben will, daß der andere ſichdes459und andern Ehrenzeichen der Regenten.des Titels davon bediene i]; wenigſtens pflegt alsdenn wegen der letztern bedungen zu werden, daß es dem Be - ſitzer nicht nachtheilig ſeyn, und daraus kein Anſpruch auf dieſe Lande hergenommen werden ſolle k]. Wenn die Streitigkeiten wegen Anſpruͤche beigelegt werden, begiebt ſich der eine Theil gemeiniglich des Gebrauchs der Titel von dem Lande l]. Wo man wegen des Ti - tels von einem Lande Widerſpruͤche zu beſorgen hat, muß durch Vertraͤge vorgebeugt werden m]. Sonſt wird die Annahme eines Titels, worauf eine Nazion kein Recht hat, allerdings als Beleidigung angeſehn n].

a]Im Wiener Frieden zwiſchen Kaiſer Karl VI. und Spa - nien 1725. wird Art. 10. ausdruͤcklich bedungen: vt Sacra Caeſarea Catholica Majeſtas Carolus VI. Roma - norum Imperator et Sacra Regia Catholica Maj. Hiſ - paniarum et Indiarum Rex Philippus V. titulis vtrin - que aſſumtis in poſterum vtantur; haeredes vero et eorum ſucceſſores titulos duntaxat eorum regnorum et provinciarum in quorum poſſeſſione ſunt, aſſu - mant aliis vero abſtineant.
a]
b]Die neuerworbenen Lande werden mehrenteils der Titu - latur mit einverleibt. So nahm Preuſſen, nach dem mit Oeſterreich 1741. geſchloſſenen Frieden den Titel von dem darin erhaltenen Niederſchleſien an. Auch Oeſterreich ſetzte die 1773. von Polen erhaltenen Lande, unter den Namen: Galizien und Lodomerieu, nach Slavonien mit in die Titulatur. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 381. 391.
b]
c]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 103. ff. Deſſen Ver - ſuch 1. Th. S. 280. Den von Kurfuͤrſt Karl Albrecht in Bayern 1741. angenommenen Titel eines Koͤnigs in Boͤhmen erkanten daher blos ſeine Bundsgenoſſen, andere europaͤiſche Nazionen aber nicht. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 389.
c]d] So460Von den Titeln, Wapen
d]So nahm z. B. der Koͤnig von Preuſſen wegen der An - wartſchaft auf Oſtfriesland 1733. Titel und Wapen davon an. ſ. Moſers Reichsfama 14. Th. S. 1.
d]
e]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 114. So nahm Eduard III. in England wegen ſeiner Anſpruͤche, die er auf Frankreich machte, den Titel und das Wapen von Frankreich an, und Spanien den Titel eines Koͤnigs von Jeruſalem. ſ. Stiev Europ. Hofceremoniel S. 82.
e]
f]Im Utrechter Frieden trat Preuſſen alle ſeine Rechte an dem Fuͤrſtenthum Oranien an Frankreich ab, dieſes verſtattete ihm iedoch die Freiheit, demienigen Theil von Obergeldern, ſo an ihn abgetreten worden, den Namen des Fuͤrſtenthums Oranien[beizulegen] et de retenir le titre et les armoiries de cette même Prineipeauté.
f]
g]Daher gab die Pforte dem Internuntius Kaiſer Franz I. der als Herzog von Lothringen ſich des Titels: Koͤnig von Jeruſalem in einem Creditiv bedient hatte, ſolches wieder zuruͤck, und er muſte ein anderes herbeyſchaffen. Moſers Verſuch 1. Th. S. 246.
g]
h]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 112. ff. Dergleichen Verwahrungen finden ſich in den meiſten und beſonders neuern Friedensſchluͤſſen, Vertraͤgen ꝛc. ꝛc. In dem Aachner Frieden 1748. heißt es z. B. im erſten Sepa - ratartikel: Quelques uns des titres employés par les Puiſſances contractantes, ſoit dans les pleinpouvoirs et autres actes, pendant le Cours de la negociation, ſoit dans le préambule du préſent traité, n’étant pas géneralement reconnus, il a été convenu qu’il ne pourroit jamais en reſulter aucun prejudice pour au - cune des dites Parties contractantes; et que les titres pris ou omis de part et d’autre à l’occaſion de la dite négociation et du préſent traité ne pourront être cités ni tirés à conſequence. Vergl. Wiener Frie - denspraͤlim. 1735. und Def. Fr. 1738. Art. ſep. Pariſer Frieden zwiſchen Frankreich und Grosbritannien1763.461und andern Ehrenzeichen der Regenten.1763. Art. ſep. I. Huberlsburger Frieden zwiſchen Sachſen und Preuſſen Art. ſep. 3. Def. Fr. zwiſchen Frankreich und Grosbritannien; ingl. Grosbritannien und Spanien 1783. Art. ſep. 1. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 245.
h]
i]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 113. Bey dem Aboer Frieden zwiſchen Rußland und Schweden 1743. ver - ſprachen die Bevolmaͤchtigten des letztern Hofes, in einer beſondern Acte: Que Sa Majeſté et ſes Suc - ceſſeurs ne porteront jamais dans leurs titres royaux, ceux des Provinces et Pays qui ont été cédés par la paix de Nyſtadt et par le préſent traité d’Abo à l’Empire de Ruſſie, mais qu’ils ſeront portés par Sa M. Imperiale de toutes les Ruſſies et ſes ſucceſſeurs et deſcendens leur cedant entierement de ſ’en pou - voir ſervir ſuivant leur bon plaiſir et S. M. Suedoiſe ne refuſera pas de les reconnoitre dans toutes les occaſions en S. M. Imperiale. Im Berliner Frieden zwiſchen der Koͤnigin in Ungarn und dem Koͤnige von Preuſſen 1742. wurde wegen des an letztere Krone ab - getretenen Schleſiens ꝛc. Art. 13. bedungen: S. M. la Reine de Hongrie et de Boheme etc. donneront dès-à préſent, et pour toujours à S. M. le Roi de Pruſſe à perpetuité le titre de Duc Souverain de Sileſie et de Comte Souverain de Glatz, bien entendu, que le même titre de Duc Souverain de Sileſie ſera pareille - ment donné à Sa M. la Reine de Hongrie et de Bo - hême et a ſes heritiers et ſucceſſeurs à perpetuité.
i]
k]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 112. Wie ich ſchon oben die Beiſpiele wegen Preuſſen und Reuſſen ange - fuͤhrt habe. Auch in dem Frieden zu Sioͤrnd zwiſchen Daͤnemark und Schweden 1613. wurde feſtgeſetzt, daß wenn der Koͤnig in Schweden den Titel wegen der Lappen fuͤhren wolte, ſo ſollen darunter keinesweges die in derSee462Von den Titeln, WapenSee gelegenen, ſondern nur die der Krone Schweden allein unterworfene Lappenmark zu verſtehen ſeyn.
k]
l]Im Frieden zu Edinburg 1560. thun der Koͤnig Franz II. in Frankreich und die Koͤnigin Maria von Schottland Verzicht auf Titel und Wapen von England und Irrland. Vermoͤge des Friedens zu Stolbova zwiſchen Rußland und Schweden 1617. Art. 13. verſpricht Rußland, ſich des Titels von Liefland nicht zu bedienen.
l]
m]Dem Frieden zu Oliva zwiſchen Polen und Schweden Art. 5. zu Folge: Titulis et Inſignibus Livoniae tam Sacra Regia Majeſtas Poloniae ejusque ſucceſſores Reges Poloniae Magnique Duces Lithuaniae natione Auſtralis Livoniae, quam Sacra Regia Maj. Sueciae ejusque ſucceſſores Reges Sueciae, rectione ſepten - trionalis Livoniae ſub titulo ducatus promiſcue vtentur.
m]
n]Portugal beſchwerte ſich 1704. in dem Kriegsmanifeſt gegen den Herzog von Anjou, der ſich in Beſitz des Koͤ - nigreichs Spanien geſetzt hatte, unter andern: Philippi Andegavenſis effigies typis Pariſienſibus excuſſae per Europam ſparſae cum inſcriptione Regnorum, quae iure ſucceſſionis Hiſpanicae adierat, et inter ea Lu - ſitania eſt addita. Quod cum Luſitanus orator Pari - ſiis apud Croiſſium quereretur, is factum excuſavit, alicujus de plebe temeritati inconſultae aſſignare co - natus; pollicitusque eſt curaturum, vt ejusmodi ef - figies ſupprimerentur: Verum nihilominus illis per Europam volitantibus, non multo poſt potuit non privato, ſed publico conſilio ei inſcriptioni interpo - ſitum Luſitaniae regnum; ſi quidem ſagis militaribus, et vexillis, quae cura Pariſienſis aulae in Gallia ſunt elaborata ad ornandam turmam Philippi Andegavenſis cuſtodiae attributam, inſignia ſunt aſſuta phrygio opere, in quibus Regni Luſitani ſtemma aliis immix - tum videre eſt. Quod etſi riſum potius quam ſtoma - chum movere poſſit, haud dubium eſt quin id con -ſulto463und andern Ehrenzeichen der Regenten.ſulto fuerit factum vt miſeram plebem Hiſpanorum, et ſi qui ſunt nobilium, judicio et rerum ignorantia plebi haud abſimiles, hac vana et falſa ſpe allectent Luſitaniae recuperandae; ſcilicet vt cum ipſi liberta - tis indigeant, liberis populis imperitent. Quo qui - dem nihil poteſt eſſe inconſideratius aut dementius. Lamberty Memoires Tom. III. p. 285.
n]

§. 12. Einrichtung der Titulaturen uͤberhaupt.

