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Druck von Johann N. Vernay.
Prachtvolle Ausblicke und lebhaft anregende Einzelnheiten ent - zücken und fesseln zugleich das Auge des Wanderers, der auf vorspringender Höhe einen Ruhepunkt gefunden und von da hinabsieht auf einen schön gelegenen und von regem Verkehrsleben erfüllten Hafen.
Das unendliche Meer in seiner bei ewig wechselndem Bilde dennoch bewahrten erhabenen Ruhe, das geschäftige Treiben der in Erwerbshast eilenden, Ameisen vergleichbaren Menschen, der mit der unermesslichen Wasserfläche in Eins verschwimmende Horizont, die qualmenden, rasch hingleitenden Dampfer (Kolosse für den Insassen, Nussschalen für den entfernten Beschauer!) — all dies gibt eine Summe von Gegensätzen, die in ihrer Wechselwirkung alles Sinnen des Beob - achters gefangen nehmen und fast berauschend auf seine Denkorgane einwirken. Und bei aller ehrfurchtsvollen Scheu vor der unausfüllbaren Grösse und unerreichbaren Macht der allgewaltigen Natur vermag er sein Herz nicht der Bewunderung für den Geist des Menschen zu verschliessen, der doch schon so Vieles in dieser Natur sich unterthan gemacht.
Wer es aber vermag, mit seinem geistigen Auge dem Wege zu folgen, den jener zum Hafen steuernde schwerbeladene Schiffskörper — Spuren harter Kämpfe mit Sturm und Wogen aufweisend — zurück - gelegt, oder das Ziel sich zu vergegenwärtigen, dem der eben die Anker lichtende stattliche Dreimaster zustrebt, der wird sich bald bewusst werden, dass die Stadt da unten, so gross sie auch sei, ihre wahre Bedeutung nicht in ihrer eigenen Ausdehnung hat, sondern in ihrer Eigenschaft als Glied eines über den ganzen Erdenraum ausgebreiteten Organismus, welcher den der gesammten Menschheit gemeinsamen In - teressen zu dienen berufen ist.
In der That bilden die Seehäfen des Weltverkehrs eine Art von Verein, dessen Aufgabe es ist, den alle Völker umfassenden Bestre - bungen der Weltwirtschaft nach möglichst rascher und möglichst leichter Ausgleichung von Ueberfluss und Bedarf, Angebot und Nach - frage als ausführendes Organ zu dienen und in naturgemässer Folge hievon dem allgemein menschlichen Interesse an Fortschritt und Cultur - entwicklung über die trennenden Besonderheiten hinweg förderlich zu sein. Es geht somit ein einheitlicher Charakterzug durch Geschichte und Leben dieser wichtigen Werkstätten und Knotenpunkte der inter - nationalen Beziehungen jeder Art, und dieser Umstand legte den Ge - danken nahe, dass einem vielleicht noch nicht ausgesprochenen, gewiss aber bestehenden und immer stärker werdenden Bedürfnisse entgegen - gekommen würde, wenn alle Hafenplätze, welchen in der Lösung jener gemeinsamen Aufgabe ein gewichtiger Antheil zufällt, in einem systematisch angelegten Werke zur Darstellung kämen. Diese Erwägung gab die Anregung zu dem Buche, dessen erster Band nunmehr fertig hier vorliegt.
Der Grundgedanke dieses Werkes besteht, wie schon seinerzeit in dem Prospecte hervorgehoben worden, darin, dass dem Leser eine Serie von Monographien geboten werden soll, welche durch die beson - deren Beziehungen, in welchen die Seehäfen des Weltverkehres zu einander stehen, zu einem abgeschlossenen Ganzen aufgebaut ist.
Mühe und Arbeit, deren die Lösung dieser Aufgabe bedurfte, waren keineswegs gering. Schon allein die Beschaffung des nöthigen Materiales sowohl für den beschreibenden Theil als auch für die Dar - stellung der commerziellen Bedeutung und der wirklichen Handels - thätigkeit der einzelnen Häfen erheischte die Anknüpfung vieler Be - ziehungen und machte eine umfangreiche Correspondenz nöthig. Das - selbe gilt bezüglich der Sammlung der Ansichten und der Pläne sowie der nöthigen Daten, um die letzteren auf den neuesten Stand richtig - zustellen. Die dem Leser kaum erkennbaren Hindernisse, welche bei der Materialiensammlung mitunter zu überwinden waren, können aber auch in sich selbst als Beweis dafür gelten, in wie hohem Grade die vorliegende Arbeit Demjenigen Nutzen zu bringen vermag, welcher aus dem Buche, sei es aus Wissbegierde, sei es im Dienste seines Berufes, die so reichlich gebotene Belehrung schöpfen will.
Da die Bearbeitung sämmtlicher in dem Werke behandelten Häfen nach denselben Principien vorgenommen wurde, so genügt die Durch - sicht eines einzigen Abschnittes, um den Leser über Plan und Anlage des ganzen Werkes zu orientiren; überall werden die Situation, die topographische Lage der Stadt und ihre Merkwürdigkeiten ge - schildert, eine kurze Skizze ihrer historischen und commerziellen Ent - wicklung gegeben, sodann Handel und Verkehr unter gleichzeitiger Berücksichtigung der wichtigsten Industriezweige des Ortes nach ihren massgebendsten Momenten erörtert und durch die neuesten statistischen Daten illustrirt; ausserdem ist auf die Charakterisirung der betreffenden Küstenstriche und Meerestheile sowie auf die Beziehungen der einzelnen Häfen untereinander im Texte Rücksicht genommen. Rechnet man dazu noch, dass die Vorstellungsgabe des Lesers durch trefflich ausgeführte Illustrationen (durchwegs Originalholzschnitte) und fachmännisch ge - zeichnete Pläne in wirksamer und gewiss willkommener Weise unter - stützt wird, so wird man wohl gerne zugestehen, dass hier ein eigen - artiges, nach Anlage und Ausführung ganz neues Werk geschaffen ist, welchem nicht nur wissenschaftlicher Werth und die Eigenschaft einer angenehm belehrenden Lectüre innewohnt, sondern welches auch einem eminent praktischen Bedürfnisse unserer, auf die stets steigende Ent - wicklung des internationalen Verkehres mit Recht so stolzen Zeit entspricht.
Es drängt mich, an dieser Stelle den Verfassern für den regen Eifer und die ungemein mühevolle Arbeit, welche sie dem gemein - samen Werke widmeten, den wärmsten Dank auszusprechen. Nur ihrer unermüdlichen Thätigkeit im Aufsuchen und Ausnützen des Quellen - materials und dem collegialen Zusammenwirken, durch welches sie sich gegenseitig unterstützten und ergänzten, ist es zu danken, dass die Schaffung einer so stattlichen Reihe von gleichwerthigen Einzelndar - stellungen möglich wurde. Zu den ursprünglich am Werke betheiligten Kräften, den aus früheren Arbeiten auf diesem Gebiete bereits rühmlich bekannten Herrn Linienschiffscapitän Ritter von Lehnert (unter dessen bewährter Leitung auch sämmtliche Planzeichnungen angefertigt wurden), Corvettencapitän Holeczek, Prof. Dr. Zehden und Prof. Dr. Cicalek, traten im Laufe der Zeit im Interesse der Beschleunigung der Arbeit noch neue Genossen, welche sich ihnen würdig an die Seite stellen, so Ministerialrath Becher, Referent für die Angelegenheiten der Handels - marine im k. k. österreichischen Handelsministerium, Linienschiffslieute - nant v. Pajér und Secretär Schwarz des österreichisch-ungarischen Exportvereines.
Den Dank, welcher in erster Linie den genannten Herrn in so hohem Masse gebührt, muss ich aber auch noch auf jene namhafte Zahl von Männern ausdehnen, welche in liebenswürdigster und uneigen - nützigster Weise der an sie gestellten Bitte um Förderung des Werkes entsprochen haben. Einerseits war es nothwendig, für die Beschaffung des Quellenmaterials an die Gefälligkeit von Fachmännern des Aus - landes, namentlich kaiserlichen und königlichen Consularfunctionären und Angehörigen fremder Marinen zu appelliren, welche alle in bereit - willigster Weise ihre Mithilfe gewährt haben; andererseits habe ich es, um allfällige Irrthümer nach Möglichkeit zu vermeiden, für nothwendig erachtet, jene Abschnitte, welche Hafenplätze von hervorragender Wichtigkeit behandeln, vor ihrer Drucklegung an in den betreffenden Städten ansässige, sachkundige Männer mit der Bitte um Durchsicht und Richtigstellung zu senden; auch hier waren es in erster Linie die österreichisch-ungarischen Consularfunctionäre, dann vorzugsweise Handels - kammersecretäre, an welche ich mich diesbezüglich wendete; alle diese Herren haben sich ohne Ausnahme der erbetenen, mitunter nicht mühelosen Arbeit unterzogen, darunter auch solche, mit welchen mich kein Band persönlicher Bekanntschaft verbindet. Allen diesen Herren gebührt also für ihr freundliches Entgegenkommen der wärmste Dank nicht nur des Herausgebers, sondern auch des Lesers.
Das Werk fand schon im Beginne seines Erscheinens allenthalben eine freundliche Aufnahme, da bereits aus den ersten Lieferungen zu erkennen war, dass durch die untereinander in die entsprechende Beziehung gebrachten Darstellungen so wichtiger Stätten menschlicher Culturarbeit eine Fülle von interessanten Gesichtspunkten der Ver - gleichung geboten ist; namentlich musste der grosse Zug frappiren, der durch die steigende Vervollkommnung der Verkehrsmittel zu Land und zur See in die Entwicklung der internationalen Handelsbeziehungen gebracht ist, und die den neuesten statistischen Ausweisen entnommenen Daten der commerziellen Thätigkeit geben in ihrem Zusammenhalte ein imposantes und überraschendes Bild des mächtigen Anwachsens des Weltverkehres.
Als die erfreulichste und werthvollste Anerkennung der Tendenz des Werkes darf ich wohl hier den Umstand hervorheben, dass auch ihre k. und k. Hoheit die durchlauchtigste Frau Kronprinzessin-Witwe Erzherzogin Stefanie in gnädiger Weise gestattet hat, einige Höchst - ihrem Reisetagebuche entnommene charakteristische und lebensvolle Schilderungen als besondere Zierden dem Buche einzufügen.
Der vorliegende Band umfasst alle wichtigeren Handelshäfen Europas sowie auch der asiatischen und afrikanischen Küsten des Mittelmeerbeckens und bildet somit ein in sich abgeschlossenes Ganzes. Von der ursprünglichen Absicht, demselben als Einleitung eine Geschichte der Entwicklung der Seeschiffahrt voranzustellen, musste Umgang genommen werden, weil der Band sonst gar zu umfangreich geworden wäre.
Bezüglich des Zeitpunktes, welchem die Pläne der einzelnen Häfen entsprechen, möchte ich nur noch hervorheben, dass sich diese Pläne im Allgemeinen auf den Zustand beziehen, wie er zu Anfang des Jahres 1890 war, und dass in denselben zumeist auch alle Projecte Aufnahme fanden, welche eben damals zur Durchführung bestimmt waren. Bei dem raschen Tempo, in welchem gegenwärtig die Entwicklung des Verkehrs — namentlich in Häfen von aufsteigender Bedeutung — vor sich geht, ist es natürlich, dass seither schon manche Aenderung eingetreten, manches neue Project in Sicht gekommen ist. Soweit dies zur Zeit der Druck - legung der einzelnen Bogen den Verfassern bekannt geworden, ist im Texte hievon Erwähnung gethan — eine wesentliche Aenderung des Bildes ist jedoch dadurch nirgends bewirkt. Auch die statistischen Ver - öffentlichungen, sowie die Consularberichte — unter denen sich namentlich die der österreichisch-ungarischen Consuln als ganz vorzügliches Infor - mationsmateriale erwiesen haben — wurden bei der Arbeit bis zum Momente der Drucklegung zur Ergänzung und Vervollständigung der Darstellung benützt, so dass wohl mit Recht behauptet werden darf, es existire dermalen kein Werk, welches über die Verhältsisse der Seehäfen neuere Daten enthielte als das vorliegende.
Mit einiger patriotischer Befriedigung darf darauf hingewiesen werden, dass hier von bewährten österreichischen Kräften ein Werk von internationaler Bedeutung geschaffen wurde, das dem weltumfassenden Geiste unserer Zeit entpricht und allen billigen Anforderungen, die an eine solche Arbeit gestellt werden können, Rechnung trägt.
Der zweite Band, von dem bereits vier Lieferungen erschienen sind, wird im Laufe des Jahres 1891 fertiggestellt werden, und es wird Sorge der Verfasser und des Herausgebers sein, dass er in seinem Werthe hinter dem ersten Bande nicht zurückbleibe.
Möge dem in mühevoller Arbeit entstandenen, aber mit Freude, Eifer und Hingebung vollendeten Werke die Gunst der Gebildeten lächeln!
Wien, im November 1890.
Dorn.
Nicht bloss die Länder und Staaten, auch die Meere haben ihre Geschichte. Und wie es bevorzugte Festlandsräume gibt, denen sozusagen eine providentielle Mission für die Entwicklung der Menschheit zutheil geworden ist, so kann man auch von ge - wissen Meeren sagen, dass sie auserwählt worden sind, die Gesittung der Menschen zu wecken, zu erhöhen, zu stützen, von Anbeginn der geschichtlichen Ueberlieferung durch alle Wechselfälle der Zeiten, bis zum gegenwärtigen Augenblicke und wohl auch in alle Zukunft. Jener Meerestheil nun, dem im vorderster Reihe der Name eines Culturmeeres, einer Wiege des Völkerverkehres, eines Trägers geschichtlicher Erinnerungen, eines Werthbesitzes der Gegen - wart, eines Menschheitserbes der Zukunft gebührt, ist das Mittelmeer, die markanteste Individualität unter allen Salzwasserräumen mit der feinst ausgearbeiteten und verständlichsten aller Physiognomien.
Unwillkürlich reproduciren wir mit der Vorstellung dieses Meeres, seiner Buchten, Strassen und fein gegliederten Festlands - küsten die Vorstellung seiner Hinterländer. Allmälig tritt das Natur - bild immer mehr in den Hintergrund, wird zum Schauplatze stre - bender Menschen, zum Cultur - und Geschichtsbilde.
