PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darſtellung des Weltſyſtems.
Mit Königl. Würtembergiſchem Privilegium.
Drei Baͤnde. Mit dem Bildniſſe des Verfaſſers und aſtronomiſchen Tafeln.
Zweiter Theil: Beſchreibende Aſtronomie.
Stuttgart,Hoffmann'ſche Verlags-Buchhandlung.1835.
Beſchreibende Aſtronomie oder Topographie des Himmels.
Mit der Darſtellung von Sternbildern auf drei Stahlſtichen, einer Sternkarte, einer Mondkarte und 23 aſtronomiſchen Figuren auf 3 Tafeln.
Stuttgart,Hoffmann’ſche Verlags-Buchhandlung.1835.
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Die Wunder des Himmels.

Zweiter Band.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 1[2][3]

Kapitel I. Die Sonne.

§. 1. (Maſſe der Sonne.) Nachdem wir im Vorhergehenden die Erſcheinungen, welche die Bewegungen der Körper unſeres Sonnenſyſtems für uns hervorbringen, betrachtet haben, wollen wir nun zu der Erzählung desjenigen übergehen, was uns die Fernröhre über den Bau und die phyſiſche Beſchaffenheit dieſer Körper ſowohl, als auch, ſo viel es uns bisher gegönnt iſt, der außer unſerm Planetenſyſtem befindlichen Geſtirne kennen gelehrt haben.

Wir beginnen unſere Wanderungen durch die Planetenwelt mit dem bei weitem wichtigſten, mit dem Centralkörper derſelben, mit der Sonne, der alle übrige Körper unſeres Syſtemes Licht und Wärme und Wohlthaten ohne Zahl verdanken, daher ſie auch von mehreren Völkern der Vorzeit als das würdigſte Bild der Gottheit, ja als die Gottheit ſelbſt verehrt wurde, wie denn Oſiris in Aegyp - ten, Baal in Chaldäa, Adonis in Phönicien, Mithra in Perſien, und ſelbſt Apollo in Griechenland nur eben ſo viele Embleme der Gottheit waren, welche jene Völker unter dem Sinnbilde des ewigen Feuers in ihren Tempeln anbeteten. Wenn ſie aber durch dieſe Wohlthaten die Ehrfurcht der Menſchen an ſich gebunden hat, ſo iſt es eine ganz andere Eigenſchaft, durch welche ſie ſich1 *4Die Sonne.die Herrſchaft über die ihr unterworfenen Planeten und Kometen erworben hat. Dieſe Herrſchaft verdankt ſie ſich ſelbſt, ihrer ei - genen Kraft, d. h. ihrer Maſſe, die 355,000 mal größer als die Maſſe der Erde, und ſelbſt noch über ſiebenhundertmal größer iſt, als die aller übrigen Körper des Syſtems zuſammen genommen. Wir werden weiter unten ſehen, daß dieſe Maſſe es eigentlich iſt, wodurch ſie alle Planeten an ſich feſſelt und ſie zwingt, die ih - nen angewieſenen Bahnen in ſchweigendem Gehorſame um ſie zu beſchreiben. Dieſes Uebergewicht der Maſſe macht ſie nicht nur zu dem Haupt - und Centralkörper des ganzen Syſtems, ſon - dern daſſelbe begründet zugleich die ſtreng monarchiſche Einrich - tung dieſes großen Staates, in welchem die Kraft des Herrſchers die aller ſeiner Unterthanen ſo weit übertrifft, daß größere Unord - nungen jeder Art völlig unmöglich ſind.

§. 2. (Größe der Sonne.) Auch an Größe, an körperlichem Umfange kann kein Planet mit der Sonne verglichen werden. Der Durchmeſſer der Sonnenkugel beträgt 188,000 deutſche Meilen, alſo ihre Oberfläche 111,000 Millionen Quadratmeilen, und ihr Volum 3500 Billionen Kubikmeilen. Allein dieſe Zahlen ſind zu groß, um uns einen deutlichen Begriff von dem wahren Um - fange der Sonne zu geben. Suchen wir alſo, uns durch Verglei - chungen mit andern, bekannten Körpern die Sache gleichſam zu verſinnlichen.

Der kleinſte aller unſerer Planeten iſt Veſta. Sein Durch - meſſer beträgt, nach Schröters Meſſungen, nicht einmal ſechzig Meilen. Der Sonnendurchmeſſer iſt alſo über 3100 mal größer, als jener der Veſta, alſo iſt auch der körperliche Inhalt oder das Volum der Sonne gegen 30,000 Millionen mal größer als das Volum der Veſta, oder aus der Sonne laſſen ſich mehr als 30,000 Millionen der Veſta gleich große Kugeln machen. Solcher Kugeln aber, wie unſre Erde, würde man über 1,300,000 um einander legen müſſen, um endlich einen Körper, der Sonne am Umfange gleich, zu erhal - ten. Ja ſelbſt alle Planetenkugeln zuſammengefügt, würden noch nicht den 560ſten Theil der Sonnenkugel an Raum einnehmen. Da aber auch dieſe Zahlen noch immer zu groß ſind, uns eine klare Vorſtellung von der wahrhaft ungeheuern Ausdehnung des Sonnenkörpers zu geben, ſo wollen wir uns denſelben um ſeinen5Die Sonne.Mittelpunkt ſo weit ausgehöhlt denken, daß die Erde in dieſem Mittelpunkte ſtehen, und um ſie der Mond in ſeiner Entfernung von 50,000 Meilen ſich frei in dieſer Höhle bewegen könne. Da würde doch noch ein nicht ausgehöhlter Rand der Sonne, eine Kugelſchaale übrig bleiben, deren Dicke nahe eben ſo groß iſt, als der Halbmeſſer dieſer Höhle ſelbſt. Zu einer ſogenannten Reiſe um die Welt, d. h. um den Umkreis der Erde zurückzulegen, würde ein Wanderer, der täglich zehn deutſche Meilen macht, 540 Tage, zu einer Reiſe um die Sonne aber würde derſelbe 59,160 Tage oder mehr als 160 Jahre brauchen.

§. 3. (Dichtigkeit ihrer Maſſe.) Wenn aber die Sonne an Größe und Maſſe alle anderen Planeten weit überwiegt, ſo ſteht ſie ihnen im Gegentheil an der Dichtigkeit ihrer Maſſe weit nach. Der Stoff, aus dem dieſer große Körper gewoben iſt, iſt vier - mal lockerer, als der Stoff der Erde. Die Leſer werden fragen, woher wir dieß wiſſen, und wer die Materie, aus welcher die Sonne beſteht, in dieſer Beziehung unterſucht hat? Allein das hätten ſie beſſer ſchon oben, als wir von der Maſſe der Sonne geſprochen haben, fragen können. Wenn man einmal die Maſſe und das Volum eines Körpers kennt, ſo iſt es ſehr leicht, auch die Dichtigkeit deſſelben zu finden, da dieſe immer gleich der Maſſe dividirt durch das Volum des Körpers iſt. Es wurde aber oben geſagt, daß die Maſſe der Sonne 355,000, und das Volum derſelben 1,300,000 mal größer iſt, als das der Erde. Wenn man nun die erſte dieſer beiden Zahlen durch die zweite dividirt, ſo erhält man 0,27 oder nahe ¼, daher die Dichtigkeit der Sonne nur den vierten Theil der Dichtigkeit der Erde betragen kann. Wie man aber zu jener Kenntniß der Maſſe der Sonne gelan - gen kann, werden wir in der nächſtfolgenden Abtheilung dieſes Werkes ſehen, wie wir denn überhaupt hier noch gar manches, von dem wir erſt in der Folge eine, wie wir hoffen, völlig genü - gende Rechenſchaft werden geben können, dem guten Glauben und dem Vertrauen der Leſer zu unſerer Redlichkeit überlaſſen müſ - ſen. Es mag ihnen immerhin etwas auffallend dünken, wenn ſie die Aſtronomen behaupten hören, daß ſie die Geſtirne des Himmels wie auf einer Wage abgewogen und gefunden haben6Die Sonne.ſollen, daß ſie, wenn ſie die Sonne in die eine Wagſchale legten, in die andere 355,000 ſolche Kügelchen, wie unſere Erde iſt, le - gen müßten, um das Gleichgewicht der Wage zu erhalten. Aber da ſie ihnen glauben, wenn ſie die Finſterniſſe der Sonne und des Mondes ganze Jahre, ja Jahrhunderte voraus ſagen, warum ſollten ſie eben hier mißtrauiſcher ſeyn und ihnen weniger Glau - ben ſchenken? Zwar ſind von dieſen Finſterniſſen ſchon ſo viele eingetroffen und genau ſo eingetroffen, wie ſie von den Aſtrono - men vorausgeſagt worden ſind. Aber auch jene Ausſagen von der Maſſe und Dichtigkeit der Himmelskörper werden eintreffen, und, wie wir mit Zuverſicht erwarten, ſelbſt in einem Werke dieſer Art, aus dem doch alle eigentliche Rechnung verwieſen ſeyn ſoll, eine Beſtätigung finden, die jeden unſrer Leſer vollkommen zufrie - den ſtellen ſoll.

§. 4. (Fall der Körper auf der Oberfläche der Sonne.) Wir wollen daher, im Vertrauen auf den guten Glauben zu unſerer Wahrheitsliebe, ſogleich noch einen Schritt weiter gehen und hin - zuſetzen, daß die Aſtronomen nicht bloß die Maſſe der Sonne abgewogen, und die Dichtigkeit des Stoffes, aus dem ſie beſteht, beſtimmt haben, ſondern daß ſie ſogar dahin gekommen ſind, zu erfahren, wie tief ein Stein oder ſonſt irgend ein ſchwerer Kör - per in der erſten Secunde fallen würde, wenn er auf der Ober - fläche der Sonne ſeiner Unterſtützung beraubt und ſich ſelbſt über - laſſen würde. Auf unſerer Erde beträgt dieſer Fall der Körper in der erſten Secunde bekanntlich nahe 15 Par. Fuß, wie bereits Tauſende von Beobachtungen gezeigt haben, und wie jeder, wenn er will, ſelbſt verſuchen kann. Auf der Sonne aber haben wir allerdings keine ſolchen Beobachtungen anſtellen können, allein wir wiſſen demungeachtet nicht weniger gewiß, daß dieſer Fall der Körper dort 430 Fuß beträgt, und daß daher die Körper auf der Sonne in dieſer erſten Secunde nahe 29 mal tiefer fallen, als auf der Erde. Wir werden weiter unten Gelegenheit haben, auch von dieſer Behauptung eine Jedermann zufrieden ſtellende Rechenſchaft zu geben. Hier wollen wir uns begnügen, zu wiſſen, daß jeder Körper, der bei uns z. B. hundert Pfunde wiegt, dort 2900 Pfunde oder nahe 30 Centner wiegen würde. Dieß Experiment dürfte aber, ſelbſt wenn wir zur Sonne gelangen könnten, nicht mit un -7Die Sonne.ſeren gewöhnlichen Wagen angeſtellt werden, da das Gewicht in der andern Schaale der Wage ebenfalls ein Körper, und daher ebenfalls 29 mal ſchwerer auf der Sonne ſeyn wird, als auf der Erde. Aber eine Maſchine, z. B. eine elaſtiſche Feder, die den Druck der auf ihr liegenden Körper angäbe, würde hier ſchon beſ - ſere Dienſte leiſten, da der vorhergehende Ausdruck eigentlich nur ſagen will, daß der Druck eines jeden Körpers auf ſeine Unter - lage an der Oberfläche der Sonne 29 mal größer iſt, als an der der Erde. Und doch würden wir uns vergebens bemühen, auch den Verſuch mit einer ſolchen Maſchine auf der Sonne anzuſtellen, ſelbſt wenn wir Mittel hätten, bis zu ihr zu gelangen. Denn ab - gerechnet, daß wir, wenn wir auf unſerer Reiſe von der Erde zur Sonne der letztern einmal nahe genug kämen, mit einer ſo großen Kraft von ihr angezogen, und mit einer ſo ungeheuern Geſchwindigkeit auf ihr ankommen würden, daß wir entwe - der ſchon längſt erſtickt, oder bei unſerem Auffalle zerſchmettert werden müßten; angenommen ſelbſt, daß wir ein Mittel hätten, uns vor der großen Hitze zu ſchützen, die wir wahrſcheinlich in ihrer Nähe erleiden müßten, ſo würde ſchon jener größere Druck unſern Aufenthalt daſelbſt ganz unmöglich machen. Unſer eige - ner Körper würde nämlich uns ſelbſt ebenfalls mit einem 29 mal größeren Gewichte drücken, und die 150 Pfunde, die wir etwa hier mit uns ſelbſt herumtragen, würden dort mit einer 29 mal größeren Kraft, d. h. mit einem Gewichte von 4350 Pfun - den auf uns laſten, und wir würden, da wir unſer eigenes Ge - wicht nicht mehr ertragen könnten, von uns ſelbſt erdrückt werden.

§. 5. (Veränderliche Dichtigkeit der Sonnenmaſſe.) Uebrigens muß bemerkt werden, daß die oben erwähnte Dichtigkeit der Son - nenmaſſe nur die mittlere Dichtigkeit derſelben iſt, oder daß, wenn die Sonne in allen ihren Theilen eine durchaus homogene Maſſe hätte, die Dichtigkeit derſelben dem vierten Theile der mitt - lern Dichtigkeit unſrer Erde gleich, alſo nahe ſo groß, wie die des Pechs oder der Steinkohle ſeyn würde. Allein dieſe Voraus - ſetzung einer überall gleich dichten Maſſe der Sonne iſt äußerſt unwahrſcheinlich, und wir werden ſpäter ſehen, daß die Dichte dieſes Himmelskörpers mit der Nähe zu ſeinem Mittelpunkte im - mer zunehmen, und in dieſem Mittelpunkte ſelbſt eine ganz8Die Sonne.außerordentliche ſeyn müſſe, weil hier die Maſſe der Sonne durch die Kraft ihrer eigenen Anziehung ſehr ſtark zuſammengedrückt wird. Es iſt aber bekannt, daß die Temperatur aller Körper, wenn ſie einer heftigen Compreſſion ausgeſetzt werden, ſehr hoch iſt, woraus folgt, daß im Innern der Sonne auch eine ſehr große Hitze herrſchen muß, und daß vielleicht nur die durch dieſe Hitze vermehrte Elaſticität der Sonnenmaſſe hindert, daß ſie nicht durch ihre eigene Attractionskraft in einen ſehr kleinen Körper zuſammengedrückt werde.

§. 6. (Phyſiſche Beſchaffenheit der Sonne.) Es würde ohne Zweifel ſehr intereſſant ſeyn, die phyſiſche Beſchaffenheit dieſes Centralkörpers unſeres Planetenſyſtems, auch nur die ſeiner Ober - fläche, näher zu kennen. Allein er iſt zu Unterſuchungen dieſer Art, ſelbſt für unſere beſten Fernröhre, zu weit entfernt, als daß wir auf große Erfolge rechnen könnten. Nach den neueſten Un - terſuchungen beträgt die Horizontalparallaxe (I. §. 63.) derſelben für die Bewohner unſeres Aequators nur 8.578 Secunden, woraus die mittlere Entfernung derſelben von der Erde gleich 20 665,800 deutſchen Meilen abgeleitet wird, eine Diſtanz, welche eine Kano - nenkugel, wenn ſie auch in jeder Secunde 1500 Fuß durchlaufen würde, erſt in zehn ganzen Jahren zurücklegen könnte. Welche Ausſichten haben wir unter ſolchen Verhältniſſen zu großen Ent - deckungen über die Oberfläche der Sonne, wir, die wir ſelbſt die Oberfläche der uns ſo nahen Erde noch immer ſo wenig kennen.