Uebrigens komt es auf die Wilkuͤhr des Regenten und einer ieden Nazion an, wie ſie ihre Titulatur in Anſehung der bekleidenden Wuͤrden, anderer ihnen er - theilter Praͤdicate, und der beſitzenden Lande einrichten, vermehren oder vermindern wollen. Andere Nazionen laſſen ſich, wenn ihren Gerechtſamen dadurch nicht zu nahe getreten wird, ſolches meiſtens gefallen a], und machen keine Schwierigkeiten, ſie ihnen in der Maaſſe zu geben, wenn ihnen, wie gewoͤnlich, von derglei - chen Veraͤnderungen Nachricht ertheilt wird b]. Zu - weilen werden einem Regenten gewiſſe Titel nur auf Lebenszeit zugeſtanden c], oder andere Verabredungen der Titulaturen halber genommen d], welche denn aller - dings befolgt werden muͤſſen. Uebrigens beruht bey dem Titulaturweſen ſehr viel auf bloſſe Wilkuͤhr und zum Theil unverbindliche Gebraͤuche, die zum Voͤlker - rechte nicht gehoͤren, ob man wohl auch hierunter von dem Herkommen nicht leicht abzuweichen pflegt.

a]Ickſtatt L. II. c. 6. §. 19. Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 114. ff. erſte Grundlehren S. 44. ff. und deſſen Verſuch 1. Th. S. 278.
a]
b]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 115. Peter III. in Rußland ließ, als er den Thron beſtieg, allen auswaͤr -tigen464Von den Titeln, Wapentigen Hoͤfen anzeigen, was fuͤr einer Titulatur man ſich kuͤnftig in den Schreiben an den Kaiſer in Rußland be - dienen ſolle. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 393. Auch 1748. ließ Rußland ſeine veraͤnderte kaiſerliche Titulatur dem Reichstage und dem Schwaͤbiſchen Kraiſe ꝛc. mittheilen. ſ. Reuß teutſche Staatskanzley 6. Th. S. 439. 16. Th. S. 56.
b]
c]In dem oliviſchen Frieden zwiſchen Polen und Schwe - den 1660. wurde Art. 3. dem Koͤnig Caſimir von Po - len auf ſeine Lebenszeit erlaubt, ſich des Titels und Wapens von Schweden gegen alle Fuͤrſten und privatos, Schweden ausgenommen, zu bedienen. Wie im Wiener Frieden 1725. zwiſchen Kaiſer Karl VI. und Spanien bedungen worden, die angenommenen Titulaturen blos auf Lebenszeit zu gebrauchen, habe ich ſchon angefuͤhrt.
c]
d]Z. B. in dem Moscauer Buͤndnis zwiſchen Rußland und Polen 1672. Art. 17. wurde feſtgeſetzt, daß die auf den Grenzen wohnenden Privati von beiden Theilen nicht gehalten ſeyn ſolten, den ganzen Titel beider Potentaten auszuſchreiben, ſondern nur die Worte: Sr. Koͤnig - liche Majeſtaͤt und Sr. Czaariſche Majeſtaͤt.
d]

§. 13. Wapen.

Mit den Wapen hat es, wie aus den bereits ange - fuͤhrten Beiſpielen zu erſehen, gleiche Beſchaffenheit wie mit den Titeln a]: Es kan iede Nazion und ihr Souverain ſich dergleichen nach Gefallen waͤhlen und ſie beſonders von Landen annehmen, deren rechtmaͤſſi - ger Beſitz ihnen von niemand ſtreitig gemacht wird. Sie werden, wenn kein Bedenken dabey obwaltet, nicht leicht gemisbilligt, ob die Nazionen gleich eben ſo wenig ein verbindliches Recht, die Anerkennung alsSchul -465und andern Ehrenzeichen der Regenten.Schuldigkeit zu verlangen haben, als bey den Titeln. Das meiſte komt auch hier, beſonders bey entſtehenden Streitigkeiten, auf Vertraͤge an, wodurch der Ge - brauch entweder bedungen b], oder Verzicht darauf ge - leiſtet wird c].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 283.
a]
b]Zwiſchen Daͤnemark und Schweden z. B. war wegen Fuͤhrung des Schwediſchen Wapens der drey Kronen von Daͤnemark lange Streit, bis beide Theile im Sioͤrader Frieden 1613. ſich verglichen: vt omnis de Coronis hisce tribus diſputatio deinceps cenſeatur abolita nec vnquam a ſucceſſoribus regibus Daniae Sueciaeve repetenda ſit, ſed liberum tam Daniae quam Sueciae regibus erit, praeſato inſigni trium co - ronarum absque impedimento in perpetuum vti frui - que, cauto tamen, ne Nos vel ſucceſſores noſtri, Reges Daniae, vſu harum trium Coronarum quidquam iuris nobis in Sueciae regnum attribuamus, ſed re - nunciationi hac in re ſtandum, quae Stettinenſibus pactis comprehenſa eſt. Vergl. Dan. Guil. Moller diſſ. de tribus Regni Sueciae Coronis. Altorf. 1696.
b]
c]In dem Ceſſionsvertrage des Koͤnigs und der Republik Polen uͤber einige Lande an Oeſterreich 1773. heißt es Art. 2. auch: ils renoncent auſſi aux titres et aux Armes de Ruſſie et des autres pays dont les Rois de Pologne ne feront plus aucun vſage.
c]
*]M. vergl. I. C. Becmann diſſ. de inſigniis regiis; in Syntag. dignit. P. I. n. 7. Fr. Aug. Guil. Wenck progr. de acquiſitione inſignium alienorum. Lipſ. 1781.
*]
Guͤnth. V. R. 2. B. G g§. 14.466Von den Titeln, Wapen

§. 14. Orden.

Zu dem aͤuſſern Glanz der Hoͤfe gehoͤren vorzuͤglich die Orden, welche die Souverains und Republiken ihren und andern verdienten Unterthanen, als beſon - dere Gnadenzeichen, zu ertheilen pflegen. Es geſchieht auch oͤfters, daß ſolche von den Regenten ſelbſt einan - der, zuweilen auf vorherige Anfrage, zum Theil durch eigne Geſandſchaften, zugeſchickt und von dieſen ange - nommen werden a]. An ſich kann ieder unabhaͤngige Regent nach Wilkuͤhr hierunter verfahren und Orden errichten, welche er will, ohne daß ihm andere Nazio - nen Einhalt thun koͤnten b]. Es komt freilich darauf an, ob er Anſehn genug hat, um ſeinen Ehrenzeichen, hauptſaͤchlich bey Auswaͤrtigen, Achtung zu verſchaf - fen; indem es allerdings von deren Gurbefinden ab - haͤngt, ob ſie ſolche annehmen und ihren Unterthanen zu tragen erlauben wollen c]. Bey bedenklichen Faͤllen kann es ihnen nicht veruͤblet werden, wenn ſie derglei - chen Rittern bey ſich nicht den Zutritt verſtatten d].

In Anſehung des Ordens vom goldenen Vließ iſt wegen des Grosmeiſterthums und wegen des Rechts, dieſen Orden zu ertheilen, bekantlich ein langwieriger noch unentſchiedener Streit zwiſchen Spanien und dem Hauſe Oeſterreich. Doch bedienen beide ſich dieſes Rechts e]. Bey dieſer ganzen Materie iſt ebenfals viel Wilkuͤhrliches und in das Voͤlkerrecht nicht gehoͤrige anzutreffen.

a]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 152. Deſſen Ver - ſuch 1. Th. S. 333. de Martens L. V. §. 143. Nach Moſers Meinung kann ein Souverain, welcher mehrere Orden erhaͤlt, die nach den Statuten ſich mit einander nicht vertragen, den geringern wieder zuruͤck - ſchicken. ſ. deſſen Beitr. in Frz. 2. Th. S. 549.
a]b] Moſers467und andern Ehrenzeichen der Regenten.
b]Moſers Verſuch 2. Th. S. 565. Selbſt unter einer - ley Namen koͤnnen Orden von verſchiedenen Nazionen errichtet werden; nicht leicht geſchieht es aber, daß ein und derſelbe Orden von mehrern vergeben wird, wie der Orden vom goldenen Vließ. ſ. de Martens L. V. §. cit. Die Ritter derienigen Orden, die man nicht auerkennt, werden gewoͤnlich nicht bey Hofe zugelaſſen. Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 154.
b]
c]Im Jahre 1746. unterm 16. November erging z. B. ein Kaiſerlich Koͤniglich Ungariſches Circular-Reſcript, worinn allen hohen Generalsperſonen bey allerhoͤchſter Ungnade verboten wurde, kuͤnftig mehr einen fremden Orden, Gnaden - und Ehrenzeichen von auswaͤrtigen Po - tenzen anzunehmen, noch weniger dergleichen zu ſuchen.
c]
d]Moſer am letzta. O.
d]
e]Dieſer Orden ſtamt, wie bekant, eigentlich von den Herzogen von Burgund her, und das Recht, ihn zu vergeben, war in der Folge blos bey den Koͤnigen von Spanien. Nach Abſterben Karls II. wurde, neben den uͤbrigen Erbfolgsangelegenheiten, auch das Grosmeiſter - thum dieſes Ordens, und das Recht, ihn zu vergeben, zwiſchen den nachherigen Koͤnigen in Spanien aus dem Hauſe Burbon und dem Hauſe Oeſterreich ſtreitig. Beide verlangten ſolche ausſchließlich. Der Streit iſt oͤfters rege geworden, und es haben auch auswaͤrtige Maͤchte, beſonders bey dem Aachner Frieden, ihre Vermittelung dabey angeboten. In den Praͤliminarien wurde Art. 13. beliebt: S. M. Britannique, S. M. Très-Chretienne et les Seigneurs Etats Généraux des Provinces unies ſ’engagent à interpoſer leurs bons offices et leurs ſoins amiables pour faire regler et decider par le Congrès général le differend concernant la Grande - Maitriſe de l’ordre de la toiſon d’or. In dem Defi - nitivfrieden kam aber nichts davon vor. Spanien er - klaͤrte dagegen: Sa Mejeſté ne connoit aucune PuiſſanceG g 2ſur468Von den Titeln, Wapenſur la terre a qui il appartienne de les lui conteſter et encore moins d’en juger, ni par conſequent de qui la reconnoiſſance ou non reconnoiſſance ſoient ca - pables de les valider ou de les invalider. Proteſtant ſeulement contre toutes inductions, que quiconque peu inſtruits des droits et attributs des Couronnes pourroient tirer tant de l’Article XIII. des Prélimi - naires que du ſilence du traité definitif, au prejudice d’un droit et d’une poſſeſſion attachés inſeparable - ment à la Couronne d’Eſpagne. Auch von Seiten der Koͤnigin in Ungarn wurde erklaͤrt: Pour qu’il ne reſte aucun doute à la poſterité et pour que le ſilence de S. M. ne puiſſe à jamais être interpreté comme prejudiciable ou une renonciation aux droits incon - teſtables de la Grande-Maitriſe de l’ordre de la toi - ſon d’or attachés à ſon ſang et à la Souveraineté des Pays-bas S. M. proteſte de la manière la plus ſolem - nelle contre tout ce qui pourroit être directe - ment ou indirectement quelque prejudice à cet égard. Indes wird dieſer Orden, dem Vorgeben nach vermoͤge beſonderer Convention, von beiden Hoͤfen vergeben. Moſers Verſuch 2. Th. S. 501. ff.
e]
*]M. vergl. Caeſarini Charitini [J. J. Moſers] Nichtigkeit der ſpaniſchen Praͤtenſionen auf den Ritterorden des gold - nen Vlieſſes. Eßlingen 1723. Io. Dan. Gruber vindiciae Auſtriacae pro aurei velleris ordine. Hal. 1724. Io. Petr. de Birckenſtock diſſ. de legitimo et ſupremo capite aurei velleris ad illuſtrandum Art 13. Prae - lim. Pacis Aquisgran. Erf. 1748. Ge. Henr. Ayrer diſſ. magnum magiſterium equeſtris ordinis aurei velleris Burgundico-Auſtriacum foe - mino-Maſculinum. Gotting. 1748. und de col - liſione proteſtationum illuſtrium etiam noviſſimamcirca469und andern Ehrenzeichen der Regenten.circa quaeſtionem: quis ſit caput legitimum Ordi - nis aurei velleris. Gotting. 1749. M. ſ. Puͤt - ters Litteratur des teutſch. Staatsr. 3. Th. S. 214. ff.
*]