Die Geschichte des Mittelmeeres beginnt mit den nautischen Thatversuchen der Phönikier. Wie dieses hamito-semitische Volk selbst auf dem Landwege an die seewärts gekehrten Abhänge des cedernreichen Libanon gelangt war, so fand es die Küsten des Mittel - meeres — die Festlandsinseln mit eingerechnet — gleichfalls schonDie Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 12Das Mittelmeerbecken.durch continentale Einwanderung besetzt. Es fängt mit dem Auftreten der Phönikier eine neue Aera der Besiedlung und Völkerberührung an. Individuen eines Culturvolkes, das sich zum Colporteur der Erzeugnisse aller schon bestehenden, meist an wasserreichen Strömen entstandenen Culturländer emporgeschwungen hat, dringen in die homogenen, un - entwickelten Massen begabter Naturvölker ein, und beschleunigen deren Entwicklung. Es gibt eine Epoche, in der die Phönikier die ausschliesslichen Herren des Mittelmeeres und damit des Welt - handels sind, in welcher Epoche alle Länder bis nach Centralasien und Indien, bis zur Nord - und Ostsee (Bernstein!) zu den Hinter - ländern des Mittelmeeres gehören. Was sich an selbständigen Kräften am indischen Oceane regen mag, wird durch die Verbindungen mit dem persischen Golfe, mit Arabien und dem rothen Meere zu einer Dépendance der jeweiligen Oberherren des Mittelmeerhandels. Ja, als auf einem unermesslich weiten Umwege die Seide Chinas und das Gold in den Welthandel gelangen, so wird auch der äusserste Osten Asiens in den Anziehungskreis dieser commerciellen Centralstellen der alten Welt hineingezogen.
Den Phönikiern folgen die Hellenen, diesen die Römer, ohne dass sich dieses Ur - und Grundverhältniss anders gestalten würde. Gerade zur Römerzeit, als die Cäsaren über die civilisirte Welt geboten und den Barbaren das Joch der eigenen Cultur auferlegten, da wurde die Idee der Mittelmeer-Monarchie erst Wirklichkeit und Wahrheit. Die Römer, die Italiker und in der Kaiserzeit wohl noch andere An - wohner des Mittelmeeres haben die Hinterländer im weitesten Sinne des Wortes nicht bloss mit dem Schwerte unterworfen, sondern auch ausgekauft und ausgewuchert, um Eigenthum, Freiheit und Fortexistenz gebracht.
Der Vorhang fällt über die Ruinenstätte der wirthschaftlich zu - grunde gerichteten Mittelmeerwelt, und die Culturarbeit einer neuen Zeit fängt auf materiellem, wie auf ideellem Gebiete, wenn auch nicht von vorne, so doch von neuem an. Lange, öde Zeiträume gehen dahin, bis wir an den Küsten des Mittelmeeres zwei feindlichen Religions - und Völkersystemen begegnen, durch deren Kämpfe sich die Idee der Herrschaft über das Mittelmeer und dadurch über den Welthandel hindurchzieht.
Zur Zeit der Kreuzzüge vollzieht sich eine Art von Ausgleich der ringenden Kräfte, von denen aber die eine der anderen nicht Herr zu werden vermag. Noch ist der Mittelmeerhandel, den man jetzt nach seinem wichtigsten Emporium Levantehandel nennen kann, das3Das Mittelmeerbecken.Hauptstück des Welthandels. Die wiederbelebten oder neu entstandenen Handelsmetropolen liegen noch immer am Mittelmeere, allen voran sind Venedig und Genua, deren Macht und Einfluss von Indien bis zur Nordsee reicht.
Jedoch gegen das Ende des historischen Mittelalters mehrten sich die Anzeichen, dass die commercielle Alleinherrschaft des Mittel - meeres zur Neige gehe. Im XIII. und XIV. Jahrhundert hatte sich an den Küsten des baltischen und des deutschen Meeres die Hansa ge - bildet, die über ein primäres, unabhängiges, selbstgenügendes Handels - gebiet die Herrschaft führte.
Was an ähnlichen Vorgängen in den Gewässern des indischen Oceans stattgefunden haben mag, entzieht sich nach wie vor unseren Blicken. Kurz, die Welt gewöhnte sich an die Emancipation von den mediterranen Handelsplätzen und machte sich an die Depossedirung des Mittelmeeres. Da traten die grossen Ereignisse des Entdeckungs - zeitalters ein: Der Seeweg nach Ostindien ward gefunden, und eine neue Welt hob sich aus den Fluten des Westmeeres. In gleicher Zeit wurden durch das Umsichgreifen der Türken die christlichen Abend - länder aus den Häfen der Levante hinausmanöverirt und ihrer tausend - jährigen Verbindungen mit den ältesten Culturländern der Erde beraubt.
Diese Thatsachen zusammengenommen bilden die Peripetie in der Geschichte des Mittelmeeres. Der Welthandel bewegt sich in neuen Bahnen und concentrirt sich in Handelsplätzen, welche nicht in Winkeln eines winkeligen Binnenmeeres gelegen sind, sondern durch ihre Lage am Weltmeere dem Seefahrer und dem Kaufmanne günstigere Chancen darbieten. Doch folgte den Zeiten des Verfalls bald eine Periode von hoffnungs - und erfolgreichen Versuchen, der veränderten Sachlage die möglichst günstige Seite abzugewinnen und in den Weltverkehr ohne jede Herrschaftsprätention als dienendes Glied einzutreten. Schon im XVIII. Jahrhundert nach den Siegen Oesterreichs über die Pforte begann der Orienthandel in mässigen Dimensionen die Mittelmeerge - genden zu beleben; auch das Vordringen Russlands an das Schwarze Meer blieb nicht ohne Folgen, ebenso die Zersetzung des türkischen Staatengefüges.
Mühselig und nicht gerade übermässig lohnend waren nament - lich anfangs diese Versuche, sich über die Ungunst der Verhältnisse durch eigene Anstrengung hinweg zu helfen. Indessen nahte die Epoche einer wenigstens theilweisen Rehabilitirung, einer commerciellen Restau - ration des Mittelmeeres heran. Schon die Verbindung der Mittelmeer - häfen mit den Hinterländern durch die neuen Verkehrsmittel des1*4Das Mittelmeerbecken.XIX. Jahrhunderts brachte in den localen Handel Schwung. Auch gelang es der Politik, die Levante und die Nordküste Afrikas den Europäern immer zugänglicher zu machen, wo nicht gar in deren Hände zu bringen. Das letzte und entscheidende Moment aber war die Erneuerung eines Gedankens, der schon zu den Zeiten der Pharaonen und Ptolomäer Leben gewonnen hatte und noch zuletzt bei der Napoleon’schen Ex - pedition nach Aegypten wieder aufgetaucht war: Die Durchstechung des Isthmus von Suez, die Schaffung eines ungeheuer abgekürzten Weges nach den Hauptländern des Welthandels, nach Indien, den Sunda-Inseln, Ostasien und Australien. Als sich im Jahre 1869 die Fürsten und Völker der gesitteten Welt bei dem Schauspiele der Er - öffnung des Suezcanales einfanden, ratificirten sie auch die Wieder - einsetzung des Mittelmeeres in seine commerciellen Herrschaftsrechte.
Zum Heile der in den letzten Jahrhunderten neu entstandenen Handelsstaaten kann diese Herrschaft nicht mehr eine Alleinherrschaft, wie sie es im Alterthume und Mittelalter gewesen, werden; die neueste Zeit hat eben nur das im XVI. Jahrhundert aus dem Welthandel aus - geschaltete Mittelmeer in denselben wieder eingeschaltet.
Indem wir nun an die Schilderung der wichtigsten Häfen des Mittelmeeres und seiner Nebenmeere gehen, beginnen wir mit jenem Hafen, der dem Centrum des europäischen Festlandes am nächsten liegt, mit Triest.
[5]Der Siegeszug der morgenländischen Cultur erreichte frühzeitig die sonnigen Gestade des heutigen adriatischen Meeres, das — worauf die ältesten Quellen hinweisen — von dem Reize einer erlauchten Urzeit umflossen ist.
Nach den altgriechischen Sagen, in welchen schon der Name Illyrien erklingt, das ist jener der indo-germanischen Bewohner der adriatischen Küstenländer, dürfen Kadmos, Herakles, ja selbst Jason, der gefeierte Argonautenführer, für den geschichtlichen Hintergrund des Adriameeres in Anspruch genommen werden. Immerhin kann fest - gestellt werden, dass mehr als drei Jahrtausende verflossen sind, seit - dem die Phönikier an diesen Küsten erschienen und den Seeverkehr dahin ausdehnten. Zunächst folgten die Pelasger, jene ältesten Be - wohner Griechenlands, die als Erbauer der kyklopischen Mauern gelten; dann kamen in späteren Jahrhunderten die Etrusker, Japiden und Liburnier, bis Illyrien, durch die Legionen des Kaisers Augustus 28 v. Chr. nach langen Kämpfen erobert, unter römische Herrschaft gerieth.
Die Erinnerung an die römische Zeit ist in den meisten Küsten - städten der Adria durch herrliche Baudenkmale erhalten. Auch Triest ist eine Gründung der Römer. Die Stadt hiess Tergeste und wurde aus strategischen Gründen an dem Punkte, wo sie noch steht, angelegt. Hätten die Römer eine Handelsstation gründen wollen, so hätten sie wohl die Bucht von Muggia gewählt. Ihr Handelshafen war Aquileja.
In den folgenden Jahrhunderten gelangten die Städte Aquileja, Ravenna und Venedig zu geschichtlicher Bedeutung; die beiden erst - genannten unterlagen den Hunnen und Herulern, während die grossen Umwälzungen in Italien nach dem Sturze des weströmischen Reiches zur Gründung der glanzvollen Republik Venedig führten, die während6Das Mittelmeerbecken.eines vierzehnhundertjährigen Bestandes den grössten Einfluss auf die Schicksale der Küstenbewohner des adriatischen Meeres — damals Golfo Veneziano genannt — ausgeübt hatte.
Triest, das Tergeste der alten Römer, kam erst im XVIII. Jahr - hunderte zu einiger Bedeutung. Von der übermächtigen Republik Venedig unablässig bedrängt, suchte und fand die Stadt allerdings schon Hilfe und Schutz bei dem Herzoge Leopold von Oesterreich, der 1382 Triest seinem Reiche zugesellt; durch diesen Act der Staats - klugheit hatte das Haus Habsburg den Zugang zur See sich gesichert. Indess blieb Triest bis Ende des XVII. Jahrhundertes ein bedeutungs - loser Küstenplatz, dessen Hauptreichthum nur im Weinbaue bestand, denn Venedig wusste die durch Tractate verbriefte freie Schiffahrt in und durch die Adria mit allen Mitteln zu hintertreiben, bis Kaiser Karl VI. in seinem denkwürdigen Patente vom 2. Juni 1717 die Adria für den Schiffsverkehr frei erklärte und jede seinen Unterthanen zu - gefügte Belästigung so zu ahnden erklärte, als ob sie einer seiner Provinzen selbst widerfahren wäre.
Karl VI., welcher der Hebung des Seehandels die vollste Be - achtung widmete, erklärte 1719 Triest und Fiume zu Freihäfen und stattete diese mit vielen commerciellen und nautischen Einrichtungen aus. Zugleich fand der unter so günstigen Verhältnissen aufblühende Seehandel durch die Gründung einer Kriegsmarine Schutz und Auf - munterung. Kaiserin Maria Theresia, die Pläne ihres Vaters sorgsamst fördernd, erbaute zu Triest ausgedehnte Hafenanlagen und Molen, von welch letzteren der ihren Namen führende und mit einem Leucht - thurme an seiner Spitze versehene noch heute besteht und die soge - nannte Sacchetta des Hafens gegen die offene See abschliesst.
Während der gewaltigen, den europäischen Continent verheeren - den Kämpfe, welche die französische Revolution entfesselt hatte, fiel Triest zu wiederholtenmalen in französischen Besitz, bis die Stadt, 1813 nach viertägiger erfolgreicher Belagerung des von den Franzosen mit Bravour vertheidigten Castells wieder dem Banner der Habsburger gewonnen ward. Unter der segensreichen Herrschaft dieses Kaiser - hauses hatte Triest, seit 1849 zum reichsunmittelbaren Gebiete erhoben, allmälig zum reichen, handelsmächtigen Emporium und zum Haupt - hafen der Monarchie sich aufgeschwungen, und als 1857 die Eisen - bahnverbindung mit dem Inlande hergestellt war, genügten die un - vollkommenen Einrichtungen des damaligen allen äusseren Winden ganz ausgesetzten Hafens — eigentlich Rhede — nicht mehr, um den gesteigerten Schiffahrtsverkehr bewältigen zu können. Deshalb7Triest.wurde 1862 die Umwandlung des offenen Hafens in einen geschlossenen projectirt und die Arbeiten nach den Plänen des französischen Ingenieurs Paulin Talabot im Jahre 1867 begonnen. Der gänzliche Ausbau der prächtigen Hafenanlagen ist noch nicht vollendet. Die letzteren nehmen den nordöstlichen Theil des alten Hafens in der Länge von 1200 m ein. Vier breite Molen, welchen ein 1100 m langer Wellen - brecher vorgelagert ist, bilden drei grosse geschützte Bassins, die eine Quai-Entwicklung von 2800 m bei 39·5 ha Fläche und 8·5 m Wassertiefe besitzen. Dem nördlichsten Bassin zunächst gelegen ist der Petroleumhafen, der mit den neuesten Einrichtungen für die ge - fahrlose Ausladung des Steinöles ausgestattet ist. Auf den 80 m breiten Hauptmolen erheben sich geräumige Hangars, die gleichwie die aus - gedehnten Lagerhäuser auf der mehr als 21 ha messenden An - schüttungsfläche nächst des Bahnhofes mit dem Schienenstrange der Südbahn und der bei Sta. Andrea ausmündenden Staatsbahn verbunden sind. Die glänzende elektrische Beleuchtung des neuen Hafens gestattet auch bei Nacht die Verladung und Löschung der Frachten.
Die Herstellungskosten der ganzen Hafenanlage, die eine Material - bewegung von 6,000.000 m3 erforderte, belaufen sich auf mehr als 20 Millionen Gulden. Neuester Zeit wird beabsichtigt, auch den süd - lichen Theil des Hafens von Triest umzubauen, einen Holzhafen nach St. Andrea und den Petroleumhafen nach Sta. Sabba zu verlegen. Nach dem Ausbau der Lagerhäuser wird die bereits beschlossene Aufhebung des Freihafenpatentes stattfinden, von welcher Massregel eine weitere Belebung des Handelsverkehrs von Triest mit Recht zu erwarten ist.
Der Golf von Triest zählt zu den landschaftlich reizendsten Partien der Adriaküsten.