Demungeachtet werden wir durch die Wichtigkeit dieſes größten aller Himmelskörper, den wir näher kennen, und noch mehr viel - leicht durch die Wohlthaten, die wir ihm täglich und ſtündlich verdanken, gleichſam aufgefordert, ihn wenigſtens ſo weit, als es unſere beſchränkten Kräfte erlauben, zu unterſuchen. Unter dieſen Wohlthaten haben wir bereits oben als die zwei vorzüg - lichſten Licht und Wärme genannt. Es wird nicht unan - gemeſſen ſeyn, bei jedem dieſer wahrhaft himmliſchen Geſchenke etwas länger zu verweilen, um ſo mehr, da verſchiedene weſent - liche Eigenſchaften derſelben erſt in den neueſten Zeiten entdeckt, und daher vielleicht noch nicht allgemein genug bekannt ſind.

9Die Sonne.

Licht.

§. 7. (Dem Lichte verdanken wir die Farben in der Natur.) Ohne Sonnenlicht würde die Erde, würden alle Planeten von ei - ner ewigen Nacht bedeckt, und das ganze Sonnenſyſtem würde eine ſtarre Wüſte, ein weites, finſteres Grab ſeyn. Die Folgen eines ſolchen Zuſtandes, ſo wie die bloß allgemeinen Vor - theile, deren wir uns jetzt durch Hülfe dieſes Lichtes erfreuen, ſind aber ſo bekannt, und auch ſo leicht zu finden, daß es über - flüſſig wäre, ſie hier näher auseinander zu ſetzen.

Verweilen wir daher bloß einige Augenblicke bei einer der vielen beſonderen Eigenſchaften, durch welche ſich das Son - nenlicht vor jedem andern Lichte auszeichnet. Es iſt bekannt, daß jeder einzelne Sonnenſtrahl, wenn er durch ein Glasprisma geht, in eine große Anzahl von farbigen Strahlen getheilt wird, unter welchen man vorzüglich die ſieben auf einander folgenden unterſcheidet: roth, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett. Dieſe gefärbten Strahlen haben alle eine andere Richtung, als der urſprüngliche weiße Strahl, und zwar liegt der rothe Strahl dem urſprünglichen am nächſten, während der violette am weite - ſten von ihm entfernt iſt, ſo daß alſo das Prisma, wie man zu ſagen pflegt, die rothen Strahlen am wenigſten, und die violetten am meiſten bricht. Wird einer dieſer gefärbten oder bereits gebro - chenen Strahlen neuerdings durch ein Prisma geführt, ſo ändert er weder ſeine Brechung, noch ſeine Farbe, zum Beweiſe, daß dieſe Farbe dem Lichte ſelbſt eigenthümlich angehört. Werden endlich alle ſieben farbige Strahlen durch eine convexe Glaslinſe wieder geſammelt, ſo erſcheint der weiße Strahl wieder, zum Zeichen, daß der weiße Strahl in der That aus jenen gefärbten Strahlen zuſammengeſetzt iſt.

Wenn nun, um nur bei dieſer einzelnen Erſcheinung ſtehen zu bleiben, wenn das Sonnenlicht urſprünglich weiß, und nicht aus farbigen Strahlen zuſammengeſetzt wäre, welche Folgen wür - den aus einer ſolchen Einrichtung entſtehen? Die ganze Natur würde farbenlos ſeyn; alle Körper würden ein bleifarbiges Anſe - ben haben; die Morgenröthe, und ſelbſt das menſchliche Antlitz, die Morgenröthe des Lebens auf den blühenden Wangen der Ju -10Die Sonne.gend würde nur mehr unſeren Zeichnungen mit Tuſche, unſeren grauen Kupferſtichen gleichen. Der Regenbogen mit ſeinem ſchö - nen Farbenſpiele würde in eine ſchmale Linie weißgrauen Lichtes übergeben; die Sterne würden matt an einem aſchfarbnen Him - mel ſcheinen, und der Vorbote des Morgens, ſo wie der Be - ſchließer unſerer Tage würde nicht mehr ſeinen Roſenmantel, ſon - dern nur eine einfarbige graue Decke über den Himmel breiten, und ſelbſt der ſchönſte Mittag würde uns nur wie jetzt ein trü - ber Wintertag erſcheinen. Aber die Natur, die ſchon in die For - men der Körper, die ſie gebildet hat, eine ſo ausgezeichnete Schön - heit zu legen wußte, hat ihnen zugleich jene ätheriſche Anmuth hinzugefügt, die ſie aus den Farben der Sonnenſtrahlen ſchöpfte. Ohne dieſes Geſchenk könnte wohl das Laub der Pflanzenwelt den Knospen Nahrung, und der von ihnen bedeckten Frucht noch Schutz gewähren, aber das jugendliche Grün der Blätter, und der friſche Schmelz unſerer Wieſen im Frühling würde mit dem welken Gelb des Herbſtes überzogen ſeyn. Ohne dieſes Geſchenk könnte der Diamant wohl noch ſeinen Glanz und ſeine Härte ha - ben, aber er würde, ſeines lebhaften Farbenſpieles beraubt, auf - hören, in dem Kranze der Schönheit und in dem Diademe der Fürſten zu prangen. Ohne dieſes köſtliche Geſchenk endlich könnte wohl das menſchliche Angeſicht noch immer daſſelbe feine Gewebe, noch immer derſelbe Verräther unſerer verborgenſten Gefühle ſeyn, aber das Roſenlicht der Liebe und die Purpurfarbe der Schaam - röthe würde nicht mehr auf der jugendlichen Wange blühen, und ſelbſt jene krankhaft fliegende Röthe des welkenden Geſichtes würde nicht mehr die herannahende, oft willkommene Befreiung von dem Lager der Schmerzen verkündigen.

§. 8. (Eigenſchaften des Sonnenſpectrums.) Der in ſeine Farben zerlegte Sonnenſtrahl erſcheint, wenn er von einer weißen Tafel aufgefangen wird, auf derſelben unter der Geſtalt eines an ſeinen beiden kürzeren Seiten abgerundeten Rechtecks, welches man das Farbenſpectrum zu nennen pflegt. Nimmt man die Länge dieſes Spectrums als Einheit an, ſo beträgt davon das rothe Licht 0,12, das orangefarbne 0,07, das gelbe 0,13, grüne 0,17, blaue 0,17, das indigofarbne 0,11, und endlich das violette 0,21 Theile, ſo daß alſo das violette den größten und das orange -11Die Sonne.farbne den kleinſten Raum einnimmt. Im Jahre 1802 aber be - merkte Wollaſton zuerſt in dieſem Spectrum zwei ganz ſchwarze gerade Linien, die ſenkrecht auf die zwei längſten Seiten des Rechtecks ſtanden, und von welchen die eine in der grünen, und die andere in der blauen Farbe ſich zeigte. Er verfolgte dieſe Entdeckung nicht weiter, bis ſie, mehrere Jahre ſpäter, von Fraunhofer, dem Wollaſtons Beobachtung unbekannt war, dahin erweitert wurde, daß er eine große Anzahl, beinahe 600, ſolcher ſchwarzen Streifen in dem Sonnenſpectrum fand, die alle unter ſich parallel und von verſchiedener Dicke und Schwärze wa - ren. Man ſieht die Linien, wenn man das Spectrum durch ein Fernrohr beobachtet, immer in denſelben relativen Diſtanzen von einander ſowohl, als auch von den Gränzen der einzelnen Far - ben. Wenn z. B. drei ſchwarze Linien bemerkt werden, von welchen die beiden erſten doppelt ſo weit von einander abſtehen, als die beiden letzten, und von welchen die mittlere die größte iſt, und genau in der Mitte der grünen Farbe liegt, ſo findet man alle dieſe Verhältniſſe bei jedem andern Spectrum wieder, welcher Art auch das Prisma von Glas, Kryſtall, Waſſer u. dgl. ſeyn mag, deſſen man ſich zur Spaltung des Sonnenſtrahls bediente. Ihre Anzahl, die Ordnung ihrer Aufeinanderfolge, ihre Intenſität iſt immer dieſelbe, wenn nur der Strahl entweder direct, oder auch indirect, z. B. durch Reflexion, von der Sonne kömmt. Das Licht des Monds, der Planeten, der Fixſterne, ferner das unſeres Lampen - oder Küchen-Feuers, oder das der electriſchen Funken zeigt zwar auch jene ſchwarzen parallelen Linien, aber in ganz anderer Ordnung und Vertheilung, ſo daß jedes Licht ſein eige - nes Syſtem dieſer Linien zu haben ſcheint. Das Licht des Sirius z. B. hat in der orangen und gelben Farbe gar keine ſchwarzen Streifen, dafür mehrere ſtarke in der grünen und blauen, die das Sonnenſpectrum nicht zeigt. Die Streifen in dem Lichte der Zwil - linge ſind wieder von denen des Sirius verſchieden u. ſ. w., ſo daß vielleicht jeder Fixſtern ſein eigenes Syſtem hat. Da dieſe Linien in dem Spectrum eines jeden Orts immer eine feſte, un - veränderliche Stelle einnehmen, ſo geben ſie ein viel ſichereres Mittel, die Brechung der Lichtſtrahlen und die einzelnen Farben zu meſſen, als man früher hatte, wo man nur dieſe immer ſehr12Die Sonne.ſchlecht begränzten Farbenſtreifen ſelbſt als die eigentlichen Beob - achtungspunkte nehmen mußte.

§. 9. (Verſchiedene Intenſität des Spectrums.) Die Intenſi - tät oder die Stärke der Beleuchtung iſt nicht in allen Theilen des Sonnenſpectrums gleich groß. Fraunhofer fand durch ſehr genaue Beobachtungen mit einem Photometer, daß die ſtärkſte Beleuch - tung ſehr nahe bei der Gränze zwiſchen orange und gelb liegt. Man hat früher geglaubt, daß die helleren Stellen des Spec - trums auch zugleich die heißeſten ſeyen, d. h. daß die größte In - tenſität des Lichts mit jener der Temperatur zuſammenfalle, daher Landriani, Sennebier u. a. die gelben Strahlen für die heißeſten hielten. Allein der ältere Herſchel hat durch unmittelbare Ther - mometer-Beobachtungen gezeigt, daß erſtens die Temperatur in dem Maaße zunehme, wie man von den violetten zu den rothen Strahlen fortgeht, und daß zweitens die höchſte Temperatur noch etwas jenſeits der rothen Farbe, alſo außerhalb des Spectrums liege. Daraus folgt, daß die Sonne nicht bloß ſichtbare, Licht - ſtrahlen, ſondern daß ſie auch unſichtbare, Wärmeſtrahlen habe, und daß die Brechbarkeit der letzten kleiner ſey, als die der er - ſten, weil, wie ſchon erwähnt, unter den ſichtbaren Strahlen die rothen die kleinſte, und die violetten die größte Brechung haben. Selbſt in der Entfernung von zwei Zollen von den äußerſten ro - then Strahlen iſt die Temperatur der Wärmeſtrahlen noch be - trächtlich. Englefield fand die Temperatur der blauen Strahlen 13° Reaumur, der grünen 14°, der gelben 17°, der ro - then 22°, und die höchſte Temperatur jenſeits der rothen Strah - len 26°. Seebuch, der dieſe Beobachtungen mit beſonderem Fleiße wiederholte, fand den Ort der höchſten Temperatur ver - ſchieden je nach der Materie, aus welcher das Prisma gemacht wurde. Für das Glas gaben die rothen Strahlen die größte Wärme, für Ammoniacſalz und Schwefelſäure die orangefarbnen, für Waſſer, Alcohol und mehrere Oehle die gelben u. ſ. w.

§. 10. (Chemiſche Wirkungen des Spectrums.) Die verſchie - denen Stellen des Sonnenſpectrums unterſcheiden ſich auch noch durch ihre chemiſchen Wirkungen. Schon Scheele hatte bemerkt, daß ſalzſaures Silber in der blauen Farbe des Spectrums viel eher und viel ſtärker ſchwarz werde, als in der rothen, und der13Die Sonne.jüngere Herſchel fand ſpäter, daß die größte Intenſität dieſer che - miſchen Kraft noch etwas jenſeits der violetten Strahlen, alſo wieder außerhalb des Spectrums, liege, ſo daß alſo das uns ſichtbare Spectrum auf der einen Seite von den intenſivſten wär - menden, und auf der andern von den intenſivſten chemiſchen Strahlen begränzt wird. Die erſten, auf der Seite der rothen Farbe, ſtellen ſogar das in der blauen Farbe geſchwärzte ſalzſaure Silber wenigſtens großentheils wieder her, ſo daß alſo die erſte Gattung der unſichtbaren Strahlen, die neben der rothen Farbe, die Oxygenation, und die zweite Gattung, neben der violetten Farbe, die Desoxygenation der Körper befördern. Seebuch, der die Beobachtungen der chemiſchen Wirkungen der Farben mit beſonderer Umſicht anſtellte, fand, daß jede Farbe auf das ſalz - ſaure Silber eine beſondere Wirkung äußere, da es in der vio - letten Farbe braunroth, in der blauen blaßgrau, in der gelben weißgelb, und in der rothen Farbe ebenfalls röthlich wurde.

§. 11. (Magnetiſche Wirkungen des Spectrums.) Endlich hat man in den letzten Zeiten auch noch verſchiedene magnetiſche Kräfte in den einzelnen Theilen des Sonnenſpectrums entdeckt. Schon Morichini fand, daß gewöhnliche Stahlnadeln in dem vio - letten Farbentheile von ſelbſt magnetiſch werden. Carpa, Rudolfi und Davy beſtätigten dieſe Beobachtungen, und Sommerville fand überdieß, daß auch die blaue und grüne Farbe der Nadel noch eine magnetiſche Kraft, obgleich eine ſchwächere, mittheile, während im Gegentheile die gelbe, orange und rothe Farbe gar keine ſolche Kraft zu beſitzen ſcheint. Prof. Baumgartner in Wien fand, daß Stahldraht, deſſen eine Hälfte polirt, die andere aber raub iſt, wenn er dem weißen Lichte der Sonne einige Zeit durch ausgeſetzt iſt, magnetiſch wird, indem die beiden Ende des polirten Theils einen Nordpol, und die beiden Ende des andern Theils einen Südpol zeigten. Barlocci fand ſpäter, daß gewöhn - liche Magnete, wenn ſie dem Sonnenlichte ausgeſetzt werden, ihre Kraft beinahe verdoppeln, wenn man den Nordpol derſelben ge - gen die Sonne richtet, und daß ſie im Gegentheil, wenn man den Südpol gegen die Sonne ſtellt, an Kraft verlieren. Obſchon Ries und Moſer ſich gegen dieſe Experimente erklärten, da ſie dieſelben durch ihre eigenen Beobachtungen nicht beſtätiget fanden,14Die Sonne.ſo ſcheinen ſie doch die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher in hohem Grade zu verdienen.

