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Briefe zu Befoͤrderung der Humanitaͤt.
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Briefe zu Befoͤrderung der Humanitaͤt.
Neunte Sammlung.
Riga,1797.beiJohann Friedrich Hartknoch.
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108.

In den Fragmenten uͤber die Poe - ſie der neueren Voͤlker, als einer Foͤrdrerin der Humanitaͤt,*)S Briefe zu Befoͤrderung der Humanitaͤt. Th. 7. 8. fan - den unſre Freunde manches bedenklich. A. glaubte, daß ſeiner Lieblingsnation, den Franzoſen, B. daß ſeinem beguͤnſtigten Volk, den Britten, im Anſchlage ihres Verdienſtes nicht Gnuͤge geſchehen ſey. 6C. meinte, daß die Poeſie der Trobadoren ſich anders woher leite, und daß man auch dem Reim nicht gnug Gerechtigkeit wie - derfahren laſſen; er ſei wirklich ein Zu - wachs des Wohlklanges und der Schoͤn - heit. D. E. F. ſind der Meinung, daß die Verdienſte unſres Vaterlandes gegen andre Voͤlker viel zu hoch geſetzt ſeyn und daß ein unverdientes Lob dieſer Art nur den Bettel - und Bauernſtolz unſrer Lands - leute naͤhre. Sie haͤtten, meinte F., bei der ungeheuren Gutmuͤthigkeit, die Sie den Deutſchen als einen Grundzug ihres Charakters zuſchreiben, auch die ih - nen angebohrne Luſt zu dienen, gefaͤlli - ge Sklaven, und mit ganzer Gutmuͤthig - keit freudige Werkzeuge der Gewaltthaͤtig - keit, des Uebermuths zu ſeyn, nicht ver - geſſen ſollen. Da er Europa durchreiſet hat, ſo fuͤhrt er ein langes Regiſter der7 Ehrennamen an, die alle civiliſirte und un - civiliſirte Nationen, nah und fern, Italiaͤ - ner, Spanier, Franken, Britten, Daͤnen, Schweden, ſelbſt Ruſſen, Wenden, Liwen, Eſthen und Pohlen den Deutſchen geben. Woruͤber ganz Europa einig ſei, meint er, muͤſſe doch wohl etwas Wahres in ſich enthalten. Geſchichte, Spruͤchwoͤrter, ſelbſt der Staatskalender zu Peking ſtanden ihm dabei zu Huͤlfe, in welchem letzten die Deutſchen als ein Volk charakteriſirt ſeyn ſollen, das in aller Voͤlker Dienſten iſt, und zwiſchen zwei Federbetten ſchlaͤft. G. wunderte ſich, warum Sie die Politik von der Poeſie ausgeſchloſſen haben woll - ten, da dem was die Menſchen humaniſi - re, jedes Feld offen, jede Materie zu Gebot ſtehen muͤſſe. H. begrif nicht recht, wohin Sie fuͤr die Poeſie mit Ihrer Ein - falt und Wahrheit wollten, ſo daß es8 noch lebendige, abwechſelnd-reiche Poeſie bliebe? Und J. fragte, woher unſern Dichtern dieſe Einfalt und Wahrheit kommen ſolle? Antworten Sie ihren Freunden.

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109.

Kein Vorwurf iſt druͤckender als der, fremden Nationen Unrecht gethan zu ha - ben; zumal wenn ſie in Werken des Gei - ſtes unſre Wohlthaͤterinnen waren; er muß alſo zuerſt abgewaͤlzt ſeyn.

Daß es ſchwer ſey, eine Nation in ei - nem ſo vielumfaſſenden, feinen und vielſei - tigen Geſchaͤft als das Humaniſiren durch Sprache und Werke des Geſchmacks iſt, mittelſt einiger Worte zu charakteriſiren,10 haben Fragmente und Briefe gern und oft geſtanden. Eher koͤnnte man alle Ge - ſtalten Proteus in Ein Wort, alle Ver - wandlungen Ovids in Ein Bild faſſen, als mit ein paar Worten den Geiſt der verſchiedenſten Voͤlker, wie er ſich Jahr - hunderte hinab erwieſen, darſtellend zu zeichnen. In dieſer Verlegenheit zeichnet man eine Außenlinie von innen mit weni - gen Zuͤgen, und uͤberlaͤßt es dem Gemuͤth des Anſchauenden, dieſes Sbozzo zu er - gaͤnzen. Die Geſchichte des Volks, ſeine Geiſtesproducte muͤſſen ihm bekannt ſeyn; ſonſt war fuͤr ihn der Umriß vergebens ge - zeichnet.

Was man bei ſolchen Charakterzeich - nungen nicht angiebt, laͤugnet man deß - halb noch nicht. Vielleicht ward es vor - ausgeſetzt, vielleicht folgets; nur als der erſte hervorſpringende Charakterzug konnte11 es nicht angefuͤhrt werden, weil es dieſer nicht war.

Wenn z. B. der Franzoͤſiſchen Nation eine vorzuͤgliche Ausbildung ihrer Sprache zur Klarheit, zur Praͤciſion, zur Po - liteſſe, als ein Lob angerechnet wird; ſollte damit geſagt ſeyn, mit dieſer hellen, praͤciſen, politen Sprache koͤnne ſie nicht ruͤhren? In eines jeden großen Schrift - ſtellers Haͤnden iſt die Sprache ein eigenes Ding: er braucht und formt ſie nach ſei - nem Gefallen; ſein Charakter, ſein Geiſt, ſein Herz belebt ſie. Montaigne's und Roußeau's, Paſkal und Diderots, Voltaire und Fenelons Schreibart iſt dem Charakter nach gewiß nicht dieſel - be; und doch ſchrieben ſie in der, auch zu Corneille und Boßvets Pracht, zu des Racine empfindlichen Zartheit, zu Fon - tenelle's witzigen Nettigkeit ausgearbei -12 teten Sprache. Kann man der Rede uͤber - haupt ein groͤßeres Lob beilegen, als daß ſie ſich der Klarheit und Praͤciſion, der Gewandtheit und Artigkeit befleißiget? In einer ſolchen Sprache wird ſich Alles aus - druͤcken laſſen. Wie ſie zu unſerm Ver - ſtande ſpricht, wird ſie auch zu unſerm Herzen zu ſprechen wiſſen und dies, als waͤre es der Verſtand, ſanft uͤberreden, verſtaͤndig ruͤhren.

Als aus der alten Romaniſchen Spra - che die Franzoͤſiſche ſich mit ihren Schwe - ſtern, der Italiaͤniſchen, Caſtilianiſchen, Galliciſchen u. f. bildete, zeigte ſich bald ihr Charakter. Nach dem Verfall des Roͤ - miſchen Reichs, unter den Koͤnigen des er - ſten und zweiten Stammes war ſie jenen ihren Schweſtern noch ſehr aͤhnlich; all - maͤlich aber legte ſie die Feſſeln, ſelbſt der Harmonie, des Italiaͤniſch-Caſtilianiſchen13 Wohllauts ab, wo er ihr eine ſchwere Ruͤſtung duͤnkte; ſie warf Buchſtaben, Syl - ben, ganze Worte hinweg, und flog leicht in die Luͤfte. Man erzaͤhlte, ſang, ſprach, lachte, geſticulirte. Als die Scholaſtik auf - kam, diſputirte man; die Abſtractionen des lateiniſchen Schulgeiſtes gingen in die ver - wandte Sprache des Landes und Volks unvermerkt uͤber. Einer Sprache, die Zweideutigkeiten unablaͤßig ausgeſetzt iſt, mußte man, als ſie ſich regelte, durch eine deſto genauere Conſtruction und Wortord - nung helfen. Keinem Volk waͤre dies ein - gefallen, dem nicht ſchon eine Art ſpre - chender Vernunft zur Regel geworden war; und ſo wurde die Franzoͤſiſche Spra - che was ſie iſt, eine an leichten Abſtrac - tionen reiche Sprache, die ſich durch Ord - nung, durch Wendungen helfen mußte, und zur Ehre des Geiſtes der Nation tauſend -14 fach geſchickt aushalf. Welch einen be - daͤchtigern Gang nahmen die Italiaͤniſche, Spaniſche, und welchen ſchwereren die Deutſche Sprache! Man entnimmt einer Nation nichts, wenn man ihr das Eigen - thuͤmliche ihrer Ausbildung zum Ruhme anrechnet.

Dahin gehoͤrt auch, daß ſie gern re - praͤſentire. Was heißt hier repraͤſen - tiren? fragt unſer Freund. Ich antwor - te: aus ſich ſelbſt etwas machen, ſich werth halten und ein natuͤrliches Beſtreben aͤu - ßern, daß auch der andre unſern Werth anerkenne; mit Einem Wort, ſich ihm vorſtellen, vorſpiegeln. Wenn die - ſe Selbſtſchaͤtzung auf etwas Wahres und Gutes geht, iſt ſie nicht verwerflich; man - cher andern Nation moͤchte man wuͤnſchen, daß ſie ſich ſelbſt mehr anerkennt und ehre. Auch die Tendenz, in andrer Augen zu15 ſeyn, was man gern ſeyn moͤchte, iſt auf - munternd, ein Sporn zu vielem auszeich - nend-Guten und Edeln. Nenne mans Eitelkeit, Selbſtliebe; dieſe Eitelkeit, die uns mit andern bindet, ſie zum Spiegel unſrer Vorzuͤge macht, iſt, ohne Aufdring - lichkeit und Arroganz, ein ſehr verzeihlicher Fehler. Wer kann es laͤugnen, daß die Franzoͤſiſche Nation, ſo oft ſie konnte, der Welt ein Schauſpiel gab, daß ſie im - mer gern die zuͤndende Lunte vortrug, und aufregte? War ſie es nicht, die unter Karl dem großen die alte Roͤmermacht in gothiſcher Form zuruͤckbringen wollte und auf kurze Zeit wirklich zuruͤckbrachte? War ſie es nicht, die mit ihrem Rittergeiſt ganz Europa zum heiligen Grabe trieb? Fran - zoͤſiſche Familien waren es, die zu Jeru - ſalem und eine Zeitlang in Conſtantinopel herrſchten. Ein Franzoͤſiſcher Koͤnig war16 es, der ſiebenzig Jahre lang Rom nach Avignon verlegte und durch dieſen Zug im Schachſpiel die Paͤbſte zu ſeinen folg - ſamen Dienern machte. Nach Frankreich wanderten Jahrhunderte lang Edle und Fuͤrſten, um dort die Ritterſitte, das Hof - cerimoniel, die leichteſte und beſte Lebens - art zu lernen, bis endlich von Paris und Verſailles aus der Franzoͤſiſche Ton, die Franzoͤſiſche Sprache als Mode ſich uͤber die Welt ausgoß. Sein Kleinſtes hat Frankreich bemerkbar zu machen geſucht; in allen Staatsveraͤnderungen und Unter - handlungen hatte lange es die Hand und trat gern hervor zu ſagen: ſehet, daß ich dabin! und wie ichs treibe. Hieße dieß nicht repraͤſentiren? Der Ton der guten Erziehung, des Unterſchiedes der Staͤnde, der anſtaͤndigen Lebensart, des hoͤflichen Ausdrucks, der ganze Charakter der Fran -zoͤſiſchen17zoͤſiſchen Sprache, iſt eine Art Repraͤſenta - tion. Selbſt wenn der Franzoſe mit Gott ſpricht; er repraͤſentiret.

Aber auch dieſe Eigenheit iſt kein Vor - wurf. Denn bei dem Scheinen kann man ja auch ſeyn, beym Repraͤſentiren auch leiſten. Außer den Griechen iſt mir kein Volk der Geſchichte bekannt, das beide Ei - genſchaften ſo leicht zu verbinden, ſo un - vermerkt zu verſchmelzen wußte, als die - ſes. Das Spruͤchwort ſagt: der Franzoſe ſcheint oft kluͤger, als er iſt, der Spa - nier iſt oft kluͤger als er ſcheinet.

Mit dem Wort Repraͤſentation auf dem Theater, in Geſellſchaften, bei Aufzuͤgen, Feierlichkeiten ſollte gar nichts Nachtheili - ges geſagt ſeyn. Einmal ſind die Helden des Corneille und Racine keine Roͤ - miſche Helden; das Franzoͤſiſche Theater ſollte kein Griechiſches, ſondern ein Fran -Neunte Sammlung. B18zoͤſiſches Theater ſeyn; wer haͤtte etwas da - gegen? Die Nation war uͤber die Regeln des Geſchmacks, der guten Lebensart, des Ausdrucks der Empfindungen mit ſich ſelbſt uͤbereingekommen; welcher Auslaͤnder haͤtte Recht, dies zu tadeln? Er doͤrfte ja nicht hingehen, um jene Repraͤſentation des Hofes, der Akademieen, des Theaters, der Oper, der Parlemente, der Luſtſchloͤſſer und Gaͤrten zu bewundern. An ihnen, auch in ihren Fehlern, zu lernen blieb ihm ein weites Feld.

Eben nun in dies Feld lockt die all - gemeine Charakteriſtik der Voͤl - ker. Daß jede Nation zu ihrer Zeit, auf ihrer Stelle nur das war, was ſie ſeyn konnte; das wiſſen wir alle, damit aber wiſſen wir noch wenig. Was jede in Ver - gleich der andern war, wie ſie auf einan - der wirkten und fehlwirkten, einander nutz -19 ten oder ſchadeten, aus welchen Zuͤgen nach und nach das Bild zuſammengefloſ - ſen ſei, das wir als die Tendenz unſres geſammten Geſchlechts, als die hoͤch - ſte Bluͤthe der Schoͤnheit, Wahrheit und Guͤte unſrer Natur verehren, das iſt die Frage.

B 220

110.

Da wendet ſich nun freilich das Blatt. Germanus fragt nicht, was Nachbar Gallus ihm dem Gallus, ſondern ihm dem Germanus geweſen ſei, ſeyn koͤn - ne und ſeyn doͤrfe? Und hieruͤber giebt die Geſchichte klare Auskunft.

Die alten Gallier und Germanen wol - len wir ruhen laſſen. Sie waren gegen einander bald Freunde, bald Feinde, die Germanen das rohere Volk, beide aber21 nicht von Einerley Stammesart, Sprache, Sitten und Gebraͤuchen. Von Karl dem großen faͤngt die ungluͤckliche Vereinigung an, die Deutſchland Leides genug gebracht hat, ob Karl gleich ſelbſt ein Frank und Deutſcher war und in beſter Abſicht ſeine Anſtalten machte. Ihm ſind wir die dreiſſigjaͤhrigen blutigen Kriege und Verheerungen des damaligen Sachſenlan - des, ihm die Unterjochung Deutſchlands bis uͤber die Elbe zur Ungriſchen Grenze hin, ihm die erſte Zerſtoͤrung der alten germaniſchen Verfaſſung, die den Roͤmern nie hatte gelingen wollen, die Einfuͤhrung des Roͤmiſch-Galliſchen Chriſtenthums, ihm und ſeinen Nachkommen die Pflanzung ſo vieler Biſchoͤfsſitze, Domkapitel und Ab - teien laͤngs dem Rhein und der Donau, ihm und ihnen die Suͤndfluth von Uebeln ſchuldig, unter denen Germanien endlich22 zum ſtehenden und abgeſtandenen, verwach - ſenen Teich ward. Die kurze Verbindung Germaniens mit der Fraͤnkiſchen Monar - chie hat Deutſchland in ein Labyrinth ge - zogen, aus welchem es der Lauf tauſend folgender Jahre nicht hat erretten moͤgen. Sobald beide Reiche getrennt wurden, ſuchte Frankreich ſich zu conſolidiren; Deutſchland blieb von außen und innen im ewigen Streit mit einer furchtbaren, der geiſtlichen Macht, die es im Namen der Chriſtenheit in Schranken halten ſoll - te, wenn es daruͤber auch ſelbſt zu Grun - de ginge und ſich ganz und gar vergaͤße. Dies Amt hatte ihm das galliſche Chri - ſtenthum, die Fraͤnkiſche Monarchie aufge - buͤrdet; ein Deutſcher Kopf haͤtte ſchwerlich nach ſolchem gefaͤhrlichen Diadem geſtrebet.

An den Ritter - und Kreuzzuͤgen, die Frankreich ausbrachte, hat kein Land ſo23 viel Theil und ſo viel Schaden genommen, als Deutſchland. Jene Cultur, die man Bluͤthe des Rittergeiſtes nennt, ließ ſich durch Kreuzzuͤge nicht erringen, wenn der Saame dazu nicht in den Menſchen ſelbſt vorhanden war; leider aber haben der Franzoͤſiſche und Deutſche Ritter ſich im - mer weſentlich unterſchieden. Was in dem Einem Lande zur Verfeinerung der Sitten, zur Veredlung gereichte, ging in dem an - dern auf Pluͤnderung und Unterdruͤckung, zuletzt aufs rohe Fauſtrecht hinaus. Um Franzoͤſiſche Ritter auf den Thronen Pa - laͤſtina's aufrecht zu erhalten, zogen Deut - ſche Kaiſer mit gewaltigen Heeren gerade in einem Zeitalter aus, da ihre Anweſen - heit in Deutſchland am noͤthigſten war; denn nachdem andre Laͤnder in ihrer inne - ren Verfaſſung und Conſolidation ſtark vorgeſchritten waren, ſollte eben die Zeit24 der Schwaͤbiſchen Kaiſer fuͤr Deutſchland entſcheiden. Sie entſchied ſo, daß nach dem Tode des letzten Kreuzziehenden Kai - ſers Friedrich II. das Deutſche Reich drei und zwanzig Jahre lang oͤffentlich ausge - boten ward, und faſt niemand eine ſo druͤckende Krone annehmen wollte.

Wie oft zog auch in den folgenden Zei - ten Frankreichs truͤgender Glanz die Deut - ſchen an ſich, um ſie angenehm zu vergol - den! Wer will uns eine Geſchichte der Fuͤrſten, Prinzen, Grafen und Ritter ge - ben, die Jahrhunderte hinab in Frankreich Bildung, Fortkommen, Ehre ſuchten, und getaͤuſcht zuruͤckkamen? *) Die den Deutſchen ohnehin ſeit langer Zeit eigene Nachahmungsſucht erhielt unge - meine Nahrung durch das immer mehr zur Gewohnheit werdende Reiſen. Man wird kaum die Lebensbeſchreibung eines etwas be -Die Univerſi -25 taͤt zu Paris, zu der man eben ſo gewal - tig hinſtroͤmte, hat in Vielem eben alſo die Welt getaͤuſchet.

Als endlich die Sonne des Franzoͤſi - ſchen Hofes in ihrem Mittage ſtrahlte, als*)deutenden Mannes vom Adel der damaligen Zeiten finden, wo nicht ſeiner gethanen Rei - ſen Erwaͤhnung geſchaͤhe. Fremde Sprachen, Sitten und Moden waren dasjenige, wor - aus ihre Landesleute nach der Heimkunft ſchließen ſollten, was ſie fuͤr einen Mann vor ſich haͤtten. Selbſt die vielen vom Adel ſo - wohl als dem Volk, die wegen der Kriegs - dienſte ſo haͤufig nach Frankreich und den Niederlanden zogen, brachten meiſtens anſtatt des fremden Geldes, das ſie zu erhaſchen ge - glaubt, nichts zuruͤck als fremde Moden und Grimaſſen. Dadurch ward der Abſtand von den vorigen Sitten in kurzer Zeit ſo groß, daß mehrere Deutſche Fuͤrſten ſelbſt in ihren Teſtamenten ihre Soͤhne vor fremder Pracht warnten. Schmidts Geſchichte der Deut - ſchen, Th. 9. S. 129.26 die Sprache, die Sitten, die Verhandlun - gen deſſelben faſt allenthalben in Europa den Ton angeben wollten; wer iſt, inſon - derheit ſeit dem Weſtphaͤliſchen Frieden, dadurch mehr zu kurz gekommen, als Deutſchland? Jeder kleine Hof ſollte ein Verſailles, jede adliche Geſellſchaft ein Cir - kel Franzoͤſiſcher Ducs et Marquis, Prin - cesses et Comtesses werden. In Erzie - hung, Sitten, Sprache, Lebenszweck und Lebensfuͤhrung trenneten ſich die Staͤnde. Was dieſe uͤber ein Jahrhundert fortdau - rende Franzoͤſiſche Propaganda und Propagata den Deutſchen fuͤr Unheil gebohren, davon ſoll ein andrer Brief re - den. Beſchaͤmt und verwirrt lege ich die Feder nieder; ſpreche daruͤber ein Fran - zoſe ſelbſt:

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Premontval gegen die Gallicomanie, und den falſch-franzoͤſiſchen Geſchmack. *)Geleſen in der Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin, 1759.

Die Gallicomanie oder der falſch - franzoͤſiſche Geſchmack, worauf hat er ſich nicht heut zu Tage faſt durch ganz Europa verbreitet? Sitten, Gebraͤuche, Moden, Klei - der, Manieren, Fantaſieen, Capricen; in alle dieſem, wie viel ungeſchickte Affen, wie viel ſchlechte Copien, von leidlichen Originalen giebts nicht allenthalben! Man hat nicht ohne Grund geſagt, daß der Franzoſe mei - ſtens nur laͤcherlich ſey, indeß der Fremde, der ihn in ſeinem Laͤcherlichen nachahmt, aufs aͤu - ßerſte widrig und abgeſchmackt werde. Wollte ich dieſe Wahrheit verfolgen und die zahllo - ſen Portraͤte zeichnen, die ſie ſehr ſinnlich28 machen, welch ein weites Feld laͤge vor mir! Ich will mich aber nur an die Franzoͤſi - ſche Sprache und Literatur halten.

1. Woher der Franzoͤſiſche Geſchmack in Deutſchland?

Unter allen Europaͤiſchen Nationen iſts ohne Widerrede die Deutſche Nation, die ſich am meiſten beſtrebt, unſern Geſchmack nachzu - ahmen; bei ihr hat ſich unſre Sprache am allgemeinſten verbreitet. Und das aus ver - ſchiedenen Urſachen. Die erſte iſt ihr ge - meinſchaftlicher Urſprung. Beide Nationen koͤnnen ſich als Schweſtern anſehen, oder die Deutſche kann ſogar mit einigem Wohlgefal - len die Franzoͤſiſche als eine Tochter betrach - ten, die ihr oft Ehre gemacht hat. Die zweite Urſache iſt die nahe Nachbarſchaft beider Nationen. Keine unerſteiglichen Ber - ge, kein Gefahrvolles Meer trennet ſie, ſon - dern ein bloßer Strom, mit Staͤdten beſetzt,29 in welchen man zum Theil ſchon beide Spra - chen redet. Auch giebt es drittens keine Rivalitaͤt und Eiferſucht zwiſchen beiden Voͤl - kern. Nie haben ſie ſo lange, grauſame, und große Angelegenheiten betreffende Kriege gegen einander gefuͤhrt, als z. B. Frankreich mit England und Spanien. Dazu kommt viertens, daß unſre Armeen, entweder als Freunde oder als Feinde zu verſchiednen Zei - ten in alle Theile von Deutſchland gedrungen ſind und die Voͤlker mit unſern Gebraͤuchen und mit unſrer Sprache bekannt gemacht ha - ben. Auch findet die Deutſche Nation Ge - ſchmack am Reiſen und reiſet gewoͤhnlich zu - erſt nach Frankreich. Fuͤnftens hat die Auswanderung der refugiés unſere Buͤrger, unſre Manufacturen, unſre Kuͤnſte, unſern Geſchmack, unſre Gebraͤuche, unſre Sprache nirgend ſo leicht verbreitet, nirgend ſo viel und ſo zahlreiche Colonieen geſtiftet, als in Deutſchland.