Im Norden senken die steilen Abfälle des felsigen Karstplateaus, dessen Rand die Ortschaften Prosecco und Sta. Croce schmücken, schluchtenreich zum Strande sich herab. Das malerische Duino, auf hohen senkrecht zum Meere abstürzenden Felsen erbaut, von dem aus der Blick über das weite Lagunenfeld von Grado und Aquileja schweift, ist der westlichste Markpunkt im Bilde des Golfes. Gegen Triest zu fesseln das in majestätischer Ruhe auf trotzigen Felsen emporragende Schloss von Miramar und die herrlichen Terrassen seines immergrünen Parkes die Aufmerksamkeit des Beobachters. Villen, Gärten und an waldige Schluchten gelehnte Ortschaften, von welchen Barcola ein beliebter Ausflugsort der Triester, geleiten nun den Küstensaum in form - und farbenreicher Abwechslung bis zum Weichbilde der Stadt.
8Das Mittelmeerbecken.Im Süden des Golfes ragt gegenüber von Duino die reizende Silhouette des Domes von Pirano wie ein Wegweiser über den Horizont empor und die sanften Terrainwellen des istrischen Hügellandes, das hier in vollem Schmucke seiner reichen Olivenhaine und Rebenculturen prangt, vereinigen sich, die weiten Buchten von Muggia und Zaule umschliessend, mit den felsigen Hängen des Karstes. Auch hier lagern anmuthige Ortschaften oder Villegiaturen längs des buchtenreichen Strandes.
Völlig einladend blinken weiter westwärts die schmucken Ge - bäude der ausgedehnten Lazarethanlage in der Bucht von St. Barto - lomeo. Die Anstalt ist bestimmt, alle nach Triest und Istrien mit un - reinem Patente anlangenden Schiffe unter strengster Aufsicht zu halten und für die Zeit der Quarantaine den Verkehr mit denselben zu verhindern.
Westlich von der Spitze Ronc erblickt man die Baulichkeiten der Werfte S. Rocco, welche der durch den Bau grosser Schlacht - schiffe rühmlichst bekannten Schiff - und Maschinenbau-Gesellschaft „ Stabilimento tecnico triestino “zugehört. Aus kleinen Anfängen stieg dieses Etablissement zum Range einer grossartigen Unternehmung empor und liefert nun seit Jahren sowohl für die österreichisch - ungarische Flotte, wie für fremde Marinen im vollen Sinne des Wortes prächtige Meisterwerke der Schiff - und Maschinenbaukunst.
Die pittoresk gelegenen Gebiete von Muggia und Zaule schliesst das auf schroff zur See abfallendem Hügel gelegene Servola mit seiner weithin sichtbaren Kirche ab.
Von der ganzen Küstenstrecke der Adria vermögen nur die Bocche di Cattaro mit ihrer grossartig trostlosen Gebirgswelt an male - rischen Effecten mit dem Golfe von Triest zu wetteifern, in dessen herrlichem Bilde die Stadt Triest selbst den gebührenden vornehmsten Platz einnimmt. Ihr weitläufiges Häusergewirre bedeckt in einer Er - streckung von 3 km die dem Meere abgewonnene Strandniederung und sendet wohlgeschlossene Colonnen schöner Baulichkeiten weit hinein in die tief eingeschnittenen, von grünen Höhen begleiteten Thalsohlen.
Ueber der durch Monumentalbauten gezierten Quaifront gewahrt man die dunklen Bastionen des Castells, das so recht die Rolle eines unwirschen Stadtwächters einzunehmen scheint. Am Fusse dieser alten Befestigung, von der gegenwärtig nur mehr die Abgabe von fried - lichen Salutschüssen erfolgt, war im Alterthume das römische Tergeste gruppirt; heute nimmt die sogenannte Altstadt mit ihren schmalen, lichtscheuen Gässchen diesen ehrwürdigen Stammsitz ein und krabbelt[9]
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 210Das Mittelmeerbecken.in anscheinend tollkühnem Unterfangen hinan bis zu den Castellmauern. Im Gegensatze zum Winkelwerke der Altstadt trägt die in regel - mässigen, senkrecht sich schneidenden Gassenzügen erbaute Neu - oder Theresienstadt ein durchaus vornehmes Gepräge, ohne indes auf eine besondere Charakteristik Anspruch erheben zu können.
Ueber der Stadt gegen Norden zu ragt auf der Höhe des Karstes der schlanke Obelisk von Opcina empor, und da er an den Ausbau der grossen Handelsstrasse erinnert, die seit Karl VI. berufen war, die Verbindung der Reichs-Haupt - und Residenzstadt Wien auf der Route über den Semmering, Graz und Laibach mit dem Meere zu verbinden, so verdient dieser Gedenkstein als Wahrzeichen der Verkehrsentwick - lung von Triest hier genannt zu werden. Von seinem Fusse aus, der, 354 m über der Meeresfläche gelegen, um Weniges höher über dem Pflaster von Triest sich befindet, als die Spitze des Eiffelthurmes über dem Pariser Marsfelde, geniesst man einen unvergleichlich schönen Rundblick über die Stadt und deren reizende Umgebung.
Eine Promenade längs der Quais des neuen Hafens zeigt uns die gewaltigen Verkehrsmittel und Anstalten der Gegenwart. Da liegen sie, die riesigen Dampfer, welche die kostbarsten Producte der uner - schöpflichen Tropenwelt in ihren mächtigen Stahlleibern bergen, um sie mittelst Dampfkraft direct auf die ihrer harrenden Lastzüge zu verladen. Wie schnell ist eine Ladung von einigen tausend Tonnen gelöscht und wie rasch füllen sich im lebhaften Handelsverkehr des Hafens die weiten Räume der Schiffe! Im alten Hafen, besonders in dem dort mündenden Canale grande, scheint hingegen das geflügelte Wort von Zeit und Geld noch nicht zur Geltung gekommen zu sein, denn er entbehrt durchwegs der modernen Einrichtungen und die Verlade - operationen vollziehen sich daher mit einer auffallenden Bedächtigkeit.
Selbstverständlich ist Triest der Hauptsitz aller maritimen Be - hörden und Anstalten der cisleithanischen Reichshälfte. Von grosser Wichtigkeit für die Heranbildung eines Nachwuchses für Schiffahrt und Handel ist die Handels - und nautische Akademie mit Sternwarte und einem reichen Museum. Ein gut ausgestattetes Aquarium in Verbindung mit einer zoologischen Versuchsstation ist berufen, das Studium der Fauna und Flora des Meeres zu fördern. An den Hafen gebunden ist gleich - falls die grosse Dampfschiffahrts-Gesellschaft des österreichisch-unga - rischen Lloyd, deren palastähnliches Directionsgebäude die Quaifront ziert. Die weitläufigen Werften, Docks und Etablissements dieser Gesell - schaft, die zu den grössten navalen Verkehrsunternehmungen der Erde zählt, wurden am nördlichen Strande der Bai von Muggia erbaut.
11Triest.An sehenswerthen öffentlichen Bauwerken ist Triest im Grunde genommen arm, doch besitzt es in seiner auf dominirender Höhe ge - legenen Kathedrale von St. Giusto ein ehrwürdiges Denkmal der alt - christlichen Architektur. Beachtung verdienen auch einzelne originell und luxuriös angelegte Paläste reicher Kaufherren.
Die Hauptverkehrsstrasse von Triest ist der Corso, längs dessen die vornehmsten Verkaufsgeschäfte etablirt sind. Der Corso verbindet die Piazza grande, den Börsenplatz und den Holzplatz und bildet die Abgrenzung zwischen der Alt - und Neustadt. Zwei Denkmale zieren den Börsenplatz: eine schöne Neptunsgruppe und das 1660 errichtete Monument Kaiser Leopold I.
In den Gartenanlagen vor der weitläufigen Südbahnstation ward 1888 ein geistvoll gedachtes Denkmal zur Erinnerung an die Ein - verleibung Triests unter das Scepter des Hauses Oesterreich errichtet.
Künstlerisch am hervorragendsten ist jedoch das Erzbild des unglücklichen Erzherzogs Ferdinand Maximilian, des Kaisers von Mexico, der 1867 zu Queretaro den Opfertod starb. Dieses auf der Piazza Giuseppina am Quai des alten Hafens stehende Monument ist gegen das in der Ferne schimmernde Feenschloss Miramar gewendet. Der fürstliche Glanz und die kunstsinnige Pracht, die das Innere dieses Schlosses auszeichnen, wie nicht minder die romantische Anlage des mancherlei Ueberraschungen bietenden herrlichen Parkes zeugen von der Prunkliebe des geistvollen Prinzen. Miramar ist ebenso sehr einer der lohnendsten Ausflugsorte der Triester, wie es auf die Fremden eine mächtige Anziehungskraft ausübt.
Während der Wintersaison ist die hübsch gelegene Promenade nächst der Spitze St. Andrea das beliebte Stelldichein der Stadt - bevölkerung, wohingegen in der schönen Jahreszeit der Boschetto (Wäldchen) mit seinen zur Höhe des Ferdinandeums führenden schatti - gen Wegen bevorzugt wird.
Wer Studien über Volkstypen betreibt, wird in Triest, wie es dem Charakter einer Stätte des Welthandels entspricht, sein Interesse befriedigt finden. Einem jeden Besucher dieser Stadt dürfte das liebens - würdige Wesen und der frohe Sinn der Bewohner in angenehmer Erin - nerung verbleiben. Diesen Eindruck vermittelt das lebhafte Treiben der rührigen, in den Typen, oft auch in der farbigen Kleidung den Süden verrathenden Menge, die bis in späte Nachtstunden auf Strassen und Plätzen wogt, und wer in klarer Sommernacht an den Marmortischen des prächtigen Café Orientale vor dem Lloydpalaste geweilt und2*12Das Mittelmeerbecken.den Blick in die ahnungsvollen Fernen des von funkelnden Sternen beschienenen Meeres senkte, wird Triest im Fluge liebgewonnen haben.
Betrachten wir nun Triest als Handelsplatz, so stehen wir in einem der grössten mitteleuropäischen Häfen (circa 150.000 Einwohner), dessen Entwicklung namentlich durch die geographische Lage bestimmt ist und durch das Mass, in welchem diese wieder durch entsprechende Communicationsmittel ausgenützt wurde und wird. Der Golf, an dem die Stadt liegt, bildet den am meisten nach Norden vorgeschobenen Winkel des adriatischen Meeres; er ist zugleich der End - punkt jener wichtigen, von der Natur gegebenen Verkehrslinie, welche die fruchtbaren Tiefländer an der Oder und Weichsel auf dem kürzesten Wege mit dem Mittelländischen Meere verbindet. Diese Strasse führt längs der March an die Donau, überschreitet die Alpen in dem niedrigen Passe des Semmering, und, den meist breiten Thälern der Flüsse folgend, ge - langt man bis in die Nähe des Meeres, wo dann kurz vor dem Ziele die wasserarmen Hochflächen des Karstes den unmittelbaren Abstieg nach Triest verhindern und uns zwingen, sie zu umgehen. Aus dieser be - sonderen Lage von Triest, das eine bequeme Verbindung mit dem Hinterlande in der nächsten Umgebung nicht besitzt, erklärt sich der Verlauf der Geschichte seines Handels und dessen Eigenart. Triest ist nicht einer jener Hafenplätze, welche selbstthätig die im Innern ge - legenen Gebiete erschliessen, es musste vielmehr einem Dornröschen gleich von dem mächtigen Beherrscher des Hinterlandes aus seinem Traumleben erweckt worden.
Als Karl VI. daran ging, Triest zu einem Handelsemporium seiner deutschen Erblande zu machen, wohnte hier eine begabte, lebhafte Bevölkerung, welche einen dem venetianischen nahe verwandten Dialekt sprach, die aber bis dahin wenig Gelegenheit gehabt hatte, sich am Handel zu bethätigen. Diese war nicht genügend geschult für die weitaussehenden Pläne des Herrschers, dem als Handelsgebiet für sein Triest die Levante zu klein schien. Er suchte die Griechen, das erste Handelsvolk des östlichen Theiles des Mittelmeeres, her - einzuziehen, und das damals streng katholische Oesterreich, welches die Protestanten seiner Alpenländer nach Ungarn und Siebenbürgen schickte, gestattete in Triest den orientalischen Griechen das Recht der freien Uebung der Religion lange vor dem Toleranzpatente Josef II. Man rief auch Belgier, Holländer, Deutsche aus dem Reiche herbei; aber unter all den verschiedenartigen Elementen erlangten im Laufe der Zeit die Italiener das Uebergewicht, denen sich die aus der Ferne Gekommenen zum Theile sprachlich assimilirten.
[13]14Das Mittelmeerbecken.Mehr als in mancher anderen Hafenstadt zeigt in Triest der Gang der Geschäfte eine Wellenlinie. Auf Zeiten grosser Prosperität und leichten Geldverdienens folgten Tage voller Schwierigkeiten und Stag - nationen, unter denen heute noch Oesterreichs grosser Handelsplatz an der Adria leidet. Vier Momente sind es, welche diese ungünstige Ver - änderung zur Folge haben. Heute überbrücken sechs Schienenwege die lange Alpenkette, früher that dies bloss die österreichische Süd - bahn; heute concentrirt Ungarn seinen überseeischen Handel mit aller Kraft in Fiume; ein Drittes ist der Umstand, dass die export - fähige österreichische Industrie, in den Nordsudeten und Nieder - österreich vor allem angesiedelt, dem billigen Wasserweg der Elbe folgend, nach Hamburg gravitirt, und endlich, last not least, leidet Triest, wie alle Hafenplätze der Erde, unter dem Bestreben der neuesten Zeit, den Zwischenhandel, welchem gerade die alten Triester Häuser ihren Ruf und ihre Millionen verdanken, zu umgehen. Je mehr sich Producent und Consument selbst über Weltmeere hinweg die Hände reichen, desto mehr wird Triest zu einem Transitoplatze herabgedrückt. Daraus erklärt sich die scheinbar widersprechende Erscheinung, dass der Verkehr zu -, der Gewinn aber abnimmt. Ein Differentialzoll sucht Hamburgs Einfluss auf Oesterreich-Ungarn abzuschwächen; auch die Schweiz bedient sich seit Eröffnung der Arlbergbahn in steigendem Masse der Vermittlung des Triester Hafens, und dieser Theil des Handels ist so gross, wie der, welcher zu Lande von Triest aus nach dem be - nachbarten Italien betrieben wird.
Um den Werth des Triester Handels in der Ein - und Ausfuhr nach der Seite des Landes und nach der See hin zu zeigen, bringen wir folgende Tabelle:
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Bei Beurtheilung dieser Ziffern muss man sich jedoch gegenwärtig halten, dass heutzutage die Mehrzahl der Waaren nur im reinen Transit durch Triest ge - leitet wird.
Gross ist der Antheil, welchen die fremden Flaggen an dem Werthe des Seehandels von Triest nehmen. Sie brachten 1888 in der Einfuhr Güter im Werthe von 84·4 Millionen Gulden, die nationalen Schiffe solche im Werthe von 110·5 Mil - lionen Gulden, und in früheren Jahren waren die Verhältnisse noch weit ungün - stiger. Nur in der Ausfuhr übt die nationale Flagge ein gewaltiges Uebergewicht15Triest.aus; von der Gesammtziffer von 156·8 Millionen Gulden entfielen 1888 auf sie 117·4 Millionen Gulden, also nahezu drei Viertel.