§. 12. (Geſchwindigkeit und Feinheit des Sonnenlichts.) Die Fortſetzung des Lichts ſcheint durch ſeine Expanſivkraft, oder durch eine ſehr ſtarke und ſchnell wirkende Abſtoßungskraft der leuchten - den Körper hervorgebracht zu werden. Dieſe Kraft muß ungemein groß ſeyn, da ſich das Licht mit einer außerordentlichen Schnel - ligkeit fortpflanzt. Es legt in einer Secunde 41,900 d. Meilen, alſo in einem Tage über 3,620 Millionen, und in einem Jahre von 365¼ Tagen über 1,322,263 Millionen Meilen zurück, ſo daß es von der Sonne bis zur Erde, wenn dieſe in ihrer mitt - leren Entfernung von der Sonne iſt, in 8 Min. 13,22 Secunden gelangt. Dieß iſt die größte Geſchwindigkeit, die wir bisher ken - nen gelernt haben. Nur die Fortpflanzung der Schwere ſcheint noch unvergleichbar geſchwinder vor ſich zu gehen, und die Zeit, welche z. B. die Attraction der Sonne braucht, bis zur Erde zu gelangen, muß, wie die Rechnung zeigt, noch viele Millionen - male kürzer ſeyn, als diejenige, die das Licht anwendet, denſel - ben Weg zurückzulegen. Da aber die Wirkung, welche ein Körper durch ſeine Bewegung auf andere Körper hervorbringt, das Product ſeiner Maſſe in ſeine Geſchwindigkeit iſt, ſo müßte das ſo ungemein ſchnell bewegte Licht einen ſehr ſchmerzhaften Eindruck auf unſer Auge machen, wenn die Maſſe, die Fein - heit der einzelnen Lichttheilchen nicht noch viel erſtaunenswerther wäre, als die Geſchwindigkeit derſelben. Wegen dieſer außeror - dentlich geringen Maſſe hat man auch das Licht bisher zu den Imponderabilien (den unwägbaren Subſtanzen) gezählt. Wahr - ſcheinlich ſind die einzelnen Elemente, aus welchen jeder Licht - ſtrahl beſteht, ſehr weit von einander entfernt, weil es ſonſt nicht zu erklären wäre, wie man ſelbſt durch die kleinſte Oeffnung eines vor dem Auge gehaltenen Blattes eine ganze Gegend überſehen kann, da doch von jedem einzelnen Punkte der Gegend Strahlen durch dieſe Oeffnung gehen müſſen, ohne ſich zu ſtören. Da der Eindruck des Lichtes im Auge, nach den darüber angeſtellten Be - obachtungen, nicht unter ein und nicht über drei Zehntheile einer Secunde dauert, ſo kann ein Lichttheilchen von dem andern über 4000 Meilen entfernt ſeyn, ohne daß darum der ſoge -15Die Sonne.nannte Lichtſtrahl aufhören wird, uns als eine gerade Linie zu erſcheinen.

§. 13. (Vibrations - und Emanations-Hypotheſe.) Es kann aber auch ſeyn, daß das Licht nicht in einer Emanation der leuch - tenden Körper, ſondern daß es in den Schwingungen eines dieſe Körper umgebenden elaſtiſchen Mittels beſteht, ſo wie der Ton durch die Schwingungen entſteht, welche tönende Körper in unſe - rer Atmoſphäre hervorbringen, wenn ſie die Vibrationen, die ſie durch eine äußere Kraft erhalten haben, der ſie umgebenden ela - ſtiſchen Luft mittheilen. Dieſe letzte Hypotheſe, die zuerſt Huy - gens und Euler aufſtellten, ſcheint in der That mehrere Erſchei - nungen des Lichts vollkommen zu erklären, die nach der von Newton angenommenen Vorausſetzung einer Emanation nicht, oder doch nicht ſo gut dargeſtellt werden können.

Zu den ſchönſten Entdeckungen der Optik in den neueſten Zeiten gehören ohne Zweifel diejenigen Erſcheinungen des Lichts, die man unter der Benennung der Polariſation und Interferenz deſſelben zu begreifen pflegt. Da ſie, als neue Gegenſtände, ihres hohen Intereſſes ungeachtet, nur noch einem kleinen Kreiſe von Leſern bekannt ſeyn mögen, ſo wird es nicht unangemeſſen er - ſcheinen, einige Augenblicke bei ihnen zu verweilen, wobei wir die ſchöne Darſtellung, die Arago in dem Annuaire für das Jahr 1831 von dieſem Phänomen gegeben hat, zu Grunde legen wollen.

§. 14. (Allgemeine Erſcheinung des polariſirten Lichts.) Wenn ein Sonnenſtrahl auf einen gewöhnlichen durchſichtigen Körper, z. B. auf Glas fällt, ſo kann er wohl in demſelben von ſeiner frühern Richtung abgelenkt werden, aber immer ſieht man ihn wieder auf der andern Seite des Glaſes als einen einzigen Strahl heraustreten. Allein unter dieſen durchſichtigen Körpern gibt es einige, welche von der erwähnten Erſcheinung eine merk - würdige Ausnahme machen. Dahin gehört vorzüglich der ſoge - nannte isländiſche Kryſtall, der Kalkſpath u. f. Wenn ein Licht - ſtrahl auf die Oberfläche eines ſolchen Körpers, ſelbſt in ſenkrechter Richtung fällt, ſo theilt er ſich daſelbſt ſogleich in zwei Strab - len. Der eine geht, ohne eine Beugung zu erfahren, durch den Kryſtall durch, während der andere von ſeiner erſten Richtung ſehr ſtark abgelenkt wird. Man nennt jenen den gewöhnlichen,16Die Sonne.und dieſen den ungewöhnlichen oder außerordentlichen Strahl. Beide liegen immer in einer auf die brechende Fläche des Kry - ſtalls ſenkrechten Ebene, und dieſe Ebene wird der Hauptſchnitt des Kryſtalls genannt.

Legt man nun einen Kryſtall ſo, daß ſein Hauptſchnitt z. B. in der Ebene des Meridians in der Richtung von Süd nach Nord gehe, und ſtellt man in einiger Entfernung unter ihm einen andern ſolchen Kryſtall, deſſen Hauptſchnitt ebenfalls im Meri - dian, alſo dem vorigen parallel liegt, und läßt man auf die obere Fläche des erſten Kryſtalls einen Lichtſtrahl fallen, ſo wird der - ſelbe durch den erſten Kryſtall, wie geſagt, in zwei Strahlen ge - brochen werden, alſo als ein doppelter Strahl aus ihm hervor -, und bald darauf in den zweiten Kryſtall eintreten. Wird nun auch jeder dieſer zwei auf den zweiten Kryſtall auffallenden Strahlen von demſelben wieder in zwei andere geſpalten werden? Wird man alſo jetzt vier Strahlen aus dem zweiten Kryſtall heraustreten ſehen? Keineswegs. Der gewöhnliche Strahl wird auch in dem zweiten Kryſtall der gewöhnliche bleiben, aber der außerordentliche wird ſehr ſtark von ſeiner frühern Richtung abgelenkt werden, und keiner von dieſen beiden Strahlen wird weiter geſpalten, ſo daß man aus dem zweiten, wie vorhin aus dem erſten Kryſtall nur zwei Strahlen austreten ſieht.

Um dieß durch Zeichnungen zu verſinnlichen, ſey ARMN (Fig. I.) ein ſolches Stück Isländiſchen Kryſtalls, und Rr der auf die obere Fläche deſſelben einfallende Strahl. Derſelbe wird bei r in den gewöhnlichen Strahl rO und in den außerordentlichen rE geſpalten, wo dann beide an der untern Seite des Kryſtalls in den Richtungen Oo und Ee wieder aus demſelben heraustre - ten. Wird dieſe untere Seite auf ein Blatt weißen Papiers ge - ſtellt, auf welchem man eine ſchwarze Linie MN verzeichnet hat, ſo ſieht ein Auge bei R dieſe Linie doppelt, nämlich MN und mn. Wenn man aber das Auge immer in derſelben Richtung hält, den Kryſtall auf ſeiner Unterlage von Papier gleichſam um die Axe Or dreht, ſo treten dieſe beiden Linien MN und mn näher an, oder weiter von einander, und es gibt in der ganzen Peri - pherie dieſer Drehung zwei einander gegenüberſtehende Punkte, wo dieſe beiden Linien zuſammen fallen, und nur eine einzige bilden,17Die Sonne.und wieder zwei andere, nahe 90 Grade von jenen entfernte Punkte, wo dieſe beiden Linien ihren größten Abſtand von einan - der haben.

Wenn der urſprüngliche Lichtſtrahl Rr ſenkrecht auf die Fläche des Kryſtalls fällt, ſo geht er ganz ohne Biegung durch, und wenn er unter irgend einem ſchiefen Winkel auf dieſe Fläche fällt, ſo wird er zwar an dieſer obern ſowohl, als auch an der untern Fläche, bei r und bei O, gebogen, aber ganz nach dem bekann - ten Geſetze der Refraction, daß nämlich die Sinus des Einfalls - und des Brechungs-Winkels immer daſſelbe Verhältniß unter ſich beibehalten. Da dieß bei allen durchſichtigen Körpern im Allge - meinen beobachtet wird, ſo heißt eben aus dieſer Urſache rO der gewöhnliche Strahl. Dieſes Geſetz der allgemeinen Refraction wird nun von dem andern Strahl rE nicht befolgt, und deßwe - gen wird er auch der außerordentliche Strahl genannt.

In Fig. 2. werden zwei ſolcher Kryſtalle in geringer Entfer - nung von einander und ſo vorgeſtellt, daß ihre Hauptſchnitte ein - ander parallel liegen. Der Lichtſtrahl Rr ſoll, der größeren Ein - fachheit wegen, ſenkrecht auf die Oberfläche des erſten Kryſtalls einfallen, und alſo bei r in zwei Strahlen geſpalten werden. Der gewöhnliche Strahl rD geht ungebrochen durch beide Kry - ſtalle und verfolgt den Weg rDCKOo; der außerordentliche Strahl aber wird in r ſowohl, als auch in C, und dann in F ſowohl, als auch in H gebrochen, ſo daß ſein Weg rCFHEe iſt.

Wenn aber der untere Kryſtall um ſeine Axe ſo lange ge - dreht wird, bis ſein Hauptſchnitt auf dem Hauptſchnitte des obe - ren Kryſtalls ſenkrecht ſteht, oder mit ihnen einen rechten Winkel bildet, ſo verhält ſich die Sache ſo, wie ſie in Fig. 3. dargeſtellt wird. Dann wird nämlich der gewöhnliche Strahl rODC des erſten Kryſtalls in dem zweiten auf die außerordentliche Weiſe, und der außerordentliche Strahl rECF des erſten Kryſtalls wird von dem zweiten auf die gewöhnliche Weiſe gebrochen. Es iſt nämlich (in Fig. 2.) Oo der durch beide Kryſtalle gewöhnlich, und Ee der durch beide außerordentlich gebrochene Strahl, und eben ſo iſt (Fig. 3.) Oe der im erſten Kryſtall gewöhnlich und im zwei - ten außerordentlich, ſo wie endlich Eo der im erſten Kryſtalle außerordentlich und im zweiten gewöhnlich gebrochene Strahl.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 218Die Sonne.

In jeder von dieſen beiden Lagen der zwei Kryſtalle, wo die Hauptſchnitte derſelben entweder parallel oder auf einander ſenk - recht ſind, wird weder der gewöhnliche, noch der außerordentliche Strahl von dem zweiten Kryſtall mehr geſpalten, und man ſieht immer nur zwei Strahlen. Aber in den Zwiſchenpoſitionen die - ſer beiden Lagen, wenn nämlich der Winkel der beiden Haupt - ſchnitte weder O noch 90 Grade beträgt, hat allerdings eine ſolche Spaltung ſtatt, ſo daß man dann mehr als zwei Lichtſtrahlen bemerkt.

§. 15. (Erklärung dieſer Erſcheinungen des polariſirten Lichts.) Was iſt nun die Urſache dieſer ſonderbaren Erſcheinungen? Auf den erſten Blick könnte man glauben, daß jeder Lichtſtrahl aus zwei verſchiedenen Strahlen, aus zwei verſchiedenen Reihen von Elementen beſteht, von welchen die erſte die Eigenſchaft hat, auf die gewöhnliche, und die andere auf die außerordentliche Weiſe, von diaphanen Körpern gewiſſer Art, gebrochen zu werden. Aber die ſo eben angeführte Beobachtung ſteht mit dieſer An - nahme im Widerſpruch, daß nämlich, wenn die Hauptſchnitte auf einander ſenkrecht ſtehen, der gewöhnliche Strahl des erſten Kryſtalls der ungewöhnliche im zweiten wird und umgekehrt.

Der ganze Unterſchied zwiſchen den in Fig. 2 und 3 vorge - ſtellten Erſcheinungen rührt offenbar nur daher, daß man in Fig. 2 die beiden Hauptſchnitte parallel, alſo z. B. beide von Süd gen Nord geſtellt hat, während man in Fig. 3 den einen nach Südnord und den andern nach Oſtweſt gerichtet hat. Die von dem erſten Kryſtalle kommenden Strahlen würden alſo von dem Hauptſchnitte des zweiten Kryſtalls in Fig. 2 in der Rich - tung Südnord, und in Fig. 3 in der Richtung Oſtweſt geſchnit - ten. Es muß alſo auch in jedem Lichtſtrahle etwas ſeyn, das ſeine Südnordſeite von ſeiner Oſtweſtſeite verſchieden macht, und dieſe zwei oder eigentlich dieſe vier Hauptſeiten müſſen noch das Eigenthümliche haben, daß die Nordſüdſeite des gewöhnlichen Strahls mit der Oſtweſtſeite des außerordentlichen Strahls als identiſch angeſehen werden kann, ſo zwar, daß der letzte, wenn er um 90 Grade um ſich ſelbſt gedreht wird, von dem erſten nicht mehr unterſchieden werden kann. Wir werden daher künftig bei jedem Lichtſtrahl, ſo fein er auch übrigens ſeyn mag, vier Seiten19Die Sonne.zu unterſcheiden haben, deren jede 90 Grade von ihren beiden nächſten abſteht, etwa ſo wie wir bei einem Dolche drei Schnei - den, und bei jeder viereckigen Stange vier Ecken oder Flächen unterſcheiden, und dieſe vier Seiten werden ſo weſentlich verſchie - den ſeyn, wie es z. B. die Schneide oder der Rücken oder die beiden Seiten eines jeden Meſſers ſind.

Da man bei dem Magnet bekanntlich ebenfalls zwei Seiten oder zwei Punkte bemerkt, die man die Pole des Magnets nennt, und deren Eigenſchaften in mehreren Stücken mit den eben erwähnten der Lichtſtrahlen ähnlich ſind, ſo hat man analog die auf die vorhergehende Weiſe erhaltenen Strahlen Oo und Ee (Fig. 1.) polariſirtes Licht genannt. Denkt man ſich einen ſolchen gleichſam cylindriſchen Lichtſtrahl, ſenkrecht auf ſeine Länge, durchſchnitten, ſo wird dieſer Schnitt die Geſtalt eines Kreiſes haben. Ziehen wir in dieſem Kreiſe einen Durchmeſſer AB und einen darauf ſenkrechten CD; dieß vorausgeſetzt, wird alſo jeder polariſirte Lichtſtrahl in den beiden einander gegenüberſtehenden Punkten A und B gleiche, und in den beiden Punkten C und D zwar wieder gleiche, aber jenen entgegengeſetzte Eigenſchaften haben, und überdieß wird der Strahl Oo (Fig. 1.) dieſelben Eigenſchaf - ten in den beiden Punkten A und B haben, die der Strahl Eo in den beiden anderen Punkten C und D hat, oder mit anderen Worten, die Diameter der gleichartigen Eigenſchaften werden, bei den polariſirten Strahlen, auf einander ſenkrecht ſtehen.

Die Lage dieſer Diameter iſt in der Lehre von der Polariſa - tion des Lichtes von der größten Wichtigkeit. Sind bei zwei Licht - ſtrahlen dieſe Diameter AB, A'B 'alſo auch CD, C'D' parallel, ſo ſagt man, dieſe Strahlen ſind in derſelben Ebene polariſirt. Sind aber die Diameter AB, C'D 'und A'B', CD mit einander parallel, ſo heißen die Strahlen unter rechten Winkeln polariſirt. Die zwei Strahlen Oo und Ee, die man durch den isländiſchen Kryſtall erhält, ſind daher immer unter rechten Winkeln polariſirt.

§. 16. (Polariſation des Lichts durch andere Mittel.) Auch in Beziehung auf die Reflexion von Spiegeln ſind die natürlichen Strahlen von den polariſirten weſentlich verſchieden. Von den natürlichen Strahlen, die auf einen Spiegel fallen, wird immer ein großer Theil in der That zurückgeworfen; bei polariſirten2 *20Die Sonne.Strahlen aber gibt es eine beſtimmte Lage des Spiegels, wo er das meiſte, und eine andere Lage, wo er ganz und gar kein Licht zurückwirft. Dieß gab uns daher ein leichtes Mittel, das pola - riſirte Licht von dem natürlichen zu unterſcheiden; aber erzeu - gen konnte man das letzte doch nur durch die oben erwähnten Verſuche mit dem isländiſchen Kryſtall.

