PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darſtellung des Weltſyſtems.
Mit Königl. Würtembergiſchem Privilegium.
Drei Baͤnde. Mit dem Bildniſſe des Verfaſſers und aſtronomiſchen Tafeln.
Zweiter Theil: Beſchreibende Aſtronomie.
Stuttgart,Hoffmann'ſche Verlags-Buchhandlung.1835.
Beſchreibende Aſtronomie oder Topographie des Himmels.
Mit der Darſtellung von Sternbildern auf drei Stahlſtichen, einer Sternkarte, einer Mondkarte und 23 aſtronomiſchen Figuren auf 3 Tafeln.
Stuttgart,Hoffmann’ſche Verlags-Buchhandlung.1835.
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Die Wunder des Himmels.

Zweiter Band.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 1[2][3]

Kapitel I. Die Sonne.

§. 1. (Maſſe der Sonne.) Nachdem wir im Vorhergehenden die Erſcheinungen, welche die Bewegungen der Körper unſeres Sonnenſyſtems für uns hervorbringen, betrachtet haben, wollen wir nun zu der Erzählung desjenigen übergehen, was uns die Fernröhre über den Bau und die phyſiſche Beſchaffenheit dieſer Körper ſowohl, als auch, ſo viel es uns bisher gegönnt iſt, der außer unſerm Planetenſyſtem befindlichen Geſtirne kennen gelehrt haben.

Wir beginnen unſere Wanderungen durch die Planetenwelt mit dem bei weitem wichtigſten, mit dem Centralkörper derſelben, mit der Sonne, der alle übrige Körper unſeres Syſtemes Licht und Wärme und Wohlthaten ohne Zahl verdanken, daher ſie auch von mehreren Völkern der Vorzeit als das würdigſte Bild der Gottheit, ja als die Gottheit ſelbſt verehrt wurde, wie denn Oſiris in Aegyp - ten, Baal in Chaldäa, Adonis in Phönicien, Mithra in Perſien, und ſelbſt Apollo in Griechenland nur eben ſo viele Embleme der Gottheit waren, welche jene Völker unter dem Sinnbilde des ewigen Feuers in ihren Tempeln anbeteten. Wenn ſie aber durch dieſe Wohlthaten die Ehrfurcht der Menſchen an ſich gebunden hat, ſo iſt es eine ganz andere Eigenſchaft, durch welche ſie ſich1 *4Die Sonne.die Herrſchaft über die ihr unterworfenen Planeten und Kometen erworben hat. Dieſe Herrſchaft verdankt ſie ſich ſelbſt, ihrer ei - genen Kraft, d. h. ihrer Maſſe, die 355,000 mal größer als die Maſſe der Erde, und ſelbſt noch über ſiebenhundertmal größer iſt, als die aller übrigen Körper des Syſtems zuſammen genommen. Wir werden weiter unten ſehen, daß dieſe Maſſe es eigentlich iſt, wodurch ſie alle Planeten an ſich feſſelt und ſie zwingt, die ih - nen angewieſenen Bahnen in ſchweigendem Gehorſame um ſie zu beſchreiben. Dieſes Uebergewicht der Maſſe macht ſie nicht nur zu dem Haupt - und Centralkörper des ganzen Syſtems, ſon - dern daſſelbe begründet zugleich die ſtreng monarchiſche Einrich - tung dieſes großen Staates, in welchem die Kraft des Herrſchers die aller ſeiner Unterthanen ſo weit übertrifft, daß größere Unord - nungen jeder Art völlig unmöglich ſind.

§. 2. (Größe der Sonne.) Auch an Größe, an körperlichem Umfange kann kein Planet mit der Sonne verglichen werden. Der Durchmeſſer der Sonnenkugel beträgt 188,000 deutſche Meilen, alſo ihre Oberfläche 111,000 Millionen Quadratmeilen, und ihr Volum 3500 Billionen Kubikmeilen. Allein dieſe Zahlen ſind zu groß, um uns einen deutlichen Begriff von dem wahren Um - fange der Sonne zu geben. Suchen wir alſo, uns durch Verglei - chungen mit andern, bekannten Körpern die Sache gleichſam zu verſinnlichen.

Der kleinſte aller unſerer Planeten iſt Veſta. Sein Durch - meſſer beträgt, nach Schröters Meſſungen, nicht einmal ſechzig Meilen. Der Sonnendurchmeſſer iſt alſo über 3100 mal größer, als jener der Veſta, alſo iſt auch der körperliche Inhalt oder das Volum der Sonne gegen 30,000 Millionen mal größer als das Volum der Veſta, oder aus der Sonne laſſen ſich mehr als 30,000 Millionen der Veſta gleich große Kugeln machen. Solcher Kugeln aber, wie unſre Erde, würde man über 1,300,000 um einander legen müſſen, um endlich einen Körper, der Sonne am Umfange gleich, zu erhal - ten. Ja ſelbſt alle Planetenkugeln zuſammengefügt, würden noch nicht den 560ſten Theil der Sonnenkugel an Raum einnehmen. Da aber auch dieſe Zahlen noch immer zu groß ſind, uns eine klare Vorſtellung von der wahrhaft ungeheuern Ausdehnung des Sonnenkörpers zu geben, ſo wollen wir uns denſelben um ſeinen5Die Sonne.Mittelpunkt ſo weit ausgehöhlt denken, daß die Erde in dieſem Mittelpunkte ſtehen, und um ſie der Mond in ſeiner Entfernung von 50,000 Meilen ſich frei in dieſer Höhle bewegen könne. Da würde doch noch ein nicht ausgehöhlter Rand der Sonne, eine Kugelſchaale übrig bleiben, deren Dicke nahe eben ſo groß iſt, als der Halbmeſſer dieſer Höhle ſelbſt. Zu einer ſogenannten Reiſe um die Welt, d. h. um den Umkreis der Erde zurückzulegen, würde ein Wanderer, der täglich zehn deutſche Meilen macht, 540 Tage, zu einer Reiſe um die Sonne aber würde derſelbe 59,160 Tage oder mehr als 160 Jahre brauchen.

§. 3. (Dichtigkeit ihrer Maſſe.) Wenn aber die Sonne an Größe und Maſſe alle anderen Planeten weit überwiegt, ſo ſteht ſie ihnen im Gegentheil an der Dichtigkeit ihrer Maſſe weit nach. Der Stoff, aus dem dieſer große Körper gewoben iſt, iſt vier - mal lockerer, als der Stoff der Erde. Die Leſer werden fragen, woher wir dieß wiſſen, und wer die Materie, aus welcher die Sonne beſteht, in dieſer Beziehung unterſucht hat? Allein das hätten ſie beſſer ſchon oben, als wir von der Maſſe der Sonne geſprochen haben, fragen können. Wenn man einmal die Maſſe und das Volum eines Körpers kennt, ſo iſt es ſehr leicht, auch die Dichtigkeit deſſelben zu finden, da dieſe immer gleich der Maſſe dividirt durch das Volum des Körpers iſt. Es wurde aber oben geſagt, daß die Maſſe der Sonne 355,000, und das Volum derſelben 1,300,000 mal größer iſt, als das der Erde. Wenn man nun die erſte dieſer beiden Zahlen durch die zweite dividirt, ſo erhält man 0,27 oder nahe ¼, daher die Dichtigkeit der Sonne nur den vierten Theil der Dichtigkeit der Erde betragen kann. Wie man aber zu jener Kenntniß der Maſſe der Sonne gelan - gen kann, werden wir in der nächſtfolgenden Abtheilung dieſes Werkes ſehen, wie wir denn überhaupt hier noch gar manches, von dem wir erſt in der Folge eine, wie wir hoffen, völlig genü - gende Rechenſchaft werden geben können, dem guten Glauben und dem Vertrauen der Leſer zu unſerer Redlichkeit überlaſſen müſ - ſen. Es mag ihnen immerhin etwas auffallend dünken, wenn ſie die Aſtronomen behaupten hören, daß ſie die Geſtirne des Himmels wie auf einer Wage abgewogen und gefunden haben6Die Sonne.ſollen, daß ſie, wenn ſie die Sonne in die eine Wagſchale legten, in die andere 355,000 ſolche Kügelchen, wie unſere Erde iſt, le - gen müßten, um das Gleichgewicht der Wage zu erhalten. Aber da ſie ihnen glauben, wenn ſie die Finſterniſſe der Sonne und des Mondes ganze Jahre, ja Jahrhunderte voraus ſagen, warum ſollten ſie eben hier mißtrauiſcher ſeyn und ihnen weniger Glau - ben ſchenken? Zwar ſind von dieſen Finſterniſſen ſchon ſo viele eingetroffen und genau ſo eingetroffen, wie ſie von den Aſtrono - men vorausgeſagt worden ſind. Aber auch jene Ausſagen von der Maſſe und Dichtigkeit der Himmelskörper werden eintreffen, und, wie wir mit Zuverſicht erwarten, ſelbſt in einem Werke dieſer Art, aus dem doch alle eigentliche Rechnung verwieſen ſeyn ſoll, eine Beſtätigung finden, die jeden unſrer Leſer vollkommen zufrie - den ſtellen ſoll.

§. 4. (Fall der Körper auf der Oberfläche der Sonne.) Wir wollen daher, im Vertrauen auf den guten Glauben zu unſerer Wahrheitsliebe, ſogleich noch einen Schritt weiter gehen und hin - zuſetzen, daß die Aſtronomen nicht bloß die Maſſe der Sonne abgewogen, und die Dichtigkeit des Stoffes, aus dem ſie beſteht, beſtimmt haben, ſondern daß ſie ſogar dahin gekommen ſind, zu erfahren, wie tief ein Stein oder ſonſt irgend ein ſchwerer Kör - per in der erſten Secunde fallen würde, wenn er auf der Ober - fläche der Sonne ſeiner Unterſtützung beraubt und ſich ſelbſt über - laſſen würde. Auf unſerer Erde beträgt dieſer Fall der Körper in der erſten Secunde bekanntlich nahe 15 Par. Fuß, wie bereits Tauſende von Beobachtungen gezeigt haben, und wie jeder, wenn er will, ſelbſt verſuchen kann. Auf der Sonne aber haben wir allerdings keine ſolchen Beobachtungen anſtellen können, allein wir wiſſen demungeachtet nicht weniger gewiß, daß dieſer Fall der Körper dort 430 Fuß beträgt, und daß daher die Körper auf der Sonne in dieſer erſten Secunde nahe 29 mal tiefer fallen, als auf der Erde. Wir werden weiter unten Gelegenheit haben, auch von dieſer Behauptung eine Jedermann zufrieden ſtellende Rechenſchaft zu geben. Hier wollen wir uns begnügen, zu wiſſen, daß jeder Körper, der bei uns z. B. hundert Pfunde wiegt, dort 2900 Pfunde oder nahe 30 Centner wiegen würde. Dieß Experiment dürfte aber, ſelbſt wenn wir zur Sonne gelangen könnten, nicht mit un -7Die Sonne.ſeren gewöhnlichen Wagen angeſtellt werden, da das Gewicht in der andern Schaale der Wage ebenfalls ein Körper, und daher ebenfalls 29 mal ſchwerer auf der Sonne ſeyn wird, als auf der Erde. Aber eine Maſchine, z. B. eine elaſtiſche Feder, die den Druck der auf ihr liegenden Körper angäbe, würde hier ſchon beſ - ſere Dienſte leiſten, da der vorhergehende Ausdruck eigentlich nur ſagen will, daß der Druck eines jeden Körpers auf ſeine Unter - lage an der Oberfläche der Sonne 29 mal größer iſt, als an der der Erde. Und doch würden wir uns vergebens bemühen, auch den Verſuch mit einer ſolchen Maſchine auf der Sonne anzuſtellen, ſelbſt wenn wir Mittel hätten, bis zu ihr zu gelangen. Denn ab - gerechnet, daß wir, wenn wir auf unſerer Reiſe von der Erde zur Sonne der letztern einmal nahe genug kämen, mit einer ſo großen Kraft von ihr angezogen, und mit einer ſo ungeheuern Geſchwindigkeit auf ihr ankommen würden, daß wir entwe - der ſchon längſt erſtickt, oder bei unſerem Auffalle zerſchmettert werden müßten; angenommen ſelbſt, daß wir ein Mittel hätten, uns vor der großen Hitze zu ſchützen, die wir wahrſcheinlich in ihrer Nähe erleiden müßten, ſo würde ſchon jener größere Druck unſern Aufenthalt daſelbſt ganz unmöglich machen. Unſer eige - ner Körper würde nämlich uns ſelbſt ebenfalls mit einem 29 mal größeren Gewichte drücken, und die 150 Pfunde, die wir etwa hier mit uns ſelbſt herumtragen, würden dort mit einer 29 mal größeren Kraft, d. h. mit einem Gewichte von 4350 Pfun - den auf uns laſten, und wir würden, da wir unſer eigenes Ge - wicht nicht mehr ertragen könnten, von uns ſelbſt erdrückt werden.

§. 5. (Veränderliche Dichtigkeit der Sonnenmaſſe.) Uebrigens muß bemerkt werden, daß die oben erwähnte Dichtigkeit der Son - nenmaſſe nur die mittlere Dichtigkeit derſelben iſt, oder daß, wenn die Sonne in allen ihren Theilen eine durchaus homogene Maſſe hätte, die Dichtigkeit derſelben dem vierten Theile der mitt - lern Dichtigkeit unſrer Erde gleich, alſo nahe ſo groß, wie die des Pechs oder der Steinkohle ſeyn würde. Allein dieſe Voraus - ſetzung einer überall gleich dichten Maſſe der Sonne iſt äußerſt unwahrſcheinlich, und wir werden ſpäter ſehen, daß die Dichte dieſes Himmelskörpers mit der Nähe zu ſeinem Mittelpunkte im - mer zunehmen, und in dieſem Mittelpunkte ſelbſt eine ganz8Die Sonne.außerordentliche ſeyn müſſe, weil hier die Maſſe der Sonne durch die Kraft ihrer eigenen Anziehung ſehr ſtark zuſammengedrückt wird. Es iſt aber bekannt, daß die Temperatur aller Körper, wenn ſie einer heftigen Compreſſion ausgeſetzt werden, ſehr hoch iſt, woraus folgt, daß im Innern der Sonne auch eine ſehr große Hitze herrſchen muß, und daß vielleicht nur die durch dieſe Hitze vermehrte Elaſticität der Sonnenmaſſe hindert, daß ſie nicht durch ihre eigene Attractionskraft in einen ſehr kleinen Körper zuſammengedrückt werde.

§. 6. (Phyſiſche Beſchaffenheit der Sonne.) Es würde ohne Zweifel ſehr intereſſant ſeyn, die phyſiſche Beſchaffenheit dieſes Centralkörpers unſeres Planetenſyſtems, auch nur die ſeiner Ober - fläche, näher zu kennen. Allein er iſt zu Unterſuchungen dieſer Art, ſelbſt für unſere beſten Fernröhre, zu weit entfernt, als daß wir auf große Erfolge rechnen könnten. Nach den neueſten Un - terſuchungen beträgt die Horizontalparallaxe (I. §. 63.) derſelben für die Bewohner unſeres Aequators nur 8.578 Secunden, woraus die mittlere Entfernung derſelben von der Erde gleich 20 665,800 deutſchen Meilen abgeleitet wird, eine Diſtanz, welche eine Kano - nenkugel, wenn ſie auch in jeder Secunde 1500 Fuß durchlaufen würde, erſt in zehn ganzen Jahren zurücklegen könnte. Welche Ausſichten haben wir unter ſolchen Verhältniſſen zu großen Ent - deckungen über die Oberfläche der Sonne, wir, die wir ſelbſt die Oberfläche der uns ſo nahen Erde noch immer ſo wenig kennen.

Demungeachtet werden wir durch die Wichtigkeit dieſes größten aller Himmelskörper, den wir näher kennen, und noch mehr viel - leicht durch die Wohlthaten, die wir ihm täglich und ſtündlich verdanken, gleichſam aufgefordert, ihn wenigſtens ſo weit, als es unſere beſchränkten Kräfte erlauben, zu unterſuchen. Unter dieſen Wohlthaten haben wir bereits oben als die zwei vorzüg - lichſten Licht und Wärme genannt. Es wird nicht unan - gemeſſen ſeyn, bei jedem dieſer wahrhaft himmliſchen Geſchenke etwas länger zu verweilen, um ſo mehr, da verſchiedene weſent - liche Eigenſchaften derſelben erſt in den neueſten Zeiten entdeckt, und daher vielleicht noch nicht allgemein genug bekannt ſind.

9Die Sonne.

Licht.

§. 7. (Dem Lichte verdanken wir die Farben in der Natur.) Ohne Sonnenlicht würde die Erde, würden alle Planeten von ei - ner ewigen Nacht bedeckt, und das ganze Sonnenſyſtem würde eine ſtarre Wüſte, ein weites, finſteres Grab ſeyn. Die Folgen eines ſolchen Zuſtandes, ſo wie die bloß allgemeinen Vor - theile, deren wir uns jetzt durch Hülfe dieſes Lichtes erfreuen, ſind aber ſo bekannt, und auch ſo leicht zu finden, daß es über - flüſſig wäre, ſie hier näher auseinander zu ſetzen.

Verweilen wir daher bloß einige Augenblicke bei einer der vielen beſonderen Eigenſchaften, durch welche ſich das Son - nenlicht vor jedem andern Lichte auszeichnet. Es iſt bekannt, daß jeder einzelne Sonnenſtrahl, wenn er durch ein Glasprisma geht, in eine große Anzahl von farbigen Strahlen getheilt wird, unter welchen man vorzüglich die ſieben auf einander folgenden unterſcheidet: roth, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett. Dieſe gefärbten Strahlen haben alle eine andere Richtung, als der urſprüngliche weiße Strahl, und zwar liegt der rothe Strahl dem urſprünglichen am nächſten, während der violette am weite - ſten von ihm entfernt iſt, ſo daß alſo das Prisma, wie man zu ſagen pflegt, die rothen Strahlen am wenigſten, und die violetten am meiſten bricht. Wird einer dieſer gefärbten oder bereits gebro - chenen Strahlen neuerdings durch ein Prisma geführt, ſo ändert er weder ſeine Brechung, noch ſeine Farbe, zum Beweiſe, daß dieſe Farbe dem Lichte ſelbſt eigenthümlich angehört. Werden endlich alle ſieben farbige Strahlen durch eine convexe Glaslinſe wieder geſammelt, ſo erſcheint der weiße Strahl wieder, zum Zeichen, daß der weiße Strahl in der That aus jenen gefärbten Strahlen zuſammengeſetzt iſt.

Wenn nun, um nur bei dieſer einzelnen Erſcheinung ſtehen zu bleiben, wenn das Sonnenlicht urſprünglich weiß, und nicht aus farbigen Strahlen zuſammengeſetzt wäre, welche Folgen wür - den aus einer ſolchen Einrichtung entſtehen? Die ganze Natur würde farbenlos ſeyn; alle Körper würden ein bleifarbiges Anſe - ben haben; die Morgenröthe, und ſelbſt das menſchliche Antlitz, die Morgenröthe des Lebens auf den blühenden Wangen der Ju -10Die Sonne.gend würde nur mehr unſeren Zeichnungen mit Tuſche, unſeren grauen Kupferſtichen gleichen. Der Regenbogen mit ſeinem ſchö - nen Farbenſpiele würde in eine ſchmale Linie weißgrauen Lichtes übergeben; die Sterne würden matt an einem aſchfarbnen Him - mel ſcheinen, und der Vorbote des Morgens, ſo wie der Be - ſchließer unſerer Tage würde nicht mehr ſeinen Roſenmantel, ſon - dern nur eine einfarbige graue Decke über den Himmel breiten, und ſelbſt der ſchönſte Mittag würde uns nur wie jetzt ein trü - ber Wintertag erſcheinen. Aber die Natur, die ſchon in die For - men der Körper, die ſie gebildet hat, eine ſo ausgezeichnete Schön - heit zu legen wußte, hat ihnen zugleich jene ätheriſche Anmuth hinzugefügt, die ſie aus den Farben der Sonnenſtrahlen ſchöpfte. Ohne dieſes Geſchenk könnte wohl das Laub der Pflanzenwelt den Knospen Nahrung, und der von ihnen bedeckten Frucht noch Schutz gewähren, aber das jugendliche Grün der Blätter, und der friſche Schmelz unſerer Wieſen im Frühling würde mit dem welken Gelb des Herbſtes überzogen ſeyn. Ohne dieſes Geſchenk könnte der Diamant wohl noch ſeinen Glanz und ſeine Härte ha - ben, aber er würde, ſeines lebhaften Farbenſpieles beraubt, auf - hören, in dem Kranze der Schönheit und in dem Diademe der Fürſten zu prangen. Ohne dieſes köſtliche Geſchenk endlich könnte wohl das menſchliche Angeſicht noch immer daſſelbe feine Gewebe, noch immer derſelbe Verräther unſerer verborgenſten Gefühle ſeyn, aber das Roſenlicht der Liebe und die Purpurfarbe der Schaam - röthe würde nicht mehr auf der jugendlichen Wange blühen, und ſelbſt jene krankhaft fliegende Röthe des welkenden Geſichtes würde nicht mehr die herannahende, oft willkommene Befreiung von dem Lager der Schmerzen verkündigen.

§. 8. (Eigenſchaften des Sonnenſpectrums.) Der in ſeine Farben zerlegte Sonnenſtrahl erſcheint, wenn er von einer weißen Tafel aufgefangen wird, auf derſelben unter der Geſtalt eines an ſeinen beiden kürzeren Seiten abgerundeten Rechtecks, welches man das Farbenſpectrum zu nennen pflegt. Nimmt man die Länge dieſes Spectrums als Einheit an, ſo beträgt davon das rothe Licht 0,12, das orangefarbne 0,07, das gelbe 0,13, grüne 0,17, blaue 0,17, das indigofarbne 0,11, und endlich das violette 0,21 Theile, ſo daß alſo das violette den größten und das orange -11Die Sonne.farbne den kleinſten Raum einnimmt. Im Jahre 1802 aber be - merkte Wollaſton zuerſt in dieſem Spectrum zwei ganz ſchwarze gerade Linien, die ſenkrecht auf die zwei längſten Seiten des Rechtecks ſtanden, und von welchen die eine in der grünen, und die andere in der blauen Farbe ſich zeigte. Er verfolgte dieſe Entdeckung nicht weiter, bis ſie, mehrere Jahre ſpäter, von Fraunhofer, dem Wollaſtons Beobachtung unbekannt war, dahin erweitert wurde, daß er eine große Anzahl, beinahe 600, ſolcher ſchwarzen Streifen in dem Sonnenſpectrum fand, die alle unter ſich parallel und von verſchiedener Dicke und Schwärze wa - ren. Man ſieht die Linien, wenn man das Spectrum durch ein Fernrohr beobachtet, immer in denſelben relativen Diſtanzen von einander ſowohl, als auch von den Gränzen der einzelnen Far - ben. Wenn z. B. drei ſchwarze Linien bemerkt werden, von welchen die beiden erſten doppelt ſo weit von einander abſtehen, als die beiden letzten, und von welchen die mittlere die größte iſt, und genau in der Mitte der grünen Farbe liegt, ſo findet man alle dieſe Verhältniſſe bei jedem andern Spectrum wieder, welcher Art auch das Prisma von Glas, Kryſtall, Waſſer u. dgl. ſeyn mag, deſſen man ſich zur Spaltung des Sonnenſtrahls bediente. Ihre Anzahl, die Ordnung ihrer Aufeinanderfolge, ihre Intenſität iſt immer dieſelbe, wenn nur der Strahl entweder direct, oder auch indirect, z. B. durch Reflexion, von der Sonne kömmt. Das Licht des Monds, der Planeten, der Fixſterne, ferner das unſeres Lampen - oder Küchen-Feuers, oder das der electriſchen Funken zeigt zwar auch jene ſchwarzen parallelen Linien, aber in ganz anderer Ordnung und Vertheilung, ſo daß jedes Licht ſein eige - nes Syſtem dieſer Linien zu haben ſcheint. Das Licht des Sirius z. B. hat in der orangen und gelben Farbe gar keine ſchwarzen Streifen, dafür mehrere ſtarke in der grünen und blauen, die das Sonnenſpectrum nicht zeigt. Die Streifen in dem Lichte der Zwil - linge ſind wieder von denen des Sirius verſchieden u. ſ. w., ſo daß vielleicht jeder Fixſtern ſein eigenes Syſtem hat. Da dieſe Linien in dem Spectrum eines jeden Orts immer eine feſte, un - veränderliche Stelle einnehmen, ſo geben ſie ein viel ſichereres Mittel, die Brechung der Lichtſtrahlen und die einzelnen Farben zu meſſen, als man früher hatte, wo man nur dieſe immer ſehr12Die Sonne.ſchlecht begränzten Farbenſtreifen ſelbſt als die eigentlichen Beob - achtungspunkte nehmen mußte.

§. 9. (Verſchiedene Intenſität des Spectrums.) Die Intenſi - tät oder die Stärke der Beleuchtung iſt nicht in allen Theilen des Sonnenſpectrums gleich groß. Fraunhofer fand durch ſehr genaue Beobachtungen mit einem Photometer, daß die ſtärkſte Beleuch - tung ſehr nahe bei der Gränze zwiſchen orange und gelb liegt. Man hat früher geglaubt, daß die helleren Stellen des Spec - trums auch zugleich die heißeſten ſeyen, d. h. daß die größte In - tenſität des Lichts mit jener der Temperatur zuſammenfalle, daher Landriani, Sennebier u. a. die gelben Strahlen für die heißeſten hielten. Allein der ältere Herſchel hat durch unmittelbare Ther - mometer-Beobachtungen gezeigt, daß erſtens die Temperatur in dem Maaße zunehme, wie man von den violetten zu den rothen Strahlen fortgeht, und daß zweitens die höchſte Temperatur noch etwas jenſeits der rothen Farbe, alſo außerhalb des Spectrums liege. Daraus folgt, daß die Sonne nicht bloß ſichtbare, Licht - ſtrahlen, ſondern daß ſie auch unſichtbare, Wärmeſtrahlen habe, und daß die Brechbarkeit der letzten kleiner ſey, als die der er - ſten, weil, wie ſchon erwähnt, unter den ſichtbaren Strahlen die rothen die kleinſte, und die violetten die größte Brechung haben. Selbſt in der Entfernung von zwei Zollen von den äußerſten ro - then Strahlen iſt die Temperatur der Wärmeſtrahlen noch be - trächtlich. Englefield fand die Temperatur der blauen Strahlen 13° Reaumur, der grünen 14°, der gelben 17°, der ro - then 22°, und die höchſte Temperatur jenſeits der rothen Strah - len 26°. Seebuch, der dieſe Beobachtungen mit beſonderem Fleiße wiederholte, fand den Ort der höchſten Temperatur ver - ſchieden je nach der Materie, aus welcher das Prisma gemacht wurde. Für das Glas gaben die rothen Strahlen die größte Wärme, für Ammoniacſalz und Schwefelſäure die orangefarbnen, für Waſſer, Alcohol und mehrere Oehle die gelben u. ſ. w.

§. 10. (Chemiſche Wirkungen des Spectrums.) Die verſchie - denen Stellen des Sonnenſpectrums unterſcheiden ſich auch noch durch ihre chemiſchen Wirkungen. Schon Scheele hatte bemerkt, daß ſalzſaures Silber in der blauen Farbe des Spectrums viel eher und viel ſtärker ſchwarz werde, als in der rothen, und der13Die Sonne.jüngere Herſchel fand ſpäter, daß die größte Intenſität dieſer che - miſchen Kraft noch etwas jenſeits der violetten Strahlen, alſo wieder außerhalb des Spectrums, liege, ſo daß alſo das uns ſichtbare Spectrum auf der einen Seite von den intenſivſten wär - menden, und auf der andern von den intenſivſten chemiſchen Strahlen begränzt wird. Die erſten, auf der Seite der rothen Farbe, ſtellen ſogar das in der blauen Farbe geſchwärzte ſalzſaure Silber wenigſtens großentheils wieder her, ſo daß alſo die erſte Gattung der unſichtbaren Strahlen, die neben der rothen Farbe, die Oxygenation, und die zweite Gattung, neben der violetten Farbe, die Desoxygenation der Körper befördern. Seebuch, der die Beobachtungen der chemiſchen Wirkungen der Farben mit beſonderer Umſicht anſtellte, fand, daß jede Farbe auf das ſalz - ſaure Silber eine beſondere Wirkung äußere, da es in der vio - letten Farbe braunroth, in der blauen blaßgrau, in der gelben weißgelb, und in der rothen Farbe ebenfalls röthlich wurde.

§. 11. (Magnetiſche Wirkungen des Spectrums.) Endlich hat man in den letzten Zeiten auch noch verſchiedene magnetiſche Kräfte in den einzelnen Theilen des Sonnenſpectrums entdeckt. Schon Morichini fand, daß gewöhnliche Stahlnadeln in dem vio - letten Farbentheile von ſelbſt magnetiſch werden. Carpa, Rudolfi und Davy beſtätigten dieſe Beobachtungen, und Sommerville fand überdieß, daß auch die blaue und grüne Farbe der Nadel noch eine magnetiſche Kraft, obgleich eine ſchwächere, mittheile, während im Gegentheile die gelbe, orange und rothe Farbe gar keine ſolche Kraft zu beſitzen ſcheint. Prof. Baumgartner in Wien fand, daß Stahldraht, deſſen eine Hälfte polirt, die andere aber raub iſt, wenn er dem weißen Lichte der Sonne einige Zeit durch ausgeſetzt iſt, magnetiſch wird, indem die beiden Ende des polirten Theils einen Nordpol, und die beiden Ende des andern Theils einen Südpol zeigten. Barlocci fand ſpäter, daß gewöhn - liche Magnete, wenn ſie dem Sonnenlichte ausgeſetzt werden, ihre Kraft beinahe verdoppeln, wenn man den Nordpol derſelben ge - gen die Sonne richtet, und daß ſie im Gegentheil, wenn man den Südpol gegen die Sonne ſtellt, an Kraft verlieren. Obſchon Ries und Moſer ſich gegen dieſe Experimente erklärten, da ſie dieſelben durch ihre eigenen Beobachtungen nicht beſtätiget fanden,14Die Sonne.ſo ſcheinen ſie doch die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher in hohem Grade zu verdienen.

§. 12. (Geſchwindigkeit und Feinheit des Sonnenlichts.) Die Fortſetzung des Lichts ſcheint durch ſeine Expanſivkraft, oder durch eine ſehr ſtarke und ſchnell wirkende Abſtoßungskraft der leuchten - den Körper hervorgebracht zu werden. Dieſe Kraft muß ungemein groß ſeyn, da ſich das Licht mit einer außerordentlichen Schnel - ligkeit fortpflanzt. Es legt in einer Secunde 41,900 d. Meilen, alſo in einem Tage über 3,620 Millionen, und in einem Jahre von 365¼ Tagen über 1,322,263 Millionen Meilen zurück, ſo daß es von der Sonne bis zur Erde, wenn dieſe in ihrer mitt - leren Entfernung von der Sonne iſt, in 8 Min. 13,22 Secunden gelangt. Dieß iſt die größte Geſchwindigkeit, die wir bisher ken - nen gelernt haben. Nur die Fortpflanzung der Schwere ſcheint noch unvergleichbar geſchwinder vor ſich zu gehen, und die Zeit, welche z. B. die Attraction der Sonne braucht, bis zur Erde zu gelangen, muß, wie die Rechnung zeigt, noch viele Millionen - male kürzer ſeyn, als diejenige, die das Licht anwendet, denſel - ben Weg zurückzulegen. Da aber die Wirkung, welche ein Körper durch ſeine Bewegung auf andere Körper hervorbringt, das Product ſeiner Maſſe in ſeine Geſchwindigkeit iſt, ſo müßte das ſo ungemein ſchnell bewegte Licht einen ſehr ſchmerzhaften Eindruck auf unſer Auge machen, wenn die Maſſe, die Fein - heit der einzelnen Lichttheilchen nicht noch viel erſtaunenswerther wäre, als die Geſchwindigkeit derſelben. Wegen dieſer außeror - dentlich geringen Maſſe hat man auch das Licht bisher zu den Imponderabilien (den unwägbaren Subſtanzen) gezählt. Wahr - ſcheinlich ſind die einzelnen Elemente, aus welchen jeder Licht - ſtrahl beſteht, ſehr weit von einander entfernt, weil es ſonſt nicht zu erklären wäre, wie man ſelbſt durch die kleinſte Oeffnung eines vor dem Auge gehaltenen Blattes eine ganze Gegend überſehen kann, da doch von jedem einzelnen Punkte der Gegend Strahlen durch dieſe Oeffnung gehen müſſen, ohne ſich zu ſtören. Da der Eindruck des Lichtes im Auge, nach den darüber angeſtellten Be - obachtungen, nicht unter ein und nicht über drei Zehntheile einer Secunde dauert, ſo kann ein Lichttheilchen von dem andern über 4000 Meilen entfernt ſeyn, ohne daß darum der ſoge -15Die Sonne.nannte Lichtſtrahl aufhören wird, uns als eine gerade Linie zu erſcheinen.

§. 13. (Vibrations - und Emanations-Hypotheſe.) Es kann aber auch ſeyn, daß das Licht nicht in einer Emanation der leuch - tenden Körper, ſondern daß es in den Schwingungen eines dieſe Körper umgebenden elaſtiſchen Mittels beſteht, ſo wie der Ton durch die Schwingungen entſteht, welche tönende Körper in unſe - rer Atmoſphäre hervorbringen, wenn ſie die Vibrationen, die ſie durch eine äußere Kraft erhalten haben, der ſie umgebenden ela - ſtiſchen Luft mittheilen. Dieſe letzte Hypotheſe, die zuerſt Huy - gens und Euler aufſtellten, ſcheint in der That mehrere Erſchei - nungen des Lichts vollkommen zu erklären, die nach der von Newton angenommenen Vorausſetzung einer Emanation nicht, oder doch nicht ſo gut dargeſtellt werden können.

Zu den ſchönſten Entdeckungen der Optik in den neueſten Zeiten gehören ohne Zweifel diejenigen Erſcheinungen des Lichts, die man unter der Benennung der Polariſation und Interferenz deſſelben zu begreifen pflegt. Da ſie, als neue Gegenſtände, ihres hohen Intereſſes ungeachtet, nur noch einem kleinen Kreiſe von Leſern bekannt ſeyn mögen, ſo wird es nicht unangemeſſen er - ſcheinen, einige Augenblicke bei ihnen zu verweilen, wobei wir die ſchöne Darſtellung, die Arago in dem Annuaire für das Jahr 1831 von dieſem Phänomen gegeben hat, zu Grunde legen wollen.

§. 14. (Allgemeine Erſcheinung des polariſirten Lichts.) Wenn ein Sonnenſtrahl auf einen gewöhnlichen durchſichtigen Körper, z. B. auf Glas fällt, ſo kann er wohl in demſelben von ſeiner frühern Richtung abgelenkt werden, aber immer ſieht man ihn wieder auf der andern Seite des Glaſes als einen einzigen Strahl heraustreten. Allein unter dieſen durchſichtigen Körpern gibt es einige, welche von der erwähnten Erſcheinung eine merk - würdige Ausnahme machen. Dahin gehört vorzüglich der ſoge - nannte isländiſche Kryſtall, der Kalkſpath u. f. Wenn ein Licht - ſtrahl auf die Oberfläche eines ſolchen Körpers, ſelbſt in ſenkrechter Richtung fällt, ſo theilt er ſich daſelbſt ſogleich in zwei Strab - len. Der eine geht, ohne eine Beugung zu erfahren, durch den Kryſtall durch, während der andere von ſeiner erſten Richtung ſehr ſtark abgelenkt wird. Man nennt jenen den gewöhnlichen,16Die Sonne.und dieſen den ungewöhnlichen oder außerordentlichen Strahl. Beide liegen immer in einer auf die brechende Fläche des Kry - ſtalls ſenkrechten Ebene, und dieſe Ebene wird der Hauptſchnitt des Kryſtalls genannt.

Legt man nun einen Kryſtall ſo, daß ſein Hauptſchnitt z. B. in der Ebene des Meridians in der Richtung von Süd nach Nord gehe, und ſtellt man in einiger Entfernung unter ihm einen andern ſolchen Kryſtall, deſſen Hauptſchnitt ebenfalls im Meri - dian, alſo dem vorigen parallel liegt, und läßt man auf die obere Fläche des erſten Kryſtalls einen Lichtſtrahl fallen, ſo wird der - ſelbe durch den erſten Kryſtall, wie geſagt, in zwei Strahlen ge - brochen werden, alſo als ein doppelter Strahl aus ihm hervor -, und bald darauf in den zweiten Kryſtall eintreten. Wird nun auch jeder dieſer zwei auf den zweiten Kryſtall auffallenden Strahlen von demſelben wieder in zwei andere geſpalten werden? Wird man alſo jetzt vier Strahlen aus dem zweiten Kryſtall heraustreten ſehen? Keineswegs. Der gewöhnliche Strahl wird auch in dem zweiten Kryſtall der gewöhnliche bleiben, aber der außerordentliche wird ſehr ſtark von ſeiner frühern Richtung abgelenkt werden, und keiner von dieſen beiden Strahlen wird weiter geſpalten, ſo daß man aus dem zweiten, wie vorhin aus dem erſten Kryſtall nur zwei Strahlen austreten ſieht.

Um dieß durch Zeichnungen zu verſinnlichen, ſey ARMN (Fig. I.) ein ſolches Stück Isländiſchen Kryſtalls, und Rr der auf die obere Fläche deſſelben einfallende Strahl. Derſelbe wird bei r in den gewöhnlichen Strahl rO und in den außerordentlichen rE geſpalten, wo dann beide an der untern Seite des Kryſtalls in den Richtungen Oo und Ee wieder aus demſelben heraustre - ten. Wird dieſe untere Seite auf ein Blatt weißen Papiers ge - ſtellt, auf welchem man eine ſchwarze Linie MN verzeichnet hat, ſo ſieht ein Auge bei R dieſe Linie doppelt, nämlich MN und mn. Wenn man aber das Auge immer in derſelben Richtung hält, den Kryſtall auf ſeiner Unterlage von Papier gleichſam um die Axe Or dreht, ſo treten dieſe beiden Linien MN und mn näher an, oder weiter von einander, und es gibt in der ganzen Peri - pherie dieſer Drehung zwei einander gegenüberſtehende Punkte, wo dieſe beiden Linien zuſammen fallen, und nur eine einzige bilden,17Die Sonne.und wieder zwei andere, nahe 90 Grade von jenen entfernte Punkte, wo dieſe beiden Linien ihren größten Abſtand von einan - der haben.

Wenn der urſprüngliche Lichtſtrahl Rr ſenkrecht auf die Fläche des Kryſtalls fällt, ſo geht er ganz ohne Biegung durch, und wenn er unter irgend einem ſchiefen Winkel auf dieſe Fläche fällt, ſo wird er zwar an dieſer obern ſowohl, als auch an der untern Fläche, bei r und bei O, gebogen, aber ganz nach dem bekann - ten Geſetze der Refraction, daß nämlich die Sinus des Einfalls - und des Brechungs-Winkels immer daſſelbe Verhältniß unter ſich beibehalten. Da dieß bei allen durchſichtigen Körpern im Allge - meinen beobachtet wird, ſo heißt eben aus dieſer Urſache rO der gewöhnliche Strahl. Dieſes Geſetz der allgemeinen Refraction wird nun von dem andern Strahl rE nicht befolgt, und deßwe - gen wird er auch der außerordentliche Strahl genannt.

In Fig. 2. werden zwei ſolcher Kryſtalle in geringer Entfer - nung von einander und ſo vorgeſtellt, daß ihre Hauptſchnitte ein - ander parallel liegen. Der Lichtſtrahl Rr ſoll, der größeren Ein - fachheit wegen, ſenkrecht auf die Oberfläche des erſten Kryſtalls einfallen, und alſo bei r in zwei Strahlen geſpalten werden. Der gewöhnliche Strahl rD geht ungebrochen durch beide Kry - ſtalle und verfolgt den Weg rDCKOo; der außerordentliche Strahl aber wird in r ſowohl, als auch in C, und dann in F ſowohl, als auch in H gebrochen, ſo daß ſein Weg rCFHEe iſt.

Wenn aber der untere Kryſtall um ſeine Axe ſo lange ge - dreht wird, bis ſein Hauptſchnitt auf dem Hauptſchnitte des obe - ren Kryſtalls ſenkrecht ſteht, oder mit ihnen einen rechten Winkel bildet, ſo verhält ſich die Sache ſo, wie ſie in Fig. 3. dargeſtellt wird. Dann wird nämlich der gewöhnliche Strahl rODC des erſten Kryſtalls in dem zweiten auf die außerordentliche Weiſe, und der außerordentliche Strahl rECF des erſten Kryſtalls wird von dem zweiten auf die gewöhnliche Weiſe gebrochen. Es iſt nämlich (in Fig. 2.) Oo der durch beide Kryſtalle gewöhnlich, und Ee der durch beide außerordentlich gebrochene Strahl, und eben ſo iſt (Fig. 3.) Oe der im erſten Kryſtall gewöhnlich und im zwei - ten außerordentlich, ſo wie endlich Eo der im erſten Kryſtalle außerordentlich und im zweiten gewöhnlich gebrochene Strahl.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 218Die Sonne.

In jeder von dieſen beiden Lagen der zwei Kryſtalle, wo die Hauptſchnitte derſelben entweder parallel oder auf einander ſenk - recht ſind, wird weder der gewöhnliche, noch der außerordentliche Strahl von dem zweiten Kryſtall mehr geſpalten, und man ſieht immer nur zwei Strahlen. Aber in den Zwiſchenpoſitionen die - ſer beiden Lagen, wenn nämlich der Winkel der beiden Haupt - ſchnitte weder O noch 90 Grade beträgt, hat allerdings eine ſolche Spaltung ſtatt, ſo daß man dann mehr als zwei Lichtſtrahlen bemerkt.

§. 15. (Erklärung dieſer Erſcheinungen des polariſirten Lichts.) Was iſt nun die Urſache dieſer ſonderbaren Erſcheinungen? Auf den erſten Blick könnte man glauben, daß jeder Lichtſtrahl aus zwei verſchiedenen Strahlen, aus zwei verſchiedenen Reihen von Elementen beſteht, von welchen die erſte die Eigenſchaft hat, auf die gewöhnliche, und die andere auf die außerordentliche Weiſe, von diaphanen Körpern gewiſſer Art, gebrochen zu werden. Aber die ſo eben angeführte Beobachtung ſteht mit dieſer An - nahme im Widerſpruch, daß nämlich, wenn die Hauptſchnitte auf einander ſenkrecht ſtehen, der gewöhnliche Strahl des erſten Kryſtalls der ungewöhnliche im zweiten wird und umgekehrt.

Der ganze Unterſchied zwiſchen den in Fig. 2 und 3 vorge - ſtellten Erſcheinungen rührt offenbar nur daher, daß man in Fig. 2 die beiden Hauptſchnitte parallel, alſo z. B. beide von Süd gen Nord geſtellt hat, während man in Fig. 3 den einen nach Südnord und den andern nach Oſtweſt gerichtet hat. Die von dem erſten Kryſtalle kommenden Strahlen würden alſo von dem Hauptſchnitte des zweiten Kryſtalls in Fig. 2 in der Rich - tung Südnord, und in Fig. 3 in der Richtung Oſtweſt geſchnit - ten. Es muß alſo auch in jedem Lichtſtrahle etwas ſeyn, das ſeine Südnordſeite von ſeiner Oſtweſtſeite verſchieden macht, und dieſe zwei oder eigentlich dieſe vier Hauptſeiten müſſen noch das Eigenthümliche haben, daß die Nordſüdſeite des gewöhnlichen Strahls mit der Oſtweſtſeite des außerordentlichen Strahls als identiſch angeſehen werden kann, ſo zwar, daß der letzte, wenn er um 90 Grade um ſich ſelbſt gedreht wird, von dem erſten nicht mehr unterſchieden werden kann. Wir werden daher künftig bei jedem Lichtſtrahl, ſo fein er auch übrigens ſeyn mag, vier Seiten19Die Sonne.zu unterſcheiden haben, deren jede 90 Grade von ihren beiden nächſten abſteht, etwa ſo wie wir bei einem Dolche drei Schnei - den, und bei jeder viereckigen Stange vier Ecken oder Flächen unterſcheiden, und dieſe vier Seiten werden ſo weſentlich verſchie - den ſeyn, wie es z. B. die Schneide oder der Rücken oder die beiden Seiten eines jeden Meſſers ſind.

Da man bei dem Magnet bekanntlich ebenfalls zwei Seiten oder zwei Punkte bemerkt, die man die Pole des Magnets nennt, und deren Eigenſchaften in mehreren Stücken mit den eben erwähnten der Lichtſtrahlen ähnlich ſind, ſo hat man analog die auf die vorhergehende Weiſe erhaltenen Strahlen Oo und Ee (Fig. 1.) polariſirtes Licht genannt. Denkt man ſich einen ſolchen gleichſam cylindriſchen Lichtſtrahl, ſenkrecht auf ſeine Länge, durchſchnitten, ſo wird dieſer Schnitt die Geſtalt eines Kreiſes haben. Ziehen wir in dieſem Kreiſe einen Durchmeſſer AB und einen darauf ſenkrechten CD; dieß vorausgeſetzt, wird alſo jeder polariſirte Lichtſtrahl in den beiden einander gegenüberſtehenden Punkten A und B gleiche, und in den beiden Punkten C und D zwar wieder gleiche, aber jenen entgegengeſetzte Eigenſchaften haben, und überdieß wird der Strahl Oo (Fig. 1.) dieſelben Eigenſchaf - ten in den beiden Punkten A und B haben, die der Strahl Eo in den beiden anderen Punkten C und D hat, oder mit anderen Worten, die Diameter der gleichartigen Eigenſchaften werden, bei den polariſirten Strahlen, auf einander ſenkrecht ſtehen.

Die Lage dieſer Diameter iſt in der Lehre von der Polariſa - tion des Lichtes von der größten Wichtigkeit. Sind bei zwei Licht - ſtrahlen dieſe Diameter AB, A'B 'alſo auch CD, C'D' parallel, ſo ſagt man, dieſe Strahlen ſind in derſelben Ebene polariſirt. Sind aber die Diameter AB, C'D 'und A'B', CD mit einander parallel, ſo heißen die Strahlen unter rechten Winkeln polariſirt. Die zwei Strahlen Oo und Ee, die man durch den isländiſchen Kryſtall erhält, ſind daher immer unter rechten Winkeln polariſirt.

§. 16. (Polariſation des Lichts durch andere Mittel.) Auch in Beziehung auf die Reflexion von Spiegeln ſind die natürlichen Strahlen von den polariſirten weſentlich verſchieden. Von den natürlichen Strahlen, die auf einen Spiegel fallen, wird immer ein großer Theil in der That zurückgeworfen; bei polariſirten2 *20Die Sonne.Strahlen aber gibt es eine beſtimmte Lage des Spiegels, wo er das meiſte, und eine andere Lage, wo er ganz und gar kein Licht zurückwirft. Dieß gab uns daher ein leichtes Mittel, das pola - riſirte Licht von dem natürlichen zu unterſcheiden; aber erzeu - gen konnte man das letzte doch nur durch die oben erwähnten Verſuche mit dem isländiſchen Kryſtall.

Allein dabei blieb es nicht lange, und Malus, der die Ent - deckung, daß polariſirtes Licht nicht in allen Lagen des Spiegels reflectirt wird, gemacht hatte, machte bald darauf noch eine zweite, und in ihren Folgen viel wichtigere. Er fand nämlich, daß man durch bloße Reflexion der Strahlen von durchſichtigen Spiegeln jeder Art auf eine ſehr einfache Weiſe polariſirtes Licht erzeugen kann. Wenn die Lichtſtrahlen von einem gewöhnlichen Glasſpie - gel unter einem Winkel von 35°,4 oder von der Oberfläche des Waſſers unter einem Winkel von 37°,5 zurückgeworfen werden, ſo iſt daſſelbe ganz eben ſo vollkommen polariſirt, als das durch den isländiſchen Kryſtall gehende Licht nur immer ſeyn kann. Seit der Zeit der Griechen, ſeit mehr als 2000 Jahren kennt man die Reflexion des Lichts durch die Spiegel, aber nie iſt es weder ei - nem Künſtler, noch einem Theoretiker der alten und neuen Zeiten eingefallen, in dieſer Reflexion etwas anderes, als ein Mittel zu ſuchen, die Strahlen der Sonne entweder zu vereinigen oder zu zerſtreuen, alſo überhaupt nur ihre gegenſeitige Lage zu ändern, und Niemand hat es auch nur von ferne geahnet, daß man da - durch zugleich eine völlige Aenderung der Natur des Lichtes ſelbſt hervorbringen könne.

Seitdem hat Arago noch eine andere Art, polariſirtes Licht zu erhalten, entdeckt. Die auf dieſe Art polariſirten Strahlen ge - ben, wenn ſie durch einen isländiſchen Kryſtall gehen, zwei ver - ſchiedene Bilder, deren jedes in einer beſtimmten, ſehr lebhaften Farbe erſcheint. Wenn auch z. B. der einfallende Strahl ganz weiß iſt, ſo iſt doch der gewöhnliche Strahl vollkommen roth, oder gelb, oder grün u. f., je nach der Seite, welche dieſer Strahl dem Kryſtalle bei ſeinem Eintritt in daſſelbe zuwendet. Der au - ßerordentliche Strahl aber iſt nicht nur immer von einer ganz andern Farbe, als der gewöhnliche, ſondern die Farben der bei - den Strahlen ſind zugleich die verſchiedenſten, die man finden21Die Sonne.kann, z. B. ſtark roth und hellgrün, orange und violett u. ſ. w. Wenn dieſes auf eine neue Art polariſirte Licht von einem dia - phanen Spiegel zurückgeworfen wird, zeigen ſich ebenfalls neue und ſehr merkwürdige Erſcheinungen. Iſt z. B. einer dieſer an - fänglich weißen Strahlen vertical, und begegnet er einem Glas - ſpiegel unter einem Winkel von 35 Graden, ſo kann der Spiegel um den Strahl willkührlich gedreht werden, wenn er nur immer dieſelbe Neigung gegen den Strahl beibehält, ohne daß je wieder weißes Licht von ihm zurückgeworfen wird. Das reflectirte Licht wird nach der Ordnung, wie man den Spiegel wendet, von der rothen bis zur violetten alle Farben des Spectrums wieder geben, aber nie die weiße, ſo daß man alſo, um dieſe Verſuche zu er - klären, nicht bloß vier, ſondern eigentlich unzählige Pole eines jeden einzelnen Lichtſtrahls annehmen muß, und daß jede einzelne Seitenlinie des Strahlencylinders ſeine eigene Farbe, ſeine eigene Natur zu haben ſcheint. Durch dieſes Verfahren kann man alſo zugleich das weiße Sonnenlicht, bloß mit Hülfe der Reflexion, ganz eben ſo gut in ſeine einfachen Farben zerlegen, wie man es, ſeit Newton, bisher bloß mit Hülfe des Prisma’s gethan hat. Zwar ſind die Farben, welche man auf dieſe Art erhält, weniger lebhaft, aber die Bilder der Gegenſtände, welche man dadurch darſtellen will, ſind auch in ihren Umriſſen nicht mehr verzerrt, wie dieß bei dem Prisma der Fall iſt.

§. 17. (Interferenz des Lichtes.) Noch intereſſanter und wun - derbarer zugleich ſind diejenigen erſt ſeit Kurzem bekannten Er - ſcheinungen des Lichtes, die man unter der Benennung der In - terferenz deſſelhen zu bezeichnen pflegt. Wenn man durch eine kleine runde Oeffnung Lichtſtrahlen in ein verfinſtertes Zim - mer läßt, ſo bilden dieſelben auf einer der Oeffnung gegenüber ſtehenden Wand einen runden beleuchteten Kreis. Wenn man in dieſen Lichtkegel, in irgend einer Diſtanz, zwiſchen der Oeffnung und der Wand einen opaken Körper, z. B. eine Kugel hält, ſo wird er ſeinen Schatten auf jenen beleuchteten Kreis der Wand werfen, und dieſer Schatten wird, das iſt hier das Weſentliche, von drei verſchiedenfarbigen, franſigen Ringen umgeben ſeyn. Wenn man endlich auch nur einen kleinen Theil des Randes dieſer Ku - gel mit einem größeren, undurchſichtigen Schirm bedeckt, ſo ver -22Die Sonne.ſchwinden ſofort dieſe gefärbten Ringe ganz und gar, obſchon ſie vorhin den Schatten in allen ſeinen Gränzen umgaben, und ob - ſchon noch immer bei weitem der größte Theil der Kugel von dem Lichte beſchienen wird. Es ſcheint daraus nothwendig zu folgen, daß jene franſigen Ringe von demjenigen Lichte entſtanden ſind, das zu beiden Seiten der Kugel nahe bei derſelben vorbei ging. Der berühmte engliſche Naturforſcher Young, der dieſes Phä - nomen zuerſt beobachtete, war der Anſicht, daß die jene Kugel an zwei entgegenſtehenden Seiten nahe vorbeigehenden Strahlen auf einander wirken, und dadurch jene farbigen Ringe hervorbrin - gen. Er nannte dieſe Wirkung die Interferenz der Strahlen. Fresnel, dem wir überhaupt die meiſten und ſchönſten Auf - ſchlüſſe in dieſem intereſſanten Theile der Optik verdanken, zeigte, daß dieſe Interferenz eine Einwirkung der directen, von der klei - nen Oeffnung unmittelbar kommenden Strahlen auf diejenigen ſey, welche die Kugel ſehr nahe vorbei gehen, und durch dieſelbe gebogen oder inflectirt werden.

Wenn ein Sonnenſtrahl in einem verfinſterten Zimmer auf eine Tafel, z. B. auf ein Blatt weißen Papieres fällt, ſo malt er ſich auf demſelben, wie bereits geſagt, als ein hellglänzender Punkt ab. Allein dieſen hellen Punkt kann man auf eine ſehr einfache Weiſe ſofort zu einem ganz finſtern machen, ohne übri - gens den Lichtſtrahl, noch das Papier zu berühren. Und worin ſoll dieſer ſonderbare Prozeß beſtehen, durch den man in einem Augenblicke Tag in Nacht und umgekehrt verwandeln kann? Die Auflöſung dieſes Räthſels wird den Leſern ohne Zweifel noch ſonderbarer erſcheinen, als das Räthſel ſelbſt. Man darf nur auf dieſen hellen Punkt noch einen zweiten Sonnenſtrahl leiten, der denſelben ganz eben ſo, wie der erſte beſcheint, und der, wenn er allein da wäre, den Punkt eben ſo hell, wie der erſte, gemacht haben würde. Beide zuſammen aber machen ihn, nicht, wie man glauben ſollte, noch heller, ſondern ſie machen ihn ganz dun - kel und ſchwarz! Alſo, wenn man, unter gewiſſen Verhältniſſen nämlich, Licht zu Licht gießt, ſo wird es finſter: die beiden Licht - ſtrahlen zerſtören ſich gegenſeitig, ſie heben ſich auf. Und auch das iſt eine Wirkung der Interferenz des Lichts.

23Die Sonne.

§. 18. (Erläuterung dieſer Erſcheinungen der Interferenz des Lichts.) Und welches ſind dieſe Verhältniſſe, die ſo wunderbare Folgen nach ſich ziehen? Die einfachſten von der Welt. Alles kömmt nur darauf an, daß die beiden Strahlen von demſelben Punkte des leuchtenden Objects ausgehen, und daß die beiden kleinen Oeffnungen, durch welche die zwei Strahlen in das ver - finſterte Zimmer gelangen, von dem Papier eine beſtimmte und unter einander verſchiedene Entfernung haben. Die Strahlen, die von dem öſtlichen Rande der Sonne kommen, interferiren, d. h. zerſtören ſich nie durch die Strahlen des weſtlichen Randes und umgekehrt. Von all denen unzähligen Strahlen, aus denen jeder einzelne Sonnenſtrahl beſteht, interferiren immer nur diejenigen, die gleiche Brechung, alſo auch gleiche Farbe haben, daher z. B. der rothe und der grüne Strahl ſich nie gegenſeitig aufheben. Aber auch die gleichartigen Strahlen, z. B. weiß und weiß, oder roth und roth, interferiren nie, wenn der Punkt des Papieres, in wel - chem ſie ſich begegnen und ſchneiden, gleichweit von beiden Oeff - nungen des Fenſterladens entfernt iſt, ſondern in dieſem Falle wird der leuchtende Punkt durch das Hinzukommen des zweiten Strahls in der That noch heller.

Aber nicht jede Differenz dieſer beiden Entfernungen bringt eine Interferenz des Lichts hervor. Nehmen wir an, a ſey die kleinſte Differenz dieſer Entfernungen, für welche der leuchtende Punkt durch beide Strahlen erhellt, alſo mit der Summe ihres Lichtes beleuchtet wird, ſo wird dieſelbe ſtärkſte Beleuchtung des Punktes auch dann noch ſtatthaben, wenn jene Differenz der Diſtanzen des Punktes von den beiden Oeffnungen a oder 2a oder 3a oder 4a u. f. iſt. Dieß iſt bereits ſonderbar genug, höre ich meine Leſer ſagen. Sehr wohl, aber, was ihnen wohl noch mehr auffallen wird, wenn dieſe Differenz der Diſtanzen gerade mitten zwiſchen die jetzt aufgezählten fällt, ſo interferiren die bei - den Strahlen, oder die Beleuchtung des Punktes iſt dann die kleinſte, oder vielmehr, der Punkt erhält ganz und gar keine Be - leuchtung mehr und erſcheint ganz ſchwarz. Der Punkt iſt alſo am hellſten, wenn dieſe Differenz a, 2a, 3a, 4a, und er iſt ganz dunkel, wenn dieſe Differenz 1 / 2 a, 3 / 2 a, 5 / 2 a, 7 / 2 a iſt.

24Die Sonne.

§. 19. (Erklärung der Interferenz des Lichts im Vibrations - ſyſteme.) Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir alle die Erſcheinungen jener gefärbten Ringe, die den Schatten umgeben, oder die Farbenſpiele der dünnen Platten, ſelbſt die der Seifen - blaſen, hier näher angeben wollten, die ſich durch dieſe Interferenz des Lichtes auf das ſchönſte und überzeugendſte geben laſſen. Wir bemerken nur noch, daß ſich die ganze Theorie der Interferenz viel beſſer und genügender durch die oben erwähnte Undulations - lehre, als durch das Emanationsſyſtem erklären läßt. Durch die Bewegung der Lichtelemente wird jenes äußerſt feine, durchſichtige und elaſtiſche Medium, welches wir der Kürze wegen den Aether nennen wollen, in eine wellenartige Bewegung geſetzt. Wenn dieſe Wellen bis zu unſerm Sehorgan vordringen, ſo wird daſſelbe dadurch auf eine ähnliche Weiſe afficirt, wie unſer Ohr durch die Wellen der Luft. Und wie die Differenz der Töne in der größeren oder kleineren Anzahl der Luftſchwingungen während einer Se - cunde beſteht, eben ſo beſteht auch die Differenz der Farben in den verſchiedenen Geſchwindigkeiten, mit welchen die Wellen des Aethers fortgepflanzt werden. Und wie endlich die kreisförmigen Wellen, die ſich bei zwei in ein ruhiges Waſſer geworfenen Stei - nen um jeden derſelben bilden, wenn ſie ſich auf der Oberfläche des Waſſers begegnen, einander öfter aufheben, und die Ebene des Waſſerſpiegels nicht ſtören, und oft wieder, wenn ſie ſich in corre - ſpondirenden Richtungen treffen, ſich gegenſeitig zu einer doppel - ten Höhe erheben, ſo werden auch die Aetherwellen ſich bald ge - genſeitig unterſtützen, und das Licht ihrer Durchſchnittspunkte er - höhen, bald wieder einander aufheben und alles Licht zerſtören, d. h. ſich interferiren.

Setzen wir nur noch hinzu, daß dieſe ganze Theorie der In - terferenz nicht bloß ein Aggregat von vagen Hypotheſen, ſondern daß ſie ein Reſultat der ſtrengſten Analyſe iſt, und daher jenes hohen Grades der Wahrheit ſich erfreut, die jeder Theorie nur dann zu Theil wird, wenn ſie, wie die Aſtronomie, eine rein mathematiſche Baſis hat, und daß endlich die Reſultate die - ſer Berechnungen bereits durch zahlloſe Beobachtungen auf das vollkommenſte beſtätiget worden ſind. Obſchon es unmöglich iſt, von ſolchen Berechnungen in einem Werke dieſer Art eine nähere25Die Sonne.Anzeige zu geben, und obſchon es uns ohne große Umſtändlichkeit und ſelbſt vielleicht ohne Unverſtändlichkeit nicht möglich iſt, auch nur die Art anzuzeigen, wie man zu den folgenden Zahlen ge - kommen iſt, von welchen die einen durch ihre Kleinheit, und die andern durch ihre eben ſo gewaltige Größe an das Wunderbare, beinahe an das Unglaubliche gränzen, ſo hoffen wir doch, daß unſere Leſer bereits ſo viel Vertrauen zu uns gewonnen haben, die Richtigkeit dieſer Zahlen auf Treu und Glauben wenigſtens ſo lange anzunehmen, bis ſie ſich in den Stand geſetzt haben, die Wahrheit derſelben durch eigene Nachrechnung ſelbſt zu prüfen, und wie wir mit Gewißheit hinzuſetzen können, ſie auch vollkom - men beſtätiget zu finden.

Wir haben oben geſagt, daß der Durchſchnittspunkt zweier Lichtſtrahlen mit doppeltem Lichte leuchte, wenn die Differenz der Abſtände dieſes Punktes von den beiden Oeffnungen im Fenſter - laden a, 2a, 3a iſt, und daß im Gegentheile dieſer Durchſchnitts - punkt ganz finſter und ſchwarz erſcheint, wenn jene Differenz 1 / 2 a, 3 / 2 a, 5 / 2 a iſt. Allein wie groß iſt denn dieſe Zahl a ſelbſt?

Sie iſt für die farbigen Strahlen, aus denen jeder weiße Sonnenſtrahl beſteht, verſchieden. Drückt man ſie in engliſchen Zollen aus, von welchen jeder 0,9383 Pariſer, oder 0,9642 Wie - ner Zolle enthält, ſo findet man dieſen Werth von a bei den

  • rothen Strahlen gleich 0,000026 engl. Zolle,
  • orangen 0,000024
  • gelben 0,000023
  • grünen 0,000021
  • blauen 0,000020
  • indigo 0,000018
  • violetten 0,000017

Dieſe Größen ſind alſo ſämmtlich ungemein klein, und nur durch unſere ſtärkſten Mikroſcope noch merkbar. Sie drücken zu - gleich die Breiten der Aetherwellen aus, welche von den genann - ten ſieben Farben erregt werden.

26Die Sonne.

Dividirt man die Einheit durch dieſe Zahlen, ſo erhält man die Anzahl der Wellen, welche in der Breite eines Zolles enthal - ten ſind. Dieſe Anzahl beträgt daher bei dem

  • rothen Lichte 38460 Wellen,
  • orangen 41600
  • gelben 44000
  • grünen 47500
  • blauen 51100
  • indigo 54100
  • violetten 57500

ſo daß alſo die von dem rothen Lichte erregten Wellen die breite - ſten, und die von dem violetten erzeugten die ſchmalſten unter allen ſind.

Noch könnte man fragen, wie viele ſolcher Wellen bei jeder Farbe in einer beſtimmten Zeit entſtehen, oder mit welcher Ge - ſchwindigkeit ſie auf einander folgen. Auch darauf hat die ma - thematiſche Analyſe bereits geantwortet, aber die hieher gehören - den Zahlen ſind ſo groß, daß wir ſie der Kürze wegen in ganzen Billionen angeben wollen. Nach jenen Berechnungen wird alſo während einer Secunde folgende Anzahl von Wellen erzeugt:

  • Von dem rothen Lichte 478 Billionen
  • orangen 506
  • gelben 535
  • grünen 577
  • blauen 622
  • indigo 658
  • violetten 700

Demnach iſt alſo die Geſchwindigkeit der Wellenerzeugung bei den rothen oder den breiteſten die kleinſte, und bei den violetten oder den ſchmalſten die größte, wie dieß der Natur der Sache angemeſſen iſt. Zugleich zeigt dieſe letzte Tafel, daß die Senſi - bilität unſeres Auges in Beziehung auf die Farben in viel engere Gränzen eingeſchloſſen iſt, als die unſeres Ohres in Beziehung auf die Töne. Das Verhältniß der beiden äußerſten Zahlen der letzten Tafel iſt nur 700 zu 478 oder 1,46 zu 1, alſo noch be - trächtlich kleiner, als das einer Octave, während wir doch mit27Die Sonne.unſerem Gehöre noch mehrere Octaven umfaſſen. Welche Farben oder welche Empfindungen für höhere Geſichtsorgane mögen jen - ſeits dieſer beiden Gränzen liegen?

Waͤrme.

§. 20. (Wichtigkeit und wohlthätige Folgen der Wärme.) Man ſieht ſchon aus den vorhergehenden kurzen Zuſammenſtellungen der vorzüglichſten Eigenſchaften des Lichtes, wie wichtig die Lehre von den mannigfaltigen Erſcheinungen deſſelben für Jeden ſeyn muß, der die ihn umgebende Natur von einer ihrer ſchönſten und intereſſan - teſten Seiten näher kennen lernen will. So groß aber auch das Geſchenk ſeyn mag, welches wir dadurch der Sonne, dieſer wah - ren Quelle alles Lichtes verdanken, ſo ſcheint doch ihr zweites, mit jenem nahe verwandtes Geſchenk, das der Wärme, für uns noch viel größer und wichtiger zu ſeyn. Aus dieſer zweiten Quelle fließt eine unabſehbare Reihe von Wohlthaten, die nicht bloß, wie jene, unſer Leben verſchönern und unſere Genüſſe erhöhen, ſondern die unſer Daſeyn erſt möglich machen, da ohne ſie die Exiſtenz aller organiſchen Weſen ganz unmöglich ſeyn würde. Da es uns aber zu weit von unſerem Gegenſtande abführen würde, die Eigenſchaften der Wärme, auch nur in der Kürze, mit welcher wir jene des Lichtes betrachtet haben, aufzuzählen, ſo wird eine bloße gedrängte hiſtoriſche Anzeige derſelben genügen, dieſe Wohl - that, welche wir der Sonne verdanken, wenigſtens einigermaßen nach ihrem wahren Werthe zu erkennen. Bei dieſer Darſtellung glaubten wir beſonders der ſchönen Einleitung folgen zu müſſen, die Lardner ſeinem vortrefflichen Treatise on Heat, London 1833, gegeben hat.

Die meiſten organiſchen Weſen können, wenigſtens einige Zeit durch, auch ohne Licht leben. Unzählige Operationen der Natur gehen eben ſo gut und thätig in dem Lichte, als in der Abwe - ſenheit deſſelben vor ſich. Der Mangel deſſelben, wo er z. B. bei der Blindheit der Thiere als Krankheit eintritt, hindert die andern Functionen ihres Körpers keineswegs an ihrer Thätigkeit, und ſelbſt die geiſtige Kraft des Menſchen wird dadurch zuweilen ſogar erhöht, wie wir bereits mehrere glänzende Beiſpiele von blinden Dichtern, wie Homer und Milton, und ſelbſt von blinden28Die Sonne.Mathematikern, wie Saunderſon und Euler, anführen könnten, bei welchen der Verluſt ihres Augenlichtes den Verſtand und die Einbildungskraft noch zu ſchärfen ſchien. Das Licht iſt demnach gleichſam nur ein Gegenſtand des Luxus der Natur, und wenig - ſtens für viele Dinge und auf längere Zeit entbehrlich. Daher ſpendet es auch die Natur nicht mit jener unbegränzten Freige - bigkeit aus, ſondern ſie beobachtet dabei jene zurückhaltende Oeco - nomie, die ſie ſich bei allen den Gaben vorzuſchreiben pflegt, die bloß das Vergnügen ihrer Geſchöpfe, nicht aber die unentbehrli - chen Bedürfniſſe derſelben zum Zwecke haben.

Die Wärme aber hat ſie überall und für alle mit der frei - gebigſten Hand ausgetheilt. Dieſes Geſchenk findet ſich zu allen Zeiten und an allen Orten. Jeder Körper, ſelbſt der unorgani - ſche, ſelbſt der luftförmige enthält ſie in reichlichem Maaße. Die todte Maſſe des Waſſers, der Erde, der Steine, und was wir ſehen, was wir nur durch irgend einen unſerer Sinne erkennen, iſt damit angefüllt. Dem Einfluſſe der Wärme iſt jene endloſe Verſchiedenheit der Geſtalten zuzuſchreiben, die über die Erde ver - breitet ſind. Unſer Feſtland, unſere Meere und Flüſſe, unſere Atmoſphäre ſelbſt könnten nicht einen Augenblick ſo bleiben, wie ſie ſind, wenn ihnen die Wärme entzogen würde, und alles würde, ohne ſie, in eine rohe, ſtarre, formloſe Maſſe zuſammen fallen. Die Luft, die uns umgibt, müßte, ſobald ihr die Wärme entzo - gen würde, in eine dicke, harte Rinde zuſammen ſchrumpfen, welche die Erde rings umſchließen, und alle ihre Geſchöpfe in ein einziges, großes, undurchdringliches Grab ſtürzen würde. Die Wärme iſt die Mutter und die Amme aller organiſchen Weſen, und ſelbſt die unorganiſchen entſpringen nur aus ihrem Schooße. Jeder Körper der Natur, wie grob ſeine Maſſe, oder wie fein auch ſein Gewebe ſeyn mag, verdankt ſeine Entſtehung und ſeine Erhaltung nur der Wärme. Nehmt die Wärme weg aus der Natur, und ſofort verſchwindet auch alle Bewegung, alle Form - gebung und alles Leben aus derſelben, und das alte Chaos tritt wieder in ſeine Rechte ein.

§. 21. (Wärme, in Beziehung auf Kunſt und Wiſſenſchaft.) Auch unſere Künſte und Manufacturen können ſie ſo wenig, als die Natur ſelbſt, entbehren. Welche Veränderungen wir auch mit29Die Sonne.den Körpern, wie ſie uns die Natur gegeben hat, vornehmen mögen, ſie beſtehen alle nur in der Trennung oder Zuſammenfü - gung ihrer Theile, und in einer unſeren Zwecken gemäßen Ver - wandlung ihrer Geſtalt. Wir ſchmelzen ſie, um ihnen eine an - dere Geſtalt zu geben, wir trennen die zuſammengeſetzten, um ihre uns nutzloſen oder ſchädlichen Theile zu entfernen, und wir ver - binden die getrennten wieder, um ſie auch dadurch unſern Abſich - ten dienſtbar zu machen. In allen dieſen Operationen iſt die Wärme das wichtigſte, oft das einzige Inſtrument. Auf ihren Wink er - weichen die härteſten Körper, das Gold wird Wachs, das Eiſen Waſſer, und die ganze Natur wird verändert, um unſeren Be - dürfniſſen, um unſerem Vergnügen, oft ſelbſt um unſeren Einfällen zu gehorchen.

Aber nicht bloß in unſeren techniſchen, auch in unſeren wiſ - ſenſchaftlichen Arbeiten ſpielt dieſes Agens eine große, wichtige Rolle. Wer in einer hellen Nacht den geſtirnten Himmel betrach - tet, glaubt ſchon alles geſehen zu haben, wenn er die Größe und die gegenſeitige Lage dieſer Geſtirne kennen gelernt hat. Der Aſtro - nom aber weiß, daß er dieſen Himmel keineswegs ſo ſieht, wie er in der That iſt, daß er ihn vielmehr durch eine große täu - ſchende Linſe, durch eine Kugelſchaale von Luft ſieht, die alle Gegenſtände gleich einem Hohlſpiegel verzerrt, und keinen derſel - ben an ſeinem wahren Orte erſcheinen läßt. Er weiß, daß dieſe optiſchen Täuſchungen mit der Entfernung der Geſtirne von dem Horizonte, daß ſie von Nacht zu Nacht, ja von Stunde zu Stunde wechſeln, und daß dieſer Wechſel bloß von der ebenfalls wechſelnden Wärme der Atmoſphäre kömmt. Selbſt das Inſtru - ment, mit welchem er dieſe Veränderungen beobachtet, iſt wieder ähnlichen Aenderungen unterworfen, und wie die Temperatur ſei - ner Umgegend anders wird, ziehen ſich auch ſeine Theile zuſam - men oder auseinander. Ein einziger Sonnenſtrahl, der auf ſein Inſtrument fällt, ein einziger Hauch von einem kühlen Zugwinde, ja die den Beobachter ſelbſt umgebende Atmoſphäre ſeines eigenen Körpers iſt ſchon im Stande, den metallenen Bogen ſeines Krei - ſes zu verziehen und Aenderungen hervorzubringen, die man lange genug an dem Himmel geſucht hat, während ſie ihre wahre Ur - ſache in dem Inſtrumente oder in dem Beobachter ſelbſt hatten. 30Die Sonne.Unſere ſolideſten Gebäude aus den alten Zeiten, die ſprüchwörtlich als Symbole, als Beiſpiele einer unwandelbaren Feſtigkeit gelten, werden täglich, ja ſtündlich von der Wärme in immerwährende Bewegung geſetzt. Seit den Verſuchen, die man mit den höchſt empfindlichen Libellen Reichenbachs an der Sternwarte Brera zu Mailand angeſtellt hat, iſt es bekannt, daß jeder Thurm und jedes Haus, wenn es auf ſeiner Oſt - oder Weſtſeite von der Sonne beſchienen wird, gleich einem Pendel hin und wieder geht, ohne auch nur zwei Augenblicke dieſelbe Lage beizubehalten.

Aber welche noch viel größere Rolle iſt dieſer unſichtbaren Macht in unſerer Chemie angewieſen worden. Unauflöslich ſchei - nende Körper trennt ſie in ihre Elemente; die heterogenſten Maſ - ſen ſchmilzt ſie zu einem gemeinſamen, einförmigen Körper; ſie weckt ſeit Jahrtauſenden ſchlafende Affinitäten aus ihrem Schlum - mer zu neuer Thätigkeit, und ſie zerreißt ſelbſt die Bande der chemiſchen Attraction, die jeder andern uns bekannten Kraft ſpot - tend widerſtehen. Durch Bindung und Freiwerden der Wärme entſtehen alle unſere Compoſitionen und Decompoſitionen der na - türlichen Körper, und dieſe zwei Prozeſſe ſind es, durch die wir mit der einen Hand fürchterliche Detonationen mit einer alles ſchnell verzehrenden Hitze, und mit der andern eine Kälte erzeu - gen können, gegen welche die unſerer Pole noch Wärme heißen kann.

§. 22. (Wärme in Beziehung auf das gemeine Leben.) Aber wozu erſt Sternwarten oder Laboratorien aufſuchen, um Bei - ſpiele für die Thätigkeit einer Kraft zu finden, die uns überall und zu allen Seiten in der Nähe umgibt. Im Schlafe und im Wachen, zu Hauſe oder auf dem Felde, bei Tag und Nacht, in der heißen und in der kalten Zone überall iſt ſie, überall wirkt ſie und überall ſind wir ihre Sklaven zugleich und ihre Meiſter.

Wir ſind ihre Sklaven. Denn ohne ſie vermögen wir nicht einen Augenblick zu leben, und ohne ein genau beſtimmtes Maaß derſelben können wir dieſes Leben eben ſo wenig in Frie - den genießen. Sie herrſcht gebieteriſch über unſere Freuden und über unſere Leiden. Sie legt uns auf das Siechenbette hin, und hilft uns wieder von demſelben auf. Sie iſt unſere Krankheit und31Die Sonne.unſer Arzt zugleich. In der brennenden Hitze des Sommers lech - zen wir unter ihrem Drucke, und in der ſtarren Kälte des Win - ters ſchauern wir ob ihrem Mangel. Wenn ſie ſich in unſerem eigenen Körper anhäuft, ſo vertrocknet unſere Zunge, und wir brennen im Fieber, und wenn ſie uns zu ſchnell verläßt, ſo ächzen wir unter Erkühlungen und Rheumatismen und allen den zahlloſen Leiden, die mit dem Gefolge dieſer beiden Anführer aufzutreten pflegen.

Wir ſind aber auch ihre Meiſter. Denn wir zwingen ſie, unſerem Willen zu gehorchen und unſere Zwecke zu befördern. Mitten unter den Schnee - und Eis-Bergen der Pole muß ſie mit uns in unſerer Stube wohnen, und ſelbſt außer derſelben darf ſie, in undurchdringliche Kleider eingeſchloſſen, unſere Körper nicht verlaſſen. Und dieſelben Kleider brauchen wir auch in der heißen Zone, um ihren Andrang von uns abzuhalten. Wir entfernen ſie aus dem Waſſer, um uns während der heißen Jahreszeit mit Eis zu kühlen; und wir bringen ſie wieder in größerem Maaße in das Waſſer zurück, um im Winter (durch in Nöhren geleitetes heißes Waſſer) unſere Wohnungen zu erwärmen. Auf unſeren Reiſen zur See iſt ſie es, die unſerem Schiffe (dem Dampf - ſchiffe) Flügel gibt, und dadurch den Winden und den Wogen trotzt. Auf unſeren Landfahrten aber ſpannen wir ſie ſtatt der Pferde vor unſere (Dampf -) Wägen, und eilen damit dem ſchnell - ſten Vogel und ſelbſt den Furien der Stürme vor*)Zur Vergleichung verſchiedener Geſchwindigkeiten mögen fol - gende Angaben der in einer Stunde zurückgelegten Wege, in deutſchen Meilen ausgedrückt, dienen. Schnellſegelnde Schiffe ......... 4,0 Meilen.Die ſchnellſten Brieftauben ....... 5,7 Heftige Stürme ............. 7,0 Schnelle Dampfwagen .......... 8,0 Der Schall ............... 163 Aequator der Erde in ſeiner täg - lichen Bewegung .......... 227 Mittelpunkt der Erde in ſeiner jährlichen Bewegung ...... 14,800 Das Licht ........... 151,000,000 .

32Die Sonne.

Wenn wir ſchlafen, ſo iſt unſer Zimmer und unſer Bette mit den Mitteln verſehen, die Wärme in ihrem gehörigen Zuſtande zu erhalten. Wenn wir zu Tiſche ſitzen, ſo iſt wieder ſie es, die unſeren Speiſen ihre Genießbarkeit, ihren Nutzen und ihre Würze gibt. Sie bereitet unſere Gerichte in der Küche, wie ſie die Früchte in unſeren Gärten kocht und zur Reife bringt. Die ange - nehmen Säfte, die das Blatt des Theebaums, oder die Beere der Kaffeeſtaude, oder die Cacaobohne in ſich ſchließt, würden uns immer verborgen geblieben ſeyn, wenn ſie uns die Wärme nicht aufgeſchloſſen hätte, und ſelbſt die Bereitung aller anderen künſt - lichen Getränke, die uns erquicken und erwärmen, und die unſere durch Arbeit und Anſtrengung ermatteten Glieder ſtärken, würden uns noch ein Geheimniß ſeyn, wenn wir, gleich dem blödſinnigen Feuerländer, mit der Erhaltung und Anwendung der Wärme auf die Körper der Natur noch unbekannt wären.

§. 23. (Verbindung des Lichts mit der Wärme.) Selbſt das Licht, jene an ſich ſo köſtliche Gabe des Himmels, wie oft wür - den wir uns vergebens darnach ſehnen, wenn dieſelbe allgütige Hand, die uns daſſelbe gegeben, jenes andere noch köſtlichere Geſchenk zurückgehalten hätte. Wenn die Sonne ihr Antlitz von uns wendet, und die Erde in Finſterniß einhüllt, wenn ſie, wie in den Polargegenden, ſechs volle Monate nicht wiederkehrt woher ſollen wir dann Licht nehmen? Dann iſt es die Wärme, die unſere Luft in Flammen ſetzt*)Bekanntlich ſind unſere Flammen nichts als brennende Luft, als Theile unſerer Atmoſphäre, die durch die Hitze weißglühend gemacht werden.; dann zünden wir, mit ihrer Hülfe, unſere Kerzen, unſere Lampen an, und ſchaffen uns künſt - liche Tage mitten in der tiefſten Nacht; dann laſſen wir unſere Sonnen leuchten zu unſeren Geſchäften, zu unſeren geſelligen Ver - gnügungen, und vermehren ſo die Summe der Genüſſe und die Länge unſeres Lebens durch nützlich oder angenehm verbrachte Stunden, die wir, ohne jenes Geſchenk, in dumpfer Unthätigkeit verloren oder im trägen Schlafe verträumt hätten.

§. 24. (Oberfläche oder Photoſphäre der Sonne.) Indem wir nun, nach dieſer Digreſſion über die zwei wichtigſten Geſchenke,33Die Sonne.welche wir der Sonne verdanken, wieder zu unſerm Gegenſtande, zu der phyſiſchen Beſchaffenheit dieſes Centralkörpers ſelbſt zu - rückkehren, müſſen wir uns vorerſt auf das Wenige beſchränken, was wir von der Oberfläche deſſelben durch Hülfe unſerer Fern - röhre kennen gelernt haben. Dieſe Oberfläche ſcheint ein unge - heueres, den eigentlichen Körper der Sonne umgebendes Lichtmeer zu ſeyn. Dieſe Photoſphäre der Sonne iſt aber, wie die Beob - achtungen zeigen, in immerwährender heftiger Bewegung, und in ihr gehen Revolutionen vor, mit welchen die unſerer Stürme und Ungewitter nicht weiter verglichen werden können. Man ſieht auf dieſem Feuermeere öfter ſehr große, ſchwarze Flecken entſtehen, und nach wenig Tagen oder Wochen wieder verſchwinden, Flecken, die unſere Erde im Durchmeſſer vier -, fünf - und mehrmal über - treffen. In der Nähe dieſer ſchwarzen Flecken bemerkt man im Gegentheile häufig andere große Stellen der Sonne, die ſich durch ihr ſtärkeres, helleres Licht auszeichnen, und daher Son - nenfackeln genannt werden. Aber auch der übrige Theil der Sonne, der weder Flecken noch Fackeln zeigt, iſt beinahe nir - gends gleich licht, ſondern durchaus mit kleinen Schuppen oder Punkten beſäet, die ihren Ort immer ändern, wie man ſehen kann, wenn man die Sonne mit ſehr guten Fernröhren be - obachtet. Dadurch gewinnt die Oberfläche der Sonne das Anſe - ben des Bodenſatzes einer flockigen Subſtanz, die in einer durch - ſichtigen Flüſſigkeit aufgelöst iſt. Das Ganze leitet auf die Ver - muthung, daß die Oberfläche dieſes Körpers aus einem Lichtme - dium beſteht, mit welchem eine wohl durchſichtige, aber an ſich ſelbſt nicht leuchtende Flüſſigkeit vermiſcht, jedoch nicht völlig durchdrungen iſt, wo dann dieſe Flüſſigkeit in dem Lichtmeere ſchwimmt, wie unſere Wolken in der Luft, oder wo ſie dieſes Lichtmeer in mächtigen Streifen durchzieht, wie das Nordlicht unſere Atmoſphäre.

§. 25. (Iſt die Oberfläche der Sonne ein Feuer?) Wenn aber dieſe Photoſphäre der Sonne in der That ein Feuer ſeyn ſoll, ſo iſt es gewiß von unſerem irdiſchen Feuer ſehr verſchieden. Wie ließe ſich ſonſt das Eis auf den höchſten Gipfeln unſerer Berge, ſelbſt in den Tropenländern, erklären? Oder wie ſollte unſer Feuer, auch in noch ſo großen Maſſen angehäuft, in einerLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder II. 334Die Sonne.Entfernung von mehr als zwanzig Millionen Meilen noch Kraft genug beſitzen, die Haut des Negers ſchwarz zu färben, und den Saft des Zuckerrohrs zu ſieden? Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß Licht und Wärme, wenn wir ſie gleich ſehr oft beiſammen finden, doch weſentlich zwei ſehr verſchiedene Dinge ſind. Auch iſt es bekannt, daß alle Körper unſerer Erde eine eigenthümliche Wärme enthalten, die durch verſchiedene Mittel aus ihnen her - vorgezogen oder entbunden werden kann. Ein ſolches iſt z. B. die Reibung. Wir erwärmen unſere Hände, wenn wir ſie gegen einander reiben, und mehrere wilde Völkerſchaften verſchaffen ſich ihr Feuer bloß durch die Reibung zweier trockenen Holzſtücke. Seile und Schnüre an unſeren Maſchinen entzünden ſich zuweilen durch heftige Reibung, ſo wie die Achſen unſerer Räder durch ſchnelles Fahren. Unſere Bohrer, beſonders die zum Durchlöchern der Steine und Metalle beſtimmten, werden durch anhaltende Reibung oft bis zum Glühen heiß, und müſſen darum durch ſtets zufließendes Waſſer immerwährend abgekühlt werden.

Hieher gehört auch zum Theil das Erhitzen der Körper durch ſchnell wiederholte, ſtarke Schläge. Ein Stück Metall wird, wenn es auf den Amboß gelegt und eine Zeit durch kalt geſchmiedet wird, ſehr oft bis zum Glühen erhitzt. Unſer gewöhnliches Feuer - anſchlagen durch Stahl und Stein iſt eine ähnliche Erwärmung durch Reibung, die durch das Zuſammenſchlagen beider Körper verurſacht wird, wo dann kleine Stückchen Stahl durch den Stein abgeſchlagen und in der Luft geſchmolzen werden. Ein anderes Mittel, die Körper zu erwärmen, oder eigentlich die in ihnen la - tente Wärme zu entwickeln, iſt das Zuſammenpreſſen derſelben in einen kleineren Raum. Unſere Luftfeuerzeuge, die Mollet er - funden hat, geben davon ein allgemein bekanntes Beiſpiel. Wenn der Stempel in den Röhrchen dieſer Maſchinen die unter ihm befindliche atmoſphäriſche Luft, durch das Herabdrücken deſſelben, auf einen zwölfmal kleinern Raum verdichtet, ſo entſteht dadurch ſchon eine Wärme von 123 Grad R., die hinlänglich iſt, Zunder in Brand zu ſetzen, und ſelbſt leichtflüſſige Metallgemiſche zu ſchmelzen.

Eben ſo kann man durch chemiſche Einwirkung der Körper auf einander oft eine ſehr große Hitze erzeugen. Waſſer auf35Die Sonne.ungelöſchten Kalk gegoſſen, erhitzt ſich bis zum Kochen. Vitriol - öhl oder Scheidewaſſer auf Eiſenfeile gegoſſen, und noch mehr eine Miſchung von Terpentinöhl mit Scheidewaſſer, worauf Vi - triolöhl gegoſſen wird, gibt eine ſehr hohe Temperatur, und ſelbſt eine ſehr heftige Flamme, die ſchon manchem unvorſichtigen Expe - rimentator gefährlich geworden iſt.

Aber das ſtärkſte bekannte Entbindungsmittel der Wärme iſt immer das Sonnenlicht, beſonders wenn es ſenkrecht auf die Oberfläche der Körper wirkt, und die letzten demſelben eine längere Zeit durch ausgeſetzt bleiben. In den Tropenländern iſt es ſo heiß, weil die Sonne zur Zeit des Mittags immer nahe in dem Zenithe dieſer Länder ſteht, ſo wie es ſelbſt näher bei den Polen wenigſtens einige Wochen durch oft noch heißer iſt, weil dann die Tage für dieſe Gegenden ſo lang ſind. Wenn die Strahlen der Sonne in unſern Brenngläſern oder in Hohlſpiegeln geſammelt werden, ſo erzeugen ſie eine ſo große Hitze, daß die dieſen Strahlen ausgeſetzten Körper oft ſchon in wenig Augen - blicken verbrennen oder ſich verglaſen, obſchon ſie ſonſt, wie z. B. unſer Diamant, dem größten gewöhnlichen Feuer unbeſchadet ausgeſetzt werden können.

Es iſt ſehr möglich, daß die Strahlen der Sonne an ſich ſelbſt ganz kalt ſind, daß ſie aber die Eigenſchaft haben, den Wärmeſtoff aus den Körpern in hohem Grade zu entwickeln, was vielleicht durch die große Geſchwindigkeit bewirkt wird, mit wel - cher dieſe Strahlen an die Elemente der Körper ſtoßen, und da - durch entweder dieſe Elemente augenblicklich in einen kleineren Raum zuſammendrücken, oder doch eine heftige Reibung an den - ſelben verurſachen. So kann es ſeyn, daß der entfernteſte unſerer Planeten, daß Uranus ſich noch einer ſehr hohen Temperatur er - freut, wenn die Körper ſeiner Oberfläche die Eigenſchaft haben, die ihnen inwohnende Wärme ſchon durch wenige Sonnen - ſtrahlen frei zu machen. Auch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß wir die Wirkungen des Lichts auf die Körper beſſer kennen lernen werden, wenn wir unſere Aufmerkſamkeit nicht immer bloß auf die Attraction, ſondern auch auf die chemiſchen Verwandtſchaften der Körper zu dem Lichte anhaltend richten werden.

3 *36Die Sonne.

§. 26. (Temperatur auf der Oberfläche der Sonne.) Indeß ſcheinen doch mehrere Gründe dafür zu ſprechen, daß die Tempe - ratur auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt ungemein groß ſeyn müſſe.

I. Das Licht ſowohl als die radiirende Wärme nimmt, un - ſeren Beobachtungen zufolge, in demſelben Maaße ab, wie das Quadrat der Entfernung zunimmt, ſo daß es z. B. in der Ent - fernung von 2, 3, 4.. Meilen nur mehr ¼, 1 / 9, 1 / 16.. von dem iſt, was es in der Entfernung von einer Meile beträgt. Wenn nun die durch die Sonnenſtrahlen auf unſerer Erde erregte Hitze ſo bedeutend iſt, wie ſtark muß ſie auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt auf für ſie gleich empfängliche Körper wirken. Man kann durch Rechnung zeigen, daß die Hitze, welche die Sonne z. B. auf eine Quadratmeile ihrer eigenen Oberfläche ausübt, über 300,000 mal größer iſt, als diejenige, welche ſie auf eine eben ſo große Stelle der Oberfläche unſerer Erde äußert. Unſere Brenn - gläſer ſind weit entfernt, eine ſo große Hitze zu erzeugen, oder die Strahlen der Sonne 300,000 mal zu verdichten, und doch kann man in den Brennpunkten dieſer Gläſer Gold, Platina und ſelbſt Diamanten ſchmelzen und zerſtören.

II. Unſere künſtlichen oder irdiſchen Feuer ſenden bekanntlich ihre Strahlen deſto leichter durch das Glas, je größer, je inten - ſiver dieſe Feuer ſind. Ein zweimal ſo ſtarkes Feuer ſchickt auch zweimal ſo viele Strahlen durch daſſelbe Glas. Nun gehen aber die Strahlen der Sonne mit einer ganz beſondern Leichtigkeit durch das Glas. Mit dem ſogenannten Actinometer, einem un - ſerer verläſſigſten phyſiſchen Inſtrumente, fand der jüngere Her - ſchel, daß von je 1000 Wärmeſtrahlen der Sonne 816 durch eine Glasplatte von 1 ½ Linie Dicke gehen, und daß von 1000 bereits durch eine ſolche Platte gegangenen Strahlen wieder 860 noch ſtark genug ſind, durch eine zweite, eben ſo dicke Glasplatte zu gehen. Unſere irdiſchen Feuer ſind ſämmtlich weit entfernt, ſolche Leichtigkeit des Durchgangs zu zeigen, ſie ſtehen daher auch wahr - ſcheinlich dem Feuer der Sonne an Intenſität eben ſo weit nach.

III. Wenn man eine Lichtkerze, eine brennende Fackel, ja ſelbſt das lebhafteſte irdiſche Feuer zwiſchen das Auge und die Sonne hält, ſo verſchwinden ſie gleichſam für unſern Blick, weil37Die Sonne.ſie von dem viel intenſiveren Sonnenlichte abſorbirt werden. Das Licht des ſogenannten indiſchen Weißfeuers oder das des unge - löſchten Kalkes blendet unſere Augen und gehört zu dem lebhaf - teſten Feuer, das wir hervorbringen können, und doch bemerken wir es kaum auf dem noch viel hellern Hintergrunde der Sonne.

§. 27. (Reſultate der vorhergehenden Betrachtungen.) Es iſt alſo möglich, daß der eigentliche Sonnenkörper, ſo dunkel er auch in den oben erwähnten ſchwarzen Flecken ausſehen mag, in einem Zuſtande der heftigſten Conflagration ſich befindet, doch ſind dieß nur Vermuthungen, und es iſt ganz eben ſo möglich, daß die Sonnenſtrahlen ganz und gar keine eigene Wärme haben, ſondern nur die in andern Körpern gebundene Wärme entwickeln, oder auch, daß der eigentliche Kern der Sonne zunächſt an ſeiner Oberfläche mit einer das Licht vollkommen reflectirenden Decke überzogen ſey, wodurch er denn von der Irradiation des obern Lichtmeeres völlig geſchützt werden, und in dem Zuſtande einer ſehr niedern Temperatur ſich befinden könnte. Wenn die Dich - tigkeit der Sonnenmaſſe mit ihrer Entfernung von dem Mittel - punkte ſehr ſchnell abnimmt, oder wenn dieß auch nur von ihrer Atmoſphäre ſtatt hat, ſo würde ebenfalls keine oder doch nur wenig Hitze abwärts geleitet werden. Vielleicht iſt jene graue Wolkenſchichte, mit welcher die ſchwarzen Flecken der Sonne immer umgeben ſind, eine ſolche vollkommen ſpiegelnde Fläche. Wenn aber auf der Oberfläche dieſer Himmelskörper in der That immer ſo viel Hitze durch Radiation ausgeſchieden wird, ſo würde dadurch allein ſchon der Zuſtand der heftigen Agitation zu er - klären ſeyn, welche die Oberfläche der Sonne immerwährend, wie ein vom Sturme gepeitſchtes Meer, bewegen, ohne daß man deßwegen, wie andere gethan haben, zu〈…〉〈…〉 hemiſchen Kräften ſeine Zuflucht zu nehmen braucht.

§. 28. (Erhaltung dieſes Zuſtandes der Sonne.) Wodurch erhält ſich aber dieſe immerwährende Verbrennung, wenn ſie anders in der That ſtatt hat, auf der Oberfläche der Sonne? Wir wiſſen es nicht und es iſt hier, wie in ſo vielen andern Fällen, am beſten, ſeine Unkenntniß der Sache offen zu geſtehen. Wird dieſe nie aufhörende Entwicklung von Licht und Wärme durch eine ſtetige Reibung oder durch immerdauernde electriſche38Die Sonne.Entladungen bewirkt? Wie man immer dieſe Erſcheinungen zu erklären verſucht, ſo ſollte man doch die etwas zu kraſſe Vor - ſtellung eines eigentlichen ponderablen Futters zu vermeiden ſuchen, da wir ſelbſt auf der Erde viele Feuer ohne dieſe Nahrung kennen. Unſer Küchenfeuer mag immerhin ausgehen, wenn nicht immer friſches Holz zugelegt wird. Auf eine ähnliche Art läßt Newton der Sonne durch die in ſie ſtürzenden Kometen von Zeit zu Zeit neue Nahrung zuführen. Allein wie viele Mittel mag die Natur beſitzen, Licht und Wärme auch ohne ſolche äußere Hülfe zu entwickeln und ſelbſt ſehr lange zu erhalten. Es iſt bekannt, daß die Electricität, wenn ſie eine ſehr verdünnte Luft durchzieht, Licht, alſo wohl auch Wärme gibt. Warum ſollte nicht ein ſolcher electriſcher Strom auch die Sonne umgeben? Warum ſollte unſer Nordlicht nicht vielleicht etwas Aehnliches für unſere Erde ſeyn können?

§. 29. (Abnahme des Sonnendurchmeſſers.) Wer bürgt uns übrigens dafür, daß die Größe der Sonne durch ihr immer - währendes Ausſcheiden der Lichtmaterie in der That in ſteter Ab - nahme begriffen iſt? Wir haben dieſe Abnahme noch nicht beobachtet, allein wie lange iſt es denn, daß wir den Durchmeſſer der Sonne ſo genau kennen? Seit der Erfindung der Fernröhre, oder eigentlich, ſeit der Anbringung der Mikrometer an dieſe Fernröhre, d. h. ſeit dem Jahre 1640, von welcher Epoche ſich unſere beſſern Beobachtungen datiren. Ja ſelbſt jetzt noch kennen wir dieſen Durchmeſſer der Sonne nicht bis auf eine Secunde, d. h. wir ſind in dem wahren Werthe deſſelben wenigſtens noch auf 100 deutſche Meilen ungewiß. Wenn daher der wahre Durchmeſſer ſeit den letzten zwei Jahrhunderten auch um 2,280,000 Fuß ab - genommen hätte, ſo würden wir jetzt den ſcheinbaren Durch - meſſer nur um eine Secunde, d. h. um eine Größe kleiner ſehen, über die unſere beſten Beobachter noch ganz in Zweifel ſind. Ja wenn der wahre Durchmeſſer der Sonne ſelbſt täglich um einen Fuß kleiner würde, ſo würde dieß in dem ſcheinbaren[Durchmeſſer] erſt nach 12,000 Jahren eine Verminderung von zwei Secunden erzeugen. Demungeachtet kann man nicht läugnen, daß dieſe Abnahme, ſo klein ſie auch an ſich ſelbſt ſeyn mag, in der Folge von vielen Jahrtauſenden endlich beträchtlich werden muß, ſelbſt39Die Sonne.wenn man annimmt, daß die einzelnen Elemente eines jeden Sonnenſtrahls vielleicht durch tauſende von Meilen von einander getrennt ſeyn mögen. Das Sonnenlicht iſt über 300,000 mal ſtärker, als das des Vollmonds, und nahe 800 Millionenmal ſo ſtark, als das des Sirius. Auch ſcheidet die mit ihrem Lichte wenigſtens ſcheinbar ſehr verſchwenderiſche Sonne viel mehr Licht aus, als zur bloßen Beleuchtung und Erwärmung der Planeten nöthig iſt, ſo daß man verſucht wird, zu glauben, daß dieſe Er - leuchtung wenigſtens nicht der einzige Zweck dieſes Lichtes ſeyn kann, ebenſo wie die Erleuchtung der Erde zur Nachtzeit gewiß nicht der Zweck des Mondes iſt, was wir an einem andern Orte gezeigt haben. Auf der Peripherie der Erdbahn würden über 70,000 Erden, jede der unſeren an Größe gleich, Raum haben, und alle von der Sonne gleich ſtark erleuchtet und erwärmt werden können, während dieſe Wohlthat jetzt nur dieſer einzigen Erde zu gut kömmt. Allein ſelbſt bei dieſer anſcheinenden Ver - ſchwendung, die ohne Zweifel nur in unſerer Unkenntniß des Gegenſtandes gegründet iſt, wird es der Natur nicht an Wegen fehlen, auf welchen ſie dieſen Verluſt des Lichtes, wenn es über - haupt noch ein Verluſt iſt, wieder erſetzen kann: das Zurückwerfen des erhaltenen Sonnenlichts von den Planeten, das eigene Licht der unzähligen Fixſterne, die Annäherung der Kometen, von denen viele nur aus Lichtſtoff gewebt zu ſeyn ſcheinen u. dgl., ſo daß unter allen dieſen Körpern des Himmels nicht ſowohl der Gewinn und Verluſt des Einzelnen, als vielmehr nur der gegenſeitige Austauſch des Lichtes in Betrachtung kommen ſoll. Endlich, wenn das Licht nicht in der Emanation eines eigentlichen Körpers, ſondern nur in der Vibration eines die Sonne umgebenden Me - diums beſtehen ſollte, ſo fällt ohnedieß jede Abnahme der Sonne durch Ausſcheidung ihrer Lichtmaſſe von ſelbſt weg.

§. 30. (Beſchreibung der Sonnenflecken.) Nach dieſen allge - meinen Betrachtungen wollen wir nun zu einer nähern Beſchreibung der bereits oben erwähnten Sonnenflecken übergehen.

Wenn man die Oberfläche der Sonne durch ein Fernrohr betrachtet, das zur Schützung des Auges mit einem gefärbten Planglaſe verſehen iſt, ſo bemerkt man auf ihr häufig größere oder kleinere, meiſtens ſehr unregelmäßige dunkelſchwarze Flecken,40Die Sonne.mit einem aſchfarbenen, gewöhnlich überall gleich breiten Rand eingefaßt. Dieſe Flecken verändern meiſtens ihre Geſtalt und ſelbſt zuweilen ihren Ort auf der Sonne. Wenn man ſie von Stunde zu Stunde verfolgt, ſo ſieht man ſie an Umfang wachſen oder kleiner werden, verſchiedene Geſtalten annehmen, aus einander brechen und gleichſam zerreißen und wieder zuſammen fließen und oft ſelbſt gänzlich verſchwinden. In dem letzten Falle, wenn der Flecken ſich unſerm Auge ganz entzieht, wird immer zuerſt der ſchwarze Centralpunkt allmählig kleiner und verſchwindet lange vor dem aſchgrauen Rande. Der ganze Anblick dieſer Erſcheinung ſcheint auf einen flüſſigen Zuſtand der Oberfläche der Sonne und auf ſehr heftige Bewegungen zu deuten, die auf ihr vorgehen.

Diejenigen unter ihnen, welche längere Zeit ohne beträchtliche Veränderungen ihrer Form dauern, und man ſieht zuweilen ſolche, die man nach vier und ſechs Wochen wieder deutlich als dieſelben erkennen kann, zeigen im Allgemeinen folgende Erſcheinungen. Man ſieht die eigentlichen ſchwarzen Flecken in einer meiſtens länglichen Geſtalt an den linken oder öſtlichen Rand der Sonne eintreten und ſich von da langſam gegen den weſtlichen Rand bewegen, den ſie gewöhnlich am dreizehnten Tage nach ihrer erſten Erſcheinung erreichen, und dann eben ſo lange unſichtbar werden, bis ſie am Ende dieſer Periode wieder an der frühern Stelle des öſtlichen Randes hervortreten. Je näher ſie dem Mittelpunkte der Sonne kommen, deſto breiter ſcheinen ſie zu werden, während ſie an den beiden Rändern der Sonne ſehr ſchmal ſind.

§. 31. (Was dieſe Sonnenflecken ſeyn mögen?) Da ſie ſich alle mit nahe derſelben Geſchwindigkeit von Oſt gen Weſt auf der Sonnenſcheibe bewegen, ſo können ſie nicht ſolche Körper ſeyn, wie unſere Wolken, die von den Winden nach allen Seiten und mit verſchiedener Geſchwindigkeit bewegt werden. Sie können auch keine eigenen Himmelskörper ſeyn, die die Sonne umkreiſen, wie etwa der Mond die Erde, weil ſie am Rande der Sonne immer ſchmäler, als in dem Mittelpunkte derſelben erſcheinen. Sie müſſen alſo der Oberfläche der Sonne ſelbſt angehören und in derſelben ſich aufhalten und die bemerkte Bewegung derſelben von Oſt gen Weſt kann nur von einer Bewegung der Sonne41Die Sonne.ſelbſt kommen, die auf der uns abgewendeten Seite von Weſt gen Oſt vor ſich geht und die daher dieſe Körper auf ihrem Wege um den Mittelpunkt der Sonne mit ſich führt.

§. 32. (Größe der Sonnenflecken.) Dieſe Flecken ſind zu - weilen ungemein groß. Es iſt ſchon oben geſagt worden, daß auf der Oberfläche der Sonne eine gerade auf unſern Geſichts - ſtrahl ſenkrechte Linie von hundert deutſchen Meilen in der Länge, uns unter dem Winkel von einer Secunde erſcheint. Ein Kreis von dieſem Durchmeſſer auf der Oberfläche der Sonne würde alſo 31,410 deutſche Quadratmeilen enthalten. Tobias Mayer ſah am 15. März 1758 einen ſolchen Flecken, der nach ſeinen Beobachtungen den zwanzigſten Theil des Sonnendurchmeſſers, alſo 90 Secunden betrug. Der wahre Durchmeſſer deſſelben hatte alſo 9000 deutſche Meilen, war demnnch fünfmal größer als der Durchmeſſer unſerer Erde. Der ältere Herſchel ſah im Jahre 1779 einen ſchon mit bloßen Augen bemerkbaren Flecken, von dem das größere Stück, denn er beſtand aus mehreren hart an einander liegenden Theilen, 70 Secunden, und das Ganze 270 Secunden im Durchmeſſer betrug. Der wahre Durchmeſſer dieſes Fleckens hatte alſo 27,000 deutſche Meilen, oder er war 15 mal größer, als der Durchmeſſer der Erde, und ſeine Oberfläche betrug über 730 Millionen Quadratmeilen. Wenn ein ſolcher Flecken in der Zeit von drei Wochen verſchwinden ſoll, ſo müſſen die Ränder deſſelben täglich einen Weg von 1400, und in jeder Stunde einen Weg von 58 Meilen zurücklegen, alſo die Geſchwindigkeit unſerer heftigſten Stürme mehr als achtmal übertreffen. Man ſieht ſchon daraus, welche Revolutionen auf der Oberfläche der Sonne vor - gehen mögen. Es ſcheint aber, daß dieſe Flecken zuweilen noch viel größer ſind, als die erwähnten. So erzählt Albufaradge in ſ. Historia Dynast., daß i. J. 535 das Licht der Sonne durch 14 Tage verdunkelt war, und daß i. J. 626 die Hälfte der Sonnenſcheibe durch längere Zeit ganz ſchwarz erſchien.

Bemerken wir noch, daß man die oben erwähnten Fackeln, oder die hellſtreifigen Stellen der Sonne immer nur in der Nähe der Flecken ſieht, und daß oft mitten aus dieſen Fackeln ſehr dunkle Flecken hervorbrechen, ſo wie im Gegentheile wieder an42Die Sonne.denſelben Stellen, auf welchen frühere Flecken verſchwunden ſind, häufig Fackeln zu erſcheinen pflegen.

§. 33. (Hypotheſen über die Sonnenflecken.) Allein was ſind dieſe Flecken? Die Meinungen der Aſtronomen waren lange darüber getheilt. Zuerſt glaubte man, daß es opake Auswürfe, gleichſam Schlacke oder Sonnenvulkane wären. Andere, wie Scheiner, hielten ſie für dunkle Planeten oder Satelliten der Sonne, die ſich, ſo wie Merkur und Venus, nur in geringeren Entfernungen um die Sonne bewegen. Man wollte daher dieſen Planeten auch beſondere Namen geben. So nannte ſie der Aſtronom Tarde die lunas Borbonicas, und Maupertuis die sidera austriaca, weil ſie Scheiner, ein öſterreichiſcher Jeſuit, entdeckt haben ſollte. Galilei, dem vorzüglich ihre Veränderlichkeit auffiel, hielt ſie für Wolken, die in der Sonnenatmoſphäre ſchwimmen. Andere endlich waren der Anſicht, daß das die Sonne bedeckende Lichtmeer einer Art von Ebbe und Fluth unterworfen ſey, durch welche zuweilen die unteren Gegenden, Theile jenes Meeresbodens, oder auch früher bedeckte Berge, bloß gelegt werden. Man ſieht, daß dieſe Meinungen keiner umſtändlichen Widerlegung bedürfen.

Die letzte Anſicht beſonders ſchien demungeachtet ſelbſt Lalande ſehr annehmbar, obſchon er einige Modificationen an dieſelbe an - gebracht hatte. Er hält dieſe Flecken für Bergſpitzen, die über die Lichtſphäre der Sonne ſich zu erheben ſcheinen, wenn die letzte ſich zuweilen gegen den Mittelpunkt herabzieht. Die oben erwähnte graue Einfaſſung erklärt er dadurch, daß dieſes Lichtmeer, wo es den Berg berührt, in größeren Entfernungen von dem Gipfel, allmählig tiefer wird, und immer weniger von dem an ſich dunkeln Berge durchſchimmern läßt. Allein dagegen ſpricht die ganz gleichförmige Schattirung des oft ſehr breiten Randes, die doch, wenn jene Erklärung richtig wäre, nur allmählig lichter werden müßte, ſo wie auch die ſcharfe Begränzung der beiden Seiten dieſer Ränder.

Der ältere Herſchel ſuchte dieſe Erſcheinungen durch eine dreifache Kugelſchale zu erklären, die den ebenfalls kugelförmigen, aber an ſich dunklen Körper der Sonne umgeben ſoll. Nach ſeiner Darſtellung (Philos. Transact. 1801) beſteht die erſte oder äußerſte ſphäriſche Umgebung der Sonne aus einem Lichtmeer43Die Sonne.(Photoſphäre), welche durch eine zweite, unter ihr liegende, äußerſt elaſtiſche und transparente Umgebung immer in einer großen Höhe über der Sonne erhalten wird. Unter dieſer zweiten liegt endlich eine wolkenartige, dunkle Schichte. Durch die Revolutionen, welche auf der oberſten Lichtſphäre vor ſich gehen, und die ſich auch den beiden andern, tiefer liegenden Einhüllungen der Sonne mittheilen, durch die heftigen Schwankungen, denen dieſes Licht - meer ausgeſetzt iſt, trennt es ſich zuweilen an einzelnen Stellen, wo es gleichſam Riſſe bekömmt. Durch die Höhlen, die auf dieſe Weiſe in der höchſten Sonnenſchichte entſtehen, und um welche ſich die Lichtmaterie dieſer Schichte gleichſam in Wänden aufthürmt, durch dieſe Höhlen dringen nun die Strahlen der leuchtenden Wände, erhellen dadurch, nachdem ſie durch die transparente zweite Hülle ungehindert durchgedrungen ſind, die unterſte, dunkle Wolkenſchichte, und bilden auf dieſe eiſe jenen aſchgrauen Rand. Da dieſe Spalten oder Riſſe, wie geſagt, meiſtens allen drei Umgebungen der Sonne gemeinſchaftlich ſind, ſo wird dadurch auch der unterſte Körper, der eigentliche Kern der Sonne, unſern Augen bloßgelegt, aber dieſer kann von den erwähnten lichten Wänden der oberſten Lichtſphäre nicht mehr beleuchtet werden, weil er von den ihm zunächſt liegenden Wolken der dritten oder unterſten, dunklen Schichte beſchattet wird, wodurch alſo die eigentliche ſchwarze Stelle des Fleckens erzeugt wird. Dieſe Erklärung thut den Erſcheinungen, ſo weit wir ſie kennen, allerdings genug, und ſie wird daher auch als die beſte und ſinnreichſte von allen, die man bisher aufgeſtellt hat, angeſehen.

§. 34. (Entdeckung der Sonnenflecken.) Die Ehre der erſten Entdeckung der Sonnenflecken, die bald nach der Erfindung der Fernröhre ſtatt hatte, ſcheint dem Engländer Harriot zu ge - hören. Baron Zach ſah in den hinterlaſſenen Papieren dieſes Aſtronomen Beobachtungen von Sonnenflecken, die mit dem 8. Dezember 1610 anfingen. (Berl. Ephem 1788 p. 154). Allein dieſe Beobachtungen blieben, wenigſtens auf dem Feſtlande Europas, ſehr lange unbekannt. Der berühmte Arzt Averroes von Cordova, der im zwölften Jahrhunderte lebte, hat wohl der erſte einen großen Sonnenflecken mit freyen Augen geſehen, aber die Sache erregte keine Aufmerkſamkeit und hatte um ſo weniger Folge, als44Die Sonne.er, obſchon mit Unrecht, dieſen Flecken für den Planeten Merkur hielt.

Das erſte Werk, welches über dieſen Gegenſtand erſchien, iſt das des Joh. Fabricius Phrysius (eines Friesländers) unter dem Titel: De maculis in sole observatis. Wittemberg. 1611. Er erzählt, daß er eines Morgens einen ſchwarzen, auf der einen Seite grauen Flecken in der Sonne bemerkt, und denſelben an - fangs für eine Wolke gehalten habe. Nachdem er ihn aber wiederholt an demſelben Tage, und mit verſchiedenen Fernröhren, immer an derſelben Stelle gefunden hatte, fing er an, an der wolkenartigen Natur dieſer Erſcheinung zu zweifeln. Bald darauf erhob ſich die Sonne ſchon zu ſehr über den Horizont, und man konnte ſie, ohne Beſorgniß für ſeine Augen, nicht mehr anſehen*)Man kannte damals noch nicht die gefärbten Plangläſer, die man jetzt vor die Oculare der Fernröhre ſtellt, um das Licht der Sonne zu dämpfen. Scheiner bediente ſich um dieſelbe Zeit zu ſeinen Sonnenbeobachtungen eines eigenen Fernrohrs, deſſen Objectiv und Ocular aus gefärbtem Glaſe gemacht war. Andere ſchlugen mehrfach über einander gelegte Spinnengewebe vor, die man nach Art eines Schleiers über das Objectiv breitete. Auf jene gefärbten Plangläſer ſcheint man erſt ſpät gekommen zu ſeyn, da man ſie nicht ſatt genug zu färben ver - ſtand, da man nicht darauf dachte, mehrere derſelben über ein - ander zu legen, und da man auch fürchtete, daß dadurch die Bilder der Gegenſtände verzogen werden. Huyghens ſchlug einfache Spiegelgläſer dazu vor, die man auf der einen Seite mit Lampenruß ungleich beräucherte, und dann mit einem zweiten ähnlichen Glaſe bedeckte, um die berußte Seite des andern ungeſtört zu erhalten.. Nicht ohne Furcht brachte er die folgende Nacht zu, da ihn der Argwohn, daß es nur eine vorübergehende Wolke ſeyn könnte, noch immer, nicht ganz verlaſſen hatte. Deſto größer war ſeine Freude, als er am folgenden Morgen ſeinen Gaſt wieder, und beinahe an derſeben Stelle der Sonnenſcheibe erblickte. Jetzt ließ er die Sonnenſtrahlen durch eine kleine Oeffnung ſeines Fenſter - ladens, in einem verfinſterten Zimmer, auf eine weiße Tafel fallen, und konnte auf dieſe Weiſe das Bild der Sonne und des Fleckens auf dieſer Tafel den ganzen Tag durch beobachten. Er bemerkte bald, daß der Flecken ſich von Oſt gen Weſt langſam45Die Sonne.fortbewege. Auch kamen in den nächſten Tagen noch mehrere andere Flecken zu dem erſten, die alle dieſelben Erſcheinungen zeigten. Etwas ſpäter verſchwand der erſte Flecken an dem weſt - lichen Rande der Sonne, und nach etwa zwei Wochen ſah er ihn an dem öſtlichen Rande wieder eintreten. Er ſchloß daraus mit Recht, daß dieſe Flecken ſich um der Sonne Mittelpunkt bewegen. Seine Freude über dieſe Entdeckung wurde dadurch etwas ver - mindert, daß er die Veränderlichkeit der Geſtalt dieſer Flecken, ja ſogar ihr völliges Verſchwinden in der Mitte der Sonnenſcheibe bemerkte, und daß alſo dieſe Flecken keine permanenten Körper ſind. Demungeachtet zieht er aus ſeinen Beobachtungen mit Recht den Schluß, daß die Sonne ſich um ſich ſelbſt drehen müſſe, wie dieß ſchon Jordan Bruno (der i. J. 1600 wegen ſeiner zu liberalen religiöſen Geſinnungen lebendig verbrannt wurde), und ſpäter auch Kepler behauptet hatte.

Der bereits erwähnte Jeſuit, Chriſtoph Scheiner aus Schwaben, ſuchte die Entdeckung der Sonnenflecken für ſich zu vindiciren. Sein Werk, Rosa Ursina, welches die Beobachtungen dieſer Flecken enthielt, erſchien aber erſt i. J. 1630 zu Bracciano in Italien. Er ſoll den erſten Flecken zu Ingolſtadt, wo er Profeſſor war, im März 1611 geſehen und ihn ſeinen Zuhörern gezeigt haben. Die Nachricht davon verbreitete ſich, wie er ſagt, ſehr ſchnell, und er wurde von mehreren Freunden dringend erſucht, ſeine Entdeckungen bekannt zu machen, allein er wurde daran durch die Betrachtung gehindert, daß die Sache zu neu und mit den Grundſätzen der Philoſophie ſeiner Zeit nicht im Einklange erſcheinen müßte. Flecken oder Fehler in der Sonne zu ſehen, ſchien allen bisher gehegten Ideen von dieſem Geſtirne, dem Sinnbilde der höchſten Reinheit, zu widerſprechen. Demungeachtet wollte er es endlich wagen, ſeine Beobachtungen öffentlich mit - zutheilen, aber ſein Provinzial, Theodor Buſäus, ein peripa - tetiſcher Zelot, hielt ihn davon zurück, indem er ihm ſagte: Von ſolchen Dingen habe ich nichts in meinem Ariſtoteles geleſen: das ſind bloße Einbildungen oder Fehler deines Auges, oder endlich deiner Gläſer, mein Sohn, und du wirſt beſſer thun, dieſe Sache bei dir zu behalten. Demungeachtet konnte Scheiner nicht ganz ſchweigen, und gab daher ſeinem Freunde46Die Sonne.Velſer, Bürgermeiſter von Augsburg, im Dezember 1611 in drei Briefen, von ſeiner Entdeckung Nachricht, welche Briefe denn der letzte im Januar 1612 unter dem angenommenen Titel: Apelles post tabulam drucken ließ.

Auch Galilei hatte dieſe Flecken ſchon im Anfange des Jahres 1611, alſo nahe gleichzeitig mit Fabricius geſehen, und darüber ſogleich ſehr richtige Anſichten aufgeſtellt. Später ent - wickelte ſich ein heftiger Streit zwiſchen Galilei und Scheiner, indem der erſte den andern des Plagiats beſchuldigte, und be - hauptete, die Sonnenflecken vor allen zuerſt geſehen zu haben. Wie dieß auch ſeyn mag, Scheiner hat wenigſtens die Sonnen - flecken mit fortgeſetztem Fleiße beobachtet. Sein Werk enthielt 774 Folioſeiten, die ganz dieſen Beobachtungen gewidmet ſind, und man ſieht, daß er auch die Theorie dieſer Flecken, und ihre Bewegungen richtig aufgefaßt hatte. Galilei lobte ihn früher ſelbſt wegen ſeines hohen und ſeltenen Talents, und Hevel, dem in dieſer Sache wohl ein Urtheil zuſtand, nennt ihn einen Mann incomparabilis et omnigenae eruditionis, qui hac in re om - nibus palmam praeripuit. Scheiner beobachtete die Sonnen - flecken unausgeſetzt, von dem Jahre 1618 bis 1627, durch neun Jahre, und reduzirte alle ſeine Beobachtungen auf die Ecliptik. Wir werden bald ſehen, zu welchem Zwecke dieſe Beobachtungen eigentlich angeſtellt worden, und daß eben dieſem Zwecke die bereits erwähnte Veränderlichkeit dieſer Flecken ſehr hinderlich iſt. Es wäre ſehr zu wünſchen, daß man unter den vielen, die oft in kurzer Zeit erſcheinen, nur wenigſtens einen herausfinden könnte, der weder ſeine Geſtalt, noch ſeinen Ort auf der Sonnenſcheibe beträchtlich änderte, und den man durch mehrere Revolutionen mit Genauigkeit verfolgen könnte. Aber Flecken dieſer Art ſcheinen ſehr ſelten zu ſeyn. Derjenige, den man unter allen bisher geſehenen noch am längſten beobachten konnte, war der vom Ende des Jahres 1676, welchen Caſſini durch volle 70 Tage, alſo durch nahe drei volle Revolutionen verfolgte.