Von den Schiffen fremder Nationen vermittelten den grössten Handelswerth die der Engländer; auf sie folgen die Italiener, und seit die Dampfer des Nord - deutschen Lloyd Triest nicht mehr anlaufen, stehen die Griechen an dritter Stelle. Es ist überhaupt interessant, zu beobachten, wie das griechische Element in der Vermittlung des Triester Handels energisch vordringt.
Was die Bestimmungs - und Herkunftsländer der im Triester Seeverkehre zur Verstauung kommenden Waaren betrifft, so hat dieser Hafenplatz — abgesehen von den Transporten nach und von österreichischen und ungarischen Häfen — den stärksten Verkehr in absteigender Reihenfolge mit Italien, der Türkei, Ostindien, Griechenland, Grossbritannien, Aegypten und Brasilien.
Wir werden nun jene Waaren einzeln besprechen, welche für den Handel von Triest von besonderer Bedeutung sind, und dieser Schilderung die Resultate des Jahres 1888 zugrunde legen; dabei werden wir die Einfuhr und die Ausfuhr nicht immer streng gesondert behandeln, da es sich ja hier nur darum handelt, ein anschauliches Bild des Triester Handels zu entwerfen.
Unter den zur See eingeführten Artikeln kommen hauptsächlich Colonial - waaren, Baumwolle, Früchte u. s. w. in Betracht, und unter den ersteren spielt Kaffee eine bedeutende Rolle: Triest ist einer der ersten Kaffeemärkte Europas. Die höchste Einfuhr fand 1886 mit 427.757 q statt, 1888 erreichte sie 327.588 q. Der grösste Theil kam aus Brasilien (1888 160.929 q), dann aus Grossbritannien (auch überwiegend brasilianischer Abkunft) und aus den Niederlanden. Versorgt werden von Triest aus mit Kaffee Oesterreich, dann Ungarn, ferner die Türkei, Griechenland, dessen nordwestliche Märkte ihren Kaffeebedarf fast ausschliesslich aus Triest beziehen, und das Venezianische.
Die im Hafen von Triest gelandete Baumwolle (1888 603.723 q) stammte aus Ostindien, Aegypten und der Levante. Eine Ausfuhr zur See fand nur nach dem Venetianischen statt; von der Ausfuhr zu Lande (518.090 q) gingen ansehn - liche Mengen auch nach Deutschland und der Schweiz. Die Einfuhr von ostindischer Jute fand meist direct statt; 1888 117.512 q.
Für den Handel mit Südfrüchten, deren ältestes Productionsgebiet ja das östliche Becken des mittelländischen Meeres bildet, ist Triest sehr günstig ge - legen. Von Agrumi, das sind Orangen, Cedern und Citronen, wurden zur See 288.265 q zugeführt und grösstentheils zu Lande in das heimische Zollgebiet, dann nach Deutschland und Russland verschickt. Dasselbe gilt für Johannisbrot, das aus Neapel kommt, für trockene Feigen, aus Griechenland, Neapel und der Türkei stammend, für Mandeln, welche Neapel und Sicilien liefern; ferner für Nüsse und Haselnüsse, Ursprungsländer die Türkei und Unteritalien mit Sicilien. Von Korinthen und Rosinen, die heute auch für die Bereitung des Weines steigend Wichtigkeit erlangen, wurden im Ganzen 153.492 q, davon 121.460 aus der Türkei, 28.941 aus Griechenland eingeführt. Von diesen geht nach Deutschland über Triest fast soviel wie nach Oesterreich. Zu erwähnen wären noch verschiedene Oele (etwa 100.000 q), besonders Olivenöl, und auch Wein.
Die Einfuhr aus dem Pflanzenreiche wollen wir mit dem ziemlich bedeu - tenden Getreidehandel (circa 700.000 q Umsatz) schliessen. Die stärksten Zu - fuhren kommen aus Südrussland. Italien ist das Hauptziel des Exportes von Getreide aus Triest.
16Das Mittelmeerbecken.Bei den Producten aus dem Thierreiche überrascht der geringe Umfang des Handels mit Fischen. Schafwolle, Lamm - und Ziegenfelle werden zumeist aus der Türkei und Griechenland bezogen; von den rohen Ochsen -, Büffel - und Kuhhäuten (1888 57.596 q) kommt weit über die Hälfte aus Indien und China.
Beinahe ebenso kurz können wir uns bei Besprechung der Artikel des Mineralreiches fassen. Die markanteste Erscheinung auf diesem Gebiete ist, dass jetzt Rohpetroleum und Naphtha meist aus Russland (Baku über Batum) kommen; die Einfuhr von dort ist 1888 auf 414.133 q gestiegen, die aus Nord - amerika auf 9646 q gesunken, denen man auch die 3000 q zurechnen darf, die aus Grossbritannien und Hamburg eingingen.
In der Einfuhr von Steinkohlen nach Triest sehen wir Grossbritannien in einem erfolgreichen Wettbewerbe mit Oesterreich-Ungarn. Zur See gingen 1888 691.756 q ein, davon aus Grossbritannien 625.036 q, aus Oesterreich-Ungarn 65.990 q; zu Lande kamen von Oesterreich-Ungarn 608.279 q. Die Einfuhr englischer Kohle würde noch grösser sein, wäre nicht der Oesterreichisch-ungarische Lloyd vertragsmässig verpflichtet, 30.000 t Kohle aus inländischen Werken zu beziehen.
Klein ist gegenüber der Anzahl der Rohproducte, die zur See nach Triest gebracht werden, die Reihe der Fabricate, die auf demselben Wege dahin gelangen. Russland und Rumänien bringen Alkohol (1888 10.250 q), Grossbritannien Eisen, Eisenwaaren und Maschinen, Zündhölzchen[und] Zündwachskerzchen kommen aus Italien.
Was die wichtigsten Ausfuhrartikel anbelangt, so sei zuerst der Zucker genannt; bei diesem zeigt sich, wie mächtig die Concurrenz Frankreichs, Russ - lands und Aegyptens ist. Die Ausfuhr des raffinirten Zuckers betrug 1886 714.805 q, 1888 nur mehr 450.079 q, welche in die Türkei, nach Aegypten, Bulgarien und Tunis gingen.
Neben Zucker nehmen aus der Gruppe der Nahrungs - und Genussmittel im Exporte von Triest noch folgende Artikel eine hervorragende Stelle ein:
Mehl, 250.000 q nach Grossbritannien, Brasilien, der Türkei, Griechenland, Ostindien, Zanzibar.
Bier wurde in einer Menge von 107.061 q ausgeführt, die namhaftesten Absatzgebiete im Auslande waren Aegypten (34.081 q), die Türkei, Italien, Ost - indien, Griechenland, wo sich Biergattungen aus Wien und Graz grosser Beliebt - heit erfreuen.
Wein (1888 circa 300.000 q) geht zumeist nach Frankreich.
Wir müssen auch über die getrockneten und zubereiteten Früchte berichten, deren Haupttheil die getrockneten Pflaumen aus Slavonien und Bosnien bilden. Die Vereinigten Staaten von Amerika nahmen 1888 von den exportirten 179.494 q fünf Sechstel in Empfang. Als Gewürzmarkt ist Triest nicht bedeutend.
Beim Holzexport hat der Handel noch tiefer einschneidende Veränderun - gen erfahren als bei Zucker; Triest ist wegen der Concurrenz Fiumes fast allein auf die Zufuhren aus Oesterreich angewiesen. Dessenungeachtet erreichte die Gesammt - ausfuhr 1888 34,418.763 Stück Hölzer, 7651 m3 gezimmerte Balken und 52.026 q andere Holzgattungen. Bei Betrachtung der Einzelnheiten sehen wir, dass der Export der Fassdauben auf 17,154.417 Stück beschränkt ist, von denen Frankreich 8·5 Millionen, Italien 5·7 Millionen, Griechenland 1·8 Millionen und Algier, dessen17Triest.Weinhandel kräftig aufblüht, 0·3 Millionen Stück aufnahmen. Auch Gibraltar und England sind mit ansehnlichen Ziffern betheiligt. Für die übrigen Gattungen beschränken wir uns auf die Angaben, dass Griechenland, Italien, Aegypten und auch die Türkei einen grossen Theil ihres Holzbedarfes aus Triest beziehen; Parquetten gehen bis England.
Von grosser Wichtigkeit ist Papier, von dem ein kleiner Theil aus Italien zugeführt wird. Die Ausfuhrziffer erreichte allmälig steigend 1888 die Höhe von 162.195 q; davon gingen 62.641 nach der Türkei, 47.535 nach Ostindien, bedeu - tende Mengen nach Aegypten und Griechenland.
Der Rückgang des Exportes von Zündhölzchen (1888 50.168 q) ist eine Folge der Concurrenz Italiens und Deutschlands. Die Abnehmer des meist öster - reichischen Fabricates sind China, die Türkei, Aegypten, Griechenland.
Von den übrigen Fabricaten ist besonders die Ausfuhr von Leder und Lederwaaren, von Wollwaaren, die meist einheimischen Ursrpunges, hervor - zuheben. Daneben benützen auch Deutschland und die Schweiz Triest als Export - hafen für die Levante.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 318Das Mittelmeerbecken.Triest ist keine Industriestadt. Die wichtigsten Etablissements, die berühmten Werften, Maschinenfabriken des Lloyd und des Sta - bilimento tecnico dienen dem Seeverkehr. Merkwürdigerweise liess sich Triest in Bezug auf die industrielle Verarbeitung der eingebrachten überseeischen Rohproducte von Fiume überflügeln. Eine Specialität von Triest ist die Steinmetzerei, welche die wunderbaren Gesteins - arten Istriens verarbeitet.
Nachdem wir den Handel von Triest so ausführlich behandelt haben, können wir uns bei der Besprechung der Schiffsbewegung kürzer fassen. Ueber die Grösse des Verkehres und die daran be - heiligten Flaggen bringen wir folgende Tabelle:
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Das Gebiet des Seehandels von Triest ist in erster Linie das östliche Becken des Mittelmeeres mit dem Schwarzen Meere. Die Segel - schiffe besorgen einen grossen Theil des Handels mit Holz, mit Süd - früchten und Wein.
Im Segelschiffverkehre von Triest steht nach der Anzahl der Tonnen die nationale Flagge hinter den fremden zurück, im Verkehre - der Dampfschiffe hat sie das Uebergewicht. Die nationalen Dampfer sind zum grössten Theile die Schiffe einer einzigen Gesellschaft, nämlich des Oesterreichisch-ungarischen Lloyd, denn ganz Oesterreich-Ungarn besass anfangs 1889 163 Handelsdampfer mit 94.371 t, wovon auf den Lloyd 79 Dampfer mit 81.620 t und 87.500 Pferdekräften entfielen, so dass dieser unter den zehn grössten Schiffahrts-Gesellschaften der Erde rangirt. Er ist eine Schöpfung des genialen Freiherrn von Bruck.
Seine Gründung 1833, respective 1836 fiel zusammen mit der politischen Erschliessung der Levante und mit der Einführung der Seedampfer; beide Conjuncturen nützte der Lloyd, durch ein Privi - legium geschützt, Jahrzehnte hindurch in bequemer und lucrativer Weise aus. Heute kämpft er, wie fast alle Seedampfer-Gesellschaften, den19Triest.schwersten Concurrenzkampf auf den meisten Linien. Vom Staate bezieht er die geringe Subvention von 1·3 Millionen Gulden. Seit 1870 macht er seine Fahrten via Suez nach Indien und China und neuester Zeit sechs Fahrten jährlich nach Brasilien. Den Verkehr nach dem west - lichen Mittelmeerbecken und den atlantischen Häfen haben die öster - reichischen Rheder nie stark betrieben, daher haben ihn auch, so weit er für Oesterreich-Ungarn überhaupt in Betracht kommt, fast ganz die Italiener und Engländer und nur zum geringen Theile Deutsche (Hamburg) in Händen. Von allen grossen Linien ist am einträglichsten die von Bombay und Calcutta nach Triest, auf welcher der Tonnen - zahl nach die österreichische Flagge (Lloyd) der englischen das Gleichgewicht hält. Für die Ausfahrten fehlen allerdings auch dieser, wie fast allen österreichischen überseeischen Linien, die genügenden, regelmässigen Exporte.
Triest ist auch Kopfstation eines Zweiges der „ Eastern Telegraph Company “, die England mit Bombay durch ein Kabel verbindet.
Wie schon erwähnt, besass Triest in der 1857 vollendeten Südbahn durch Jahre die einzige Eisenbahnverbindung nach den Hinterländern der Adria und des thyrhenischen Meeres. Heute hat Triest drei Eisenbahnverzweigungen über die Alpen und sogar Concurrenzbahnen zur Verfügung, allein die Wunden, welche der Bau der Brenner - und der Pontebba -, noch mehr aber jener der Gotthard - bahn dem Triester Handel schlug, kann die Linie Herpelje-Divacca nicht heilen; darum begehrt man in Triest die Erbauung einer Tauern - bahn, welche direct nach München gravitirt und welche einen grossen Theil des mitteleuropäischen Verkehres wieder von Genua und Venedig ab nach Triest leiten soll.
Ein andere, die Handels - und selbst Preisverhältnisse von Triest vollkommen umgestaltende Neuerung ist die bereits erwähnte Auf - hebung des Freihafens, welche am 1. Juli 1891 vorgenommen werden soll. Um das Gefährliche dieser Massnahme abzuschwächen, werden in dem dann noch erübrigenden Zollausschlussgebiete (Punto franco) vierzehn Lagerhäuser und Hangars (Güterschoppen) mit einem Fassungsraum von 124.000 m2 Lagerfläche errichtet, so dass selbst gewisse Triest eigenthümliche Sortirungen mancher Waaren ausser - halb des Zollgebietes vorgenommen werden können.
Triest besitzt in seiner Geld - und Waarenbörse, die am 21. Juni 1775 gegründet wurde, die älteste Börse Oesterreichs. Der Verkehr erstreckt sich auf Kauf und Verkauf von Waaren und Schiffen, Versiche - rungs - und Transportverträge, dann auf Effecten, Devisen und Valuten.
3*20Das Mittelmeerbecken.Das Bankwesen von Triest beschränkte sich bis zum Jahre 1853, wo die Oesterreichische Nationalbank, jetzt Oesterreichisch-ungarische Bank, eine Zweigniederlassung daselbst errichtete, auf private Bank - firmen. Jetzt haben ausser der genannten die Oesterreichische Credit - anstalt für Handel und Gewerbe, die Unionbank und die Anglo - österreichische Bank, deren Sitz Wien ist, Filialen in Triest. Ein - heimische Unternehmungen sind die Banca Commerciale Triestina, die Banca Popolare Triestina für die Bedürfnisse der Kleinindustrie und die Triester Sparcasse.