Allein dabei blieb es nicht lange, und Malus, der die Ent - deckung, daß polariſirtes Licht nicht in allen Lagen des Spiegels reflectirt wird, gemacht hatte, machte bald darauf noch eine zweite, und in ihren Folgen viel wichtigere. Er fand nämlich, daß man durch bloße Reflexion der Strahlen von durchſichtigen Spiegeln jeder Art auf eine ſehr einfache Weiſe polariſirtes Licht erzeugen kann. Wenn die Lichtſtrahlen von einem gewöhnlichen Glasſpie - gel unter einem Winkel von 35°,4 oder von der Oberfläche des Waſſers unter einem Winkel von 37°,5 zurückgeworfen werden, ſo iſt daſſelbe ganz eben ſo vollkommen polariſirt, als das durch den isländiſchen Kryſtall gehende Licht nur immer ſeyn kann. Seit der Zeit der Griechen, ſeit mehr als 2000 Jahren kennt man die Reflexion des Lichts durch die Spiegel, aber nie iſt es weder ei - nem Künſtler, noch einem Theoretiker der alten und neuen Zeiten eingefallen, in dieſer Reflexion etwas anderes, als ein Mittel zu ſuchen, die Strahlen der Sonne entweder zu vereinigen oder zu zerſtreuen, alſo überhaupt nur ihre gegenſeitige Lage zu ändern, und Niemand hat es auch nur von ferne geahnet, daß man da - durch zugleich eine völlige Aenderung der Natur des Lichtes ſelbſt hervorbringen könne.

Seitdem hat Arago noch eine andere Art, polariſirtes Licht zu erhalten, entdeckt. Die auf dieſe Art polariſirten Strahlen ge - ben, wenn ſie durch einen isländiſchen Kryſtall gehen, zwei ver - ſchiedene Bilder, deren jedes in einer beſtimmten, ſehr lebhaften Farbe erſcheint. Wenn auch z. B. der einfallende Strahl ganz weiß iſt, ſo iſt doch der gewöhnliche Strahl vollkommen roth, oder gelb, oder grün u. f., je nach der Seite, welche dieſer Strahl dem Kryſtalle bei ſeinem Eintritt in daſſelbe zuwendet. Der au - ßerordentliche Strahl aber iſt nicht nur immer von einer ganz andern Farbe, als der gewöhnliche, ſondern die Farben der bei - den Strahlen ſind zugleich die verſchiedenſten, die man finden21Die Sonne.kann, z. B. ſtark roth und hellgrün, orange und violett u. ſ. w. Wenn dieſes auf eine neue Art polariſirte Licht von einem dia - phanen Spiegel zurückgeworfen wird, zeigen ſich ebenfalls neue und ſehr merkwürdige Erſcheinungen. Iſt z. B. einer dieſer an - fänglich weißen Strahlen vertical, und begegnet er einem Glas - ſpiegel unter einem Winkel von 35 Graden, ſo kann der Spiegel um den Strahl willkührlich gedreht werden, wenn er nur immer dieſelbe Neigung gegen den Strahl beibehält, ohne daß je wieder weißes Licht von ihm zurückgeworfen wird. Das reflectirte Licht wird nach der Ordnung, wie man den Spiegel wendet, von der rothen bis zur violetten alle Farben des Spectrums wieder geben, aber nie die weiße, ſo daß man alſo, um dieſe Verſuche zu er - klären, nicht bloß vier, ſondern eigentlich unzählige Pole eines jeden einzelnen Lichtſtrahls annehmen muß, und daß jede einzelne Seitenlinie des Strahlencylinders ſeine eigene Farbe, ſeine eigene Natur zu haben ſcheint. Durch dieſes Verfahren kann man alſo zugleich das weiße Sonnenlicht, bloß mit Hülfe der Reflexion, ganz eben ſo gut in ſeine einfachen Farben zerlegen, wie man es, ſeit Newton, bisher bloß mit Hülfe des Prisma’s gethan hat. Zwar ſind die Farben, welche man auf dieſe Art erhält, weniger lebhaft, aber die Bilder der Gegenſtände, welche man dadurch darſtellen will, ſind auch in ihren Umriſſen nicht mehr verzerrt, wie dieß bei dem Prisma der Fall iſt.

§. 17. (Interferenz des Lichtes.) Noch intereſſanter und wun - derbarer zugleich ſind diejenigen erſt ſeit Kurzem bekannten Er - ſcheinungen des Lichtes, die man unter der Benennung der In - terferenz deſſelhen zu bezeichnen pflegt. Wenn man durch eine kleine runde Oeffnung Lichtſtrahlen in ein verfinſtertes Zim - mer läßt, ſo bilden dieſelben auf einer der Oeffnung gegenüber ſtehenden Wand einen runden beleuchteten Kreis. Wenn man in dieſen Lichtkegel, in irgend einer Diſtanz, zwiſchen der Oeffnung und der Wand einen opaken Körper, z. B. eine Kugel hält, ſo wird er ſeinen Schatten auf jenen beleuchteten Kreis der Wand werfen, und dieſer Schatten wird, das iſt hier das Weſentliche, von drei verſchiedenfarbigen, franſigen Ringen umgeben ſeyn. Wenn man endlich auch nur einen kleinen Theil des Randes dieſer Ku - gel mit einem größeren, undurchſichtigen Schirm bedeckt, ſo ver -22Die Sonne.ſchwinden ſofort dieſe gefärbten Ringe ganz und gar, obſchon ſie vorhin den Schatten in allen ſeinen Gränzen umgaben, und ob - ſchon noch immer bei weitem der größte Theil der Kugel von dem Lichte beſchienen wird. Es ſcheint daraus nothwendig zu folgen, daß jene franſigen Ringe von demjenigen Lichte entſtanden ſind, das zu beiden Seiten der Kugel nahe bei derſelben vorbei ging. Der berühmte engliſche Naturforſcher Young, der dieſes Phä - nomen zuerſt beobachtete, war der Anſicht, daß die jene Kugel an zwei entgegenſtehenden Seiten nahe vorbeigehenden Strahlen auf einander wirken, und dadurch jene farbigen Ringe hervorbrin - gen. Er nannte dieſe Wirkung die Interferenz der Strahlen. Fresnel, dem wir überhaupt die meiſten und ſchönſten Auf - ſchlüſſe in dieſem intereſſanten Theile der Optik verdanken, zeigte, daß dieſe Interferenz eine Einwirkung der directen, von der klei - nen Oeffnung unmittelbar kommenden Strahlen auf diejenigen ſey, welche die Kugel ſehr nahe vorbei gehen, und durch dieſelbe gebogen oder inflectirt werden.

Wenn ein Sonnenſtrahl in einem verfinſterten Zimmer auf eine Tafel, z. B. auf ein Blatt weißen Papieres fällt, ſo malt er ſich auf demſelben, wie bereits geſagt, als ein hellglänzender Punkt ab. Allein dieſen hellen Punkt kann man auf eine ſehr einfache Weiſe ſofort zu einem ganz finſtern machen, ohne übri - gens den Lichtſtrahl, noch das Papier zu berühren. Und worin ſoll dieſer ſonderbare Prozeß beſtehen, durch den man in einem Augenblicke Tag in Nacht und umgekehrt verwandeln kann? Die Auflöſung dieſes Räthſels wird den Leſern ohne Zweifel noch ſonderbarer erſcheinen, als das Räthſel ſelbſt. Man darf nur auf dieſen hellen Punkt noch einen zweiten Sonnenſtrahl leiten, der denſelben ganz eben ſo, wie der erſte beſcheint, und der, wenn er allein da wäre, den Punkt eben ſo hell, wie der erſte, gemacht haben würde. Beide zuſammen aber machen ihn, nicht, wie man glauben ſollte, noch heller, ſondern ſie machen ihn ganz dun - kel und ſchwarz! Alſo, wenn man, unter gewiſſen Verhältniſſen nämlich, Licht zu Licht gießt, ſo wird es finſter: die beiden Licht - ſtrahlen zerſtören ſich gegenſeitig, ſie heben ſich auf. Und auch das iſt eine Wirkung der Interferenz des Lichts.

23Die Sonne.

§. 18. (Erläuterung dieſer Erſcheinungen der Interferenz des Lichts.) Und welches ſind dieſe Verhältniſſe, die ſo wunderbare Folgen nach ſich ziehen? Die einfachſten von der Welt. Alles kömmt nur darauf an, daß die beiden Strahlen von demſelben Punkte des leuchtenden Objects ausgehen, und daß die beiden kleinen Oeffnungen, durch welche die zwei Strahlen in das ver - finſterte Zimmer gelangen, von dem Papier eine beſtimmte und unter einander verſchiedene Entfernung haben. Die Strahlen, die von dem öſtlichen Rande der Sonne kommen, interferiren, d. h. zerſtören ſich nie durch die Strahlen des weſtlichen Randes und umgekehrt. Von all denen unzähligen Strahlen, aus denen jeder einzelne Sonnenſtrahl beſteht, interferiren immer nur diejenigen, die gleiche Brechung, alſo auch gleiche Farbe haben, daher z. B. der rothe und der grüne Strahl ſich nie gegenſeitig aufheben. Aber auch die gleichartigen Strahlen, z. B. weiß und weiß, oder roth und roth, interferiren nie, wenn der Punkt des Papieres, in wel - chem ſie ſich begegnen und ſchneiden, gleichweit von beiden Oeff - nungen des Fenſterladens entfernt iſt, ſondern in dieſem Falle wird der leuchtende Punkt durch das Hinzukommen des zweiten Strahls in der That noch heller.

Aber nicht jede Differenz dieſer beiden Entfernungen bringt eine Interferenz des Lichts hervor. Nehmen wir an, a ſey die kleinſte Differenz dieſer Entfernungen, für welche der leuchtende Punkt durch beide Strahlen erhellt, alſo mit der Summe ihres Lichtes beleuchtet wird, ſo wird dieſelbe ſtärkſte Beleuchtung des Punktes auch dann noch ſtatthaben, wenn jene Differenz der Diſtanzen des Punktes von den beiden Oeffnungen a oder 2a oder 3a oder 4a u. f. iſt. Dieß iſt bereits ſonderbar genug, höre ich meine Leſer ſagen. Sehr wohl, aber, was ihnen wohl noch mehr auffallen wird, wenn dieſe Differenz der Diſtanzen gerade mitten zwiſchen die jetzt aufgezählten fällt, ſo interferiren die bei - den Strahlen, oder die Beleuchtung des Punktes iſt dann die kleinſte, oder vielmehr, der Punkt erhält ganz und gar keine Be - leuchtung mehr und erſcheint ganz ſchwarz. Der Punkt iſt alſo am hellſten, wenn dieſe Differenz a, 2a, 3a, 4a, und er iſt ganz dunkel, wenn dieſe Differenz 1 / 2 a, 3 / 2 a, 5 / 2 a, 7 / 2 a iſt.

24Die Sonne.

§. 19. (Erklärung der Interferenz des Lichts im Vibrations - ſyſteme.) Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir alle die Erſcheinungen jener gefärbten Ringe, die den Schatten umgeben, oder die Farbenſpiele der dünnen Platten, ſelbſt die der Seifen - blaſen, hier näher angeben wollten, die ſich durch dieſe Interferenz des Lichtes auf das ſchönſte und überzeugendſte geben laſſen. Wir bemerken nur noch, daß ſich die ganze Theorie der Interferenz viel beſſer und genügender durch die oben erwähnte Undulations - lehre, als durch das Emanationsſyſtem erklären läßt. Durch die Bewegung der Lichtelemente wird jenes äußerſt feine, durchſichtige und elaſtiſche Medium, welches wir der Kürze wegen den Aether nennen wollen, in eine wellenartige Bewegung geſetzt. Wenn dieſe Wellen bis zu unſerm Sehorgan vordringen, ſo wird daſſelbe dadurch auf eine ähnliche Weiſe afficirt, wie unſer Ohr durch die Wellen der Luft. Und wie die Differenz der Töne in der größeren oder kleineren Anzahl der Luftſchwingungen während einer Se - cunde beſteht, eben ſo beſteht auch die Differenz der Farben in den verſchiedenen Geſchwindigkeiten, mit welchen die Wellen des Aethers fortgepflanzt werden. Und wie endlich die kreisförmigen Wellen, die ſich bei zwei in ein ruhiges Waſſer geworfenen Stei - nen um jeden derſelben bilden, wenn ſie ſich auf der Oberfläche des Waſſers begegnen, einander öfter aufheben, und die Ebene des Waſſerſpiegels nicht ſtören, und oft wieder, wenn ſie ſich in corre - ſpondirenden Richtungen treffen, ſich gegenſeitig zu einer doppel - ten Höhe erheben, ſo werden auch die Aetherwellen ſich bald ge - genſeitig unterſtützen, und das Licht ihrer Durchſchnittspunkte er - höhen, bald wieder einander aufheben und alles Licht zerſtören, d. h. ſich interferiren.

Setzen wir nur noch hinzu, daß dieſe ganze Theorie der In - terferenz nicht bloß ein Aggregat von vagen Hypotheſen, ſondern daß ſie ein Reſultat der ſtrengſten Analyſe iſt, und daher jenes hohen Grades der Wahrheit ſich erfreut, die jeder Theorie nur dann zu Theil wird, wenn ſie, wie die Aſtronomie, eine rein mathematiſche Baſis hat, und daß endlich die Reſultate die - ſer Berechnungen bereits durch zahlloſe Beobachtungen auf das vollkommenſte beſtätiget worden ſind. Obſchon es unmöglich iſt, von ſolchen Berechnungen in einem Werke dieſer Art eine nähere25Die Sonne.Anzeige zu geben, und obſchon es uns ohne große Umſtändlichkeit und ſelbſt vielleicht ohne Unverſtändlichkeit nicht möglich iſt, auch nur die Art anzuzeigen, wie man zu den folgenden Zahlen ge - kommen iſt, von welchen die einen durch ihre Kleinheit, und die andern durch ihre eben ſo gewaltige Größe an das Wunderbare, beinahe an das Unglaubliche gränzen, ſo hoffen wir doch, daß unſere Leſer bereits ſo viel Vertrauen zu uns gewonnen haben, die Richtigkeit dieſer Zahlen auf Treu und Glauben wenigſtens ſo lange anzunehmen, bis ſie ſich in den Stand geſetzt haben, die Wahrheit derſelben durch eigene Nachrechnung ſelbſt zu prüfen, und wie wir mit Gewißheit hinzuſetzen können, ſie auch vollkom - men beſtätiget zu finden.

Wir haben oben geſagt, daß der Durchſchnittspunkt zweier Lichtſtrahlen mit doppeltem Lichte leuchte, wenn die Differenz der Abſtände dieſes Punktes von den beiden Oeffnungen im Fenſter - laden a, 2a, 3a iſt, und daß im Gegentheile dieſer Durchſchnitts - punkt ganz finſter und ſchwarz erſcheint, wenn jene Differenz 1 / 2 a, 3 / 2 a, 5 / 2 a iſt. Allein wie groß iſt denn dieſe Zahl a ſelbſt?

Sie iſt für die farbigen Strahlen, aus denen jeder weiße Sonnenſtrahl beſteht, verſchieden. Drückt man ſie in engliſchen Zollen aus, von welchen jeder 0,9383 Pariſer, oder 0,9642 Wie - ner Zolle enthält, ſo findet man dieſen Werth von a bei den

  • rothen Strahlen gleich 0,000026 engl. Zolle,
  • orangen 0,000024
  • gelben 0,000023
  • grünen 0,000021
  • blauen 0,000020
  • indigo 0,000018
  • violetten 0,000017

Dieſe Größen ſind alſo ſämmtlich ungemein klein, und nur durch unſere ſtärkſten Mikroſcope noch merkbar. Sie drücken zu - gleich die Breiten der Aetherwellen aus, welche von den genann - ten ſieben Farben erregt werden.