§. 32. (Sonnenflecken, als Mittel, die Rotation der Sonne zu beſtimmen.) Wenn dieſe Flecken in der That mit der Ober - fläche der Sonne, auf irgend eine Weiſe, wenigſtens auf einige Zeit, in feſter Verbindung ſtehen, ſo kann man ſich ihrer als47Die Sonne.eines Mittels bedienen, die Umdrehung der Sonne um ihre Achſe, und zugleich die Lage dieſer Achſe im Weltraume, zu beſtimmen. Auch hat man dieſen Verſuch ſehr bald nach der Entdeckung der Sonnenflecken gemacht, und die Sonne war auch unter allen Himmelskörpern der erſte, deſſen Rotation man auf dieſe Weiſe erkannt und beſtimmt hat.

Man bemerkte bald, daß die Wege, welche dieſe Flecken auf der Sonnenſcheibe beſchreiben, in verſchiedenen Jahreszeiten auch eine verſchiedene Geſtalt und Krümmung haben. Am Ende des erſten Drittheils des Junius und des Decembers, erſcheinen ſie als gerade Linien; in allen andern Jahreszeiten ſind ſie krumme Linien, und zwar wenden ſie ihre erhabene oder convexe Seite ein halbes Jahr gegen Nord oder aufwärts, und die folgenden ſechs Monate gegen Süd oder abwärts. Ihre ſtärkſte Krümmung nach oben haben ſie im Auguſt, und nach unten im Februar. Endlich bemerkte man noch, daß die Zeit zwiſchen zwei nächſten Durch - gängen der Flecken durch denſelben öſtlichen oder weſtlichen Rand der Sonne nahe 27 Tage betrage. Dieſe Beobachtungen reichen ſchon hin, uns mit den Umſtänden der Rotation der Sonne um ihre Axe wenigſtens im Allgemeinen bekannt zu machen.

Wenn die Sonne ſich um eine Axe dreht, ſo müſſen alle Punkte ihrer Oberfläche, alſo auch die Sonnenflecken, Kreiſe be - ſchreiben, deren Ebenen auf dieſer Axe ſenkrecht ſtehen, und deren Mittelpunkte alle in dieſer Axe liegen müſſen. Von dieſen Kreiſen wird derjenige, der durch den Mittelpunkt der Sonnenkugel geht, oder der gleichweit von den beiden Polen der Axe entfernt iſt, der größte ſeyn, und wir werden ihn daher, analog mit der Erde, den Sonnenäquator nennen können. Dieſer größte Kreis der Sonne, und ſomit auch alle andern, mit ihm parallelen Kreiſe der Sonnenflecken, wird nun den Beobachtern auf der Erde unter verſchiedenen Geſtalten erſcheinen können, I. als eine gerade Linie, wenn wir nur ſeine Kante ſehen, oder wenn die Ebene des Sonnenäquators mit der Ecliptik zuſammenfällt. II. Als ein eigentlicher Kreis, wenn unſere Geſichtslinie auf dem Sonnen - äquator ſenkrecht ſteht, oder wenn der Sonnenäquator gegen die Ecliptik, unter einen Winkel von 90 Graden geneigt iſt, und endlich III. als eine Ellipſe, wenn wir den Sonnenäquator nur48Die Sonne.ſchief ſehen, oder wenn er eine Neigung gegen die Ecliptik hat, die größer als Null und kleiner als 90° iſt.

§. 36. (Wie uns die Bahnen der Sonnenflecken erſcheinen.) Der letzte dieſer drei Fälle iſt der, in welchem ſich die Erde in Beziehung gegen die Sonne befindet. Wir ſehen die an ſich kreis - förmigen Bahnen der Sonnenflecken im Allgemeinen als Ellipſen, alſo müſſen ſie, und daher auch der, ihnen allen parallele Aequator, in einer, gegen unſer Auge, ſchiefen Lage ſtehen. Da aber unſer Auge ſelbſt ſich, ſammt der Erde, um die Sonne bewegt, ſo kann jene Lage gegen uns eine veränderliche ſeyn, ſelbſt wenn, wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, die Lage des Sonnenäquators gegen die feſte Ecliptik, ebenfalls feſt und unveränderlich wäre.

Da dieſer Aequator, deſſen Ebene man ſich, wie eine endloſe Tafel, nach allen Seiten unbegränzt verlängert denken kann, mit der Ebene der Ecliptik, in welcher ſich die Erde bewegt, nicht zuſammenfällt, ſo wird die Erde, während ihrer Bewegung um die Sonne, ein halbes Jahr über, und eben ſo lange unter dieſen Aequator, und nur zwei Augenblicke im Jahre wird ſie in der Ebene dieſes Aequators ſelbſt ſich aufhalten müſſen. In dieſen beiden letzten Momenten werden uns demnach die Bahnen der Flecken als gerade Linien erſcheinen müſſen, und da dieß, wie geſagt, am 10 Junius und am 10 Dezember geſchieht, wo die Länge der Erde, von der Sonne geſehen, 258 und 78 Grade be - trägt, ſo muß die durch die Sonne gehende Knotenlinie des Sonnenäquators mit der Ecliptik auch dieſelbe Länge haben. Kennt man aber einmal dieſe Durchſchnittslinie beider Bahnen, ſo wird man durch einige leichte geometriſche Betrachtungen auch bald den Winkel finden, unter welchem dieſe Bahnen gegen ein - ander geneigt ſind. Man ſieht, daß die Beobachtung der größten Krümmungen jener Curven, im Februar und Auguſt, dazu vor - züglich geſchickt ſeyn wird. Auf dieſe Weiſe hat man gefunden, daß die Länge des aufſteigenden Knotens des Sonnenäquators (§. I.) mit der Ecliptik 258 Grade, und daß die Neigung dieſer beiden Ebenen etwas über 8 Grade beträgt, wodurch nun die Lage des Sonnenäquators im Weltraume vollkommen beſtimmt iſt.

§. 37. (Rotationszeit der Sonne.) Noch iſt die Beantwortung der Frage übrig, in welcher Zeit ſich die Sonne um ihre Axe49Die Sonne.bewegt. Wir haben bereits geſehen, daß die Zeit zwiſchen den zwei nächſten Erſcheinungen oder Verſchwindungen eines Fleckens an dem Sonnenrande 27 Tage beträgt. Dieß iſt aber noch nicht die wahre Rotationszeit der Sonne, denn da die Erde in ihrer jährlichen Bewegung in 27 Tagen auch nahe 27 Grade zurücklegt, ſo muß der Flecken in 27 Tagen nicht bloß den ganzen Umfang der Sonnenkugel, nämlich nicht bloß 360 Grade, ſondern noch 27 Grade mehr zurückgelegt haben, um das zweitemal am öſtlichen Rande der Sonne zu erſcheinen, ſo daß man daher die Proportion hat 387°: 360° = 27 T.: x T. oder, da x gleich 25,12 Tage iſt, ſo beträgt auch die Umlaufszeit der Sonne um ihre Axe 25 Tage und nahe 3 Stunden.

Uebrigens müſſen wir bemerken, daß die Aſtronomen noch immer weder jene Lage des Sonnenäquators, noch auch dieſe Rotationszeit derſelben genau kennen, weil dieſe Beobachtungen der Sonnenflecken, wegen der bereits erwähnten Veränderlichkeit der - ſelben, ſehr ſchwer mit der hier nöthigen Genauigkeit aufzuſtellen ſind, aus welcher Urſache auch nur wenige Aſtronomen der neuern Zeit dem Gegenſtande die Aufmerkſamkeit gewidmet haben, deren er ſonſt in einem ſo hohen Grade würdig iſt, da es in vielen andern, ſehr wichtigen Beziehungen von dem größten Intereſſe ſeyn würde, die Poſition dieſes Aequators ſowohl, als auch die Veränderungen, welchen dieſelbe ohne Zweifel unterworfen iſt, näher kennen zu lernen.

§. 38. (Einfluß der Sonnenflecken auf unſere Witterung.) Noch dürfen wir hier der ſehr verbreiteten Meinung Erwähnung thun, daß die Sonnenflecken einen bedeutenden Einfluß auf unſere Witterung haben ſollen. Allein es fehlt uns noch an lange genug fortgeſetzten Beobachtungen, um dieſen Einfluß verbürgen zu können. Wenn dieſer Flecken ſo viele erſcheinen, daß ſie, wie vielleicht in den bereits oben erwähnten zwei Jahren des ſechsten und ſiebenten Jahrhunderts, große Theile der Sonne bedecken, ſo kann dann eine Wirkung derſelben auf unſere Witterung wohl nicht bezweifelt werden. Uebrigens hat man in der Erſcheinung dieſer Flecken bisher nichts Regelmäßiges entdeckt. Nur ſelten findet man die Sonne ganz frei von ihnen, aber auch eine großeLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 450Die Sonne.Anzahl gleichzeitiger Flecken gehört zu den ſeltenen Erſcheinungen. Scheiner hat einmal über fünfzig an einem Tage bemerkt, obſchon er zu einer andern Zeit oft wieder Monate durch kaum einen einzigen etwas beträchtlicheren ſehen konnte. Lalande war der Meinung, daß es beſondere Stellen der Sonne gebe, die für die Bildung der Flecken vorzüglich günſtig ſind, allein auch dieſe Be - merkung hat ſich nicht beſtätigt, obſchon es übrigens bekannt iſt, daß man dieſe Flecken gewöhnlich nur in der Nähe des Aequators der Sonne, bis nahe dreißig Grade zu beiden Seiten deſſelben, ſieht, ſo, daß ſie alſo gleichſam ihren eigenen Zodiacus zu haben, und daß ihre Entſtehung mit der Rotation der Sonne, die in der Nähe des Aequators am ſchnellſten iſt, in irgend einer Verbindung zu ſtehen ſcheint.

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Kapitel II. Merkur.

§. 39. (Entfernung, Umlaufszeit u. f. dieſes Planeten.) Unter allen Planeten iſt Merkur der nächſte an der Sonne. Unſere Fernröhre zeigen uns daher von ihm wenig mehr, als daß er rund iſt, und, wenn dieſe Fernröhre ſehr gut ſind, daß er Phaſen, d. h. eben ſolche Lichtabwechslungen, wie unſer Mond, hat. Er iſt nämlich zu klein, meiſtens zu weit von uns entfernt, und hält ſich endlich zu ſehr in dem ſtarken Lichte der Sonne auf, als daß wir hoffen könnten, ihn bald genauer kennen zu lernen. Das Meiſte von dem, was wir von ſeiner phyſiſchen Beſchaffenheit wiſſen, verdanken wir dem unvergeßlichen Schröter in Lilienthal, der ihn mit ſeinen ſtarken Spiegelteleſcopen auf das eifrigſte ver - folgte. (M. ſ. deſſen hermographiſche Fragmente im IIIten Bande der Beiträge zu den neueſten aſtr. Entdeckungen. Götting. 1800.)

Die mittlere Entfernung dieſes Planeten von der Sonne, oder die halbe große Axe ſeiner Bahn beträgt, 0,387 Halbmeſſer der Erdbahn, oder 8,082,000 Millionen d. Meilen. Da aber dieſe ſeine Bahn ſehr elliptiſch iſt, ſo iſt ſeine wahre Entfernung von der Sonne ſehr veränderlich. Im Perihelium ſteht er nur 7,413,000, im Aphelium (I.) aber 9,752,000 Meilen von der Sonne ab. Mit andern Worten, ſeine kleinſte Entfernung von der Sonne beträgt 66,5, ſeine mittlere 83,7, und ſeine größte 100,9 Sonnen -4 *52Merkur.halbmeſſer, welcher letzte 94,000 Meilen hat. Noch beträchtlicher unter einander verſchieden ſind ſeine Entfernungen von der Erde, da die kleinſte derſelben 10 und die größte über 30 Mill. Meilen beträgt.

Sein Halbmeſſer beträgt nur 300 Meilen, alſo nur den dritten Theil des Erdhalbmeſſers, wie er denn überhaupt unter den ſieben ältern Planeten (I.) bei weitem der kleinſte iſt. Seine Oberfläche iſt daher nur 1,073.000 Quadratmeilen groß, oder kaum der zehnte Theil von der Oberfläche der Erde, und ſein körperlicher Inhalt, oder ſein Volum, das 104 Mill. Kubikmeilen beträgt, iſt nur der 4 / 100te Theil des Volums der Erde, oder aus der Erde würden ſich 25 ſolche Kugeln wie Merkur bilden laſſen.

Da er der Sonne, dieſer eigentlichen Quelle der Bewegungen aller Planeten, ſo nahe ſteht, ſo iſt ſeine Bewegung um dieſen Centralkörper von allen die ſchnellſte. In der That legt er in ſeiner mittleren Geſchwindigkeit in jeder Stunde 6,7 Meilen, oder in einem Tage ſchon 578,880 Meilen zurück. Seine ganze Bahn um die Sonne vollendet er, in Beziehung auf die Fixſterne, in 87,969, und in Beziehung auf die Nachtgleichen (I.) in 87,968 Tagen, und zwar in einer Bahn, die nahe ſieben Grade, alſo ſtärker, als alle andern ältern Planetenbahnen, gegen die Ecliptik geneigt iſt. Seine ſynodiſche Umlaufszeit endlich (I. §. 98) be - trägt 115,87 Tage.

§. 40. (Maſſe und Dichtigkeit Merkurs.) Wir werden weiter unten die Mittel kennen lernen, die Maſſen der Planeten, d. h. die Menge der materiellen Elemente, aus denen ſie beſtehen, oder, wenn man lieber will, die gegenſeitigen Gewichte derſelben zu beſtimmen, ſo wie auch die Dichtigkeit dieſes materiellen Stoffes, aus dem ſie beſtehen. Wir werden uns indeß der Vollſtändigkeit wegen erlauben, bei jedem Planeten dieſe beiden Eigenſchaften ſchon jetzt mit aufzuführen. Die Maſſe Merkurs alſo iſt nur von der Maſſe der Erde, d. h., wenn man die Erde in eine Wagſchaale legen könnte, ſo müßte man in die andere ſechs ſolche Kugeln, wie Merkur, legen, um die Waage im Gleichgewichte zu erhalten. Da aber die Dichtigkeit eines jeden Körpers nichts anderes, als ſeine Maſſe dividirt durch ſein Bolum iſt, ſo würde,53Merkur.wenn das Volum Merkurs auch nur der ſechste Theil des Volums der Erde wäre, die Dichtigkeit Merkurs gleich der der Erde ſeyn. Allein das Volum dieſes Planeten beträgt, wie bereits geſagt, nur den 25ſten Theil des Volums der Erde, alſo iſt auch die Dichtigkeit deſſelben gleich 25 / 6 oder nahe viermal ſo groß als die Dichtigkeit der Erde. Die mittlere Dichtigkeit der Erde iſt aber bekanntlich nahe 5 mal größer, als die des reinen Waſſers, alſo iſt auch die Dichtigkeit des Merkurs nahe 20 mal größer, als die des Waſſers, oder die Maſſe Merkurs beſteht aus einer Materie, die nahe eben ſo dicht als unſer Gold oder Platin iſt.

Auf unſere Erde fallen die Körper, wenn ſie ihrer Unter - ſtützung beraubt werden, in der erſten Secunde, nach den zahl - reichen Beobachtungen, die wir auf der Oberfläche der Erde an - geſtellt haben, durch 15,1 Par. Fuß. Da wir nicht auf die Ober - fläche Merkurs oder einer der andern Planeten kommen, alſo auch keine Beobachtungen daſelbſt anſtellen können, ſo ſollte man glauben, daß es den Menſchen immer verſagt ſeyn wird, zu erfahren, wie ſich die fallenden Körper auf jenen Planeten verhalten. Wir werden aber weiter unten Gelegenheit haben, zu zeigen, daß dieſe Beſtimmungen in der That ſehr leicht ſind, wenn man einmal die Maſſe und den Halbmeſſer dieſer Planeten kennt. Eine ganz einfache Rechnung lehrt uns, daß dieſer freie Fall der Körper auf der Oberfläche Merkurs in der erſten Secunde 14.1 Fuß, alſo genau einen Fuß weniger, als auf der Erde beträgt.

§. 41. (Durchmeſſer Merkurs.) Ein an ſich ſo kleiner und von uns ſo weit entfernter Körper kann uns nur unter einem ebenfalls ſehr kleinen Winkel erſcheinen. In der That, beträgt ſein ſcheinbarer Durchmeſſer, ſelbſt wenn er am größten, oder wenn der Planet uns am nächſten iſt, nur 12 Sec., und in ſeiner größten Entfernung nur nahe 4 Sec. Die Beobachter auf der Sonne aber, wenn dieſe in der That exiſtiren, und wenn ſie vor dem blendenden Lichte der Sonne die Planeten noch ſehen können, würden ihn in ſeiner mittleren Entfernung unter dem Winkel von etwa 15 Sec., alſo nahe eben ſo groß ſehen, als ihnen die an ſich ſo viel größere, aber auch weiter entferntere Erde erſcheint. Da - gegen ſehen die Beobachter auf der Oberfläche Merkurs die ihnen54Merkur.ſo nahe Sonne unter einem ſcheinbaren Durchmeſſer von 4980 Sec., oder nahe mal ſo groß, als wir von der Erde den Sonnen - durchmeſſer ſehen, und die Oberfläche der ganzen Sonnenſcheibe ſehen ſie nahe ſiebenmal größer als wir.

§. 42. (Temperatur und Beleuchtung auf Merkur.) Dieſe Nähe der Sonne muß auch auf die Temperatur Merkurs einen bedeutenden Einfluß haben. Die Beleuchtung, welche dieſer Planet von der Sonne erhält, oder die Helligkeit ſeiner Tage iſt nahe ſiebenmal größer, als bei uns, und in demſelben Verhältniſſe mag auch die Temperatur oder die Intenſität der Wärme ſeyn, welche die Oberfläche Merkurs und der Erde von der Sonne er - halten. Eine ſolche Helligkeit des Tageslichtes würde unſere Augen blenden, und eine ſiebenmal höhere Temperatur würde dem Leben aller unſerer Thiere und Pflanzen ſehr ſchnell ein Ende machen. Welche von uns völlig verſchiedene, welche ganz anders organiſirte Weſen mögen daher dieſe Planeten bewohnen, und wie vielmehr noch mögen ſie von den Bewohnern des Uranus, des entfernteſten aller Planete, verſchieden ſeyn, auf deſſen Oberfläche die Intenſität der Beleuchtung ſowohl, als die der Erwärmung nicht weniger als 330 mal kleiner iſt, als auf der Erde, alſo über 2300 mal kleiner als auf der Oberfläche Merkurs. Wenn daher unſere Metalle auf der Oberfläche Merkurs wegen der großen dort herrſchenden Hitze in beſtändigen Flüſſen ſind, wie unſer Queck - ſilber, ſo würden auf jenen des Uranus nicht nur alle unſere, ſelbſt unſere geiſtigen Flüſſigkeiten, ſondern vielleicht ſelbſt die Luft zu einem feſten Körper erſtarren, und beide Extreme würden für Organiſationen unſerer Art gleich unerträglich und zerſtörend ſeyn.

§. 43. (Sichtbarkeit Merkurs.) Man erkennt dieſen Planeten an ſeiner hellweißen Farbe und an ſeinem intenſiven Lichte, das, durch gute Fernröhre beſehen, die A gen blendet, daher man, in ſehr lichtſtarken Teleſcopen, ſchwach gefärbte, ſogenannte Dampf - gläſer vor das Ocular ſtellen muß, wie bei der Sonne, um ſeine Begränzung ſchärfer zu ſehen. Gewöhnlich iſt er mit freien Augen ſchwer zu finden, da er ſich immer in der Nähe der Sonne auf - hält, von deren Lichte er gleichſam verdunkelt oder verdrängt wird. In der That entfernt er ſich nie weit von der Sonne, und iſt55Merkur.daher nur, wenn er ihr weſtlich ſteht, Morgens kurz vor Sonnen - aufgang am öſtlichen Himmel, und wenn er ihr öſtlich ſteht, Abends bald nach Sonnenuntergang am weſtlichen Himmel einige Zeit durch ſichtbar, wo man ihn daher immer in dem Dämmer - lichte der Sonne und nahe am Horizonte ſuchen muß. Man möchte beinahe glauben, daß die alten Griechen viel beſſere Augen, als wir gehabt haben, da ſie dieſen Planeten nicht nur ſo oft ſehen, ſondern ihn ſogar fortgeſetzt beobachten, und aus dieſen Beobachtungen die Theorie ſeiner Bewegung ableiten konnten. Zwar ſind die Tafeln deſſelben, wie ſie uns Ptolemäus überliefert hat, die unvollkommenſten von allen ſeinen Planetentafeln, und der Fehler derſelben geht, wenn man ſie mit unſern neuern Tafeln vergleicht, bis auf ſieben volle Grade. Aber auch in dieſem Zu - ſtande noch können ſie als ein Beweis des Fleißes jener Aſtro - nomen betrachtet werden, die noch keine Fernröhre zu ihrem Gebothe hatten, und gewiß nicht ohne lang fortgeſetzte Beobachtungen auch nur die Bewegung dieſes Geſtirns erkennen konnten. Coper - nikus ſoll es noch auf ſeinem Sterbebette betrauert haben, daß er in ſeinem ganzen Leben den Merkur auch nicht ein einziges mal geſehen hatte, ſo viel er ſich auch darum bemühte. Möſtlin, der Lehrer des großen Kepler, ſagte oft ſcherzend, daß dieſer Planet nur da zu ſeyn ſcheine, um die Aſtronomen in ein ſchlechtes Licht zu ſtellen, und Riccioli hielt den himmliſchen Merkur für eben ſo unergründlich für die Aſtronomen, als den irdiſchen (das Queck - ſilber) für die Chemiker und Alchimiſten. Seit indeß die Fern - röhre entdeckt, und in unſern Tagen auf einen ſo hohen Grad der Vollkommenheit gebracht worden ſind, hat man weiter keine Schwierigkeit, ihn ſelbſt um Mittag, und in einer ſehr geringen Entfernung von der Sonne zu ſehen. Oefters ſoll es ſich jedoch ereignen, daß man ihn auch mit dieſen Hülfsmitteln zu einer Zeit, wo man ihn ſeiner Stellung gegen Erde und Sonne wegen, am beſten ſehen ſollte, nur mit Mühe erkennen kann, und man glaubt dieſe Sonderbarkeit dadurch zu erklären, daß einzelne Theile ſeiner Oberfläche das Licht der Sonne weniger gut reflectiren, als andere.

§. 44. (Größtes Licht Merkurs.) Wir haben bereits oben (I. §. 94) den ſcheinbaren Lauf dieſes Planeten um die Sonne56Merkur.umſtändlich angegeben und geſagt, daß er ſich von derſelben im Mittel nur um 23 Grade öſtlich oder weſtlich entfernt. Allein wenn er zu dieſer Zeit zugleich in ſeinem Aphelium iſt, ſo kann dieſe Entfernung von der Sonne, wegen der großen Excentricität ſeiner Bahn, bis auf 29 Grade ſteigen. Man nennt dieß ſeine größte Elongation und zu dieſer Zeit, ſollte man glauben, müßte man ihn am leichteſten und beſten ſehen, weil er da von dem viel ſtärkern Lichte der Sonne am meiſten entfernt iſt, und auch bei Auf - oder Untergang der Sonne noch am höchſten über dem Horizonte ſteht. Allein zur Zeit der größten Elongation iſt er auch noch zu ſehr von der Erde entfernt und wendet uns einen zu kleinen Theil ſeiner von der Sonne beleuchteten Hemiſphäre zu, um hier in ſeinem größten Lichte zu glänzen. Dieſe Verhältniſſe ſind im Gegentheile am günſtigſten, wenn er etwas näher bei ſeiner untern Conjunction mit der Sonne und nahe 15 oder 18 Grade von derſelben entfernt iſt.

§. 45. (Phaſen Merkurs.) Es iſt bereits geſagt worden, daß dieſer Planet uns ähnliche Lichtabwechslungen, wie der Mond, zeigt, was offenbar von ſeiner Stellung gegen Sonne und Erde kömmt. Die bloße Anſicht der Fig. 4 wird hinreichen, dieſe Phaſen Merkurs mit allen ihren Eigenheiten zu erklären. In ſeiner obern Conjunction (i) iſt er am weiteſten von der Erde T entfernt, erſcheint uns alſo auch am kleinſten. Da aber hier die von der Sonne S beleuchtete Hemiſphäre ganz der Erde zugewendet iſt, ſo hat er die Geſtalt einer ganzen kreisrunden, lichten Scheibe, wie der Mond zur Zeit ſeines Vollichtes. In ſeinem erſten Viertel (2) zeigt er uns nur mehr die eine Hälfte ſeiner beleuchteten Hemiſphäre auf ſeiner Weſtſeite. Wenn er in ſeiner Bahn noch weiter fortrückt, und nach (3) in ſeine untere Conjunction kömmt, ſo ſteht er der Erde am nächſten, und müßte ihr daher am größten erſcheinen. Allein da er hier ſeine beleuchtete Seite ganz von der Erde wegwendet, ſo ſehen wir ihn gar nicht. Bisher war Merkur Abendſtern, oder man ſah ihn nur nach Sonnenuntergang im Weſten an der öſtlichen Seite der Sonne; allein ſo wie er über (3) hinaustritt, wird er Morgen - ſtern und erſcheint vor Aufgang der Sonne im Oſten auf der57Merkur.weſtlichen Seite der Sonne. Anfangs, wo er der Sonne noch ſehr nahe erſcheint, ſieht man ihn nur wie einen feinen Silber - faden, wie den Mond in den erſten Tagen nach dem Neulichte, und ſeine öſtliche Seite wird immer mehr beleuchtet, bis er in (4), in ſeinem letzten Viertel, uns die Hälfte ſeiner lichten He - miſphäre, und endlich in (1) wieder die ganze beleuchtete Scheibe zuwendet. (Vergl. I. §. 94 112). Alle dieſe Erſcheinungen ſind den Beobachtungen vollkommen gemäß, und es iſt bereits oben (I. Cap. VIII. ) geſagt worden, daß man dieſe Phaſen als einen der treffendſten Beweiſe des Copernicaniſchen Planeten - ſyſtems anſehen kann. Zwar hat man eben dieſe Abweſenheit derſelben (da man, ſelbſt bei der Venus, dieſe Phaſen ohne Fern - röhre, die damals noch unbekannt waren, nicht ſehen kann) als einen Beweis gegen dieß Syſtem brauchen wollen, aber nichts beweiſt mehr die Sicherheit und die innige Ueberzeugung von der einmal erkannten Wahrheit, als daß Copernicus ſich durch dieſen damals allerdings ſehr gewichtvollen Einwurf nicht hindern ließ, und daß er kühn behauptete, daß dieſe Phaſen ganz gewiß exiſtiren, und daß wir ſie nur nicht ſehen können, weil unſere Augen dazu zu ſchwach ſind. Und in der That, kaum war das Fernrohr er - funden, als auch Galilei ſchon dieſe Phaſen, wenigſtens bei der Venus, wo ſie viel leichter zu ſehen ſind, entdeckt hatte. Die Geſchichte der Wiſſenſchaften enthält vielleicht nur noch einen einzigen analogen Fall eines ähnlichen beharrlichen Feſthaltens an der einmal entdeckten Wahrheit. Als Hutton ſeine Theorie von der Conſolidation der Felſen durch Anwendung der Hitze in einer großen Tiefe unter dem Spiegel des Meeres vortrug, und dieſe beſonders auf den einſt flüſſigen Marmor anwendete, wurde ihm entgegnet, daß wenigſtens bei dieſer und überhaupt bei allen kalkigen Steinarten eine ſolche Urſache der Conſolidation nicht zu - gelaſſen werden könne, weil die Hitze die Subſtanz derſelben auf - löſt und ſie in Kalk verwandelt, indem ſie die Kohlenſäure aus dem Steine treibt und nichts als eine Maſſe zurückläßt, die nicht weiter flüſſig gemacht und nicht einmal durch Hitze verändert werden kann; allein Hutton antwortete darauf, daß der große Druck, unter welchem die Hitze auf dieſe Steinart angebracht58Merkur.worden iſt, die Trennung der Kohlenſäure hindern muß, und daß daher bei dem Zurückbleiben derſelben die Flüſſigkeit des Kalk - ſteines gar wohl möglich ſeyn kann. Und ſchon die nächſte Ge - neration ſah die Beſtätigung dieſer eben ſo glücklichen, als kühnen Vorausſage. Was Hutton bloß als Meinung, aber als eine auf Verſtand und Erfahrung gegründete Meinung, vorgetragen hatte, wurde bald darauf eine Thatſache, die jeder ſehen, die Niemand mehr bezweifeln kann. James Hall ſchmilzt jetzt den Marmor, wie wir Wachs, wie wir alle Metalle ſchmelzen, und zwar bloß durch Zurückhaltung der Kohlenſäure unter einem heftigen Drucke.

§. 46. (Atmoſphäre Merkurs.) Um wieder zu den Phaſen Merkurs zurückzukehren, ſo muß noch bemerkt werden, daß man ſie zwar in unſern beſten Fernröhren ſehr deutlich und unbezweifelt als ſolche erkennt, daß aber doch die Grenzen derſelben, dort wo ſie die dunkle Seite des Planeten berühren, immer unbeſtimmt und gleichſam verwaſchen ſind. Man hat die Urſache davon zuerſt darin geſucht, daß Merkur immer dem Lichte der Sonne zu nahe und von uns nur in kleinen Höhen über dem Horizonte geſehen wird, wo unſere Luft noch zu dicht und mit fremdartigen Dünſten gemiſcht iſt. Allein Schröter erkannte bald, daß der wahre Grund dieſer Erſcheinung nicht in unſerer, ſondern vielmehr in der At - moſphäre Merkurs zu ſuchen iſt. Er hatte nämlich öfter einzelne Gegenden der Oberfläche dieſes Planeten ſich plötzlich aufhellen und nach einiger Zeit wieder verdunkeln ſehen, und er ſchloß daraus, daß dieß Wolken ſind, die über dieſen Planeten hin und wieder ziehen. Da ſich nun Wolken ohne ihren Träger, die Atmoſphäre, nicht denken laſſen, ſo war dadurch auch die Exiſtenz der Atmoſphäre Merkurs nachgewieſen. Da aber eine ſolche, ihrer Natur nach, in den untern, dem Planeten nähern Schichten, immer dichter ſeyn muß, und da die Lichtgrenze jener Phaſen diejenigen Gegenden des Planeten bezeichnet, für welche die Sonne eben auf - oder untergeht, ſo war daraus jene Unbeſtimmtheit der Lichtgrenze auf eine eben ſo leichte als genügende Weiſe zu erklären.

§. 47. (Rotation Merkurs.) Eigentliche Flecken, wie bei der Sonne, konnte Schröter auf der Oberfläche Merkurs nicht finden,59Merkur.weil vielleicht das Licht der Sonne ſie uns zu ſehen hindert. So - nach wäre es alſo auch unmöglich geweſen, über die Rotation dieſes Planeten um ſeine Axe irgend etwas feſtzuſetzen, allein die eben erwähnte Beobachtung der nur unbeſtimmt begrenzten Phaſen, die Schröter ſehr lange fortſetzte, gab ihm Gelegenheit, in ihnen ſelbſt ein Mittel zu finden, die Rotation des Planeten zu erkennen. Er fand nämlich, daß die eine Spitze des ſogenannten Horns des beleuchteten Theils ſeiner Geſtalt, ſich nach einer regelmäßigen Periode ändere, was wahrſcheinlich von großen Gebirgen in der Nähe des einen Poles verurſacht wird, und indem er dieſe Periode genau zu beſtimmen ſuchte, fand er, daß ſich Merkur in der That um ſeine Axe drehe, und zwar ſehr nahe in derſelben Zeit, in welcher auch die Erde ſich um ſich ſelbſt bewegt, ſo daß alſo die Tage Merkurs mit den unſern nahe von gleicher Dauer ſind.

§. 48. (Jahreszeiten auf Merkur.) Wenn aber auch die Tageszeiten auf dieſen beiden Planeten nur wenig verſchieden ſind, ſo ſind es dafür die Jahreszeiten deſto mehr. Zwar nicht an ihrer Intenſität oder in ihrem gegenſeitigen Verhältniſſe, denn dieſe hängt, wie wir oben (I. Cap. VII. ) geſehen haben, von der Neigung der Bahn des Planeten gegen ſeinen Aequator oder von der ſogenannten Schiefe der Ecliptik ab (I. §. 85.) und dieſe iſt bei Merkur, wo ſie 20 Gr. beträgt, nur wenig von dem bei uns verſchieden, wo ſie gleich 23 Gr. 28 Min. iſt. Allein die Schnel - ligkeit des Wechſels dieſer Jahreszeiten iſt dort viel größer, als hier, dort, wo jede der vier Jahreszeiten nur drei Wochen, oder näher 22 Tage dauert, während ſie bei uns 91 Tage, alſo mehr als viermal ſo lange währt. Dieſer ſchnelle Wechſel der Tem - peratur wird vielleicht auf der Oberfläche Merkurs eine Art von immerwährendem Frühlingswetter hervorbringen, wenn nicht die Zeit der Anweſenheit der Sonne bei Tag wegen ihrer großen Nähe eine zu ſtarke Hitze erzeugt, die von der darauf folgenden Nacht nicht wieder abgekühlt werden kann. Wenn man bedenkt, welche wichtige Rolle das Licht ſchon auf unſerer Erde ſpielt, ſo darf man auch vorausſetzen, daß die Sonne auf dem von ihr vorzüglich begünſtigten Planeten nicht nur mit ſtärkeren Farben malt, ſondern auch mit größerer Kraft in ſein Inneres dringt, und daß ſchon60Merkur.aus dieſem Grunde die Pflanzen und Thiere, welche dieſen Pla - neten bedecken, von denen unſerer Erde ungemein verſchieden ſeyn werden.

§. 49. (Hohe Berge auf Merkur.) Noch mag bemerkt wer - den, daß Schröter auf dem Merkur ſehr hohe Berge entdeckte, die ſich in Zügen von 40 und 60 Meilen Länge hinziehen. Die größten derſelben ſollen eine Höhe von 58,000 Fuß, alſo mehr als die doppelte Höhe der größten Berge der Erde haben. Die meiſten und höchſten dieſer Berge findet man bei dieſem ſowohl als auch bei allen andern Planeten, auf der ſüdlichen Hemiſphäre. Es iſt möglich, daß ſie zur Milderung der hohen Temperatur, die auf der Oberfläche Merkurs herrſchen mag, nicht wenig bei - tragen.

§. 50. (Vorübergänge Merkurs vor der Sonnenſcheibe.) Wenn dieſer Planet zur Zeit ſeiner untern Conjunction [in (3) der Fig. 4] nahe bei der Ecliptik, alſo auch nahe bei ſeiner Knoten - linie (ſ. Bd. I.) iſt, ſo ſieht man ihn als einen kleinen, runden, ſchwarzen Flecken vor der Sonnenſcheibe vorübergehen. Man nennt dieß einen Durchgang des Planeten. Der ſcheinbare Durchmeſſer deſſelben wird dann von der Erde unter dem Winkel von 12 Sec. geſehen. Bei der gegenwärtigen Lage ſeiner Knoten können dieſe Durchgänge nur in den beiden Monaten May und November ſtatt haben. Kepler kündigte der erſte aus den von ihm ſelbſt entworfenen Tafeln dieſes Planeten einen ſolchen Durchgang für das Jahr 1631 an, den auch Gaſſendi am 7. Nov. dieſes Jahrs in Paris beobachtete. Seit dieſer Epoche ſind viele ſolche Durchgänge geſehen worden. Sie kommen gewöhnlich in Perioden von 13, genauer von 26 oder auch 46 Jahren wieder und dienen den Aſtronomen zur Correction der Elemente (ſ. Bd. I.) dieſes Planeten, oder zur Verbeſſerung ſeiner Tafeln. Das folgende Verzeichniß gibt die nächſtfolgenden ſichtbaren Durchgänge dieſes Planeten. Die zweite Columne enthält die mitt. Par. Zeit der Conjunction oder den Augenblick, in welchem der Mittelpunkt der Sonne und des Planeten von der Erde geſehen, dieſelbe Länge haben; die dritte gibt die Zeit der Mitte des Durchganges, die61Merkur.vierte die halbe Dauer deſſelben und die fünſte die kürzeſte Diſtanz der beiden Mittelpunkte der Sonne und des Mercurs.

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Kapitel III. Venus.

§. 51. (Namen und Zeichen dieſes Planeten.) Obſchon jeder Planet, wie wir bald ſehen werden, in Beziehung auf die Erde ſein Eigenthümliches hat, ſo zeichnet ſich doch keiner durch ſo viele beſondere Eigenſchaften aus, als Venus. Er iſt der hellſte und ſchönſte unter allen Planeten; er kömmt der Erde am nächſten; ſeine von der Erde geſehene Geſchwindigkeit iſt die größte; er war wahrſcheinlich der erſte, deſſen ſchnelle Bewegung uns zeigte, daß es außer den fixen Geſtirnen des Himmels noch andere, daß es eigentliche Planeten gebe, und er iſt auch derjenige, der uns zuerſt die wahre Entfernung der Sonne von der Erde, und dadurch den Maaßſtab kennen gelehrt hat, mit welchem wir nun alle Räume unſeres Sonnenſyſtems ausmeſſen.

Man erkennt ihn ſehr leicht an ſeinem blendend weißen und intenſiven Lichte, wodurch er uns in günſtigen Umſtänden ſogar bei Tage ſichtbar wird. In der That iſt er, nebſt dem Monde, der einzige Himmelskörper, den man ohne Fernröhre mit der Sonne zugleich ſehen kann, und, obſchon man ihn immer nur, wie Merkur, in der Nähe der Sonne, alſo nur in den Strahlen der Morgen - oder Abenddämmerung erblickt, ſo iſt doch ſein Licht ſo ſtark, daß er, unter günſtigen Verhältniſſen, vor dem Aufgange oder nach dem Untergange der Sonne einen erkennbaren Schatten63Venus.wirft. Aus derſelben Urſache iſt er durch lichtſtarke Fernröhre nur ſchwer gut zu ſehen, weil ſein belles Licht das Auge blendet und jede kleine Unvollkommenheit des Fernrohrs vergrößert, viel - leicht auch, weil er mit einer ſehr dichten Atmoſphäre umgeben iſt, die ſeinen Rand ſowohl als auch die Grenzen ſeiner Phaſen undeutlich macht.

Durch die Helligkeit ſeines Lichtes fiel er ſchon den Alten auf. Er iſt der einzige unter den Planeten, der in den älteſten der auf uns gekommenen Gedichte erwähnt wird. Homer nennt ihn (Iliad. XXII. 318) den Schönſten, καλλιςοϛ: Hell wie der Stern vorſtrahlt in dämmernder Stunde des Melkens, Hesperus, der der Schönſte erſcheint von den Sternen des Himmels.

Dieſe Benennung Hesperus oder Vesperugo (Abendſtern) erhielt er, weil man ihn wahrſcheinlich zuerſt als einen Wandel - ſtern zu der Zeit erkannte, wann er in den Abendſtunden am weſtlichen Himmel ſichtbar wurde. Einen ähnlichen hellen Stern bemerkte man bald auch in den Morgenſtunden an der Oſtſeite des Himmels, daher man dieſen Phosphorus, Lichtbringer oder Morgenſtern nannte. Es war vielleicht keine kleine Aufmerkſamkeit nöthig, zu erkennen, daß beide Sterne nur einer und derſelbe ſind. Man ſagt, daß Pythagoras die Identität dieſer beiden Geſtirne zuerſt erkannt habe. Uebrigens haben wir ſchon bemerkt, daß Merkur dieſelben Anſprüche auf eine ſolche Doppelbenennung hat, da beide Planeten als Abendſterne erſcheinen, wenn ſie in (2) (Fig. 4) auf der Oſtſeite der Sonne, und als Morgenſterne, wenn ſie in (4) auf der Weſtſeite der Sonne ſtehen. Doch zog Venus, durch ihren hellern Glanz, die Aufmerkſamkeit der Men - ſchen beſonders auf ſich, und die Dichter der Griechen und Römer ſind voll von dem Lobe ihrer Schönheit.

Qualis ubi oceani perfusus lucifer undâ, Quem Venus ante alios astrorum diligit ignes, Extulit os sacrum coelo tenebrasque resolvit. (Aen. VIII. 589. )

Die neueren Dichter ſcheinen mit dem geſtirnten Himmel we - niger bekannt zu ſeyn, da ſie beinahe nur von Wein und Liebe64Venus.ſingen, doch iſt dieſer Planet ſelbſt für ſie noch zu auffallend, um ihn ganz aus ihrem Gebiete auszuſchließen:

Friend to mankind, she glitters from afar, Now the bright ev’ning, now the morning star. (Baker. )

Dieſelben Alten haben den Planeten auch verſchiedene Zeichen gegeben, deren Bedeutung jetzt nicht immer ſehr leicht zu entziffern ſeyn möchte. In ſpätern Zeiten hat man dieſe Zeichen mit der Mineralogie und ſelbſt mit der Alchymie in Verbindung gebracht, wo ſich dann die Aſtrologen derſelben bemächtigten, und viel un - ſinnige Dinge darüber zu ſchwätzen wußten. Auf dieſe Weiſe wurde der Planet Merkur, wie bereits geſagt, mit dem Queck - ſilber gepaart, die beide, jener in der Aſtronomie, und dieſer in der Mineralogie, das Zeichen erhielten, wodurch der Stab vor - geſtellt werden ſollte, mit welchem der Gott Merkur die Geiſter der abgeſchiedenen Menſchen der Unterwelt zuführt. Venus erhielt das Zeichen eines Spiegels mit einer Handhabe, des nothwendigſten Attributs einer Göttin der Schönheit. In der Mineralogie wird dadurch das Kupfer bezeichnet, und wahrſcheinlich wurden auch die erſten Spiegel der Alten aus dieſem Metalle ver - fertigt. Mars, der Gott des Krieges, erhielt das Symbol des Pfeiles mit dem Schilde, das zugleich das Eiſen, das dem Krieger unentbehrlichſte Metall, bezeichnet. Jupiter wurde durch an - gedeutet, welche Figur in der älteſten Schreibart der erſte Buch - ſtabe des griechiſchen Wortes Ζευς gehabt haben ſoll. Welchen Zuſammenhang der Gott der Götter mit dem Zinne haben ſoll, mögen die Mineralogen entſcheiden. Saturn erhielt das Zeichen , einer Sichel oder Senſe, da dieſer Gott die alles abmähende Zeit vorſtellen ſollte. Das Bley mag daſſelbe Zeichen erhalten haben, weil die blaſſe Farbe dieſes Planeten einige, obwohl nur ſehr entfernte Aehnlichkeit mit der Farbe dieſes Metalles hat. Das Zeichen der Erde endlich, eine Kugel mit einem darüber ſtehenden Kreuze, bezieht ſich auf die Erlöſungsgeſchichte, und das des Uranus auf gar nichts. Von den vier neuen Planeten iſt die Sichel das Symbol der fruchtbringenden Ceres; die65Venus.Lanze das der kriegeriſchen Pallas; das Zepter das der königlichen Juno, und endlich der Altar , das Emblem der Veſta, welcher die Alten ein immerwährendes Feuer unterhielten.

§. 52. (Andere, ältere aſtronomiſche Benennungen der Stern - bilder.) Ohne Zweifel hatten auch die übrigen in der Aſtronomie eingeführten Zeichen einen nähern Zuſammenhang mit den Ver - hältniſſen und den Zeiten, unter welchen ſie erfunden worden ſind. So ſcheint z. B. von den Zeichen des Thierkreiſes der Widder die Hörner, der Stier den Vorderkopf dieſes Thieres, der Waſſermann die wellenſchlagende Bewegung des Waſſers u. f. anzudeuten. Manche andere mögen mit der Zeit entſtellt und gänzlich unkenntlich geworden ſeyn. Es ſcheint, daß dieſe Zeichen und Benennungen der Sternbilder des Thierkreiſes dem graueſten Alterthume angehören, und daß wir vielleicht kein älteres Mo - nument beſitzen, als eben ſie. Man hat darüber Unterſuchungen und Vermuthungen aufgeſtellt, und ganze Bibliotheken geſchrie - ben, ohne eben dadurch den Gegenſtand aufzuklären. Dupuis, Bailly u. a. wollten ſie mit religiöſen Inſtitutionen der alten Völker und mit der Culturgeſchichte derſelben in Verbindung bringen, das Alter der Erde daraus ableiten, und was dergleichen Bemühungen mehr ſind, die alle ohne Erfolg blieben, und wahr - ſcheinlich auch ferner bleiben werden, da dieſe Denkmäler der Vor - zeit ſelbſt zu unbeſtimmt ſind, um nur einigermaßen ſichere Schlüſſe darauf zu bauen. Einige derſelben ſcheinen ſich in der That auf den Zuſtand des Himmels zu der Zeit, wo ſie erfunden wurden, zu beziehen. So meint ſelbſt Laplace, daß der Krebs und der Steinbock das Rückgehen der Sonne zur Zeit ihrer Solſtitien (ſ. Bd. I.), ſo wie die Waage die Gleichheit der Tage und Nächte zur Zeit der Aequinoctien angezeigt haben könnten. Der Steinbock aber, der jetzt den tiefſten Punkt der Ecliptik einnimmt, wurde wahrſcheinlich auf den höchſten Punkt derſelben geſtellt, weil man dieſes Thier nicht in den Schluchten, ſondern immer nur auf den höchſten Gipfeln der Felſen findet. Wenn aber dieſe Vermuthung des Laplace richtig iſt, ſo muß dieß zu einer Zeit geſchehen ſeyn, die wenigſtens 15,000 Jahre vor die unſere fällt, wie man durch die oben (I. §. 190. 194) erklärte Präceſſion derLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 566Venus.Nachtgleichen leicht finden kann. Zu dieſer Epoche fiel dann auch das Sternbild der Waage, die jetzt in der Nähe des Herbſtpunktes iſt, in das Frühlingsaequinoctium und beinahe alle übrigen Zeichen des Thierkreiſes erhalten dann eine auffallende Beziehung zu dem Clima und der Agricultur des alten Aegyptens, in welchem Lande dieſe Zeichen und Benennungen erfunden ſeyn ſollen. Ohne dieſer Anſicht widerſprechen zu wollen, da man ſie eben ſo wenig be - weiſen als widerlegen kann, bemerken wir nur, daß unſere nur etwas verläßliche Menſchengeſchichte nicht älter als vier Jahr - tauſende angenommen werden kann, da alles, was jenſeits dieſer Epoche geſchehen ſeyn mag, für uns nichts als Mythe und undurchdringliche Dunkelheit iſt.

§. 53. (Entfernung und Umlaufszeit der Venus.) Venus iſt im Mittel 0,723 Halbmeſſer der Erdbahn oder 15 Millionen Meilen von der Sonne entfernt. Die Excentricität ihrer Bahn iſt die kleinſte, oder dieſe Bahn iſt die kreisförmigſte von allen, daher ſie auch beinahe immer in derſelben Entfernung von der Sonne bleibt, während im Gegentheile die Diſtanzen Merkurs von der Sonne über zwei Millionen Meilen von einander ver - ſchieden ſeyn können. Deſto mehr ſind dafür die Entfernungen der Venus von der Erde unter einander verſchieden. In der untern Conjunction [(3) Fig. 4], wo ſie der Erde am nächſten iſt, beträgt dieſe Diſtanz nur fünf Mill. Meilen, in der obern Conjunction (1) aber, oder in ihrer größten Diſtanz, iſt ſie ſiebenmal weiter, oder 35 Millionen Meilen von der Erde entfernt. Aus dieſer Urſache iſt auch ihre ſcheinbare Größe ſo ſehr verſchieden. In der untern Conjunction erſcheint uns ihr Durchmeſſer unter dem Winkel von 66 Secunden, alſo größer, als irgend ein anderer Planet, ſelbſt Jupiter und den Ring Saturns nicht ausgenommen. In der obern Conjunction aber, wo ſie ihre beleuchtete Hälfte ganz der Erde zuwendet, iſt doch ihr Licht nur ſchwach und ihr Durchmeſſer beträgt kaum 10 Secunden, ſo daß uns alſo Venus hier ſelbſt kleiner als Merkur, nur halb ſo groß als Saturn, und fünfmal kleiner als Jupiter erſcheint.

Der wahre Durchmeſſer dieſes Planeten aber beträgt 1680 Meilen, iſt alſo nur unbedeutend kleiner als der der Erde. Die67Venus.Oberfläche der Venus hat 8,376,000 Quadratmeilen, iſt daher nahe gleich 9 / 10 der Oberfläche der Erde. Das Volum derſelben endlich beträgt 2280 Millionen Kubikmeilen oder 8 / 10 des Volums der Erde.

Die ſideriſche Umlaufszeit (I. §. 100) der Venus um die Sonne beträgt 224,701 Tage, die tropiſche 224,595 und die ſyno - diſche (I. § 124) endlich 583,921 Tage. Mit dieſer Bewegung legt ſie in jeder Secunde einen Weg von 111,500 P. Fuß oder von 4,9 d. Meilen zurück. Die Maſſe dieſes Planeten beträgt 9 / 10 der Erdmaſſe, und die Dichte dieſer Maſſe iſt nur unbedeutend größer als die der Erde. Der Fall der Körper auf ihrer Ober - fläche endlich beträgt in der erſten Secunde 15,87 Fuß, alſo nur 0,7 Fuß mehr, als bei uns.

Man ſieht aus allem Vorhergehenden, daß die Venus ein unſerer Erde nahe verwandter Planet iſt, indem die bisher auf - gezählten Eigenſchaften derſelben von denen unſerer Erde nur wenig verſchieden ſind. Doch fehlt es auch nicht an Unähnlichkeiten, wie wir bald näher ſehen werden.

§. 54. (Phaſen der Venus.) Es iſt für ſich klar, daß Venus uns eben ſolche Lichtabwechslungen zeigen muß, wie Merkur, und zwar noch viel auffallendere, weil ſie uns oft ſo viel näher iſt. Die Figur 4 kann unverändert auf die Phaſen beider Planeten angewendet werden, und was oben in dieſer Beziehung von Merkur geſagt worden iſt, gilt ebenfalls für Venus. Die Phaſen des letzten Planeten bemerkt man ſchon mit einem ſehr mittelmäßigen Fernrohre, daher ſie auch Galilei gleich nach der Entdeckung dieſes Inſtruments erkannte, und dadurch einen neuen, Jedermann ein - leuchtenden Beweis für die Wahrheit des Copernicaniſchen Welt - ſyſtems gab. (I. §. 113.)

§. 55. (Größte Sichtbarkeit der Venus.) Auch Venus entfernt ſich nie ſtark von der Sonne, daher ſie nie ſehr weit von, ſondern nur immer in der Nähe der Sonne geſehen werden kann. In ihrer größten Digreſſion ſteht ſie nahe 48 Grade von derſelben öſtlich oder weſtlich ab. Allein dieſer bedeutenden Entfernung von dem Sonnenlichte ungeachtet leuchtet ſie doch5 *68Venus.zur Zeit ihrer größten Digreſſion ſo wenig als Merkur in ih - rem ſtärkſten Lichte, weil ſie hier noch zu weit von uns entfernt iſt. Noch weniger iſt dieß der Fall zur Zeit der obern Conjunction, wo ſie uns zwar ganz beleuchtet erſcheint, wie der Mond im Voll - lichte, wo ſie aber auch zugleich am weiteſten von uns abſteht. Der Ort ihrer Bahn, wo ſie uns in ihrem hellſten Lichte erſcheint, ſo daß man ſie ſelbſt mit unbewaffnetem Auge am Mittag ſehen kann, liegt zwiſchen ihrer untern Conjunction und ihrer größten Digreſſion, näher bei der letzten, oder nahe in dem Abſtande von 40 Graden von der Sonne oder von dem Orte ihrer untern Conjunction. In derſelben Entfernung von der Sonne, aber auf der andern oder obern Seite ihrer Bahn, iſt ihr Licht dreimal ſchwächer, obſchon ſie uns hier einen viel größeren Theil ihrer beleuchteten Hälfte zeigt, als dort, und ganz in der Nähe der obern Conjunction ſelbſt leuchtet ſie noch weniger, obſchon ſie hier ganz beleuchtet erſcheint. Je näher Venus ihrer untern Conjunction kömmt, deſto kleiner, deſto ſichelförmiger wird die Phaſe, die uns noch Licht von ihr zuſendet, deſto näher ſteht uns aber auch der Planet, und deſto kräftiger kann ſein Licht auf uns wirken. Man ſieht, daß es einen Punkt der Bahn geben muß, wo dieſe Wirkung des Lichtes am größten iſt, und daß dieſer Punkt weder in die obere Conjunction fallen kann, wo zwar Venus ganz beleuchtet, aber auch am weiteſten von uns entfernt iſt, noch auch in die untere Conjunction, wo der Planet zwar am nächſten bei uns ſteht, wo aber auch ſein Licht gänzlich verſchwindet, indem er hier nur ſeine dunkle Hemiſphäre zur Erde wendet. Es iſt ein intereſſantes Problem der Aſtronomie, dieſen Ort des ſtärkſten Lichtes der Venus zu beſtimmen; die Auflöſung deſſelben iſt aber auch mit großen Schwierigkeiten verbunden, wenn man dabei auf alle Verhältniſſe gehörig Rückſicht nehmen will. Im Mittel erſcheint dieſer Planet in ſeinem ſchönſten Lichte, wenn er 40 Grade öſtlich oder weſtlich von der Sonne entfernt iſt, dann beträgt ſein ſchein - barer Durchmeſſer, der in der untern Conjunction bis auf 66 Sec. gehen kann, nur etwa 40 Sec., und die größte Breite ſeiner beleuchteten Phaſe hat kaum 10 Sec., aber dieſe ſchmale Licht - ſichel hat, wegen ihrer Nähe bei uns, ein ſo intenſives Licht, daß69Venus.ſie um Mittag mit freyen Augen geſehen werden, und daß ſie in der Abweſenheit der Sonne Schatten werfen kann. In dieſem Falle fällt der hellglänzende Stern ſelbſt dem gemeinen Manne auf, beſonders wenn dieſe Zeit in die Abendſtunden des Sommers fällt, und von eines günſtigen Witterung unterſtützt wird. Nach Lambert’s Berechnung iſt dann das Licht der Venus nur 3000 mal ſchwächer, als das des Vollmonds, und nahe gleich dem Schein einer Kerze in der Entfernung von 230 Fuß. Als Venus am 21. Julius d. J. 1716 in dieſer Lage war, betrachtete der Pöbel von London dieſe Er - ſcheinung als ein Wunder und als ein drohendes Vorzeichen nahen Unglücks, und i. J. 1750 wurde der nicht minder unwiſſende Pöbel von Paris durch dieſes Phänomen ſo aufgeregt, daß es nöthig wurde, die Hilfe der Polizei aufzurufen, um dem Tumulte Einhalt zu thun. Und doch ereignet ſich dieſelbe Sache wenigſtens alle acht Jahre einmal in derſelben Jahreszeit und unter denſelben Verhältniſſen.

Die dunkle Seite der Venus iſt, beſonders zu der Zeit wo der beleuchtete Theil nur wie ein feiner Lichtfaden erſcheint, von einem eigenen Lichtſchimmer beleuchtet, wie der Mond in den erſten Tagen nach dem Neumonde (I. §. 165). Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt uns noch unbekannt, und iſt vielleicht in einem eigenen phosphorescirenden Lichte zu ſuchen, das der Oberfläche dieſes und wohl auch noch mehrerer anderer Planeten eigenthüm - lich iſt.

§. 56. (Flecken und Atmoſphäre der Venus.) Caſſini und Bianchini wollen auf der Venus Flecken, denen unſerer Sonne ähnlich, gefunden haben; allein Schröter konnte, ſeiner ſorgfältigen und lang fortgeſetzten Beobachtungen ungeachtet, keine dunklen Flecken, ſondern nur zuweilen ſehr ſchwache und bald vorüber - gehende Spuren von grauen, unſern Wolken ähnlichen Stellen ſehen. Aber daß dieſer Planet mit einer Atmoſphäre, die der unſern an Dichtigkeit und Höhe nahe gleich iſt, umgeben ſey, hat Schröter durch dieſelben Beobachtungen außer Zweifel geſetzt. Wenn nämlich unſere Erde keine Atmoſphäre hätte, ſo würden wir auch keine Morgen - oder Abenddämmerung haben, und die70Venus.dunklen Schatten der Nacht würden, im Augenblicke des Unter - gangs der Sonne, unmittelbar auf den hellen Tag folgen. Jetzt aber ſendet die Sonne, auch wenn ſie ſchon unter den Horizont gegangen iſt, ihre Strahlen noch auf die höher über der Erde ſtehenden Luſtſchichten, von welchen ſie wieder zu uns zurück ge - brochen werden (Vergl. I. §. 188). Es iſt klar, daß dieſe Däm - merung im Allgemeinen deſto ſtärker ſeyn und deſto länger dauern wird, je dichter und je höher die Atmoſphäre iſt. Bei unſerm Monde nun iſt, wie jeder ſogleich ſieht, der ihn durch ein Fernrohr betrachtet, der helle Theil ſeiner Oberfläche von dem dunklen ſcharf getrennt, oder das Licht des einen geht plötzlich und ohne alle Abſtufung in die Finſterniß des anderen Theiles über, zum Zeichen, daß er keine Dämmerung, alſo auch keine Atmoſphäre, wenigſtens keine beträchtliche und uns merkbare Atmoſphäre haben kann. Auch verſchwinden die Fixſterne, vor denen der Mond, auf ſeinem Wege um die Erde, vorbeigeht, in einem beinahe untheilbaren Augenblick, ohne zuerſt an Licht allmählig verloren zu haben, und kommen eben ſo plötzlich auf der andern Seite wieder hervor. Dieß könnte nicht ſeyn, wenn der Mond eine Atmoſphäre hätte, die, ihrer Natur nach, in größerer Nähe bei der Oberfläche dieſes Körpers auch dichter und weniger durchſich - tiger ſeyn müßte. Ganz anders verhält ſich dieß bei der Venus. Das ſonſt blendend weiße Licht dieſes Planeten verliert gegen die Nachtſeite hin immer mehr von ſeiner Helle, und geht, nahe bei der Lichtgrenze ſelbſt, in eine mattgraue Farbe über, die ſich oft weit über die Lichtgrenze hinaus in die Nachtſeite der Venus hineinzieht. Dieß ſind die Gegenden, denen eben die Sonne untergegangen iſt, oder für die ſie eben aufgehen will, und die daher ihre Abend - oder Morgendämmerung haben. Aus der Breite dieſes dämmernden Streifens hat Schröter den Schluß gezogen, daß die Refraction (I. §. 186) an dem Horizonte der Venus nahe einen halben Grad beträgt, nahe ſo wie die Refraction, die wir auf unſerer Erde beobachten. Auch verſchwinden die Fixſterne, vor welchen dieſer Planet vorbeigeht, nicht plötzlich an ſeinem Rande, ſondern ſie werden vielmehr immer ſchwächer, je näher ſie ſeinem Rande kommen, oder je tiefer ſie in die untern71Venus.und daher dichtern Schichten der Atmoſphäre dieſes Planeten ein - treten. Dadurch wird nicht bloß die Exiſtenz der Atmoſphäre der Venus, ſondern auch ihre Aehnlichkeit mit derjenigen der Erde bewieſen, wenigſtens in Beziehung auf ihre Dichte und Höhe, nicht aber in Rückſicht auf ihre andern Eigenſchaften, die vielleicht mit denen unſerer Luft nichts gemein haben. So haben wir zwar oben von Wolken geſprochen, die Schröter zuweilen über der Oberfläche der Venus geſehen hat, allein dieſe grauen Flecken ſind ſo matt und lichtſchwach, daß ſie mehr leichten Dünſten oder Nebeln, als eigentlichen Wolken gleichen, und ſie gehören über - dieß zu den ſehr ſeltenen Erſcheinungen. Die Bewohner dieſes Planeten ſcheinen daher eine viel reinere Luft, einen viel heiterern Himmel zu haben, als wir, und da es ihm an ſo ſtarken Aus - dünſtungen fehlt, wie bei uns die Seen und Meere erzeugen, ſo mag es dort wohl auch an ſolchen großen Waſſerbehältern fehlen und überhaupt alles in dem Zuſtande der Trockenheit oder der Kryſtalliſation ſeyn, den wir ebenfalls auf unſerm Monde bemerken.

§. 57. (Berge auf der Venus.) Die ſo eben erwähnte Licht - grenze der Venus iſt nicht nur, in Beziehung auf ihr Licht, all - mählig an Helligkeit abnehmend, ſondern ſie iſt auch, ſo wie wir dieß ſehr deutlich bei unſerm Monde bemerken, nicht regelmäßig in ihrer Krümmung fortgehend, ſondern vielmehr häufig gebrochen und gleichſam ausgezackt. Beſonders auffallend ſieht man dieß an den beiden Enden der Lichtgrenze, an den ſogenannten Hörnern derſelben, die bald viel zu tief in die dunkle Seite hineintreten, bald wieder ſich zurückziehen, bald abgeſtumpft, bald wieder ſehr zugeſpitzt erſcheinen. Dieß ſcheint auf hohe Berge und tiefe Thäler zu deuten, durch welche der regelmäßige Zug der Lichtgrenze, unterbrochen wird. Dieſe Vermuthung wird vollkommen beſtätigt durch die vielen iſolirten, lichten Punkte, die man in der Nacht - ſeite, oft in einer beträchtlichen Entfernung von der Lichtgrenze, erblickt, und die nichts anders ſeyn können, als hohe Berge, deren Gipfel von der untergehenden Sonne noch beſchienen werden, wenn ihr Fuß bereits tief in die Schatten der Nacht herabgeſunken iſt. Man ſieht leicht, daß eben dieſe Entfernung der Lichtpunkte von72Venus.der Schattengrenze ein Mittel gibt, die Höhe dieſer Berge zu meſſen, da die Gipfel der höhern Berge offenbar früher vor dem Aufgange, oder ſpäter nach dem Untergange der Sonne von ihr beleuchtet ſeyn werden, als die kleineren. Schröter, der dieſen Gegenſtand mit beſonderem Eifer verfolgte, fand, daß Venus über - haupt ſehr gebirgig iſt, und daß viele dieſer Berge eine Höhe haben, gegen welche die höchſten Berge unſerer Erde nur wie Zwerge erſcheinen. Er fand Berge, die bis zu einer Höhe von ſechs Meilen heranſteigen, und die daher ſechsmal höher ſind, als der Chimboraſſo oder der Dhawalagiri. Auch hier, wie bei andern Planeten, wie ſelbſt bei der Erde, findet man die größten und höchſten Gebirge in der ſüdlichen Hemiſphäre, wovon wir die Urſache noch nicht angeben können. Es iſt möglich, daß Süd und Nord nicht bloß eine mathematiſche Unterſcheidung ſind, und daß damit eine allgemeine, durch unſer ganzes Syſtem wirkende Kraft im Zuſammenhange ſtehe, wie wir dieſe z. B. ſchon bei unſerm Magnetismus bemerken.

§. 58. (Rotation der Venus.) So lange man dieſe Berge der Venus nicht kannte, war es ſchwer, die Rotation derſelben zu beſtimmen, da ſie, wie bereits geſagt, nur ſehr wenige, veränder - liche und nicht ausgezeichnete Flecken hat. Dominic Caſſini, der Stammvater jener aſtronomiſchen Familie, die bis in ihr viertes Glied der Sternwarte in Paris vorſtand, hatte bei dieſer Beſtim - mung über viele Hinderniſſe zu klagen, da ihm doch die Beob - achtung der Rotation von Mars und Jupiter ſehr gut gelungen war. Nur mit großer Mühe ſetzte er die Umdrehungszeit der Venus auf 23,3 unſerer Stunden feſt. Bianchini aber, der eben - falls mit für ſeine Zeit ſehr vorzüglichen Fernröhren verſehen war, fand ſie etwa 60 Jahre ſpäter gleich 24,1 Stunden. Schröter der dieſe Planeten über zwanzig Jahre mit Eifer beobachte - te, fand mit Hülfe ſeiner 7 - und 27füßigen Herſchel’ſchen Teleſcope, dieſe Umdrehungszeit der Venus gleich 23 St. 21 Min., alſo nahe ſo, wie ſchon D. Caſſini im Jahre 1666. Schrö - ter benutzte dazu beſonders die bereits oben erwähnten periodi - ſchen Veränderungen ihrer Hörnerſpitzen. Man findet dieſe und die übrigen Beobachtungen Schröters in ſeinen Aphroditogra -73Venus.phiſchen Fragmenten, Helmſtädt 1746 und in Bodes Berl. Jahr - büchern 1793, 1796 und 1803.

§. 59. (Tages - und Jahreszeiten auf der Venus.) Der Tag der Venus iſt alſo in Beziehung auf ſeine Länge von dem unſe - rer Erde nur unbedeutend verſchieden, ſo daß alſo auch die Ta - geszeiten auf beiden Planeten nahe dieſelben ſeyn werden. Al - lein ganz anders müſſen ſich die Jahrszeiten verhalten, wenn es anders gegründet iſt, daß die Axe, um welche Venus täg - lich um ſich ſelbſt rotirt, gegen die Axe ihrer jährlichen Bahn um die Sonne nahe um 72 Grade geneigt iſt, daß alſo das, was man ihre Schiefe der Ecliptik nennen könnte, mehr als dreimal größer iſt, als bei der Erde, wo ſie (I. §. 48.) nur 23° 28′ be - trägt. Man wird ſich aus dem VII. Capitel des erſten Buches erinnern, daß die Jahreszeiten durch dieſe Schiefe der Ecliptik beſtimmt werden und wir haben bereits dort (I. §. 91.) die Fol - gen aus einander geſetzt, welche eine viel größere Schiefe der Ec - liptik auf die Temperatur und auf den Wechſel der Jahreszeiten der Erde haben würde. Dieß läßt ſich nun unmittelbar auf die Venus anwenden. Wenn der Aequator dieſes Planeten gegen die Bahn deſſelben in der That um volle 72 Grade geneigt iſt, (was aber noch einer genaueren Beſtätigung bedarf, da Schröter ſich nie beſtimmt darüber ausgeſprochen hat), ſo würde die heiße Zo - ne, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Scheitel ſehen kön - nen, ſich in einer Breite von 144 Graden um dieſen Planeten erſtrecken, während die Breite dieſes Gürtels auf der Erde nur 47 Grade beträgt. Nennt man aber kalte Zone diejenigen Theile eines Planeten, für welchen die Sonne mehrere Tage im Jahre nicht auf - oder nicht untergeht, ſo würde man von dieſer heißen Zone die beiden äußeren Theile, deren jeder eine Breite von 54 Graden hätte, auch zugleich zur kalten Zone rechnen müſſen. Man würde alſo in jeder Hemiſphäre eine heiße Zone haben, die von dem Aequator bis zu dem 18ten Grade der nördlichen oder ſüdlichen Breite geht, und in welcher die Sonne durch das ganze Jahr täglich auf - und untergeht. Die kalte Zone aber würde um jeden der beiden Pole herum liegen und ſich von ihnen ebenfalls 18 Grade gegen den Aequator hin erſtrecken, und in74Venus.dieſer Zone würde man die Sonne nie im Scheitel ſehen. Die gemäßigte Zone aber, die zwiſchen jenen beiden in der Mitte liegt und eine Breite von 54 Graden hat, würde einen Theil des Jahres hindurch die Sonne gar nicht ſehen, wie in der irdiſchen kalten Zone, und einen andern Theil des Jahres würde ſie wieder die Sonne in ihrem Zenithe haben, wie in unſerer heißen Zone, ſo daß alſo die ſogenannte gemäßigte Zone der Venus aus der heißen und kalten gleichſam zuſammengeſetzt ſeyn würde. Die Folge davon wird ſeyn, daß die ganze Oberfläche der Venus, nur die beiden kleinen kalten Zonen ausgenommen, die Sonnenſtrahlen zuweilen in ſenkrechter Richtung erhalten wird. Die Bewohner der Grenze der beiden kalten Zonen werden in ihrem Sommer die Sonne im Mittage ſehr nahe bei ihrem Zenithe ſehen, ja ſelbſt für die Bewohner der beiden Pole wird ſie ſich noch bis auf eine Höhe von 72 Graden erheben, wie dieß bei uns für das ſüdliche Spanien und Griechenland der Fall iſt. Dieſe Polar - bewohner werden an ihren längſten Tagen, wo ihnen die Sonne nicht untergeht, im Augenblicke der Mitternacht dieſe Sonne noch in einer Höhe von 54 Graden, alſo in derſelben Höhe ſehen, in welcher bei uns die Bewohner von Petersburg die Sonne im Mittage ihres längſten Tages erblicken. Die von dem Aequator über 18 Grade entfernten, noch in der heißen Zone liegenden Länder werden einen Theil des Jahres durch von den ſenkrechten Strahlen der Sonne verbrannt, und zu einer andern Zeit wieder von Wochen langen Nächten abgekühlt und alles Sonnenlichtes gänzlich beraubt werden. Die Bewohner dieſes Planeten werden daher mit ſehr ſchroffen Abwechslungen ihrer Jahreszeiten zu kämpfen haben, die übrigens dadurch einigermaßen gemildert werden mögen, daß ſie, wegen der kurzen Umlaufszeit der Venus um die Sonne, nur etwa halb ſo lange dauern, als die Jahres - zeiten der Erde.

§. 60. (Anblick des Himmels von der Venus.) Wenn wir uns durch dieſe Verhältniſſe etwas eingeengt fühlen müßten, ſo würden wir uns, auf dieſen Planeten verſetzt, durch andere Genüſſe vielleicht wieder entſchädigt finden, vorausgeſetzt, daß unſere Or - ganiſation eine ſolche Veränderung unſeres Wohnortes ertragen75Venus.könnte. Welche Ausſicht würden wir z. B. von den Gipfeln der ſechs Meilen hohen Berge der Venus genießen. Von Wien würden wir mit einem Fernrohr bis Hamburg, Paris und Neapel ſehen, und eine Kreisfläche der Erde von mehr als hundert Meilen überſchauen können. Lange nach dem Untergange der Sonne würden wir noch die Gipfel der benachbarten Gebirge von ihren Strahlen vergoldet ſehen, und die Schönheit dieſes Schauſpiels würde noch erhöht werden durch die reinere klarere Atmoſphäre, in der wir beinahe keine matte Wolke erblicken, und in der trübe oder regnige Tage zu den größten Seltenheiten gehören. Und welchen Anblick mag bei dieſer ſtets heitern Luft der geſtirnte Himmel gewähren, wo alle Sterne und Planeten in hellem Lichte ſtrahlen, wo die Sonne in ihrer Oberfläche viermal größer, als bei uns, erſcheint, und ein zweimal ſtärkeres Licht, als unſere Mittagsſonne, verbreitet. Unſere Erde ſelbſt erſcheint den Be - wohnern der Venus zur Zeit ihrer größten Nähe, in der untern Conjunction, neunmal größer als uns die Venus, und in ganz vollem Lichte, in einem neunmal ſtärkern Lichte, als Venus in ihrem ſchönſten Glanze der Erde zuſendet.

§. 61. (Venusmond.) Man hat in frühern Zeiten von einem Monde geſprochen, der die Venus auf ihrem Weg um die Sonne begleiten ſoll. Fontana will ihn i. J. 1645, Dom. Caſſini 1672 und wieder 1686, und Schort in England i. J. 1740 geſehen haben, auch Montaigne, Horrebow und Andere ſprechen von ihren Beobachtungen dieſes Trabanten. Da man ihn aber ſeitdem bei den beiden Durchgängen der Venus vor der Sonnenſcheibe, in den Jahren 1761 und 1769, wo er doch beſonders ſichtbar ſeyn ſollte, nicht geſehen wurde, und da überhaupt alle weitern Bemühungen der Aſtronomen, ihn aufzufinden, fruchtlos geweſen ſind, ſo ſcheinen die angeführten Wahrnehmungen auf einer optiſchen Täuſchung zu beruhen. Das Licht der Venus iſt ſo ſtark, daß die polirten Gläſer der Fernröhre zuweilen eine Spiegelung deſſelben verur - ſachen können, wo man dann ein zweites ſchwächeres Bild des Planeten erblickt, das man leicht für einen Satelliten deſſelben zu halten veranlaßt werden kann. Auch Wargentin in Stockholm ſah einmal bei dieſem Planeten eine ähnliche Erſcheinung, aber als er,76Venus.ſich vor Täuſchung zu ſichern, das Fernrohr um ſeine eigene Axe drehte, bewegte ſich auch der vermeinte Mond mit um den Planeten im Mittelpunkte des Fernrohrs, ganz eben ſo, wie ſich ein Flecken auf dem Glaſe des Inſtruments gedreht haben würde. Indeß war Lambert in Berlin von der Wahrheit jener Beobach - tungen ſo überzeugt, daß er aus den Angaben jener Aſtronomen die Elemente dieſes Venusmondes zu beſtimmen ſuchte (M. ſ. Bodes aſtr. Jahrb. 1777). Er fand aus dieſen Elementen, daß der Satellit, ſeiner großen Breite wegen, bei den Durchgängen der Venus von 1761 und 1769 auf der Sonnenſcheibe nicht ſicht - bar ſeyn konnte, daß er aber bei der damals nahe bevorſtehenden Conjunction am 1. Junius 1777 ſich auf der Sonne projiciren würde; allein die Aſtronomen haben ihn auch zu dieſer Zeit ver - gebens geſucht, und man iſt jetzt der beinahe allgemeinen Meinung, daß ein ſolcher Satellit der Venus nicht exiſtire*)K. Friedrich II. wollte dieſen Mond der Venus, zu Ehren ſeines gelehrten Freundes, d’Alembert genannt wiſſen. Allein dieſer zog ſich vor dieſer königlichen Gunſtbezeugung mit den Worten zurück: Je ne suis ni assez grand pour devenir au ciel le satellite de Venus, ni assez jeun, pour l’être sur la terre, et je me trouve trop bien du peu de place, que je tiens de ce bas monde, pour en ambitionner une au firmament. Dieſe Sucht, den Geſtirnen die Namen merkwürdiger Per - ſonen zu geben, war in frühern Zeiten ſehr groß, und ging zuweilen in das Lächerliche über. Galilei nannte die von ihm entdeckten Satelliten Jupiters die Mediceiſchen Geſtirne, zu Ehren der damals in Florenz regierenden Familie der Medici. Der Jeſuit Schiller hat ſogar den ganzen geſtirnten Himmel umgetauft, und die ſeit Jahrtauſenden eingeführten Namen der Sternbilder in die Heiligennamen ſeines Kalenders verwandelt, wie man in ſ. Stellatum Coelum Christianum v. J. 1627 ſehen kann. Am weiteſten hat man dieſe Sache bei dem Monde getrieben. Der berühmte Bürgermeiſter Hevel in Danzig, der uns i. J. 1647 die erſten guten Mondkarten gab, legte den vielen Flecken deſſelben die Namen unſerer Gebirge, Länder und Meere bei. Ein ſpäterer Aſtronom in Spanien fand dieſe Benennungen ſehr unpaſſend und ſubſtituirte ihnen dafür die Heiligennamen ſeines Kalenders. So wurde ſtatt der Appeninen der h. Michael mit ſeinem flammenden Schwerte, ſtatt des ägäiſchen Meeres mit ſeinen vielen Inſeln, die h. Ur - ſula mit ihren 10,000 Jungfrauen, ſtatt Spanien der blinde. Es ſcheint77Venus.mit ihm zu gehen, wie es mit den dreißig Satelliten der Sonne gegangen iſt, die das Dictionnaire de Trévoux ankündigte, und die bald darauf für bloße Sonnenflecken erkannt worden ſind,*)Tobias u. dgl. geſetzt. Allein bald darauf kam der bekannte Jeſuit Riccioli, der ſich ſehr viel mit dem Monde und überhaupt mit der ganzen Aſtronomie beſchäftigte, ohne dadurch dieſe Wiſ - ſenſchaft eben viel weiter zu bringen; dieſer fand wieder jene Heiligennamen unpaſſend, und führte dafür die Namen berühm - ter Aſtronomen und anderer Gelehrten ein, unter welchen er ſich, wahrſcheinlich aus bloßer Beſcheidenheit, die oberſte Stelle vorbehielt. Auf dieſe Weiſe mußte der h. Athanaſius dem alten Plato; die h. Margareth dem Ptolemäus, der h. Anton der Einſiedler dem jüngeren Plinius, und die h. Genovefa dem ketzeriſchen Galilei ihren Platz abtreten, und nur die h. Katha - rina blieb, aus beſonderer Anhänglichkeit Riccioli’s an eine Frau dieſes Namens, ungekränkt an ihrer Stelle. Indeß, das Unternehmen Ricciolis war vom Glücke begünſtigt, und wir ſehen noch in unſern Tagen auf dem Monde, oder wenigſtens auf unſern Karten von dem Monde, zwar noch viele Seen und Meere aus den guten Zeiten des alten Hevel, aber wir ſehen auch hier dieſen Hevel ſelbſt mit Grimaldi, dort den König Alphons von Caſtilien mit Ptolemäus, und an einem dritten Orte ſogar den alten Ariſtipp aus Cyrene mit Herrn Caſſini aus Paris, friedlich und Arm in Arm miteinander ſpatzieren gehen, ja ſelbſt Riccioli glänzt noch in ſeiner früheren Glorie ganz auf dem oberſten Punkte des Mondrandes. Uebrigens verſtanden ſich ſelbſt die alten Römer ſchon auf dieſe, wie es ſcheint, ſehr leichten Künſte, und ſie wußten ſich dieſelben ſogar noch etwas bequemer zu machen. Nachdem ſie ihren Impera - toren, ſie mochten es verdienen oder nicht, Tempel und Altäre, Statuen und Triumphbogen ohne Zahl gewidmet, und dieſe Apotheoſen den Reiz der Neuheit verloren hatten, mußte das erſte Volk der Erde ſeiner Kriecherei auf eine andere Weiſe aufzuhelfen ſuchen. Allein die römiſchen Senatoren waren keine Weltumſegler, um die von ihnen entdeckten Länder mit den Namen ihrer Beherrſcher zu beehren; ſie waren auch keine Aſtronomen, um für ſie neue Sternbilder an dem Himmel auf - zuſuchen, und eben ſo wenig konnten ſie die Länder und Meere des Mondes an ſie verſchenken, da ſie dieſelben noch gar nicht kannten. Sie wählten ſich daher die Plünderung oder vielmehr die Verſtümmlung ihres ohnehin ſehr ſchlechten Kalenders, zu welchem Geſchäfte ſie weder vorzüglicher Inſtrumente, noch beſonderer Kenntniſſe, an denen es ihnen fehlte, ſondern nur ein gutes Maaß von kriechender Schmeichelei bedurften, an der ſie Ueberfluß hatten. So erhielt, durch einen förmlichen Senats -78Venus.oder wie mit dem neuen Planeten, weit jenſeits des Uranus, der ſeiner entſetzlichen Größe wegen Herkules genannt wurde. Man hatte ihn nebſt den bereits an ihm angeſtellten Beobachtungen, und ſelbſt mit den aus ihnen abgeleiteten Elementen der Bahn in den öffentlichen Blättern angezeigt, und der neue, wunderbare Himmelskörper war eben daran, die Aufmerkſamkeit nicht bloß des großen Haufens an ſich zu ziehen, als einige Wochen nach jener Publikation in denſelben Blättern der Widerruf jener Anzeige erſchien, und die ganze Sache als eine Myſtification dargeſtellt wurde, mit der ein müßiger Kopf eine Menge anderer unterhalten wollte.

§. 62. (Wichtigkeit der Durchgänge der Venus vor der Sonne.) Wir haben bereits im zweiten Kapitel von den Vorübergängen Merkurs vor der Sonnenſcheibe geſprochen. Ganz ähnliche Er - ſcheinungen bietet uns auch die Venus dar, da ihre Bahn, als die eines untern Planeten, von der Erdbahn eingeſchloſſen wird und daher dieſer Planet ſelbſt zuweilen zwiſchen Sonne und Erde treten muß.

Dieſe Durchgänge der Venus ſind in der neueren Aſtronomie*)beſchluß der Monat Julius und Auguſtus, den beiden erſten Imperatoren zu Ehren, ihren noch heute gebräuchlichen Namen, da ſie früher Quinctilis und Sextilis hießen. Da aber die feine Courtoiſie dieſer Höflinge befürchtete, daß Auguſtus es übel nehmen könnte, wenn ſein Monat, wie es bei dem Sextilis der Fall war, nur 30 Tage hätte, da doch der dem J. Cäſar früher gewidmete Monat Julius 31 Tage zählte, ſo wurde durch einen zweiten Senatconſult beſchloſſen, dem Februar, der ohnehin nur 29 Tage hatte, noch einen Tag zu rauben, und ihn dafür dem Auguſtus beizulegen. Auf dieſelbe feierliche Weiſe erhielt ſpäter der Monat April den Beinamen des Ungeheuers Nero, und der Monat Mai den des Claudius, ja Domitian, der aus zu großer Beſcheidenheit nicht erſt die De - crete ſeines knechtiſchen Senats abwarten wollte, geruhte höchſtſelbſt, und zwar unter Androhung der Todesſtrafe, zu befehlen, den Monat October künftighin, und für immer - währende Zeiten Domitianus zu nennen. Allein alle dieſe Thorheiten überlebten ihre Urheber nicht, und ſelbſt Auguſtus mußte es ſich gefallen laſſen, ſein Ehrendenkmal ſpäter an den elenden Commodus abzutreten.79Venus.von beſonderer Wichtigkeit, daher wir uns auch hier etwas länger bei ihnen aufhalten wollen. Sie geben uns nämlich bei weitem das beſte und ſicherſte Mittel, die Entfernung der Sonne von der Erde, oder was daſſelbe iſt, die halbe große Axe der Erdbahn zu beſtimmen. Dieſe Halb-Axe iſt aber das große Maaß, und gleich - ſam die Elle, mit welcher die Aſtronomen das ganze Planeten - ſyſtem ausmeſſen, und überhaupt alle Entfernungen im Weltraume beſtimmen, daher die genaue Kenntniß derſelben in ſo hohem Grade nothwendig iſt. Dieſes Maaß hängt aber nicht bloß von der Willkühr der Aſtronomen ab, wie wohl ſonſt die Einheit aller unſerer andern Maaße, ſondern ſie wird uns gleichſam von der Natur ſelbſt aufgedrängt. Nach dem dritten Keplerſchen Geſetze (I. S. 288) nämlich verhalten ſich die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten wie die Würfel der großen Halb-Axen ihrer Bahnen. Dieſe Umlaufszeiten ſind aber, wie bereits oben (I. S. 258) geſagt wurde, der Art, daß ſie ſich mit der größten Genauigkeit beſtimmen laſſen. Mit derſelben Schärfe wird man alſo auch jene Halb-Axen, d. h. die mittleren Entfernungen von der Sonne für alle Planeten beſtimmen können, wenn man nur einmal eine einzige dieſer Entfernungen, wenn man z. B. die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne kennt. Und eben dazu werden uns die Durchgänge der Venus, und zwar mit einer Sicherheit verhelfen, die wir von keiner unſerer anderen aſtronomiſchen Beobachtungen, welcher Art dieſe auch ſeyn mögen, erwarten können. Ja ſelbſt über die Größe dieſer Planeten und über die der Sonne ſelbſt müſſen wir ſo lange in völliger Ungewißheit bleiben, als wir die Entfernung derſelben von uns nicht näher kennen. Denn unſere Beobachtungen geben uns nichts, als die ſcheinbare Größe dieſer Himmelskörper, d. h. nichts, als den bloßen Winkel, unter welchem uns der wahre Durchmeſſer derſelben erſcheint. Dieſer Winkel kann aber immer derſelbe bleiben, wenn auch der wahre Durchmeſſer vielmahl größer aber zugleich weiter von uns entfernt würde, oder umgekehrt, ſo daß man aus dem bloßen Winkel, unter welchem uns ein Gegen - ſtand erſcheint, nichts, weder über ſeine wahre Größe, noch über ſeine Entfernung von uns, ausmachen kann. Von dieſen drei Dingen, wahrer und ſcheinbarer Durchmeſſer und Entfernung von80Venus.uns, müſſen nämlich, der Natur der Sache nach, immer zwei gegeben ſeyn, um daraus das Dritte zu finden.

§. 63. (Wann dieſe Durchgänge ſtatt haben.) Eigentlich ſollte in jeder ſynodiſchen Revolution (I. S. 256) der Venus, d. h. in je 583,921 Tagen ein Durchgang dieſes Planeten vor der Sonnen - ſcheibe erfolgen, weil er in dieſer Zeit einmal zwiſchen uns und der Sonne durchgehen muß. Allein da die Neigung der Bahn der Venus gegen die Ecliptik über drei Grade, der Halbmeſſer der Sonne aber nur einen halben Grad beträgt, ſo wird es oft ge - ſchehen, daß dieſer Planet zur Zeit ſeiner untern Conjunction, wo er zwiſchen uns und der Sonne iſt, zu hoch über, oder auch zu tief unter der Sonne ſteht, und daher von uns nicht auf der Sonne ſelbſt geſehen werden kann.

Offenbar kann ſie zu dieſer Zeit nur dann in der Sonne er - ſcheinen, wenn die von der Erde geſehene Breite (I. S. 249) nicht größer iſt, als die Summe der Halbmeſſer der Sonne und des Planeten, d. h. alſo nicht größer als 990 Secunden, da der Halb - meſſer der Sonne im Mittel 961, und der der Venus in der untern Conjunction 29 Secunden beträgt. Venus muß daher zu dieſer Zeit in der Nähe eines ihrer Knoten (I. S. 247) ſeyn, und ſie darf, wie man durch Rechnung zeigen kann, höchſtens um 50′ von dieſem Knoten abſtehen, wenn ein Durchgang ſtatt haben ſoll. Bei Merkur iſt dieſer äußerſte Abſtand vom Knoten 28′, alſo viel größer, und dieß iſt die Urſache, warum die Durchgänge Merkurs viel häufiger ſind, als die der Venus.

Dieſe Durchgänge der Venus fallen ſeit dem Anfange des 17ten Jahrhunderts immer entweder in die erſte Hälfte des Junius oder des Dezembers, und dieß wird bis zu dem Jahre 3000 unſerer Zeitrechnung ſo fortgehen, ſo daß immer zwei nächſtfol - gende Durchgänge in den Junius und die zwei auf dieſe kom - menden in den Dezember fallen. Fängt man mit einem ſolchen Durchgange an, der der erſte von den beiden in den Junius fallenden iſt, wie dieß z. B. mit dem des Jahres 1761 der Fall war, ſo kommen die anderen Durchgänge nach der Reihe in 8, 105 ½, 8, 121 ½ Jahren, nach welchen ſich dieſelben Perioden von 8, 105 ½ u. ſ. w. immer wiederholen. Dieſe Bemerkung gibt81Venus.ein einfaches Mittel, die Zeiten aller folgenden Durchgänge zu finden, wenn man einmal einen derſelben kennt. Die unten fol - gende Tafel gibt dieſelben für mehrere Jahrhunderte mit aller hier wünſchenswerthen Genauigkeit an.

§. 64. (Die erſten beobachteten Durchgänge der Venus.) Kepler war es, der dieſe Erſcheinungen mit Hülfe ſeiner neuen Planeten - tafeln, die er dem Kaiſer Rudolph II. zu Ehren die Rudolphiniſchen nannte, zuerſt ankündigte, und die Aſtronomen auf dieſe wich - tigen Beobachtungen aufmerkſam machte. Ohne dieſe Vorausbe - rechnungen würde man ſie nicht gut haben beobachten können, da man den Augenblick nicht weiß, wann ſie ſtatt haben. Aus dieſer Urſache ſind auch alle früheren Erſcheinungen dieſer Art verloren gegangen. Man würde ſie aber wahrſcheinlich auch mit dieſen Vorausbeſtimmungen nicht beobachtet haben, da wohl nur wenige Augen ſo ſcharf ſind, um die Venus ſelbſt zu einer Zeit, wo ihr Durchmeſſer am größten iſt, und 58 Sec. beträgt, ohne Fernrohr in der Sonne ſehen zu können. Schon Gaſſendi hat ſich durch Erfahrung überzeugt, daß keiner ſeiner Freunde einen ſchwarzen runden Flecken in der Sonne mit freien Augen ſehen konnte, obſchon der Durchmeſſer derſelben 80 Sec. betrug. Die beiden Durchgänge der Venus, die Kepler i. J. 1627 auf dieſe Weiſe ankündigte, waren die der Jahre 1631 und 1761, von welchen der erſte auf den 6. Dezember und der andere auf den 5. Junius von ihm berechnet wurden. Beide hatten auch in der That ſtatt, und zwar der erſte nur wenige Tage nach ſeinem Tode, da Kepler am 15. Nov. 1631 ſtarb. Einen andern zwiſchen jene beiden fallenden Durchgang, der am 4. Dezember 1639 eintrat, hatte Kepler überſehen. Halley, welcher der erſte die Wichtigkeit dieſer Erſcheinungen eingeſehen und auch bekannt gemacht hatte, berechnete die 17 nächſtfolgenden Durchgänge der Venus bis zu dem Jahre 2117 voraus, und theilte ſie den Aſtronomen in den Philos. Transact. von 1691 und 1716 mit.

Eben dieſer von Kepler in ſeiner Rechnung überſehene Durch - gang des Jahres 1639 war der erſte, der je von einem Aſtro - nomen beobachtet worden iſt. Horrox in England berechnete einige Zeit zuvor eine aſtronomiſche Ephemeride, aber nach den TafelnLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 682Venus.von Lansberg, die zwar viel weniger genau waren, als die Ru - dolphiniſchen Tafeln, die aber doch zufällig einen Durchgang der Venus für den 4. Dezember 1639 anzeigten, während die Kepler - ſchen Tafeln keinen gaben. Da er in die erſten Tafeln ein beſonderes Vertrauen ſetzte, ſo ſchickte er ſich zu der Beobachtung an, und er ſah in der That durch nahe eine halbe Stunde die Venus in der Sonne, ſo wie auch ſein Freund Crabtree, der nur wenige Meilen von ihm wohnte, und den er von dem Ereigniſſe benachrichtigt hatte. Allein dieſe Beobachtung hatte keine Folgen für die Wiſſenſchaft, da ſie, wie wir bald ſehen werden, an zwei ſehr weit von einander entlegenen Orten zugleich gemacht werden muß.

§. 65. (Durchgang von 1761.) Da Halley erſt i. J. 1677 bei Gelegenheit ſeiner Beobachtung eines Merkurdurchganges, die er auf der ſpäter durch ein anderes Ereigniß berühmt gewordenen Inſel St. Helena angeſtellt hatte, auf die Wichtigkeit dieſer Er - ſcheinungen aufmerkſam geworden war, ſo mußte man bis zu dem nächſt folgenden Durchgange der Venus, am 5. Junius 1761, warten. Die Aſtronomen bereiteten ſich zu dieſer Beobachtung auf das eifrigſte vor, und mehrere von ihnen reisten in ſehr entfernte Gegenden, um ihren Zweck beſſer zu erreichen. Man findet die Geſchichte dieſer Vorbereitungen in den Mem. de l’Acad. de Paris 1757, 1761 und 1781. Die vorzüglichſten Beobachtungen dieſes Durchganges ſind die von Maſon am Vorgebirge der guten Hoffnung, von Bergmann in Upſala, von Planmann zu Cajane - burg in Finnland, und die zu Stockholm und Tobolsk angeſtellten. Die Berechnungen dieſer Beobachtungen geben die Horizontal - parallaxe der Sonne (I. §. 61) für ihre mittlere Entfernung von der Erde zwiſchen 8 und 9 Secunden. Wie man aber daraus dieſe Entfernung der Sonne ſelbſt, die der eigentliche Hauptzweck dieſer Beobachtungen iſt, abzuleiten hat, wurde bereits oben (I. §. 63) geſagt. Wendet man die dort gegebenen Vorſchriften auf dieſe beiden Zahlen an, ſo findet man für die mittlere Entfernung der Mittel - punkte der Sonne und der Erde entweder 25783 oder 22918 Halb - meſſer der Erde, je nachdem man die Parallaxe der Sonne zu 8 oder zu 9 Secunden annimmt. Die Differenz dieſer beiden Reſultate iſt 2865 Erdhalbmeſſer, alſo nahe 2 ½ Millionen Meilen, oder83Venus.beinahe der neunte Theil des Ganzen, ſo daß man daher durch dieſe Beobachtungen die wahre Entfernung der Sonne noch nicht bis auf ihren zehnten Theil genau kennen gelernt hatte.

§. 66. (Frühere Verſuche, die Horizontal-Parallaxe der Sonne zu finden.) So groß dieſe Ungewißheit auch ſcheinen mag, ſo iſt ſie doch in viel engere Grenzen eingeſchloſſen, als alle früheren Beſtimmungen, die man zu dieſem Zwecke erhalten hatte. Vor Hipparch hatte man von dieſer Entfernung der Sonne nicht einmal eine nur etwas gegründete Muthmaßung. Pythagoras nahm die Entfernung der Sonne nur dreimal größer, als die des Mondes an, da ſie doch über vierhundertmal größer iſt. Ariſtarch von Samos war der erſte, der gegen d. J. 260 vor dem Anfange unſerer Zeitrechnung dieſe Entfernung durch eine eigene Beobachtung zu beſtimmen ſuchte, die wir oben (I. §. 169) näher angegeben haben. Er fand die Parallaxe der Sonne gleich drei Minuten, alſo wenigſtens achtzehnmal zu groß. So fehlerhaft auch dieſe Beſtimmung war, ſo konnte man doch bis zu dem Anfange des ſiebenzehnten Jahrhunderts nichts Beſſeres finden. Poſidonius, der zwei Jahrhunderte nach Ch. G. lebte, nahm dieſe Diſtanz der Sonne gleich 13150 Erdhalbmeſſer an, alſo nur nahe um die Hälfte zu klein, aber dieſe Annahme gründete ſich auf keine eigentliche Beobachtung, ſondern bloß auf eine Meinung, wie etwa die des ältern Plinius, der die Sonne zwölfmal weiter ſetzt, als den Mond, weil jene zwölf, und dieſer nur einen Monat braucht, ſeine Revolution um die Erde zurückzulegen. Riccioli (geſt. 1671) fand aus einer großen Anzahl von ihm nach Art des Ariſtarch angeſtellter Beobachtungen die Parallaxe der Sonne 28 bis 30 Secunden. Ptolemäus im Gegentheile benutzte eine von Hipparch vorgeſchlagene Methode, die Sonnenfinſterniſſe zu dieſem Zwecke zu gebrauchen, die wohl ſehr ſinnreich, aber hier nicht mit Sicher - heit anwendbar iſt, weil der Unterſchied zwiſchen den Entfernungen der Sonne und des Mondes von der Erde viel zu groß iſt. Auch fand Ptolemäus für die Parallaxe der Sonne das ſehr fehlerhafte Reſultat von 2 Min. 50 Sec. Auch der große Obſervator Tycho Brahe (geſt. 1601) hatte noch ſehr unrichtige Begriffe von dieſem Gegenſtande. Er ſetzte die Diſtanz der Sonne gleich 1142 Erd -6 *84Venus.halbmeſſer voraus und wollte aus den Beobachtungen der Mond - finſterniſſe den Schluß ziehen, daß die Parallaxe der Sonne nicht kleiner als drei Minuten ſeyn könne. Kepler (geſt. 1630) bemerkte mit ſeinem gewöhnlichen Scharfſinne, daß die Parallaxe des Mars zur Zeit ſeiner Oppoſition, wie dieß aus Tycho’s Beobachtungen folge, unmerklich iſt, und daß alſo daſſelbe in einem noch viel höhern Grade von der Sonne gelten müſſe. Mit den Inſtru - menten jener Zeit war es ſchwer, ſich der Größe eines Winkels bis auf eine und ſelbſt bis auf zwei Minuten zu verſichern. Indeß nahm Kepler die Sonnenparallaxe gleich einer Minute, alſo noch immer über ſiebenmal zu groß an.

Der erſte, der uns eine der Wahrheit genäherte Kenntniß der Sonnenparallaxe gab, iſt Dom. Caſſtni. Auf ſeinen Vorſchlag wurde Richer von der Pariſer Academie nach Cayenne geſchickt, um dort die mittägige Höhe des Mars zu beobachten, während dieſelben Höhen in Paris von Picard und Römer beobachtet wur - den. Caſſini ſchloß daraus die Parallaxe des Mars gleich 25 ½ Sec., und dadurch war, mittels des dritten Geſetzes von Kepler, die der Sonne gleich 9 ½ Sec. gegeben, woraus alſo die Entfernung der Sonne von der Erde gleich 21712 Erd-Halbmeſſern folgte. Dieſe Beobachtungen wurden im September des Jahrs 1671 angeſtellt. In den folgenden Jahren ſetzte Caſſini dieſe Unterſuchungen auf einem anderen Wege fort, indem er die Differenz der Rectaſcen - ſionen des Mars mit benachbarten Fixſternen ſechs Stunden vor, und ſechs Stunden nach ſeiner Culmination verglich, eine Methode, die bereits oben (I. S. 151) näher angegeben worden iſt. Caſſini fand durch dieſe zweiten Beobachtungen das erſte Reſultat im Allgemeinen beſtätiget. Noch beſſer eignet ſich zu dieſen Beſtimmungen die Venus, da ſie uns in ihren un - teren Conjunctionen noch beträchtlich näher kommt, als Mars. Allein es iſt ſchwer, die Mittagshöhen der Venus zu dieſer Zeit zu beobachten oder auch ihre Lage gegen benachbarte Fixſterne zu beſtimmen, da ihre Lichtphaſe ſehr klein iſt. Maraldi, Bianchini und Lacaille beſchäftigten ſich anhaltend damit und Letzterer fand aus ſeinen Beobachtungen, die er i. J. 1751 am Vorgebirge der guten Hoffnung angeſtellt hatte, die Sonnenparallaxe gleich 10 ¼85Venus.Secunden, aber da beide Beobachtungsarten ihren Naturen nach keiner ſehr großen Genauigkeit fähig ſind, beſonders für die noch unvollkommenen Inſtrumente jener Zeit, ſo wurde es wohl ſehr wahrſcheinlich gemacht, daß die Parallaxe der Sonne nahe 9 Secun - den betrage, aber die Aſtronomen mußten noch immer wünſchens - werth finden, eine andere, genauere Methode zu beſitzen, um ſich von der wahren Größe dieſes wichtigen Planeten vollkom - men zu verſichern.

Der Venusdurchgang des Jahres 1761 hatte ein Mittel, die - ſen Zweck zu erreichen, dargeboten. Allein man ſah bald, daß der Durchgang dieſes Jahres mit mehreren ungünſtigen Verhält - niſſen verbunden war, und daß man ſich daher zufrieden ſtellen mußte, wenigſtens eine Beſtätigung der von Caſſini aufgeſtellten Parallaxe gefunden zu haben, obſchon man ſie, wie man doch an - fangs gehofft hatte, nicht genauer beſtimmen oder in engere Gränzen einſchließen konnte.

§. 67. (Durchgang von 1769.) Unter dieſen Umſtänden er - wartete man mit Ungeduld den nächſtfolgenden Durchgang der Venus, am 3 Junius 1769, von dem man ſich durch Rechnung voraus verſichert hatte, daß er viel günſtigere Verhältniſſe zur Beſtimmung der Sonnenparallaxe bieten würde, wenn die Beobachtungen in den zu dieſem Zwecke angemeſſenſten Orten der Erde angeſtellt werden ſollten. Die dazu geeignetſten waren das Südmeer, Californien und die nördlichſten Gegenden von Europa ſowohl als auch von Aſien.

Die Monarchen aller gebildeten Nationen Europa’s bemüh - ten ſich, ihre Aſtronomen zur Erreichung ihres für die Wiſſen - ſchaft wichtigen und für Alle intereſſanten Zweckes mit ruhmwür - digem Wetteifer zu unterſtützen. Frankreich, deſſen Miniſter Choiſeul ſich der Sache mit beſonderem Eifer annahm, ſendete die Aſtronomen La Chappe nach Californien, Pingré nach St. Domingo und Veron nach Oſtindien. Die K. Academie der Wiſſenſchaften in London ſchickte, auf Befehl und Koſten des - nigs, ihre Mitglieder Dymond und Wales nach Nordamerica; Call nach Madras und Green nach Otaheiti, welch Letzterer ſeine Reiſe auf einem von dem berühmten Capitain Cook commandirten86Venus.Schiffe vollendete. Die Kaiſerin Catharina von Rußland ließ durch ihre Academie in Petersburg Aſtronomen aus Deutſchland und der Schweiz berufen und viele Inſtrumente zu dieſem Zwecke in Paris und London ankaufen, mit welchen ausgerüſtet der ruſ - ſiſche Aſtronom Rumovsky nach Kola (Br. 69°), der Schweizer Pictet nach Umba (Br. 67°) und Mallet nach Ponoi gingen. Ueberdieß wurde noch Islenies nach Yakutz, Lowitz nach Gu - rief, Krahl nach Orenburg und Chriſtian Euler nach Omsk ge - ſchickt. In Petersburg ſelbſt beobachteten dieſen Durchgang Mor - jan aus Manheim, Albert Euler, Lexell und Kotelnikow. Der König von Dänemark bat ſich zu dieſem Zwecke den Aſtrono - men Hell von Wien aus, der auf des Königs Koſten die Reiſe nach Wardoe im nördlichen Lappland machte. Ueberdieß beob - achteten noch Planmann zu Cajaneburg in Finnland, Melander zu Upſala, Bayley am Nordcap, Juſtander zu Abo, Maskelyne zu Greenwich, Hornsby zu Oxford, Caſſini zu Paris, Lagrange zu Mailand, Sambach zu Wien, Ackermann zu Kiel u. m. a. Durch ungünſtiges Wetter und andere Umſtände wurden vereitelt die Beobachtungen des Legentil zu Pondichery, des Call zu Madras, des Pictet zu Umba u. a.

§. 68. (Berechnung der beobachteten Durchgänge.) Faſt alle oder wenigſtens die wichtigſten dieſer Beobachtungen findet man ge - ſammelt in Lalande’s Mem. sur le Passage de Venus 1772, und am vollſtändigſten in Encke’s Entfernung der Sonne, 2 Bände, Gotha 1822 und 1824. Kaum waren die Beobachtungsreſultate bekannt geworden, als ſich eine große Anzahl von Männern fand, welche die Berechnung derſelben übernahmen. Hornsby in Eng - land fand aus den von ihm zu Grunde gelegten Beobachtungen die Horizontal-Parallaxe der Sonne für ihre mittlere Entfernung von der Erde 8″8 und ganz eben ſo auch Pingré. Planmann in Schweden fand 8″4, Lalande 8″5; Lexell 8″68, Hell 8″70. Encke, der in dem ſo eben erwähnten Werke, die ſämmtlichen als gut anerkannten Beobachtungen der beiden Durchgänge von 1761 und 1769 mit der größten Sorgfalt berechnete, fand im Mittel aus allen die Sonnenparallaxe für die mittlere Entfernung der Sonne und für einen Beobachter im Aequator gleich 8″578;87Venus.welches Reſultat nach Encke’s Berechnungen nur mehr den wahr - ſcheinlichen Fehler von 0″037 haben kann, ſo daß die wahre Sonnenparallaxe zwiſchen den beiden Gränzen 8″54 und 8″61 ent - halten iſt. Nimmt man nun die geographiſche Meile ſo an, daß fünfzehn derſelben auf einen Grad des Aequators, alſo 5400 auf den ganzen Umfang des Aequators gehen, ſo iſt der Halbmeſſer des Erdäquators (I. §. 5) gleich 〈…〉 oder gleich 859,4367 geographiſche Meilen und die aus der Parallaxe 8″,578 folgende Entfernung der Sonne von der Erde beträgt 20666800 Meilen und die wahre Entfernung derſelben iſt zwiſchen den Gränzen von 20577649 und 20755943 geogr. Meilen enthalten. Unſere ſpäteren Nachkommen werden dieſe Gränzen ohne Zweifel noch enger zuſammenziehen und dieſes allgemeine Maaß der Aſtronomen noch viel genauer beſtimmen, als es uns bisher mög - lich geweſen iſt. Wir müſſen uns begnügen, die Entfernung der Sonne von 20666800 Meilen bis 89000 Meilen, d. h. bis etwa auf den 230ſten Theil ihrer Größe, genau zu kennen. Wem dieß zu wenig ſcheint, der mag uns ſagen, wie viele Diſtanzen der Hauptſtädte unſerer Erde wir bis auf ihren 230ſten Theil genau anzugeben wiſſen.

Die folgende kleine Tafel enthält die zunächſt folgenden Durchgänge der Venus, von welchen wir wünſchen, daß recht viele unſerer Leſer wenigſtens die beiden erſten derſelben noch mit anſehen mögen.

88Venus.

§. 69. (Methode, aus dieſen Durchgängen die Sonnenparall - axe zu finden.) Es iſt nun noch übrig zu zeigen, auf welche Weiſe man aus den Beobachtungen dieſer Durchgänge die Son - nenparallaxe durch Rechnungen ableiten kann, und warum die aus dieſen Beobachtungen geſchloſſenen Reſultate den hohen Grad von Verläßlichkeit haben, der bereits oben von ihnen gerühmt wor - den iſt.

Man bemerkt wohl ohne meine ausdrückliche Erinnerung, daß ein rabenſchwarzer kleiner Kreis auf dem hellleuchtenden Hinter - grunde der Sonne, denn ſo ſtellt ſich zur Zeit des Durchgangs die Venus dem Beobachter dar, mit der größten Schärfe geſehen werden kann, ſo daß man alſo den Ort, welchen dieſer ſchwarze Kreis in der Sonne einnimmt, für jeden Augenblick mit völliger Sicherheit angeben wird. Allein es handelt ſich hier nicht um jeden dieſer Orte, den Venus nach und nach während ihrer Durch - gänge einnimmt, ſondern nur um einige wenige und gerade um dieſelben, die unter allen am leichteſten und beſten, ſelbſt ohne alle Inſtrumente, blos durch ein gutes Fernrohr, beſtimmt wer - den können. Man braucht nämlich nur die vier Momente der äußern und innern Ein - und Austritte, oder die vier Augenblicke zu beobachten, wann die Ränder der Venus und der Sonne ſich, ſowohl von außen als auch von innen, berühren. Der erſte äußere Eintritt bei a (Fig. 5) kann vielleicht zu ſpät beobachtet werden, wenn man den Punkt des öſtlichen Sonnenrandes nicht genau weiß, an welchem die Venus eintreten ſoll, obſchon man dieſen Punkt durch Rechnung ſchon genau voraus beſtimmen kann. Allein der zweite oder innere Eintritt bei b, ſo wie der innere Austritt bei c läßt ſich auf das ſchärfſte mit dem Auge verfolgen, bis der eigentlich entſcheidende Augenblick, d. h. die Bildung des feinen Lichtfadens eintritt, der zwiſchen den Rändern der beiden Himmelskörper bei ihrer Berührung entſteht, und nicht viel weniger genau wird man auch den letzten entſcheiden - den Punkt des ſchwarzen Kreiſes in d angeben, der an dem Ran - de der Sonne in dem Augenblicke erſcheint, wenn er von der Venus völlig verlaſſen wird.

§. 70. (Sicherheit dieſer Methode.) Ueber die Sicherheit die -89Venus.ſer Beobachtungen an ſich kann alſo weiter kein Zweifel ſeyn. Allein es handelt ſich hier nicht ſowohl um dieſe Beobachtungen ſelbſt, als vielmehr um das Reſultat, welches man daraus ablei - ten will, nämlich um die wahre Größe der Sonnenparallaxe. Wenn man nun z. B. zeigen könnte, daß ein Fehler der Beob - achtung von einer Zeitſecunde die geſuchte Parallaxe erſt um eine Raumſecunde, alſo um 15 mal weniger fehlerhaft machen würde, ſo würden wir dieſe Methode mit Recht als eine ſehr gute und in der Ausübung mit Verläßlichkeit anwendbare an - ſeben, da, wie wir geſehen haben, ein Fehler von einer Zeitſecun - de in der Beobachtung jener vier Berührungen nicht wohl ſtatt ha - ben kann. Allein die Verhältniſſe ſind in der That noch viel günſtiger, als ſie in dieſem Beiſpiele dargeſtellt wurden.

Halley hat in den zwei bereits erwähnten Memoiren (Phil. Tranasct. 1691 und 1716) durch Berechnung gezeigt, daß wenn bei ganz ſchicklich gewählten Beobachtungsorten auf der Erde die Ein - und Austritte der Venus auf eine Zeitſecunde genau be - ſtimmt werden, daraus die Parallaxe oder die Diſtanz der Sonne bis auf ihren 1 / 500 ſten Theil genau beſtimmt werden könne. Wenn nun auch dieſe Behauptung vielleicht etwas übertrieben erſcheinen mag, und wenn, wie die Erfahrung bei den zwei letzten Durch - gängen gelehrt hat, die Fehler der Beobachtungen eine Secunde oft genug überſteigen, ſo bleibt es demungeachtet nicht minder wahr, daß dieſe Beobachtungsart eine der ſicherſten in der gan - zen praktiſchen Aſtronomie iſt, und daß dieſe Methode der Beſtim - mung der Sonnenparallaxe einen Grad von Verläßlichkeit beſitzt, deren ſich nur wenige und vielleicht keine andere erfreut.

Es wird nicht unangemeſſen ſeyn, hier Einiges aus dem er - wähnten Aufſatze Halley’s anzuführen, dem wir die Kenntniß dieſer Methode verdanken und der zugleich in einer gemeinfaßli - chen Sprache geſchrieben und ſehr lehrreich abgefaßt iſt. Es giebt viele Dinge in der Welt, ſagt er, die auf den erſten Blick ſehr paradox, ja ganz unglaublich erſcheinen und die doch nicht minder wahr und oft ſogar mit Hülfe der Mathematik ſehr leicht zu be - weiſen ſind. Was ſollte es wohl Schwereres geben, als die Be -90Venus.ſtimmung der Entfernung der Sonne von der Erde? *)Wohl dürfte man in Beziehung auf dieſe Frage von Halley noch mit Plinius ſagen: Incomperta haec et inextricabilia, nec ut mensura, id enim velle pene dementis est, sed ut tantum aestimatio conjectandi constet animo (H. N. II. Cap. 23). Und doch iſt ſie eine der leichteſten, wenn man nur einige dieſem Zwecke an - gemeſſene Beobachtungen vorausſchickt; wie ich ſogleich näher zei - gen werde.

Vor vierzig Jahren (im J. 1677) war ich auf der Inſel St. Helena, um daſelbſt die Sterne des ſüdlichen Himmels zu beobachten. Zufällig ereignete ſich in dieſer Zeit ein Durchgang des Merkurs vor der Sonnenſcheibe. Indem ich ihn mit einem guten Fernrohre beobachtete, bemerkte ich bald, daß ſich dieſe Beobachtungen mit einer ganz beſonderen Schärfe ausführen laſ - ſen. Dabei fiel mir ein, daß ſich durch dieſe Beobachtungen wohl die Parallaxe des Merkur gut beſtimmen laſſen würde, die be - trächtlich größer ſeyn muß, als die der Sonne, da Merkur in ſeiner unteren Conjunction der Erde ſo viel näher ſteht. Aber ich ſah auch bald, daß die Differenz der Parallaxe Merkurs und der Sonne kleiner iſt, als die Parallaxe der Sonne, und daß daher auf dieſem Wege nicht viel Gutes zu erwarten ſeyn wird. **)Die Parallaxe Merkurs iſt bei ſeinen untern Conjunctionen 17″ und die Parallaxe der Sonne ſetzte Halley noch gleich 12″ vor - aus. Die Differenz beyder iſt 5″, alſo mehr als die Hälfte kleiner als die angenommene Sonnenparallaxe. Bei der Venus aber nahm er die Parallaxe 43″ und 43 weniger 12, oder 31″ iſt nahe dreimal größer als jene Sonnenparallaxe.

Aber bei der Venus, fiel mir ein, iſt dies Verhältniß viel günſtiger, da ihre Parallaxe viel größer iſt, als die des Merkur, und da man ſie alſo auch von verſchiedenen Punkten der Erde an verſchiedenen Stellen der Sonnenſcheibe ſehen muß. Sollte ſich aber nicht aus eben dieſer Verſchiedenheit der Stellen die Sonnenparallaxe ſelbſt, durch die ſie doch verurſacht werden, wie - der rückwärts finden laſſen?

Dieſe Beobachtungen bedürfen, wie man von ſelbſt ſieht, keiner beſonders koſtbaren Inſtrumente. Ein gutes Fernrohr und eine gute Uhr, weiter braucht es nichts. Die geographiſche Breite91Venus.des Orts darf nur obenhin bekannt ſeyn, da ſie auf die Erſchei - nung keinen ſo weſentlichen Einfluß hat und die geographiſche Länge kann man beinahe ganz entbehren, da man nichts als die Dauer der Beobachtung, d. h. als die Zeit zu kennen braucht, die zwiſchen dem Ein - und Austritt der Venus verfließt, ohne die abſoluten Momente dieſer Erſcheinungen ſelbſt zu kennen.

Der erſte der nächſtkünftigen Durchgänge der Venus wird am 26ſten May 1761 ſtatt haben. An dieſem Tage, wenn es in London zwei Uhr des Morgens iſt, wird Venus in die Sonne treten und um zehn Uhr des Vormittags wird ſie wieder austreten. Die Dauer des ganzen Durchgangs wird alſo acht Stunden ſeyn, und wir in London werden den Eintritt nicht ſehen, weil wir zu dieſer Zeit noch Nacht haben. Aber wenn die Sonne gegen ſechs Uhr aufgehen wird, werden wir die Venus beinahe in der Mitte der Sonnenſcheibe erblicken. Aber die Bewohner von Norwegen und wohl auch die vom nördlichen Schottland, für welche die Sonne, wenn es in London zwei Uhr iſt, ſchon aufgegangen ſeyn wird, dieſe werden den Eintritt und ſonach die ganze Dauer der Er - ſcheinung ſehen. In Oſtindien aber, am Ausfluſſe des Ganges, wird die Sonne beinahe im Zenithe dieſes Landes ſtehen, zu der Zeit, wo die Bewohner derſelben die Venus eben in der Mitte der Scheibe ſehen, und es läßt ſich leicht durch Rechnung zeigen, daß hier die Dauer des ganzen Durchgangs, durch die Wirkung der Parallaxe, nahe um 11 Zeitminuten verkürzt wird. Allein die Antipoden dieſes Ortes, d. h. die Gegenden um die Hudſons - bay ſehen die Venus in der Mitte der Scheibe zur Zeit ihrer Mitternacht, und hier wird, durch die Wirkung derſelben Parall - axe die Dauer des Durchgangs um mehr als 6 Zeitminuten ver - längert. Wenn alſo die Erſcheinung an dieſen beiden Orten beobachtet werden ſollte, ſo würde die beobachtete Dauer des ei - nen um volle 17 Min. von der des andern Ortes verſchieden ſeyn, wenn, wie ich bei dieſen kleinen Rechnungen vorausſetzte, die Parallaxe der Sonne gleich 12 ½ Secunden iſt. Sollte nun dieſe Differenz der Dauer an den beiden Orten, durch die wirklichen Beobachtungen größer oder kleiner gefunden werden, ſo würde daraus auch eine nahe in demſelben Maaße größere oder kleinere92Venus.Sonnenparallaxe gefolgert werden. Da in der That 17 Min. oder 1020 Sec. zu der Sonnenparallaxe 12,5 Sec. gehören, ſo wird eine einzige Secunde Aenderung dieſer Parallaxe ſchon mehr als 80 Zeitſecunden Aenderung in der Differenz jener Dauer erzeugen. Da man hat 125: 1020 = 1: 81.

Hat man alſo dieſe Differenz auch nur auf zwei Zeitſecun - den genau beobachtet, ſo wird man daraus die Sonnenparallaxe bis auf den 1 / 40 ſten Theil einer Secunde genau finden, weil wieder iſt 12,5: 1020 = 1 / 40: 2 und dieſer 1 / 41 ſte Theil einer Secunde iſt der 1 / 500 ſte Theil der ganzen Sonnenparallaxe, die wir zu 125 angenommen haben, weil 40 mal 12,5 gleich 500 iſt.

Ich empfehle daher dieſe Methode auf das dringendſte allen Aſtronomen, die Gelegenheit haben ſollten, dieſe Dinge zu be - obachten, wenn ich ſchon todt bin. Mögen ſie dieſes meines Ra - thes eingedenk ſeyn und ſich recht fleißig und mit aller ihrer Kraft auf dieſe wichtigen Beobachtungen verlegen, wozu ich ihnen alles erdenkliche Glück wünſche, zuerſt daß ſie nicht durch ungünſtige Witterung des erſehnten Anblicks beraubt werden und dann, daß ſie, wenn ſie die wahre Größe unſerer Planetenbahnen mit mehr Genauigkeit beſtimmt haben, daraus unſterblichen Ruhm und Ehren ſchöpfen mögen.

*)Es iſt ſchwer, den ſchlichten Vortrag des biedern Mannes in einer andern Sprache getreu wieder zu geben. Der Schluß deſſelben heißt: I recommend it therefore again and again to those Astronomers, who may have an opportunity of observing these things, when I am dead, that they would remember these admonitions and diligently apply themselves, with all their might to the making of the necessary observa - tions, in which I wish them earnestly all imaginable success: in the first place, that they may not, by the unseasonable obscurity of a clauded sky, be deprived of this most desi - rable sigh; and then, that having ascertained with more ex - actness the magnitude of the planetary orbits, it may re - dound to their immortal fame and glory.
*)93Venus.

§. 71. (Andere Betrachtungen über die Sicherheit dieſer Me - thode.) Wir wollen es nun verſuchen, den Leſern im Allgemeinen, und ſo weit dieß ohne Rechnung möglich iſt, die Gründe aus einander zu ſetzen, worin ſich durch die Beobachtung dieſer Durch - gänge der Venus die Sonnenparallaxe mit ſo großer Genauigkeit beſtimmen läßt. Sey SS '(Fig. 6.) die Sonne, C oder C' die Erde, und V oder V 'der Mittelpunkt der Venus, welche b[e]ide Planeten ſich in ihren Bahnen zur Zeit der untern Conjunction der letztern von Oſt gegen Weſt, oder von C nach C ', und von V nach V' bewegen, während der der Venus zugekehrte Punkt der Erde in ſeiner täglichen Rotation von Weſt nach Oſt geht, wie die der Figur beigeſetzten Pfeile anzeigen. Die beiden geraden Linien durch V und V 'berühren den Rand der Venus, ſo wie die beiden Linien bei S und S' den Rand der Sonne berühren.

Dieß vorausgeſetzt, iſt (I. §. 61) der Winkel AVC die Hori - zontal-Parallaxe der Venus. Eigentlich ſollte zwar der Punkt V in dem Mittelpunkte der Venus liegen, aber man ſieht von ſelbſt, daß dieſer Winkel nur ganz unmerklich geändert werden wird, wenn man den Punkt V in irgend einem Punkte der Peripherie der Venus annimmt. Dieſem Winkel iſt aber auch der Winkel αVc gleich, und da der letzte Winkel von dem Bogen αc am Himmel gemeſſen wird, ſo kann man ſagen, dieſer Bogen αc ſtelle die Parallaxe der Venus vor. Ganz eben ſo wird alſo auch die Parallaxe der Sonne durch den Winkel ASC oder aSc, das heißt, durch den Bogen ac vorgeſtellt werden. Es iſt demnach αc die Parallaxe der Venus, und ac die der Sonne, und daher aα die Differenz dieſer beiden Parallaxen, und zwar für den Augenblick, wo ein Beobachter in dem Mittelpunkte C der Erde eben die Venus ganz in dem öſtlichen Rande, und zwar in dem Punkte S der Sonne eingetreten ſieht. Ganz eben ſo iſt auch a'c 'die Parallaxe der Sonne, und a'c' die der Venus, alſo auch a 'die Parallaxendifferenz für den Augenblick, wo für den Beobachter C' im Mittelpunkte der Erde die Venus, ſo eben ganz aus dem weſtlichen Rande der Sonne, und zwar in dem Punkte S', ausgetreten iſt.