In Triest ist der Ursprung des heutigen Versicherungswesens von Oesterreich-Ungarn zu suchen. Das war das Verdienst der vor ungefähr 60 Jahren gegründeten „ Azienda Assicuratrice “, dann der „ Assicurazioni Generali “und der nachfolgenden „ Riunione Adriatica di Sicurtà “, welche ausser der Feuerversicherung auch die Hagel -, Transport - und Lebensversicherung einführten.
Zum Schlusse führen wir eine Reihe staatlicher und öffentlicher Institu - tionen an, welche berufen sind, auf den Handel Triests Einfluss zu nehmen. Triest ist Sitz der Statthalterei für das Küstenland, eines besonderen Handels - und See - gerichtes, eines Zolloberamtes, der k. k. Seebehörde, welcher sämmtliche Hafen - und Seesanitätsämter der Küsten Oesterreichs unterstehen, einer Handels - und Gewerbekammer. Dem Zwecke der Schiffsvermessung und Classification dient das „ Ufficio Veritas austro-ungarico “, 1858 gegründet. Der jeweilige Präsident der Handelskammer ist Vorsitzender desselben. Von Handelslehranstalten sind zu nennen die Handelshochschule „ Stiftung Revoltella “und die k. k. Handels - und nautische Akademie mit eigener Sternwarte. Triest ist reichsunmittelbare Stadt; sein Stadtrath ist zugleich Landtag.
Folgende Staaten haben Consulate in Triest: Vereinigte Staaten von Amerika, Argentina, Belgien (Generalconsulat), Bolivia, Brasilien (G. C.), Chile, Columbia, Costarica, Dänemark, Deutsches Reich (G. C.), Dominicanische Re - publik, Frankreich (G. C.), Griechenland (G. C.), Grossbritannien, Italien (G. C.), Japan, Monaco, Niederlande, Persien, Peru, Portugal (G. C.), Rumänien, Russ - land, S. Marino, Schweden und Norwegen (G. C.), Schweiz, Serbien (G. C.), Spanien, Türkei (G. C.), Uruguay, Venezuela.
Am Ende des 40 Seemeilen in nördlicher Richtung sich er - streckenden Quarnero-Golfes liegt an der Mündung des Flüsschens Fiume, auch Reka oder Recina genannt, die aufblühende freundliche Hafenstadt Fiume (circa 30.000 Einw. ), die uralte liburnische Tersattica, dann Vito - polis, hierauf St. Veit am Pflaumb und slavisch Rieka genannt. Die spärlich bebauten Ausläufer der julischen Alpen überragen den frucht - baren Küstenstrich, der gegen Westen zu, einem grünen Bande ver - gleichbar, die Strandlinie bis weit in das Gebiet von Istrien umsäumt.
Die landschaftliche Schönheit der duftigen Küstenscenerien schil - dert uns die geistvolle Dichterin Ada Christen in nachfolgenden schwungvollen Versen, die sie im Fremdenbuche der Villa Angiolina bei Abbazia als Tribut der Bewunderung improvisirte:
Das ist die österreichische Riviera mit ihren in Lorbeerhainen eingebetteten, von einer reichen subtropischen Vegetation umgebenen Städtchen, deren Ruf als klimatische Curorte und Seebäder in kurzer Zeit weit über die Grenzen des Kaiserstaates gedrungen ist.
22Das Mittelmeerbecken.In der That lässt sich kaum eine reizendere Lage denken, als jene von Abbazia, dem immergrünen Nizza Oesterreichs, oder der malerisch am Küstensaume zu Füssen des 1450 m hoch aufsteigenden Gebirgsstockes Monte Maggiore gelegenen Nachbarstädtchen Volosca, Ika, Lovrana und Moschenizze, die sämmtlich gegen die stürmi - schen und rauhen Nordwinde geschützt, den Segen eines äusserst milden Klimas geniessen.
Im Osten von Fiume herrscht hingegen der Charakter einer rauhen Steilküste vor.
Der Quarnero-Golf führte im Alterthume mehrere bezeichnende Namen. Man nannte ihn unter anderen auch Sinus Canarius, aus welcher Bezeichnung wohl der heutige Name entstammen dürfte, an den die Vorstellung verheerender Seestürme sich knüpft. In der That gelten dieser Golf und der in denselben einmündende Meerescanal längs der croatischen Küste (Canale di Maltempo) im Volksmunde als Geburtsstätten der gewaltigen Bora-Orkane, gegen deren Wuth die wettergeübten Seeleute dieses Gebietes, die auch als Polarfahrer unter Weyprecht sich bewährten, muthig anzukämpfen haben. Dem Golfe von Fiume wird ein grosser Fischreichthum nachgerühmt; leider ist aber auch der Menschenhai ein ständiger Gast dieser Ge - wässer geworden. Dagegen bildet der äusserst schmackhafte rosa - färbige Scampo (Nephrops Norregiensis), ein Seekrebs, der nur in Quarnero und in den Scherren Norwegens vorkommt, eine kostbare Eigenheit der hiesigen Seefauna.
Schon im Alterthume beschäftigte die Küstenbevölkerung sich mit Schiffahrt und Schiffbau, zur Zeit der Uskoken allerdings auch mit Piraterie. Die Seetüchtigkeit und die gefälligen Formen der libur - nischen Fahrzeuge standen in bestem Rufe, und bekannt dürfte es sein, dass Cȧsar Augustus in dem Kriege gegen Marcus Antonius solcher sich bediente. Noch vor zwei Jahrzehnten waren Fiume und die östlich in einem herrlichen Becken gelegenen Städtchen Buccari und Porto Ré im Besitze einer aus alter Zeit stammenden blühenden Rhederei und durch ihre prächtigen Segelschiffbauten in maritimen Kreisen sehr angesehen, allein die Ausbreitung der Dampfschiffahrt hat seither der Werftenindustrie dieser Gegend den Todesstoss versetzt.
Indes erfuhr die Stadt Fiume unter der Begünstigung der unga - rischen Regierung gleichwohl eine völlige Umwandlung und vortheil - hafte Verjüngung. Aus dem unbedeutenden Küstenorte erstand baldigst eine Seestadt, welche, indem sie das aufstrebende Reich Ungarn in23Fiume.directe Verbindung mit dem Welthandel setzte, im Fluge zur Con - currentin von Triest sich aufschwingen konnte.
Schon der äussere Anblick der Stadt zeigt ein aufblühendes Gemeinwesen und trägt die Merkmale des Wohlstandes an sich. Die prächtige Häuserfront der unteren Stadt ziert den geräumigen, durch Anschüttungen dem Meere abgewonnenen Quai. Breite und gerade laufende Strassen, Parkanlagen, Alleen und durch eine ge - fällige Architektonik auffallende öffentliche Gebäude lassen diesen Stadttheil als eine Schöpfung der neuesten Zeit erkennen.
Die obere oder alte Stadt bildet dagegen ein malerisches Ge - wirre ehrwürdiger Baulichkeiten; kleine Häuser mit Freitreppen, enge Gässchen, niedliche Gärten bedecken hier den Abhang bis zur Höhe des aus dem XIII. Jahrhunderte stammenden Domes von St. Veit (San Vito). Die Höhe krönte ehemals ein Castell, der Ausgangspunkt der durch Thürme flankirt gewesenen Ringmauer der Stadt. Gegen - wärtig sind kaum noch Spuren der erwähnten Befestigung zu sehen. Aus späterer Zeit sind zumeist einige kirchliche Denkmale zu verzeichnen, unter welchen die 1453 von den Grafen Nicolaus und Martin Frangepan an geweihter Stelle erbaute und gegenwärtig besonders von den Seeleuten in Ehren gehaltene Votivkirche der Madonna di Tersatto Beachtung verdient. Mehr als 500 Stufen führen aus der Vorstadt Susak von der Brücke über die Reka ausgehend hinauf nach Ter - satto, von wo aus der Besucher einen herrlichen Rundblick über den ganzen Golf von Fiume und die hochaufragenden quarnerischen Inseln geniesst.
Das heutige Fiume erstand auf den Trümmern der durch Karl den Grossen im Jahre 799 zerstörten liburnischen Tersattica, wurde später ein Lehen der Patriarchen von Aquileja, dann der Grafen von Duino und der Herren von Görz, bis es im Jahre 1471 an Kaiser Friedrich III. als Domäne des Hauses Oesterreich gelangte. Kaiser Karl VI. und Maria Theresia verliehen der Stadt mancherlei Privi - legien, Ersterer unter anderem 1719 das Freihafenpatent, und statte - ten den Hafen mit Schutzvorkehrungen aus.
Auch an dieser von den grossen Ereignissen ferne gelegenen Küste liess das blutige Ringen gegen die von der französischen Revo - lution decretirte neue Weltordnung tiefe Spuren zurück und wiederholt erdröhnten Kanonendonner und Waffengeklirre in Stadt und Hafen.
Nach dem Friedensschlusse von Schönbrunn 1809, welcher die österreichischen Erbländer vom Meere abschnitt, gelangte Fiume für24Das Mittelmeerbecken.mehrere Jahre in französischen Besitz, bis der Wiener Congress 1814 die alte Angehörigkeit zu Oesterreich wieder bestätigte.
Im Jahre 1822 wurde Fiume, das schon von 1779 — 1809 reichs - unmittelbares Gebiet der ungarischen Krone (Separatum corpus Sacrae regni Hungariae Coronae) gewesen war, diesem Königreiche wieder einverleibt, und nach mancherlei Wandlungen wurde die Reichs - unmittelbarkeit durch das Diplom vom November 1868 endgiltig be - siegelt.
Sogleich nach dem sogenannten politischen Ausgleiche, welcher 1867 aus der österreichischen Monarchie ein „ Oesterreich-Ungarn “geschaffen hatte, war es eine der ersten national-ökonomischen Auf - gaben der neuen ungarischen Regierung, den Seeverkehr von Fiume zu beleben und aus diesem Hafen ein wichtiges Handelsemporium zu gestalten. Nach den Plänen des durch ähnliche Werke hervorra - genden französischen Hydrotechnikers Pascal wurde 1872 der Bau des neuen Hafens begonnen.
Wie aus dem Plane zu ersehen, ist durch einen nahezu 1000 m langen Wellenbrecher ein grosses gegen den Seegang vollkommen ge - schütztes Bassin gewonnen worden, in welchem die drei breiten zur Anlage von Magazinen geeigneten Molen Zichy, Rudolf und Nr. IV am Bahnhofquai eingefügt sind. Ausserdem blieb der alte Molo Adamich erhalten. In dieser Anordnung verfügt der Hafen über eine innere Quaientwicklung von 3000 m bei 36 Hektaren Fläche.
Einen besonderen Annex der Anlage bildet der westlich von Fiume erbaute Petroleumhafen, dessen Pumpwerke es gestatten, das ankommende rohe Steinöl direct in die zunächst gelegene Raffinerie, die täglich 1000 Fässer Petroleum verarbeitet, zu leiten.
Ein kleinerer Hafen ist an der Ausmündung des Fiumeracanales in Ausführung begriffen. Letzterer war ehemals der eigentliche Binnen - hafen für kleinere Schiffe.
Von den grossen Hafenbauten sind zur Zeit nur noch ein Theil des Wellenbrechers und der Molo IV zu vollenden. Als Mangel könnte das bisherige Fehlen eines Trockendocks in Fiume hervorgehoben werden.
Die für einen so wichtigen Hafen wie Fiume unentbehrliche Quarantaineanstalt ward in der östlich der Stadt liegenden freundlichen Bucht von Martinschizza belassen, wo Kaiser Franz I. 1833 ein gross - artiges Pestlazareth gegründet hatte.
Die k. k. Kriegsmarine unterhält westlich der Stadt die 1857 eröffnete Marine-Akademie, ein herrliches, für 130 Zöglinge berechnetes[25]
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 426Das Mittelmeerbecken.Gebäude, das, in einem prächtigen Parke gelegen, eine Musteranstalt für die Heranbildung des Officiersnachwuchses der k. k. Flotte ist.
Auf dem Gebiete der maritimen Kriegstechnik hat Fiume durch die unübertroffenen Erzeugnisse der Whitehead’schen Fisch-Torpedo - fabrik, welche ihre äusserst zerstörenden submarinen Angriffswaffen allen Seemächten der Erde liefert, einen Weltruf sich geschaffen.
Ueberhaupt besitzt das nur 20 km2 umfassende reichsunmittelbare Gebiet von Fiume eine verhältnissmässig bedeutende Zahl industrieller Etablissements grösserer Art, von welchen hier noch die Reisschäl - mühle, die königliche Tabakfabrik, die Fabrik chemischer Producte und die grosse, in der tief eingerissenen, wildromantischen Schlucht der Recina gelegene Papierfabrik Smith & Meynier erwähnt seien.
Die Bewohner von Fiume sind Italiener, Croaten und Magyaren, der meiste Verkehr vollzieht sich aber in italienischer Sprache. Es ist eine betriebsame und liebenswerthe Bevölkerung, welche die uralte Stätte der Tersattica bewohnt.
Was die commercielle Bedeutung Fiumes betrifft, so besteht sie hauptsächlich darin, dass dieser Hafen das einzige Ausfallsthor Ungarns zur See bildet; die Länder der Stefanskrone, sowie die im Süden angrenzenden Gebiete von Bosnien und Serbien sind sein natürliches Handelsgebiet. Betrachten wir nun, wie durch das mo - derne Verkehrsmittel der Eisenbahnen das Hinterland für Fiume nutzbar gemacht wurde.
Seine erste Eisenbahnverbindung erhielt der Hafen durch den Flügel der Südbahn nach St. Peter, der auf die Linie Wien - Triest ausmündet. Bei der überlegenen Stellung, welche Triest in jeder Beziehung besass, war diese Bahn für Fiume von keinem zu grossen Nutzen. Es musste erst eine unmittelbare Verbindung nach Ungarn erhalten, um in seinem ureigenen Handelsgebiete mit Triest in Con - currenz treten zu können, und das seit 1867 wieder selbständige Ungarn nahm die Lösung dieser Angelegenheit sofort in die Hand.
Heute gravitiren, dank der Erbauung eines wohldurchdachten Eisenbahnnetzes, alle Comitate von Oedenburg bis in das getreidereiche Alföld, sowie das holz - und pflaumenreiche Slavonien und Nord - bosnien nach Fiume. Auch die Save und ein Theil der Donauschiff - fahrt dienen Fiume, und ist deren Ausnützung noch einer bedeutenden Steigerung fähig.