26Die Sonne.

Dividirt man die Einheit durch dieſe Zahlen, ſo erhält man die Anzahl der Wellen, welche in der Breite eines Zolles enthal - ten ſind. Dieſe Anzahl beträgt daher bei dem

  • rothen Lichte 38460 Wellen,
  • orangen 41600
  • gelben 44000
  • grünen 47500
  • blauen 51100
  • indigo 54100
  • violetten 57500

ſo daß alſo die von dem rothen Lichte erregten Wellen die breite - ſten, und die von dem violetten erzeugten die ſchmalſten unter allen ſind.

Noch könnte man fragen, wie viele ſolcher Wellen bei jeder Farbe in einer beſtimmten Zeit entſtehen, oder mit welcher Ge - ſchwindigkeit ſie auf einander folgen. Auch darauf hat die ma - thematiſche Analyſe bereits geantwortet, aber die hieher gehören - den Zahlen ſind ſo groß, daß wir ſie der Kürze wegen in ganzen Billionen angeben wollen. Nach jenen Berechnungen wird alſo während einer Secunde folgende Anzahl von Wellen erzeugt:

  • Von dem rothen Lichte 478 Billionen
  • orangen 506
  • gelben 535
  • grünen 577
  • blauen 622
  • indigo 658
  • violetten 700

Demnach iſt alſo die Geſchwindigkeit der Wellenerzeugung bei den rothen oder den breiteſten die kleinſte, und bei den violetten oder den ſchmalſten die größte, wie dieß der Natur der Sache angemeſſen iſt. Zugleich zeigt dieſe letzte Tafel, daß die Senſi - bilität unſeres Auges in Beziehung auf die Farben in viel engere Gränzen eingeſchloſſen iſt, als die unſeres Ohres in Beziehung auf die Töne. Das Verhältniß der beiden äußerſten Zahlen der letzten Tafel iſt nur 700 zu 478 oder 1,46 zu 1, alſo noch be - trächtlich kleiner, als das einer Octave, während wir doch mit27Die Sonne.unſerem Gehöre noch mehrere Octaven umfaſſen. Welche Farben oder welche Empfindungen für höhere Geſichtsorgane mögen jen - ſeits dieſer beiden Gränzen liegen?

Waͤrme.

§. 20. (Wichtigkeit und wohlthätige Folgen der Wärme.) Man ſieht ſchon aus den vorhergehenden kurzen Zuſammenſtellungen der vorzüglichſten Eigenſchaften des Lichtes, wie wichtig die Lehre von den mannigfaltigen Erſcheinungen deſſelben für Jeden ſeyn muß, der die ihn umgebende Natur von einer ihrer ſchönſten und intereſſan - teſten Seiten näher kennen lernen will. So groß aber auch das Geſchenk ſeyn mag, welches wir dadurch der Sonne, dieſer wah - ren Quelle alles Lichtes verdanken, ſo ſcheint doch ihr zweites, mit jenem nahe verwandtes Geſchenk, das der Wärme, für uns noch viel größer und wichtiger zu ſeyn. Aus dieſer zweiten Quelle fließt eine unabſehbare Reihe von Wohlthaten, die nicht bloß, wie jene, unſer Leben verſchönern und unſere Genüſſe erhöhen, ſondern die unſer Daſeyn erſt möglich machen, da ohne ſie die Exiſtenz aller organiſchen Weſen ganz unmöglich ſeyn würde. Da es uns aber zu weit von unſerem Gegenſtande abführen würde, die Eigenſchaften der Wärme, auch nur in der Kürze, mit welcher wir jene des Lichtes betrachtet haben, aufzuzählen, ſo wird eine bloße gedrängte hiſtoriſche Anzeige derſelben genügen, dieſe Wohl - that, welche wir der Sonne verdanken, wenigſtens einigermaßen nach ihrem wahren Werthe zu erkennen. Bei dieſer Darſtellung glaubten wir beſonders der ſchönen Einleitung folgen zu müſſen, die Lardner ſeinem vortrefflichen Treatise on Heat, London 1833, gegeben hat.

Die meiſten organiſchen Weſen können, wenigſtens einige Zeit durch, auch ohne Licht leben. Unzählige Operationen der Natur gehen eben ſo gut und thätig in dem Lichte, als in der Abwe - ſenheit deſſelben vor ſich. Der Mangel deſſelben, wo er z. B. bei der Blindheit der Thiere als Krankheit eintritt, hindert die andern Functionen ihres Körpers keineswegs an ihrer Thätigkeit, und ſelbſt die geiſtige Kraft des Menſchen wird dadurch zuweilen ſogar erhöht, wie wir bereits mehrere glänzende Beiſpiele von blinden Dichtern, wie Homer und Milton, und ſelbſt von blinden28Die Sonne.Mathematikern, wie Saunderſon und Euler, anführen könnten, bei welchen der Verluſt ihres Augenlichtes den Verſtand und die Einbildungskraft noch zu ſchärfen ſchien. Das Licht iſt demnach gleichſam nur ein Gegenſtand des Luxus der Natur, und wenig - ſtens für viele Dinge und auf längere Zeit entbehrlich. Daher ſpendet es auch die Natur nicht mit jener unbegränzten Freige - bigkeit aus, ſondern ſie beobachtet dabei jene zurückhaltende Oeco - nomie, die ſie ſich bei allen den Gaben vorzuſchreiben pflegt, die bloß das Vergnügen ihrer Geſchöpfe, nicht aber die unentbehrli - chen Bedürfniſſe derſelben zum Zwecke haben.

Die Wärme aber hat ſie überall und für alle mit der frei - gebigſten Hand ausgetheilt. Dieſes Geſchenk findet ſich zu allen Zeiten und an allen Orten. Jeder Körper, ſelbſt der unorgani - ſche, ſelbſt der luftförmige enthält ſie in reichlichem Maaße. Die todte Maſſe des Waſſers, der Erde, der Steine, und was wir ſehen, was wir nur durch irgend einen unſerer Sinne erkennen, iſt damit angefüllt. Dem Einfluſſe der Wärme iſt jene endloſe Verſchiedenheit der Geſtalten zuzuſchreiben, die über die Erde ver - breitet ſind. Unſer Feſtland, unſere Meere und Flüſſe, unſere Atmoſphäre ſelbſt könnten nicht einen Augenblick ſo bleiben, wie ſie ſind, wenn ihnen die Wärme entzogen würde, und alles würde, ohne ſie, in eine rohe, ſtarre, formloſe Maſſe zuſammen fallen. Die Luft, die uns umgibt, müßte, ſobald ihr die Wärme entzo - gen würde, in eine dicke, harte Rinde zuſammen ſchrumpfen, welche die Erde rings umſchließen, und alle ihre Geſchöpfe in ein einziges, großes, undurchdringliches Grab ſtürzen würde. Die Wärme iſt die Mutter und die Amme aller organiſchen Weſen, und ſelbſt die unorganiſchen entſpringen nur aus ihrem Schooße. Jeder Körper der Natur, wie grob ſeine Maſſe, oder wie fein auch ſein Gewebe ſeyn mag, verdankt ſeine Entſtehung und ſeine Erhaltung nur der Wärme. Nehmt die Wärme weg aus der Natur, und ſofort verſchwindet auch alle Bewegung, alle Form - gebung und alles Leben aus derſelben, und das alte Chaos tritt wieder in ſeine Rechte ein.

§. 21. (Wärme, in Beziehung auf Kunſt und Wiſſenſchaft.) Auch unſere Künſte und Manufacturen können ſie ſo wenig, als die Natur ſelbſt, entbehren. Welche Veränderungen wir auch mit29Die Sonne.den Körpern, wie ſie uns die Natur gegeben hat, vornehmen mögen, ſie beſtehen alle nur in der Trennung oder Zuſammenfü - gung ihrer Theile, und in einer unſeren Zwecken gemäßen Ver - wandlung ihrer Geſtalt. Wir ſchmelzen ſie, um ihnen eine an - dere Geſtalt zu geben, wir trennen die zuſammengeſetzten, um ihre uns nutzloſen oder ſchädlichen Theile zu entfernen, und wir ver - binden die getrennten wieder, um ſie auch dadurch unſern Abſich - ten dienſtbar zu machen. In allen dieſen Operationen iſt die Wärme das wichtigſte, oft das einzige Inſtrument. Auf ihren Wink er - weichen die härteſten Körper, das Gold wird Wachs, das Eiſen Waſſer, und die ganze Natur wird verändert, um unſeren Be - dürfniſſen, um unſerem Vergnügen, oft ſelbſt um unſeren Einfällen zu gehorchen.

Aber nicht bloß in unſeren techniſchen, auch in unſeren wiſ - ſenſchaftlichen Arbeiten ſpielt dieſes Agens eine große, wichtige Rolle. Wer in einer hellen Nacht den geſtirnten Himmel betrach - tet, glaubt ſchon alles geſehen zu haben, wenn er die Größe und die gegenſeitige Lage dieſer Geſtirne kennen gelernt hat. Der Aſtro - nom aber weiß, daß er dieſen Himmel keineswegs ſo ſieht, wie er in der That iſt, daß er ihn vielmehr durch eine große täu - ſchende Linſe, durch eine Kugelſchaale von Luft ſieht, die alle Gegenſtände gleich einem Hohlſpiegel verzerrt, und keinen derſel - ben an ſeinem wahren Orte erſcheinen läßt. Er weiß, daß dieſe optiſchen Täuſchungen mit der Entfernung der Geſtirne von dem Horizonte, daß ſie von Nacht zu Nacht, ja von Stunde zu Stunde wechſeln, und daß dieſer Wechſel bloß von der ebenfalls wechſelnden Wärme der Atmoſphäre kömmt. Selbſt das Inſtru - ment, mit welchem er dieſe Veränderungen beobachtet, iſt wieder ähnlichen Aenderungen unterworfen, und wie die Temperatur ſei - ner Umgegend anders wird, ziehen ſich auch ſeine Theile zuſam - men oder auseinander. Ein einziger Sonnenſtrahl, der auf ſein Inſtrument fällt, ein einziger Hauch von einem kühlen Zugwinde, ja die den Beobachter ſelbſt umgebende Atmoſphäre ſeines eigenen Körpers iſt ſchon im Stande, den metallenen Bogen ſeines Krei - ſes zu verziehen und Aenderungen hervorzubringen, die man lange genug an dem Himmel geſucht hat, während ſie ihre wahre Ur - ſache in dem Inſtrumente oder in dem Beobachter ſelbſt hatten. 30Die Sonne.Unſere ſolideſten Gebäude aus den alten Zeiten, die ſprüchwörtlich als Symbole, als Beiſpiele einer unwandelbaren Feſtigkeit gelten, werden täglich, ja ſtündlich von der Wärme in immerwährende Bewegung geſetzt. Seit den Verſuchen, die man mit den höchſt empfindlichen Libellen Reichenbachs an der Sternwarte Brera zu Mailand angeſtellt hat, iſt es bekannt, daß jeder Thurm und jedes Haus, wenn es auf ſeiner Oſt - oder Weſtſeite von der Sonne beſchienen wird, gleich einem Pendel hin und wieder geht, ohne auch nur zwei Augenblicke dieſelbe Lage beizubehalten.

Aber welche noch viel größere Rolle iſt dieſer unſichtbaren Macht in unſerer Chemie angewieſen worden. Unauflöslich ſchei - nende Körper trennt ſie in ihre Elemente; die heterogenſten Maſ - ſen ſchmilzt ſie zu einem gemeinſamen, einförmigen Körper; ſie weckt ſeit Jahrtauſenden ſchlafende Affinitäten aus ihrem Schlum - mer zu neuer Thätigkeit, und ſie zerreißt ſelbſt die Bande der chemiſchen Attraction, die jeder andern uns bekannten Kraft ſpot - tend widerſtehen. Durch Bindung und Freiwerden der Wärme entſtehen alle unſere Compoſitionen und Decompoſitionen der na - türlichen Körper, und dieſe zwei Prozeſſe ſind es, durch die wir mit der einen Hand fürchterliche Detonationen mit einer alles ſchnell verzehrenden Hitze, und mit der andern eine Kälte erzeu - gen können, gegen welche die unſerer Pole noch Wärme heißen kann.

§. 22. (Wärme in Beziehung auf das gemeine Leben.) Aber wozu erſt Sternwarten oder Laboratorien aufſuchen, um Bei - ſpiele für die Thätigkeit einer Kraft zu finden, die uns überall und zu allen Seiten in der Nähe umgibt. Im Schlafe und im Wachen, zu Hauſe oder auf dem Felde, bei Tag und Nacht, in der heißen und in der kalten Zone überall iſt ſie, überall wirkt ſie und überall ſind wir ihre Sklaven zugleich und ihre Meiſter.

Wir ſind ihre Sklaven. Denn ohne ſie vermögen wir nicht einen Augenblick zu leben, und ohne ein genau beſtimmtes Maaß derſelben können wir dieſes Leben eben ſo wenig in Frie - den genießen. Sie herrſcht gebieteriſch über unſere Freuden und über unſere Leiden. Sie legt uns auf das Siechenbette hin, und hilft uns wieder von demſelben auf. Sie iſt unſere Krankheit und31Die Sonne.unſer Arzt zugleich. In der brennenden Hitze des Sommers lech - zen wir unter ihrem Drucke, und in der ſtarren Kälte des Win - ters ſchauern wir ob ihrem Mangel. Wenn ſie ſich in unſerem eigenen Körper anhäuft, ſo vertrocknet unſere Zunge, und wir brennen im Fieber, und wenn ſie uns zu ſchnell verläßt, ſo ächzen wir unter Erkühlungen und Rheumatismen und allen den zahlloſen Leiden, die mit dem Gefolge dieſer beiden Anführer aufzutreten pflegen.

Wir ſind aber auch ihre Meiſter. Denn wir zwingen ſie, unſerem Willen zu gehorchen und unſere Zwecke zu befördern. Mitten unter den Schnee - und Eis-Bergen der Pole muß ſie mit uns in unſerer Stube wohnen, und ſelbſt außer derſelben darf ſie, in undurchdringliche Kleider eingeſchloſſen, unſere Körper nicht verlaſſen. Und dieſelben Kleider brauchen wir auch in der heißen Zone, um ihren Andrang von uns abzuhalten. Wir entfernen ſie aus dem Waſſer, um uns während der heißen Jahreszeit mit Eis zu kühlen; und wir bringen ſie wieder in größerem Maaße in das Waſſer zurück, um im Winter (durch in Nöhren geleitetes heißes Waſſer) unſere Wohnungen zu erwärmen. Auf unſeren Reiſen zur See iſt ſie es, die unſerem Schiffe (dem Dampf - ſchiffe) Flügel gibt, und dadurch den Winden und den Wogen trotzt. Auf unſeren Landfahrten aber ſpannen wir ſie ſtatt der Pferde vor unſere (Dampf -) Wägen, und eilen damit dem ſchnell - ſten Vogel und ſelbſt den Furien der Stürme vor*)Zur Vergleichung verſchiedener Geſchwindigkeiten mögen fol - gende Angaben der in einer Stunde zurückgelegten Wege, in deutſchen Meilen ausgedrückt, dienen. Schnellſegelnde Schiffe ......... 4,0 Meilen.Die ſchnellſten Brieftauben ....... 5,7 Heftige Stürme ............. 7,0 Schnelle Dampfwagen .......... 8,0 Der Schall ............... 163 Aequator der Erde in ſeiner täg - lichen Bewegung .......... 227 Mittelpunkt der Erde in ſeiner jährlichen Bewegung ...... 14,800 Das Licht ........... 151,000,000 .

32Die Sonne.