Darf ich noch hinzuſetzen, daß die große Anzahl von Hoͤfen und Souverains, die den30 Deutſchen Staatskoͤrper theilen, auch Eine der Urſachen geweſen, die zu Verbreitung des Franzoͤſiſchen Geſchmacks in Deutſchland maͤch - tig gewirket? Nichts iſt gewiſſer, als dieſes.

In Deutſchland giebts große und kleine Hoͤfe, dieſe in einer großen Anzahl, von je - nen acht oder neun. Beide haben hiebei auf verſchiedene Art mitgewirket. Die kleinen Souverains, Prinzen, Grafen, Barons, ſe - tzen eine Ehre darinn, wie Perſonen von nie - derm Range zu reiſen, ja mehr als dieſe ge - reiſet zu ſeyn. Faſt alle gehen nach Frank - reich, faſt alle bringen ganze Jahre zu Paris oder am Hofe zu, mit einem anſehnlichen Gefolge. Werden ſie nicht ihren dort ange - nommenen Geſchmack in ihre Reſidenzen, d. i. in hundert und hundert Orte in Deutſchland mitnehmen? Dieſen theilen ſie ſodann zuerſt ihren kleinen Hoͤfen und Unterthanen durch den Einfluß mit, den jeder Souverain, groß oder klein, uͤber die Geiſter derer hat, die in ſeiner Dependenz ſind. Von da aus verbrei -31 tet ſich dieſer Geſchmack mit Huͤlfe des Trie - bes, den alle Menſchen zur Nachahmung ha - ben, allmaͤlich weiter .. Das alles waͤre nicht ſo, wenn dieſe kleine Souverains nur reiche Hofleute, (grands Seigneurs) waͤren, die nach ihrer Ruͤckkunft aus Frankreich ſich in ei - ner Hauptſtadt, wie Madrid, London u. f. ſich in einer Menge verloͤren. An einem Ho - fe, wo ein Einzelner fuͤr ſeine Perſon wenig bedeutet, im Ganzen aber ein feſtgeſetzter, be - ſtimmter Ton und Charakter herrſchet, wird ein Engliſcher Lord, ein Spaniſcher Grand den Firniß, den er nachahmend auf Reiſen an ſich gezogen hatte, bald wegthun, und zwar aus eben demſelben Principium der Nachah - mung. Er wird ſich mit andern, die ihn umgeben, in Uniſon ſetzen, oder wenigſtens wird ſein Reſtchen fremder Farbe keinen gro - ßen Einfluß haben. Gluͤckes gnug, wenn man ihn nicht laͤcherlich findet.

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2. Folgen der Gallicomanie in Deutſchland.

Der erſte Misbrauch, der aus die - ſem verbreiteten Franzoͤſiſchen Geſchmack ent - ſpringt, iſt daß man ſeine eigne Sprache ver - nachlaͤßigt; (woran man gewiß Unrecht hat; ich kann es nicht gnug wiederholen!) ein ſchreiender Misbrauch. Mit einem Wort, es geht ſo weit, daß eine ungeheure Menge von Perſonen ſich piquirt, nur franzoͤſiſch zu leſen, und daß ſie es endlich ſo weit bringen, ihre eigne Schriftſteller nicht mehr verſtehen zu koͤnnen. Ich habe, ja ich habe Deutſche gekannt, Leute von Geiſt und Verdienſt, die das beſte, das wir in unſrer Sprache pro - ſaiſch und poetiſch haben, mit Nutzen laſen, und geſtanden, daß ſie die Dichter ihrer eig - nen Sprache durchaus nicht verſtuͤnden, ſo gar behaupteten, daß die Schuld hiebei an den Dichtern, nicht an ihnen ſelbſt liege. Ich mußte ihnen zeigen, daß an ihrer Seite die Schuld ſei, da ihnen alle Uebung und Be -kannt -33kanntſchaft mit einer Sprache fehle, die ſich uͤber die gemeine Volksſprache nur etwas er - hebet. Sie verwunderten ſich, wenn ich ih - nen verſicherte, daß mich dieſe Sprache nicht abſchreckte, daß ſie mir vielmehr leichter wuͤr - de, als die platte, ſchwatzhafte Proſe der Zei - tungsſchreiber. Dieſe voͤllige Unbekanntſchaft mit den Dichtern ihrer eignen Nation iſt in Deutſchland der Fall bei ſo vielen Perſonen, daß es ein wahres Wunder iſt, daß man in dieſem Lande dennoch die Muſen cultiviret. Sehr wenige Deutſche alſo wiſſen ihre Sprache (außer einem gewiſſen Geſchwaͤtz des taͤglichen gemeinen Lebens) denn man weiß eine Sprache nicht, deren Dichter man nicht verſtehet. Und da der ausſchweifende Ge - ſchmack an der Franzoͤſiſchen Litteratur daran Schuld iſt, ſo wundert mich der Verdruß und Unwille nicht, mit dem ihm mehrere Gelehrte Deutſchlands begegnen.

Ein andrer nicht weniger empfindlicher Misbrauch, der die Deutſchen von EinſichtNeunte Sammlung. C34aufbringt, iſt die tolle Wut, jeden Augenblick Franzoͤſiſche Worte und Redarten im Deut - ſchen anzubringen; eine Raſerei, die auch die beſitzt, die ſelbſt kein Franzoͤſiſch wiſſen. Un - ſre Sprache, wer ſollte es glauben? die Spra - che eines Volks, das der Pedanterei ſo feind iſt, iſt zur andringlichſten, unausſtehlichſten Pedan - terei ſelbſt bei der Deutſchen Nation worden.

Alles dies iſt biſarr und dient zu nichts Gutem. Beide Sprachen leiden dabei, ſelbſt wenn man die Eine und die Andre Sprache vollkommen inne hat; meiſtens faͤhrt Eine von beiden dabei ſehr uͤbel. Ein Jargon wird daraus, unwuͤrdig jedes verſtaͤndigen und vernuͤnftigen Weſens! In Wahrheit, der Geſchmack fuͤr die Franzoͤſiſche Sprache hat der Deutſchen Nation einen uͤbeln Dienſt ge - than, und zum Ungluͤck darf man kaum hof - fen, einem ſo tief eingewurzelten Uebel abzu - helfen. Ich ſage dies alles gegen meinen Privatvortheil: denn ich verſtehe das Deut - ſche nur in Buͤchern.

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Die beiden Misbraͤuche, deren aͤußerſtes Uebermaas ich bemerkt habe, gereichen beiden Sprachen, der erſte der Deutſchen, der zwei - te der Deutſchen und Franzoͤſiſchen unendlich zum Schaden; ſie ſind aber nichts gegen einen dritten Nachtheil, der auf nichts geringeres ausgeht, als den Geiſt und Geſchmack der Nation ſelbſt im Grunde zu verderben. Und dies geſchieht unfehlbar durch die Wahl einer uͤblen Lectur und durch den ſchlechten Ge - brauch der beſten Schriften. Glaube man doch nicht, daß dieſe uͤbertriebnen Liebhaber der Franzoͤſiſchen Sprache, die ſie radebrechen, ihre wahre Schoͤnheiten und die in ihr ge - ſchriebenen ſchaͤtzbarſten Werke je gekannt ha - ben? Sind ſie dazu faͤhig? Guter Gott! Die Geiſtesgeſtalt, die ihnen die Schoͤnheiten ihrer eignen Sprache ſo ganz und gar mis - kenntlich macht, daß ſie ſie vernachlaͤßigen und auf die erbaͤrmlichſte Art verderben; dieſe Geiſtesbildung, oder vielmehr dieſe fuͤr jedeC 236Sprache, fuͤr jede Literatur misgebildete Schiefheit und Unform, bringt zu unſern Schriftſtellern eine Grundlage von Pedante - rei, die ein wahrer Antipode von aller Deli - cateſſe des wahren Franzoͤſiſchen Geſchmacks iſt. Oder ſie bringen einen Leichtſinn zu ih - nen, der nur den Namen des ſchlechteſten, ei - nes falſchen Franzoͤſiſchen Geſchmacks verdie - net. Wiſſen ſie nur einmal, was es ſei, gute Schriftſteller leſen? Wiſſen ſie, daß es nicht zu viel iſt, ſie zehn, zwanzig, dreißig mal mit Geſchmack, mit Fleiß und Anſtrengung leſen, um ſie zu verdauen, um ihren Inhalt in Blut und Saft zu verwandeln? Nichts we - niger, als dieſes. Eine einmalige fluͤchtige Lectur, und weſſen? einer kleinen Zahl von Werken, die den meiſten Ruf, die man ſich ruͤhmen will geleſen zu haben; ein Zwanzig vielleicht, von denen ihnen nichts blieb, ſelbſt die bekanntſten Anſpielungen nicht, die in der Geſellſchaft oder in den Schrift -37 ſtellern vorkommen*)Viele große Liebhaber der Franzoͤſiſchen Lec - ture wußten nicht, wer Cotin ſei, und ver - wandelten ihn ſehr gelehrt in Catin. . Endlich nur neue Buͤ - cher, nur Zeitſchriften!

In Frankreich unterſcheidet man gute und ſchlechte Buͤcher; man tadelt den falſchen Ge - ſchmack und ſeufzet uͤber den Verfall der Wiſ - ſenſchaft, indeß in Deutſchland die Verfechter der Franzoͤſiſchen Literatur weit entfernt ſind, ſo etwas auch nur zu vermuthen. Leute von Geſchmack wiſſen es und ſchweigen, man ſchwimmt nicht gern gegen den Strom. Und ich, der ich es zuerſt wage, welchen Wider - ſpruͤchen und Tracaßerien ſetze ich mich aus! Welch eines Muths, welcher Geduld habe ich noͤthig!

Woher kommts, daß in England der falſch-franzoͤſiſche Geſchmack die boͤſen Wir - kungen nicht hervorgebracht hat, wie in Deutſch - land? Die Urſache iſt klar. Die Neigung38 fuͤr unſre Literatur und Sprache war da viel gemaͤßigter. Der Nationalhaß erregte Mitbewerbung; man las nicht ſinnlos, man ſtarrte nicht bewundernd an, ſondern eiferte nach und voran. Dieſe Eiferſucht, ſo unge - recht ſie manchmal war, hatte fuͤr die Nation eine gute Wirkung. Man ließ ſich nicht un - terjochen, am wenigſten ſo weit, daß man ſei - ne eigne Sprache aufgegeben, die Werke ſei - ner Mitbuͤrger verachtet und dieſe durch den Mangel an Aufmerkſamkeit fuͤr ihre Bemuͤ - hungen ganz muthlos gemacht haͤtte, wie man es in Deutſchland gethan hat; und am Ende wozu gethan hat? Um eine fremde Sprache ſchlecht zu verſtehen, ſie noch ſchlechter zu ſprechen und in ihr nichts als Thorheiten zu leſen. Schoͤner Gewinn dafuͤr, daß man in ſeinem Lande ein doppelter Barbar wird! Lohnte dies der Muͤhe, ſich mit unſrer Lite - ratur zu uͤberſtopfen, geſetzt dieſe haͤtte auch tauſendmal mehr Verdienſt, als man ihr zu - geſteht, um ſolchen Preis?

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Verhehlen kann man ſichs alſo auch nicht, daß der Fortgang beider Nationen, der Eng - liſchen und Deutſchen, ſich wie ihr verſchiede - nes Betragen verhalte. Hier entſcheidet die That; ich will und kann nicht entſcheiden. Daß die Engliſche Literatur die Deutſche an Verdienſt uͤbertreffe, erweiſet ſich augenſchein - lich dadurch, daß man in Deutſchland, wie in ganz Europa, Engliſche Werke ſucht und lie - ſet, da hingegen England ſowohl als ganz Europa um Deutſche Werke ſehr unbekuͤm - mert iſt. Gegen dieſen Beweis laͤßt ſich nichts einwenden; die Deutſche Nation giebt hier ihre Stimme wider ſich ſelbſt. Uebrigens bin ich weit entfernt zu glauben, daß es zwi - ſchen den Nationen weſentliche Verſchieden - heit, unabhaͤngig von ihrer Geiſtescultur gebe. Der Deutſche wird Delicateſſe zeigen, wie der Franzoſe, Tiefſinn und Erhabenheit wie der Englaͤnder, wenn er auf dem rechten Wege ſeyn wird; er iſt aber noch nicht dar - auf. Und die Urſache davon liegt, wie ich40 glaube, in ſeiner Leidenſchaft nicht fuͤr die Franzoͤſiſche allein, ſondern fuͤr jede Sprache, ſobald ſie nur nicht die ſeinige iſt. Nur in dieſer falſchen und ſchiefen Neigung liegt es. Seine Sprache iſt jedes Ausdrucks empfaͤn - gig; warum bauet er ſie nicht an, wie er ſoll - te? Meinethalb lerne er auch Franzoͤſiſch; nur auf eine Art, die ihm Ehre bringe und nicht gar laͤcherlich macht. Er halte ſich in ihr an die unſterblichen Werke, die den Ruhm Frankreichs ausmachen, und naͤhre ſich in ih - nen mit Geſchmack. Geiſtige wie koͤrperliche Nahrung, wenn ſie gedeihen ſoll, will geko - ſtet, genoſſen werden. Man muß zu ihr von einer Begierde, einem Hunger getrieben wer - den, der nicht erkuͤnſtelt, nicht der Appetit ei - ner verdorbenen Geſundheit ſei. Die Deut - ſche Nation, im Grund 'eine Nation von veſtem und edeln Sinn; (ein veſter Sinn aber haßt Frivolitaͤt, ſo wie ein edler Sinn jedes Niedertraͤchtigen Feind iſt) um dieſen lobenswuͤrdigen Eigenſchaften treu zu bleiben41 laſſe der Deutſche fortan und immer ſowohl jene nichtswuͤrdige falſchſchimmernde Franzoͤ - ſiſche Schoͤngeiſterei, als jene unfoͤrmliche Plattheiten, deren vieljaͤhrige Geltung ihm gnugſam zeiget, in welchem Irrthum er ſei und mit welchem Uebel, von welchem er nicht die geringſte Ahnung hat, er behaftet gewe - ſen. So weit Premontval. *)Lange vor Premontval hatten Deutſche uͤber dieſen Misbrauch geklagt; eine Biblio - thek von Beſchwerden der Deutſchen und Spoͤttereien der Auslaͤnder waͤre hieruͤber anzufuͤhren. Piccart, ein eben ſo geſchei - ter als gelehrter Mann, (Obſervat. hiſtor. politic. Dec. III. Cap. 10.) zeigt, wie an - ders Griechen und Roͤmer uͤber den Gebrauch fremder Sprachen in ihrem Vaterlande ge - dacht haben. Deßgleichen viele andre. Was half aber alles dieſes? Gens peregrinandi avi - da et exterorum morum, dum ſe receperit domum, aut ſimulatrix aut retinens, ſagt Barclai in ſeinem Icon animorum, (c. 5.) wo er die Deutſchen ſeiner Zeit in mehreren Zuͤgen treffend ſchildert. A. d. H.

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III.

Eine viel tiefere Wunde hat uns die Gallicomanie (Franzoſen-Sucht muͤßte ſie Deutſch heißen) geſchlagen, als der gute Premontval angiebt. An ſei - nem Ort konnte er nicht mehr ſagen, und hatte gewiß ſchon zu viel geſaget.

Wenn Sprache das Organ unſrer Seelenkraͤfte, das Mittel unſrer innerſten Bildung und Erziehung iſt: ſo koͤnnen wir nicht anders als in der43 Sprache unſres Volks und Landes gut er - zogen werden; eine ſogenannte Franzoͤ - ſiſche Erziehung, (wie man ſie auch wirklich nannte) in Deutſchland muß Deutſche Gemuͤther nothwendig mißbilden und irre fuͤhren. Mich duͤnkt, dieſer Satz ſtehe ſo hell da, als die Sonne am Mit - tage.

Von wem und fuͤr wen ward die Fran - zoͤſiſche Sprache gebildet? Von Franzo - ſen, fuͤr Franzoſen. Sie druckt Begriffe und Verhaͤltniſſe aus, die in ihrer Welt, im Lauf ihres Lebens liegen; ſie bezeich - net ſolche auf eine Weiſe, wie ſie ihnen dort jede Situation, der fluͤchtige Augen - blick, und die ihnen eigne Stimmung der Seele in dieſem Augenblick angiebt. Au - ßer dieſem Kreiſe werden die Worte halb oder gar nicht verſtanden, uͤbel angewandt, oder ſind, wo die Gegenſtaͤnde fehlen, gar44 nicht anwendbar, mithin Nutzlos gelernet. Da nun in keiner Sprache ſo ſehr die Mode herrſcht, als in der Franzoͤſiſchen, da keine Sprache ſo ganz das Bild der Veraͤnderlichkeit, eines wechſelnden Farben - ſpiels in Sitten, Meinungen, Beziehungen iſt, als ſie; da keine Sprache wie ſie leich - te Schatten bezeichnet und auf einem Far - benclavier glaͤnzender Lufterſcheinungen und Stralenbrechungen ſpielet; was iſt ſie zur Erziehung Deutſcher Menſchen in ihrem Kreiſe? Nichts, oder ein Irrlicht. Sie laͤßt die Seele leer von Begriffen, oder giebt ihr fuͤr die wahren und weſentlichen Beziehungen unſres Vaterlandes falſche Ausdruͤcke, ſchiefe Bezeichnungen, fremde Bilder und Affectationen. Aus ihrem Kreiſe geruͤckt, muß ſie ſolche, und waͤre ſie eine Engelsſprache, geben. Alſo iſt es gar nicht vermeſſen zu ſagen, daß ſie un -45 ſrer Nation, in den Staͤnden, wo ſie die Erziehung leitete, oder vielmehr die ganze Erziehung war, den Verſtand verſchoben, das Herz veroͤdet, uͤberhaupt aber die See - le an dem Weſentlichſten leer gelaſſen hat, was dem Gemuͤth Freude an ſeinem Ge - ſchlecht, an ſeiner Lage, an ſeinem Beruf giebt; und ſind dies nicht die ſuͤßeſten Freuden? haben Sie je den Cours einer Deutſch-Franzoͤſiſchen Erziehung kennen ge - lernt? Fuͤr Deutſche eine ſchoͤne Einoͤde und Wuͤſte!

Und doch beſtehet der ganze Werth ei - nes Menſchen, ſeine buͤrgerliche Nutzbar - keit, ſeine menſchliche und buͤrgerliche Gluͤckſeligkeit darinn, daß er von Ju - gend auf den Kreis ſeiner Welt, ſeine Geſchaͤfte und Beziehungen, die Mittel und Zwecke derſelben, genau und aufs reinſte kennen lerne, daß er uͤber ſie im eigenſten46 Sinn geſunde Begriffe, herzliche froͤhliche Neigungen gewinne, und ſich in ihnen un - geſtoͤrt, unverruͤckt, ohne ein untergelegtes fremdes und falſches Ideal, ohne Schielen auf auswaͤrtige Sitten und Beziehungen uͤbe. Wem dies Gluͤck nicht zu Theil ward, deſſen Denkart wird verſchraubt, ſein Herz bleibt kalt fuͤr die Gegenſtaͤnde, die ihn umgeben; oder vielmehr von einer fremden Buhlerin wird ihm in jugendli - chem Zauber auf Lebenslang ſein Herz ge - ſtohlen.

Hat Ihnen das Gluͤck nie einen Deutſch - Franzoͤſiſchen Liebesbriefwechſel zugefuͤhret? Vielleicht die ſchoͤnſte Blumenleſe auswaͤr - tiger Empfindungen; auf Deutſchem Bo - den duͤrres Heu, mit verwelkten Blumen. Jetzt muß man lachen, jetzt ſich ver - wundern, am Ende aber moͤchte man uͤber die nicht ausgebrannte, ſondern ſo47 fruͤh ausgeſpuͤlte, flache Sentimentalitaͤt weinen.

Kennen Sie Swifts Tea-table Miſ - cellanies? Gehen Sie in die galanten Cirkel der Deutſch-Franzoͤſiſchen Conver - ſation; und ſuchen Gedanken, ſuchen wah - re und angenehme Unterhaltung; Sie wer - den den alten Swift in Leerheit ſowohl als anmuthigen Fortleitungen des Ge - ſpraͤchs uͤbertroffen finden. Deutſch ſpre - che ich nicht in dieſer Geſellſchaft: im Deutſchen ſagt man immer zu viel, und hier will ich nichts ſagen. Wir zaͤhlen einan - der Zahlpfennige zu; die Deutſche Sprache will wahre Muͤnze. Sie iſt ſo ehrlich, ſo herz - lich wie eine Bauerdirne. Wir ſind hier in guter, d. i. leerer Geſellſchaft. Ein ſolches Leben, ein ſolcher Ton der Seele, eine Ge - wohnheit dieſer Art, von Kindheit auf ſich zur Form gemacht; ſind ſie nicht traurig?

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Was haben wir denn in der Welt ſchaͤtz - bareres als die wahre Welt wirklicher Herzen und Geiſter? Daß wir unſre Ge - danken und Gefuͤhle in ihrer eigenſten Geſtalt anerkennen und ſie andern auf die treueſte, unbefangenſte Art aͤußern, daß andre dagegen uns ihre Gedanken, ihre Empfindungen wiedergeben, kurz, daß je - der Vogel ſinge, wie die Natur ihn ſingen hieß? Iſt dies Licht erloͤſcht, dieſe Flam - me erſtickt, dies urſpruͤngliche Band zwi - ſchen den Gemuͤthern zerriſſen oder verzau - ſet; ſtatt des allen ſagen wir auswendig - gelernte, fremde, armſelige Phraſeologieen her; o des Jammers! der ewigen Flach - heit und Falſchheit! Eine Geiſt - und Herz - austrocknende Duͤrre und Kaͤlte. Den ei - gentlichen Beſitzern dieſer Sprache gnuͤgt ſolche: denn ſie leben in ihr; ſie beleben ſie mit ihrer froͤhlichen Leichtigkeit undSprach -49Sprachſeligen Anmuth. Wir Deutſche aber, mit unſrer Leichtigkeit? mit un - ſerm Franzoͤſiſchen Scherz? O alle Gra - zien und Muſen!

Jedermann muß bemerkt haben, daß es im ganzen Europa keine verſchiedenere Denk - und Mundarten gebe, als die Fran - zoͤſiſche und Deutſche, ſo nachbarlich ſie wohnen. Aus keiner Sprache iſt ſo ſchwer zu uͤberſetzen, als aus der Franzoͤſiſchen, wenn der Deutſchen Sprache ihr Recht, ihre urſpruͤngliche Art bleiben ſoll; vol - lends das Eigenſte derſelben, ihr Geiſt und Scherz, ihre fluͤchtigen Malereien und Bezeichnungen, Spiele der Phantaſie und der leichteſten Bemerkung ſind uns ganz fremde. Wie ſchwerfaͤllig geht die Fran - zoͤſiſche Comoͤdie auf unſern Theatern ein - her! wie hoͤlzern klingen im Deutſchen ihre froͤhlichſten Geſellſchaftslieder! Und ihreNeunte Sammlung D50Verſification, der Ton ihrer Contes à rire, ihre tauſend Uebereinkommniſſe uͤber das Schickliche und Unſchickliche im Ausdruck, (welches alles ſie Regeln des Ge - ſchmacks zu nennen belieben;) wem iſt es fremder als der Deutſchen Sprache und Denkart? Viel leichter koͤnnen wir uns unter Griechen und Roͤmer, unter Spa - nier, Italiaͤner und Englaͤnder verſetzen, als in ihren Kreis anmuthiger Frivoli - taͤten und Wortſpiele. Geſchieht dies end - lich, zwingen wir uns von Jugend an die - ſe Form auf, gelangen wir mit ſaurer Muͤhe zu der Vortreflichkeit, wozu wenige gelangen, Franzoͤſiſch zu denken, zu ſcher - zen und zu amphiboliſiren; was haben wir gewonnen? Daß der Franzoſe den Deut - ſchen Ungeſchmack, die Tudeſke Muſe, lobend verhoͤhnet, und wir unſre natuͤrliche Denkart einbuͤßten. Schwerlich giebt es51 eine ſchimpflichere Sklaverei, als die Dienſt - barkeit unter Franzoͤſiſchem Witz und Ge - ſchmack, in Franzoͤſiſchen Wortfeſſeln.