Bei jenem Eintritte ſieht alſo der Beobachter im Mittel -94Venus.punkte C der Erde den Punkt V des Venusrandes an dem Himmel in c. Allein ein anderer Beobachter auf der Oberfläche der Erde in A wird denſelben Punkt V am Himmel in α ſehen, während er den Punkt S des öſtlichen Sonnenrandes, wo der erwähnte Eintritt der Venus für den Mittelpunkt der Erde geſchieht, in dem Punkte a des Himmels ſieht, d. h. alſo, der Beobachter in A wird die beiden Berührungspunkte V und S noch um den Bogen aα oder um die Parallaxendifferenz von einander entfernt ſehen, während der Beobachter in C dieſe beiden Punkte V und S in dem gemeinſchaftlichen Punkte c zuſammenfallen ſieht. In dem - ſelben Augenblicke alſo, wo der Beobachter in C den letzten Punkt V der Venus eben in den öſtlichen Sonnenrand eintreten ſieht, ſteht dieſer Punkt V für den Beobachter in A, noch um die ganze Parallaxendifferenz aα öſtlich von dem Sonnenrande S entfernt; für C hat der innere Eintritt ſo eben ſtatt, für A aber wird er erſt ſpäter erfolgen, und zwar erſt in der Zeit, in welcher Venus den Bogen aα am Himmel zurückgelegt haben wird.

Während des nun folgenden Durchgangs der Venus vor der Sonnenſcheibe geht dieſer Planet in ſeiner Bahn von V nach V ', und die Erde von C nach C', oder beide gehen von Oſt nach Weſt. Der Beobachter A aber, auf der Oberfläche der Erde, der früher den weſtlichſten Punkt A einnahm, wird durch die tägliche Rotation auf die öſtliche Seite, gegen A' hin, gebracht. In dem Augenblicke, wo der letzte Punkt V 'des Venusrandes, von dem Mittelpunkte C' der Erde geſehen, den weſtlichen Rand S' der Sonne verläßt, und wo alſo, für dieſen Beobachter C ', der Durch - gang endet, weil er dieſe beiden Punkte V' und S' in einem und demſelben gemeinſchaftlichen Punkte c 'des Himmels ſieht, in demſelben Augenblicke wird ein Beobachter in dem Punkte A' auf der Oberfläche der Erde den Punkt S' der Sonne in a', den Punkt V' der Venus aber in α, d. h. er wird den Punkt V 'um den Bogen a', oder um die Parallaxendifferenz weiter weſtlich ſehen, und für den Beobachter in A' wird daher der Durchgang ſchon vorüber ſeyn, und zwar wieder ſo lange Zeit, die wir T nennen wollen, als die Venus braucht, den Bogen a 'der Parallaxendifferenz am Himmel zu durchlaufen.

95Venus.

Kurz, der Beobachter auf der Oberfläche der Erde in A oder A' wird den Eintritt der Venus ſpäter, und den Austritt der - ſelben früher ſehen, als der Beobachter im Mittelpunkte C der Erde, und zwar um die Zeit T ſpäter oder früher. Die ganze Dauer der Erſcheinung aber wird für jenen kürzer ſeyn, als für dieſen, und zwar um das Doppelte jener Zeit, oder um die Zeit 2 T.

Dieſer Unterſchied zwiſchen dem Ein - und Austritte, oder auch dieſer Unterſchied zwiſchen der Dauer, wie er auf der Ober - fläche und im Mittelpunkte der Erde geſehen wird, hängt alſo, wie man ſieht, bloß von der Differenz der Parallaxen oder von der Größe des Bogens aα oder a ', und zugleich von der Ge - ſchwindigkeit ab, mit welcher die Venus dieſen Bogen zurücklegt. Wird die Parallaxendifferenz größer, ſo wird auch dieſe Zeit T oder 2 T größer werden, und iſt im Gegentheile die Geſchwin - digkeit der Venus größer, ſo wird dieſe Zeit T oder 2 T kleiner werden. Da nun T eine bloße Wirkung der Parallaxen - differenz iſt, ſo wird man, wenn die Bewegung, mit welcher ſich die Venus der Sonne nähert, bekannt iſt und dieſe iſt aus den mittlern Bewegungen der Venus und der Sonne auf das genaueſte bekannt ſo wird man aus dieſer Zeit T auch wieder rückwärts auf jene Parallaxendifferenz ſchließen und zwar mit einer deſto größern Genauigkeit ſchließen können, je größer dieſes T ſelbſt iſt.

§. 72. (Vergleichung der Durchgänge von Merkur und Venus.) Sehen wir alſo zu, welchen Werth dieſe Zeit T in dem Falle hat, wo ſie am größten iſt. Für Merkur hat man bei der untern Conjunction dieſes Planeten ſeine Horizontal-Parallaxe gleich 17″ und die der Sonne nahe 8″. Beider Differenz iſt alſo nur 9 Se - cunden, und dieß iſt die Größe des Bogens aα für Merkur. Nun beträgt aber die Bewegung Merkurs, mit welcher er ſich, von der Erde geſehen, der Sonne nähert, zur Zeit der Durchgänge während jeder Stunde nahe 550″. Wann wird er alſo in dieſer Bewegung den Bogen von 18″, oder die doppelte Parallaxendifferenz zurück - legen? Die folgende Proportion beantwortet dieſe Frage: 550″: 60 '= 18″: 2 T Es iſt alſo 2 T nahe gleich 2 Zeitminuten, oder die Differenz der96Venus.Dauer der Merkursdurchgänge, von dem Mittelpunkte und von der Oberfläche der Erde geſehen, beträgt höchſtens 2 Zeitminuten. Geſetzt alſo, man hätte bei der Beobachtung eines ſolchen Durch - ganges die Dauer deſſelben um volle 10 Zeitſecunden fehlerhaft erhalten, was allerdings eine ſehr unwahrſcheinliche Vorausſetzung iſt, ſo würde man dadurch die Parallaxendifferenz ſchon um 1 ½ Raumſecunde unrichtig erhalten, denn 120: 18 = 10: 1 ½

So große Fehler, von 1 ½ Secunden, geben aber nicht ein - mal die oben angeführten Beobachtungen des Mars zur Zeit ſeiner Oppoſition, daher man alſo die Durchgänge Merkurs zu dieſem Zwecke nicht mit Vortheil gebrauchen kann.

Sehen wir nun, was wir von den Durchgängen der Venus zu erwarten haben. Die Horizontalparallaxe dieſes Planeten iſt 31″, und die der Sonne, wie geſagt, 8″. Die Differenz dieſer Parallaxen beträgt alſo 23″, oder ſie iſt nahe dreimal größer, als bei Merkur, was, nach dem Vorhergehenden, ſchon ein großer Vortheil iſt. Die ſtündliche Bewegung der Venus gegen die Sonne endlich iſt zur Zeit ihrer Durchgänge 234″, alſo mehr als die Hälfte kleiner, als bei Merkur, worin der zweite Vortheil beſteht. Wann wird alſo Venus den Bogen von 46″, oder die doppelte Parallaxendifferenz zurücklegen? Die Antwort auf dieſe Frage gibt folgende Proportion: 234″: 60 '= 46″: 2 T Es iſt alſo 2 T = 11',8 oder nahe 12 Minuten, alſo beinahe ſechsmal größer, als bei Merkur. Um zu ſehen, welchen großen Einfluß dieß auf die Beſtimmung der Parallaxendifferenz hat, wollen wir wieder annehmen, daß man in der Beobachtung der Dauer eines ſolchen Durchgangs um 10 Zeitſecunden gefehlt habe, ſo hat man 720: 46 = 10: oder, wenn man in der Beobachtung dieſes Phänomens auch nur volle 10 Zeitſecunden gefehlt hätte, ſo würde die daraus geſchloſſene Parallaxendifferenz doch nur um einer Raumſecunde fehlerhaft ſeyn, während wir oben bei Merkur einen Fehler von 1 ½ Se - cunden, alſo nahe dreimal mehr, erhalten haben. Allein ſo große97Venus.Fehler wird wohl nicht leicht ein Aſtronom, ſelbſt unter den un - günſtigſten Verhältniſſen, begehen können. Der Fehler, dem man bei der gegenwärtigen Vervollkommnung der Inſtrumente und der Beobachtungskunſt noch ausgeſetzt iſt, kann bei dieſer Art von Beobachtungen höchſtens eine einzige Secunde betragen, und ſo - nach würde man, durch die Anwendung der hier erläuterten Me - thode, die Parallaxendifferenz der Venus und der Sonne wenigſtens bis auf 0,06 oder bis auf 1 / 17 einer Raumſecunde genau erhalten.

Man ſieht aus allem Vorhergehenden, daß der eigentliche Vortheil dieſer Methode darin beſteht, daß erſtens die Venus, in ihrer untern Conjunction, ſehr nahe bei der Erde iſt, wodurch die Parallaxe derſelben ſo groß wird, und daß zweitens ihre von der Erde geſehene Bewegung, in Beziehung auf die Sonne, zu dieſer Zeit ſo klein iſt. Hätten wir noch einen andern Planeten, der uns in ſeiner untern Conjunction noch näher käme und der ſich daſelbſt noch langſamer bewegte, ſo würde derſelbe noch viel geſchickter zur Beſtimmung der Parallaxe ſeyn.

§. 73. (Nachträgliche Bemerkungen zu dieſer Methode.) Bei der vorhergehenden Darſtellung wird ein aufmerkſamer Leſer noch zwei Dinge vermiſſen, die wir, um den Vortrag zu erleich - tern, abſichtlich übergangen haben und daher hier nachtragen wollen.

Wir haben oben voraus geſetzt, daß nicht nur der Beobach - ter auf der Oberfläche der Erde, ſondern daß auch noch ein an - derer, im Mittelpunkte e der Erde, die Dauer des Durchgangs geſehen habe, und auf die Vergleichung dieſer beiden Beobach - tungen beruht eigentlich, wie man bemerkt haben wird, die ganze Methode unſerer Parallaxen-Beſtimmung. Allein wie ſollen wir dieſe Beobachtung, die im Mittelpunkt der Erde angeſtellt wor - den iſt, erhalten? Sie unmittelbar anzuſtellen, iſt allerdings unmöglich, aber die Rechnung gibt hier, wie in ſo vielen andern Fällen den Aſtronomen ein leichtes Mittel an die Hand, dieſen Mangel zu erſetzen. Da nämlich die Tafeln der Venus ſchon in ſo hohem Grade genau ſind, da man die Bewegung dieſes Pla - neten und den ſcheinbaren Durchmeſſer derſelben ſowohl, als auch jenen der Sonne ſchon mit ſo viel Schärfe kennt, ſo iſt es ſehrLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 798Venus.leicht, durch Rechnung zu beſtimmen, wie lang die Dauer eines ſolchen Durchgangs für den Mittelpunkt der Erde ſeyn wird, viel leichter in der That, als für irgend einen andern Punkt der Ober - fläche der Erde, weil man für dieſen letztern auf die Parallaxe der Sonne und der Venus Rückſicht nehmen müßte, die hier, für den Mittelpunkt der Erde, ganz wegfällt. Die Rechnung, von wel - cher hier die Rede iſt, wird ganz dieſelbe ſeyn, welche man bei der Beſtimmung der Mondsfinſterniſſe für unſern Kalender anwendet, und mit der Jeder bekannt iſt, dem die erſten Elemente der rech - nenden Aſtronomie nicht ganz fremd ſind.

Das Zweite, was man wahrſcheinlich ſchon ohnehin be - merkt haben wird, iſt, daß wir oben immer nur von der Dif - ferenz der Parallaxen der Venus und der Sonne geſprochen ha - ben, da es doch anfangs hieß, daß die Venusdurchgänge die Sonnenparallaxe ſelbſt ſo genau beſtimmen ſollen. In der That hat man geſehen, daß alles Vorhergehende ſich nur auf die Differenz dieſer beiden Parallaxen gründet, und daß man doch auch nur dieſe Differenz, keineswegs aber die beiden Parallaxen ſelbſt, durch jene Methode beſtimmen kann.

Und ſo iſt es auch in der That: wir erhalten durch das bis - her erklärte Verfahren bloß die Differenz dieſer zwei Parallaxen. Allein hier kömmt uns das ſchon mehrmals (z. B. I. §. 58. 146 u. f.) angeführte dritte Geſetz Keplers ſehr zu ſtatten. Nach die - ſem Geſetze verhalten ſich nämlich die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten wie die Würfel ihrer mittleren Entfernungen von der Sonne. Es wurde aber ebenfalls ſchon geſagt (I. §. 123) daß man dieſe Umlaufszeiten der Planeten aus den Beobachtungen der Alten mit der größten Schärfe beſtimmen kann, und auch in der That beſtimmt hat. Alſo darf man auch, da uns das Kep - ler’ſche Geſetz gegeben iſt, annehmen, daß wir die Verhältniſſe der Entfernungen der Planeten von der Sonne mit derſelben Schärfe kennen. Allein dieſe Verhältniſſe der Entfernungen ſind nichts anders, als die Verhältniſſe der Parallaxen, da der Sinus der Parallaxe eines jeden Planeten gleich iſt dem bekannten Halb - meſſer der Erde dividirt durch die Entfernung des Planeten von der Erde. Zur Zeit der untern Conjnnction aber, wo Venus in einer geraden99Venus.Linie zwiſchen der Erde und der Sonne ſteht, iſt die Entfernung der Venus von der Sonne gleich dem, aus der elliptiſchen Theo - rie bekannten Radius Vector (I. S. 282) der Erde, weniger dem der Venus, ſo daß daher für dieſelbe Zeit das Verhältniß der Entfernungen beider Planeten von der Sonne, alſo auch das Ver - hältniß ihrer Parallaxen als eine gegebene und ſehr genau bekannte Größe anzuſehen iſt. Wenn man aber von zwei unbekannten Größen ihr Verhältniß und überdieß auch, wie dies bei un - ſerer Methode der Fall iſt, ihre Differenz kennt, ſo kann man auch ſehr leicht jede dieſer beiden Größen ſelbſt finden. Wenn z. B. durch die Beobachtung eines Durchgangs die Differenz der beiden Parallaxen gleich 23″ gefunden worden iſt, und wenn man aus der Theorie der elliptiſchen Bewegung, verbunden mit dem erwähnten Geſetze Keplers weiß, daß für dieſelbe Zeit das Ver - hältniß der beiden Parallaxen 3,795 iſt, ſo findet daraus jeder Anfänger in der Algebra ſofort, daß die beiden Parallaxen ſelbſt, die eine gleich 23″ und die andre gleich 8″ ſeyn muß, wodurch daher nicht bloß die geſuchte Parallaxe der Sonne, ſondern auch zu - gleich die der Venus gefunden wird.

§. 74. (Einfache Darſtellung des Vorhergehenden.) Man kann denſelben Gegenſtand noch auf eine andere, ſehr einfache Weiſe darſtellen. Iſt ABC (Fig. 7) die Erde, V die Venus und S die Sonne, ſo kann man, ohne in der Erſcheinung etwas zu ändern, die Erde, in Beziehung auf ihre jährliche Bewegung, als ruhend vorſtellen und dafür der Venus die Differenz derjeni - gen zwei Bewegungen geben, welche dieſer Planet und die Erde in der That haben. Sey alſo aVb der Weg, welchen Venus mit dieſer relativen Bewegung während der Zeit des ganzen Durch - gangs in ihrer Bahn beſchreibt. Es ſeyen ferner A und B zwei Be - obachter auf der Oberfläche der Erde, welche die zwei Endpunkte desjenigen Erddurchmeſſers AB einnehmen, der auf der Ebene der Ecliptik ſenkrecht ſteht. Läßt man der größeren Einfachheit we - gen die tägliche Rotation der Erde außer Betrachtung und nimmt man alſo an, daß dieſe zwei Beobachter ihre Lage gegen die Sonne unverändert beibehalten, ſo wird der eine Beobachter A zu einer gewiſſen Zeit den Mittelpunkt der Venus auf der Sonnen -7 *100Venus.ſcheibe in s und der andere Beobachter B in S ſehen. Wenn ſie nun beide ein Mittel beſitzen, die Entfernung der Punkte s und S von dem Mittelpunkte oder von dem Rande der Sonne mit Genauigkeit zu meſſen, ſo wird ihnen die Größe des Bogens sS z. B. in Secunden bekannt ſeyn. Nehmen wir an, daß man dieſen Bogen Ss gleich 40 Sec. gefunden habe. Da nun die Winkel in V, welche die beiden geraden Linien As und BS mit einander bilden, gleich groß und da auch die beiden Linien AB und Ss einander ſehr nahe parallel ſind, indem ſie beide auf der Ecliptik ſenkrecht ſtehen, ſo hat man aus den erſten Elementen der Geometrie die Proportion Ss: AB = SV: VB.

Allein SV iſt die Diſtanz der Sonne von der Venus und VB die der Venus von der Erde und aus der Theorie der elliptiſchen Bewegung weiß man, daß zur Zeit des Durchgangs dieſe Größen SV = 0,68 und VB = 0,27 ſind, wenn die mittlere Diſtanz der Erde von der Sonne als Einheit angenommen wird. Man hat daher auch Ss: AB = 68: 27 oder nahe = 5: 2 oder jener Bogen Ss nimmt auf der Oberfläche der Sonne einen Raum ein, der 5 / 2 mal ſo groß iſt als der Durchmeſſer AB der Er - de. Dieſer Bogen ſelbſt, in Secunden ausgedrückt, iſt daher auch 2 ½ mal ſo groß als derjenige Bogen, unter welchen der Durch - meſſer der Erde, von der Sonne aus geſehen, erſcheinen würde, d. h. der Winkel SAs iſt 2 ½ mal größer als der Winkel BSA. Dieſer letzte Winkel iſt aber (I. §. 61) die doppelte Parallaxe der Sonne. Da nun der Winkel SA s oder der Bogen Ss oben gleich 40 Secunden gefunden worden iſt, ſo folgt, daß die doppelte Sonnenparallaxe 16 Sec. und daher dieſe Parallaxe ſelbſt 8 Sec. beträgt.

Daraus ſieht man zugleich, daß jeder Beobachtungsfehler, den man in der Meſſung des Winkels SAs oder des Bogens Ss be - geht, nur den fünften Theil dieſes Fehlers in der geſuchten Son - nenparallaxe hervorbringen wird, was für die Beſtimmung dieſer letzten Größe ſehr vortheilhaft iſt, beſonders dann, wenn man Mittel beſitzt, dieſen Bogen Ss ſelbſt ſchon mit einer großen Ge -101Venus.nauigkeit zu meſſen. Mikrometriſche Meſſungen, ſo ſcharf dieſe auch ſeyn mögen, ſind hier nicht mit der gewünſchten Sicher - heit anzuwenden, weil es ſich um zwei verſchiedene Beobachter handelt. Viel beſſer wird man dieſen Zweck erreichen, wenn man von beiden Orten A und B der Erde den Eintritt der Venus in m und M und den Austritt in n und N aus der Sonnenſcheibe beobachtet. Wir haben bereits oben geſagt, daß man dieſe Ein - und Austritte des ſchwarzen Kreiſes auf dem hellen Sonnenhintergrunde ſehr ſcharf beobachten kann. Da ferner die relative Bewegung der Venus auf der Sonne ſo lang - ſam, und überdieß durch unſere ſchon ſehr vollkommenen Tafeln, ſehr genau bekannt iſt, und da man endlich, ohne allen merkli - chen Fehler die Wege MN und mn, welche der Planet auf der Sonne zu beſchreiben ſcheint, als gerade Linien annehmen kann, ſo erhält man eigentlich durch dieſe beobachteten Ein - und Aus - tritte die Längen der beiden geraden Linien MN und m n, und zwar mit der größten Schärfe, und es handelt ſich jetzt nur noch um die leichte Auflöſung des geometriſchen Problems: die Diſtanz S s zweier Sehnen eines Kreiſes zu finden, in welchem die Größe dieſer Sehnen ſowohl, als auch der Halbmeſſer dieſes Kreiſes, d. h. der Halbmeſſer der Sonne mit der größten Genauigkeit bekannt iſt.

§. 75. (Ueber die Verbeſſerung der Planetentafeln.) Das Vorhergehende wird genügen, eine allgemeine Vorſtellung von dem Verfahren zu geben, welches die Aſtronomen bei dieſer Beſtim - mung der Sonnenparallaxe anwenden, und zugleich den hohen Grad ſeiner Sicherheit zu zeigen. Allein die Vervollkommnung, welche ſeit nahe einem halben Jahrhunderte die Analyſe und durch ſie die berechnende Aſtronomie erhalten hat, ſetzt uns ge - genwärtig in den Stand, jene wichtige und noch viele andere in - tereſſante Aufgaben auf eine andere, ſehr vorzügliche Weiſe auf - zulöſen, von der wir hier, ſo gut es ohne eigentliche Rechnung möglich iſt, einige nähere Nachrichten mittheilen wollen.

Um die Sache ſogleich durch ein Beiſpiel deutlich zu machen, ſo haben wir bereits oben (I. §. 143) gezeigt, wie man den Ort eines Planeten für jede gegebene Zeit aus den für dieſen Plane - ten bereits berechneten Tafeln finden könne. Hat man nun für102Venus.dieſelbe Zeit den Planeten auch wirklich beobachtet, ſo müſſen beide Reſultate, das der Tafel, oder, was daſſelbe iſt, das der Rechnung und das der unmittelbaren Beobachtung übereinſtim - men, wenn anders beyde: Beobachtung und Berechnung, ganz gut und fehlerfrei ſind.

Wenn nun die Beobachtungen mit aller möglichen Sorgfalt, mit den beſten Inſtrumenten und unter den günſtigſten Umſtän - den angeſtellt worden ſind, wenn vielleicht mehrere Aſtronomen an derſelben oder auch an verſchiedenen Sternwarten dieſe Be - obachtungen gemacht und davon das ſogenannte Mittel genom - men haben, ſo wird man, da alle Wahrſcheinlichkeit dafür ſpricht, dieſe Beobachtung, die man zur Vergleichung gewählt hat, als gut anſehen können. Wenn ſie nun aber mit der Rechnung, d. h. mit dem aus den Tafeln durch Rechnung abgeleiteten Orte dem - ungeachtet nicht ſtimmen ſollte? Dann bleibt nichts übrig, als dieſe Rechnung oder dieſe Tafeln für fehlerhaft zu erklären.

Es iſt aber eines der wichtigſten, ja das Hauptgeſchäft des Aſtronomen, dieſe Tafeln der Planeten immer mehr und mehr zu vervollkommnen und es endlich, wenn möglich, dahin zu bringen, daß ein ſolcher aus den Tafeln berechneter Ort verläß - licher iſt, als jede einzelne Beobachtung, oder daß wir auf dieſe Weiſe den Himmel, d. h. hier die Planeten und ihre Bewegungen, am Ende ſo genau kennen lernen, um alle fernern Beobachtungen gleichſam entbehrlich zu machen.

Wenn alſo eine als gut anerkannte Beobachtung mit dieſen Tafeln nicht ſtimmt, ſo ſind dieſe Tafeln noch fehlerhaft, und ſie müſſen daher verbeſſert werden. Allein wo ſoll man dieſe Ver - beſſerung anbringen?

Dieſe Frage iſt von der größten Wichtigkeit. Um eine ſolche Tafel zu conſtruiren, muß man eine nicht kleine Anzahl von Dingen zu Hülfe rufen oder zu Grunde legen. Man muß z. B. die große Axe der Bahn, oder die Umlaufszeit des Planeten um die Sonne, man muß die Lage dieſer großen Axe, die Ex - centricität dieſer Bahn, ihre Neigung gegen die Ecliptik kurz man muß vor Allem die Elemente (Vergl. I. §. 142) der Planetenbahn kennen. Sind dieſe einmal genau bekannt, ſo hat103Venus.die Conſtruction der Planetentafel keine andere Schwierigkeit mehr, als die Mühe des Ealculs, die kein Aſtronom ſcheuen darf. Allein wenn ſie nun noch nicht genau bekannt, wenn eine, wenn mehrere, wenn vielleicht alle dieſe Elemente noch etwas unrichtig, noch kleinen Fehlern unterworfen ſind, ſo können dann auch gute Beobachtungen mit dieſen Tafeln nicht übereinſtimmen, und die letzten müſſen vor allen andern verbeſſert, d. h. die den Tafeln zu Grunde gelegten Elemente müſſen vor allen andern corrigirt werden, um jene gewünſchte Harmonie zwiſchen ihnen und den Beobachtungen einmal erhalten zu können.

§. 76. (Allgemeines Verfahren zu dieſem Zwecke.) Nun wäre es wohl leicht, irgend eines dieſer Elemente ſo zu ändern, daß dadurch dieſe Uebereinſtimmung für eine Beobachtung erzeugt wird. Man dürfte nur z. B., was das einfachſte wäre, die Epoche der mittlern Bewegung (I. §. 116) dem gemäß etwas ändern, um die Tafel mit dieſer Beobachtung in vollkommene Harmonie zu bringen. Allein wird dann auch ſofort jede zweite, dritte und überhaupt jede folgende gute Beobachtung durch die Tafeln dar - geſtellt werden? Schwerlich, da jenes Verfahren vorausſetzt, daß nur die Epoche der Tafeln fehlerhaft, jedes andere Element aber vollkommen gut iſt, eine Vorausſetzung, zu der die Epoche kein größeres Recht, als alle übrigen Elemente hat.

Man wird alſo im Allgemeinen alle Elemente für fehlerhaft anſehen, und ſie ſonach alle auf einmal ſo verbeſſern müſſen, daß dadurch nicht nur eine, ſondern eine große Anzahl guter und weit von einander entfernter Beobachtungen vollkommen genau dargeſtellt werden. Aber wie ſoll man das anfangen? Man ſieht ohne meine Erinnerung, daß das Problem, das ſich hier die Aſtro - nomen gegeben haben, kein leichtes iſt. Und doch muß es auf - gelöst werden, weil man ſonſt gar nicht daran denken kann, auch nur einmal gute Planetentafeln zu erhalten. Daß aber ſolche Tafeln, nicht bloß für die Wiſſenſchaft, von ſehr großem Werthe ſind, iſt wohl für ſich klar. Wenn z. B. unſere Monds - tafeln noch ſo fehlerhaft wären, wie ſie es zu Tycho’s und ſelbſt zu Newtons Zeiten waren, ſo würden wir das beſte und vorzüg - lichſte Mittel, die geographiſche Länge auf der hohen See zu104Venus.beſtimmen, nämlich die Methode der Diſtanzen des Mondes von den Sternen, auch gar nicht mit Sicherheit anwenden können, und Hunderte von[Schiffen] würden ſchon zu Grunde gegangen ſeyn, bloß weil ihnen dieſes Mittel fehlte.

Wie ſoll man es aber anfangen, alle Elemente einer Planeten - bahn auf einmal zu verbeſſern. Dieß iſt es, was ich hier zu - nächſt zu erklären ſuchen werde.

Nehmen wir an, wir hätten eine Anzahl von beobachteten Sonnenlängen vor uns, die wir alle als ganz gut anzuſehen berechtigt ſind. Berechnen wir ſogleich aus unſern Sonnentafeln, für die Zeiten jener Beobachtungen, dieſe tabellariſchen Längen der Sonne. Da unſere Sonnentafel noch fehlerhaft iſt, wie wir vorausſetzen, ſo werden dieſe berechneten Längen mit den beob - achteten nicht genau ſtimmen. Seyen a, a', a' ', die Differenzen dieſer beiden Längen für die 1, 2, 3te Beobachtung.

Betrachten wir von den Elementen dieſer Sonnentafel zuerſt die Länge des Apheliums. Nehmen wir z. B. an, die erſte Beob - achtung ſey zu einer ſolchen Zeit gemacht worden, wo die Länge der Sonne weniger der Länge ihres Apheliums, d. h. wo die mittlere oder wahre Anomalie (I. §. 140) der Sonne nahe gleich 200 Grade war. Geht man in denjenigen Theil der Sonnentafeln ein, der mit dem Argumente der mittlern Anomalie die Gleichung der Bahn (I. §. 141) gibt, ſo findet man, daß für eine ſolche Sonnen - länge durch eine Minute Aenderung der Anomalie die wahre Länge der Sonne um nahe 2 Sec. vergrößert wird. Damit könnte man nun gleich dieſes Element ſo verbeſſern, daß die tabellariſche und die beobachtete Länge der erſten Beobachtung vollkommen mit einander übereinſtimmen, oder daß der erſte der oben erwähnten Fehler a gänzlich verſchwinden müßte. Allein da, wie bereits geſagt, die andern Elemente eben ſo gut fehlerhaft ſeyn können, als dieſes erſte, ſo wollen wir auch noch einige dieſer andern auf dieſelbe Weiſe betrachten.

Derſelbe Theil unſerer Tafel, von welchem wir ſo eben ge - ſprochen haben, ſetzt auch eine beſtimmte Excentricität, oder was daſſelbe iſt, einen beſtimmten größten Werth der Gleichung der Bahn voraus. Nehmen wir an, daß eine Minute Aenderung105Venus.dieſer größten Gleichung der Bahn die Länge der Sonne um 0,5 Secunden ändere, und daß eben ſo eine Minute Aenderung der Umlaufszeit der Sonne die Länge derſelben nur um 0,3 Secunden vergrößere, und ſofort für alle übrigen Elemente der Sonnenbahn.

Wenn man auf dieſe Weiſe die Aenderungen kennt, welche eine Minute in jedem einzelnen Elemente in der Länge der Sonne hervorbringt, ſo weiß man auch, wie viel dieſe Länge durch jede andere gegebene Aenderung der Elemente, z. B. durch den halben oder durch den vierten Theil einer Minute geändert werden würde. Nehmen wir nun an, daß man bereits die Aenderungen kenne, welche an dieſen Elementen angebracht werden müſſen, um jene erſte unſerer Beobachtungen ganz genau darzuſtellen, daß alſo z. B. die Länge des Apheliums um x Minuten vergrößert, die größte Gleichung der Bahn um y Minuten verkleinert, die Um - laufszeit der Sonne um z Minuten vergrößert werden ſoll u. ſ. w., ſo wird man, aus den erſten Gründen der Algebra, für die totale Aenderung der Länge den Ausdruck haben 2 x 0,5 y + 0,3 z und da dieſe totale Aenderung der Sonnenlänge gleich dem oben erwähnten Fehler a der erſten Beobachtung ſeyn muß, ſo hat man die Gleichung a = 2 x 0,5 y + 0,3 z

Eine ähnliche Gleichung wird man aus der zweiten Beob - achtung für a' und aus der dritten für a' 'erhalten, und wer nur eben die erſten Lehren von der Auflöſung der Gleichungen kennt, wird daraus ohne Mühe diejenigen Werthe von x, y und z finden, welche dieſen drei Gleichungen entſprechen, d. h. er wird finden, wie viel Minuten, oder um welchen Theil einer Minute jedes dieſer drei Elemente geändert werden müſſe, damit die mit dieſen verbeſſerten Elementen berechneten Längen der drei Sonnen - orte genau mit den beobachteten Längen derſelben übereinſtimmen.

§. 77. (Bedingungsgleichungen und Wahrſcheinlichkeitsrechnung.) Man ſieht von ſelbſt, daß man dieſes Verfahren auch auf mehr als drei, daß man es auf alle ſechs Elemente fortſetzen kann (I. §. 142), daß man aber auch dann ſechs Beobachtungen braucht, deren jede eine der obigen ähnliche Gleichung mit ſechs unbe -106Venus.ſtimmten Größen geben wird. Man nennt ſie Bedingungs - gleichungen und ſucht ſie in der neuen Aſtronomie überall an - zuwenden, wo man einer vorzüglichen Schärfe in den Reſultaten bedarf.

Wenn man nun aber auf dieſe Weiſe durch ſechs vorzüglich gute Beobachtungen eines Planeten, mittels der ſechs ihnen ent - ſprechenden Bedingungsgleichungen, diejenigen Werthe der Elemente beſtimmt hat, wodurch dieſe ſechs Beobachtungen vollkommen genau dargeſtellt werden, wird man dann auch vorausſetzen dürfen, daß die ſo beſtimmten Elemente auch zugleich die wahren ſind? Allerdings, vorausgeſetzt, daß jene ſechs Beobachtungen ganz ohne alle Fehler ſind. Aber iſt dieſe Vorausſetzung auch erlaubt? Welches Mittel haben wir, uns zu überzeugen, daß alle jene Beobachtungen, daß auch nur eine derſelben vollkommen genau und auch nicht um den kleinſten Theil einer Secunde fehlerhaft iſt. Sind nicht alle unſere Beobachtungen und Experimente, ja alle menſchlichen Unternehmungen unvollkommen und bloße An - näherungen zur Wahrheit, aber nicht die Wahrheit ſelbſt? Ohne Zweifel würden wir, wenn wir jenen Rechnungen ſechs andere, nach unſerer Ueberzeugung eben ſo gute Beobachtungen zu Grunde gelegt hätten, auch wieder ſechs andere Elemente gefunden haben, nur wenig von jenen verſchiedene, wenn die Beobachtungen ſelbſt in der That zu den verläßlichen gehören, aber doch immer ver - ſchiedene. Und welchem von beiden Reſultaten ſoll man nun den Vorzug geben?

Man ſieht, die Verlegenheit iſt nicht gering, und die Frage ſelbſt von der größten Wichtigkeit für die geſammte Aſtronomie ſowohl, als auch für alle Naturwiſſenſchaften, die ſich in letzter Inſtanz, doch immer nur auf Beobachtungen, d. h. alſo auf mehr oder weniger fehlerhafte Vorausſetzungen gründen. So lange daher dieſe Frage nicht beantwortet iſt, beſtehen alle unſere Be - ſtimmungen nur in einzelnen, von einander iſolirten Verſuchen, deren jeder ein anderes Reſultat gibt. Da wir kein Mittel haben, unter allen dieſen Reſultaten das Beſte zu erkennen, ſo würden, wie man ſieht, alle unſere Bemühungen ein immerwäh - rendes Herumirren in einem Kreiſe ſeyn, in deſſen Mittelpunkte107Venus.die uns immer verſagte Wahrheit liegt, und die wir, ſelbſt wenn wir ſie einmal zufällig erreichen ſollten, nicht einmal erkennen würden.

Dieſem Uebel, das dem Fortgange aller Wiſſenſchaften feindlich entgegen tritt, dieſem großen Uebel abzuhelfen, wurde die ſoge - nannte Wahrſcheinlichkeits-Rechnung erfunden, die zwar ſchon den Zeiten Newtons angehört, die aber beſonders in unſern Tagen ihre weitere Ausbildung erhalten hat. Da uns jedoch die Auseinanderſetzung dieſes wichtigen und intereſſanten Gegenſtandes zu weit von unſern gegenwärtigen Betrachtungen abführen würde, ſo wollen wir die nähere Betrachtung deſſelben dem Schluſſe dieſer Schrift vorbehalten.

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Kapitel IV. Mars.

§. 78. (Obere und untere Planeten.) Die beiden vorher - gehenden untern Planeten, Merkur und Venus, bewegen ſich immer innerhalb der Erdbahn um die Sonne, oder ihre Bahnen werden von jener der Erde eingeſchloſſen. Mars iſt der erſte, der im Gegentheile ſich außerhalb der Erdbahn bewegt, oder er iſt der erſte der obern Planeten. Aus dieſer Urſache iſt er nicht mehr, wie jene, in beſtimmten Entfernungen von der Sonne eingeſchloſſen, oder man ſieht ihn nicht bloß in der Nachbarſchaft der Sonne, ſondern vielmehr unter allen möglichen Winkeln mit derſelben, alſo zuweilen ſogar ihr gegenüber, wo er um Mitternacht durch den Meridian geht, und, wie man ſagt, mit der Sonne in Oppo - ſition iſt, was nicht möglich wäre, wenn nicht die Erde, zur Zeit der Oppoſition, zwiſchen ihm und der Sonne ſtünde, wenn alſo die Erdbahn von der Marsbahn nicht eingeſchloſſen würde. Auch ſieht man ihn, aus derſelben Urſache nie in der Geſtalt einer Sichel, wie Merkur und Venus. Zwar bemerkt man zu der Zeit, wo Mars neunzig Grade von der Sonne entfernt iſt, den öſtlichen oder weſtlichen Rand deſſelben beſchattet oder dunkel, nahe wie unſern Mond drei Tage vor oder nach dem Vollmonde. Aber dieſer dunkle Theil beträgt, ſelbſt wenn er, wie hier, am größten iſt, noch nicht den achten Theil der ganzen uns ſichtbaren Hälfte109Mars.dieſes Planeten, und iſt daher kaum bemerklich. Noch kleiner iſt dieſer dunkle Theil bei den übrigen obern Planeten, Jupiter, Saturn und Uranus, die, ſelbſt durch unſere Fernröhre beſe - hen, immer vollkommen rund erſcheinen. Aus der ſehr kleinen Parallaxe, die man an dieſen letzten drei Planeten beobachtet, folgt, daß ſie ſehr weit von uns abſtehen müſſen, und aus dem Mangel aller bemerkbaren Phaſen müſſen wir den Schluß ziehen, daß wir ſie immer in einer Richtung ſehen, die nicht ſehr von derjenigen verſchieden ſeyn kann, in welcher die Strahlen der Sonne dieſe Planeten beleuchten, daß alſo unſere Erde eine Stellung im Welt - raume einnimmt, die nie ſehr weit von dem Mittelpunkte der Bahnen jener Planeten entfernt ſeyn kann, d. h. alſo wieder, daß die Erdbahn von den Bahnen dieſer obern Planeten umſchloſſen wird, daher wir ſie auch nie, wie die untern, vor der Sonne vor - bei gehen ſehen können.

§. 79. (Entfernung und Umlaufszeit des Mars.) Die mittlere Entfernung des Mars von der Sonne oder die halbe große Axe ſeiner Bahn beträgt 1,324 von der mittlern Entfernung der Erde von der Sonne, oder nahe 32 Millionen Meilen. Da aber die Excentricität ſeiner elliptiſchen Bahn ſehr groß iſt, ſo kann er ſich, im Perihelium, der Sonne bis auf 29 Mill. Meilen nähern, wäh - rend er im Aphelium 35 Mill. Meilen von ihr abſteht. Viel größer aber ſind die Verſchiedenheiten ſeiner Diſtanzen von der Erde. In der Oppoſition, wo er der Erde am nächſten ſteht, iſt er zuweilen nur 7, in der Conjunction aber, wo er am weiteſten von ihr abſteht, iſt er 54 Millionen Meilen, alſo nahe 8 mal weiter, als in der erſten Lage, von der Erde entfernt.

Der Durchmeſſer des Mars beträgt 1000 Meilen, oder nur etwas über die Hälfte, genauer 6 / 10 des Erddurchmeſſers. Die Oberfläche dieſes Planeten hat 9 Millionen Quadratmeilen, alſo 3 / 10 der Erdoberfläche. Das Volum deſſelben aber beträgt 467 Millionen Kubikmeilen, oder nur des Volums der Erde.

Der ſcheinbare Durchmeſſer des Mars, wie er von der Erde geſehen wird, muß ebenfalls ſehr veränderlich ſeyn, wie ſeine Ent - fernung von uns. In der That beträgt derſelbe zur Zeit ſeiner Conjunction nur 4 Secunden, alſo erſcheint er da nur in der110Mars.Größe des Uranus; zur Zeit ſeiner Oppoſition aber hat dieſer Durchmeſſer 27 Secunden, iſt alſo da nahe ſo groß, wie Jupiter zu der Zeit, wo er am kleinſten erſcheint. Der Durchmeſſer der Sonne endlich erſcheint den Bewohnern des Mars unter dem Winkel von 1280 Secunden, oder über 10 Minuten kleiner als uns der Durchmeſſer der Sonne erſcheint.

Die Umlaufszeit dieſes Planeten um die Sonne beträgt 686,980 Tage in Beziehung auf die Fixſterne, und 686,930 Tage in Beziehung auf den Frühlingspunkt (I. §. 123). Daraus folgt, daß er in ſeiner mittlern Geſchwindigkeit während jeder Se - cunde nahe 3⅔ Meilen zurücklegt. Die Maſſe des Mars iſt ſchwer mit Genauigkeit zu beſtimmen, da er keinen Satelliten hat. Wir haben kein anderes Mittel, als die Störungen, die er in dem Laufe der Erde hervorbringt, um aus ihnen rückwärts auf die eigentliche Kraft, d. h. auf die Maſſe des ſtörenden Körpers zu ſchließen. Allein da dieſe Störungen, wegen der geringen Maſſe des Mars, ſelbſt wenn ſie am größten ſind, nur ſieben Secunden betragen, ſo gewähren ſie keine hinlängliche Sicherheit. Man nimmt an, daß die Maſſe des Mars nur etwa 1 / 10 von der Maſſe der Erde ſey, während die Dichte dieſer Maſſe 7 / 10 der mittlern Dichte der Erde betragen ſoll. Daraus würde folgen, daß die Körper auf der Oberfläche dieſes Planeten in der erſten Secunde nur durch 6 3 / 10 Fuß fallen, der kleinſte Weg, den überhaupt die frei fallenden Körper auf irgend einem Planeten unſers Sonnen - ſyſtems zurücklegen.

§. 80. (Flecken und Rotation des Mars.) Man erkennt dieſen Planeten ſehr leicht an ſeiner trübrothen Farbe, die der des mattglühenden Eiſens ähnlich iſt. Mit guten Fernröhren hat man auch mehrere Flecken auf ſeiner Oberfläche beobachtet, die eine braunröthliche, unſerer Ochererde, oder unſerem rothen Sandſteine ähnliche Farbe haben, und vielleicht das Feſtland dieſes Planeten bezeichnen, während andere, grünlich gefärbte Flecken, Seen oder Meere ſeyn mögen. Caſſini beobachtete ſie zuerſt i. J. 1666, und ſchloß daraus die tägliche Rotation dieſes Planeten um ſeine Axe gleich 24 St. 40 M. unſerer mittleren Zeit (I. §. 158). Der ältere Herſchel beſtimmte dieſe Umlaufszeit ſpäter i. J. 1781 auf111Mars.24 St. 39 M. 21 Sec., und eben ſo wurde ſie auch von Beer, Mädler und Kunowsky gefunden, die ſich erſt in den letzten Jahren mit dieſem Gegenſtande eifrig beſchäftiget haben. Es iſt immer merkwürdig, daß die Tage der vier nächſten Planeten bei der Sonne alle nahe gleich lang ſind, während ſich die von der Sonne entfernteren Planeten durchaus viel geſchwinder bewegen. Die letztgenannten Beobachter fanden, daß jene Flecken in Beziehung auf ihre Geſtalt und auf ihren Ort ſehr conſtant ſind, und ſie glaubten daraus folgern zu dürfen, daß ſie nicht, wie man früher glaubte, wolkenartige Gegenſtände ſeyen, ſondern daß ſie vielmehr der Oberfläche des Mars ſelbſt angehören. Allein dieſer Flecken gibt es wohl wenigſtens zwei ſehr verſchiedene Arten. Schröter und Harding haben an den meiſten der von ihnen beobachteten Flecken eine ſehr große Veränderlichkeit wahrgenommen. Schröter beobachtete mehrmals die Geſchwindigkeit, mit welcher ſie über die Oberfläche ihres Planeten hinziehen, zu 50 und ſelbſt zu 90 Fuß in einer Secunde, was die Schnelligkeit unſerer hef - tigſten Stürme beinahe um das Doppelte übertrifft. Auch hat man häufig Veränderungen in der Geſtalt der einen Gattung dieſer Flecken bemerkt, zum Beweiſe, daß dieſe wenigſtens der Atmoſphäre des Mars angehören.

§. 81. (Atmoſphäre des Mars.) Auch dieſe Atmoſphäre ſelbſt iſt nach einigen Beobachtern ganz verſchieden von der, die wieder Andere geſehen haben wollen. Caſſini und Römer ſahen öfter kleine Fixſterne, wenn ihnen Mars näher rückte, allmählig dunkler werden und endlich ganz verſchwinden, noch ehe ſie den eigentlichen Rand des Planeten erreichten. Sie ſchrieben dieß der ſehr ſtarken Atmoſphäre deſſelben zu, die beſonders in den untern Schichten ſo dicht ſeyn ſollte, daß man die kleinen Sterne dadurch nicht mehr ſehen konnte. Allein James South bemerkte eine ſolche zu frühe Verſchwindung nicht, als er am 28. Nov. 1832 die Bedeckung eines Sterns der 8ten Größe von Mars, mit beſonderer Aufmerk - ſamkeit auf dieſen Gegenſtand, beobachtete. Hier zeigte ſich auch nicht die geringſte Spur einer ſolchen Veränderung des Sterns: er behielt vielmehr ſein volles Licht und ſeine hellblaue Farbe bis zu dem Augenblicke ſeines eigentlichen Eintritts, und auch bei und112Mars.nach ſeinem Austritte zeigte ſich keine ſolche Aenderung, zum Be - weiſe, daß die Atmoſphäre des Mars, wenn ſie überhaupt exiſtirt, aus ſehr zarten und dünnen Stoffen geweht ſeyn müſſe. Allein man darf nicht unterlaſſen hinzuzuſetzen, daß ſein 19 ſchuhiges Fernrohr von 11 8 / 10 Zoll Oeffnung eine ganz außerordentliche Deutlichkeit und Lichtſtärke haben ſoll.

§. 82. (Abplattung des Mars.) Nicht minder zweifelhaft iſt man über die Abplattung dieſes Planeten an ſeinen beiden Polen. Der ältere Herſchel will das Verhältniß ſeiner beiden Axen wie 15 zu 16 gefunden haben. Nach andern Beobachtern iſt der Unterſchied zwiſchen ihnen viel kleiner. Künftige Beob - achtungen mit ausgezeichneten Fernröhren werden uns darüber wohl bald mehr Gewißheit geben. An jedem dieſer Pole bemerkt man einen runden, blendend weißen Flecken (M. ſ. die Figur des Mars am Ende). Er verſchwindet allmählig, wenn der Pol eine längere Zeit den Sonnenſtrahlen ausgeſetzt iſt, oder Sommer hat, und er iſt am größten und hellſten, wenn er eben aus der langen Nacht ſeines Polarwinters heraustritt. Man hat daraus mit vieler Wahrſchein - lichkeit den Schluß gezogen, daß dieſe Flecken große Schneefelder ſind. Sie ſcheinen ſelbſt, wenn ſie am größten ſind, über die eigentliche Kugel des Planeten hervorzutreten, vielleicht weil ſich in den Polen hohe Eisgebirge bilden, vielleicht auch in Folge derſelben optiſchen Täuſchung, nach welcher wir den beleuchteten Theil des Mondes immer als das Segment einer größern Kugel ſehen, als den übrigen dunklen Theil. Dieſe Flecken lehrten uns auch die Neigung des Aequators dieſes Planeten gegen ſeine Bahn kennen. Sie beträgt 28° 42′, iſt alſo nicht ſehr von unſerer Schiefe der Ecliptik verſchieden, daher auch die Abwechslung der Jahreszeiten auf dem Mars nahe dieſelben Erſcheinungen zeigen wird, wie auf der Erde. Aber die Beleuchtung, welche Mars von der Sonne erhält, iſt nur die Hälfte von jener der Erde, da dieſe ſich immer verhält, wie das Quadrat der Entfernung von dem leuchtenden Körper. Diejenige Beleuchtung aber, welche die Erde von dem geborgten Lichte des Mars erhält, iſt gegen 9000 Mil - lionenmal ſchwächer, als das der Sonne, d. h. erſt 9000 Millionen dem Mars ähnliche und mit ihm gleich ſtark beleuchtete Kugeln113Mars.neben einander geſetzt, würden auf der Erde ein ſolches Licht ver - breiten, welches unſerem hellen Mittagslichte gleicht.

§. 83. (Wichtige Dienſte, die Mars der Aſtronomie geleiſtet hat.) Satelliten hat man, wie geſagt, an dieſem Planeten noch keine bemerkt; demungeachtet könnten ſie doch wohl exiſtiren. Da Mars ſelbſt nur ſo matt beleuchtet iſt, ſo wäre es möglich, daß dieſe Satelliten ihr von der Sonne erhaltenes Licht in noch ſchwächerem Grade zurückwerfen, und daß ſie ſich überdieß vielleicht mehrere Grade von ihrem Hauptplaneten entfernen, wodurch das Auffinden dieſer Monde ſehr erſchwert werden müßte. Es wäre deßhalb vielleicht zweckmäßig, dieſen Planeten und ſeine Umgebungen beſonders zu der Zeit ſeiner Oppoſition, wo er der Erde am nächſten ſteht, mit lichtſtarken Fernröhren aufmerkſam und wiederholt zu unterſuchen.

Uebrigens hat uns dieſer Planet, in Beziehung auf unſere Kenntniß des ganzen Sonnenſyſtems, ſchon zweimal ſehr wichtige Dienſte geleiſtet. Wir haben im vorhergehenden Kapitel geſehen, daß Mars es war, der uns die erſte genaue Beſtimmung der Sonnenparallaxe, und damit die Kenntniß der wahren Größe unſeres Weltſyſtems gegeben hat. Eben ſo haben wir auch ſchon oben (I. Kap. IX. ) erwähnt, daß die große Excentricität der Marsbahn es war, die Kepler auf die Entdeckung der elliptiſchen Bewegung der Planeten geführt hat. Hätte ſich zufällig zu der Zeit, als Kepler ſich mit Tycho zur Förderung der Wiſſenſchaft verband, dieſer mit einem andern Planeten beſchäftigt, ſo würde jener ſeine große Entdeckung, durch welche die Aſtronomie eine ganz andere Geſtalt erhielt, höchſt wahrſcheinlich nicht gemacht haben, da er bei den ſo unvollkommenen Beobachtungen ſeiner Zeit ſchon Mühe genug hatte, auch nur die an ſich ſo große Ellip - ticität der Marsbahn zu erkennen.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 8[114]

Kapitel V. Die vier neuen Planeten.

§. 84. (Merkwürdige Reihe der Entfernungen der Planeten.) Wenn man die mittleren Diſtanzen der älteren Planeten von der Sonne, die wir bereits oben (I. §. 100) gegeben haben, näher betrachtet, ſo findet man zwiſchen Mars und Jupiter eine auf - fallend große Lücke. Bezeichnet man nämlich die mittlere Ent - fernung Merkurs von der Sonne mit 4, ſo erhält man für die der Venus 7, der Erde 10, des Mars 16, des Jupiter 52, des Saturn 100 und des Uranus 196. Dieſe Zahlen gehen nach einem beſtimmten Geſetze fort, das man ſogleich bemerkt, wenn man ſie ſo ſchreibt:

  • Merkur 4
  • Venus 4 und 3
  • Erde 4 und 2 mal 3
  • Mars 4 und 4 mal 3
  • Jupiter 4 und 16 mal 3
  • Saturn 4 und 32 mal 3
  • Uranus 4 und 64 mal 3

Es ſind aber die Zahlen 2, 4, 8, 16, 32 und 64, wie bekannt, die ſogenannten 1, 2, 3, 4ten Potenzen der Zahl 2, indem man jene erhält, wenn man die Zahl 2 nach und nach mit ſich ſelbſt 2, 3, 4 mal multiplicirt. Von dieſen Potenzen fehlt in der115Die vier neuen Planeten.obigen Reihe die dritte, oder die Zahl 8, und dieſe Lücke iſt es, die den Aſtronomen, und unter ihnen, wie man ſagt, zuerſt Kepler auffiel, daher dieſelben auch einen bisher unbekannten Pla - neten in dem großen Zwiſchenraume vermutheten, welcher die Bahnen des Mars und Jupiter von einander trennt. Obſchon, wie man geſtehen muß, die Zahlen der vorhergehenden Reihe nicht eben ſehr genau ſind, da ſie eigentlich (I. §. 100) ſeyn ſollten 4,0; 7,5; 10,3; 15,7; 53,7 u. f., ſo wollte man doch nicht von der früher gehegten Meinung abgehen, und unter den deutſchen Aſtronomen ſoll es vorzüglich Bode geweſen ſeyn, der darauf beſtand, in jenem Zwiſchenraume noch einen neuen Planeten zu ſuchen.

§. 85. (Entdeckung der vier neuen Planeten, Entfernungen und Durchmeſſer derſelben.) Erſt mit dem Anfange des gegen - wärtigen Jahrhunderts beſtätigte ſich endlich der ſo lang gehegte Verdacht, da in jenem Zwiſchenraume nicht bloß einer, ſondern bald nach einander vier neue Planeten gefunden wurden, nämlich

  • Ceres am 1. Januar 1801 von Piazzi,
  • Pallas am 28. März 1802 von Olbers,
  • Juno am 1. September 1804 von Harding, und
  • Veſta am 29. März 1807 von Olbers.

Die Umlaufszeiten, alſo auch die mittlern Entfernungen dieſer Aſteroiden, wie ſie Herſchel nannte, ſind alle nahe von gleicher Größe, wie man aus der bereits (I. S. 224) angeführten Tafel ſehen kann. In deutſchen Meilen ausgedrückt, betragen dieſe mittleren Entfernungen von der Sonne

  • bei Veſta 49½ Millionen Meilen
  • Juno 55 3 / 2
  • Ceres 57 3 / 2
  • Pallas 57 3 / 2

Allein die wahren Entfernungen dieſer Planeten ſind, wegen der großen Excentricitäten ihrer Bahnen, ſehr verſchieden, beſonders bei der Pallas und Juno, wo ſie von 41 bis 72 Millionen Meilen gehen können. Nicht mindere Differenzen findet man auch bei ihren Entfernungen von der Erde, ſo daß man hat:

8 *116Die vier neuen Planeten.
kleinſte Entfernung von der Erdegrößte Entfernung von der Erde
Veſta 7223 Mill. Meilen.
Juno 8819
Ceres 8131
Pallas 9021

Da ihr Abſtand von der Erde ſo veränderlich iſt, ſo muß es auch ihr ſcheinbarer Durchmeſſer ſeyn, allein die Meſſung dieſer Durchmeſſer ſcheint mit beſondern Schwierigkeiten verbunden, wegen der veränderlichen Atmoſphäre, mit welcher dieſe Planeten umgeben ſind. Nach Schröters Meſſungen ſollen dieſe ſcheinbaren Durch - meſſer ſeyn:

der Kleinſteder Größte
Veſta 0″,20″,5
Juno 0″,73″,3
Ceres 0″,92″,3
Pallas 1″,04″,2

Nach Herſchel aber ſoll keiner dieſer Durchmeſſer, auch wo er am größten iſt, eine ganze Secunde überſteigen. Da man ſonach die ſcheinbaren Durchmeſſer dieſer Himmelskörper ſo wenig kennt, ſo kann man auch ihren wahren nicht mit größerer Si - cherheit angeben. Nach Schröter würden die letzten, in der ange - führten Ordnung 59, 308, 350 und 452 Meilen betragen, alſo würde Veſta an körperlichem Inhalte 25,000 mal kleiner ſeyn als die Erde, und ſelbſt aus unſerem Monde würde man noch 540 der Veſta gleiche Kugeln bilden können. Auf der Veſta würde ein Reiſender, der täglich ſechs Meilen zurücklegt, in zwei Wo - chen ſeine Antipoden beſuchen und in einem Monate die ſoge - nannte Reiſe um die Welt machen können.

§. 86. (Urſprung dieſer Planeten.) Ueberhaupt gehören alſo dieſe Planeten zu den kleinſten Himmelskörpern, die wir kennen, und es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß noch mehrere, vielleicht noch viel kleinere, ſich in denſelben Regionen bewegen, die wir aber bis - her noch nicht bemerkt haben und vielleicht auch noch lange unter den kleinen Fixſternen des Himmels überſehen werden. Meh - rere Aſtronomen haben nämlich die Hypotheſe aufgeſtellt, daß117Die vier neuen Planeten.dieſe kleinen Planeten alle nur Trümmer eines einzigen großen ſind, der durch die Wirkung innerer Kräfte geborſten oder durch den Anſtoß eines äußeren Körpers zerſprengt worden iſt. Der jüngere Herſchel, der dieſe Anſicht nicht gelten laſſen will, macht dabei die Bemerkung: This may serve as a specimen of the dreams, in which Astronomers, like other speculators, oc - casionally and harmelessly indulge. Allein dieſer Traum, wenn er einer iſt, verhalf uns zur Entdeckung der Veſta. Olbers hatte nämlich ſchon früher bemerkt, daß Juno, Ceres und Pallas, da ſie beinahe dieſelbe mittlere Entfernung von der Sonne haben, auch einander immer ſehr nahe kommen müſſen, ſo oft ihre Kno - ten nahe in dieſelbe Himmelsgegend fallen, wie dieß z. B. mit Ceres und Pallas in etwa 300 Jahren der Fall ſeyn wird, und in früheren Zeiten auch ſchon oft geweſen ſeyn muß. Dieſes Zu - ſammentreffen ſpricht allerdings für einen gemeinſchaftlichen, viel - leicht dem oben erwähnten ähnlichen Urſprung, und es leitete ihn zugleich auf die Idee, noch andere ſolcher Planeten in derjenigen Gegend zu ſuchen, wo dieſe Knoten ſich mit der Zeit vereinigen, wofür er den nördlichen Flügel der Jungfrau und den ihm entgegenſtehenden Punkt des Himmels angegeben hatte. Indem er ſelbſt dieſe Gegenden fleißig durchſuchte, war Olbers, der ſchon früher die Pallas entdeckt hatte, ſo glücklich, auch noch die Veſta zu finden.

Da uns die Durchmeſſer dieſer Planeten nur ſo unvollkom - men bekannt ſind, ſo können wir auch die Maſſe und Dichtigkeit derſelben ſo wenig, als die Schwere auf ihrer Oberfläche ange - ben. Wahrſcheinlich iſt dieſe Schwere ſehr gering und der freie Fall der Körper in der erſten Secunde kaum einen Schub groß. Es iſt möglich, daß ſo kleine Körper wieder nur von verhältniß - mäßig kleinen Geſchöpfen bewohnt ſind, allein es kann auch ſeyn, daß, eben wegen der geringen Schwere dieſer Planeten, ihre Be - wohner als Rieſen gegen die der Erde zu betrachten ſind, unſeren Wallfiſchen z. B. ähnlich, die dort das feſte Land bewohnen, wäh - rend ſie bei uns nur im Waſſer, das ihre Schwere ſo bedeutend vermindert, leben und ſich frei bewegen können.

§. 87. (Neigung, Knoten und Excentricität ihrer Bahnen.) Ob -118Die vier neuen Planeten.ſchon die Bahnen, in welchen ſich dieſe vier Planeten bewegen, nahe von derſelben Größe ſind, ſo ſind ſie doch ſo gegen einander geneigt, daß ein Begegnen dieſer Planeten leicht vermieden wer - den kann, indem einige Bahnen ihre Knoten eben dort haben, wo andere in ihrer größten nördlichen oder ſüdlichen Breite ſind. Dieſe Bahnen zeichnen ſich noch durch ihre ſehr große Excentricität aus, wodurch ſie den langgeſtreckten elliptiſchen Bah - nen der Kometen ähnlich werden. Bei der Juno und Pallas be - trägt dieſe Excentricität ſchon den vierten Theil, und bei der Veſta nahe den fünften Theil der mittlern Entfernung von der Sonne. Eben ſo ungewöhnlich ſind die Neigungen dieſer Bahnen gegen die Ecliptik. Bei den älteren Planeten gehen dieſe Neigun - gungen nur bis 7 Grade, während Juno 13 und Pallas ſogar 34½ Grade ſich von der Ecliptik entfernt. Dadurch hat der alte Thierkreis (Zodiacus) ſeine Bedeutung verloren. Die Alten dachten ſich nämlich eine der Ecliptik parallele, zu beiden Seiten derſelben zehn Grade breite Zone, in welcher ſie die oben (I. S. 129) erwähnten zwölf Sternbilder annahmen und in welcher ſich nebſt der Sonne, deren Bahn genau in der Mitte des Thier - kreiſes liegt, auch der Mond und alle übrigen, den Alten bekann - ten Planeten bewegten. Allein die vier neuen Planeten gehen, von der Erde geſehen, zuweilen ſo weit von der Ecliptik weg, daß der neue Thierkreis, der ſie alle einſchließt, eine Breite von mehr als hundert Graden haben müßte.

§. 88. (Große Störungen, welche dieſe Planeten erleiden.) Durch ihre großen Excentricitäten und Neigungen ſind dieſe Pla - neten den Aſtronomen noch in einer anderen, ſehr wichtigen Be - ziehung intereſſant geworden. Wir werden ſpäterhin ſehen, daß die Wirkungen, welche die Planeten auf einander äußern und wodurch ſie die ſogenannten Störungen ihres Ganges hervor - bringen, ſehr ſchwer, ja eigentlich ganz unmöglich genau zu be - rechnen ſind, und daß man ſich alſo, des vollkommenen Zuſtandes unſerer mathematiſchen Analyſe ungeachtet, mit einer bloßen ap - proximirten Rechnung begnügen mußte, die glücklicher Weiſe hin - reichte, die Beobachtungen der alten Planeten, deren Störungen durchaus nur gering ſind, genügend darzuſtellen. Allein die119Die vier neuen Planeten.großen Excentricitäten und Neigungen der neuen Planeten ſind Urſache, daß diejenigen Störungen, welche ſie unter ſich ſowohl als vorzüglich von den viel größern ältern Planeten erleiden, ebenfalls viel bedeutender werden, als jene, und daß jene bloß annähernden Methoden nicht mehr ausreichen, um auch die Störungen der neuen Planeten den Beobachtungen gemäß darzu - ſtellen. Wir ſind daher gezwungen, auf andere Mittel zu denken, um jene Approximationen noch weiter treiben zu können, oder mit anderen Worten, wir ſind gleichſam von der Natur ſelbſt aufge - fordert, die Theorie der Mathematik zu vervollkommnen und neue Mittel zu finden, um durch ſie die Geheimniſſe des Himmels näher kennen zu lernen.

Eben ſo werden wir ſpäter ſehen, daß dieſe Störungen, beſonders wenn ſie ſehr groß ſind, ein gutes Mittel geben, die Maſſen der ſtörenden Planeten zu beſtimmen. Newton zeigte uns nur, wie man die Maſſen derjenigen Planeten finden kann, die mit Satelliten umgeben ſind, die Störungen aber konnte er zu dieſem Zwecke nicht benutzen, da ſie bei den ältern Planeten viel zu klein und auch damahls noch nicht genau genug bekannt waren. Allein die Störungen, welche die neuen Planeten z. B. durch Jupiter erleiden, ſind ſo groß, daß ſie ſogar das beſte Mittel an die Hand geben, die Maſſe dieſes größten Planeten unſeres Syſtems zu beſtimmen und daß wir, erſt ſeit wir daſſelbe in der That angewendet haben, zu der eigentlichen Kenntniß die - ſer Maſſe gekommen ſind.

§. 89. (Sichtbarkeit dieſer Planeten.) Da dieſe neuen Pla - neten ſo klein ſind, ſo muß es auffallen, daß ſie demungeachtet oft in einem ſo hellen Lichte erſcheinen. Ceres zeigt häufige Ab - wechslungen in ihrem Glanze. Zuweilen erſcheint ſie röthlich und hell, ſo daß man ſie wohl ſelbſt mit freien Augen ſehen kann, zu weilen auch in einem ſchwachen weißlichen Lichte, wo ſie nur durch Fernröhre ſichtbar iſt. Beſonders merkwürdig iſt aber das Licht der Veſta. Obſchon dieſer Planet ſo ungemein klein iſt, ſo hat er doch ein ſehr lebhaftes, den Fixſternen ähnliches Licht und in günſtigen Verhältniſſen erſcheint er ſelbſt dem freien Auge als ein Stern der ſechsten Größe. Es iſt möglich, daß dieſer Pla -120Die vier neuen Planeten.net aus einer harten Maſſe beſteht, die ſich in ihren äußer - ſten Schichten als eine Menge von ſpiegelnden Flächen, wie De - mantfelſen, um ihn anlegt, oder auch, daß dieſer Planet, wie die andern Sterne des Himmels, ein eigenes Licht von hoher Intenſität beſitzt.

§. 90. (Atmoſphäre dieſer Planeten.) So wie die großen Excentricitäten und Neigungen ihrer Bahnen ſie den Kometen zu nähern ſcheinen, ſo werden ſie dieſen ſonderbaren Weltkör - pern auch durch die gewaltigen Atmoſphären ähnlich, von welchen ſie, wenigſtens zuweilen, umgeben ſind. Bei Ceres und Pallas ſcheint ſich dieſe Atmoſphäre öfter über 100 Meilen von ihrer Oberfläche zu erſtrecken, wo ſie dann, nach Art mancher Kometen, in einen dichten Nebel eingehüllt ſind, der ihren eigentlichen Kern ganz unſichtbar macht, während ſie wieder zu andern Zeiten, ſcharf begränzt und klein, in dem reinſten Fixſternlichte zu glän - zen ſcheinen. Schröter wollte bemerkt haben, daß ſich dieſe At - moſphäre oft um mehr als das Doppelte ihres Raumes zuſam - men ziehe und zuweilen ſogar ganz verſchwinde. Aehnliche, nur nicht ſo große Veränderungen hat man auch bei der Juno, aber nicht an der Veſta entdeckt. Wahrſcheinlich gehen auf der Oberfläche jener drei Planeten gewaltige Veränderungen vor, ge - gen welche unſere Stürme und Ueberſchwemmungen ganz ver - ſchwinden. Daß man aber bei ſo kleinen und in ſo dichte Atmo - ſphären gehüllten Körpern noch keine Flecken entdeckt hat, und daß daher auch die Rotation derſelben uns noch völlig unbekannt iſt, darf kaum ausdrücklich erinnert werden.

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Kapitel VI. Jupiter.

§. 91. (Diſtanz, Umlaufszeit und Durchmeſſer Jupiters.) Dieſer größte aller Planeten wird leicht an ſeinem hellgelben, in - tenſiven Lichte und durch mäßige Fernröhre an ſeinem beträchtli - chen ſcheinbaren Durchmeſſer und ſeinen vier Begleitern erkannt, die ihn immer umgeben und in einer geraden, durch ſeinen Mit - telpunkt gehenden Linie gereiht erſcheinen. Seine mittlere Ent - fernung von der Sonne iſt nahe 5⅕mal größer, als die der Erde, oder gleich 108½ Millionen Meilen. Die Excentricität ſeiner Bahn beträgt nur 1 / 20 ſeiner mittlern Entfernung, daher ſteht er in ſeinem Aphelium (I. S. 264) 113⅘ und in ſeinem Perihelium nur 103⅔ Mill. Meilen von der Sonne ab. Seine Entfernung von der Erde aber wechſelt von 79 bis 130 Mill. Meilen, ſo daß er uns zur Zeit ſeiner Oppoſition (I. S. 173) beinahe noch einmal ſo nahe ſteht, als in ſeiner Conjunction. Sein ſcheinbarer Durch - meſſer von der Erde geſehen beträgt 49 Sec. zur Zeit der Oppo - ſition und nur 30 Sec. in der Conjunction. Daraus und aus ſeiner Entfernung folgt (I. S. 152) der wahre Durchmeſſer die - ſes Planeten 19980 Meilen, alſo 11 mal größer, als der Durch - meſſer der Erde. Seine Oberfläche iſt daher auch 121 und ſein Volum 1333 mal größer, als das der Erde oder aus dieſem Pla - neten könnte man 1333 der Erde an Größe gleiche Kugeln bilden,122Jupiter.aus der Sonne aber würden ſich im Gegentheile 905 dem Jupi - ter und 1421000 der Erde gleiche Kugeln machen laſſen.

In ſeiner mittlern Bewegung um die Sonne legt er während einer jeden Secunde nur 1 7 / 10 Meilen zurück, geht alſo nahe 2⅘ mal langſamer als die Erde und 4mal langſamer als Merkur. Nimmt man, den neueſten Beſtimmungen zufolge, ſeine Maſſe gleich 1 / 1450 der Sonnenmaſſe an, ſo enthält er 316mal mehr Maſſe oder mehr materiellen Stoff, als die Erde, d. h. Jupiter in einer und 316 Erden in der andern Schaale würden die Waa - ge im Gleichgewichte halten. Allein die Dichtigkeit dieſer Maſſe iſt nur der vierte Theil von jener der Erdmaſſe oder die mittlere Dichtigkeit des Stoffes, aus dem Jupiter beſteht, iſt nahe der unſeres Bernſteines gleich. Dieſer geringen Dichtigkeit ungeach - tet fallen, wegen der großen Maſſe dieſes Planeten, die Körper auf ſeiner Oberfläche in der erſten Secunde durch 38⅘ Fuß.

Durch die Größe ſeines Umfangs oder vielmehr durch die Größe ſeiner Maſſe erſcheint Jupiter gleichſam als der zweite Hauptkörper unſeres Sonnenſyſtems. In der That übertrifft er an Maſſe die aller andern Planeten zuſammen genommen nahe dreimal. Daher iſt ihm auch ein eigener Staat an den bereits erwähnten vier Monden zugewieſen, die ihn auf ſeinem weiten Wege um die Sonne begleiten:

With kingly state, the rival of the Sun. (Milt. )

§. 92. (Unterſchiede der drei entfernteſten Planeten von den andern.) Dieſer Planet iſt gleichſam der erſte einer neuen Art. In der That unterſcheiden ſich die bisher betrachteten, Merkur, Venus und Mars in vielen Rückſichten weſentlich von den nun folgenden, Jupiter, Saturn und Uranus; die ſogenannten vier neuen Planeten ſind mehr als ein Zwiſchenglied zu betrachten, wodurch jene beiden Reihen mit einander verbunden werden. Jene vier erfreuen ſich, ſo wie die Erde, einer immerwährenden Nähe der Sonne, während dieſe immer mehr von ihr wegtreten, wie denn der Durchmeſſer der Sonne auf Jupiter nur mehr unter dem kleinen Winkel von 6⅕ Min., alſo nahe fünfmal kleiner, als123Jupiter.auf der Erde, erſcheint. Jene vier drehen ſich alle nahe in der - ſelben Zeit, während 24 unſerer Stunden, um ſich ſelbſt, ſo daß alſo die Länge der Tage und Nächte, für die Bewohner ihrer Aequatoren, nahe eben ſo lang ſind, als bei uns; dieſe drei aber, obſchon ſie alle bei weitem die größern ſind, bewegen ſich ſämmt - lich viel ſchneller um ihre eigene Axe; Jupiter und Saturn in und Uranus ſogar ſchon während 3 / 10 eines unſerer Tage, ſo daß alſo hier Tag und Nacht viel ſchneller wechſeln als dort. Aus dieſer Urſache bemerkt man auch an dieſen dreien, wie wir bald näher ſehen werden, eine ſehr ſtarke, ſelbſt in dieſer großen Ent - fernung noch ſichtbare Abplattung, die im Gegentheile bei jenen vier der Sonne nähern Planeten durchaus ſehr klein iſt. Jene vier gehören ferner im Allgemeinen zu den kleinern Planeten, denn Venus bat nur , Mars und Merkur ſogar nur 1 / 25 des Vo - lums der Erde, da im Gegentheile Jupiter 1333, Saturn 928 und Uranus 76mal mehr Volum, als die Erde hat. Eben ſo verſchieden ſind die Maſſen dieſer zwei Gattungen von Planeten, denn wenn man die Maſſe der Erde als Einheit annimmt, ſo iſt die der Venus 9 / 10, des Merkurs und die des Mars nahe , während im Gegentheile die Maſſe Jupiters 316, die des Saturn 95 und die des Merkurs 17 mal größer iſt, als die der Erde. Endlich ſcheint dieſer Unterſchied ſich ſelbſt auf die Dichtigkeiten dieſer Maſſen fortzuſetzen, denn die Dichtigkeit Merkurs iſt 3⅗, der Venus 1 1 / 10 und des Mars 7 / 10 von der der Erde, während die Dichtigkeit Jupiters und des Uranus nur und die des Sa - turn nur 1 / 10 von der Dichtigkeit der Erde beträgt, ſo daß alſo jene vier Planeten an Beleuchtung und Erwärmung, an der Länge der Tage und an Dichtigkeit den drei entferntern vorgehen, wäh - rend ſie wieder von dieſen an der Größe ihres Umfangs, an der Menge ihres körperlichen Stoffs und an der Abplattung ihrer Pole übertroffen werden.

§. 93. (Atmoſphäre Jupiters.) Man könnte ſelbſt noch ei - nen andern Unterſchied anführen, durch welchen ſich dieſe zwei abgeſonderten Planetenfamilien, wenn man ſo ſagen darf, aus - zeichnen. Die Atmoſphären nämlich, mit welchen ſie alle um - geben ſind, beſtehen bei jenen vier der Sonne nähern Planeten124Jupiter.aus einem luftförmigen, äußerſt lockern Gewebe, während ſie bei den drei andern eine mehr feſte, ſtarre, vielleicht ſchon unſern tropfbaren Flüſſigkeiten ähnliche Maſſe zu bilden ſcheinen. Man ſieht nämlich auf der Oberfläche dieſes Planeten vier bis fünf große und mehrere kleinere Streifen, die alle unſerer Ecliptik oder ei - gentlich dem Aequator Jupiters parallel ſind und von welchem die größern durch die ganze Scheibe dieſes Planeten gehen. Fon - tana ſoll die drei größten derſelben im J. 1633 entdeckt haben, und Campana fand mit den von ihm ſelbſt verbeſſerten, für ſeine Zeit vortrefflichen Fernröhren i. J. 1664 vier dunkle und zwei helle Streifen. Hevel und Caſſini erkannten zuerſt, daß ſie der Ecliptik nahe parallel ſind. Die Figur Jupiters am Ende dieſes Theiles zeigt dieſe Streifen nach den Beobachtungen des j. Herſchels. Außer dieſen langen Streifen ſieht man noch kleinere, dunkle, wolkenartige Flecken. Von jenen größern ſind die zwei dem Aequator nächſten die brei - teſten und dunkelſten von allen, zugleich in ihren Formen die be - ſtändigſten, die übrigen ſind großen Veränderungen ihrer Geſtalt ſowohl, als auch ihres Ortes unterworfen. Die kleineren entſtehen und verſchwinden oft ſchon in mehreren Stunden, doch ſind ihre Ortsveränderungen, wo man ſie bemerkt, immer denen der gro - ßen, alſo dem Aequator Jupiters, parallel. Zuweilen ſicht man ſie, wie unſere Wolken, ſich anhäufen und wieder trennen, und über einen großen Theil Jupiters verbreiten. Aus den gro - ßen Streifen laufen öfter kleinere, wie Strahlen, aus, und zu - weilen ſieht man auch mitten in den Streifen ganz ſchwarze Flecken entſtehen; es ſcheint, daß man in dieſen Streifen den dun - keln Theil der Oberfläche des Planeten ſieht, wenn über dieſen Theil die Atmoſphäre ſich trennt oder eine Oeffnung erhält, weil man dieſe dunkeln Flecken nie in ihrer ganzen Farbenſtärke bis an den Rand der Scheibe kommen, ſondern ſie zuerſt ſchwächer werden und dann allmählig verſchwinden ſieht, wie ſie dem Rande näher kommen. Es gibt Zeiten, wo alle dieſe Streifen ſehr ſchwach erſcheinen, wenn auch unſere eigene Atmoſphäre ganz heiter iſt. Zuweilen ſieht man acht bis zehn lange, parallele, nahe an einander gerückte Streifen; ja der ältere Herſchel ſoll einmal über vierzig derſelben gezählt haben.

125Jupiter.

§. 94. (Streifen und Flecken auf Jupiter.) Es iſt durchaus nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Streifen und Flecken der Oberfläche Jupiters ſelbſt angehören. Sie bilden ſich vielmehr in der Atmoſphäre dieſes Planeten, weil ſie in ihren Bewegungen immer von Weſt nach Oſt gehen, und weil auch die Geſchwindigkeit der - ſelben nicht mit der Umdrehung Jupiters um ſeine Axe überein - ſtimmt. Dieſe letzte beträgt nicht ganz zehn unſerer Stunden, während dieſe Flecken ihre Umlaufszeit in 7, 8 bis 10 Stunden vollenden. Nahe am Aequator ſieht man öfter ſolche Flecken, die in jeder Secunde 300 bis 400 Fuß zurücklegen, alſo die Geſchwin - digkeit unſerer heftigſten Stürme mehr als achtmal übertreffen. Schröter hat ſogar Flecken beobachtet, die 10000 Fuß in einer Secunde zurücklegen. Wahrſcheinlich werden ſie über der Ober - fläche Jupiters durch ſtarke, nach einer conſtanten Richtung gehende Winde, die unſeren Paſſatwinden ähnlich ſind, in Be - wegung geſetzt. Wenn dieſe Flecken der Oberfläche des Planeten ſelbſt angehörten, ſo müßten dieſe beinahe täglich vorkommenden Zerrüttungen die Oberfläche des Planeten gänzlich unbewohnbar machen, und man müßte annehmen, daß dort große, flüſſige, unſerm Meere ähnliche Maſſen täglich aus ihren Ufern treten und das Feſtland bald mit ihren Fluthen bedecken, bald wieder daſſelbe trocken legen. Wenn aber auch dieſe Veränderungen nur in der Atmoſphäre Jupiters vor ſich gehen, ſo muß dieſe Atmoſphäre doch von unſerer irdiſchen ſehr verſchieden ſeyn, und eine viel größere Dichtigkeit haben. Schon Caſſini beob - achtete in wenigen Stunden plötzliche Verdunklungen und Auf - heiterungen großer Strecken von 10000 und 20000 Quadratmeilen der Oberfläche dieſes Planeten, eine Erſcheinung, die Schröter beſonders an den beiden Polen Jupiters ſehr oft ſich wieder - holen ſah. Die Luft, welche dieſen Planeten umgibt, kömmt vielleicht an Dichtigkeit ſchon der unſeres Waſſers nahe, und die Ausdünſtungen und Wolken, welche in dieſer Atmoſphäre von den heftigen Stürmen bewegt werden, mögen ſchon unſern feſten Körpern oder den Wolken von Holz auf unſern Altären gleichen. Gewiß iſt, daß die Revolutionen, welche in jener Atmoſphäre vor ſich gehen, an Intenſität und Ausdehnung mit unſern Orkanen126Jupiter.und Stürmen nicht mehr verglichen werden können. Schon Büffon ſagte daher, daß Jupiter, deſſen Geſtalt ſich beinahe jede Stunde ändere, das Bild des Chaos zeige, und daß dieſe immerwährenden, gewaltſamen Aenderungen die Folge einer innern Incandescenz ſeyn müſſen.

§. 95. (Rotation Jupiters.) D. Caſſini hatte unter den vielen kleinern Flecken Jupiters einen gefunden, der ſeinen Ort wenigſtens nicht merkbar veränderte, und er bediente ſich des - ſelben, die Rotation dieſes Planeten um ſeine Axe zu beſtimmen, die er gleich 9,93 unſerer Stunden fand. Schröter erhielt ſpäter aus ſeinen eigenen Beobachtungen 9″,942. Die wahre Größe dieſer Rotation iſt ſchwer mit Genauigkeit zu beſtimmen, da man nicht leicht einen Flecken ohne Ortsveränderung trifft. Der ältere Herſchel verfolgte dieſen Gegenſtand lange und fand mehrere Reſultate von 9″,86 bis 9″,92, der jüngere Herſchel nimmt dafür 9″,93 an.

§. 96. (Abplattung Jupiters.) Dieſe ſchnelle Umdrehung einer ſo ungeheuern Kugel iſt ſehr merkwürdig. Nach ihr legt ein Punkt des Aequators in einer Secunde 1 7 / 10 Meilen oder 39070 P. Fuß, alſo nahe 27 mal mehr, als ein Punkt des Erd - äquators zurück, während der Mittelpunkt dieſes Planeten in ſeinem Laufe um die Sonne während jeder Secunde nahe 1 8 / 10 Meilen fortgeht. Dieſe beiden Geſchwindigkeiten, der Ro - tation und der Revolution, ſind alſo hier nur ſehr wenig ver - ſchieden, und auch dieß iſt eine den drei äußerſten Planeten gemeinſame Eigenſchaft, durch welche ſie ſich von den vier anderen unterſcheiden. Bei Jupiter und Saturn ſind dieſe beiden Ge - ſchwindigkeiten ſehr wenig, und bei Uranus, ſo viel wir aus unſeren bisherigen Beobachtungen ſchließen können, gar nicht verſchieden, während im Gegentheile die fortrückende Bewegung zu der rotirenden ſich verhält bei Merkur wie 302, bei Venus wie 78, bei der Erde wie 67 und bei Mars wie 96 zu 1. Dieſe ſchnelle Rotation Jupiters hat auch eine ſehr große Abplattung an ſeinen Polen zur Folge. Nach den erſten Beſtimmungen der - ſelben, von D. Caſſini i. J. 1666, ſoll ſich die große Axe Jupiters127Jupiter.zur kleinen wie 15 zu 14 verhalten, oder ſeine Abplattung ſoll gleich 1 / 15 ſeyn. Später fand Pound dieſe Abplattung gleich 1 / 13,4. Short beſtimmte mit einem ſehr guten Heliometer dieſelbe zu 1 / 14, Köhler zu 1 / 14,5 und Schröter ſogar zu 1 / 12. Nach der letzten Beſtimmung würde alſo der Aequatorialhalbmeſſer Jupiters die halbe Polaraxe deſſelben um 800 Meilen übertreffen, während bei der Erde dieſer Unterſchied nur etwa 3 Meilen beträgt. Daß aber die Abplattung mit der Rotations-Geſchwindigkeit wachſen muß, iſt ſchon oben (I. S. 72) gezeigt worden. Nach den neueſten Beobachtungen von Struve betragen dieſe zwei Durchmeſſer Jupiters in ſeiner mittlern Entfernung 38″,442 und 35″,645, alſo die Abplattung 1 / 13,74. Auch ſtimmt dieſe ſtarke Abplattung ſehr gut mit der Theorie von der Geſtalt der Himmelskörper. Laplace, dem wir die Entwicklung dieſer Lehre vorzüglich verdanken, war ſogar der Anſicht, daß die Beſtimmung der Abplattung Jupiters, durch die Theorie genauer iſt, als die der unmittelbaren Beobachtung, welche letzte in der That mit großen Schwierigkeiten verbunden iſt, wie ſchon die ſo eben erwähnten, unter ſich ſehr abweichenden Angaben zeigen.

§. 97. (Jahreszeiten auf Jupiter.) Die Axe ſeines Aequators iſt gegen die Axe ſeiner Bahn nur um den kleinen Winkel von drei Graden geneigt, d. h. die Schiefe der Ecliptik beträgt bei Jupiter nur drei Grade, nahe achtmal weniger als bei der Erde. Da aber der Wechſel der Jahreszeiten von der Größe dieſer Schiefe abhängt, ſo folgt, daß auf Jupiter dieſer Wechſel ſehr gering, oder daß der Sommer nur ſehr wenig von dem Winter verſchieden ſeyn wird. Daſſelbe gilt auch von den Tageszeiten; bloß die Gegenden zunächſt um die beiden Pole ausgenommen, denen die Sonne eine Zeit ihres Jahres nicht auf - oder nicht untergeht, iſt für bei weitem den größten Theil der Oberfläche Jupiters das ganze Jahr hindurch der Tag und die Nacht von nahe gleicher Länge d. h. gleich fünf unſerer Stunden. Deſto fühlbarer mag aber für die Bewohner dieſes Planeten der Unter - ſchied der Klimate ſeyn, wenn ſie gleich den Unterſchied ihrer Jahreszeiten vielleicht nur mit Mühe bemerken. Die Temperatur128Jupiter.und die Witterung wird nämlich für daſſelbe Land im Sommer und Winter nur wenig verſchieden ſeyn, aber es wird, in Be - ziehung auf dieſelben Eigenſchaften, ſehr viel darauf ankommen, ob das Land nahe oder ferne von dem Aequator liegt. In der dem Aequator zunächſt liegenden Zone herrſcht ein ewiger Frühling oder Sommer, da die Sonne beinahe immer in dem Scheitel der Bewohner dieſer Zonen erſcheint. Unter den beiden Polen aber ſieht man die Sonne, ſelbſt wenn ſie, in der Mitte ihres ſoge - nannten Sommers, am höchſten ſteht, nur drei Grade über dem Horizonte. Dieſe unglücklichen Gegenden müſſen alſo unter ewigen Schneefeldern und Eisgebirgen begraben ſeyn, die um ſo weniger aufthauen oder abnehmen können, da die über hundert Millionen Meilen entfernte Sonne auf den Jupiter nur mehr als eine ſehr kleine Scheibe, ſiebenundzwanzigmal kleiner als auf der Erde, er - ſcheint. Aehnliche ſcharfe Abſchnitte des Klimas wird man auch in den zwiſchen jenen beiden Extremen liegenden Gegenden be - merken, da die lange Dauer der Jahreszeiten (ſein Jahr iſt zwölf der unſeren gleich) dort auch einen ſtärkeren und bleibenderen Eindruck machen wird, und es iſt daher ſehr wahrſcheinlich, daß die conſtanten, dem Aequator parallelen Streifen, von welchen wir oben geſprochen haben, eine Folge dieſes Eindrucks, gleichſam ein ſtehender Typus der dort ſo ſehr verſchiedenen Klimate ſeyn mögen.

§. 98. (Maſſe Jupiters.) So wie die Umlaufszeit und die Abplattung dieſes Planeten nur ſchwer mit Genauigkeit zu be - ſtimmen iſt, eben ſo große und wohl noch größere Schwierigkeiten bot die Maſſe deſſelben dar, deren genaue Kenntniß den Aſtro - nomen doch ſehr wichtig iſt, weil von ihr der größte Theil der Störungen abhängt, welche die anderen, beſonders die ihm näher ſtehenden Planeten erfahren. Wir werden im Folgenden ſehen, auf welche Weiſe man das Verhältniß der Maſſe eines mit Satelliten verſehenen Planeten gegen die Maſſe der Sonne be - ſtimmen kann, wenn die Umlaufszeit des Planeten um die Sonne, die Umlaufszeit des Satelliten um ſeinen Hauptplaneten, und endlich der ſcheinbare Halbmeſſer der Bahn dieſes Satelliten zur Zeit der mittlern Entfernung des Jupiters von der Sonne durch129Jupiter.die Beobachtungen gegeben iſt. Nennt man nämlich a das Pro - duct des Würfels dieſes Halbmeſſers, multiplicirt in das Qua - drat der Umlaufszeit des Planeten, dividirt durch das Quadrat der Umlaufszeit des Satelliten, ſo findet man die Maſſe dieſes Pla - neten gleich der Größe a dividirt durch 1 a, wenn die Son - nenmaſſe als Einheit vorausgeſetzt wird. Schon der große New - ton hat uns dieſe Methode bekannt gemacht und ſie auch zugleich auf Jupiter angewendet. Indem er den Halbmeſſer der Bahn des vierten Satelliten aus den Beobachtungen ſeines Freundes Halley zu Grunde legte, fand er (Princ. philos. nat. math. Amsterd. 1723) die Maſſe Jupiters gleich 1 / 1633 der Sonnenmaſſe. Später nahm er aus Pound’s Meſſungen einen andern Halb - meſſer jener Bahn an und fand für dieſe Maſſe 1 / 1067 und dieſe letzte wurde von allen Aſtronomen des 18ten Jahrhunderts als die wahre angenommen, wie ſie denn auch in der Mec. céléste des Laplace als eine Angabe betrachtet wird, mit welcher ſich, in Beziehung auf ihre Genauigkeit, nur wenig andere aſtronomiſche Reſultate vergleichen laſſen ſollen.

Allein außer dieſen Satelliten giebt es auch noch ein anderes Mittel, die Maſſen der Planeten, vorzüglich ſo großer Planeten, zu beſtimmen, die Störungen nämlich, welche andere Planeten von ihnen erfahren und die natürlich deſto bedeutender ſeyn müſ - ſen, je größer die ſtörende Maſſe iſt, daher man auch umgekehrt, aus den Wirkungen, die durch unmittelbare Beobachtungen ge - geben werden, auf die Urſache dieſer Wirkungen, d. h. auf die Maſſen der ſtörenden Planeten zurückſchließen kann. Bouvard unternahm es, auf den Rath ſeines großen Freundes Laplace, auf dieſem Wege die Maſſe Jupiters durch die Störungen zu beſtim - men, welche Saturn von ihm leidet, und er fand daraus die Maſſe Jupiters 1 / 1073, alſo nur unbedeutend von jener letzten Beſtimmung verſchieden. Dieſe Uebereinſtimmung vorzüglich war es, die zu dem Schluſſe zu berechtigen ſchien, daß wir die Maſſe Jupiters mit ſo großer Schärfe kennen. Allein Jupiter bringt inLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder II. 9130Jupiter.den Bewegungen der vier neuen, kleinen Planeten noch viel be - deutendere Störungen hervor, als an Saturn. Gauß war der erſte, der dieß erkannte und auch ſogleich anwendete. Er fand aus ſeinen Berechnungen der Pallas, ſo wie Nicolai aus den Un - terſuchungen der Juno, daß die bisher für ſo genau gehal - tene Maſſe Jupiters um ihren 80ſten Theil vergrößert werden und daher nahe 1 / 1 054 ſeyn müſſe. Später fand Encke aus der Bewegung der Veſta, ſo wie aus der Berechnung des nach ihm benannten Cometen, nahe dieſelbe Vergrößerung.

§. 99. (Die Schwere wirkt auf alle Körper gleich.) Da man aber noch immer ſich von der Idee der hohen Genauigkeit jener erſten Beſtimmung der Jupitersmaſſe durch ſeine Trabanten nicht trennen wollte, und doch auf dem andern Wege, an deſſen Si - cherheit man auch nicht zweifeln konnte, ein ganz anderes Reſul - tat fand, ſo gerieth man auf die Muthmaßung, die ſich ſchon früher mehrmals geregt hatte, daß die Anziehung der Erde und der Planeten überhaupt nicht auf alle Körper dieſelbe ſey, ſon - dern daß ſich auch etwas den chemiſchen Verwandtſchaften Aehn - liches in die Sache miſchen könnte. Man ſtellte dem gemäß die Behauptung auf, daß Jupiter aus dieſer Urſache, auf die vier neuen Planeten mit einer nahe um 1 / 80 ſtärkern Anziehung wirke, als auf ſeine vier Monde. Dieſe Sache gab zu vielen ge - lehrten Diskuſſionen und weitläufigen Berechnungen Gelegenheit, die aber zu keinem beſtimmten Reſultate geführt haben. Man ſuchte ſich endlich auf anderen Wegen von der Unwahrſcheinlich - keit der Vorausſetzung, daß dieſelbe Maſſe auf verſchiedene Materien verſchieden wirken ſolle, zu überzeugen. Schon New - ton hat durch Pendelverſuche, in welchen er verſchiedene Körper, Metalle, Steine, Beine, Flüſſigkeiten u. dgl. ſchwingen ließ, ge - zeigt, daß unſere Erde die verſchiedenartigſten Materien alle gleich ſtark anziehe. Beſſel in Königsberg, dem die Aſtronomie ſchon ſo viel verdankt, hat dieſe Verſuche noch erweitert und mit be - ſonderer Genauigkeit angeſtellt, ſelbſt auf die Meteorſteine fort - geſetzt, die vielleicht von fremden Weltkörpern zu uns gelangen, und überall Newtons Reſultat vollkommen beſtätiget gefunden. 131Jupiter.Wir haben noch mehrere andere Erſcheinungen, die dieſen Schluß beſtätigen. Die Parallaxe des Monds z. B. läßt ſich aus den Pendelſchwingungen an der Erde mit der größten Schärfe be - rechnen und ſie ſtimmt genau mit der unmittelbaren Beobach - tung dieſer Parallaxe, überein; zum Beweiſe, daß die Erde den Mond genau auf dieſelbe Weiſe, wie das Pendel, anzieht. Die Parallaxe der Sonne läßt ſich aus einer Störungsgleichung des Monds durch die Erde berechnen, und auch dieſe harmonirt ſehr gut mit derjenigen Sonnenparallaxe, die wir aus den Durchgän - gen der Venus in den Jahren 1761 und 1769 (S. oben II. S. 87) abgeleitet haben, zum Beweiſe, daß die Sonne unſere Erde ganz eben ſo, wie unſern Mond, anzieht. Blos alſo die von Bouvard berechneten Störungen des Saturn durch Jupiter ſchei - nen mit dieſem Satze, ſo wie mit der Maſſenbeſtimmung dieſes Planeten durch ſeine Monde, im Widerſpruche zu ſtehen, ſo lange man nämlich nicht annehmen wollte, daß Bouvards Rechnungen und daß auch die mit ihnen übereinſtimmende Maſſe Jupiters aus ſeinen Satelliten irgend einer Verbeſſerung bedürfen könnten.

Jene Rechnungen ſind bisher, ſo viel uns bekannt, nicht wie - derholt worden, aber wohl iſt dieß mit der Methode, die Maſſe Jupiters aus ſeinen Satelliten zu beſtimmen, allein leider erſt in unſeren Tagen geſchehen, ſo daß man unbegreiflicher Weiſe jene alten Meſſungen von Pound, auf die ſchon Newton ſeine Rechnung gegründet hat, durch mehr als hundert Jahre für unverbeſſerlich gehalten hat, ohne ſie mit den ſeitdem ſo we - ſentlich verbeſſerten Inſtrumenten zu wiederholen. Blos Tries - necker in Wien kam auf dieſen Gegenſtand einmal zurück und ſuchte i. J. 1794 die Halbmeſſer der Bahnen dieſer vier Monde mit Hilfe eines füßigen Dollond’ſchen Objectivmikrometers zu be - ſtimmen. Er machte dieſe ſeine, für jenes Inſtrument recht gute Beobachtungen in den Wiener Ephemeriden f. d. J. 1797 bekannt, und Wurm hat auf dieſe Meſſungen eine neue Maſſenbeſtimmung Jupiters zu gründen geſucht (Mon. Corr. V Band), allein da er ſich mehrere willkührliche Aenderungen an den Beobachtungen Triesneckers erlaubte, ſo iſt auch ſeine Maſſenbeſtimmung, die er9 *132Jupiter.gleich 1 / 1070 findet, nicht als richtig anzunehmen. Behält man aber jene Beobachtungen, wie es ſeyn ſoll, unverändert bei, ſo folgt daraus die Maſſe Jupiters 1 / 1040. Erſt in unſern Tagen hat Prof. Airy in Cambridge dieſe Meſſungen der Halbmeſſer der Satellitenbahnen an ſeinem großen Aequatorial wieder vor - genommen und aus ſeinen ſehr genauen und mit vieler Umſicht angeſtellten Beobachtungen dieſe Maſſe gleich 1 / 1043 gefunden, was ſehr nahe mit Triesnecker und auch nahe genug mit den Stö - rungen der vier neuen Planeten übereinſtimmt. Dadurch iſt alſo zugleich erwieſen, daß Jupiter ganz auf dieſelbe Weiſe auf ſeine Monde, wie auf die vier neuen Planeten wirkt, und eine mit grö - ßerer Sorgfalt wiederholte Berechnung der Störungen Saturns wird wahrſcheinlich auch hier die gewünſchte Uebereinſtimmung zeigen.

§. 100. (Anblick des Himmels auf Jupiter.) Nach allem, was wir bisher über die Oberfläche dieſes größten aller Planeten kennen gelernt haben, müſſen wir zugeben, daß es auf demſelben ganz anders, als auf unſerer Erde ausſehen mag. Er iſt mit einer Atmoſphäre umgeben, die an Dichtigkeit der unſerer tropfbaren Flüſſigkeiten nahe kömmt, deren Wolken ſchon ganz ſolide Körper zu ſeyn ſcheinen, und in der immerwährend Revolutionen vor ſich gehen, gegen welche unſere heftigſten Stürme und Ungewitter nur als Kleinigkeiten zu betrachten ſeyn mögen. Ohne Zweifel wird dieſer Planet auch von großen Strömen und ausgebreiteten Meeren bedeckt ſeyn, deren Ausdünſtungen ſich in ſeine Atmoſphäre erheben und da jene dichten Wolken erzeugen. Wegen der geringen Schiefe ſeiner Ecliptik ſind die Jahreszeiten und die Temperaturen deſſelben nur ſehr wenig verſchieden, aber dafür dauert jede dieſer vier Jahreszeiten ſo lange, als bei uns drei volle Jahre. Die Höhe der Sonne ändert ſich für jeden gegebenen Ort, während dem Lauf eines ganzen Jahres, nur um ſechs Grade, während bei uns, in einer zwölfmal kürzern Zeit, dieſe Aenderung ſchon ſieben und vierzig Grade beträgt. Die Bewohner des Aequators haben133Jupiter.die Sonne beinahe immer in ihrem Zenithe, und ſelbſt wenn ſie am tiefſten ſteht, iſt ſie nur drei Grade von ihrem Scheitel ent - fernt. Die beiden Pole aber haben abwechſelnd durch eine Zeit, die ſechs Jahren der Erde gleichkömmt, immerwährend Tag oder Nacht. Wenn dieſe lange Nacht aufhört, und die Sonne den Bewohnern der Pole wieder erſcheint, um wieder ſechs Erdenjahre für ſie nicht unterzugehen, ſo ſchleicht ſie doch nur an ihrem Horizonte herum und erhebt ſich auch im Mittag nicht mehr als drei Grade über denſelben. Aber auch in den andern Gegenden, zwiſchen dem Aequator und den Polen, ſind die Klimate ſchroff und ſcharf abgeſchnitten und der Unterſchied weniger Grade der Breite muß ſchon eine große und conſtante Veränderung der Temperatur hervorbringen. So lange übrigens die Jahreszeiten auf dieſem Planeten dauern, ſo kurz ſind im Gegentheile wieder die Tageszeiten, da dort Tag und Nacht zuſammen genommen noch nicht zehn unſerer Erdſtunden betragen. Der Unterſchied zwiſchen dem Tag im engern Sinne des Wortes, d. h. zwiſchen der Anweſenheit der Sonne über dem Horizonte und der Nacht, iſt dort, etwa die nächſten Gegenden an den Polen ausgenommen, immer nur ſehr klein und die meiſten Orte haben durch das ganze Jahr Tag und Nacht nahe gleich groß und zwar gleich fünf unſerer Stunden. Dieſer ſchnelle Wechſel des Lichts mit der Finſterniß muß auf die Lebensweiſe der Bewohner dieſes Planeten von weſentlichen Einflüſſen ſeyn, wenn ſie anders, ſo wie wir, den Tag ihren Beſchäftigungen und Vergnügungen, und die Nacht der Ruhe und dem Schlafe widmen. Wenn ſie mit ihren Arbeiten jeden Tag zu Ende kommen wollen, ſo müſſen ſie in wenigen Minuten vollenden, wozu wir ganze Stunden brauchen, und alſo wohl eine beſondere Schnellkraft des Geiſtes und des Körpers haben. In der That, wie wenige von uns würden zufrieden ſeyn, wenn ihre Nächte nur fünf Stunden dauerten, und wenn ſie ſchon wieder aufſiehen müßten, nachdem ſie ſich kaum zu Bette gelegt haben. Wie ſehr würden ſelbſt die Virtuoſen unter unſern Gourmands in Verlegenheit kommen, wenn ſie, in einem Zeitraume von fünf Stunden, ſchon drei oder vier Mahlzeiten zu ſich nehmen müßten. Und wie ſehr würden erſt unſere Frauen134Jupiter.über die kurzen Nächte und die noch kürzeren Bälle von nicht einmal fünf Stunden klagen, da ſie ſchon zur Vorbereitung dazu mehr als doppelt ſo viel Zeit gebrauchen? Deſto zufriedener werden im Gegentheile die Aſtronomen dieſes Planeten ſeyn, wenn es anders noch daſelbſt auch Leute gibt, die es der Mühe werth achten, zuweilen wenigſtens einen Blick auf den geſtirnten Himmel zu richten. Die Sonne zwar erſcheint ihnen viel kleiner, im Durchmeſſer über 5, und in der Fläche 27 mal kleiner, als uns, daher auch die Beleuchtung, die Jupiter von der Sonne erhält, 27 mal ſchwächer iſt, als die unſerer Erde, und ſogar 180 mal geringer, als die Beleuchtung, deren ſich Merkur, der nächſte Planet an der Sonne, erfreut. Aber eben dieſe Düſterkeit ihrer Tage wird den Aſtronomen Gelegenheit geben, die übrigen größern Geſtirne, auch ohne Fernröhre, ſelbſt um die Zeit ihres Mittags zu ſehen. Wenn ſie überdieß ihre Zeitrechnungen, ſo wie wir, in letzter Inſtanz auf die Länge ihrer Tage beziehen, welche viel genauere Zeitbeſtimmung werden ſie dann haben, da ihre Tage nur zehn unſerer Stunden dauern. In dieſen zehn Stunden ſchwingen ſich alle Geſtirne des Himmels mit einer Schnelligkeit herum, die es ihnen ungemein leicht machen muß, den Ort der - ſelben für jeden Augenblick mit der größten Schärfe zu beſtimmen. Da die Körper in ihrem freien Falle auf der Oberfläche dieſes Planeten, wie wir geſehen haben, in der erſten Secunde durch 38 Fuß fallen, oder da die Schwere auf der Oberfläche dieſes Planeten bald dreimal größer iſt, als auf der Erde, ſo würde unſer Secundenpendel von drei Fuß dort in einer Secunde ſchon zwei Schwingungen vollenden, und ein Pendel, welcher auf Jupiter ſeine Schwingungen in einer unſer Secunden machen ſoll, müßte eine Länge von acht Fuß haben. Dieſe ſchnelle Rotation um ihre Axe wird daher den Aſtronomen Jupiters ein Mittel geben, ihre Zeit mit der größten Schärfe zu beſtimmen, und dieß iſt bekannt - lich eines der wichtigſten Elemente aller practiſchen Aſtronomie. Die vielen Finſterniſſe, welche ihnen ihre vier Monde bereiten, und die beinahe täglich vorfallen, werden ihnen nicht nur den Anblick des geſtirnten Himmels verſchönern, ſondern die vielen künſtlich in einander verſchlungenen Bewegungen dieſer Monde135Jupiter.werden ihnen auch Gelegenheit geben, die vorzüglichſten Eigen - ſchaften derſelben bald und mit großer Schärfe kennen zu lernen. Um endlich die Entfernungen der Himmelskörper unter ſich ſelbſt ſowohl, als auch von Jupiter zu beſtimmen, müſſen ſie vor allem eine recht große Baſis (I. S. 158) haben, die ſie ihren Beobach - tungen der Parallaxe zu Grunde legen können. Aber welche größere Baſis können ſie wünſchen, als die, die ihnen durch den Halb - meſſer ihres großen Planeten in Beziehung auf die Entfernung jener Monde von dem Mittelpunkte dieſes Planeten gegeben iſt. Unſer Mond iſt 60 Erdhalbmeſſer von uns entfernt, und dieß war genug, die Parallaxe dieſes unſers Begleiters mit der größten Genauigkeit zu beſtimmen. Die Sonne im Gegentheile ſteht über 20000 Erdhalbmeſſer von uns ab, daher wir ihre Parallaxe nur ſchwer mit großer Schärfe beſtimmen können. Allein der nächſte Satellit Jupiters iſt nicht einmal ſechs volle Halbmeſſer Jupiters von dem Mittelpunkte dieſes Hauptplaneten entfernt, und ſeine Parallaxe kann daher mit einer Genauigkeit beſtimmt werden, mit welcher ſich keine unſerer irdiſchen Beobachtungen vergleichen läßt. Selbſt die Beſtimmung der Sonnenparallaxe iſt dort weniger Schwierigkeiten, als auf der Erde, unterworfen. Zwar iſt Jupiter nahe fünfmal weiter, als die Erde, von der Sonne entfernt, aber der Halbmeſſer Jupiters iſt dafür nahe zwölfmal größer, als der Halbmeſſer der Erde, daher für jenen Planeten die Sonnenparallaxe 19 Secunden beträgt, während ſie bei uns nur 8 Secunden bat, alſo mehr als die Hälfte kleiner und eben deßwegen auch viel ſchwerer zu beſtimmen iſt.

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Kapitel VII. Saturn und ſein Ring.

§. 101. (Entfernung und Umlaufszeit Saturns.) In einer über neunmal größeren Entfernung als die Erde durchwandelt Saturn ſeine weite Bahn um die Sonne in einer Zeit von 29½ Jahren. Man erkennt ihn an ſeinem matten, weißen Lichte ohne Strahlen, und einmal erkannt, wird er immer wieder leicht auf - gefunden, da er ſeinen Ort unter den Sternen ſo langſam ändert und Jahre in demſelben Sternbilde verweilt. In ſeiner mitt - leren Bewegung legt er in jeder Secunde nur 1 3 / 10 Meilen zurück, geht alſo fünfmal langſamer als Merkur und ſelbſt noch 3½mal langſamer als die Erde. So geht er, der alte Gott der Zeit, langſam und unbemerkt, wie dieſe Zeit ſelbſt, ſeinen Weg von mehr als hundert und neunzig Millionen Meilen um die Sonne, die ihm in der großen Entfernung, um welche er von ihr abſteht, nur mehr unter einem Durchmeſſer von 200 Sec., alſo mal kleiner, als uns, erſcheint. Die ganze Oberfläche der Sonne aber erſcheint ihm 90mal kleiner, als der Erde, daher auch die Be - leuchtung, die Saturn von der Sonne erhält, 90mal geringer iſt, als unſere Tageshelle, ſo daß der ſchönſte Mittag auf dieſem Planeten nur unſerer tiefſten Dämmerung, unmittelbar vor dem Einbruche der Nacht, zu vergleichen iſt. Seine mittlere Entfernung von der Sonne beträgt nahe 200 Mill. Meilen. Das oben (II. S. 31) 137Saturn und ſein Ring.erwähnte ſchnell ſegelnde Schiff würde dieſe Diſtanz erſt in 5400 Jahren, und eine Kanonenkugel, die in jeder Secunde 600 Fuß zurücklegt, in 240 Jahren zurücklegen. Das Licht aber mit ſeiner unbegreiflichen Geſchwindigkeit kömmt ſchon in 1 Stunde 18 Min. von der Sonne bis zu Saturn.

Wegen der nicht unbeträchtlichen Excentricität der Bahn dieſes Planeten kann ſich derſelbe bis 188 Mill. Meilen der Sonne nähern, und bis 210 Mill. Meilen von ihr entfernen. Von der Erde aber iſt ſein Abſtand zu verſchiedenen Zeiten viel mehr ver - ſchieden, indem er ſich ihr bis 160 Mill. Meilen nähern und wieder bis 223 Mill. Meilen von ihr entfernen kann.

§. 102. (Größe und Maſſe Saturns.) Der wahre Durch - meſſer Saturns beträgt 17090 Meilen, alſo nicht viel weniger als der des Jupiter, und nahe zehnmal mehr, als der der Erde. Wenn er der Erde am nächſten ſteht, ſo erſcheint dieſer Durch - meſſer unter dem Winkel von 21 Sec., in ſeiner größten Ent - fernung aber nur unter 15 Sec. An Oberfläche übertrifft er die der Erde 95 mal, und an körperlichem Inhalte 928 mal, ſo daß man alſo aus ihm 928 der Erde gleiche Kugeln bilden könnte. Allein die Maſſe, aus der er beſteht, iſt nur der 3512te Theil der Sonnenmaſſe, oder nahe 95 mal größer als die Maſſe der Erde. Daraus folgt, daß die Dichtigkeit dieſer Maſſe ungemein gering, nur etwa der zehnte Theil der Dichte der Erdmaſſe iſt. Dieſe Maſſe iſt überhaupt die lockerſte von allen Planetenmaſſen, und nahe nur zweimal ſo dicht, als die unſeres Korkholzes. Es möchte ſchwer ſeyn, zu ſagen, welchen Einfluß eine ſolche Einrichtung auf die vegetabiliſche, auf die thieriſche und ſelbſt auf die intellectuelle Welt dieſes Planeten haben mag. Was endlich die Kraft der Schwere betrifft, ſo wirkt ſie auf dieſem Planeten nahe eben ſo, wie auf der Erde: die Körper fallen nämlich in der erſten Secunde durch 14 ½ P. Fuß.

§. 103. (Streifen und Atmoſphäre Saturns.) Auch Saturn iſt mit ſolchen Aequatorialſtreifen, wie Jupiter, verſehen, ſie ſind ſogar noch breiter, aber an Farbe weniger von der übrigen Fläche des Planeten ausgezeichnet. Ohne Zweifel gehören auch ſie der Atmoſphäre deſſelben an, obſchon dieſe Luft und dieſe138Saturn und ſein Ring.in ihr ſchwimmenden Wolken ſehr von den irdiſchen verſchieden ſeyn mögen. Schröter hat in dieſen Streifen häufig bedeutende Aenderungen bemerkt, was auf große Revolutionen in der Atmo - ſphäre ſchließen läßt, da ſie uns in einer ſo großen Entfernung noch ſichtbar ſind. Derſelbe Beobachter, ſo wie der ältere Herſchel haben auch denjenigen Pol des Saturn, der eben von der Sonne abgewendet iſt, und ſeinen Winterſchlaf hat, beſtändig heller und weißer, als den anderen gefunden, wahrſcheinlich eine Folge der großen Kälte, die zur Winterszeit unter dieſen Polen auf einem Planeten herrſchen mag, der die Sonne 90mal kleiner ſieht, als wir, und deſſen Winter volle unſerer ganzen Jahre dauert. Man will bemerkt haben, daß die Sterne, denen Saturn auf ſeinem Laufe begegnet, und mit ſeinem Körper für uns bedeckt, wenn ſie ihm näher rücken, allmählig ſchwächer werden, bis ſie endlich hinter ſeinem Rande gänzlich verſchwinden. Daſſelbe ſoll auch der Fall mit ſeinen Monden ſeyn, von welchen wir ſpäter ſprechen werden. Man würde dieſe Erſcheinung als einen Beweis anſehen können, daß die Atmoſphäre dieſes Planeten, wenigſtens in ihren untern Schichten, ſehr dicht ſeyn müſſe.

§ 104. (Rotation Saturns.) Aus der Beobachtung einiger Flecken auf der Oberfläche Saturns hat man die Rotation des - ſelben zu 10½ unſerer Stunden abgeleitet. Künftige genauere Beobachtungen werden dieſes Reſultat wohl noch verbeſſern, indeß iſt dieſe ſchnelle Umdrehung eines ſo großen Planeten immer merkwürdig. Der Aequator deſſelben iſt gegen ſeine Bahn unter einem Winkel von nahe 30 Graden geneigt, woraus folgt, daß die Jahreszeiten Saturns viel ſtärker verſchieden und ſchärfer bezeichnet ſind, als die der Erde, während ſie, wie wir geſehen haben, auf Jupiter beinahe gar nicht verſchieden ſind, und während wieder die Tage dieſer zwei größten Planeten unſeres Sonnen - ſyſtems beinahe dieſelbe Länge haben.

§. 105. (Abplattung Saturns.) Dieſe ſchnelle Umdrehung Saturns läßt auch eine ſtarke Abplattung an ſeinen Polen er - warten. Der ältere Herſchel fand dieſe Abplattung gleich dem eilften Theil der halben Aequatorialaxe, allein er fand auch noch eine andere Art von Erhöhung des Randes an vier einander139Saturn und ſein Ring.gegenüber ſtehenden Stellen, nahe in der Mitte zwiſchen Pol und Aequator, ſo daß der Durchmeſſer Saturns in der Richtung dieſer Erhöhungen gleich 1, der Durchmeſſer des Aequators gleich 0,97 und endlich der Polardurchmeſſer gleich 0,89 ſeyn ſoll. Allein Schröter, der dieſen Gegenſtand anhaltend unterſuchte, fand die äußere Geſtalt und Abplattung Saturns fortwährenden, großen Aenderungen unterworfen, vielleicht, weil dieſen Planeten eine flüſſige Hülle umgiebt, die einer immerwährenden Ebbe und Fluth unterworfen iſt, oder auch, weil der Körper deſſelben in der That von der Geſtalt einer Kugel beträchtlicher abweicht, als wir dieß bisher bei andern Planeten beobachtet haben.

Ring des Saturn.

§. 106. (Wie Saturn den früheren Aſtronomen erſchien.) Wenn man dieſen Planeten auch nur durch ein ſehr ſchwaches Fernrohr beobachtet, ſo bemerkt man ſogleich, daß er von der runden Ge - ſtalt der übrigen Himmelskörper abweicht und mehr eine ellipti - ſche oder eyförmige Geſtalt hat. Galilei, der das damals kaum erfundene Fernrohr (ein ſogenanntes holländiſches, mit einer Ver - größerung von 33, und ohne Zweifel keines der beſſern dieſer Art) der erſte i. J. 1612 zur Erweiterung unſerer Kenntniß des ge - ſtirnten Himmels anwendete, entdeckte die ſonderbare Form die - ſes Planeten ſogleich; aber, da er ihn nicht deutlich genug ſehen konnte, ſo behauptete er, Saturn beſtehe aus drei an einander befeſtigten Körpern, Saturnus triformis. Er hielt die zwei zu den beiden entgegengeſetzten Seiten der eigentlichen Kugel ſtehenden Körper für Monde, die aber keine Bewegung um die Kugel ha - ben und gleichſam an ſie angeheftet ſeyn ſollten. Er erklärte dieſe Meinung ſelbſt für etwas ſonderbar und verließ ſie auch ſpäter wieder, als er, einige Jahre darauf, den Saturn ganz rund er - blickte. Seine vermeinte Entdeckung wurde über zwanzig Jahre von den andern Aſtronomen verfolgt, aber keiner derſelben konnte ſich von der Idee eines ſolchen befeſtigten Mondenpaares los ma -140Saturn und ſein Ring.chen, wahrſcheinlich, weil ihre Fernröhre alle zu unvollkommen waren, um dieſen entfernten Himmelskörper in ſeiner wahren Geſtalt zu zeigen. Noch im Jahre 1633 ſah Gaſſendi aller ſeiner Mühe ungeachtet doch nichts als dieſe eingebildeten Monde. He - velius, der dieſen Planeten von den Jahren 1647 bis 1656 eifrig verfolgte, bemerkte wohl, daß dieſe zwei kleinen Seitenkugeln, dieſe imaginairen Monde mit der großen Kugel Saturns durch Arme oder Henkel zuſammen hängen und daß Saturn ſeine Ge - ſtalt überhaupt von Jahr zu Jahr auf eine ſehr ſonderbare Weiſe ändere, aber er konnte doch den eigentlichen Grund dieſer auffal - lenden Veränderungen nicht entdecken. Dafür gab er in ſeinem Werke (De Saturni facie. Danzig 1656) eine Menge von barba - riſchen Namen an, durch welche er die verſchiedenen Geſtalten dieſes Planeten näher bezeichnen wollte. Hodierna war der Mei - nung, daß Saturn die Geſtalt eines Eyes habe, mit zwei dun - keln Flecken an den beiden Seiten, und daß die Abwechslung ſeiner Geſtalt von einer Umdrehung dieſes Eyes um ſeine Axe komme. Riccioli behauptete, daß Saturn mit einem dünnen Armillarringe umgeben ſey, der in zweien ſeiner Punkte an der Kugel des Pla - neten befeſtiget ſeyn ſollte, womit dieſer Jeſuit, der auch Coper - nicus und Kepler verbeſſern wollte, die Entdeckung Huygen’s, die damals ſchon allgemein bekannt war, zu rectificiren gedachte.

§. 107. (Huygens entdeckt den Ring Saturns.) Im Jahre 1659 erſchien nämlich das Systema Saturnium von Huygens, in welchem dieſer vortreffliche Aſtronom und große Beobachter die wahre Geſtalt dieſes Planeten bekannt machte, ſo wie er ſie durch das von ihm ſelbſt verfertigte, für ſeine Zeit ſehr gute Fernrohr i. J. 1655 geſehen hatte. Er zeigte, daß die Kugel Saturns ringsum von einem dünnen, breiten, freiſchwebenden Ringe um - geben iſt. Sofort erſchienen mehrere Widerlegungen, wie dieß bei allen wichtigen Entdeckungen, die ſich auch andere gerne zueig - nen möchten, zu geſchehen pflegt. Außer der bereits erwähnten von Riccioli erhob ſich ein gewiſſer Fabri, aus demſelben Orden, der unter dem falſchen Namen eines Eustachius de divinis die Erklärung Huygens heftig angriff, nebſt mehrern andern, die jetzt keiner weitern Erwähnung mehr werth ſind. Alle beſonnenen,141Saturn und ſein Ring.beſſern Aſtronomen erkannten ſofort die Wahrheit, wie ſie ihnen von Huygens gezeigt wurde und reihten ſich auf ſeine Seite, und in unſern Tagen giebt es vollends keinen Menſchen mehr, der daran zweifeln könnte, wenn er auch nur mit einem Blicke durch unſere beſſeren Fernröhre den Gegenſtand ſelbſt geſehen hat. Statt dieſer Obtrectatoren, die ihre Rolle bald ausgeſpielt hatten, kam ein anderes Heer von nicht viel beſſeren Speculanten, die man auch hinter jeder neuen und wichtigen Erſcheinung herlaufen ſieht, jene Theoretiker, wie ſie ſich ſelbſt ſo gerne nennen, die ſelbſt keine Entdeckungen machen, aber dafür die der andern berichtigen und erklären und dadurch, wie ſie in ihrer Beſcheidenheit wähnen, dem Ganzen erſt die Krone aufſetzen und bei der ganzen Sache ſich ſelbſt das Hauptverdienſt ſichern. Es entſtand nämlich die Frage, woher dieſer Ring komme und wie er entſtanden ſeyn könne? Da fehlte es denn nicht an Erklärungen aller Art. Der eine, Roberval, ſonſt ein ſehr ſchätzbarer Geometer, behauptet, daß die - ſer Ring blos durch die Dünſte gebildet werde, die ſich von der Oberfläche des Saturn erheben; der andere hielt ihn für die ei - gentliche Atmoſphäre dieſes Planeten; ein Dritter ſagte, dieſer Ring ſey blos der Ueberreſt einer großen Kugel, die bis auf ih - ren Aequator zuſammen geſchmolzen ſey, und Maupertuis endlich ließ ihn aus einem Kometenſchweife entſtehen, der ſich um die Kugel des Saturn herum geſchwungen habe und an ihm hängen geblieben ſey.

Die beſſeren Aſtronomen, die eigentlichen Naturforſcher, be - mühten ſich, die von Huygens gemachte Entdeckung zu verfolgen und in ihren einzelnen Theilen, durch ihre eigenen Beobachtungen, immer mehr zu vervollkommnen. Schon i. J. 1715 bemerkte Caſ - ſini, daß dieſer Ring eigentlich ein doppelter, mit ſich und dem Saturn concentriſcher Ring ſey, und daß der äußere, ſchmälere, mit dem andern in derſelben Ebene liegende Ring von ihm durch einen Zwiſchenraum getrennt iſt, den er gleich einem dunkeln Bande auf der breiten Fläche des ganzen Ringes bemerkte. Short, Hadley und andere, welche dieſe Trennung der Ringe durch ihre Beobachtungen beſtätigten, bemerkten noch, daß der innere Ring heller ſey, als der äußere und daß jener wohl noch aus mehreren142Saturn und ſein Ring.concentriſchen Ringen beſtehen mag, wie ſie aus den dunkeln Krei - ſen ſchloſſen, die ſie auf demſelben, wenigſtens zuweilen, bemerken konnten. (M. ſ. die Fig. am Ende dieſes Bandes.)