Wenn wir ſchlafen, ſo iſt unſer Zimmer und unſer Bette mit den Mitteln verſehen, die Wärme in ihrem gehörigen Zuſtande zu erhalten. Wenn wir zu Tiſche ſitzen, ſo iſt wieder ſie es, die unſeren Speiſen ihre Genießbarkeit, ihren Nutzen und ihre Würze gibt. Sie bereitet unſere Gerichte in der Küche, wie ſie die Früchte in unſeren Gärten kocht und zur Reife bringt. Die ange - nehmen Säfte, die das Blatt des Theebaums, oder die Beere der Kaffeeſtaude, oder die Cacaobohne in ſich ſchließt, würden uns immer verborgen geblieben ſeyn, wenn ſie uns die Wärme nicht aufgeſchloſſen hätte, und ſelbſt die Bereitung aller anderen künſt - lichen Getränke, die uns erquicken und erwärmen, und die unſere durch Arbeit und Anſtrengung ermatteten Glieder ſtärken, würden uns noch ein Geheimniß ſeyn, wenn wir, gleich dem blödſinnigen Feuerländer, mit der Erhaltung und Anwendung der Wärme auf die Körper der Natur noch unbekannt wären.

§. 23. (Verbindung des Lichts mit der Wärme.) Selbſt das Licht, jene an ſich ſo köſtliche Gabe des Himmels, wie oft wür - den wir uns vergebens darnach ſehnen, wenn dieſelbe allgütige Hand, die uns daſſelbe gegeben, jenes andere noch köſtlichere Geſchenk zurückgehalten hätte. Wenn die Sonne ihr Antlitz von uns wendet, und die Erde in Finſterniß einhüllt, wenn ſie, wie in den Polargegenden, ſechs volle Monate nicht wiederkehrt woher ſollen wir dann Licht nehmen? Dann iſt es die Wärme, die unſere Luft in Flammen ſetzt*)Bekanntlich ſind unſere Flammen nichts als brennende Luft, als Theile unſerer Atmoſphäre, die durch die Hitze weißglühend gemacht werden.; dann zünden wir, mit ihrer Hülfe, unſere Kerzen, unſere Lampen an, und ſchaffen uns künſt - liche Tage mitten in der tiefſten Nacht; dann laſſen wir unſere Sonnen leuchten zu unſeren Geſchäften, zu unſeren geſelligen Ver - gnügungen, und vermehren ſo die Summe der Genüſſe und die Länge unſeres Lebens durch nützlich oder angenehm verbrachte Stunden, die wir, ohne jenes Geſchenk, in dumpfer Unthätigkeit verloren oder im trägen Schlafe verträumt hätten.

§. 24. (Oberfläche oder Photoſphäre der Sonne.) Indem wir nun, nach dieſer Digreſſion über die zwei wichtigſten Geſchenke,33Die Sonne.welche wir der Sonne verdanken, wieder zu unſerm Gegenſtande, zu der phyſiſchen Beſchaffenheit dieſes Centralkörpers ſelbſt zu - rückkehren, müſſen wir uns vorerſt auf das Wenige beſchränken, was wir von der Oberfläche deſſelben durch Hülfe unſerer Fern - röhre kennen gelernt haben. Dieſe Oberfläche ſcheint ein unge - heueres, den eigentlichen Körper der Sonne umgebendes Lichtmeer zu ſeyn. Dieſe Photoſphäre der Sonne iſt aber, wie die Beob - achtungen zeigen, in immerwährender heftiger Bewegung, und in ihr gehen Revolutionen vor, mit welchen die unſerer Stürme und Ungewitter nicht weiter verglichen werden können. Man ſieht auf dieſem Feuermeere öfter ſehr große, ſchwarze Flecken entſtehen, und nach wenig Tagen oder Wochen wieder verſchwinden, Flecken, die unſere Erde im Durchmeſſer vier -, fünf - und mehrmal über - treffen. In der Nähe dieſer ſchwarzen Flecken bemerkt man im Gegentheile häufig andere große Stellen der Sonne, die ſich durch ihr ſtärkeres, helleres Licht auszeichnen, und daher Son - nenfackeln genannt werden. Aber auch der übrige Theil der Sonne, der weder Flecken noch Fackeln zeigt, iſt beinahe nir - gends gleich licht, ſondern durchaus mit kleinen Schuppen oder Punkten beſäet, die ihren Ort immer ändern, wie man ſehen kann, wenn man die Sonne mit ſehr guten Fernröhren be - obachtet. Dadurch gewinnt die Oberfläche der Sonne das Anſe - ben des Bodenſatzes einer flockigen Subſtanz, die in einer durch - ſichtigen Flüſſigkeit aufgelöst iſt. Das Ganze leitet auf die Ver - muthung, daß die Oberfläche dieſes Körpers aus einem Lichtme - dium beſteht, mit welchem eine wohl durchſichtige, aber an ſich ſelbſt nicht leuchtende Flüſſigkeit vermiſcht, jedoch nicht völlig durchdrungen iſt, wo dann dieſe Flüſſigkeit in dem Lichtmeere ſchwimmt, wie unſere Wolken in der Luft, oder wo ſie dieſes Lichtmeer in mächtigen Streifen durchzieht, wie das Nordlicht unſere Atmoſphäre.

§. 25. (Iſt die Oberfläche der Sonne ein Feuer?) Wenn aber dieſe Photoſphäre der Sonne in der That ein Feuer ſeyn ſoll, ſo iſt es gewiß von unſerem irdiſchen Feuer ſehr verſchieden. Wie ließe ſich ſonſt das Eis auf den höchſten Gipfeln unſerer Berge, ſelbſt in den Tropenländern, erklären? Oder wie ſollte unſer Feuer, auch in noch ſo großen Maſſen angehäuft, in einerLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder II. 334Die Sonne.Entfernung von mehr als zwanzig Millionen Meilen noch Kraft genug beſitzen, die Haut des Negers ſchwarz zu färben, und den Saft des Zuckerrohrs zu ſieden? Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß Licht und Wärme, wenn wir ſie gleich ſehr oft beiſammen finden, doch weſentlich zwei ſehr verſchiedene Dinge ſind. Auch iſt es bekannt, daß alle Körper unſerer Erde eine eigenthümliche Wärme enthalten, die durch verſchiedene Mittel aus ihnen her - vorgezogen oder entbunden werden kann. Ein ſolches iſt z. B. die Reibung. Wir erwärmen unſere Hände, wenn wir ſie gegen einander reiben, und mehrere wilde Völkerſchaften verſchaffen ſich ihr Feuer bloß durch die Reibung zweier trockenen Holzſtücke. Seile und Schnüre an unſeren Maſchinen entzünden ſich zuweilen durch heftige Reibung, ſo wie die Achſen unſerer Räder durch ſchnelles Fahren. Unſere Bohrer, beſonders die zum Durchlöchern der Steine und Metalle beſtimmten, werden durch anhaltende Reibung oft bis zum Glühen heiß, und müſſen darum durch ſtets zufließendes Waſſer immerwährend abgekühlt werden.

Hieher gehört auch zum Theil das Erhitzen der Körper durch ſchnell wiederholte, ſtarke Schläge. Ein Stück Metall wird, wenn es auf den Amboß gelegt und eine Zeit durch kalt geſchmiedet wird, ſehr oft bis zum Glühen erhitzt. Unſer gewöhnliches Feuer - anſchlagen durch Stahl und Stein iſt eine ähnliche Erwärmung durch Reibung, die durch das Zuſammenſchlagen beider Körper verurſacht wird, wo dann kleine Stückchen Stahl durch den Stein abgeſchlagen und in der Luft geſchmolzen werden. Ein anderes Mittel, die Körper zu erwärmen, oder eigentlich die in ihnen la - tente Wärme zu entwickeln, iſt das Zuſammenpreſſen derſelben in einen kleineren Raum. Unſere Luftfeuerzeuge, die Mollet er - funden hat, geben davon ein allgemein bekanntes Beiſpiel. Wenn der Stempel in den Röhrchen dieſer Maſchinen die unter ihm befindliche atmoſphäriſche Luft, durch das Herabdrücken deſſelben, auf einen zwölfmal kleinern Raum verdichtet, ſo entſteht dadurch ſchon eine Wärme von 123 Grad R., die hinlänglich iſt, Zunder in Brand zu ſetzen, und ſelbſt leichtflüſſige Metallgemiſche zu ſchmelzen.

Eben ſo kann man durch chemiſche Einwirkung der Körper auf einander oft eine ſehr große Hitze erzeugen. Waſſer auf35Die Sonne.ungelöſchten Kalk gegoſſen, erhitzt ſich bis zum Kochen. Vitriol - öhl oder Scheidewaſſer auf Eiſenfeile gegoſſen, und noch mehr eine Miſchung von Terpentinöhl mit Scheidewaſſer, worauf Vi - triolöhl gegoſſen wird, gibt eine ſehr hohe Temperatur, und ſelbſt eine ſehr heftige Flamme, die ſchon manchem unvorſichtigen Expe - rimentator gefährlich geworden iſt.

Aber das ſtärkſte bekannte Entbindungsmittel der Wärme iſt immer das Sonnenlicht, beſonders wenn es ſenkrecht auf die Oberfläche der Körper wirkt, und die letzten demſelben eine längere Zeit durch ausgeſetzt bleiben. In den Tropenländern iſt es ſo heiß, weil die Sonne zur Zeit des Mittags immer nahe in dem Zenithe dieſer Länder ſteht, ſo wie es ſelbſt näher bei den Polen wenigſtens einige Wochen durch oft noch heißer iſt, weil dann die Tage für dieſe Gegenden ſo lang ſind. Wenn die Strahlen der Sonne in unſern Brenngläſern oder in Hohlſpiegeln geſammelt werden, ſo erzeugen ſie eine ſo große Hitze, daß die dieſen Strahlen ausgeſetzten Körper oft ſchon in wenig Augen - blicken verbrennen oder ſich verglaſen, obſchon ſie ſonſt, wie z. B. unſer Diamant, dem größten gewöhnlichen Feuer unbeſchadet ausgeſetzt werden können.

Es iſt ſehr möglich, daß die Strahlen der Sonne an ſich ſelbſt ganz kalt ſind, daß ſie aber die Eigenſchaft haben, den Wärmeſtoff aus den Körpern in hohem Grade zu entwickeln, was vielleicht durch die große Geſchwindigkeit bewirkt wird, mit wel - cher dieſe Strahlen an die Elemente der Körper ſtoßen, und da - durch entweder dieſe Elemente augenblicklich in einen kleineren Raum zuſammendrücken, oder doch eine heftige Reibung an den - ſelben verurſachen. So kann es ſeyn, daß der entfernteſte unſerer Planeten, daß Uranus ſich noch einer ſehr hohen Temperatur er - freut, wenn die Körper ſeiner Oberfläche die Eigenſchaft haben, die ihnen inwohnende Wärme ſchon durch wenige Sonnen - ſtrahlen frei zu machen. Auch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß wir die Wirkungen des Lichts auf die Körper beſſer kennen lernen werden, wenn wir unſere Aufmerkſamkeit nicht immer bloß auf die Attraction, ſondern auch auf die chemiſchen Verwandtſchaften der Körper zu dem Lichte anhaltend richten werden.

3 *36Die Sonne.

§. 26. (Temperatur auf der Oberfläche der Sonne.) Indeß ſcheinen doch mehrere Gründe dafür zu ſprechen, daß die Tempe - ratur auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt ungemein groß ſeyn müſſe.

I. Das Licht ſowohl als die radiirende Wärme nimmt, un - ſeren Beobachtungen zufolge, in demſelben Maaße ab, wie das Quadrat der Entfernung zunimmt, ſo daß es z. B. in der Ent - fernung von 2, 3, 4.. Meilen nur mehr ¼, 1 / 9, 1 / 16.. von dem iſt, was es in der Entfernung von einer Meile beträgt. Wenn nun die durch die Sonnenſtrahlen auf unſerer Erde erregte Hitze ſo bedeutend iſt, wie ſtark muß ſie auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt auf für ſie gleich empfängliche Körper wirken. Man kann durch Rechnung zeigen, daß die Hitze, welche die Sonne z. B. auf eine Quadratmeile ihrer eigenen Oberfläche ausübt, über 300,000 mal größer iſt, als diejenige, welche ſie auf eine eben ſo große Stelle der Oberfläche unſerer Erde äußert. Unſere Brenn - gläſer ſind weit entfernt, eine ſo große Hitze zu erzeugen, oder die Strahlen der Sonne 300,000 mal zu verdichten, und doch kann man in den Brennpunkten dieſer Gläſer Gold, Platina und ſelbſt Diamanten ſchmelzen und zerſtören.

II. Unſere künſtlichen oder irdiſchen Feuer ſenden bekanntlich ihre Strahlen deſto leichter durch das Glas, je größer, je inten - ſiver dieſe Feuer ſind. Ein zweimal ſo ſtarkes Feuer ſchickt auch zweimal ſo viele Strahlen durch daſſelbe Glas. Nun gehen aber die Strahlen der Sonne mit einer ganz beſondern Leichtigkeit durch das Glas. Mit dem ſogenannten Actinometer, einem un - ſerer verläſſigſten phyſiſchen Inſtrumente, fand der jüngere Her - ſchel, daß von je 1000 Wärmeſtrahlen der Sonne 816 durch eine Glasplatte von 1 ½ Linie Dicke gehen, und daß von 1000 bereits durch eine ſolche Platte gegangenen Strahlen wieder 860 noch ſtark genug ſind, durch eine zweite, eben ſo dicke Glasplatte zu gehen. Unſere irdiſchen Feuer ſind ſämmtlich weit entfernt, ſolche Leichtigkeit des Durchgangs zu zeigen, ſie ſtehen daher auch wahr - ſcheinlich dem Feuer der Sonne an Intenſität eben ſo weit nach.

III. Wenn man eine Lichtkerze, eine brennende Fackel, ja ſelbſt das lebhafteſte irdiſche Feuer zwiſchen das Auge und die Sonne hält, ſo verſchwinden ſie gleichſam für unſern Blick, weil37Die Sonne.ſie von dem viel intenſiveren Sonnenlichte abſorbirt werden. Das Licht des ſogenannten indiſchen Weißfeuers oder das des unge - löſchten Kalkes blendet unſere Augen und gehört zu dem lebhaf - teſten Feuer, das wir hervorbringen können, und doch bemerken wir es kaum auf dem noch viel hellern Hintergrunde der Sonne.

§. 27. (Reſultate der vorhergehenden Betrachtungen.) Es iſt alſo möglich, daß der eigentliche Sonnenkörper, ſo dunkel er auch in den oben erwähnten ſchwarzen Flecken ausſehen mag, in einem Zuſtande der heftigſten Conflagration ſich befindet, doch ſind dieß nur Vermuthungen, und es iſt ganz eben ſo möglich, daß die Sonnenſtrahlen ganz und gar keine eigene Wärme haben, ſondern nur die in andern Körpern gebundene Wärme entwickeln, oder auch, daß der eigentliche Kern der Sonne zunächſt an ſeiner Oberfläche mit einer das Licht vollkommen reflectirenden Decke überzogen ſey, wodurch er denn von der Irradiation des obern Lichtmeeres völlig geſchützt werden, und in dem Zuſtande einer ſehr niedern Temperatur ſich befinden könnte. Wenn die Dich - tigkeit der Sonnenmaſſe mit ihrer Entfernung von dem Mittel - punkte ſehr ſchnell abnimmt, oder wenn dieß auch nur von ihrer Atmoſphäre ſtatt hat, ſo würde ebenfalls keine oder doch nur wenig Hitze abwärts geleitet werden. Vielleicht iſt jene graue Wolkenſchichte, mit welcher die ſchwarzen Flecken der Sonne immer umgeben ſind, eine ſolche vollkommen ſpiegelnde Fläche. Wenn aber auf der Oberfläche dieſer Himmelskörper in der That immer ſo viel Hitze durch Radiation ausgeſchieden wird, ſo würde dadurch allein ſchon der Zuſtand der heftigen Agitation zu er - klären ſeyn, welche die Oberfläche der Sonne immerwährend, wie ein vom Sturme gepeitſchtes Meer, bewegen, ohne daß man deßwegen, wie andere gethan haben, zu〈…〉〈…〉 hemiſchen Kräften ſeine Zuflucht zu nehmen braucht.