Und ſie macht uns andrer, ſtaͤrkerer Eindruͤcke ſo unfaͤhig, ſo in uns ſelbſt er - ſtorben! Sagen Sie einer flachen Seele von Deutſch-Franzoͤſiſcher Erziehung das Staͤrkſte, das Beſte in einer andern Spra - che; man verſteht ſie Franzoͤſiſch. Laſ - ſen Sie es ſich wieder ſagen, und Sie wer - den ſich vor Ihrem eignen Gedanken oft ſchaͤmen. Die Sprachrichtigſten Franzoſen, wie interpretiren ſie die Alten? wie uͤber - ſetzen ſie aus neueren Sprachen? Laͤſe ſich Horaz in einer Franzoͤſiſchen Ueber - ſetzung, was wuͤrde er ſagen? Da nun die Deutſche Sprache, (ohne alle Ruhm - redigkeit ſei es geſagt) gleichſam nur Herz und Verſtand iſt, und ſtatt feiner Zier - de Wahrheit und Innigkeit liebet; ſo zer -D 252[ſt]aͤubt ihr Nachdruck einem gemeinen Fran - zoͤſiſchen Ohr, wie der fallende Strom, der ſich in Nebel aufloͤſet. Wie manchen ho - hen Begriff, wie manches edle Wort auch der alten Roͤmerſprache hat die Galliſche Eitelkeit geſchminkt, entnervt, verderbet!

Wenn ſich nun, wie offenbar iſt, durch dieſe thoͤrichte Gallicomanie in Deutſchland ſeit einem Jahrhunderte her ganze Staͤn - de und Volksclaſſen von einander getrennt haben; mit wem man Deutſch ſprach, der war Domestique, (nur mit denen von gleichem Stande ſprach man Franzoͤſiſch, und foderte von ihnen dieſen jargon als ein Zeichen des Eintritts in die Geſellſchaft von guter Erziehung, als ein Standes-Ranges - und Ehrenzeichen;) zur Dienerſchaft ſprach man wie man zu Knech - ten und Maͤgden ſprechen muß, ein Knecht - und Maͤgde-Deutſch, weil53 man ein edleres, ein beſſeres Deutſch nicht verſtand und uͤber ſie in dieſer Denkart dachte; wenn dies ein ganzes reines Jahr - hundert ungeſtoͤrt, mit wenigen Ausnah - men, ſo fortging; doͤrfen wir uns wohl wundern, warum die Deutſche Nation ſo nachgeblieben, ſo zuruͤckgekommen, und gan - zen Staͤnden nach ſo leer und veraͤchtlich worden iſt, als wir ſie leider nach dem Ge - ſammt-Urtheil andrer Nationen im Ange - ſicht Europa's finden? Bis auf die Zei - ten Maximilians war die Deutſche Nation, ſo oft auch ihre Ehrlichkeit ge - mißbraucht ward, dennoch eine geehrte Nation; ſtandhaft in ihren Grundſaͤtzen, bieder in ihrer Denkart und Handlungs - weiſe. Seit fremde Voͤlker mit ihren Sitten und Sprachen ſie beherrſchten, von Karl dem fuͤnften an, ging ſie hinunter. Die Reformation trennte, das politiſche54 Intereſſe trennte. Zuerſt kam Spaniſches Cerimoniel zu uns; bald ſchrieben die Fuͤr - ſten, Prinzen, Generale Italiaͤniſch, bis ſeit dem Glorreichen dreißigjaͤhrigen Kriege nach und nach faſt das ganze Reich an Hoͤfen und in den obern Staͤnden eine Provinz des Franzoͤſiſchen Geſchmacks ward. Hinweg war jetzt in dieſen Staͤnden der Deutſche Charakter! Frankreich ward die gluͤckliche Geburtsſtaͤte der Moden, der Ar - tigkeit, der Lebensweiſe. An Hoͤfen bekam Alles andre Namen; in manchen Laͤndern ward die ganze Landesverwaltung Franzoͤ - ſiſch eingerichtet. Den Landesherrn, die voreinſt Deutſche Fuͤrſten und Landesver - walter waren, ward jetzt wohl, wenn ſie ſich unter ihres Gleichen durch eine frem - de Sprache in einem andern Lande finden konnten, und an Geſchaͤfte nur von einer abgeſonderten Claſſe Menſchen, (der Na -55 tion, die ſie naͤhrte,) in grobem Deutſch erinnert werden dorften. Die Edeln und Ritter folgten ihnen; der weibliche Theil unſrer, nicht mehr unſrer Nation (denn von den Muͤttern haͤngt doch faſt aller gute oder ſchlechte Geſchmack der Er - ziehung ab) uͤbertraf beide. So geſchah, was geſchehen iſt; Adel und Franzoͤſiſche Erziehung wurden Eins und Daſſelbe; man ſchaͤmte ſich der Deutſchen Nation, wie man ſich eines Fleckens in der Familie ſchaͤmet. Deutſche Buͤcher, Deutſche Lite - ratur in dieſen obern Staͤnden wie nie - drig, wie ſchimpflich! Der maͤchtigſte, wohlhabendſte, Einflußreichſte Theil der Nation war alſo fuͤr die thaͤtige Bildung und Fortbildung der Nation verlohren; ja er hinderte dieſe, wie er ſie etwa hin - dern konnte, ſchon durch ſein Daſeyn. Denn wenn man nur mit Gott und mit56 ſeinem Pferde Deutſch ſprach; ſo ſtellten ſich aus Pflicht und Gefaͤlligkeit auch die, mit denen man alſo ſprach, als Pferde.

Werden Sie nicht muͤde, meine Jere - miade auszuhoͤren; ich ſchreibe ſie nicht aus Haß und Groll, wozu ich perſoͤnlich nie die mindeſte Urſache gehabt habe, ſon - dern mit reinem Gemuͤth, aus dem Welt - bekannten Buch der Zeiten und ſie iſt bald zu Ende.

Nachdem alſo der Theil der Nation, der ſich das Haupt und Herz derſelben nennet, ihr entwendet war, was ſollten die armen Schriftſteller thun? Sie betrugen ſich auf verſchiedene Weiſe. Ein Theil fuhr fort, lateiniſch zu ſchreiben; und wie - wohl der Deutſchen Sprache hiedurch ihr Beitrag zur Cultur abging, ſo gewann die Wiſſenſchaft dennoch mehr, als wenn ſie damals, in der ſeit Luther ſehr verfalle -57 nen Sprache, Deutſch geſchrieben haͤtten. Auch anmuthige Sachen, auch Gedichte ſchrieben ſie lateiniſch, deren wir aus den beiden letztvergangnen Jahrhunderten viele gute, einige vortrefliche haben. Andre, edle Gemuͤther, ſuchten die Deutſche Spra - che empor zu bringen; ſie ahmten aus fremden Sprachen nach, was ſich nachah - men ließ; ſo erſchienen Opitz, Logau, und andre Schleſier, die wenigſtens ver - hinderten, daß die Deutſche Sprache nicht ganz und gar zum poͤbelhaften Streitge - waͤſch damaliger Zeit, oder zur erbaͤrmli - chen Canzleiſprache herabſank. Einige Fuͤr - ſten*)Z. B. von Anhalt, von Weimar, von Braunſchweig, von Liegnitz u. f. Ei - nige derſelben uͤberſetzten ſelbſt, und zwar ſehr gute Buͤcher, aus dem Italiaͤniſchen, Franzoͤſiſchen, Spaniſchen. Mehrere Fuͤrſtin - hatten ein Ohr fuͤr ſie; und ſuch -58 ten ihr durch Geſellſchaften, ſogar durch eigne Arbeiten aufzuhelfen. Andre, ſchlech - tere Geſellen, ahmten den Franzoͤſiſchen Witz nach, und ſo entſtand jene Zunft Schulfuͤchſe, die nicht nur beide Spra - chen erbaͤrmlich mengten, ſondern auch um ſich ihren aͤltern Bruͤdern gefaͤllig zu ma - chen, galant wie Voiture, affectirt wie Balzac, erhaben wie Corneille ſchrie - ben. Wie ſchaͤmt ſich ein Deutſcher, der, nicht Franzoͤſiſch erzogen, Alt-Deutſcher Scham noch faͤhig iſt, wenn er die Deutſch - franzoͤſiſchen witzigen Schriften dieſes Zeit - raums mit der Denk - und Schreibart Kaiſersbergs, Luthers, Hans*)nen ſahen das Uebel und flehten, und warn - ten. S. Moſers Patriotiſches Archiv der Deutſchen, und ſeine andern Schriften hin und wieder. A. d. H.59 Sachſe (in ſeinen proſaiſchen Aufſaͤtzen*)Es waͤre zu wuͤnſchen, daß dieſe Aufſaͤtze, kurze Geſpraͤche, von Haͤßlein oder von einem andern Kenner der Sprache geſamm - let, oder im Bragur wieder erſchienen. Sie ſinds werth. A. d. H.) uͤberhaupt mit allem, was vor dem Aus - gange des ſechzehnten Jahrhunderts ge - ſchrieben ward, vergleichet! Endlich blieb uns nichts als die Fluͤßigkeit; und noch jetzt ruͤhmen ſich alle Deutſche Canzleien, die Regensburgiſche nicht aus - genommen, daß ſie, der wahren Courtoisie getreu, außerordentlich einnehmend, kurz und fluͤßig ſchreiben. Wer ſollte es glau - ben? Unſre Canzlei-Courtoiſie, meynen wir, iſt echt Franzoͤſiſch.

Da that ſich endlich (denn die Barm - herzigkeit wollte, daß es mit uns nicht60 gar aus wuͤrde) ferne vom Hof - und Schul-Geſchmack hie und da Einer her - vor, der glaubte, daß auch in Deutſchland die Sonne ſcheine und die Natur regiere. Brockes waͤhlte den Garten zu ſeinem Hofe; Bodmer ſtahl ſich uͤber die Al - pen und koſtete einen Athemzug Italiaͤni - ſcher Luft; kurz, man wagte den kuͤhnen Gedanken, daß Deutſchland auch außer den franzoͤſirenden Hoͤfen Etwas ſei, und ſchrieb und ſtritt und dichtete, ſo gut man konnte. Fuͤr wen? darauf ward An - fangs nicht gerechnet; es ſchloß ſich aber bald ein Kreis von Freunden und Feinden. Die echten Gottſchedianer waren jetzt hin - ter Neukirch, Heraͤus und Koͤnig der Hofgeſchmack; ſie ſchrieben fluͤßig; was irgend myſtere und Tibere reimen konnte, war fuͤr ſie. Gewiß, wir ſind undankbar gegen den unbelohnten und un -61 belohnbaren Eifer, von dem damals eini - ge beſſere Koͤpfe fuͤr einen beſſeren Ge - ſchmack brannten. Welche Muͤhe uͤbernah - men ſie! welchen Befehdungen ſetzten ſie ſich aus! Und wie wenige Luſt, wie we - nig aͤußere Vortheile ſie dabei eingeerntet haben, erweiſet die Privatgeſchichte ihres Lebens.

Nachſchrift. Neulich ſind mir eini - ge Blaͤtter zu Haͤnden gekommen, der Auszug aus den Schriften eines Mannes, der von 1729. bis 1781. lebte und gewiß mehr als Jemand dazu beigetragen hat, daß Deutſchland ſich einſt (wir wollen es hoffen,) ruͤhmen kann, einen eigenen Ge - ſchmack gewonnen zu haben. Die Blaͤt - ter nennen ſich

Funken: wahrſcheinlich, weil Der, den ſie redend einfuͤhren, Eine ſeiner Schriften ſelbſt62 fermenta cognitionis nannte; uͤberdem war der Name Funken ([ſcintillae]) in den mittleren Zeiten ſehr gewoͤhnlich. Mir ſind ſie geweſen, was ſie dem Sinn des Sammlers nach ſeyn ſollten, ein Charak - terbild vom Leben des vielverdienten Mannes, und ich ſtelle mir einen Juͤng - ling des neunzehnten Jahrhunderts vor, der mit Claſſiſchen Kaͤnntniſſen in der Schule ausgeruͤſtet, ehe er die Akademie be - ſchreitet, dieſe Funken, nachher auch mit Ordnung und Wahl die mannichfaltigen Schriften dieſes vielverdienten, gewandten Schriftſtellers ſelbſt lieſet; was wird er ſagen? Wie? wird er ſagen, lebte die - ſer Mann in einer Wuͤſte? Bei ſeinem muͤhſamen, fuͤr ſein Vaterland ruͤhmlichen, gleichſam allbeſtrebenden Gange war denn niemand, der ihm half? der ſeinen Ideen, deren Nuͤtzlichkeit jedermann lobpries, ei -63 nen Spielraum, ſeinen Faͤhigkeiten, die je - dermann anerkannte, Wirkſamkeit und ihm nur einige Bequemlichkeit verſchaffte, die - ſe Ideen auszubilden, auszufuͤhren? Ich wage es nicht, dieſe Fragen zu beant - worten; mir iſts gnug, den maͤnnlichen Verſtand, die biedere Denkart zu bemerken, die ſich in jedem ſeiner Lebens - zeichen aͤußert. Heil dem Juͤnglinge, der ſich dieſe Bogen zum Kanon ſeines Geſchmacks waͤhlet und zugleich fruͤhe lernet, was er zu thun und zu vermeiden, endlich auch was er von ſeinem Vaterlan - de zu erwarten habe.

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Funken, aus der Aſche eines Todten.

1.

In dem engen Bezirk einer kloſtermaͤßigen Schule waren Theophraſt, Plautus und Terenz meine Welt, die ich mit aller Be - quemlichkeit ſtudirte. Wie gern wuͤnſchte ich mir dieſe Jahre zuruͤck, die einzigen, in welchen ich gluͤcklich gelebt habe! *)Leßings ſaͤmmtliche Schriften, Berlin 1792. Th. 8. S. 44.

2.

Ich kam jung von Schulen, in der ge - wiſſen Ueberzeugung, daß mein ganzes Gluͤck in den Buͤchern beſtehe. Stets bei den Buͤ - chern, nur mit mir ſelbſt beſchaͤftigt, dachte ich eben ſo ſelten an die uͤbrigen Menſchen,als65als vielleicht an Gott. Doch es dauerte nicht lange, ſo gingen mir die Augen auf. Ich lernte einſehen, die Buͤcher wuͤrden mich wohl gelehrt, aber nimmermehr zu einem Menſchen machen. Ich wagte mich von meiner Stube unter meines Gleichen. Guter Gott! was wurde ich fuͤr eine Ungleichheit zwiſchen mir und andern gewahr! Ich empfand eine Schaam, die ich niemals empfunden habe und die Wirkung derſelben war der veſte Entſchluß mich hierin zu beſſern, es koſte, was es wolle. *)Leßings Leben, Th. 1. S. 82.

3.

Mein Koͤrper war durch Leibesuͤbungen geſchickter geworden und ich ſuchte Geſellſchaft, um auch leben zu lernen. Ich legte die ernſt - haften Buͤcher eine Zeitlang auf die Seite, um mich in denjenigen umzuſehen, die weit angenehmer und vielleicht eben ſo nuͤtzlich ſind. Neunte Sammlung. E66Die Komoͤdien kamen mir zuerſt in die Hand. Es mag unglaublich vorkommen, wem es will; mir haben ſie große Dienſte gethan. Ich lernte daraus eine artige und gezwungene, eine grobe und natuͤrliche Auffuͤhrung unter - ſcheiden. Ich lernte, wahre und falſche Tu - gend daraus kennen, und die Laſter eben ſo ſehr wegen ihres Laͤcherlichen als wegen ihres Schaͤndlichen fliehen. Ich lernte mich ſelbſt kennen, und ſeit der Zeit habe ich gewiß uͤber niemanden mehr gelacht und geſpottet, als uͤber mich ſelbſt. *)Leßings Leben, Th. 1. S. 84.

4.

Man darf mich nur in einer Sache loben, wenn man haben will, daß ich ſie mit meh - rerem Ernſt treiben ſoll. Ich ſann daher Tag und Nacht, wie ich in einer Sache eine Staͤrke zeigen moͤchte, in der, wie ich glaub -67 te, noch kein Deutſcher ſich ſehr hervorge - than hat. *)Leßings Leben, Th. 1, S. 85.

5.

Wenn man nicht verſucht, welche Sphaͤ - re uns eigentlich zukommt, ſo wagt man ſich oͤfters in eine falſche, wo man ſich kaum uͤber das Mittelmaͤßige erheben kann, da man ſich in einer andern vielleicht zu einer bewun - dernswuͤrdigen Hoͤhe haͤtte ſchwingen koͤnnen. Meine Neigung war, mich in allen Arten der Poeſie zu verſuchen, und ward muͤde mich blos in Kleinigkeiten zu uͤben. **)Leben S. 95.

6.

Seneka giebt den Rath: omnem ope - ram impende, vt te aliqua dote notabilem facias. ***) Wende alle Muͤhe an, daß du dich in Etwas merkbar macheſt. Aber es iſt ſehr ſchwer, ſich inE 268einer Wiſſenſchaft notabel zu machen, worinn ſchon allzuviele excellirt haben. Habe ich alſo ſehr uͤbel gethan, daß ich zu meinen Jugend - arbeiten etwas gewaͤhlt, worinn noch ſehr we - nige meiner Landsleute ihre Kraͤfte verſucht haben? Und waͤre es nicht thoͤricht, eher auf - zuhoͤren, als bis man Meiſterſtuͤcke von mir geleſen hat? *)Leben S. 96.

7.

Man darf nicht glauben, daß ich meine Lieder Kleinigkeiten nennte, damit ich der Critik mit Hoͤflichkeit den Dolch aus den Haͤnden winden moͤchte. Ich erklaͤrte, daß ich der erſte ſeyn wolle, zu verdammen, was ſie verdammt; ſie, der zum Verdruß ich wohl ei - nige mittelmaͤßige Stuͤcke koͤnnte gemacht ha - ben; der zum Trotz aber ich nie dieſe mittel - maͤßige Stuͤcke fuͤr ſchoͤn erkennen wuͤrde. Ich habe geaͤndert, ich habe weggeworfen. 69Das Elende ſtreicht ſich ſelbſt durch, und ſchlechte Verſe, die niemand lieſet, ſind ſo gut als waͤren ſie nicht gemacht worden. *)Saͤmmtl. Schr. Th. 8. S. 30. 31.

8.

Den wenigen Oden gebe ich nur mit Zittern dieſen Namen. Sie ſind zwar von einem ſtaͤrkern Geiſt als die Lieder und haben ernſthaftere Gegenſtaͤnde; allein ich kenne die Muſter in dieſer Art gar zu gut, als daß ich nicht einſehen ſollte, wie tief mein Flug un - ter dem ihrigen iſt. Und wenn zum Ungluͤck nur das Oden ſeyn ſollte, was ich, der ſchma - len Zeilen ohngeachtet, fuͤr Lehrgedichte halte, die man anſtatt der Paragraphen in Stro - phen eingetheilt hat; ſo werde ich vollends Urſache mich zu ſchaͤmen haben. **)Meines Erachtens verdienen Leßings weni - ge Oden dieſen Namen ſehr wohl; ſie haben ihren eignen Gang und Charakter. In die vollſtaͤndige Sammlung ſeiner Schriften iſt ein neues ſchaͤtzbares Stuͤck gekommen, der

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9.

In Sinngedichten erkenne ich kei - nen andern Lehrmeiſter als den Martial; es muͤßten denn die ſeyn, die er fuͤr die ſeinigen erkannt hat, und von welchen uns die Antho - logie einen ſo vortreflichen Schatz derſelben aufbehalten. Daß ich zu beißend und zu frei darin bin, wird man mir wohl nicht vorwer - fen koͤnnen, ob ich gleich beinah in der Mey - nung ſtehe, daß man beides in Sinnſchriften nicht gnug ſeyn kann. *)Saͤmmtl. Schr. Th. 8. S. 37.

10.

Man nenne mir doch diejenigen Geiſter, auf welche die komiſche Muſe Deutſchlands**)Eintritt des Jahrs 1754. in Ber - lin, (Th. 2. S. 31.) und vier Entwuͤr - fe zu Oden (S. 202 - 12.) durch die man den Geiſt der Horaziſchen Ode, den Flug, der irrt und ſich nicht verir - ret, vielleicht beſſer kennen lernt, als durch lange Commentare uͤber den Roͤmiſchen Dichter. A. d. H.71 ſtolz ſeyn koͤnnte! Was herrſcht auf unſern gereinigten Theatern? Iſt es nicht lauter auslaͤndiſcher Witz, den, ſo oft wir ihn bewun - dern, eine Satyre uͤber den unſrigen macht? Aber wie kommt es, daß nur hier die Deut - ſche Nacheiferung zuruͤckbleibt? Sollte wohl die Art ſelbſt, wie man unſre Buͤhne hat ver - beſſern wollen, daran Schuld ſeyn? Sollte wohl die Menge von Meiſterſtuͤcken, die man auf einmal, beſonders den Franzoſen abborgte, unſre urſpruͤnglichen Dichter niedergeſchlagen haben? Man zeigte ihnen auf einmal, ſo zu reden, alles erſchoͤpft und ſetzte ſie auf einmal in die Nothwendigkeit, nicht blos etwas Gu - tes ſondern etwas Beſſeres zu machen. Die - ſer Sprung war ohne Zweifel zu arg; die Kunſtrichter konnten ihn wohl befehlen, aber die, die ihn wagen ſollten, blieben aus. *)Geſchrieben im Jahr 1754. Saͤmmtl. Schr. Th. 8. S. 47.

72

11.