So erscheint Fiume als ein wirklich unglaublich rasch erblühender Handelsplatz.
27Fiume.Im Jahre 1878 umfasste der Schiffsverkehr Fiumes 5463 Schiffe von 427.513 t, 1888 10.266 Schiffe mit 1,555.327 t, und mit Recht wird diese Steigerung der Handelsthätigkeit gerühmt. Allein man darf diese Erscheinung nicht überschätzen: viel ist geschehen, aber Alles ist im Entstehen. Fiume, dessen Import und Export neben Triest klein sind, hat nur Transito und überwiegenden Exporthandel, und dieser Export concentrirt sich auf die Monate September bis März, welcher Umstand fast den vierten Theil der Schiffe nöthigt, unter Ballast nach Fiume zu gehen und auf die Tarifbildung sehr nach - theilig wirkt.
Ueber die Grösse des Verkehres von Fiume liegen folgende Angaben vor:
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Diese Zahlen sind seit 1884 ziemlich constant.
Von dem oben ausgewiesenen Seeverkehre entfielen 1887 in der Ausfuhr 612.062 q im Werthe von 9·3 Millionen Gulden, in der Einfuhr 598.062 q im Werthe 6·3 Millionen Gulden auf den Verkehr mit den einheimischen Häfen. Diese Ziffern ändern sich wenig im Verlaufe der Jahre, und wir müssen sie von dem oben angegebenen Verkehre zur See abrechnen, da wir jetzt den Verkehr mit dem Auslande ins Auge fassen wollen. Bei diesem ist der Export nach dem Westen gerichtet; denn die wichtigsten Exportländer sind England (1887 16·8 Millionen Gulden), Frankreich (13·8 Millionen Gulden), die Vereinigten Staaten von Amerika (3·9 Millionen Gulden), Italien (3·5 Millionen Gulden), Bra - silien, Holland und im Osten die Türkei, die nur mit einer kleinen Ziffer bethei - ligt ist. Dagegen erhalten wir ein ganz anderes Bild von der räumlichen Verthei - lung des Fiumaner Einfuhrhandels; die stärkste Einfuhr findet statt aus Ost - indien und England, dann aus den russischen Häfen am Schwarzen Meere und der Türkei.
Durch die eingehendere Besprechung der wichtigsten Stapelartikel Fiumes werden diese Angaben die nothwendige Ergänzung erfahren. Bei der Ausfuhr zur See ist vor Allem Weizenmehl zu nennen aus den weltberühmten Mühlen von Budapest, den Provinzmühlen und der Fiumaner Dampfmühle stammend. Die letz - tere verarbeitet bei entsprechenden Preisen auch russischen Weizen. Der Export betrug 1885 996.867, 1886 964.513, 1887 905.325 q und 1888 1,188.091 q. Die Hauptabnehmer sind England (1887 594.943 q), Frankreich mit 93.944 q, Brasilien mit 78.456 q.
Im Getreidehandel ringen Weizen und Gerste um den Vorrang, von jedem werden mehr als 400.000 q exportirt.
Der Weinexport ist jetzt im allgemeinen kleiner als in früheren Jahren, er richtet sich nämlich nach dem Bedarfe Frankreichs. Export 1886 145.848, 1887 91.165 hl.
4*28Das Mittelmeerbecken.Den wichtigsten Artikel des Fiumaner Exportes bildet Holz. In Triest und Fiume ist die Ausfuhr von Nutz - und Werkholz in einer beständigen Steigerung begriffen, doch findet insoferne ein Unterschied statt, als Triest in der Vermitt - lung des Exportes an weichem Schnittmaterial obenan steht, während sich der Verkehr mit harten Hölzern, insbesondere mit Fassdauben, immer mehr nach Fiume zieht. An Eichendauben wurden 1886 27,627.600, 1887 38,178.700, 1888 bei 42 Millionen Stück ausgeführt; davon gehen bis auf 1 bis 2 Millionen alle nach Frankreich, der Rest nach Algier, England, Italien u. s. w. Die Ausfuhr von Buchendauben erreichte 1887 über 3 Millionen, 1888 fast 4 Millionen Stück. Im Ganzen wurden 1887 59.811 m3 und über 51 Millionen Stück Hölzer exportirt.
Weit kleiner ist die Zahl der wichtigen Artikel, welche Fiume zur See einführt. Kaffee (1887 10.598 q) geht zum Theile wieder weiter in die Levante; ostindische Jute (1887 31.612 q) ist bestimmt für die Fabriken des gemeinsamen Zollgebietes. Allen voran aber stehen Petroleum und Reis, die Grundlagen zweier grossartiger Zweige der Fiumaner Exportindustrie.
Fiume ist im Gegensatze zu Triest auch eine Fabriksstadt mit starker Arbeiterbevölkerung.
Die Mineralöl-Raffinerie ist gegenwärtig das grösste und bedeutendste Unternehmen dieser Gattung in Europa. Die Fabrik erzeugt durchschnittlich im Jahre 451.600 q raffinirten Petroleums, ausserdem ein entsprechendes Quantum an Nebenproducten. Sie hat an den wichtigeren Verkehrspunkten Reservoirs angelegt, ihr Absatz beschränkt sich auf das Inland.
Auch die Reisschäl - und Stärkefabrik trägt wesentlich dazu bei, den überseeischen Verkehr des Hafens zu beleben. 1887 wurden 265.057, 1886 290.563 q ungeschälten Reises meist aus Ost - indien bezogen. Das fertige Product geht in die Monarchie, nach Ita - lien, Griechenland, der Türkei, die Reiskleie nach England, Holland, Portugal und Frankreich.
Andere Unternehmungen sind die bereits früher erwähnte Tor - pedofabrik, eine chemische Fabrik, eine Fabrik für Erzeugung von Bugholzmöbeln mit starkem Absatz ins Ausland u. s. w.
Die Grösse des Schiffsverkehres haben wir bereits oben ange - geben. Betrachten wir denselben nach den Flaggen, so sehen wir, dass unter den Dampfschiffen die Flaggen Oesterreich-Ungarns und Englands den weitaus grössten Theil des Verkehres vermitteln; unter den Segelschiffen ist neben der nationalen Flagge die italienische sehr wichtig. Die Dampfer vermitteln den auswärtigen Verkehr, die Segel - schiffe meist den inländischen und den mit Italien. Die Vertheilung nach Flaggen ist (1888) folgende:
[29]30Das Mittelmeerbecken.〈…〉〈…〉 |
Der Seehandel von Fiume ist überwiegend nach Westeuropa, nach Nordamerika und Brasilien gerichtet; im Osten ist nur der Hafen von Batum wichtig.
Nach den Küsten des östlichen Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres besorgt der Oesterreich-ungarische Lloyd den regelmässigen Verkehr; die Linien nach dem Westen besorgt in erster Linie die ungarische Seeschiffahrts-Actiengesellschaft Adria, welche von der ungarischen Regierung eine regelmässige Subvention bezieht. Sie unter - hielt in den ersten Jahren ihrer Thätigkeit insbesondere nach den eng - lischen, schottischen und französischen Häfen Fahrten, in den letzten Jahren hat sie auch Nordafrika, Spanien, Portugal und Brasilien in ihr Itinerär aufgenommen, und trägt nicht wenig bei zu dem grossen Aufschwung, welchen der Verkehr Fiumes im letzten Quinquennium aufzuweisen hat.
An dritter Stelle ist die englische Dampfschiffahrts-Gesellschaft „ Anchor-Line “hervorzuheben, welche jährlich 18 Fahrten von Fiume nach New-York unternimmt.
Kleinere Unternehmungen besorgen den Verkehr nach Cette und Marseille, nach Venedig und neben dem Lloyd nach den inländischen Küstenplätzen.
Für die Aufhebung des Freihafens, die in Fiume und Triest gleichzeitig erfolgen wird, ist der Platz heute schon zum Theile ge - rüstet. Die von der k. ungarischen Seebehörde erbauten grossen Magazine und die der k. ungarischen Staatsbahn können zusammen die Ladung von 7060 Waggons einlagern.
Die wichtigsten Banken sind die Filiale der Oesterreichisch - Ungarischen Bank und die Fiumaner Creditbank, eine Commissions - bank in grossem Style.
Fiume ist der Sitz eines königlich ungarischen Guberniums, dann der königlich ungarischen Seebehörde, einer Handels - und Gewerbekammer, der eines Hauptzollamtes, einer königlich ungarischen Handels-Akademie, eines Staats - Gymnasiums und einer nautischen Schule.
Consulate haben in Fiume: Die vereinigten Staaten von Amerika, Argen - tina, Belgien, Brasilien, Dänemark, das Deutsche Reich, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, die Niederlande, Portugal, Russland, Schweden und Nor - wegen, Serbien, Spanien, das Türkische Reich.
Wir sind aus dem Quarnero wieder in das nördlichste Gebiet der Adria eingedrungen. Das dunkle Azur des Meeres, die undurch - dringliche Decke über dem Geheimnisse der Tiefe, ist allmälig einer gründlichen Färbung gewichen. Algenbüschel und Gräser, hin und wieder der laublose Zweig eines Baumes schwimmen träge auf der endlosen Wasserfläche. Ueber uns in ätherklaren Lüften tummeln sich, das Schiff geleitend, kreischende Möven in lustigem Spiele.
Alle Anzeichen des nahen Landes sind vorhanden und mehren sich, je weiter wir westwärts vordringen; ja selbst kühne Fischer auf eigenthümlich gebauten Fahrzeugen, über welchen roth und gelb bemalte Segel in gefälligem Schwunge sich blähen, erblicken wir, allein noch immer kein Land.
Doch plötzlich schimmert und leuchtet es am westlichen Hori - zont. Im Sonnenscheine erglänzende Kuppeln und Thürme, grosse palastähnliche Bauwerke mit geheimnissvoll bewegten Formen tauchen dort, von magischem Lichte umflossen, wie eine trügerische Fata Mor - gana auf.
Seitlich und davor scheinen dunkle, wie aus dem Buschwerke hoher Bäume geformte Gebilde sich zu drängen.
Ernst und gross und doch so luftig und zart blicken die zackigen Höhen der fernen Alpen — rechts der vielbesungene Triglav, links die aus gottgesegneten Fluren aufsteigenden vulkanischen Colli Euganei und Monti Berici — herab zu uns, und von dem Hauche sanfter Meeres - lüfte erfrischt, erhält die Phantasie weiten Raum, das zaubervolle Bild auszugestalten.
Die Stadt der Paläste, das gold’ne Venedig, liegt vor uns, und es ist, als leuchte eine glänzende geistige Corona über den fernen Umrissen der altehrwürdigen Metropole eines entschwundenen, mehr als tausendjährigen Staatsgebildes.
32Das Mittelmeerbecken.Der Gegenwart entrückt, taucht der Gedanke gern zurück in die Tiefe der Vergangenheit, in völlig classische Räume der unend - lichen Zeit. Der Blick fällt unwillkürlich auf die euganeischen Hügel, die mit dem rundlich geformten Monte Venda am meisten gegen Süden vorspringen.
Dort lag an der Stelle des heutigen Padua das uralte Patavium, dessen Gründung der Mythe nach dem trojanischen Antenor zuge - schrieben wird, jenem bei Homer zum Frieden drängenden Greise, den eine spätere Sage zum Verräther an Troja werden und nach dem grauenvollen Untergange der Feste fluchbeladen weit hinweg nach Italien wandern lässt. Wie drängt diese Erinnerung eine andere näher - liegende auf, nämlich an den Sturz der alten Republik Venedig, den ebenfalls Verrath herbeiführte. So finden hier graues Alterthum und neue Zeit einen wenig anmuthenden Berührungspunkt. Wie entehrend der Vaterlandsverrath immerdar gebrandmarkt ist, er schleicht doch als eine bleibende Erscheinung durch die Geschichte der Menschheit.
Der Anblick der euganeischen Hügel erweckt den Gedanken an Livius, den classischen Historiker, dessen Wiege die dunklen Wälder der Fons Aponi, des heutigen Badeortes Abano, beschatteten, und über den Monti Berici erscheint uns das geistige Bild eines der be - rühmten Führer des Cinque Cento, Andrea Palladio’s, der nicht nur seine Vaterstadt Vicenza durch seine besten Prachtbauten schmückte und ihr ein einheitliches, festliches Gepräge verlieh, das Goethe’s Be - wunderung errang, sondern dessen herrliche Werke auch zu reichen Zierden der italienischen Kunstmetropolen geworden sind.
Mit Palladio entrollt sich wie eine herrliche Vision das gestalten - reiche Bild der Geistesheroen, die als Söhne der jungfräulichen Dogen - stadt die Welt der Farben belebten und den Ruhm Venedigs häuften. Voran Tizian, der unerschöpfliche geniale Hauptmeister der venetia - nischen Schule, Tintoretto, der unübertroffene Prunkmaler, Paolo Veronese, die beiden Palma u. a., deren Werke eine Glanzepoche der Kunst bezeichnen.
Neben den Vertretern des Cinque Cento erscheinen die Tiepolo, Canale und Canaletto als Repräsentanten der Kunstrichtung des XVIII. Jahrhunderts.
Wie erweitert die Nennung solcher Namen die einstige Bedeu - tung der Lagunenstadt, wie gross und gewaltig stellt das Dominium des gold’nen Markuslöwen allein schon am Massstabe seiner Kunst - grösse sich dar! Es glänzen denn auch neben den Meistern der Kunst die grosse Zahl hervorragender Regenten, Heerführer, bewährter[33]
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 534Das Mittelmeerbecken.Diplomaten, berühmter Reisenden (Marco Polo!) und Männer der Wissenschaft.
Die Macht Venedigs konnte nur bei einem grossen Aufwande an Intelligenz emporblühen.
Die bezaubernde Eigenart der Stadt, die noch heute ihresgleichen sucht, liegt so recht in der historischen Entwicklung des Dogenreiches selbst. Während die Stürme der Völkerwanderung den Continent ver - heeren und das mächtige weströmische Reich vernichten, krystallisiren sich die Flüchtlinge der zerstörten Städte Patavium, Altinum, Aqui - leja u. a. auf den Lagunen zu einem Freistaat; wir finden die römische Gesellschaft mit ihren gewaltigen Traditionen in diesem Verbande. Den Lagunen haben die Colonisten zu danken, dass die Invasion der Gothen, die Eroberung Italiens durch die Longobarden und Griechen die Entwicklung ihres Staatswesens nicht zu stören vermochten und ihr meerumgebenes Gebiet in der Zeit der grössten Bedrängniss das einzige Asyl bildete, wo Friede, Sicherheit und Freiheit herrschten.
An der Wende zum VIII. Jahrhundert wird schon der erste Doge genannt.