§. 108. (Ausmeſſungen des Rings.) Die folgende Tafel ent - hält die Dimenſionen dieſer Ringe, wie ſie aus Struve’s neueſten Meſſungen folgen. Die darin angegebenen Winkel beziehen ſich auf die mittlere Diſtanz des Saturn von der Sonne oder von der Erde, die 9,5388 Halbmeſſer der Erdbahn beträgt. Man erhält die in Secunden ausgedrückte Größe in geogr. Meilen, wenn man die erſten durch 950 multiplicirt. In der Fig. 8 iſt a der Mittelpunkt Saturns und der beiden Ringe, a m der Halbmeſ - ſer Saturns und c d der Raum, der beide Ringe von einander trennt.

  • In Sec. In d. Meil.
  • Aeußerer Halbmeſſer des äußern Rings ae .. 20″,047 ... 19045
  • Innerer ad .. 17″,644 ... 16762
  • Aeußerer Halbmeſſer des innern Rings ac .. 17″,237 ... 16375
  • Innerer ab .. 13″,334 ... 12667
  • Halbmeſſer Saturns ...... am .. 8″,995 ... 8545
  • Breite des äußern Rings .... de .. 2″,403 ... 2283
  • Breite des innern Rings .... bc .. 3″,903 ... 3708
  • Breite des Zwiſchenraums .... cd .. 0″,407 ... 387
  • Entfernung der innern Seite des innern Rings von der Oberfl. Saturns. bm .. 4″3397 ... 4122
  • Breite des Doppelrings .... be .. 6″,713 ... 6378

Man ſieht daraus die Größe dieſes, den Saturn freiſchwe - bend umgebenden Rings. Sein äußerſter Durchmeſſer 2 ae be - trägt 38090 Meilen oder 22 Durchmeſſer der Erde und der äu - ßerſte Umfang dieſes Rings hat 119,663 Meilen. Der jüngere Herſchel hat auch bei Gelegenheit der letzten Verſchwindung dieſes Rings die Dicke deſſelben zu beſtimmen geſucht und ſie gleich 0,023 Secunden oder gleich 22 d. Meilen gefunden. Daraus würde folgen, daß der körperliche Inhalt oder das Volum beider Ringe zuſammen 13,980 Millionen Kubikmeilen oder nahe fünfmal ſo viel, als das Volum der Erde beträgt. Allein Schröter folgert aus ſeinen Beobachtungen dieſe Dicke des Rings gleich 0″,125 oder143Saturn und ſein Ring.119 Meilen, wo dann das Volum der beiden Ringe das unſerer Erde 27 mal übertreffen würde.

Daß dieſer Ring, ſo wie die Kugel Saturns, ein dunkler Körper iſt, der ſein Licht nur von der Sonne erhält, folgt ſchon daraus, daß man oft genug den Schatten deutlich ſieht, den Saturn auf ſeinen Ring und den auch der Ring auf den Körper des Saturn wirft. Auch die Farbe des Saturn iſt von der des Rings verſchieden. Herſchel fand jenen gelblich und dieſen lebhaft weißlich gefärbt. Der Raum bm zwiſchen der Oberfläche des Sa - turn und der innern Seite des innern Rings iſt ohne Zweifel ein leerer Raum, durch den man den Hintergrund des Himmels erblickt. In Smith’s Optik wird erzählt, daß Clarke in England einen Fixſtern in dieſem leeren Raum durchblicken ſah, die ein - zige Beobachtung dieſer Art, ſo viel uns bekannt iſt, die aber wohl leicht mehrere finden würde, wenn man den Saturn zu die - ſer Abſicht in ſternreichen Gegenden des Himmels eifriger verfol - gen wollte, als bisher geſchehen ſeyn mag.

§. 109. (Neigung und Knoten des Rings.) Dieſer Ring hat, nach Beſſels neueſten Beſtimmungen, gegenwärtig eine Neigung von 28 Graden gegen die Ecliptik, und die Länge ſeines aufſteigenden Knotens in der Ecliptik beträgt 167 Grade. Wegen dieſer Nei - gung erſcheint der in der That kreisförmige Ring, aus der Sonne ſowohl, als auch aus der Erde geſehen, immer nur in der Ge - ſtalt einer Ellipſe und zwar einer veränderlichen Ellipſe, deren conſtante große Halbaxe, in der mittlern Entfernung Saturns, gleich 20″,047, deren veränderliche kleine Halbaxe aber höchſtens gleich 9″,55 ſeyn und öfters ſogar bis auf eine ganz verſchwindende Größe abnehmen kann, wo dann der Ring als eine gerade Linie erſcheint, oder auch ganz unſichtbar wird. Die erwähnte Figur ſtellt Saturn mit ſeinem Ringe in der größtmöglichen ſcheinbaren Oeffnung des letztern dar.

§. 110. (Urſachen der Verſchwindungen des Rings.) Dieſes Verſchwinden des Rings iſt für die Theorie deſſelben von der größten Wichtigkeit, weil ſich daraus die Lage der Ebene dieſes Rings mit großer Schärfe beſtimmen läßt. Wir wollen daher auch die Urſache und die nähern Umſtände dieſer Verſchwindungen144Saturn und ſein Ring.etwas genauer betrachten. Es wurde bereits geſagt, daß die Ebene dieſes Rings gegen die Ecliptik unter dem Winkel von 28 Graden geneigt iſt und daß er dieſe Neigung, im Allgemeinen betrachtet, während ſeines ganzen Umlaufs um die Sonne beibehält, ſo daß er ſich ſelbſt immer parallel bleibt.

Sey S (Fig. 9) die Sonne, mn die kreisförmige Bahn der Erde, und ABCD die des Saturn. Nehmen wir an, daß die Linie ESC die Knotenlinie (I. S. 222) des Rings in der Ecliptik ſey, ſo daß alſo der aufſteigende Knoten A in der Länge von 167° und der niederſteigende B in der Länge von 347° liege. Auf dieſe Knotenlinie ſenkrecht ſey der Durchmeſſer BD gezogen. Wenn nun Saturn in dem Punkte A iſt oder wenn er, von der Sonne aus geſehen, die Länge 167° hat, ſo ſchneidet die Ebene ſeines Ringes die Ecliptik in der Linie ASC, oder dieſe Ebene geht durch die Sonne S, und kann ſonach bloß in ſeinen ſchmalen Kanten, oder der Dicke nach von der Sonne beleuchtet werden. In dieſem Augenblicke erſcheint er alſo einem Auge in der Sonne nur als eine gerade Linie, oder in der Geſtalt der Fig. 10. Wie aber Saturn aus dieſem Punkte A weiter gegen B fortrückt, ſo be - leuchtet auch die Sonne die nördliche Seite des Ringes immer mehr und mehr, und der Ring wird daher dem Auge in der Sonne immer breiter erſcheinen, bis er, wenn Saturn in B iſt, am weiteſten geöffnet iſt und die Geſtalt von Fig. 11 hat; wo der nördliche Theil des Rings jenſeits der Kugel, und der ſüdliche dießſeits ſteht. Wie dann Saturn weiter gegen C fortrückt, wird der Ring wieder enger, bis er in C, in dem abſteigenden Knoten, wieder nur ſeine Kante erleuchtet hat, und als eine gerade Linie, wie Fig. 12, erſcheint. Von C gegen D wird die Sonne immer mehr auf der ſüdlichen Seite des Rings vorrücken, die daher immer breiter erſcheint, bis ſie in D am breiteſten iſt, und die Geſtalt Fig. 13 hat, wo der nördliche Theil des Ringes dießſeits der Kugel und der ſüdliche jenſeits liegt.

Von der Sonne geſehen erſcheint alſo Saturn während jeder ſeiner Revolutionen um die Sonne, d. h., während 29½ Jahren zweimal ohne Ring, wenn Saturn die heliocentriſche Länge 167° oder 347° hat, und zweimal am weiteſten geöffnet, wenn er die145Saturn und ſein Ring.heliocentr. Längen von 257° und 77° hat. Die Intervalle zwiſchen dieſen Erſcheinungen betragen daher 7⅖ Jahre, an deren Anfang und Ende der Ring immer am kleinſten und am größten erſcheint.

Wenn alſo Saturn in einem der beiden Knoten ſeines Ringes iſt, ſo wird von dieſem Ringe nur die ſchmale Kante durch die Sonne beleuchtet, und der ganze Ring wird dann nicht bloß für das Auge in der Sonne, ſondern auch für uns, für die Erde, ver - ſchwinden, wenn anders unſere Fernröhre nicht ſtark genug ſind, den ſchmalen Lichtſtreifen, welchen dieſe Kante bildet, ſichtbar zu machen, wo uns dann der Ring als eine feine gerade Linie er - ſcheinen wird, wie ihn Herſchel mit ſeinen großen Teleſcopen in der That öfter zu dieſer Zeit geſehen hat.

Allein dieſer Ring kann außerdem für die Erde noch wegen ganz anderer Urſachen verſchwinden. Wenn nämlich erſtens die Ebene des Ringes durch die Erde geht, ſo ſehen wir keine ſeiner beiden breiten Seiten, von welchen im Allgemeinen immer eine von der Sonne beleuchtet iſt. Wir ſehen dann bloß die Kante, die dunkle Kante des Ringes, d. h. wir ſehen ihn gar nicht. Dieß iſt z. B. der Fall, wenn die Erde in m und Saturn in a oder c iſt, wo dann die Ebene des Rings die Ecliptik in der Linie a m c ſchneidet und durch das Auge des Beobachters in m geht. Wenn aber auch dieß nicht der Fall iſt, ſondern wenn nur zweitens die erweiterte Ebene des Rings zwiſchen Erde und Sonne hin - durchgeht, ſo kann der Ring auch ſchon für uns unſichtbar werden. Wenn z. B. die Erde in n und Saturn zwiſchen A und a' iſt, ſo liegt die Ebene des Rings zwiſchen n und S, und da hier die dunkle Seite deſſelben zur Erde n gekehrt iſt, ſo können wir ihn nicht ſehen. Daſſelbe kann ſich ereignen, wenn überhaupt die Erde irgendwo in der Hälfte p n o ihrer Bahn iſt, während Saturn zwiſchen den Punkten A und a' ſich aufhält, und eben ſo, wenn die Erde in der andern Hälfte p m o ihrer Bahn, und Saturn zwiſchen dem Punkte A und a oder zwiſchen C und c iſt.

Man bemerkt übrigens von ſelbſt, daß dieſe beiden Arten von Verſchwindungen des Ringes immer kurz vor oder nach der Epoche ſtatt haben müſſen, wo die Ebene deſſelben durch die Sonne gebt und nur der ſcharfe Rand des Ringes von ihr beleuchtetLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 10146Saturn und ſein Ring.wird. Denn da die Erdbahn gegen die des Saturn nur klein iſt, ſo fällt die Ebene des Ringes durch 14 Jahre außer die Erd - bahn, ſo daß alſo dann die Erde immer der von der Sonne beleuchteten Seite des Ringes zugekehrt iſt und nur am Ende dieſer Periode hat die Ringebene, etwa ein Jahr durch, eine ſolche Lage, daß ſie, verlängert, die Erdbahn ſchneiden kann. Dieſe beiden Fälle, wo die Ebene des Ringes entweder durch die Sonne oder durch die Erde geht, geben offenbar nur ein momentanes Verſchwinden deſſelben, während der dritte Fall, wo die Ebene des Ringes zwiſchen Sonne und Erde liegt, den Ring mehrere Wochen durch für die Erde unſichtbar machen kann.

§. 111. (Verſchiedene Geſtalten des Ringes, wie er von der Erde geſehen wird.) Wenn man die halbe große Axe des elliptiſchen Ringes gleich der Einheit annimmt, ſo gibt die folgende Tafel den Werth der halben kleinen Axe für jeden heliocentriſchen oder geo - centriſchen (I. S. 243) Abſtand des Saturn von dem auf - oder abſteigenden Knoten des Ringes in Länge.

Von bis 90° Abſtand vor dem aufſteigenden und nach dem niederſteigenden Knoten liegt die zur Erde gekehrte Hälfte des Ringes über, und von bis 90° nach dem aufſteigenden und vor dem niederſteigenden Knoten liegt dieſe Hälfte des Ringes unter dem Mittelpunkte der Kugel des Saturn. Ueberhaupt zeigt ſich Saturn ohne Ring, wenn er in dem öſtlichen Theile des Sternbildes des Löwen und in dem öſtlichen Theile des Waſſer -147Saturn und ſein Ring.manns ſteht, während man den Ring in ſeiner größten Oeffnung bei den Sternen in den Hörnern des Stiers oder zwiſchen dem Scorpion und dem Schützen ſieht*)Da der Zweck dieſer Schrift alle ſogenannten mathematiſchen Formeln ausſchließt, ſo mußte manche gute Gelegenheit, den Vortrag ſo kurz und zugleich ſo allgemein, als möglich, ein - zurichten, unbenutzt gelaſſen werden. Es mag uns daher wenigſtens einmal erlaubt ſeyn, die großen Vortheile dieſer analytiſchen Sprache durch ein hieher gehörendes Beiſpiel zu zeigen. Alles, was ſich über die Geſtalt des Saturnringes, wie er von der Sonne oder auch von der Erde geſehen wird, ſagen läßt, iſt in dem folgenden kurzen Ausdrucke enthalten b = Sin n Sin m. In demſelben bezeichnet b die ſcheinbare kleine Halbaxe der Ellipſe des Ringes, wenn die große gleich der Einheit angenommen wird; n = 28° 22′ iſt die Neigung der Ringebene gegen die Ecliptik, und m iſt gleich der Länge des Knotens 166° 50′ weniger der heliocentriſchen Länge Saturns, wenn man die von der Sonne geſehene Geſtalt der Ellipſe ſucht oder gleich 166° 50′ weniger der geocentriſchen Länge Saturns, wenn man die von der Erde geſehene Geſtalt der Ellipſe kennen lernen will. Iſt im erſten Falle b = o, ſo verſchwindet der Ring, oder er erſcheint nur als eine gerade Linie, weil ſeine erweiterte Ebene durch die Sonne geht. Iſt aber b negativ, alſo m größer als 180°, ſo wird die Nordſeite des Ringes von der Sonne beleuchtet und umgekehrt. Iſt im zweiten Falle b = o, ſo ver - ſchwindet der Ring für uns, weil die erweiterte Ebene deſſelben durch die Erde geht. Iſt aber b negativ, ſo bedeutet dieß, daß die Nordſeite des Ringes gegen die Erde gekehrt iſt. Endlich iſt auch für die verſchiedenen Werthe von m der Ring für die Erde auch dann noch unſichtbar, wenn der Werth von b im erſten Falle ein anderes Zeichen hat, als im zweiten, weil dann die von der Sonne beleuchtete Seite des Ringes von der Erde weggewendet iſt. Man ſieht ſonach, daß man durch jene einfache Gleichung die von der Sonne oder auch von der Erde geſehene Geſtalt des Ringes für jede Zeit angeben kann, für welche man nur die heliocentriſche oder geocentriſche Länge des Saturn kennt, die man nach dem Vorhergehenden (I. S. 251) leicht finden kann. Die obige Tafel iſt nach dieſer Gleichung berechnet worden, wobei auf die Breite Saturns keine Rück - ſicht genommen wurde, da dieſe immer ſehr klein iſt und die Reſultate jener Tafel nicht beträchtlich ändern kann..

§. 112. (Berge und Atmoſphäre des Ringes.) Zu der Zeit, wo bloß die ſcharfe Kante des Ringes von der Sonne beſchienen10 *148Saturn und ſein Ring.wird, ſah Schröter die feine Lichtlinie deſſelben häufig unterbrochen, als wenn ſie aus mehreren geraden Linien beſtünde, die ſich ab - wechſelnd trennen und wieder vereinigen. Er ſchrieb dieß einer Atmoſphäre des Ringes und den darin vorgehenden Veränderungen zu. Herſchel ſah zu der Zeit, als nur noch ein ſehr kleiner Theil der Kugel über den Ring hervorragte (wie in Fig. 11 und 13), dieſen Theil viel ſpitziger als ſonſt, da er doch, wegen der Ab - plattung Saturns an ſeinen Polen, ſtumpfer ausſehen ſollte, was ebenfalls einer Atmoſphäre des Ringes zugeſchrieben wurde, wo - für auch noch die Erſcheinung ſpricht, daß zu der Zeit, wo die Erde noch auf der dunklen Seite des Ringes ſteht, doch die Kante deſſelben auch ſchon ſchwach beleuchtet geſehen wird.

Wenn der Ring nur als eine feine, gerade Lichtlinie erſcheint, bemerkt man auf derſelben mehrere helle Punkte, die man für Gebirge des Ringes hält, Schröter ſchätzt die Höhe einiger dieſer Berge bis zu der enormen Größe von 200 Meilen über die Ebene des Ringes. So gewaltige Berge können ſchon als zuſammen - bängende Satelliten des Saturn angeſehen werden, die durch ihre Vereinigung jenen Ring gebildet haben.

§. 113. (Ueber die Rotation des Ringes.) Dieſelben Berge forderten gleichſam die beiden Beobachter, Herſchel und Schröter, die mit den beſten Fernröhren in Europa verſehen waren, auf, durch ſie die Rotation dieſes Ringes um ſeinen Mittelpunkt, der zugleich der Mittelpunkt Saturns iſt, zu beſtimmen. Allein es iſt auf - fallend und konnte lange nicht erklärt werden, daß dieſe beiden trefflichen Aſtronomen ſo ganz widerſprechende Reſultate aus ihren Beobachtungen abgeleitet haben. Herſchel fand aus der Ortsver - änderung dieſer lichten Punkte oder dieſer Berge, im Jahre 1789, daß der Ring ſich in 10½ unſerer Stunden, alſo in derſelben Zeit, wie Saturn, um ſeine Axe drehe. Schröter aber behauptete, daß dieſe lichten Punkte ihre Stellung gegen den Mittelpunkt Saturns gar nicht ändern, und daß daher der Ring nicht rotiren könne. Er ſah nämlich auf der weſtlichen Anſe einen, und auf der öſtlichen zwei ausgezeichnete Punkte immer in derſelben unver - rückten Lage, und um keinen Zweifel übrig zu laſſen, beobachtete149Saturn und ſein Ring.er dieſe lichten Punkte eine ganze Winternacht, durch mehr als acht Stunden, immer in derſelben Stellung gegen den Planeten, da doch die Ringe während dieſer Zeit, nach Herſchel, beinahe eine ganze Rotation gemacht haben müßten. Dieſe ausgezeichneten Punkte, die er als die oben erwähnten ungemein hohen Berge zu erkennen glaubte, waren auf der ſpäter ſichtbar gewordenen ſüdlichen Seite des Ringes gerade auf demſelben Orte, wie früher auf der Nordſeite, wieder zu ſehen, und er ſchloß daraus, daß auf dem Ringe Saturns dieſe hohen Berge, wie zwei an ihrer Baſis ver - einigte Kegel, einander gegenüberſtehen.

So viel aber auch dieſe Beobachtungen für ſich zu haben ſchienen, und ſo groß das Vertrauen war, das man mit Recht in die ſeltene Geſchicklichkeit und die trefflichen Mittel, die dem Lilienthaler Beobachter zu Gebote ſtanden, ſetzte, ſo konnten die Aſtronomen ein ſolches Reſultat doch nicht wohl annehmen. Nach theoretiſchen Gründen muß der Ring um ſeinen Planeten rotiren, weil ſonſt, bei der kleinſten Veränderung deſſelben, die Schwer - punkte der Ringe und des Planeten nicht mehr zuſammenfallen und die Ringe unausbleiblich auf den Planeten ſtürzen würden. Der einfache Zuſammenhang der Elemente, aus welchen dieſe Ringe beſtehen, würde die Erhaltung deſſelben nicht ſichern, weil dann die dem Planeten nähern Elemente, durch die immer wieder - holte Anziehung des letztern, ſich am Ende von den Ringen getrennt haben würden. Dieſe Ringe müſſen ſich alſo ohne eine fremde Kraft, bloß nach dem Geſetze des Gleichgewichts, frei ſchwebend erhalten, aber dieß kann nur geſchehen, wenn ſie um eine Axe rotiren, die auf ihrer Ebene ſenkrecht ſteht und durch den Mittel - punkt Saturns geht, ſo daß auf dieſe Weiſe ihre Schwere gegen den Planeten durch die Centrifugalkraft ihrer Umdrehung aufge - hoben oder im Gleichgewichte erhalten wird. Die Theorie zeigt, daß eine durch dieſe Rotationsaxe auf die Fläche des Ringes ſenkrechte Ebene dieſen Ring in einer Ellipſe ſchneiden muß, deren große Axe verlängert durch den Mittelpunkt des Planeten geht, und daß dann die Dauer der Rotation des Ringes ſehr nahe die - ſelbe mit der Revolution eines Satelliten ſeyn wird, der ſich in der Entfernung des Mittelpunkts jener Ellipſe um Saturn bewegt. 150Saturn und ſein Ring.Dieſe Revolution iſt aber gleich 10⅖ Stunden, und nahe ſo groß hat auch Herſchel, durch ſeine Beobachtungen, die Rotation des Ringes gefunden. Die erwähnte Ellipſe kann ſelbſt für verſchiedene Theile des Ringes veränderlich, alſo der Ring ſelbſt von ungleicher Dicke ſeyn, und die Beobachtungen der Verſchwindung des Ringes ſcheint dieſe Ungleichheiten deutlich anzuzeigen, die vielleicht ſelbſt nothwendig ſind, das Gleichgewicht des Ringes zu ſichern, denn wenn er in allen ſeinen Theilen völlig ſymmetriſch gebaut wäre, ſo könnte ſchon die geringſte äußere Kraft, wie z. B. die eines Satelliten, hinreichen, ihn zu verrücken und ihn auf den Planeten zu ſtürzen. Demnach kann man dieſen Ring als eine kreisförmige Reihe von aneinander hängenden Satelliten von ungleicher Größe als eine Krone von Monden anſehen, die durch die Wirkung der Sonne und durch die Störungen der ſieben Monde, die den Saturn umgeben, kleineren oder größeren Oſcillationen unterworfen iſt, aber doch im Allgemeinen immer dieſelbe mittlere Lage ſeiner Ebene beibehält.

§. 114. (Erklärung dieſer Widerſprüche.) Da ſonach, der Theorie und den Beobachtungen Herſchels zufolge, der Ring in der That um ſeinen Planeten rotirt, ſo mußte die Beobachtung Schröters, oder die von ihm daraus gezogene Folgerung, fehler - haft ſeyn. Olbers war der erſte, der uns zeigte, daß die Er - ſcheinung, die Schröter in Lilienthal ſo oft geſehen hatte, ihren Grund nicht in den vermeinten Bergen des Ringes, ſondern in der Erleuchtung derſelben durch die Sonne habe.

Seyen fh, g k .. (Fig. 8) die Geſichtslinien, unter welchen man von der Erde aus die Fläche der Ringe ſieht. Offenbar werden dann diejenigen Geſichtslinien unter allen die hellſten ſcheinen, von welchen der größte Theil in der That durch die beiden Ringflächen geht, weil dieſe allein, nicht aber die zwiſchen ihnen und der Kugel enthaltenen leeren Räume das Licht zurückwerfen. Betrachten wir mehrere dieſer mit fh parallelen Linien, ſo wird zuerſt die zunächſt an dem Rande der Kugel, durch n, gehende Linie die beiden Ringflächen in vier Theile ſchneiden, deren Summe aber immer größer werden wird, je weiter die Geſichtslinie von n151Saturn und ſein Ring.nach fh rückt und in fh ſelbſt wird dieſe Summe am größten ſeyn, alſo auch hier der Ring am hellſten erſcheinen. Von fh weiter gegen g k wird dieſe Summe abnehmen, und nahe bei g k am kleinſten ſeyn, von wo ſie wieder wachſen und in g k ſelbſt neuerdings einen größten Werth erhalten wird, wo alſo der Ring neuerdings am hellſten, aber nicht ganz ſo hell wie in fh, er - ſcheinen wird, weil die Summe der beleuchteten Theile der Geſichts - linie in g k offenbar kleiner, als in fh iſt. Je weiter dann dieſe Geſichtslinien von g k oder von dem Mittelpunkte a des Saturn noch wegrücken, deſto kleiner wird dieſer beleuchtete Theil derſelben, bis er endlich an dem äußerſten Rande o des Ringes gänzlich verſchwindet.

Es werden ſich daher, die Ringe mögen rotiren oder nicht, und ſie mögen in der Geſtalt der breiteſten Ellipſe oder auch in der einer geraden Linie erſcheinen, immer zwei Lichtknoten auf jeder Seite der Kugel zeigen, von welchen der hellere in der Rich - tung von fh und der minder helle in der von g k ſeyn wird, und in dieſen Stellen hat auch Schröter in der That ſeine vermeinten Berge beobachtet, während Herſchel, mit ſeinen noch beſſern Fern - röhren, wahre Erhöhungen auf der Oberfläche des Ringes auf - gefunden und dadurch die Rotation derſelben der Wahrheit gemäß beſtimmt hat.

§. 115. (Anblick des Ringes von Saturn geſehen.) Die Freunde des geſtirnten Himmels, wie er uns von der Erde er - ſcheint, werden ihn ohne Zweifel für die Bewohner Saturns noch viel ſchöner denken. Wenn der ſanfte Schimmer des Mondes, der unſere Nächte ſo lieblich beleuchtet, den Beſchauer ſchon zu erhabenen Betrachtungen bewegt, welche Genüſſe würde er dort erwarten, wo der Sternehimmel nicht minder reich an Schön - heiten aller Art iſt, und wo noch überdieß ſieben Monde das Dunkel der Nacht erhellen, und wo ein großer Ring, der ſich wie ein breites Strahlenband um den ganzen Himmel ſchwingt, in immer abwechſelnden Stellungen die Aufmerkſamkeit des ſtaunenden Beob - achters an ſich zieht.

152Saturn und ſein Ring.One Moon to us reflects its cheerful light: There seven attendants brighten up the night, Here the blue firmament bedecked with stars; There over head a lucid arch appears. (Barker. )

Aber ich beſorge ſehr, daß unſere Dichter, wenn ſie auf dieſen Planeten verſetzt werden ſollten, ſich ſehr bald wieder zu uns zurückwünſchen würden. So ſehr ſie auch ihre nächtliche Lampe lieben mögen, die kleine Sonne, wie ſie dort erſcheint, und die matte Beleuchtung derſelben, die den hellſten Mittag Saturns nur unſerer tiefſten Dämmerung gleich macht, würden ihnen wohl wenig behagen. Der äußerſt ſchnelle Wechſel des Tages mit der Nacht, und der Unterſchied dieſer beiden Zeiten, der dort viel größer iſt, als bei uns, und endlich die vier ſtreng von einander geſonderten Jahreszeiten, deren jede unſerer Jahre, alſo dreißig mal länger, als bei uns, dauert, alle dieſe Verhältniſſe würden, wenigſtens auf unſere vegetabile und animaliſche Welt und auf unſer Wohlbefinden ohne Zweifel einen ſehr ungünſtigen Einfluß äußern, beſonders wenn wir die von dem Aequator Saturns ent - ferntern Gegenden bewohnen müßten, da bei weitem der größte Theil einer jeden Hemiſphäre dieſes Planeten, zur Zeit ſeines Winters, durch volle vierzehn unſerer Jahre in der Finſterniß der Nacht begraben bleibt.

Die Schönheit, welche uns der Anblick jenes Ringes gewähren und der Nutzen, den wir von ihm ziehen könnten, würde uns wohl nur wenig Erſatz für den Verluſt der andern Güter geben, an die wir auf unſerer Erde ſo ſehr gewohnt, die uns hier ſo un - entbehrlich geworden ſind.

Da die Ebene dieſes Ringes mit der des Aequators des Planeten zuſammenfällt, ſo geht er für die Bewobner dieſes Aequa - tors, für die heiße Zone, wenn ſie dort anders noch dieſen Namen verdient, ganz verloren, denn er ſchwebt für dieſe Bewohner immer in ihrem Scheitel, und ſie ſehen ihn nie der breiten Fläche, ſondern bloß der Kante nach, der inneren Kante, die von der Sonne nie beleuchtet wird. Für ſie zieht er ſich alſo nur als eine dunkle153Saturn und ſein Ring.Zone von etwa einem Grad Breite über den ganzen Himmel, und weit entfernt, ihnen zu leuchten, verdeckt er vielmehr alle Fixſterne, vor denen er ſich aufſtellt, und ſelbſt jene ſieben Monde des Saturn, die ſich, wie wir weiter unten ſehen werden, in der Ebene dieſes Ringes bewegen und daher für die Tropenländer Saturns von dem Ringe bedeckt und unſichtbar gemacht werden.

Wenn aber ſo die Bewohner des Aequators keine Urſache haben, ſich dieſes Ringes zu erfreuen, ſo ſind die den Polen näheren Bewohner Saturns noch viel weniger in einem Zuſtande, der ſie für uns beneidenswerth machen könnte. Die Einwohner der kalten Zonen, die von den beiden Polen bis zu 24 Graden abwärts wohnen, und ihn, ihrer fünfzehnjährigen Nächte wegen, noch am beſten brauchen könnten, ſehen ihn gar nicht, für ſie iſt der Ring gar nicht da, weil er dem Planeten zu nahe ſteht und daher immer unter dem Horizonte jener Polarländer ſich auf - halten muß. Erſt diejenigen, die wenigſtens 35 Grade von jedem der beiden Pole entfernt ſind, erblicken den Ring in ſeiner ganzen Breite von nahe zwölf Graden, aber ſie werden wenig Nutzen da - von ziehen können, da ſie ihn nur ganz nahe an ihrer Erde, oder da ſie ihn nur an ihrem Horizonte ſehen. Die noch näher an dem Aequator Wohnenden ſehen ihn wohl höher, da er ſich für ſie immer mehr über den Horizont erhebt, aber ſie ſehen ihn auch zugleich immer ſchmäler, bis endlich die Bewohner des Aequators ſelbſt, wie bereits geſagt, nur mehr ſeine ſchmale, innere, von der Sonne nie beleuchtete Kante, d. h. bis dieſe ihn gar nicht mehr ſehen können.

Alſo nur diejenigen Bewohner Saturns, welche von dem Aequator, zu beiden Seiten deſſelben, bis 55 Grade entfernt ſind, genießen den Anblick des Ringes, für ſie ſteht er, wie eine lichte Zone, wie ein Feuerbogen, am Himmel, und zwar für die dem Aequator näheren Länder hoch und ſchmal, für die entfernteren aber immer breiter und zugleich tiefer an dem Horizonte. Dieſe allein könnte man alſo noch für die Begünſtigten halten; allein auch dieſe Gunſt iſt nicht ſo groß, wie ſie vielleicht auf den erſten Blick erſcheinen mag. Von den zwei breiten Flächen des Ringes iſt immer nur eine beleuchtet, und dieſe beleuchtete Seite kann154Saturn und ſein Ring.nur von derjenigen Hemiſphäre des Planeten geſehen werden, welche eben gegen ſie gewendet iſt. Allein eben dieſe Hemiſphäre iſt auch zugleich die gegen die Sonne gewendete, die eben ihren Sommer feiernde Hälfte Saturns; dieſe könnte aber, da ſie ohnehin im Sonnenlichte ſchwimmt, dieſe Beleuchtung des Ringes noch am beſten entrathen, während die andere, winterliche Hälfte, die jene Beleuchtung ihrer langen Nächte am meiſten brauchte, ſie gänzlich entbehren muß. Dazu kommt noch, daß dieſe vordere, der Sonne zugewendete Hälfte Saturns den beleuchteten Ring nur während ihres Tages ſieht, wo ihr ohnehin die Sonne ſcheint, während bei Nacht, wo eigentlich die beleuchtete Seite des Ringes den Mangel des Sonnenlichtes erſetzen ſollte, Saturn ſeinen eigenen Schatten auf den Ring wirft und ihn, in einer Art von Mondesfinſterniß (I. S. 333) wieder unſichtbar macht, während die ganze andere Hälfte Saturns, die eben Winter und ihre lange Nacht hat, gegen die unbeleuchtete Seite des Ringes gewendet iſt und dieſen daher gar nicht ſieht, vielmehr es ſich noch gefallen laſſen muß, daß ihr durch ihn die Sterne und ſelbſt die Sonne, wo ſie ohne Ring noch ſichtbar ſeyn könnte, verdeckt, und ſo ganze Jahre dauernde und über große Zonen ſich erſtreckende Sonnenfinſterniſſe erzeugt werden.

Aber wenn nun die Bewohner Saturns ſich an dieſem Ringe, nach unſeren Anſichten, nicht ſehr ergötzen können, ſo werden viel - leicht die Einwohner des Ringes ſelbſt, wenn es deren gibt, einen deſto angenehmeren Aufenthalt haben? Unſere Leſer werden dieß leicht ſelbſt beurtheilen können, wenn ſie ſich aus dem Vor - hergehenden erinnern, daß jede der beiden breiten Seiten dieſes Ringes abwechſelnd durch fünfzehn unſerer Jahre immerwährend Tag und eben ſo lange Nacht haben.

So unwirthlich aber auch dieſer Planet ſowohl, als auch ſein Ring, für Geſchöpfe unſerer Art ſcheint, ſo unangemeſſen mag es auch ſeyn, von dem, was uns ſchicklich oder unſchicklich iſt, ſofort denſelben Schluß auch auf andere Himmelskörper und auf andere Geſchöpfe anzuwenden, deren Einrichtung und Organi - ſation durchaus von der unſeren verſchieden iſt, ſo daß, was uns nur Abſcheu und Entſetzen, und vielleicht ſelbſt einen ſchnellen155Saturn und ſein Ring.Untergang verurſachen würde, für jene ein erhabenes und ſelbſt wohlthätiges Schauſpiel ſeyn mag, durch welches ihnen die Güte und die Allmacht des Schöpfers nicht minder geoffenbart wird, als es mit den Bewohnern der Erde durch diejenigen Erſchei - nungen des Himmels geſchieht, in welchen wir die Größe und die Wohlthätigkeit des Urhebers der Natur ſo oft zu bewundern Ge - legenheit haben.

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Kapitel VIII. Uranus.

§. 116. (Entfernung und Umlaufszeit des Uranus.) In einer Entfernung von der Sonne, die beinahe doppelt ſo groß iſt, als die des Saturn, wandelt Uranus, der äußerſte Planet unſeres Sonnenſyſtems, ſeine große, einſame Bahn

He walks his frontier round The boundary of worlds. (Mallet. )

Seine mittlere Entfernung von der Sonne beträgt 400 Mil - lionen Meilen. Ein ſchnell ſegelndes Schiff, das in jeder Stunde 4 Meilen zurücklegt, würde dieſe Diſtanz erſt in 11400 Jahren und der Schall, der in jeder Stunde 163 Meilen macht, in 280 Jah - ren erreichen, wozu das Licht mit ſeiner ungeheuern Geſchwindig - keit nur 2 St. 39 M. braucht.

Da ſeine Bahn, deren Umfang 2425 Millionen Meilen be - trägt, mehr kreisförmig iſt, ſo kann er ſich der Sonne im Peri - helium nur auf 382 Millionen Meilen nähern und im Aphelium 419 Mill. Meilen von ihr entfernen. Von der Erde ſteht er zur Zeit der Oppoſition 348 und in der Conjunction 424 Mill. Meilen ab, wo er dort unter dem ſcheinbaren Durchmeſſer von 4 3 / 10 und hier unter den Winkel von Secunden nahe als ein Stern der ſechsten Größe erſcheint, daher man ihn auch mit einem157Uranus.guten, unbewaffneten Auge noch erkennen kann. Sein wahrer Durchmeſſer beträgt nahe 7500 Meilen.

§. 117. (Entdeckung und frühere Beobachtungen dieſes Plane - ten.) Dieſer Planet wurde am 13. März 1781 von Herſchel zu Both bei London mit einem von ihm ſelbſt verfertigten ſiebenfü - ßigen Teleſcope entdeckt und an ſeiner bemerkbaren Scheibe (die Fixſterne erſcheinen nur als untheilbare Punkte), und ſeiner Be - wegung unter den Sternen ſofort als ein Planet erkannt. Da er ſich ſo langſam bewegt, daß er ſeinen Umlauf um die Sonne erſt in 30687 Tagen oder in nahe 84 Jahren vollendet, ſo würde es lange gedauert haben, bis er einen ſo beträchtlichen Theil ſeiner Bahn zurück gelegt hätte, um daraus die Elemente derſelben mit Sicherheit abzuleiten. Allein Bode hatte bald darauf einen in den Sternverzeichniſſen Flowſtead’s und T. Mayer’s gefunden, daß dieſe beiden Aſtronomen den neuen Planeten bereits früher, jener i. J. 1690 und dieſer 1756, beobachtet hatten, ihn aber nur für einen der vielen Fixſterne hielten, da ſie auf ſeine Bewegung nicht aufmerkſam genug waren. Bald darauf wurden noch meh - rere andere ähnliche, ältere Beobachtungen deſſelben aufgefunden, und dadurch wurde man in die Lage geſetzt, die Elemente dieſes Planeten ſchon mit einer großen Genauigkeit zu einer Zeit zu be - ſtimmen, wo er ſeit ſeiner Entdeckung kaum den dritten Theil ſei - ner Bahn durchlaufen hatte.

§. 118. (Größe und Maſſe des Uranus.) Aus dem bereits erwähnten Durchmeſſer dieſes Planeten von 7500 Meilen folgt, daß ſeine Oberfläche die der Erde nahe 18 mal und ſein Volum das der Erde 76 mal übertrifft. Die Maſſe deſſelben iſt 17 mal größer als die Erdmaſſe, und die Dichtigkeit derſelben iſt nur der fünfte Theil der Dichte der Erdmaſſe, alſo nahe ſo groß, wie die Dichte unſeres Waſſers. Der Weg, welchen die Körper auf ſeiner Oberfläche in der erſten Secunde ihres Falles zurücklegen, beträgt 14½ Fuß, alſo nur einen halben Fuß weniger, als auf der Erde. Er ſelbſt aber legt, auf ſeinem Wege um die Sonne, in jeder Secunde nahe eine deutſche Meile zurück, ſo daß die Geſchwin - digkeit dieſes langſamſten aller Planeten nahe fünf mal kleiner iſt, als die der Erde. Die Sonne erſcheint auf dieſem Planeten158Uranus.nur mehr unter einem Durchmeſſer von 100 Secunden, nicht ganz noch einmal ſo groß, als uns die Venus, oder 19 mal kleiner, als die Sonne uns erſcheint, und in der Oberfläche 360 mal kleiner, daher auch im Allgemeinen die Beleuchtung, welche Uranus von der Sonne erhält, 360 mal kleiner, als die Beleuchtung der Erde ſeyn wird, ſo daß alſo ſeine hellſten Mittage kaum unſerer ſternhellen Mitternacht gleichen mögen.

Da dieſer Planet ſo ungemein weit von uns entfernt iſt, ſo wiſſen wir von ſeiner Oberfläche wenig mehr, als daß ſie uns wie eine kleine, runde, matt aber durchaus gleichförmig beleuchtete Scheibe erſcheint. Streifen und Flecken können wir auf dieſer Fläche nicht mehr erkennen, alſo auch die Rotation dieſes Plane - ten nicht beſtimmen. Doch kann ſie ihm nicht wohl mangeln, ja ſeine Umdrehung ſcheint ſogar ſehr ſchnell zu ſeyn, da der ältere Herſchel mit ſeinen ſtarken Teleſcopen eine bedeutende Abplattung an zwei einander gegenüberſtehenden Punkten ſeines Umfangs be - merkt hat.

§. 119. (Satelliten des Uranus.) Derſelbe vortreffliche Beobach - ter hat auch ſechs Monde entdeckt, die ſich um dieſen Planeten be - wegen. Allein ſie ſind bisher nur von Herſchel ſelbſt geſehen wor - den, da die Fernröhre aller andern Aſtronomen zu ſchwach ſind, dieſe matten Lichtpünktchen erkennen zu laſſen. Selbſt der jüngere Herſchel hat, mit den Teleſcopen ſeines Vaters, nur zwei dieſer ſechs Satelliten des Uranus wieder zu ſeinem Geſichte bringen können. Ueberhaupt gehören dieſe Monde und die zwei innerſten des Saturn zu den lichtſchwächſten und am ſchwerſten zu ſehenden Gegenſtänden des Himmels, und es wird vielleicht noch lange dauern, bis wir ſie mit unſern dioptriſchen Fernröhren ohne An - ſtand ſehen werden, da dieſe in Beziehung auf die Oeffnung ihrer Objective und alſo auf die Lichtſtärke der durch ſie geſehenen Gegenſtände doch noch immer zu ſehr hinter den großen Spie - geln der katoptriſchen Fernröhre, wie ſie Herſchel vorzugsweiſe ge - braucht hat, zurück ſtehen. Demungeachtet ſcheinen dieſe Uranus - monde eine beträchtliche Größe zu haben, weil ſie ſonſt auch nicht einmal Herſchel hätte ſehen können. Unſer Mond, in jene Ent - fernung verſetzt, würde uns nur mehr unter einem Durchmeſſer159Uranus.von ¼ Secunde erſcheinen, und da ſein Licht 360 mal ſchwächer ſeyn würde, ſo würden wir, auch mit unſern beſten Fernröhren, keine Spur mehr von ihm entdecken können.

§. 120. (Tages - und Jahreszeiten des Uranus.) Es iſt be - reits oben (I. S. 340) bemerkt worden, daß die Bahnen dieſer ſechs Uranusmonde auf der Uranusbahn, die ſehr nahe mit unſerer Ecliptik zuſammen fällt, beinahe ſenkrecht ſtehen. Da wir nun bisher bei allen Planeten die Satelliten derſelben ſich in der Ebene des Aequators ihres Planeten bewegen ſehen, und da dieß auch mit der Theorie der Entſtehung dieſer Satelliten übereinſtimmt, ſo werden wir mit der größten Wahrſcheinlichkeit auch annehmen müſſen, daß der Aequator des Uranus nahe ſenkrecht auf ſeiner Bahn ſteht, oder daß die Schiefe der Ecliptik bei dieſem Pla - neten nahe 90 Grade beträgt. Wir haben aber bereits oben (I. §. 91) gezeigt, welche Folgen eine ſolche Einrichtung auf die Klimate und Jahreszeiten eines Planeten nach ſich ziehen muß. Der Unterſchied der Klimate wird nämlich auf Uranus beinahe ganz aufgehoben ſeyn, das heißt, es wird in Beziehung auf den Rand der Sonne in verſchiedenen Theilen des Jahres einerlei ſeyn, ob das Land nahe bei dem Aequator oder nahe bei den Po - len liegt, da jeder Punkt der Oberfläche dieſes Planeten, ſelbſt die beiden Pole nicht ausgenommen, im Laufe des Jahres die Sonne zweimal in ſeinem Zenithe ſieht. Im Anfange des Frühlings und des Herbſtes ſteht nämlich die Sonne in dem Scheitel derjenigen, die den Aequator bewohnen, während ſie den beiden Polen nur in ihrem Horizonte erſcheint, und während überall, auf der ganzen Oberfläche des Uranus, Tag und Nacht einander gleich iſt. Allein nur kurze Zeit nach dieſer Epoche werden ſelbſt diejenigen, die in der Nähe des Aequators wohnen, ſchon einen bedeutenden Unterſchied in der Länge ihrer Tage und Nächte bemerken und im Anfange des Sommers oder des Winters wird der nördliche oder der ſüd - liche Pol die Sonne in ſeinem Zenithe ſehen und die dieſen Polen zunächſt liegenden Länder werden 42 unſerer Jahre immerwährend Tag, und eben ſo lange wieder Nacht haben. Durch dieſe Ein - richtung wird alſo auch der Unterſchied der vier Jahreszeiten der größtmögliche ſeyn, oder mit andern Worten, ſo wenig es, in160Uranus.Beziehung auf Temperatur, Beleuchtung, auf Vegetation u. f. darauf ankommen wird, ob man nahe bei dem Aequator oder nahe bei dem Pole wohnt, ſo viel wird darauf ankommen, ob der Süd - oder Nordländer auf jenem Planeten eben Frühling oder Sommer u. ſ. w. hat, da dort die Jahreszeiten, wegen der großen Schiefe der Ecliptik, viel mehr von einander verſchieden und viel ſchroffer von einander abgeſondert ſeyn müſſen, als bei uns.

§. 121. (Bewohner des Uranus und der Planeten überhaupt.) Welcher Art die Bewohner eines Planeten ſeyn mögen, die ihre Sonne 360 mal kleiner ſehen, als wir, die ſelbſt im Mittage noch, mit unſern Augen betrachtet, im Finſtern tappen, ſich die grellſten Abwechslungen der Jahreszeiten und vor allen eine Kälte gefallen laſſen müſſen, die, auf unſerer Erde, allem Leben ein plötzliches Ende bereiten würde, dieß mögen unſere Leſer ſelbſt unterſuchen, wo ſie dann auch vielleicht die Mittel finden werden, mit welchen ſich die Leute im Uranus die Langeweile ihrer zwei und vierzig unſerer Jahre dauernden Nächte vertreiben.

Es iſt ohne Zweifel Unrecht, die Zufriedenheit und das Wohl - ſeyn der Bewohner anderer Welten nach unſeren Bedürfniſſen ab - zumeſſen und ſie ſofort ſchon für unglücklich zu achten, weil wir uns, an ihre Stelle verſetzt, nicht glücklich finden würden. Indeß ſind wir gezwungen, wenn wir von ihnen reden wollen, ſie mit unſerem eigenen Maaßſtabe zu meſſen, und ohne über ihr Schickſal abſprechen zu wollen, nur dasjenige zu betrachten, was uns in den Verhältniſſen treffen würde, denen ſie ausgeſetzt ſind, und die ſie, mit einer andern Organiſation und mit ganz anderen Einrichtun - gen verſehen, auch wohl mit ganz anderen Augen anſehen werden. Es hat aber auch nicht an Anderen gefehlt, und unter ihnen haben ſich ſelbſt berühmte Aſtronomen gefunden, die ſich dieſen Specula - tionen mit einer Art von Vorliebe hingegeben haben und ſich nicht damit begnügten, zu ſehen, welchen Einfluß eine andere Ein - richtung der Jahreszeiten, der Temperatur und Beleuchtung bei fremden Weltkörpern auf die Bewohner derſelben, wenn ſie im Allgemeinen uns ähnlich wären, hervor bringen würde, ſondern die die Spiele ihrer Einbildungskraft oder ihre ſchwärmeriſchen Träume auch noch auf die übrigen körperlichen und geiſtigen Ei -161Uranus.genſchaften der Bewohner jener Planeten fortſetzten, und es mag uns, zum Schluſſe dieſes Gegenſtandes erlaubt ſeyn, einige dieſer Phantaſien zur Erheiterung der Leſer hier anzuführen.

§. 122. (Wahrſcheinlichkeit, daß die Planeten bewohnt ſind.) Zuerſt aber wollen wir bemerken, daß es allerdings ſehr wahr - ſcheinlich iſt, daß auch jene Weltkörper mit Geſchöpfen aller Art bedeckt ſind und daß auch dort zahlloſe organiſche Weſen ſich ihres Lebens erfreuen. Auf unſerer Erde finden wir jedes Sand - korn, jeden Waſſertropfen belebt wie ſollten ſo unermeßliche Kugeln, wie Jupiter, ohne Bewohner ſeyn! Auf unſerer Erde fin - den wir ferner, nicht bloß bei den Thieren, wo die Abſtufungen unendlich ſind, ſondern ſelbſt bei den Menſchen, welche die ver - ſchiedenen Gegenden der Erde bewohnen, bei dem Lappländer und dem Neger, ſo große Unterſchiede wie ſollte ſie bei den Be - wohnern des Merkurs und des Uranus nicht noch viel größer ſeyn! Und warum ſollte es einer lebhaften Einbildungskraft nicht gegönnt ſeyn, dieſe Unterſchiede aufzuſuchen und ſie denjenigen Verhältniſſen, die wir von jenen Planeten kennen, ſo gut wir nun eben können, anzupaſſen? Vorausgeſetzt, daß man bei den allge - meinen Beſtimmungen ſtehen bleibt, ohne ſich in das Detail der geiſtigen oder körperlichen Vorzüge einzulaſſen, die jene uns gänz - lich unbekannten Geſchöpfe vor uns haben mögen.

§. 123. (Huygens Meinungen über die Bewohner der Plane - ten.) Dieß hat Huygens in ſeinem bekannten Cosmotheoros, wenigſtens in dem erſten Theile deſſelben, gethan und er hat darin an dem Cardinal Cuſa, an dem unglücklichen Bruno und ſelbſt an Kepler, in ſeinem Somnium astronomicum, ſchon Vorgän - ger gehabt, deſſen Fußſtapfen er nur verfolgen und weiter aus - bilden durfte. So meint Huygens, daß auf allen dieſen Welten, ſo verſchieden ſie auch von unſerer Erde ſeyn mögen, doch immer Waſſer zu finden ſeyn muß, weil ohne dieſes weder vegetabili - ſches, noch animaliſches Leben gedacht werden kann, ein anderes Waſſer übrigens, als das unſere, da dieſes im Saturn gewiß nur als Eis vorhanden ſeyn könnte, und da es im Merkur ſchon längſt in Dampf verwandelt ſeyn würde. Wo aber eine ſolche Flüſſig - keit iſt, da müſſen ſich auch, wie er glaubt, Pflanzen finden, dieLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 11162Uranus.eben ſo wachſen, wie bei uns, indem ſie mit ihren Wurzeln die Flüſſigkeit des Bodens und mit ihren Blättern die der Luft ein - ſaugen und verarbeiten. Wo aber Pflanzen ſind, werden auch Thiere ſeyn, die ſich von dieſen Pflanzen nähren, und die da eben ſo wachſen und ſich fortpflanzen, wie bei uns. Wo Waſſer iſt, muß ferner auch eine Atmoſphäre ſeyn, weil jenes ohne die letzte ſchnell verdunſten und alle Meere und Flüſſe austrocknen würden. Dieſe Atmoſphäre iſt aber vielleicht bei manchen Planeten gar ſehr von der unſern verſchieden und ſie iſt etwa bei Jupiter ſo dicht, daß wir in derſelben, wie in unſerem Waſſer, ſchon ſchwimmen könn - ten, daher die großen Streifen und die ſoliden Wolken, die wir auf der Oberfläche dieſes Planeten bemerken. Mit dieſem allem noch nicht zufrieden, läßt Huygens dieſe Welten nun auch von vernünftigen Geſchöpfen bewohnt ſeyn, damit es auch dort Weſen gebe, die über die Wunder des Himmels nachdenken und die Größe des Schöpfers in ſeinen Werken verkündigen können. Denn wozu ſollte der Menſch, dieſes nimmer ruhende Urſachenthier, wie es Lichtenberg nennt, hierher verſetzt worden ſeyn, oder warum ſollte dieſe kleine Erde jenen größten aller Vorzüge allein beſitzen? Auch ſoll kein Zweifel ſeyn, daß der Verſtand jener Leute ganz derſelbe mit dem unſern iſt, und daß, was hier als wahr, als gerecht, als gut erkannt wird, auch dort dafür erkannt werde, ſo wie, daß ſie ganz dieſelben Sinne haben, wie wir. Denn, wenn ſie nun z. B. keine Augen hätten, wie ſollten ſie ihr Futter ſuchen, ihre Freunde er - kennen, ihre Feinde fliehen, und warum ſollte denn die Sonne über ihnen ſcheinen, wenn ſie ſie doch nicht ſehen können und wenn ſie bloß unter der Erde, wie unſere Maulwürfe und Regenwürmer ſich aufhalten? Er wendet ſich ſelbſt ein, daß es vielleicht auf manchen dieſer Planeten mehrere Gattungen vernünftiger Weſen geben könne, allein er findet bald, daß dieß der Weisheit der Na - tur nicht gemäß wäre, weil dieſe vernünftigen Thiere verſchiedener Art ſich durchaus nicht vertragen und ſehr bald einander aufreiben würden. Da ich es nicht wage, dieſe ſonderbare Lobrede auf die Vernunft hier umſtändlich wieder zu geben, ſo mag es hinreichen, nur den Grund dieſer Unverträglichkeit mit den eigenen Worten des Verfaſſers anzuführen: quia nempe, si plura forent eadem163Uranus.ingenii sagacitate, nocere deberent sibi invicem ac de pos - sessionibus et imperio inter se contendere, quod eheu nunc quoque faciunt nimis frequenter, licet unius generis sint, qui in Terra hac dominantur. Demungeachtet nimmt er keinen Anſtand, Gelehrte aller Art dort in Menge wachſen zu laſſen, be - ſonders aber Aſtronomen, an denen es dort durchaus nicht fehlen darf. Dadurch will er aber andere Gattungen, die er wenigſtens für eben ſo nothwendig hält, nicht ausgeſchloſſen haben. So be - hauptet er, daß die Menſchen nur deßhalb nackt zur Welt kommen, damit ſie, von der Noth getrieben, Gelegenheit bekommen, ihre geiſtigen Kräfte immer mehr zu entwickeln und ſelbſt für ihre Kleidung zu ſorgen, was die übrigen Thiere nicht nöthig haben, woraus er dann den Schluß zieht, daß es auch in jenen Welten eben ſo wenig an großen Gelehrten, als an geſchickten Schneidern fehlen kann, und daß überhaupt alle, ſo wie wir, geſellſchaftlich zuſammen leben, ſich des gegenſeitigen Geſprächs erfreuen, zuweilen auch, der Abwechslung wegen, einander plagen und die Ruhe ih - res Lebens vergiften, oder ſich in ihren Schlachten zu Tauſenden morden mögen und was dergleichen löbliche Unterhaltungen mehr ſind. Ob dieſe vernünftigen Weſen aber auch das Fleiſch der übrigen unvernünftigen Thiere eſſen, oder ob ſie, den Lehren ihrer Pythagoras gehorchend, bloß von Pflanzen leben, wagt er nicht zu entſcheiden, doch geht ſeine Meinung dahin, daß es vielleicht nur die ausſchließende Beſtimmung der Menſchen iſt, ut multorum aliorum pernicie et caede vivere debeant. Auch wegen der Statur dieſer vernünftigen Geſchöpfe iſt er in einiger Verlegenheit. Er weiß wohl, daß ſeine Vorgänger auf dieſem Felde die Be - wohner der Planeten im Verhältniſſe dieſer ihrer Wohnorte an - genommen und z. B. behauptet haben, daß die Menſchen auf Jupiter und Saturn zehn - bis fünfzehnmal größer, als unſere Ele - phanten oder gar als unſere Wallfiſche ſeyn müßten. Aber dieſer Schluß ſcheint ihm doch viel zu gewagt, da die Natur nicht ein - mal die Größe dieſer Planeten ſelbſt nach ihrer Entfernung von der Sonne abgemeſſen hat. So iſt der entferntere Mars kleiner, als die nähere Venus, und eben ſo iſt Saturn kleiner als Jupiter und jener hat ſieben Monde und einen doppelten Ring, während11 *164Uranus.dieſer, der größte unter allen Planeten, ſich ſchon mit vier Mon - den ohne allen Ring begnügen muß. Andere meinten wieder, die Menſchen auf jenen Planeten müßten ſehr klein und nicht viel größer, als unſere Mäuſe ſeyn. Allein auch dieß kann er nicht gelten laſſen, und zwar aus dem völlig hinreichenden Grun - de, weil dann dieſe Mäuſe von Aſtronomen, deren Exiſtenz ſchon früher erwieſen worden iſt, die großen Inſtrumente nicht mehr gehörig handhaben und rectificiren könnten*)Deinde cum siderum scientias et observationes apud eos exerceri ostenderimus, sequitur, ut et corpora nacti sint lignis metallisque tractandis, inque instrumenta machi - nasque adoptandis idonea. At homunciones, muribus non majores, non possent siderum animadversiones in - stituere, nec instrumenta parare aut disponere etc. .

Man ſieht, wie unvollkommen dieß Alles iſt, und wie viel ſich dagegen ſagen läßt, aber auch, wie ſchwer es iſt, ſich auf die - ſem Felde ſolche exspatiationes ingenii, wie Kepler die ungere - gelten Ausflüge der Phantaſie genannt hat, mit Hoffnung auf eine nützliche Ausbeute zu erlauben. Es würde den Leſern lehrreicher und angenehmer zugleich geweſen ſeyn, wenn uns Huygens auch nur einen einzigen Sinn mehr, außer den bekannten fünf, ge - nannt hätte, mit welchen die Bewohner der anderen Planeten auch nur begabt ſeyn könnten. Und warum hat er ihn nicht genannt? Weil er nicht kann, und weil wir alle es ebenfalls nicht kön - nen. Wir würden nicht mehr Menſchen ſeyn, und die uns umge - bende Natur würde uns ganz anders erſcheinen, wenn uns einer unſerer fünf Sinne fehlte, oder wenn uns im Gegentheile noch ein Paar ſolcher Löcher, wie unſere Augen oder Ohren ſind, in die Haut geſchnitten worden wären und wir noch einen ſechsten Sinn erhalten hätten. Aber welcher Art ſoll dieſer Sinn ſeyn? Von einem Sinne kann man ſich doch nur wieder eine ſinnliche, keine tranſcendente Vorſtellung machen, und um dieß zu thun, muß man zuvor den Sinn ſelbſt haben. So wie aber der Blindgeborne Unrecht haben würde, die Unmöglichkeit des Sehens zu behaupten, eben ſo wenig dürfen auch wir an der Möglichkeit noch anderer Sinne zweifeln. Die Beſchaffenheit unſerer Erde ſcheint der Art,165Uranus.daß wir alle Genüſſe, die ſie uns, den Menſchen und den Thie - ren, anbietet, durch jene fünf Kanäle in uns aufnehmen können. Allein ein anderer Planet, eine andere Natur wird vielleicht auch andere Sinne vorausſetzen, und wir haben keinen Grund zu be - haupten, daß auf jedem Planeten nur die Erſcheinungen unſerer Erde immer wieder kommen werden.

Obſchon es alſo wohl am klügſten wäre, über dieſe Dinge, von welchen wir nichts wiſſen und nichts wiſſen können, auch wei - ter nichts zu ſprechen, ſo haben es, wie geſagt, doch mehrere ſchätz - bare Aſtronomen ſich erlaubt, einige ihrer Nebenſtunden einem Ausfluge in jene unbekannten Gegenden zu widmen, und ſo wird es auch uns gegönnt ſeyn, die Ausbeute, die jene von ihren Ex - curſionen zurück gebracht haben, etwas näher anzuſehen.

Auf dieſe Weiſe hat ſich alſo auch Huygens mit den bereits angeführten, allgemeinen Bemerkungen über jene Weltkörper nicht begnügt, ſondern er verſuchte es, auf jeden einzelnen derſel - ben herabzuſteigen und uns einige nähere Nachrichten von ihm mitzutheilen.

Auf dem Merkur, ſagt er, wo die Sonnenſcheibe ſiebenmal größer, als bei uns erſcheint, herrſcht eine ſo intenſive Hitze, daß alle unſere Pflanzen verdorren und wir ſelbſt in kurzer Zeit zu Grunde gehen müßten. Die Pflanzen und Thiere ſind daher dort ſo eingerichtet, daß ſie dieſe höhere Temperatur ſehr gut ertragen, und daß ſie ſich in einem Zuſtande wohl befinden können, den wir für das größte Unglück anſehen müßten. Die Bewohner dieſes Planeten glauben, daß wir vor Kälte ſchon längſt alle erſtarrt ſind, wie wir wohl daſſelbe von den Leuten im Uranus glauben, wäh - rend wir alle, jeder in ſeiner Welt, uns recht wohl befinden. Da aber, fährt Huygens weiter fort, mit der Wärme das Leben des Körpers ſowohl, als auch die Kraft und Lebhaftigkeit des Geiſtes ſo innig zuſammenhängt, ſo iſt nicht zu zweifeln, daß die Hermo - politen uns armen Erdbewohnern an geiſtigen Fähigkeiten weit überlegen ſind. Warum aber, fragt er ſich ſelbſt, warum gilt nicht daſſelbe auch von den Bewohnern Afrika’s oder Südamerika’s, die es doch auch viel heißer haben, als wir und die demungeachtet an Geiſteskraft den Europäern ſo weit nachſtehen? Dazu kömmt,166Uranus.daß wir, indem wir die Bewohner Merkurs durchaus für Genies erklären, die von Jupiter und Saturn aus demſelben Grunde für Dummköpfe erklären müßten, was ihm denn doch wieder leid thut, da dieſe Leute, bei ihren vielen Monden, eine ſo ſchöne Gelegenheit zu aſtronomiſcher Bildung haben, daher er denn auch die ganze Sache lieber auf ſich ſelbſt beruhen laſſen will. Dadurch von weiteren Verſu - chen dieſer Art abgehalten, wagt er es auch nicht, uns ſeine Mei - nungen von den Bewohnern der anderen Planeten mitzutheilen, ſondern er beſchränkt ſich bloß auf die Klimate und Jahreszeiten derſelben und auf den Anblick des Himmels, deſſen Verſchiedenhei - ten er für die einzelnen Standpunkte der Beobachter aufzählt.

§. 124. (Kircher’s Meinung von den Bewohnern der Planeten.) Nicht ſo vorſichtig benahm ſich Kircher in ſeinem bekannten Iter ecstaticum. Dieſer Jeſuit fingirt eine Reiſe, die er an der Hand eines Genius, von Planeten zu Planeten, gemacht hat, und erzählt uns, was ihm daſelbſt zu Geſichte gekommen ſeyn ſoll. Seine Phantaſie ſcheint lebhaft genug, aber nicht gehörig geregelt, noch durch hinlängliche Kenntniſſe unterſtützt geweſen zu ſeyn. Dabei ſetzt dieſer alte Gegner des Copernicus voraus, daß ſämmtliche Planeten unbewohnt ſeyen, und daß man auf ihnen nicht einmal Pflanzen und Bäume finde, wodurch er ſich ſelbſt alle Mittel zu artigen Erfindungen, um die es ſich hier allein handelte, abgeſchnitten hat. Den Einwurf, daß bei dieſer Vorausſetzung die Planeten ganz unnütz ſind und eben ſo gut völlig weg bleiben könnten, widerlegt er dadurch, daß er beweist, ſie ſeyen alle der Erde und zwar der aſtrologiſchen Einflüſſe wegen da, die ſie auf die Erde ausüben. Dieſem gemäß fand er auf der Venus alles gar lieblich und ſchön, wie es dem Wohnſitze der Liebesgöttin ziemt; ein ſanftes Roſenlicht war über den ganzen Planeten ausgegoſſen, Wohlgerüche dufteten rings umher, Zephire ſäuſelten in das Gemurmel der Bäche und ringsum glänzte alles von Gold und Edelſteinen. Auf dem Jupiter fand er die Luft äußerſt rein und geſund, das Waſſer ſpiegelhell und die Erde ſelbſt wie Silber glänzend. Wie konnte er auch anders, da, nach der Lehre der Aſtrologen, der Einfluß dieſer beiden Planeten auf die Menſchen durchaus nur der glücklichſte iſt, und da die von ihnen167Uranus.begünſtigten Leute bald durch Schönheit und Liebenswürdigkeit, bald durch männlichen Muth und hohen Verſtand ausgezeichnet werden. Auch im Merkur war es noch erträglich, nur ging es ihm daſelbſt zu lebhaft und queckſilberartig zu, aus Urſache, weil die in ſeinem Zeichen Geborenen mit Leichtſinn und ſchalkhaftem Weſen begabt zu ſeyn pflegen. Ganz anders war ſein Empfang auf dem Mars, dem rauhen Kriegsgotte, wo er alles fürchterlich und ab - ſchreckend ſah, wo große Ströme von flammendem Pech ſich über ihre Ufer ergoſſen und ganze Länder in dichten, erſtickenden Rauch hüllten. Noch ſchlechter aber war es auf Saturn, der ihm als ein weites, einſames, finſteres Grab erſchien, von dem nichts als Unheil zu erwarten war, daher er ſich denn auch ſo geſchwinde als möglich wieder von ihm zu entfernen ſuchte. Man weiß nämlich, wie übel die zwei letzten Planeten bei den Aſtrologen angeſchrieben waren, daher ſich auch hier nichts Gutes von ihnen ſagen ließ. Da dieſe kurzen Beſuche nicht hinreichten, unſern Reiſenden vollſtändig zu unterrichten, ſo wendet er ſich noch mit einigen nachträglichen Fra - gen an ſeinen Genius, der ihm dann erzählt, daß das Firmament keineswegs von Kryſtall ſey, wie Kircher mit vielen Andern bisher glaubte, ſondern daß es eine Art von Waſſer, ein großer Ocean wäre, in welchem die Sonne, die Planeten und die Fixſterne, wie Fiſche, herum ſchwimmen, daß aber die Bewegungen dieſer Fiſche von eigenen Genien geleitet würden, die denſelben mit einem Stabe ihre Bahn im Waſſer vorzeichnen, daß übrigens dieſes Waſſer, ſo wie das, welches die Bäche der Planeten bildet, kein gewöhnliches, ſondern ein ganz anders beſchaffenes Waſſer ſey, daher auch mit demſelben ein Jude oder Heide nicht gültig getauft werden könne, und was dergleichen Dinge mehr ſind, die ich weiter zu erzählen Anſtand nehmen muß, da ſie in der That nicht bloß für einen Genius, ſondern ſelbſt für einen ſolchen Schüler eines Genius gar zu albern ſind, um weiter bei ihnen verweilen zu können.

§. 125. (Fontenelle’s Anſichten von den Bewohnern der Pla - neten.) Hören wir dafür noch, auf welche Weiſe Fontenelle dieſen Gegenſtand in ſeinen bekannten Dialogen über die Mehrheit der Welten behandelt. Auf dem Merkur, ſagt er, iſt die Hitze ſo168Uranus.unmäßig, daß die guten Leute daſelbſt, die nun ſeit ſo langer Zeit auch hoffentlich daran gewöhnt ſind, wenn ſie plötzlich in die Mitte Afrika’s verſetzt würden, vor Kälte klappern und am Ende ganz erfrieren müßten. Unſer Gold und Silber muß dort, der unge - heuern Hitze wegen, im beſtändigen Fluſſe ſeyn, wie bei uns das Queckſilber*)Fontenelle hat hier, wie ſonſt öfter, übertrieben, und ſeine Farben etwas ſtärker aufgetragen. Auf Merkur iſt die Beleuchtung und alſo vielleicht auch die Temperatur, nur ſechsmal größer, als bei uns, allein zum Schmelzen des Goldes und Silbers müßte die Hitze einige tauſendmal größer ſeyn., und da dieſe geſchmolzenen Metalle das eigentliche Waſſer ihrer Ströme ausmacht, ſo laſſen es ſich die guten Leute wohl nicht einfallen, daß es andere Welten gibt, wo man die - ſes Waſſer nur als den härteſten Körper kennt und daſſelbe als Münzen bei ſich in der Taſche herumträgt. Seine Tage müſſen offenbar ſehr kurz ſeyn**)Sie ſind aber nahe ſo lang, als die Tage der Erde., oder er muß ſich ſehr ſchnell um ſeine Axe drehen, weil ſonſt die armen Leute auf dieſem Planeten von der glühenden Eſſe, die über ihren Häuptern ſchwebt, ganz gebra - ten werden müßten. Daher dürfen wir uns auch nicht zu ſehr verwundern, wenn wir einmal hin kommen und ſehen, daß ſie alle im Kopfe nicht recht richtig ſind, daß den meiſten das Gehirn verbrannt iſt und daß ſie ſtets luſtig und leichtſinnig***)Der Ueberſetzer Fontenelle’s, Bode, macht dazu ganz ernſthaft die Bemerkung: Sonderbar! Man findet doch ſonſt bei uns, in Berlin, daß eine große Hitze den Geiſt eher ſchläfrig und träge, als lebhaft mache. wie die Kinder und die Narren in den Tag hinein leben und nur froh ſind, wenn die kühle Nacht wieder kömmt, wo ſie von ihren Sprüngen und von der Sonnenhitze etwas ausruhen können.

Was nun weiter die Venus betrifft, ſo ſind die Bewohner derſelben lauter Seladons und Sylphiden, Romanenhelden und Heldinnen, verliebte Zeiſige, die, wie unſere Dichter, von nichts als Liebe girren und ſich damit einander oft ganz entſetzliche Lan - geweile machen. Von Philoſophie, Mathematik und andern ernſt - haften Dingen iſt da das ganze Jahr keine Rede, nicht einmal169Uranus.Zeitungen leſen ſie und überhaupt gar keine Bücher, weil ſie vor lauter Liebeleien nicht dazu kommen können, ausgenommen den weinerlichen Siegward und die jämmerliche Palmela, die aber dort in allen Sprachen überſetzt und ſchon, ſo lang ſie auch ſind, von den kleinſten Kindern in den Schulen auswendig hergeſagt werden müſſen. Und dabei iſt dieſes verliebte Völkchen das häßlichſte von der Welt, ſchwarz, von der Sonne halb zu Kohlen verbrannt, aber dabei doch immer luſtig und munter. Nirgends ſoll es mehr Dichter oder wenigſtens Verſemacher geben, und der Muſik, der Tänze und Feſtgelage ſoll dort gar kein Ende ſeyn, und kurz, wenn ſie, wie übrigens alle Bewohner heißer Gegenden, nicht gar ſo mäßig lebten, denn ſie ſollen beinahe nichts eſſen und bloß von der Luft leben, ſo würde man das bekannte ſchöne Dyſtichon un - ſeres Schiller, womit er eine große Haupt - und Reſidenz-Stadt des ehemaligen h. römiſchen Reichs ſo treffend geſchildert hat, ohne alle Umänderung auf ſie anwenden können.

Von dem Planeten Mars, ſagt unſer Verfaſſer weiter, weiß ich gar nichts Merkwürdiges anzuführen, daher er es auch nicht verdient, daß wir uns weiter bei ihm aufhalten.

Bald ſollte man es mit Jupiter eben ſo machen, obſchon er der größte unter allen Planeten iſt. Warum nämlich ſollten wir uns ſo ſehr um ihn bekümmern, da er ſich doch um uns ſo wenig annimmt, daß er wahrſcheinlich nicht einmal von unſerer Exiſtenz etwas weiß. Unſere Erde erſcheint ihm als eine 144 mal kleinere Scheibe, als er uns erſcheint, und wenn daher die Leute dort keine Fernröhre oder keine Adleraugen haben, ſo können ſie uns mit aller Anſtrengung nicht einmal ſehen. Und wenn ja einmal ein glücklicher Aſtronom mit einem Rieſenrefractor das kleine ſchim - mernde Lichtpünktchen*)Die Erde erſcheint dem Jupiter nur unter einem Durchmeſſer von 3 Secunden und immer ſehr nahe bei der Sonne, von der ſie ſich nie über eilf Grade entfernt, ſo daß ſie, wenn ſie ja dort ſichtbar iſt, immer nur kurz vor dem Aufgange oder gleich nach dem Untergange der Sonne an dem Horizonte des Beobachters bemerkt werden kann. ſieht und ſeine große Entdeckung in den Journalen ankündigt was wird die Folge davon ſeyn? Der170Uranus.große Haufe wird es nicht leſen oder darüber lachen; die Philo - ſophen, mit deren Syſtem die neue Entdeckung nicht übereinſtimmt, werden nichts davon glauben; eine andere Gattung von Leuten werden den armen Aſtronomen bis in den Tod verfolgen und noch ein anderer, nicht eben klügerer Theil wird neutral bleiben und ſich um die ganze Sache, d. h. um uns alle hier unten, nicht wei - ter kümmern.

Aber die Jupitersbewohner, mit den Entdeckungen auf ihrem eigenen Planeten ſo ſehr beſchäftiget, daß ihre Colombos wahr - ſcheinlich nicht Zeit haben, an uns zu denken, werden, nach uns zu ſchließen, noch nicht einmal den hundertſten Theil ihrer Län - der und Völker kennen, während die Bewohner Merkurs, und noch mehr die der vier neuen Planeten, wahrſcheinlich ſich alle - ſammt ſchon längſt kennen und ganz wie die Einwohner unſerer Dörfer unter einander verwandt ſind. Ueberhaupt aber mag es mit der Aſtronomie dieſer guten Leute ſehr ſchlecht ſtehen. Denn auch von der Venus und dem Merkur wiſſen ſie nichts, da jene nur 8 und dieſer nur 4 Grade ſich von der Sonne entfernt und alſo immer in ihren Strahlen ſchwimmt. Selbſt von dem ihnen nächſten großen Planeten, dem Saturn, werden ſie weder den Ring, noch die ſieben Monde ſehen, wenn anders nicht ein zweiter Galilei auch bei ihnen ſchon das Fernrohr erfunden hat. An den eigenen vier Monden werden ſie ſich vielleicht ſchadlos halten und die beinahe täglich vorfallenden Finſterniſſe derſelben wahrſcheinlich ohne jene Furcht beobachten, die uns ſo lange geplagt hat. Doch dürfen wir daraus nicht ſchließen, daß ſie nicht an anderen, vielleicht größeren Uebeln leiden, und wenn ſie uns gleichen, ſo werden ſie gewiß auch ein Vorurtheil, einen Aberglauben nur verlaſſen, um dafür zehn andern, eben ſo thörichten, anzuhängen. Die jahrelangen Nächte, welche auf Jupiter und Saturn herrſchen, könnten aller - dings der praktiſchen Aſtronomie ſehr förderlich ſeyn, aber die Kälte dieſer Jahreszeiten iſt wahrſcheinlich wieder ſo groß, daß die meiſten ihre warme Stube allen andern Unterhaltungen vorziehen werden. Wenn die Natur auf den Saturn und Uranus nicht an - dere Mittel gefunden hat, Wärme zu erregen, als bei uns, ſo müſſen die Bewohner derſelben für die Kälte ganz unempfindlich ſeyn171Uranus.und wir würden ſie, wenn ſie plötzlich nach unſerm Lapplande verſetzt würden, vielleicht augenblicklich vor Hitze umkommen ſehen. Das Waſſer ihrer Flüſſe, wenn es anders unſerm Waſſer gleicht, wird unſern polirten Steinen, und ſelbſt der bei uns nie frierende Wein - geiſt wird unſern Diamanten gleichen. Unter ſolchen Verhältniſſen kann man ſich die Leute in dieſen von der Sonne entfernten Welt - körpern nicht gut anders, als ſehr träg und phlegmatiſch denken, und während die des Merkurs ſtets tanzen und lachen, mögen die im Saturn oder im Uranus wie unſere Auſtern, an den Stellen liegen bleiben, wo ſie geboren ſind und nicht einmal wiſſen, wie man fröhlich ſeyn und lachen kann.

Doch genug und vielleicht ſchon mehr als genug von dieſen Dingen, die wir nicht kennen und wahrſcheinlich auch nie kennen werden. Mögen wir uns zufrieden ſtellen, daß wir von der Na - tur auf einen Ort im Weltraume angewieſen worden ſind, der von allen jenen Extremen, der von der Hitze Merkurs und von der Kälte des Uranus gleich weit entfernt iſt, und wenn jener alte Philoſoph den Göttern dankte, daß er ihn zum Menſchen und nicht zum Thiere geſchaffen hat, daß er ein Grieche und nicht ein Barbar geboren ward, ſo wollen auch wir es dankbar erkennen, daß wir auf dem unſerer Organiſation angemeſſenſten, auf einen mittlern, gemäßigten Planeten, und überdieß auch noch auf die gemäßigte Zone deſſelben verſetzt worden ſind und daß wir uns vieler Wohlthaten erfreuen und Tauſende von Genüſſen erlauben können, für welche die Bewohner des Senegals oder des Eis - meeres keinen Sinn haben oder, wenn ſie ihn zu ihrem eigenen Unglücke haben ſollten, ihn nur ſelten oder nie befriedigen können.

§. 126. (Iſt Uranus der äußerſte und letzte Planet des Son - nenſyſtems?) Wichtiger, als jene unfruchtbaren Speculationen, möchte für uns die Frage ſeyn, ob mit Uranus, den wir zuletzt betrachtet haben, die Reihe der Planeten in der That geſchloſſen iſt, und ob es jenſeits dieſes Himmelskörpers keinen andern mehr gibt, der ſo, wie alle bisher aufgezählten, zu dem eigentlichen Sonnenſtaat gehört.

Wir haben oben (II. Kap. V.) die Diſtanzen von der Sonne aufgezählt, in welcher ſich die Planeten folgen. Nennt man näm -172Uranus.lich 4 die mittlere Entfernung Merkurs von der Sonne, ſo würde, jener Reihe zu Folge, die Entfernung des erſtern über Uranus hinaus liegenden Planeten 3 mal 128 und 4 oder 388 ſeyn. Da nun die wahre mittlere Diſtanz Merkurs nahe acht Millionen Meilen beträgt, ſo würde die Diſtanz dieſes neuen Planeten we - nigſtens 776 Millionen Meilen, alſo nahe doppelt ſo groß, als die Diſtanz des Uranus ſeyn. Wir werden aber in einem der nächſtfolgenden Kapitel zwei merkwürdige Kometen kennen lernen, die beide ihre Aphelien (I. S. 273) über der Uranusbahn, aber doch noch weit dieſſeits der Bahn jenes vermeinten neuen Planeten liegen haben, und von welchen der eine eine ſehr ſtarke Neigung ſeiner Bahn gegen die Ecliptik hat, während der andere ſogar mit einer rückläufigen Bewegung, d. h. von Oſt gen Weſt, ſeine Bahn be - ſchreibt. In dem eilften Kapitel des dritten Theiles dieſer Schrift werden wir ſehen, daß alle älteren Planeten ohne Ausnahme, ſo wie auch ihre Monde, eine rechtläufige Bewegung, von Weſt nach Oſt, und überdieß eine im Allgemeinen nur geringe Neigung ihrer Bahnen gegen die Ecliptik haben. Es iſt äußerſt unwahr - ſcheinlich, daß dieſe Uebereinſtimmung der Neigungen und der Richtungen der Bewegung bei allen Planeten das bloße Werk des Zufalls iſt, und wir werden finden, daß dieſelbe Urſache, welche dieſe Harmonie hervorgebracht hat, ſchon zu der Zeit der Entſte - hung dieſer Planeten thätig geweſen ſeyn, und daß endlich die Wirkungsſphäre derſelben ſich bis zu den äußerſten Gränzen un - ſeres Planetenſyſtems ausgedehnt haben muß. Dieſe Urſache mag nun in einer anfänglich ſehr erweiterten Sonnenatmoſphäre oder in irgend einem andern uns unbekannten Agens beſtanden haben, ſo folgt doch immer daraus, daß innerhalb dieſer Wirkungsſphäre keine Bahnen entſtehen oder fortdauern konnten, die von jener erwähnten Uebereinſtimmung aller Planeten eine Ausnahme ma - chen, deren Bahnen alſo entweder ſehr ſtark gegen die Ecliptik geneigt ſind, oder mit einer retrograden Bewegung zurück gelegt werden; dieß iſt aber der Fall mit jenen beiden Kometen. Da nun aber dieſe zwei Kometen zur Zeit ihres größten Abſtands von der Sonne, wie geſagt, zwiſchen der Bahn des Uranus und des vermeinten noch entfernten Planeten ſtehen, ſo iſt es ſehr wahr -173Uranus.ſcheinlich, daß ſie auch zur Zeit der Entſtehung der Planeten jen - ſeits des Uranus, alſo außerhalb derjenigen Wirkungsſphäre ſich befunden haben, in welcher allein Planeten entſtehen konnten, oder mit andern Worten, daß es jenſeits der Uranusbahn keinen eigentlichen Planeten mehr geben kann.

Doch ſind dieß, wie wir hinzuſetzen müſſen, zwar wahrſchein - liche, aber doch nicht bewieſene Muthmaßungen, und es könnte leicht ſeyn, daß die Beobachtungen der nächſten Jahre uns von dem Ungrunde derſelben überführen. Wer hätte, wenige Tage vor dem Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts, uns vorausſagen mögen, daß wir in einigen Jahren vier neue Planeten zwiſchen Mars und Jupiter finden würden. Wie viele derſelben, von welchen wir jetzt noch keine Ahnung haben, mögen ſich noch in demſelben weiten Raume befinden. Wer könnte es uns ſelbſt verargen, wenn wir der Anſicht wären, daß ſogar unſere Erde noch einen neuen, uns bisher unbekannten Mond habe? In der That hat ſchon D. Caſſini i. J. 1700 dieſe Meinung geäußert, die er we - gen der großen Diſtanz der Erde von der Venus und dem Mars ſogar ſehr wahrſcheinlich fand. Wenn dieſer Mond ſehr klein und überdieß ſehr weit von uns entfernt iſt, ſo kann er ſich vielleicht noch Jahrtauſende um die Erde bewegen, ohne daß die Bewohner derſelben auch nur die Exiſtenz deſſelben erfahren. Vielleicht ſind die ſogenannten Meteorſteine nichts anders, als ſolche kleine kosmiſche Körper, die ſich, gleich den größern Planeten, wie Kometen im Welten - raume herumtreiben, und wenn ſie einem derſelben näher kommen, entweder auf ihn ſtürzen, wie wir das ſchon ſo oft erfahren ha - ben, oder ihn als neue Satelliten auf ſeiner Bahn um die Sonne begleiten, und von dieſem Standpunkte aus betrachtet, iſt unſere Erde, und vielleicht jeder andere Planet, von einer großen Anzahl ſolcher kleinen Monde umgeben, deren Daſeyn uns unbekannt iſt und ſo lange bleiben wird, bis einmal der Zufall einen derſelben in das Feld unſerer Fernröhre führt.

Uebrigens werden die großen Diſtanzen, in welchen die Planeten von einander abſtehen, von dem Urheber der Natur ge - wiß nicht ohne Abſicht gewählt worden ſeyn, wenn es uns gleich ſehr ſchwer fallen mag, dieſelben zu ergründen. Wir glauben,174Uranus.und Theorie und Beobachtung berechtigt uns dazu, daß zwiſchen dieſen Planeten und der Sonne nur die gegenſeitige Anziehung, die wir in dem folgenden Buche unter der Benennung der allge - meinen Schwere näher kennen lernen werden, wirkſam ſey. Wenn aber dieſe Planeten einander näher ſtünden, ſo würden vielleicht auch andere Kräfte, Affinitäten, chemiſche Verwandtſchaften u. dgl. wirkſam werden und ſie ſind es auch vielleicht geweſen zu einer Zeit, wo dieſe Planeten durch die Wirkung einer hohen Tempera - tur in ihrem Innern einen viel größern Raum eingenommen ha - ben, als gegenwärtig, und wo ſie, wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, in einem Zuſtande der Flüſſigkeit geweſen ſind. Die Kometen ſcheinen ſich den Planeten und ſelbſt der Sonne ſchon oft viel mehr zu nähern, und wir bemerken die Folgen dieſer Nachbarſchaft be - reits in einer ſehr auffallenden Veränderung ihrer Geſtalt, die bei den Planeten nicht mehr vorkömmt, und wenn der unſerer Erde ſo nahe Mond, ſtatt aus ſoliden Theilen zu beſtehen, gleich jenen Kometen eine bloße Dunſtwolke wäre, ſo würde wahrſcheinlich auch ſeine Geſtalt eine ganz andere ſeyn, als die, welche wir jetzt an ihm bemerken.

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Kapitel IX. Der Mond.

§. 127. (Betrachtungen über eine Reiſe in den Mond.) Die vorzüglichſten aſtronomiſchen Erſcheinungen des Mondes haben wir bereits oben (I. Cap. XI) angegeben. Hier wollen wir dasjenige kurz zuſammen ſtellen, was uns über die phyſiſche Beſchaffen - heit ſeiner Oberfläche bekannt geworden iſt.

Dieſe würden wir nun allerdings am beſten kennen lernen, wenn es uns gegönnt wäre, eine Reiſe in den Mond zu machen und ihn dann in der Nähe zu unterſuchen. Da aber bisher noch Niemand, ſo viel wir wiſſen, eine ſolche Reiſe unternommen hat, ſo wollen wir zuerſt zuſehen, welche Hoffnung wir haben, daß wenigſtens in der Zukunft ein Unternehmen dieſer Art von irgend einem unter uns glücklich ausgeführt werde.

Erſtens iſt es etwas weit von uns bis zu dem Monde, ob - ſchon er unter allen andern Himmelskörpern uns am nächſten ſteht, und wer ſich nicht einer beſondern Geduld und Ausdauer bewußt iſt, wird beſſer thun, zu Hauſe zu bleiben. Seine mittlere Entfernung von uns beträgt (I. S. 321) 51812 d. Meilen. Unſere Dampfeilwägen ſollen in jeder Stunde 8 Meilen zurück - legen, ſie würden alſo erſt in 270 Tagen, den Tag zu 24 Stun - den genommen, dort ankommen. Mit unſeren ſchnellſten Poſt - wägen, die täglich etwa 25 Meilen machen, würde man den Mond erſt in 5 Jahren und 247 Tagen erreichen, und dieſe Zeit wird176Der Mond.doch wohl manchem unſerer ungeduldigen Reiſenden etwas zu lange dünken. Da aber, wo keine feſte Straße iſt, auch kein Wagen gebraucht werden kann, ſo müßten wir uns ſchon bequemen, zu Schiffen, und zwar zu Luftſchiffen unſere Zuflucht zu nehmen. Wenn uns dann das Glück ſo gut wollen ſollte, daß wir immer mit friſchen Winden ſegeln, der bekanntlich in einer Secunde 15 Fuß zurücklegt, ſo werden wir zu unſerer Reiſe 909 Tage oder 2 Jahre und 179 Tage brauchen; eine noch immer viel zu lange Zeit für alle die, welche ſich, der andern Unfälle, die einem auf ſolchen Reiſen begegnen könnten, nicht zu erwähnen, vor dem größten aller Uebel, vor der Langweile fürchten, die dort kaum ausbleiben wird, wo rechts und links von der Straße gar nichts iſt, was die Aufmerkſamkeit des Reiſenden auch nur einen Augenblick auf ſich ziehen könnte. Durch Stürme allerdings könnte dieſe Reiſe nicht wenig befördert werden. Unſere Orkane legen in einer Secunde gegen 100 Fuß zurück. Auf den Flügeln eines ſolchen Sturmwindes würde man alſo ſchon in 136 Tagen an Ort und Stelle ankommen, aber wie ankommen! Wer mag es wagen, ſich einem ſolchen Geleitsmanne anzuvertrauen! Zwar gäbe es noch andere und wohl auch ſehr expeditive Mittel, dieſe Reiſe in noch viel kürzerer Zeit zu vollenden. Das Licht z. B., das in 8 Min. 13 Sec. von der Sonne bis zu uns kömmt, würde von uns bis zum Mond ſchon in 1 Secunde, alſo, wie wir ſagen können, in einem Augenblicke kommen. Aber dergleichen Fahr - zeuge ſind nicht für uns eingerichtet, die wir nicht beſtimmt ſind, auf Sonnenſtrahlen zu reiten.

Wir müſſen alſo doch wohl wieder zu unſern Luftſchiffen zurückkehren. Aber auch hier werden ſich bald noch andere Hinder - niſſe zeigen. Unſere Aeronauten haben bekanntlich noch immer kein Mittel, ihr Schiff im contrairen Winde zu leiten und einer ſichern Direction zu unterwerfen. Wie leicht iſt es dann möglich, daß uns dieſe Herren, ſtatt nach dem Mond, in das große, ufer - loſe Weltenmeer hinausführen, unde negant redire quenquam, in jenen grenzenloſen Raum, in welchem wir nicht nur den Mond nie erreichen, ſondern am Ende ſelbſt noch unſere Erde aus dem Geſichte verlieren werden.

177Der Mond.

Ja ſelbſt, wenn dieſe Direction in der Macht unſerer Führer ſtände, welche Richtung ſollen ſie nehmen, um ſicher auf dem Monde anzukommen? Ich fürchte, dieſe Herren würden ſehr in Verlegenheit kommen, wenn ſie dieſe Frage beantworten und den Kompaß vorzeigen ſollten, der ihnen den wahren Weg zum Ziele zeigen wird. Ihr Abfahrtspunkt, die Erde, iſt bekanntlich eben ſo beweglich, wie das Ufer, dem ſie entgegen ſteuern ſollen. Jene, die Erde, legt in jedem Tage über 355000 Meilen um die Sonne zurück, fliegt alſo mit einer Geſchwindigkeit durch den Himmels - raum, die mit der unſerer Kanonenkugeln nicht weiter verglichen werden kann, und dieſer, der Mond, begleitet ſie auf ihrem Wege, indem er ſtets in großen Spiralen - oder Schlangenlinien um ſie tanzt und ſeine Geſchwindigkeit jeden Augenblick ändert. Während die Erde in einer einfachen Ellipſe während einem Jahre um die Sonne geht, lauft ihr Begleiter in einer Entfernung von 51800 Meilen in derſelben Zeit 12 mal um die Erde, ſo daß ſeine wahre Bewegung einer aus 12 bis 13 Knoten zuſammen ge - ſchlungenen Schnur gleicht, die aber ſo wunderbar verworren iſt, daß ſie in vielen tauſend Jahren nicht wieder in ſich ſelbſt zurück - kehrt, weil nämlich jene monatlichen Knoten der Mondsbahn mit dieſer jährlichen Schnur der Erdbahn kein gemeinſchaftliches Maaß haben und jene daher immer in andere Stellen von dieſer fallen müſſen.

Allein mit dieſer Schwierigkeit iſt es noch lange nicht gethan. Eine viel größere wird uns die Schwere oder die ſogenannte Anziehung der Erde ſowohl, als auch des Mondes ſelbſt, bereiten. Die Schwere der Erde wird nicht zugeben wollen, daß ſich das Schiff von ihr entferne, da ſie alles feſt hält, was zu ihr gehört und da wir noch gar kein Beiſpiel haben, daß ihr etwas von dem, was ſie einmal als ihr Eigenthum erklärt hat, hätte entwendet werden können. Wenn wir aber auch, obſchon ich durchaus kein Mittel dazu ſehe, dieſes Hinderniß überwinden und uns heimlich aus dem Bereiche der Erde entfernen könnten, ſo werden wir, indem wir dann wohlgemuth weiter ſchiffen, bald darauf in den anderen Bereich, in die Attractionsſphäre des Mondes kommen, der dieſelbe löbliche Eigenſchaft hat, alles feſt zu halten, was erLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 12178Der Mond.einmal, mit Recht oder Unrecht, als ſein Eigenthum erklärt hat. Er hat dieſe Unart wahrſcheinlich von der Erde, deren Trabant er ſchon ſo lange iſt, gelernt, wie ſich denn immer die Diener gern nach ihren Herren, wenigſtens in ihren Fehlern, zu richten pflegen. Ja es ſcheint ſogar, als ob dieſelbe Sitte ſich auch auf gewiſſe zweibeinige Thiere ohne Federn fortgepflanzt habe, die es im Kleinen eben ſo zu machen pflegen, wie die Erde und der Mond im Großen. Dieſe Habſucht alſo, oder dieſe Herrſchluft, oder, wie man auch zuweilen zu ſagen pflegt, dieſe Attractionskraft des Mondes wird die Urſache ſeyn, daß unſer Luftſchiff, wenn es dem - ſelben einmal nahe genug gekommen iſt, nun recht eigentlich zu ihm herab fallen, ja mit einer ſolchen Heftigkeit herab ſtürzen wird, daß das ganze Fahrzeug, und wir mit ihm nur ganz zertrümmert und in dem elendeſten Zuſtande daſelbſt an - kommen können, wodurch daher, ſelbſt wenn alles Vorhergehende auf das Glücklichſte abgelaufen wäre, der ganze Zweck der Expe - dition doch wieder verloren gehen müßte.

Womit ſollen wir ferner unſere Aeroſtaten füllen? Mit irgend einer Luftart ohne Zweifel, die dünner und leichter iſt, als die, in der wir ſegeln wollen. Allein unſere atmoſphäriſche Luft iſt, in der Höhe von etwa zwei Meilen über der Oberfläche der Erde, ſchon ſo dünn, daß der ſogenannte leere Raum unter unſern Luftpumpen dagegen als ſehr dicht angeſehen werden kann und weiter ab hat alle Luft, alſo auch alles Schiffen in der Luft ganz und gar ein Ende. Wir werden daher, nur um uns von der Erde zu erheben, auf eine Kraft denken müſſen, die uns von der Erde ſo ſtark abſtoßt, daß wir, wie eine aus der Mündung der Kanone tretende Kugel, durch dieſen Stoß bis zu dem Mond geſchleudert werden. Dieſe Kraft müßte, wie man durch Rechnung zeigen kann, ſo groß ſeyn, daß ſie unſer Schiff, in der erſten Secunde ſeiner Abfahrt von der Erde, durch 41000 P. Fuß trei - ben könnte. Eine ſo entſetzliche Geſchwindigkeit iſt wenigſtens ſiebenzigmal größer als die einer Kanonenkugel im Anfange ihres Laufes. Wer von uns wird aber auf einer ſolchen Kugel, und daher noch viel mehr auf einem ſo viel ſchnellern Schiffe fahren179Der Mond.wollen, das ohne Zweifel gleich in dem erſten Augenblicke durch die Gewalt dieſes Stoßes ſelbſt zertrümmern müßte.

Wie wird es dann mit unſern Lungen ſtehen in den Gegen - den, wo keine Luft mehr iſt. Sollen wir uns einen Vorrath davon in Schläuchen mitnehmen? Sie werden keinen kleinen Raum einnehmen, da wir alle die Zeit unſerer Reiſe davon zehren ſollen. Und wenn wir endlich auf dem Monde ankommen und unſern Vorrath erſchöpft finden, ſo ſind wir wieder wo wir früher waren. Denn unglücklicher Weiſe iſt auch auf dem Monde ſelbſt keine Luft, wenigſtens gewiß keine ſolche, die der menſchlichen Lunge angemeſſen iſt.

Endlich, was vielleicht zuerſt hätte geſagt werden ſollen, da es gewiß den meiſten unſerer Reiſenden, mehr als alles Vorher - gehende, jede Luſt rauben wird, von der Parthie zu ſeyn auf der ganzen, langen, endloſen Straße gibt es, nicht nur keine guten, ſondern überhaupt ganz und gar keine Gaſthäuſer, ja nicht einmal eine Karavanſerey, wo man, wenn auch nicht eſſen und trinken, doch nur ausruhen könnte. Dieſer Umſtand wird, ich fürchte ſehr, die allermeiſten unſerer Reiſenden, ſelbſt viele der ſogenannten wiſſenſchaftlichen nicht ausgenommen, zurückſchrecken. Wer von ihnen wird es der Mühe werth finden, ſo lange Zeit ohne einen guten Tiſch, ohne weiche Lager, ohne alle Unterhaltung zu ſeyn und mit Ungemach aller Art zu kämpfen, um am Ende einige Steine oder einige getrocknete Pflanzen, die Niemand von uns brauchen kann, aufzuleſen, oder irgend eine Entdeckung zu machen, ohne die wir gewiß auch noch leben können, aus dem einfachen aber hinreichenden Grunde, weil wir bisher ohne ſie gelebt haben, eine Entdeckung, auf die am Ende doch nur wieder da und dort ein obſcurer Gelehrter einiges Gewicht legen und die von allen andern, ſelbſt von denen ignorirt werden wird, die etwa nach uns dieſelbe Reiſe machen und, unſeren Guide de Voyageur in der Hand, ſich informiren wollen, nicht, welche Entdeckungen für die Wiſſenſchaften wir gemacht haben, ſondern nur, wo guter Wein und ſchmackhafte Braten zu bekommen ſind.

Man ſieht aus allem Vorhergehenden hoffentlich zur Genüge, daß ein Unternehmen dieſer Art nicht nur thöricht und nutzlos,12 *180Der Mond.ſondern auch ganz unausführbar iſt und daß es daher beſſer ſeyn wird, uns noch ein Weilchen hier unten zu begnügen und aus dieſem Thal der Thränen, das wir bewohnen, jene Gefilde der Freude mit ſehnſuchtsvollen Augen, oder was noch beſſer ſeyn möchte, mit guten Fernröhren anzuſchauen.

§. 128. (Vortheile, die uns die Entfernung des Mondes zu der beſſern Kenntniß deſſelben gewährt.) Dieſer Umſtand, daß wir uns immer in einer artigen Entfernung von dem Monde halten müſſen, wird uns allerdings manche einzelne Merkwürdigkeit des - ſelben verbergen und wir dürfen nicht hoffen, die Oberfläche des - ſelben ſo gut kennen zu lernen, als dieß wohl geſchehen könnte, wenn wir auf ihr herumgehen und jeden einzelnen Theil derſelben mit dem Microſcope unterſuchen könnten. Aber derſelbe Umſtand hat auch wieder, wie alle Dinge in dieſer beſten Welt, ſeine gute und ſehr ſchätzenswerthe Seite. Wegen dieſer Entfernung lernen wir den Mond im Großen viel beſſer kennen, als wir ihn in einer größern Nähe ſehen würden und wir ſehen vielleicht manches von den Eigenſchaften deſſelben auf den erſten Blick, von dem die Leute im Monde, wenn ſie anders exiſtiren, ſelbſt nichts wiſſen. Unſere Urtheile, und ſo wahrſcheinlich auch die der Mondsbe - wohner, hängen von den Umſtänden, von unſeren Stellungen zu den Gegenſtänden ab, über die wir urtheilen. Was uns zu nahe iſt, können wir eben ſo wenig deutlich ſehen, als was zu weit von uns abſteht, und ſo, wie wir gewöhnlich unter allen Menſchen uns ſelbſt am wenigſten kennen, weil wir uns ſelbſt zu nahe ſtehen, ſo mögen auch die Seleniten unſere Erde viel beſſer kennen, als wir ſelbſt, weil ſie uns auch zu nahe ſteht.

§. 129. (Wie dem Monde die Erde erſcheint.) Wir haben bereits oben (I. S. 324) von den Lichtabwechslungen geſprochen, welche die Erde dem Monde zeigt und die ganz denjenigen ähnlich ſind, welche wir ſelbſt an dem Monde bemerken, nur mit dem Umſtande, daß jene den Mondsbewohnern in einem viel größeren Maaßſtabe erſcheinen, da ihnen die Erdſcheibe dreizehnmal größer vorkömmt, als uns die Scheibe des Mondes. Wenn wir Neu - mond haben und daher nur die dunkle Seite des Mondes, alſo eigentlich den Mond gar nicht ſehen, weil er in A (I. Fig. 26) 181Der Mond.zwiſchen uns und der Sonne ſteht, ſo ſehen dafür die Bewohner der uns zugekehrten Seite des Mondes die Erde T als eine runde und ganz beleuchtete Scheibe, oder ſie haben, wenn man ſo ſagen darf, Vollerde, während wir Neumond haben. Wenn aber der Mond zwei Wochen ſpäter nach C kömmt, und für uns der Sonne gerade gegenüber ſteht, ſo ſehen wir ſeine ganze be - leuchtete Scheibe, während die Bewohner der uns zugekehrten Hälfte des Mondes von der Erde T nur die von der Sonne ab - gewendete oder dunkle Seite der Erde ſehen, oder die Monds - bewohner haben Neuerde, während wir Vollmond haben. Wenn nun dieſe Seleniten ſo gute Augen haben, wie wir, ſo werden ſie nicht nur dieſe Lichtphaſe, ſondern auch die verſchiedenen Flecken bemerken, welche auf der Oberfläche unſerer Erde von dem Feſt - lande, den Inſeln und den verſchiedenen Meeren derſelben gebildet werden, und die ſich ohne Zweifel durch ihre Farben ſowohl, als auch durch die verſchiedene Intenſität der Reflexion der Sonnen - ſtrahlen unterſcheiden. So werden ſie, wenn es bei uns Mittag und Neumond iſt, Europa, Aſien und Afrika als eine zuſammen - hängende hellere Maſſe erblicken, die auf allen Seiten von einer dunklen, ebenen Fläche, dem Meere, umgeben iſt. Nach zwölf unſerer Stunden aber ſehen ſie auf der großen Erdſcheibe beinahe die ganze Scene geändert, denn nun iſt die ſogenannte alte Welt für ſie verſchwunden, und dafür liegt Amerika mit den vielen Inſeln des Südmeeres vor ihren Blicken. Auf dieſe Weiſe haben die Bewohner des Mondes, und nicht bloß die Gelehrten unter ihnen, ohne Zweifel ſchon vor Jahrtauſenden und zwar auf den erſten Blick geſehen, worüber ſich unſere Geographen und Aſtro - nomen ſo lange geſtritten haben, daß nämlich die Erde an ihren beiden Polen abgeplattet iſt. Amerika war ihnen lange vor Co - lumbus, und Auſtralien lange vor Cook ſchon bekannt, und die bei uns noch immer nicht aufgelöste Frage von einer nordöſtlichen Durchfahrt nach Oſtindien oder von dem großen Lande am Süd - pol iſt bei ihnen ſchon längſt entſchieden, da Jedermann, der nur eben Augen hat, alle dieſe Dinge in jedem Monate beinahe dreißigmal vor ſich auf - und niederwälzen ſieht. Die große Ueberſchwem - mung, von welcher wir nur mehr dunkle Sagen haben, obſchon182Der Mond.ſie vielleicht das ganze damals bekannte Menſchengeſchlecht getroffen hat, haben ſie ohne Zweifel eben ſo ruhig angeſehen, als ſie jetzt noch den Zug unſerer Kriegsheere und das Gewühl unſerer Schlachten betrachten, in denen ſich unſere Brüder, oft ohne zu wiſſen, warum, in einer Stunde zu Tauſenden morden. Eine Stadt wie Wien z. B., von 3000 W. Klaftern im Durchmeſſer, würde, vom Monde geſehen, unter dem Winkel von Sec. erſcheinen. Mit einem Fernrohr, das nur 25 mal vergrößert, würde ihnen daher die Stelle, welche dieſe Stadt einnimmt, nahe eben ſo groß, als uns Uranus erſcheinen. Ueberhaupt ſehen wir eine Linie von 0,22 Meilen oder 5020 P. Fuß Länge auf der Oberfläche des Mondes, von der Erde betrachtet, unter dem Winkel von einer Secunde, daher wir Gegenſtände im Monde, die unſern einzelnen Häuſern, Feldern ꝛc. gleichen, noch nicht deutlich ſehen können. Der ſchöne, runde Fleck Plato im Monde, der zehn d. Meilen im Durchmeſſer hat, wird ſchon mit einem Fernrohr von zehnmaliger Vergrößerung, unter dem Winkel ſeines Durchmeſſers von 45 Sec. ſehr deutlich geſehen. Mit einer Vergrößerung von 200 würde man in einem lichtſtarken Fernrohre wohl ſchon Gegenſtände im Monde erkennen, die eine halbe Meile im Durchmeſſer haben und daher unter dem Winkel von 23 / 10 Sec. erſcheinen. Es ſcheint daher keinem Zweifel unterworfen, daß die Seleniten, wenn ſie anders den unſeren ähnliche Augen haben, unſere großen Städte, Flüſſe u. dgl. ſehen können, und daß ſie vielleicht im Großen viel genauere Karten von unſerer Erde be - ſitzen, als alle unſere topographiſchen Bureaus zuſammen genommen, die wahrſcheinlich ſehr in Verlegenheit kommen würden, wenn ſie uns die genauen Karten von dem Innern Afrikas oder Neuhollands vorzeigen ſollten.

§. 130. (Tages - und Jahreszeiten auf dem Monde.) Ueber das ſonderbare Verhältniß der Jahres - und Tageszeiten, das auf - dem Monde herrſcht, haben wir ſchon oben (I. S. 327) geſprochen. Wegen der äußerſt geringen Schiefe ſeines Aequators gegen ſeine Bahn, von bloß 66 / 10 Graden, verſchwindet der Unterſchied der Jahreszeiten beinahe gänzlich, und die Sonne ſteht dort bei - nahe immer im Aequator oder im Zenithe der Bewohner dieſes183Der Mond.Aequators, daher auch alle übrigen Bewohner des Mondes, ſo lange ſie ihren Ort auf der Oberfläche deſſelben nicht ändern, die Mittags-Sonne im Sommer wie im Winter immer ſehr nahe in derſelben Höhe über ihrem Horizonte bemerken, die Be - wohner des Aequators in ihrem Scheitel und die Polbewohner immerwährend in ihrem Horizonte, ſo daß alſo gleichſam dort ein ewiger Sommer und hier ein ewiger Winter herrſcht, während in den Zwiſchengegenden ein immerdauernder Frühling ſeine Wohnung aufgeſchlagen hat. Auch ſind die Tage auf dem Monde beinahe durchaus den Nächten an Länge gleich, nicht wie bei uns, im Sommer länger und im Winter kürzer. Solcher Orte, wie unſere Polarländer, denen die Sonne im Sommer lange Zeit nicht unter -, und im Winter nicht aufgeht, kann es im Monde nicht geben. Die Temperatur auf der Oberfläche des Mondes iſt ebenfalls nicht ſo gleichförmig vertheilt, wie auf der Erde. Auf der Erde werden die näher bei den Polen liegenden Gegenden in ihrem Sommer beträchtlich erwärmt, ſo wie auch die heiße Zone zur Zeit der Solſtitien wegen des ſchiefen Standes der Sonne wieder etwas abgekühlt wird. Nicht ſo auf dem Monde, wo die den Polen näheren Orte die Sonne immerfort tief an ihrem Horizonte und die dem Aequator nahen Orte ſie immer in ihrem Scheitel ſehen, wo alſo der Sommer ſowohl, als auch der Winter an beſtimmte und unveränderliche Gegenden gebunden iſt.

Noch mehr ſind die Tageszeiten des Mondes von denen der Erde verſchieden. Wir haben bereits oben (I. S. 328) geſagt, daß der Tag in weiterem Sinne des Wortes, d. h. die Zeit zwiſchen zwei nächſten Aufgängen der Sonne bei den Seleniten gleich dem Jahre derſelben iſt. In der Zeit von einem Neu - oder Vollmonde zum anderen, d. h. in 29½ unſerer Tage, bewegt ſich der Mond, in Beziehung auf die Sonne, um die Erde und zugleich (I. §. 326) um ſeine Axe; jenes iſt ſein Jahr und dieß ſein Tag. In dieſer Zeit von 29½ Tagen werden nach und nach alle Theile des Mondes von der Sonne beſchienen und jeder Ort auf demſelben hat die Sonne ununterbrochen 14¾ Tage über und eben ſo lange unter ſeinem Horizonte. Klima und Erwärmung iſt alſo auf dieſem Himmelskörper ſehr ungleich vertheilt, aber184Der Mond.die Beleuchtung iſt dafür deſto gleichförmiger und keine Zone ſieht die Sonne längere Zeit, als die andere, da auf dem ganzen Monde Tag und Nacht beſtändig ſehr nahe gleich ſind und jede dieſer Zeiten 14¾ unſerer Tage dauert, ſo daß die Mondbürger in 29½ unſerer Tage die Sonne und alle Sterne nur einmal auf - und untergehen ſehen.

§. 131. (Wie auf dem Monde der Himmel erſcheint.) Allein bei dieſer zwar ſehr langſamen, aber allgemeinen Umwälzung der Himmelskörper giebt es einen, der an dieſer Bewegung keinen Theil nimmt, und in abſoluter Ruhe am Himmel zu ſtehen ſcheint, und dieſer Himmelskörper iſt ſcheinbar größer, als alle übrigen, ſelbſt viel größer, als die Sonne, und dieß iſt unſere Erde. Da ſich nämlich der Mond in derſelben Zeit um die Erde bewegt, in welcher er ſich um ſich ſelbſt dreht, und da der der Erde nächſte Punkt ſeiner Oberfläche ihr auch immer der nächſte bleibt, ſo daß er gleichſam, wie ſchon oben (I. S. 326) geſagt wurde, durch eine feſte Stange unveränderlich mit uns verbunden iſt, ſo folgt daraus, daß die Seleniten, ſo lange ſie nur ſelbſt ihren Ort auf dem Monde nicht ändern, unſere Erde immer in derſelben Ent - fernung von ihrem Zenithe ruhig am Himmel ſtehen ſehen. Die in der Mitte der uns ſichtbaren Scheibe wohnenden Mondbürger ſehen die Erde immer in ihrem Scheitel, die am Rande dieſer Scheibe wohnenden ſehen ſie eben ſo immer in ihrem Horizonte, und die zwiſchen Rand und Mittelpunkt wohnenden endlich, ſehen die Erde das ganze Jahr durch ſtets in derſelben und zwar in einer um ſo größern Höhe über ihrem Horizonte, je näher ſie ſelbſt bei dem Mittelpunkt der uns ſichtbaren Mondſcheibe ſich aufhalten. Sonne, Planeten und alle anderen Geſtirne des Himmels gehen für den Mond alle 14 oder 15 unſerer Tage ein - mal auf und unter, aber für die Erde hat weder Auf - noch Untergang ſtatt. Dieſe Erde erſcheint ihnen dreizehnmal größer, als uns der Mond, und dieſe gewaltige Lichtſcheibe ſcheint ihnen feſt und unveränderlich am Himmel zu ſtehen, während ſich alle anderen Geſtirne, ſelbſt die Sonne, in 29½ unſerer Tage um dieſe Scheibe zu bewegen und täglich dreizehn Grade ſich von ihr gen Weſt zu entfernen ſcheinen. Welch einen Anblick mag dieß185Der Mond.für die Bewohner des Mondes gewähren! Ich kann nicht weiter zweifeln, daß die Gelehrten im Monde, die gleich den unſeren für alles ſofort ihre Gründe haben, dieſe auffallende Erſcheinung des Stillſtandes eines, alle andere Geſtirne an Größe ſo weit über - treffenden Himmelskörpers, ſehr ſcharfſinnig aus der dieſer Größe höchſt angemeſſenen Trägheit ableiten und daß eben ſo ihre Dichter, wenn ſie das Lob der Faulheit ſingen, unſere Erde als Muſter und als das erhabenſte Ideal derſelben aufſtellen werden. Und wer wird es den frommen Gemüthern dieſes Volkes verargen können, wenn ſie dieſes ungeheure Geſtirn mit ſeinem auffallenden Lichtwechſel als den Abglanz der Gottheit verehren, die in ewiger Ruhe ihren feſtgegründeten Thron einnimmt, während alle andern Geſtirne des Himmels, Sonne und Planeten nicht ausgenommen, in abgemeſſenen Bahnen ehrfurchtsvoll vor ihr vorüberziehen.

§. 132. (Bewohner der vorderen und hinteren Seite des Mon - des.) Doch gilt dieß erhabene Schauſpiel nur denjenigen Mondes - bürgern, welche die vordere, gegen die Erde gewendete Hälfte des Mondes bewohnen. Die andern wiſſen nichts davon, da ſie (I. S. 326) ewig von der Erde abgewendet ſind und ſie daher nie ſehen können. Sie haben daher auch wohl keine Ahnung von den herrlichen Erſcheinungen, welche ihre Nachbarn auf der andern Hälfte ihrer Erde täglich und ſtündlich genießen, wenn ſie nicht zuweilen von Reiſenden, die aus jenen Gegenden zu ihnen kommen, davon Nachricht erhalten. Mit welchem Erſtaunen mögen ſie die Erzählungen derſelben anhören und mit welcher Andacht werden ſie vielleicht in ganzen Karavanen ihre Wallfahrten nach dem glücklichen Orte anſtellen, wo ihnen der Anblick dieſer Wunder des Himmels gegönnt iſt. Diejenigen Seleniten, welche nahe an dem Rande der uns ſichtbaren Scheibe wohnen, können dieſe Reiſe in kurzer Zeit vollenden und die Genüſſe, die ſie erwarten, mögen die unſerer ſogenannten Reiſen um die Welt weit übertreffen.

Uebrigens haben dieſe glücklichen Bewohner der Vorderſeite des Mondes noch einen andern nicht geringen Vortheil vor ihren Nachbarn auf der andern Seite voraus, und es ſcheint dort oben wie hier unten zu gehen, daß dem, der einmal im Vortheile iſt, das Glück von allen Seiten zuzuſtrömen pflegt. Wir haben186Der Mond.nämlich oben (I. S. 324) geſehen, daß die Erde dem Monde ganz eben ſolche Lichtabwechslungen zeigt, wie der Mond uns, und daß die Bewohner des letzten die große Scheibe der erſten bald im Volllichte, bald in einem ihrer beiden Viertel, bald wieder im Neulichte ſehen. Dieſe vier Phaſen der Erde werden ihnen ohne Zweifel ein ſehr bequemes Mittel geben, ihre langen Tage einzutheilen, ſo wie wir den Abwechslungen des Mondes unſere Wochen und Monate verdanken. Nebſt dieſer Eintheilung ihres Tages, oder was daſſelbe iſt, ihres Jahres in vier gleiche Theile, werden ihnen die großen Flecken der Erde, die ſich regel - mäßig ihren Blicken zeigen und wieder entziehen, als Mittel zu Unterabtheilungen jener Zeiten dienen. Aber auch dieſen Vor - theil genießen nur diejenigen, welche die vordere, uns ſichtbare Seite des Mondes bewohnen, ſo wie zugleich nur die Nächte dieſer Hemiſphäre von der Erde, wenn dieſe im Volllichte iſt, beleuchtet, und zwar dreizehnmal ſtärker, als die Erde vom Voll - monde, beleuchtet werden, während die andere Hemiſphäre, zu derſelben Zeit ſowohl das Licht der Sonne, als auch das der Erde völlig entbehren muß.

§. 133. (Berge des Mondes.) Mit unbewaffnetem Auge geſehen, erſcheint uns der Mond als eine runde, ebene Scheibe, mit mehreren grauen Flecken bedeckt, die uns entweder ihr eigenes oder das von einem andern Körper erhaltene Licht, gleich einem Spiegel, zuwirft. Allein die Abwechslung ſeiner Lichtgeſtalten und die Abhängigkeit derſelben von der Stellung des Mondes gegen die Sonne*)Nennt man den ſcheinbaren Halbmeſſer des Mondes die Ein - heit, ſo iſt die größte Breite des beleuchteten Theiles deſſelben für jeden Tag des Mondmonats gleich dem Sinus versus des Winkels, den man erhält, wenn man die Länge der Sonne für dieſen Tag von der Länge des Mondes ſubtrahirt. zeigt uns ſehr bald, daß der Mond keine ebene Scheibe, ſondern eine Kugel iſt, und daß dieſe Kugel kein eigenes Licht hat, ſondern daſſelbe nur von der Sonne geborgt erhält. (Vergl. I. §. 163). Auch ſieht man bald, daß die Oberfläche dieſer Kugel nicht ſo glatt, wie die eines convexen Spiegels ſeyn kann, weil ſie ſonſt das Bild der Sonne nur von einem einzigen187Der Mond.Punkte dieſer Kugel zurückwerfen könnte und weil wir dann den Mond nur wie einen kleinen lichten Stern, aber nicht wie eine große beleuchtete Scheibe ſehen würden. Dieſe Oberfläche des Mondes wird alſo rauh und vielleicht mit einer großen Menge von Unebenheiten, von Bergen und Thälern, bedeckt ſeyn, von welchen jeder Theil für ſich als ein kleiner Spiegel betrachtet werden muß, der ſein Licht nach irgend einer Seite hin verſendet und die alle zuſammen die Urſache ſind, daß wir den ganzen Mond ſo ſehen, wie er uns in der That erſcheint. Wir werden bald ſehen, daß ſchon ſehr mittelmäßige Fernröhre uns von dem Daſeyn dieſer Berge und Thäler vollkommen überzeugen.

Da nun aber unſere Erde, wie allgemein bekannt, ebenfalls eine Kugel und da ihre Oberfläche auch mit Unebenheiten aller Art bedeckt iſt, ſo iſt kein Zweifel, daß die Erde den Bewohnern des Mondes eben ſo, wie der Mond uns, als eine beleuchtete Scheibe, erſcheinen wird. Mit Unrecht haben wir daher bisher unſere Erde als einen rauhen, dunklen Kloß von Erde angeſehen, während wir die ſo hell leuchtenden Planeten und andere Himmels - körper, ihrer Schönheit wegen, für ganz andere und höhere Weſen zu halten durch dieſen Irrthum veranlaßt worden ſind. Auch hier hing alſo, wie in ſo vielen anderen Dingen, unſer Urtheil nur von unſerer Stellung und von der Art ab, wie wir die Dinge um uns an - ſehen. Wer zwiſchen der Erde und dem Monde mitten inne ſtände, würde den rechten Standpunkt einnehmen, aus welchem er beide Körper gleich vortheilhaft und gleich richtig beurtheilen könnte.

Daß die grauen Flecken, die wir in dem Monde bemerken, in der That Berge und Thäler ſind, lehrt uns ſchon der erſte Blick, den wir durch ein Fernrohr auf denſelben werfen. Der bloße Anblick dieſer Gegenſtände ſelbſt läßt weiter keinen Zweifel über jene Vorausſetzung entſtehen, und die Schatten, welche ſie werfen, überzeugen uns vollkommen von der Richtigkeit derſelben. Dieſe nicht weiter zu verkennenden Schatten ſtehen nämlich im - mer auf der der Sonne gegenüber liegenden Seite, und ſie ſind auch immer deſto länger, je höher dieſe Berge ſelbſt ſind oder je tiefer für ſie die Sonne an dem Horizonte derſelben ſteht. An188Der Mond.der Lichtgränze, wo die helle Phaſe des Mondes ſich von der dunklen ſcheidet, liegen alle die Orte, denen die Sonne eben auf - oder untergeht, und eben hier ſind auch die Schatten, welche die Gipfel der Berge, ſo wie diejenigen, welche die hohen Wälle der Thäler in ihre Höhlungen werfen, durchaus die längſten. Im Gegentheile werden dieſe Schatten für alle Orte immer kürzer, je tiefer dieſe Orte ſelbſt in der Lichtſeite liegen, weil für ſie der Tag ſchon längſt angefangen und die Sonne ſchon eine größere Höhe über ihrem Horizonte erreicht hat. Zur Zeit des Vollmondes endlich, wo die Bewohner der Mitte der jetzt ganz beleuchteten Scheibe eben Mittag und daher die Sonne in ihrem Zenithe haben, bemerkt man von dieſen Schatten beinahe keine Spur mehr, ſo wenig, als man ſie in unſerer heißen Zone bei allen ſenkrechten Gegenſtänden in dem Mittage desjenigen Ta - ges bemerkt, an welchem die Sonne in dem Scheitel dieſer Ge - genſtände ſteht. Aus dieſer Urſache iſt auch die beſte Zeit der Beobachtung, die Zeit, wo man den Mond in ſeinem günſtigſten und auffallendſten Lichte ſieht, keineswegs der Vollmond, ſondern vielmehr die Tage kurz vor und nach dem Neumonde, wo er nur als ein feiner Silberfaden oder als eine ſchmale Sichel am Him - mel ſteht und die Schatten ſeiner Berge und Schluchten am deut - lichſten und grellſten erſcheinen. Ueber die Benennungen dieſer Berge und Thäler, wie ſie von verſchiedenen Aſtronomen vorge - ſchlagen wurden, haben wir bereits oben (S. 76) einige Nach - richten mitgetheilt, für das nun Folgende erſuchen wir die Leſer, die Mondkarte am Ende des gegenwärtigen Theils aufzuſchlagen.

§. 134. (Nähere Beſchreibung der Mondsberge.) Bemerken wir zuerſt von dieſen Bergen die wahrhaft ungeheuere Höhe der - ſelben. Der Chimboraſſo, der ſonſt immer als der höchſte Berg der Erde angegeben wurde, hat eine Höhe von 19320 Par. Fuß über der Meeresfläche und beträgt daher nur den 1017ten Theil des Erdhalbmeſſers. Der Dhawalagiri im Himalaja-Gebirge ſoll 24150 P. Fuß Höhe haben, und würde daher den 812ten Theil des Halbmeſſers der Erde betragen. Ein Globus, auf welchem der letzte Berg in der Höhe eines Zolles erſcheinen ſollte, müßte da - her gegen 180 Fuß im Durchmeſſer haben. Allein Schröter hat Berge im Mond gefunden, deren Höhe 25000 P. Fuß beträgt,189Der Mond.die alſo, da der ſo viel kleinere Mond nur einen Halbmeſſer von 233 Meilen hat, im Verhältniß zu dieſem Halbmeſſer nur den 214ten Theil deſſelben betragen, d. h. mit andern Worten: die Berge im Mond ſind verhältnißmäßig zu der Größe deſſelben viermal höher, als die Berge auf der Erde. Welche Naturkraft hat dieſe großen Maſſen auf dem Monde bis zu dieſer entſetzlichen Höhe aufgethürmt!