Wenn ich von den allweiſen Einrichtun - gen der Vorſehung weniger ehrerbietig zu re - den gewohnt waͤre, ſo wuͤrde ich keck ſagen, daß ein gewiſſes neidiſches Geſchick uͤber die Deutſchen Genies, welche ihrem Vaterlan - de Ehre machen koͤnnten, zu herrſchen ſcheine. Wie viele derſelben fallen in ihrer Bluͤthe da - hin! Sie ſterben reich an Entwuͤrfen, und ſchwanger mit Gedanken, denen zu ihrer Groͤ - ße nichts als die Ausfuͤhrung fehlt. Sollte es aber ſchwer ſeyn, eine natuͤrliche Urſache hievon anzugeben? Wahrhaftig, ſie iſt ſo klar, daß ſie nur derjenige nicht ſieht, der ſie nicht ſehen will. Nehmen Sie an, daß ein ſolches Genie in einem gewiſſen Stande ge - bohren wird, der, ich will nicht ſagen der elendeſte, ſondern nur zu mittelmaͤßig iſt, als daß er noch zu der ſogenannten goldnen Mit - telmaͤßigkeit zu rechnen waͤre. Und Sie wiſ - ſen wohl, die Natur hat einen Wohlgefallen dran, aus eben dieſem immer mehr große Gei -73 ſter hervor zu bringen, als aus irgend einem andern. Nun uͤberlegen Sie, was fuͤr Schwie - rigkeiten dieſes Genie in einem Lande als Deutſchland, wo faſt alle Arten von Ermun - terungen unbekannt ſind, zu uͤberſteigen habe. Bald wird es von dem Mangel der noͤthigſten Huͤlfsmittel zuruͤckgehalten; bald von dem Nei - de, welcher die Verdienſte auch ſchon in ihrer Wiege verfolgt, unterdruͤckt; bald in muͤhſa - men und ſeiner unwuͤrdigen Geſchaͤften ent - kraͤftet. Iſt es ein Wunder, daß es nach auf - geopferten Jugendkraͤften dem erſten ſtarken Sturme unterliegt? Iſt es ein Wunder, daß Armuth, Aergerniß, Kraͤnkung, Verachtung endlich uͤber einen Koͤrper ſiegen, der ohnedem der ſtaͤrkſte nicht iſt, weil er kein Koͤrper eines Holzhackers werden ſollte. In dieſem Fall war M. oder es iſt nie einer darinn ge - weſen. *)B. 8. S. 58. Wie viele, viele andre!

74

Das iſt ſein Lebenslauf. Ein Le - benslauf, ohne Zweifel, in welchem das Ende das ungluͤcklichſte nicht iſt. Und doch behaupte ich, daß er mehr darin geleiſtet hat, als tau - ſend andere in ſeinen Umſtaͤnden nicht wuͤr - den geleiſtet haben. Der Tod hat ihn fruͤh, aber nicht ſo fruͤh uͤberraſcht, daß er keinen Theil ſeines Namens vor ihm in Sicherheit haͤtte bringen koͤnnen. Er gewinnet im Verlieren, und iſt vielleicht eben jetzt beſchaͤf - tiget, mit erleuchteten Augen zu unterſuchen, ob Newton gluͤcklich gerathen und Brad - ley genau gemeſſen habe. Er weiß ohne Zweifel ſchon mehr, als er jemals auf der Welt haͤtte begreifen koͤnnen. *)Schriften B. 8. S. 60. 61.

12.

Ein gutes Genie iſt nicht allemal ein gu - ter Schriftſteller, und es iſt oft eben ſo un - billig, einen Gelehrten nach ſeinen Schriften75 zu beurtheilen, als einen Vater nach ſeinen Kindern. Der rechtſchaffenſte Mann hat oft die nichtswuͤrdigſten, und der kluͤgſte die duͤmmſten; ohne Zweifel weil dieſer nicht die gelegenſte Stunde zu ihrer Bildung, und je - ner nicht den noͤthigen Fleiß zu ihrer Erzie - hung angewendet hat. Der geiſtliche Vater kann oft in eben dieſem Fall ſeyn, beſonders wenn ihn aͤußerliche Umſtaͤnde noͤthigen, den Gewinnſt ſeine Minerva, und die Nothwen - digkeit ſeine Begeiſterung ſeyn zu laſſen. Ein ſolcher iſt alsdann meiſtentheils gelehrter als ſeine Buͤcher, anſtatt daß die Buͤcher derjeni - gen, welche ſie mit aller Muße und mit An - wendung aller Huͤlfsmittel ausarbeiten koͤnnen, nicht ſelten gelehrter als ihre Verfaſſer zu ſeyn pflegen. *)Schriften B. 8. S. 62. 63.

13.

Warum giebt es gewiſſe, ſchwer zu ver - gnuͤgende Kunſtrichter, die zum Luſtſpiel76 eine anſtaͤndige Dichtung, wahre Sitten, eine maͤnnliche Moral, eine feine Satyre, eine leb - hafte Unterredung, und ich weiß nicht, was ſonſt noch mehr verlangen? Und ich weiß uͤberhaupt nicht, was ich von der Satyre ſa - gen ſoll, die ſich an ganze Staͤnde wagt. Doch Galle, Ungerechtigkeit und Ausſchweifung ha - ben nie ein Buch um die Leſer gebracht, wohl aber manchem Buche zu Leſern verholfen. *)Schriften Th. 8. S. 76. 77.

14.

Den ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſollte nur ein Theil unſrer Jugend gehoͤren; wir haben uns in wichtigern Dingen zu uͤben, ehe wir ſterben. Ein Alter, der ſeine ganze Lebenszeit uͤber nichts als gereimt hat, und ein Alter, der ſei - ne ganze Lebenszeit uͤber nichts gethan, als daß er ſeinen Athem in ein Holz mit Loͤchern gelaſſen: von ſolchen Alten zweifle ich ſehr, ob ſie ihre Beſtimmung erreicht haben. **)Th. 28. S. 245.

77

15.

Auch Freunde ſind Guͤter des Gluͤcks, die ich lieber finden als ſuchen will. *)Th. 27. S. 4.

16.

Geſegnet ſei Ihr Entſchluß, ſich ſelbſt zu leben. Um ſeinen Verſtand auszubreiten, muß man ſeine Begierden einſchraͤnken. Wenn Sie leben koͤnnen, ſo iſt es gleichviel, ob Sie von maͤßigen oder großen Einkuͤnften leben. Wie viel lieber wollte ich kuͤnftigen Sommer mit Ihnen und unſerm Freunde zubringen, als in England! Vielleicht lerne ich da wei - ter nichts, als daß man eine Nation bewun - dern und haſſen kann. **)Th. 27. S. 429.

17.

O was iſt unſer Grenadier***)Verfaſſer der Preußiſchen Kriegslieder. Die Vorrede, mit der Leßing dieſe Lieder fuͤr ein vortreflicher Mann! Zu einer ſolchen unan -78 ſtoͤßigen Verbindung der erhabenſten und laͤ - cherlichſten Bilder war nur Er geſchickt! Nur Er konnte die Strophen Gott aber wog bei Sternenklang und Dem Schwaben, der mit Einem Sprung machen und ſie beide in Ein Ganzes brin - gen. Was wollte ich nicht darum geben, wenn man das ganze Lied ins Franzoͤſiſche uͤberſetzen koͤnnte! Aber wollen wir unſern Grenadier nicht nun bald avanciren laſſen? Verſichern Sie ihn, daß ich von Tag zu Tage ihn mehr bewundere, und daß er alle meine Erwartung ſo zu uͤbertreffen weiß, daß er das Neueſte, was er gemacht hat, immer fuͤr das***)geſammlet herausgab, iſt ein Muſter von Beſtimmung des Werths und des Charakters dieſer Gedichte, als einer neuen individuellen Gattung, die ſie auch ſind. Die ganze Vor - rede verdiente hergeſetzt zu werden; ſie traͤgt den Charakter der Lieder ſelbſt. S. Leßings Schriften Th. 8. S. 98. A. d. H.79 Beſte halten muß. Ein Bekenntniß, zu dem mir noch kein einziger Dichter Gelegenheit gegeben hat. *)Th. 29. S. 24 30.

18.

Der Grenadier erlaubt es doch noch, daß ich eine Vorrede dazu machen darf? Ich habe verſchiednes von den alten Kriegsliedern geſammlet; zwar ungleich mehr von den Kriegs - liedern der Barden und Skalden als der Grie - chen. **)Das bekannte Heldenlied der Spartaner: Streitbare Maͤnner waren wir Streitbare Maͤnner ſind wir u. f. von Leßing uͤberſetzt, ſteht jetzt in dieſer vollſtaͤndigen Sammlung ſeiner Schriften Th. Th. 2. S. 195. A. d. H.Der alten Siegslieder wegen habe ich ſogar das alte Heldenbuch durchgeleſen, und dieſe Lecture hat mich hernach weiter auf die zwei ſogenannten Heldengedichte aus dem80 Schwaͤbiſchen Jahrhunderte gebracht, welche die Schweizer jetzt herausgegeben haben. Ich habe verſchiedene Zuͤge daraus angemerkt, die wenigſtens von dem kriegeriſchen Geiſte zeu - gen, der unſre Vorfahren zu einer Nation von Helden machte. Die griechiſche Grab - ſchrift, die ich dem Grenadier geſetzt habe,*)Am Schluß der Vorr. der Kriegslieder. ſind zwei alte Verſe, die bereits Archilochus von ſich geſagt hat: Ich bin ein Knecht des Enyaliſchen Koͤnigs, (des Mars) und habe die liebliche Gabe der Mu - ſen gelernt. Wuͤrden ſie nicht auch vor - treflich unter das Bildniß unſers Kleiſts paſſen? **)Th. 29. S. 31. 55.

19.

Vielleicht zwar iſt auch der Patriot bei mir nicht ganz erſtickt, obgleich das Lobeines81eines eifrigen Patrioten, nach meiner Den - kungsart, das allerletzte iſt, wornach ich geizen wuͤrde; des Patrioten nehmlich, der mich ver - geſſen lehrte, daß ich ein Weltbuͤrger ſeyn ſollte. Ich habe uͤberhaupt von der Liebe des Vaterlandes (es thut mir leid, daß ich Ih - nen vielleicht meine Schande geſtehen muß) keinen Begriff, und ſie ſcheint mir aufs hoͤch - ſte eine heroiſche Schwachheit, die ich recht gern entbehre. *)Th. 29. S. 65. 77.

20.

Der Krieg hat ſeine blutigſte Buͤhne un - ter uns aufgeſchlagen, und es iſt eine alte Klage, daß das zu nahe Geraͤuſch der Waffen die Muſen verſcheucht. Verſcheucht es ſie nun aus einem Lande, wo ſie nicht recht viele, recht feurige Freunde haben, wo ſie ohnedies nicht die beſte Aufnahme erhielten: ſo koͤnnen ſie auf eine lange Zeit verſcheucht bleiben. Neunte Sammlung. F82Der Friede wird ohne ſie wiederkommen; ein trauriger Friede, von dem einzigen melancho - liſchen Vergnuͤgen begleitet, uͤber verlohrne Guͤter zu weinen. *)Literaturbr. Br. 1.

21.

Man behauptet, der Kunſtrichter muͤſſe nur die Schoͤnheiten eines Werks aufſuchen, und die Fehler deſſelben eher bemaͤnteln als blosſtellen. In zwei Faͤllen bin ich ſelbſt der Meinung. Einmal, wenn der Kunſtrichter Wer - ke von einer ausgemachten Guͤte vor ſich hat; die beſten Werke der Alten, z. E. Zweitens, wenn der Kunſtrichter nicht ſowohl gute Schrift - ſteller als nur blos gute Leſer bilden will. **)Sollte dies bei der ganzen Kunſtrichterei nicht das erſte Erforderniß ſeyn? Der Schriftſteller ſchreibt fuͤr Leſer; ſind dieſe verdorben, ſo ſchreibt jener und der Verle - ger verlegt fuͤr ihren verdorbenen Geſchmack. Die vielen ſchlechten Schriftſteller Deutſch -83Die Guͤte eines Werks beruhet nicht auf ein - zeln Schoͤnheiten; dieſe einzeln Schoͤnheiten muͤſſen ein ſchoͤnes Ganze ausmachen, oder der Kenner kann ſie nicht anders, als mit ei - nem zuͤrnenden Mißvergnuͤgen leſen. Nur wenn das Ganze untadelhaft befunden wird, muß der Kunſtrichter von einer nachtheiligen Zergliederung abſtehen und das Werk, ſo wie der Philoſoph die Welt betrachten. *)Wenn iſt dies? Hier ſchleicht ſich eben die ſchaͤdlichſte Partheilichkeit ein. Will man ein Werk ſchoͤn finden, ſo ſingt man Theodi -

F 2
**)lands ſchreiben alle fuͤr ihr Publikum und kennen es ſehr gut; eben ſo auch die Verleger. Leſer zu bilden muß alſo der Kunſtrichter erſte Beſtrebung ſeyn; die Schriftſteller werden ſelbſt wider Willen fol - gen. In den hoͤheren Wiſſenſchaften wird jeder Stuͤmper ausgeziſcht und verachtet: denn ſein kleines, aber beſtimmtes Publikum iſt der Sache verſtaͤndig. A. d. H.
**)84

22.

Kommt es denn bei unſern Handlungen blos auf die Vielheit der Bewegungsgruͤnde an? Beruhet nicht weit mehr auf der In - tenſion derſelben? Kann nicht ein einziger Bewegungsgrund, dem ich lange und ernſtlich*)ceen und bemaͤntelt die Fehler. Ueber - haupt iſt das Gleichniß von der Welt, wie ſie der Philoſoph betrachtet, auf Werke der Menſchen, zumal auf Kunſtwerke unanwend - bar. Iſt das Ganze ſchoͤn: ſo kann die ſtrengſte Zergliederung ihm keinen Nachtheil bringen: denn ein lebendiges Ganze beſtehet nur in Theilen; und daß bei dieſem ſchoͤnen Ganzen die mangelhaften Theile mit ſtrenger Unpartheilichkeit bemerkt werden, iſt um ſo nothwendiger, weil in ihnen das Fehlerhafte und Uebertriebene gewoͤhnlich zuerſt Nachah - mer findet. Zwiefaches Maas und Gewicht iſt wie allenthalben ſo auch in der Kritik der Gerechtigkeit ein Graͤuel und der Sache des Ganzen aͤußerſt verderblich. A. d. H.85 nachgedacht habe, eben ſo viel ausrichten, als zwanzig Bewegungsgruͤnde, deren jedem ich den zwanzigſten Theil von jenem Nachdenken geſchenkt habe?

23.

Die edelſten Woͤrter ſind eben deßwegen weil ſie die edelſten ſind, faſt niemals zugleich diejenigen, die uns in der Geſchwindigkeit be - ſonders im Affecte zuerſt beifallen. Sie ver - rathen die vorhergegangene Ueberlegung, ver - wandeln die Helden in Declamatoren und ſtoͤ - ren dadurch die Illuſion. Es iſt daher ſogar ein großes Kunſtſtuͤck eines tragiſchen Dichters, wenn er, beſonders die erhabenſten Gedanken, in die gemeinſten Worte kleidet, und im Af - fect nicht das edelſte ſondern das nachdruͤck - lichſte Wort, wenn es auch ſchon einen et - was niedrigen Nebenbegrif mit ſich fuͤhren ſollte, ergreifen laͤßt. Von dieſem Kunſtſtuͤcke werden aber freilich diejenigen nicht wiſſen wollen, die nur an einem correcten Racine86 Geſchmack finden und ſo ungluͤcklich ſind, kei - nen Shakeſpear zu kennen. *)Th. 26. S. 184.

24.

Ueberhaupt glaube ich, daß der Name eines wahren Geſchichtſchreibers nur demjenigen zukommt, der die Geſchichte ſeiner Zeiten und ſeines Landes beſchreibt. Denn nur der kann ſelbſt als Zeuge auftreten, und darf hoffen, auch von der Nachwelt als ein ſolcher geſchaͤtzt zu werden, wenn alle Andre, die ſich nur als Abhoͤrer der eigentlichen Zeu - gen erweiſen, nach wenig Jahren von ihres - gleichen gewiß verdraͤngt ſind. Die ſuͤße Ueber - zeugung, von dem gegenwaͤrtigen Nutzen, den ſie ſtiften, muß ſie allein wegen der kurzen Dauer ihres Ruhms ſchadlos halten. Und kann ein ehrlicher Mann mit dieſer Schadlos - haltung auch nicht zufrieden ſeyn? **)Litt. Br. 52.

87

25.

Krank will ich wohl einmahl ſeyn; aber ſterben will ich deßwegen noch nicht. Alle Veraͤnderungen unſeres Temperaments, glau - be ich, ſind mit Handlungen unſrer animali - ſchen Oekonomie verbunden. Die ernſtliche Epoche meines Lebens nahet heran! ich begin - ne ein Mann zu werden, und ſchmeichle mir, daß ich in dieſem hitzigen Fieber den letzten Reſt meiner jugendlichen Thorheiten verra - ſet habe. Gluͤckliche Krankheit! Aber ſoll - ten ſich wohl Dichter eine athletiſche Geſund - heit wuͤnſchen? Sollte der Phantaſie, der Empfindung nicht ein gewiſſer Grad von Un - paͤßlichkeit weit zutraͤglicher ſeyn? Wuͤnſchen Sie mich alſo geſund, aber wo moͤglich mit einem kleinen Denkzeichen, das dem Dich - ter von Zeit zu Zeit den hinfaͤlligen Menſchen empfinden laſſe, und ihm zu Gemuͤth fuͤhre, daß nicht alle Tragici mit dem Sophokles neunzig Jahr werden; aber, wenn ſie es auch wuͤrden, daß Sophokles auch an die neunzig88 Trauerſpiele, und ich erſt ein einziges gemacht. Neunzig Trauerſpiele! Auf einmal uͤberfaͤllt mich ein Schwindel! *)Th. 27. S. 23.

26.

Ihnen geſtehe ich es am allerungernſten, daß ich bisher nichts weniger als zufrieden geweſen bin. Ich muß es Ihnen aber geſte - hen, weil es die einzige Urſache iſt, warum ich ſo lange nicht an Sie geſchrieben habe.

Nein, das hatte ich mir nicht vorgeſtellt! aus dieſem Ton klagen alle Narren. Ich haͤtte mir es vorſtellen ſollen und koͤnnen, daß unbedeutende Beſchaͤftigungen mehr ermuͤden muͤßten, als das anſtrengendſte Studiren; daß in dem Cirkel, in welchen ich mich hin - einzaubern laſſen, erlogene Vergnuͤgen und Zerſtreuungen uͤber Zerſtreuungen die ſtumpf - gewordene Seele zerruͤtten wuͤrden; daß

Ihr Leßing iſt verlohren. In Jahr und Tag werden Sie ihn nicht mehr kennen. Er89 ſich ſelbſt nicht mehr. O meine Zeit, meine Zeit, mein Alles was ich habe ſie ſo, ich weiß nicht was fuͤr Abſichten aufzuopfern! Hundertmal habe ich ſchon den Einfall ge - habt, mich mit Gewalt aus dieſer Verbin - dung zu reiſſen. Doch kann man einen un - beſonnenen Streich mit dem andern wieder gut machen? *)Th. 28. S. 292.

27.

Meine Eltern betrachten mich, als wenn ich hier ſchon etablirt waͤre; und dieſes bin ich doch ſo wenig, daß ich gar leicht meine laͤngſte Zeit hier geweſen ſeyn doͤrfte. Ich warte nur noch einen einzigen Umſtand ab, und wenn dieſer nicht nach meinem Willen ausfaͤllt, ſo kehre ich zu meiner alten Lebens - art wieder zuruͤck. Ich habe mit dieſen Nichtswuͤrdigkeiten nun ſchon mehr als drei Jahr verlohren. Es iſt Zeit, daß ich wieder90 in mein Geleiſe komme. Alles was ich durch meine jetzige Lebensart intendirte, das habe ich erreicht; ich habe meine Geſundheit ſo ziemlich wieder hergeſtellt, ich habe ausgeru - het Ich bin uͤber die Haͤlfte meines Lebens und wuͤßte nicht, was mich noͤthigen koͤnnte, mich auf den kuͤrzeren Reſt deſſelben noch zum Sklaven zu machen. Wie es wei - ter werden wird, iſt mein geringſter Kummer. Wer geſund iſt und arbeiten will, hat in der Welt nichts zu fuͤrchten. Langwierige Krank - heiten und ich weiß nicht was fuͤr Umſtaͤnde befuͤrchten, die außer Stand zu arbeiten ſetzen koͤnnen, zeigt ein ſchlechtes Vertrauen auf die Vorſehung. Ich habe ein beſſeres, und habe Freunde. *)Leben und Nachlaß Th. 1. S. 250.

28.

Fragen Sie mich nicht, auf was ich nach H. gehe. Eigentlich auf nichts. Wenn91 ſie mir in H. nur nichts nehmen, ſo geben ſie mir eben ſo viel als ſie mir hier gegeben ha - ben. Doch Ihnen brauche ich nichts zu ver - hehlen. Ich habe allerdings mit dem dorti - gen neuen Theater und den Entrepreneurs deſſelben eine Art von Abkommen getroffen, welches mir auf einige Jahre ein ruhiges und angenehmes Leben verſpricht. Als ich mit ihnen ſchloß, fielen mir die Worte aus dem Juvenal bei:

Quod non dant proceres, dabit hiſtrio*) Was die Großen nicht geben wollen, moͤ - ge das Schauſpiel geben.

Ich will meine theatraliſchen Werke, welche laͤngſt auf die letzte Hand gewartet haben, daſelbſt vollenden und auffuͤhren laſſen. Sol - che Umſtaͤnde waren nothwendig, die faſt erlo - ſchene Liebe zum Theater wieder bei mir zu entzuͤnden. Ich fing eben an, mich in andre Studien zu verlieren, die mich gar bald zu92 aller Arbeit des Genies wuͤrden unfaͤhig ge - macht haben. Mein Laokoon iſt nun wie - der die Nebenarbeit. Mich duͤnkt, ich komme mit der Fortſetzung deſſelben fuͤr den großen Haufen unſrer Leſer auch noch immer fruͤh genug. Die wenigen, die mich jetzt leſen, ver - ſtehen von der Sache eben ſo viel wie ich, und mehr. *)Th. 29. S. 141.

29.

Und hat es nicht das Publikum in ſei - ner Gewalt, was es an Geſchmack und Ein - ſicht beim Theater mangelhaft finden ſollte, abſtellen und verbeſſern zu laſſen? Es kom - me nur, und ſehe und hoͤre, und pruͤfe und richte. Seine Stimme ſoll nie geringſchaͤtzig verhoͤret, ſein Urtheil ſoll nie ohne Unterwer - fung vernommen werden.

Nur daß ſich nicht jeder kleine Kritikaſter fuͤr das Publikum halte, und derjenige, deſſen93 Erwartungen getaͤuſcht werden, auch ein we - nig mit ſich ſelbſt zu Rathe gehe, von wel - cher Art ſeine Erwartungen geweſen. Nicht jeder Liebhaber iſt Kenner; nicht jeder, der die Schoͤnheiten Eines Stuͤcks, das richtige Spiel Eines Akteurs empfindet, kann darum auch den Werth aller andern ſchaͤtzen. Man hat keinen Geſchmack, wenn man nur einen ein - ſeitigen Geſchmack hat; aber oft iſt man de - ſto partheiiſcher. Der wahre Geſchmack iſt der allgemeine, der ſich uͤber Schoͤnheiten von jeder Art verbreitet, aber von keiner mehr Vergnuͤgen und Entzuͤcken erwartet, als ſie nach ihrer Art gewaͤhren kann.

Der Stufen ſind viel, die eine werden - de Buͤhne bis zum Gipfel der Vollkommen - heit zu durchſteigen hat; aber eine verderb - te Buͤhne iſt von dieſer Hoͤhe, natuͤrlicher Weiſe, noch weiter entfernt: und ich fuͤrchte ſehr, daß die Deutſche mehr dieſes als jenes iſt.