§. 15. Hofſtaat, Reſidenz.

Die Anordnung des Hofſtaats, die Aufſchlagung der Reſidenz, deren Einrichtung, Verzierung ꝛc. haͤn - gen lediglich von der Wilkuͤhr der Regenten ab, und ſind ſelten ein Gegenſtand des Voͤlkerrechts, wenn nicht beſondere Umſtaͤnde eine Verabredung zwiſchen mehrern Nazionen daruͤber veranlaſſen a]. Wer ſeinen Wohnſitz unter der Hoheit einer andern Nazion waͤhlt, muß, wenn Vertraͤge oder Herkommen keine naͤhere Beſtimmung der beiderſeitigen Gerechtſame an die Hand geben, allerdings deshalb die Verfuͤgungen der hoͤchſten Herſchaft anerkennen, unter deren Gebiete die Woh - nung liegt b].

a]Im Roſchilder Frieden zwiſchen Schweden und Daͤne - mark 1658. Art. ſecret. 2. wurde verglichen: Vt omnia quae errores quosdam poſt ſe trahere vel ani - mos ab hac vel illa parte exulcerare et diſtrahere poſ - ſint, penitus eradicentur et e medio tollantur, in majorem pacis confirmationem et augmentum, con - ventum invicem eſt, vt periſtromata illa ſeu Tapetia quae in ignominiam et dedecus Regni Suecici con - texta heic in Dania aſſervantur et cuſtodiuntur aliis coloribus ſuperilliniantur.
a]
b]Real Science du Gouvern. Tom. V. c. 1. Sect. 8.
b]

§. 16. Landesherrliche Rechte hierbey.

Die bloſſen Landesherrn unter ſich haben hierinn, beſonders was die Annahme und Veraͤnderung derG g 3Wuͤr -470Von den Titeln, WapenWuͤrden, Titel und Wapen ꝛc. anlanget, mindere Freiheit, und beduͤrfen in den meiſten Stuͤcken der Einwilligung des Reichsoberhaupts, zum Theil auch, wenn es z. B. bey der neuern Wuͤrde mit auf Sitz und Stimme ankomt, ihrer Mitſtaͤnde a]. Gegen aus - waͤrrige Nazionen aber haben ſie weiter keine Verbind - lichkeiten, als andere freie Nazionen unter ſich. Wenn die Erhoͤhung der Wuͤrde ꝛc. daher mit Einwilligung der dabey intereſſirten Theile geſchieht, ſo kann ſie von den uͤbrigen Landesherrn nicht fuͤglich verweigert wer - den, und die Anerkennung findet gewoͤnlich keine Schwierigkeit, es muͤſten denn offenbare Rechte eines oder des andern dadurch gekraͤnkt werden b]. In Be - ziehung auf Auswaͤrtige haͤngt ſolche, wenn es nicht Titel ſind, die ſie in der Eigenſchaft zugleich beſitzender Reichslande, wie Grosbritannien, Daͤnemark, Schwe - den, Preuſſen ꝛc. erhalten, von der beiderſeitigen Wil - kuͤhr ab, und wird ebenfals am ſicherſten durch Ver - traͤge bewuͤrkt c]. Eigenmaͤchtige Anmaaſſungen in Titulaturen, beſonders von Landen, die ein anderer be - ſitzt, werden auch unter den Landesherrn widerſprochen und ſtreitige Titulaturen nicht anerkant d]. In Anſe - hung dieſer iſt es auch unter ihnen gewoͤnlich, ihre Ge - rechtſame wegen deren Gebrauch oder Nichtgebrauch in Vertraͤgen ꝛc. zu verwahren e]. Die Entſcheidung der - gleichen Streitigkeiten gehoͤrt hauptſaͤchlich vor das Reichsoberhaupt, oder ſie muͤſſen auf andere in den Reichsgeſetzen vorgeſchriebene Weiſe beigelegt werden f]. Den Kurfuͤrſten geſteht man die koͤniglichen Ehrenbezei - gungen auch auswaͤrts zu g]. Doch bekommen ſie eben ſo wenig als andere Reichsſtaͤnde den Titel: Majeſtaͤt, welchen auch der Kaiſer denienigen, welche zugleich auswaͤrtige Kronen beſitzen, entweder gar nicht, oder mit Einſchraͤnkung beilegt, wenn ſie lediglich in der Eigenſchaft der Reichsſtaͤnde handeln h]. Das meiſtehier -471und andern Ehrenzeichen der Regenten.hierunter beruht auf das Reichsherkommen, das auch Auswaͤrtige zu befolgen pflegen i].

Viele angeſehene Kur - und Fuͤrſten des Reichs haben Orden errichtet, die ſie auch einander mitthei - len k]. Doch iſt es nicht gewoͤnlich, daß auswaͤrtige Souverains von ihnen dergleichen erhielten, wohl aber geſchieht es oͤfter, daß iene von dieſen damit beehrt werden l].

Die Reſidenz und uͤbrige Hofſtaat iſt ihrer Wilkuͤhr uͤberlaſſen, doch darf deren Einrichtung den Mitſtaͤn - den ꝛc. nicht zum Nachtheil gereichen, beſonders wenn ſie, wie es im teutſchen Reiche zuweilen der Fall iſt, ihre Reſidenz in eines andern Standes Gebiete haben m].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 280. vergl. Ad. Balth. Werner diſſ. de iure S. R. Imp. principum proprios titulos augendi. Altorf. 1702.
a]
b]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 10. So belangte 1760. das Hochſtift Waͤrzburg die Fuͤrſten von Hohen - lohe Waldenburg, weil ſie ſich vom Kaiſer das Wuͤrz - burgiſche Wappen hatten beilegen laſſen. Ebendaſelbſt S. 16.
b]
c]ſ. Moſers auswaͤrt. Staatsr. S. 47. 48. Verſuch 1. Th. S. 243. Die Preuſſiſche Koͤnigswuͤrde wolten Kur Koͤln und Kur-Baiern, auf Anregen des teutſchen Ordens, nicht anerkennen. Ebendaſelbſt S. 248. Im Inſtrum. P. O. Art. X. §. 4. wurde bedungen: titulis et infigniis Pomeraniae tam regia domus quam Brandenburgica promiſcue vtantur more inter priores Pomeraniae Duces vſitato, Regia quidem perpetuo; Brandenburgica vero quamdiu vllus e maſculina linea ſuperſuerit. Die Hannoͤveriſche Kurwuͤrde erkante Frankreich im Raſtadter Frieden mit dem Kaiſer 1714. Art. 14. wo es heißt: La maiſon de Brunſuic-Hanovre ayant été élevé par l’Empereur, du conſentement de l’Empire,G g 4à472Von den Titeln, Wapenà la dignité Electorale S. M. Très-Chretienne recon - noitra, en vertu de ce traité, cette dignité Electo - rale dans la dite maiſon. Hingegen muſte Bayern in dem Frieden zu Fuͤeſſen 1745. ſich des angenommenen Titels eines Erzherzogs von Oeſterreich begeben. Moſers Verſuch 1. Th. S. 110.
c]
d]Im Jahre 1706. nahm z. B. Brandenburg den Titel und das Wapen von Meckelnburg ꝛc. wegen der ihm er - theilten Anwartſchaft, und zwar mit Genehmigung des Herzogs von Meckelnburg Schwerin an, aber Meckeln - burg Strelitz proteſtirte dagegen ſowohl bey Brandenburg als bey Meckelnburg Schwerin. ſ. Fabers Staatskanz - ley 14. Th. S. 33. ff. ed. nov.
d]
e]Zwiſchen Kurſachſen und Pfalz wurde z. B. im Teſch - ner Frieden 1779. Art. ſep. verglichen: que les titres employés ou omis de part et d’autre, à l’occaſion de la preſente negociation dans les Pleinpouvoirs ou autres Actes ou par tout ailleurs ne pourront être cités ni tirer à conſequence, et qu’il ne pourra jamais en reſulter aucun prejudice pour aucune des parties intereſſées.
e]
f]Moſers Staatsr. 4. Th. S. 343. ff. und deſſen nachbarl. Staatsr. S. 14. ff.
f]
g]Aug. Fr. Schott ſ. resp. Aug. Polycarp. Leyſer diſſ. de honoribus regiis principum electorum. Lipſ. 1771.
g]
h]In Reichslehnbriefen z. B. erhalten ſie die Majeſtaͤt nicht, und in andern Faͤllen, wo die Eigenſchaft der Reichsſtandſchaft in Betrachtung komt, wird geſetzt: Euer Majeſtaͤt, als Kurfuͤrſten ꝛc. zu .... Liebden. Was Kurbrandenburg und Braunſchweig auf dem letztern Kai - ſerwahltage wegen der Majeſtaͤt in der Wahlcapitula - tion erinnert aber nicht erhalten haben, iſt aus den in Druck erſchienenen Protocollen zu erſehen. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 236.
h]i] von473Von den perſoͤnl. Verhaͤltniſſen der Regenten ꝛc.
i]von Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 137. ff.
i]
k]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 18. Verſuch 1. Th. S. 336. 2. Th. S 565.
k]
l]Moſers nachbarl. Staatsr. S. 272. und Verſuch a. a. O.
l]
m]Deſſen nachbarl. Staatsr. S. 34. ff.
m]