§. 28. (Erhaltung dieſes Zuſtandes der Sonne.) Wodurch erhält ſich aber dieſe immerwährende Verbrennung, wenn ſie anders in der That ſtatt hat, auf der Oberfläche der Sonne? Wir wiſſen es nicht und es iſt hier, wie in ſo vielen andern Fällen, am beſten, ſeine Unkenntniß der Sache offen zu geſtehen. Wird dieſe nie aufhörende Entwicklung von Licht und Wärme durch eine ſtetige Reibung oder durch immerdauernde electriſche38Die Sonne.Entladungen bewirkt? Wie man immer dieſe Erſcheinungen zu erklären verſucht, ſo ſollte man doch die etwas zu kraſſe Vor - ſtellung eines eigentlichen ponderablen Futters zu vermeiden ſuchen, da wir ſelbſt auf der Erde viele Feuer ohne dieſe Nahrung kennen. Unſer Küchenfeuer mag immerhin ausgehen, wenn nicht immer friſches Holz zugelegt wird. Auf eine ähnliche Art läßt Newton der Sonne durch die in ſie ſtürzenden Kometen von Zeit zu Zeit neue Nahrung zuführen. Allein wie viele Mittel mag die Natur beſitzen, Licht und Wärme auch ohne ſolche äußere Hülfe zu entwickeln und ſelbſt ſehr lange zu erhalten. Es iſt bekannt, daß die Electricität, wenn ſie eine ſehr verdünnte Luft durchzieht, Licht, alſo wohl auch Wärme gibt. Warum ſollte nicht ein ſolcher electriſcher Strom auch die Sonne umgeben? Warum ſollte unſer Nordlicht nicht vielleicht etwas Aehnliches für unſere Erde ſeyn können?

§. 29. (Abnahme des Sonnendurchmeſſers.) Wer bürgt uns übrigens dafür, daß die Größe der Sonne durch ihr immer - währendes Ausſcheiden der Lichtmaterie in der That in ſteter Ab - nahme begriffen iſt? Wir haben dieſe Abnahme noch nicht beobachtet, allein wie lange iſt es denn, daß wir den Durchmeſſer der Sonne ſo genau kennen? Seit der Erfindung der Fernröhre, oder eigentlich, ſeit der Anbringung der Mikrometer an dieſe Fernröhre, d. h. ſeit dem Jahre 1640, von welcher Epoche ſich unſere beſſern Beobachtungen datiren. Ja ſelbſt jetzt noch kennen wir dieſen Durchmeſſer der Sonne nicht bis auf eine Secunde, d. h. wir ſind in dem wahren Werthe deſſelben wenigſtens noch auf 100 deutſche Meilen ungewiß. Wenn daher der wahre Durchmeſſer ſeit den letzten zwei Jahrhunderten auch um 2,280,000 Fuß ab - genommen hätte, ſo würden wir jetzt den ſcheinbaren Durch - meſſer nur um eine Secunde, d. h. um eine Größe kleiner ſehen, über die unſere beſten Beobachter noch ganz in Zweifel ſind. Ja wenn der wahre Durchmeſſer der Sonne ſelbſt täglich um einen Fuß kleiner würde, ſo würde dieß in dem ſcheinbaren[Durchmeſſer] erſt nach 12,000 Jahren eine Verminderung von zwei Secunden erzeugen. Demungeachtet kann man nicht läugnen, daß dieſe Abnahme, ſo klein ſie auch an ſich ſelbſt ſeyn mag, in der Folge von vielen Jahrtauſenden endlich beträchtlich werden muß, ſelbſt39Die Sonne.wenn man annimmt, daß die einzelnen Elemente eines jeden Sonnenſtrahls vielleicht durch tauſende von Meilen von einander getrennt ſeyn mögen. Das Sonnenlicht iſt über 300,000 mal ſtärker, als das des Vollmonds, und nahe 800 Millionenmal ſo ſtark, als das des Sirius. Auch ſcheidet die mit ihrem Lichte wenigſtens ſcheinbar ſehr verſchwenderiſche Sonne viel mehr Licht aus, als zur bloßen Beleuchtung und Erwärmung der Planeten nöthig iſt, ſo daß man verſucht wird, zu glauben, daß dieſe Er - leuchtung wenigſtens nicht der einzige Zweck dieſes Lichtes ſeyn kann, ebenſo wie die Erleuchtung der Erde zur Nachtzeit gewiß nicht der Zweck des Mondes iſt, was wir an einem andern Orte gezeigt haben. Auf der Peripherie der Erdbahn würden über 70,000 Erden, jede der unſeren an Größe gleich, Raum haben, und alle von der Sonne gleich ſtark erleuchtet und erwärmt werden können, während dieſe Wohlthat jetzt nur dieſer einzigen Erde zu gut kömmt. Allein ſelbſt bei dieſer anſcheinenden Ver - ſchwendung, die ohne Zweifel nur in unſerer Unkenntniß des Gegenſtandes gegründet iſt, wird es der Natur nicht an Wegen fehlen, auf welchen ſie dieſen Verluſt des Lichtes, wenn es über - haupt noch ein Verluſt iſt, wieder erſetzen kann: das Zurückwerfen des erhaltenen Sonnenlichts von den Planeten, das eigene Licht der unzähligen Fixſterne, die Annäherung der Kometen, von denen viele nur aus Lichtſtoff gewebt zu ſeyn ſcheinen u. dgl., ſo daß unter allen dieſen Körpern des Himmels nicht ſowohl der Gewinn und Verluſt des Einzelnen, als vielmehr nur der gegenſeitige Austauſch des Lichtes in Betrachtung kommen ſoll. Endlich, wenn das Licht nicht in der Emanation eines eigentlichen Körpers, ſondern nur in der Vibration eines die Sonne umgebenden Me - diums beſtehen ſollte, ſo fällt ohnedieß jede Abnahme der Sonne durch Ausſcheidung ihrer Lichtmaſſe von ſelbſt weg.

§. 30. (Beſchreibung der Sonnenflecken.) Nach dieſen allge - meinen Betrachtungen wollen wir nun zu einer nähern Beſchreibung der bereits oben erwähnten Sonnenflecken übergehen.

Wenn man die Oberfläche der Sonne durch ein Fernrohr betrachtet, das zur Schützung des Auges mit einem gefärbten Planglaſe verſehen iſt, ſo bemerkt man auf ihr häufig größere oder kleinere, meiſtens ſehr unregelmäßige dunkelſchwarze Flecken,40Die Sonne.mit einem aſchfarbenen, gewöhnlich überall gleich breiten Rand eingefaßt. Dieſe Flecken verändern meiſtens ihre Geſtalt und ſelbſt zuweilen ihren Ort auf der Sonne. Wenn man ſie von Stunde zu Stunde verfolgt, ſo ſieht man ſie an Umfang wachſen oder kleiner werden, verſchiedene Geſtalten annehmen, aus einander brechen und gleichſam zerreißen und wieder zuſammen fließen und oft ſelbſt gänzlich verſchwinden. In dem letzten Falle, wenn der Flecken ſich unſerm Auge ganz entzieht, wird immer zuerſt der ſchwarze Centralpunkt allmählig kleiner und verſchwindet lange vor dem aſchgrauen Rande. Der ganze Anblick dieſer Erſcheinung ſcheint auf einen flüſſigen Zuſtand der Oberfläche der Sonne und auf ſehr heftige Bewegungen zu deuten, die auf ihr vorgehen.

Diejenigen unter ihnen, welche längere Zeit ohne beträchtliche Veränderungen ihrer Form dauern, und man ſieht zuweilen ſolche, die man nach vier und ſechs Wochen wieder deutlich als dieſelben erkennen kann, zeigen im Allgemeinen folgende Erſcheinungen. Man ſieht die eigentlichen ſchwarzen Flecken in einer meiſtens länglichen Geſtalt an den linken oder öſtlichen Rand der Sonne eintreten und ſich von da langſam gegen den weſtlichen Rand bewegen, den ſie gewöhnlich am dreizehnten Tage nach ihrer erſten Erſcheinung erreichen, und dann eben ſo lange unſichtbar werden, bis ſie am Ende dieſer Periode wieder an der frühern Stelle des öſtlichen Randes hervortreten. Je näher ſie dem Mittelpunkte der Sonne kommen, deſto breiter ſcheinen ſie zu werden, während ſie an den beiden Rändern der Sonne ſehr ſchmal ſind.

§. 31. (Was dieſe Sonnenflecken ſeyn mögen?) Da ſie ſich alle mit nahe derſelben Geſchwindigkeit von Oſt gen Weſt auf der Sonnenſcheibe bewegen, ſo können ſie nicht ſolche Körper ſeyn, wie unſere Wolken, die von den Winden nach allen Seiten und mit verſchiedener Geſchwindigkeit bewegt werden. Sie können auch keine eigenen Himmelskörper ſeyn, die die Sonne umkreiſen, wie etwa der Mond die Erde, weil ſie am Rande der Sonne immer ſchmäler, als in dem Mittelpunkte derſelben erſcheinen. Sie müſſen alſo der Oberfläche der Sonne ſelbſt angehören und in derſelben ſich aufhalten und die bemerkte Bewegung derſelben von Oſt gen Weſt kann nur von einer Bewegung der Sonne41Die Sonne.ſelbſt kommen, die auf der uns abgewendeten Seite von Weſt gen Oſt vor ſich geht und die daher dieſe Körper auf ihrem Wege um den Mittelpunkt der Sonne mit ſich führt.

§. 32. (Größe der Sonnenflecken.) Dieſe Flecken ſind zu - weilen ungemein groß. Es iſt ſchon oben geſagt worden, daß auf der Oberfläche der Sonne eine gerade auf unſern Geſichts - ſtrahl ſenkrechte Linie von hundert deutſchen Meilen in der Länge, uns unter dem Winkel von einer Secunde erſcheint. Ein Kreis von dieſem Durchmeſſer auf der Oberfläche der Sonne würde alſo 31,410 deutſche Quadratmeilen enthalten. Tobias Mayer ſah am 15. März 1758 einen ſolchen Flecken, der nach ſeinen Beobachtungen den zwanzigſten Theil des Sonnendurchmeſſers, alſo 90 Secunden betrug. Der wahre Durchmeſſer deſſelben hatte alſo 9000 deutſche Meilen, war demnnch fünfmal größer als der Durchmeſſer unſerer Erde. Der ältere Herſchel ſah im Jahre 1779 einen ſchon mit bloßen Augen bemerkbaren Flecken, von dem das größere Stück, denn er beſtand aus mehreren hart an einander liegenden Theilen, 70 Secunden, und das Ganze 270 Secunden im Durchmeſſer betrug. Der wahre Durchmeſſer dieſes Fleckens hatte alſo 27,000 deutſche Meilen, oder er war 15 mal größer, als der Durchmeſſer der Erde, und ſeine Oberfläche betrug über 730 Millionen Quadratmeilen. Wenn ein ſolcher Flecken in der Zeit von drei Wochen verſchwinden ſoll, ſo müſſen die Ränder deſſelben täglich einen Weg von 1400, und in jeder Stunde einen Weg von 58 Meilen zurücklegen, alſo die Geſchwindigkeit unſerer heftigſten Stürme mehr als achtmal übertreffen. Man ſieht ſchon daraus, welche Revolutionen auf der Oberfläche der Sonne vor - gehen mögen. Es ſcheint aber, daß dieſe Flecken zuweilen noch viel größer ſind, als die erwähnten. So erzählt Albufaradge in ſ. Historia Dynast., daß i. J. 535 das Licht der Sonne durch 14 Tage verdunkelt war, und daß i. J. 626 die Hälfte der Sonnenſcheibe durch längere Zeit ganz ſchwarz erſchien.

Bemerken wir noch, daß man die oben erwähnten Fackeln, oder die hellſtreifigen Stellen der Sonne immer nur in der Nähe der Flecken ſieht, und daß oft mitten aus dieſen Fackeln ſehr dunkle Flecken hervorbrechen, ſo wie im Gegentheile wieder an42Die Sonne.denſelben Stellen, auf welchen frühere Flecken verſchwunden ſind, häufig Fackeln zu erſcheinen pflegen.

§. 33. (Hypotheſen über die Sonnenflecken.) Allein was ſind dieſe Flecken? Die Meinungen der Aſtronomen waren lange darüber getheilt. Zuerſt glaubte man, daß es opake Auswürfe, gleichſam Schlacke oder Sonnenvulkane wären. Andere, wie Scheiner, hielten ſie für dunkle Planeten oder Satelliten der Sonne, die ſich, ſo wie Merkur und Venus, nur in geringeren Entfernungen um die Sonne bewegen. Man wollte daher dieſen Planeten auch beſondere Namen geben. So nannte ſie der Aſtronom Tarde die lunas Borbonicas, und Maupertuis die sidera austriaca, weil ſie Scheiner, ein öſterreichiſcher Jeſuit, entdeckt haben ſollte. Galilei, dem vorzüglich ihre Veränderlichkeit auffiel, hielt ſie für Wolken, die in der Sonnenatmoſphäre ſchwimmen. Andere endlich waren der Anſicht, daß das die Sonne bedeckende Lichtmeer einer Art von Ebbe und Fluth unterworfen ſey, durch welche zuweilen die unteren Gegenden, Theile jenes Meeresbodens, oder auch früher bedeckte Berge, bloß gelegt werden. Man ſieht, daß dieſe Meinungen keiner umſtändlichen Widerlegung bedürfen.

Die letzte Anſicht beſonders ſchien demungeachtet ſelbſt Lalande ſehr annehmbar, obſchon er einige Modificationen an dieſelbe an - gebracht hatte. Er hält dieſe Flecken für Bergſpitzen, die über die Lichtſphäre der Sonne ſich zu erheben ſcheinen, wenn die letzte ſich zuweilen gegen den Mittelpunkt herabzieht. Die oben erwähnte graue Einfaſſung erklärt er dadurch, daß dieſes Lichtmeer, wo es den Berg berührt, in größeren Entfernungen von dem Gipfel, allmählig tiefer wird, und immer weniger von dem an ſich dunkeln Berge durchſchimmern läßt. Allein dagegen ſpricht die ganz gleichförmige Schattirung des oft ſehr breiten Randes, die doch, wenn jene Erklärung richtig wäre, nur allmählig lichter werden müßte, ſo wie auch die ſcharfe Begränzung der beiden Seiten dieſer Ränder.