Alles kann folglich nicht auf einmal ge - ſchehen. Doch was man nicht wachſen ſieht,94 findet man nach einiger Zeit gewachſen. Der Langſamſte, der ſein Ziel nur nicht aus den Augen verlieret, geht noch immer geſchwinder, als der ohne Ziel herumirret. *)Ankuͤndigung der Dramaturgie, des reichſten kritiſchen Werks Leßings. Aus dem reichſten Vorrathe ſind hier nur wenige Stel - len gewaͤhlt, die Leßings Charakter naͤher zeigen; ſeinen durchdringenden, ſchneidenden Verſtand, ſo wie ſeine Billigkeit und Scho - nung beweiſet die Dramaturgie von Anfange bis zum Ende. A. d. H.

30.

Die Namen von Fuͤrſten und Helden koͤn - nen einem Stuͤck Pomp und Majeſtaͤt geben; aber zur Ruͤhrung tragen ſie nichts bei. Das Ungluͤck derjenigen, deren Umſtaͤnde den unſri - gen am naͤchſten kommen, muß natuͤrlicher Weiſe am tiefſten in unſre Seele dringen; und wenn wir mit Koͤnigen Mitleiden haben,95 ſo haben wir es mit ihnen als mit Menſchen, nicht als mit Koͤnigen. Macht ihr Stand ſchon oͤfters ihre Unfaͤlle wichtiger, ſo macht er ſie darum nicht intereſſanter. Immerhin moͤgen ganze Voͤlker darein verwickelt werden; unſre Sympathie erfordert einen einzelnen Gegenſtand, und ein Staat iſt ein viel zu abſtrakter Begrif fuͤr unſre Empfindung. *)Dramat. St. 14.

31.

Wenn die Belagerung von Ca - lais**)Ein bekanntes Drama von Du Belloy. nicht verdiente, daß die Franzoſen einen ſolchen Laͤrmen damit machten, ſo ge - reicht doch dieſer Laͤrmen ſelbſt den Franzoſen zur Ehre. Er zeigt ſie als ein Volk, das auf ſeinen Ruhm eiferſuͤchtig iſt; auf das die gro - ßen Thaten ſeiner Vorfahren den Eindruck nicht verlohren haben; das, von dem Werth eines Dichters und von dem Einfluß des96 Theaters auf Tugend und Sitten uͤberzeugt, jenen nicht zu ſeinen unnuͤtzen Gliedern rech - net, dieſes nicht zu den Gegenſtaͤnden zaͤhlt, um die ſich nur geſchaͤftige Muͤßiggaͤnger be - kuͤmmern. Wie weit ſind wir Deutſchen in dieſem Stuͤck noch hinter den Franzoſen. Es gerade herauszuſagen: wir ſind gegen ſie noch die wahren Barbaren! Barbariſcher, als un - ſre barbariſchten Voreltern, denen ein Lieder - ſaͤnger ein ſehr ſchaͤtzbarer Mann war, und die, bey aller ihrer Gleichguͤltigkeit gegen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, die Frage, ob ein Barde, oder einer der mit Baͤrenfellen und Bernſtein handelt, der nuͤtzlichere Buͤrger waͤ - re? ſicherlich fuͤr die Frage eines Narren ge - halten haͤtten. Ich mag mich in Deutſch - land umſehen, wo ich will, die Stadt ſoll noch gebauet werden von der ſich erwarten ließe, daß ſie nur den tauſendſten Theil der Achtung und Erkenntlichkeit gegen einen Deut - ſchen Dichter haben wuͤrde, die Calais gegen den Du Belloi gehabt hat. Man erkennees97es immer fuͤr Franzoͤſiſche Eitelkeit: wie weit haben wir noch hin, ehe wir zu ſo einer Ei - telkeit faͤhig ſeyn werden! Was Wunder auch? Unſre Gelehrten ſelbſt ſind klein ge - nug, die Nation in der Geringſchaͤtzung alles deſſen zu beſtaͤrken, was nicht geradezu den Beutel fuͤllet. Man ſpreche von einem Wer - ke des Genies, von welchem man will; man rede von der Aufmunterung der Kuͤnſtler; man aͤußere den Wunſch, daß eine reiche bluͤ - hende Stadt der anſtaͤndigſten Erholung fuͤr Maͤnner, die in ihren Geſchaͤften des Tages Laſt und Hitze getragen, und der nuͤtzlichſten Zeitkuͤrzung fuͤr andre, die gar keine Geſchaͤf - te haben wollen, durch ihre bloße Theilneh - mung aufhelfen moͤge: und ſehe und hoͤre um ſich. *)Dramat. St. 18.

32.

Es iſt einem jeden vergoͤnnt, ſeinen eig - nen Geſchmack zu haben; und es iſt ruͤhmlich,Neunte Sammlung. G98ſich von ſeinem eignen Geſchmack Rechenſchaft zu geben ſuchen. Aber den Gruͤnden, durch die man ihn rechtfertigen will, eine Allgemein - heit ertheilen, die, wenn es ſeine Richtigkeit damit haͤtte, ihn zu dem einzigen wahren Ge - ſchmack machen muͤßte, heißt aus den Gren - zen des forſchenden Liebhabers herausgehen, und ſich zu einem eigenſinnigen Geſetzgeber aufwerfen. Der wahre Kunſtrichter folgert keine Regeln aus ſeinem Geſchmack, ſondern hat ſeinen Geſchmack nach den Regeln gebil - det, welche die Natur der Sache erfordert. *)Dramat. St. 19.

33.

Ich weiß einem Kuͤnſtler nur eine einzige Schmeichelei zu machen; und dieſe beſteht darinn, daß ich annehme, er ſei von aller ei - teln Empfindlichkeit entfernt, die Kunſt gehe bei ihm uͤber alles, er hoͤre gern frei und laut uͤber ſich urtheilen, und wolle ſich lieber auch99 dann und wann falſch, als ſeltner beurtheilt wiſſen. Wer dieſe Schmeichelei nicht verſteht, bei dem erkenne ich mich gar bald irre, und er iſt nicht werth, daß wir ihn ſtudiren. Der wahre Virtuoſe glaubt es nicht einmal, daß wir ſeine Vollkommenheit einſehen und em - pfinden, wenn wir auch noch ſo viel Geſchrei davon machen, ehe er nicht merkt, daß wir auch Augen und Gefuͤhl fuͤr ſeine Schwaͤche haben. Er ſpottet bei ſich uͤber jede uneinge - ſchraͤnkte Bewunderung, und nur das Lob desjenigen freuet ihn, von dem er weiß, daß er auch das Herz hat, ihn zu tadeln. *)Dramat. St. 25.

34.

Wie ſchwach muß der Eindruck ſeyn, den das Werk gemacht hat, wenn man in eben dem Augenblick auf nichts begieriger iſt, als die Figur des Meiſters dagegen zu halten? G 2100Das wahre Meiſterſtuͤck, duͤnkt mich, erfuͤlle uns ſo ganz mit ſich ſelbſt, daß wir des Ur - hebers daruͤber vergeſſen; daß wir es nicht als das Produkt eines einzelnen Weſens, ſondern der allgemeinen Natur betrachten. Young ſagt von der Sonne, es waͤre Suͤn - de in den Heiden geweſen, ſie nicht anzubeten. Wenn Sinn in dieſer Hyperbel liegt, ſo iſt er dieſer: der Glanz, die Herrlichkeit der Son - ne iſt ſo groß, ſo uͤberſchwenglich, daß es dem roheren Menſchen zu verzeihen, daß es ſehr natuͤrlich war, wenn er ſich keine groͤßere Herrlichkeit, keinen Glanz denken konnte, von dem jener nur ein Abglanz ſei, wenn er ſich alſo in der Bewunderung der Sonne ſo ſehr verlohr, daß er an den Schoͤpfer der Sonne nicht dachte. Ich vermuthe, die wahre Urſa - che, warum wir ſo wenig Zuverlaͤſſiges von der Perſon und den Lebensumſtaͤnden des Homer wiſſen, iſt die Vortrefflichkeit ſeiner Gedichte ſelbſt. Wir ſtehen voller Erſtaunen an dem breiten rauſchenden Fluſſe, ohne an101 ſeine Quelle im Gebirge zu denken. Wir wollen es nicht wiſſen, wir finden unſre Rech - nung dabei es zu vergeſſen, daß Homer, der blinde Bettler, eben der Homer iſt, der uns in ſeinen Werken ſo entzuͤckt. Er bringt uns unter Goͤtter und Helden; wir muͤßten in die - ſer Geſellſchaft viel Langeweile haben, um uns nach dem Thuͤrſteher ſo genau zu erkun - digen, der uns hereingelaſſen. Die Taͤuſchung muß ſehr ſchwach ſeyn, man muß wenig Na - tur, aber deſto mehr Kuͤnſtelei empfinden, wenn man ſo neugierig nach dem Kuͤnſt - ler iſt. *)Dramat. St. 36.

35.

Kann es nicht eben ſowohl ſeyn, daß der Dichter und Kuͤnſtler das, was ich fuͤr Fle - cken halte, fuͤr keine haͤlt? Und iſt es nicht ſehr wahrſcheinlich, daß er mehr Recht hat, als ich? Ich bin uͤberzeugt, daß das Auge102 des Kuͤnſtlers groͤßtentheils viel ſcharfſichtiger iſt, als das ſcharfſichtigſte ſeiner Betrachter. Unter zwanzig Einwuͤrfen, die ihm dieſe ma - chen, wird er ſich von neunzehn erinnern, ſie waͤhrend der Arbeit ſich ſelbſt gemacht, und ſie auch ſchon ſich ſelbſt beantwortet zu haben. Gleichwohl wird er nicht ungehalten ſeyn, ſie auch von andern machen zu hoͤren: denn er hat es gern, daß man uͤber ſein Werk ur - theilet; ſchal oder gruͤndlich, links oder rechts, gutartig oder haͤmiſch, alles gilt ihm gleich; und auch das ſchalſte, linkſte, haͤmiſchſte Ur - theil iſt ihm lieber als kalte Bewunderung. Jenes wird er auf die eine oder die andre Art in ſeinen Nutzen zu verwenden wiſſen; aber was faͤngt er mit dieſer an? Verach - ten moͤchte er die guten ehrlichen Leute nicht gern, die ihn fuͤr ſo etwas Außerordentli - ches halten: und doch muß er die Achſeln uͤber ſie zucken. Er iſt nicht eitel, aber er iſt gemeiniglich ſtolz; und aus Stolz moͤch - te er zehnmal lieber einen unverdienten Ta -103 del, als ein unverdientes Lob auf ſich ſitzen laſſen. *)Dramat. 73.

36.

Der Gedanke iſt an und fuͤr ſich ſelbſt graͤßlich, daß es Menſchen geben kann, die ohne alle ihre Schuld ungluͤcklich ſind. Die Heiden haͤtten dieſen graͤßlichen Gedanken ſo weit von ſich zu entfernen geſucht als moͤg - lich; und wir wollten ihn naͤhren? wir woll - ten uns an Schauſpielen vergnuͤgen, die ihn beſtaͤtigen? wir? die Religion und Vernunft uͤberzeugt haben ſollte, daß er eben ſo unrich - tig als gotteslaͤſterlich iſt. **)Dramat. St. 82.

37.

Ich bin weder Schauſpieler noch Dich - ter. Man erweiſet mir zwar manchmal die Ehre mich fuͤr den letztern zu erkennen; aber104 nur weil man mich verkennt. Aus einigen dramatiſchen Verſuchen, die ich gewagt habe, ſollte man nicht ſo freigebig folgern. Nicht jeder, der den Pinſel in die Hand nimmt und Farben verquiſtet, iſt ein Mahler. Die aͤlteſten von jenen Verſuchen ſind in den Jah - ren hingeſchrieben, in welchen man Luſt und Leichtigkeit ſo gern fuͤr Genie haͤlt. Was in den neuern Ertraͤgliches iſt, davon bin ich mir bewußt, daß ich es einzig und allein der Kri - tik zu verdanken habe. Ich fuͤhle die leben - dige Quelle nicht in mir, die durch eigne Kraft ſich empor arbeitet, durch eigne Kraft in ſo reichen, ſo friſchen, ſo reinen Stralen auf - ſchießt, ich muß alles durch Druckwerk und Roͤhren bei mir heraufpreſſen. Ich wuͤrde ſo arm, ſo kalt, ſo kurzſichtig ſeyn, wenn ich nicht einigermaßen gelernt haͤtte, fremde Schaͤ - tze beſcheiden zu borgen, an fremdem Feuer mich zu waͤrmen und durch die Glaͤſer der Kunſt mein Auge zu ſtaͤrken. Ich bin daher immer beſchaͤmt oder verdrießlich geworden,105 wenn ich zum Nachtheil der Kritik etwas las oder hoͤrte. Sie ſoll das Genie erſticken: und ich ſchmeichelte mir, etwas von ihr zu erhalten, was dem Genie ſehr nahe kommt. Ich bin ein Lahmer, den eine Schmaͤhſchrift auf die Kruͤcke unmoͤglich erbauen kann. *)Sollte dieſe beſcheidne Aeußerung Leßings nicht etwas ungerecht gegen ihn ſelbſt ſeyn? Jeder muß ſich am beſten kennen, und Leßing war kein Demuͤthiger, der durch eine falſche Beſcheidenheit ein groͤßeres Lob zu erjagen ſuchte, noch ein Fauler, der Talente in ſich ablaͤugnete, um ſie nicht brauchen zu doͤrfen. Nichts aber iſt truͤglicher, als die Meinung, die wir von uns ſelbſt in einzelnen Le - bensperioden faſſen und hegen; wir brin - gen die Umſtaͤnde außer uns oft zu wenig, oft zu viel in Anſchlag. Setzet Leßing in ein Land, an einen Ort, in Umſtaͤnde, unter denen die lebendige Quelle von Jugend auf ſich em - porarbeiten konnte, wo ihr tauſend lebendige Kraͤfte, ungeſehen und unbemerkt halfen; er haͤtte weniger des Druckwerks, der Roͤhren noͤthig gehabt, aus ſich heraus zu preſſen,

106

Doch freilich; wie die Kruͤcke dem Lahmen wohl hilft, ſich von einem Ort zum andern*)was von ſelbſt mit reichen, friſchen, reinen Stralen aufgeſchoſſen waͤre. Nicht die Kri - tik, ſondern der leere Luftraum erſtickt und toͤdtet. Er preſſet unter Beduͤrfniſſen, unter Verhaͤltniſſen, die dem Geiſt keinen Tropfen Erquickung (pabulum vitae) geben, und jagt zuletzt den Verzweifelnden hie und dort hin, allenthalben an flache Waͤnde. Leßings Lebensumſtaͤnde dringen dem Verwundernden die Frage ab: nicht, warum er nicht mehr hervorgebracht? ſondern wie er in ſeinen La - gen Das und So viel und ſo kraͤftig habe hervorbringen koͤnnen, was er geleiſtet. Dazu half ihm, wie er ſagt, Kritik; aber Kritik kann Kraͤfte nicht geben, ſondern nur regeln, ordnen. Alſo war die Kaͤnntniß der Alten, die Bekanntſchaft mit fremden Sprachen, mit gluͤcklichern Genies unter lebhaftern Voͤl - kern in beſſern Zeiten das Feuer, daran er ſich waͤrmte, das kuͤnſtliche Glas, wodurch er ſein Auge ſtaͤrkte. Und wehe dem beſten Deutſchen Kopf, der ſich nicht aus ſeiner, in dieſe alte, oder fremde Welt zuweilen zu ſe -107 zu bewegen, aber ihn nicht zum Laͤufer ma - chen kann, ſo auch die Kritik. Wenn ich mit ihrer Huͤlfe etwas zu Stande bringe, welches beſſer iſt, als es einer von meinen Ta - lenten ohne Kritik machen wuͤrde: ſo koſtet es mir ſo viel Zeit, ich muß von andern Geſchaͤf - ten ſo frei, von unwillkuͤhrlichen Zerſtreuun - gen ſo ununterbrochen ſeyn, ich muß meine ganze Beleſenheit ſo gegenwaͤrtig haben, ich muß bei jedem Schritte alle Bemerkungen, die ich jemals uͤber Sitten und Leidenſchaften gemacht, ſo ruhig durchlaufen koͤnnen; daß zu einem Arbeiter, der ein Theater mit Neuig -*)tzen weiß! Er wird und muß in die Zunft jener Geſchoͤpfe gerathen, die, (S. Dramat. Bl. 22.) in Deutſcher Alltagskleidung, in ei - ner engen Sphaͤre kuͤmmerlicher Umſtaͤnde in - nerhalb ihrer viel Pfaͤhle herumtraͤumen. Alle wiſſen wir, welche Witterung es ſei, die die Senne des beſten Bogens er - ſchlafft und die gefuͤllteſte Maſchiene ihrer elektriſchen Kraft ſanft entladet. A. d. H.108 keiten unterhalten ſoll, niemand in der Welt ungeſchickter ſeyn kann als ich.

Was Goldoni fuͤr das italiaͤniſche Thea - ter that, der es in Einem Jahre mit dreizehn neuen Stuͤcken bereicherte, das muß ich fuͤr das deutſche zu thun folglich bleiben laſſen. Ja das wuͤrde ich bleiben laſſen, wenn ich es auch koͤnnte. Ich bin mißtrauiſcher gegen alle erſte Gedanken, als de la Caſa und der alte Shandy nur immer geweſen ſind. Denn wenn ich ſie auch ſchon nicht fuͤr Ein - gebungen des boͤſen Feindes, weder des eigent - lichen noch des allegoriſchen halte: ſo denke ich doch immer, daß die erſten Gedanken die erſten ſind. Meine erſten Gedanken ſind ge - wiß kein Haar beſſer, als Jedermanns erſte Gedanken; und mit Jedermanns Gedanken bleibt man am kluͤgſten zu Hauſe.

38.

Seines Fleißes darf ſich Jedermann ruͤh - men: ich glaube die dramatiſche Dichtkunſt109 ſtudirt zu haben, ſie mehr ſtudirt zu haben, als zwanzig die ſie ausuͤben. Ich verlange auch nur eine Stimme unter uns, wo ſo man - cher ſich eine anmaaßt, der, wenn er nicht dem oder jenem Auslaͤnder nachplaudern ge - lernt haͤtte, ſtummer ſeyn wuͤrde, als ein Fiſch. Aber man kann ſtudiren und ſich tief in den Irrthum hineinſtudiren. Was mich alſo verſichert, daß mir dergleichen nicht begegnet ſei, daß ich das Weſen der dramati - ſchen Dichtkunſt nicht verkenne, iſt dieſes, daß ich es vollkommen ſo erkenne, wie es Ariſto - teles aus den unzaͤhligen Meiſterſtuͤcken der griechiſchen Buͤhne abſtrahirt hat. Ich ſtehe nicht an, zu bekennen (und ſollte ich in die - ſen erleuchteten Zeiten auch daruͤber ausgelacht werden!) daß ich ſie fuͤr ein eben ſo unfehl - bares Werk halte, als die Elemente des Eu - klides nur immer ſind. Ihre Grundſaͤtze ſind eben ſo wahr und gewiß, nur freilich nicht ſo faßlich, und daher mehr der Chikane aus - geſetzt, als alles was dieſe enthalten.

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Ich wage es hier eine Aeußerung zu thun, man mag ſie doch nehmen, wofuͤr man will! Man nenne mir das Stuͤck des großen Corneille, welches ich nicht beſſer machen wollte. Was gilt die Wette?

Man merke aber wohl, was ich hinzuſetze: Ich werde es zuverlaͤßig beſſer machen und doch lange kein Corneille ſeyn und doch lange kein Meiſterſtuͤck gemacht haben. Ich werde es beſſer machen und mir doch wenig darauf einbilden doͤrfen. Ich werde nichts ge - than haben, als was jeder thun kann, der ſo feſt an den Ariſtoteles glaubt, wie ich. *)Dramat. St. 101 104.

39.

Ich gehe kuͤnftigen von weg. Und wohin? Geraden Weges nach Rom. Was ich in Rom will, werde ich Ihnen aus Rom ſchreiben. **)O daß er gegangen waͤre! damals gegan - gen waͤre! Er lebte vielleicht noch.Von hier aus kann ich Ihnen111 nur ſo viel ſagen, daß ich in Rom wenigſtens eben ſo viel zu ſuchen und zu erwarten habe als an einem Orte in Deutſchland. So viel kann ich ungefaͤhr noch mithinbringen, um ein Jahr da zu leben; wenn das alle iſt, nun ſo waͤre es auch hier alle, und ich bin gewiß ver - ſichert, daß es ſich luſtiger und erbaulicher in Rom muß hungern und betteln laſſen als in Deutſchland. *)Th. 27. S. 159.

40.

Noch erwartet man vielleicht vom Verf. (der antiquariſchen Briefe) daß er ſich uͤber den Ton erklaͤre, den er in ihnen genommen. Vide quam sim antiquorum homi - num!**)Siehe, wie ſehr ich ein Mann aus der al - ten Welt bin. antwortete Cicero dem lauen Atti - cus, der ihm vorwarf, daß er ſich uͤber et - was waͤrmer, rauher und bitterer ausgedruͤckt112 habe, als man von ſeinen Sitten erwarten koͤnnen.

Der ſchleichende ſuͤße Complimentirton ſchickte ſich weder zu dem Vorwurfe, noch zu der Einkleidung. Auch liebt ihn der Verfaſſer uͤberhaupt nicht, der mehr das Lob der Be - ſcheidenheit als der Hoͤflichkeit ſucht. Die Beſcheidenheit richtet ſich genau nach dem Verdienſte, das ſie vor ſich hat; ſie giebt je - dem, was jedem gebuͤhret. Aber die ſchlaue Hoͤflichkeit giebt allen alles, um von allen al - les wieder zu erhalten. Die Alten kannten das Ding nicht, was wir Hoͤflichkeit nennen. Ihre Urbanitaͤt war von ihr eben ſo weit als von der Grobheit entfernt.

Der Neidiſche, der Haͤmiſche, der Rangſuͤchtige, der Verhetzer iſt der wah - re Grobe; er mag ſich noch ſo hoͤflich aus - druͤcken.

Doch es ſei, daß jene gothiſche Hoͤflich - keit eine unentbehrliche Tugend des heutigen Umganges iſt. Soll ſie darum unſere Schrif -ten113ten eben ſo ſchal und falſch machen, als un - ſern Umgang? *)Vorrede zu den Antiquar. Briefen.

41.

Die wahre Beſcheidenheit eines Gelehrten beſtehet darinn, daß er genau die Schranken ſeiner Kenntniſſe und ſeines Geiſtes kennet, innerhalb deren er ſich zu halten hat; daß er fuͤr jeden Schriftſteller ſo viel Achtung hegt, ihm nicht eher zu widerſprechen, als bis er ihn verſtanden; daß er in den Streitigkeiten, die er ſich ſelbſt zuziehet, rund zu Werk geht, nicht tergiverſirt u. f. Mit ſolchen Wendun - gen macht ſich nur die beleidigte Eitelkeit aus dem Staube; und ein eitler Mann iſt zwar hoͤflich, aber nie beſcheiden. **)Antiqu. Br. 51.

42.

Jeder Tadel, jeder Spott, den der Kunſtrichter mit dem kritiſirten Buche in der Hand gutmachen kann, iſt dem KunſtrichterNeunte Sammlung. H114erlaubt. Auch kann ihm niemand vorſchrei - ben, wie ſanft oder wie hart, wie lieblich oder wie bitter er die Ausdruͤcke eines ſolchen Tadels oder Spottes waͤhlen ſoll. Er muß wiſſen, welche Wirkung er damit hervorbrin - gen will, und es iſt nothwendig, daß er ſeine Worte nach dieſer Wirkung abwaͤget.