Die staatliche Ordnung ist gesichert und ein neues Culturleben beginnt Glanz und Wärme auszustrahlen.
Aus Rialto, wohin 819 der Sitz der Regierung verlegt wurde, entsteht, die inneren Wirren besiegend, das aufstrebende Venedig. Die Heldenzeit der Kreuzzüge begünstigt den Aufschwung der Republik, die unter dem Dogen Enrico Dandolo (1192 — 1205) nach der Eroberung von Constantinopel und Theilung des byzantinischen Reiches einen reichen Länderzuwachs, darunter die Ostküste der Adria, die Insel Candia und anderen Besitz erhält.
Der fast zweihundertjährige erbitterte Kampf gegen die Schwester - republik Genua bildet eine blutige Episode in der Geschichte Venedigs.
Die Demüthigung der Rivalin (1380) ist das Werk der tapferen Flotte des Dogen Andrea Contarini.
Im XV. Jahrhundert feierte Venedig nicht nur unerwartete politische Triumphe, auch sein Handel blüht, und die Metropole wächst unter dem Betriebsfleisse von 200.000 Einwohnern zum Mittelpunkt des Welthandels auf.
Catarina Cornaro, die schöne Gemahlin des Königs Jakob von Cypern, die uns Meister Makart so blendend in Erinnerung brachte, darf hier genannt werden, denn durch ihre Verzichtleistung erwirbt Venedig die reiche Insel.
35Venedig.In den folgenden Jahrhunderten steigt die Republik langsam, aber stetig von dem Höhepunkte ihrer Macht herab. Dank ihrer aus - gezeichneten Flotte vermag sie während der Periode der türkischen Invasion in Europa der enormen ottomanischen Macht zwar die Stirne zu bieten, allein in demselben Masse als durch das Aufleben des oceanischen Verkehres der Portugiesen und Spanier die aus Handel und Industrie fliessenden Hilfsquellen eine immer grössere Einbusse erleiden, sinkt auch die militärische und politische Stellung Venedigs. Dazu gesellen sich Verluste an Landbesitz in der Levante, ein verhängnissvoller Müssiggang aller Bevölkerungsschichten, Abnahme des Rechtsgefühles, kurz, eine Zahl von Ursachen, unter deren Einflusse die Republik mit Beschleunigung ihrem Untergange zueilte, bis sie 1797, von den Ba - jonnetten Bonaparte’s eingeschüchtert, ruhmlos erlosch. Der letzte Doge, der schwache Ludovico Manin, hatte den Gedanken Marino Falieri’s durchgeführt.
Von da an war das ehemalige Dominium des Markuslöwen zur Beute der Grossstaaten geworden, deren Schicksale es theilte. Venedig, die Mutterstadt, und deren Terra ferma aber schmücken schliesslich als glanzvolle Perlen den Busen der zu Leben und That erwachten jugendlichen Italia.
Während der Blick zurück in die Vergangenheit schweift, kommen wir dem Lande näher. Die langgestreckten und niedrigen Dünen-Inseln, Lidi, die wie ein Schutzwall das Lagunengebiet von der offenen See abschliessen, liegen vor uns. Man gewahrt dort, zum Theile durch die 10 m hohe Aufböschung der berühmten Murazzi gedeckt, Ortschaften, Gärten, Festungswerke. Dahinter bauen sich die Häusermassen Venedigs auf.
In das Labyrinth der Lagunen führen die vier Einfahrten von Lido, Treporti, Malamocco und Chioggia. Die vorletzt genannte ist die Passage der grossen Schiffe; sie wird durch einen 2100 m frei in das Meer gebauten Damm, der 1825 unter der Regierung des Kaisers Franz I. entstand, vor Versandung geschützt. Die Zufahrt von Mala - mocco wird bei stürmischem Wetter auch von den kleinen Schiffen benützt, denn bei Lido, wo ausgedehnte Sandbänke vorgelagert sind, bilden sich bei hohem Seegange infolge der geringen Wassertiefe schwere Brechen und Sturzseen, welche die Schiffahrt ernstlich ge - fährden.
Die Ebbe und Flut treibt eine beachtenswerthe Strömung durch die Lagunen-Canäle zu den genannten Einfahrten und bewirkt Ver - änderungen des Meeresspiegels bis zu einem Meter Höhe. Zur Flut -5*36Das Mittelmeerbecken.zeit ist das ganze weitausgedehnte Lagunengebiet in einen grossen See verwandelt, dessen ruhige Fläche Venedig, seine Vorstädte sowie die zahlreichen in der Umgebung zerstreut liegenden Klöster, Kirchen und andere Baulichkeiten als Inseln und Eilande höchst malerisch beleben; den Lauf der zahlreichen Canäle markiren aber dunkle oft seltsam gruppirte Holzpfähle, die eine auffallende Charakteristik des fesselnden Lagunengebildes sind. Bei Ebbe erscheinen hingegen die trockengelegten, von den Wasserstrassen durchzogenen Sandbänke des Lagunenplanes (Paludi) als dunkelbraun gefärbte Flächen.
Seit den ältesten Zeiten waren die Venetianer bemüht, das La - gunengebiet nicht nur gegen die äusseren Sturmfluten zu schützen, sondern auch die Versandung durch die einmündenden Flüsse abzu - wenden. Grossartige Canalbauten, wie jene der Brenta, des Bachilione, Sile u. a., dann eine Anzahl von Schleusenwerken bezweckten die Ableitung der Hochwässer zu ausserhalb der Lagunen gelegenen Punkten.
Mit der Canalisation gewann die Republik natürliche Verbindungs - wege für ihren Handel mit fast allen Provinzen von Oberitalien, wo - durch in jener sonst so wegearmen Zeit die rasche Ausdehnung und das Gedeihen seines Handels mit dem Binnenlande erklärt werden kann.
Die Lagunen füllten im Leben der Republik eine ganz besondere Stellung aus, sie gehörten überhaupt zum Weichbilde der Hauptstadt, denn auf den Lidi und den anderen Inseln, wie in Venedig selbst wussten die weitblickenden Lenker des Dogenstaates die grösstmög - liche Bevölkerung, Reichthum und Behaglichkeit zu vereinigen.
Dorthin strömten die Handelsschätze aus dem reichen Oriente, und es entstanden in gegenwärtig fast verödeten Orten, wie Oriago, Mestre, Compalto, Porto Buffoledo, Porto Gruario, bedeutende Stapel - plätze, wohin Schiffe aller Nationen kamen. So häuften sich fabel - hafte Reichthümer zu einer Zeit, in der Europa noch in tiefe Barbarei versunken war, in der Dogenstadt an.
Die äussere Handelspolitik Venedigs bezweckte, die fremden Völker in ein Abhängigkeitsverhältniss zu drängen. Ein besonderes Pressionsmittel bildete bis zum Jahre 1500 der Salzhandel. Das in den strenge bewachten Salinen von Comacchio und Cervia gewonnene Salz durfte nur dorthin ausgeführt werden, wohin der Senat es be - stimmte. In ihrem Bestreben, durch den Salzbesitz dominirend aufzu - treten, vermochten die Venetianer 1381 die Ungarn zur Schliessung der Salzbergwerke in Croatien gegen eine Entschädigung von jährlich 7000 Goldducaten zu bewegen, und ähnlich verfuhren sie im Frieden37Venedig.von Chambery mit den Genuesen. Im XIII. und XIV. Jahrhunderte florirten in Venedig viele Gesellschaften, die sich Salinari nannten. Diese kauften die Salzernten der Saracenen, Barbaresken, Sicilianer und Calabresen unter äusserst günstigen Bedingungen auf und konnten infolge dessen das Salz zu so niedrigen Preisen verkaufen, dass nicht einmal die findigen Genuesen zu concurriren vermochten.
Die Einfahrt bei Lido wird nebst anderen Batterien hauptsächlich durch das äusserst geräumige Fort S. Nicolò di Lido beherrscht.
Diese grösstentheils aus alter Zeit herstammende Befestigung erfüllte bis zur Einführung der Panzerschiffe vollkommen den Zweck einer fortificatorischen Sperre der wichtigen Zufahrt nach Venedig. Heutigen - tags ist sie allerdings veraltert; allein andere kräftigere Vertheidigungs - mittel, wie Seeminen und Torpedos, werden jeden feindlichen Einfall in das Lagunengebiet vereiteln können. Die Venetianer verwendeten das Fort S. Nicolò als Sammelort für die grossen Truppentransporte nach ihren überseeischen Provinzen und Besitzungen. Die Baulich - keiten innerhalb der ausgedehnten Umwallungen boten Unterkunft für38Das Mittelmeerbecken.10.000 Mann. Nebstdem konnte man dort grosse Herden Schlachtvieh (bis 2500 Ochsen) zur Approvisionirung der Hauptstadt in Bereitschaft halten.
Ein eigenthümliches unvergleichlich anziehendes Leben entfaltet sich vor unseren Blicken, wenn wir aus dem Engpass des Lido die inneren Lagunen erreichen und längs der Canalpfähle gegen Venedig dampfen. Jetzt erst gewahrt man die bedeutende Zahl von Eilanden, deren fast jedes ein oder mehrere grössere Bauwerke trägt. Der grüne Schmuck des Laubwerkes tönt das Bild vortheilhaft ab. Man sieht, dass das spärliche Lagunenterrain vorzüglich ausgenützt ward. Auf - fallend ist die Menge der Thürme und Glockengiebel, die indes eine wohlthuende festliche Stimmung vermitteln. Venedig hatte von jeher der Entfaltung der katholischen Kirche, deren volle Unterstützung seine Dogen häufig genossen, den freiesten Spielraum gewährt, und die zahl - reichen prachtvollen kirchlichen Bauten, worin die Eigenart der venetianischen Kunst verkörpert ist, sind und waren auch die ergie - bigsten Quellen seines Glanzes. Der gleichen religiösen Stimmung der Bevölkerung entsprechend, fand das Klosterleben einen günstigen Boden zur Entwicklung, und wir wissen, dass beim Sturze der Republik 123 Klöster in Venedig und auf den Laguneninseln bestanden. Die Hochhaltung der katholischen Kirche hinderte die Republik aber keineswegs, in der Levante den staatsklugen Grundsatz der Duldung zu bethätigen und schonend sich zu benehmen.
Zu den stabilen Objecten des Lagunenbildes gesellen sich nun auch die behenden Gestalten der Fahrzeuge des venetianischen Ge - bietes. Flinke, flachgebaute Batelli, dann wieder die pfeilschnell vorbei - schiessenden Vipere kreuzen, von zwei bis vier Ruderern bewegt, das Fahrwasser, während der eigentliche Beherrscher des Lagunenplanes das leichtbeschwingte Fischerboot des Chioggioten, das auch weit draussen in hoher See Bewunderung erregt, wie ein Schmetterling rechts und links und selbst am fernen Horizonte seine farbigen Flügel zeigt. Die schwarz gedeckte Gondel erscheint in Gesellschaft ihrer fröhlichen Genossen, noch mehr aber neben den raschen und lärmenden Local - dampfern, welche zu den Seebädern am Lido verkehren, wie ein Ana - chronismus; man ist versucht, an ein geheimnissvolles „ Vermächtniss der Ahnfrau “zu denken, das den Blicken der Profanen entzogen werden soll. So düster schleicht das Fahrzeug einher, und fast dro - hend blitzt das hellebardenartig gezackte Eisen seines Buges. Ohne Gondeln ist jedoch Venedig fast undenkbar. Da keine Wagen in der Stadt verkehren können, so schuf man sich gedeckte, mit schwellen -39Venedig.den Kissen ausgestattete Fahrzeuge, um Schutz zu finden gegen die Unbill der Witterung und wohl auch gegen die Neugierde der lieben Mitmenschen. Ein grosser Theil der venetianischen Romantik hat die geheimnissvolle Gondel zur Unterlage. Unsere ganze Umgebung lässt sich in reizende Einzelbilder auflösen, deren jedes dem Künstler ein prächtiges Motiv entgegenhält. Der monumentale Hintergrund von ge - waltigstem Eindrucke ist aber die Stadt Venedig selbst. Die Ansicht der prächtigsten Metropolen der Erde wird den Besucher kaum mit solcher Ueberraschung erfüllen, wie der erste Anblick der Dogenstadt.
Da liegt sie vor uns mit ihren Prachtbauten und unschätzbaren Meisterwerken wie ein reich ausgestattetes Museum! Paläste und Dome entsteigen, mit Aphrodite vergleichbar, herrlich dem Schaume des Meeres; jedes Bauwerk ein Stück versteinerter Poesie, und alle zu - sammen eine vom Hauche ehrwürdiger Zeiten getragene Harmonie. Unzähligemale hat der Künstler das Bild uns dargestellt, jetzt aber erscheint es uns verjüngt, ja neu, wir wähnen nichts Aehnliches früher geschaut zu haben. Der säulengetragene Dogenpalast, der berühmte Palazzo ducale, ein Prachtbau in venetianisch-gothischem Style, in dessen Räumen einstens Serenissimus, der fürstliche Doge, und der grosse Rath die Staatsgeschäfte leiteten, wird sogleich zum Mittelpunkt un - seres Interesses, wie er ehemals das Herz der Republik gebildet hatte. Gewaltig sind die Erinnerungen, die an ihn sich knüpfen. Er sah die Vaterstadt auf dem Gipfel ihrer Macht, auf der Höhe ihres Glanzes, umworben und beneidet von allen Culturvölkern der Erde; allein er sollte auch Zeuge werden ihres schmählichen Falles, der am 12. Mai 1797 sich vollzog.
Die Westfront des Dogenpalastes flankirt die sogenannte Piazzetta, ein in den Marcusplatz einmündender, gegen die Lagune offener Platz, den die zwei berühmten syrischen Granitsäulen des Dogen Michiel (1120) zieren. Hier, wo heute ein lebhafter Verkehr froher Menschen flutet, wurden ehemals die Todesurtheile vollzogen. Gegenüber dem Dogenpalaste bewundern wir den jetzt zum königlichen Palais gehö - renden Prachtbau der Bibliothek (Antica libreria di S. Marco), eines Meisterwerkes Sansovino’s (1536), gleichzeitig eines der schönsten Bauwerke des Cinque cento und vielleicht der herrlichste Profanbau Italiens. Die Bibliothek findet in dem grossartigen Palast der Procura - zien, welcher den mit Trachyt - und Marmorplatten belegten Marcusplatz auf drei Seiten umschliesst, eine natürliche Fortsetzung. Unter den reich gegliederten Bogengängen haben elegante Kaffeehäuser und Kauf - läden sich etablirt und dadurch ohne Zweifel beigetragen, den Mittel -40Das Mittelmeerbecken.punkt des venetianischen Lebens an den Marcusplatz zu fesseln. Hier hält die elegante Welt, umflattert von der lustigen Schar der Marcustauben, ihren täglichen Corso, der zu reizender Lebhaftig - keit sich steigert, wenn die Klänge der concertirenden Militärmusik den weiten Raum des Platzes durchrauschen. Bei heller Mondnacht aber, wenn die edlen Formen der von Zeit und Wetter geschwärzten Monumentalbauten durch den milden Lichtstrom in ihrer wundervollen Plastik hervortreten und die phantastischen Profile der uralten Basi - lika des heiligen Marcus aus ihren reichen Ornamenten tausende von Reflexen uns zusenden, da geniesst man den vollen Reiz der vene - tianischen Poesie.