Der ältere Herſchel ſuchte dieſe Erſcheinungen durch eine dreifache Kugelſchale zu erklären, die den ebenfalls kugelförmigen, aber an ſich dunklen Körper der Sonne umgeben ſoll. Nach ſeiner Darſtellung (Philos. Transact. 1801) beſteht die erſte oder äußerſte ſphäriſche Umgebung der Sonne aus einem Lichtmeer43Die Sonne.(Photoſphäre), welche durch eine zweite, unter ihr liegende, äußerſt elaſtiſche und transparente Umgebung immer in einer großen Höhe über der Sonne erhalten wird. Unter dieſer zweiten liegt endlich eine wolkenartige, dunkle Schichte. Durch die Revolutionen, welche auf der oberſten Lichtſphäre vor ſich gehen, und die ſich auch den beiden andern, tiefer liegenden Einhüllungen der Sonne mittheilen, durch die heftigen Schwankungen, denen dieſes Licht - meer ausgeſetzt iſt, trennt es ſich zuweilen an einzelnen Stellen, wo es gleichſam Riſſe bekömmt. Durch die Höhlen, die auf dieſe Weiſe in der höchſten Sonnenſchichte entſtehen, und um welche ſich die Lichtmaterie dieſer Schichte gleichſam in Wänden aufthürmt, durch dieſe Höhlen dringen nun die Strahlen der leuchtenden Wände, erhellen dadurch, nachdem ſie durch die transparente zweite Hülle ungehindert durchgedrungen ſind, die unterſte, dunkle Wolkenſchichte, und bilden auf dieſe eiſe jenen aſchgrauen Rand. Da dieſe Spalten oder Riſſe, wie geſagt, meiſtens allen drei Umgebungen der Sonne gemeinſchaftlich ſind, ſo wird dadurch auch der unterſte Körper, der eigentliche Kern der Sonne, unſern Augen bloßgelegt, aber dieſer kann von den erwähnten lichten Wänden der oberſten Lichtſphäre nicht mehr beleuchtet werden, weil er von den ihm zunächſt liegenden Wolken der dritten oder unterſten, dunklen Schichte beſchattet wird, wodurch alſo die eigentliche ſchwarze Stelle des Fleckens erzeugt wird. Dieſe Erklärung thut den Erſcheinungen, ſo weit wir ſie kennen, allerdings genug, und ſie wird daher auch als die beſte und ſinnreichſte von allen, die man bisher aufgeſtellt hat, angeſehen.

§. 34. (Entdeckung der Sonnenflecken.) Die Ehre der erſten Entdeckung der Sonnenflecken, die bald nach der Erfindung der Fernröhre ſtatt hatte, ſcheint dem Engländer Harriot zu ge - hören. Baron Zach ſah in den hinterlaſſenen Papieren dieſes Aſtronomen Beobachtungen von Sonnenflecken, die mit dem 8. Dezember 1610 anfingen. (Berl. Ephem 1788 p. 154). Allein dieſe Beobachtungen blieben, wenigſtens auf dem Feſtlande Europas, ſehr lange unbekannt. Der berühmte Arzt Averroes von Cordova, der im zwölften Jahrhunderte lebte, hat wohl der erſte einen großen Sonnenflecken mit freyen Augen geſehen, aber die Sache erregte keine Aufmerkſamkeit und hatte um ſo weniger Folge, als44Die Sonne.er, obſchon mit Unrecht, dieſen Flecken für den Planeten Merkur hielt.

Das erſte Werk, welches über dieſen Gegenſtand erſchien, iſt das des Joh. Fabricius Phrysius (eines Friesländers) unter dem Titel: De maculis in sole observatis. Wittemberg. 1611. Er erzählt, daß er eines Morgens einen ſchwarzen, auf der einen Seite grauen Flecken in der Sonne bemerkt, und denſelben an - fangs für eine Wolke gehalten habe. Nachdem er ihn aber wiederholt an demſelben Tage, und mit verſchiedenen Fernröhren, immer an derſelben Stelle gefunden hatte, fing er an, an der wolkenartigen Natur dieſer Erſcheinung zu zweifeln. Bald darauf erhob ſich die Sonne ſchon zu ſehr über den Horizont, und man konnte ſie, ohne Beſorgniß für ſeine Augen, nicht mehr anſehen*)Man kannte damals noch nicht die gefärbten Plangläſer, die man jetzt vor die Oculare der Fernröhre ſtellt, um das Licht der Sonne zu dämpfen. Scheiner bediente ſich um dieſelbe Zeit zu ſeinen Sonnenbeobachtungen eines eigenen Fernrohrs, deſſen Objectiv und Ocular aus gefärbtem Glaſe gemacht war. Andere ſchlugen mehrfach über einander gelegte Spinnengewebe vor, die man nach Art eines Schleiers über das Objectiv breitete. Auf jene gefärbten Plangläſer ſcheint man erſt ſpät gekommen zu ſeyn, da man ſie nicht ſatt genug zu färben ver - ſtand, da man nicht darauf dachte, mehrere derſelben über ein - ander zu legen, und da man auch fürchtete, daß dadurch die Bilder der Gegenſtände verzogen werden. Huyghens ſchlug einfache Spiegelgläſer dazu vor, die man auf der einen Seite mit Lampenruß ungleich beräucherte, und dann mit einem zweiten ähnlichen Glaſe bedeckte, um die berußte Seite des andern ungeſtört zu erhalten.. Nicht ohne Furcht brachte er die folgende Nacht zu, da ihn der Argwohn, daß es nur eine vorübergehende Wolke ſeyn könnte, noch immer, nicht ganz verlaſſen hatte. Deſto größer war ſeine Freude, als er am folgenden Morgen ſeinen Gaſt wieder, und beinahe an derſeben Stelle der Sonnenſcheibe erblickte. Jetzt ließ er die Sonnenſtrahlen durch eine kleine Oeffnung ſeines Fenſter - ladens, in einem verfinſterten Zimmer, auf eine weiße Tafel fallen, und konnte auf dieſe Weiſe das Bild der Sonne und des Fleckens auf dieſer Tafel den ganzen Tag durch beobachten. Er bemerkte bald, daß der Flecken ſich von Oſt gen Weſt langſam45Die Sonne.fortbewege. Auch kamen in den nächſten Tagen noch mehrere andere Flecken zu dem erſten, die alle dieſelben Erſcheinungen zeigten. Etwas ſpäter verſchwand der erſte Flecken an dem weſt - lichen Rande der Sonne, und nach etwa zwei Wochen ſah er ihn an dem öſtlichen Rande wieder eintreten. Er ſchloß daraus mit Recht, daß dieſe Flecken ſich um der Sonne Mittelpunkt bewegen. Seine Freude über dieſe Entdeckung wurde dadurch etwas ver - mindert, daß er die Veränderlichkeit der Geſtalt dieſer Flecken, ja ſogar ihr völliges Verſchwinden in der Mitte der Sonnenſcheibe bemerkte, und daß alſo dieſe Flecken keine permanenten Körper ſind. Demungeachtet zieht er aus ſeinen Beobachtungen mit Recht den Schluß, daß die Sonne ſich um ſich ſelbſt drehen müſſe, wie dieß ſchon Jordan Bruno (der i. J. 1600 wegen ſeiner zu liberalen religiöſen Geſinnungen lebendig verbrannt wurde), und ſpäter auch Kepler behauptet hatte.

Der bereits erwähnte Jeſuit, Chriſtoph Scheiner aus Schwaben, ſuchte die Entdeckung der Sonnenflecken für ſich zu vindiciren. Sein Werk, Rosa Ursina, welches die Beobachtungen dieſer Flecken enthielt, erſchien aber erſt i. J. 1630 zu Bracciano in Italien. Er ſoll den erſten Flecken zu Ingolſtadt, wo er Profeſſor war, im März 1611 geſehen und ihn ſeinen Zuhörern gezeigt haben. Die Nachricht davon verbreitete ſich, wie er ſagt, ſehr ſchnell, und er wurde von mehreren Freunden dringend erſucht, ſeine Entdeckungen bekannt zu machen, allein er wurde daran durch die Betrachtung gehindert, daß die Sache zu neu und mit den Grundſätzen der Philoſophie ſeiner Zeit nicht im Einklange erſcheinen müßte. Flecken oder Fehler in der Sonne zu ſehen, ſchien allen bisher gehegten Ideen von dieſem Geſtirne, dem Sinnbilde der höchſten Reinheit, zu widerſprechen. Demungeachtet wollte er es endlich wagen, ſeine Beobachtungen öffentlich mit - zutheilen, aber ſein Provinzial, Theodor Buſäus, ein peripa - tetiſcher Zelot, hielt ihn davon zurück, indem er ihm ſagte: Von ſolchen Dingen habe ich nichts in meinem Ariſtoteles geleſen: das ſind bloße Einbildungen oder Fehler deines Auges, oder endlich deiner Gläſer, mein Sohn, und du wirſt beſſer thun, dieſe Sache bei dir zu behalten. Demungeachtet konnte Scheiner nicht ganz ſchweigen, und gab daher ſeinem Freunde46Die Sonne.Velſer, Bürgermeiſter von Augsburg, im Dezember 1611 in drei Briefen, von ſeiner Entdeckung Nachricht, welche Briefe denn der letzte im Januar 1612 unter dem angenommenen Titel: Apelles post tabulam drucken ließ.

Auch Galilei hatte dieſe Flecken ſchon im Anfange des Jahres 1611, alſo nahe gleichzeitig mit Fabricius geſehen, und darüber ſogleich ſehr richtige Anſichten aufgeſtellt. Später ent - wickelte ſich ein heftiger Streit zwiſchen Galilei und Scheiner, indem der erſte den andern des Plagiats beſchuldigte, und be - hauptete, die Sonnenflecken vor allen zuerſt geſehen zu haben. Wie dieß auch ſeyn mag, Scheiner hat wenigſtens die Sonnen - flecken mit fortgeſetztem Fleiße beobachtet. Sein Werk enthielt 774 Folioſeiten, die ganz dieſen Beobachtungen gewidmet ſind, und man ſieht, daß er auch die Theorie dieſer Flecken, und ihre Bewegungen richtig aufgefaßt hatte. Galilei lobte ihn früher ſelbſt wegen ſeines hohen und ſeltenen Talents, und Hevel, dem in dieſer Sache wohl ein Urtheil zuſtand, nennt ihn einen Mann incomparabilis et omnigenae eruditionis, qui hac in re om - nibus palmam praeripuit. Scheiner beobachtete die Sonnen - flecken unausgeſetzt, von dem Jahre 1618 bis 1627, durch neun Jahre, und reduzirte alle ſeine Beobachtungen auf die Ecliptik. Wir werden bald ſehen, zu welchem Zwecke dieſe Beobachtungen eigentlich angeſtellt worden, und daß eben dieſem Zwecke die bereits erwähnte Veränderlichkeit dieſer Flecken ſehr hinderlich iſt. Es wäre ſehr zu wünſchen, daß man unter den vielen, die oft in kurzer Zeit erſcheinen, nur wenigſtens einen herausfinden könnte, der weder ſeine Geſtalt, noch ſeinen Ort auf der Sonnenſcheibe beträchtlich änderte, und den man durch mehrere Revolutionen mit Genauigkeit verfolgen könnte. Aber Flecken dieſer Art ſcheinen ſehr ſelten zu ſeyn. Derjenige, den man unter allen bisher geſehenen noch am längſten beobachten konnte, war der vom Ende des Jahres 1676, welchen Caſſini durch volle 70 Tage, alſo durch nahe drei volle Revolutionen verfolgte.

§. 32. (Sonnenflecken, als Mittel, die Rotation der Sonne zu beſtimmen.) Wenn dieſe Flecken in der That mit der Ober - fläche der Sonne, auf irgend eine Weiſe, wenigſtens auf einige Zeit, in feſter Verbindung ſtehen, ſo kann man ſich ihrer als47Die Sonne.eines Mittels bedienen, die Umdrehung der Sonne um ihre Achſe, und zugleich die Lage dieſer Achſe im Weltraume, zu beſtimmen. Auch hat man dieſen Verſuch ſehr bald nach der Entdeckung der Sonnenflecken gemacht, und die Sonne war auch unter allen Himmelskörpern der erſte, deſſen Rotation man auf dieſe Weiſe erkannt und beſtimmt hat.

Man bemerkte bald, daß die Wege, welche dieſe Flecken auf der Sonnenſcheibe beſchreiben, in verſchiedenen Jahreszeiten auch eine verſchiedene Geſtalt und Krümmung haben. Am Ende des erſten Drittheils des Junius und des Decembers, erſcheinen ſie als gerade Linien; in allen andern Jahreszeiten ſind ſie krumme Linien, und zwar wenden ſie ihre erhabene oder convexe Seite ein halbes Jahr gegen Nord oder aufwärts, und die folgenden ſechs Monate gegen Süd oder abwärts. Ihre ſtärkſte Krümmung nach oben haben ſie im Auguſt, und nach unten im Februar. Endlich bemerkte man noch, daß die Zeit zwiſchen zwei nächſten Durch - gängen der Flecken durch denſelben öſtlichen oder weſtlichen Rand der Sonne nahe 27 Tage betrage. Dieſe Beobachtungen reichen ſchon hin, uns mit den Umſtänden der Rotation der Sonne um ihre Axe wenigſtens im Allgemeinen bekannt zu machen.

Wenn die Sonne ſich um eine Axe dreht, ſo müſſen alle Punkte ihrer Oberfläche, alſo auch die Sonnenflecken, Kreiſe be - ſchreiben, deren Ebenen auf dieſer Axe ſenkrecht ſtehen, und deren Mittelpunkte alle in dieſer Axe liegen müſſen. Von dieſen Kreiſen wird derjenige, der durch den Mittelpunkt der Sonnenkugel geht, oder der gleichweit von den beiden Polen der Axe entfernt iſt, der größte ſeyn, und wir werden ihn daher, analog mit der Erde, den Sonnenäquator nennen können. Dieſer größte Kreis der Sonne, und ſomit auch alle andern, mit ihm parallelen Kreiſe der Sonnenflecken, wird nun den Beobachtern auf der Erde unter verſchiedenen Geſtalten erſcheinen können, I. als eine gerade Linie, wenn wir nur ſeine Kante ſehen, oder wenn die Ebene des Sonnenäquators mit der Ecliptik zuſammenfällt. II. Als ein eigentlicher Kreis, wenn unſere Geſichtslinie auf dem Sonnen - äquator ſenkrecht ſteht, oder wenn der Sonnenäquator gegen die Ecliptik, unter einen Winkel von 90 Graden geneigt iſt, und endlich III. als eine Ellipſe, wenn wir den Sonnenäquator nur48Die Sonne.ſchief ſehen, oder wenn er eine Neigung gegen die Ecliptik hat, die größer als Null und kleiner als 90° iſt.

§. 36. (Wie uns die Bahnen der Sonnenflecken erſcheinen.) Der letzte dieſer drei Fälle iſt der, in welchem ſich die Erde in Beziehung gegen die Sonne befindet. Wir ſehen die an ſich kreis - förmigen Bahnen der Sonnenflecken im Allgemeinen als Ellipſen, alſo müſſen ſie, und daher auch der, ihnen allen parallele Aequator, in einer, gegen unſer Auge, ſchiefen Lage ſtehen. Da aber unſer Auge ſelbſt ſich, ſammt der Erde, um die Sonne bewegt, ſo kann jene Lage gegen uns eine veränderliche ſeyn, ſelbſt wenn, wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, die Lage des Sonnenäquators gegen die feſte Ecliptik, ebenfalls feſt und unveränderlich wäre.

Da dieſer Aequator, deſſen Ebene man ſich, wie eine endloſe Tafel, nach allen Seiten unbegränzt verlängert denken kann, mit der Ebene der Ecliptik, in welcher ſich die Erde bewegt, nicht zuſammenfällt, ſo wird die Erde, während ihrer Bewegung um die Sonne, ein halbes Jahr über, und eben ſo lange unter dieſen Aequator, und nur zwei Augenblicke im Jahre wird ſie in der Ebene dieſes Aequators ſelbſt ſich aufhalten müſſen. In dieſen beiden letzten Momenten werden uns demnach die Bahnen der Flecken als gerade Linien erſcheinen müſſen, und da dieß, wie geſagt, am 10 Junius und am 10 Dezember geſchieht, wo die Länge der Erde, von der Sonne geſehen, 258 und 78 Grade be - trägt, ſo muß die durch die Sonne gehende Knotenlinie des Sonnenäquators mit der Ecliptik auch dieſelbe Länge haben. Kennt man aber einmal dieſe Durchſchnittslinie beider Bahnen, ſo wird man durch einige leichte geometriſche Betrachtungen auch bald den Winkel finden, unter welchem dieſe Bahnen gegen ein - ander geneigt ſind. Man ſieht, daß die Beobachtung der größten Krümmungen jener Curven, im Februar und Auguſt, dazu vor - züglich geſchickt ſeyn wird. Auf dieſe Weiſe hat man