Wir werden weiter unten ſehen, daß die Maſſe des Monds nahe den 70ſten Theil der Erdmaſſe beträgt, und daß die Körper auf der Oberfläche deſſelben in der erſten Secunde nur durch 2⅘ Fuß alſo nahe fünfmahl weniger tief fallen, als auf der Erde, daß alſo auch die Schwere oder die Kraft, mit welcher der Mond alle Körper auf ſeiner Oberfläche an ſich zieht, nur den fünften Theil von der Schwere der Erde beträgt. Daraus folgt, daß unſer Schießpulver, auf den Mond gebracht, daſelbſt viel größere Schußweiten, als bei uns, erzeugen würde. Auf der Erde würde eine Kanonenkugel, die mit einer anfänglichen Geſchwindigkeit von 800 Fuß in einer Secunde ſenkrecht in die Höhe geſchoſſen wird, etwa 26 Secunden ſteigen, und eine Höhe von 10600 Fuß errei - chen, eh ſie wieder anfängt, zur Erde zurückzukehren. Auf den Mond aber würde ſie mit derſelben anfänglichen Geſchwindigkeit durch volle 160 Secunden aufſteigen und eine Höhe von 64000 Fuß erreichen, wenn man den Widerſtand der Luft u. dgl. hier außer Acht läßt. Wenn daher im Innern des Monds eben ſolche Kräfte, elaſtiſche Dämpfe u. dgl. wirken, wie in der Erde und wenn die Cohäſionskräfte der Körper dieſer beiden Geſtirne nahe dieſelben ſind, ſo werden dieſe Kräfte auch dort viel größere Wirkungen hervorbringen, wo die gegenwirkende Kraft der Schwere ſo viel kleiner iſt und jene hohen Gebirge ſind vielleicht eine un - mittelbare Folge dieſer Kräfte.

§. 135. (Zwei Gattungen von Mondsbergen.) Dieſe Monds - gebirge ſind im allgemeinen zweierlei Art, nämlich Ringgebirge und Bergketten. Die Ringgebirge haben meiſtens die Geſtalt von oft ſehr regelmäßigen, kreisförmigen, ausgetrockneten Teichen, die rings mit einem hohen Walle umgeben ſind, oft viele Qua - dratmeilen große Flächen einſchließen und in der Mitte dieſer Fläche190Der Mond.gewöhnlich einen iſolirten kegelförmigen Berg haben. Zwei ſolche Ringgebirge ſieht man in der Karte unter den Namen Plato und Eudoxus an der nördlichen oder untern Seite der Karte, denn die Zeichnung ſtellt den Mond in verkehrter Lage dar, wie er durch ein aſtronomiſches Fernrohr erſcheint. Die Bergketten laufen gewöhnlich von ſehr hohen Bergrücken aus, von denen ſie ſich wie Lichtſtrahlen nach allen Seiten oft auf große Weiten aus - breiten. Solche ſieht man auf der Karte bei Kepler und Co - pernicus auf der Oſtſeite, beſonders bei dem letzten, von dem vier große Streifen gegen Norden herab ziehen, nebſt mehreren kleineren, die in der Karte nicht verzeichnet werden konnten. Häufig iſt der Mittelpunkt oder der Kern dieſer Bergketten ſelbſt wieder ein hohes Ringgebirg, doch ſieht man auch andere Bergzüge ohne Ringgebirg, wie z. B. das ſehr große, welches auf der Weſt - ſeite von Eratoſthenes, Autolykus, Ariſtipp und Caſſini hinzieht und öſtlich von Eudox endet.

In manchen Gegenden des Monds findet man wieder eine Menge einzelner Bergkegel verſtreut, die ſich iſolirt und ſchroff aus der ſie umgebenden Ebene erheben. An andern Stellen ſieht man wieder Vertiefungen, die nach Art der Flüſſe oder der Stra - ßen, bei geringer Breite und Tiefe, oft viele Meilen weit fortlau - fen, an mehreren Stellen mit Gruben oder Einſenkungen verſehen ſind und meiſtens zwei oder mehrere Ringgebirge zu verbinden ſcheinen.

Endlich muß man noch die großen, meiſt grau gefärbten Flecken bemerken, in welchen ſich nur geringe Unebenheiteu, oder keine Berge finden und die man mit den Namen der Meere bezeichnet hat, wie das Mare nubium, imbrium, nectaris u. ſ. w.

§. 136. (Ringgebirge des Monds.) Die Ringgebirge, von denen wir auf unſerer Erde nichts ähnliches aufzuweiſen haben, ſind in ſehr großer Anzahl auf dem Monde zu finden und ſcheinen durchaus vulkaniſchen Urſprungs zu ſeyn. Die Revolutionen, durch die ſie erzeugt worden ſind, müſſen von der heftigſten Art geweſen ſeyn. Der eigentliche Kern des Copernicus iſt ein ſolches Ringgebirge, deſſen Inneres ganz das Ausſehen eines Kraters hat191Der Mond.und der Krater dieſes nun ſchon vielleicht ſeit Jahrtauſenden erlo - ſchenen Vulkans hat ſieben Meilen im Durchmeſſer! Der Krater des Aetna in Sicilien hat nur 4000 Fuß oder Meile im Durchmeſſer. Die Flächen und Thäler, welche dieſe Ringgebirge einſchließen, haben öfter eine Ausdehnung von acht bis neun hun - dert Quadratmeilen. Die von den Wallgebirgen eingeſchloſſenen Räume ſind als Einſenkungen unter der Kugelfläche des Monds, als leere, trockene Kraterbecken zu betrachten, die weiter keine Aehnlichkeit mit unſeren von Bergrücken eingeſchloſſenen Ländern, wie z. B. Böhmen u. dgl. haben, und deren Tiefe, nach Schrö - ters Meſſungen, oft bis zu 18000 Fuß geht, die alſo zuweilen ſo tief ſind, als unſer Chimboraſſo hoch iſt. Einen ſolchen Krater findet man z. B. bei Cleomedes, an der Nordſeite des Mare Cri - sium, nahe an dem weſtlichen Rande der Karte; er hat Mei - len in ſeinem oberſten Durchmeſſer und über 15000 Fuß Tiefe. Welch ein Anblick für ein menſchliches Auge, in einen Keſſel von Meilen im Durchmeſſer und von der Tiefe unſerer höch - ſten Berge hinab zu ſchauen.

Die Ringgebirge, welche dieſe Krater umgeben, haben das Merkwürdige, daß die Maſſe dieſer Berge immer ſehr nahe ſo groß iſt, als eben hinreichen würde, den Krater auszufüllen, den ſie umgeben. Schröter hat ſich Modelle von dieſen Gegenſtänden gemacht und dieſe Bemerkung immer beſtätiget gefunden. Dieſer Ring ſcheint daher dieſelbe Maſſe zu ſeyn, die den Krater vor ſeiner Entſtehung ausgefüllt hat, zum Zeichen, daß dieſe Krater, womit die Oberfläche des Mondes gleichſam überſäet iſt, nicht durch Einſturz, ſondern durch Eruption entſtanden ſind. Auch ſcheint daraus zu folgen, daß die durch innere Gährung an die Ober - fläche geſchleuderte Maſſe des Mondes zu jener Zeit ſich in keinem flüſſigen Zuſtande befunden hat, weil ſie nicht, wie die Lava un - ſerer Vulkane, am Rande des Kraters ſtromartig abgefloſſen iſt, ſondern nur in der Nähe der Oeffnung ſich rings um dieſelbe wallförmig angelegt hat. Uebrigens zeigt das Innere dieſer un - geheuern Höhlungen, mit ſtarken Fernröhren betrachtet, ganz den - ſelben vulkaniſchen Charakter, wie man ihn bei unſerm Veſuv und auf der Karte der Campi Phlegraei von Breislak, oder auf der192Der Mond.Karte des Puy de Dôme von Desmaret ſieht, ja in einigen die - ſer Krater bemerkt man ſogar mit ſehr guten Fernröhren deutliche Spuren von vulkaniſchen Stratificationen, die von einander fol - genden Auswürfen entſtanden ſind und ſich ſo ſchichtenweiſe über einander gelagert haben.

§. 137. (Streifen des Mondes.) Die bereits erwähnten Strei - fen, welche dieſe Ringgebirge, nach Art unſerer Straßen zu ver - binden ſcheinen, ſind gewiß keine Flüſſe, wie man früher wohl geglaubt hat. Denn abgeſehen, daß es auf dem Monde an Flüſ - ſigkeiten aller Art zu fehlen ſcheint, bemerkt man auch keine Sei - tenadern derſelben, durch welche ſie Zufluß erhalten könnten, wohl oft tiefe Abgründe, durch welche ſie ungehindert ziehen, und in welchen man wieder nichts als Unebenheiten, aber nichts unſerem, an ſeiner Oberfläche immer ebenen, Waſſer Aehnliches bemerkt. Ja dieſe Straßen gehen nicht nur über jene Abgründe und Schluchten, ſondern oft ſelbſt mitten durch die großen Krater der Vulkane und durchbrechen zuweilen ganze Syſteme von Gebirgen, um auf der entgegengeſetzten Seite derſelben ihren Gang wieder ungeſtört und in der alten Richtung fortzuſetzen. Vielleicht ſind ſie ſeit Jahrtauſenden ausgetrocknete Flußbette oder Kanäle, durch welche jene Vulkane ehemals in Verbindung ſtanden.

§. 138. (Vulkane auf dem Monde.) Daß wenigſtens einige dieſer Vulkane des Mondes ſelbſt jetzt noch thätig ſind, ſcheinen die Beobachtungen Schröters und anderer Aſtronomen zu beſtäti - gen. Halley will Blitze auf dem Monde und Ulloa in Spanien ſogar ein Loch durch den ganzen Mond geſehen haben. Bianchini ſah ein vorübergehendes Licht im Flecken des Plato, welches er durch Sonnenſtrahlen zu erklären ſucht, die durch das Loch des Felſens in der Seitenwand des Fleckens eingefallen ſind. Der ältere Herſchel ſah auf dem nicht beleuchteten Theile des Mondes einen hellleuchtenden Punkt, den er für das Feuer eines Vul - kans zu halten ſich veranlaßt fand. Schröter fand i. J. 1788 bei dem Flecken Hevelius (am öſtlichen Rande der Karte) einen Meilen im Durchmeſſer haltenden neuen Krater, von dem er feſt überzeugt war, daß er im verfloſſenen Jahre, wo er dieſe Gegend auf das genaueſte unterſucht hatte, noch nicht vorhanden193Der Mond.war. In dem Mare Crisium (NW Rand der Karte) fand er einen Berg, den er mehrmals auf das genaueſte beobachtet und gezeichnet hatte, und der ihm immer als länglich erſchienen war, plötzlich und mit ausnehmender Deutlichkeit vollkommen rund und auf ſeinem Gipfel mit einem, drei Viertheile einer Meile im Durchmeſſer haltenden tiefen Krater verſehen, von welchem er früher auch nicht die geringſte Spur entdecken konnte. Das Merk - würdigſte dabei war, daß dieſer runde Berg mit ſeinem Krater nach einem Monate wieder verſchwand, um dem alten länglichen Berg ohne Krater ſeine vorige Stelle einzuräumen.

§. 139. (Wie die Höhe der Mondsberge gemeſſen wird.) Ehe wir dieſe ſonderbaren Berge des Mondes gänzlich verlaſſen, wird es den Leſern noch angenehm ſeyn, zu erfahren, auf welche Weiſe man die Höhe derſelben gemeſſen hat.

Wenn dieſe Berge genau an dem Rande der uns ſichtbaren Mondsſcheibe ſtehen, ſo wird man mit dem gewöhnlichen Inſtru - mente, mit welchem die Aſtronomen überhaupt alle ſehr kleinen Diſtanzen meſſen, mit den ſogenannten Mikrometern auch das Verhältniß ihrer Höhe zu dem Halbmeſſer des Mondes beſtim - men können. Geſetzt, man hätte eine ſolche Erhöhung, oder auch, bei den Thälern des Mondes, eine ſolche Vertiefung, einen Ein - ſchnitt des Mondsrandes gleich dem hundertſten Theil des Halb - meſſers deſſelben gefunden, ſo weiß man auch ſofort, daß die Höhe oder Tiefe deſſelben 23 / 10 Meilen beträgt, weil der Halbmeſſer des Mondes (I. S. 321) 230 Meilen hat. In der That ſieht man dieſen Rand des Mondes, nicht ganz glatt, ſondern an mehreren Stellen wie ausgezackt, was nur von dieſen Bergen oder Schluch - ten kommen kann. Wir werden weiter unten (III. §. 117) ſehen, daß der Mond nicht ganz genau immer dieſelbe Seite der Erde zuwendet, ſondern daß der Rand der uns ſichtbaren Scheibe ſich öfter um nahe acht Grade, aus dem Mittelpunkte des Mondes geſehen, verſchieben kann, daher zuweilen Berge oder Thäler in dieſen Rand treten, die früher nicht ſichtbar waren. Beſonders gut anwendbar wird dieſe Methode zur Zeit der Sonnenfinſter - niſſe ſeyn, wo die ſchwarze Scheibe des Mondes mit ihren ZackenLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 13194Der Mond.auf dem hellen Hintergrunde der Sonne ſehr gut geſehen und mit aller Schärfe gemeſſen werden kann.

Ein zweites Mittel, die Höhe dieſer Berge zu meſſen, erſtreckt ſich auf alle uns ſichtbaren Orte des Mondes, nicht bloß auf die Punkte, welche in dem Rande deſſelben liegen. Wer auch nur einmal den Mond mit einem mäßigen Fernrohre angeſehen hat, wird bemerkt haben, daß man nahe an der Lichtgränze, die meiſtens eben ihrer Berge wegen, ſehr ausgezackt und unregelmäßig erſcheint, in dem dunkeln Theile des Mondes viele iſolirte, hellglänzende Punkte ſieht, die gleich den Inſeln auf dem Meere oder gleich den Thau - tropfen auf den von der Sonne beſchienenen Blumen hervortreten. Man überzeugt ſich bald, daß dieſe lichten Punkte nichts anders, als Berggipfel ſind, die von der aufgehenden Sonne beſchienen werden zu einer Zeit, wo der Fuß dieſer Berge noch in dem Schatten der Nacht ruht, wie wir dieß auch auf unſerer Erde kurz vor dem Aufgange oder bald nach dem Untergauge der Sonne bemerken. Man ſieht aber leicht, daß dieſe Berge deſto höher ſeyn werden, je weiter ihre von der Sonne vergoldeten Gipfel von der Lichtgränze entfernt, oder je tiefer ſie in der Nachtſeite des Mondes verſenkt ſeyn werden, ſo daß man alſo aus dieſer Ent - fernung von der Lichtgränze auch wieder rückwärts, auf die Höhe dieſer Berge, wird ſchließen können.

Eine dritte Methode, die Höhe der Mondsberge zu meſſen, wird uns durch eine andere, noch bekanntere Erfahrung gegeben, die wir auf unſerer Erde täglich zu machen Gelegenheit haben. Wer weiß nicht, daß die Schatten unſerer Thürme und Berge Mittags, wo die Sonne am höchſten ſteht, am kürzeſten und im Gegentheile beim Auf - oder Untergange der Sonne am längſten ſind, und daß dieſe Schatten vor dem Mittage gegen Weſten und nach demſelben gegen Oſten gerichtet ſind. Ganz eben ſo ſehen wir auch die Schatten der Berge des Mondes während der Zeit ſeines 30tägigen Tages hin und wieder ziehen, beim zunehmenden Mond links und beim abnehmenden rechts fallen und zugleich im - mer länger werden, je näher ihnen die Lichtgränze kömmt, da dieſe Gränze alle die Punkte des Mondes enthält, denen die Sonne eben auf - und untergeht. Wir haben aber bereits oben195Der Mond.(I. S. 145) geſehen, wie man auf der Erde aus der bekannten Höhe der Sonne und der Länge des Schattens eines Thurmes die Höhe des letzten finden kann. Iſt nämlich in der dort ange - führten Fig. 9 AB der Thurm und AC die Länge ſeines Schat - tens auf dem horizontalen Boden, ſo iſt die Linie CB, über B hin verlängert, nach der Sonne gerichtet, und der Winkel ACB iſt die Höhe der Sonne (Einl. §. 10), die man mit Hülfe eines Quadranten (I. §. 43) leicht meſſen kann, während man die Länge AC des Schattens auf die gewöhnliche Weiſe mit einem Maaß - ſtabe beſtimmt. Kennt man aber in einem bei A rechtwinkligen Dreiecke ABC eine Seite AC mit ihrem anliegenden Winkel ACB, ſo findet man daraus leicht (I. §. 62) auch die dieſem Winkel gegenüberſtehende Seite AB oder die geſuchte Höhe des Thurms. Ganz daſſelbe Verfahren wird man nun auch auf die Berge des Mondes anwenden, deren Schattenlänge man mit dem Mikrometer meſſen kann, und wo die Höhe der Sonne über dem Horizonte des Berges ebenfalls bekannt iſt, da ſie immer gleich der Entfer - nung des Berges von der Lichtgränze ſeyn muß.

§. 140. (Atmoſphäre des Mondes.) Der Mond ſcheint keine, oder auch nur eine äußerſt feine Atmoſphäre zu haben. Die Licht - gränze deſſelben iſt ſcharf abgeſchnitten und das hellſte Licht der einen Seite geht unmittelbar in das tiefſte Dunkel der andern über, während unſere Fernröhre doch bei viel entfernteren Him - melskörpern, beſonders bei der Venus, eine deutliche Abſtufung des Lichtes an dieſer Gränze, oder eine Dämmerung zeigen, die dem Aufgange der Sonne vorhergeht oder ihrem Untergange folgt. Dieſer gänzliche Mangel der Dämmerung bei dem Monde ſetzt eine das Licht ſehr wenig brechende, alſo auch wohl ſehr wenig dichte Luft voraus. Daſſelbe folgt auch aus den Bedeckungen der Fixſterne von dem Monde, die in ſeiner Nähe nicht ſchwächer werden und ihr Licht nur allmählig verlieren, ſondern die mit ganz ungetrübtem Glanze bis an ſeinen Rand hintreten und dann urplötzlich hinter demſelben verſchwinden, zum Zeichen, daß ſelbſt die dem Monde nächſten und dichteſten Schichten ſeiner At - moſphäre, wenn dieſe überhaupt exiſtirt, ſo fein und durchſichtig ſind, daß ſie mit denen unſerer Luft nicht weiter verglichen wer -13 *196Der Mond.den können. Indeß will doch Schröter zuweilen Spuren einer äußerſt ſchwachen Dämmerung, beſonders zur Zeit des Neumondes an den ſogenannten Hörnerſpitzen des Mondes, bemerkt haben. Wo aber keine Atmoſphäre iſt, läßt ſich auch kein Waſſer oder eine demſelben ähnliche Flüſſigkeit annehmen. Wenn der Erde ihre Luft entzogen würde, ſo würden die Flüſſe und Meere der - ſelben in kurzer Zeit verdünſten und die ganze Erde austrocknen. In der That können wir auch auf der Oberfläche des Mondes nichts bemerken, was dieſen unſeren irdiſchen Waſſerbehältern ähn - lich wäre. Schröter behauptet, auf dem ganzen Monde auch nicht eine Stelle von einiger Ausdehnung geſehen zu haben, die auf ihrer Oberfläche ganz eben wäre, wie die des Waſſers ſeyn müßte. Die großen, grauen Stellen des Mondes, die man mit den Namen der Meere belegt hat, ſind voll kleiner Erhabenhei - ten und Vertiefungen und können durchaus nicht mit unſern Seen und Meeren verglichen werden. Indeß behauptet der jüngere Herſchel, mit den großen Teleſcopen ſeines Vaters mehrere voll - kommen ebene Stellen daſelbſt gefunden zu haben, die er zwar nicht für Waſſerflächen hält, die aber doch ganz den Charakter der Alluviation tragen ſollen. Es iſt in der That nicht wahr - ſcheinlich, daß dieſer Himmelskörper immer ohne Atmoſphäre ge - weſen iſt. Die großen Revolutionen, die in der Vorzeit auf ſeiner Oberfläche ſtatt gehabt haben, ſetzen die Wirkungen des Feuers und dieſe wieder die Luft voraus, wenigſtens eine feine Luft, ohne welche unſer Feuer nicht beſtehen könnte.

§. 141. (Mangel an Waſſer auf dem Monde.) Für dieſen Mangel an Flüſſigkeit jeder Art ſpricht auch ſchon der bloße An - blick des Mondes. Er erſcheint uns wie ein trockener Gyps - oder Schwefelguß mit unzähligen Blaſen und Höhlungen, mit Bergen und Thälern bedeckt, die von großen und heftigen Erſchütterungen zeugen, welche der Mond in der Vorzeit erlitten hat. Schröter iſt der Anſicht, daß alle dieſe Zerſtörungen, die man auf der Ober - fläche des Mondes bemerkt, durch eine nicht ganz vollführte Erup - tion oder durch eine bloße Aufſchwellung ſeiner Oberfläche entſtan - den ſind. Das elaſtiſche Fluidum in ſeinem Innern drängte gegen die Oberfläche und verurſachte dadurch an einzelnen Stellen jene197Der Mond.Anſchwellungen und wo ſie ſtark genug war, auch eine Erup - tion, wodurch dann die Krater und Wallgebirge entſtanden. Es ſcheint, daß zur Zeit jener Kataſtrophe der ganze Körper des Mondes nicht mehr eine weiche, ſondern mehr ſchon eine feſte Maſſe geweſen, und daß wenigſtens ein Theil dieſer aufgeworfenen Maſſe in eine Art von Schmelzung übergegangen ſey. Was der - gleichen Schmelzungen oder Verglaſungen, wenn man ſo ſagen darf, noch wahrſcheinlicher macht, iſt die gänzliche Unmöglichkeit, allen den ſeltſamen Farbenwechſel, der auf dem Monde ſtatt hat, zu erklären, ohne wenigſtens hie und da ſpiegelähnliche Flächen anzunehmen. Immer ſcheint das ganze mehr vulkaniſchen, als neptuniſchen Urſprungs zu ſeyn, wofür der ganze Anblick des Mondes und ſelbſt die oben erwähnten Kegel in der Mitte der Ringgebirge ſprechen, da ſie wohl nichts anders ſind, als neue Verſuche jener innern elaſtiſchen Kraft, noch mehr Maſſe auszuwerfen, wie man denn dieſe Kegel ſelbſt in den gro - ßen Kratern, ganz ſo wie bei unſeren Vulkanen, findet. Es iſt möglich, es iſt ſogar ſehr wahrſcheinlich, daß dieſer Himmelskör - per, dem es jetzt an Luft und Waſſer fehlt, ſeit jener großen Re - volution nur mehr ein trockenes, nacktes Felſengerippe iſt, auf welchem vielleicht weder Vegetation, noch Leben, noch irgend eine Bewegung, ſondern nur ewige Ruhe und Grabesſtille herrſcht, und daß daher der Mond entweder ſich ſelbſt überlebt hat und nun als unbrauchbarer Schlacken aus der Reihe bewohnbarer Welten herausgetreten iſt, oder daß er in einer Art von Verpup - pung ſeinem neuen, beſſern Leben, ſeiner Auferſtehung entgegen ſchlummert.

§. 142. (Bewohner des Mondes.) Demungeachtet hat es, nicht bloß unſern Dichtern, ſondern auch mehreren Aſtronomen gefallen, dieſe Wüſte mit Bewohnern, ja ſogar mit menſchenähn - lichen Bewohnern zu bevölkern. Jenen wird man dieſe poetiſche Licenz nicht verargen dürfen, da dieſer Himmelskörper der Ver - traute, um nicht zu ſagen, der Freund von uns allen in jener, wohl den meiſten meiner Leſer ſchon entſchwundenen Roſenzeit der Jugend geweſen iſt, in welcher die lebhaftere Einbildungskraft ſich ſo leicht und gern in die höheren Regionen ſchwingt, und da er198Der Mond.ſelbſt den Gefühlloſeſten, wenn er ſein Auge einmal zu dem ge - ſtirnten Himmel erhebt, durch die wunderbare Abwechslung ſeiner Geſtalt und durch ſein helles Licht an ſich zieht, das nicht nur die Fixſterne, ſondern ſelbſt das Licht Jupiters und der Venus verdunkelt:

Hesperus, that led The starry host, rode brightest: till the Moon Rising in clouded majesty, at length Apparent queen, unveiled her peerless form, And o’ver the dark her silver mantle threw. (Milton. )

Mögen nun die Aſtronomen ſelbſt zuſehen, wie ſie ſich ent - ſchuldigen können, wenn ſie, gegen ihre Gewohnheit, das Reich der Wahrheit verlaſſend, in das Gebiet der Phantaſie hinüber treten und uns von den Leuten im Monde, an deren Exiſtenz ſie wahrſcheinlich ſelbſt nicht glauben, ſo viele und ſo ſonderbare Dinge vorerzählen, daß ich beinahe Anſtand nehmen muß, ſie ihnen wieder nachzuſagen.

Daß dieſe Leute, wenn ſie überhaupt noch da ſind, von uns ſelbſt und allen, was wir auf unſerer Erde ſehen, nicht wenig verſchieden ſeyn mögen, wird wohl Niemand bezweifeln wollen, der ſich aus dem Vorhergehenden auch nur daran erinnerte, daß der Mond keine, wenigſtens keine mit der unſerer vergleichbaren Atmoſphäre hat, und alſo auch kein Waſſer haben kann, da das letzte, ohne jene, in kurzer Zeit verdünſten und nur mehr in luft - förmiger Geſtalt exiſtiren würde. Dieſer Mangel an Luft und Waſſer, dieſe allgemeine Dürre, verbunden mit der Abweſenheit aller eigentlichen Jahreszeiten auf dem Monde, muß auf das animaliſche und vegetabiliſche Leben auf der Oberfläche dieſes Weltkörpers einen großen und ſo weſentlichen Einfluß äußern, daß es uns ſchwer fallen mag, die Folgen eines ſolchen Zuſtandes auch nur in ſeinen größeren Zügen einigermaßen getreu darzuſtellen. Vielleicht leben die Geſchöpfe des Mondes, wie bei uns die Fi - ſche, nur in den tiefſten Theilen der Oberfläche deſſelben, nur auf dem Boden der vielen Höhlen und Abgründe, wo die ſonſt ſo199Der Mond.dünne Luft, durch den Druck der oberen Schichten verdichtet, für ihre Lungen noch athembar iſt, und wo ſie, wie bei uns die Bewohner des Innern der Erde, das Licht der Sonne ſcheuend, wie unſere Maulwürfe und Regenwürmer wohnen, oder gleich den Auſtern in ganzen Bänken gelagert, ihre Tage in unthätiger Trägheit verleben. Wer weiß, ob nicht die Mondbewohner, der drückenden, volle vierzehn unſerer Tage dauernden Sonnenhitze zu entgehen, ſich in jene Höhlen flüchten, aus welchen ſie nur für die Zeit ihrer eben ſo langen Nächte ſich herauswagen? Oder haben ſie ſich vielleicht eben in dieſen Tiefen, wie unſere al - ten Ritter auf den Bergſpitzen, ihre Burgen und Städte erbaut? Iſt doch, wie man ſagt, unſer eigenes unterirdiſches Rom größer, als das über der Erde erbaute. Man dürfte dieſe überirdiſche Stadt nur wegnehmen und den Boden unter ihr aufbrechen, wie man es mit Pompeji und Herculanum gemacht hat, um ſofort auch auf unſerer Erde eine ſolche Mondſtadt zu erhalten. Warum ſollten wir nicht annehmen dürfen, daß die Leute im Monde, wenn ſie ſchon einmal da ſeyn ſollen, auch zugleich ſo klein und eben ſo thätig und betriebſam wie unſere Ameiſen ſind, und daß ihrer daher auf dem Boden einer ſolchen Höhle nicht weniger in ſehr bequemen und geräumigen Häuſern beiſammen wohnen, als bei uns in Paris oder London zu finden ſeyn mögen. Sind nicht vielleicht die ſtraßenartigen Gänge und Streifen, von welchen wir oben geſprochen haben, und welche jene ausgebrannten Krater, jene unterirdiſchen Städte mit einander verbinden, wahre Straßen oder wahre Kanäle, durch welche alle dieſe Städte in gegenſeitige Com - munication geſetzt werden? Weil wir nur auf der Oberfläche un - ſerer Erde leben, ſollen darum die Bewohner anderer Weltkörper zu derſelben Lebensweiſe gezwungen ſeyn? Bei der Liebe zur Ab - wechslung und ſelbſt zu den auffallendſten Verſchiedenheiten, die wir in der Natur ſchon auf unſerem eigenen Wohnorte bemerken, ſollte da der entgegengeſetzte Schluß nicht auch zugleich der ange - meſſenſte, der wahrſcheinlichſte ſeyn?

Auch mag es mit der großen Trockenheit, die auf dem Monde herrſcht, vielleicht lange nicht ſo arg ſeyn, als man auf den erſten Blick glauben ſollte. Wegen des Mangels an Luft mag wohl die200Der Mond.Kälte, beſonders zu ihrer langen Nachtzeit, wie auf den Gipfeln unſerer hohen Berge, ſehr groß ſeyn, nicht minder groß, als die darauf folgende Hitze, wenn endlich nach vierzehn unſerer Tage die Sonne über ihm aufgeht und eben ſo lange über ihrem Hori - zonte verweilt. Aber dieſe langen Tage und Nächte erzeugen auch vielleicht durch eine Art von Deſtillation im halbleeren Raume eine ſtete Wanderung aller Feuchtigkeit, die von der durch die Sonne erwärmten Hemiſphäre nach der dunkeln Seite des Mon - des abfließt. Die Folge einer ſolchen Einrichtung würde eine ab - ſolute Trockenheit auf der Sonnenſeite und ein immerwährendes Hinſtrömen der Feuchtigkeit auf die Nachtſeite des Mondes ſeyn, ſo daß, was wir Regen und Thau nennen, dort regelmäßig alle vier Wochen die Runde um die ganze Kugel macht, und daß ſelbſt die ebenfalls um den Mond wandernde Lichtgränze einem Fluſſe zu vergleichen iſt, der gleich einem beweglichen Reifen die ganze Kugel umſpannt und in jedem Monate abwechſelnd je - den Theil der Oberfläche mit Waſſer verſorgt und zur Vegetation vorbereitet, wie es der Nil bei uns nur in jedem Jahre einmal thut. Bei einer ſolchen Einrichtung wäre es ſelbſt ſehr möglich, daß eine immerwährende Evaporation auf der einen und eine ſte - tige Condenſation auf der andern Seite des Mondes eine Art von Gleichgewicht in dem Zuſtande der Temperatur ſowohl, als auch in dem der Feuchtigkeit und Trockenheit hervorbringt, der die Extreme derſelben mäßiget und auf die Bewohner jenes Weltkör - pers ſehr wohlthätig einwirkt.

Wir haben bereits oben geſagt, daß den Seleniten unſere Erde in der Oberfläche dreizehnmal größer, als uns der Mond, erſcheint und daß ſie ihnen dieſelben Abwechslungen der Licht - geſtalten zeigt, die wir bei dem Monde bemerken. So auffal - lend dieſe Erſcheinungen bei einem ſo großen Weltkörper an ſich ſeyn mögen, ſo ſehr werden ſie auch ohne Zweifel ſchon daran ge - wohnt ſeyn, und es wird auch dort nicht an Leuten fehlen, die ſich um alles das, was über ihnen am Himmel vorgeht, nicht weiter bekümmern. Aber dafür werden eben dieſelben und aus eben derſelben Urſache, wie bei uns, deſto mehr betroffen und er - ſchrocken ſeyn, wenn nun der gewöhnliche Lauf dieſer Erſcheinungen201Der Mond.plötzlich unterbrochen wird und jener große Himmelskörper ſich mitten am Tage zwiſchen ſie und die Sonne ſtellt und alles um ſie her in die Finſterniß der Nacht einhüllt. Ohne Zweifel ſind dieſe Erſcheinungen auch auf dem Monde, für den großen Haufen wenigſtens, ein Gegenſtand der Furcht und des Entſetzens, wie ſie es ſo lange Zeit auf der Erde waren*)In Oſtindien iſt der Glaube noch heut zu Tage ſehr verbreitet, daß bei einer Mondsfinſterniß ein böſer Geiſt ſeine rabenſchwar - zen Fittige über den Mond ausbreite, um ihn vom Himmel herabzuziehen, daher die Indier den Flüſſen zueilen und ſich bis an den Kopf ins Waſſer ſtecken, um ſich dadurch vor den An - griffen des böſen Geiſtes zu ſchützen. Noch ſinnreicher ſtellen ſich die Bewohner der Weſtküſte von Afrika vor, daß die Fin - ſterniſſe von einer großen ſchwarzen Katze verurſacht werden, die ihre Pfoten auf die Sonne oder den Mond legt. Die Tala - poinen oder Mönche in Siam geben vor, daß die europäiſchen Aſtronomen nur deßhalb die Zeit, die Dauer und Größe der Finſterniſſe ſo ſcharf vorherſagen können, weil ſie den Appetit eines großen Drachen genau kennen, der zur Zeit einer Finſter - niß die Sonne oder den Mond verſchlingen will. Die ſonſt ſo gebildeten Griechen glaubten lange Zeit, daß der Mond zur Zeit der Finſterniſſe von boshaften Magiern bezaubert werde, die ihn durch ihre Künſte vom Himmel herab ziehen und dann mit ſei - nem Schaume die Kräuter vergiften und die Thiere tödten. Wir mögen uns immerhin in Acht nehmen, über dieſe Völker zu laut zu lachen, da unſere eigenen Väter vor noch nicht gar langer Zeit es nicht viel beſſer machten. Manche meiner Leſer haben vielleicht einige von den vielen Schriften geleſen, die zur Zeit der totalen Sonnenfinſterniß des 12. Mai 1706 in allen Theilen unſeres auch damals ſchon ſehr ſchreibſüchtigen Deutſchlands er - ſchienen ſind. Dieſe Finſterniß war in der That eine der größ - ten, die ſeit langer Zeit in Europa erſchienen waren. Der Schatten des Mondes zog beinahe über dieſen ganzen Welttheil hin, und diejenigen Gegenden, welche die Finſterniß total ſahen, hatten mitten am Tage eine ſtockfinſtere Nacht von beinahe fünf Minuten. Während dieſer Zeit konnte man weder leſen noch arbeiten und kaum erkannte man ſich neben einander. Die Nacht - vögel kamen aus ihren Klüften und die Thiere des Feldes ſuch - ten ihre Nachtlager auf. Man konnte neben der verfinſterten Sonne die Planeten Merkur, Venus, Jupiter und Saturn und ſelbſt alle größeren Fixſterne deutlich ſehen. Dafür war aber auch dieſe Finſterniß der Gegenſtand des Geſpräches, ſelbſt in den ſogenannten aufgeklärten Zirkeln und die Gelehrten auf un - ſeren Univerſitäten lieferten tiefſinnige Betrachtungen über die. Auch ſie werden202Der Mond.ſich ohne Zweifel in ihre Höhlen und Klüfte flüchten und unſere Erde über ſich entrüſtet oder uns für bezaubert halten, und was dergleichen Thorheiten mehr ſeyn mögen, in welchen wir ihnen mit unſerm Beiſpiele vorausgegangen ſind. Denn welches Recht ſollten ſie haben, geſcheuter zu ſeyn, als wir? Iſt der Mond nicht der Satellit, der Diener und Fackelträger der Erde? Und da dieſe große Erde in allen ihren Theilen der Thorheiten ſo voll iſt, warum ſollte der kleine Mond eine Ausnahme von dieſer, wie es ſcheint, allgemeinen Regel machen? Sie ſollten uns in Furcht ſetzen können und wir ſie nicht? Es hat große Völkerſchaften bei uns gegeben und es gibt ihrer wohl noch, die den kleinen Mond als eine Gottheit angebetet haben, warum ſollten daſſelbe nicht auch die Völker im Monde mit der viel größern Erde thun kön - nen, und warum ſollten überhaupt wir allein im ganzen großen Weltalle die einzigen Thoren ſeyn dürfen?

Aber ſo ſehr ſie uns auch in dieſem Stücke gleichen mögen, in vielen anderen ſind ſie gewiß wieder eben ſo ſehr von uns ver - ſchieden, und wir würden uns gewiß nicht wenig über ihre Geſtalt und über ihr ganzes Weſen verwundern, wenn wir einmal Gele - genheit haben ſollten, zu ihnen heraufzukommen, nicht weniger ohne Zweifel, als ſie ſelbſt ſich über uns verwundern würden, wenn ſie uns einmal näher zu Geſichte bekommen ſollten. Gewiß können ſie ſich eben ſo wenig vorſtellen, wie es hier unten zugeht, als wir ſelbſt uns einen Begriff von ihrem Treiben dort oben ma - chen können. Wie ſollte es ihnen nur einfallen, daß es auf der großen, lichten Scheibe, die über ihnen am Himmel ſchwebt, eine ſo ſeltſame Gattung von Geſchöpfen gebe, die man das menſchliche*)giftigen Nebel, die bei dieſer und überhaupt bei jeder Finſterniß auf die Erde fallen, daher man die Brunnen ſorgſam zudecken und das Vieh in ihre Ställe treiben ſoll, und was dergleichen Dinge mehr ſeyn mochten, die man in Kindermann’s Reiſen in die eröffneten Himmelskugeln 1779 nachſehen kann, welches Werk damals in Jedermanns Händen war und mit einer Art von Heiß - hunger geleſen wurde, obſchon es auch geſcheutere Leute gab, die ihre Mitbürger eines Beſſern belehren wollten, die aber nicht gehört, wohl gar als Freigeiſter verſchrieen wurden.203Der Mond.Geſchlecht und das ſich ſelbſt, ohne Zweifel aus zu großer Be - ſcheidenheit, das Meiſterſtück der Schöpfung und Gottes wahres Ebenbild zu nennen pflegt; ein Geſchlecht, das ſo thörichte Leiden - ſchaften hegt und dabei ſo weiſe Betrachtungen anſtellt; das ſo kurzdauernd iſt und doch ſo weitausſehende Plane anſpinnt; das ſo viel Kenntniſſe von den unnützeſten Dingen hat und doch die allernothwendigſten nicht weiß; das ſo viel Freiheitsdrang neben den knechtiſchſten Geſinnungen und ſo viel Verlangen nach Glück - ſeligkeit hat und doch keine Kraft beſitzt, ſie zu genießen.

Uebrigens, was geht das ſie an. Gewiß nicht mehr, als ſie uns ſelbſt angehen mögen. Genug, wenn jeder von uns mit ſich und ſeiner nächſten Umgebung zufrieden iſt. Warum ſollten wir uns auch um ſie, die ſo weit von uns entfernt ſind, bekümmern, wir, die wir nicht einmal unſere nächſten Nachbarn kennen, die daſſelbe Haus mit uns bewohnen? In der That, wir befinden uns mit dieſen Nachbarn ſchon ſo lange Zeit auf einem gemeinſchaft - lichen Schiffe und haben ſie noch nicht einmal geſehen. Wir be - wohnen, wie wir wenigſtens glauben, das Vordertheil dieſes Schif - fes, während die Leute von Lappland oder die von Neuholland den Hintertheil des Fahrzeuges einnehmen, und ſo neugierig auch beide ſeyn und ſo gern ſie ſonſt vor fremden Thüren kehren - gen, ſo weiß doch einer nichts von dem anderen, und findet es auch kaum der Mühe werth, darnach zu fragen, während ſie doch alle gern wiſſen möchten, was dort oben im Monde, in einem anderen Schiffe vorgeht, das ſo weit von uns auf dem großen Ocean der Welten herumſegelt*)Da wir, wie wir aus dem Vorhergehenden wiſſen, keine Hoff - nung haben, je eine Reiſe in den Mond zu machen, ſo bleibt uns, mit den Bewohnern deſſelben Bekanntſchaft zu machen, kein anderes Mittel übrig, als eine Art von Correſpondenz zwiſchen dieſen beiden Schiffen zu etabliren. Aber auf welche Art? An Poſten und Paketboote iſt nicht zu denken. Aber vielleicht an Telegraphen? Sie müßten etwas groß ſeyn, um in der Entfernung von 50000 Meilen noch geſehen zu werden. Allein dieſe Schwierigkeit ließe ſich vielleicht, wenn man weder Mühe noch Koſten ſcheut, noch beſeitigen. Die größere und ſchwerer zu beſiegende, würde die Wahl der Zeichen.

204Der Mond.

Daß es auf dieſem Schiffe ganz anders hergeht, als auf dem unſeren, daraus folgt noch nicht, daß jene Reiſenden weniger glück - lich und zufrieden ſind, als wir ſelbſt, da auch ſie wahrſcheinlich*)und der Sprache ſeyn, die man für dieſe telegraphiſche Cor - reſpondenz beſtimmen ſoll. So viel auch Sprachen auf unſerer Erde angetroffen werden, ſo ſind ſie doch alle auf dem Monde unbekannt, und es iſt ſehr möglich, daß die Leute dort gar keine eigentliche Sprache haben und ſich auf ganz andere Art unter einander verſtändlich machen. Und die Zeichen? Dieſe ſind allerdings willkührlich, aber dafür muß auch eine vorläufige Verabredung vorausgegangen ſeyn, wenn man anders ſich gegenſei - tig verſtehen will. Wie ſoll man aber dieſe Verabredung treffen, da uns auch dazu alle Mittel fehlen? In dieſer Verlegenheit hat einer unſerer ausgezeichnetſten Geometer einen Vorſchlag gemacht, der manchem auf den erſten Blick ſehr ſonderbar, der aber, genauer beſehen, doch als der einzig mögliche erſcheinen wird, und der, der Sonderheit der Sache wegen, hier eine kurze Erwähnung verdient, wenn gleich Niemand, und am wenigſten der Erfinder des Vorſchlags ſelbſt, an eine Ausführung deſſelben denkt. Er ging von der Vorausſetzung aus, daß die Leute im Monde, wie ſie auch übrigens beſchaffen ſeyn mögen, mit Ver - ſtand begabte Weſen ſind. Wer dieß nicht annehmen will, muß es auch überflüſſig und ſelbſt thöricht finden, mit dieſen Geſchöpfen eine Correſpondenz irgend einer Art zu etabliren. Wenn ſie alſo, ſchloß er weiter, in der That verſtändige We - ſen ſind, ſo werden ſie, da der Verſtand überall derſelbe ſeyn muß, die eigentliche Verſtandes-Wiſſenſchaft, d. h. die Mathematik treiben. Wenn ſie ſich aber mit Mathematik beſchäftigen, ſo können ihnen, da ſie ſchon ſo lange zur Schule gehen, wenig - ſtens die erſten Hauptſätze der Geometrie nicht unbekannt ſeyn. Wenn man ihnen daher eine der ſprechendſten Figuren der Ele - mentargeometrie, z. B. die bekannte des ſogenannten Quadrats der Hypotenuſe, im großen Maaßſtabe, etwa auf einer weiten Ebene der Erde verzeichnet, vorlegte, ſo daß ſie dieſelben erkennen könnten, ſo würden ſie wahrſcheinlich dadurch aufmerkſam gemacht werden und uns vielleicht mit der Zeit durch eine ähnliche Figur, die ſie auf der Mondsfläche ausführen, eine Antwort und ein Zeichen geben können, daß ſie uns[verſtanden] haben. Dadurch würden wir alſo wenigſtens die Ueberzeugung erhalten haben, daß es dort oben Weſen gibt, die mit Verſtand begabt ſind und mit denen zu correſpondiren es der Mühe werth iſt. Sonach wäre der erſte Schritt zu einer näheren Bekanntſchaft mit den Mondsbürgern gemacht und die andern werden folgen, wenn erſt dieſer ins Reine gebracht ſeyn wird.205Der Mond.wieder ganz andere Weſen ſind, als die, welche wir hier unten kennen gelernt haben. Die Natur wird Mittel genug haben, ſie für das, was wir Entbehrungen nennen, reichlich zu entſchädigen. Ihre Fluren werden vielleicht durch keinen Regen erquickt, aber auch durch keinen Hagel zerſchlagen. Sie kennen die Morgen - und Abendröthe nicht, aber ſie wiſſen auch nichts von Wolken und Platzregen, der ihre Felder überſchwemmt, nichts von Orkanen, die ihre Wohnungen zerſtören. Wenn ſie keinen Regenbogen ſe - hen, ſo ſehen ſie auch die verheerenden Blitze nicht, noch weckt ſie das Brüllen des Donners aus ihrem Schlafe, in welchem ſie ſtill und friedlich ihre Tage verträumen, während wir die unſeren in ſtetem Kampfe mit uns ſelbſt und unſeren Umgebungen zubringen, und während unſeren Freuden nur zu oft Schmerz und Reue folgt, ſind ihnen vielleicht beide völlig unbekannt. Wenn wir, die wir mit einem vielleicht ſehr übel angebrachten Stolze zuweilen auf unſern ſogenannten Diener und auf die Bewohner deſſelben herab - ſehen, wenn wir, wenn die Beſten von uns ihr Glück in einem thatenreichen, mit Ehre und Schätzen bedeckten leben ſuchen und es nicht finden ſo kümmern ſie, in ihrer ewigen Ruhe, ſich nichts um das Schattenbild des Ruhmes und genießen dafür ein wohl weniger glänzendes, aber dafür auch ein deſto reineres und ſtetigeres Glück und haben keine Urſache, uns um unſer Drängen und Treiben zu beneiden. Wenn ſie die Buchdruckerkunſt noch nicht erfunden haben ſollten, ſo kennen ſie dafür auch die vielen ſchlechten Bücher nicht, mit welchen wir geplagt ſind, ſo iſt ihnen auch alle die Mühſeligkeit und Verkehrtheit unbekannt geblieben, die in dem Gefolge jener Erfindung über uns kam und wenn ſie dadurch in ihren Schulen und Univerſitäten etwas zurückge - blieben ſeyn und, wie man ſagt, das Pulver noch nicht erfunden haben ſollten, ſo iſt ihnen dafür auch unſere höhere Tactik unbe - kannt geblieben, durch die wir, ohne zu wiſſen warum, unſere Brüder zu Tauſenden in einer Stunde morden, blühende Städte in Aſchenhaufen und glückliche Länder in Wüſten und Leichenfelder verwandeln. Und in der That, wenn wir uns ſchon einmal dieſen Gegenſätzen überlaſſen wollen, wer könnte es uns verargen, wenn wir die ſchon längſt von der Erde aus Pandora’s Urne entflohenen206Der Mond.Güter dort aufſuchen möchten: den ewigen Frieden, nach dem wir ſchon ſo lange vergebens ſeufzen, das goldene Zeitalter, das nur mehr in unſeren Gedichten lebt, und die Unſchuld der Sitten, die, nach Arioſto’s lieblicher Dichtung, ſammt dem ver - lornen geſunden Menſchenverſtande unſerer großen Gelehrten und Helden, dort unter der Aufſicht eines eigenen Genius in be - ſonderen Phiolen aufbewahrt werden ſollen.

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Kapitel X. Die Monde der drei äußerſten Planeten.

§. 143. (Die vier Monde Jupiters.) Der Planet Jupiter iſt, wie bereits oben (I. S. 180 und 336) geſagt wurde, von vier Monden umgeben. Da die Neigungen ihrer Bahnen gegen die ihres Hauptplaneten ſämmtlich zwiſchen zwei und drei Graden enthalten ſind, ſo erſcheinen ſie uns immer ſehr nahe in einer geraden Linie aufgeſtellt, deren Richtung durch den Mittelpunkt Jupiters geht. Schon mittelmäßige Fernröhre ſind hinreichend, ſie zu erkennen.

Die mittleren Entfernungen und Umlaufszeiten, ſo wie die Größen dieſer vier Monde, ſind bereits oben (I. S. 336) angegeben worden. Aus den dort mitgetheilten Angaben folgt, daß ihre Durchmeſſer, von dem, dem Planeten nächſten anzufangen, 1 / 34, 1 / 42, 1 / 24 und 1 / 34 des Durchmeſſers von Jupiter ſind, daß alſo der zweite der kleinſte und der dritte der größte iſt. In Beziehung auf dieſe ihre Durchmeſſer iſt der erſte und vierte nahe doppelt ſo groß, als der Mond der Erde, der dritte hat einen nahe fünfmal größeren Durchmeſſer als unſer Mond und der zweite endlich iſt ihm beinahe gleich.

§. 144. (Wie ſie von Jupiter geſehen erſcheinen und umgekehrt.) Von der Oberfläche Jupiters geſehen erſcheinen ſie, in derſelben208Die Monde der drei äußerſten Planeten.Ordnung, unter dem ſcheinbaren Durchmeſſer von 33, 17, 19 und 7 Minuten; von der Erde aber beträgt keiner dieſer Durchmeſſer noch zwei Secunden.

Dafür erſcheint Jupiter ſelbſt auf dieſen Monden von einer gewaltigen und impoſanten Größe. Die Bewohner des nächſten Mondes ſehen ihren Hauptplaneten unter einem Durchmeſſer von 19¾ Graden, alſo 37 mal größer, als uns der Durchmeſſer der Sonne, oder in der Oberfläche 1370 mal größer, als uns die Oberfläche der Sonne erſcheint. Für dieſen Satelliten kann daher ſein Hauptplanet das ganze große Sternbild des Orion bedecken, und wenn er an dem Horizonte des Mondes auf - oder untergeht, ſo nimmt er den achtzehnten Theil deſſelben ein. Auf dem zweiten Satelliten erſcheint Jupiter, in Beziehung auf ſeine Oberfläche 620, auf dem dritten 240 und auf dem vierten endlich 78 mal größer, als uns die Oberfläche der Sonne.

Der Durchmeſſer der Sonne ſelbſt aber erſcheint den Be - wohnern Jupiters und ſeiner Satelliten nur mehr unter dem kleinen Winkel von ſechs Minuten, ſo daß der Abſtand in der Größe, wie den Bewohnern der Satelliten die Sonne und ihr Hauptplanet erſcheint, noch viel auffallender iſt. In der That ſehen die Bewohner des erſten oder nächſten Mondes die Ober - fläche Jupiters 37000, die des zweiten 14600, des dritten 5800 und endlich die des vierten 1800 mal größer, als ſie die Sonne ſehen, von welcher ſie im Mittel um 108 Millionen Meilen ent - fernt ſind.

§. 145. (Vorübergänge dieſer Satelliten vor der Scheibe Ju - piters.) Es wurde bereits (I. S. 337) bemerkt, daß man dieſe Monde mit guten Fernröhren zuweilen auf der Scheibe Jupiters ſelbſt bemerkt, wenn ſie nämlich zwiſchen ihm und der Erde durch - gehen. Sie erſcheinen dann als kleine, runde Flecken, die ſich durch ihre dunklere Farbe auf dem beleuchteten Hintergrunde Jupiters auszeichnen. Oefters ſchon hat man in dieſen Flecken einen kleinen helleren oder grauen geſehen, der mit dem Monde ſelbſt dieſelbe Geſchwindigkeit und Richtung der Bewegung hat und daher ein dunkler Flecken dieſes Mondes iſt. Bei dem vierten Satelliten hat man überdieß eine periodiſche Aenderung ſeines209Die Monde der drei äußerſten Planeten.Lichtes bemerkt, indem er immer am ſtärkſten glänzt, wenn er weiter als Jupiter von der Erde entfernt iſt, und am ſchwächſten, wenn er für uns diesſeits ſeines Hauptplaneten ſteht, ſo daß er uns dort ſeine hellere, hier aber ſeine dunklere Seite zuzuwenden ſcheint. Man hat daraus den Schluß gezogen, daß auch dieſe Monde, ſo wie der der Erde, in derſelben Zeit ſich um ihren Hauptplaneten bewegen, in welcher ſie ſich um ihre Axe drehen. Spätere Beobachtungen haben dieß bei dieſen vier Monden ſo - wohl, als auch ſelbſt bei einigen Monden Saturns vollkommen beſtätiget. (Vergl. I. S. 340). Dieſe Gleichheit der Revolution und Rotation ſoll ſchon Hartſöker i. J. 1706 gemuthmaßt haben, und wenn er gleich die Gründe davon nicht angeben konnte, ſo war es doch gut, uns durch die Bekanntmachung ſeiner Meinung auf die Sache aufmerkſam gemacht zu haben. Es iſt allerdings viel leichter zu muthmaßen, als zu beweiſen oder zu erfinden, und wir haben, beſonders in der Aſtronomie, Beiſpiele genug, die dieß beſtätigen. Aber auch jene erſten Muthmaßungen haben oft ihren hohen Werth, und es iſt nicht Jedermanns Sache, mit Glück ſolche aufzuſtellen, die oft erſt ſpät nachher durch unmittelbare Beobachtungen wahr befunden werden, und die oft ſelbſt den Beobachter auf den richtigen Weg geleitet und die eigentliche Erfindung vorbereitet haben. Man ſollte es daher Niemand, der ſich dazu aufgelegt fühlt, verargen, Muthmaßungen, ſelbſt gewagte, aufzuſtellen, und mit Hypotheſen zu experimentiren, da dieſe Spiele, denn mehr ſind ſie gewöhnlich anfangs nicht, unſchuldige Opera - tionen ſind, die ſpäter ſehr nützlich werden können, wenn ſie in die rechten Hände fallen, obſchon ſie übrigens, man muß es ge - ſtehen, auch ſchon Unheil genug angerichtet haben. Dieſe Dinge laſſen ſich mit dem Feuer vergleichen, von dem man zu ſagen pflegt, es ſey ein vortrefflicher Diener, aber ein ſehr gefährlicher Herr.

Da übrigens dieſer periodiſche Lichtwechſel und jene dunklen Flecken auf der Oberfläche des Satelliten nicht bei jedem Umlaufe deſſelben um ſeinen Hauptplaneten ſichtbar ſind, ſo ſcheinen auf dieſer Oberfläche öfter bedeutende Umwälzungen vor ſich zu gehen, da ſie ſelbſt in der großen Entfernung dieſer Himmelskörper vonLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 14210Die Monde der drei äußerſten Planeten.uns noch ſichtbar ſeyn können. Wahrſcheinlich ſind daher dieſe Monde, ſo wie ihr Hauptplanet ſelbſt mit ſehr dichten Atmoſphären umgeben, in welchen große Revolutionen ſtatt haben.

§. 146. (Verfinſterungen dieſer Monde.) Eben ſo iſt bereits früher (I. S. 338) bemerkt worden, daß die Verfinſterungen der Satelliten Jupiters uns ein ſehr bequemes Mittel gewähren, die geographiſche Länge der Beobachtungsorte zu beſtimmen, das be - ſonders auf der See ſehr gut angewendet werden konnte, da dieſe Finſterniſſe ſo oft wiederkehren und viel häufiger, als bei unſerm Monde, vorfallen. In den neueren Zeiten, wo die Theorie und die Tafeln unſeres eigenen Mondes zu einer ſo großen Vollkom - menheit gebracht worden ſind, bedient man ſich zu dieſem für die Seefahrt ſo wichtigen Zwecke vorzugsweiſe der beobachteten Diſtanzen des Mondes von den übrigen Geſtirnen, allein zur Zeit der Ent - deckung jener Satelliten, im Anfange des ſiebenzehnten Jahr - hunderts, hatte man kein anderes Mittel, die geographiſche Länge zweier ſehr von einander entfernten Orte zu beſtimmen, als eben die Finſterniſſe dieſer Satelliten, da die Finſterniſſe unſeres Mon - des (I. §. 174. 175) zu ſelten vorfallen, um auf der See von großem Nutzen zu ſeyn.

Sey S die Sonne (Fig. 14), I Jupiter, A B C die Bahn der Erde und a b c d die Bahn eines Satelliten dieſes Planeten, wo ſich die Erde und der Satellit von Weſt nach Oſt oder in der Richtung A B C und a b c bewegen. Wenn der Satellit in der Gegend a b ſeiner Bahn, oder in der Nähe des Schattenkegels c N d iſt, den Jupiter, von der Sonne S beſchienen, hinter ſich wirft, ſo verſchwindet er unſeren Blicken, ſobald er in dieſen Schatten tritt, und verurſacht dadurch für die Bewohner des Hauptplaneten eine Mondesfinſterniß. Wenn aber der Satellit in der Gegend c d ſeiner Bahn, zwiſchen der Sonne und ſeinem Hauptplaneten ſteht, ſo wirft er ſeinen eigenen Schatten auf den letzten und erzeugt dadurch eine Sonnenfinſterniß. (Vergl. I. S. 337.) Man ſieht daraus, daß die Finſterniſſe dieſer Satelliten im Allgemeinen ganz analog mit denen unſeres Mondes (I. S. 333) ſind, obſchon ſie ſich auch wieder in einigen Nebenumſtänden weſentlich von ihnen unterſcheiden. Wegen der viel größeren211Die Monde der drei äußerſten Planeten.Entfernung Jupiters von der Sonne iſt nämlich der Schattenkegel, den dieſer Planet hinter ſich wirf, viel länger, und wegen der ungemeinen Größe Jupiters iſt ſein Schatten auch viel breiter, als der der Erde. Dieſe Satelliten ſelbſt ſind überdieß gegen ihren Hauptplaneten viel kleiner, als der Mond gegen die Erde, ihre Bahnen ſind viel weniger gegen die Ecliptik geneigt und auch verhältnißmäßig bedeutend kleiner, als die Bahn unſeres Mondes. Aus dieſen Gründen gehen die drei erſten oder nächſten Satelliten Jupiters, ſo oft ſie bei a b mit der Sonne in Oppoſition ſind, immer durch den Schatten des Planeten, oder ſie werden bei jedem Neumonde verfinſtert und ſelbſt der vierte muß, wenn er ja zuweilen dieſem Schatten oben oder unten vorbeigeht, den Rand deſſelben meiſtens ſtreifen. Aber der vorzüglichſte Unterſchied zwiſchen den Finſterniſſen dieſer Satelliten und unſeres Mondes beſteht darin, daß wir jene nicht, wie dieſe, aus dem Mittelpunkte der Bewegung dieſer Satelliten, ſondern von irgend einem Punkte A, B, C der Erdbahn ſehen, der nicht in der Richtung der geraden Linie liegt, welche die Sonne, den Planeten und den Satelliten mit einander verbindet, ſo daß alſo die Schattenaxe I N zu ver - ſchiedenen Zeiten auch eine verſchiedene Lage gegen die Geſichts - linie haben wird, die von der Erde nach Jupiter geht. Dieſer Umſtand macht zwar keinen Unterſchied in der abſoluten Zeit, wann dieſe Mondesfinſterniſſe bei a b anfangen und enden, denn da ſie wahre Beraubungen des nur geborgten Lichtes der Satelliten ſind, ſo müſſen dieſelben aus allen Orten in demſelben Augenblicke geſehen werden, aber er hat dafür einen deſto größeren Einfluß auf die Sichtbarkeit dieſer Finſterniſſe, wie wir ſogleich näher ſehen werden.

Der Satellit wird in dem Augenblicke verfinſtert, wo er in dem Punkte a in den Schattenkegel Jupiters tritt, aber nicht plötzlich, da der Satellit zuerſt in den Halbſchatten tritt und doch immer einen beträcht - lichen Durchmeſſer hat und daher nur nach und nach in den Schatten treten oder allmählig ſich unſern Blicken entziehen kann. Dieſe Zeit der völligen Extinction ſeines Lichtes wird ſo groß ſeyn, als diejenige Zeit, die der Satellit braucht, in ſeiner Bahn einen Bogen, ſo groß als ſein eigener Durchmeſſer, zu beſchreiben, oder eigentlich14 *212Die Monde der drei äußerſten Planeten.noch etwas größer, wegen des Halbſchattens, der durch die zwei geraden Linien begränzt wird, welche die Sonne an ihrem oberen und Jupiter an dem entgegengeſetzten, untern Rande be - rühren. Daſſelbe wird auch am Ende der Finſterniß ſtatt haben, wenn der Mond bei b wieder die zweite Grenze des Schattens verläßt. Es wird alſo auch ſehr ſchwer ſeyn, den eigentlichen Anfang der Verfinſterung des Satelliten, ſo wie das völlige Ende deſſelben genau anzugeben, und man ſieht, daß die Güte des Auges und des Fernrohrs, und die Reinheit der Atmoſphäre während der Beobachtung einen großen Einfluß auf dieſelbe äußern kann. Dieſen ungünſtigen Umſtand ſo viel als möglich zu ver - meiden, wird man ſich daher, wo es ſeyn kann, nie mit der Be - obachtung des bloßen Anfanges oder auch des Endes einer ſolchen Finſterniß begnügen, ſondern man wird, mit demſelben Fernrohre, beide Momente beobachten und aus ihnen das Mittel nehmen, wo man dann die Zeit desjenigen Augenblicks erhält, wo der Satellit in der Schattenaxe I N oder in Oppoſition mit der Sonne geweſen iſt. Nur ſolche vollſtändige Beobachtungen einer Finſterniß, wenn ſie an mehreren Orten angeſtellt wurden, wird man mit Sicherheit zur Beſtimmung der geographiſchen Länge dieſer Orte (nach I. S. 338), ſo wie auch zur Verbeſſerung der Theorie der Bewegungen dieſer Himmelskörper anwenden.

Der bloße Anblick der Zeichnung lehrt ſchon, daß dieſe Finſterniſſe alle auf der Weſtſeite von Jupiter ſtatt haben, wenn die Erde ſelbſt weſtlich von der Schattenaxe S I N liegt, d. h. in der Zeit, die der Oppoſition Jupiters vorhergeht; dieſe letzte aber hat ſtatt, wenn die Erde in C, oder wenn ſie ſelbſt in der Schattenaxe liegt. Je näher die Erde dieſem Punkte C der Oppo - ſition kömmt, deſto näher kömmt auch die Geſichtslinie A a, B a.. zu ihrer Coincidenz mit der Schattenaxe I N, deſto weniger ſind beide Linien A a und I N gegen einander geneigt und deſto näher an dem weſtlichen Rande Jupiters werden auch die Eintritte der Satelliten ſich ereignen. Wenn die Erde in den Punkt B kömmt, wo die Linie B b, die man von der Erde nach dem Satelliten zur Zeit ſeines Austritts aus dem Schatten zieht, den Planeten an ſeinem weſtlichen Rande berührt, ſo haben dieſe Austritte;213Die Monde der drei äußerſten Planeten.wie ſie von der Erde geſehen werden, an dem Rande Jupiters ſelbſt ſtatt, und können daher zu dieſer Zeit eben ſo wenig geſehen werden, als die darauf folgenden Tage, wo dieſe Austritte für uns ſogar hinter der Scheibe Jupiters vor ſich gehen. Noch ſpäter wird man auch die Eintritte bei a nicht mehr ſehen, da auch dieſe, von der Erde geſehen, ſich hinter dem Planeten ereignen.

Vor der Oppoſition Jupiters alſo oder zu der Zeit, wo dieſer Planet Vormittags durch den Meridian geht, fällt der Schatten - kegel deſſelben für uns auf die weſtliche, nach der Oppoſition aber auf die öſtliche Seite, daher wir dort die Eintritte der Monde auf der weſtlichen, hier aber die Austritte derſelben auf der öſtlichen Seite Jupiters ſehen, während uns dort die Austritte auf der öſtlichen und hier die Eintritte auf der weſtlichen Seite unſichtbar ſind, indem uns beide von der Scheibe des Planeten ſelbſt ver - deckt werden. In der Mitte zwiſchen der Oppoſition und Con - junction aber, wo Jupiter am weiteſten oder neunzig Grade von der Sonne entfernt iſt, und wo er daher um ſechs Uhr Morgens oder Abends durch den Meridian geht, fällt ſein Schatten auch am meiſten gegen Oſt oder Weſt und dieſer Schatten iſt dort, wo die zwei äußerſten Satelliten durch ihn gehen, von dem Planeten ſchon ſo fern, daß keine der beiden Seiten des Schattens für uns von der Scheibe des Planeten bedeckt werden kann, daher wir alſo auch dann, von dieſen beiden Satelliten, die Eintritte ſowohl, als auch die darauf folgenden Austritte, oder daß wir die Finſterniſſe der - ſelben in ihrer ganzen Dauer ſehen können. Die zwei andern Satelliten aber ſtehen ihrem Hauptplaneten immer ſo nahe, daß man vor der Oppoſition bloß ihre Eintritte und nach der Oppo - ſition bloß ihre Austritte ſieht, daher auch die Finſterniſſe dieſer zwei nächſten Satelliten zu einer genauen Beſtimmung der geographiſchen Länge viel weniger geſchickt ſind, als die der beiden anderen.

§. 147. (Verfinſterungen Jupiters durch dieſe Monde.) Anders verhält ſich die Sache, wenn der Satellit in ſeiner Bahn zu dem Punkte c kömmt, wo er zwiſchen der Sonne und ſeinem Planeten iſt, und wo man ihn dann von der Erde als einen runden Flecken über die Scheibe dieſes Planeten ziehen ſieht, ſobald er in die214Die Monde der drei äußerſten Planeten.gerade Linie tritt, welche die Erde in A, B oder C mit dem öſtlichen Rande des Planeten verbindet. Dieß ſind wahre Sonnen - finſterniſſe für die Bewohner Jupiters (I. §. 175), während die vorher betrachteten Erſcheinungen als Mondesfinſterniſſe (I. §. 174) anzuſehen waren. In der That wirft dann der Satellit in c d ſeinen eigenen Schattenkegel auf die ihm gegenüber ſtehende Oberfläche des Planeten und verdunkelt dieſem dadurch das Licht der Sonne. Zu derſelben Zeit ſieht man dann auch noch einen zweiten nahe eben ſo großen, grauen Flecken dem Satelliten vorausgehen, wenn die Finſterniß vor der Oppoſition Jupiters ſich ereignet, oder ihm folgen, wenn ſie nach der Oppoſition ſtatt hat. Dieß iſt offenbar der Schatten des Satelliten, der über die Oberfläche des Pla - neten während der Finſterniß hinzieht. Bei dieſen Vorübergängen der Satelliten, die mit lichtſtarken Fernröhren ſehr ſcharf beob - achtet werden können, ſieht man den Satelliten auch zuweilen als einen dunklen, nicht mehr runden, ſondern unregelmäßig be - gränzten Flecken, deſſen Dimenſionen beträchtlich kleiner ſind, als die ſeines Schattens, woraus Schröter und Harding den Schluß gezogen haben, daß dieſe Satelliten zuweilen auf ihrer Oberfläche oder in ihrer Atmoſphäre große, dunkle Stellen haben.

§. 148. (Theorie der Satelliten Jupiters.) Die Theorie der Bewegungen und der gegenſeitigen Störungen dieſer Satelliten iſt großen Schwierigkeiten unterworfen. Aber ihre große Entfernung von uns geſtattet, bei den vorzüglichſten ihrer Perturbationen ſtehen zu bleiben, da wir die kleinern Ungleichheiten doch nicht mehr unterſcheiden können. Bailly, der ſich durch ſeine ſchöne, obgleich etwas dichteriſche Geſchichte der Aſtronomie ausgezeichnet hat, und deſſen grauſamer Tod zur Zeit der Schreckensregierung in Frank - reich ein entſetzlicher Beweis der Unbeſtändigkeit der Volksgunſt iſt, war der erſte, der die Theorie dieſer vier Monde durch Hülfe der Analyſe zu bearbeiten ſuchte. Da aber ſein Verſuch noch zu unvollkommen war, ſo machte die k. Academie in Paris i. J. 1766 dieſen ſchwierigen Gegenſtand zu einer Preisfrage, die Lagrange in ihrem ganzen Umfange in einer Abhandlung löste, welche eine der ſchönſten iſt, die je über die Einrichtung des Weltſyſtems er - ſchienen war. Im Jahre 1788 nahm Laplace dieſelbe Arbeit noch215Die Monde der drei äußerſten Planeten.einmal vor, bereicherte ſie mit mehreren intereſſanten Entdeckungen und legte dadurch den Grund zu den erſten genauen Tafeln dieſer Satelliten, die Delambre berechnete. Dieſe Arbeiten lehrten uns auch die Maſſen jener Monde kennen, die, in der bisher ange - nommenen Ordnung 17, 23, 28 und 43 Milliontheile der Maſſe Jupiters betragen. Verbindet man dieſe Maſſen mit der bereits oben mitgetheilten Größe dieſer Monde, ſo findet man ihre Dich - tigkeiten gleich 1, 4, 3 und 4 Zehntheile der Dichte der Erde, und daher auch den Fall der Körper auf ihren Oberflächen in der erſten Secunde, 8, 16, 20 und 19 Zehntheile eines P. Fußes.

§. 149. (Merkwürdige Verhältniſſe ihrer Bewegungen.) Wir haben bereits oben (I. §. 177) die merkwürdigen Verhältniſſe angegeben, welche zwiſchen den mittleren Längen ſowohl, als auch zwiſchen den mittleren ſideriſchen Bewegungen der drei erſten dieſer Satelliten ſtatt haben. Eine Folge dieſer Sonderbarkeit iſt, daß dieſe drei Satelliten nie zugleich verfinſtert werden können. In der That, wenn der zweite und dritte dieſer Monde, in demſelben Punkte des Himmels, von Jupiter aus geſehen, ſich befinden, ſo muß, jenes Verhältniſſes wegen, der erſte Mond jenen bei - den gegenüber ſtehen; wird alſo dieſer erſte verfinſtert, ſo müſſen die beiden andern zwiſchen der Sonne und Jupiter liegen, und daher ihren Schatten auf den Hauptplaneten werfen, und umgekehrt.

§. 150. (Anblick des Himmels von dieſen Monden.) Ohne uns bei der Beſchreibung des Anblicks aufzuhalten, welchen die vier Monde den Bewohnern Jupiters gewähren mögen, wollen wir nur mit einigen Worten des Genuſſes erwähnen, welchen Jupiter ſelbſt den Bewohnern der Satelliten darbietet. Welch ein Schauſpiel mag es für die Bewohner des erſten Satelliten ſeyn, eine unſerem Monde ähnliche Scheibe, mit denſelben regelmäßig abweſelnden Lichtphaſen, aber 1370 mal größer, als uns die Scheibe des Mondes zur Zeit des Volllichtes erſcheint, immer unbeweglich an derſelben Stelle des Himmels zu erblicken, während die Sonne ſelbſt und alle andern Geſtirne hinter ihr vorüberziehen, begleitet von anderen ebenfalls ſehr großen lichten Himmelskörpern, welche die erſte in künſtlich verſchlungenen Bahnen nach ewig216Die Monde der drei äußerſten Planeten.unveränderlichen Geſetzen umwandeln. Die Bewohner der Mitte der, dieſem Planeten zugewendeten Hälfte ſehen die ungeheure Lichtſcheibe immer in ihrem Zenithe und die des Randes immer in ihrem Horizonte. Eine Reiſe von 440 Meilen, zweimal ſo weit als von Wien nach Neapel, würde ſchon hinreichen, dieſe große Scheibe des Hauptplaneten aus dem Zenithe des Wanderers in ſeinen Horizont herab zu ziehen. Mit welchen Gefühlen mögen die Bewohner des Randes der hinteren, von Jupiter ſtets abge - wendeten Hälfte dieſes Mondes, nach einem Wege von nur wenigen Meilen, dieſen ungeheuern Himmelskörper erblicken, der ihnen in ſeiner Oberfläche 37000 mal größer als die ſo weit entfernte Sonne erſcheint, und der ein blendendes Licht verbreitet, das mit dem unſeres Vollmondes nicht weiter verglichen werden kann.

§. 151. (Entdeckung dieſer Monde.) Bemerken wir noch, daß die Entdeckung dieſer vier Monde, durch Galilei i. J. 1610, eine der erſten Früchte des nur kurz vorher erfundenen Fernrohrs, zugleich eine ſehr merkwürdige Epoche in der Geſchichte der Stern - kunde begründet, denn die erſte aſtronomiſche Auflöſung des großen Problems der Meereslänge, der wichtigſten und nützlichſten Aufgabe, die der menſchliche Geiſt ſich je vorgelegt hat, verdanken wir der Kenntniß dieſer Monde. Auch datirt man mit Recht die eigentliche, letzte Beſtätigung der Wahrheit des Copernicaniſchen Syſtems von der Entdeckung dieſer vier Himmelskörper, die uns unſer eigenes Sonnenſyſtem gleichſam in einem Miniatur - bilde zeigen, in welchem ſich die drei Kepler’ſchen Geſetze (I. §. 147) und durch ſie das Geſetz der allgemeinen Schwere ab - ſpiegeln und in wenigen Monaten ſchon alle die periodiſchen Be - wegungen zeigen, deren vollſtändige Entwicklung bei den Planeten ſelbſt mehrere Jahrhunderte erfordert. Und als ob die Natur mit einer Art von Vorliebe dieſe kleinen, von uns mit freien Augen ganz unſichtbaren Lichtpunkte begünſtigen und auf ſie die intereſſan - teſten Züge der Geſchichte der Sternkunde häufen wollte, ſo ver - danken wir ihnen auch die große Entdeckung der Aberration des Lichtes (I. Cap. VI. ) und durch dieſelbe die Kenntniß der außer - ordentlichen Geſchwindigkeit (I. §. 77) dieſes wundervollen Elements.

217Die Monde der drei äußerſten Planeten.

§. 152. (Satelliten des Saturn und Uranus.) Viel weniger, als die Satelliten des Jupiter, ſind uns die des Saturn und noch beinahe gar nicht die des Uranus bekannt. Die vorzüglichſten Elemente der ſieben Monde Saturns wurden ſchon oben (I. S. 339) mitgetheilt. Wenn man ihre Umlaufszeiten mit ihren mittleren Entfernungen vergleicht, ſo ſieht man, daß auch ſie, ſo wie die Monde Jupiters, dem dritten Geſetze Keplers (I. §. 146) gehorchen, ſo wie man durch lichtſtarke Fernröhre, wenigſtens an einigen derſelben, auch ſchon die Gleichheit ihrer Revolution mit der Umdrehung um ihre Axe beobachtet hat, eine Uebereinſtimmung, die man bereits an ſo vielen Satelliten gefunden hat, daß man nicht weiter anſtehen kann, ſie als eine allen dieſen Monden all - gemein zukommende Eigenſchaft zu betrachten.

Der entfernteſte oder der ſiebente dieſer Monde hat allein noch eine etwas beträchtliche Neigung gegen die Ebene des Ringes, mit welcher die Bahnen der ſechs übrigen nahe zuſammenfallen. Dieſer Mond iſt zugleich derjenige, den man noch am beſten durch Fernröhre ſehen kann. Auch der ſechste bietet in dieſer Beziehung keine beſonderen Schwierigkeiten dar; die drei nächſtfolgenden ſind ſchon ſehr ſchwach und erfordern ſehr lichtſtarke Fernröhre, um geſehen zu werden; während die zwei innerſten, die beinahe den äußern Rand des Ringes ſtreifen, nur mit unſern vorzüglichſten Fern - röhren, und auch da nur unter den günſtigſten Verhältniſſen ſichtbar werden. Zu der Zeit, wo der Ring dieſes Planeten für gewöhnliche gute Fernröhre verſchwindet, bemerkte ſie der ältere Herſchel i. J. 1789, mit einem Reflector von vier Fuß Oeffnung, gleich zwei äußerſt kleinen Perlen, die eine feine Silber - ſchnur, wie ihm der Ring erſchien, zu beiden Seiten begrenzten und bald darauf haſtig wieder zu dieſer Schnur zurück zu eilen ſchienen, um ſich, auf ihre gewohnte Weiſe, wieder hinter derſelben zu verbergen. Uebrigens iſt die große Neigung der Bahnen dieſer Satelliten gegen die Ecliptik Saturns ſie beträgt über 27 Grade die Urſache, warum ſie ſo äußerſt ſelten von ihrem Hauptplaneten verfinſtert werden, während im Gegentheile die vier, oder wenigſtens die drei nächſten Monde Jupiters bei jedem Volllichte derſelben durch den Schatten ihres Centralkörpers gehen.

218Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Von den Satelliten des Uranus iſt bereits das Wenige, was uns die Beobachtungen bekannt gegeben haben, oben (I. S. 340) mitgetheilt worden, daher wir hier derſelben nicht weiter erwähnen.

§. 153. (Ueberſicht des ganzen Planetenſyſtems.) Zum be - quemeren Ueberblicke der Verhältniſſe, Größe, Entfernungen u. f. der einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems hat man die vorzüg - lichſten Elemente derſelben in Tafeln gebracht. Wir haben die - jenigen, welche die Planeten betreffen, ſchon in dem erſten Theile (S. 281 und 294 bis 297) gegeben und fügen ihnen hier nur noch die Maſſen, Dichtigkeiten, die Rotation und Fallhöhen auf ihrer Oberfläche bei, um dadurch jene Angaben zu vervollſtändigen. Ihnen folgen dann die tabellariſchen Ueberſichten der Elemente des Mondes und der übrigen Satelliten.

219Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Tafel I. Maſſen und Dichtigkeiten der Planeten.

Maſſe, die der Erde = 1Maſſe, die der Sonne = 1Dichte, die der Erde = 1Dichte, die des Waſſers = 1Oberfläche, die der Erde = 1Volum, das der Erde = 1Volum in Mill. Kubik - Meilen
Merkur0,161 / 20258103,6117,70,120,04104
Venus0,921 / 4058711,075,20,900,852280
Erde1,001 / 3549361,004,91,001,00660
Mars0,131 / 25463200,703,30,320,18467
Veſta0,010,000041 / 10
Imo0,030,00514
Ceres0,040,008212
Pallas0,070,01745
Jupiter308,91 / 35120,101,1121,11333,13500000
Saturn93,31 / 179180,200,595,2928,52500000
Uranus16,91 / 179180,251,017,975,85201200

Die Maſſe der Sonne iſt 329630 mal größer als die der Erde und die des Mondes iſt 1 / 70 von jener der Erde. Die Dichte der Sonne iſt ¼ der mittlern Dichte der Erde oder 1,22 der Dichte des reinen Waſſers. Das Volum oder der körperliche Inhalt der Sonne iſt 1330000 größer als der der Erde, oder es beträgt nahe 3730 Billionen Kubikmeilen. Das Volum des Mondes iſt nur 1 / 50 von dem der Erde.

220Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Tafel II. Geſchwindigkeit, Abplattung u. f. der Planeten.

Geſchwindigkeit in der Bahn um die Sonne in 88 TagenGeſchwindigkeit in 1 Secunde in Meil. in d. BahnDauer der RotationGeſchwindigk. ein. Punkt. d. Aequat. in d. tägl Beweg. In Par. FußFall gegen die Sonne in ein. Secunde In Par. LinienFall der Körper auf der Oberfl. in einer Sec. In Par. FußAbplattung
Merkur360°6,724 St.5,5 M5048,514,1
Venus140,94,92321,314302,415,9
Erde86,74,72356,0714221,315,11 / 300
Mars46,13,42439,37980,56,31 / 16
Veſta23,92,70,2
Juno19,92,60,2
Ceres18,82,50,2
Pallas18,82,50,2
Jupiter7,31,7955,7390700,0538,81 / 13
Saturn2,91,31016,0335000,0115,11 / 11
Uranus1,01,00,00314,6

Die Dauer der Rotation der Sonne beträgt 25½ Tag, und auf ihrer Oberfläche fallen die Körper in der erſten Secunde durch 430 Par. Fuß.

221Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Tafel III. Elemente des Mondes.

  • Sideriſche Revolution des Mondes27 T. 7 St. 43′,192
  • Tropiſche 27 7 43 ,078
  • Synodiſche 29 12 44 ,047
  • Neigung der Bahn gegen die Ecliptik 8′,78
  • Mittlere Horizontal-Parallaxe am Aequator 57′,01
  • Sideriſche Revolution der Knoten6793 T. 6 St. 51′,65
  • Tropiſche 6798 4 14 ,93
  • Scheinbarer mittlerer Durchmeſſer von der Erde geſehen 31′ 8″,0
  • von d. Sonne geſehen 0′ 9″,3
  • Sideriſche Revolution der Abſiden3232 T. 13 St. 37′,25
  • Tropiſche3231 11 4 12
  • Scheinb. mittl. Durchm. der Erde vom Monde geſehen 54′ 02″
  • Excentricität der Bahn in Theilen der halb. groß. Axe0,0550
  • in Meilen4120
  • in Erdhalbmeſſern4,791
  • Wahrer Durchmeſſer in Meilen466
  • Mittlere Entfernung vom Mittelpunkt der Erde
  • in Erdhalbmeſſern60,2960
  • in Meilen51600,0000
  • in Halbmeſſern der Erdbahn0,00251
  • Verhältniß des Mondes zur Erde im Durchmeſſer1 / 3,7
  • in der Oberfläche1 / 14
  • im Volum1 / 50
  • in der Maſſe1 / 70
  • in der Dichte
  • Fall der Körper auf der Oberfläche des Mondes
  • in 1 Sec. 2,8 Par. Fuß.
222Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Tafel IV. Elemente der Jupiter-Satelliten.

Tropiſche Revolution.Mittlere Entfernung vom Mittelpunkte Jupiters.Neigung der Bahnen geg. die des JupitLänge des aufſteigend. Knotens in der EcliptikWahrer Durchmeſſer in Meilen
in Halbmeſſ. der Erdbahnin Halbmeſ - ſern Jupiters
I1 T. 18 St. 27,55 M.0,002585,698 18′314° 40′560
II3 13 13,700,004109,066 46′313° 45′460
III7 3 42,550,0065414,462 26′314° 24′810
IV16 16 32,150011525,436 36′316° 39′566
Scheinbarer DurchmeſſerMaſſe, die des Jupiter = 1Dichte, die des Jupiter = 1Fall der Kör - per auf der Oberfläche in 1 Secunde. In Par FußFall gegen Jupiter in 1 Secunde. In Par. FußBewegung in 1 Stunde in der Bahn. In Meilen
Auf Jupiters MittelpunktMittlerer auf der Erde
I33′ 16″1″,40,000020,70,811,28800
II17′ 13″1″,10,000[0]21,71,64,47000
III19′ 0″2″,00,000091,22,01,75500
IV7′ 32″1″,40,000041,71,90,64200
223Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Tafel V. Elemente der Saturn-Satelliten.

Tafel VI. Elemente der Uranus-Satelliten.

§. 154. (Graphiſche Darſtellung der vorzüglichſten Elemente des Sonnenſyſtems.) Die Zahlen der vorhergehenden Tafeln reichen224Die Monde der drei äußerſten Planeten.mehr als hin, um uns von der Ausdehnung und den Verhältniſſen der Planeten - und Satellitenbahnen eine vollſtändige Kenntniß zu geben. Nach ihnen ſind, dieſe Gegenſtände noch anſchaulicher dar - zuſtellen, die folgenden Zeichnungen entworfen worden, in welchen man die Verhältniſſe gleichſam mit einem Blicke überſehen kann.

In Fig. 15 ſind die Bahnen der Planeten mit den fünf merkwürdigſten Kometenbahnen in ihren gehörigen Verhältniſſen zu einander dargeſtellt. Der äußere, das Ganze umfaſſende Kreis, in deſſen Mittelpunkte die Sonne iſt, kann als die Ecliptik, die hier mit der Ebene des Papiers zuſammenfällt, betrachtet werden. Die Peripherie dieſes Kreiſes kann man ſich in 360 gleiche Theile oder Grade getheilt vorſtellen, ſo daß bei die Zahl , bei die Zahl 90, bei die Zahl 180° und endlich bei die Zahl 270° zu ſtehen kömmt, wo dann dieſe Grade die heliocentriſchen oder von der Sonne geſehenen Längen andeuten. So erſcheint hier z. B. Jupiter in ſeiner Bahn, in der heliocentriſchen Länge von 134° und Saturn in der Länge von 223° verzeichnet. Die aufſteigenden Knoten der Bahnen ſind durch und ihnen gegen - über die niederſteigenden durch angezeigt. Derjenige Theil der Bahn, der über der Ecliptik oder auf der Nordſeite derſelben liegt, iſt ganz ausgezogen, die andere, unter der Ecliptik liegende Hälfte der Bahn aber iſt durch eine punktirte Linie angezeigt wor - den. Die Pfeile deuten die Richtung der Bewegung an, die bei allen direct iſt, oder von Weſt nach Oſt geht, blos den Halley’ſchen Kometen ausgenommen, der retrograd iſt, oder von Oſt gen Weſt geht. Die beiden geraden, punktirten, auf die großen Axen der Kometenbahnen von Olbers und Halley ſenkrechten Linien ſind die kleinen Axen dieſer Bahnen. Die bloße Anſicht der Zeichnung zeigt ſchon die Ergänzung dieſer Kometenbahnen über die Peripherie des das Ganze umfaſſenden Kreiſes. Wenn man in dieſe Pla - netenbahnen auch noch die Orte der Perihelien und Aphelien der - ſelben eintragen will, ſo kann man dieß nach der Tafel I. S. 281. So iſt z. B. für die Uranusbahn die Länge des Periheliums im 167ſten Grade mit P, und ihr gegenüber die Länge des Apheliums im 347ſten Grade mit A bezeichnet worden. Zieht man dann durch beide Punkte A und B eine gerade Linie, ſo drückt dieſe225Die Monde der drei äußerſten Planeten.durch die Sonne gehende Gerade die große Axe der Planetenbahn aus. Halbirt man dieſelbe Gerade, ſo drückt die Diſtanz dieſes Halbirungspunktes von der Sonne die Excentricität der Planeten - bahn, in Halbmeſſern der Erdbahn gerechnet, aus. Uebrigens ſind alle dieſe Planeten - und Kometenbahnen ſo vorgeſtellt, wie ſie ſich einem Auge hoch über der Sonne darſtellen, welches dieſe Bahnen auf die Ebene der Ecliptik projicirt ſieht.

Die Zeichnung Fig. 16 enthält die ſämmtlichen Planeten in ihrer verhältnißmäßigen Größe und mit ihren Monden in der - ſelben verhältnißmäßigen Entfernung dargeſtellt, die in der Natur ſelbſt ſtatt hat, die zwei äußerſten Monde von Saturn und Uranus ausgenommen, die eigentlich über die Ebene der Zeichnung weiter hinausgerückt werden ſollten, daher allen dieſen Monden ihre Diſtanzen von dem Mittelpunkt ihrer Hauptplaneten, in d. Meilen ausgedrückt, beigefügt ſind. Die beiden punktirten Bogen an den Polen von Jupiter, Saturn und Uranus zeigen die Größe der Abplattung und die zwei größeren Bogen bei Saturn zeigen die äußerſte oder am meiſten geöffnete Lage des Ringes, welche der - ſelbe von der Erde geſehen, noch annehmen kann.

Die Zeichnung Fig. 17 giebt die ſcheinbaren Durchmeſſer der Planeten o derdie Winkel, unter welchen uns die wahren Durch - meſſer derſelben erſcheinen und zwar die größten, wenn ſie uns am nächſten ſtehen und die kleinſten, wenn dieſe Planeten am weiteſten von uns entfernt ſind. In beiden Zeichnungen ſtellt die obere gerade Linie A B der Fig. 16 den wahren ſowohl, als auch den ſcheinbaren. Nämlich wenn dieſe Linie A B für den wahren Durchmeſſer der Sonne gilt, ſo werden die wahren Durchmeſſer der Planeten, des Saturnringes und der Diſtanzen der Satelliten von den Mittelpunkten ihrer Hauptplaneten in demſelben Verhältniſſe durch die Zeichnungen der Fig. 16 dargeſtellt. Bezeichnet aber dieſelbe gerade Linie A B den ſcheinbaren Durchmeſſer der Sonne (der im Mittel 32 Minuten oder 1920 Secunden beträgt), ſo geben die Durchmeſſer der in Fig. 17 verzeichneten Kreiſe in dem - ſelben Verhältniſſe auch die ſcheinbaren größten und kleinſten Durchmeſſer der Planeten, ſo wie ſie von der Erde geſehen werden, alles nach der zweiten Tafel von I. S. 295.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 15226Die Monde der drei äußerſten Planeten.

Die Zeichnung Fig. 18 endlich zeigt die relativen Geſchwin - digkeiten oder die Winkelbewegungen der Planeten um die Sonne während der Zeit von 88 Tagen, in welcher Merkur ſeine ganze Bahn um die Sonne zurücklegt, übereinſtimmend mit der erſten Columne der vorhergehenden Tafel II.

[227]

Kapitel XI. Kometen.

§. 155. (Anzahl der Kometen.) Nebſt den eilf Planeten und ihren achtzehn Satelliten, die wir bisher betrachtet haben, gibt es noch eine große Anzahl anderer Himmelskörper, die ebenfalls zu unſerem Sonnenſyſteme gehören, da ſie ſich, wie die Planeten, um die Sonne bewegen, die ſich aber von denſelben gleich auf den erſten Blick durch ihre Geſtalt unterſcheiden. Die Kometen waren lange Zeit der Gegenſtand der Beſorgniß der Menſchen, die ſie für außerordentliche Vorzeichen von dem Zorne des Him - mels hielten. Nachdem ſich endlich dieſe Vorurtheile verloren ha - ben, berechnen wir jetzt ihren regelmäßigen Lauf, ohne ſie zu fürch - ten, aber auch ohne dieſe Himmelskörper näher zu kennen, deren Natur uns bisher eben ſo fremd geblieben iſt, als die Abſicht, mit welcher ſie in den Weltraum geſetzt wurden.

Unſere Geſchichtbücher erwähnen nahe fünfhundert Kometen, die ſich bisher der Erde gezeigt haben ſollen. Allein dieſe Zahl iſt offenbar viel zu klein. In den früheren Zeiten, wo man noch keine Fernröhre hatte, wurden nur diejenigen Kometen bemerkt, die man mit freien Augen ſehen konnte und auch von dieſen nur die größeren der Verzeichnung in den Chroniken würdig gehalten. Allein es gibt ſehr viele, die ſo klein und lichtſchwach ſind, daß ſie dem unbewaffneten Auge gänzlich entgehen. Seit den Jahren 176915 *228Kometen.bis 1807, alſo in 37 Jahren erſchien auch nicht ein einziger, dem gemeinen Mann auffallender Komet und doch haben die Aſtro - nomen in derſelben Zeit mit ihren Fernröhren nicht weniger als 36 nicht bloß geſehen, ſondern auch förmlich beobachtet. Seit ei - nigen Decennien, beſonders ſeit ſich die berühmten Kometenjäger Meſſier und Pons mit dieſem Gegenſtande ſo eifrig beſchäftig - ten, hat ſich der Fleiß und das Glück, dieſe Himmelskörper aufzuſpüren, ſo ſehr vermehrt, daß man jetzt beinahe in jedem Jahre zwei bis drei neue Kometen findet. Wenn unſere Vorgän - ger eben ſo begünſtigt worden wären, wie viele Kometen würden wir jetzt ſchon kennen gelernt haben in den ſechstauſend Jahren, ſeit welchen, wie die Juden zählen, unſere Erde entſtanden ſeyn ſoll? Auf jedes Jahr zwei gerechnet, würden wir ſchon 12000 der - ſelben in unſeren Verzeichniſſen haben, und dieſe würden noch kei - neswegs alle ſeyn, welche in dieſer Zeit der Erde in der That nahe kamen. Denn viele dieſer Körper haben, zu der Zeit, wo ſie in die Nähe der Erde hinabſteigen, eine zu ſüdliche Lage und halten ſich daher nur unter den Fixſternen des ſüdlichen Himmels, in der Nähe des Südpols unſeres Aequators auf, wel - che Gegend von den Bewohnern Europa’s nicht geſehen werden kann, weil ſie ihnen von der Erde ſelbſt verdeckt wird. (I. S. 52.) Die Leute im Staatenlande oder die Wilden in Neuholland haben ſie vielleicht geſehen, aber von dieſen Erſcheinungen iſt keine Nach - richt zu uns gekommen, da man in jenen Ländern weder Geſchichte zu ſchreiben, noch Kometen zu beobachten pflegt. Wieder andere hielten ſich, wenn ſie der Erde nahe kamen, nur unter denjenigen Sternbildern auf, in deren Nähe ſich zugleich die Sonne bewegte: ſie waren alſo nur bei Tage über dem Horizonte und konnten aus dieſer Urſache nicht geſehen werden. Viele andere endlich mochten nur zur Zeit einer trüben Witterung, bei bedecktem Him - mel erſcheinen und mußten deßwegen ebenfalls unbemerkt bleiben. Immerhin ſieht man ſchon aus dieſen allgemeinen Andeutungen, daß die Zahl dieſer Himmelskörper die oben erwähnte gewiß weit überſteigt.

Wir haben oben bemerkt, daß die Planeten, wenigſtens die älteren durchaus nur eine ſehr kleine Neigung gegen die Ecliptik229Kometen.haben, und daß ſie ſich alle nur nach einer Richtung, von Weſt gegen Oſt, bewegen. Beides iſt bei den Kometen nicht mehr der Fall. Dieſe bewegen ſich in allen möglichen Richtungen um die Sonne und die Neigungen ihrer Bahnen umfaſſen alle Winkel von Null bis zu 180 Graden. Wenn alſo die Perihelien der Planeten, und überhaupt ihre ganzen Bahnen, ſämmtlich ſehr nahe in einer ein - zigen Ebene liegen, ſo ſind dafür die Perihelien der Kometenbah - nen rings um die Sonne nach allen Richtungen, nicht mehr in einer Ebene, ſondern gleichſam in einem kugelförmigen Raume vertheilt. Da dieſe Himmelskörper, wie wir bald ſehen werden, ſehr langgeſtreckte elliptiſche Bahnen beſchreiben, auf welchen ſie ſich, in ihren Aphelien, ſehr weit von der Sonne entfernen, ſo kann man ſie im Allgemeinen nur dann gut ſehen, wenn ſie in der Nähe ihrer Perihelien ſind, wenn ſie nahe zur Sonne, alſo auch näher zur Erde kommen, weil dieſe, in Beziehung auf jene großen Ko - metenbahnen, ſelbſt nie weit von der Sonne entfernt iſt.

Nun findet man aber, daß von den bisher beobachteten Ko - meten 20 ihre Perihelien innerhalb der Merkursbahn und ſchon nahe 70 innerhalb der viel größeren Venusbahn liegen haben. Dieſe beiden Zahlen verhalten ſich aber nahe wie die Quadrate der Halbmeſſer dieſer beiden Planetenbahnen. Denn, wenn man, nach Taf. II. des vorhergehenden Kapitels, den Halbmeſſer der Merkursbahn für die Einheit annimmt, ſo iſt der Halbmeſſer der Venusbahn gleich 1,87 und das Quadrat derſelben und eben ſo iſt auch 70 durch 20 dividirt gleich . Setzt man dieſes Verhältniß der Quadrate der Halbmeſſer, für deſſen Wahrſchein - lichkeit man auch noch andere gute, geometriſche Gründe hat, auf die übrigen Planetenbahnen fort, ſo würde daraus folgen, daß die Anzahl der Perihelien, die zwiſchen die Bahn der Venus und die des Uranus fallen, ſich wie die Quadrate von 1 und 28, das heißt, wie die Zahlen 1 und 784 verhalten. Da es nun, nach dem Vor - hergehenden, 70 Kometenbahnen gibt, deren Perihelien innerhalb der Venusbahn fallen, ſo ſoll es 70 mal 784 oder 51880 Kometen - bahnen geben, deren Perihelien noch innerhalb der Uranusbahn liegen. Dieſe Zahl aber, ſo groß ſie auch erſcheinen mag, iſt doch gewiß immer noch zu klein, weil wir von den in die Venusbahn230Kometen.fallenden Kometen nur die bisher in der That geſehenen 70 un - ſerer Rechnung zu Grunde gelegt haben, da es doch gewiß noch viele geben wird, die wir aus den oben angeführten Gründen nicht geſehen haben.

Welch ein Heer von neuen Himmelskörpern, gegen das jenes kleine Häufchen von eilf Planeten und achtzehn Monden ganz ver - ſchwindet. Wohl wird man alſo künftig ſagen können, daß nicht dieſe Planeten es ſind, die man als die Bewohner des Haushalts unſerer Sonne anſehen kann, ſondern daß die Kometen das ei - gentliche Volk dieſes großen Staates bilden. Jene eilf ſind nur wie beſonders Begünſtigte zu betrachten, die den Thron dieſes Rei - ches zunächſt umgeben und ſich in ſeinen Strahlen ſonnen, während dieſe, die ſelbſtſtändig und nicht von fremden Wohlthaten leben, die weiten Provinzen der Monarchie bewohnen und nur zuweilen ſich jenen engeren Kreiſen nähern dürfen, um ihren Tribut zu entrichten oder um Nachrichten von den fernſten Gränzen des Reichs vor den Thron zu bringen, und ſich dann wieder zurück begeben, um, fern von dem ſtrahlenden Prunke des Hofes, in Dunkelheit und unbekannt, aber vielleicht eben darum nur um ſo glücklicher, ihre Tage zu verleben.

§. 156. (Geſtalt der Kometen) Es iſt bereits im Eingange dieſes Kapitels geſagt worden, daß die äußere Form der Kometen Jedermann bei dem erſten Blicke ſchon auffällt. Bei einer nähe - ren Betrachtung derſelben bemerkt man an ihnen vorzüglich drei, wie es ſcheint, weſentlich verſchiedene Theile: den Kern, die Ne - belhülle und den ſogenannten Schweif.

Der Kern iſt meiſtens klein, rund und durch ein helleres Licht ausgezeichnet, obſchon die Intenſität dieſes Lichtes jener der Planeten meiſtens weit nachſteht. Viele Kometen haben übri - gens keine Spur von einem ſolchen Kern und dieſe ſcheinen daher bloße Anhäufungen von Dünſten zu ſeyn. Wie man ſie aber auch findet, ſind ſie gewöhnlich ſchlecht beleuchtet und noch ſchlechter be - gränzt, daher auch die Beobachter über die Größe derſelben ſo verſchiedene Reſultate erhalten. Hier folgen einige ſolche Meſſun - gen des Durchmeſſers dieſer Kerne in deutſchen Meilen, wie ſie uns Herſchel und Schröter gegeben haben.

231Kometen.

Die Nebelhülle ſcheint der, den Kometen eigentlich charak - teriſtiſche Theil zu ſeyn, da man wohl ſchon viele ohne Kern und Schweif, aber noch keinen ohne dieſe Dunſthülle geſehen hat. Sie umgibt den Kern meiſtens in einer kugelförmigen, auf einer Seite, gewöhnlich auf der Seite des Schweifes, verlängerten oder geöff - neten Geſtalt, ſo daß dann der Schweif als die Fortſetzung jener Dunſthülle erſcheint. Sie iſt meiſtens ſo locker und fein, daß ſie nur unſeren dünnen Nebeln zu vergleichen ſeyn mag, und daß man die Sterne mit beinahe ungeſchwächtem Lichte durch ſie blinken ſieht. Meiſtens umgibt ſie den Kern nicht zunächſt, ſondern erſt in ei - niger Entfernung, und ſo, daß der Kern an ſeiner nächſten Gränze von einer dunklern Einfaſſung und erſt in einer größern Entfer - nung von jener lichtern Dunſthülle umſchloſſen erſcheint. Bei mehreren Kometen hat man auch zwei und ſelbſt drei ſolcher hel - leren Ringe geſehen, die durch dunklere von einander getrennt waren. Das Ganze hat das Ausſehen, als wenn der eigentliche Körper, der Kern des Kometen, von mehreren concentriſchen, von einander getrennten, hellen Wolkenſchichten umgeben wäre. Nach Herſchel ſind dieſe Ringe tranſparente Atmoſphären des Kometen, gebildet aus der durch die Sonnenhitze in den Perihelien rareficir - ten Maſſe des Kerns, welche Maſſe durch ihr leichteres ſpecifiſches Gewicht über der Oberfläche des Kerns aufſteigt und ihn dann als eine leuchtende Wolke ringsum einſchließt. Man hat öfter ſchon große Aenderungen in dieſen Nebenhüllen bemerkt. So ſah Schröter die Hülle des Kometen von 1799 und von 1807 in dem Laufe eines Tages ſchon bis auf den vierten Theil ihres Durch - meſſers ſich erweitern und wieder zuſammenziehen.

Der Schweif iſt, wie geſagt, als die Fortſetzung jener Dunſt - hülle zu betrachten, welche letztere dort, wo ſie geöffnet erſcheint, in den eigentlichen Schweif ausläuft. Schon Apian (Bienewitz) ſtellte i. J. 1531 die Behauptung auf, daß dieſer Schweif des232Kometen.Kometen immer in der Verlängerung derjenigen geraden Linie liege, die die Sonne mit dem Kometen verbindet. Aber davon iſt eigentlich nur wahr, daß der Schweif, meiſtens auf der von der Sonne abgewendeten Seite des Kometen ſteht. Denn oft iſt er gegen jene Linie ſehr ſtark, bis zu einem rechten Winkel geneigt und zwar dann immer nach derjenigen Gegend hin, welche der Komet in ſeinem Laufe ſo eben verlaſſen hat. Da dieſe Neigung des Schweifes gegen das Ende deſſelben zuzunehmen pflegt, ſo er - ſcheint er uns meiſtens gekrümmt und zwar ſo, daß ſeine concave Seite immer nach derjenigen Gegend hingerichtet iſt, nach welcher der Komet ſelbſt geht, ſo wie auch dieſe concave oder innere Seite des Schweifes immer heller und ſchärfer begränzt erſcheint, als die äußere, convexe Seite deſſelben.

§. 157. (Schweife der Kometen.) Man hat bereits Kometen beobachtet, die zwei, drei und ſelbſt mehrere Schweife hatten, die meiſtens alle nach derſelben Gegend hin gerichtet ſind. Der ſon - derbare Komet von dem Jahre 1823 hatte zwei Schweife, die einander gegenüber ſtanden, ſo daß der eine derſelben der Sonne zugekehrt und der andere von ihr abgewendet war; eine höchſt auf - fallende Erſcheinung, welche die bisher mit viel ſogenannter Ge - lehrſamkeit entwickelten Theorien über die Entſtehung dieſer Schweife in nicht geringe Verlegenheit ſetzte. Der Komet vom Jahre 1744 hatte ſogar ſechs Schweife, oder ſein Schweif erſchien wenigſtens in ſechs Theile geſpalten, deren jeder 4 Grade breit und 30 bis 40 Grade lang war. Wunderbarer noch ſind die äußerſt heftigen Bewegungen, die man bei einigen von ihnen, z. B. Chladni bei dem großen Kometen von 1811, bemerkt haben will, der ſehr ſchnelle, gleichſam zuckende Verlängerungen und Verkürzungen die - ſes Schweifes ſah, mit welchen die leuchtende Maſſe dieſer Schweife in einer einzigen Secunde den Weg von einer Million Meilen hin - und wieder zurückſchoß, eine Geſchwindigkeit, die ſelbſt jene des Lichtes weit übertreffen würde.

Auf welche Weiſe und durch welche Mittel dieſe Schweife auch entſtehen mögen, immer wird man die Urſache derſelben in der Sonne ſuchen müſſen. Denn ſie fangen immer erſt dann an ſich zu bilden, wenn der Komet der Sonne näher kömmt; ſie233Kometen.wachſen mit dieſer Annäherung und nehmen auch, mit der Ent - fernung des Kometen von der Sonne, allmählig wieder ab. Es iſt möglich und ſelbſt nicht unwahrſcheinlich, daß viele dieſer Him - melskörper, die in der Nähe der Sonne durch die Hitze derſelben in eine feine Dunſtmaſſe aufgelöst werden, in großen Entfernun - gen von ihr, durch die dort herrſchende Kälte, wieder zu ſehr klei - nen und feſten Körpern concentrirt werden.

Dieſe Schweife der Kometen ſind oft ſehr lang und verbreiten ſich über einen großen Theil des Himmels. Der Komet von 1456 hatte einen Schweif, der ſich über 60 Grade erſtreckte, alſo den dritten Theil des uns ſichtbaren Himmels einnahm. Zu Keplers Zeiten, i. J. 1618, im erſten Jahre des dreißigjährigen Krieges, erſchien ein Komet, deſſen Schweif eine Länge von mehr als 100 Graden hatte. Auch der vom Jahre 1769 hatte einen über 90 Grade langen Schweif.

Die Größe und Geſtalt dieſer Schweife iſt übrigens, auch bei demſelben Kometen und während derſelben Erſcheinung deſſelben, öfters verſchieden. Der Halley’ſche Komet, von dem wir ſpäter mehr ſprechen werden, erſchien i. J. 1456, wo er der Erde näher vorbeiging, ſehr groß und hell erleuchtet, cometa horrendae magnitudinis, wie der Chroniſt jener Zeit ihn beſchrieb. Sein Schweif hatte eine Länge von 60 Graden. In einer nicht viel geringeren Pracht zeigte er ſich in ſeinen zwei nächſtfolgenden Beſuchen, in den Jahren 1531 und 1607. Aber bei ſeiner dritten Wiederkunft, i. J. 1682, erſchien er ſchon ſchwächer und kleiner, und ſeine letzte Erſcheinung v. J. 1759 war noch weniger ausge - zeichnet. Ueberhaupt erſcheinen die Kometen und ihre Schweife immer am größten, einige Zeit nach dem Durchgange durch ihr Perihelium, zum Beweiſe, daß die große Hitze, welche ſie in dieſer Nähe der Sonne erleiden, die eigentliche Urſache ihrer Entwick - lung und Ausdehnung iſt. Vielleicht würde es unſerer Erde, wenn ſie ſich der Sonne ſo ſehr nähern könnte, nicht beſſer gehen; ſie würde wahrſcheinlich auch glähend werden und wie erhitztes Metall in Fluß gerathen, das Waſſer der Flüſſe und Meere würde zu kochen anfangen und ſich in Dunſtgeſtalt erheben, und unſere Atmoſphäre würde ſich auf eine große Höhe über die Erde erſtrecken,234Kometen.und wenn ſie, dem Widerſtande des Aethers oder aus irgend einer andern Urſache, dem Kern derſelben auf ſeinem ſchnellen Laufe um die Sonne nicht ſo geſchwind folgen könnte, ebenfalls die Geſtalt eines Schweifes annehmen.

Die meiſten größeren Kometſchweife erſcheinen in ihrer Mitte, der Länge nach, durch einen dunklern, breiten Streifen getheilt, wodurch ſie das Anſehen erhalten, als ob ſie doppelt wären. Die älteren Aſtronomen hielten dieſen dunklen Streifen für den Schat - ten, welchen der auf ſeiner vordern Seite von der Sonne beſchie - nene Kern hinter ſich wirft. Allein dieſe Meinung iſt unrichtig, da man dieſe Streifen auch bei jenen Kometen bemerkt, deren Schweife ſehr große Winkel mit derjenigen Linie bilden, die den Kometen mit der Sonne verbindet, auf welcher letzten Linie doch jener Schatten immer liegen müßte. Viel angemeſſener ſcheint die Vorſtellung zu ſeyn, daß der Schweif des Kometen nicht, wie man gewöhnlich glaubt, eine ruthenartige Fortſetzung ſeines Haupt - körpers, ſondern daß er ein hohler, mit einem eigenen ſchwachen Lichte verſehener, durchſichtiger Dunſtkegel iſt, der uns dann na - türlich an ſeinen beiden Rändern viel heller, als in ſeiner Mitte, erſcheinen muß. So ſah man den ſchönen Kometen von 1811 durch gute Fernröhre mit ſeinem hellen Kopfe ganz auf die Art, wie man etwa ein kugelförmiges Licht in dem Brennpunkte einer durch - ſichtigen, paraboliſchen Glasglocke ſehen würde. Der eigentliche Kopf deſſelben hatte eine ſchwache, grünblaue Farbe, die in ihrer Mitte ins Röthliche überging. Der Halbmeſſer dieſes kugelför - migen Kopfes, in deſſen Mitte ein auffallend heller Punkt, der eigentliche Kern, ſich befand, hatte, nach Herſchels Meſſungen, 14000 d. Meilen. Dieſen Kopf umgab ein Ring von dunkelgrauer Farbe, deſſen äußerer Kreis einen Halbmeſſer von 55000 Meilen hatte und deſſen Breite daher 41000 M. betrug. Durch dieſen dunklen Ring ſah man die kleinſten Sterne mit ganz ungeſchwäch - tem Lichte durchſchimmern. Dieſe dunkle Kugelſchichte war wieder von einer helleren umgeben, deren Breite 15000 M. betrug, und die ſich daher bis 70000 M. von dem Mittelpunkte des Kopfes erſtreckte. Dieſe letzte Kugelſchichte war aber, auf der von der Sonne abgewendeten Seite offen und lief hier, an den beiden235Kometen.Enden der Oeffnung, in zwei Lichtſtröme aus, die ſich auf viele Millionen Meilen erſtreckten und dem Ganzen das Anſehen eines ungeheuern, paraboliſchen Trichters gaben, deſſen gelblichtes Licht einen auffallenden Contraſt mit der grünblauen Farbe des Kopfes bildete. Am Schluſſe dieſes Bandes iſt der Komet des Jahres 1819 abgebildet, keiner von den größten, aber doch einer der letzten von den bisher erſchienenen, der mit freien Augen geſehen werden konnte.

§. 158. (Entſtehung und Ausbildung der Kometen.) Es iſt möglich, daß der dunklere Ring, den man ſo oft zwiſchen dem Kern und der eigentlichen lichten Dunſthülle bemerkt, eine eigene, durchſichtige, elaſtiſche Materie iſt, welche dieſe beiden Gegenſtände trennt. Auch kann die ſehr geringe Schwere der Kometenmaterie die Urſache ſeyn, warum ſich die elaſtiſche, gasartige Maſſe dieſer Himmelskörper durch die Hitze ſo gewaltig ausdehnt. Wenn un - ſere Erde in ihrem Innern ausgehöhlt und die Maſſe derſelben z. B. auf ihren tauſendſten Theil reduzirt wäre, ſo würde ſich wahrſcheinlich unſere Atmoſphäre eben ſo ausdehnen, weit über die Oberfläche der Erde erheben und endlich, wegen dem ſchnellen Laufe der Erde, die Geſtalt eines Kometenſchweifes annehmen. Da man übrigens nicht nur durch den Schweif, ſondern auch durch die Dunſthülle dieſer Kometen die feinſten Fixſterne mit faſt ganz ungeſchwächtem Lichte ſieht, ſo ſcheint die Maſſe dieſer Körper ganz ungemein fein und locker zu ſeyn und vielleicht würden einige Kubikfuß unſeres Waſſers, einer ſo hohen Temperatur aus - geſetzt, ſchon hinreichend ſeyn, ähnliche Erſcheinungen zu erzeugen. Mehrere dieſer Himmelskörper ſind auch wohl bloße Dünſte ohne alle feſte, kernartige Maſſe, die ſich, wenn ſie eine Weile gedauert haben, oder wenn ſie einem andern, größern und ſolidern Körper, nahe vorbeigehen, auflöſen und völlig verſchwinden, indem ſie, wie ein Thau, auf die Planeten fallen oder in die Sonne herab - regnen. Daß einige derſelben ſchon öfter erſchienen ſind und ihre elliptiſche Bahn um die Sonne nach beſtimmten Geſetzen beſchrei - ben, kann dieſe Meinung nicht umſtoßen, da die Kometen in der Dichte ihrer Maſſen wahrſcheinlich ſehr verſchieden ſeyn mögen, und da jede unſerer Wolken, wenn ſie in jene Gegenden des Weltraumes gebracht werden könnte, dieſelben Erſcheinungen her -236Kometen.vorbringen würde. Wir werden bald noch andere Himmelskörper kennen lernen, die uns ebenfalls nur als ungemein ausgebreitete Nebelgebilde erſcheinen, und die ſich in noch viel entfernteren Räumen, als die Kometen, bewegen und die vielleicht nur Con - glomerationen von einer das Weltall erfüllenden, äußerſt feinen, durchſichtigen und elaſtiſchen Maſſe, des Aethers, ſind. Die Kometen mögen dieſen Aether, wo ſie dichteren Schichten deſſelben begegnen, an ſich ziehen, und wenn ſie ſich ſpäter der Sonne wie - der nähern, entfernt ſich vielleicht dieſe fremde Maſſe, welche die ſtarke Annäherung zur Sonne nicht ertragen kann, wieder von dem Kometen und hängt anfangs nur mehr in der Geſtalt eines Schweifes mit ihm zuſammen, bis ſie ſich endlich ganz von ihm trennt. Bei dieſer Hypotheſe könnten die Kometen im Allgemei - nen gar wohl beſtändige Körper ſeyn, deren eigentlicher Körper unzerſtört bleibt, während bloß die mit ihnen zufällig vereinigten fremdartigen Stoffe von jenen Veränderungen getroffen würden und vielleicht ließe ſich daraus zugleich erklären, warum die Ge - ſtalten dieſer Körper, bei ihren verſchiedenen Erſcheinungen, ſo ſel - ten dieſelben ſind.

Nach unſeren bisherigen Erfahrungen ſind zwar alle Körper des Himmels und der Erde gegen einander ſchwer, d. h. ſie zie - hen ſich gegenſeitig an. Aber es wäre doch auch möglich, daß einige, daß ſelbſt viele dieſer Körper, die wir bisher noch nicht unterſucht haben, davon eine Ausnahme machen. Wiſſen wir doch noch immer nicht, ob der Licht - oder Wärme-Stoff eine Schwere habe oder nicht. Wenn dieß bei dem Lichtſtoffe der Fall wäre, ſo müßte er ſich, ſeit ſo vielen Jahrtauſenden, ſchon längſt um die Planeten angehäuft haben, wovon wir aber auch nicht die ge - ringſte Spur entdecken können. Und wenn es ſonach in der That Körper ohne Schwere geben könnte, was hindert uns, noch einen Schritt weiter zu gehen und ſelbſt Körper mit negativer Schwere, d. h. ſolche anzunehmen, welche die andern Körper nicht nur nicht anziehen, ſondern ſie von ſich abſtoßen. Die Chemie hat uns bereits ſolche Eigenſchaften der einzelnen Theile der Körper in Menge kennen gelehrt. Wenn alſo die Sonne gegen den Kern des Kometen eine poſitive Schwere hat, ſo wird daraus die elliptiſche Bewegung der237Kometen.Kometen um die Sonne ganz ſo wie bei den Planeten, erklärt. Wenn eben ſo der Kern des Kometen gegen ſeine Dunſthülle auch eine poſitive Schwere hat, ſo wird man daraus die kugelförmige Geſtalt dieſer Hülle nach denſelben Geſetzen ableiten, nach welchen man die ſphäriſche Geſtalt der Planeten und ihre Abplattung an den Polen beſtimmt. Hat aber auch endlich die Sonne gegen die Dunſthülle des Kometen eine negative Schwere, ſo wird die Maſſe der Hülle von der Sonne nicht mehr angezogen, ſondern abgeſto - ßen werden, woraus man dann auch leicht die Lage und Geſtalt der Kometenſchweife wird ableiten können.

Der berühmte L. Euler ſuchte im Gegentheile die ſonderbare Geſtalt der Kometen dadurch zu erklären, daß die Maſſe derſelben von der Sonne ſo ausgedehnt und ſo weit von dem Kometenkern entfernt wird, daß ſie endlich von dieſem Kern gar nicht weiter angezogen, ſondern ganz ſich ſelbſt und der eigenen Anziehung der Sonne überlaſſen bleibt. Valz in Nimes meint dagegen, daß der Weltäther um den Kometen eine Art von Atmoſphäre bilde, wodurch die unteren Schichten des Kometen deſto mehr zuſammen gedrückt werden, je näher ſie bei dem Mittelpunkte des Kometen liegen, etwa ſo, wie unſere Atmoſphäre in ihrem untern Theile von den über ihr liegenden Schichten zuſammengedrückt und ver - dunſtet werde. Allein dieſe Erklärung könnte nur dann ange - nommen werden, wenn man zugleich zeigen kann, daß jener Aether die Nebelmaterie des Kometen nicht durchdringen kann. Auf eine mit Luft gefüllte Blaſe würde jene Erklärung wohl paſſen, aber wo iſt hier die Blaſe, welche die Nebelhülle des Kometen ein - ſchließt?

Wie dieſe Sache auch ſtehen mag, ſo wird es jetzt noch beſſer ſeyn, Beobachtungen zu ſammeln, als Hypotheſen zu ſchmieden, des hypothèses gratuites, wie Arago ſagt, des opinions sans bases, des véritables romans. Demnach wollen wir dieſe theoretiſchen Unterſuchungen unſeren Nachfolgern überlaſſen und wieder zu dem - jenigen übergehen, was uns unſere eigenen Erfahrungen an dieſen Himmelskörpern gelehrt haben.

§. 159. (Sehr große Kometen.) Die meiſten derjenigen Ko - meten, die wir in den letzten Decennien geſehen haben, waren nur238Kometen.ſogenannte teleſcopiſche Kometen, ſo klein und ſchwach beleuchtet, daß man ſie nur durch Fernröhre und auch da oft ſchlecht genug erkennen konnte. Die beiden größten, die uns ſeit lange beſucht haben, waren die von den Jahren 1807 und 1811, beſonders der letzte, der aber auch nicht zu den größten gezählt werden kann, die man in früheren Zeiten geſehen hat. Wir wollen nur einige derſelben näher anführen.

Die chineſiſchen Annalen erzählen, wie uns Thevenot in ſ. Hist. sinica berichtet, von einem Kometen, der bei Nacht alle Sterne durch ſeinen ſtarken Glanz unſichtbar gemacht und die Nacht ſelbſt in einen hellen Tag verwandelt haben ſoll. Nach dem Tode des Demetrius, ſagt Seneca (nat. quaest. L. VII. ), erſchien ein Komet ſo groß als der Mond, der ganz roth und von ſehr hellem Lichte war. Ariſtoteles ſchreibt von dem Kometen, der i. J. 371 vor Chr. G. erſchien, daß ſein heller und breiter Schweif den dritten Theil des ſichtbaren Himmels eingenommen habe. Im Jahre 43 vor Chr. G., bald nach Cäſars Tod, erſchien ein Komet, der ſo hell war, daß man ihn ſelbſt am Mittag noch gut ſehen konnte. Die Römer glaubten, daß er gekommen ſey, den Geiſt des großen Dictators zu empfangen, um ihn dem Sitz der Götter zuzuführen. Selbſt die Sonne, in blaſſen Schleier gehüllt, ſoll den Tod des außerordentlichen Mannes betrauert ha - ben und der Komet wurde deßhalb Julium Sidus genannt.

Zur Zeit Neros, ſechszig Jahre nach Chr. G., erſchien ein Ko - met, der, nach Seneca’s Berichte, die Strahlen der aufgehenden Sonne verdunkelte. Im Jahre 1402 erſchienen zwei ſehr große und helle Kometen. Der von 1532 konnte den ganzen Tag durch am Himmel geſehen werden. Der von 1456 hatte einen Schweif von 60 Graden Länge und der von 1618 einen von 100 Graden, ſo daß das Ende dieſes Schweifes an dem Horizonte noch nicht aufgegangen war, obſchon ſein Kopf bereits die Mitte des Him - mels einnahm und dieſer Schweif erſchien um ſo furchtbarer, da er nicht in eine Spitze auslief, ſondern vielmehr fächerartig ſich immer mehr ausbreitete. Der Komet von 1680 war ſo groß, daß er, obſchon ſein Kopf bald nach der Sonne unterging, doch die ganze Nacht hindurch einen Theil ſeines über 70 Grade langen239Kometen.und ſehr breiten Schweifes über dem Horizonte zeigte. Der vor - letzte der bisher geſehenen großen Kometen war der von 1744, deſſen Licht, nach dem Berichte der Aſtronomen jener Zeit, am 1. Februar d. J. ſchon heller, als das des Sirius war, der am 8. Februar an Helligkeit den Jupiter und im Anfange des März ſelbſt Venus in ihrem größten Glanze übertraf, ſo daß man ihn, an beſchatteten Stellen, um 1 Uhr nach dem Mittage mit freien Augen ſehr gut ſehen konnte. Der letzte große Komet endlich war der vom Jahre 1769, deſſen Schweif über 90 Grade lang war und deſſen ſich wohl die älteren meiner Leſer noch erinnern werden.