Die Marcuskirche und der vor ihr freistehende Glockenthurm, vollenden so recht den eigenthümlichen Charakter des Marcusplatzes. Die Basilika selbst zählt zu den ältesten und reichsten Gottes - häusern der Erde. Dem Schutzpatrone der Stadt, dessen Gebeine im Jahre 828 von Alexandrien nach Venedig überführt wurden, geweiht, währte ihr Bau vom Jahre 976 bis 1071. Er zeigt den Venedig an - gehörenden gemischten romanisch-byzantinischen Styl, der mit seinen Kuppeln und hunderten von Säulen, dann mit den gothischen Zuthaten und der verschwenderischen Pracht der ganzen Ausstattung im Laufe der Jahrhunderte zum kostbarsten Juwel der Dogenstadt sich heraus - gebildet hat. Ebenso herrlich ist das Innere der Kirche. Mehr als 4000 m2 der prächtigsten Mosaikmalerei, darunter die ältesten Darstel - lungen aus der ersten Bauperiode der Basilika, bedecken die mit Gold, Bronze und orientalischem Marmor überreich ornamentirten Wandun - gen. Einen eigenthümlichen Schmuck erhielt die Hauptfront der Marcus - kirche durch die berühmte Bronze-Quadriga, welche altrömischen Ur - sprunges — man vermuthet, sie entstamme der neronischen Kunst - epoche — und, als einziges tadellos erhaltenes antikes Viergespann, von unschätzbarem Werthe ist. Die Grossen der Erde stritten um den Besitz des Kunstwerkes. Constantin brachte die Quadriga nach Constantinopel, der Doge Dandolo im Jahre 1204 nach Venedig, Buonaparte entführte sie 1797 nach Paris und schmückte damit den Triumphbogen am Carrousselplatz, bis Kaiser Franz I. sie im Jahre 1815 wieder der Dogenstadt zurückgewann und an der geweihten Stelle aufrichten liess. Auffallend sind auch die drei hohen, in ehernen Fussgestellen vor der Marcuskirche aufgerichteten Flaggenmasten, auf welchen einst die Banner der Königreiche Cypern, Candia und Morea flatterten. Ent - sprechend den wechselvollen Schicksalen Venedigs nahmen dann die französiche Tricolore, das habsburgische Banner und die Flaggen des41Venedig.napoleonischen und jetzt savoischen Italiens zu verschiedenen Zeiten den Platz am Top der schlanken Cedernmasten ein.
Von der herrlichen Centralgruppe der eben skizzirten ehrwür - digen Monumente, die an den Dogenpalast sich anschliessen, fällt der Blick zunächst auf den von Hunderten von Fahrzeugen belebten Canal grande, der die Stadt in einer Doppelwindung als breite Verkehrs - strasse durchzieht. Linker Hand auf dem Thurme des Zollamtes weiset eine goldene Fortuna, auf gewaltiger Kugel schwebend, den Eingang zum Canale. Den breiten Wasserweg, die grossartige Pulsader, zieren die herrlichen Patricierpaläste der einstigen Venezia felix.
Die erlauchtesten Namen der venetianischen Geschichte sind hier durch hervorragende, den verschiedenen Kunstperioden angehörende Monumentalbauten verewigt. Der Canal grande ist dadurch zu einer reichen Gallerie architektonischer Meisterwerke geworden, welche durch den prächtigen Marmorbogen der Rialto-Brücke in räumlich gleiche Theile geschieden wird.
Wie die überwiegende Mehrheit der venetianischen Gebäude, ruht auch die Rialto-Brücke auf einem Fundament von eingerammten Pfählen; 12.000 Eichenstämme tragen die ungeheuere Last des stolzen Bau - werkes, das 1588 — 1591 entstanden ist. Unter den 378 meist stei - nernen venetianischen Brücken, welche die 117 Inseln der Stadt mit - einander verbinden, haben die Rialto-Brücke (Ponte di Rialto) und die Seufzerbrücke (Ponte dei sospiri), welch letztere aus dem Dogenpalast in die Gefängnisse führt, einen unverlöschbaren Weltruf erlangt, und die Volksmuse war und ist unerschöpflich, beide zu besingen; diese im tragischen, jene im romantischen Sinne.
Im Süden des mächtigen Stadtkernes von Venedig lagern, durch den breiten Canal della Giudecca von ihr geschieden, die beiden Inseln S. Giorgio Maggiore und Giudecca; auf ersterer erhebt sich gegenüber der Piazzetta in edlen majestätischen Formen das classische Bauwerk der Kuppelkirche S. Giorgio Maggiore, eines der imposantesten Meister - stücke des Andreo Palladio (1580). In der mit Kunstschätzen ausge - statteten, und zum anstossenden Benedictinerkloster gehörenden Kirche tagte im Jahre 1800 das Conclave, in welchem Pius VII. zum Papste erwählt wurde.
Die überwältigende Fülle der prächtigen altehrwürdigen Bau - werke, welche von hieraus mit einem Blicke zu überschauen sind, und in welchen ausnahmslos noch immer der frische Pulsschlag des Lebens wogt, drängt unwillkürlich den Gedanken wieder in die Vergangen - heit der Stadt zurück, die von keiner zerstörenden Katastrophe zuDie Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 642Das Mittelmeerbecken.berichten weiss. Die Stürme des Meeres und des Krieges hinterliessen, dank der vortheilhaften Lage der Dogenstadt, keine Spuren zurück, und vierzehn Jahrhunderte hindurch bis zu ihrem Falle schmückte der Myrthenzweig der fortificatorischen Jungfräulichkeit die Befestigungen der Lagunen. Selbst die Belagerung im Jahre 1849, als Radetzky nach fünfzehnmonatlichen Anstrengungen die Republik des zweiten Manin stürzte, verursachte den Kunstschätzen Venedigs keinen Schaden und so steht die Stadt vor uns prächtig und glanzvoll wie in ihren schönsten Tagen.
Als anmuthiges heiteres Element im Rundbilde Venedigs, wie es vom Hafen aus dem Beschauer sich bietet, erscheinen ausser den Thürmen der zahlreichen herrlichen Kirchen auch die grünen Laub - kronen der südöstlich in die Lagune vorgeschobenen Giardini pubblici. Die mässig ausgedehnten Anlagen sind eines der wenigen Geschenke, mit welchen Napoleon 1807 die zehn Jahre vorher durch ihn ge - demüthigte und gebrandschatzte Stadt bedacht hatte. Das heute in den Baumalleen der Anlage lustwandelnde fröhliche Volk weiss aller - dings nicht, dass die Freundschaft des übermüthigen Eroberers ausser mit dem politischen Tode des Freistaates auch noch mit mehr als 40 Millionen Ducaten an Kriegsmateriale und Kunstobjecten gesühnt werden musste.
Von den Giardini bis zum Beginn der breiten Quai-Promenade, der Riva degli Schiavoni dehnt sich der in maritimer Hinsicht be - merkenswerthe Stadttheil S. Pietro aus, in welchem das äussert geräu - mige Seearsenal eingeschlossen ist. Gegenwärtig im Betriebe sehr eingeschränkt, war es zur Zeit der Republik ein Ort rührigsten und grossartigsten Schaffens, wo bis zu 16.000 Arbeiter Beschäftigung fanden. Sowohl die Zahl der Arbeitskräfte wie die Weitläufigkeit der ganzen Anlage, die selbst einer grossen Seemacht unserer Zeit genügen würden, entsprachen indes völlig dem Bedürfnisse der venetianischen Machtstellung. Man muss, in die Geschichte zurückgreifend, der enormen Kriegsflotten gedenken, welche Venedig während der Bekämpfung der byzantinischen Kaiser entsendete. Mit Stolz erwähnt die Tradition, dass, als im XII. Jahrhunderte Kaiser Emanuel alle Venetianer in seinem Reiche verhaften liess und alle Kerker und zahlreiche Klöster mit den - selben anfüllte, das Arsenal in der Zeit von 100 Tagen nicht weniger als 100 gewaltige Galeeren, 30 Transportschiffe und 20 andere Fahr - zeuge wohlgerüstet in den Kampf entsenden konnte. Ebenso bethei - ligte sich Venedig bei der Eroberung von Constantinopel (1201) mit 220 Schiffen, unter denen 100 riesige Dromonen und Uscieri waren,43Venedig.die wie „ Il Mondo “, „ La Pellegrina “, „ Il Paradiso “bis zu je 1000 Mann Besatzung führten und mit gewaltigen, eisenbeschlagene Balken schleudernden Kriegsmaschinen ausgestattet waren. Der grösste Theil der mächtigen Kreuzfahrerheere ward durch venetianische Flotten nach Syrien gebracht.
Auch in den folgenden Jahrhunderten glänzte Venedig durch die Tüchtigkeit seiner Flotten. Solche Leistungen konnte nur ein eminent maritimer Staat vollbringen, und in der That sehen wir den venetia - nischen Schiffbau schon im VI. Jahrhundert ausgebildet; in der Folge errichtete die Republik neben den Schiffbauschulen noch eine Lehr - kanzel für Schiffbau an der Universität zu Padua.
Ebenso gelangte die Kriegstechnik frühzeitig zur Reife, denn durch den Contact der Venetianer mit den Völkern des Ostens lernten sie weit früher als die übrigen Staaten Europas das Schiesspulver und seine Anwendung kennen. Noch vor Anbruch des XIII. Jahrhunderts erdröhnen im Kampfe gegen Genua die ersten Kanonenschüsse von ihren Galeeren.
Die Grösse Venedigs gipfelte in der ungeheueren Ausdehnung seines Handels und fusste in der unversiegbaren Quelle seiner mari - timen Hilfsmittel. Holz und geschulte Arbeitskraft war in Ueberfluss vorhanden. Tüchtige Seekriegsleute lieferten zum grössten Theil Istrien und Dalmatien, mit deren Küstenbevölkerung die Venetianer eine gegen - seitige Interessengemeinschaft verband.
Gegenwärtig bildet Venedig eines der Departements der mächtig angewachsenen italienischen Flotte und ist ein wichtiges Glied in dem Systeme der Küstenvertheidigung.
Am nordwestlichen Ende der Stadt liegt die Eisenbahnstation, mit breiten, während der letzten Jahre hergestellten Quaianlagen.
Zum Festlande führt die 3600 m lange und 222 Bogen zählende Steinbrücke nach Mestre — wohl die längste der Erde.
Gerade in unseren Tagen verdankt die „ Markusstadt “den Schienensträngen, welche sie mit den reichen Hinterländern verbinden eine erneuerte Blüte. Venedig ist auch heute eine der grössten Städte Italiens, denn es zählt 129.445, als Gemeinde 134.810 Einwohner. Aber sein Handel ist verhältnissmässig kaum ein Schatten jenes Verkehres, der hier herrschte, als Venedig der Vermittler der tausendfältigen Beziehungen und Verbindungen des Mittelmeeres, oder, was damals dasselbe bedeutet, der Mittelpunkt des Welthandels war. Es ist be - kannt, dass die kluge Benützung der durch die Kreuzzüge geschaffenen Steigerung des Personen - und Gütertransportes die Hauptursache der grossen Blüthe Venedigs war, und man pflegt die Errichtung des6*44Das Mittelmeerbecken.lateinischen Kaiserreiches in Byzanz (1204) als den Höhepunkt des Einflusses der „ bella Venezia “zu bezeichnen — allein mit Unrecht.
Zunächst erscheinen die alten Venetianer den heutigen Briten auch darin vergleichbar, dass sie es verstanden, noch im XIII. Jahr - hunderte ihre Vaterstadt zum Capitale für einträgliche Industrien zu erheben. In den 1204 erworbenen Theilen Griechenlands und den um - liegenden Inseln blühten die Production und die Verarbeitung der Seide. Die Venezianer versetzten griechische Arbeiter in ihre Vater - stadt, und an Stelle Constantinopels wurde Venedig der Hauptsitz der Seidenindustrie am Mittelmeere. Man war damit in einem der wich - tigsten Zweige des Handels unabhängig von der alten Metropole. Neben den Seidenfabriken erhoben sich bald weltbeherrschende Eta - blissements für Papier, Glas, Leder, geschmackvoll gearbeitete Waffen, für Schmuck, Holzarbeiten; kurz Venedig wurde die Heimat einer durch die wahre Kunst getragenen und getriebenen Kunstindustrie.
Um unbehindert in das Innere Osteuropas und Asiens zu ge - langen, umging man einfach Constantinopel, von wo aus seit 1265 die Rivalin Genua den Handel des schwarzen Meeres und Central - asiens zu monopolisiren bestrebt war. Einen Theil der Don - und Wolga - Artikel bezog man durch die Hanseaten über Brügge und Antwerpen, und nach Innerasien verfolgte man einen neuen Weg, die grosse armenische Handelsstrasse, welche von Lajazzo (Ajas) an der Süd - küste von Kleinasien ausging.
Diesen Weg schlugen die beiden edlen venezianischen Kaufleute Nicolò und Maffio Polo ein, als sie ihre zweite Reise in das Reich der Mongolen antraten, diesmal begleitet von Marco, Nicolò’s Sohn.
Durch 24 Jahre, 1271 — 1295, blieben sie im Morgenlande. Marco Polo stieg in den Diensten des Mongolenkaisers Kublai Chan zum Präfecten auf, wurde sogar Admiral und durchzog, dem Hoflager oder den erobernden Heeren folgend, alle chinesischen Provinzen innerhalb der grossen Mauer, ausgenommen die beiden südöstlichen Kuangsi und Kuangtung. Er betrat als erster Europäer das östliche Tibet, ja selbst das nördliche Birma, das gerade in unseren Tagen durch die Engländer vollständig erschlossen wird. Zu der Heimkehr wählten die Polos den südlichen Seeweg über Tschiampa (Cochinchina), Sumatra, Ceylon, die Malabarküste und Ormus am Eingange in den persischen Golf und kreuzten Vorderasien über Täbris und Trapezunt. Die glän - zenden Schilderungen, welche Marco Polo von den chinesischen Sitten machte, seine Beschreibung Quinsays (jetzt Hangtscheufu), der prächti - gen Hauptstadt Südchinas mit ihren meilenlangen Strassen und zwölf -[45]