Aber ſobald der Kunſtrichter verraͤth, daß er von ſeinem Autor mehr weiß, als ihm die Schriften deſſelben ſagen koͤnnen; ſo bald er ſich aus dieſer naͤhern Kenntniß des gering - ſten nachtheiligen Zuges wider ihn bedienet: ſogleich wird ſein Tadel perſoͤnliche Beleidi - gung. Er hoͤret auf Kunſtrichter zu ſeyn und wird das veraͤchtlichſte, was ein vernuͤnfti - ges Geſchoͤpf werden kann Klaͤtſcher, An - ſchwaͤrzer, Pasquillant. *)Antiquar. B. 57.

43.

Es thut mir leid, wenn mein Styl ir - gendwo blos ſatyriſch iſt. Meinem Vorſatze115 nach ſoll er allezeit mehr als ſatyriſch ſeyn. Und was ſoll er mehr ſeyn als ſatyriſch? Treffend.

Aber die Hoͤflichkeit iſt doch eine ſo ar - tige Sache Gewiß! denn ſie iſt eine ſo kleine!

Aber ſo artig, wie man will: die Hoͤflich - keit iſt keine Pflicht; und nicht hoͤflich ſeyn, iſt noch lange nicht, grob ſeyn. Hingegen, zum Beſten der Mehrern, freimuͤthig ſeyn, iſt Pflicht; ſogar es mit Gefahr ſeyn, daruͤber fuͤr ungeſittet und boͤsartig gehalten zu wer - den, iſt Pflicht.

Wenn ich Kunſtrichter waͤre, wenn ich mir getraute, das Kunſtrichterſchild aushaͤngen zu koͤnnen; ſo wuͤrde meine Tonleiter dieſe ſeyn. Gelinde und ſchmeichelnd gegen den Anfaͤnger; mit Bewunderung zweifelnd, mit Zweifel be - wundernd gegen den Meiſter; abſchreckend und poſitiv gegen den Stuͤmper; hoͤhniſch ge - gen den Prahler; und ſo bitter als moͤglich gegen den Cabalenmacher.

H 2116

Der Kunſtrichter, der gegen alle nur Einen Ton hat, haͤtte beſſer gar keinen. Und beſon - ders der, der gegen alle nur hoͤflich iſt, iſt im Grunde gegen die er hoͤflich ſeyn koͤnnte, grob. *)Br. 57.

44.

Gewiſſe Dinge verdienten freilich nie geſagt zu werden; und doch muͤſſen ſie wenig - ſtens Einmal geſagt werden.

Die perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe der Schrift - ſteller gegen einander intereſſiren kaum den kleinſten Theil des zeitverwandten Publici. Welcher wuͤnſcht, daß ſein Buch auch bei der Nachwelt nicht ganz vergeſſen ſei und welcher ſollte es nicht wuͤnſchen? muß uͤber nichts ſtreiten, was nur ihn ſelbſt angeht. **)Th. 12. S. 169.

117

45.

Er ſei ein Deutſcher, ein Wahle, oder was er will, geweſen; er war Einer von den ganz gemeinen Leuten, die mit halboffnen Au - gen, wie im Traum ihren Weg ſo fortſchlen - dern. Entweder weil ſie nicht ſelbſt denken koͤnnen, oder aus Kleinmuth nicht ſelbſt den - ken zu doͤrfen vermeinen, oder aus Gemaͤch - lichkeit nicht wollen, halten ſie feſt an dem, was ſie in ihrer Kindheit gelernt haben: und gluͤcklich gnug, wenn ſie nur von andern nicht verlangen, daß ſie ihrem Beiſpiel hierinn fol - gen ſollen. *)Berengar. Turon. Th. 13. S. 11.

Das Ding, das man Ketzer nennt, hat eine ſehr gute Seite. Es iſt ein Menſch, der mit ſeinen eignen Augen wenigſtens ſehen wol - len. Die Frage iſt nur, ob es gute Augen geweſen, mit welchen er ſelbſt ſehen wollen. Ja in gewiſſen Jahrhunderten iſt der Name Ketzer die groͤßte Empfehlung, die von einem118 Gelehrten auf die Nachwelt gebracht werden koͤnnen: noch groͤßer als der Name Zauberer, Magus, Teufelsbanner; denn unter dieſen laͤuft doch mancher Betruͤger mit unter.

46.

Ich weiß nicht, ob es Pflicht iſt, Gluͤck und Leben der Wahrheit aufzuopfern; wenig - ſtens ſind Muth und Entſchloſſenheit, welche dazu gehoͤren, keine Gaben, die wir uns ſelbſt geben koͤnnen. Aber das, weiß ich, iſt Pflicht, wenn man Wahrheit lehren will, ſie ganz oder gar nicht zu lehren; ſie klar und rund, ohne Raͤthſel, ohne Zuruͤckhaltung, ohne Miß - trauen in ihre Kraft und Nuͤtzlichkeit zu leh - ren; und die Gaben, welche dazu erfodert werden, ſtehen in unſrer Gewalt. Wer die nicht erwerben, oder, wenn er ſie erworben, nicht brauchen will, der macht ſich um den menſchlichen Verſtand nur ſchlecht verdient, wenn er grobe Irrthuͤmer uns benimmt, die volle Wahrheit aber vorenthaͤlt und mit einem119 Mitteldinge von Wahrheit und Luͤge uns be - friedigen will. Denn je groͤber der Irrthum, deſto kuͤrzer und gerader der Weg zur Wahr - heit; da hingegen der verfeinerte Irrthum uns auf ewig von der Wahrheit entfernt halten kann, je ſchwerer uns einleuchtet, daß er Irr - thum iſt.

Der Mann, der bei drohenden Gefahren der Wahrheit untreu wird, kann die Wahr - heit doch ſehr lieben; und die Wahrheit ver - giebt ihm ſeine Untreue, um ſeiner Liebe willen. Aber wer nur darauf denkt, die Wahrheit unter allerlei Larven und Schmin - ke an den Mann zu bringen, der moͤchte wohl gern ihr Kuppler ſeyn, nur ihr Liebha - ber iſt er nie geweſen. Ich wuͤßte kaum et - was Schlechteres als einen ſolchen Kuppler der Wahrheit. *)Th. 13. S. 26.

120

47.

Wozu die fruchtloſen Unterſuchungen der Wahrheit, wenn ſich uͤber die Vorurtheile un - ſrer erſten Erziehung doch kein dauerhafter Sieg erhalten laͤßt? wenn dieſe nie auszurot - ten, ſondern hoͤchſtens nur in eine kuͤrzere oder laͤngere Flucht zu bringen ſind, aus welcher ſie wiederum auf uns zuruͤckſtuͤrzen, eben wenn uns ein andrer Feind die Waffen entriſſen oder unbrauchbar gemacht hat, deren wir uns ehedem gegen ſie bedienten? Nein, nein; einen ſo grauſamen Spott treibt der Schoͤ - pfer mit uns nicht. Wer daher in Beſtrei - tung aller Arten von Vorurtheilen niemals ſchuͤchtern, niemals laß zu werden wuͤnſchet, der beſiege ja dieſes Vorurtheil zuerſt, daß die Eindruͤcke unſrer Kindheit nicht zu vernichten waͤren. Die Begriffe, die uns von Wahrheit und Unwahrheit in unſrer Kindheit beige - bracht werden, ſind gerade die allerflachſten, die ſich am allerleichteſten durch ſelbſterwor -121 bene Begriffe auf ewig uͤberſtreichen laſſen: und diejenigen, bei denen ſie in einem ſpaͤ - tern Alter wieder zum Vorſchein kommen, legen dadurch wider ſich ſelbſt das Zeugniß ab, daß die Begriffe, unter welche ſie jene begraben wollen, noch flacher, noch ſeichter, noch weniger ihr Eigenthum geweſen, als die Begriffe ihrer Kindheit. Nur von ſol - chen Menſchen koͤnnen alſo auch die graͤßli - chen Erzaͤhlungen von ploͤtzlichen Ruͤckfaͤllen in laͤngſt abgelegte Irrthuͤmer auf dem Tod - bette, wahr ſeyn, mit welchen man jeden kleinmuͤthigeren Freund der Wahrheit zur Ver - zweiflung bringen koͤnnte. Freilich muß ein hitziges Fieber aus dem Spiele bleiben; und was noch ſchrecklicher iſt als ein hitziges Fie - ber, Einhalt und Heuchelei muͤſſen das Bet - te des Sterbenden nicht belagern, und ihm ſo lange zuſetzen, bis ſie ihm ein paar zwei - deutige Worte ausgemergelt, mit welchen der arme Kranke ſich bloß die Erlaub -122 niß erkaufen wollte, ruhig ſterben zu koͤn - nen. *)Th. 13. S. 45.

48.

Was ich Ihnen nicht verzeihe, iſt, daß Sie nicht vergnuͤgt ſind. Alles in der Welt hat ſeine Zeit, alles iſt zu uͤberſtehen und zu uͤberſehen, wenn man nur geſund iſt. Ich ſelbſt ſpiele jetzt eine traurige Rolle in meinen Augen und dennoch, bin ich verſichert, wird ſich und muß ſich alles um mich herum wie - der aufheitern; ich will nur immer vor mich weg und ſo wenig als moͤglich hinter mich zu - ruͤckſehen. Thun Sie ein Gleiches. Vergnuͤgt wird man unfehlbar, wenn man ſich nur im - mer vorſetzt, vergnuͤgt zu ſeyn. **)Freundſchaftl. Briefwechſel. S. 26. 37.

49.

Sie werden ſagen, daß ich eine beſonde - re Gabe habe, etwas Gutes an etwas Schlech -123 tem zu entdecken. Die habe ich allerdings; und ich bin ſtolzer darauf, als auf alles, was ich weiß und kann. Nichts kann uns mit der Welt zufriedner machen, als eben dieſe Gabe. Faſt fange ich an zu zweifeln, ob man, ſie in Ausuͤbung zu bringen, in ** eben mehr Gelegenheit hat, als an andern Or - ten. Wie ich hier lebe, wundern ſich mehr Leute, daß ich nicht vor langer Weile und Unluſt umkomme, als ſich wundern wuͤrden, wenn ich wirklich umkaͤme. *)S. 52. 100.

50.

Was kann ich fuͤr Luſt haben, an Leute zu ſchreiben, mit denen ich nur ſehr ſelten Luſt haben wuͤrde, zu ſprechen? Sie wiſſen, was ich Ihnen oft geſtanden habe, daß ich es auf die Laͤnge unmoͤglich hier aushalten kann. Ich werde in der Einſamkeit, in der ich hier leben muß, von Tag zu Tag duͤmmer und ſchlimmer. 124Ich muß wieder unter Menſchen, von denen ich hier ſo gut als gaͤnzlich abgeſondert bin. Beſuche ſind kein Umgang, und ich fuͤhle es, daß ich nothwendig Umgang, Umgang mit Leuten haben muß, die mir nicht gleichguͤltig ſind, wenn noch ein Funken Gutes an mir bleiben ſoll. *)Freundſch. Briefw. Th. 2. S. 15.

Ich kann es mir leider nicht bergen, daß ich hypochondriſcher bin, als ich je zu werden geglaubt habe. So bald ich aus dem ver - wuͤnſchten Schloſſe wieder unter Menſchen komme, ſo geht es wieder eine Weile. Und denn ſage ich mir: Warum auch laͤnger auf dieſem verwuͤnſchten Schloſſe bleiben? Wenn ich noch der alte Sperling auf dem Dache waͤre, ich waͤre ſchon hundertmal wieder fort. **)Th. 2. S. 49.

51.

Ich habe uͤber keine Zeile meiner neuen Tragoͤdie weder hier, noch in ** eine Seele125 koͤnnen zu Rathe ziehn; gleichwohl muß man wenigſtens uͤber ſeine Arbeit mit Jemand ſprechen koͤnnen, wenn man nicht ſelbſt dar - uͤber einſchlafen ſoll. Die bloße Verſicherung, welche die eigne Kritik uns gewaͤhrt, daß man auf dem rechten Wege iſt und bleibt, wenn ſie auch noch ſo uͤberzeugend waͤre, iſt doch ſo kalt und unfruchtbar, daß ſie auf die Ausar - beitung keinen Einfluß hat. *)Th. 30. S. 167.

52.

Wer wird durch Mittheilung und Freund - ſchaft die Sphaͤre ſeines Lebens zu erweitern ſuchen, wenn ihm beinah des ganzen Lebens eckelt? Oder wer hat Luſt nach vergnuͤgten Empfindungen in der Ferne umherzujagen, wenn er in der Naͤhe nichts um ſich ſieht, was ihm deren auch nur Eine gewaͤhren koͤnn - te. Ich habe gearbeitet, mehr als ich ſonſt zu arbeiten gewohnt bin. Aber lauter Dinge,126 die, ohne mich zu ruͤhmen, auch wohl ein groͤßerer Stuͤmper eben ſo gut haͤtte machen koͤnnen. Solche trockne Arbeit laͤßt ſich ſo recht huͤbſch hinſchreiben, ohne alle Theilneh - mung, ohne die geringſte Anſtrengung des Geiſtes. Dabei kann ich mich noch immer mit dem Troſt beruhigen, daß ich meinem Amt Genuͤge thue, und manches dabei lerne; ge - ſetzt auch, daß nicht das Hundertſte von die - ſem Manchen werth waͤre, gelernt zu werden. Doch ich will mich gern noch weit mehr aller Geſellſchaft entziehen, um hier in der Einſam - keit zu kahlmaͤuſern und zu buͤffeln, wenn ich nur ſonſt von einer andern Seite meine Ruhe wieder damit gewinnen kann. *)Th. 30. S. 215.

53.

Daß ich etwas wieder fuͤr das Theater machen ſollte, will ich wohl bleiben laſſen. Kein Menſch unterzieht ſich gern Arbeiten,127 von welchen er ganz und gar keinen Vortheil hat, weder Geld noch Ehre noch Vergnuͤgen. In der Zeit, die mir ein Stuͤck von zehn Bogen koſtet, koͤnnte ich gut und gern mit weniger Muͤhe hundert andre Bogen ſchrei - ben. Zwar habe ich, nach meinem letzten Ueberſchlage, wenigſtens zwoͤlf Stuͤcke, Komoͤ - dien und Tragoͤdien zuſammengerechnet, deren jedes ich innerhalb ſechs Wochen fertig machen koͤnnte. Aber wozu mich, fuͤr nichts und wie - der fuͤr nichts, ſechs Wochen auf die Folter ſpannen? Jeder Kuͤnſtler ſetzt ſeine Preiſe; jeder Kuͤnſtler ſucht ſo gemaͤchlich von ſeinen Werken zu leben, als moͤglich: warum denn nun nicht auch der Dichter? Wenn meine Stuͤcke nicht hundert Louisd'or werth ſind; ſo ſagt mir lieber gar nichts mehr davon: denn ſie ſind ſodann gar nichts mehr werth. Fuͤr die Ehre meines lieben Vaterlandes will ich keine Feder anſetzen, und wenn ſie auch in dieſem Stuͤck auf immer einzig und allein von meiner Feder abhangen ſollte. Fuͤr meine128 Ehre aber iſt es mir gnug, wenn man nur ungefaͤhr ſieht, daß ich allenfalls in dieſem Fa - che etwas zu thun im Stande geweſen waͤre. Alſo Geld fuͤr die Fiſche oder bekoͤſtigt euch noch lange mit Operetten.

Es waͤre auch naͤrriſch, wenn ich den ein - zigen Weg, Geld zu verdienen, mir wenig - ſtens nicht offen halten und das Publikum erſt mit meinen Stuͤcken ſaͤttigen wollte. Das Geld iſt gerade das, was mir fehlt; und mir mehr fehlt, als es mir jemals gefehlt hat. Ich will ſchlechterdings in Jahr und Tag keinem Menſchen mehr etwas ſchuldig ſeyn, und dazu gehoͤrt ein beſſerer Gebrauch meiner Zeit als fuͤr das Theater. *)Th. 30. S. 224.

54.

Mein Stillſchweigen hat noch immer die nehmliche Urſache. Ich bin aͤrgerlich undarbeite,129arbeite, weil Arbeiten doch das einzige Mit - tel iſt, um einmal aufzuhoͤren, jenes zu ſeyn. Ich bin in meinem Leben ſchon in ſehr elen - den Umſtaͤnden geweſen, aber doch nie in ſol - chen, wo ich im eigentlichen Verſtande um Brodt geſchrieben haͤtte. Ich habe meine Beitraͤge*)Beitraͤge zur Geſchichte und Literatur aus den Schaͤtzen der Herzogl. Bibliothek zu Wol - fenbuͤttel. 1773. blos darum angefangen, weil dieſe Arbeit foͤrdert, indem ich nur einen Wiſch nach dem andern in die Druckerei ſchicken darf, und ich doch dafuͤr von Zeit zu Zeit ein Paar Louisd'or bekomme, um von einem Tage zum andern zu leben. Wer nun noch daran zweifelt, daß es die abſolute Unmoͤglichkeit iſt, warum ich gewiſſe Pflichten nicht erfuͤlle, mein Verſprechen in gewiſſen Dingen nicht halte, den bin ich ſehr geneigt, eben ſo ſehr zu verkennen als er mich verkennt. **)Th. 30. S. 236.

Neunte Sammlung. J130

Vor einiger Zeit ließ es ſich hier an, als ob man mir gluͤcklichere Ausſichten machen wollte. Aber ich ſehe wohl, daß man mir nur das Maul ſchmieren wollen. Denkt man gar nicht oder nicht ſo bald darauf, ſo koͤnnen ſie ſehr verſichert ſeyn, daß ich fuͤr nichts in der Welt mich hier halten laſſe; und in Jahr und Tag laͤngſtens ſchreibe ich Dir aus einem an - dern Ort. Es iſt ohnedies zwar recht gut, eine Zeitlang in einer großen Bibliothek zu ſtu - diren; aber ſich darinn vergraben iſt eine Raſe - rei. Ich merke es ſo gut als andre, daß die Ar - beiten, die ich jetzt thue, mich ſtumpf machen. Aber daher will ich auch je eher je lieber mit ih - nen fertig ſeyn und meine Beitraͤge, ununterbro - chen, bis auf die letzte Armſeeligkeit, die nach meinem erſten Plan hineinkommen ſoll, fortſe - tzen und ausfuͤhren. Dieſes nicht thun, wuͤrde heißen, die drei Jahre, die ich nun hier zuge - bracht, muthwillig verlieren wollen. *)Th. 30. S. 238.

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55.

Hier haben Sie einen ganzen Miſtwagen voll Moos und Schwaͤmme. *)Ebengenannte Beitraͤge aus den Schaͤtzen der Wolfenbuͤttelſchen Bibliothek. 1772.Eine Frage faͤllt mir dabei ein, die Sie mir gelegentlich beantworten koͤnnen. Iſt es die Eiche, oder iſt es der Boden, worinn die Eiche ſteht, welcher das Moos und die Schwaͤmme um und an der Eiche hervorbringt? Iſt es der Boden? was kann die Eiche dafuͤr, wenn endlich des Mooſes und der Schwaͤmme ſo viel wird, daß ſie alle Nahrung an ſich ziehen, und der Gipfel der Eiche daruͤ - ber verdorret? Doch er verdorre immer - hin! Die Eiche, ſo lange ſie lebt, lebt nicht durch ihren Gipfel, ſondern durch ihre Wurzeln. **)Th. 29. S. 385.

J 2132

56.

Mit dem Ferguſon*)Wahrſcheinlich uͤber die buͤrgerliche Geſellſchaft. will ich mir ein eigentliches Studium machen. Ich ſehe ſchon aus dem vorgeſetzten Inhalte, daß es ein Buch iſt, wie mir hier gefehlt hat, wo ich groͤßtentheils nur ſolche Buͤcher habe, die uͤber lang oder kurz, den Verſtand, ſo wie die Zeit toͤdten. Wenn man lange nicht denkt, ſo kann man am Ende nicht mehr denken. Iſt es aber auch wohl gut, Wahrheiten zu den - ken, ſich ernſtlich mit Wahrheiten zu beſchaͤf - tigen, in deren beſtaͤndigem Widerſpruch wir nun ſchon einmal leben, und zu unſrer Ruhe beſtaͤndig fortleben muͤſſen? Und von derglei - chen Wahrheiten ſehe ich in dem Englaͤnder ſchon manche von weitem.

Wie auch ſolche, die ich laͤngſt fuͤr keine Wahrheiten mehr gehalten. Doch ich beſorge es nicht erſt ſeit geſtern, daß, indem ich ge -133 wiſſe Vorurtheile weggeworfen, ich ein wenig zu viel mit weggeworfen habe, was ich werde wiederholen muͤſſen. Daß ich es zum Theil nicht ſchon gethan, daran hat mich nur die Furcht verhindert, nach und nach den gan - zen Unrath wieder in das Haus zu ſchleppen. Es iſt unendlich ſchwer zu wiſſen, wenn und wo man ſtehen bleiben ſoll, und Tauſenden fuͤr Einen iſt das Ziel ihres Nachdenkens die Stelle, wo ſie des Nachdenkens muͤde ge - worden. *)Th. 28. S. 329.

57.

Die Ode an die Koͤnige**)Von Rammler. will ich mir dreimal laut vorſagen, ſo oft ich werde Luſt haben, an meiner antityranniſchen Tra - goͤdie zu arbeiten. Ich hoffe mit Huͤlfe derſelben aus dem Spartacus einen Hel - den zu machen, der aus andern Augen134 ſieht, als der beſte Roͤmiſche. Aber wenn! wenn! *)Th. 27. S. 36.

Kritik, will ich Ihnen nur vertrauen, iſt das einzige Mittel, mich zu mehrerem aufzu - friſchen, oder vielmehr aufzuhetzen. Denn da ich die Kritik nicht zu dem kritiſirten Stuͤcke anzuwenden im Stande bin, da ich zum Ver - beſſern uͤberhaupt ganz verdorben bin; ſo nutze ich die Kritik zuverlaͤſſig zu etwas Neuem. Alſo wenn auch Sie es wollen, daß ich wie - der einmal etwas Neues in dieſer Art machen ſoll; ſo ſehen Sie, worauf es dabei mit an - kommt mich durch Tadel zu reizen, nicht dieſes Nehmliche beſſer, ſondern uͤberhaupt et - was Beſſeres zu machen. Und wenn auch die - ſes Beſſere ſodann nothwendig noch ſeine Maͤngel haben muß: ſo iſt dieſes allein der Ring durch die Naſe, an dem man mich in immerwaͤhrendem Tanze erhalten kann. **)Th. 27. S. 39.

135

58.