Fuͤnftes Kapitel. Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen der Regenten gegen einander nach dem Voͤlkerrecht.

§. 1. Von dieſem Gegenſtande uͤberhaupt.

Die perſoͤnlichen und Familienangelegenheiten der Souverains in Europa, welche durch Verwand - ſchaft und Vertraͤge faſt alle mit einander in Verbin - dung ſtehn, ſind, in ſoferne ſie blos ihre Privatver - haͤltniſſe betreffen, und zum Theil nur auf Grundſaͤtze des Wohlſtandes beruhen, ſelten ein Gegenſtand der Voͤlkerverhandlungen, und gehoͤren in dieſer Ruͤckſicht mehr zum Privatfuͤrſtenrecht und der Ceremonielwiſſen - ſchaft als zum Voͤlkerrecht. Ich will mich daher hier - bey nicht weitlaͤuftig aufhalten, ſondern nur eins und das andere bemerken, was auch auf die Rechte und Verhandlungen der Nazionen einigen Einflus zu haben pflegt.

*]Burc. Goth. Struvii iurisprudentia heroica cura Io Aug. Hellfeld VII. Tomes. Ien. 1743. ſeqq. 4. Io. Fr. Wilh. de Neumann inſtitutiones iuris princi - pum privati. Frcſ. et Lipſ. 1747. und Meditatio -G g 5nes474Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſennes iuris principum privati IX. Tom. Lipſ. 1747. ſeqq. 4.
*]

§. 2.

Die Perſon des Regenten iſt, um des algemeinen Beſten willen, nach den Grundſaͤtzen des algemeinen Staatsrechts unverletzlich, und auch die Nazionen ge - gen einander befolgen ihn, ſo daß ſie bey vorkommen - den Anfaͤllen auf die Perſon eines Souverains in Ahn - dung des Verbrechers gewoͤnlich gemeinſchaftliche Sache machen a]; auch bey verſpuͤrten Anſchlaͤgen nicht unter - laſſen, einander zu warnen b]; am wenigſten aber, ſogar im Kriege, ſich dergleichen widrige Abſichten ge - gen dieſelben erlauben c].

a]Vattel L. I. c. 4. §. 50. Neyron prineipes du droit d. g. C. IV. art. 2. §. 112. Bey der 1771. dem Koͤnige in Polen gedachten Lebensgefahr ſchrieb der Koͤnig in Preuſſen an den erſtern: C’eſt une affaire qui intereſſe tous les ſouverains, et ce trait, auſſi noir qu’inhumain de la part des Confêdéres mérite - roit que toutes les Puiſſances de l’Europe ſe reuniſ - ſent et tiraſſent une vengeance éclatante de cet enorme forfait dont ils ſe ſont rendu coupables. Moſers Verſuch 1. Th. S. 285. ff.
a]
b]Im ſiebenjaͤhrigen Kriege ließ die Kaiſerin Koͤnigin da - her den Koͤnig von Preuſſen durch den Grafen Kaunitz benachrichtigen, daß eine Verſchwoͤrung wider ihn im Werke ſey. Der Koͤnig antwortete ihr, daß er der Kai - ſerin fuͤr die Nachricht, die ſie ihm zu erteilen die Guͤte gehabt haͤtte, verbunden ſey; daß es aber zwey Arten des Meichelmords gebe, die eine durch den Dolch, die andere durch entehrende Schandſchriften, und daß er, wie er die Kaiſerin verſichern koͤnte, die erſte Art wenigachte,475der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.achte, gegen die andere aber empfindlicher ſey. Oeuvres poſth. du Roi de Pruſſe Tom. III.
b]
*]I. Fr. Meliſſander diſſ. de majeſtate principum in - violabili. Ien. 1703.
*]

§. 3. Beleidigungen.

Die Souverains der Nazionen muͤſſen ſich aller perſoͤnlichen Beleidigungen gegen einander in Handlun - gen und Schriften enthalten a], widrigenfals der andere allerdings berechtigt iſt, Genugthuung zu fodern b], und ſich ſolche, im Verweigerungsfall, ſelbſt mit Ge - walt der Waffen, zu nehmen c]. Sie duͤrfen auch nicht zugeben, daß ihre Unterthanen z. B. durch belei - digende Schriften d], Zeitungen e], Kupferſtiche ꝛc. ſich dergleichen erlauben, ſondern ſind verbunden, wenn ſie deren Beſtrafung auch nicht freiwillig vornehmen, doch wenigſtens auf Anſuchen des beleidigten Theils, dieſem, zwar, wie obgedacht, nicht durch Auslieferung des Verbrechers, aber doch ſonſt auf eine hinlaͤngliche Art Genugthuung zu verſchaffen f]. Indes fehlt es freilich nicht an Beiſpielen, daß ein Hof die Beleidi - ger wohl gar in Schutz genommen, oder wenigſtens die Beſtrafung derſelben, unter mancherley Vorwand abgelehnt hat g]. Ein incognito reiſender Souverain kann, wenn ihm, ſeiner Verborgenheit wegen, etwa einige Beleidigungen wiederfahren ſeyn ſolten, nicht allemal die ſtrengſte einem Regenten gebuͤhrende Ahn - dung verlangen, weil hier mehr ſeine angenommene Privatperſon in Betrachtung komt. Ueberhaupt iſt die Unterlaſſung eines nicht auf verbindliche Grundſaͤtze beruhenden Ceremoniels, nicht ſowohl fuͤr Beleidigung als fuͤr Unhoͤflichkeit zu achten h].

a] In476Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
a]In einem Commiſſionsdecret an die Reichsverſammlung vom 17. Maͤrz 1727. beſchwert ſich z. B. der Kaiſer uͤber Grosbritannien: Wie Allerhoͤchſt Kaiſerliche Maje - ſtaͤt durch die letzte koͤnigliche Anrede an das grosbritan - niſche Parlament in Ihro allerhoͤchſten Perſon, Ehre und Wuͤrden angegriffen, als ein Stoͤhrer des algemei - nen Friedens und Mißhaͤndler der errichteten Tractaten auf eine unter gekroͤnten und in wuͤrklicher Feindſeelig - keit nicht begriffenen Haͤuptern ohnerhoͤrte Art vorgeſtellet, auch weiters der mit Spanien in puris terminis foederis defenſivi geſchloſſene Allianztractat wider deſſelben klaren Buchſtaben, Natur und Eigenſchaft ſo gehaͤſſig und ungegruͤndet angegeben worden, als ob Ihro Kaiſerl. Maj. mit der Kron Spanien einen Offeuſivtractat in Favor des Praͤtendenten, um denſelben auf den engli - ſchen Thron zu bringen, wuͤrklich errichtet haͤtten ꝛc. ſ. Moſers Reichsfama 1. Th. S. 381.
a]
b]Wie die Kaiſer und Koͤnige ſich in aͤltern Zeiten bey der - gleichen Gelegenheiten gegen die Paͤpſte erniedrigen muͤſ - ſen, iſt aus der Geſchichte bekant, und weiter unten wird noch etwas von Abbitten landesherrlicher Staaten gegen Souverains vorkommen. Von Duellen regierender Herrn und ihrer Zulaͤſſigkeit wird wohl heutzutage nicht leicht die Frage ſeyn. ſ. Io. Georg Scherz diſſ. de duellis principum. Arg. 1707.
b]
c]Vattel L. II. c. 3. §. 48.
c]
d]Im Jahre 1720. beſchwerte ſich Rußland in einer ge - ſandſchaftlichen Note uͤber Grosbritannien wegen einer den Czaar betreffenden Schrift, die von dem Hofbuch - drucker gedruckt worden, welche durchgehends ehrenruͤh - rig, mit ſo ungewoͤnlichen Expreſſionen angefuͤllt, auch voller Schmaͤhungen und von einem uͤbelgeſinten Men - ſchen verfertigt und in der That, wie Ihro Czaaril. Maj. davor halten, eine wahrhafte Schmaͤhſchrift ſey, Ihro Maj. hieß es, halten dieſe Schmaͤhſchrift einerAntwort477der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.Antwort unwuͤrdig, auch fuͤr unnoͤthig, die in ſelber ent - haltenen Schmaͤhungen und Unwahrheiten zu widerlegen, ſondern Sie ſchicken dieſelbe wieder dahin zuruͤck, wohin dergleichen Arten von Schriften gehoͤren, wodurch die Ehre und Wuͤrde groſſer Souverainen angegriffen wer - den. Ihro Czaarl. Maj. haben mir blos befohlen, Ew. Maj. zu bitten, daß ſie befehlen moͤchten, daß Ew. Maj. Miniſterium inskuͤnftige ſich gegen Ihro Czaarl. Maj. diesfals alſo auffuͤhren und dieienige Manier ge - brauchen ſolle, die bey dergleichen Gelegenheiten unter civiliſirten Nazionen gegen groſſe Fuͤrſten zu beobachten Herkommens iſt ꝛc. Schmaus Einleitung zur Staats - wiſſenſchaft 2. Th. S. 491.
d]
e]Der Zeitungen wegen ſind ſchon oͤftere Beſchwerden vor - gekommen. 1748. befahl der Koͤnig in Schweden ſei - nem Miniſter zu Regensburg: Comme il nous a été repreſenté que le Gazetier de Cologne de tems à autre a inſéré dans ſes papiers des expreſſions Mo - quantes contre nous et contre notre royaume et que par conſequent nous devions faire attention aux moiens les plus propres pour reprimer une temerité ſi effrenée. Nous avons donc jugé à propos de vous ordonner de répréſenter aux Miniſtres Allemands qui ſe trouvent à Ratisbonne, que, quoique l’inſolence de ce Gazetier ne merite que du mepris, les dits Miniſtres ſavent pourtant bien eux mêmes qu’il n’eſt pas poſſible de paſſer ſous ſilence une entrepriſe ſi digne de chatiment, et qu’ils ne peuvent ſe dispen - ſer de ſ’intereſſer dans cette affaire particulièrement par les égards que les têtes Couronnées et les Princes ſe doivent les uns aux autres, vu ce qui ſe fait au - jourd’hui à une Puiſſance peut demain ſe faire à une autre. Moſers Verſuch 1. Th. S. 247.
e]
f]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 150.
f]
g]Ebendeſſelben Verſuch 1. Th. S. 293.
g]h] Deſſen478Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
h]Deſſen Grundſaͤtze in Frz. S. 139.
h]
*]Io. Fr. Engelmann diſſ. num in extraneum princi - pem committatur crimen laeſae majeſtatis. Lipſ. 1675. 4.
*]