Wir haben hier, nach dem Gebrauche der Aſtronomen, die Länge der Kometenſchweife in Graden, alſo nur die Winkel an - gegeben, unter welchen ſie, von der Erde geſehen, erſchienen ſind. Einen deutlicheren Begriff von ihrer Ausdehnung würden wir er - halten, wenn wir dieſelben in Meilen angeben könnten. Allein das iſt oft ſchwer, weil man, wenn auch die Entfernung der Ko - meten von der Erde, ſo doch nicht die Lage ihres Schweifes gegen unſere Geſichtslinie genau angeben kann. Wegen dieſer Lage er - ſcheinen ſie uns oft ſehr verkürzt, wozu noch die meiſtens ſehr ſchwache und unbeſtimmte Begränzung derſelben an ihren von dem Kern entfernteren Enden kömmt. Schröter und Herſchel haben es indeß verſucht, die Größe dieſer Schweife auf ſolche Art zu beſtimmen. Sie fanden die Länge des Schweifes des Kometen von 1744 gleich ſieben Millionen Meilen, und die von 1769 über zehn, die von 1680 gegen zwanzig und endlich die von 1811 über zwei und zwanzig Millionen Meilen.

Man muß demnach die Kometen nicht nur als die bei weitem zahlreichſten, ſondern auch als die größten Körper unſeres Sonnenſyſtems anſehen. Dieſe Schweife erſtrecken ſich, wie wir geſehen haben, oft über einen Raum, der größer iſt, als die Entfernung der Erde von der Sonne, und auch der auf ihre Axe ſenkrechte Durchmeſſer, oder die Dicke derſelben mag oft mehrere Millionen Meilen betragen. Der Kopf des Ko - meten von 1811 hatte, nach dem oben Geſagten, einen Durch - meſſer von wenigſtens 140000 Meilen, war alſo über achtzigmal größer als der Durchmeſſer der Erde und ſelbſt noch ſiebenmal240Kometen.größer als der Durchmeſſer Jupiters, des größten unſerer Plane - ten, ſo daß der Kopf dieſes Kometen, an körperlichem Inhalte oder an Volum den Jupiter über 340mal und die Erde gegen 510000 mal übertraf, wobei ſein ungeheurer Schweif nicht mitge - rechnet iſt, obſchon er in ſeiner Länge die Diſtanz der Sonne von der Erde weit hinter ſich zurückließ. Man kann ſich kaum vor - ſtellen, wie eine Maſſe, die einmal ſo viele Millionen Meilen von dem Kopfe des Kometen weggeſchleudert worden iſt, von der ſo ſchwachen Materie dieſes ebenfalls nur dunſtförmigen Kopfes wie - der zurückgezogen werden ſoll und vielleicht erklärt ſich daraus die Abnahme der Größe, die man bei mehreren ſchon mehr als ein - mal wiedergekehrten Kometen bemerkt haben will.

§. 160. (Phaſen der Kometen.) Man hat ſo oft gefragt, ob die Kometen, ſo wie die Planeten, an ſich dunkle Körper ſind und ihr Licht nur von der Sonne erhalten, oder ob ſie, ſo wie die letzte, mit einem eigenen, wenn gleich viel ſchwächeren Lichte leuchten. Dieſe Frage wäre beantwortet, wenn man mit Ge - wißheit ſagen könnte, ob die Kometen ſolche Lichtphaſen zeigen, wie ſie unſer Mond und ſelbſt Venus und Merkur haben. Denn dann ließe ſich nicht weiter zweifeln, daß ſie an ſich dunkle Kör - per ſeyen.

Aber leider iſt dieß letzte noch immer nicht ausgemacht. Man hat ſo oft behauptet, daß D. Caſſini an dem Kometen von 1744 ſolche Phaſen beobachtet habe. Aber wenn man die Stelle in den Par. Memoiren, wo er dieſe Erſcheinung mittheilt, genauer betrachtet, ſo ſieht man, daß er nur von der Unregelmäßigkeit in der Geſtalt des Kerns dieſes Kometen, nicht aber von eigentlichen Phaſen deſſelben ſpricht. Ueberdieß ſagen auch Heinſius und Chezeaux, die beide denſelben Kometen ebenfalls beobachtet haben, ausdrücklich, daß ſie an demſelben nichts einer Phaſe Aehnliches geſehen hätten. An dem Kometen von 1769 will zwar der Eng - länder Dunn etwas dergleichen bemerkt haben, aber Meſſier’s Beobachtungen deſſelben Kometen widerſprechen einer ſolchen Wahr - nehmung gänzlich. Den Kometen des Jahrs 1819 ſah Cacciatore in Palermo am 5. Junius d. J. unter der Geſtalt des Mondes in ſeinen Vierteln. Dieſe Beobachtung könnte für entſcheidend241Kometen.gelten, wenn derſelbe Aſtronom nicht hinzugeſetzt hätte, daß die Diſtanz der beiden Spitzen des Halbmonds in derjenigen geraden Linie gelegen wäre, welche die Sonne mit dem Kometen ver - band, da doch jene Diſtanz auf dieſer Linie ſenkrecht ſtehen müßte, wenn das, was er ſah, eine wahre Phaſe geweſen wäre.

Uebrigens mag es ſchwer ſeyn, bei einem mit ſo vielen Dünſten umhüllten Körper deutliche Lichtphaſen zu bemerken, beſonders wenn, wie es nicht unwahrſcheinlich iſt, dieſe Dünſte ſelbſt ein eigenes, phosphoreſcirendes Licht haben ſollten. Die neuere Phyſik hat ein anderes Mittel gefunden, wodurch dieſe Frage vielleicht beantwortet werden kann. Man weiß, daß das Licht, wenn es von andern Körpern unter gewiſſen Winkeln zurückgeworfen wird, mehrere Eigenſchaften äußert, die es erkennen laſſen, ob dieſes Licht ein direktes oder ſelbſt nur ein reflektirtes Licht iſt. Allein die Verſuche, die Arago in dieſer Beziehung an demſelben Kome - ten von 1819 auf der Sternwarte in Paris gemacht hat, haben den Gegenſtand noch nicht zur Entſcheidung bringen können.

§. 161. (Maſſe der Kometen.) Es iſt bereits oben geſagt worden, daß die Materie, der Stoff, aus welchen die Kometen gewebt ſind, äußerſt fein und ſo wenig dicht iſt, daß er nicht mehr mit unſern Wolken, und kaum mit unſeren Nebeln vergli - chen werden kann. Es iſt möglich, daß dieſe ganzen Maſſen, ſo groß auch ihr Volum ſeyn mag, von den Sonnenſtrahlen völlig durchdrungen werden, und daß daher nicht bloß die Oberfläche, ſondern auch die inneren Theile derſelben noch das Licht der Sonne reflektiren, ſo daß es nicht nothwendig iſt, ein eigenes ſchwaches Licht dieſer Maſſen anzunehmen. Vielleicht iſt ſelbſt ihr Kern nichts anderes, als ein etwas mehr verdichteter Dunſt und ein ganzer großer Komet enthält nicht mehr eigentliche Maſſe, als einer der größeren Meteorſteine, die ſo oft aus den oberen Räu - men der Atmoſphäre auf unſere Erde fallen und die wohl eben ſolche, nur viel kleinere kosmiſche Körper ſind, als die Planeten ſelbſt. Der bloße Anblick dieſer Himmelskörper zeigt ſchon, daß ſie mit den uns bekannten feſten Körpern durchaus keine Aehn - lichkeit haben. Sie erſcheinen ſelbſt in den beſten Fernröhren immer nur als leichte Wolken oder vielmehr als ſchwache, mattLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 16242Kometen.beleuchtete Dünſte. Während man durch unſere Nebel ſelbſt die größeren Gegenſtände, wie unſere Häuſer und Bäume, oft ſchon auf hundert Schritte nicht mehr zu erkennen vermag, ſieht man durch die Nebelhüllen der Kometen, die oft viel tauſend Meilen im Durchmeſſer betragen, auch die kleinſten Fixſterne noch mit ungeſchwächtem Lichte. In einem viel höheren Grade gilt daſ - ſelbe von den noch viel feineren Dünſten ihrer Schweife. Das Gewebe, aus welchen dieſe Körper beſtehen, iſt daher wahrſchein - lich ſo ungemein zart und locker, daß es nur mehr mit unſeren verſchiedenen Luftarten zu vergleichen ſeyn mag. Es iſt daher wohl möglich, daß wir einen Kometen nicht einmal ſehen würden, wenn wir uns mitten in ihm befänden. Und ſo kann auch die Erde ſchon öfter durch eine ſolche Nebelmaſſe gegangen ſeyn, ohne daß wir es gewahr worden ſind.

§. 162. (Maſſe des Kerns der Kometen.) Etwas dichter ſcheint der eigentliche Kern der Kometen zu ſeyn, wie man aus dem helleren Lichte ſchließen kann, durch welches er ſich gewöhnlich von dem übrigen Körper des Kometen unterſcheidet. Zwar will man ſchon öfter ſelbſt kleinere Fixſterne durch dieſen Kern durchſchim - mern geſehen haben, woraus man mit Recht auf eine ſehr geringe Dichtigkeit der Maſſe dieſes Kerns geſchloſſen haben würde. Allein jene Beobachtungen ſelbſt ſind zweifelhaft. Die Beobachtung von Olbers an dem Kometen von 1796 hat er ſelbſt dahin berichtiget, daß der Stern wahrſcheinlich nur ſehr nahe an dem Kern, aber nicht hinter ihm vorüber gegangen iſt. Andere Beobachtungen dieſer Art von Bryant i. J. 1744 und von Herſchel i. J. 1795 ſind nicht genau und entſcheidend genug angeführt worden. Daſ - ſelbe gilt von dem Vorübergange eines Kometenkerns vor einem kleinen Stern, den Montaigne i. J. 1774 geſehen haben ſoll, ſo wie von der ähnlichen Erſcheinung, die Meſſier an demſelben Ko - meten i. J. 1774 an einem andern Tage beobachtet hat. Die Bedeckung eines Sterns der ſiebenten Größe, die Valz zu Nimes i. J. 1825 ſah, ſcheint auch nur ein naher Vorübergang des Kerns bei dem Kometen geweſen zu ſeyn. Entſcheidender würde Wartmanns Beobachtung vom 28. November 1828 ſeyn, der ſagt, daß er den Stern von dem Kern des Kometen vollkommen bedeckt243Kometen.(complètement éclipsée) geſehen habe, aber ſein Fernrohr war offenbar zu ſchwach, um dieſen Gegenſtand durch eine einzige Beobachtung zur Entſcheidung zu bringen. Noch kann man der berüchtigten Bedeckung des Mondes von einem Kometen er - wähnen, die Georg Phranza in ſeiner griechiſchen Chronik für das Jahr 1454 aufgeſtellt hat. Allein man weiß jetzt, daß dieſe Mei - nung bloß durch eine unrichtige Ueberſetzung des griechiſchen Textes durch den Jeſuiten Pontanus entſtanden iſt. Beſonders wichtig wäre uns in dieſer Beziehung der Komet von dem Jahre 1819 geweſen, der am 26. Junius d. J. in einer Entfernung von 14 Millionen Meilen zwiſchen der Sonne und der Erde vorüber - ging, und den wir daher auf dem lichten Hintergrunde der Sonne hätten ſehen können. Allein unglücklicher Weiſe wurde dieſe Er - ſcheinung, ein bloßes Reſultat der Vorherberechnung, zu ſpät be - kannt gemacht, um die Beobachter auf dieſelbe aufmerkſam zu machen. Jedoch will Paſtorf an dieſem Tage einen Sonnenflecken beobachtet haben (Bode’s Jahrb. 1823), den er für dieſen Kome - ten hielt. Wie es ſich daher auch mit dieſen Kometenkernen verhalten mag, wir müſſen darüber die Beobachtungen unſerer Nachfolger abwarten, die dieſen Gegenſtand vielleicht bald ent - ſcheiden werden.

§. 163. (Komet von dem Jahre 1770.) Einen andern Be - weis für die ungemein geringe Dichtigkeit der Kometenmaſſe über - haupt liefert uns der ſonderbare Komet von dem Jahre 1770. Die erſten Beobachtungen deſſelben gaben uns eine nicht ſehr excentri - ſche, elliptiſche Bahn mit einer Umlaufszeit von Jahren. Bei dieſem Reſultate der Berechnung war es aber ſehr auffallend, daß der Komet, ſeiner kurzen Umlaufszeit ungeachtet, weder vor, noch auch nach dem Jahre 1770 wieder geſehen wurde. Endlich fand man nach vielen umſtändlichen Rechnungen, daß er im Jahre 1767 dem Planeten Jupiter nahe vorbei ging, und daß dieſer größte aller Planeten ſeine urſprüngliche, wahrſcheinlich ſehr excen - triſche Bahn in dieſe viel kleinere von Jahren verändert habe. In dieſer ſeiner neuen Bahn würden wir ihn auch wahrſchein - lich im März d. J. 1776 wieder geſehen haben, wenn er nicht mit der Sonne zugleich über unſerem Horizonte geſtanden, alſo uns16 *244Kometen.unſichtbar geweſen wäre. Als er ſich aber ſpäter wieder von der Sonne entfernte, begegnete er auf ſeinem Wege im Jahr 1779 dem Jupiter zum zweitenmale und erlitt dadurch neuerdings eine gewaltſame Veränderung ſeiner Bahn, die jetzt wieder ſehr excen - triſch iſt, wie ſie vor dem Jahre 1770 war, und in welcher er der Erde nicht mehr ſo nahe kommen kann, um von ihr geſehen zu werden. Auf dieſem zweimal ſo ſtark geſtörten Wege ging der Komet ebenfalls zweimal mitten durch das Syſtem der vier Sa - telliten jenes Planeten, und er würde unter dieſen kleinen Körpern gewiß ſehr beträchtliche Störungen verurſacht haben, wenn ſeine Maſſe nicht ungemein gering geweſen wäre. Selbſt unſerer Erde ging dieſer Komet in demſelben Jahre 1770 näher, als bisher ir - gend ein anderer, vorbei, indem ſeine kleinſte Entfernung von der Erde nur 368 Erdhalbmeſſer oder nahe ſechsmal die Diſtanz des Mondes von der Erde betrug. Hätte er eine der Erde gleiche Maſſe gehabt, ſo würde er, wie die aſtronomiſchen Berechnungen zeigen, die Länge unſeres Jahres um volle 2 St. 53 Min. geän - dert haben. Allein alle unſere Beobachtungen zeigen, daß ſich das Jahr der Erde, ſeit jener Epoche, gewiß nicht um zwei Se - cunden, d. h. nicht um den 5000ſten Theil jener Zeit geändert hat, woraus daher folgt, daß auch die Maſſe jenes Kometen noch nicht den 5000ſten Theil der Erdmaſſe betragen könne.

Allerdings könnte man einwenden, daß das, was von die - ſem und vielleicht noch von einigen andern Kometen gilt, darum nicht von allen anderen gelten müſſe. Nun iſt es wohl unmög - lich, alle dieſe Himmelskörper nach einander auf die Kapelle zu bringen, um ſie in dieſer Beziehung auf das genaueſte zu unter - ſuchen. Allein es gibt doch noch einen andern, bisher, ſo viel mir bekannt, ganz überſehenen Beweis für die Geringfügigkeit der Kometenmaſſen, der vor allen übrigen den großen Vorzug hat, daß er in der That ſämmtliche Kometen, ſo viele deren ſeit vielen Jahrhunderten uns nahe gekommen ſind, umfaßt, und daß er da - her als ein allgemeiner Beweis anzuſehen iſt.

Bei den aſtronomiſchen Berechnungen der Störungen, welche jeder Planet, der der Sonne nächſte, wie der entfernteſte von allen übrigen Planeten erleidet, wird auf diejenigen Störungen, welche245Kometen.etwa von den Kometen oder auch von den Fixſternen kommen könnten, durchaus keine Rückſicht genommen, weil man voraus - ſetzt, daß die Maſſen von jenen zu klein und daß die Entfernun - gen von dieſen viel zu groß ſind, als daß ſie noch auf die Bewe - gung dieſer Planeten irgend einen Einfluß haben könnten. Ehe man dieſe gegenſeitigen Störungen der Planeten berechnen konnte, war die Theorie der planetariſchen Bewegungen noch ſo unvoll - kommen, daß Abweichungen zwiſchen den Berechnungen und den wirklichen Beobachtungen oft auf mehrere Minuten gingen, wo - mit man ſich, da man nichts beſſeres hatte, zufrieden ſtellen mußte. Allein ſeit man, durch die jetzt ſo vervollkommnete ma - thematiſche Analyſe, dieſe Störungen mit allem Fleiße berech - net hat, ſtimmen die voraus berechneten mit den in der That beobachteten Orten der Planeten bis auf einige wenige Secunden überein, ſo daß wir uns jetzt einer viel größeren Harmonie zwi - ſchen der Theorie und der Anwendung zu erfreuen haben, als es unſeren Vorgängern gegönnt war, und daß die kleinen Abweichun - gen, die wir noch zuweilen finden, meiſtens der Art ſind, daß wir ſie mehr den immer noch nicht ganz vermeidlichen Beobachtungs - fehlern, als einer unrichtigen Theorie zuſchreiben müſſen. Dieſe Harmonie würde aber nicht beſtehen können, wenn jene Voraus - ſetzung, auf welche unſere ganze Theorie gebaut iſt, der Wahrheit nicht gemäß wäre, d. h. wenn die Kometen, oder wenn auch nur ein einziger von jenen, die ſeit langer Zeit unſeren Planeten nahe gekommen ſind, eine Maſſe hätte, die hinlänglich wäre, den Ort dieſer Planeten auf eine uns merkbare Weiſe zu verändern.

§. 164. (Berechnung der Kometenbahnen.) Es iſt bereits oben geſagt worden, daß dieſe Himmelskörper, wenn ſie zum zwei - tenmale zur Erde herabſteigen und nach oft langer Zeit wieder für uns ſichtbar werden, ihre Geſtalt zuweilen ſo ſehr geändert haben, daß es unmöglich iſt, ſie als früher ſchon da geweſene Gäſte je wieder zu erkennen. Da aber dieſes Wiedererkennen für die Aſtronomen ſehr wichtig iſt, ſo haben ſie andere Merkmale aufgeſucht, die aller Wahrſcheinlichkeit nach weniger Veränderun - gen unterworfen ſind und dieſe glaubte man in den Elementen ihrer Bahnen (I. S. 280) zu finden, deren Kenntniß ohnehin246Kometen.nöthig iſt, um die Bewegung und den Ort des Kometen für jede gegebene Zeit durch Rechnung zu beſtimmen.

So oft daher einer dieſer Himmelskörper erſcheint, wird er ſofort von allen wohleingerichteten Sternwarten eifrig beobachtet und aus dieſen Beobachtungen werden dann, durch Rechnung, die Elemente ſeiner Bahn abgeleitet. Findet man, daß dieſe Elemente mit einem der bereits früher erſchienenen Kometen übereinſtimmen, ſo wird man mit der größten Wahrſcheinlichkeit daraus ſchließen, daß dieſe beiden Kometen identiſch ſind, und daß daher der fremde Gaſt ſchon einmal und vielleicht öfter da geweſen iſt.

Dieſer Elemente ſind aber ſechs, die an dem angeführten Orte bereits aufgezählt worden ſind, nämlich 1) die große Axe der Bahn, oder was (I. S. 252) daſſelbe iſt, die Umlaufszeit des Kometen. 2) Die Lage dieſer Axe oder die Länge des Perihe - liums. 3) Die Excentricität oder die Entfernung des Brenn - punktes der elliptiſchen Bahn von dem Mittelpunkte derſelben. 4) Die Neigung der Bahnebene gegen die Ecliptik. 5) Die Knotenlinie oder die Länge der Linie, in welcher die Kometen - bahn die Ecliptik ſchneidet und endlich 6) die Epoche oder der Ort des Kometen in ſeiner Bahn zu irgend einer gegebenen Zeit.

Allein wie findet man dieſe Elemente aus den Beobachtun - gen? Es kann nicht meine Abſicht ſeyn, hier eine vollſtändige Antwort auf dieſe Frage zu geben, aber demungeachtet wird der Leſer wünſchen, wenigſtens den Weg dazu im Allgemeinen ange - zeigt zu finden.

Sey S (Theil I. Fig. 21) die Sonne, T die Erde und p der Komet zur Zeit irgend einer Beobachtung deſſelben. Läßt man von p auf die Ebene ST'P 'der Ecliptik eine Senkrechte pP herab und verbindet man dann dieſen Punkt P durch gerade Linien mit S und T, ſo entſtehen hier drei Dreiecke STP, SPp und TPp, und auf die vollſtändige Kenntniß dieſer Dreiecke kömmt eigent - lich die ganze Rechnung an, um die es ſich hier handelt.

Allein dieſe Kenntniß oder die ſogenannte Auflöſung dieſer Dreiecke bietet ganz beſondere Schwierigkeiten dar. Bemerken wir zuerſt, daß unſere Beobachtungen der Kometen nichts geben, als erſtens den Elongationswinkel (I. S. 244) STP (der gleich247Kometen.iſt der Länge der Sonne weniger der geocentriſchen Länge des Kometen und zweitens die geocentriſche Breite Tp des Kometen oder den Winkel PTp. Da uns die Bewegung der Sonne, aus ihrer Theorie, bekannt iſt, ſo können wir auch noch für jede Zeit die Entfernung der Erde von der Sonne oder die Größe der Linie ST angeben. Die in jenen drei Dreiecken bekannten Größen ſind alſo die beiden Winkel STP und PTp nebſt der Linie ST, und daraus läßt ſich nun, nach einem leichten Satze der Trigonometrie, auch noch der Winkel STp ableiten und weiter nichts. Man braucht aber, um jene Frage zu beantworten, vor allen den Com - mutationswinkel TSP (der gleich iſt der heliocentriſchen Länge des Kometen weniger der heliocentriſchen Länge der Erde I. S. 244); ferner den Winkel PSp oder die heliocentriſche Breite des Kome - ten und endlich die Linie Sp, welche den Kometen mit der Sonne verbindet, d. h. den Radius Vector (I. S. 272) des Kometen. Wenn man ſo dieſe drei letzten Größen unſerer Dreiecke hätte, d. h. mit andern Worten, wenn uns die Lage des Kometen gegen die Sonne vollſtändig bekannt wäre, ſo würde die weitere Be - ſtimmung der Elemente der Bahn des Kometen, zwar noch immer nicht zu den leichten Arbeiten gehören und gar manche Kenntniſſe der Aſtronomie ſowohl, als auch der höheren Analyſe vorausſetzen, aber ſie würde doch, wie man längſt ſchon gezeigt hat, möglich und ausführbar ſeyn. Allein jene drei Stücke ſind nun einmal unbekannt, da uns durch unſere Beobachtungen nur die Lage des Kometen gegen die Erde und dieſe nicht einmal vollſtändig (weil uns die Kenntniß der Linie TP oder Tp fehlt) gegeben iſt.

Bei dieſer Lage der Dinge läßt ſich an eine ſogenannte di - recte Auflöſung unſeres Problems nicht einmal denken. Zwar kann man die analytiſchen Ausdrücke, von welchen dieſe Auflö - ſung abhängt, ohne beſondere Mühe aufſtellen, aber ſie ſind ſo weitläufig und die aus ihnen zu findenden unbekannten Größen ſind unter einander ſo verwickelt, daß zu der Berechnung derſelben ſelbſt die Geduld des unermüdlichſten Rechners nicht hinreichen würde.

Man müßte alſo dieſen directen oder geraden Weg ver - laſſen und zuſehen, ob man nicht vielleicht durch Umwege das248Kometen.gewünſchte Ziel erreichen könne, durch Verſuche, in welchen man z. B. eine von den unbekannten Seiten Tp oder TP einſtweilen willkührlich, alſo wohl ohne Zweifel fehlerhaft annimmt und dann mit dieſer Annahme weiter rechnet, bis man auf Reſultate kömmt, die ſich mit den Beobachtungen nicht mehr vertragen und die uns daher zu einer andern Annahme von TP führen, die wohl wieder, aber vielleicht ſchon minder fehlerhafte Reſultate geben und uns auf dieſe Art, nach einigen zweckmäßig angeſtellten Ver - ſuchen, in den Stand ſetzen wird, denjenigen Werth von TP zu finden, welcher den Beobachtungen vollkommen entſpricht.

Ein ſolches Mittel, dieſen Zweck auf eine bequeme und ſichere Weiſe zu erreichen, wird uns z. B. das oben (I. S. 276) er - wähnte zweite Geſetz Keplers geben. Nach dieſem Geſetze bewe - gen ſich alle Planeten und Kometen um die Sonne ſo, daß der Radius Vector derſelben Flächen beſchreibt, die den dazu verwen - deten Zeiten proportional ſind.

Nehmen wir nun an, man habe den Kometen in drei auf - einander folgenden Zeiten beobachtet. Für die erſte dieſer Beobach - tungen iſt in unſerer Zeichnung, wie geſagt, der Elongationswinkel STP und die Seite SS, ſo wie der Winkel PTp unmittelbar ge - geben. Nimmt man nun vorläufig auch die Seite TP oder Tp als bekannt an, ſo wird man, mit dieſen Größen, jene drei Dreiecke vollſtändig auflöſen können. Daſſelbe wird man auch für die zweite und dritte Beobachtung thun, und dadurch, wie man leicht ſieht, nicht nur die drei Radii Vectores Sp, Sp ', Sp' 'des Ko - meten zur Zeit jener drei Beobachtungen, ſondern auch noch die zwei Winkel finden, welche zwiſchen dieſen drei durch die Sonne S gehenden Radien enthalten ſind, und alſo auch die zwei ellip - tiſchen Flächen, welche zwiſchen dieſen Radien und den ſie be - gränzenden Bogen der elliptiſchen Bahn des Kometen liegen. Dieſe Flächen ſind es nun, welche den aus den unmittelbaren Beobachtungen gegebenen Zwiſchenzeiten proportional ſeyn müſ - ſen, wenn jene willkührliche Annahme der Größen Sp, Sp', Sp '' der Wahrheit gemäß iſt. Geſetzt, jene Beobachtungen wären zur Zeit der Mitternacht am 1., 6. und 16. März gemacht worden, ſo ſind die Zwiſchenzeiten derſelben 5 und 10 Tage, oder die249Kometen.zweite iſt doppelt ſo groß, als die erſte. Und eben ſo muß auch die elliptiſche Fläche zwiſchen dem zweiten und dritten Radius doppelt ſo groß ſeyn, als die Fläche zwiſchen dem erſten und zwei - ten Radius, wenn jene Annahme richtig geweſen iſt. Iſt dieß nicht, ſo wird man jene Diſtanzen TP ſo lange ändern, bis dieſe Flächen ſich genau ſo, wie jene Zwiſchenzeiten verhalten, und wenn man dieß erreicht hat, ſo wird man auch überzeugt ſeyn, daß die letzten drei Diſtanzen des Kometen von der Sonne und die Win - kel, welche zwiſchen ihnen enthalten ſind, mit der Wahrheit genau übereinſtimmen. Kennt man aber einmal dieſe Diſtanzen und ihre Winkel, ſo iſt die daraus folgende Beſtimmung der eigentli - chen Elemente ein reines, geometriſches Problem, das ſich direct und zwar auf mehr als eine Weiſe auflöſen läßt.

Man wird ohne meine Erinnerung bemerken, daß dieſes Ver - fahren nicht ohne etwas umſtändliche Rechnungen angewendet wer - den kann, und daß es zu manchen ſcharfſinnigen Bemerkungen und Kunſtgriffen Gelegenheit geben wird, die wir hier übergehen müſſen.

Daſſelbe Verfahren muß man im Grunde auch bei der Be - ſtimmung der Elemente der Planetenbahnen anwenden und es iſt auch in der That bei den vier neuen Planeten angewendet worden, ja dieſe ſind es eigentlich, welche die erſte Gelegenheit zur Aus - bildung dieſer Methode gegeben haben. Bei den älteren Planeten aber konnte man ſich dieſe Mühe erſparen, weil von denſelben eines jener ſechs Elemente, nämlich die Umlaufszeit oder, was daſſelbe iſt, die große Axe ihrer Bahnen durch die Beobachtungen der Alten bereits auf das genaueſte bekannt war (I. S. 257), ein Vortheil, der bei den neueren, den Alten unbekannten Planeten, ganz wegfiel.

Auch bei den Kometen hat man ſich eines ähnlichen Vortheils zu bedienen geſucht, um die hieher gehörenden Rechnungen zu er - leichtern. Nachdem man nämlich bemerkt hatte, daß ſie beinahe alle in ſehr excentriſchen Ellipſen um die Sonne laufen, ſo erlaubte man ſich die Vorausſetzung, daß ſie ſich, nicht in Ellip - ſen, wie dieß in der That der Fall iſt, ſondern daß ſie ſich in Parabeln um die Sonne bewegen. Auch iſt die Parabel nichts250Kometen.anderes, als eine Ellipſe mit einer unendlich großen Axe. Wenn beide krumme Linien denſelben Scheitel und Brennpunkt haben, ſo kömmt der Bogen der Ellipſe dem der Parabel deſto näher, je excentriſcher oder je länglicher dieſe Ellipſe iſt, beſonders in der Nähe des Scheitels oder des Periheliums, und eben da iſt es, wo wir die Kometen gewöhnlich beobachten, weil ſie da der Sonne und alſo auch im Allgemeinen der Erde am nächſten ſtehen.

Nimmt man alſo die Bahn der Kometen paraboliſch an, ſo fällt dadurch ein Element, die große Axe, die hier unendlich groß wird, ganz weg und die Rechnung wird dadurch ungemein er - leichtert. In der That hat man durch dieſe abkürzende Methode die Bahnen vieler Kometen den Beobachtungen hinlänglich gemäß dargeſtellt, aber man hat auch zugleich, indem man die große Axe der Bahn als unendlich groß annahm, ſich aller Kenntniß der Umlaufszeit des Kometen begeben, da in der Parabel keine Wiederkehr deſſelben möglich iſt, und ſo iſt es gekommen, daß uns vielleicht mehrere Kometen, ſelbſt von einer kürzeren Umlaufs - zeit, gänzlich entgangen ſind, und daß man ſie bei ihrer Wieder - kunft nicht mehr erkannt hat.

Es iſt übrigens für ſich klar, daß dieſe Beſtimmung der Elemente der Bahn deſto genauer ſeyn wird, je größer der Bogen der Ellipſe war, in welchem man den Kometen von der Erde beob - achtet hat, weil hier, wie überall, der Schluß von dem Kleinen auf das Große mißlich iſt. Es iſt daher für dieſe Beſtimmungen ſehr nachtheilig, daß wir die Kometen, wegen ihrem zu ſchwachen Lichte, nur in der Nähe der Sonne, alſo meiſtens nur in einem ſehr kleinen Theile ihrer weit verbreiteten Bahnen ſehen können, da ſie, ſobald ſie ſich weiter von der Sonne, alſo auch von der Erde entfernen, ſelbſt unſeren beſten Fernröhren ſich gänzlich ent - ziehen. Dieſer ungünſtige Zufall äußert ſeine Wirkung ganz be - ſonders auf die Umlaufszeit der Kometen. Je größer die Excen - tricität, deſto ſchwieriger iſt die Beſtimmung der Umlaufszeit. Daher differiren auch die Aſtronomen ſo ſehr in ihren Angaben dieſes Elements. Für den Kometen von 1769 fand Lexell eine Revolution von 400 und Pingré eine von 1200 Jahren, und251Kometen.Beſſel endlich, der die Beobachtungen dieſes Kometen mit einer beſondern Sorgfalt discutirte, ſogar eine von 2089 Jahren. Der letzte zeigte zugleich, daß ein Beobachtungsfehler von nur fünf Secunden die Umlaufszeit des Kometen ſchon um 400 bis 500 Jahre ändern kann. Eben ſo fand Proſperin für den Kometen von 1779 aus ſeinen Rechnungen, je nachdem er andere Beob - achtungen zu Grunde legte, bald eine Umlaufszeit von 1160, bald von 19000 und endlich ſogar eine unendlich große, d. h. eine paraboliſche Bahn, in welcher der Komet nie mehr zur Sonne zurückkehrt. Für den bereits oben erwähnten großen Kometen von 1680 fand Halley eine Umlaufszeit von 575 Jahren, während Encke aus ſeiner ſorgfältigen Unterſuchung aller über ihn ge - ſammelten Beobachtungen eine Umlaufszeit von 8800 Jahren abgeleitet hat. Dieſe Beiſpiele, welche man leicht noch mit andern vermehren könnte, werden genügen, zu zeigen, wie ſchwer es iſt, die Umlaufszeiten der Kometen, wenigſtens wenn dieſe einmal mehrere Jahrhunderte umfaſſen, mit Genauigkeit zu beſtimmen.

§. 165. (Kometen von bekannter Umlaufszeit.) Es giebt in der That kein anderes Mittel, die Umlaufszeit eines Kometen verläßlich zu beſtimmen, als die Beobachtung ſeiner Wiederkehr ſelbſt, wo man ihn an der Identität ſeiner Elemente mit einem früher da geweſenen Gaſte erkennen kann. Von Kometen, deren Umlaufszeit man auf dieſe Weiſe beſtimmt hat, kennt man jetzt mit Genauigkeit nur vier, deren Namen, nach denen ihrer Ent - decker oder erſten Berechner, und deren Umlaufszeiten folgende ſind:

  • Halley’s Komet mit einer Umlaufszeit von 76 Jahren
  • Olbers 74
  • Encke’s 3,29
  • Biela’s 6,74

Dieſe vier merkwürdigen Kometen gehören ſo recht eigentlich unſerm Sonnenſyſteme an; ſie bewegen ſich immer unter den Pla - neten, von welchen nur die beiden erſten ſich noch zuweilen be - deutend entfernen, während die anderen in ungemeſſenen und größtentheils für uns unmeßbaren Bahnen weit über die Gränze unſeres Planetenſyſtems hinausſchweifen, ſich in den unbekannten Tiefen des Himmels verlieren, und vielleicht ſchon nach ihrem252Kometen.erſten Beſuche auf immer für uns verſchwinden, indem ſie auf ihren paraboliſchen oder hyperboliſchen Bahnen unter den Fix - ſternen herumirren und auf ihren excentriſchen Wegen von einer Welt zur andern wandern.

Zwar hat man außer jenen vier Kometen, die wir ſogleich einzeln näher betrachten wollen, noch einige andere als ſchon mehr - mals da geweſene Fremdlinge erkennen wollen, allein man iſt über die Identität derſelben noch nicht ſo ſicher geworden, um die nächſte Wiederkunft derſelben mit Verläßlichkeit vorausſagen zu können. Die Elemente der beiden Kometen von dem Jahre 1264 und 1556 ſind einander ähnlich genug, um eine Identität derſelben nicht unwahrſcheinlich zu finden. Allein die Beobachtungen derſelben, vorzüglich die der erſten Periode, ſind viel zu unvollkommen, um darauf einen ſichern Schluß für die Wiederkehr deſſelben, die im Jahre 1848 ſtatt haben ſoll, gründen zu können. Eben ſo haben manche Aſtronomen den i. J. 1743 mit dem i. J. 1819 erſchienenen Kometen für einen und denſelben gehalten. Die Beobachtungen von der letzten Periode laſſen allerdings deutliche Spuren einer Ellipticität ſeiner Bahn bemerken, und die Elemente ſind, bis auf die gar zu verſchiedenen Neigungen der Bahn, mit jener Ver - muthung in Uebereinſtimmung. Clauſen zeigte uns, daß dieſe Aenderung ſeiner Neigung von ſeinen nahen Vorübergängen vor Ju - piter komme, und er machte es wahrſcheinlich, daß der Komet jetzt eine Umlaufszeit von Jahre habe, ſo daß man ihn im Herbſte des Jahres 1836 wieder erwarten dürfte, wenn er nicht wieder ähnliche bedeutende Störungen auf ſeinem Wege von andern Himmelskörpern erleiden ſollte.

§. 166. (Halley’s Komet.) Dieſer merkwürdige Komet zeichnet ſich durch mehrere intereſſante Eigenheiten aus, die wir, in dieſem Maaße, bei keinem andern vereinigt finden. Er iſt unter allen Kometen von großer Umlaufszeit der einzige, von dem wir ſo viele Wiederkünfte aufzuweiſen haben; wir können ihn bis in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts mit Sicherheit, und mit einiger Wahrſcheinlichkeit ſogar bis zu dem Anfang der chriſtlichen Zeitrechnung verfolgen; er iſt einer der größten und auffallendſten Kometen; er iſt der erſte, deſſen Wiederkunft die Menſchen voraus -253Kometen.zuſagen gewagt und glücklich gewagt haben, und er iſt es endlich, der uns dieſe räthſelhaften Himmelskörper noch am meiſten kennen gelehrt hat, da beinahe keine ſeiner Erſcheinungen ohne irgend eine wichtige Entdeckung oder eine Bereicherung unſerer Kenntniſſe der Kometenwelt vorübergegangen iſt.

§. 167. (Elemente des Halley’ſchen Kometen.) Die Umlaufs - zeit dieſes Kometen beträgt, im Mittel aus den bisher beobach - teten Erſcheinungen 75 bis 76 Jahre. Die große Axe ſeiner Bahn iſt daher nahe 18 mal größer als die große Axe der Erdbahn, oder ſie beträgt nahe 744 Millionen d. Meilen. Die kleine Axe ſeiner Bahn beträgt 9⅕ Durchmeſſer der Erdbahn oder 380 Mill. Meilen. Daraus folgt, daß die Entfernung der Brenn - punkte ſeiner Bahn von den Scheiteln der Ellipſe nur 0,033 Theile ſeiner großen Halbaxe oder nur 12 Mill. Meilen beträgt, ſo daß er alſo in ſeinem Perihelium nur halb ſo weit, als die Erde, von der Sonne entfernt iſt, während er in ſeinem Aphelium nahe noch einmal ſo weit, als Uranus, von der Sonne abſteht. Sein größter Abſtand von der Sonne beträgt nämlich 35,4, und ſein kleinſter nur 0,6 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Länge ſeines aufſteigenden Knotens, d. h. die Länge des Punktes der Ecliptik, in welchem er ſich über dieſelbe erhebt, beträgt 54 Grade, und die Neigung ſeiner Bahn gegen die Ecliptik iſt 72 Grade, alſo ungewöhnlich groß. Ueberdieß bewegt er ſich in dieſer ſeiner Bahn, der allge - meinen Richtung der Planeten entgegen, alſo von Oſt gen Weſt oder ſeine Bewegung iſt retrograd, gegen die Ordnung der himm - liſchen Zeichen des Thierkreiſes. Die Länge des Periheliums iſt 303, alſo auch die des Apheliums 123 Grade.

Dieſe Bahn iſt in Figur 15 verzeichnet, wo die Ebene des Papiers die Ecliptik vorſtellt, und die vier Punkte und in den Längen von 0, 90, 180 und 270 Graden liegen. Zieht man durch den Mittelpunkt des Kreiſes , welcher Mittel - punkt die Sonne vorſtellt, eine gerade Linie nach den Punkten 54 und 234° der Peripherie dieſes Kreiſes, ſo ſtellt dieſe Linie die Knotenlinie der Kometenbahn vor. Da der Komet in dieſer Bahn rückwärts, oder in der Richtung der dort verzeichneten Pfeile geht, ſo ſieht man, daß nur ein ſehr kleiner Theil dieſer Bahn,254Kometen.nämlich derjenige, welcher auf der Seite der Knotenlinie ſteht, in welcher das Perihel iſt, über der Ecliptik, bei weitem der größere aber unter derſelben liegt, was die Urſache iſt, warum uns der Komet meiſtens nur unter einer ſüdlichen Breite erſcheinen muß. Zur Zeit, wo er der Sonne am nächſten iſt, ſteht er über der Ecliptik und innerhalb der Erdbahn, wie man in der Zeichnung ſieht. Da er aber hier zugleich ſeine ſchnellſte Bewegung hat, ſo verweilt er nur etwa Monate innerhalb der Erdbahn. In ſeinem Perihelium legt er in einer Stunde 59500 Meilen zurück, geht alſo viermal ſchneller, als die Erde. In ſeinem Aphelium hingegen, wo ſeine Geſchwindigkeit die kleinſtmögliche iſt, legt er in einer Stunde nur 980 Meilen, alſo 15 mal weniger, als die Erde, zurück*)Noch viel mehr verſchieden ſind dieſe Geſchwindigkeiten bei denjenigen Kometen, die in ſehr excentriſchen Bahnen einher - gehen. Der große Komet von 1680 zum Beiſpiel hat, nach Encke’s Unterſuchungen, eine halbe große Axe von 426,774 Halb - meſſern der Erdbahn und eine Diſtanz der Brennpunkte von den Scheiteln, die 0,00615 Halbmeſſer der Erdbahn oder nur 128260 Meilen beträgt. Nimmt man den Halbmeſſer der Sonne zu 93900 Meilen an, ſo iſt im Perihelium die Entfernung des Mittelpunktes des Kometen vor der Oberfläche der Sonne nur 34360 Meilen oder nahe ſieben Zehntheile der Diſtanz des Mondes von der Erde. Im Aphelium aber iſt ſeine Entfernung von der Sonne über 17590 Millionen Meilen, alſo über 830 mal größer als der Halbmeſſer der Erdbahn. Die Umlaufszeit dieſes Kometen beträgt, wie aus der angeführten großen Axe ſeiner Bahn, nach dem dritten Geſetze Kepler’s folgt, 8817 Ju - lianiſche Jahre, deren jedes 365¼ Tage hat. Seine Winkel - geſchwindigkeit im Perihelium, wie ſie von der Sonne geſehen wird, iſt ſo groß, daß er in einer Stunde ſchon 1183 / 10 Grade, alſo in zwei Stunden ſchon mehr als die ſichtbare Hälfte des Himmels zurücklegt, und hier iſt er der Sonne ſo nahe, daß man von ſeinem Mittelpunkte aus den Durchmeſſer der Sonne unter dem Winkel von 94 Graden ſehen würde, ſo daß alſo die Sonne mehr als den vierten Theil des Himmels einnimmt. In ſeinem Aphelium aber, wo ihm die Sonne nur mehr unter dem kleinen Winkel von zwei Secunden erſcheint, iſt ſeine Winkelgeſchwindigkeit ſo langſam, daß er 1840 Tage braucht, um, von der Sonne geſehen, den Winkel von einer einzigen. Seine Bahn liegt übrigens ſo gegen die Erd -255Kometen.bahn, daß der Komet der Erde nie nahe kommen kann, und daß er, ſelbſt im ungünſtigſten Falle noch mehrere Millionen Meilen von ihr abſteht, während z. B. der Komet Biela’s ſich i. J. 1832 der Erdbahn (nicht der Erde ſelbſt) auf 3000 Meilen genähert hat. Dieſer Umſtand macht, daß die Erde von Halley’s Kometen durchaus nichts zu beſorgen hat, und daß die Furcht, welche einige mit dieſem Weltkörper nicht genug bekannte Schriftſteller in ihren Blättern unter dem Volke erregt haben, völlig ungegründet iſt.

§. 168. (Frühere, ungewiſſe Erſcheinungen dieſes Kometen.) Wenn man von den durch Rechnung erwieſenen, alſo conſtatirten Erſcheinungen dieſes Kometen rückwärts, in die früheren Perioden unſerer Geſchichte, zurückgeht, indem man z. B. von dem Jahre 1456, wo er das erſtemal gehörig beobachtet wurde, die Umlaufs - zeit von 75 bis 76 Jahren mehrmals ſubtrahirt, ſo ſtoßt man in den Hiſtorikern jener Zeiten auf mehrere Nachrichten von großen Kometen, die ſehr wohl den Halley’ſchen zum Grunde haben können. Da aber oft in wenig Jahren mehrere bedeutende Ko - meten erſcheinen; da jene Kometen nicht näher beſchrieben und noch weniger aſtronomiſch beobachtet worden ſind; da endlich die Geſchichtſchreiber häufig Meteore und andere Erſcheinungen für eigentliche Kometen gehalten haben, ſo haben dieſe Nachrichten kein wahres wiſſenſchaftliches Intereſſe. Wir wollen ſie demnach auch nur kurz anführen.

Im Jahre 130 vor Chr. Geburt erſchien, wie Juſtinus er - zählt, ein großer Komet zur Zeit der Geburt des Mithridates. *)Secunde vorzurücken, ſo daß er alſo hier für die Sonne, die in dieſer außerordentlichen Entfernung nicht mehr beträchtlich auf ihn wirken kann, durch mehrere Jahre in einer abſoluten Ruhe ſtille zu ſtehen ſcheint. Aus dieſen Winkelgeſchwindigkeiten, verbunden mit den Entfernungen von der Sonne, laſſen ſich auch leicht die abſoluten Geſchwindigkeiten des Kometen in jenen beiden äußerſten Punkten ſeiner Bahn berechnen. Man findet ſo, daß er im Perihelium, wo die Erde nur 4 Meilen in einer Secunde zurücklegt, in derſelben Zeit durch 73,58 Meilen von der dort ſehr ſtarken Kraft der Sonne fortgeriſſen wird, während er im Aphelium in einer Secunde nur 0,00054 Meilen, d. h. nur 12⅕ Par. Fuß zurücklegt.256Kometen.Man wollte dieſe Erſcheinung für die 21ſte dieſes Kometen vor der erwähnten des Jahres 1456 halten, aber ohne für dieſe Meinung einen andern Grund anführen zu können, als die Zwiſchenzeit von 1586 Jahren, die nahe 21 mal 75½ Jahre be - trägt. Die zweite dieſer älteren Erſcheinungen unſeres Ko - meten, deren in unſern Geſchichtbüchern Erwähnung geſchieht, iſt die von dem Jahre 323 nach Chr. Geb., zwiſchen welcher und jener alſo fünf Wiederkünfte unbeachtet vorübergegangen ſeyn würden. Dieſes Jahr 323 ging unmittelbar dem großen Conci - lium zu Nicäa, der erſten allgemeinen Kirchenverſammlung unter K. Konſtantin voraus. Auf demſelben wurde die damals ſehr verbreitete Lehre des Arius von der Conſubſtantialität verworfen und die noch jetzt beſtehende Beſtimmung der Zeit des Oſterfeſtes angenommen. Die Geſchichtſchreiber jener Epoche wußten dieſe beiden Ereigniſſe mit dem Kometen in Verbindung zu bringen. Die nächſtfolgende dritte Erſcheinung deſſelben fiel, 76 Jahre ſpäter, auf das Jahr 399. Auch dieſes Jahr war durch ein großes Concilium zu Alexandrien ausgezeichnet, das gegen die Anhänger des Origenes gehalten wurde. Auch überzogen in dieſem Jahre die Vandalen zum erſtenmale Spanien, von welchem Lande ſie dann nach Italien vorrückten. Der Komet ſoll zu dieſer Epoche beſonders groß und ſchrecklich ausgeſehen haben, da ihn die gleichzeitigen, meiſtens kirchlichen Geſchichtſchreiber einen Co - metam prodigiosae magnitudinis nennen, horribilem aspectu et comam ad terram usque demittentem. Nach einem Zwiſchen - raum von nahe zweimal 75 Jahren findet man wieder die vierte Erſcheinung deſſelben, oder wenigſtens irgend einen großen Ko - meten in d. J. 547, in welchem Rom, die Hauptſtadt der Welt, von Totilas geplündert wurde. Nach weiteren vier unbeachteten Vorübergängen erfolgte die fünfte Erſcheinung i. J. 930, die, nach der Meinung der gleichzeitigen Chronikenſchreiber, dem Tode Heinrich des Voglers und der großen Niederlage der Ungarn in Deutſchland als Wahrzeichen vorausgegangen ſeyn ſoll. Die ſechste bemerkte Wiederkunft fiel in das Jahr 1005, von dem uns Haly Ben Rodoan berichtet. Die ſiebente Erſcheinung deſſelben fiel auf das Jahr 1080, das Todesjahr des griechiſchen Kaiſers Alexius257Kometen.Comnenus. Die achte auf 1155, in die Epoche des Conciliums zu Soiſſons, wo König Ludwig von Frankreich und die Reichsbarone in die Hände der Biſchöfe den Eid ablegten, daß ſie ſich des Straßenraubes begeben und durch die nächſten zehn Jahre den Landfrieden erhalten wollten. Die neunte Erſcheinung traf in das Jahr 1231, und wird nur von chineſiſchen Schriftſtellern er - wähnt. Die zehnte fiel in d. J. 1305. Der Komet dieſes Jahres ſoll durch ſeine außerordentliche Größe allgemeinen Schrecken ver - breitet haben. Ihm folgte, unmittelbar nach einem ſehr ſtrengen Winter, eine verheerende Peſt, die Europa durch ſieben Jahre mit Leichen bedeckte. Die eilfte endlich traf in das Jahr 1379 oder 1380, in welchen Jahren Alſtedius und Lubieniecius zweier großer Kometen erwähnen. Der letzte dieſer beiden Schrift - ſteller iſt der eigentliche Vater der Cometographie, ſofern dieſe Erſcheinungen der Geſchichte und nicht der Aſtronomie angehören. Er hat uns eine Sammlung aller in ältern Schriften zerſtreuten Nachrichten über Kometen überlaſſen, die er in ſeinem Theatrum Cometicum, 2 Bänden in Folio, mit vielem Fleiße geſammelt hat.

Dieß ſind die Erſcheinungen von Kometen aus den früheren Zeiten, die man für Wiederkünfte des Halley’ſchen Kometen halten könnte, da die Zwiſchenzeiten dieſer Erſcheinungen gut genug mit der bekannten Umlaufszeit dieſes Kometen übereinſtimmen. Allein da dieſer Himmelskörper in manchen Zeiten ſehr viele erſcheinen, und da man vor dem fünfzehnten Jahrhunderte keine eigentlichen aſtronomiſchen Beobachtungen an denſelben anzuſtellen pflegte, ſo wird die Identität der erwähnten Kometen mit dem Halley’ſchen wahrſcheinlich immer unbeſtimmt bleiben.

§. 169. (Spätere, gewiſſe Erſcheinungen des Halley’ſchen Ko - meten. Erſte Erſcheinung.) Die erſte verläßliche, weil durch aſtronomiſche Beobachtungen conſtatirte Erſcheinung dieſes Kometen fällt, wie geſagt, in das Jahr 1456. Er zeigte ſich in dieſem Jahre in den Sternbildern vom Stiere bis zum Löwen mit unge - meiner Pracht, da er der Sonne und der Erde zugleich ſehr nahe ſtand. Sein Schweif hatte während ſeiner glänzendſten Periode eine Länge von 60 Graden und er breitete ſich gegen ſein EndeLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 17258Kometen.in Geſtalt eines Pfauenſchweifes aus. Zur Zeit ſeiner Sonnen - nähe ſoll ſein Kern das intenſive Licht eines Fixſterns gehabt haben. Da man ihn anfangs am Morgen oder vor Sonnenauf - gang und ſpäter, nachdem er einige Zeit ganz verſchwunden war, wieder Abends bald nach Sonnenuntergang am Himmel ge - ſehen hatte, ſo glaubten mehrere, daß zwei verſchiedene Kometen nach einander erſchienen ſeyen. Allein mehrere Beobachter hatten bereits die richtige Anſicht gewonnen, daß dieſe beiden Erſcheinungen nur einem und demſelben Kometen angehören, deſſen Sichtbarkeit nur durch ſeine Annäherung zur Sonne einige Zeit unterbrochen wurde, und der dann, als er auf die andere oder öſtliche Seite der Sonne getreten war, auch im Oſten von derſelben, d. h. bald nach Sonnenuntergang, am abendlichen Himmel geſehen werden mußte.

Fünf Jahre früher i. J. 1451 hatte Mahomed II. Conſtan - tinopel erobert und dadurch dem ſeit Conſtantin M. beſtehenden griechiſchen Kaiſerthume ein Ende gemacht. Allein ein anderer großer Komet von 1454 hatte bei den ſiegreichen Türken großen Schrecken verbreitet, indem ſie ihn für die Anzeige eines allge - meinen Kreuzzuges der geſammten europäiſchen chriſtlichen Heere gegen ſie hielten. Zwei Jahre ſpäter, als die Türken, dieſer Anzeige ungeachtet, ſehr glückliche Fortſchritte gemacht und beſon - ders das deutſche Reich mit ihren ſiegreichen Heeren zu über - ſchwemmen gedroht hatten, erſchien jener Komet von 1456 und verbreitete jetzt einen noch größeren Schrecken unter den Chriſten, die ihn für nichts weniger, als den Vorboten ihres gemeinſamen Unterganges betrachteten. Calviſius, einer der Chroniſten jener Zeit, berichtet uns: His (cometa et bello) exterritus Papa Calixtus III ad advertendam Dei iram aliquot dierum sup - plicationes indixit, constituitque in urbibus, ut in meridie campanae pulsarentur, ut omnes de precibus contra Tur - carum tyrrannidem fundendis admonerentur. Nicht umſonſt, wie es ſcheint, denn ſchon in dem erſten Jahre des Feldzuges erſcholl die freudenvolle Nachricht von der völligen Niederlage der Türken. So willkommen dieſelbe der ganzen Chriſtenheit im allgemeinen ſeyn mochte, ſo verlegen machte ſie zugleich die Kometendeuter. Der eine,259Kometen.Cromerus, wußte ſich ſchnell zu helfen, indem er den Kometen Christianis laetum nuntium clade Turcica et turpi fuga Mahomedis nannte. Andere ſuchten dem Kometen, der nun ein - mal nichts als Unglück vorherſagen ſollte, ſein altes Anſehen zu wahren, und bezogen ſeine Erſcheinung, nicht auf die Flucht der Türken, ſondern auf den bald darauf erfolgten Tod des Helden jener Tage, Johannes Corvinus Hunjady, an welchem das Chri - ſtenthum eine mächtige Stütze verlor.

§. 170. (Zweite Erſcheinung.) Die zweite verläßliche Wiedererſcheinung unſeres Kometen traf in das Jahr 1531. Er war dießmal weniger groß und glänzend, auch genoß zu derſelben Zeit ganz Europa eines allgemeinen Friedens. Peter Bienewitz, oder wie er ſich dem damaligen Gebrauche zufolge nannte, Apianus, kaiſerlicher Aſtronom zu Ingolſtadt unter Carl V. und Ferdinand I. lieferte uns die beſten Beobachtungen von dieſem Kometen, wie ſie denn zugleich überhaupt die erſten eigentlich aſtronomiſchen Beob - achtungen ſind, die wir von dieſem Kometen erhalten haben. Er ſtellte auch der erſte die im Allgemeinen ſehr wichtige Bemerkung auf, daß der Schweif der Kometen der Sonne immer gegenüber ſtehe, was noth - wendig auf einen Zuſammenhang dieſer Himmelskörper mit der Sonne leiten mußte. Auch in dieſer Erſcheinung ſah man den Kometen zuerſt Morgens am öſtlichen und ſpäter Abends am weſtlichen Himmel und obſchon auch jetzt noch einige von zwei Kometen ſprechen wollten, ſo hatte ſich doch ſchon die oben erwähnte richtige Anſicht ſo ſehr befeſtiget, daß einer der Aſtronomen jener Zeit die Vertheidiger der Duplicität des Kometen ohne weitere Umſtände für ein im - peritum vulgus erklärte. Deſto mehr hingen aber dafür beinahe alle Aſtronomen jener Zeit noch an der Meinung, daß dieſe Him - melskörper Vorzeichen von herannahenden Unglücksfällen ſeyn ſol - len. Zwar regte ſich bereits da und dort die ſo lange verborgen gebliebene Wahrheit, daß dieſe Körper, den Planeten ähnliche We - ſen, ſich ſo, wie dieſe, am Himmel bewegen und mit den Schick - ſalen der Menſchen nichts gemein haben. Aber dieſe Aeußerungen, ſo beſcheiden und furchtſam ſie auch vorgetragen wurden, hatten doch das Schickſal, ſelbſt unter den erſten Gelehrten jener Zeit Gegner zu finden und allgemein für unrichtig, wohl auch für irre -17 *260Kometen.ligiös verſchrieen zu werden. Milichius, einer der angeſehenſten Schriftſteller des ſechszehnten Jahrhunderts, war einer der Vor - kämpfer in der Vertheidigung der alten Meinung von den Kometen, und nachdem er ſeine Gegner durch ſehr ſeichte Gründe, wie er glaubte, wiederlegt hatte, ſtellt er ſelbſt die Behauptung auf, daß die Kometen eine Art von Zwittergattung unter den Weltkörpern wären, indem ſie aus den Conjunctionen der Planeten unter ſich, oder aus den Sonnen - und Monds-Finſterniſſen entſtehen. Auf dieſe Weiſe galt ihm der gegenwärtige Komet für ein Product der Con - junction des Saturn mit Mars und Merkur im Sternbilde des Stiers. Nicht ſo dachte der bereits oben erwähnte Lubieniecius. Zwar betrachtete er die Kometen nicht aus einem eigentlich aſtronomiſchen Standpunkte, aber er bemühte ſich wenigſtens die Hinderniſſe wegzuräumen, welche einer ſolchen Betrachtung bisher im Wege geſtanden waren, und vor allem dem Vorurtheile und dem Aber - glauben zu ſteuern, der, ſo lange er herrſchte, keine beſſere Erkennt - niß aufkommen ließ. So viel er kann, benützt er eifrig jede Gelegenheit, zu zeigen, daß die Erſcheinungen der Kometen eben ſo oft von freudigen, als von traurigen Ereigniſſen begleitet ſind, und daß ſie daher mit dieſen Ereigniſſen ſelbſt in keinem weitern Zuſammenhange ſtehen. Bald fanden ſich auch andere Männer, die es wagten, gegen die allgemeine Meinung aufzutreten und dem bisher ſo ungerechter Weiſe verläumdeten Kometen das Wort zu reden. So ſagt der bekannte Grynäus: Ich kann mich nicht genug über die Kühnheit und Unwiſſenheit einiger Menſchen ver - wundern, die ſich nicht ſcheuen, aus der Erſcheinung der Kometen ohne allen Grund Mißwachs oder ſonſt ein anderes Unglück vor - her zu ſagen. Und Thomas Eraſtus ſchrieb in der Mitte des 16ten Jahrhunderts die für jene Zeit ſehr treffenden Worte: Wollte Gott, daß die Kriege keine andere Urfache hätten, als die durch die Wirkung der Kometen aufgereizte Galle der Macht - haber. Ein einziger geſchickter Arzt könnte dann mit einer kleinen Doſis Rhabarber oder Roſenſyrup das Glück eines ganzen Landes erhalten.

§. 171. (Dritte Erſcheinung.) Das drittemal erſchien unſer Komet i. J. 1607, wo er gegen das Ende Oktobers ſein261Kometen.Perihelium erreichte. Dieß war die Zeit, wo Eliſabeth in England und Heinrich IV in Frankreich ihre Völker groß und glücklich zu machen ſuchten und wo Kepler das große Geſetzbuch des Himmels entdeckte. Die damalige Erſcheinung des Kometen hat viel Aehnliches mit derjenigen, die im Jahre 1835 ſtatt haben wird, daher viel - leicht auch die ſcheinbare Größe, die Geſtalt und der Glanz in beiden Epochen ſich gleich ſeyn möchten. Im Jahre 1607 trat er am 26. October in ſein Perihel; ſeine kleinſte Entfernung von der Erde war fünf Millionen Meilen; er durchlief den untern Theil des großen Bären, ging durch die Mitte des Bootes, durchzog dann das Sternbild der Schlange und verſchwand im Fuße des Bootes. Im Jahre 1835 aber wird er ſein Perihel um die Mitte Novembers erreichen, der Erde ſich bis auf vier Millionen Meilen nähern und die Sternbilder des großen Bären und des Bootes durchlaufen und in der Schlange verſchwinden. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß er ſich im Jahre 1835 nahe eben ſo zeigen wird, wie man ihn i. J. 1607 geſehen hat. Die beſten Beobach - tungen jener Erſcheinung ſind von Kepler, Longomontar, und von den Engländern Harriot und Torporley. Nach Keplers Bericht hatte der Komet gegen Ende des Septembers 1607 noch einen ſehr ſchwachen und kaum bemerkbaren Schweif, indem der Kopf deſſelben einem nicht ganz runden Ballen von der Größe Jupiters glich, deſſen Licht aber ſchwach und blaß, wie das des Mondes war, wenn er im Halbſchatten der Erde ſteht. Einige Tage ſpäter wurde ſein Schweif bemerkbarer, doch war er ab - wechſelnd kurz und plötzlich wieder ſehr lang, ähnlich den Streifen in der Luft, die man oft bei der Sonne bemerkt, wenn ſie, wie der gemeine Mann ſagt, Waſſer zieht. Gegen das Ende der Er - ſcheinung wurde der Kopf immer kleiner und der Schweif ver - ſchwand wieder einige Zeit vor dem Kopfe.

Schon einige Jahre vorher hatten Tycho Brahe und Möſtlin die Behauptung aufgeſtellt, daß die Kometen nicht Meteore ſeyen, die ſich bloß in unſerer Atmoſphäre erzeugen, ſondern daß ſie als eigene Himmelskörper betrachtet werden ſollen, die ſich in Kreiſen um die Sonne bewegen. Die gegenwärtige Erſcheinung brachte Kepler auf die Idee, daß die Bahnen der Kometen gerade262Kometen.Linien ſeyen. Beide Meinungen waren irrig, aber ſie ſind doch immer als die erſten Schritte zur künftigen Theorie, zu einer eigentlichen Bahnbeſtimmung dieſer Himmelskörper zu betrachten.

Dieſe Erſcheinung gab auch den Aſtrologen jener Zeit Ge - legenheit, ihre Künſte zu üben. Im Anfange ſeiner Sichtbarkeit war Jupiter in Oppoſition und Merkur in Conjunction mit der Sonne, und am Ende derſelben ſtand Jupiter dem Mars gerade gegenüber am Himmel. Stoff genug, um daraus eine Menge von Vorherſagungen abzuleiten. Am klügſten benahm ſich noch Krüger, der, um ganz ſicher zu gehen, die Mittelſtraße hält, und von Merkur Stürme und Ungewitter, von Jupiter ſchönes Wetter und von Saturn Krankheiten und anderes Unglück ableiten will, und daher behauptet, daß der Komet ſagen wolle, es werde Krieg mit Frieden und Gutes mit Böſen abwechſeln.

Die oben nach Keplers Bemerkung angeführte ſchnelle Ver - kürzung und Verlängerung ſeines Schweifes iſt ſehr merkwürdig, und ſie iſt auch von Cyſatus an dem Kometen von 1618, von Hevel an denen von 1652 und 1661, und erſt in unſern Zeiten von Schröter an dem Kometen von 1807 und von Chladni an dem von 1812 bemerkt worden. Die beiden letzten zeigten ſo ſchnelle Aenderungen in der Länge des Schweifes, daß die Geſchwindigkeit, mit welcher die Lichtmaterie derſelben durch den Weltraum fuhr, ſelbſt die des Lichtes bei weitem übertroffen haben müßte. Noch wollen wir bemerken, daß Gottfried Wendelin aus der von ihm beobachteten Erſcheinung des Jahres 1607 diejenige vorauszuſagen wagte, welche man in den folgenden Zeiten an ihm bemerken würde. In der Zukunft, ſagt Wendelin, wird der Komet wie eine feurige Lanze oder gleich einem flammenden Schwerte erſcheinen, das ſich in eine feine Spitze endet; ſein Licht wird ſich kurz vor ſeinem Untergange auflöſen und zerſtreuen, ähnlich dem fliegenden Saamen mancher Blumen u. f. Wir werden bald ſehen, wie gut oder ſchlecht Wendelin vor 228 Jahren rathen konnte. Von dem obgleich ſehr unanſehnlichen Schweife unſeres Kometen zur Zeit ſeiner Erſcheinung von 1607 weiß der ſchon angeführte Krüger, Aſtronom in Danzig, mancherlei ſchöne Dinge zu erzählen, von denen wir nur folgendes hier kurz und263Kometen.mit ſeinen Worten anführen: Es haben mehrere befunden, daß die Kometen ihren ſchwantz allzeit von der Sonnen hindan ge - wandt, aber obwohlen Tycho vom Kometen d. J. 1577 demon - ſtriret, daß deſſen ſchwantz pielmehr nach der Venere, als nach der Sonnen ſich gerichtet, ſo bekennet er doch auch, daß er nicht eingeſehen, wie Venus ſo mächtig ſeyn ſolle, daß ihr licht einen ſo großen ſchwantz generiren könne u. ſ. w.

§. 172. (Vierte Erſcheinung.) Die vierte gewiſſe Erſcheinung des Halley’ſchen Kometen fällt in das Jahr 1682, und dieß iſt, wenn man ſo ſagen darf, die Zeit ſeiner wiſſenſchaftlichen Geburt. So oft er ſich auch bisher den Menſchen gezeigt hatte, immer hatte man ihn nur als einen Fremdling angeſtaunt, als einen Vor - boten des Unglücks betrachtet. Zwanzig Jahre früher hatte wohl Hevel die Meinung aufgeſtellt, daß die Kometen Himmelskörper ſeyen, die in Parabeln um die Sonne laufen. Aber es war eben nur eine Meinung, die aller Beweiſe ermangelte und frucht - los wieder verhallte, ſo ſehr ſie auch geeignet ſeyn mochte, uns der ſo lange verkannten Wahrheit endlich näher zu führen. Hätte Hevel durch Rechnungen gezeigt, daß man nur ſeine Hypotheſe annehmen dürfe, um ſofort den Lauf und die Geſchwindigkeit der Kometen für jede gegebene Zeit, den Beobachtungen gemäß, zu beſtimmen, ſo wäre Er, und mit Recht, für den eigentlichen Be - gründer der Kometenlehre angeſehen worden. Aber es fehlte viel, dieſes hohe Ziel zu erreichen. Dieſe Palme war, wie ſo viele andere, dem erſten Menſchen ſeiner und vielleicht aller Zeiten, ſie war Newton vorbehalten.

Dieſer außerordentliche Mann hatte das Geſetz gefunden, nach welchem ſich die himmliſchen Körper um die Sonne bewegen, das Geſetz der allgemeinen Schwere, von welchem die drei ſogenannten Kepler’ſchen Geſetze nur ein Ausfluß, eine bloße Folge ſind, und nachdem er gezeigt hatte, daß die Planeten in ihren Bewegungen dieſem Geſetze gehorchen, wandte er daſſelbe auch auf die Kometen, und zwar zuerſt auf den großen Kometen von 1680 an, deſſen Bahn und Geſchwindigkeit er, den Beobachtungen vollkommen gemäß, beſtimmte, ſo daß an der Wahrheit der von ihm aufge - ſtellten Syſteme weiter kein Zweifel ſtatt haben konnte.

264Kometen.

Halley, Newtons Zeitgenoſſe und Freund, war der erſte, der die neue Lehre aufnahm und ſie insbeſondere zur weitern Aus - bildung der Kometentheorie zu benützen ſuchte. Seine Abſicht ging anfangs nur dahin, die bis zu ſeiner Zeit eigentlich aſtro - nomiſch beobachteten Kometen nach Newtons Vorſchriften zu be - rechnen, und dadurch die Richtigkeit dieſer Vorſchriften zu erweiſen. Zu dieſem Zwecke berechnete er anfangs 24 Kometenerſcheinungen, und da unter dieſen auch jene von den Jahren 1531 und 1607 waren, ſo erkannte er, durch die Aehnlichkeit der Elemente derſelben mit der gegenwärtigen von 1682, ſofort die Identität dieſer drei Kometen. Bisher hatte er alle dieſe Kometen nur in der abge - kürzten, paraboliſchen Theorie berechnet, die auch in der That binreichte, die Orte derſelben mit den Beobachtungen überein - ſtimmend darzuſtellen. Da er aber in den Erſcheinungen der drei letztgenannten Jahre eine Periode von nahe 75 Jahren erkannte, ſo legte er, in einer zweiten Berechnung, denſelben die elliptiſche Hypotheſe zu Grunde, und fand dadurch ſeine frühere Bemerkung der Identität dieſer drei Kometen vollkommen beſtätiget. Anfangs zwar wäre er bald an der bereits erkannten Wahrheit wieder irre geworden, da er dieſe Periode zwiſchen den verſchiedenen Er - ſcheinungen nicht gleich groß bemerkte. So fand er die Zwiſchen - zeit von den Durchgängen des Kometen durch ſein Perihel in den Jahren 1531 und 1607 nur 27352 Tage, während dieſe Zeit für die Jahre 1607 und 1682 volle 27937 Tage, alſo 585 Tage mehr betrug, als zuvor. Aber er war ſcharfſinnig genug, zu finden, daß die ungemeine Nähe, in welcher der Komet bei den zwei großen Planeten Jupiter und Saturn vorübergeht, die Urſache dieſer Verſchiedenheit geweſen iſt, und daß daher die früher vermuthete Identität dadurch nicht aufgehoben werden könne. Ueberdieß fand er in den Jahren 1456, 1380 und 1305, alſo nahe immer in der - ſelben Zwiſchenzeit von 75 oder 76 Jahren noch drei andere Er - ſcheinungen, die er zwar, aus Mangel eigentlicher aſtronomiſcher Beobachtungen, der ſtrengen Rechnung nicht unterwerfen konnte, die aber, den von ihm geſammelten Nachrichten der Geſchichtſchreiber jener Zeiten zufolge, immer noch ſehr gut zu ſeiner Hypotheſe paßten und dieſelbe noch weiter zu beſtätigen ſchienen. Er wurde265Kometen.durch alle dieſe Unterſuchungen ſeiner Sache endlich ſo gewiß, daß er mit edler Kühnheit die Wiederkehr deſſelben Kometen auf das Jahr 1758 ankündigte, die erſte Vorherſagung dieſer Art, die auch glücklich eingetroffen iſt.

§. 173. (Fünfte Erſcheinung.) Dieſe fünfte und letzte Er - ſcheinung unſers Kometen hatte im Jahre 1759 ſtatt, wo er am 12. März durch ſein Perihel ging. Halley hatte, nach einer bloßen Schätzung der Wirkungen, welche Jupiter und Saturn auf ihn ausüben könnten, ſeine Wiederkehr auf das Ende des Jahres 1758 oder auf den Anfang von 1759 angekündiget. Dieſe Vor - herſagung war ſchon an ſich für die Aſtronomen ſehr wichtig, und ſie hing überdieß ſo innig mit dem nur vor Kurzem entdeckten Geſetze der allgemeinen Schwere zuſammen, daß ſie die Auf - merkſamkeit aller Aſtronomen erregen mußte. Sie ſuchten ihn bereits ſeit dem Anfange des Jahres 1757, während Clairaut, der einer der erſten die Theorie der planetariſchen Störungen zu entwickeln beſtrebt war, ſich damit beſchäftigte, durch die Analyſe die Veränderungen zu beſtimmen, welche die Anziehung der beiden genannten Planeten auf ihn gehabt haben konnten. Am 14. Nov. 1758 berichtete er der Academie zu Paris, daß, ſeinen Rechnungen zufolge, der Komet gegen die Mitte des Aprils 1759 ſein Perihel erreichen würde. Er ſetzte hinzu, daß die Abkürzungen, die er ſich bei ſeinen Rechnungen erlaubt habe, dieſe Epoche um höchſtens einen Monat verſpäten oder beſchleunigen dürfte, wenn nicht etwa der Komet noch bei einem andern Planeten nahe vorbei gegangen iſt, der zu entfernt war, um von uns geſehen zu werden. So nahe ſeine Vorherſagung auch eintraf, da ſie nur einen Monat von der Wahrheit entfernt war, ſo würde er die Wiederkehr des Kometen zu ſeinem Perihel noch genauer, nämlich auf den 24. März, nur 12 Tage zu ſpät, haben anſagen können, wenn er die wahre Maſſe Saturns, wie ſie uns erſt ſpäter bekannt geworden iſt, hätte anwenden können, ſelbſt ohne eine weitere Rückſicht auf die großen Wirkungen des Planeten Uranus, von deſſen Exiſtenz man zu Clairaut’s Zeiten noch nichts ahnden konnte.

Dieſe Erſcheinung zeichnete ſich dadurch aus, daß ſie von einem doppelten Verſchwinden des Kometen begleitet war. Der266Kometen.Komet wurde gegen das Ende des Jahres 1758, alſo vor ſeinem Perihelium, entdeckt. Um die Mitte Februars näherte er ſich, von der Erde geſehen, der Sonne ſo ſehr, daß er endlich in den Strahlen derſelben verſchwand. Gegen das Ende des März trat er aus derſelben wieder mit neuem Glanze hervor und verſchwand am 22. April zum zweitenmal, wenigſtens für die europäiſchen Aſtronomen, weil er ſo tief unter den Aequator herabſtieg, daß er von der nördlichen Hemiſphäre der Erde nicht mehr geſehen werden konnte. Am 28. April fing er wieder an, ſich aus ſeinen ſüdlichen Regionen gegen den Aequator zu erheben und für uns neuerdings ſichtbar zu werden, bis er endlich in den erſten Tagen des Junius völlig verſchwand und ſich in die fernen Gegenden des Himmels verlor, wo kein Fernrohr ihn mehr erreichen kann. Der erſte, der den Kometen bei dieſer Erſcheinung bemerkte, war ein Bauer, Palitſch, bei Dresden, der ihn am 25. Dezember 1758 entdeckt hatte. In Paris fand ihn der ſpäter als Kometenſucher berühmte Meſſier gegen die Mitte des Januars 1759, der ihn auch eben ſo fleißig als gut beobachtete. Nach den Nachrichten Meſſiers hatte er einen beträchtlichen Schweif und einen bedeutenden Kern von weißem, der Venus ähnlichem Lichte. Uebrigens hat man auch Beobachtungen dieſer Erſcheinung von Caſſini de Thury, Maraldi, Lacaille, Lalande und beinahe allen damals lebenden Aſtronomen. De la Nux, der ihn auf der Inſel Bourbon ſehr eifrig beobachtete, giebt den Schweif deſſelben, zur Zeit ſeiner ſchönſten Erſcheinung, Anfangs Mai, auf 47 Grade Länge an, aber derſelbe wurde gegen Ende dieſes Monats ſchon wieder ſehr klein und beinahe unmerklich.

Erſt ſpät nach dieſer Erſcheinung, erſt in unſeren Tagen wurde dieſelbe einer genauen Berechnung, mit Berückſichtigung aller planetariſchen Störungen, unterworfen, durch welche Arbeiten ſich Burckhardt, und ſpäter Damoiſeau in Paris und zuletzt Pon - tecoulant und Roſenberger ausgezeichnet haben. Pontecoulant hat die Elemente dieſes Kometen, wie ſie für die Zeit der nächſtkünf - tigen Erſcheinung (im November 1835) ſtatt haben ſollen, auf folgende Weiſe angegeben: Länge des Perihels 304° 31′ 43″ Durchgang des Kometen durch das Perihel 7. November 1835267Kometen.Länge des aufſteigenden Knotens der Bahn 55° 30′ 0″ Neigung gegen die Ecliptik 17° 44′ 24″ Excentricität in Theilen der halben großen Axe 0,96752 Richtung des Laufes retrograd.

Auf dieſe Elemente hat Hr. Hauptmann Boguslavsky in Breslau eine Ephemeride gebaut, welche den Ort des Kometen vom 14. Auguſt bis 12. Nov. 1835 angibt. Man ſieht daraus, daß dieſer Komet gegen Ende Auguſts dieſes Jahres Morgens in dem Sternbilde des Stiers erſcheint, wo aber ſeine Diſtanz von der Erde noch 40 Millionen Meilen betragen, alſo auch ſein Licht noch ſehr ſchwach ſeyn wird. Da zu dieſer Zeit ſein Lauf gegen die Erde zu gerichtet iſt, ſo nimmt er ſchnell an Licht zu. Bald darauf wird er in den Zwillingen erſcheinen und immer früher aufgehen. Im September wird er am größten und hellſten glänzen. Am erſten October ſteht er bei den Vorderfüßen des großen Bären und geht einige Tage nicht mehr auf und unter. Wenn der Komet ſelbſt ſich ſeit ſeiner letzten Erſcheinung nicht ſehr verändert hat, ſo wird ſich ſein Schweif um dieſe Zeit vom Haupthaar der Berenice bis in das bekannte Viereck des großen Bären erſtrecken. Von dem 5. October an geht er immer früher unter und erſt nach Sonnenaufgang auf; er entfernt ſich dabei immer mehr von der Erde und wird bald darauf in den Strahlen der Sonne verſchwinden. (Nähere Nachrichten über dieſe Er - ſcheinung und den Kometen ſelbſt findet man in den Beiträgen zu einer Monographie des Halley’ſchen Kometen von C. L. Littrow, Wien 1834 .)

§. 174. (Komet von Olbers.) Bis zum Jahre 1815 konnte man nur von dieſem Halley’ſchen Kometen die Wiederkunft mit Sicherheit angeben. Allein am 6. März dieſes Jahres entdeckte Olbers einen andern, kleinen und unanſehnlichen Kometen, und erkannte auch zugleich aus ſeinen Beobachtungen, daß die Umlaufs - zeit deſſelben nahe 75 Jahre betrage. Sein größter Abſtand von der Sonne beträgt 33,98 und ſein kleinſter nur 1,22 Halbmeſſer der Erdbahn. Seine halbe große Axe iſt 17,6 Halbmeſſer der Erdbahn, und ſeine Excentricität 0,931 ſeiner eigenen Halbaxe, oder 16,38 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Neigung ſeiner Bahn gegen268Kometen.die Ecliptik beträgt 44 Grade, und die Länge ſeines aufſteigenden Knotens 83, ſo wie die Länge ſeines Perihels 149 Grade. Die Richtung ſeiner Bewegung iſt direct oder von Weſt gen Oſt. Auch dieſe Bahn hat eine ſolche Lage gegen die Erdbahn, daß der Komet der Erde nie nahe kommen, ihr alſo auch nie gefährlich werden kann. Daß er früher noch nie geſehen worden iſt, rührt ohne Zweifel daher, weil man den kleinen, ſchwachbeleuchteten Körper nicht bemerkte. Sein nächſter Beſuch wird erſt auf das Jahr 1887 fallen, wo er am 9. Februar durch ſeine Sonnen - nähe gehen wird. Wir wünſchen, daß ihn dann, von heute über 52 Jahre, noch recht viele unſerer Leſer ſehen und beobachten mögen.

§. 175. (Komet von Encke.) Der dritte Komet, deſſen Um - lauf uns bekannt iſt, wurde von dem berühmten Kometenjäger Pons in Marſeille am 26. November 1818 entdeckt. Encke, der ihn einer ſehr genauen Rechnung unterwarf, erkannte der erſte ſeine Umlaufszeit von nahe 3 Jahren und 115 Tagen. Er wurde ſchon früher dreimal, in den Jahren 1786, 1795 und 1805 geſehen und beobachtet, aber ohne daß man ſeine für einen Kometen doch ſo auffallende kurze Umlaufszeit bemerkte. Die halbe große Axe ſeiner Bahn beträgt 2,2 und die halbe kleine 1,2 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Excentricität derſelben iſt 0,849 Halbmeſſer ſeiner eigenen Bahn oder 1,87 Halbmeſſer der Erdbahn. Demnach beträgt ſeine größte Entfernung von der Sonne 4,07, und ſeine kleinſte 0,33 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Neigung ſeiner Bahn iſt 13, die Länge des aufſteigenden Knotens 335 und die ſeines Perihels 157 Grade. Seine Bewegung endlich iſt direct, wie die aller Planeten.

Dieſer Komet gehört zu den kleinen und ſchwachen Kometen und er hat eine kugelförmige Geſtalt ohne merklichen Schweif. Auch er kann der Erde nie nahe kommen und noch weniger mit ihr zuſammenſtoßen, daher wir von ihm nichts zu fürchten haben. Encke fand durch ſeine Berechnungen, daß die große Axe ſeiner Bahn, alſo auch, nach dem dritten Keplerſchen Geſetze (I. S. 288) ſeine Umlaufszeit immer kleiner wird, eine ſehr auffallende Er - ſcheinung, da dieſe Elemente, wie man weiß, bei allen Planeten269Kometen.durchaus beſtändig und auch nicht der geringſten Veränderung unterworfen ſind. Encke ſucht die Urſache davon in dem Wider - ſtande, welchen der durch den ganzen Weltraum verbreitete Aether, ſeiner großen Feinheit ungeachtet, einem ſo lockern und wenig dichten Körper entgegen ſetzt, während derſelbe auf die viel dichteren Planeten keinen für uns merkbaren Einfluß ausübt.

Auf den erſten Blick könnte es ſonderbar ſcheinen, daß der Widerſtand eines ſolchen Mittels, in welchem ſich ein Körper bewegt, die Geſchwindigkeit deſſelben beſchleunigen ſoll, denn das thut ſie, wenn dadurch der Halbmeſſer der Bahn kleiner, oder wenn der Komet der Sonne näher gerückt wird, allein man wird ſich erinnern, daß auf einem um die Sonne gehenden Himmels - körper immer zwei Kräfte wirken: die anziehende Kraft dieſer Sonne und die Tangentialkraft, die von einem urſprünglichen Stoße herrührt, welchen der Komet im Anfange ſeiner Bewegung erhalten hat. Nach der letzten Kraft beſtrebt ſich der Komet, in jedem Augenblicke nach der geradlinigen Tangente ſeiner Bahn fortzugehen, von welcher er, durch die erſte Kraft, immer wieder gegen die Sonne abgelenkt oder der Sonne genähert wird. Die Geſammtwirkung beider Kräfte macht ihn dann in der krummen Bahn fortgehen, die er in der That um die Sonne beſchreibt. Durch den Widerſtand jenes Mittels wird nun ihre Tangential - kraft offenbar vermindert, und das iſt, da es ſich hier nur um die Verhältniſſe beider Kräfte handelt, ganz eben ſo viel, als ob die Attractionskraft der Sonne vermehrt worden wäre, ſo daß alſo die Sonne, wegen jenes Mittels, ihn ſtärker anziehen, ihn näher zu ſich ziehen und eben dadurch auch ſeine Geſchwindigkeit vermehren oder ſeine Umlaufszeit vermindern muß. Wenn die Bahn des Kometen eine feſte, Kanal-ähnliche Bahn wäre, wenn z. B. eine Kugel von Metall oder Elfenbein ſich in irgend einer krummen Röhre bewegte, ſo iſt kein Zweifel, daß ſie ſich in dem leeren Raume dieſer Röhre ſchneller, als in einer mit Luft oder Waſſer gefüllten Röhre bewegen würde, ſo daß alſo hier der Widerſtand des Waſſers in der That eine Verzögerung, und nicht, wie dort, eine Beſchleunigung der Geſchwindigkeit des Körpers hervorbringen würde. Allein die himmliſchen Körper270Kometen.bewegen ſich in keinen ſolchen feſten Kanälen, ſondern bloß in imaginären Bahnen, die nachgeben oder ſich ändern, ſobald irgend eine äußere Kraft auf den Körper einwirkt, welcher in dieſer Bahn einhergeht.

Außer den vier bereits erwähnten Erſcheinungen haben wir dieſen Kometen auch ſchon in den Jahren 1822, 1825, 1828, 1832 geſehen, in welchem letzten Jahre er am 4. Mai durch ſein Peri - helium gegangen iſt. Wir werden ihn im folgenden Jahre 1835 zu Ende Auguſts und dann 1838 gegen den 20. Dezember wieder durch ſein Perihelium gehen ſehen.

§. 176. (Komet von Biela.) Der vierte und letzte Komet, deſſen Umlauf wir bisher mit Gewißheit angeben können, iſt der, welchen Biela, ein öſterreichiſcher Offizier, am 28. Februar 1826 zu Joſephsſtadt in Böhmen entdeckt und auch zugleich ſeine Um - laufszeit zu 6 Jahren und 270 Tagen beſtimmt hat. Seine halbe große Axe beträgt 3,6 und ſeine halbe kleine 2,4 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Excentricität ſeiner Bahn iſt der 0,74 ſte Theil ſeiner Halbaxe oder gleich 2,66 Halbmeſſer der Erdbahn, ſo daß alſo ſeine größte Entfernung von der Sonne 6,26 und ſeine kleinſte nur 0,94 Halbmeſſer der Erdbahn beträgt. Die Neigung ſeiner Bahn gegen die Ecliptik iſt 13, die Länge ſeines aufſteigenden Knotens 249 und die ſeines Perihels 108 Grade. Auch dieſer Komet wurde bereits in den Jahren 1772 und 1805 beobachtet, aber damals nicht als einer von ſo kurzer Umlaufszeit erkannt. Er erſchien uns bisher nur als ein kleiner, runder, matt erleuch - teter Nebel ohne Schweif mit einem feinen Lichtpunkte in ſeiner Mitte. Der Durchmeſſer dieſes kugelförmigen Nebels ſoll, nach Schröters Meſſungen im Jahre 1805, nahe 5 ½ Erddurchmeſſer oder 9460 d. Meilen betragen haben. Der eigentliche Kern des Kometen aber ſoll, nach demſelben Beobachter, kaum 20 Meilen im Durchmeſſer enthalten. Das letztemal iſt er uns i. J. 1832 erſchienen, wo er am 27. Nov. durch ſein Perihelium gegangen iſt. Bei ſeiner nächſten Wiederkunft i. J. 1838 werden wir ihn gegen Ende Octobers wieder ſehen.

§. 177. (Gefährliche Lage von Biela’s Kometenbahn.) Wenn man in der Zeichnung der Fig. 15, in welcher alle die vier bisher271Kometen.erwähnten Kometenbahnen ſammt jenen der Planeten dargeſtellt ſind, die Lage zweier Planetenbahnen, z. B. die des Jupiter und der Erde mit einander vergleicht, ſo ſieht man auf den erſten Blick, daß dieſe beiden Bahnen in allen ihren Punkten ſehr weit von einander entfernt ſind, und daß daher eine Begegnung oder auch nur eine ſtarke Annäherung dieſer beiden Planeten für alle künftige Zeiten ganz unmöglich iſt, ſo lange nicht eine oder beide Bahnen eine völlige Aenderung erleiden. Eben ſo verhalten ſich auch die meiſten Kometenbahnen unter ſich ſowohl, als auch gegen die Planetenbahnen. Noch vor wenig Jahren kannte man keine einzige Kometenbahn, welche der eines andern Planeten oder Kometen ſo nahe gekommen wäre, daß man einen Durchſchnitt beider Bahnen befürchten könnte. Zwar ſcheint es in derſelben Zeichnung, als ob die erwähnten vier Kometenbahnen mehrere Planetenbahnen durchſchnitten. Aber in dieſer Zeichnung iſt die Neigung dieſer Kometenbahnen gegen die Ebene der Ecliptik, der größeren Einfachheit wegen, nicht ausgedrückt worden, ſo daß daher die Linien, welche hier einander zu durchſchneiden ſcheinen, weit über oder unter einander liegen, und daher noch ſehr weit von einander entfernt ſind. Um ſich davon zu überzeugen, ziehe man nur die geraden Linien durch die Sonne, welche die oben bei dieſen Kometen angezeigten Knotenlinien ihrer Bahnen angeben. Bei Encke’s Kometen z. B. fällt der aufſteigende Knoten in die Länge von 335 Graden, alſo ſehr nahe in ſein Aphelium. Dieſes letzte liegt aber, wie die Zeichnung zeigt, mitten zwiſchen der Mars - und Jupitersbahn, und ſelbſt weit jenſeits von den Bahnen der vier neuen Planeten. Da nun die Planeten beinahe alle ſich nahe in der Ebene der Ecliptik bewegen, ſo kann ein Komet den - ſelben nur dann im Allgemeinen nahe kommen, wenn ſein Knoten, der ebenfalls in der Ecliptik liegen muß, der Planetenbahn nahe liegt. Da dieß hier nicht der Fall iſt, ſo kann auch kein Zu - ſammenſtoßen des Kometen mit einem Planeten zu befürchten ſeyn, indem die übrigen Punkte der Bahn, außer den beiden Knoten, ſämmtlich ſchon zu weit über oder unter der Planetenbahn liegen. In dem abſteigenden Knoten der Bahn des Encke’ſchen Kometen iſt eine ſolche Annäherung ſchon eher zu befürchten. Er272Kometen.kömmt nämlich in ſeinem abſteigenden Knoten, der nahe in ſein Perihelium fällt, wie die Zeichnung zeigt, der Bahn des Merkur ſehr nahe. Wenn daher einmal in der Folge der Zeiten der Komet eben durch ſein Perihelium geht, während Merkur zugleich in dem dieſem Punkte nächſten Theile ſeiner Bahn ſich aufhält, ſo iſt, zwar kein Zuſammenſtoßen, wie man ſieht, aber doch eine beträchtliche Annäherung beider Weltkörper vorauszuſehen, und die Aſtronomen, die dieſes ſchon längſt bemerkt haben, wünſchen ein ſolches Ereigniß recht bald zu ſehen, weil ſie eben dadurch Gelegenheit zu erhalten hoffen, die noch immer nicht genau be - kannte Maſſe Merkurs durch die Störungen beſſer zu beſtimmen, welche dieſer Planet dann auf dem ihm ſo nahen Kometen aus - üben wird.

Ganz anders verhält ſich aber die Sache mit Biela’s Kometen - bahn. Zieht man auch hier die Knotenlinie durch die Sonne, die nach dem Vorhergehenden, durch die beiden Punkte 69° und 249° der Länge geht, ſo ſieht man, daß der abſteigende Knoten dieſer Bahn, der in die Länge von 69 Graden fällt, ſehr nahe an die Erdbahn zu liegen kömmt, woraus folgt, daß dieſer Komet ſelbſt einmal der Erde ſehr nahe kommen kann, wenn er nämlich zu derſelben Zeit durch ſeinen abſteigenden Knoten geht, während welcher die Erde in demjenigen Theile ihrer Bahn ſich aufhält, der dieſem Knoten ſo ungemein nahe liegt. Es fehlt, wie die Zeichnung, und noch genauer die Rechnung zeigt, nicht viel, daß in dieſem Punkte beide Bahnen einander ſchneiden. Wenn daher einmal der Komet und die Erde zu gleicher Zeit in dieſem ihren beiden Bahnen gemeinſchaftlichen Punkte eintreffen ſollten, ſo würden ſie ſich daſelbſt begegnen, ſie würden an einander ſtoßen und die Folgen eines ſolchen Conflictes, ja ſchon die einer ſehr ſtarken Annäherung, würden wahrſcheinlich für uns nicht die er - freulichſten ſeyn.

Um dieß noch beſſer zu überſehen, hat man in Fig. 19 die Bahn der Erde a b c, die des Encke’ſchen Kometen d e f, und endlich die des Biela’ſchen Kometen a e g in ihrer wahren gegen - ſeitigen Lage verzeichnet. Die Brennpunkte aller drei Bahnen gehen durch die Sonne S. Die beiden Kometenbahnen ſind gegen273Kometen.die Ecliptik, welche hier durch die Erdbahn oder durch die Ebene des Papiers dargeſtellt wird, unter dem Winkel von 13 Graden geneigt, und man ſieht von dieſen zwei Kometenbahnen denjenigen Theil, der über der Ebene der Ecliptik liegt; der aufſteigende Knoten der Encke’ſchen Bahn iſt in f, der abſteigende in d, während der aufſteigende Knoten der Biela’ſchen Bahn in h und der abſteigende in a liegt.

Man ſieht aus dieſer Zeichnung, daß die Bahn des Biela’ſchen Kometen die Erdbahn in ihrem abſteigenden Knoten a ſchneidet, und daß daher, wenn in der Folge der Zeiten dieſer Komet und die Erde zu gleicher Zeit in dieſem Punkte a ankommen ſollten, ein Zuſammenſtoß beider Weltkörper herbeigeführt werden würde. In dem aufſteigenden Knoten h der Biela’ſchen Bahn iſt der - gleichen offenbar nicht zu beſorgen, da dieſer Punkt h der Kometen - bahn ſehr weit von allen Punkten der Erdbahn a b c entfernt iſt. Daſſelbe gilt auch von den beiden Knoten d und f der Encke’ſchen Bahn, von welcher der eine d wohl innerhalb der Erdbahn, aber doch auch, ſo wie der andere f, immer ſehr weit von der Peri - pherie a b c der Erdbahn abſteht, in welcher letzten allein ſich die Erde bewegt.

Allein nicht bloß mit der Erde kann der Biela’ſche Komet einmal zuſammentreffen, ſondern auch, wie ſchon der bloße An - blick der Zeichnung zeigt, mit dem Encke’ſchen Kometen; dieſe beiden Kometenbahnen ſchneiden ſich nämlich in dem Punkte e, der beiden Bahnen gemeinſchaftlich iſt. Wenn man auf die oben angeführten Elemente dieſer beiden Kometenbahnen die Rechnung anwendet, ſo findet man für die gemeinſchaftliche Durchſchnitts - linie S e dieſer zwei Bahnen den Winkel d S e = 47° 15′,9 und h S e = 132° 2′,4. Daraus folgt, daß die Entfernung dieſer beiden Kometen von der Sonne, wenn ſie durch jenen gemein - ſchaftlichen Punkt e gehen, für den Encke’ſchen 1,599 und für den Biela’ſchen 1,532 Halbmeſſer der Erdbahn beträgt. Eine geringe Veränderung dieſer Elemente, wie ſie durch die Störungen der benachbarten Planeten leicht herbeigeführt werden kann, würde dieſe beiden nabe gleichen Entfernungen völlig gleich und dadurch ein Zuſammenſtoßen derſelben möglich machen. Der Punkt desLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 18274Kometen.Himmels, in welchem dieſe Begegnung der zwei Kometen ſtatt finden kann, hat, von der Sonne aus geſehen, die Länge 21°,0 und die nördliche Breite 9°,8 und er iſt von dem ihm nächſten Puncte der Erdbahn nur 0,635 Halbmeſſer dieſer Bahn oder nur 15300 Erdhalbmeſſer verſchieden, ſo daß unſere Nachkommen, wenn jene Begegnung der beiden Kometen um die Mitte des Octobers ſich ereignen ſollte, das ſeltene, ja bisher noch nie geſehene Schau - ſpiel des Kampfes und vielleicht der gegenſeitigen Zerſtörung dieſer Himmelskörper erblicken würden.

§. 178. (Starke Annäherung des Biela’ſchen Kometen zur Erd - bahn i. J. 1832.) Aber ſo intereſſant auch ein ſolches Schauſpiel ſeyn mag, ſo liegt doch der Conflict des Biela’ſchen Kometen mit unſerer eigenen Erde uns und unſerem eigenen Intereſſe noch viel näher, als daß wir uns nicht vorzugsweiſe mit dieſem beſchäftigen und vor allem zuſehen ſollten, was wir für uns ſelbſt von ihm zu fürchten haben.

Dieſer fatale Komet war ſchon im Jahre 1826 der Erdbahn ziemlich nahe gekommen, indem er nur etwa doppelt ſo weit, als der Mond, von derſelben abſtand. Allein am 29. Oetober 1832 war dieſer Komet nur mehr 2 Erddurchmeſſer oder dreizehnmal weniger, als der Mond, von der Erdbahn entfernt und vielleicht noch bedeutend weniger, da die Elemente deſſelben noch keineswegs ſo genau bekannt ſind, um die Diſtanz des Planeten von der Erde mit großer Schärfe angeben zu können. Von der Erdbahn, ſage ich, aber nicht von der Erde ſelbſt, welche letzte zu jener Zeit noch ſehr weit von dem Punkte ihrer Bahn, wo der Komet dieſer Bahn am nächſten kam, und zwar über dreizehn Millionen Meilen entfernt war. Eine ſolche Zuſammenkunft der Erde ſelbſt mit dem Kometen kann immer nur, wenn ſie ſich je ereignen ſollte, in den letzten Tagen des Novembers ſtatt haben und zu dieſer Zeit war i. J. 1832 der Komet ſchon wieder der Erde ſehr weit vorausgeeilt. Die Furcht, welche ſich damals vor dieſem Kometen verbreitete, war daher durchaus grundlos, wie auch der Erfolg zeigte.

Ueberhaupt iſt ein ſolches Zuſammentreffen dieſes Kometen mit der Erde nur in ſolchen Jahren möglich, wo der Komet erſt275Kometen.in den letzten Tagen des Dezember durch ſein Perihelium geht. Dieß geſchieht aber nicht während dem ganzen Laufe des gegen - wärtigen Jahrhunderts. Erſt i. J. 1933 fällt das Perihel des Kometen auf den letzten, und i. J. 2115 auf den 26. Dezember, allein dann können die Aenderungen und Störungen, welche ſeine Bahn in einer ſo langen Zwiſchenzeit erlitten hat, leicht alle Ge - fahr für die Erde vermindert oder auch wohl ganz entfernt haben. Da übrigens nicht nur die ganze Nebelhülle, ſondern ſelbſt der ſehr kleine Kern deſſelben nur ein mattes Licht hat und ſehr ſchlecht begränzt iſt, ſo ſcheint der ganze Körper dieſes Kometen bloß aus einem leichten Dunſtgewebe zu beſtehen, das kaum mit unſern Wolken zu vergleichen ſeyn möchte, ſo daß wir ein Zuſam - mentreffen mit denſelben vielleicht nicht einmal bemerken würden. Von dem Schweife aber und den verderblichen Dünſten deſſelben, von welchen man uns, ich weiß nicht welche ſchädlichen Folgen, vorerzählt hatte, haben wir durchaus nichts zu fürchten, aus dem einfachen, aber hier wohl hinreichenden Grunde, weil er gar kei - nen Schweif hat.

§. 179. (Was hat die Erde überhaupt von den Kometen zu fürchten?) Aber wenn wir nun auch der Beſorgniß vor dieſen Kometen überhoben ſeyn ſollten, was haben wir von den andern zu hoffen oder zu fürchten? Ihrer ſind, wie wir oben geſehen haben, ſehr viele, und ſie ſchwärmen in allen Richtungen um die Erde herum. Wie leicht wäre es da möglich, daß einer derſelben der Erde begegnete, und daß er dann, wenn ſeine Maſſe beträcht - lich iſt, große Verwüſtungen auf ihr erzeugen, ja am Ende die ganze Erde ſelbſt zerſtören, oder mit ſich in die ungemeſſenen Räume des Himmels fortreißen könnte. Wenn ein ſolcher der Erde be - gegnende Komet, oder wenn auch nur ſein Kern eine feſte Maſſe und von einer, in Beziehung auf unſere Erde, beträchtlichen Größe iſt, ſo muß man allerdings geſtehen, daß ein Zuſammen - ſtoßen deſſelben mit der Erde für uns ſehr verderbliche Folgen haben könnte, beſonders wenn ſie ſich in entgegengeſetzten Rich - tungen begegnen, und wenn die Richtung ihres Stoßes auf die Oberfläche der beiden Körper ſenkrecht ſtehen ſollte.

Hören wir, was Laplace, einer der größten Geometer unſerer18 *276Kometen.Zeit, über die Folgen eines ſolchen Zuſammentreffens ſagt. Dem Schrecken, welchen früher die Erſcheinung eines Kometen in aber - gläubiſchen Gemüthern verbreitete, folgte in unſern Tagen die Beſorgniß, daß einer dieſer zahlloſen Himmelskörper, welche in allen Richtungen das Planetenſyſtem durchkreuzen, an die Erde ſtoßen und die Lage ihrer Axe verändern möchte. Es iſt nicht ſchwer, ſich die Folgen eines ſolchen Zuſammenſtoßes vorzuſtellen. Die Axe und die Umwälzungszeit der Erde (die Länge des Tages) würden allerdings eine Aenderung erleiden; die Meere würden ihr altes Lager verlaſſen, um ſich gegen den neuen Aequator hinzuſtürzen; ein gro - ßer Theil der Menſchen und Thiere würden in dieſer allgemeinen Waſſerfluth oder auch durch den heftigen Stoß, den die Erde er - halten hat, zu Grunde gehen; ganze Geſchlechter von lebenden Weſen würden ihren Untergang finden und alle Denkmäler des menſchlichen Fleißes und Kunſtſinnes würden vernichtet werden u. ſ. f.

Dieſes Gemälde iſt finſter genug, aber nicht übertrieben. Wer von uns hat nicht ſchon ſelbſt die Erfahrung gemacht, daß man, in einem ſchnell fahrenden Wagen, wenn die Pferde plötzlich ſtille ſtehen, oder wenn der Wagen an ein nicht zu überwindendes Hin - derniß ſtößt, von ſeinem Sitze gleichſam vorwärts geſtoßen wird, und zwar deſto heftiger, je größer die Geſchwindigkeit des Wagens war, die durch jenes Hinderniß aufgehoben oder geſtört worden iſt. Ganz dieſelbe Erfahrung, nur in einem viel größern Maaßſtabe, würden wir auch zu machen Gelegenheit haben, wenn wir einmal mit einem Kometen zuſammenſtoßen ſollten. Unſere Erde iſt in der That einem Wagen zu vergleichen, in welchem wir alle um die Sonne herum fahren, und zwar mit einer ſo großen Schnelligkeit, daß wir in jeder Stunde gegen 17000 Meilen, alſo 120 mal mehr als eine Kanonenkugel zurücklegen, wenn ſie eben aus der Mündung des Geſchützes tritt. Wenn nun dieſe Erde an einen Kometen von ſolider Maſſe anſtoßen ſollte, ſo würden wir und alles, was in dem großen Wagen Bewegliches iſt, die Gewäſſer der Flüſſe und Meere, unſere Häuſer ſelbſt und unſere Felſen, gegen den geſtoßenen Punkt der Erde hinſtürzen und gleichſam vorwärts fallen; der ganze Ocean würde ſein Geſtade verlaſſen und von allen Seiten an jenen Ort hineilen, auf ſei -277Kometen.nem Wege alle Menſchen und Thiere verſchlingen, unſere Städte und Wälder niederreißen, alle Länder überſchwemmen und ſelbſt die höchſten Gegenden mit ſeinen ſchäumenden Fluthen bedecken. Die wahrhaft gräßlichen Folgen einer ſolchen Kataſtrophe mögen die Leſer ſich ſelbſt zu ſchildern ſuchen.

§. 180. (Gründe gegen dieſe Beſorgniſſe.) Alle die fürchter - lichen Ereigniſſe, denen wir entgegen gehen ſollen, beruhen aber auf der Vorausſetzung, daß der Komet, welcher die Erde treffen werde, ein dichter, feſter und in Beziehung auf die Erde auch ein beträchtlich großer Körper ſey. Wir haben aber bereits im Vorhergehenden mehr als einmal Gelegenheit gehabt, zu bemer - ken, daß die Kometen mit eigentlich feſten Körpern ganz und gar keine Aehnlichkeit zu haben ſcheinen. Wir ſehen ſie alle nur als leichte Wolken, als ſchwache, mattbeleuchtete Dünſte, als bloße Luftgebilde, von welchen, jene fürchterlichen Folgen abzulei - ten, durchaus kein Grund vorhanden iſt.

Wenn aber ſelbſt ein Zuſammentreffen mit dieſen Körpern für uns wahrſcheinlich ohne alle verderbliche Folgen ſtatt haben kann, ſo wird von einem bloßen näheren Vorübergange eines Ko - meten noch weniger zu beſorgen ſeyn, ſchon aus der Urſache, weil die Bewegung dieſer Himmelskörper ſo äußerſt ſchnell iſt, daß ſie, ſelbſt wenn ſie uns einige Augenblicke ſehr nahe kommen können, ſchon nach wenigen Stunden ſehr weit von uns entfernt ſeyn müſſen, und daß daher auch ihre Einwirkung auf uns, we - gen der ungemein kurzen Dauer ihrer größeren Anziehung, dadurch ſehr verringert werden muß. Ein Komet, deſſen kürzeſte Entfer - nung von der Sonne gleich dem Halbmeſſer der Erdbahn iſt und der daher in ſeinem Perihelium die Erde treffen könnte, hat in dieſem Punkte ſeiner Bahn eine Geſchwindigkeit, die ihn in einer Stunde ſchon durch 21000 Meilen treiben würde, eine Geſchwin - digkeit, welche die einer Kanonenkugel ſchon 230 mal übertrifft. Aber noch viel größer iſt, wie wir ſchon oben geſehen haben, die Geſchwindigkeit mancher anderen Kometen, die in ihrem Perihelium der Sonne viel näher kommen.

§. 181. (Aeltere Meinungen von den Kometen.) Unſere Vor - gänger, welche die Bahnen der Kometen, die ſie, gleich den Pla -278Kometen.neten, nach denſelben Geſetzen zurücklegen, nicht kannten, und ſie daher auch weder beobachten, noch berechnen konnten, unterhielten ſich größtentheils damit, ihre Meinungen von der Entſtehung und Bedeutung derſelben aufzuſtellen; Meinungen, die zuweilen, was ſehr viel iſt, noch etwas abgeſchmackter ausfielen, als die, welche einige unſerer Naturphiloſophen erſt in unſeren Tagen aufgeſtellt haben. Wir wollen hier nur einige derſelben mit der Kürze, die ſie ſo ſehr verdienen, näher anführen.

Plinius, der Büffon des Alterthums, zählt zwölf Gattun - gen von Kometen auf, deren jede ihre beſondere Eigenſchaft hat: die mähnenförmigen ſollen ſehr geſchwind laufen, die lanzenförmi - gen ſehr blaſſen Anſehens ſeyn, die Haarkometen am längſten ſichtbar bleiben und was dergleichen ſinnreiche Bemerkungen mehr ſind.

Ariſtoteles brachte, nach ſeiner bekannten Präciſion, dieſe zwölf Klaſſen auf zwei zurück: die bärtigen und die geſchwänzten Kometen, wodurch die Wiſſenſchaft allerdings ſehr viel gewinnen mußte.

Der gelehrte Plutarch, der auch über Aſtronomie ſchrieb, obſchon er nichts davon verſtand, behauptete ganz dreiſt, daß die Kometen nichts Reelles, ſondern bloß ein Reflex des Sonnen - lichts, von anderen Himmelskörpern zurückgeworfen, ſind. Einige andere griechiſche Philoſophen hielten die Kometen für eine Art von Coagulation der Fixſterne, die, wenn ſie ſich zufällig nahe kommen, wie geronnene Milch in einander fließen. Der bereits erwähnte Stagyrit erklärte ſie für bloße Ausdünſtungen der Erde, für Exhalationen der Klüfte und Höhlen, die in unſerer Luft auf - ſteigen, ſich eine Zeit lang daſelbſt herumtreiben und dann wieder verſchwinden.

Nachdem man im Anfange des 17ten Jahrhunderts mit dem neuerfundenen Fernrohre nebſt andern himmliſchen Erſcheinungen auch die Sonnenflecken entdeckt hatte, wurden die Kometen ſo - fort für einerlei Urſprunges mit dieſen Flecken, für bloße Aus - dünſtungen der Sonne gehalten, welche ſie, wie unbrauchbare Schlacken von ſich würfe. Hevel in Danzig, der das Fernrohr279Kometen.für ein ſehr trügeriſches Inſtrument hielt und es auch aus dieſer Urſache nie gebrauchen wollte, eiferte gewaltig gegen dieſe Anſicht, die er als ſehr thöricht verſchrie, und wollte dafür die Kometen als bloße Ausdünſtungen der Planeten betrachtet wiſſen. Kepler hielt ſie, wohl nur in einer jener Stunden, in welchen er ſich ſo gern den lebhaften Spielen ſeiner Phantaſie zu überlaſſen pflegte, für Ungeheuer, die in den oberen Regionen der Luft, wie die Wall - fiſche im Meere, herumſchwimmen und ſich von den böſen Dün - ſten nähren, welche zuweilen die Sonne verfinſtern und unſere At - moſphäre vergiften ſollen, daher ſie denn auch, wenn ſie ſich der Erde zuweilen nähern, dieſe Dünſte über ſie ausathmen und Miß - wachs und peſtartige Krankheiten verurſachen. Andere ſogenannte Aſtronomen behaupteten, daß die Kometen böſe Dünſte ſeyen, die ſich im Weltraume ſammeln und dann von der Sonne angezogen werden, wo ſie, wie in einem Keſſel ausgekocht, nach ihrer Rei - nigung, als Planeten am Himmel glänzen. Claudius Comirs läßt ſie im Gegentheile aus der Sonne entſtehen, und von derſelben wie Schaumblaſen aus einem Schmelzofen, in die Höhe ſteigen, wo ſie ſich dann ſo lange erhalten, bis ſie platzen. Fromond ſah ſie als Vorboten des Untergangs der Ariſtoteliſchen Philoſophie an, die damals, am Ende des 16ten Jahrhunderts, bereits in ih - ren letzten Zügen lag. Licetus war der Anſicht, daß die Feuer - ſäule, welche die Juden durch das rothe Meer führte, ein Komet geweſen ſey, der dem iſraelitiſchen Volke als Fackelträger zugege - ben wurde. Damaſcenus ſagt, cometas a Deo creari et mo - veri, quo libuerit, per angelos ad terrendos mortales, eine Meinung, die Tannerus eine opinionem christiano philosopho perquam dignissimam nennt. Auf eine analoge Weiſe läßt der ſpaniſche Mönch Valderama die Kometen durch eigene böſe Geiſter aus dem Höllenpfuhle herauf treiben, um dem ſündigen Menſchen - geſchlechte einen heilſamen Schrecken einzujagen.

Ich könnte leicht noch eine gute Anzahl dergleichen Dinge an - führen, wenn nicht zu beſorgen wäre, daß die Leſer bereits eben ſo müde ſind, ſie anzuhören, als ich ſie zu erzählen. Die meiſten dieſer Abſurditäten vereinigen ſich dahin, daß die Kometen Un - glückspropheten ſind und daß ſie ſich vorzüglich gern mit dem280Kometen.Schickſale der großen Herren, das heißt Derjenigen abgeben, die ſich von jeher um ſie am wenigſten bekümmert haben. Der Glau - be, daß die Kometen Unglück bedeuten, ſcheint ſo alt zu ſeyn, als das Menſchengeſchlecht ſelbſt. Wo immer Krieg, Krankheit, Erd - beben, Ueberſchwemmungen u. dgl. ſtatt hatten, da waren es auch die Kometen, welche die Schuld daran tragen mußten. Beſonders ſtark in dieſem Glauben waren die Römer, die überhaupt zu den abergläubiſchſten Völkern der Erde gezählt werden müſſen. Ihre Schriftſteller, ſelbſt die berühmteſten, ſind voll von den Vorbedeu - tungen, welche die Kometen mit ſich führen ſollen. Cicero, der ſich doch ſonſt ſo klug dünkte, verſichert ganz ernſthaft, daß alle Ko - meten Kriege und Bürgerzwiſte bedeuten. Auch Plinius d. A. nennt ſie terrifica et non leviter saeva sidera und meint, daß beſonders die dreieckigen nicht viel taugen und ſehr boshafter Na - tur ſind. Seneca, der an einem andern Orte (Nat. Hist. Lib. VII. 13) ſo richtige und für ſeine Zeiten in der That ganz unerwartete Ideen von ihnen mittheilt, erklärt doch, daß ſie alle ſehr tückiſche Weſen ſeyen, da ſogar derjenige, der laetissimo Neronis imperio erſchien, und der alſo unter einem ſo guten und vortrefflichen Fürſten nichts als Wohlthaten hätte bringen ſollen, cum ne hic quidem Cometis veterem detraxerit infamiam. Noch bezeichnendere Stellen findet man in den römiſchen Dichtern, Virgil, Claudian, Tibull, u. a., die alle die Bosheit der Kome - ten nicht nachdrücklich genug beſchreiben können. Aber auch die eigentlichen Geſchichtſchreiber wollten nicht hinter jenen zurückblei - ben, und Thucydides, Sueton, Joſephus Flavius u. a. erzählen uns eine Menge Unglücksfälle, die durch Kometen angezeigt oder ſelbſt bewirkt worden ſeyn ſollen. Wer Luſt an ſolchen Mähr - chen hat, kann ſie in des berühmten Jeſuiten Riccioli’s Werke (Almagestum novum) oder in des bereits oben erwähnten Lu - bienietz Theatrum cometicum ſelbſt nachſehen.

Aber auch ſelbſt die eigentlichen und unter ihnen ſehr aus - gezeichnete Aſtronomen haben ſich von dieſen, die Menſchen ſo lange beherrſchenden Vorurtheilen nicht ganz frei halten können, wie der folgende Auszug aus einem Aufſatze zeigt, den D’Alembert in der Encyclopédie française eingerückt und die erſt im Jahr 1815281Kometen.ein nicht minder geſchätzter deutſcher Aſtronom in dem von ihm herausgegebenen Almanache wieder aufgenommen hat. Die Rede iſt von dem großen, ſchon oben erwähnten Kometen des Jahres 1680, von welchem noch zu Newtons Zeiten der berühmte Whiſton in einem eigenen, nicht kleinen Werke die Noachiſche Sündfluth abgeleitet hat. Beide oben erwähnte Aſtronomen ſetzen mit Whi - ſton voraus, daß die Umlaufszeit dieſer Kometen 575 Jahre be - trage und auf dieſe Vorausſetzung bauen ſie ihre ganze Hypotheſe. Geht man, ſagen ſie, von dem Jahre 1680 um acht ſeiner Perio - den, d. h. um 4600 Jahre zurück, ſo fällt man auf das Jahr 2916 vor Chr., auf welche Zeit die meiſten unſerer Chronologen die Sündfluth ſetzen. Von da zwei Perioden vorwärts, gelangt man zu dem Jahre 1767 v. Ch., wo uns neuerdings eine große Ueber - ſchwemmung begegnet, nämlich die des Ogyges, des Urvaters der alten Griechen, von dem ſeine Nachfolger deſto mehr erzählen konnten, je weniger ſie von ihm wußten. Die dritte Erſcheinung dieſes Kometen fällt auf das Jahr 1192 vor Chr., in welchem nach der, allerdings noch ganz unverbürgten Rechnung einiger un - ſerer Chronologen, der trojaniſche Krieg angefangen haben ſoll. Die vierte Erſcheinung trifft in das Jahr 617 vor unſerer Zeit - rechnung oder in die Zeit der Zerſtörung Ninive’s, wo der große Komet geſehen wurde, von welchem in den ſibylliniſchen Büchern geſchrieben ſteht was meine Leſer ſelbſt darin nachſchlagen mögen. Die fünfte fällt auf d. J. 43 v. Chr., alſo in das Todesjahr des C. J. Cäſar, von deſſen Zuſammenhang mit den Kometen wir ſchon oben geſprochen haben. Die ſechste i. J. 531 nach Chr. beleuchtete den Anfang der thatenreichen Regierung Juſtinians I. des Geſetzgebers. Die Kriege, Erdbeben und die verheerenden Seuchen, welche er dießmal mit ſich brachte, ſind umſtändlich ge - nug in den Werken des Procopius, des Secretärs des großen Beliſar, zu leſen. Die ſiebente Erſcheinung fiel in das Jahr 1106, in dem Anfange der Kreuzzüge, wo Chriſten und Türken ihn mit gleichem Rechte als den Vorboten des Untergangs der Ungläubi - gen anſahen. Die achte fiel in das Jahr 1680, in die Zeit, die Newton mit dem Lichte ſeines Geiſtes erhellte, ohne übrigens die althergebrachten Vorurtheile von der Bedeutung dieſer Himmels -282Kometen.körper zerſtören zu können, da Milton, Newtons Zeitgenoſſe, in ſeinem verlorenen Paradieſe, von dem Kometen ſagen konnte:

From its horrid hair

Shakes pestilence and war.

Der neunte Beſuch endlich ſoll in das Jahr 2255 fallen, wo viel - leicht der Genius der Kultur ſeine Fackel über Europa ausgelöſcht haben wird und wo wir nähere Nachrichten über ihn von den Geſchichtſchreibern und Aſtronomen der jetzigen Wilden in Reu - holland oder in Nukahiba erhalten werden.

Und was ſollen wir indeſſen von allen dieſen artigen Zuſam - menſtellungen des Kometen mit den Ueberſchwemmungen, Kriegen, Kreuzzügen u. ſ. w. halten? Sie ſind, wie geſagt, auf die Vorausſetzung gebaut, daß die Umlaufszeit des Kometen 575 Jahre beträgt. Und wie ſteht es mit dieſer Vorausſetzung, die man, der Himmel weiß, woher abgeleitet hat? Wenige Worte werden genügen, dieſen Tändeleien, denn anders ſind ſie nichts, ein Ende zu machen. Erſt in unſeren Tagen hat einer der geſchickteſten deutſchen Aſtronomen die ſämmtlichen Beobachtungen des großen Kometen von 1680 einer ſtrengen und ſehr genauen Rechnung unterworfen und gefunden, daß ſeine Um - laufszeit, nicht 575, ſondern volle 8800 Jahre beträgt. Mit die - ſer einzigen Bemerkung verſchwindet daher die Baſis, auf der man das ganze luftige Gebäude errichtet hat und mit ihr alſo auch das Gebäude ſelbſt:

And all, which it inherit, shall dissolve, And like the baseless fabric of a vision Leave not a wrak behind.
(Shak.)

§. 182. (Einfluß der Kometen auf die Temperatur der Witte - rung.) Wenn aber dieſe Himmelskörper mit Kriegen und Ueber - ſchwemmungen nichts gemein haben ſollen, ſo könnten ſie vielleicht doch auf unſere Witterung und dadurch auf die Temperatur und Fruchtbarkeit der Erde ihre Wirkungen äußern? Dieſer Glaube iſt in der That nicht minder allgemein, als jener. Wir wollen ſehen, ob er auch eben ſo gut begründet iſt.

Erfahrungen müſſen hier entſcheiden. Hier ſind ſie. In dem folgenden Zeitraume von 153 Jahren ſind diejenigen angegeben,283Kometen.in welchen ein Komet erſchien und in welchen zugleich der Sommer ſehr warm oder der Winter beſonders kalt war.

Heißer Sommer oder Warmer Winter

  • 1632
  • 1682
  • 1689
  • 1701
  • 1702
  • 1704
  • 1718
  • 1723
  • 1737
  • 1748
  • 1764
  • 1769
  • 1774
  • 1781
  • 1783

Kalter Sommer oder Strenger Winter

  • 1665
  • 1680
  • 1683
  • 1684
  • 1695
  • 1699
  • 1706
  • 1718
  • 1729
  • 1744
  • 1766
  • 1771
  • 1784
  • 1785

Dieſe Tafel zeigt alſo in 153 Jahren 15, wo die Kometen große Wärme und 14, wo ſie große Kälte gebracht haben. Und was folgt daraus? Doch wohl, daß ſie weder Wärme noch Kälte bringen, oder daß der Einfluß der Kometen auf unſere Tem - peratur, wenn er überhaupt beſteht, für uns ganz unmerkbar iſt.

Wir haben bereits oben (I. S. 209) von der mittleren Temperatur der verſchiedenen Orte der Oberfläche der Erde geſprochen und geſagt, wie man dieſelbe durch die Beobachtungen am Thermometer finden könne. Sehen wir nun zu, ob dieſe mittlere Temperatur mit der Erſcheinung der Kometen in irgend einem Zuſammenhange ſteht.

Auf der Sternwarte in Wien beobachtet man ſeit nahe ſechzig Jahren täglich dreimal den Stand des Thermometers, woraus man dann, nach dem oben Geſagten, die mittlere Temperatur jedes Jahrs durch Rechnung ableitet. Ich gebe hier der Kürze wegen nur die letzten 28 Jahre mit ihren mittleren Temperaturen284Kometen.nach Reaumür und mit der Anzahl der in dieſen Jahren erſchie - nenen Kometen.