Die oͤftere Abaͤnderung der Arbeit iſt noch das Einzige, was mich erhaͤlt. Freilich wird ſo viel angefangen und wenig vollendet. Aber was ſchadet das? Wenn ich auch nichts in meinem Leben mehr vollendete, ja nie etwas vollendet haͤtte, waͤre es nicht eben das? Vielleicht wirſt Du auch dieſe Geſinnung ein wenig miſanthropiſch finden, welches Du mich in Anſehung der Religion zu ſeyn im Ver - dacht haſt. Ohne nun aber zu unterſuchen, wie viel oder wie wenig ich mit meinem Ne - benmenſchen zufrieden zu ſeyn Urſache habe, muß ich Dir doch ſagen, daß Du mein ganzes Betragen in Anſehung der Orthodoxie ſehr unrecht verſtehſt. Ich ſollte es der Welt miß - goͤnnen, daß man ſie mehr aufzuklaͤren ſuche? Ich ſollte es nicht von Herzen wuͤnſchen, daß ein jeder uͤber die Religion vernuͤnftig denken moͤge? Ich wuͤrde mich verabſcheuen, wenn ich ſelbſt bei meinen Sudeleien einen andern Zweck haͤtte, als jene große Abſichten befoͤr -136 dern zu helfen. Laß mir aber doch nur meine eigne Art, wie ich dieſes thun zu koͤnnen glaube. Und was iſt ſimpler als dieſe Art? Nicht das unreine Waſſer, welches laͤngſt nicht mehr zu brauchen, will ich beibehalten wiſſen; ich will es nur nicht eher weggegoſſen wiſſen, als bis man weiß, woher reineres zu nehmen; ich will nur nicht, daß man es ohne Beden - ken weggieße, und ſollte man auch das Kind hernach in Miſtjauche baden. Und was iſt ſie anders, unſre neumodiſche Theologie gegen die Orthodoxie als Miſtjauche gegen unreines Waſſer.

Mit der Orthodoxie war man, Gott ſei Dank, ziemlich zu Rande; man hatte zwiſchen ihr und der Philoſophie eine Scheidwand ge - zogen, hinter welcher jede ihren Weg fortge - hen konnte, ohne die andre zu hindern. Aber was thut man nun? Man reißt dieſe Schei - dewand nieder, und macht uns unter dem Vorwande, uns zu vernuͤnftigen Chriſten zu machen, zu hoͤchſt unvernuͤnftigen Philoſo -137 phen. Ich bitte Dich, erkundige Dich doch nur nach dieſem Puncte genauer, und ſiehe etwas weniger auf das, was unſre neuen Theologen verwerfen, als auf das, was ſie dafuͤr in die Stelle ſetzen wollen. Ich moͤch - te nicht mit Dir ſagen, daß unſer altes Re - ligionsſyſtem ein Flickwerk von Stuͤmpern und Halbphiloſophen ſei; ich weiß kein Ding in der Welt, an welchem ſich der menſchliche Scharfſinn mehr gezeigt und geuͤbt haͤtte, als an ihm. Flickwerk von Stuͤmpern und Halb - philoſophen iſt das Religionsſyſtem, welches man jetzt an die Stelle des alten ſetzen will; und mit weit mehr Einfluß auf Ver - nunft und Philoſophie, als ſich das alte an - maaßt. Und doch verdenkſt Du es mir, daß ich dies alte vertheidige? Meines Nachbars Haus drohet ihm den Einſturz. Wenn es mein Nachbar abtragen will, ſo will ich ihm redlich helfen. Aber er will es nicht abtra - gen, ſondern er will es, mit gaͤnzlichem Ruin meines Hauſes ſtuͤtzen und unterbauen. Das138 ſoll er bleiben laſſen, oder ich werde mich ſei - nes einſtuͤrzenden Hauſes ſo annehmen als meines eigenen. *)Wie nimmt man ſich ſeines eignen baufaͤlli - gen Hauſes an? Man beſſert es ernſtlich oder reißt es nieder und bauet ein andres: in beiden Faͤllen aber erkundigt man ſich, was denn eigentlich Schadhaftes an ihm ſei. Der Ungenannte gab vieles dafuͤr aus, was es nicht iſt; Leßing nahm vieles, was er da - fuͤr erkannte, Gewandsweiſe, gymnaſtiſch in ſeinen Schutz. Dies iſt nicht der reine Weg zur Wahrheit, obgleich darauf ſehr viel Scharf - ſinn, hie und da unnoͤthig, angewandt wor - den iſt. Ich kann alſo den Weg, den Leßing in Fuͤhrung dieſer Streitigkeit nahm, nicht ganz billigen, wie er denn auch ſeine eigentli - che Abſicht nicht erreicht hat. A. d. H.

59.

Da ich es nur allzu ſehr empfinde, wie viel trockner und ſtumpfer ich an Geiſt und Sinnen dieſe vier Jahre geworden bin: ſo139 moͤchte ich es um alles in der Welt willen nicht noch vier Jahre thun. Aber ich muß es auch nicht Ein Jahr mehr thun, wenn ich noch ſonſt etwas in der Welt thun will. Hier iſt es aus; hier kann ich nichts mehr thun. Du wirſt dieſe Meſſe auch nichts von mir le - ſen; denn ich habe den ganzen Winter nichts gethan, und bin ſehr zufrieden, daß ich nur das Eine große Werk von Philoſophie (oder Poltronnerie) zu Stande gebracht, daß ich noch lebe. Gott helfe mir in dieſem edlen Werke weiter, welches wohl werth iſt, daß man alle Tage darum ißt und trinkt.

Ich haſſe alle die Leute, welche Sekten ſtiften wollen, von Grund meines Herzens. Denn nicht der Irrthum, ſondern der ſektiri - ſche Irrthum, ja ſogar die ſektiriſche Wahr - heit machen das Ungluͤck der Menſchen; oder wuͤrden es machen, wenn die Wahrheit eine Sekte ſtiften wollte. *)Th. 30. S. 309. 10.

140

60.

Faſt koͤnnte ich Sie beneiden, daß Sie noch Blumen leſen, da ich verdammt bin, nichts als Dornen zu ſammeln. Das iſt Ihre Schuld! werden Sie ſagen. Ich ſollte nicht meynen. Ich ſehe auf meinem ganzen Felde nichts als Dornen; und einmal iſt es nun mein Feld. Umſonſt erinnern Sie mich un - ſrer gemeinſchaftlichen Entſchluͤſſe, ein blumen - reicheres anzubauen. Es hat nicht ſeyn ſol - len! Mit mir iſt es aus; und jeder dichteri - ſche Funken, deren ich ohnedies nicht viel hat - te, iſt in mir erloſchen. Leiſten Sie allein, was wir zuſammen leiſten wollten. Ich, der ich die ganze Welt ausreiſen wollte, wer - de, allem Anſehen nach, in dem kleinen W. unter Schwarten vermodern. *)Th. 27. S. 42.

61.

Von gewiſſen Dingen laͤßt ſich gar nicht ſprechen; ſprechen zwar wohl, aber nicht ſchrei -141 ben. Man ſchreibt immer zu wenig oder zu viel, wenn man bei ſich ſelbſt noch kein Re - ſultat gezogen. Im Sprechen kann man ſich alle Augenblick corrigiren, welches im Schrei - ben nicht angeht. So viel duͤrfte ich Dir im Vertrauen doch faſt ſagen, daß auch dieſe Reiſe noch bis jetzt unter die Erfahrungen ge - hoͤrt, daß das deutſche Theater mir fatal iſt; daß ich mich nie mit ihm, es ſei auch noch ſo wenig, bemengen kann, ohne Verdruß und Unkoſten davon zu haben.

Und Du verdenkſt es mir noch, daß ich mich dafuͤr lieber in die Theologie werfe? Freilich, wenn mir am Ende die Theologie eben ſo lohnt, als das Theater. *)Th. 30. S. 391. 392.

62.

Will es denn Eine Klaſſe von Leuten nie lernen, daß es ſchlechterdings nicht wahr iſt, daß jemals ein Menſch wiſſentlich und142 vorſetzlich ſich ſelbſt verblendet habe? Es iſt nicht wahr, ſag 'ich, aus keinem andern Grund - de, als weil es nicht moͤglich iſt. Was wol - len ſie denn alſo mit ihrem Vorwurfe muth - williger Verſtockung, gefliſſentlicher Verhaͤr - tung, mit Vorbedacht gemachter Plane, Luͤ - gen auszuſtaffiren, die man Luͤgen zu ſeyn weiß? Was wollen ſie damit? *)Daß es leichtſinnige ſo wie muthwillige Verblendungen aus gewohnten Vorurtheilen, ja aus mancherlei Leidenſchaften einen bittern Haß gegen die Wahrheit, oder gegen ernſte Unterſuchungen der Wahrheit nicht nur ge - ben koͤnne, ſondern wirklich gebe, hat L. nicht laͤugnen wollen, und auf ſeinem Lebenswege ſelbſt erfahren. A. d. H.Was an - ders, als Weil ich auch ihnen dieſe Wahrheit muß zu gute kommen laſſen, weil ich auch von ihnen glauben muß, daß ſie vorſetzlich und wiſſentlich kein falſches verleum - deriſches Urtheil faͤllen koͤnnen: ſo ſchweige ich und enthalte mich alles Wiederſcheltens.

143

Nicht die Wahrheit, in deren Beſitz ir - gend ein Menſch iſt oder zu ſeyn vermeynet, ſondern die aufrichtige Muͤhe, die er ange - wandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des Menſchen. Denn nicht durch den Beſitz, ſondern durch die Nachfor - ſchung der Wahrheit erweitern ſich ſeine Kraͤf - te, worinn allein ſeine immer wachſende Voll - kommenheit beſtehet. Der Beſitz macht ru - hig, traͤge, ſtolz

Wenn Gott in ſeiner Rechten alle Wahr - heit, und in ſeiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obſchon mit dem Zuſatz, mich immer und ewig zu irren,*)D. i. der Wahrheit immer zu nahen: denn das ſchließt der Trieb nach Wahrheit und ihr Begriff ſelbſt ein. A. d. H. ver - ſchloſſen hielte und ſpraͤche zu mir: waͤhle! Ich fiele ihm mit Demuth in ſeine Linke, und144 ſagte: Vater gieb! die reine Wahrheit iſt ja doch nur fuͤr dich allein! *)Th. 5. S. 145.

63.

Wenn wird man aufhoͤren, an den Fa - den einer Spinne nichts weniger als die gan - ze Ewigkeit haͤngen zu wollen? **)Er ſpricht von kleinen hiſtoriſchen Umſtaͤn - den der Geſchichte des Chriſtenthums, im Anfange derſelben. A. d. H.

Welcher Thor wuͤhlt neugierig in dem Grunde ſeines Hauſes, blos um ſich von der Guͤte des Grundes ſeines Hauſes zu uͤberzeu - gen? Setzen mußte ſich das Haus freilich erſt, an dieſem und jenem Orte. Aber daß der Grund gut iſt, weiß ich nunmehr, da das Haus ſo lange Zeit ſteht, uͤberzeugender, als es die wiſſen konnten, die ihn legen ſahen.

Ich lobe mir, was uͤber der Erde ſteht, und nicht, was unter der Erde verborgenliegt.145liegt. Vergieb es mir, lieber Baumeiſter, als daß ich von dieſem weiter nichts wiſſen mag, als daß es gut und veſt ſeyn muß: denn es traͤgt und haͤlt ſo lange. An der Schoͤnheit des Ganzen will ich meine Be - trachtungen weiden; in dieſer, in dieſer will ich dich preiſen, lieber Baumeiſter! *)Th. 5. S. 160. u. f.

64.

Luther, Du! Großer, verkannter Mann! Du haſt uns von dem Joche der Tradition erloͤſet; wer erloͤſet uns von dem unertraͤgli - chern Joche des Buchſtabens? **)Leßing wollte damit nicht ſagen, daß wir den Buchſtaben d. i. den literaren Sinn nach ſeiner wahren, Zeitmaͤßigen, ungezwei - felten Bedeutung nicht kennen lernen ſollten. Eben dieſen, mithin den Geiſt der Schriften des Chriſtenthums ſollten wir kennen lernen. A. d. H.Wer bringt uns endlich ein Chriſtenthum, wie du es jetzt lehren wuͤrdeſt; wie es Chriſtus ſelbſt lehren wuͤrde? Wer

Neunte Sammlung. K146

Der wahre Lutheraner will nicht bei Lu - thers Schriften, er will bei Luthers Geiſte geſchuͤtzt ſeyn; und Luthers Geiſt erfordert ſchlechterdings, daß man keinen Menſchen, in der Erkenntniß der Wahrheit nach ſeinem eig - nen Gutduͤnken fortzugehen, hindern muß. Aber man hindert Alle daran, wenn man auch nur Einem verbieten will, ſeinen Fortgang in der Erkenntniß andern mitzutheilen. Denn ohne dieſe Mittheilung im Einzeln iſt kein Fortgang im Ganzen moͤglich. *)Th. 6. S. 23. 162.

65.

Jeder Menſch hat ſeinen eignen Styl; was kann ich dafuͤr, daß ich nun einmal kei - nen andern Styl habe? Daß ich ihn nicht erkuͤnſtle, bin ich mir bewußt. Es kommt wenig darauf an, wie wir ſchreiben; aber viel, wie wir denken. Man wird doch wohl nicht behaupten, daß unter verbluͤmten Bilderreichen Worten nothwendig ein ſchwankender, ſchiefer147 Sinn liegen muß? daß niemand richtig und beſtimmt denken kann, als wer ſich des eigentlichſten, gemeinſten, platteſten Ausdrucks bedienet? daß, den kalten ſymboliſchen Ideen auf irgend eine Art etwas von der Waͤrme und dem Leben natuͤrlicher Zeichen zu geben ſuchen, der Wahrheit ſchlechterdings ſchade?

Wie laͤcherlich, die Tiefe einer Wunde nicht dem ſcharfen, ſondern dem blanken Schwerdt zuzuſchreiben? Wie laͤcherlich alſo auch, die Ueberlegenheit, welche die Wahrheit einem Gegner uͤber uns giebt, einem blendenden Style deſſelben zuzuſchreiben! Ich kenne kei - nen blendenden Styl, der ſeinen Glanz nicht von der Wahrheit mehr oder weniger entleh - net. Wahrheit allein giebt echten Glanz; und muß auch bei Spoͤtterei und Poſſe, wenig - ſtens als Folie, unterliegen. Alſo von der Wahrheit laſſet uns ſprechen und nicht vom Styl. Den Meinen gebe ich aller Welt Preis. *)Th. 6. S. 174. f.

K 2148

Allerdings ſuche ich durch die Phantaſie mit auf den Verſtand meiner Leſer zu wir - ken. Ich halte es nicht allein fuͤr nuͤtzlich, ſondern auch fuͤr nothwendig, Gruͤnde in Bilder zu kleiden; und alle die Nebenbegrif - fe, welche die einen oder die andern erwecken, durch Anſpielungen zu bezeichnen. Wer hie - von nichts weiß oder verſtehet, muͤßte ſchlech - terdings kein Schriftſteller werden wollen; denn alle gute Schriftſteller ſind es nur auf dieſem Wege geworden. Der Begrif iſt der Mann; das ſinnliche Bild des Be - griffes iſt das Weib; und die Worte ſind die Kinder, welche beide hervorbringen. Ein ſchoͤner Held, der ſich mit Bildern und Wor - ten herumſchlaͤgt, und immer thut, als ob er den Begriff nicht ſaͤhe! oder immer ſich einen Schatten von Mißbegriff ſchafft, an dem er zum Ritter werde! *)Th. 6. S. 261.

149

66.

Meine Frau iſt todt; und dieſe Erfahrung habe ich nun auch gemacht. Ich freue mich, daß mir viele dergleichen Erfahrungen nicht mehr uͤbrig ſeyn koͤnnen zu machen; und bin ganz leicht. Wenn ich noch mit einer Haͤlf - te meiner uͤbrigen Tage das Gluͤck erkaufen koͤnnte, die andre Haͤlfte in Geſellſchaft dieſer Frau zu verleben; wie gern wollt ich es thun! Aber das geht nicht; und ich muß nur wie - der anfangen, meinen Weg allein ſo fortzu - duſeln. *)Th. 27. S. 72 - 75.

67.

Vor allen Dingen laß mich Deinen Erſt - gebohrnen mit meinem beſten Seegen hienie - den bewillkommen! Er werde beſſer und gluͤcklicher, als alle ſeines Namens. **)An ſeinen Bruder, Th. 30. S. 463.

150

Jetzt iſt man hier auf meinen Nathan geſpannt und beſorgt ſich davon ich weiß nicht was. Es wird nichts weniger, als ein ſaty - riſches Stuͤck, um den Kampfplatz mit Hohn - gelaͤchter zu verlaſſen. Es wird ein ſo ruͤh - rendes Stuͤck, als ich nur immer gemacht habe. Spott und Lachen wuͤrde ſich zu dem Tone nicht ſchicken, den ich in meinem letzten Blatt angeſtimmt habe; du wirſt ſehen, daß ich meiner eignen Sache durch dieſen drama - tiſchen Abſprung im geringſten nicht ſchade. *)Th. 30. S. 464.

68.

Mein Nathan iſt ein Stuͤck, welches ich ſchon vor drei Jahren vollends aufs Reine bringen und drucken laſſen wollen. Mit un - ſern jetzigen Schwarzroͤcken hat es nichts zu thun; und ich will ihm den Weg nicht ſelbſt verhauen, endlich doch einmal aufs Theater151 zu kommen, wenn es auch erſt nach hundert Jahren waͤre. Mit dem Praͤnumeriren moͤch - te ich gern nichts zu thun haben. Denn wenn ich nun ploͤtzlich ſtuͤrbe? So bliebe ich viel - leicht tauſend Leuten einem jeden einen Gul - den ſchuldig, deren jeder fuͤr zehn Thaler auf mich ſchimpfen wuͤrde. *)Th. 30. S. 471.Nach meinem er - ſten Anſchlage ſollte noch ein Nachſpiel dazu kommen, genannt der Derwiſch, welches auf eine neue Art den Faden der Epiſode des Stuͤcks ſelbſt wieder aufnaͤhme und zu Ende braͤchte. Aber auch das muß wegbleiben. **)Th. 30. S. 490.

69.

Wenn man ſagen wird, daß ein Stuͤck von ſo eigner Tendenz nicht reich genug an eigner Schoͤnheit ſei: ſo werde ich ſchweigen, aber mich nicht ſchaͤmen. Ich bin mir eines152 Ziels bewußt, unter dem man auch noch viel weiter mit allen Ehren bleiben kann.

Noch kenne ich keinen Ort in Deutſch - land, wo dieſes Stuͤck ſchon jetzt aufgefuͤhrt werden koͤnnte. Aber Heil und Gluͤck dem, wo es zuerſt aufgefuͤhrt wird. *)Leben und Nachlaß Th. 1. S. 410.

70.

Mein Ungenannter ſcheint ein wenig Luft zu bekommen. Nun wird er ſich ſchon von ſelbſt ſo weit helfen, als er ſich, nach den Geſetzen einer hoͤhern Haushaltung helfen ſoll. Auf mein eignes Glaubensbekenntniß habe ich mich bereits eingelaſſen; wenigſtens mich daruͤber ausgelaſſen. Denn zum Einlaſſen gehoͤren zwei; und nachdem ich es als ein ehrlicher Mann gethan, hat nie - mand davon etwas weiter zu wiſſen verlangt. Vermuthlich weil es noch zu orthodox war,153 und hierdurch weder der einen noch der an - dern Parthei gelegen kam. Iſt er noch ſo weit zuruͤck? dachten die einen. Wenn er nur das will, dachten die andern, was haben wir denn fuͤr einen Lermen uͤber ihn angefangen?

Die Verſatilitaͤt des Geiſtes verliert ſich, glaube ich, von ſeinen Eigenſchaften am er - ſten. Es koſtet ſo viel Arbeit mich umwaͤlzen zu laſſen, daß es kaum mehr der Muͤhe ver - lohnt, wenn ich nicht eine geraume Zeit in der neuen Lage wieder verweilen kann. *)Th. 29. S. 496.

71.

Der Reiſende, den Sie mir vor einiger Zeit zuſchickten, waͤr ein neugieriger Reiſen - der. Der mit dem ich Ihnen jetzt antworte, iſt ein emigrirender. Dieſe Claſſe von Reiſenden findet ſich unter Yoriks Claſſen nun zwar nicht; unter dieſen waͤre nur der154 ungluͤckliche und unſchuldige Reiſen - de, der hier allenfalls paßte. Doch warum nicht lieber eine neue Claſſe gemacht, als ſich mit einer beholfen, die eine ſo unſchickli - che Benennung hat? Denn es iſt nicht wahr, daß der Ungluͤckliche ganz unſchuldig iſt. An Klugheit hat er es wohl immer feh - len laſſen.

Dieſer Emigrant will von Ihnen nichts, als daß Sie ihm den kuͤrzeſten und ſicherſten Weg nach dem europaͤiſchen Lande vorſchla - gen, wo es weder Chriſten noch Juden giebt. Ich verliere ihn ungern; aber ſobald er gluͤck - lich da angelangt iſt, bin ich der erſte, der ihm folgt.

An Ihrem Briefchen kaue und nutſche ich noch. (Das ſaftigſte Wort iſt hier das edelſte.) Und wahrlich, ich brauche ſo ein Briefchen von Zeit zu Zeit ſehr noͤthig, wenn ich nicht ganz mißmuͤthig werden ſoll. Ich glaube nicht, daß Sie mich als einen Menſchen kennen, der nach Lobe heißhungrig155 iſt. Aber die Kaͤlte, mit der die Welt gewiſ - ſen Leuten zu bezeugen pflegt, daß ſie ihr auch gar nichts recht machen, iſt, wenn nicht toͤd - tend, doch erſtarrend. *)Auf Lob der Journale zielet dieſes nicht, ſondern auf die ganze Wirkung, die L. mit ſeinen letzten Bemuͤhungen zu machen hoffte, und die er freilich zu kurz nahm. Alles hat ſeine Wirkung gethan und wird ſie thun, ſeine Beitraͤge, ſeine Schriften uͤber die Frag - mente, ſein Nathan; in der Hand der Vor - ſehung iſt nichts verlohren. Nur ſeine Lauf - bahn war vor der Zeit zu Ende; er ver - lechzte.

Daß Ihnen nicht Alles gefallen, was ich ſeit einiger Zeit geſchrieben, das wundert mich gar nicht. Ihnen haͤtte gar nichts ge - fallen muͤſſen: denn fuͤr Sie war nichts ge - ſchrieben. Hoͤchſtens hat Sie die Erinnerung an unſre beſſeren Tage noch etwa bei der und jener Stelle taͤuſchen koͤnnen. Auch ich war damals ein geſundes ſchlankes Baͤum -156 chen; und bin jetzt ein ſo fauler knorrichter Stamm! Ach, lieber Freund, dieſe Scene iſt aus! Gern moͤchte ich Sie freilich noch einmal ſprechen! *)Geſchrieben den 19. Dec. 1780. (Th. 28. S 355.) Der letzte ſeiner gedruckten Briefe iſt vom 26. Jan. 1781. (Th. 29. S. 498.) Er ſtarb den 15. Febr. 1781.

Leßing.

Und ſo fiel er, der edle Hirſch, vielver - wundet, und unuͤberwunden. Da wo er er - ſtarrte, ſagt man, ſtehe ſein Bild in Stein.

157

112.

Die Funken aus der Aſche eines Todten haben mich wie ein ſtummes Trauerſpiel im Innerſten geruͤhret. Das alſo war Leßings Privatleben! ſo leitete es ſich fort! ſo hat es geendet!