§. 4. Reiſen und Aufenthalt in fremden Ter - ritorien.

Souverains, die oͤffentlich durch ein fremdes Ter - ritorium reiſen wollen, pflegen dem Regenten deſſelben, wegen Veranſtaltung der erfoderlichen Bequemlichkei - ten, davon Nachricht zu geben a], ſich auch wohl ein ſicheres Geleit zu erbitten, duͤrfen aber, ohne Erlaub - nis, kein militaͤriſches Gefolge mit ſich fuͤhren b]. Wenn dergleichen Reiſen haͤufiger oder gewoͤnlich vor - kommen, werden auch wohl in Vertraͤgen daruͤber Ab - reden genommen c]. Die Reiſenden muͤſſen ſich aller - dings den algemeinen Landesverfuͤgungen, auch in Ruͤck - ſicht contagioͤſer Zeiten desfals unterwerfen d], wie - wohl ihnen gewoͤnlich auch mancherley Freiheiten, unter andern die Religionsuͤbung fuͤr ſich und ihr Gefolge ꝛc. zugeſtanden werden e]. Das meiſte beruht auf das in iedem Lande eingefuͤhrte Herkommen. Wenigſtens muß man ihnen alle Sicherheit verſchaffen, verlangt aber dagegen von dieſen, daß ſie durch zweideutige Hand - lungen kein Mistrauen erwecken f].

Um Aufſehn und Schwierigkeiten im Ceremoniell zu vermeiden, geſchehen viele Reiſen der Souverains incognito, ſolche ſind indes auf der andern Seite be - denklicher, weil ſie ſich dabey andern unangenehmen Vorfaͤllen ausſetzen g].

Was in Anſehung des Einholens, Empfanges, der Bewirthung, militaͤriſchen Ehrenbezeigungen undder -479der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.dergleichen Gegenſtaͤnden zu beobachten iſt, gehoͤrt in das Ceremonielweſen, wobey wenig verbindliches Statt findet h]. Das Hauptwerk komt darauf an, ob ein Souverain oͤffentlich und unter ſeinem Namen, oder zwar oͤffentlich aber unter einem fremden Namen oder ganz unbekant reißt i]; in welchem letztern Falle er eigentlich gar kein Ceremoniel verlangen kann k].

a]Moſers Verſuch 1. Th. S. 302. So ließ die ruſ - ſiſche Kaiſerin 1787. der Pforte ſogar Nachricht von ihrer vorhabenden Reiſe an die Grenzen des tuͤrkiſchen Reichs erteilen. Polit. Journ. Maͤrz 1787. S. 257.
a]
b]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 136. und deſſen erſte Grundlehren S. 47.
b]
c]Wie ich ſchon oben von Polen und Preuſſen angefuͤhrt habe.
c]
d]Moſers Verſuch 1. Th. S. 303. So muſte z. B. der Grosherzog von Toſcana 1738. im Venetianiſchen Quarantaine halten.
d]
e]Moſers erſte Grundlehren S. 47.
e]
f]Ebendaſelbſt.
f]
g]Io. Chr. Dreſleri epiſt. de iuribus principis incognito peregrinantis odioſis. Martisb. 1730.
g]
h]Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 3. §. 58. Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 128. de Martens L. V. §. 144. 45.
h]
i]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 129.
i]
k]Gleichwohl beſchwerte ſich der Czaar Peter I. in Ruß - land, daß ihm zu Riga auf ſeiner Reiſe incognito im Gefolge ſeiner Geſandſchaft nicht Ehre genug erzeigt worden. ſ. de Martens l. c.
k]

§. 5. Befreiung von der Unterwuͤrfigkeit.

Ein Souverain, der ſich in eines andern Landen aufhaͤlt iſt, nach dem ſtrengen Rechte, zwar der Ho -heit480Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſenheit desienigen Staats, worinn er ſich befindet, unter - worfen a]; vermoͤge eines faſt algemein angenommenen Herkommens aber, verſtattet man ihm, in Ruͤckſicht der mit ſeiner Perſon verbundenen Souverainetaͤt, wenn auch nicht die Ausuͤbung aller Majeſtaͤtsrechte, doch wenigſtens die Befreiung von der Gerichtsbarkeit des andern Souverains fuͤr ſich und ſeine Familie b], ſelbſt wenn er unter einem angenommenen Namen, ie - doch nicht, wenn er ganz incognito als Privatmann reißt. Man geſtattet ihm auch gewoͤnlich die Civilge - richtsbarkeit uͤber ſein Gefolge, allein die Ausuͤbung der peinlichen findet mehrern Anſtand c]. Dies leidet iedoch allerdings eine Ausnahme, wenn eine dieſer Per - ſonen zugleich im Dienſte des Landes-Souverains ſteht d]. Solte der andere Regent indes unerlaubte und feindſeelige Handlungen unternehmen, ſo kann ohn - ſtreitig ſeine Entfernung verlangt, er auch nach Befin - den wohl gar als Feind behandelt werden e].

a]Henr. Cocceji diſſ. de fundata in territorio et plu - rium locorum concurrente poteſtate. Frcf. 1684. Tit. II. §. 12. wiewohl verſchiedene andere Rechtsleh - rer das Gegentheil behaupten, als Puffendorff I. Nat. et G. L. VIII. c. 4. n. 21. vergl. de Martens L. V. §. 146. Einige machen den allerdings nicht unwichti - gen Unterſchied, ob der fremde Souverain mit oder ohne Erlaubnis in des andern Territorium gekommen, und glauben, daß im erſtern Falle ihm die Befreiung zugleich mit bewilligt ſey.
a]
b]Moſers erſte Grundlehren S. 48. de Martens l. c.
b]
c]Als die Koͤnigin Chriſtine in Schweden, nachdem ſie die Regierung bereits niedergelegt hatte, ihren Oberſtallmei - ſter Monaldeſchki im franzoͤſiſchen Gebiete hinrichten lies, bezeigte der Koͤnig in Frankreich groſſes Misfallen daruͤber.
c]
d]ſ. Real Science du Gouvern. Tom. V. c. I. Sect. 8.
d]
e]Schrodt P. I. c. 3. §. 59. und Real l. c.
e]*] Phil. 481der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.
*]Phil. Franc. a Bellmont diſſ. de iure puniendi prin - cipem in proprio vel alterius territorio delinquentem. Erſ. 1717.
*]

§. 6. Geſchenke und andere Hoͤflichkeitsbezei - gungen.

Dieſer groͤſtenteils auf bloſſe Wilkuͤhr beruhende Gegenſtand gehoͤrt nicht weiter hieher, als in ſoferne man zuweilen durch Vertraͤge a] oder Herkommen b] etwas verbindliches deshalb feſtgeſetzt hat, wie dies der Fall zwiſchen den roͤmiſchen und tuͤrkiſchen Kaiſern und einigen andern europaͤiſchen Souverains iſt c]. Noch oͤfter aber kommen dergleichen Vertraͤge zwiſchen den letztern und den aſiatiſchen und africaniſchen Staa - ten vor. Die Unterlaſſung ſolcher bedungenen Hoͤflich - keitsbezeigungen kann allerdings geahndet, der uͤbrigen aber, blos als Mangel an Achtung angeſehn und allen - fals Beſchwerde daruͤber gefuͤhrt werden.

a]Wie im Belgrader Frieden 1739. Art. 20.
a]
b]So ſchicken z. B. vermoͤge Herkommens, der Koͤnig von Daͤnemark und der Grosmeiſter zu Malta dem Koͤnig in Frankreich jaͤhrlich einige Falken ꝛc. de Martens L. V. §. 142. not. b. u. c,
b]
c]Fr. Carl v. Moſer von der Staatsgalanterie, oder den - ienigen Hoͤflichkeiten der groſſen Welt, welche ihren Ur - ſprung nicht in dem auf Vertraͤgen oder dem Herkommen begruͤndeten Ceremoniel haben; in deſſen kleinen Schrif - ten 1. Th. S. 1.
c]
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. H h§. 7.482Von den perſoͤnl. Verhaͤltniſſen d. Regenten ꝛc.