Im Mittel aus allen an dieſer Sternwarte angeſtellten Beobach - tungen iſt die jährliche mittlere Temperatur Wiens gleich + 8,6. Nimmt man nun die Jahre unter 8,2 für kalte und die über 9,0 für heiße Jahre an, ſo findet man aus der vorhergehenden Tafel

  • 7 beiße Jahre mit 10 Kometen
  • 5 kalte 8
  • 6 mittl. 12

oder mit anderen Worten, man findet

  • auf 10 heiße Jahre 14 Kometen
  • 10 kalte 16
  • 10 mittlere 20

woraus alſo, gegen die bisherige Vorausſetzung, folgen würde, daß die Kometen mehr Kälte als Wärme bringen und daß die mittleren Jahre die an Kometen fruchtbarſten ſind. Allein auch dieſer Schluß iſt offenbar nicht ſicher. Die Jahre 1805 und 1808 waren ſehr kalt und hatten doch, das erſte 2 und das andere ſogar 4 Kometen. Die Jahre 1822 und 1827 waren im Gegentheile ſehr heiß und doch hatte jedes 3 Kometen. Das heißeſte von allen, das Jahr 1822, hatte 3, und das kälteſte 1805, hatte 2 Ko - meten. Kurz, zwiſchen Kometen und Temperatur iſt kein Zuſam - menhang. Man könnte übrigens leicht von anderen Sternwarten noch viele ähnliche Zuſammenſtellungen anführen, wenn es der Raum erlaubte, und man würde ſehen, daß ſie alle das hier ge - fundene Reſultat beſtätigen.

285Kometen.

§. 183. (Einfluß der Kometen auf die Reinheit der Witterung.) Wenn aber die Kometen keinen Einfluß auf die Temperatur ha - ben, ſo können ſie doch Trockenheit oder Näſſe, dichte Nebel, Un - gewitter, Hagel, Meteore u. dgl. erzeugen. Sie können: ſie können aber auch vielleicht nicht. Soll man nun alle dieſe Dinge nach einander auf die Kapelle bringen, um ſie zu unterſuchen? Wohin würde uns das führen? Ich habe es in der That verſucht, die beiden letzten Jahrhunderte in Beziehung auf ihre Näſſe oder Trockenheit durchzugehen; aber ich kann es nicht wagen, die Langeweile, wel - che mir dieſe Arbeit machte, meine Leſer entgelten zu laſſen. Sie werden mir vielleicht lieber auf’s Wort glauben, daß ich auch zwi - ſchen dieſen Dingen und den Kometen keinen weiteren, auch nicht den geringſten Zuſammenhang gefunden habe. Aus allen dieſen mühſeligen Unterſuchungen folgt nun eben daß nichts daraus folgt.

§. 184. (Einfluß der Kometen auf Krankheiten.) Daß die Kometen auf die Krankheiten der Menſchen und Thiere und ſelbſt auf die der Pflanzenwelt einwirken, iſt ſo lange und ſo feſt geglaubt worden, daß man kaum anſtehen kann, ſich auch ein wenig auf dieſelbe Seite zu neigen. Eigentlich ſollten die Aerzte über dieſen Gegenſtand gefragt werden, vorausgeſetzt, daß ſie die Natur der Kometen beſſer kennen, als die der Krankheiten, welche ſie heilen wollen. Einer der neueſten hat es in ſein Werk: Illustrations of the atmospherical origin of epidemic diseases, Chilms - ford 1829 übernommen, den Zuſammenhang der Kometen mit großen Epidemien mit mathematiſcher Genauigkeit, wie er glaubt, nachzuweiſen und er ſchließt dieſes voluminöſe Werk mit folgenden Worten: Es iſt daher ganz gewiß, daß ſeit dem Anfange unſerer Zeitrechnung die ungeſundeſten Zeiten auch immer zugleich die an Kometen reichſten geweſen ſind, und daß die Erſcheinung dieſer Himmelskörper ſtets von Erdbeben, vulkaniſchen Ausbrüchen und atmoſphäriſchen Revolutionen begleitet waren, während man im Gegentheile in geſunden Zeiten nie einen größeren Kometen ge - ſehen hat.

Und wie fängt Forſter es an, dieſen ſeinen Satz zu beweiſen? Er geht von Chriſti Geburt auf den heutigen Tag alle Jahre und alle Chroniken durch und bringt alle Leiden und Unfälle,286Kometen.welche in dieſer langen Zeit das arme Menſchengeſchlecht betroffen haben, in eine lange Liſte zuſammen. Auf dieſelbe Weiſe ſpürt er auch den Kometen nach, die ſeit jener Epoche erſchienen ſind, und deren er gegen 500 zuſammentreibt, die er alle neben den Krank - heiten ſeines erſten Regiſters einträgt, wodurch denn endlich ein gar herrliches und für den geneigten Leſer wahrhaft erbauliches Inventarium von Noth und Elend und zugleich von Kometen ent - ſtanden iſt, die an allen jenen Drangſalen ſchuld ſeyn ſollen.

Es ſcheint, daß ihm dieſe Arbeit nicht eben viel Nachdenken gemacht haben kann. Wie wir bereits oben geſehen haben, gibt es ſo viele Kometen, daß man beinahe auf jedes Jahr zwei der - ſelben zählen kann. Unglücksfälle aller Art aber, die das arme Menſchenvolk heimſuchen, gibt es wohl noch mehr, als zwei in jedem Jahre. Da es ſonach am Himmel nicht an Kometen und auf Erden nicht an Noth und Elend fehlt, ſo wird es keine be - ſondere Anſtrengung erfordern, zu jeder Calamität auch einen Ko - meten als Sündenbock aufzufinden, da es im Gegentheile ſehr ſchwer, wo nicht unmöglich ſeyn wird, auch nur ein einziges Jahr zu treffen, wo nicht das Eine oder das Andere dieſer beiden Dinge eingetroffen wäre.

Ohne Zweifel würde dieſes traurige Inventarium des menſch - lichen Elends dieſe zweite Auflage einer Reiſe durch die Höhlen des Unglücks und die Gemächer des Jammers unſeres engliſchen Karls von Karlsberg eine ganz andere Geſtalt erhalten haben, wenn es ihm beliebt hätte, ohne Vorurtheile und ohne vorgefaßte Meinung an ſein Werk zu gehen, und wenn er nicht, was er in unſeren Geſchichtbüchern erſt ſuchen ſollte, ſchon zuvor als fixe Idee in ſeinem eigenen Kopfe gefunden hätte. Was ſoll es uns frommen, wenn wir z. B. bei dem Jahre 1665 leſen: Großer Komet und Peſt in London. Alſo doch eine Peſt, aber warum nur in London? War der Komet nicht auch an andern Orten der Erde eben ſo gut, war er bloß in London ſichtbar? Warum brachte derſelbe Komet, der die Peſt nach London führte, ſie nicht auch nach Paris, nach dem nahen Hamburg, nicht einmal nach Schott - land oder Irland? Dann hätte alſo wohl jene Dame recht, die, als ſie hörte, daß man den gefürchteten Kometen im nächſtfolgen -287Kometen.den Jahre 1832 in Paris erwarte, entgegnete, daß ſie das wenig kümmere, weil ſie das nächſte Jahr nicht in Paris, ſondern bei ihren Verwandten in Neapel zubringen werde. Was ſollen uns ferner folgende lächerliche Zuſammenſtellungen: Anno 1668 er - ſchien ein Komet und in Weſtphalen war ein großes Sterben unter den Katzen. Anno war ein Komet und ein großes Unge - witter in Thüringen, das mehrere Bauern auf der Wieſe erſchlug. Anno Komet, und Klauenſeuche des Hornviehes in Oſtfries - land. Anno Komet und ein Aerolith in Schottland, welcher letzte eine Dorfkirche traf und das Räderwerk der Thurmuhr be - ſchädigte u. ſ. w. Wohl hundertmal liest man in dem Buche: Komet und Heuſchrecken in Kalabrien; Komet und Ueberſchwem - mung in England; Komet und Erdbeben in Kleinaſien; Komet und Feuersbrunſt in Conſtantinopel; und was dergleichen Dinge mehr ſind. Scheint es doch, als wollte der Verfaſſer ab - ſichtlich darauf ausgehen, die unverträglichſten Dinge mit einander zu paaren und Sachen zuſammen zu koppeln, die himmelweit von einander liegen. Wenn es ihm, wie man glauben muß, nur darum zu thun iſt, bei ſeinen Leſern Aufſehen zu erregen, ſo hätte er ſeine Kometen ganz gewiß auch eben ſo gut und eben ſo leicht noch ganz andere Verbindungen eingehen laſſen können, z. B. Ko - meten und Hundegebell; Kometen und Hühneraugen; Kometen und lächerliches Geſchwätz oder Kometen und alberne Bücher, zu welchen letzteren beſonders er die Beiſpiele ganz in der Nähe hätte finden können.

Wohl wäre es zu wünſchen, dieſen Gegenſtand mit dem Ernſte behandeln zu können, den die Wichtigkeit der Sache, den die Be - freiung von jedem Vorurtheile überhaupt verdient, wenn nicht eben jene ſonderbare Bearbeitung deſſelben durch die Vorgänger einen ganz andern Ton gleichſam nothwendig gemacht hätte, und wenn es nicht, ſelbſt unter den ſogenannten gebildeten Ständen, noch gar zu viele gäbe, die keinen Anſtand nehmen, ſich dieſen Thorheiten hinzugeben, während ſie auf viel geringere und verzeih - lichere mit einer Art von Selbſtgefühl herabzuſehen pflegen, das oft nur zu wohl verrathet, daß auch hier ihre ſcheinbar beſſere Kenntniß nicht ſowohl auf Gründen und auf Ueberzeugung, als288Kometen.vielmehr nur auf Gewohnheit und auf einer Art von Mode be - ruht, für welche ſie ſelbſt nichts weiter anzuführen haben. Ueber - haupt möchte es wohl mit dem, was man Bildung und Aufklä - rung zu nennen beliebt, wenn man es etwas näher beſieht, eine ganz andere Bewandtniß habe, als die Leute gewöhnlich und die am meiſten glauben, welche dieſe Worte immerdar im Munde zu führen pflegen. Um aber den Vorwurf der Unartigkeit, die man unſeren Landsleuten ſo gern Schuld gibt, zu vermeiden, wollen wir einen der artigſten unſerer artigen Nachbarn jenſeits des Rhei - nes, von dem ich das Vorhergebende über Forſter entlehnte, für uns ſprechen laſſen, der ſich bei derſelben Gelegenheit auf folgende Weiſe ausdrückt: J’aurais vivement desiré, ſchreibt Arago, da - mals Präſident der Academie der Wiſſenſchaften in Paris, pour l’honneur des sciences et de la philosophie moderne, pou - voir me dispenser de prendre au sérieux les idées bizarres, dont je viens de faire justice: mais j’ai acquis personnelle - ment la certitude, que cette refutation ne sera pas inutile et que ces Messieurs ont parmi nous bon nombre d’adeptes. Au surplus, prêtez l’oreille un seul instant, même dans ces réunions, qu’il est d’usage d’appeller le grand monde, aux longs discours, dont les comètes, les éclipses etc. four - nissent le texte, et decidez ensuite, si l’on peut se glorifier de cette prétendue diffusion des lumières, que tant d’opti - mistes se complaisent à signaler comme le trait caractéri - stique de notre siècle. Quant à moi, je suis revenu depuis long-tems de ces illusions. Sous le vernis brillant et su - perficiel, dont les études purement littéraires de nos col - lèges et académies revêtent à peu près uniformement toutes les classes de la société, on trouve presque toujours, tran - chons le mot, une ignorance complète de ces beaux phénomènes, de ces grandes lois de la nature, qui sont notre meilleure sauvegarde contre les préjugés.

§. 185. (Vergleichung der Erſcheinungen der Kometen mit je - nen der Epidemien.) Da Forſter und ſo mancher Andere ſich eine Art Geſchäft daraus machten, diejenigen Jahre herauszuſuchen, an welchen größere Kometen mit allerlei Calamitäten zuſammen -289Kometen.trafen, ein Geſchäft, das ihnen, wie wir geſehen haben, keine be - ſondere Schwierigkeiten machen konnte, ſo wollen wir einmal im Gegentheile, ohne alle Rückſicht auf Kometen, diejenigen Perioden unſerer Menſchengeſchichte kurz anführen, die ſich durch verheerende und weiter verbreitete Epidemien bemerkbar machten, und dann erſt zuſehen, welche größere Kometen ſich etwa in derſelben Zeit gezeigt haben mögen. Zu dem erſten werden wir uns die vor - treffliche Chronik der Seuchen unſeres braven und fleißigen Schnurrer’s und zu dem letzten des ſchönen Kometenverzeich - niſſes (Altona 1823) bedienen, mit dem uns der berühmte Olbers beſchenkt hat.

Schon die erſten drei Jahrhunderte nach dem Anfange unſerer Zeitrechnung waren durch ſchwere und beinahe über das ganze - miſche Reich (von anderen Ländern fehlen uns die Nachrichten), verbreitete Epidemien ausgezeichnet. Im Jahre 42 nach Chr. G., unter der Regierung des Kaiſers Claudius, ergoß ſich das Men - tagra, eine Art von Elephantiaſis, die den ganzen Körper des Erkrankten mit Geſchwüren und Borken bedeckte, aus Aegypten über das geſammte römiſche Reich. Im Jahre 154 erſchien eben daſelbſt die Lycanthropie und verbreitete allgemeines Ent - ſetzen unter die geängſtigten Menſchen. Die von ihr Ergriffenen irrten, von unſäglichen Schmerzen bis zur Verzweiflung getrieben, wie Wölfe (daher die Benennung) bei Nacht unter den Gräbern und an einſamen Orten umher. Die heutigen Aerzte glauben, daß aus dieſer Krankheit unſere, jetzt ſchon viel gemilderte Katalepſis entſtanden iſt, wie man denn auch bei vielen anderen, anfangs ſehr heftigen Krankheiten dieſen endlichen Uebergang in zwar noch immer ähnliche, aber doch auch viel mildere Formen bemerkt. Im J. 165 unter K. Antonin herrſchte eine über Kleinaſien, Nordafrika und ganz Europa verbreitete peſtartige Seuche durch volle ſieben Jahre. Im Jahr 182 wurde ganz Italien von einer Epidemie verheert, die nahe ein Drittheil der Einwohner hinraffte und an der durch mehrere Wochen in Rom täglich gegen 2000 Menſchen ſtarben. In der Mitte des dritten Jahrhunderts, unter K. Valerian, brach eine Seuche aus, die über 15 Jahre im römiſchen ReicheLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder II. 19290Kometen.wüthete und wegen welcher die noch jetzt unter uns beſtehende Sitte aufkam, zur Trauer über den Verluſt ſeiner Freunde und Verwandten ſchwarzgefärbte Kleider zu tragen. Im Jahre 312 kam der Anthrax aus Aegypten nach Italien und Griechenland, wo er epidemiſch wurde und ſo heftig um ſich griff, daß von mehreren Inſeln des mittelländiſchen Meeres die Bewohner ganz ausſtarben. Und in allen den genannten Jahren, ja ſelbſt zehn Jahre vor - oder rückwärts von ihnen, findet man auch nicht die geringſte Spur von irgend einem Kometen bei den alten Schriftſtellern.

Das Jahr 542 war der Anfang einer der verheerendſten Seu - chen, von der Europa je heimgeſucht wurde. Sie dauerte über 50 Jahre und fing mit allgemeinem Mißwachs und großen Zügen von Heuſchrecken an. Sie ſcheint das erſte Auftreten der orien - taliſchen oder eigentlichen Bubonenpeſt geweſen zu ſeyn, und in der ganzen Periode wird von einem größern Kometen nichts erwähnt, wenn man nicht etwa den, vier Jahre früher i. J. 538 erſchienenen, für den Stifter dieſes Unheils hal - ten will, der aber nur ſehr klein und unanſehnlich geweſen ſeyn ſoll. Auch von dieſer Calamität des Menſchengeſchlechtes hat ſich eine Gewohnheit bis auf unſere Zeiten erhalten. Da die von der Peſt Ergriffenen von heftigem Gähnen und Nieſen geplagt wurden, ſo befahl Papſt Gregor der Große, beim Gähnen das Zeichen des Kreuzes über den Mund zu machen und beim Nieſen dem Kranken: Helf dir Gott, zu ſagen.

Im Jahre 717 fing eine dreijährige Peſt im Oriente an, an welcher bloß zu Conſtantinopel 300000 Menſchen geſtorben ſeyn ſollen. Von Kometen aber war um dieſe Zeit keine Spur. Im Jahre 874 und 875 war ein großes Sterben in Europa, das durch die zahlloſen Heuſchreckenzüge veranlaßt wurde. Der Moder ihrer Leichen ſoll in vielen Ländern den Boden mehrere Zolle hoch be - deckt haben. Auch war ein großer Komet zu ſehen, aber erſt im Jahre 876, alſo ein Jahr nach dem Ende der Krankheit.

Im Jahre 996 erſchien das ſogenannte heilige Feuer das erſtemal in Europa. Dieſe verheerende, ſchnell verlaufende und äußerſt anſteckende Krankheit ergriff ſchnell den ganzen Organis -291Kometen.mus des Menſchen, den ſie oft ſchon nach einigen Stunden durch den Brand zerſtörte. Oft ergriff ſie auch nur einzelne Glieder, Arme oder Beine, die nach wenig Tagen ſchwarz wurden und ab - fielen. Aus ihr ſoll das ſpätere Antoniusfeuer, das noch ſehr verheerend war und aus dieſem endlich unſer milderes, ſogenann - tes Rothlauf entſtanden ſeyn. Damals kamen unter den geäng - ſtigten Menſchen die Wallfahrten nach dem heiligen Lande auf, aus welchen ſpäterhin, gegen Ende des eilften Jahrhunderts die Kreuzzüge entſtanden. Größere Kometen ſah man nur zwei um dieſe Zeit, den erſten i. J. 983, alſo 13 Jahre zu früh, und den zweiten 1005, alſo 9 Jahre zu ſpät.

Im Jahre 1092 begann ein allgemeines Sterben der Men - ſchen und Thiere, das über fünf Jahre währte. Viele Länder ver - loren die Hälfte ihrer Einwohner und andere verödeten gänzlich. Es war der allgemeine Glaube, daß der jüngſte Tag bevorſtehe. Alle Hausthiere flohen in die Gebirge und Wälder, wo ſie wieder verwilderten. In den letzten Jahren kam dieſe Peſt auch nach Paläſtina unter die Kreuzfahrer. Zu Jeruſalem ſtarben durch mehrere Wochen täglich 500 Menſchen, unter ihnen auch Gottfried von Bouillon. Antiochien ſtarb beinahe ganz aus und von dem Heere des erſten Kreuzzuges gingen in dieſer Stadt allein in zwei Monaten über 200000 Menſchen zu Grunde. Ein im November 1097 ihnen aus Europa nachgeſchicktes Hülfscorps von 25000 Mann wurde ſogleich bei ſeiner Ausſchiffung an der aſiatiſchen Küſte von der Krankheit ergriffen und beinahe gänzlich aufgerie - ben. Größere Kometen ſah man aber nur i. J. 1071 und 1097, alſo 21 Jahre zu früh und 5 Jahre zu ſpät.

Das verderblichſte Jahrhundert unſerer ganzen Menſchenge - ſchichte war das vierzehnte. Schon i. J. 1310 brach eine große, ſiebenjährige Peſt über ganz Europa aus. In Straßburg ſtarben 13000, in Baſel 14000, in Mainz 16000, in Köln 30000 Men - ſchen und viele andere Städte Europa’s ſtarben beinahe gänzlich aus. Ein großer Komet wurde bloß i. J. 1305, alſo fünf Jahre zu früh geſehen, was aber doch den Chronikſchreiber Prätorius nicht hinderte, ihn als den Vorboten jener Peſt anzuſehen.

Im Jahre 1347 begann die fürchterliche Peſt, die ſpäterhin19 *292Kometen.allgemein unter der Benennung des ſchwarzen Todes bekannt wurde. Sie kam von dem nordöſtlichen Aſien, wie einſt die Völ - kerwanderung, und überzog bald alle bekannten Länder der Erde. Im erſten Jahre hielt ſie ſich vorzüglich an den Meeresküſten auf, aber im Jahre 1348 drang ſie auch ſchon in das Innere der Län - der und wüthete unter Menſchen und Thieren. Die allzuvielen Todten blieben meiſtens unbegraben auf den Straßen liegen; die Aecker wurden nicht mehr beſorgt und die Hausthiere irrten auf den Feldern umher. Bis auf den wildeſten Trieb der Selbſter - haltung und einer gränzenloſen Furcht ſchienen alle andern Leiden - ſchaften der Menſchen gänzlich erloſchen zu ſeyn. Bagdad, Diarbekir und Damask ſtarben beinahe ganz aus; in Guza ſtarben in einem Monate 22000 Menſchen, in London 80000, in Paris nahe der vierte Theil der Einwohner; in Lübek während einer einzigen Nacht 1600, in Wien ſtarben während drei Monaten täglich gegen 700 bis 800 und zur Zeit der größten Höhe der Krankheit einmal an einem einzigen Tage 1400 Menſchen. Selbſt die Kaiſer und Könige dieſer Zeit, ſo ſehr ſie ſich auch ſchützten, wurden nicht verſchont. Unter den Opfern dieſer Peſt zählte man den Kaiſer Andronicus in Conſtantinopel, König Alfons XI. in Spanien, die Königin Joanna in Portugal und den Zar Iwanowitſch in Mos - kau mit ſeinem Bruder und allen ſeinen ſieben Kindern. Dieſe Peſt dauerte bis 1351 durch fünf Jahre. Die Chroniken erwäh - nen einen größeren Kometen für 1347 und 1351, alſo einen für den Anfang und den andern für das Ende der Krankheit. Es mag daher auch wohl Kometen geben, welche die Krankheiten wie - der heilen, die andere gemacht haben.

Im Jahre 1356 brach derſelbe ſchwarze Tod durch neue fünf Jahre zum zweitenmale aus, und richtete, wie die Geſchichtsſchrei - ber jener Zeit erzählen, noch größere Verheerungen, als das erſte - mal an. Nach Petrarca, der auch ſeine Laura daran verlor, und der ſie, ſo wie Boccaccio, mit den lebhafteſten Farben beſchrieben hatte, ſollen in Italien von je 1000 Menſchen kaum 10 übrig ge - blieben ſeyn. In Köln ſtarben 20000, in Avignon 17000, unter welchen 5 Kardinäle und 100 Biſchöfe, die ſich eben daſelbſt zu einem Concilium verſammelt hatten, und die auch, wie alle an -293Kometen.dere, unbegraben auf den Gaſſen liegen blieben, auf die man da - mals die Leichname durch die Fenſter zu werfen pflegte. Von Kometen in dieſer Zeit findet man keine Spur. Zum drittenmale brach dieſe verheerende Krankheit i. J. 1367 aus, wo ſie bis 1374 wüthete. Sie nahm jetzt die Geſtalt des ſogenannten Johannis - tanzes an, unter welcher ſie, obſchon auch in milderer Form, bis zu uns unter der Benennung des Veitstanzes gelangte. Die von der Krankheit Ergriffenen liefen, tanzten und raſeten, bis ſie ſchäumten und leblos zur Erde ſtürzten, wo dann der hochaufge - ſchwollene Unterleib der Leichen zerplatzte. Bei den häufigen To - desfällen ſeit 1347, alſo durch beinahe 20 Jahre, erwartete man den Untergang des ganzen Menſchengeſchlechts und vermachte alle ſeine Einkünfte an Kirchen und Klöſter, ſo zwar, daß dieſe Ver - mächtniſſe durch eigene Geſetze unterſagt werden mußten, um den rechtmäßigen Erben doch nicht alles zu entziehen. Auch in dieſen ſieben Jahren erwähnen die Chroniken keines größeren Kometen bis 1375, alſo ein Jahr nach der Beendigung der Krankheit, daher auch, nach dem großen Kometendeuter Prätorius, derſelbe keine weitere Beziehung auf jene Peſt, ſondern bloß auf den Tod Karls IV. haben ſollte.

Doch es wird unnöthig ſeyn, dieſes traurige Verzeichniß des menſchlichen Elendes noch weiter fortzuſetzen. Wenn man auf - richtig mit ſich ſelbſt und ohne Vorurtheil zu Werke geht, ſo wird man in allen Jahrhunderten eben ſo viel Belege für, als gegen jene Meinung finden, daß die Kometen Krankheiten oder andere Unglücksfälle entweder vorher verkündigen, oder ſelbſt verurſachen ſollen, d. h. man wird finden, daß jene Himmelskörper mit dieſen Calamitäten des Menſchengeſchlechtes in keiner, oder doch in kei - ner für uns merkbaren Verbindung ſtehen. Unſere eigenen Er - fahrungen an der Cholera ſeit dem Jahre 1830 werden dieſes Re - ſultat beſtätigen. Uebrigens iſt es betrübend zu ſehen, wie lange die Menſchen mitten unter den Unglücksfällen, die ſie betreffen und die ſie nicht vermeiden können, ſich noch mit ſelbſtgeſchaffenen Uebeln plagen, durch grundloſe Beſorgniſſe ängſtigen und die ihnen verliehene Vernunft durch Vorurtheile und Aberglauben verdun - keln. Wie nützlich, ja wie nothwendig iſt es daher, das Licht der294Kometen.Wiſſenſchaften, das uns von allen Seiten umgibt und mit dem allein wir jene Vorurtheile beſiegen können, zu unſerer wahren Bildung mit allem Fleiße zu benützen, und uns dadurch in eine Lage zu verſetzen, wo wir keinen Rückfall mehr in jene finſteren Jahrhunderte der Unwiſſenheit und des Aberglaubens zu befürch - ten haben. Erhalten wir daher mit der innigſten Sorgfalt dieſe Fackel der wahren Aufklärung unſeres Geſchlechtes, dieſen köſtlichen, von unſeren Vorgängern ererbten Schatz, dieſe den Menſchen zu - gleich ſchützenden und veredelnden Kenntniſſe, ces hautes con - naissances, les délices des êtres pensans, dont le plus grand bienfait pour le genre humain est, d’avoir dissipé les craintes, les vaines terreurs, les superstitions et tous les maux, qui accompagnent les erreurs nées de l’ignorance de nos vrais rapports avec la nature, erreurs et craintes, qui renaîtraient promptement, si le flambeau des sciences ve - nait à s’éteindre. (Lapl. Expos.).

§. 186. (Bewohner der Kometen.) Da wir, ſo weit unſere Erfahrungen reichen, alles in der Natur von lebenden Weſen be - wohnt finden, ſo können wir nicht gut zweifeln, daß die Kome - ten, dieſe großen Weltkörper, deren Anzahl, wie wir geſehen haben, viele Tauſende übertrifft, ganz ohne alle lebenden Geſchöpfe ſeyn ſollten. Da aber auch dieſe Kometen von allen anderen Him - melskörpern in ihrem Aeußern ſowohl, als auch wahrſcheinlich in ihrer inneren Structur ſo ſehr verſchieden ſind, ſo wird ohne Zwei - fel der Unterſchied derjenigen Weſen, welche ſie bewohnen, von dem der Erde und der übrigen Planeten ebenfalls ganz verſchieden ſeyn. Aber welcher Art ſollen ſie nun ſeyn? Als Fontenelle von ſeiner neugierigen Marquiſe über die Bewohner der Planeten befragt wurde, antwortete er: Madame, ich kenne ſie nicht und weiß nichts von ihnen zu ſagen. Unſere Leſer werden es uns nicht übel deuten, wenn wir ihnen auf ihr Fragen von den Be - wohnern der Kometen, mit noch größerem Rechte, wie wir glau - ben, dieſelbe Antwort geben. Gibt es doch in der Aſtronomie nicht bloß, ſondern in beinahe allen andern Wiſſenſchaften noch gar manche, für uns in der That um Vieles wichtigere Frage, auf die wir alle keine beſſere Antwort haben, und wobei wir uns da -295Kometen.her noch mit der althergebrachten Sokratiſchen Weisheit begnügen müſſen, die da wenigſtens weiß, daß ſie nichts weiß, obſchon man, wie Lichtenberg ſagte, für eine ſolche Weisheit heut zu Tage nicht einmal mehr einen Magiſtertitel an unſeren Univerſitäten geben würde.

Welcher Art aber auch die Bewohner der Kometen ſeyn - gen: wenn ſie an dem Höchſten, was dem Menſchen hienieden dargeboten wird, wenn ſie an der Betrachtung der Natur und an der Kenntniß der Werke ihres über alles erhabenen Schöpfers Sinn und Freude haben welche hohe Genüſſe müſſen ihnen vorbehalten ſeyn, Genüſſe, von denen wir uns, auf dem uns an - gewieſenen Standpunkte, keine weitere Vorſtellung machen können, wir, die wir auf einem kleinen, beinahe unbeweglichen Punkte, wie Raupen auf ihrem Kohlblatte, leben, während ſie mit der Schnelligkeit des Blitzes auf ihren weitgeſtreckten, auf ihren pa - raboliſchen oder hyperboliſchen Bahnen von einer Sonne, von ei - ner Welt zur andern fliegen.

Für uns allerdings, für Weſen unſerer Art, ſind dieſe Ge - nüſſe nicht beſtimmt. Wer von uns könnte jene Extreme von Licht und Finſterniß, von Hitze und Kälte ertragen, denen ſie auf ihren weiten Bahnen ausgeſetzt ſind. Die Bewohner der Kometen von 1680 kamen der Oberfläche der Sonne ſo nahe, daß die Hitze, welche dadurch entſtand, nach Newtons Berechnung, unſere höchſte Sonnenhitze 26000 mal und ſelbſt die Hitze des weißglühenden Ei - ſens noch 2000 mal übertreffen müßte, und dieſelben Weſen ſind wieder, zur Zeit ihres Apheliums, ſo weit von der Sonne entfernt, daß ſie ihnen nur mehr als einer der kleinſten Fixſterne erſcheint, und daß die in jenen Diſtanzen herrſchende Kälte ſelbſt unſere Atmoſphäre in einen dem Eiſe ähnlichen feſten Körper verwandeln würde. Welche Organiſation müſſen jene Weſen haben, wenn ſie dieſe Wechſel ertragen, wenn ſie ſich ihrer vielleicht ſogar erfreuen können, wie wir uns an der Abwechslung unſerer Tages - und Jahreszeiten ergötzen. Welche Augen müſſen es ſeyn, die jenes blendende Licht der Sonne ohne Schmerz ertragen können, wo auch ſchon der erſte Blick in dieſelbe unſere Geſichtsorgane nicht nur blenden, ſondern ſogleich in Aſche verwandeln würde, während jene296Kometen.wieder in einer beinahe völligen Abweſenheit des Lichts, in einer Finſterniß, gegen welche unſere ſchwärzeſten Nächte nur ſchwache Dämmerungen ſind, doch noch ſehen und die Wunder ihrer immer neuen Himmel betrachten können.

Doch vielleicht ſind alle dieſe Extreme nur ſcheinbar und die Natur, der ein unerſchöpflicher Reichthum von Mitteln zu Gebote ſteht, ihre Zwecke zu erreichen, wird auch dort Wege gefunden ha - ben, dieſe Hinderniſſe zu beſiegen, oder ihnen in dem Bau und der Einrichtung ihrer Geſchöpfe entgegen zu arbeiten. Es iſt möglich, daß die ungemein zarten Stoffe, aus welchen die Kome - ten gewebt ſind, auch feiner organiſirten, höheren geiſtigen Weſen zum Aufenthalte und zum Verbindungsmittel mit der ſie umge - gebenden Welt dienen. Vielleicht ſind ihre Geiſter an intellec - tuellen Kräften den unſeren weit überlegen, da ſie ſich in ihren ätheriſchen Körpern freier bewegen, in Körpern, welche, einer höhe - ren Ordnung der Sinnenwelt angehörend, für Hitze und Kälte und für alle andere thieriſche Empfindungen weniger Empfäng - lichkeit haben. Wiſſen wir doch, daß nicht die größere Nähe der Sonne es iſt, welche die höhere Temperatur unſerer Sommer er - zeugt, da uns die Sonne im Winter in der That näher iſt, als im Sommer (I. S. 302). Sehen wir doch die Möglichkeit ein, daß dieſe Sonne kein eigentliches Feuer ſeyn muß, und daß die Be - wohner derſelben, wenn es deren gibt, ſich mehr über Kälte, als über eine zu große Hitze beklagen können. (Vergl. II. S. 37.) Ihre Strahlen wenigſtens, ſo nothwendig ſie auch zur Hervor - bringung der Wärme auf unſerer Erde ſeyn mögen, ſcheinen ſelbſt nicht zu wärmen, ſondern nur die in den Körpern verborgene und ihnen eigenthümliche Wärme zu erwecken. Dieſe Erregbarkeit der Körper für den Wärmeſtoff durch die Sonnenſtrahlen kann bei den Kometen eine ganz andere ſeyn, als bei uns und ſie kann dort ſelbſt gänzlich wegfallen. Warum hat man an dem ſchon öfter er - wähnten großen Kometen von 1680 nach ſeinem Durchgange durch das Perihelium keine Aenderung bemerkt, da er doch (II. S. 254) der Sonne ſo nahe kam, daß er beinahe die Oberfläche der - ſelben ſtreifte? Könnte nicht eben die ungeheuere Ausdehnung, welche die Maſſe der Kometen bei ihrer Annäherung zur Sonne297Kometen.erleidet, und wodurch ſie größtentheils nur in eine äußerſt lockere Dunſtmaſſe aufgelöst werden, könnte dieſe gewaltige Ausdehnung nicht zugleich ein mächtiges Schutzmittel gegen die dort herrſchende Hitze ſeyn und eine wahre Abkühlung deſſelben erzeugen? Dieſe Ausdehnung wird offenbar am ſtärkſten auf der der Sonne zugekehrten Seite des Kometen ſeyn, nach welcher daher die dichtere und kältere Luft der andern Seite mit Gewalt hinſtrö - men und dadurch einen immer kühlenden Lufzug erregen wird. Dieſe Ausdehnbarkeit, dieſe ungemeine Elaſticität der Kometen - maſſe mag ſie ſelbſt ganz beſonders gegen die Extreme der Tem - peratur beſchützen, welchen ſie auf ihrer weiten Reiſe ausgeſetzt ſind. Wir wiſſen, daß auf den Gipfeln unſerer Berge, wegen der dort ſchon ſehr verdünnten Luft, die Kälte wieder größer iſt, als in den Thälern, wo die dichtere Luft die Wärme ſo ſtark befördert. Ganz eben ſo, nur in einem viel höheren Grade, mag es auch mit den Kometen gehen. Wenn ihre Maſſe, zur Zeit der Peri - helien, durch die Sonnenhitze ſehr verdünnt und beinahe in eine bloße Luftart ausgedehnt wird, muß eben dieſe Verdünnung wie - der Kühle erzeugen und wenn im Gegentheile, in ihren Aphelien, dieſelbe Maſſe durch die dort herrſchende Kälte vielleicht zu der Dichtigkeit unſerer Steine und Metalle zuſammengepreßt wird, muß durch eben dieſe Verdichtung wieder eine große Menge Wär - meſtoffes frei werden. Auf dieſe Weiſe mag den Kometen jene wunderbare, veränderliche Dunſthülle als ein für alle Fälle beque - mer Reiſemantel, als ein warmer Pelz im Winter und als ein kühlender Sonnenſchirm im Sommer dienen. Wenn dieſe Him - melswanderer aus der Tiefe des Weltalls, aus jenen eiſigen Re - gionen zu uns heran kommen, ſehen wir ſie, am Ende ihrer lan - gen Winterreiſe, noch enge in ihr dichtes Gewand gehüllt; aber wie ſie allmählig der wärmenden Sonne näher treten, lüften ſie dieſes Gewand und breiten es endlich, wie ein kühlendes Zelt, um ſich aus, um in dem Schatten deſſelben, der nahen Sonne ungeachtet, einer ihnen ſehr angenehmen Temperatur zu genießen, ſo daß ſie die Tage, welche wir für ſie als die gefahrvollſten hal - ten, vielleicht als die fröhlichſten Feſte ihrer langen Jahre zu feiern pflegen. Iſt es doch, ſelbſt durch eine große Anzahl von Erfah -298Kometen.rungen des gemeinen Lebens, bekannt genug, daß bei jedem Ueber - gange eines feſten Körpers in einen flüſſigen, ſo wie eines flüſſi - gen in einen luftartigen, immer eine große Menge Wärme von dieſen Körpern abſorbirt oder gebunden, und daher gleichſam Kälte erzeugt wird, während im Gegentheile bei dem Rückgange der luftförmigen Körper in tropfbare, oder dieſer in feſte, ſtets viel Wärme frei und dadurch die Temperatur in der Nähe dieſer Kör - per erhöht wird. Aus dieſer Urſache werden unſere Zimmer im Sommer kühler, wenn der Boden derſelben mit Waſſer beſprengt wird, welches bei ſeiner Verdünſtung, d. h. bei ſeinem Ueber - gange aus dem tropfbaren in den luftförmigen Zuſtand Kühle erzeugt; ſo wird das zum Verkaufe auf der Straße ausge - legte Obſt durch daſſelbe Mittel friſch erhalten; ſo belegen die Schnitter ihre Waſſerkrüge mit feuchten Tüchern, wozu man in Aegypten noch vortheilhaftere Trinkgefäße von ſehr poröſem Thone braucht, durch welche das Waſſer in kleinen Tropfen ſickert und an der Außenſeite der Krüge ſchnell verdünſtet u. f. Wenn daher, wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, der die Kometen umgebende Nebel bloß das Reſultat der Verdünſtung ihrer Maſſe durch die Sonnenhitze iſt, ſo muß auch, eben durch dieſe größere Aus - dehnung ihrer Maſſe im Perihelium eine große Kälte, ſo wie durch die Verdünſtung derſelben im Aphelium eine beträchtliche Wärme entſtehen. Dieſe Wechſelwirkung mäßigt ſowohl die große Hitze ihrer Sonnennähe, als auch die ungemeine Kälte, welche ſonſt in ihren Sonnenfernen herrſchen würde, und macht dadurch einen Aufenthalt, den wir ohne dieſe Wechſelwirkung für uner - träglich halten müßten, für jene, ihren Verhältniſſen angemeſſenen Geſchöpfe brauchbar und vielleicht ſelbſt ſehr angenehm.

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Kapitel XII. Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.

§. 187. (Scheinbare Größe der Fixſterne.) Bei dem erſten Anblicke des Himmels bemerken wir ſchon eine große Verſchieden - heit unter den Sternen, mit welchen er bedeckt iſt. Einige unter ihnen ſind ſo hell und erſcheinen uns ſo groß, daß wir ſie gleich nach dem Untergange der Sonne erblicken, während andere, ſchwächere oder kleinere, erſt ſpäter, wenn die Nacht mehr vor - gerückt iſt, ſichtbar werden, und andere, noch kleinere, ſelbſt unter den günſtigſten Umſtände nur durch Fernröhre geſehen werden können.

Wir würden uns aber wohl ſehr irren, wenn wir dieſe ſo auffallenden Abſtufungen der Fixſterne ihrer wahren Größe, oder auch nur ihrer Entfernung von uns zuſchreiben, d. h. wenn wir ſagen wollten, daß diejenigen Sterne, welche uns als die größten erſcheinen, auch in der That, die größten ſind oder daß ſie wenigſtens näher bei uns ſtehen, als die anderen.

Es iſt bereits oben (I. Cap. V.) geſagt worden, daß wir über dieſe Entfernung, alſo auch über die abſolute Größe aller Fixſterne ſo viel als nichts wiſſen, und daß wir auch nicht einen einzigen derſelben kennen, von dem wir ſagen könnten, daß er an Größe oder Entfernung unſere Sonne, auch nur in runder Zahl, hundert - oder tauſend - oder ſelbſt millionen-mal übertreffe. Auch300Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.ſehen wir die ſcheinbar größten dieſer Himmelskörper, wenn wir ſie durch unſere Fernröhre betrachten, nur als untheilbare, und zwar deſto kleinere, reinere Punkte, ohne allen merkbaren Durch - meſſer, je beſſer das Fernrohr iſt, welches wir zu dieſem Zwecke gebrauchen.

Wenn wir alſo doch noch von der Größe dieſer Fixſterne ſprechen wollen, ſo kann dieß nur von der ſcheinbaren Größe, oder von dem größeren oder geringeren Eindrucke gemeint ſeyn, welchen ihre Lichtſtärke auf unſer Auge hervorbringt. In dieſem Sinne nennen wir Sterne der erſten Größe diejenigen, deren Eindruck auf unſer Auge am ſtärkſten iſt, und ſo heißen dann ſtufenweiſe abwärts die immer kleineren, Sterne der zweiten, dritten, bis zur ſechsten Größe, unter welchen wir diejenigen zu verſtehen pflegen, die man unter günſtigen Umſtänden noch mit freiem Auge ſehen kann. Die dieſem Bande beigefügte Stern - karte wird hinreichen, die vorzüglichſten dieſer Sterne durch Alig - nements kennen zu lernen, obſchon, wie bereits oben (I. S. 41), geſagt wurde, der Globus das beſte und bequemſte Mittel zu dieſem Zwecke iſt.

§. 188. (Nähere Beſtimmung der Klaſſen der Sterne.) Man ſieht, wie unbeſtimmt dieſe Eintheilung iſt und wie ſehr die Gränzen der einzelnen Klaſſen von der Individualität der Beob - achter und von äußeren Verhältniſſen abhängig ſeyn mag. Man hat es nicht an Vorſchlägen fehlen laſſen, dieſem Uebelſtande ab - zuhelfen, aber die meiſten ſcheiterten an der Schwierigkeit, die eigentliche Größe jenes Eindruckes auf unſer Auge mit Sicherheit zu beſtimmen. Einer der einfachſten dieſer Vorſchläge war der, wo man diejenigen Sterne, deren Glanz nur ½, ¼, des Glanzes der Sterne von der erſten Größe iſt, zur 2ten, 3ten, 4ten Klaſſe zählen wollte, wo dann die Sterne der 6ten Klaſſe nur den 32ſten Theil des Glanzes der erſten Klaſſe haben würden.

Schon der ältere Herſchel fühlte das Bedürfniß einer genauen Eintheilung der Himmelskörper in dieſer Rückſicht und ſuchte dieſelbe auf photometriſche Gründe zu bauen. Zu dieſem Zwecke bedeckte er den Spiegel ſeines Teleſcops, der 18 Zolle im Durchmeſſer hatte, mit301Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.einer in ihrem Mittelpunkte ausgeſchnittenen Scheibe, deren kreis - förmige Oeffnung er ſo lange verminderte, bis der ſcheinbar größte aller Fixſterne, Sirius, durch den ſo bedeckten Spiegel nur mehr in dem Glanze eines Sterns der ſechsten Größe erſchien. Er fand für dieſen Fall den Durchmeſſer der Oeffnung ſeiner Scheibe gleich einem Zolle und zog daraus den Schluß, daß, wenn die Lichtſtärke eines Sterns der ſechsten Größe gleich der Einheit iſt, die des Sirius gleich 18 mal 18 oder gleich 324 ſeyn ſoll. Da aber dieſer ungemein helle Stern wenigſtens dreimal heller leuchtet, als die übrigen Sterne der erſten Größe im Mittel genommen, ſo wird das Verhältniß der Lichtſtärke eines Sternes der erſten Größe zu dem der ſechsten nahe wie 100 zu 1 ſeyn. Nimmt man dann noch an, daß für die übrigen Klaſſen die Lichtſtärke ſich wie verkehrt das Quadrat der Zahlen dieſer Klaſſen verhalte, ſo hat die

  • I Klaſſe die Lichtſtärke 100
  • II 100 / 4 oder 25
  • III 100 / 9 oder 12
  • IV 100 / 16 oder 6

Endlich nahm er, etwas willkührlich, für die

  • V Klaſſe die Lichtſtärke 2 und für die
  • VI 1 an.

Alle dieſe Annahmen ſind, wie man ſieht, bloße Convention, die nicht einmal allgemein angenommen iſt und auch nicht gut an - genommen werden kann, weil es ſchwer, wenn nicht unmöglich iſt, zu beſtimmen, wann die Lichtſtärke eines Sternes nur den fünften, zehnten, zwanzigſten Theil der Lichtſtärke eines anderen beträgt.

§. 189. (Veränderungen dieſer Größe der Fixſterne.) Man muß dieſen Mangel an Genauigkeit bei der Eintheilung der Fix - ſterne ſehr beklagen, weil uns dadurch die Mittel entgehen, die Veränderungen zu beſtimmen, welche, den älteren Beobachtungen zufolge, an dieſen Himmelskörpern vorgegangen zu ſeyn ſcheinen. So hatten z. B. die alten Griechen den Sirius roth genannt, da er doch uns in einem entſchieden blendend weißen Lichte erſcheint. [Caſtor] galt ihnen als der größere von den beiden Zwillingen, da302Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.er doch jetzt offenbar kleiner als Pollux iſt. Der Stern α in der Waſſerſchlange (Hydra) wurde von den ältern Beobachtern zur erſten Klaſſe gezählt, da er doch jetzt nur mehr zur zweiten gerechnet werden kann. Die ſieben ſchönen Sterne im Sternbilde des großen Bären ſcheinen ihr Licht immerfort zu ändern, ſo daß bald dieſer bald jener als der größte von allen erſcheint. So gehört jetzt der Stern δ in dem bekannten Vierecke dieſes Sternbildes nur mehr zur vierten Klaſſe, da ihn doch Tycho Brahe noch in die zweite ſetzte.

Wenn aber die Fixſterne, wie es ſcheint, ihr Licht in der That mit der Zeit ändern, könnte dieß nicht auch mit unſerer Sonne, die doch ebenfalls nur ein Fixſtern iſt, der Fall ſeyn? Welchen Einfluß würde aber eine ſolche Ab - oder Zunahme des Sonnenlichtes auf unſere Vegetation und auf alle lebenden Weſen haben? Vielleicht werden unſere Geologen einmal aus dieſer Quelle die Veränderungen erklären, welche unſere Erde in der Vorzeit ohne Zweifel erlitten hat, da wir jetzt, vielleicht nach Myriaden von Jahren, noch ſo viele unverkennbare Spuren dieſer Veränderungen auf der Oberfläche der Erde finden.

§. 190. (Eintheilung der kleineren Sterne.) Die ſechs er - wähnten Klaſſen ſollen nur die mit freien Augen noch ſichtbaren Sterne in ſich begreifen. Allein außer ihnen giebt es noch eine ungleich größere Menge von Sternen, die man nur durch Fern - röhre ſehen kann. Geübte, mit guten Teleſcopen verſehene Beob - achter pflegen dieſe letztern noch in zehn neue Klaſſen zu theilen, ſo daß man im Allgemeinen ſechszehn Klaſſen von Fixſternen hat, deren ſcheinbare Größe immer abnimmt, wie die Zahl ihrer Klaſſen zunimmt. Daß bei den höhern Klaſſen die Unbeſtimmtheit der Begränzung noch zunehmen muß, iſt wohl für ſich klar, ſo wie, daß man mit der letzten oder ſechszehnten Klaſſe noch nicht den ganzen geſtirnten Himmel erſchöpft zu haben meinen kann. In der That finden ſich auch jenſeits dieſer kleinſten Sterne noch andere Gegenſtände, die wahrſcheinlich wieder aus Sternen, aber aus ſo kleinen und ſo nahe gedrängten Sternen beſtehen, daß auch unſere ſtärkſten Fernröhre nicht mehr hinreichen, ſie als ſolche deutlich erkennen zu laſſen.

303Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.

§. 191. (Anzahl der Sterne in den ſechs erſten Klaſſen.) Die Zahl der Fixſterne der erſten Klaſſe iſt 14, die der zweiten 70, und die der dritten nahe 300. Mit der vierten Klaſſe aber nimmt die Anzahl der in jeder Klaſſe enthaltenen Fixſterne ſehr ſchnell zu. Man nimmt gewöhnlich an, daß die Summe der in den erſten ſechs Klaſſen enthaltenen, oder daß die Anzahl der noch mit freien Augen ſichtbaren Sterne nahe 5000 betrage. Mit der ſiebenten aber ſteigt dieſe Anzahl bereits in einem ſolchen Grade, daß die vollſtändige Aufzählung der Sterne der erſten zehn Klaſſen wohl ein ſehr verdienſtliches, aber auch eines der beſchwerlichſten Geſchäfte ſeyn würde, dem ſich ein Beobachter unterziehen könnte.

§. 192. (Aus den Stern-Katalogen geſchloſſene Anzahl.) Unſere reichſten Sternverzeichniſſe ſind: Bode’s Monographie, die 17240 und Lalande’s Histoire céleste, die 50000 Sterne enthält, nebſt den nahe eben ſo reichen Zonenbeobachtungen Beſſels. Alle dieſe Beobachtungen wurden in den Breitenkreiſen von 48 bis 55 Gra - den angeſtellt, wo die von dem ſüdlichen Wendekreiſe einge - ſchloſſenen Sterne ſchon bald alle unſichtbar ſind. Theilt man die Oberfläche des Himmels in 100 gleiche Theile, ſo nimmt davon die heiße Zone 40, jede der gemäßigten 26 und jede der beiden kalten Zonen 4 Theile ein, daher verhält ſich in den genannten Gegenden der ſichtbare Theil des Himmels zu dem unſichtbaren, wie 70 zu 30, und da in jenen, nach der Hist. céleste, noch 50000 Sterne gezählt werden, ſo können wir in dieſer nahe 20000 annehmen, ſo daß daher, dieſem Stern-Kataloge zufolge, die ganze Sphäre des Himmels nahe 70000 Sterne bis zur 9ten oder 10ten Größe enthalten würde.

§. 193. (Andere Beſtimmung der Anzahl der Sterne.) Man hat verſchiedene Verſuche gemacht, dieſen Zweck, nicht ſowohl durch unmittelbare Beobachtungen, als durch Schlüſſe und Rechnungen zu erreichen. Daß dieſes Verfahren zu keinem ganz genauen Reſultate führen kann, darf wohl nicht erſt erläutert werden.

Nehmen wir an, daß alle Sterne im Mittel gleich groß oder gleich lichtſtark ſind, und daß ſie uns nur wegen ihrer verſchiedenen Entfernungen ſo ungleich groß erſcheinen. Setzen wir überdieß304Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.voraus, daß ſie alle unter einander eine nahe gleiche Entfernung haben und daß dieſe Entfernung ſo groß iſt, wie die Diſtanz des nächſten Fixſternes von der Sonne, die wir oben (I. Cap. V) 200000 größer, als die Entfernung der Sonne von der Erde, alſo gleich vier Billionen Meilen gefunden haben. Der Kürze wegen wollen wir dieſe letzte Diſtanz künftig eine Sternweite nennen.

Da nun die Sterne der erſten Größe unter einander ſowohl, als auch von der Sonne, um eine ſolche Sternweite abſtehen ſollen, ſo müſſen ſie alle auf der Oberfläche einer Kugel liegen, deren Mittelpunkt die Sonne, und deren Halbmeſſer eine Sternweite iſt. In der That kann man auch auf einer Kugel nahe 14 Punkte angeben, deren jeder von dem ihm nächſten um den Halbmeſſer der Kugel entfernt iſt. Haben ferner, der vorhergehenden Voraus - ſetzung gemäß, die Sterne der zweiten Größe die doppelte, die der dritten die dreifache Entfernung u. f. von der Sonne, während ſie doch unter ſich ſelbſt wieder nur um eine Sternweite abſtehen, ſo müſſen die Sterne der zweiten Größe auf einer Kugelfläche verſtreut ſeyn, die viermal größer iſt, als die vorhergehende Kugel - fläche, daher alſo auch die Anzahl der Sterne der zweiten Größe 4 mal 14 oder 56 iſt. Eben ſo werden die der dritten Größe auf einer neunmal größeren Kugelfläche liegen und ihre Anzahl wird daher 9 mal 14 oder 126 ſeyn u. f. Von den Sternen der 4ten Größe würden wir 224, von denen der 5ten aber 350 u. f. erhalten. Allein dieß ſtimmt nicht mit den Beobachtungen überein, nach welchen wir, wie oben geſagt, für die Sterne der 2ten Größe 70, für die der dritten 300 u. f. gefunden haben. Zählt man die nach dieſer Hypotheſe erhaltenen Sterne der neun erſten Klaſſen zuſammen, ſo erhält man für ihre Anzahl 3990, während wir doch oben durch unmittelbare Beobachtungen gegen 70000 gefunden haben.

§. 194. (Geometriſche Beſtimmung dieſer Anzahl der Sterne.) Da die vorige Methode nicht zum Zwecke führt, ſo wollen wir ſie etwas abändern, um ſie den Beobachtungen mehr anzupaſſen. Betrachtet man auf irgend einer der vorhergehenden concentriſchen Kugeln, z. B. auf der erſten, drei einander nächſte Sterne, ſo liegen ſie in einem gleichſeitigen Dreiecke, deſſen Seiten alle gleich der305Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.Einheit oder gleich einer Sternweite ſind. Nennt man dann α jeden der drei gleichen Winkel eines ſolchen ſphäriſchen Dreiecks, ſo findet man, daß der Coſinus dieſes Winkels gleich 2 r2 1, dividirt durch 4 r2 1 iſt. Kennt man aber dieſen Winkel in Graden ausgedrückt, ſo erhält man die Anzahl der Fixſterne der 1ſten Größe, welche auf dieſer Kugelfläche des Halbmeſſers r enthalten ſind, wenn man die Zahl 2 α durch die Größe α 60 dividirt.

Berechnet man dieſe Ausdrücke für r = 1, 2, 3…, ſo findet man

  • r = 1, α = 70°,5 und Zahl der Sterne der I Größe 13
  • r = 2, α = 62°,2 II 57
  • r = 3, α = 60°,9 III 130
  • r = 4, α = 60°,5 IV 231
  • r = 5, α = 60°,3 V 362
  • r = 6, α = 60°,2 VI 521 u. f.

Dieſe Zahlen ſind wohl etwas größer, als die durch die vor - hergebende einfache Rechnung gefundenen, allein ſie ſind gegen die durch unmittelbare Beobachtungen erhaltenen Zahlen doch noch immer viel zu klein, um zugelaſſen werden zu können.

§. 195. (Anzahl der Sterne aus ihren Entfernungen geſchloſſen.) Setzt man, wie zuvor, voraus, daß im Mittel alle Sterne gleich weit, nämlich eine Sternweite oder 4 Billionen Meilen von ein - ander entfernt, und daß ſie überdieß alle nahe von gleicher Größe ſind, eine Vorausſetzung, die die natürlichſte und einfachſte iſt, welche wir annehmen können, ſo werden offenbar die Sterne der 2., 3., 4ten Größe auch 2, 3, 4 Sternweiten oder 2, 3, 4 mal weiter, als die Sterne der erſten Größe, von uns abſtehen. Man wird alſo auch auf demſelben Raume des Himmels, auf welchem man im Durchſchnitte nur einen Stern der erſten Größe, oder nur einen der uns nächſtſtehenden Sterne ſieht, von ſolchen, die 2 mal weiter entfernt ſind, 23 oder 8, und eben ſo von den Sternen der 3ten Größe 33 oder 27, von denen der 4ten Größe 43 oder 64 u. f. ſehen können.

Wenn daher von dem Fernrohre, welches Herſchel zu dieſemLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 20306Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.Zwecke angewendet hat, nach ſeinen darüber angeſtellten Beob - achtungen erſt auf 70000 Geſichtsfelder deſſelben ein Stern der erſten Größe kömmt, ſo folgt daraus, daß, wenn er mit demſelben Fernrohr in jeder Gegend des Himmels, wo er daſſelbe aufſtellt, auch nur immer einen einzigen Stern in ſeinem Felde ſieht, daß jeder dieſer Sterne im Mittel 41 Sternweiten von uns entfernt ſeyn müſſe, weil nämlich der Würfel von 41 nahe 70000 iſt. Allein er ſah mit dieſem Fernrohre, wo er es auch am Himmel hinwandte, nicht nur immer einen, ſondern Hunderte, ja ſelbſt oft Tauſende auf einmal in ſeinem Felde, woraus folgt, daß die weiteſten von jenen gegen 190, und die von dieſen gegen 410 Sternweiten von uns entfernt ſeyn müſſen.

Denken wir uns nun einen Kegel, deſſen Scheitel im Auge des Beobachters, oder was hier daſſelbe iſt, in dem Mittelpunkte der Sonne ruht, und deſſen Winkel am Scheitel volle neunzig Grade beträgt. Dieſer Kegel umfaßt daher den vierten Theil des ganzen Himmels und ſeine Axe bildet mit den Seitenlinien des - ſelben einen Winkel von 45 Graden.

Es werde nun dieſer Kegel durch mehrere ſenkrecht auf ſeiner Axe ſtehende Ebenen geſchnitten. Die erſte dieſer Ebenen ſoll von dem Scheitel des Kegels um eine, die zweite um zwei, die dritte um drei Sternweiten u. f. abſtehen. Dieß vorausgeſetzt, wird die erſte Ebene die Oberfläche des Kegels in einem Kreiſe ſchneiden, deſſen Halbmeſſer gleich einer Sternweite iſt, und in deſſen Peri - pherie man daher 6 Sterne annehmen kann, die alle unter ſich um eine Sternweite entfernt ſind. Dieß giebt daher 6, und mit dem Sterne in dem Mittelpunkte des Kreiſes, 7 Sterne in der erſten Ebene.

Die zweite Ebene ſchneidet den Kegel in einem Kreiſe, deſſen Halbmeſſer zwei Sternweiten beträgt, und in deſſen Peripherie ſich daher 12 gleich weit von einander ſtehende Sterne annehmen laſſen. Allein um den Mittelpunkt dieſes Kreiſes läßt ſich auch noch ein anderer, mit jenem concentriſcher Kreis ziehen, der genau ſo groß iſt, wie jener auf der erſten Ebene, und der daher ebenfalls wieder 6 Sterne in ſeine Peripherie aufnehmen kann. Dieß gibt307Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.zuſammen 12 und 6, oder ſammt dem Sterne in dem Mittel - punkte dieſer beiden Kreiſe, 19 Fixſterne in der zweiten Ebene.

In der dritten Ebene wird man eben ſo drei concentriſche Kreiſe ziehen, deren Halbmeſſer 1, 2, 3 Sternweiten betragen, und von welchen der erſte oder kleinſte 6, der zweite 12 und der dritte 18 Sterne enthält, ſo daß alſo dieſe dritte Ebene in allem 37 Sterne aufnehmen kann.

Eben ſo wird die vierte Ebene 61, die fünfte 91, die ſechste 127 Sterne enthalten u. ſ. w.

Läßt man daher die Sonne im Scheitel dieſes Kegels auch für einen Stern gelten, ſo erhält man, wenn man dieſe Zahlen addirt, in dem ganzen Kegelraume von dem Scheitel

bis zum

  • I. Schnitte 8 Sterne
  • II. 27
  • III. 64
  • IV. 125 u. ſ. w.

Dieſe Zahlen ſind aber, wie man ſogleich ſieht, die Würfel der natürlichen Zahlen 2, 3, 4, 5, alſo folgt, daß man überhaupt in dem Kegelraume von dem Scheitel bis zu dem n ten Schnitte n3 Sterne erhält, wenn man den Scheitel ſelbſt für die erſte ſchneidende Ebene rechnet.

Legt man nun in die Axe dieſes Kegels ein Fernrohr, ſo wird man damit ebenfalls einen kreisförmigen Raum des Himmels überſehen, und wenn man dann von allen Punkten der Peripherie dieſes Kreiſes gerade Linien nach dem Auge des Beobachters zieht, ſo wird man einen anderen, obgleich viel kleineren Kegel erhalten, der mit jenem großen einerlei Scheitel und dieſelbe Axe hat.

Der Halbmeſſer dieſes kreisförmigen Feldes des Fernrohrs, d. h. der Halbmeſſer der Baſis dieſes kleinen Kegels betrug bei dem von Herſchel gebrauchten Teleſcope 13,095 und von dieſem Winkel iſt das Quadrat ſeiner Tangente gleich 0,00001451. Der Halbmeſſer der Baſis des großen Kegels aber beträgt 45 Grade, und von dieſem Winkel iſt die Tangente bekanntlich gleich der Einheit. Da aber beide Kegel dieſelbe Höhe haben, ſo verhalten ſich ihre Räume, wie die Quadrate der Halbmeſſer ihrer Grund - flächen, d. h. wie die Zahlen 1 und 0,00001451.

20 *308Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.

Allein dieſelben Kegelräume verhalten ſich auch, wie die An - zahl der in ihnen enthaltenen, von einander gleich weit abſtehenden Sterne. In dem großen Kegel giebt es aber, wie wir geſehen haben, n3 Sterne, wenn man ihn bis zu dem nten Schnitte fort - ſetzt. Nimmt man daher an, daß man durch das Feld jenes Fernrohrs auf einmal a Sterne am Himmel erblicke, ſo erhält man die Proportion n3: a = 1: 0,00001451. Daraus folgt alſo, daß die geſuchte Größe n gleich iſt der Kubikwurzel aus der Zahl a dividirt durch 0,00001451, oder was daſſelbe iſt, aus der Zahl 68918 a.

Es kömmt alſo nur noch darauf an, wie viel Sterne man durch das Fernrohr im Mittel an jedem Orte des Himmels ſieht. Geſetzt man ſieht zehn derſelben, ſo iſt a = 10 und daher n = 88. Das heißt: wenn man durch jenes Fernrohr im Durchſchnitte an jedem Punkte des Himmels zehn Sterne auf einmal erblickt, ſo ſind die weiteſten derſelben 88 Sternweiten oder 352 Billionen Meilen von uns entfernt und jener große Kegel, der den vierten Theil des Himmels umfaßt, enthält 883 oder 681472 ſolcher Sterne, von welchen die weiteſten 88 mal weiter als Sirius von uns entfernt ſind. Der ganze Himmel enthält daher viermal ſo viel oder im Mittel 2726000 ſolcher Fixſterne. Allein Herſchel zählte nicht 100, ſondern oft mehr als 1000 Sterne, die er auf einmal in dem Flecken ſeines Fernrohrs erblickte, woraus folgt, daß die weiteſten derſelben 409 Sternweiten von uns entfernt ſind, und daß der ganze Himmel über 273 Millionen ſolcher Sterne enthält.

§. 196. (Sternreiche Gegenden des Himmels.) Die vorher - gehende Annahme, daß man mit einem guten Fernrohre, deſſen Geſichtsfeld 26 Minuten im Durchmeſſer hat, ſo viele Sterne auf einmal überſieht, wird weniger befremden, wenn man weiß, daß ſie an manchen Gegenden des Himmels ſo gedrängt ſtehen, daß an ein eigentliches Zählen derſelben nicht mehr gedacht werden kann. Herſchel erzählt, daß er in der Gegend der Keule Orions, in einem Streifen des Himmels von 15 Grad Länge und 2 Grad Breite mehr als 50000 Sterne, die er alle noch deutlich erkennen konnte, durch das Feld ſeines Fernrohrs gehen ſah. Da aber die309Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.ganze Oberfläche des Himmels 41252 Quadratgrade enthält, ſo nimmt jener Streifen nur den 1375ſten Theil der Himmelsfläche ein, ſo daß alſo die letzte über 68 Millionen ſolcher Sterne enthalten müßte, wenn ſie überall gleich dicht bei einander ſtünden. Sie ſind aber in manchen Gegenden noch viel dichter an einander gedrängt. Schon Huygens ſah mit ſeinem noch unvollkommenen Fernrohre, deſſen Feld ſehr klein war, in dem Schwerte Orions über 2000 Sterne auf einmal in ſeinem Fernrohre, und Herſchel ſah am 22. Auguſt 1792 in ſeinem zwanzigfüßigen Reflector, während 41 Zeitminuten, nach ſeiner Schätzung, nicht weniger als 258000 Sterne in der Nähe der Milchſtraße durch das Feld ſeines Teleſcops ziehen. Nimmt man daher, was wahrſcheinlich noch viel zu wenig iſt, an, daß jede Quadratminute des Himmels auch nur einen einzigen Stern enthalte, ſo würde die Anzahl aller Sterne des Himmels 41252 mal 3600 oder über 148 Millionen betragen, und ſollte endlich jede Quadratſecunde einen Fixſtern enthalten, ſo würde die Anzahl aller Sterne des Himmels gegen 534600 Millionen betragen.

§. 197. (Die Milchſtraße.) Allein, ſo groß auch dieſe Zahlen erſcheinen mögen, ſo ſind ſie doch wahrſcheinlich noch ſehr weit von der wahren Anzahl der Fixſterne entfernt. Wahrſcheinlich iſt alles, was wir von dem Himmel ſehen, nur der uns zunächſt liegende Theil deſſelben, und alle die für uns ſchon zahlloſen Sterne, die wir erblicken, gehören nur einem iſolirten Syſteme an, von welchem wir und unſer ganzes Planetengebäude nur einen ſehr kleinen Theil ausmachen.

Wenn wir in einer ſternhellen Nacht unſer Auge zum Himmel erheben, ſo ſehen wir uns zwar nach allen Seiten von Sternen umgeben, aber wir bemerken auch ſogleich, daß ſie nicht an allen Orten gleich dicht ſtehen. Vorzüglich ſcheinen ſie ſich in der Nähe eines breiten lichten Streifens, der jedem unter der Be - nennung der Milchſtraße bekannt iſt, immer enger an einander zu drängen. Dieſer Streifen umzieht in der Geſtalt eines größten Kreiſes, von ungleicher Breite, den ganzen Himmel. Herſchel war der erſte, dem es gelang, durch ſeine lichtſtarken Fernröhre, dieſen Streifen, wenigſtens in den meiſten Theilen deſſelben, in310Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.kleine und äußerſt dicht gedrängte Sterne aufzulöſen. Er hat es ſehr wahrſcheinlich gemacht, daß dieſe ganze Sammlung von Sternen die Geſtalt einer Linſe habe, und daß wir, oder unſer Planetenſyſtem, nicht eben ſehr weit von dem Mittelpunkte dieſes ungeheuren, linſenförmigen Gebäudes ſtehen, wodurch es uns eben in der Geſtalt erſcheint, in welcher wir es am Himmel erblicken. Wenn wir nämlich unſer Auge gegen die ſcharfe Kante dieſer Linſe erheben, ſo ſehen wir unzählige, dicht gedrängte Sterne hinter einander, während wir, wenn wir den Blick gegen die Mitte der beiden großen Seitenflächen der Linſe, d. h. gegen die beiden Pole derſelben richten, nur wenigen und weit auseinander ſtehenden Sternen begegnen. Dort ſehen wir von dem tiefen, dichten Walde des Himmels ſehr viele und auch ſehr weit ent - fernte, dicht an einander ſtehende Bäume, während wir hier, bei der geringen Breite des Waldes, nur die wenigen, uns zur Seite ſtehenden Bäume deſſelben erblicken. Jene beiden Pole der Milch - ſtraße ſind in der Nähe des Haupthaares der Berenice, und der Bildhauerwerkſtätte, und es iſt ſelbſt einem unerfahrenen Beob - achter ſehr auffallend, wenn er zufällig mit ſeinem Fernrohre dieſe beiden Gegenden des Himmels trifft und ſie beinahe ganz ſtern - leer findet.

Alle dieſe unzählbaren Sterne, welche die Milchſtraße bilden, gehören alſo wahrſcheinlich zu einem für ſich beſtehenden, abge - ſchloſſenen Syſteme, von dem unſer ganzer Sonnenhaushalt nur einen ſehr kleinen Theil ausmacht. Die Sterne der erſten Größe ſind wahrſcheinlich diejenigen jenes großen Syſtems, die uns noch am nächſten ſtehen und wahrſcheinlich ſind alle Sterne, die wir überhaupt ſehen, nur noch die Sonnen dieſes Syſtems, da alle andern viel zu weit entfernt ſind, um ſie auch durch unſere beſten Fernröhre noch erreichen zu können.

§. 198. (Andere Milchſtraßen.) Da wir, wie geſagt, nahe in der Mitte dieſes linſenförmig aufgeſtellten Sternenheeres uns befinden, ſo ſcheint uns die Kante, oder der hellſte Theil deſſelben, in der Geſtalt eines größten Kreiſes um den Himmel zu ziehen. Wenn aber unſer Auge von dem Mittelpunkte dieſer Bahn oder dieſes größten Kreiſes um den ganzen Durchmeſſer dieſes Kreiſes311Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.entfernt wäre, ſo würden wir die Milchſtraße nur mehr als einen Ring oder als eine Scheibe von 60 Graden im Durchmeſſer ſehen. In der Entfernung von 100 Durchmeſſern würden wir die ganze Milchſtraße nur mehr unter einem Winkel von 36 Minuten im Durchmeſſer erblicken, alſo kleiner, als der bekannte Nebelfleck in der Andromeda, der ebenfalls eine linſenförmige Geſtalt hat.

Wie alſo, wenn dieſer Nebel ſelbſt wieder eine, aber eine ſo weit von uns entfernte Milchſtraße wäre, daß wir die einzelnen Sterne derſelben nicht mehr unterſcheiden können und daß uns das Ganze nur mehr als eine ſchwache Lichtwolke erſcheint? Solcher Nebel giebt es aber noch ſehr viele am Himmel und die Muthmaßung, welche wir hier von ihm aufgeſtellt haben, hat wenigſtens ſehr viel Wahrſcheinlichkeit. In der That hat auch Herſchel mehrere dieſer wunderbaren Gebilde des Himmels noch als ſehr gedrängte Sternhaufen erkannt; ſeine mächtigen Fernröhre haben eine große Menge von ſehr kleinen und äußerſt dicht ge - drängten Sternchen in ihnen erkennen laſſen, während andere, wahrſcheinlich noch viel weiter entfernte, ſich nicht in Sterne auflöſen ließen, und ſelbſt in ſeinen ſtärkſten Teleſcopen immer noch die frühere Nebelgeſtalt beibehielten. Er hat daraus den Schluß gezogen, daß dieſe letzten wenigſtens noch 10000 Stern - weiten von uns entfernt ſeyn müſſen. In einer ſolchen Entfernung würde aber unſere eigene Milchſtraße kaum mehr eine Secunde am Himmel bedecken und uns daher ganz unſichtbar ſeyn. Wie viel größer müſſen aber dann viele von jenen Milchſtraßen ſeyn, da ſie uns, jener Entfernung ungeachtet, doch noch oft unter einem Durchmeſſer von mehreren Minuten erſcheinen.

§. 199. (Daraus folgende Anzahl der Fixſterne.) Wenn aber dieß alles ſich in der That ſo verhält, wer wird es dann noch unternehmen, die Sterne des Himmels zu zählen? Offenbar führen uns die vorhergehenden Betrachtungen dahin, die Anzahl der Fixſterne als ganz unzählbar, als wahrhaft unendlich groß anzunehmen. Wir ſind gleichſam gezwungen, den Weltenraum nach allen Richtungen hin als unbegränzt und überall und ohne312Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.Ende alle Gegenden deſſelben von Himmelskörpern eingenommen vorauszuſetzen. Zwar iſt es uns, bei unſerer Beſchränktheit, un - möglich, einen nach allen Seiten gränzenloſen Raum zu denken, aber iſt es uns weniger unmöglich, die Natur und die ſchaffende Kraft derſelben in irgend einer Beziehung, der Zeit oder des Raumes, beſchränkt zu denken? Können wir eine Urſache angeben, welche dieſe Kraft in ihrer Thätigkeit aufzuhalten im Stande iſt? Wenn wir uns einen Raum, der keine Gränzen, alſo auch keine Geſtalt hat, nicht mehr vorſtellen können, ſo begreifen wir eben ſo wenig, wie der Urheber aller Dinge, nachdem er Myriaden von Weltſyſtemen ihr Daſeyn gegeben hatte, nun plötzlich in den Aeußerungen ſeiner ſchaffenden Allmacht aufgehalten werden, oder wie er ſich ſelbſt ein, wenn auch noch ſo entferntes, doch immer endliches Ziel ſeiner Wirkſamkeit geſetzt haben ſollte.

§. 200. (Einwurf gegen die unendliche Anzahl der Fixſterne.) Aber, könnte man einwenden, wenn die Zahl der Sterne des Himmels in der That, und im eigentlichen Sinne des Wortes unendlich ſeyn ſoll, ſo müßte auch jeder unſerer Geſichtsſtrahlen auf einen, ja ſelbſt wieder auf unendlich viele hinter einander ſtehende Sterne ſtoßen und die Folge davon müßte ſeyn, daß uns der Himmel in allen ſeinen Punkten mit Sternen ganz bedeckt, daß uns jeder Punkt deſſelben ganz eben ſo hell, als die Sonne ſelbſt, erſcheinen würde. Da dieß nun offenbar gegen alle Er - fahrungen iſt, ſo kann auch jene Vorausſetzung einer wahrhaft unendlichen Zahl von Fixſternen nicht zugelaſſen werden.

Da wir, ebenfalls unſeren Erfahrungen zufolge, noch nirgends in der ganzen Natur einen völlig leeren Raum angetroffen haben, ſo iſt es auch nicht wahrſcheinlich, daß die großen Räume, welche unſere Planeten, und die noch viel größeren, welche die Sonnen - ſyſteme unſerer Milchſtraße und welche dieſe Milchſtraßen ſelbſt von einander trennen, ganz leer und von keiner Materie ausgefüllt ſeyn ſollten. Wir haben erſt in den neueſten Zeiten eine Art von directem Beweis für die Exiſtenz eines ſolchen Aethers, oder wie man dieſe Materie ſonſt nennen mag, an dem Kometen von 3 3 / 10 Jahren Umlaufszeit erhalten, von dem wir oben (I. S. 269.) ge -313Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.ſprochen haben. Welcher Art dieſer Aether, wie groß auch ſeine Feinheit und Durchſichtigkeit ſeyn mag, ſo wird er doch das Licht der Fixſterne, das ſich in dem Mittel dieſes Aethers bewegt, ſchwächen müſſen und die Folge dieſer Schwächung wird endlich ſeyn, daß dieſes Licht nicht mehr bis zu uns vordringen kann, oder doch einen ganz unmerklichen Eindruck auf unſer Auge machen muß. Nehmen wir mit Olbers, dem wir die Unterſuchung dieſes Gegenſtandes verdanken, an, daß von 800 Strahlen, die uns Sirius oder überhaupt jeder Stern der erſten Größe, der eine Sternweite (4 Bill. Meilen) von uns entfernt iſt, zuſendet, auch nur ein einziger durch den Widerſtand des Aethers verloren geht, ſo wird, wie man durch eine einfache Rechnung findet, die Helligkeit eines Sternes, wenn ſie in der Entfernung einer Stern - weite gleich der Einheit geſetzt wird, in der Entfernung von 84 Sternweiten nur mehr 9 / 10 ſeyn, alſo bereits 1 / 10 ihrer frühern Helligkeit verloren haben. In der Diſtanz von 554 Sternweiten wird dieſe Helligkeit nur mehr ½, in der Diſtanz von 5500 Stern - weiten aber bloß 1 / 1000 ihrer urſprünglichen Größe betragen.

Nach Bouguers Meſſungen iſt das Licht des Vollmonds nahe 300000 mal ſchwächer, als das der Sonne. Sucht man, jenen Rechnungen zufolge, die Diſtanz eines Sterns, deſſen Licht nur mehr mit dem 300000ſten Theile ſeiner urſprünglichen Größe zu uns kömmt, ſo findet man ihn gleich 10080 Sternweiten. Es würden daher ſchon ſehr viele und dicht gedrängte Sterne erfordert werden, um einen ſo ungemein weit von uns entfernten Stern - haufen, ſelbſt in der dunkelſten Nacht, noch als einen matten, blaſſen Nebelfleck erkennen zu laſſen.

Der oben erwähnte Einwurf hindert uns alle nicht, die An - zahl der Sterne in der That als unendlich, und den Weltenraum nach allen Richtungen als völlig unbegränzt anzunehmen. Auch ſtimmt dieß ganz mit den Vorſtellungen überein, denen wir uns nicht entziehen können, wenn wir uns, wenn gleich nur aus un - endlicher Ferne, im Gedanken bis zu dem Urheber der Natur zu314Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.erheben wagen. Um den Raum der Schöpfung in einem Ver - hältniſſe mit der unendlichen Macht des Schöpfers zu denken, müſſen wir, mit Kant, dem höchſten Weſen eine doppelte Ewigkeit beilegen, denn die Ewigkeit der Zeit allein iſt noch nicht hin - reichend, die Zeugniſſe dieſes Weſens zu umfaſſen; ſie muß noch mit der Ewigkeit des Raumes verbunden werden, mit der gränzenloſen Unendlichkeit der Wirkungsſphäre, deren Dauer und Ausdehnung gleich unbeſchränkt gedacht wird.

§. 201. (Größe der Fixſterne.) Wenn man den ſcheinbaren Halbmeſſer Δ eines Fixſterns oder den Winkel kennt, unter welchem dieſer Halbmeſſer unſerem Auge erſcheint, und wenn überdieß die Entfernung a dieſes Sterns von uns bekannt iſt, ſo findet man daraus leicht auch die abſolute Größe dieſes Halb - meſſers r in irgend einem uns gewöhnlichen Maaße ausgedrückt. Wird z. B. der ſcheinbare Halbmeſſer Δ in Secunden und die Entfernung a in Erdweiten, deren jede nahe 20 Millionen Meilen beträgt, ausgedrückt, ſo iſt der wahre Halbmeſſer r des Sternes gleich a multiplicirt in dem Sinus von Δ oder auch, der wahre Halbmeſſer r iſt gleich dem Produkte von a und Δ multiplicirt in die Zahl 0,000004848.

Dieſe Entfernung a aber findet man aus der jährlichen Parallaxe π des Sternes (I. §. 68) das heißt, aus dem Winkel, unter welchem von einem Auge in dem Fixſterne der Halbmeſſer der Erdbahn oder die Erdweite geſehen wird. Es iſt nämlich immer die Entfernung a gleich der Zahl 206260 dividirt durch die Parallaxe π, wenn dieſer Winkel π auch in Secunden ausgedrückt wird.

Daraus folgt zugleich, daß wenn der ſcheinbare Halbmeſſer Δ und die Parallaxe π gegeben ſind, man auch die Diſtanz a als gegeben anſehen kann, da immer a gleich Δ dividirt durch π iſt.

Die vorhergehenden Gleichungen reichen hin, je zwei der vier Größen a, r, π und Δ zu finden, wenn die zwei anderen gegeben ſind. Allein unſere Kenntniſſe der Fixſterne ſind noch ſo unvoll - kommen, daß auch von keinem einzigen derſelben ſelbſt nur eine dieſer vier Größen mit Verläßlichkeit als bekannt angenommen315Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.werden kann. Es bleibt uns daher nichts übrig, als willkührliche Vorausſetzungen zu wagen, und zuzuſehen, welche Folgen ſie haben würden.

Ich habe bereits oben geſagt, daß alle Fixſterne in guten Fernröhren nur als untheilbare Punkte ohne alle Dimenſionen er - ſcheinen. Nehmen wir aber z. B. an, daß der ſcheinbare Halb - meſſer der Sterne gleich 1 / 10 Secunde ſey und daß man von mehre - ren derſelben die Parallaxe von 2, 1, ½ Secunde u. f. gefunden habe. Die folgende kleine Tafel gibt dann unter der Voraus - ſetzung von Δ = 1 / 10, für verſchiedene Parallaxen π die Ent - fernungen a ſowohl, als auch die wahren Halbmeſſer dieſer Sterne in Erdweiten ausgedrückt.

Multiplicirt man dieſe Zahlen durch 20000000, ſo erhält man die Entfernungen und Halbmeſſer der Sterne in d. Meilen aus - gedrückt. Da aber die Erdweite gleich 214 Sonnenhalbmeſſern iſt, ſo wird man die Halbmeſſer r der Tafel in Sonnenhalbmeſſern erhalten, wenn man die Zahlen derſelben mit 214 multiplicirt. So ſieht man, daß ein Fixſtern, deſſen Parallaxe 2″, und deſſen ſcheinbarer Halbmeſſer 1″ / 10 iſt, den wahren Halbmeſſer r = 11 haben, oder daß ſein Halbmeſſer 11 mal größer als der der Sonne ſeyn muß. Ein Fixſtern aber, für den man Δ = π = 1 / 10 Secunde hat, wird einen Halbmeſſer haben, der ſo groß als der316Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.Halbmeſſer der Erdbahn oder 214mal größer, als der Halbmeſſer der Sonne iſt.

Der ältere Herſchel glaubte aus ſeinen Beobachtungen folgern zu können, daß bei dem großen Stern Wega in der Leyer der ſcheinbare Halbmeſſer Δ den ſechsten Theil einer Secunde betrage. Nimmt man an, daß er 200000 Erdweiten, oder daß er eine Sternweite von uns entfernt iſt, ſo findet man r = 0,16. Dann würde alſo ſein wahrer Halbmeſſer 0,16 Erdweiten betragen, oder er würde 34 mal größer ſeyn, als der Halbmeſſer der Sonne. Sollte aber umgekehrt Wega an Größe unſerer Sonne gleich, alſo r gleich 1 / 214 Erdweiten ſeyn, und Δ doch noch den ſechsten Theil einer Secunde betragen, ſo würde man für die Parallaxe π deſſelben 36″ finden, was nicht möglich iſt, da man eine ſo große Parallaxe an dieſem ſo oft beobachteten Fixſtern längſt entdeckt haben würde. Würde bei einem Fixſtern Δ ſowohl als auch π gleich einer Secunde ſeyn, ſo würde dieſer Stern 206260 Erd - weiten alſo nahe eine Sternweite oder 4 Billionen Meilen von uns entfernt ſeyn, und ſein wahrer Halbmeſſer würde gleich der Erdweite, das heißt, dieſer Fixſtern würde ſo groß ſeyn, daß er den ganzen Raum der Erdbahn mit ſeinem Volum ausfüllen würde. Wir haben oben von andern Himmelskörpern geſprochen, die aus der Tiefe des Weltraums nur mit einem matten Lichte zu uns herüberſchimmern, und deren Entfernung Herſchel auf 10000 Sternweiten, alſo auf 2000 Millionen Erdweiten geſchätzt hat. Welche Ausdehnung müſſen dieſe Körper haben, da ſie auch in dieſer ungeheuren Entfernung öfter noch einen ſcheinbaren Halbmeſſer von mehreren Minuten haben. Nimmt man aber dieſen Halbmeſſer auch nur zu zehn Secunden an, ſo folgt daraus durch unſere Gleichungen, wenn man in ihnen Δ = 10 und a = 2000 Millionen ſetzt, daß π gleich 0,000103 Secunden und r gleich 96960 Erdweiten ſeyn muß, d. h. der wahre Halb - meſſer derſelben iſt nahe 21 Millionenmal größer, als der der Sonne, oder der Durchmeſſer dieſer Körper beträgt 4 Billionen Meilen oder eine Sternweite und aus dieſer Entfernung erſcheint der Halbmeſſer der Erdbahn, eine Diſtanz von mehr als 20 Mil -317Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.lionen Meilen, nur mehr unter dem Winkel von dem zehn - tauſendſten Theil einer Secunde. Wenn alſo auch unſere Sonne ſo groß wäre, daß ſie den ganzen Raum der Erdbahn mit ihrem Körper ausfüllte, ja wenn ſie ſelbſt noch im Durchmeſſer 10000mal, alſo im Volum ein Billionenmal größer wäre, ſo würde ſie doch in jener Ferne nur mehr unter dem Winkel von einer Secunde, alſo nahe von einem Durchmeſſer erſcheinen, der ſchon von dem zehnten Theile der Dicke eines gewöhnlichen Menſchenhaares bedeckt wird.

Dieſe unſere Sonne könnte daher plötzlich erlöſchen und unſer ganzes Planetenſyſtem könnte wieder in die alte Nacht, aus der es hervorgegangen iſt, zurückſinken, ohne auf jenen Himmelskörpern auch nur vermißt zu werden. Wie klein erſcheint hier jede menſchliche Größe! Wie klein ſelbſt dieſes ganze Sonnenſyſtem gegen jenes unzählbare Heer von Syſtemen; dieſer Waſſertropfen, der an einer Nadelſpitze hängt, gegen jenes unendliche Meer von Welten.

§. 202. (Größe der Sterne in Beziehung auf ihr Licht.) Da wir auf die eigentliche Größe oder auf das Volum der Sterne nur aus dem Lichte, welches ſie uns zuſchicken, ſchließen können, ein Schluß, der oft ſehr unrichtig ſeyn mag, da das Licht der Sterne ſehr verſchieden ſeyn kann, ſo wollen wir noch ſehen, was wir über dieſes Licht der Sterne in Vergleichung mit dem unſerer Sonne ſagen können.

Wollaſton hat durch directe photometriſche Unterſuchungen (Phil. Trans. 1829. S. 24), gegen deren Richtigkeit ſich nichts Bedeutendes einwenden läßt, gefunden, daß das Licht, welches uns Sirius zuſchickt, zu dem der Sonne ſich verhalte, wie 1 zu 20000 Millionen. Da nun dieſe Zahl das Quadrat von 141400 iſt, ſo folgt, daß die Sonne erſt in einer Entfernung von 141400 Erdweiten (nahe 3 Billionen Meilen) uns ſo groß wie Sirius erſcheinen würde. Nimmt man nun die Parallaxe dieſes Sterns gleich einer Secunde oder ſeine Entfernung gleich 200000 Erd - weiten an, ſo muß das Licht des Sirius an ſich wenigſtens zwei - mal ſo groß ſeyn, zweimal ſo viel Glanz oder Intenſität haben, als das unſerer Sonne. Allein die Parallaxe des Sirius iſt318Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.gewiß viel kleiner, als eine Secunde, und daher auch ſein Licht viel größer, als wir ſo eben gefunden haben. Vielleicht wird es unſern Nachfolgern gegönnt ſeyn, dieſe und ähnliche Unterſuchungen weiter fortzuführen; wir müſſen uns noch mit bloßen Conjecturen und mit frommen Wünſchen begnügen, und da wir derſelben in dieſem Kapitel ſchon ſo viele vorgebracht haben, ſo wird es beſſer ſeyn, auch ſie nicht weiter fortzuführen, und, was etwa noch dazu gethan werden könnte, unſern Leſern zu überlaſſen.

[319]

Kapitel XIII. Doppelſterne.

§. 203. (Sternreiche Gegenden des Himmels.) Schon dem bloßen Auge begegnen auf den erſten Blick mehrere Stellen des Himmels, die viel dichter mit Sternen beſät ſind, als andere. So zeigt ſich der größte Theil des ſchönen Sternbildes Orion, die Leier, die Gegend zwiſchen β und ζ im Stier u. f. ſehr ſternreich, während wieder andere, wie das Sternbild des Luchſes, des Ca - melopards u. ſ. w. nur ſehr wenige und kleine Sterne enthalten. Zu den letzten gehören auch die ganz dunklen Stellen des Him - mels nahe am Scorpion, am Fuchſe, mitten in dem großen Licht - nebel Orions, und endlich die ſogenannten Kap’ſchen Wolken oder die Kohlenſäcke beim ſüdlichen Kreuze in der andern Hemiſphäre.

Auch ſieht man häufig einzelne Sterngruppen oder Stellen, wo mehrere größere Sterne in einem kleinen Raume zuſammen gedrängt erſcheinen. Die Plejaden, am Halſe des Stiers, die unter dem Namen der Gluckhenne bekannt ſind, enthalten auf dem Raume eines Kreiſes, deſſen Halbmeſſer kaum einen Grad beträgt, einen Stern vierter, ſechs fünfter, fünf ſechster und zwei und dreißig ſiebenter Größe, nebſt vielen andern noch kleineren, alſo 44 mit freien Augen noch erkennbare Sterne. Die bekannte Krippe im Sternbilde des Krebſes (AR = 8h 29′, Poldist. = 69° 30′) enthält auf der Fläche eines halben Quadratgrades über320Doppelſterne.40 deutlich erkennbare Sterne, vieler anderer kleinerer nicht zu er - wähnen.

Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß dieſes Zuſammendrängen der Sterne an beſonderen Stellen des Himmels bloß von dem Zufalle oder von der Stellung unſeres Auges kommen ſollte. Wenn man die aus den Beobachtungen bekannte Anzahl der Sterne der ſie - benten Größe mit den 44 Sternen der Plejaden vergleicht, ſo zeigt die Wahrſcheinlichkeitsrechnung, daß man viele Millionen gegen eins wetten kann, daß die enge Nachbarſchaft der letzteren nicht zufällig iſt.

§. 204. (Doppelſterne.) Daſſelbe gilt aber auch von denje - nigen Sternen, die man ſo häufig am Himmel paarweiſe und in ſehr geringen Entfernungen von einander ſtehen ſieht. Sie ſind öfter nur durch wenige Secunden von einander getrennt und kem - men ſo häufig vor, daß wir ihrer ſchon über 6000 beobachtet ha - ben. Dieſe Nähe und noch mehr dieſe große Anzahl der Dop - pelſterne macht es äußerſt unwahrſcheinlich, daß ſie dieſe Dupli - cität nur ihrer Stellung gegen unſer Auge verdanken, daß ſie nur optiſch doppelt ſeyn, daß ſie nämlich für uns bloß auf derſelben Geſichtslinie ſtehen und demungeachtet doch durch ſehr große Di - ſtanzen von einander getrennt ſeyn ſollten. Wir ſind alſo veran - laßt, dieſe Sterne für phyſiſch doppelt anzunehmen, für Ster - nenpaare, die in der That nahe an einander ſtehen, die zuſammen gehören und die durch irgend ein gemeinſchaftliches Band zu einem Ganzen, zu einem eigenen, iſolirten Syſteme verbunden ſind. Wir werden dieſe Annahme bald noch mehr beſtätiget finden.

§. 205. (Klaſſen der Doppelſterne). Der ältere Herſchel, der die Doppelſterne zuerſt zu einem Gegenſtande ſeiner beſondern Aufmerkſamkeit machte, und der ſie gegen das Jahr 1780 zu beobachten anfing, fand bald eine ſo große Anzahl derſelben, daß er es für nöthig fand, ſie in Klaſſen einzutheilen. Als Einthei - lungsgrund nahm er die verſchiedenen Diſtanzen derſelben an und ſetzte in die erſte Klaſſe alle diejenigen, deren Diſtanz kleiner als 4 Secunden war; zur zweiten Klaſſe zählte er die, deren Di - ſtanzen zwiſchen 4 und 8, zur dritten, die zwiſchen 8 und 16 Se - cunden, und zur vierten endlich, die zwiſchen 16 bis 32 Secunden. 321Doppelſterne.Von den 6000 Doppelſternen, die wir jetzt kennen, gehören nahe 1930 in die erſte, 1310 in die zweite, nahe eben ſo viel in die dritte und 1450 in die vierte Klaſſe.

In den neueren Zeiten hat man dieſe Eintheilung wieder ver - laſſen, vorzüglich aus dem Grunde, weil dieſe Diſtanzen, wie wir bald ſehen werden, veränderlich ſind und daher kein gutes Mittel zur Eintheilung geben können. Man führt ſie jetzt gewöhnlich ſo, wie alle anderen Sterne auf, indem man von den größeren der beiden Sterne die Rectaſcenſion und Poldiſtanz (I. Einl. §. 22. 29) in dem Sternenverzeichniſſe angibt, was hinreichend iſt, ſeinen Ort am Himmel zu jeder Zeit zu finden. Dieſen beiden Angaben wird dann noch die Diſtanz Δ der beiden Sterne in Secunden und der Poſitionswinkel Π beigefügt, d. h. der Winkel, welchen dieſe Diſtanz mit dem Declinationskreiſe (I. Einl. 13) des grö - ßern Sterns bildet.

§. 205. (Verhältniß der doppelten Sterne zu den einfachen.) Nach den Unterſuchungen, die man über die Anzahl der Doppel - ſterne, indem man ſie aus den einfachen heraus ſuchte, angeſtellt hat, findet man, daß von den Sternen der erſten bis ſechsten Größe auf je 10 ſolcher Sterne ſchon ein Doppelſtern kömmt. Von den Sternen der ſechsten bis neunten Größe aber findet man nur auf je 25 und von noch kleineren erſt unter je 42 einfachen Sternen einen Doppelſtern. Die Doppelſterne werden alſo ſelte - ner, je kleiner die Sterne ſelbſt ſind. Dieß und die oben bemerkte größere Anzahl der Doppelſterne der erſten Klaſſe iſt ſehr merk - würdig. Wenn die Doppelſterne nur optiſch oder bloß ſcheinbar doppelt wären, ſo müßten die der vierten Klaſſe die häufigſten und die der erſten im Gegentheile die ſeltenſten ſeyn. Da die Flächen der Kreiſe von 4, 8, 16 und 32 Secunden ſich wie die Zahlen 1, 4, 16 und 64 verhalten, ſo müßten ſich die Zahlen der Doppelſterne, wenn ſie bloß optiſch wären, in den vier Klaſſen wie 1, 3, 12 und 48 verhalten, ſo daß alſo von 64 optiſchen Dop - pelſternen nur ein einziger von der erſten, 3 von der zweiten, 12 von der dritten und 48 von der vierten Klaſſe ſeyn müßten. Wir hat -Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 21322Doppelſterne.ten aber oben 1450 Doppelſterne der vierten Klaſſe gefunden, ſo daß, wenn dieſe alle optiſche Doppelſterne wären, der drit - ten Klaſſe 362, der zweiten 91 und der erſten nur 30 zukommen könnten. Allein nach dem Vorhergehenden gaben die Beobachtun - gen für die dritte Klaſſe nicht 362, ſondern 1310, für die zweite nicht 91, ſondern 1310 und für die erſte Klaſſe nicht 30, ſondern 1930. Dieſer gänzliche Mangel an Uebereinſtimmung, den zuerſt Struve bemerkte, zeigt, daß die Doppelſterne der erſten Klaſſe beinahe alle wahre oder phyſiſch doppelte Sterne ſeyn müſſen, und daß derſelbe Schluß auch noch von den meiſten Sternen der zweiten und dritten Klaſſe gilt.

§. 206. (Verſchiedenheit der Doppelſterne.) Gewöhnlich iſt der eine dieſer beiden Sterne viel kleiner als der andere, wie z. B. bei dem Polarſtern, wo der eine der zweiten und der andere der eilften Größe iſt. Oft ſind aber auch beide Sterne an Größe einander ſehr nahe gleich. Dahin gehören γ Widder, die beide der V. Größe ſind; Caſtor der III. und IV. ; γ Löwe der II. und IV. ; γ Jungfrau der III. und III. ; β großer Bär der III. und IV. u. ſ. f. Wenn ſolche Sterne, wie die erwähnten, beide ſchon zu den größeren gehören und überdieß einander ſehr nahe ſtehen, ſo iſt es offenbar noch viel wahrſcheinlicher, daß ſie phyſiſch doppelt ſind und in der That zu einander, zu einem gemeinſchaftlichen Ganzen gehören. Dieß iſt der Fall bei Caſtor, wo die Diſtanz nur 4 Se - cunden, bei γ Löwe und γ Jungfrau, wo ſie nur Secunden be - trägt u. f.

§. 207. (Eigene Bewegung der Fixſterne.) Es wurde bereits (oben I. Kap. XII. ) erwähnt, daß jeder Fixſtern, außer den ihnen allen gemeinſchaftlichen Bewegungen der Präceſſion, Aberration und Nutation, noch eine eigene Bewegung habe, deren Grund die Aſtronomen bisher nicht auffinden konnten. Dieſe Bewegung iſt bei mehreren derſelben nicht unbedeutend, wie folgende kleine Tafel zeigt, welche die Ortsveränderung der darin enthaltenen Ster - ne während einem Jahrhunderte enthält:

323Doppelſterne.

Dieſelbe eigene Bewegung bemerkt man auch bei den Dop - pelſternen. Nehmen wir an, daß einer derſelben ſich während einem Jahrhunderte durch 300 Secunden bewege, ſo würde er ſeit dem Anfange unſerer Zeitrechnung oder ſeit 18 Jahrhunderten ſchon einen Weg von Grad am Himmel zurückgelegt haben. Dieſer Weg beträgt dreimal ſo viel, als der Durchmeſſer des Mondes, und in der That kann er, wegen der ſehr großen Entfernung des Sterns, viele Billionen von Meilen betragen. Und doch wurde er auf dieſer ſo großen Bahn ſtets von ſeinem andern Stern be - gleitet! Beide zogen mit einander und der Stern, der zur Zeit vor Chriſti Geburt ein Doppelſtern war, erſcheint auch in unſeren Tagen noch als ein ſolcher, wenn gleich ſein Ort am Himmel um Billionen Meilen von dem Orte, den er in früheren Zeiten ein - genommen hat, verſchieden ſeyn mag. Kann man hier noch zwei - feln, daß die Doppelſterne in der That zu einander gehören?

§. 208. (Vertheilung der Doppelſterne am Himmel.) Die Doppelſterne ſind nicht in allen Gegenden des Himmels gleich zahlreich. Gewöhnlich ſind diejenigen Gegenden, die überhaupt nur wenig einfache Sterne enthalten, auch an Doppelſternen ſehr arm, z. B. die der Jagdhunde, der Drachen, der Bildhauerwerk - ſtätte, alſo überhaupt in der Nähe der beiden Pole der Milch - ſtraße. Wie man ſich aber dieſer Milchſtraße nähert, nimmt die Zahl der einfachen ſowohl, als auch der doppelten Sterne ſchnell zu. Aber auch außer der Milchſtraße gibt es einzelne Gegenden, die an Doppelſternen ſehr reich ſind, wie das Sternbild des Per - ſeus, des Widders, der Fliege, der Zwillinge und beſonders des Orion.

Nicht ſelten ſieht man auch zwei ſolche Doppelſterne, alſo vier21 *324Doppelſterne.Sterne, deren je zwei einander ſehr nahe ſtehen, auf einmal in dem Felde des Fernrohrs. Dieß iſt z. B. der Fall bei β Leier und im Sternbilde des Schwans (AR = 20h, Pold. = 54° 42′).

§. 209. (Drei - und mehrfache Sterne.) Zuweilen bemerkt man auch drei Sterne in einer großen Nähe bei einander. Ein ſol - cher iſt z. B. im Orion (AR = 4h 49′, Pold. = 75° 45′), von de - nen zwei der VII. und der dritte der X. Größe iſt. Andere ſieht man im Luchſe (AR = 6h 30′, Pold. = 30° 23′) bei ζ Krebs, ξ Waage, 7 Stier u. f. Im Stier findet ſich ein Doppelſtern der vierten Klaſſe, wo der größere Stern ſelbſt wieder ein Dop - pelſtern der erſten Klaſſe iſt. Ein ähnlicher dreifacher Stern iſt ψ in der Caſſiopeia. In den Trippelſternen von π Ein - horn, ζ Krebs, ψ Waage gehören alle drei Sterne zu den größeren.

Auch vier - und mehrfache Sterne ſind nicht ſelten am Him - mel zu finden. Ein ſolcher vierfacher Stern iſt Θ im Orion. Er ſteht nahe in dem dunkelſten Theile des merkwürdigen Nebels im Orion und die vier Sterne deſſelben bilden ein nahe regelmäßiges Viereck. Obſchon dieſer ſchöne Gegenſtand ſeit langer Zeit von den Aſtronomen mit den beſten Fernröhren beobachtet worden iſt, ſo entdeckte doch Struve i. J. 1825 in der Mitte dieſes Vierecks noch einen kleinen fünften Stern, der ſeitdem ſo hell geworden iſt, daß ihn jetzt jeder, mit einem guten Fernrohr verſehene Beobachter ohne Anſtand bemerken kann. Es ſcheint daher, daß dieſer neue Stern erſt in den letzten Zeiten entſtanden, und daß er jetzt im Wachſen begriffen iſt. Oft ſieht man auch zwei Ster - nenpaare, nahe bei einander, zugleich im Felde des Fernrohrs, wie bei ε Leier, über σ Orion, in AR = 7h 48′ und Pold. = 34° 9 oder in AR = 16h 24′ und Pold. = 70° 33, u. f.

Ohne die übrigen vielfachen Sterne hier noch weiter zu ver - folgen, bemerken wir nun, daß Struve den Stern σ im Orion, unmittelbar unter dem tiefſten der drei Sterne, die unter dem Namen des Jacobsſtabes bekannt ſind, als einen ſechszehnfa - chen Stern erkannt hat.

§. 210. (Bewegung der Doppelſterne um einander.) Wir haben bereits oben geſagt, daß die Doppelſterne, ſo wie überhaupt alle325Doppelſterne.Sterne des Himmels, eine eigene fortſchreitende Bewegung im Raume haben, und daß ſie, dieſer Bewegung ungeachtet, nicht aufhören doppelt zu bleiben daß alſo dieſe Sternpaare ihren gro - ßen Weg im Weltraume wie zwei eng verbundene Wanderer ge - meinſchaftlich zurücklegen. Der merkwürdigſte unter dieſen Zwil - lingsſternen iſt der oben erwähnte Doppelſtern 61 im Schwan. Man findet ihn am Himmel zwiſchen den beiden größeren, aber einfachen Sternen ν und τ dieſes Sternbildes beinahe in der Mitte derſelben oder in der Rectaſcenſion 21h 0′ und Poldiſtanz 52° 3′. Dieſer Stern hat eine ſehr große eigene Bewegung, nämlich in 100 Jahren durch 503″ in Rectaſcenſion und durch 339″ in Decli - nation. Sie ſind alle beide nahe von der ſechsten Größe und ihre Diſtanz beträgt nahe 15 Secunden. Aus den angeführten zwei Bewegungen dieſes Doppelſterns folgt, daß er ſich, während einem Jahrhundert, in der Richtung ſeiner Bahn durch 607 Se - cunden bewegt. Dieſer Stern hat alſo ſeit Chr. G. über drei Grade, d. h. über ſechs Monddurchmeſſer am Himmel zurückgelegt, ohne von ſeinem Begleiter auch nur einen Augenblick verlaſſen worden zu ſeyn.

Wenn aber eine ſo große, gemeinſchaftliche Bewegung der beiden Sterne eines Doppelgeſtirns ſchon ſo deutlich für ihr in - neres Zuſammengehören ſpricht, ſo wird dafür durch eine andere Bewegung, die man an ihnen bemerkt hat, dieſe Vermuthung zu einer nicht weiter zu bezweifelnden Gewißheit erhoben. Man hat nämlich ſchon bei ſehr vielen dieſer Sternenpaare eine Bewegung des einen um den anderen dieſer Sterne bemerkt. Der Be - gleiter beſchreibt um ſeinen Centralſtern, als um einen Mittelpunkt, eine kreisförmige oder elliptiſche Bahn, ganz eben ſo, wie die Planeten um die Sonne, oder die Satelliten um ihre Hauptplane - ten Bahnen beſchreiben.

Wenn man nämlich bei dieſen Doppelſternen die Diſtanz Δ derſelben, und den Poſitionswinkel Π zu zwei oder mehr verſchie - denen Zeiten beobachtet, ſo findet man, daß ſich dieſe Größen re - regelmäßig ändern, und daß der Winkel Π insbeſondere ſchon in wenig Jahren beträchtlich zu - oder abgenommen hat, woraus folgt, daß ſich der eine dieſer Sterne um den andern bewegen muß.

326Doppelſterne.

Was zuerſt die Diſtanz Δ der beiden Sterne betrifft, ſo nimmt ſie bei einigen Sternen regelmäßig zu, wie z. B. bei dem merkwürdigen Stern Mira Ceti (AR = 2h 10′, Pold. = 93° 48′); bei andern im Gegentheile wird ſie immer kleiner, wie bei ζ Orion, γ Jungfrau, σ Krone u. f. Bei einigen endlich, wie bei Caſtor, ζ großer Bär u. a. ſcheint dieſe Diſtanz immer dieſelbe zu blei - ben. Bei dieſen letzten ſcheint daher die Bahn des Begleiters nahe kreisförmig zu ſeyn und ſenkrecht auf unſere Geſichtslinie zu ſtehen, daher wir gleichſam den ganz geöffneten Ring dieſer Bahn ſehen, während bei dem erſten die elliptiſche Bahn ſehr ſchief gegen die Geſichtslinie liegt und wir gleichſam nur die ſcharfe Kante derſelben erblicken.

Wichtiger aber, oder doch auffallender ſind die Veränderungen des Poſitionswinkels Π der Diſtanz Δ mit dem Deklinationskreiſe des Centralſterns. In dem Doppelgeſtirn ζ Krebs ändert ſich dieſer Winkel in hundert Jahren ſchon um 60 Grade, in η Caſſiopeia um 12, in Caſtor ſogar um 142 Grade, und zwar ſehr regelmäßig, während wieder bei anderen, wie in γ Jungfrau, die Veränderung dieſes Winkels bald langſam, bald wieder ſehr ſchnell vor ſich geht, woraus man mit Recht auf eine ſehr excentriſche Bahn dieſes Doppelſterns ſchließen kann. Es gibt ſogar mehrere Doppelſterne, deren Poſitionswinkel ſich, ſeit der erſten Beobachtung deſſelben durch Herſchel, ſchon um volle 360 Grade verändert, bei welchen demnach der Begleiter ſchon einen ganzen Umlauf um ſei - nen Centralkörper vollendet hat. Bei anderen endlich iſt dieſe Veränderung des Poſitionswinkels ſo groß und ſo regelmäßig, daß man ſchon aus den Beobachtungen einiger Jahrzehnte mit Sicherheit auf die ganze Zeit der Revolution derſelben ſchließen kann. So fand man

  • für η Krone die Umlaufszeit 43 Jahre
  • ξ großer Bär 61
  • 70 Ophiuchus 80
  • Caſtor 253
  • σ Krone 287
  • 61 Schwan 452
  • γ Jungfrau 513
327Doppelſterne.

Es iſt kein Zweifel, daß wir bald noch mehrere Doppelſterne kennen lernen werden, deren Umlaufszeit wir nicht angeben können, da es erſt 50 Jahre iſt, ſeitdem ſich die Aſtronomen mit ihnen be - ſonders beſchäftiget haben, ſo daß dieſer intereſſante Gegenſtand noch zu den neuen gezählt werden muß, deren weitere Ausbildung erſt erwartet wird.

§. 211. (Bedeckungen der Fixſterne unter einander.) Wir be - merken öfter, daß der Mond vor der Sonne oder vor den Fix - ſternen vorübergeht und uns dadurch den Anblick dieſer Geſtirne auf einige Zeit raubt. Dieſe Sonnenfinſterniſſe und Stern - bedeckungen (I. 175) beobachten die Aſtronomen mit beſonderem Fleiße, weil ſie die beſten Mittel zur Beſtimmung der geographi - ſchen Längen der Beobachtungsorte auf der Oberfläche der Erde darbieten. Auch ſieht man zuweilen dieſe Sterne durch die Pla - neten, oder ſelbſt, obwohl ſelten genug, einen Planeten durch den andern bedecken; aber daß auch die Fixſterne ſich unter einander bedecken ſollten, dieß würde man noch vor wenig Jahren für un - möglich gehalten haben.

Wenn aber die Ebene der Bahn des Doppelſterns ſo ſchief gegen unſere Geſichtslinie liegt, daß uns dieſelbe nur mehr nahe wie eine gerade Linie erſcheint, und ſolcher Bahnen gibt es, wie wir oben geſehen haben, mehrere, ſo wird uns eine ſolche Erſchei - nung nicht mehr wunderbar vorkommen können. In dieſem Fall ſcheint nämlich der Begleiter um ſeinen Centralſtern eine gerade, durch dieſen Stern gehende Linie zu beſchreiben, und wenn er demſelben auf dieſem Wege nahe genug kömmt, ſo wird er ihn entweder bedecken oder von ihm bedeckt werden, je nachdem er, in Beziehung auf uns, vor oder hinter ſeinem Centralkörper vorüber - geht. Dieß iſt z. B. der Fall mit dem Doppelſtern τ im Schlan - genträger (AR = 17h 53′, Pold. = 98° 10′). Der ältere Herſchel ſah ihn i. J. 1781 noch als einen, obſchon bereits ſehr nahen Doppelſtern. Sein Sohn und Struve ſahen ihn i. J. 1828 nur mehr einfach, aber doch noch in einer länglichen Geſtalt. Jetzt aber erſcheint er, ſelbſt durch die beſten Fernröhre, als ein voll - kommen einfacher, runder Stern. Nach einigen Jahren werden wir ihn ohne Zweifel wieder doppelt ſehen.

328Doppelſterne.

Der Doppelſtern ζ Orion im Gegentheile wurde von dem älteren Herſchel vor 50 Jahren als ein beſtimmt einfacher Stern bemerkt, während er jetzt zu den Doppelſternen gehört, deſſen Di - ſtanz wohl noch ſehr klein iſt, aber doch deutlich mit der Zeit wächst. Daſſelbe iſt der Fall mit ζ Hercules und δ Schwan, die früher ebenfalls einfach waren und jetzt doppelt geſehen werden, Auch die Bahn von γ Jungfrau liegt ſehr ſchief gegen uns und die Diſtanz dieſes Doppelſterns wurde in den letzten Zeiten ſo klein (ſie war i. J. 1830 nur mehr 1,5), daß man ſchon einer Bedeckung deſſelben entgegen ſah, allein ſeitdem wächst dieſe. Di - ſtanz wieder, und die Ebene der Bahn geht daher nicht genau durch un - ſere Sonne, daher der Begleiter über dem Centralſtern vorbeiging.

§. 212. (Erſte Meinung von den Doppelſternen.) Als Herſchel i. J. 1780 ſich mit dieſen Geſtirnen zu beſchäftigen anfing, hatte er die Anſicht, daß ſie alle, oder doch meiſtens nur optiſch doppelt wären, daß ſie alſo, wenn gleich vielleicht in ſehr großen Entfer - nungen hinter einander, doch für uns nahe auf derſelben Geſichts - linie ſtehen. Er ſah bald, daß ſie, wenn anders dieſe Meinung gegründet iſt, ein ſehr gutes Mittel zur Beſtimmung der Parallaxe des näheren Sterns geben würde und dieß war auch der Zweck, welchen er durch die Beobachtung dieſer Geſtirne zu erreichen ſuchte. Wenn wir nämlich einen ſolchen Doppelſtern von den entgegengeſetzten Punkten der jährlichen Bahn der Erde um die Sonne, alſo zu zwei um ein halbes Jahr von einander entfernten Zeiten, beobachten, ſo wird der nächſte von beiden ſeinen Ort gegen den weitern unbeweglichen, zu ändern ſcheinen, und aus dieſen Aenderungen wird ſich die Entfernung deſſelben von der Erde um ſo ſicherer ableiten laſſen, als die Vergleichung der Diſtanz der beiden Sterne ſich hier mit der größten Schärfe anſtellen läßt. Allein, wie es öfter zu gehen pflegt, er fand nicht, was er ſuchte, die Parallaxe der Fixſterne, aber er fand dafür etwas anderes, was nicht minder intereſſant war, die Bewegung des einen der - ſelben um den anderen, und dieſe Entdeckung mit allen ihren Fol - gen mußte ihn wohl nicht weniger überraſchen, als ihn die Er - füllung ſeines erſten Wunſches erfreut haben würde.

Den Leſern iſt die Methode, die Entfernung der Geſtirne aus329Doppelſterne.ihrer Parallaxe zu finden, ſchon aus I. Kap. V. bekannt. Da es ſich aber hier um die ſehr großen Entfernungen handelt, um welche die Fixſterne von uns abſtehen, ſo wird es nicht unzweckmäßig ſeyn, den Zuſammenhang zwiſchen der Parallaxe und der Entfer - nung eines Fixſterns unter verſchiedenen Vorausſetzungen der er - ſten durch eine kleine Tafel gleichſam mit einem Blicke überſehen zu laſſen.

Nehmen wir alſo an, daß der Durchmeſſer der Erdbahn, der zu den beiden, ein halbes Jahr von einander entfernten Beobach - tungen gehört, ſo gewählt worden iſt, daß er auf der Geſichtslinie von dem Stern nach der Sonne ſenkrecht ſteht, und nennen wir α den Winkel, unter welchem ein Auge in der Sonne dieſen Halb - meſſer der Erdbahn, der 20658000 d. Meilen beträgt, ſehen wird, ſo wie R die daraus folgende Entfernung des Sterns von der Sonne und endlich, um die hier für R enthaltenen großen Zahlen leichter zu überſehen, T die Zeit, in welcher das Licht dieſe Ent - fernung R zurücklegt, vorausgeſetzt, daß das Licht in einer Se - cunde 41900, alſo in einem Tage 3620 Millionen und in einem gemeinen Jahre 1322263 Millionen Meilen durchläuft.

330Doppelſterne.

Dieſe Tafel zeigt alſo, wie ſchnell die Diſtanz eines Sterns von uns zunimmt, wenn der Winkel α oder die jährliche Parallaxe deſſelben kleiner wird. Iſt dieſer Winkel gleich einer Secunde, d. h. erſcheint der Halbmeſſer der Erdbahn, von dem Stern ge - ſehen, nur mehr unter dem Winkel von einer Secunde, ſo beträgt die Diſtanz des Sterns von der Sonne, oder was hier daſſelbe iſt, von der Erde, vier Billionen Meilen oder eine Sternweite, wie wir ſie oben genannt haben, und dieſe Diſtanz iſt ſo groß, daß ſelbſt das Licht, ſeiner ungeheuern Geſchwindigkeit ungeachtet, ſie erſt in vollen drei Jahren zurücklegen kann. Wäre aber die Parallaxe eines Fixſterns nur der hundertſte Theil einer Secunde, ſo würde die Diſtanz deſſelben 412, genauer 412½ Billion Mei - len betragen, wozu das Licht die Zeit von 310 Jahren gebrauchen würde. So kleine Winkel können wir aber ſelbſt mit unſeren feinſten Inſtrumenten nicht mehr meſſen, daher es uns unmöglich iſt, über die Diſtanz der Fixſterne, deren Parallaxe, wie es ſcheint, durchaus beträchtlich kleiner, als eine Secunde iſt, etwas Verläß - liches zu beſtimmen.

Man kann es übrigens nur mit Bedauern ſehen, daß die Bemühungen der Aſtronomen, die Diſtanz der Fixſterne, wenig - ſtens einiger derſelben, zu finden, bisher alle vergebens geweſen ſind, und daß auch die Hoffnung, welche die Doppelſterne für dieſen Zweck gewährten, wieder vereitelt worden iſt, wenn wir an - ders nicht einmal zufällig einen ſolchen bloß optiſchen Doppelſtern auffinden ſollten, der ſich zu jener Abſicht beſonders eignet. In - deſſen könnten ſelbſt die phyſiſchen Doppelſterne uns einmal ein Mittel darbieten, dieſe ſo lange vergebens gewünſchte Diſtanz der Fixſterne zu erhalten. Wir verdanken dieſes Mittel dem ge - ſchickten Geometer Savary, der ſich auch zuerſt mit der ſchwie - rigen Bahnberechnung der Doppelſterne beſchäftiget hat und es wird, wie ich hoffe, den Leſern nicht unangenehm ſeyn, ſeine ſinn - reiche Idee hier kurz entwickelt zu finden.

§. 213. (Entfernung der Doppelſterne von der Erde.) Wenn die Ebene der Bahn, die wir hier der Kürze wegen als kreisförmig annehmen, auf der Geſichtslinie ſenkrecht ſteht, welche den Cen - tralkörper S (Fig. 20) mit der Erde T verbindet, ſo werden alle331Doppelſterne.Punkte der Peripherie Am Bn dieſes Kreiſes gleichweit von der Erde T entfernt ſeyn. Liegt aber, wie wir hier vorausſetzen wol - len, die Ebene dieſer Bahn ſo ſchief gegen die Geſichtslinie, daß ſie mit derſelben beinahe zuſammenfällt, oder daß die Erde gleich - ſam nur die Kante dieſer Bahnen ſieht, ſo werden diejenigen Punkte der Peripherie mBn, die hinter dem Centralſtern liegen, durchaus eine größere Entfernung von der Erde haben, als die Punkte der vordern Hälfte mAn dieſer Bahn, und der Sternſa - tellit wird, von der Erde geſehen, nicht in dieſer krummen Bahn, ſondern in der geraden Linie mSn oder in demjenigen Durchmeſſer des Kreiſes auf und ab zu gehen ſcheinen, welcher jene beiden Hälften mAn und nBn des Kreiſes von einander trennt. Eben ſo wird aber auch die Geſichtslinie TS die kreisförmige Bahn des Satelliten in einen Durchmeſſer ASB ſchneiden. Nehmen wir an, der Satellit bewege ſich von A nach m, B, n, ſo wird dieſer Durchmeſſer ASB den Kreis in zwei Hälften theilen, in deren einer Am B der Satellit ſich in der That von der Erde entfernt, während er ſich in der andern Hälfte BmA der Erde wieder - hert. Wir wollen, der Kürze wegen, jene die erſte und dieſe die zweite Hälfte nennen.

Obſchon nun in einem Kreiſe die Bewegung nicht anders, als gleichförmig ſeyn kann, und daher der Satellit in der Peripherie Am Bn ſeiner Bahn immer mit derſelben Geſchwindigkeit fortgeht, ſo wird er uns doch die Linie mSn hin und zurück mit einer ver - änderlichen Geſchwindigkeit zurück zu legen ſcheinen. Wenn er für uns in der Nähe der Mitte S dieſer Linie erſcheint, wenn er alſo in der That in dem Punkte A oder B ſeiner Bahn iſt, ſo wird die Richtung ſeiner Geſchwindigkeit ſenkrecht auf die Geſichts - linie TS ſtehen, und daher dieſe Geſchwindigkeit ſelbſt am größten erſcheinen. Wenn er aber in der Nähe der beiden Endpunkte m und n dieſer Linie ankömmt, ſo iſt die Richtung ſeiner Bewegung nahe dieſelbe mit der Richtung der Geſichtslinie TS, daher uns hier ſeine Geſchwindigkeit am kleinſten erſcheinen wird. Allein dieſe Verſchiedenheit der bloß ſcheinbaren Geſchwindigkeiten wird ihn nicht hindern, die Hälfte dieſer Linie Sm hin und zurück doch in derſelben Zeit zu durchlaufen, mit welcher er die andere332Doppelſterne.Hälfte Sn zurück zu legen ſcheinen wird. Dieſe Unterſchiede der Geſchwindigkeiten werden alſo auf die Zeiten, in welchen der Sa - tellit die beiden Hälften Am B und Bn A ſeiner Bahn zurück legt, keinen Einfluß haben.

Allein wenn dieſer Halbmeſſer der Bahn ſo groß ſeyn ſollte, daß ſelbſt das Licht noch mehrere Tage und vielleicht Monate brauchte um ihn zu durchlaufen, dann würden die beiden beobach - teten Zeiten der halben Revolutionen durch die erſte Hälfte AmB der Bahn und durch die zweite BnA derſelben uns nicht mehr gleich, ſondern die erſte würde uns größer, als die zweite er - ſcheinen.

Um dieß beſſer zu überſehen, wollen wir annehmen, der Stern - ſatellit brauche genau 1000 Tage, ſeine ganze Umlaufszeit um den Centralſtern S zu vollenden und der Halbmeſſer SA oder SB ſei - ner Bahn betrage 36200 Millionen Meilen, die das Licht in 10 Tagen zurücklegt. Wenn wir ihn heute in dem Punkte A ſei - ner Bahn, alſo bei dem Centralſtern S ſehen, ſo wird er von heute in 250 Tagen den vierten Theil ſeines Umkreiſes zurückgelegt ha - ben und daher in dem Punkte m ſeyn. Allein dieſer zweite Punkt m iſt nahe um den Halbmeſſer der Bahn von der Erde T weiter entfernt, als der erſte Punkt A, und da das Licht 10 Tage braucht, dieſen Halbmeſſer zu durchlaufen, ſo würden wir ihn nicht nach 250 Tagen, ſondern um 10 Tage ſpäter, alſo erſt in 260 Tagen nach jener Epoche in dem Punkte m ankommen ſehen, weil näm - lich das von ihm in dem Augenblicke, wo er in m ankömmt, aus - geſendete Licht erſt in 10 Tagen nach der Ankunft des Sterns in m bei der Erde in T ankommen kann, weil wir die Botſchaft dieſer Ankunft des Sterns in m erſt in 10 Tagen nach derſelben durch das Licht erhalten können. Daſſelbe wird auch von dem Punkte B gelten, von welchem das Licht bis zu uns zu kommen, 10 Tage mehr, als von m, alſo auch 20 Tage mehr als von A brauchen wird. Die Folge davon iſt, daß der Satellit die erſte Hälfte ſeiner Bahn Am B, oder daß er die gerade Linie Sm hin und zurück, nicht in 500 Tagen, wie er in der That thut, ſondern für uns erſt in 520 Tagen zurück zu legen ſcheinen wird.