Dank ſeinem Bruder und deſſen Ge - huͤlfen, daß ſie uns eine Sammlung Le - ßingſcher Schriften gegeben, wie wir ſie noch von keinem Deutſchen Schriftſteller gehabt haben. Wuͤnſchten wir nicht alle,158 daß Leibnitz einen ſolchen Herausgeber gehabt haͤtte? Ueber die Art der Heraus - gabe hat er ſich, meinem Beduͤnken nach, gnugſam gerechtfertigt. *)S. Vorrede zum 2ten Th. Leßingſcher Schriften Berl. 1784.Die Wahl der Maͤnner, die ihm beiſtanden, ganz und voͤl - lig endlich rechtfertigt ihn die oft und frei bekannte Denkart ſeines Bruders. Ein - mal, ſagt dieſer,**)Anti-Goͤtze, 6. Leßings Schr. Th. S. 233. habe ich nun eine ganz aberglaͤubiſche Achtung gegen jedes geſchrie - bene und nur geſchrieben vorhandene Buch, von welchem ich erkenne, daß der Verfaſ - ſer die Welt damit belehren oder vergnuͤ - gen wollen. Es jammert mich, wenn ich ſehe, daß Tod oder andre dem thaͤtigen Mann nicht mehr und nicht weniger will - kommene Urſachen ſo viel gute Abſichten159 vereiteln koͤnnen; und ich fuͤhle mich ſofort in der Befaſſung, in welcher ſich jeder Menſch, der dieſes Namens noch wuͤrdig iſt, bei Erblickung eines ausgeſetzten Kin - des befindet. Er begnuͤgt ſich nicht, ihm nur nicht vollends den Garaus zu machen, es unbeſchaͤdigt und ungeſtoͤrt da liegen zu laſſen, wo er es findet; er ſchafft oder traͤgt es in das Findelhaus, damit es we - nigſtens Taufe und Namen erhalte. Gera - de ſo wuͤnſchte ich wenigſtens (denn was waͤ - re es nun, wenn auch darum noch ſo viel Lumpen mehr dergeſtalt verarbeitet werden muͤßten, daß ſie Spuren eines unſterblichen Geiſtes zu tragen faͤhig wuͤrden?) wuͤnſchte ich wenigſtens alle und jede ausgeſetzte Geburten des Geiſtes mit eins in das gro - ße fuͤr ſie beſtimmte Findelhaus der Dru - ckerei bringen zu koͤnnen: und wenn ich deren ſelbſt nur wenige wirklich dahin160 bringe, ſo liegt die Schuld gewiß nicht an mir allein. Ich thue was ich kann, und jeder thue nur eben ſo viel.

So dachte Leßing und ſo habe Ers denn ſeiner eignen Nemeſis Dank, daß nach dem Maas, nach dem er fremde Handſchriften hervorzog, die Seinigen auch ans Licht geſtellt werden. Ehre gnug fuͤr Jeden, Schriftſteller oder nicht, deſſen klein - ſtes Blaͤttchen, deſſen eiligſter Brief mit ſo viel Ehre ans Licht treten darf!

Gens sui tantum similis, ein gar ab - ſunderliches Volk ſind wir Deutſche. Unſre Nachbarn ruͤhmen ſich ihrer Schriftſteller; ſie ſammlen ihre Werke, Aufſaͤtze, Briefe, Fragmente mit groͤßeſtem Fleiß und ſetzen darin ein edles Eigen - thum, eine Nationalehre. So ſind (nur wenige anzufuͤhren,) in Frankreich die Wer - ke nicht etwa nur der Corneille, Ra -cine,161cine, Moliere, Voltaire, Rouſ - ſeau, Fenelon, Boßvet ſondern auch der Motte le Vayer, Motte Hou - dart u. f. in England Shakeſpear's, Bacon's, Milton's, Swift's, Po - pe's, Hume's Werke, zum Theil mit einer Pracht erſchienen, mit welcher der eitelſte Schriftſteller ſelbſt zuweilen unzu - frieden ſeyn wuͤrde; und wo irgend ein Brief, ein Einfall, eine Anekdote von die - ſem oder jenem aufgegriffen ward, wird er bekannt gemacht und verherrlichet. Unſre Deutſche Journale ſagen nach, ruͤhmen und preiſen. Nur gegen unſre eigenſten Verdien - ſte ſind wir undankbar, verachten was nach der ſorgfaͤltigſten Bearbeitung in der beſchei - denſten Tracht vor uns tritt, und entziehen ſelbſt dem Todten, was ihm gebuͤhret.

Fuͤr Hoͤfe ſchrieb Leßing nicht; auch nicht fuͤr den großen Maasſtab alles Ge -Neunte Sammlung. L162ſchmacks, den Geſchmack der Franzoſen. Gegen dieſen ſchreibt man ihm vielmehr, (obwohl meines Erachtens mit Unrecht) einen ungerechten Widerwillen zu; ſie moͤ - gen ihn alſo nicht leſen. *)Ueber das Mikrologiſche mancher ſeiner Un - terſuchungen ſo wie uͤberhaupt uͤber die Bil - dung ſeines Styls hat Leßing ſich frank und frei erklaͤret. S. Saͤmmtliche Schriften B. 13. Vorr. IX. S. 390. B. 6. S. 174. f.Wir Deut - ſche wollen ihn leſen; theoretiſch und prak - tiſch war er der Sprache Meiſter. Wenn es auch keine Deutſche Nation gaͤbe, die ſich um Dies oder Jenes, woruͤber er ge - ſchrieben hat, kuͤmmerte: ſo ſollte es, duͤnkt mich, Deutſche Gelehrte geben, denen Dies und Jenes nicht gleichguͤltig ſeyn darf, und der verſtaͤndige Mann in ſeiner Sinnes - und Denkart, iſt fuͤr einen gebildeten Mann bei jedem Schriftſteller das Wichtigſte, das Beßte.

163

Auch ich ſtelle mir Ihren Juͤngling vor, der mit claſſiſchen Kaͤnntniſſen in der Schule ausgeruͤſtet, ehe er die Aka - demie beſchreitet, eben auf dieſe Samm - lung Leßingſcher Schriften geriethe. Na - tuͤrlich wird er vieles in ihnen uͤberſchla - gen; wobei er aber verweilet, an den Wer - ken ſeines Genius, an den Grundſaͤtzen und Urtheilen ſeiner Kritik, an ſeinen un - vollendeten Entwuͤrfen, an ſeinen hie und da kaum genannten Vorſaͤtzen, an ſeinen Meynungen uͤber das was ihm leicht und ſchwer, nothwendig oder erlaͤßlich ſchien, an ſeiner Waage des Billigen und Rech - ten, des Zweckmaͤßigen, Edlen und Schoͤ - nen; an ſeiner Kunſt zu diſputiren, nach Ort und Zeit zu reden, Wahrheit zu ver - huͤllen ohne ſie zu beleidigen, ſie nicht im - mer unmittelbar ſondern auf gewaͤhlten Umwegen geſchickt zu befoͤrdern; vor AllemL 2164an ſeinem veſten und beſcheidnen Charak - ter, der nie mehr von ſich hielt als ſich ge - buͤhrt zu halten, der auch im Spiele ernſt, auch gegen Feinde gerecht, uͤber die menſch - liche Beſtimmung rein und ſicher, uͤber das menſchliche Wiſſen und Beſtreben demuͤthig und beſcheiden, ſeinen Grundſaͤtzen treu blieb und in den widrigſten Faͤllen des Le - bens den herben Apfel oft mit Scherz, im - mer aber mit maͤnnlicher Heiterkeit koſtete; an dieſem Mann und Schriftſteller wird er viel zu lernen finden! Seine Winke, ſeine Fehler werden ihn das Wichtigſte lehren; er wird ihn hochſchaͤtzen und bedauren. Hochſchaͤtzen, daß er ſich in ſo Vieles wohlgeruͤſtet, muthig und gluͤcklich warf; wo es ihm mißlang, ſich am Ziel ſelbſt nicht irre machen ließ, ſon - dern es auf andern Bahnen ſuchte. Be - dauern wird er ihn

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Doch wozu die Nutzloſe Wiederholung? Mit Leßing iſt das Problem abermals aufgeloͤſet. Gebt dieſem reinen Stahl in dephlogiſirter Luft nur Einen Funken, welch Schauſpiel einer herrlichen Flamme an Glanz und Farbe werdet ihr erblicken bis zum letzten Moment der Erſcheinung. Bringt dieſe helle Flamme dagegen Der be - ſcheidne Leßing erwartete von ſeinem Va - terlande Nichts; das ſchmerzlichſte aller Gefuͤhle, das Gefuͤhl der Kraͤnkung maͤßig - te er, ſelbſt wenn man ihn taͤuſchte. Noch ſind mir, ſagte er*)Leß. Schr. B. 25. S. 376. in meinem Leben alle Beſchaͤftigungen ſehr gleichguͤl - tig geweſen: ich habe mich nie zu einer gedrungen oder nur erboten; aber auch die geringfuͤgigſte nicht von der Hand gewie - ſen, zu der ich mich aus einer Art von166 Praͤdilection erleſen zu ſeyn glauben konn - te. Seine erſte Jugendrede (1743) han - delte von der Gleichheit eines Jahrs mit dem Andern*)Leben und Nachlaß Th. 2. S. 103.; in Anſehung ſei - ner Erwartungen ſcheint er dieſer Jugend - philoſophie Zeitlebens treu geblieben zu ſeyn. Kurz, das Trauerſpiel Spartakus, das er uns auf der Buͤhne nicht geben konnte, hat er uns durch ſeinen Lebenslauf gege - ben. Fahren Sie mit Ihrer Geſchichte der Franzoͤſiſchen Propaganda in Deutſchland fort. Was iſt zu thun? was wird werden?

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113.

Was iſt zu thun? was wird werden? Da wir die ſieben Weiſen Griechenlands nicht aufrufen koͤnnen, ſo duͤnkt mich

1. Laſſet geſchehen ſeyn, was geſchehen iſt; es iſt geſchehen. Haͤtten die obern Staͤnde Deutſchlands ſich in den Kopf geſetzt, ſtatt Franzoͤſiſch, Kalmuckiſch zu ſprechen; (das Mangoliſche iſt auch eine ſehr ausgebildete Sprache;) was wolltet ihr dagegen? Die Jahrhunderte ſind ver -168 lohren; und nicht ihr, ſondern ſie tra - gen die Schuld.

2. Ihr ſehet, daß die Zeit das Blatt wendet. Ein Theil des Franzoͤſiſchen Ge - ſchmacks, der Hofgeſchmack naͤmlich, iſt bei den Franzoſen ſelbſt antiquiret. Wartet, ob ihn die Deutſchen beibehalten; oder ob ſie gar aus Mode Republikaner werden. Deutſch-Franzoͤſiſche Republika - nerinnen und Republikaner!

3. Schmaͤht nicht; ſondern bemitleidet, ſchweiget, ehret; und wenn ihr es koͤnnt, belehret. Es iſt ein poͤbelhafter Wahn, daß wir der obern Staͤnde nicht bedoͤr - fen; wir bedoͤrfen ihrer, wie ſie unſer be - doͤrfen. Wir ſollen ihr Auge, wir muͤſſen ihre Hand ſeyn; ſie hingegen ſinds, von deren Willen und Meinung im Guten und Boͤſen faſt Alles abhaͤngt. Zum Wohl des Ganzen ſind ſie unentbehrlich. Eben169 ſo falſch iſt die andre Behauptung, daß es Deutſchland vortheilhaft ſei, wenn Schrift - ſteller blos fuͤr Schriftſteller ſchrei - ben. Der Koch kocht fuͤr Gaͤſte, nicht fuͤr Koͤche; und wenn Koͤche ſich in Deutſch - land zu Haͤuptern einer gelehrten Republik aufwerfen und ſtatt der von ihnen verach - teten Hoͤfe ſchmaͤhende Jahrs - und Mo - natsbuden errichten; ſo iſt die oͤffentli - che Kritik, die jeder Nation ein Palladium des guten Geſchmacks, des geſunden und redlichen Urtheils ſeyn ſollte, in Deutſch - land dazu geworden, wozu ſie Weltleute, mit verachtendem Spott aus innrer Ab - neigung gegen alles Deutſche Buͤcherwe - ſen nur wuͤnſchen mochten. Welcher Mann, ich will nicht ſagen, von Stande, ſondern nur von Achtung fuͤr ſeinen Namen wird ſich in eine Geſellſchaft miſchen, die auf ſolche Art fuͤr ſich ſelbſt ſchreibet?

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4. Glaube man nicht, daß die unter - ſten Staͤnde die obern erſetzt haben, ſo - bald irgend nur das Product abgeht. Der groͤßte Theil Deutſcher Schriftſteller ſchreibt jetzt fuͤr Leſegeſellſchaften, und manche derſelben ſcheinen ſich an die - ſen das Geſinde der Deutſchen Nation zu denken, fuͤr welches ihre Producte ge - wiß auch die unterhaltendſten ſind. Da - durch beſſern wir unſern Geſchmack nicht; dadurch erwerben wir keine Ehre. Der Namenloſe, der ſolche Werke ſchrieb, ſchaͤm - te ſich ihrer zuerſt ſelbſt, bis er, (denn man gewoͤhnt ſich an jedes Handwerk) in Kurzem auch die Schaam ablegte. Er weiß, daß er die Nation mit ſeinen Hefen der Aufklaͤrung verderbe; die Hefenfa - brik aber bringt ihm Geld und iſt gut zu Leihbibliotheken der großen Geſind - ſtube des Deutſchen Witzes und Unraths.

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5. Wir haben Gaͤſte um uns, deren manche endlich ſchon ſich entſchließen, das barbariſche Deutſche zu lernen, die alſo (bei Franzoſen kann es nicht fehlen) uns bald in die Schule nehmen werden. Schon hat Einer den Anfang gemacht*)Humaniora St. 2. oder 3. des Jahrs 1796. und uns verwieſen, daß wir ſogern Origi - nale und Fuͤrſtenſklaven ſeyn moͤ - gen, daß es uns an Woͤrterbuͤchern, an einer richtigen Orthographie und an lateiniſchen Lettern mangle; ſol - cher Belehrer werden ſich mehrere finden. Und mit Verehrung werden die Deutſchen Zeitſchriften dieſe Seltenheiten aufnehmen, nicht gnug zu ruͤhmen wiſſen, wie ſehr unſre Literatur dadurch in Aufnahme kom - me, indem ſogar Auslaͤnder ſich endlich172 um ſie bekuͤmmern. Jeder, dem ſein Va - terland lieb iſt, huͤte ſich vor ihren beſchaͤ - menden Schmeicheleien; und mache ſich eben ſo viel aus dergleichen laͤngſtbekann - ten Rathſchlaͤgen. Was von Franzo - ſen uͤber unſre Literatur geſagt werden kann, iſt hundertfach geſagt; wir aber wiſ - ſen ſelbſt am beſten, wo uns der Schuh druͤckt, woran das Uebel liege. Ich ſchaͤm - te mich, wenn die beſten Deutſchen Schrift - ſteller ſich aus einem Lobe wie z. B. im Journal etranger ſo viel machten, und die Reſervationen nicht bemerkten, mit denen jedes Lob geſagt war. Behuͤte Gott je - den Deutſchen, daß er nicht um Franzoͤſi - ſchen und Engliſchen Ruhm ſchreibe! Wo die Natur durch Sprache, Sitten und Cha - rakter die Voͤlker geſchieden; da wolle man ſie doch nicht durch Artefacta und chemi - ſche Operationen in Eins verwandeln.

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6. Mich duͤnkt, wir bleiben auf unſerm Wege, und machen aus uns, was ſich ma - chen laͤßt. Sage man uͤber unſre Nation, Literatur und Sprache Boͤſes und Gutes; ſie ſind einmal die Unſern. Mit der Franzoͤſiſchen Sprache wollen wir nicht tauſchen, ihr auch nicht beneiden, daß ſie die Sprache der Welt ſei. Buͤſch hat die Frage: gewinnt ein Volk in Abſicht auf ſeine Aufklaͤrung, wenn ſeine Sprache zur Univerſalſprache wird? ſcharfſinnig und meinem Beduͤnken nach wahr beantwor - tet. *)Berlin, 1787.Als demuͤthige Deutſche wollen wir das geſammte Univerſum noch nicht lehren, ſondern von jeder Nation, von der wir lernen koͤnnen, lernen. Von den Alt - franzoſen ſowohl als von den Neufranken wollen wir fortfahren zu lernen: denn eben174 von jenen iſt uns, ihrer boͤſen Einfuͤhrung wegen, unpartheiiſch betrachtet, noch vieles zu lernen uͤbrig. Der Eine Theil unſrer Nation nahm ſie, ohne alles Verhaͤltniß zu unſrem Daſeyn, mit blinder Verehrung auf, und, gewann an ihnen gerade das lieb, was fuͤr uns nicht diente, Plaiſante - rien uͤber die Religion, und Zoten; der andere verabſcheuete ſie um ſo mehr und betrug ſich uͤberhaupt etwas pedantiſch. Vielleicht waren wir zum richtigen Em - pfang und zu Beurtheilung dieſer man - nichfaltigen Zeit - und Geiſtesprodukte an beiden Theilen noch zu ſehr im Nebel. Jetzt hat ſich die Wolke zertheilt; Frank - reich ſelbſt hat die Folgen vom Misbrauch mehrerer Grundſaͤtze Roußeau's, Vol - taire, Helvetius gekoſtet; die Zeit hat uͤber ſie gerichtet und der Zuſchauer Urtheil gereifet. Selbſt uͤber Montesquieu175 ſind wir noch in Schulden: denn mir iſt kein Deutſches Werk bekannt, daß das Franzoͤſiſche fuͤr uns brauchbar oder ent - behrlich gemacht haͤtte. Die ganze aͤltere Franzoͤſiſche Literatur erwartet zur Anwen - dung fuͤr uns noch ein ruhiges Auge.

7. Bei allen Misleitungen einer ſo vielfach-zertheilten Nation, wie die Deut - ſche iſt, bei Verirrungen, die Jahrhunderte lang gedauert haben und ſich noch jetzt faſt in jedes Urtheil miſchen, muͤſſen wir am meiſten auf die große Alliirte, die weiſe Lenkerinn menſchlicher Thorheiten, die Providenz rechnen. Ihr wollen wirs zuglauben, daß auch die Gallicoma - nie der Deutſchen, die laͤcherlichſte Thorheit, deren ſich ein ernſthaftes Volk bewußt ſeyn kann, ihr Gutes haben werde; waͤre es auch kein Anderes als Fehler zu entbloͤ - ßen, die man noch lange verſchleiert haͤtte176 und gegen welche kein Salz der Comoͤdie wirkſam geweſen waͤre. Die Mutter, Zeit hat entſchleiert; das Salz iſt geko - ſtet; thue es die beſte Wirkung! Den gan - zen Gallicismus unſrer oberen Staͤnde ge - linde abzufuͤhren, und den kalten beſonne - nen Deutſchen den Satz begreiflich zu ma - chen, daß wir nirgend anders als in un - ſerm Ulubraͤ, nach Deutſcher Weiſe, mit der Nation, die die unſrige iſt, wo nicht witzig, ſo doch vernuͤnftig und gluͤcklich ſeyn ſollen. Jedes Andre, fremde Alfan - zerei, iſt vom Daͤmon.

Noch ſollte ich mich uͤber den Vorwurf, als ob wir Deutſche die Englaͤnder nicht gnug geehrt haͤtten, rechtfertigen; der aber widerlegt ſich ſelbſt. Mit den Britten ſte - hen wir in reinerem Verhaͤltniß; wir eh - ren ſie aus Neigung uͤber Gebuͤhr von ihnen keine Ehre erwartend. Unſer Herzſagt177ſagt uns naͤmlich, auch wir haͤtten in den vorigen Jahrhunderten einen Bacon, Shakeſpear, Milton haben koͤnnen; wir fuͤhlen ſie als Gebein von unſerm Ge - bein, als Menſchen unſrer Art; ſie ſind die auf eine Inſel verpflanzten Deutſchen. Daher ſind von den Englaͤndern ſelbſt ihre treflichſten Schriftſteller kaum mit ſo re - ger, treuer Waͤrme aufgenommen worden, als von uns Shakeſpear, Milton, Addiſon, Swift, Thomſon, Ster - ne, Hume, Robertſon, Gibbon auf - genommen ſind. Richardſon's drei Ro - mane haben in Deutſchland ihre goldne Zeit erlebet; Youngs Nachtgedanken, Tom - Jones, der Landprieſter haben in Deutſchland Sekten geſtiftet; in Engliſchen Zeitſchriften haben wir bewundert, ſelbſt was wir nicht verſtanden, was fuͤr uns nicht geſchrieben war. Und wer waͤreNeunte Sammlung. M178es, der die Schotten Ferguſon, Smith, Stewart, Millar, Blair nicht ehrte? Auf dieſem demuͤthigen Wege wollen wir bleiben, und nicht erwarten, daß man uns verſtehe und ehre. Der Nationalruhm iſt ein taͤuſchender Verfuͤhrer. Zuerſt lockt er und muntert auf; hat er eine gewiſſe Hoͤhe erreicht, ſo umklammert er den Kopf mit einer ehernen Binde. Der Umſchloſſene ſieht im Nebel nichts als ſein eigenes Bild, keiner fremden neuen Eindruͤcke mehr faͤ - hig. Behuͤte der Himmel uns vor ſol - chem Nationalruhm; wir ſind noch nicht, und wiſſen, warum wir noch nicht ſind? wir ſtreben aber und wollen werden.

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Inhalt.

  • Brief 108. Einwuͤrfe gegen die Schaͤtzung aus - waͤrtiger Nationen und das den Deutſchen zugebilligte Lob. Name der Deutſchen bei auswaͤrtigen Na - tionen. Mehrere Einwuͤrfe. Seite 5
  • Br. 109. Wie ſchwer es ſei, allgemein zu charakteriſiren. Lob einer zur Klar - heit und Praͤciſion gebildeten Spra - che. Was repraͤſentiren ſei? Wie ſehr die Franzoͤſiſche Nation Re - praͤſentation liebe. S. 9
  • Br. 110. Was die Franzoͤſiſche Nation der Deutſchen im Lauf der Geſchichte ge - weſen. Karl der Große. Die Kreuz - zuͤge. Das Ritterweſen. Seit dem Weſtphaͤliſchen Frieden. Pre - montval gegen die Gallicomanie, und den falſch-Franzoͤſiſchen Ge - ſchmack. S. 20
  • Br. 111. Folgen der Gallicomanie fuͤr Deutſchland. Ob die FranzoͤſiſcheNeunte Sammlung,[180]Inhalt.Sprache fuͤr uns gebildet ſei? Was ſie gewaͤhre und nehme. Verſchie - denheit beider Nationen in ihrer ganzen Denkart. Trennung der Staͤnde durch die Gallicomanie in Deutſchland. Verſchiednes Betragen der Schriftſteller dabei. Verdienſt derer, die dem Charakter unſres Volks zu Huͤlfe kamen. S. 42
  • Funken aus der Aſche eines Todten; ein Kanon des Geſchmacks fuͤr mancherlei Wiſſenſchaften, fuͤr die Kritik, und fuͤr Erwartungen der Muſe in Deutſchland. S. 64
  • Br. 112. Von der vollſtaͤndigen Ausgabe Leßingſcher Schriften. Was ein Juͤngling aus und an ihm zu lernen habe. S. 157
  • Br. 113. Rathſchlaͤge uͤber unſer Verhaͤlt - niß zur Franzoͤſiſchen Literatur. Von unſrer Neigung fuͤr die Brit - ten. Achtung, die man ihnen er - wieſen. S. 167

About this transcription

TextBriefe zu Beförderung der Humanität
Author Johann Gottfried von Herder
Extent187 images; 21400 tokens; 5307 types; 149083 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationBriefe zu Beförderung der Humanität Neunte Sammlung Johann Gottfried von Herder. . 178 S. HartknochRiga1797.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, 301005-9/10 Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=875067875

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Philosophie; Wissenschaft; Philosophie; core; ready; mts

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-10T09:27:53Z
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