§. 7. Uebrige perſoͤnliche Verhaͤltniſſe.

Auſſerdem koͤnnen die Souverains noch in verſchie - dene andere perſoͤnliche Verhaͤltniſſe gegen einander kommen, die aber blos von verſchiedenen Zufaͤllen ab - hangen und groͤſtenteils nicht in das Voͤlkerrecht gehoͤ - ren. So wurde z. B. Koͤnig Heinrich IV. in Frank - reich fuͤr ſich und ſeine Nachkommen von der Republik Venedig naturaliſirt a]. Ein nicht unwichtiger Punct iſt noch die Erbrechung ihrer Briefe und Nachſtechung der Sigille, wodurch der eine zuweilen hinter die Ge - heimniſſe des andern zu kommen ſucht. Nach Mo - ſers b] Meinung wird dieſes Unternehmen zwar oͤffent - lich gemisbilligt, pflegt aber doch haͤufig zu geſchehen.

a]Lettres du Cardinal d’Oſſat Tom. IV. p. 206. edit. d’Amſt. 1732.
a]
b]Erſte Grundlehren S. 50.
b]

§. 8. Befreiungen der Privatguͤter.

Die perſoͤnlichen Freiheiten der Souverains in einem fremden Territorium erſtrecken ſich nicht auf die unbeweglichen Guͤter, welche er daſelbſt als Privat - perſon beſitzt a]. In Anſehung dieſer muß er ſich den Landesgeſetzen unterwerfen b]. Die beweglichen Guͤter aber, welche ein Souverain durch des andern Terri - torium ſchaffen laͤßt, ſind dem Herkommen nach, auf vorherige Anzeige, aller Abgaben frey. Die Schul - den der Regenten werden wie andere Anſpruͤche behan - delt, und es iſt etwas ſeltenes, daß einer fuͤr des an -dern483Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.dern Schulden Buͤrgſchaft leiſte c]. Mit den daruͤber entſtehenden Streitigkeiten hat es aͤhnliche Bewand - nis d].

a]Real Science du Gouvern. T. V. c. 1. Sect. 8.
a]
b]de Martens L. V. §. 147. Daher luden die Ver - einigten N. Lande den Koͤnig von Preuſſen, wegen der oraniſchen Verlaſſenſchaft vor ihren Gerichtshof, und dieſer hatte kein Bedenken zu erſcheinen.
b]
c]Moſers erſte Grundlehren S. 50.
c]
d]de Martens l. c.
d]

Sechſtes Kapitel. Von den Familienangelegenheiten der Regenten.

§. 1. Vermaͤlung und Gemalin.

Zu den vorzuͤglichſten Familienangelegenheiten gehoͤrt die Vermaͤlung der Regenten. In der Regel koͤn - nen ſie ſich eine Gemalin waͤhlen, welche ſie wollen, gleichen oder ungleichen Standes; und wenn die Ehe nach ihrer Reichsverfaſſung guͤltig, auch wegen der kuͤnftigen Erbfolge der daraus erzeigten Kinder kein Nachtheil fuͤr andere Nazionen zu beſorgen iſt, ſo pfle - gen dieſe nichts dagegen zu erinnern, ſondern die Ge - malin behoͤrig zu erkennen a]. Auch wenn eine regie - rende Monarchin eine Perſon heirathet, die kein Sou -H h 2verain484Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.verain iſt, ſo laſſen ſich die uͤbrigen gewoͤnlich die Ein - richtung gefallen, welche iene, ihrer Grundverfaſſung nach, deshalb zu machen fuͤr gut findet b]. Aus beſon - dern Staatsurſachen ſuchen iedoch andere Nazionen zu - weilen eine Heirath zu hintertreiben c], und laſſen ſich z. B. verſprechen, daß eine Prinzeſſin ꝛc. ſich nicht an - ders, als an ein gewiſſes Haus verheirathe d], oder gewiſſe Perſonen nicht zu Gemalen waͤhle e]. Auſſer - dem haben auch die Souverains Freiheit, ihre Prin - zeſſinnen zu verheirathen an wen ſie wollen, und koͤn - nen daher nicht gezwungen werden, ſie einem Prinzen zu geben, der ſie verlangt f], und eben ſo wenig kann derienige, dem ſie abgeſchlagen wird, ſolches als Be - leidigung oder Urſach zum Krieg anſehn g]. Die Zu - ruͤckſchickung einer Braut haͤlt man ebenfals fuͤr Belei - digung h]. Vormals maßten die Paͤpſte, unter dem Schein der Diſpenſation ꝛc. ſich mancherley Rechte in Eheſachen an, und hatten dadurch, wegen der Hin - derniſſe, die ſie in Weg ſetzten, zugleich einen betraͤcht - lichen Einflus in die Erbfolge i].

In Anſehung der Titulaturen, des Ranges und uͤbrigen Ceremoniels, genieſſen ſie groͤſtenteils gleiche Behandlung mit ihren Gemalen k]. Welche Gerecht - ſame und Vorzuͤge dem niedern Gemale einer regieren - den Monarchin zuſtehen ſollen, komt auf die Verfaſ - ſung an, und werden ihnen ſolche auch nicht leicht von andern Souverains verweigert l].

a]Moſers erſte Grundlehren S. 51. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 306.
a]
b]Moſers erſte Grundlehren a. a. O. vergl. Fr. Chr. Wilh. von Steck Abhandl. vom dem Gemal einer Koͤnigin. Berlin 1777. 8. Joh.485Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.Joh. Jul. Surland Abhandl. vom Gemal einer Koͤnigin. Halle 1777. 8.
b]
c]So ſuchte England die Heirath der einzigen hinterlaſſe - nen Tochter Karls, des letzten Herzogs von Burgund, Maria, mit Ludewig XII. Koͤnigs in Frankreich Bruder, den Herzog von Guyenne zu verhindern.
c]
d]In dem Heirathsvertrage zwiſchen Koͤnig Karl VIII. in Frankreich und der Herzogin Anna von Bretagne 1491. wurde auf den Fall, wenn der Koͤnig ohne Er - ben verſtuͤrbe bedungen: pour éviter les dites incom - modités de guerre, que la dite dame ne convo - lera à autres nopces fors avec le Roi ſutur, ſ’il lui plaiſt et faire ſe peut, ou a autre prochain et pré - ſomptif futur Succeſſeur de la Couronne etc. Recueil des Traités Tom. I. p. 753 a.
d]
e]In dem Frieden zu Barcellona zwiſchen Frankreich und Spanien 1493. verſpricht letzteres Art. 4. Nos dicti Ferdinandus et Eliſabeth Rex et Regina Hispaniae non copulabimus ſeu iungemus aliquo modo matri - monio liberos noſtros cum regibus Romanorum et Angliae, neque cum liberis eorundem neque cum inimicis declaratis dicti Chriſtianiſſimi Regis Franco - rum absque ejusdem regis voluntate et conſenſu etc. Bey der Wahl des Hauſes Oranien zu der Erbſtatthal - terſchaft der Vereinigten N. Lande 1747. wurde bedun - gen, daß ſolche, nach Abgang des Mannsſtammes auf die Prinzeſſin Tochter und derſelben Nachkommen fallen ſolte, doch daß deren Gemal weder ein Koͤnig noch Kur - fuͤrſt ſey. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 372.
e]
f]So bedunge Koͤnig Ludewig XII. in Frankreich im Frik - den mit Heinrich VIII. in England ſeine Vermaͤhlung mit deſſen Schweſter Maria; und Koͤnig Philipp IV. H h 3in486Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.in Spanien muſte im Pyrenaͤiſchen Frieden 1659. die Vermaͤhlung ſeiner aͤlteſten Infantin Maria Thereſia mit Ludewig XIV. in Frankreich bewilligen. Um die Ver - maͤhlung Koͤnig Eduard IV. in England mit der Koͤnigin Maria von Schottland zu bewuͤrken, bekriegte der Pro - tector 1547. dieſes Koͤnigreich.
f]
g]Einen ſolchen Grund hatte der Krieg Koͤnig Philip II. in Spanien gegen die Koͤnigin Eliſabeth in England, welche die Vermaͤhlung mit ihm ausſchlug. ſ. Glafeys V. R. S. 92.
g]
h]Als Koͤnig Karl VIII. in Frankreich ſeine Braut Mar - garethe, die Tochter des Roͤm. Koͤnigs, Maximilian, ihrem Vater wieder zuruͤck ſchickte, ſo kam es daruͤber zum Krieg.
h]
i]Vattel droit des gens L. I. c. 5. §. 67.
i]
k]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 166. Verſuch 1. Th. S. 316.
k]
l]Deſſen Grundſaͤtze in Frz. S. 167. ff.
l]

§. 2. Kinder ꝛc.

Hierbey komt wenig ins Voͤlkerrecht eigentlich Ge - hoͤrige zu bemerken vor. Von den durch die Geburt erlangten Erbfolgsrechten habe ich ſchon oben gehan - delt. Daß die Souverains einander bey der Geburt ihrer Kinder zu Gevattern zu bitten, und ſich alsdenn in den Curialen dieſes Titels gegen einander zu bedie - nen pflegen a], ob ſie gleich heutzutage ſelten mehr per - ſoͤnlich bey der Taufe erſcheinen b], iſt mehr eine wil - kuͤhrliche Ceremonielſache. Die erſtgebohrnen Soͤhneund487Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.und Erbprinzen in den meiſten europaͤiſchen Staaten fuͤhren einen beſondern Titel, den ihnen auch Auswaͤr - tige geben. So heißt er bekantlich in Frankreich der Dauphin; in Grosbritannien: Prinz von Wallis; in Portugal: Prinz von Braſilien; in Spanien: Prinz von Aſturien; in Sardinien: Prinz von Pie - mont; in Rußland: Grosfuͤrſt ꝛc. c]. Uebrigens haͤngen auch der Rang und die uͤbrigen Titel ꝛc. der Prinzen und Prinzeſſinnen ꝛc. von dem herkomlichen Ceremoniel eines ieden Hofes ab, welches andere ſich gewoͤnlich hierunter gefallen laſſen. Die natuͤrlichen und legitimirten Kinder der Souverains werden, ohne ihnen desfals einen Vorwurf zu machen, faſt uͤberall der hoͤchſten ſubalternen Wuͤrden faͤhig geachtet und ſieht man hierbey eben nicht ſo ſehr auf die Ahnen d]. Die auswaͤrtigen Nazionen richten ſich mehrenteils nach dem, was der Vater, mit Genehmigung der uͤb - rigen Glieder der Familie, ihrenthalben verordnet e]. Ihre Erbfaͤhigkeit iſt, wie ſchon gedacht, nach der Grundverfaſſung zu beurteilen, welches auch von den Vormundſchaften, Curatelen f], Emancipationen ꝛc. g] der Kinder uͤberhaupt gilt. Betruͤger, welche ſich fuͤr Anverwandte eines ſouverainen Hauſes ausgeben, pfle - gen auch auswaͤrts nicht gedultet, ſondern nach Befin - den beſtraft zu werden h].

a]Carl Fr. Moſers Abh. von den Gevatterſchaften groſſer Herrn; in deſſen kl. Schriften 1. Th. S. 291.
a]
b]de Martens précis L. V. §. 141.
b]
c]Moſers Verſuch 1. Th. S. 319.
c]
d]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 171. und deſſen erſte Grundlehr. S. 50. u. 52.
d]
e]Io. Sam. Stryck diſſ. de liberis naturalibus regum et principum. Hal. 1700. vergl. Moſers Grundſ. in Frz. S. 173. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 181.
e]f] Indes488Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
f]Indes wurde 1698. in dem erſten Partagetractat uͤber die ſpaniſche Erbfolge, dem Kurprinzen von Bayern zu Regierung ſeines ihm zugedachten Theils, waͤhrend der Minderiaͤhrigkeit, ſein Vater zum Vormund und Cura - tor beſtimt. So ſetzte man auch in der Quadrupelallianz 1718, wo wegen der Erbfolge in Parma und Placenz die Verordnung gemacht wurde, daß ſie von keinem Koͤ - nige in Spanien beſeſſen werden ſolten, zugleich feſt, daß auch kein Koͤnig von Spanien die Vormundſchaft uͤber einen unmuͤndigen Regenten derſelben fuͤhren duͤrfte. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 135.
f]
g]Moſers Beitraͤge in Frz. 1. Th. S. 170.
g]
h]Ebendeſſelben Verſuch 1. Th. S. 329.
h]

§. 3. Familienſtreitigkeiten und Vertraͤge.

In die Streitigkeiten der Souverains mit ihren Gemalinnen, Kindern und uͤbrigen Gliedern der Fa - milie haben andere Nazionen kein Recht ſich zu miſchen; ſie thun es auch ſelten weiter, als daß ſie, beſonders die Verwandte, ihre Vermittelung, iedoch mit Be - hutſamkeit, anwenden a]. Man ſieht es daher als Beleidigung an, wenn ein anderer Regent hierinn wei - ter geht, und z. B. den Kindern, welche iener als ungehorſame ꝛc. betrachtet, Aufenthalt und Unterſtuͤ - tzung gewaͤhrt b], und es wird auch wohl deren Aus - lieferung verlangt. Indes pflegen die Souverains doch von dergleichen Familienzwiſten, als einer erfolg - ten Eheſcheidung ꝛc. Nachricht zu geben c]. Jeder Sou - verain kann mit ſeiner Familie nach Wilkuͤhr Vertraͤge errichten, ohne daß Auswaͤrtige dagegen etwas zu ſagen haben, wenn ihren Rechten dadurch nicht zu nahe ge -treten489Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.treten wird. Dieſe laſſen daher gemeiniglich das auch bey ſich gelten, was iene in ihren Familienangelegen - heiten feſtzuſetzen fuͤr gut finden d]. Werden andere um Uebernahme der Garantie dergleichen Vertraͤge er - ſucht, ſo finden dabey ebenfals die bey den Garantieen uͤberhaupt angenommenen Grundſaͤtze Statt.

a]Moſers erſte Grundlehren S. 51. ff. Deſſen Ver - ſuch 1. Th. S. 317. Als die Koͤnigin Mathilde von Daͤnemark, bey der bekanten groſſen Revolution ins Ge - faͤngnis gerieth, erklaͤrte der grosbritanniſche Geſandte warnend dem Grafen Oſten: daß man ſich an der hoͤch - ſten Perſon der Koͤnigin nicht vergreifen ſolte, und drohte mit der ſtrengſten Rache ſeines Hofes, wenn man ſich beigehn lieſſe, die mindeſte Gewaltthaͤtigkeit wider ſie zu veruͤben. Der Grosbritanniſche Hof billigte dies Be - nehmen des Geſandten, uͤberlies iedoch dem Koͤnig von Daͤuemark die Entſcheidung des Schickſals ſeiner Gema - lin, und begehrte nur, daß man in Behandlung dieſer Fuͤrſtin die ihrer Geburt und ihrer Wuͤrde gebuͤhrende Aufmerkſamkeit in nichts verletzen ſolte. ſ. Avthen - tiſche Aufklaͤrung uͤber die Geſchichte der Grafen Struen - ſee und Brand. German. 1788. 8. S. 188. Bey Gelegenheit der Gefangenſchaft des Kronprinzen von Preuſſen, erlieſſen verſchiedene Hoͤfe Interceſſions - ſchreiben an den Koͤnig Friedrich Wilhelm. Auch gehoͤrt hierher das Beiſpiel des Prinzen Alexis in Rußland.
a]
b]Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 168. Deſſen erſte Grundlehren S. 52.
b]
c]Ebendeſſelben Verſuch 1. Th. S. 318. Bey vorge - dachter Revolution in Daͤnemark ließ der Graf von Oſten, Miniſter des auswaͤrtigen Departements, die fremden Geſandten zu ſich einladen, eroͤfnete ihnen die bey Hofe vorgegangenen Veraͤnderungen, und that ihnen im Na -Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. J imen490Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.men des Koͤnigs die Erklaͤrung: Daß dieſe Vorgaͤnge die koͤnigliche Familie und das Innere des Reichs allein betraͤfen, und keinen Einflus auf die Geſinnungen ſeines Herrn gegen die andern Hoͤfe haben wuͤrden. Avthen - tiſche Aufklaͤrung ꝛc. S. 187.
c]
d]Moſers erſte Grundlehren S. 53.
d]

§. 4. Theilnahme an den uͤbrigen Familienan - gelegenheiten.

Uebrigens iſt es gewoͤnlich, daß die Souverains, vorzuͤglich die, welche in Freundſchaft oder Bundsge - noſſenſchaft ſtehn, einander von allen vorfallenden an - genehmen und traurigen Begebenheiten, welche ſie und ihre Familie betreffen, Nachricht ertheilen, als von Geburten, Vermaͤhlungen, Todesfaͤllen ꝛc. a]. Dies geſchieht, wie von den Notificationen bey der Thron - beſteigung bereits erinnert worden, entweder durch Schreiben oder durch muͤndliche Eroͤfnung des gewoͤn - lichen oder eines auſſerordentlichen Geſandten, und wird auf aͤhnliche Art beantwortet, auch die Theilnahme durch Freudenbezeigungen, Feſte, oder Anlegung der Trauer, Anordnung von Exequien ꝛc. an den Tag ge - legt b]. Ehe die Notification erfolgt, nehmen andere Souverains meiſt keine Wiſſenſchaft von dergleichen Vorfaͤllen c].

a]de Martens précis du droit d. g. L. V. §. 139. ff.
a]
b]Dies pflegt ſelbſt in Kriegszeiten zu geſchehn, wie die Beiſpiele Koͤnig Ludewig XIV. in Frankreich bey dem Tode der Kaiſer Leopold I. und Joſeph I. bezeugen. de Martens l. c. §. 140. not. b.
b]c] Mo -491Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
c]Moſers Grundſaͤtze in Frz. 2. Buch 16. Kap. S. 145. ff.
c]

§. 5. Beleidigung der Familie.

Auch Beleidigungen, welche Perſonen die zur Fa - milie eines Souverains gehoͤren, zugefuͤgt werden, gehen nicht leicht ungeahndet hin. Wenigſtens pflegen die auswaͤrtigen verwandten Souverains ſich der Be - leidigten anzunehmen. Die in neuern Zeiten vorge - kommenen Faͤlle in Daͤnemark, den Vereinigten und oͤſterreichiſchen Niederlanden koͤnnen hier zum Beiſpiel dienen.

*]Bey den Irrungen mit dem Erbſtatthalter der Vereinig - ten Niederlande erklaͤrte der Koͤniglich Preuſſiſche Ge - ſandte im Haag, Herr von Thulemeyer, den Deputirten der vornehmſten Staͤdte, Namens Sr. Preuſſil. Maj - daß Hoͤchſtdieſelben bey ſo groben Laͤſterungen gegen den Erbſtatthalter und deſſen Gemalin und der verweigerten Gerechtigkeit nicht laͤnger anſtehn koͤnten, ſich auf kraͤf - tige Art Ihrer hohen Blutsverwandten anzuneh - men. Polit. Journ. December 1782. S. 582. Und in Ruͤckſicht der Beleidigung, welche der Gemalin des Erbſtatthalters auf der Reiſe in die Provinz Holland zugefuͤgt wurde, indem man ſie zu Schonhooven anhielt, alle Zugaͤnge ihres Hauſes mit Wache beſetzte und ſogar einen mit entbloͤßtem Degen bewafneten Officier in ihr Zimmer ſtelte, erklaͤrte der preuſſiſche Geſandte: Ein ſo beleidigendes Verfahren hat einen tiefen Eindruck auf das Gemuͤth des Koͤnigs meines Herrn gemacht. Sr. Maj. betrachten dieſe Beleidigung, als wenn ſie Ihnen ſelbſt wiederfahren waͤre. Dem ausdruͤcklichen Befehle dieſes Monarchen zufolge fodert der Unterzeichnete nochmals ab -J i 2ſeiten492Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.ſeiten Ew. Edlen Grosmoͤgenden eine ſchleunige und der Beleidigung angemeſſene Genugthuung. Sr. Maj. haben mir uͤberdies befohlen, Ihnen nicht unbekant ſeyn zu laſſen, daß ſie auf dieſe Genugthuung unveraͤnderlich beſtehen und ſich nicht mit der Eroͤrterung einzelner That - ſachen und unbeſtimten Entſchuldigungen oder weiten Aus - fluͤchten begnuͤgen. Die Bedingungen, welche der Koͤnig von Preuſſen zur angemeſſenen Satisfaction wegen der Sr. Durchl. Schweſter zugefuͤgten Beleidigung auf ihrer Reiſe nach dem Haag fodert, ſind, daß die Staa - ten von Holland ein Schreiben an Ihro Koͤnigl. Hoheit ergehen laſſen, worinnen ſie den Fehltritt bekennen, den ſie begangen, daß ſie dieſer Prinzeſſin bey ihrer Reiſe nach dem Haag haben Abſichten zutrauen koͤnnen, wel - che dem Wohl der Republik entgegen ſeyn koͤnten; daß ſie ſich bey Ihro Koͤnigl. Hoheit wegen des ihrer Reiſe in Weg gelegten Hinderniſſes und des Mangels der Ach - tung entſchuldigen, und ſich anheiſchig machen, auf Re - quiſition der Prinzeſſin dieienigen zu beſtrafen, die ſich der Beleidigung Ihrer Durchl. Perſon ſchuldig gemacht haben ꝛc. Polit. Journal Auguſt 1787. S. 769. und Sept. S. 875.
*]
**]M. vergl. Car. Henr. Geißler diſſ. de Satisfactione perſonis imprimisque feminis illuſtribus de iniuriis acceptis praeſtandis. Viteb. 1788.
**]

§. 6. Landesherrliche Rechte in perſoͤnlichen und Familienangelegenheiten.

Die perſoͤnlichen und Familienangelegenheiten der teutſchen Landesherrn unter ſich gehoͤren groͤſtenteils in das teutſche Privat-Fuͤrſtenrecht und zum Theil insStaats -493Von den Familenangelegenheiten d. Regenten.Staatsrecht, und muͤſſen nach den vorhandenen kai - ſerlichen Privilegien, errichteten Haus - und Fami - lienvertraͤgen, den gemeinen Reichs - und andern einge - fuͤhrten Geſetzen und dem Herkommen ꝛc. beurteilt und entſchieden werden, welches hauptſaͤchlich dem Reichs - oberhaupte und den Reichsgerichten obliegt. Nur ſel - ten kann die Anwendung des Voͤlkerrechts dabey Statt finden a], wohl aber dient es zwiſchen ihnen und aus - waͤrtigen Nazionen hierbey lediglich zur Richtſchnur. In beiderley Beziehungen ſind die gegenſeitigen Belei - digungen zu unterlaſſen. Die Beſtimmung der Ge - nugthuung beruht iedoch im erſtern Verhaͤltniſſe auf das oberſtrichterliche Erkentnis b], im zweiten hingegen muß ſie auf die unter Voͤlkern uͤbliche Art geſchehen c]. Die Durchreiſe kann einem Landesherrn durch des an - dern Landen nicht verwehrt werden, ob und mit wel - chen Ehrenbezeigungen dieſer ienen aber aufnehmen wolle, komt auf Wilkuͤhr oder Herkommen an. We - gen der Gerichtsbarkeit, des Gleits, der Zollfreiheit ꝛc. geben zum Theil die Reichsgeſetze Vorſchriften, und muß im uͤbrigen der reiſende Landesherr ſich den Landes - anſtalten gemaͤs bezeigen d]. Auch die freiwilligen Hoͤflichkeitsbezeigungen und Theilnahme an den Fami - lienvorfallenheiten, ſind unter ihnen ſelbſt ſowohl als gegen auswaͤrtige Souverains, ſo wie ſie unter letztern uͤblich, groͤſtenteils hergebracht.

b]Moſers perſoͤnl. Staatsr. S. 13.
b]
a]Wegen beleidigender Schreibart reſeribirte z. B. der Kaiſer 1767. dem Marggrafen zu Brandenburg-Onolz - bach: Er werde erinnert, ſeinen Raͤthen die gegen den Magiſtrat der Reichsſtadt Nuͤrnberg gebrauchte harte und mit deſſen Immedietaͤt und Reichsſtandſchaft ganz nicht zu vereinbarende Schreibart pro futuro gemeſſenſt zu unterſagen, und ſie, zu Vermeidung weiterer diesfal - ſigen gerechten Beſchwerden, zu kuͤnftiger mehrern Maͤſ -J i 3ſigung494Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.ſigung und Glimpf anzuweiſen. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 19.
a]
c]Die Stadt Danzig muſte 1700. bey dem Koͤnige von Frankreich, wegen der bey der polniſchen Koͤnigswahl gegen den Prinz Conti ſich erlaubten Mishandlungen, auſſer einer Geldbuſſe, durch Deputirte der drey Staͤnde einen demuͤthigenden Fußfall thun und um Verzeihung bitten. Monathl. Staatsſpiegel Januar 1701. S. 82.
c]
d]Moſer von der Juſtitzverfaſſung 1. Buch 2. Kap. Deſſen nachbarl. Staatsrecht S. 24. ff.
d]
*]M. vergl. uͤberhaupt: J. J. Moſers perſoͤnliches Staatsrecht der teutſchen Reichsſtaͤnde. Frankfurt und Leipzig 1775. 2. Theile 4. und Ebendeſſelben Familien-Staatsrecht der teutſchen Reichs - ſtaͤnde. Ebendaſ. 1775. 2. Theile 4.
*]
Ende des zweiten Theils.

Verbeſſerung der Druckfehler.

  • Seite 5. Zeile 10. nach: eben ſo ꝛc. ſetze man hinzu: wenig
  • 8. 1. ſtatt 165. lies 406.
  • 9. ſtatt 406. l. 472.
  • 15. 25. ſt. etablis l. établir
  • 21. vorletzte ſt. draité l. traité
  • 37. 27. ſt. arrager l. arroger
  • 39. 15. ſt. Belohnungen l. Belehnungen
  • 67. 9. ſt. ſuſtiſant l. ſuſſiſant
  • 13. ſt. une l. un
  • 123. 9. ſt. ſuspenſions l. ſuspenſion
  • 14. ſt. guerre l. guerres
  • 127. 22. ſt. unter andern l. und andern
  • 167. 3. ſt. dileyuazione l. dileguazione
  • 10. ſt. titali l. titoli
  • 171. 22. ſt. Mallinger l. Mollinger
  • 174. 5. ſt. lais l. laes
  • 187. 18. ſt. nations l. notions
  • 205. 4. von unten ſt. ꝛc. l. g.)
  • 215. 23. ſt. reditiis l. reditus
  • 231. 9. ſt. voiſin l. voiſine
  • 237. 7. ſt. revelu l. revêtu
  • 265. 8. von unten ſt. ſonſt l. faſt
  • 271. 13. ſt. Alkany l. Albany
  • 279. 2. von unten ſt. fondinent l. fondoient
  • 283. 2. ſt. au l. ou
  • 294. 15. ſt. préſenter l. preſente
  • 310. 6. von unten ſt. fines l. fixés
  • 335. 25. ſt. Dicte l. Diete
  • 365. 7. ſt. dieſer l. dieſen
  • 369. letzte ſt. foederatorum l. foederatarum
  • 374. 26. und oͤfter ſt. Sr. l. Se.
  • 384. 5. von unten ſt. in l. ia
  • 413. 4. von unten ſt. tant l. tout
  • 416. 16. ſt. Tatze l. Totze S. 418. Z. 5. del: nicht
  • 429. 14. ſt. Proces l. Procer.
  • 431. 13. ſt. Pal. L. II. l. Pol. Lib. II.
  • 438. nach §. 6. ſetze: Landesherrn.
  • 442. 24. ſt. Reaſch l. Reuſch
  • 454. not. h. Z. 3. nach très ſetze: Chretien
  • 461. Z. 4. von unten ſt. Sioͤrnd l. Sioͤrad
  • 462. 12. ſt. natione l. ratione
  • 14. ſt. rectione l. ratione
  • 27. ſt. potuit l. patuit
  • 474. nach §. 2. ſetze: Unverletzlichkeit
  • Z. 16. ſt. gedachten l. gedrohten

About this transcription

TextEuropäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände
Author Karl Gottlob Günther
Extent513 images; 121384 tokens; 18433 types; 864482 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationEuropäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände Zweiter Theil Karl Gottlob Günther. . [4] Bl., 494 S. RichterAltenburg1792.

Identification

MPI f. europäische Rechtsgeschichte Frankfurt MPIER, Eu 35 g 6 [2]

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Recht; Wissenschaft; Jura; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:31:07Z
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Holding LibraryMPI f. europäische Rechtsgeschichte
ShelfmarkFrankfurt MPIER, Eu 35 g 6 [2]
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