Der umgekehrte Fall wird in der zweiten Hälfte Bn A ſei -333Doppelſterne.ner Bahn eintreten. Wenn wir nämlich den Satelliten am 520ſten Tage nach der erſten Beobachtung in dem entfernteſten Punkte B ſeiner Bahn, oder wieder bei ſeinem Centralſtern S erblicken, ſo wird er nach weiteren 250 Tagen zwar in der That genau den vierten Theil ſeiner Bahn zurückgelegt haben, aber für uns wird er in derſelben Zeit einen größeren Bogen zu durchlaufen ſcheinen, weil nämlich das Licht, ſo wie der Satellit von B nach n vor - rückt, immer einen kürzeren Weg, bis zu uns zu gelangen, ha - ben, alſo auch immer eine kürzere Zeit dazu verwenden wird. Er wird uns daher wieder in 10 Tagen früher in n und 20 Tage früher in A erſcheinen, als dieß geſchehen würde, wenn entweder der Durchmeſſer der Bahn viel kleiner, oder wenn die Geſchwin - digkeit des Lichtes noch vielmal größer wäre, als ſie in der That iſt.

Wir werden alſo den Satelliten die erſte Hälfte ſeiner Bahn in 520 und die zweite in 480 Tagen durchlaufen ſehen. Die Summe beider Zahlen beträgt tauſend Jahre, oder die wahre Um - laufszeit des Satelliten, wie dieß ſeyn muß, weil dieſe von der Langſamkeit des Lichtes verurſachten Ungleichheiten zu beiden Sei - ten der Geſichtslinie TB ſich wieder aufheben. Jene beobachteten Hälften der Umlaufszeiten ſind daher um 20 Tage, d. h. um eben ſo viel Tage verſchieden, als das Licht braucht, um den Durch - meſſer AB der Bahn zu durchlaufen. Da aber das Licht, wie be - kannt, in jedem Tage 3620 Millionen Meilen durchläuft, ſo be - trägt die wahre Größe des Durchmeſſers dieſer Bahn 72400 Mill. Meilen.

Wenn man aber einmal zu der Kenntniß der abſoluten Größe des Halbmeſſers Sm der Bahn eines Doppelſterns gekommen iſt, ſo iſt es ſehr leicht, auch die Diſtanz ST des Centralſterns S von der Erde T zu finden. Zu dieſem Zwecke braucht man nur, wenn anders der Durchmeſſer mn, in welchem der Satellit einher zu gehen ſcheint, ſenkrecht auf die Geſichtslinie TS ſteht, den Winkel STm zu meſſen, welchen die Diſtanz Sm des Satelliten in ſeiner größten Entfernung von dem Centralkörper in dem Auge des Beob - achters macht, und dann den bereits gefundenen Halbmeſſer Sm durch den Sinus dieſes Winkels zu dividiren, um ſofort auch die ge -334Doppelſterne.ſuchte Diſtanz ST des Centralſterns zu erhalten. Iſt dieſer Winkel STm in unſerem Beiſpiele gleich 10 Secunden, ſo erhält man ſo - fort TS = 74668000 Millionen oder 747 Billionen Meilen, eine Diſtanz, welche das Licht erſt in 566 Jahren zurücklegen würde.

In den meiſten Fällen wird zwar die Bahn des Satelliten kein Kreis, ſondern eine Ellipſe ſeyn, und die zweite Axe dieſer Ellipſe wird nur ſelten nahe ſenkrecht auf die Geſichtslinie ſtehen. In ſolchen Fällen wird es nöthig ſeyn, die Lage dieſer großen Axe gegen die Geſichtslinie auf dieſelbe Art zu beſtimmen, wie man bei den Planetenbahnen die Lage ihrer Axen beſtimmt. Geſetzt, man hätte den Winkel der großen Axe mit der Geſichtslinie gleich 44° 26′ gefunden, ſo wird man nur die vorhin gefundene Entfer - nung, von 747 Billionen Meilen durch den Sinus dieſes Winkels multipliciren, um die wahre Diſtanz ST des Centralkörpers von der Erde zu finden, die hier 523 Billionen Meilen beträgt.

§. 214. (Bahnbeſtimmung der Doppelſterne.) Zur vollſtändi - gen Kenntniß eines Sterns, deſſen Bewegung um einen anderen man bereits erkannt hat, iſt es nothwendig, die Elemente ſeiner Bahn (vergl. I. §. 142) aus den Beobachtungen zu beſtimmen, ein Geſchäft, das ſchon bei den Planeten und Kometen nicht leicht, hier aber mit ſo vielen Schwierigkeiten verbunden iſt, daß man, ohne den Gebrauch mathematiſcher Formeln, keine Anzeige davon geben kann. Um nämlich den Ort des Sternſatelliten am Him - mel für jeden vorhergegangenen oder künftigen Augenblick zu be - ſtimmen, muß man die ſechs unterſcheidenden Kennzeichen ſeiner Bahn, die wir die Elemente deſſelben nennen, aus den Beobach - tungen abzuleiten wiſſen. Dieſe ſind I. die große Axe ſeiner El - lipſe, d. h. hier die Anzahl Secunden, unter welchen uns dieſe Axe erſcheinen würde, wenn ſie ſenkrecht auf der Geſichtslinie ſtünde. II. Die Excentricität dieſer Ellipſe (I. §. 136); III. die Neigung der Ebene der Bahn und IV. die Länge der Knotenlinie (I. 117) derſelben in der Ecliptik, V. die Lage des Periheliums oder der Winkel, welchen die große Axe der Bahn mit jener Kno - tenlinie bildet, und VI. die Epoche, oder die Zeit, wann der Stern - ſatellit durch die große Axe ſeiner Bahn geht.

Eigentlich gibt es aber noch zwei andere Elemente, die bei335Doppelſterne.der Beſtimmung der Planetenbahnen als außerweſentlich wegfallen und hier im Gegentheile die intereſſanteſten, obſchon auch zugleich diejenigen ſind, deren Beſtimmung den meiſten Schwierigkeiten unterworfen iſt. Dieſe Elemente ſind: die Maſſe des Central - körpers in Beziehung auf die Maſſe unſerer Sonne und die Ent - fernung dieſes Centralkörpers von uns. Wir haben im Vor - hergehenden eine Methode angezeigt, dieſe Entfernung zu finden, wenn uns die dazu nöthigen Mittel durch die Beobachtungen ge - geben werden, was aber wahrſcheinlich noch lange nicht geſchehen wird.

Der erſte, der dieſes mit vielen Schwierigkeiten verbundene Geſchäft einer Bahnbeſtimmung der Doppelſterne ausgeführt hat, iſt der ſchon oben erwähnte Savary, der ſeine ſchöne Methode in der Connoiss. des temps für d. J. 1830 mitgetheilt und die - ſelbe auch ſogleich auf den merkwürdigen Doppelſtern ξ Ursae majoris mit viel Glück angewendet hat. Einen ähnlichen Verſuch hat nach ihm Encke in ſeinem aſtron. Jahrbuche f. d. J. 1832 bekannt gemacht und ſeine ſehr eleganten Ausdrücke auf den Dop - pelſtern 70 p Ophiuchi angewendet. Beide haben ihre Rechnun - gen nur eben ſo vielen Diſtanzen Δ und Poſitionswinkel Π aus den Beobachtungen zu Grunde gelegt, als zu ihrem Zwecke unmittelbar nöthig ſind. Der jüngere Herſchel hat dafür in dem 5ten Bande der Mem. of the Astron. Society ein anderes, ſinnreiches Ver - fahren gegeben, die Bahnen dieſer Geſtirne zu beſtimmen, in wel - chen er die beobachteten Diſtanzen Δ als zu unverläſſig völlig ausſchließt und dafür alle Poſitionswinkel, welche man bisher beobachtet hat, ſeiner Rechnung oder vielmehr ſeiner graphiſchen, durch Rechnung unterſtützten Methode zu Grunde legt. Sie ſcheint für den gegenwärtigen Zuſtand unſerer Kenntniſſe dieſer Himmelskörper die ſicherſte und anwendbarſte zu ſeyn.

§. 215. (Elemente der vorzüglichſten Doppelſterne.) Die fol - gende Tafel enthält die merkwürdigſten Elemente derjenigen Dop - pelſterne, deren Bahnen uns bisher bekannt geworden ſind. Die Folgezeit wird uns ohne Zweifel bald über mehrere dieſer Bahnen belehren. Indeß können wir auch ſchon die Früchte der bisherigen Arbeiten der Aſtronomen als im höchſten Grade intereſſant anſehen,336Doppelſterne.beſonders wenn wir bedenken, daß ſie dieſem Gegenſtande ihre Aufmerkſamkeit erſt ſeit 50, und ihren fortgeſetzten Fleiß erſt ſeit kaum 20 Jahren zugewendet haben.

§. 216. (Bemerkungen über einzelne Doppelſterne dieſer Tafel.) Die in dieſer Tabelle zuſammengeſtellten Doppelſterne ſind diejenigen, die wir unter den 6000 bisher beobachteten am beſten kennen. Es wird daher nicht unangemeſſen ſeyn, ihnen noch einige Bemerkun - gen beizufügen.

Der erſte dieſer Sterne, oder γ Jungfrau, beſteht aus zwei gleich großen Sternen, deren jeder nahe der dritten Größe iſt. Schon Bradley, der berühmte Aſtronom der k. Sternwarte zu Greenwich bei London, hat ihn im Jahr 1718 und ſpäter auch T. Mayer in Göttingen i. J. 1756 beobachtet. Zu der letzten Zeit betrug ſeine Diſtanz 7 Secunden, ſo daß man mit jedem guten Fernrohre ſeine Duplicität leicht erkennen konnte. Aber dieſe Diſtanz hat ſeitdem immer abgenommen, und jetzt iſt ſie ſo klein, kaum eine Secunde, daß man ſelbſt mit ſehr guten Fernröhren ihn nur mehr einfach, obgleich etwas länglich ſieht. Im Jahre 1834 ging der Satellit durch ſein Perihelium oder durch den ſeiner Centralſonne nächſten Punkt ſeiner Bahn. Merkwürdig iſt die große Geſchwindigkeit dieſes Satelliten zur Zeit ſeines Perihe - liums, da er in fünf Tagen ſchon einen Grad, alſo in einem Jahre 65 Grade um ſeinen Centralkörper zurücklegt. Wenn er eine337Doppelſterne.Billion Meilen von demſelben entfernt iſt, ſo geht er in einem Tage 3490 Millionen Meilen, während unſere Erde in jeder Secunde 4 Meilen, alſo in einem Tage 345600 Meilen zurücklegt, demnach gegen 10000 mal langſamer geht.

Caſtor, oder der weſtlichere der beiden Sterne, die unter dem Namen der Zwillinge bekannt ſind, iſt ein Doppelſtern, deſſen Diſtanz jetzt nahe fünf Secunden beträgt. Beide Sterne ſind nahe gleich groß. Dieſes Sternenpaar iſt es, das den ältern Herſchel, der daſſelbe vorzüglich eifrig beobachtete, zuerſt auf die Idee brachte, daß dieſe Geſtirne zuſammen gehören und abgeſonderte Sonnen - ſyſteme bilden. Wir beſitzen noch ältere Beobachtungen deſſelben, die Bradley i. J. 1720 und Maskelyne i. J. 1760 angeſtellt hat. Der jüngere Herſchel hat die Bahn dieſes Doppelſterns be - ſtimmt und uns auch eine Ephemeride für die nächſtfolgenden Jahre berechnet. Das erſte Beiſpiel dieſer Art, nach welchem man hat

Daraus folgt, daß wir gegen das Jahr 1860 wahrſcheinlich die Bedeckung dieſer beiden Sterne ſehen werden, die wir bei γ Jungfrau eben jetzt beobachten. Im Jahre 1856 wird der Sa - tellit Caſtors durch ſein Perihelium gehen.

Man bemerke noch die ſehr große Excentricität dieſer beiden erſten Bahnen. In unſerem Planetenſyſtem hat die Junobahn die größte Excentricität, die aber doch nur den vierten Theil der hal - ben großen Axe beträgt, während ſie bei dieſen Sternenbahnen 8 und 9 Zehntheile der Halbaxe ausmacht.

Der Doppelſtern σ nördl. Krone iſt der V. und VII. Größe; die Diſtanz Δ beträgt nur eine Secunde, daher er ſchwer zu meſ - ſen iſt. Die Excentricität ſeiner Bahn iſt etwas über die Hälfte ſeiner großen Halbaxe. Im Jahre 1836 wird der Satellit durch ſein Perihelium gehen.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 22338Doppelſterne.

Der Doppelſtern ξ großer Bär iſt in der unterſten Spitze des hinteren rechten Fußes dieſes Sternbildes, und er beſteht aus zwei Sternen der V. und VI. Größe, die drei Secunden von einander abſtehen. Die Winkelbewegung des Satelliten iſt ungemein ſchnell. Seit dem Jahre 1785 bis auf unſere Tage hat er ſchon über 300 Grade um ſeinen Centralſtern zurück gelegt, ſo daß man ſeine Umlaufszeit ſchon ſehr nahe kennt, wodurch die Berechnung ſeiner übrigen Elemente ſehr erleichtert wird. Im Jahre 1817 ging der Satellit durch ſein Perihelium. Die ſehr kurze Umlaufszeit die - ſes Sternſatelliten iſt merkwürdig, da ſie 23 Jahre kürzer iſt, als die des Planeten Uranus, welcher letzte 84 Jahre beträgt.

Der Doppelſtern 70 p Schlangenträger beſteht aus zwei Ster - nen der VII. und VIII. Größe, deren Diſtanz 4 Secunden beträgt. Die oben angegebenen Elemente werden wahrſcheinlich noch eini - ger Correctionen bedürfen, da die bisherigen Beobachtungen nicht geeignet ſind, die Bahn mit Genauigkeit zu beſtimmen.

Von dem merkwürdigen Sternenpaar 61 Schwan, nach Flam - ſtead’s Verzeichniß ſo genannt, iſt für das Jahr 1834 die Recta - ſcenſion 314° 51′,7 und die Poldiſtanz 52° 3′,6. Er ſteht daher nahe ſüdöſtlich bei dem ſüdlichen Fuß des Schwans in der Nach - barſchaft der Milchſtraße. Die Rectaſcenſion nimmt jährlich um 39″,9 zu und die Poldiſtanz um 17″,4 ab. Von dieſen Verän - derungen gehört ein Theil der Präceſſion (I. Kap. XII. ), die allen Sternen gemein iſt. Dieſe beträgt für ihn 34″,9 in Rectaſcenſion und 14″,0 in Poldiſtanz. Alſo iſt die eigene Bewegung die - ſes Sterns in Rectaſcenſion 5″,0 und in Poldiſtanz 3″,4, grö - ßer, als ſie noch bei irgend einem Fixſterne gefunden wurde. Während alſo der Satellit ſich um ſeinen Centralkörper bewegt, gehen beide Sonnen zugleich unter den anderen Sternen des Himmels fort. Dieſe beiden merkwürdigen Sterne ſind der VI. und VII. Größe und ihre Diſtanz iſt 15 Secunden. Obſchon wir eine ältere Beobachtung derſelben von Bradley aus dem Jahre 1753 haben, ſo ſind doch die Elemente der Bahn noch nicht mit hinlänglicher Genauigkeit beſtimmt worden.

Der Doppelſtern ζ Krebs beſteht aus zwei Sternen der V. und339Doppelſterne.VI. Größe, deren Diſtanz 6 Secunden beträgt. Die Bahn ſcheint nahe kreisförmig mit einer Umlaufszeit von 55 Jahren zu ſeyn.

Der Doppelſtern η nördl. Krone endlich beſteht aus zwey Sternen der V. und VI. Größe mit der ſehr kleinen Diſtanz von kaum einer Secunde. Auch die Bahn dieſes Sterns ſcheint ſehr nahe kreisförmig zu ſeyn und die große Axe ſenkrecht auf der Geſichtslinie zu ſtehen.

Noch erwähnen wir hier des Doppelgeſtirns ξ Bootes (Größe V. und VIII. mit der Diſtanz von 9 Secunden), deſſen Bahn unter allen bisher bekannten am ſchiefſten gegen uns liegt, daher wir ſie nur als eine gerade Linie ſehen. Die Umlaufszeit beträgt nahe 117 Jahre.

§. 217. (Das allgemeine Geſetz der Schwere wird auch von den Doppelſternen befolgt.) Es läßt ſich mit geometriſcher Schärfe beweiſen, daß wenn ein Körper um einen andern in einer Ellipſe einhergeht, in deren einem Brennpunkte der andere Körper liegt, die Anziehungskraft des letzteren ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung des angezogenen Körpers von dem an - ziehenden verhält. Dieß iſt, wie die Beobachtungen zeigen, der Fall bei allen Planeten und Satelliten unſeres Sonnenſyſtems, woraus wir den Schluß gezogen haben, daß die Sonne auf die Planeten, und daß dieſe Planeten auf ihre Satelliten nach dem von Newton entdeckten Geſetze der allgemeinen Schwere wirken. Allein daſſelbe iſt auch, wie wir ſo eben geſehen haben, der Fall bei den Doppelſternen, die ebenfalls in Ellipſen ſich um ihren Centralkörper bewegen, der immer den einen Brennpunkt dieſer Ellipſe einnimmt. Wir werden daher berechtigt ſeyn, anzunehmen, daß daſſelbe Geſetz, welches alle Bewegungen unſeres Planetenſy - ſtems regelt, auch jenſeits der Gränze dieſes Syſtems ſtatt habe, und daß es daher wahrſcheinlich das allgemeine Geſetz der ganzen Natur iſt.

§. 218. (Farben der Doppelſterne.) Noch haben wir einer Eigenthümlichkeit dieſer Sternenpaare zu erwähnen, die ſelbſt für den bloßen Anblick derſelben zu auffallend iſt, als daß ſie hier übergangen werden dürfte.

Unter den einfachen Sternen des Himmels ſieht man gewöhn -22 *340Doppelſterne.lich nur ſolche, die in einem weißen Lichte glänzen, das mehr oder weniger der gelben Farbe ſich nähert und nur ſelten in das Röthliche übergeht. Unter den letzten oder den rothen Sternen zählten die Alten ſchon den Arctur, Aldebaran, Pollux, Antares und α Orion auf, die uns auch jetzt noch in derſelben Farbe er - ſcheinen. Aber auch Sirius wird von ihnen als röthlich beſchrie - ben, da er uns doch durch ſeine blendend weiße Farbe auffällt.

Allein blaue oder grüne Sterne hat man, unter den ein - fachen Fixſternen, bisher nicht entdeckt. Alle Farben derſelben ſind, wenn ſie nicht weiß ſind, von dem unteren Ende des bekann - ten Sonnenſpectrums genommen, wo die rothe und beſonders die gelbe Farbe vorherrſcht, keine aber von dem obern Ende, wo die blaue und grüne Farbe überwiegt.

Nicht ſo iſt es bei den Doppelſternen. Bei dieſen hat ge - wöhnlich der größere oder der Centralſtern eine weiße Farbe, die aber auch ſehr oft ins Gelbe, ſeltener jedoch ins Rothe fällt, ganz wie bei den einfachen Sternen, während im Gegentheile der ihn begleitende Satellit in den allermeiſten Fällen blau oder grün oder blaugrün iſt. Doch gibt es auch andere, obgleich ſeltenere Fälle, wo der große weiß oder gelb und der kleine roth, oder wo der große orange und der kleine grün, oder wo auch beide zu - gleich blau ſind, und nicht ſelten erſcheinen dieſe Farben ſo aus - geſprochen und lebhaft, daß ſie ſchon auf den erſten flüchtigen Anblick derſelben auffallend hervortreten.

§. 219. (Complementäre Farben.) Jedermann kennt das Son - nenſpectrum oder das längliche Farbenbild, das man erhält, wenn man durch eine enge Oeffnung eines verſchloſſenen Zimmers die Sonnenſtrahlen eintreten läßt, und ſie, nachdem man ſie durch ein Glasprisma geleitet hat, auf einer der Oeffnung gegenüberſtehen - den Tafel auffängt. In dieſem Spectrum unterſcheidet man ge - wöhnlich ſieben Farben, obſchon es angemeſſener wäre, deren nur ſechs zu bezeichnen, von welchen die eine in die andere durch all - mählige Abſtufungen übergeht. Der unterſte Theil deſſelben iſt nämlich roth und dann folgen aufſteigend die orange, gelbe, grüne, blaue, indigo und violete Farbe. Die beiden letzten ſollte man unter der gemeinſchaftlichen Benennung violet zuſammenfaſſen,341Doppelſterne.da ſie doch beide nur Abſtufungen der in das Rothe ſpielenden blauen Farbe ſind. Newton, der zuerſt ſieben Hauptfarben an - nahm, ſcheint dieſe Zahl einer kleinen Schwärmerei zu Liebe vor - gezogen zu haben, indem er ſie mit den ſieben Tönen der Octave, mit den ſieben Planeten, und mit andern myſtiſchen Eigenſchaften dieſer für heilig gehaltenen Zahl in Verbindung bringen wollte.

Von dieſen ſechs Farben, roth, orange, gelb, grün, blau und violet, nennt man nun die drei: roth, gelb und blau, primäre und die drei anderen: orange, grün und violet ſecundäre Farben. Jene heißen primär, weil man aus ihnen durch Miſchung alle andern Farben erzeugen kann.

Theilt man nun die Peripherie eines Kreiſes in ſechs gleiche Theile, und nennt den erſten Theil roth, den zweiten angränzenden orange, den dritten gelb, dann grün, blau und violet, ſo liegt in der ſo bezeichneten Figur jeder primären Farbe diejenige ſecundäre gegenüber, die aus der Miſchung der beiden anderen primären Farben entſteht. So liegt z. B. der primären rothen Farbe die ſecundäre grüne gegenüber, und die grüne Farbe entſteht, wie allgemein bekannt, aus der Miſchung der beiden primären Farben gelb und blau. Man nennt aber dieſe den drei primären Farben gegenüberſtehenden ſecundären Farben die complementären von jenen primären Farben. So iſt alſo

  • grün die complem. Farbe von roth,
  • violet gelb, und
  • orange blau.

Man will bemerkt haben, daß je zwei complementäre Farben einen gefälligern Eindruck auf das Auge machen, als z. B. grün und gelb, etwa wie zwei um eine Terze oder Octave entfernte Töne den Ohren angenehmer ſind, als andere. Auch ſollen die complementären Farben entgegengeſetzte chemiſche Eigenſchaften beſitzen, indem die einen eine oxydirende und die andern eine desoxydirende Kraft auf die Körper äußern.

Wie es aber auch mit dieſen und andern Eigenſchaften der complementären Farben beſchaffen ſeyn mag, ſo wollen wir hier nur einer andern Eigenthümlichkeit derſelben erwähnen, die bereits342Doppelſterne.durch Beobachtungen conſtatirt iſt, und ganz beſonders zu unſerm gegenwärtigen Zwecke gehört.

Wenn man nämlich einer ſchwach erleuchteten weißen Fläche ein von den drei primären Farben ſtark gefärbtes, intenſives Licht nahe bringt, ſo erſcheint dieſe weiße Fläche ſogleich in der com - plementären Farbe jenes primären Lichtes. Wird z. B. einem matt erleuchteten weißen Papiere ein ſtarkes rothes Licht genähert, ſo erſcheint das Papier nicht roth, ſondern grün, und war jenes Licht gelb, ſo erſcheint das Papier violet, war endlich jenes Licht blau, ſo wird das Papier orangefarb erſcheinen. Aus dieſer Urſache erblickt man eine weiße Wand voll violeter Flecken, wenn man kurz zuvor das Auge gegen die Sonne gerichtet hat, oder man ſieht dieſe Wand grün oder orange, wenn man kurz zuvor eine rothe oder eine blaue Fläche durch längere Zeit angeſehen hat.

§. 220. (Sind die Farben der Doppelſterne aus dieſem Grunde zu erklären?) Man hat die Meinung geäußert, daß die zwei Farben, in welchen man gewöhnlich die Doppelſterne ſieht, aus dieſen complementären Farben zu erklären ſeyn können, und daß daher dieſe Farben der Sterne nicht reel, ſondern nur optiſche Illuſionen unſers Sehorgans ſind. Der kleine Stern hat ge - wöhnlich nur ein ſchwaches Licht im Verhältniſſe zu den größern. Wenn alſo jener auch an ſich ſelbſt von weißer Farbe iſt, ſo wird er uns doch violet oder bläulich erſcheinen, ſobald er einem großen und intenſiven gelben Sterne, oder grünlich, falls er einem großen rothen Stern nahe ſteht. Beiſpiele für eine ſolche Zuſammen - ſtellung gibt es genug. So iſt bei α Herkules und η Caſſiopeia der große roth und der kleine grün; bei ζ Orion, ι Cancer, β Cygnus, Θ Centaurus der große gelb und der kleine blau u. ſ. w.

Allein auch an zahlreichen Ausnahmen von dieſer ſogenannten Regel fehlt es nicht. So findet man ſehr oft einen kleinen blauen Stern neben einem großen weißen, wie in λ Aries, ε Perſeus, β Orion, δ Gemini, α Leo, α Serpens u. f. Da hier weder roth noch gelb iſt, woher ſoll die complementäre blaue Farbe kommen? Bei andern Doppelſternen ſind ſogar beide blau, wie bei δ Serpens, ν Draco, 28 und 59 Andromeda u. f. Bei γ Andro - meda iſt der große orange und der kleine ſmaragdgrün; bei343Doppelſterne.δ Orion iſt der große weiß und der kleine purpurroth; bei ε Ein - horn iſt der große gelb und der kleine blutroth; bei κ im ſüdlichen Schiffe Argo iſt umgekehrt, der große blau und der kleine dunkel - roth; auch findet man mehrere Doppelſterne, wo beide tief gelb, oder beide ſtark roth ſind u. ſ. w.

Alle dieſe und viele andere Beiſpiele zeigen deutlich, daß die vorhergehende Muthmaßung nicht gegründet iſt, und daß wenigſtens bei ſehr vielen, wo nicht bei den meiſten Doppelſternen dieſer Unterſchied der Farben keine optiſche Täuſchung, ſondern eine dieſen Sternen ſelbſt zukommende Eigenthümlichkeit iſt.

Auch gibt es ein einfaches Mittel, ſich von dieſer Eigen - thümlichkeit der Farben der Doppelſterne zu überzeugen. Man darf nur den größeren im Brennpunkte des Fernrohrs mit einem daſelbſt ausgeſpannten dicken Faden bedecken und zuſehen, ob dann der kleine, wenn er auf dieſe Weiſe allein im Fernrohr erſcheint, noch immer ſeine frühere blaue oder grüne Farbe behält. Dieß iſt in der That der Fall mit den Beobachtungen, die man bisher darüber angeſtellt hat, zum Beweiſe, daß dieſe blaue oder grüne Farbe den kleineren Sternen eigenthümlich iſt.

Indeß behauptet der jüngere Herſchel, der doch ſo viele Er - fahrungen über dieſe Doppelgeſtirne geſammelt hat, daß ihm durchaus noch kein Fall vorgekommen ſey, wo der eine der beiden Doppelſterne grün oder blau erſchienen wäre, wenn er nicht zu - gleich ſehr nahe bei einem größeren rothen oder gelben Sterne ſtand, wo alſo jene Farbe des kleinen Sternes allerdings aus der complementären Farbe erklärt werden könnte. Ihm erſcheinen, wie er verſichert, alle Sterne weiß, deren Farbe ſich nicht gegen gelb oder roth neigt, vorausgeſetzt, daß keine Lampe in der Nähe des Beobachters iſt. Nach ſeiner Behauptung ſind alle Farben der Sterne nur aus dem unteren Ende des Spectrums genommen, wo das rothe und gelbe Licht iſt und durchaus keine von dem oberen Ende, wo die blaue und grüne Farbe vorherrſcht. Da aber andere Beobachter dieſe blaue und grüne Farbe ſo oft ſchon geſehen haben, ſo glaubt er den Grund davon in der grünlichen Farbe des Kronglaſes zu finden, die man bei den achromatiſchen Fernröhren ſo oft antrifft. Allein die neueren Fernröhre von344Doppelſterne.Fraunhofer haben dieſe grüne Färbung ihrer Objectivgläſer nicht. Vielleicht daß umgekehrt die Abweſenheit der blauen und grünen Farbe bei Herſchels Teleſcopen in den Metallſpiegeln derſelben zu ſuchen iſt, die bekanntlich, der höhern Politur wegen, viel Kupfer enthalten, welches den rothen und gelben Lichtſtrahlen ein Ueber - gewicht geben und die blauen und grünen Farben beträchtlich ſchwächen mag.

Wir wollen die Entſcheidung dieſes Gegenſtandes unſern Nachkommen überlaſſen, da uns noch die zweckmäßigen Beobach - achtungen dazu fehlen. Es iſt möglich und ſelbſt ſehr wahr - ſcheinlich, daß ſie durch dieſe Unterſuchungen auf ſehr intereſſante Reſultate geführt werden können, wenn anders der Gegenſtand nicht auch für ſie noch mit zu großen Schwierigkeiten verbunden ſeyn wird, um ihn ins Reine zu bringen.

§. 221. (Doppelſterne als Prüfungsmittel der Fernröhre.) Wenn man mit zwei oder mehreren Fernröhren denſelben irdiſchen Gegenſtand, z. B. eine entfernte Thurmſpitze, beobachtet, ſo ſteht man oft an, zu ſagen, mit welchem von dieſen Fernröhren man beſſer ſieht. Sicherer iſt es ſchon, zu dieſem Zwecke ein gedrucktes Blatt in einiger Entfernung vor den Fernröhren aufzuſtellen und für jedes Fernrohr das Blatt ſo lange zu entfernen, bis man aufhört, daſſelbe deutlich leſen zu können. Die Aſtronomen aber, die ſchon gewohnt ſind, die Gegenſtände des Himmels auch zu dieſem Zwecke anzuwenden, pflegen die Güte ihrer Fernröhre da - durch anzugeben, daß ſie ſagen, daſſelbe zeige die Phaſen der Venus, die Streifen Jupiters, den Schatten des Saturnringes u. dgl ſehr deutlich. Allein man ſieht, wie viel dabei noch Un - beſtimmtes zurückbleibt, und daß ſolche Ausſagen keine Baſis zu einer eigentlichen Claſſification der Fernröhre abgeben können.

Anders verhält ſich dieß mit den Doppelſternen. Da es ſich bei der Unterſuchung der Güte eines Fernrohres vorzüglich darum handelt, ob die Strahlen, die von irgend einem Punkte eines Gegenſtandes außer ihm kommen, durch das Objectiv wieder genau in einen einzigen Punkt vereiniget werden, oder mit andern Worten, ob die Bilder, welche die Fernröhre von den Gegenſtän - den machen, ganz rein und vollkommen deutlich ſind, worin345Doppelſterne.eben der Hauptvorzug eines jeden guten Fernrohrs beſteht, ſo werden die Doppelſterne ein ganz vorzügliches Mittel ſeyn, das Daſeyn oder den Mangel dieſes Vorzugs zu beweiſen. Es iſt bereits oben geſagt worden, daß die Fixſterne alle, in guten Fern - röhren, nur als eben ſo viele untheilbare Punkte, ohne allen merklichen Durchmeſſer erſcheinen. Zwar ſieht man ſie öfter als Scheibchen von beträchtlicher Dimenſion, die nicht einmal immer ganz rund und noch überdieß mit Strahlen verſehen ſind. Aber eben dieſe Erſcheinungen ſind nur eben ſo viele Fehler des Fern - rohres, von welchen aber auch ein Theil in der Aberration des Auges liegen mag. Ein geſundes Auge ſoll durch ein vollkommen gebautes Fernrohr alle Sterne, auch die hellſten, als reine Punkte zeigen, und überhaupt alle von jedem einzelnen Punkte eines Gegenſtandes kommende Strahlen, nach der Brechung derſelben, genau wieder in einen einzigen ſcharfen Punkt vereinigen. Die Doppelſterne ſind ſolche Gegenſtände, die nur aus zwei Punkten beſtehen, die überdieß hellglänzend auf dem dunklen Hintergrunde des Himmels ſtehen und daher ganz beſonders geeignet ſind, zu entſcheiden, ob dieſe beiden Punkte ſich auch in ihrem Bilde, in dem Fernrohre, wieder genau als ſolche zeigen. Wenn die beiden Sterne ſehr hell und z. B. beide wenigſtens zu der I. bis V. Größe gehören, und wenn ſie überdieß ſehr nahe bei einander ſtehen, wie Caſtor, γ Jungfrau, ξ großer Bär, ſo wird eine ſehr große Reinheit des Bildes nöthig ſeyn, um dieſe zwei hellen Punkte auf ihrem dunklen Grunde ſcharf abgeſondert und in ihren nächſten Gränzen nicht verwaſchen oder in einander laufend zu ſehen, und im Gegentheile, wenn beide Sterne oder auch nur der eine derſelben ſehr klein iſt, ſo wird eine große raumdurchdringende Kraft des Fernrohrs, wie ſie Herſchel zu nennen pflegte, erforderlich ſeyn, um ſo feine und lichtſchwache Punkte, ſelbſt wenn ſie einzeln am Himmel ſtünden, überhaupt noch ſehen zu können, ſo daß alſo durch die Doppelſterne ſowohl die Kraft, als auch die Richtigkeit der Conſtruction des Fernrohrs ſehr vortheilhaft und ſicher unter - ſucht werden kann, und daß man dadurch gleichſam ein beſtimmtes Maaß erhält, nach welchem man dieſe Inſtrumente unter ſich vergleichen kann.

346Doppelſterne.

Zu dieſem Zwecke folgen hier einige dieſer Doppelſterne, die ſowohl für ſchwächere, als auch für ſtärkere Fernröhre als Prü - fungsmittel gebraucht werden können.

I. Sehr leicht und ſchon durch gewöhnliche achromatiſche Fernröhre von etwa zwei Fuß Focallänge und zwei Zoll Oeffnung laſſen ſich die folgenden Doppelſterne erkennen:

  • ζ Ursae majoris, Diſtanz Δ = 14″ und ſcheinbare Größe III und IV.
  • γ Andromedae, Δ = 11″, Größe III. V.
  • Θ Serpentis, Δ = 22″, Größe IV. IV.
  • κ Herculis, Δ = 31″, Größe V. VI.
  • ζ Lyrae, Δ = 44″, Größe III. IV.

II. Schon ſtärkere Fernröhre, etwa von 4 Fuß Brennweite und 3 oder Zoll Oeffnung erfordern die folgenden:

  • Castor, Δ = 5″, Größe III. IV.
  • π Bootis, Δ = 7″, Größe V. VI.
  • ι Trianguli, Δ = 4″, Größe V. VI.
  • ζ Cancri, Δ = 6″, Größe V. VI.
  • ω Piscium, Δ = 6″, Größe VII. VII.
  • α Ursae minoris, oder der Polarſtern, Δ = 19″, Größe II u. XI, iſt bloß deßhalb ſchwerer zu ſehen, weil der Satellit ſo klein iſt.

III. Fernröhre der beſten Art werden für die folgenden Doppelſterne erfordert:

  • γ Virginis, Δ = 3″, Größe III. III.
  • η Herculis, Δ = 2″, Größe IV. VIII.
  • ε Bootis, Δ = 2″, Größe VI. VI.
  • ω2 Leonis, Δ = 1″, Größe VI. VII.
  • β Orionis (Rigel), Δ = 9″, Größe I und X.
  • η Pleiadum (Atlas), Δ = 1″, Größe V und XII.
  • η Coronae, Δ = 1″, Größe V. VI.
  • γ Coronae, Δ = 2″, Größe IV. VII.
  • σ Coronae, Δ = 1″, Größe V. VII.

IV. Als vorzüglich feine und nur durch ausgezeichnete Fern - röhre erkennbare Doppelſterne können die zwei folgenden gelten:

  • Bei β Capricorni (AR = 20″ 11′, Pold. = 105° 19′), Δ = 3″, Größe XVII. XVIII.
347Doppelſterne.
  • Bei β Equulei (AR = 21′ 14′, Pold. = 83° 54′), Δ = 2″, Größe XIV. XV.

Bei dem letzten dieſer Doppelſterne iſt der Begleiter ſelbſt wieder doppelt. Ein Fernrohr, welches dieſe zwei Doppelſterne deutlich zeigt, iſt zu den ſchwierigſten Unterſuchungen geeignet, und kein Fernrohr ſoll, nach Herſchels Meinung, die Satelliten des Uranus zeigen, wenn es dieſe Prüfung nicht beſteht. So viel mir bekannt, ſind dieſe beiden Doppelſterne nur durch Herſchels zwanzigfüßige Spiegelteleſcope geſehen worden. Fraunhofer gab den Refractoren den Vorzug vor den Reflectoren unter ſonſt gleichen Verhältniſſen, weil, nach ſeiner Aeußerung, die Spiegel viel mehr Licht abſorbiren ſollen, als bei dem Durchgange der Strahlen durch das Objectiv eines achromatiſchen Fernrohrs ver - loren geht. Herſchel iſt der entgegengeſetzten Anſicht, da, nach ihm, die Metallſpiegel nur den dritten Theil des auf ſie fallenden Lichtes abſorbiren. Nach dem letztern ſind unſere Refractoren den Spiegelteleſcopen erſt dann gleich zu achten, wenn die Oeffnung der erſten gleich dem achtzehnten Theile der Oeffnung der Spiegel bei den zweiten iſt, ſo daß z. B. ſeinem 20füßigen Reflector mit einem Spiegel von 18 Zoll im Durchmeſſer, ein Refractor erſt dann gleichgeſetzt werden könnte, wenn die Oeffnung oder der Durchmeſſer der Objectivlinſe des letztern 15 3 / 10 Zolle oder nahe 1 3 / 10 Fuß beträgt, eine Größe, die noch keines unſerer Objective erreicht hat. Der größte Refractor, den wir näher kennen, iſt der, den Fraunhofer für die Sternwarte in Dorpat verfertiget hat. Er hat, ſo wie der von demſelben Künſtler nach Berlin gebrachte, 9 Par. Zoll Oeffnung und 13⅓ Fuß Focallänge. Die dabei angebrachten Vergrößerungen gehen bis 600 mit einem Durchmeſſer des Geſichtsfeldes von 2 3 / 10 Minuten. Von den Herſchel’ſchen Reflectoren hat das von 20 Fuß Focallänge, mit welchem er ſeine meiſten Entdeckungen gemacht hat, einen Spiegel von 18 Zoll im Durchmeſſer; das von 25 Fuß Focallänge hat einen Spiegel von 24 Zoll Oeffnung, und das größte, welches Herſchel verfertigte, das aber, da der Spiegel deſſelben bald matt wurde, nicht lange gebraucht wurde, hat 40 Fuß Focallänge mit einem Spiegel von 48 Zoll oder 4 Fuß Oeffnung. Bei dem348Doppelſterne.20 füßigen konnte er die Vergrößerung bis 2000 und bei dem 40 füßigen bis 7000 treiben, ohne das Inſtrument zu überladen.

§. 222. (Planeten der Doppelſterne.) Da die Doppelſterne ohne Zweifel unſerer Sonne ähnliche Körper ſind, ſo kann man nicht wohl zweifeln, daß auch ſie mehreren Planeten und Kometen, die ſich um dieſe Sonnen bewegen, Licht und Wärme geben werden. Es kann nicht unſere Abſicht ſeyn, die Leſer mit der nähern Beſchaffenheit dieſer ſecundären Himmelskörper bekannt zu machen. Da ſie wahrſcheinlich ihr Licht nur von ihren beiden Sonnen erhalten, ſo werden ſie uns, ihrer großen Entfernung wegen, wohl immer unbekannt bleiben. Indeſſen ſey es uns doch erlaubt, einige Muthmaßungen über die Bahnen dieſer Planeten der Doppelſterne vorzutragen, die ohne Zweifel von den Bahnen unſerer Planeten und Kometen ſehr verſchieden ſeyn werden.

Dieſe letzten bewegen ſich nämlich nur um einen einzigen Centralkörper, die Sonne, und da ſie von dieſer nach dem von Newton entdeckten Geſetze angezogen werden, ſo können ſie nur, wie ſich durch Rechnung mit der größten Evidenz zeigen läßt, entweder Ellipſen oder Hyperbeln beſchreiben; der Kreis und die Parabel ſind zwar auch möglich, aber unendlich weniger wahrſcheinlich, als jene beiden, an ſich ſehr einfachen, krummen Linien.

Allein viel verwickelter werden dieſe Bahnen, wenn die Pla - neten von zwei Sonnen, deren übrigens jede nach demſelben Newton’ſchen Geſetze wirkt, angezogen werden. Wenn man auch die unzähligen Fälle unbeachtet läßt, wo dieſe Bahnen förmliche Schraubenlinien oder Spiralen werden, deren kein Theil mit dem nächſtfolgenden in derſelben Ebene liegt, ſo giebt es doch noch immer unendlich viele andere krumme Linien, deren jede ganz in derſelben Ebene liegt, und die doch unter einander völlig verſchieden und oft auf das ſonderbarſte geſtaltet ſind.

Euler und nach ihm Legendre haben einige der hier ſtatt habenden Fälle näher unterſucht, und ſehr überraſchende Reſultate gefunden, von welchen wir hier nur einige der vorzüglichſten kurz anführen wollen.

Wenn die Maſſen der beiden Sonnen gleich groß ſind, ſo349Doppelſterne.beſchreibt der Planet eine Ellipſe, in deren Brennpunkte jene zwei Sonnen liegen und zwar ſo, daß die Geſchwindigkeiten des Pla - neten in den beiden Endpunkten der großen Axe dieſer Ellipſe gleich groß und daß auch die Zeiten durch die vier Quadranten, d. h. von dem Endpunkte der einen bis zu dem der andern Axe der Ellipſe, von gleicher Größe ſind.

Wenn die Maſſen der beiden Sonnen gleich groß ſind, aber die erſte S' eine anziehende und die andere S' 'eine eben ſo große abſtoßende Kraft hat, ſo beſchreibt der Planet wieder eine Ellipſe, aber nur die eine Hälfte derſelben. Iſt nämlich AmBn (Fig. 20) dieſe Ellipſe, ſind mn und AB die große und kleine Axe derſelben, und liegt die abſtoßende Sonne auf der Seite von n, ſo wird der Planet von m, wo er ſeine größte Geſchwindigkeit hat, nach dem Punkte A gehen, während ſeine Geſchwindigkeit immer abnimmt, bis ſie in dem Punkte A gänzlich verſchwindet. Von da geht der Planet nicht in derſelben Richtung nach n weiter, ſondern wieder zurück durch denſelben Bogen Am, in welchem er gekommen iſt. Wenn er ſo in m mit ſeiner größten Geſchwindigkeit ankömmt, ſo geht er von da weiter bis an den Endpunkt B ſeiner kleinen Axe, wo ſeine Geſchwindigkeit wieder verſchwindet. Von dem Punkte B geht er dann wieder durch den Bogen BmA zurück, um, wenn er in A ankömmt, ſeine vorige Bewegung durch den Bogen AmB zu wiederholen, in welchem er alſo, gleich einem Pendel, ſeine Schwingungen auf - und abwärts immerwährend fortſetzt, ohne je in die übrige Hälfte AnB ſeiner Ellipſe zu kommen.

Unter beſtimmten andern Verhältniſſen der anziehenden Kräfte der beiden Sonnen, in Verbindung mit der Wurfkraft, welche der Planet bei ſeiner Entſtehung erhalten hat, wird er zwar wieder eine Ellipſe, aber eine veränderliche Ellipſe beſchreiben. Wenn er z. B. von dem Punkte A (Fig. 21) der großen Axe A' 'B'' aus - geht, ſo wird er den Bogen ADB beſchreiben, aber dann auf der andern Seite von A' 'B'' einen ſolchen Weg nehmen, daß er, am Ende ſeiner erſten Revolution die Linie A' 'B'' nicht mehr in A, ſondern in dem Punkte A' ſchneidet; von da geht er durch den Bogen A' D' B' und unter der Linie A' 'B'' in einem neuen350Doppelſterne.Bogen ſo weiter, daß er jetzt, am Ende der zweiten Revolution, jene Linie in dem Punkte A' 'ſchneidet. Von dem Punkte A'' geht er nun durch den Bogen A' 'D'' B' 'und durch den ihm entſprechenden unteren Bogen ſo, daß er, am Ende der dritten Revolution wieder nach A', und am Ende der vierten Revolution endlich wieder nach dem Punkt A gelangt, von welchem er aus - gegangen iſt. In andern beſondern Fällen gelangt er erſt nach fünf, ſechs oder mehr Revolutionen zu ſeinem Anfangspunkte, oder er durchſchneidet in den auf einander folgenden Revolutionen die Linie AA' 'und BB' 'allmählig in allen auf einander folgenden Punkten derſelben, ſo daß die Bahn deſſelben immer zwiſchen den beiden Gränzellipſen ADB und A'' D' 'B'' enthalten iſt, zwiſchen welchen die wahre Bahn des Planeten allmählig gleichſam an - ſchwillt und ſich dann wieder contrahirt.

Wieder in andern Fällen wird eine Art von in ſich ſelbſt zurückkehrender Doppellinie beſchrieben, wie man Fig. (22) ſieht. Hier geht der Planet von dem Punkte A ſeiner großen Axe aus durch den Halbkreis AaB der kleinen ellipſenartigen Linie; in B tritt er in die große Ellipſe BCD; in D hat er die Hälfte ſeiner Revolution zurückgelegt, und geht dann durch den Bogen DeBbA wieder zu ſeinem Anfangspunkt A zurück.

Noch zuſammengeſetzter erſcheint die Planetenbahn in Fig. (23), wo drei Ellipſen unter einander verſchlungen ſind, in welchen der Planet nach der Ordnung der Zahlen 1, 2, 3 13, 14 wieder zu ſeinem Anfangspunkt 1 fortſchreitet. Wenn er zum zweitenmal in den Punkt 3 der großen Axe kömmt, hat er die erſte Hälfte ſeiner Revolution geendet, daher dieſer Punkt als der Mittelpunkt der ganzen Bahn betrachtet werden kann, die vier ſogenannte, Knoten in dem Punkte 1, 3 und zwiſchen den Punkten 7, 8 und 13, 14 hat, u. ſ. w.

So mannigfaltig ſind alſo die Bahnen der Planeten der Doppelſterne, ſelbſt wenn man nur diejenigen betrachtet, die, wie unſere Planetenbahnen, ganz in einer einzigen Ebene liegen, und wenn man die Attraction der beiden Sonnen dem Geſetze der allgemeinen Schwere gemäß vorausſetzt. Man ſieht ohne meine Erinnerung, daß ohne dieſe doppelte Beſchränkung die Anzahl und351Doppelſterne.die Complication dieſer krummen Linien noch ungleich größer ſeyn und daß es unſerer mathematiſchen Analyſis, ſo vollkommen dieſe auch ſeyn mag, ganz unmöglich fallen würde, dieſe äußerſt zu - ſammengeſetzten Bewegungen auch nur annähernd zu beſtimmen.

§. 223. (Anblick des Himmels von dieſen Planeten.) Wir haben bereits oben geſehen, welchen ſonderbaren Anblick der Himmel von der Oberfläche des Mondes oder der Satelliten Jupiters und Saturns gewährt. Noch viel auffallender werden aber die Er - ſcheinungen ſeyn, welche derſelbe den Bewohnern der Planeten der Doppelſterne darbietet. Die mannigfaltig verwickelten und in einander geſchlungenen Bahnen der andern Planeten, die wir ſo eben betrachtet haben, werden die Bewohner derſelben, welche dieſe Bahnen wieder von immer geändertem Standpunkte aus betrachten, über die wahre Beſchaffenheit derſelben wahrſcheinlich noch viel ungewiſſer machen, als wir ſelbſt über die Bahnen unſerer Plane - ten Jahrtauſende hindurch geweſen ſind, bis es endlich dem Scharf - ſinne zweier ſeltener Männer, Copernicus und Kepler, gelungen iſt, uns dieſelben näher kennen zu lehren. Denken wir uns noch dazu die Satelliten, die Ringe dieſer Planeten und ein ganzes Heer von Kometen, welche ſie nach jeder Richtung umſchwärmen, alle in einen verhältnißmäßig ſehr kleinen Raum zuſammengedrängt, ſo wird es ſchwer, ſich von dieſem Schauſpiele eine nur einiger - maßen getreue Vorſtellung zu machen. Welchen Eindruck würde nur auf unſer Auge, welche Veränderungen in der ganzen uns umgebenden Natur würde überdieß eine rothe, eine grüne, eine blaue Sonne erzeugen! Wenn auch nur unſer eigenes Sonnen - licht bloß aus weißen Strahlen beſtünde, die ſich nicht in einzelne gefärbte Strahlen zerlegen ließen: wie ganz anders würde uns die ganze Welt erſcheinen. Wir haben bereits oben (II. S. 9.) Gelegen - heit gehabt, die Wirkungen der gefärbten Sonnenſtrahlen auf die Körper der Natur näher anzugeben.

Wenn wir aber dieſe wunderbaren Farbenſpiele der Natur ſchon unſerer einzigen Sonne verdanken, welch ein ganz anderes Schauſpiel mögen in jenen Regionen zwei und mehrere Sonnen von verſchiedenen Farben erzeugen. Eine rothe Sonne erhebt ſich dort über den Horizont des erſtaunten Beobachters und Erde und352Doppelſterne.Himmel ſchwimmt in ihrem Purpurlichte. In wenig Stunden ſchon folgt ihr eine andere, eine blaue, eine grüne Sonne, und plötzlich ändert ſich der Anblick der ganzen Natur. Neue Welten ſcheinen mit dieſen neuen Sonnen vor uns aufzugehen; Erde und Himmel ſind in ſtetem Wechſel begriffen und in Mitten aller dieſer Verwandlungen würden wir die Welt, würden wir uns ſelbſt nicht mehr erkennen. So lange die rothe Sonne ſcheint, wird unſere ganze Erde mit ihrem Roſenlichte übergoſſen ſeyn; wenn ſie untergegangen iſt, und die blaue oder grüne Sonne ſich erhebt, wird wieder alles, ſelbſt die Wüſte und das Meer mit einem azurnen oder ſmaragdenen Teppiche überzogen, und wenn endlich beide Sonnen zugleich über dem Horizonte ſtehen, und die ganze Natur von zwei complementären Farben beleuchtet wird, ſo werden alle Gegenſtände ihr früheres, buntes Kleid ablegen und in einer einförmigen, aſchgrauen Farbe zu trauern ſcheinen. Nicht mehr würden wir, wie bisher, die Dinge um uns an ihren Farben erkennen, da jeder Gegenſtand abwechſelnd in allen Farben er - ſcheinen muß, je nachdem er von dieſer oder von jener Sonne, oder von beiden zugleich beleuchtet wird. Der Himmel würde nicht mehr blau, die Wieſe nicht mehr grün, der Schnee nicht mehr weiß ſeyn, ſondern alles würde, je nach der Tageszeit, in allen Farben ſpielen. Wie ganz anders mag die Optik dieſer guten Leute, und die Farbengebung ihrer Maler beſchaffen ſeyn! Ja ſelbſt die Zeitrechnung derſelben wird von der unſeren verſchieden ſeyn müſſen, da ſie nicht mehr nach Tagen und Jahren zählen können. Vielleicht rechnen ſie nur nach rothen und grünen Zeiten, oder nach gelben und blauen Tagen; vielleicht doch es iſt beſſer, der Imagination meiner Leſer nicht weiter vorzugreifen und ihnen die Vollendung dieſes Gemäldes ſelbſt zu überlaſſen, was ihnen keine Mühe machen kann, da ſie ihrer Einbildungskraft keine Zügel anzulegen brauchen und da ſie zu ihrem Bilde die Farben kaum zu lebhaft nehmen können.

§. 224. (Geſchichte der Entdeckung der Doppelſterne.) Wenn das, was wir bisher über dieſe ſonderbaren Geſtirne mitgetheilt haben, in Beziehung auf den Reichthum, der in dieſen Minen wahrſcheinlich noch verborgen liegt, nur gering erſcheint, ſo mag353Doppelſterne.man bedenken, daß kaum ein halbes Jahrhundert verfloſſen iſt, ſeitdem ſich die Aſtronomen mit dieſem Gegenſtande zu beſchäftigen angefangen haben. Wenn unſere Nachfolger in dem nächſten Jahrhunderte eben ſo fleißig und eben ſo vom Glücke begünſtiget ſeyn werden, als ihre Vorgänger waren, ſo werden ſie wahrſcheinlich den geſtirnten Himmel mit ganz anderen Augen betrachten, als es ihren Vorfahren möglich geweſen iſt.

Es war i. J. 1778, daß der ältere Herſchel (Sir William) zuerſt auf die Doppelſterne aufmerkſam wurde. Er hielt ſie anfangs, wie ſchon oben erwähnt worden iſt, für bloß optiſch doppelte Sterne und wollte ſie demnach zur Beſtimmung der Entfernung derſelben von der Erde benützen. Allein ſchon in den erſten Jahren erkannte er ſeinen Irrthum. Zwar fand er Bewegungen an dieſen Doppelſternen, aber keine ſolchen, die mit der Theorie der Parallaxe (I. Cap. V) übereinſtimmten. Dieſe Bemerkung brachte ihn auf die Idee, daß jene Bewegungen der Doppelſterne von einer Verrückung der Sonne und unſers ganzen Sonnen - ſyſtems kommen mögen, und er glaubte einige Zeit lang, jene Erſcheinungen durch eine Bewegung des Sonnenſyſtems erklären zu können, deren Weg jetzt gegen das Sternbild des Hercules hin gerichtet ſey. Allein auch dieſe Idee wurde bald unrichtig gefunden. Statt weitern Hypotheſen nachzuhängen, zog er es vor, ſeine Beobachtungen mit verdoppeltem Eifer fortzuſetzen, und er lieferte i. J. 1782 und 1785 der k. Academie in London bereits ein Verzeichniß von 702 ſolcher Sternenpaare, die er wiederholt beobachtet hatte.

Erſt nach dem Jahre 1785, alſo mehr als ſieben Jahre nach ſeinen erſten Arbeiten über dieſen Gegenſtand verſuchte er einmal zufällig, den Weg eines dieſer Doppelſterne, ſeinen Beobachtungen gemäß, auf dem Papiere, in Geſtalt einer kleinen Karte, zu ver - zeichnen, und war nicht wenig erſtaunt, zu ſehen, daß der eine dieſer Sterne um den andern, wie ein Planet um die Sonne, ſich bewege. Allein er wagte es nicht, ſeine Entdeckung bekannt zu machen, bis er ſich von der Wahrheit derſelben an mehreren andern Sternen überzeugt hatte. Erſt i. J. 1801 nahm er dieſe Beobachtungen wieder mit neuem Eifer vor, und jetzt erſt, 24 JahreLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 23354Doppelſterne.nach dem Anfange ſeiner Unterſuchungen, ſtellte er, in zwei Ab - handlungen (Philos. Transact. 1802 und 1804) die poſitive Be - hauptung auf, daß es eigene Sternſyſteme gebe, die aus zwei Fixſternen zuſammen geſetzt ſind, von welchen der eine ſich in einer regelmäßigen Bahn um den andern bewege. Er führte in dieſen beiden Memoiren gegen fünfzig Doppelſterne an, bei welchen dieſe Bewegung des einen um den andern durch die Beobachtungen außer Zweifel geſetzt wurde, ja er wagte es ſogar ſchon, von einigen derſelben die Umlaufszeit zu beſtimmen.

Um das Jahr 1815 fing auch Struve in Dorpat an, ſich mit dieſem intereſſanten Gegenſtande zu beſchäftigen. Anfangs beob - achtete er ſie bloß mit ſeinem Mittagsrohre, als aber ſpäter der große 13füßige Refractor Fraunhofers in ſeine Hände kam (und er konnte nicht wohl in beſſere kommen), nahm er dieſe ganze Arbeit nach einem neuen, größeren Plane wieder vor und verfolgte denſelben mit einem Eifer, der von dem ſchönſten Erfolge gekrönt wurde.

Beinahe um dieſelbe Zeit begann der jüngere Herſchel (John Fred. William) vereint mit John South ſeine Beobachtungen der Doppelſterne. Sie machten dieſelben meiſtens gemeinſchaftlich an zwei Aequatorialen, deren Fernröhre 5 und 7 Fuß Brennweite und und 5 Zoll Oeffnung hatten, wovon das letztere von dem berühmten Optiker Tully verfertiget, ſelbſt eine Vergrößerung von 600 noch ſehr gut ertragen ſoll. Die erſten Reſultate ihrer Arbeiten gaben ſie in dem Werke: Observations of 380 double stars, London 1825, heraus. Seitdem haben beide dieſen Gegen - ſtand eifrig verfolgt und Herſchel beſonders gab in den ſechs erſten Bänden der k. aſtron. Geſellſchaft in London mehrere ſehr reiche und ſchätzbare Memoiren über dieſe Doppelſterne heraus. Erſt vor Kurzem iſt er nach dem Cap der guten Hoffnung gereiſt, um ſich dort mit der Beobachtung der Doppelſterne des ſüdlichen Himmels zu be - ſchäftigen, von welchen bereits früher Dunlop, Aſtronom in Port Jackſon in Neuholland, Mehreres bekannt gemacht hat.

Auch Prof. Amici in Modena ſoll mit den von ihm ſelbſt verfertigten Spiegelteleſcopen mehrere Beobachtungen von Doppel - ſternen gemacht haben, die aber bisher noch nicht bekannt geworden355Doppelſterne.ſind. Beſſel hat bei ſeinen Zonenbeobachtungen ebenfalls eine nicht geringe Anzahl von Doppelſternen durch ſeinen Meridiankreis gefunden und in ſeinen Sammlungen der Königsberger Beobach - tungen bekannt gemacht. Auch iſt er der erſte, der bei Gelegenheit ſeiner Unterſuchung des Doppelſterns 61 Schwan mit Beſtimmtheit darauf aufmerkſam gemacht hat, daß die Bewegungen dieſer Ge - ſtirne nach dem von Newton entdeckten Geſetze der allgemeinen Schwere vor ſich gehen. Savary, Encke und der jüngere Herſchel entwarfen, wie bereits oben geſagt wurde, Methoden, die Elemente der Bahnen dieſer Geſtirne aus den Beobachtungen zu berechnen.

Noch muß hier der früheren Verdienſte John Michel’s er - wähnt werden, der ſchon i. J. 1767 darauf aufmerkſam machte, daß die Doppelſterne höchſt wahrſcheinlich nicht optiſch, ſondern phyſiſch doppelt ſeyen. Er war davon bereits ſo überzeugt, daß er in ſeinem Memoir ſchon von der Möglichkeit der Bewegung eines dieſer Sterne um den andern, von eigentlichen Sternſatelliten, ſpricht, die er daher der Aufmerkſamkeit der Aſtronomen ganz beſonders empfiehlt. Hätten dieſe zu den, allerdings bloß theo - retiſchen, aber darum nicht minder begründeten Speculationen des engliſchen Phyſikers mehr Vertrauen gehabt, ſo würden ſie ſchon i. J. 1767 angefangen haben, ſich mit dieſem Gegenſtande zu be - ſchäftigen, und ſelbſt der ältere Herſchel würde ſich ſeine früheren, unrichtigen Hypotheſen erſpart und ſich der Wahrheit, die er durch volle vier und zwanzig Jahre ſuchen mußte, viel ſchneller genähert haben.

23 *[356]

Kapitel XIV. Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.

§. 225. (Verſchiedenheit der Körper des Himmels.) Der ge - ſtirnte Himmel iſt nicht, wie es wohl auf den erſten Blick ſcheint, nur mit einer einzigen Art von Körpern, mit lichten, runden Sternen bedeckt, ſondern die Natur, deren Mannigfaltigkeit in ihren Erzeugniſſen wir ſchon auf der Erde ſo oft zu bewundern Gelegenheit haben, hat dieſen Reichthum ihrer Schöpfungskraft und dieſe Abwechslung von Formen in einem noch viel höheren Grade in dem endloſen Weltraume entwickelt.

Wir haben bereits im vorhergehenden Kapitel von den dop - pelten, von den drei - und vierfachen Sternen geſprochen, von welchen man beſonders die erſten ſo häufig am Himmel trifft. Allein die Fernröhre haben uns noch viel mehr zuſammengeſetzte und offenbar innig zuſammengehörende Syſteme von Fixſternen kennen gelehrt. Sie zeigen uns überdieß noch andere Gegenſtände, die nur mehr als lichte Wolken erſcheinen, die wir aber, wenn unſere Te - leſcope einmal noch mehr vervollkommnet ſeyn werden, wahrſchein - lich auch als ſolche Sternenſyſteme ſehen würden, ſo daß wenigſtens die meiſten derſelben nichts als ungemein entfernte Aggregate von Fixſternen ſind, die uns aber durch unſere, für ihre Auflöſung noch zu ſchwachen Inſtrumente, nur noch unter der Geſtalt von mehr oder weniger lichten Rebeln erſcheinen.

357Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.

§. 226. (Einzelne ſternreiche Gegenden des Himmels.) Selbſt der erſte Anblick des Himmels, mit unbewaffneten Augen, zeigt uns ſchon, daß die Sterne, mit welchen er bedeckt iſt keineswegs gleichförmig auf ihm vertheilt ſind. Wer kennt nicht die ſchöne Gruppe von Sternen am Halſe des Stiers, die unter dem Namen der Pleiaden oder der Gluckhenne bezeichnet wird. Das Haar der Berenice, die Krippe im Krebſe u. f. ſind ähnliche dichtge - drängte Sammlungen von Fixſternen, die zu ſehr von den anderen in ihrer Nähe verſchieden ſind, als daß man ſie nicht als zuſam - men gehörend und gleichſam für ein familienweiſe verbundenes, für ſich abgeſchloſſenes Syſtem von Himmelskörpern zu halten veranlaßt werden ſollte.

§. 227. (Die Milchſtraße.) Was ſollen wir aber erſt von der bereits oben betrachteten Milchſtraße ſagen, von jenem ſchö - nen, hellen Bogen, der in der Geſtalt eines größten Kreiſes durch den Himmel zieht? Einzelne Theile dieſer lichten Zone ſind durch einen ganz beſonders hellen Glanz ausgezeichnet, in anderen Ge - genden derſelben aber ſieht man gleichſam dunkle Oeffnungen und Spalten und ſeitwärts auslaufende Aeſte. Schon mäßige Fern - röhre löſen uns die hellſten Gegenden dieſer Zone in unzählige kleine, dichtgedrängte Fixſterne auf und mit guten Teleſcopen ſieht man, daß dieſe Stellen immer deſto ſternreicher ſind, je heller ſie dem bloßen Auge erſcheinen, zum Beweiſe, daß das Licht dieſer Straße bloß von den in ihr gehäuften und dicht gedrängten Ster - nen kommt, obſchon in der That mehrere Stellen derſelben auch durch unſere beſten Inſtrumente ſich nicht mehr in einzelnen Ster - nen auflöſen laſſen, wahrſcheinlich, weil ſie dort zu entfernt von uns und zu nahe neben einander ſtehen, um noch einzeln von uns erkannt zu werden.

§. 228. (Geſtalt der Milchſtraße.) Der ganze regelmäßige Bau dieſer wunderbaren Zone von wahrhaft unzähligen Sternen zeigt uns, daß ſie ein iſolirtes Syſtem von Sonnen am Himmel bildet, ein Syſtem, zu welchem auch unſere eigene Sonne als ein zwar kleiner, aber doch integrirender Theil deſſelben gehört. Wahrſcheinlich ſind wir nicht eben weit von dem Mittelpunkte dieſes ungeheuern Sonnengebäudes entfernt, weil wir ſonſt,358Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.wenn wir weit außer demſelben wären, daſſelbe nicht mehr unter der Geſtalt eines größten, ſondern nur als einen kleinern Kreis am Himmel erblicken würden. Auch kann dieſes Gebäude nicht die Geſtalt einer regelmäßigen Kugel haben, weil wir ſonſt, nahe aus dem Mittelpunkte derſelben, die Sterne, aus welchem die Milchſtraße zuſammengeſetzt iſt, nach jeder Seite des Him - mels gleich vertheilt oder gleich dicht neben einander ſehen müßten, was doch gegen die Erfahrung iſt. Wir ſind vielmehr veranlaßt, die Geſtalt dieſes Sonnenlagers linſenförmig anzunehmen. Wenn wir nämlich unſer Auge nach der ſcharfen Kante dieſer Linſe richten, ſo ſehen wir die Sterne dicht gedrängt hinter einander ſtehen, während ſie im Gegentheile, je weiter ſie von dieſer Kante entfernt ſind, deſto ſeltener und weiter von einander ſtehend ge - troffen werden, ganz eben ſo, wie wir in der Mitte eines ſchmalen, aber langen Waldes, die Bäume deſſelben in der Richtung der Länge des Waldes ſehr zahlreich und dicht, in der Richtung der Breite aber nur ſparſam und weit von einander entfernt erblicken.

Wenn aber unſer Sonnenſyſtem nicht in der Nähe dieſes gro - ßen linſenförmigen Sternengebäudes, ſondern wenn es weit ſeit - wärts von demſelben entfernt läge, ſo würden wir die ganze Milch - ſtraße auch nicht mehr unter der Geſtalt eines größten Kreiſes des Himmels, ſondern wir würden ſie als einen kleineren Kreis, oder vielmehr als eine Ellipſe ſehen, die aber einem ſolchen kleineren Kreiſe deſto näher kömmt, je mehr unſere Geſichtslinie auf der großen Fläche dieſer Linſe ſenkrecht ſteht. Wenn wir z. B. um den größten Durchmeſſer der Linſe ſenkrecht von ihr abſtünden, ſo würden wir ſie als eine kreisförmige Scheibe von 60 Graden im ſcheinbaren Durchmeſſer, alſo nahe ſo groß ſehen, als uns jetzt das Sternbild des großen Bären erſcheint. In einer Entfernung von zehn Durchmeſſern aber würde dieſe Linſe nur Grade, und in einer Entfernung von hundert ſolchen Durchmeſſern, nur mehr ei - nen halben Grad betragen. In dieſer letzten Entfernung würden wir aber, ſelbſt mit unſeren beſten Fernröhren, die einzelnen Sterne der Milchſtraße nicht mehr erkennen, und das Ganze würde uns nur mehr als eine kleine, matt beleuchtete Wolke erſcheinen.

§. 229. (Andere, ähnliche Gegenſtände des Himmels.) Allein359Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.ſolcher kleinen, matten Lichtwolken ſehen wir mit unſeren Fern - röhren in der That ſehr viele am Himmel. Daß ſie aber keine Wolken ſind, daß ſie nicht unſerer Atmoſphäre, ſondern dem Him - mel ſelbſt angehören, folgt ſchon daraus, daß ſie, ſeit Jahrtauſen - den, weder ihre Geſtalt, noch ihren Ort am Himmel ändern, ſon - dern vielmehr, gleich den eigentlichen Fixſternen, immer dieſelbe Stelle einnehmen.

Der ältere Herſchel hat bereits über dreitauſend ſolcher Him - melswolken entdeckt, und es gelang ihm auch mit Hülfe ſeiner vortrefflichen Teleſcope, viele derſelben in einzelne Sterne aufzu - löſen, zum Beweiſe, daß ſie in der That nichts anderes, als eben ſolche Aggregate von Fixſternen, wie unſere Milchſtraße, ſind. Allein viele derſelben behalten auch in den beſten Fernröhren noch immer ihre frühere Geſtalt von Wolken oder Nebeln bei und dieſe müſſen daher, wenn ſie anders noch aus Sternen beſtehen, noch ungleich weiter, als jene von uns entfernt ſeyn. Doch iſt es auch möglich, daß mehrere von ihnen in der That nur bloße Licht - nebel, alſo Himmelskörper von einer ganz andern Art ſind, als diejenigen, welche wir bisher kennen gelernt haben.

§. 230. (Aeltere Eintheilung dieſer Gegenſtände in Klaſſen.) Derſelbe vortreffliche Beobachter bemerkte bald, daß dieſe Gegen - ſtände, deren er eine ſo bedeutende Anzahl am Himmel gefunden hatte, große Verſchiedenheiten unter ſich zeigten, und er fand es daher für nöthig, zur beſſern Ueberſicht derſelben ſie in acht Klaſ - ſen einzutheilen.

Die erſte Klaſſe enthielt die ſehr hellglänzenden Nebel, die ſich, auch durch ſeine beſten Teleſcope, nicht in Sterne auflöſen laſſen. Herſchel führt derſelben 288 an. Die zweite enthielt 907 lichtſchwache, die dritte 978 ſehr matt ſchimmernde, ebenfalls unauflösbare Nebel. Die meiſten Gegenſtände dieſer drei Klaſſen haben eine völlig unregelmäßige Geſtalt und meiſtens noch ein - zelne Theile, die ſich durch ein helleres Licht von den übrigen un - terſcheiden. In der vierten Klaſſe führt er die ſogenannten planetariſchen Nebel auf, die eine ganz kreisförmige Geſtalt, in allen ihren Theilen durchaus dieſelbe Lichtſtärke und meiſtens noch einen beträchtlichen Durchmeſſer von fünf, zehn und mehr360Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Secunden haben. In dieſe Klaſſe nahm er auch die ſogenannten Nebelſterne und Sternnebel auf (nebulous stars und stellar ne - bulae), von welchen die erſten eigentliche, hellleuchtende Fixſterne mit kreisrunden, nebligen Atmoſphären ſind, deren Gränzen ſich allmählig verlieren, während die anderen aus Fixſternen beſtehen, die mit Nebeln von beſonderer Geſtalt, von der eines Pinſels, eines Fächers, einer Locke, einer Wulſt u. dgl. in Verbindung ſtehen. Die fünfte Klaſſe enthält 52 ſehr große und oft meh - rere Quadratgrade ausgebreitete Nebelſtellen mit auslaufenden Zweigen oder Armen. Die ſechste, ſiebente und achte Klaſſe endlich enthält die eigentlichen Sterngruppen (clusters of stars), oder reiche und dicht gedrängte Sammlungen kleinerer Sterne. Die der ſechsten Klaſſe ſind ſehr ſternreiche, die der ſie - benten dicht gedrängte und meiſtens kreisrunde, und die der achten endlich mehr unordentlich zerſtreute Sammlungen von kleinen Fix - ſternen, deren erſter Anblick aber ſchon zeigt, daß ſie zuſammen gehören und gleichſam ein eigenes Syſtem von Fixſternen am Himmel bilden.

§. 231. (Bemerkungen über dieſe Eintheilung.) Dieſe Son - derung jener Gegenſtände in acht Klaſſen, deren Gränzen, wie man ſieht, nicht ſcharf geſchieden ſind, enthält zu viel Willkührli - ches, als daß ſie lange hätte beibehalten werden ſollen. Sie war um ſo unbequemer, da der ältere Herſchel den Ort derſelben am Himmel nicht unmittelbar, ſondern nur durch ihre Abſtände von bekannten Sternen angegeben hatte. Sein Sohn, der Erbe ſeiner vorzüglichen Teleſcope und ſeines ausgezeichneten Beobachtungsta - lentes, hat es daher vorgezogen, dieſe Gegenſtände ganz ſo, wie wir es bisher mit den Planeten und Fixſternen zu thun pflegten, durch die Rectaſcenſion und Declination derſelben (Einl. S. 31.). anzugeben, was offenbar zweckmäßiger und bequemer zugleich iſt.

§. 232. (Verzeichniſſe dieſer Gegenſtände.) Die älteſten Ver - zeichniſſe dieſer Nebel und Sterngruppen, die des älteren Herſchel, ſind in den Philos. Transact. für die Jahre 1786, 1789 und 1802 enthalten. Aus ihnen hat Bode in ſeinen berl. Jahrbüchern für 1791 und 1794, ſo wie J. W. Pfaff in ſeinem Werke: Schriften Herſchels, Dresden 1826, Ueberſetzungen und Auszüge361Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.gegeben. Der jüngere Herſchel hat erſt in den letzten Jahren die meiſten dieſer Gegenſtände revidirt und nach ſeinen eigenen Beob - achtungen ein Verzeichniß von 2306 Nebeln und Gruppen in den Phil. Transact. für d. J. 1833 gegeben. Noch beſitzen wir ein anderes, kleineres Verzeichniß dieſer Art von Messier (Mém. de l’Acad. de Paris 1771 und Conn. des temps 1783 und 1784), welches aber nur diejenigen Gegenſtände enthält, die noch mit Fernröhren von 3 bis 4 Zoll Oeffnung geſehen werden können.

§. 233. (Nothwendigkeit guter Fernröhre zur Beobachtung dieſer Himmelskörper.) Viele dieſer Gegenſtände ſind nämlich ſo lichtſchwach, daß ſie nur durch unſere beſten Fernröhre gut ge - ſehen werden können, und die meiſten derſelben erfordern auch dann noch die zur Beobachtung vortheilhafteſten Umſtände, eine durchaus reine, wolkenleere Atmoſphäre, Entfernung von Dämmerung, Mondlicht, Beleuchtung durch Lampen u. f. Wie verſchieden viele dieſer Himmelskörper durch verſchiedene Fernröhre erkannt wer - den, kann man ſehen, wenn man die Beſchreibungen vergleicht, die Herſchel und Meſſier von denſelben Nebeln in ihren Katalogen gegeben haben.

§. 234. (Vertheilung derſelben am Himmel.) Wenn man die er - wähnten Kataloge näher betrachtet, ſo ſieht man, daß einige Gegenden des Himmels ſehr reich an dieſen Gegenſtänden ſind, während andere beinahe nichts von ihnen enthalten. Gewöhnlich trifft man ſie in ganzen Lagern neben einander geſchichtet an. Ja man kann ſogar ſagen, daß die meiſten derſelben eine Art Zodiacus, eine Zone bilden, die in der Geſtalt eines größten Kreiſes, wie die der Milchſtraße, über den ganzen Himmel zieht. Dieſe Nebelzone durchſchneidet die eigentliche Milchſtraße unter rechten Winkeln und geht nahe durch die beiden Nachtgleichen-Punkte, oder durch 0h und 12h der Rectaſcenſion. In dieſer Zone findet man ſie am häufigſten, und zwar am meiſten gedrängt in den Sternbildern der Jungfrau, der Berenice und des großen Bären.

Gewöhnlich iſt die äußerſte Gränze dieſer Nebellager ſcharf abgeſchnitten und unmittelbar an dieſen Nebeln iſt der Himmel ſehr rein. Der ältere Herſchel fand dieſe Bemerkung ſo allgemein, daß er immer, ſo oft er auf eine ſolche ganz nebelleere Stelle des362Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Himmels kam, bald darauf ein neues Lager von Nebeln erwartete, und er wurde nur ſehr ſelten in dieſer Erwartung getäuſcht.

§. 235. (Nähere Betrachtung dieſer Gegenſtände.) Da es ohne Zweifel eine ganz vergebliche Mühe ſeyn würde, die Eigenſchaften oder die Beſtimmungen dieſer wunderbaren Himmelsweſen zu erforſchen, in - dem die Kenntniß derſelben noch viel zu neu iſt (Herſchel fing die Be - obachtungen derſelben erſt i. J. 1784 an), um Fragen dieſer Art jetzt ſchon beantworten zu wollen, ſo wird es beſſer und angemeſſener ſeyn, vorerſt noch mehr Beobachtungen über dieſe Weltkörper zu ſammeln. Wir wollen uns begnügen, hier dasjenige kurz zuſam - men zu ſtellen, was aus den bisherigen Beobachtungen der beiden Herſchel als das Vorzüglichſte betrachtet werden kann. Zu dieſem Zwecke wollen wir ſie, nach ihren verſchiedenen Geſtalten abge - ſondert, näher betrachten.

§. 236. (Eigentliche Sterngruppen.) Sterngruppen, oder auch Sternhaufen nennt man diejenigen iſolirten, lichten Stellen des Himmels, die ſich, wenigſtens durch beſſere Fernröhre, durchaus in einzelne Sterne auflöſen laſſen, während ſie mit freien Augen entweder nur als matte Lichtwolken, oder auch, im gewöhnlichſten Falle, gar nicht ſichtbar ſind. Einige derſelben kann man ſchon mit Fernröhren von 3 bis 4 Zoll Oeffnung ſehen, und wir werden dieſe beſonders bemerken, damit die Leſer, die wenigſtens mit ſol - chen Inſtrumenten verſehen ſind, dieſe Gegenſtände am Himmel ſelbſt nachſehen und näher kennen lernen mögen.

Die in den folgenden Angaben aufgeführten Rectaſcenſionen A R und Poldiſtanzen P gehören durchaus für das Jahr 1830 und können daher, da die Durchmeſſer dieſer Gegenſtände meiſtens ſehr bedeutend ſind, auch für 30 Jahre vor - und rück - wärts von dieſer Epoche gelten. Daß zu ihrer Aufſuchung am Himmel ein parallactiſch aufgeſtelltes Fernrohr nothwendig iſt, be - darf keiner weiteren Erläuterung.

Zu dieſen Sterngruppen gehören alſo vorerſt jene, die man ſchon mit freien Augen oder doch mit ſehr ſchwachen Fernröhren, als eigentliche Sammlungen von Sternen, erkennt. Hieher ge - hören:

363Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
  • AR = 3h 39′, P = 66° 30′ die bekannten Pleiaden oder die Gluckhenne am Halſe des Stiers, mit freien Augen ſchon auflösbar.
  • AR = 2h 6′, P = 33° 38′ im Wehrgehenke des Perſeus, dem unbewaffneten Auge als eine lichte Wolke auffallend. Die Gruppe bildet eine Ellipſe, in deren Mitte ein Doppelſtern iſt.
  • AR = 8h 29′, P = 69° 30′ die ſogenannte Krippe im Stern - bilde des Krebſes.
  • AR = 11h 50′, P = 64° 0′ das Haupthaar der Berenice, mit freien Augen ſchon auflösbar.

§. 237. (Teleſcopiſche Gruppen.) Aber ohne uns weiter bei dieſen und ähnlichen bekannten Gruppen aufzuhalten, gehen wir ſofort zu den eigentlich teleſcopiſchen Sterngruppen über, deren man ſo viele am Himmel bemerkt. Ihre Geſtalt iſt beinahe durchaus rund und oft genau kreisförmig; die Sterne, aus wel - chen ſie zuſammengeſetzt ſind, ſcheinen alle gleich groß zu ſeyn, und nur zuweilen findet man einen oder einige größere Sterne in der Mitte dieſer Gruppen. Dieſe größeren Sterne ſind dann oft auch durch eine rothe Farbe ausgezeichnet oder auch eigentliche Doppelſterne. Dieſe Kugelform findet man vorzüglich bei allen jenen Gruppen, deren Sterne ſehr klein und gedrängt ſind, gleich - ſam als wären dieſe in ihrer Ausbildung ſchon weiter vorgeſchrit - ten, während die anderen an ihren Gränzen noch unregelmäßig ſind und oft ſelbſt in Zweige und Arme auslaufen. Die Anzahl der Sterne in den ſehr gedrängten Gruppen iſt oft wahrhaft außeror - dentlich. An ein eigentliches Zählen läßt ſich da nicht mehr denken, aber nach Herſchels Schätzungen ſind oft zehn und ſelbſt zwanzig tauſend Sterne in einem kugelförmigen Raume zuſammen gepreßt, deſſen Durchmeſſer kaum 8 bis 10 Minuten hat, deſſen Oberfläche alſo kaum den zehnten Theil der Oberfläche des Voll - monds beträgt. Gegen die Mitte dieſer Gruppen nimmt die Helle derſelben meiſtens ſtufenweiſe zu, weil dieſe Sterne, wie die Fern - röhre zeigen, immer enger an einander ſtehen, je weiter ſie zum Mittelpunkte vordringen, ſo daß alſo dieſe Centralhelle nicht bloß optiſch iſt, wie ſie auch jede andere, aus völlig gleich weit ab -364Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.ſtehenden Sternen gebildete Kugel zeigen würde, ſondern daß die - ſelben gegen den Mittelpunkt der Kugel in der That näher an einander rücken, was wahrſcheinlich die Folge einer größeren At - traction dieſes Mittelpunktes iſt.

§. 238. (Größe und Entfernung dieſer Gruppen.) Es ſcheint gewagt zu ſeyn, dieſe zahlloſen Sterne, aus welchen jene Gruppen beſtehen, für eben ſo viele Sonnen, gleich der unſerer Sonne, an - zunehmen. Aber wer mag uns widerſprechen, wenn wir behaupten wollten, daß ſie vielleicht noch viel größer ſind, und daß, ſo nahe ſie uns auch an einander gedrängt erſcheinen, ihre wahren Di - ſtanzen doch eben ſo bedeutend ſeyn können, als diejenigen, welche die einzelnen Fixſterne von einander trennen, daß ſie alle Millio - nen, ja Billionen von Meilen von einander entfernt ſeyn mögen. Wenn uns ſolche Behauptungen übertrieben erſcheinen, ſo folgt daraus noch nicht, daß ſie es auch in der That ſind. Für jene Fernen fehlt uns aller Maaßſtab und unſere bloß relativen Be - griffe von Größe finden dort keine Anwendung mehr. Wenn das Licht von zehntauſend Sonnen zuſammen genommen uns doch nur wie das eines Sterns der fünften oder ſechsten Größe erſcheint, ſo muß wohl ihre Entfernung von uns ganz außerordentlich und noch viel größer ſeyn, als ſelbſt die Diſtanz der anderen Fixſterne unter ſich, ſo groß auch dieſe letzte uns erſcheinen mag.

Who can satiate sight In such a scene, where depht, height, breadth Are lost in their extremes, and where, to count The thick-sown glories in this ocean of Suns, Perhaps a Seraph’s computation fails. (Young. )

§. 239. (Natur dieſer Gruppen.) Wie ſich dieß übrigens auch verhalten mag, die Kugelform, die ſcharfe Begränzung und die auffallende Symmetrie des inneren Baues dieſer wundervollen Sonnengebäude zeugt von Einheit des Zwecks und von einer be - ſtimmten, in ſich ſelbſt abgeſchloſſenen Natur dieſer Himmels - körper. Ihr ganzes geheimnißvolles Weſen ſcheint von einer ein - zigen Kraft der Anziehung durchdrungen, von einem eigenen,365Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.gemeinſamen Bande des Zuſammenhangs umſchlungen zu ſeyn, deſſen innere Einrichtung und Organiſation uns wohl immer un - bekannt bleiben wird.

§. 240. (Vorzüglichſte Sterngruppen.) Hier folgen die aus - gezeichnetſten dieſer Gruppen, von denen man mehrere ſchon mit mäßigen Fernröhren erkennen kann.

  • AR = 13h 4′, P = 70° 56′. Eine ſehr ſchöne und ſtark ge - drängte Gruppe, in der Mitte ungemein hell, am Rande etwas ausgezackt. Durchmeſſer der nahe run - den Geſtalt 5 Minuten. Die Sterne ſind ſehr klein, der XII. bis XX. Größe und die Anzahl derſelben un - gemein groß.
  • AR = 13h 34′, P = 60° 46′. Sehr ſchöne, runde Gruppe von 6 Min. Diameter. Sie enthält wenigſtens tauſend Sterne der XI. Größe und darunter. Sie bilden eine helle Stelle gegen den Mittelpunkt, aus welchen gleich - ſam Lichtſtrahlen gegen den Umkreis ausſtrömen.
  • AR = 13h 58′, P = 60° 40′. Sehr große, reiche Gruppe von 10 Min. Diameter. Die Sterne ſind der XII. und XVIII. Größe. Die Gruppe hat keinen lichten Kern und die Sterne ſind gegen die Mitte der Gruppe un - gemein gedrängt und ſelbſt für ſtarke Fernröhre unauf - lösbar.
  • AR = 15h 10′, P = 87° 16′. Sehr ſchöne und gedrängte ku - gelförmige Gruppe. Die Beleuchtung derſelben wächst ſtark gegen die Mitte, wo die Sterne nicht mehr ge - trennt werden können. Der Durchmeſſer des Ganzen iſt 2 ½ Minuten. Die ganze Nachbarſchaft um dieſe Gruppe iſt ſternenleer.
  • AR = 16h 35′, P = 53° 12′. Sehr reiche Gruppe von unregelmä - ßiger Geſtalt ohne eigentlichen Kern, der Rand gleich - ſam behaart. Die Sterne der X. und XV. Größe ſehr dicht ſtehend. Diameter 8. Min. Dieſe Gruppe ſteht zwiſchen η und ζ Hercules und iſt am Ende die - ſes Werkes abgebildet.
366Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
  • AR = 16h 48′, P = 93° 50′. Eine runde Gruppe von zerſtreut ſtehenden Sternen, 10 Min. Durchmeſſer, ohne eigent - lichen Kern.
  • AR = 17h 47′, P = 108° 58′. Große, reiche, nicht ſehr ge - drängte Gruppe von 60 bis 80 Sternen, die größten - theils in regelmäßigen krummen Linien zu liegen ſcheinen.
  • AR = 18h 26′, P = 114° 1′. Sehr ſchöne, kugelförmige Gruppe, allmählig heller gegen die Mitte, aber ohne eigentlichen Kern. Die Sterne der XII. bis XX. Größe ſcheinen durchaus gleich vertheilt und die Gränze des Ganzen verwaſchen.
  • AR = 18h 43′, P = 96° 28′. Schöne, aber unregelmäßige Gruppe von nahe 12 Min. Diameter. Die Sterne alle der XII. Größe mit einem größeren der IX. Größe in der Mitte. Das ganze Bild ſcheint in fünf oder ſechs verſchiedene Gruppen gebrochen zu ſeyn.
  • AR = 19h 10′, P = 60° 7′. Schöne, gedrängte Gruppe, die nahe die Geſtalt eines Dreiecks hat. Reich, ohne Kern. Größter Durchmeſſer 3 Minuten. Die Sterne von verſchiedener Größe.
  • AR = 19h 23′, P = 81° 7′. Sehr reich und gedrängt. Im ſüdlichen Theile der Gruppe iſt ein Doppelſtern. Dia - meter 40 Secunden.
  • AR = 21h 22′, P = 78° 34′. Groß, licht, unregelmäßig rund, gegen die Mitte heller, als wenn hier die Gruppe eine wulſtige Erhöhung hätte. Aus dem Mittelpunkte ſchei - nen Lichtſtreifen gegen die Peripherie zu gehen.
  • AR = 21h 25′, P = 91° 34′. Schön, groß, rund, auflösbar. Gegen die Mitte ſehr hell, gleichſam flammend, ob - ſchon hier die Sterne nicht dichter ſtehen. Der An - blick der Gruppe gleicht dem eines Haufen Goldſandes. Der hellſte Theil des Ganzen beträgt 6 Secunden im Durchmeſſer, und das Licht deſſelben gleicht dem eines Sterns der VI. Größe.
  • AR = 23h 48′, P = 34° 14′. Sehr ſchöne, große, runde Gruppe von 15 Min. Diameter, ſehr reich an dicht gedrängten367Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Sternen. Das Ganze wird allmählig lichter gegen die Mitte, aber ohne Verdichtung zu einem eigentlichen Kern. Die Sterne ſind der X. bis XVIII. Größe.

Von denjenigen Gruppen, die einen ausgezeichnet gefärbten Stern in ihrer Mitte haben, kann man bemerken:

  • AR = 2h 10′, P = 33° 38′. Groß und ſchön, gegen die Mitte heller. Dieſe Gruppe ſteht nahe bei der oben erwähn - ten großen Gruppe des Perſeus. Mit einem rothen Stern in der Mitte.
  • AR = 5h 8′, P = 50° 51′. Eine reiche Gruppe mit einem Stern der VII. Größe, der orangefarb iſt.
  • AR = 21h 25′, P = 39° 10′. Schöne, runde Gruppe von Ster - nen der XV. bis XX. Größe, 8 Minuten Diameter. In der Mitte ein röthlicher Stern der X. Größe.
  • AR = 21h 38′, P = 37° 5′. Ein ſehr merkwürdiger Gegenſtand, nämlich ein ovaler Ring von kleinen, nahe an einander ſtehenden Sternen gebildet und in der Mitte des Rings ein Stern der IX. Größe von rother Farbe.

Gruppen, mit Doppelſternen in ihrer Mitte, finden ſich eben - falls mehrere am Himmel, z. B.

  • AR = 2h 31′, P = 47° 57′. Eine ſchöne Gruppe von nahe zwanzig Sternen der IX. bis XI. Größe und vielen andern kleineren. In der Mitte derſelben ein Doppel - ſtern.
  • AR = 4h 57′, P = 52° 51′. Gut begränzte Gruppe von nahe 30 Sternen mit einem Doppelſtern.
  • AR = 6h 43′, P = 89° 21. Eine reiche, gleichſam in drei Aeſte geſpaltene Gruppe, in deren Hauptſtelle ein Doppel - ſtern.
  • AR = 8h 5′, P = 95° 16. Schöne, große, reiche Gruppe von Sternen der IX. bis XIII. Größe, zwiſchen welchen aber der Hintergrund des Himmels mit unzähligen, klei - nen, lichten Punkten wie beſäet erſcheint. In der Mitte des ganzen Gebäudes ein Doppelſtern.
  • AR = 19h 59′, P = 54° 42′. In einer Gruppe von 5 hellen und vielen andern kleineren Sternen iſt ein Doppelſtern.
368Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
  • AR = 20h 1′, P = 69° 23′. Eine Gruppe von vielen Sternen der X. bis XIII. Größe. Der größte unter ihnen iſt ein Doppelſtern.
  • AR = 21h 2′, P = 39° 50′. Eine ſonderbare, zerſtreute Gruppe, in welcher mehrere dreifache Sterne.
  • AR = 23h 48′, P = 29° 44′. Sehr reiche Gruppe von 4 Min. Durchmeſſer. Die Sterne der XII. Größe; einer unter ihnen iſt ein Doppelſtern.

Hieher gehört auch die bereits erwähnte Gruppe, die Krippe im Krebs, in deren Mitte ebenfalls ein Doppelſtern ſteht, ſo wie in der Gruppe des Wehrgehenkes im Sternbilde des Perſeus.

Die angeführten Doppelſterne ſind meiſtens, aber nicht immer, in der Mitte der ganzen Gruppe und gewöhnlich größer, als alle übrigen Sterne. Doch trifft man auch zuweilen andere Gruppen, in welchen die kleinen, oft ſehr dicht ſtehenden Sterne um einen großen, lichten Centralſtern gelagert und gleichſam angereiht ſind, wie z. B. in AR = 8h 38′ und P = 76° 47′.

Einer dreieckigen Gruppe haben wir ſchon oben erwähnt.

Eine andere von derſelben Geſtalt findet man in AR = 23h 56′ und P = 111° 40′. Auch eine viereckige Gruppe ſieht man in AR = 19h 23′, P = 70° 5′; ſie iſt 3 Min. lang und 2 Min. breit und beſteht aus ſehr gedrängten Sternen der XIV. bis XVIII. Größe.

In AR = 23h 4′, P = 30° 21′ ſieht man eine andere helle Gruppe, die aus zwei geraden Linien von dicht an einander ge - ſtellten Sternen beſteht, zwiſchen welchen mehrere andere, kleinere ausgeſtreut ſind.

Das Vorhergehende wird genügen, dem Leſer von dem Reich - thume dieſer Sterngruppen einen angemeſſenen Begriff zu geben.

§. 241. (Nebelmaſſen des Himmels.) Es wurde bereits oben bemerkt, daß auch die eigentlichen Sterngruppen, durch mäßige Fernröhre beſehen, nur wie mehr oder weniger lichte Nebel erſchei - nen, während ſie doch durch ſtärkere Inſtrumente in die einzelnen Sterne aufgelöst werden, aus welchen ſie in der That zuſammen - geſetzt ſind. Wahrſcheinlich iſt dieß auch der Fall mit den meiſten derjenigen Himmelskörper, die uns, auch durch unſere beſten369Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Teleſcope beſehen, immer noch als Nebel erſcheinen, während ſie doch in noch viel beſſeren Fernröhren, als diejenigen ſind, zu welchen es die Kunſt bisher gebracht hat, ſich ohne Zweifel eben - falls in Sterne auflöſen würden. Dieſe ſind daher nur wieder als eigentliche Sterngruppen zu betrachten, deren Sterne aber entweder zu klein, oder zu lichtſchwach, oder endlich zu weit von uns entfernt ſind, um noch deutlich unterſchieden zu werden. Doch mögen auch viele unter dieſen wundervollen Weſen des Himmels ſeyn, welche nicht mehr aus eigentlichen Sternen zuſammen - geſetzt ſind: Weſen eigener Art, die als wahre Lichtnebel für ſich beſtehen und keineswegs als bloße optiſche Erſcheinungen betrachtet werden können.

Es gibt in der That ganze große Gegenden des Himmels von mehreren Quadratgraden, die völlig mit dieſer Nebelmaſſe überzogen ſind. Dieſe Gegenden zeichnen ſich nicht bloß durch ihr helleres Licht vor dem übrigen dunklen Rande des Himmels, ſondern auch durch ein eigenes ſchuppen - oder flockenartiges An - ſehen aus, und es erfordert nur eine geringe Uebung des Auges, um zu ſehen, daß ſie keineswegs bloß die Wirkung ſehr dicht ſtehender, entfernter Sterne ſeyn können. Ja oft ſieht man dieſe Nebel in einer ſo unmittelbaren Verbindung mit eigentlichen hellen Fixſternen, daß man den weſentlichen Unterſchied zwiſchen dieſen beiden Gattungen von Himmelskörpern nicht weiter ver - kennen kann, wie wir weiter unten bald näher ſehen werden.

Wir wollen uns hier wieder darauf beſchränken, die vorzüg - lichſten dieſer eigentlichen Nebel zur beſſern Ueberſicht, nach ihrer äußern Form in Klaſſen geordnet, näher anzuführen.

§. 242. (Sehr große und weit verbreitete Nebel.) Dieſe ſind gewöhnlich ſehr lichtſchwach und in ihren Gränzen ſehr unbeſtimmt und verwaſchen, daher man ſie nur mit ſehr ſtarken Fernröhren ſehen kann. Bei den folgenden iſt die Ausdehnung derſelben in Quadratgraden angegeben, wobei man bemerken kann, daß die Oberfläche der Sonne oder des Mondes für uns nahe den vierten Theil eines Quadratgrades beträgt. Wenn es daher von einem ſolchen Nebel heißt, daß er fünf Quadratgrade einnimmt, ſo heißt dieß, daß er in ſeiner Oberfläche zwanzigmal größer, als dieLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 24370Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Sonne, erſcheint. Ein Nebel von acht Quadratgraden wird eben ſo eine 32mal größere ſcheinbare Fläche haben, als die Sonne. Wenn alſo in dem letzten Falle ein ſolcher Himmelskörper auch nur ſo weit, wie der nächſte Fixſtern, das heißt, wenn er vier Billionen Meilen (I. S. 166.) von uns entfernt iſt, ſo wird der wahre Durchmeſſer deſſelben ſchon gegen 200000 Millionen Meilen betragen, alſo 500mal größer ſeyn, als der Umfang der ganzen Uranusbahn, deren Durchmeſſer 840 Mill. Meilen beträgt. Eine Ausdehnung, von welcher auch die lebhafteſte Phantaſie ſich keinen angemeſſenen Begriff mehr zu machen im Stande iſt.

Herſchel hat die Flächenräume aller von ihm beobachteten Nebel dieſer Art in eine Summe gebracht und dieſe über 200 Quadratgrade groß gefunden, ſo daß daher die Menge des in dem Weltraume zerſtreuten Nebels in der That an das Ungeheure zu gränzen ſcheint.

§. 243. (Größere, unregelmäßige Nebel.) Dieſe Gattungen von Nebeln ſind zwar kleiner, als die vorhergehenden, übertreffen aber doch die Oberfläche der Sonne oder des Mondes oft noch vielmal; ſie ſind überdieß an ihrem Rande meiſtens ſchärfer be - gränzt und haben eine noch ſehr unregelmäßige Form. Oefter entdeckt man an ihnen auffallend hellere Stellen, in welchen das Licht gleichſam concentrirt erſcheint, und dieſe Stellen ſind meiſtens abgerundet oder nahe kreisförmig.

Einen ſolchen Nebel ſieht man z. B. in AR = 12h 5′, P = 74° 9′. Er hat die Geſtalt eines langen, an ſeinen Enden unregelmäßigen Streifens von 10 Min. Länge und nahe bei ſeiner Mitte eine helle, kernartige Stelle. Einen noch viel größeren ſieht man in AR = 20h 53′, P = 46° 20′, deſſen Gränzen aber ſehr ſchwach und unbeſtimmt ſind. In AR = 8h 30′ und P =371Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.119° 21′ iſt ein, vielleicht durch ſtärkere Fernröhre auflösbarer Nebel, der die Geſtalt des Buchſtabens X hat und ſich über ſechs Minuten im größten Durchmeſſer erſtreckt. In AR = 18h 11′, P = 106° 15′ iſt ein anderer großer Nebel, der die Geſtalt eines Ω hat. Einige Stellen deſſelben ſind in der That in Sterne auflösbar. Auch hat er zwei andere große, runde und lichte Stellen, deren Beleuchtung gegen die Mitte ſehr zunimmt. AR = 20h 39′, P = 59° 54′ bei κ Schwan; ein langer, gewundener Streifen, milchfarbig, 30 Min. lang; nahe nördlich über ihm ein anderer ſchwächerer und ſchlangenförmiger Nebel. In AR = 20h 49′, P = 58° 57′ endlich iſt ein über einen Grad langer Nebel, deſſen eine Hälfte gabelförmig geſpalten iſt. An der Stelle, wo dieſe Spaltung beginnt, ſieht man vier Sterne, die ein Trapez unter ſich bilden. Dieſer ſonderbare Himmelskörper iſt nur ohne Beleuchtung mit den beſten Fernröhren ſichtbar und die ihn be - gränzende Umgegend iſt ganz mit einem ſchuppenartigen Nebel überzogen.

§. 244. (Nebel mit helleren Theilen.) In ſehr vielen Nebeln bemerkt man einen, oft beträchtlich großen lichten Theil, der ſich durch ſeine hellere Farbe von den übrigen ſehr unterſcheidet. Gewöhnlich iſt dieſer hellere Theil, dieſer Kern des Nebels, nahe kreisrund, beſonders bei jenem, wo das Licht in demſelben ſehr ſtark iſt und gegen den Mittelpunkt des Kerns ſchnell zunimmt. Man trifft dieſe Kernnebel ſelten allein, ſondern gewöhnlich in ganzen Heerden am Himmel an, gleichſam als wenn ſie aus den Nebeln der vorigen Arten durch Zerreißung, durch Trennung oder durch eine theilweiſe Condenſation des Nebelſtoffes entſtanden wären. Herſchel ſah oft in einer halben Stunde über dreißig ſolcher Nebel durch das Feld ſeines unverrückten Teleſcops ziehen. Eines der größten Lager derſelben geht durch das Haar der Berenice, durch den großen Bären, die Andromeda und durch den nördlichen Fiſch bis zu dem Kopf des Centaurs und iſt in dieſer ganzen gewaltigen Ausdehnung überall reich an ſolchen Kernnebeln. Einige unter ihnen haben auch zwei und ſelbſt mehr ſolche lichte Kerne, wie wir ſchon kurz zuvor bei jenem von der Geſtalt des Ω angeführt haben. Ein anderer iſt in AR = 9h 22′, P = 67°24 *372Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.45′, elliptiſch gebaut und über drei Minuten lang, der ent - weder zwei hart an einander ſtehende Kerne hat, oder ſelbſt ein Doppelnebel iſt. Auch der in AR = 12h 7′, P = 52° 44′ hat einen doppelten hellen Kern.

§. 245. (Nebel von regelmäßiger Geſtalt.) Dieſe ſind beinahe durchaus nahe kreisrund oder elliptiſch geſtaltet. Jene haben meiſtens einen hellen Kern in der Mitte, deſſen Umfang mit dem des ganzen Nebels concentriſch iſt. Sie zeichnen ſich vor allen vorhergehenden durch ihre hellere Farbe und durch ihre kleineren Dimenſionen aus, wahrſcheinlich, weil das Licht in dieſen Himmels - körpern ſchon mehr verdichtet iſt und die Bildung derſelben ſchon eine höhere Stufe erreicht hat. Mit dieſen Nebeln ſcheint die bisher bloß ſchaffende Kraft der Natur bereits in eine mehr vor - herrſchende formbildende Kraft überzugehen. Solche Nebel findet man in

  • AR = 1h 16′, P = 81° 21′, rund, licht, gegen die Mitte ſchnell zunehmend Diameter 1 Min.
  • AR = 5h 24′, P = 68° 7′. Elliptiſch, 4 Min. lang, 3 Min. breit; ein ſchönes Bild.
  • AR = 8h 31′, P = 39° 11. Elliptiſch, hell und noch viel heller in der Mitte. 30 Sec. lang, 20 Sec. breit.
  • AR = 9h 41′, P = 20° 8′. Sehr licht und elliptiſch, in der Mitte viel heller. Von dem Mittelpunkte gehen mehrere Strahlen aus, die 3 und 4 Minuten lang ſind.
  • AR = 11h 10′, P = 76° 0′. Hell und rund, allmählig heller gegen die Mitte mit einem runden Kern.
  • AR = 11h 43′, P = 44° 56′, ein ſehr ſchöner, kugelförmiger, ſcharf begränzter Nebel mit einem runden Kern. Der Durchmeſſer des Ganzen beträgt drei Minuten.
  • AR = 17h 9′, P = 108° 20′. Rund, allmählig heller gegen die Mitte, 4 Minuten Durchmeſſer.
  • AR = 18h 4′, P = 83° 11′. Schöne, runde, ſcharf begränzte helle Scheibe über acht Minuten im Durchmeſſer. Schon im Zwielichte ſichtbar.
  • AR = 22h 29′, P = 56° 29′, hell, elliptiſch, 90 Sec. lang, 30 Sec. breit; plötzlich heller gegen die Mitte. Hart373Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.an ihm ein anderer ſchwacher Nebel von 16 Sec. Durchmeſſer.

§. 246. (Doppelnebel.) Wie oben bei den Fixſternen, ſo ſehen wir auch hier bei den Nebeln häufig zwei derſelben ſo nahe ſtehen, daß wir an ihrem Zuſammengehören, an ihrer innigen Verbindung nicht wohl zweifeln können. In der That kommen dieſe Doppelnebel zu oft vor, als daß ihre ſcheinbare Duplicität bloß optiſch ſeyn ſollte. Auch ſieht man ſie öfter durch Nebel - bänder mit einander unmittelbar verbunden, während einige an ihren nächſten Gränzen in einander fließen, oder während der eine derſelben an ſeinem Rande eine Vertiefung, eine Bucht zeigt, in welche die gegenüberſtehende Hervorragung des an - dern der Größe und Form nach genau zu paſſen ſcheint u. ſ. w. Solche Nebel ſind in

  • AR = 7h 15′, P = 60° 11′; die Kerne der beiden ſich berühren - den Nebel ſind ſo hell, daß ſie beinahe ſternartig glänzen.
  • AR = 9h 22′, P = 67° 45′. Die beiden Nebel bilden ein elliptiſches Ganze, deſſen große Axe 3 Min. lang iſt.
  • AR = 11h 53′, P = 107° 55′, zwei in einander fließende Nebel, die beide gegen ihre Mitte viel heller ſind.
  • AR = 12h 17′, P = 55° 32′, nahe wie der Vorhergehende, nur größer. Das Ganze der beiden Nebel iſt 10 Min. lang und 3 Min. breit.
  • AR = 12h 28′, P = 77° 52′. Ein ſehr ſchöner Doppelnebel; beide ſind hell, rund und gegen die Mitte lichter. Ihre Durchmeſſer ſind 45 und 60 Sec.
  • AR = 15h 0′, P = 69° 58′. Beide Nebel ſind elliptiſch und gränzen beinahe an einander.

§. 247. (Planetariſche Nebel.) Dieſe ſonderbaren Himmels - körper erſcheinen uns, ganz ſo wie die Planeten, als kreisrunde, nur ſelten etwas ovale, ſcharf begränzte Scheiben von mehreren Secunden im Durchmeſſer, die durchaus daſſelbe, gleich ſtarke Licht haben, ohne gegen ihren Mittelpunkt, wie die vorhergehenden, an Helle zuzunehmen. Zuweilen jedoch iſt auch ihr Umkreis noch mit einem concentriſchen nebeligen Rande, gleich einer ringförmigen374Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Atmoſphäre, umgeben. Die Oberfläche dieſer Körper iſt mit einem leichtſchuppigen oder flockigen Lichte überzogen, wodurch aber das Charakteriſtiſche ihres Anblicks, die Gleichförmigkeit der Beleuchtung aller ihrer Theile, nicht weſentlich geſtört wird. Die Natur und Beſtimmung dieſer Weſen ſcheint ſehr räthſelhaft zu ſeyn. Sind ſie, wie man kaum zweifeln kann, ſelbſtleuchtende Körper, ſo muß der Glanz ihres Lichts weit unter dem unſerer Sonne ſtehen. Eine Kreisfläche unſerer Sonnenſcheibe von zwanzig Secunden im Durchmeſſer würde ſchon ein Licht geben, gleich dem von hundert vereinigten Vollmonden, während doch jene Nebel mit freien Augen noch nicht einmal bemerkt werden können, und während ein Körper von dieſer Ausdehnung, wenn er auch nur eben ſo weit als der nächſte Fixſtern von uns entfernt wäre, die Bahn des Uranus an Größe übertreffen müßte. Vielleicht iſt ihr Licht von einer ganz andern Art, etwa bloß phosphorescirend oder nur der äußerſten Oberfläche dieſer Körper angehörend; vielleicht ziehen ſie, eben durch ihre ungeheure Maſſe, ihr eigenes Licht mit einer ſolchen Kraft an ſich, daß daſſelbe nicht mehr ungehindert aus - ſtrömen kann; vielleicht beſtehen ſie ſelbſt nur aus hohlen, durch - ſichtigen, mit Gasarten gefüllten Kugelſchaalen und was dergleichen Vermuthungen mehr ſeyn mögen, die wir beſſer der Phantaſie der Leſer überlaſſen wollen. Häufig ſieht man ſie von kleinen, ihnen ſehr nahe ſtehenden Fixſternen umgeben, die vielleicht die Satelliten dieſer außerordentlichen Weltkörper ſind. Künftige Beobachtungen werden uns dieſe wunderbaren Weſen näher kennen lehren.

  • AR = 5h 33′, P = 81° 0′. Ein planetariſcher, etwas elliptiſcher Nebel, am Rande etwas unbeſtimmt.
  • AR = 7h 34′, P = 104° 20′, ein runder plan. Nebel von 50 Sec. Durchmeſſer, von ſchwachem, aber durchaus gleich - förmigem Lichte, mit einem feinen Sternchen in der Mitte.
  • AR = 12h 44′, P = 16° 12′. Rund, ſchwach beleuchtet, 30 Sec. im Durchmeſſer, mit einer regelmäßigen, ſchwachen Atmoſphäre von 10 Sec. Höhe.
  • AR = 14h 59′, P = 70° 54′. Ein runder plan. Nebel von un - gewöhnlicher Größe; ſein Diameter beträgt volle ſechs375Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Minuten. Er iſt mit einem concentriſchen, gut be - gränzten Nebel umgeben. Das ganze Bild ſcheint im ſchwachen, ſternartigen Lichte zu ſcintilliren.
  • AR = 18h 4′, P = 83° 11′. Schöne, runde, ſcharf begränzte, hell glänzende Scheibe über 8 Minuten im Durch - meſſer; das Licht iſt weiß und durchaus gleich ſtark und ſchwach ſternartig.
  • AR = 19h 34′, P = 104° 33′. Trüblichte, runde Scheibe von 10 Sec. Durchmeſſer. Das gleichförmige Licht der - ſelben iſt nicht ſternig und von ſonderbarem Anſehen. Sehr nahe bei dieſem Stern ſtehen zwei Sternchen.
  • AR = 20h 9′, P = 59° 58′. Einer der größten planetariſchen Nebel von 15 Min. Diameter; vollkommen rund und gleichförmig beleuchtet. Da er in der Mitte etwas dunkler ſcheint, ſo iſt er vielleicht ein ringförmiger Körper.
  • AR = 20h 15′, P = 70° 26′. Schön, hell, vollkommen rund, durchaus gleichförmig beleuchtet. Durchmeſſer von zwei Secunden. Vier kleine Sterne umgeben ihn, wie Satelliten.
  • AR = 20h 55′, P = 102° 2′. Vollkommen runde, gleich lichte Scheibe, Durchmeſſer fünf Minuten.
  • AR = 23h 18′, P = 48° 24′. Ein planetariſcher, ganz runder Nebel von 12 Sec. Diameter. Sein Licht erſcheint nicht ſowohl nebelartig, ſondern wie ein Stern außer dem Brennpunkte des Fernrohrs. Die Farbe des Lichtes iſt weißblan und in der Nähe des Nebels be - findet ſich ein Doppelſtern.

§. 248. (Sternnebel.) Unter dieſer Benennung verſteht man eigentliche, bell glänzende Fixſterne, die aber mit kreis - oder kugel - förmigen Nebeln umgeben ſind. Sie ſind vielleicht in ihrer Bil - dung weiter vorgerückte, runde Kernnebel, in welchen ſich der früher noch matte und weit verbreitete Lichtkern zu einem hellen Lichtpunkte, zu einem eigentlichen Fixſtern gebildet hat.

  • AR = 0h 4′, P = 18° 25′. Ein Stern der X. Größe mit einer runden, gut begränzten Atmoſphäre von 20 Sec. Durchmeſſer umgeben.
376Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
  • AR = 5h 49′, P = 59° 40′. Ein Stern der IX. Größe mit einem ſchwachen kreisförmigen Nebel von 75 Sec. Durchmeſſer umgeben. Mehrere ſehr nahe liegende Sterne ſind ganz nebelfrei.
  • AR = 5h 28′, P = 91° 19′. Ein ſchöner Fixſtern in einem ſehr großen Nebel von 24 Min. Durchmeſſer eingehüllt. In der Nähe von ε Orionis.
  • AR = 6h 23′, P = 79° 44′. Ein Stern der XI. Größe, von einem runden, milchigen Nebel, deſſen Rand verwaſchen, umgeben. Das Licht des Sterns ſelbſt iſt trüb.
  • AR = 7h 19′, P = 68° 45′. Ein Stern der VIII. Größe genau in der Mitte eines runden, lichten Nebels von 25 Sec. Durchmeſſer. Man ſehe Figur (4).
  • AR = 10h 16′, P = 71° 59′. Ein Stern der IX. Größe in einem elliptiſchen Nebel. Der Stern iſt nicht in dem Mittelpunkte des Nebels.
  • AR = 12h 16′, P = 84° 7′. Ein Stern der IX. Größe mit einer hellen, runden Atmoſphäre umgeben. Schon im Zwielichte ſichtbar.
  • AR = 12h 29′, P = 75° 17′. Ein heller Stern der IX. Größe mit mehreren kleineren, alle in einen feinen Nebel eingehüllt.
  • AR = 12h 42′, P = 63° 34′. Ein Stern oder doch ein ſehr kleiner und hell glänzender Kern in einer großen ovalen Atmoſphäre. (M. ſ. Fig. 1.)
  • AR = 19h 40′, P = 39° 54′. Ein Stern der XI. Größe in einer runden, lichten Atmoſphäre von 4 Sec. Durch - meſſer.
  • AR = 23h 13′, P = 29° 45′. Ein Stern der IX. Größe mit einem runden, lichtſchwachen Nebel umgeben.

Mehrere von den hieher gehörenden, meiſt runden oder elliptiſchen Nebeln erſcheinen auch als Hüllen von doppelten und ſelbſt mehrfachen Sternen. Dergleichen ſind

  • AR = 1h 8′, P = 32° 34′. Ein Doppelſtern; der größere X. Größe; die Diſtanz beider 12 Sec. Er ſteht in der Mitte eines großen, runden Nebels.
377Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
  • AR = 1h 43′, P = 50° 7′. Ein feiner Doppelſtern mit einer runden Atmoſphäre von 20 Sec. Durchmeſſer.
  • AR = 5h 20′, P = 55° 53′. Ein dreieckiger Nebel, der in ſeiner Mitte einen dreifachen Stern (Tripelſtern) um - ſchließt. Die drei Sterne ſind der XI., XII. und XIV. Größe, und die drei Seiten des Dreiecks betragen jede nahe 4 Sec.
  • AR = 6h 56′, P = 101° 4′. Ein Doppelſtern in der Mitte eines runden Nebels.
  • AR = 12h 48′, P = 67° 23′. Ein Doppelſtern von einem hellen, runden, großen Nebel von 6 Min. Durchmeſſer um - ſchloſſen. Neben dem Stern iſt eine ſchwarze Stelle, vielleicht eine Oeffnung im Nebel.
  • AR = 21h 39′, P = 24° 41′. Ein Tripelſtern in der Mitte eines ſchwachen, ſchlecht begränzten Nebels.

Oefter ſieht man auch vier, fünf und mehrere zerſtreute Sterne ſämmtlich in einem Nebel eingehüllt, wie Fig. 7 und ſelbſt, ſchon eigentliche Sterngruppen von einem kugelförmigen Nebel umſchloſſen, wie Fig. 8. Oft zieht dieſer Nebel wie ein ſchmales, langes Band über mehrere Sterne hin und verbindet ſie zu einem gemeinſchaftlichen Ganzen. Zuweilen ſtehen zwei helle Sterne an den beiden Scheiteln oder auch nahe bei den beiden Brennpunkten eines elliptiſchen Nebels, wie in Fig. 5 und 6. In den meiſten Fällen zeigt ſchon der bloße Anblick dieſer ſonderbaren Gebilde, daß Nebel und Sterne zuſammen gehören und gleichſam ein ab - geſchloſſenes Syſtem für ſich bilden. Wo dieſe Sterne in der Mitte eines kreisförmigen Nebels liegen, wie in den meiſten vor - hergehenden, kann dieſe innigere Verbindung beider Gegenſtände nicht mehr bezweifelt werden. Aber auch dann, wenn die Sterne von den Nebeln abgeſondert ſtehen, iſt doch ihre Stellung oft ſo auffallend, daß ſie nicht ohne die größte Unwahrſcheinlichkeit dem bloßen Zufalle oder einer optiſchen Täuſchung zugeſchrieben werden kann, wie wir ſogleich näher ſehen werden.

§. 249. (Sterne mit Nebelſtrahlen.) Bei dieſen Himmels - körpern ſteht der Fixſtern meiſtens ſehr nahe an der einen Gränze378Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.des Nebels, welcher letzte oft die verſchiedenſten Geſtalten annimmt, wie folgende Beiſpiele zeigen:

  • AR = 1 h 40′, P = 84° 56′. Ein Fixſtern IX. Größe an dem äußerſten Ende eines ſehr feinen, geradlinigen, ſchmalen Nebelſtreifens.
  • AR = 6 h 30′, P = 81° 7′. Ein Stern XII. Größe mit einem lichten Nebelſchweif von 60 Sec. Länge, dem eines Kometen ähnlich. (M. ſ. Fig. 2.)
  • AR = 8 h 26′, P = 105° 34′. Ein Stern der XIV. Größe mit einem Nebelpinſel von 15 Sec. Länge.
  • AR = 8 h 47′, P = 35° 35′. Ein Stern XI. Größe mit einem lichten Nebelanhang. In dem Nebel ſelbſt iſt noch ein feines Sternchen ſichtbar.
  • AR = 10 h 54′, P = 70° 57′. Ein Stern IX. Größe mit einem ſchwachen Nebelſtreifen von 30 Sec. Länge.
  • AR = 11 h 11′, P = 75° 28′. Ein ſehr langer, ſchmaler Nebel - ſtreifen, 15 Min. lang, 1 Min. breit. In der Mitte heller mit einem feinen Stern. Man ſehe Fig. 3.
  • AR = 12 h 7′, P = 75° 54′. Ein ſehr heller elliptiſcher Nebel; in ſeinem lichten Kern iſt ein kleiner Fixſtern. Aus dem Kern fließt ein Lichtſtrahl von 7 Min. Länge.
  • AR = 12 h 28′, P = 63° 4′. Ein ſehr langer Streifen mit einem ſchwachen Kern, in deſſen Mitte ein Stern der XI. Größe. Länge 15 Min., Breite ½ Min.
  • AR = 12 h 36′, P = 56° 31′. Ein ſehr langer, elliptiſcher oder ſpindelförmiger Streifen mit einem ſchwachen Kern, in deſſen Mitte ein helles Sternchen. Der Streifen iſt 15 Min. lang und an dem einen Ende gekrümmt.
  • AR = 12 h 52′, P = 86° 35′. Ein Stern der X. Größe, an welchem das Ende eines kleinen ovalen Nebels hängt.
  • AR = 12 h 36′, P = 56° 54′. Zwei lange Nebelſtreifen, die ſich an ihren Enden beinahe ſenkrecht ſchneiden.
  • AR = 12 h 51′, P = 54° 13′. Ein ſchwacher, kleiner elliptiſcher Nebelſtrahl, der zwei Sterne der X. Größe an ſeinen Endpunkten verbindet. (M. ſ. Fig. 6.)

§. 250. (Ringförmige Nebel.) Dieſe ſonderbaren Gebilde379Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.gehören vielleicht zu den wunderbarſten Gegenſtänden des Himmels, aber keineswegs zu den ſeltenſten. In unſerm Planetenſyſtem er - blicken wir ſie nur ein Beiſpiel, bei Saturn; denn die Muth - maßung des doppelten Rings, den der ältere Herſchel bei Uranus gefunden hatte, iſt zu ungewiß und von ſeinen Nachfolgern gänzlich unbeſtätiget geblieben. In der Sternenwelt aber ſind bereits mehrere ſolcher Ringe aufgefunden worden, an deren Exiſtenz nicht weiter gezweifelt werden kann.

  • AR = 2 h 12′, P = 48° 26′ iſt ein ſehr feiner, ſtark elliptiſcher Nebelſtrahl von 4 Min. Länge und 40 Sec. Breite. In der Mitte deſſelben bemerkt man eine längliche dunkle Stelle und in derſelben zwei kleine Sterne. Wahrſcheinlich iſt dieſe Stelle eine Oeffnung des Ringes, deſſen Ebene ſehr ſchief gegen die Sonne liegt, daher er mehr unter der Geſtalt eines elliptiſchen Streifens erſcheint.
  • AR = 13 h 22′, P = 41° 55′; ein ſehr merkwürdiger Gegen - ſtand. Ein runder lichter Kern iſt in einiger Ent - fernung von ſeinem Rande mit einem concentriſchen Nebelringe umgeben. Die Ebene dieſes Ringes ſcheint um einen ſeiner Durchmeſſer umgebogen, ſo daß die beiden Ebenen einen Winkel von nahe 45 Graden unter einander bilden.
  • AR = 18 h 47′, P = 57° 11′; der ſchöne Ringnebel im Stern - bilde der Leyer. Der äußere Durchmeſſer des Ringes beträgt Secunden. Die innere Oeffnung deſſelben iſt nicht ganz dunkel, wie der äußere Hintergrund des Himmels, ſondern ſelbſt wieder von einem andern, ſchwächeren Nebel erfüllt. Das Ganze hat das Anſehen eines über einen Reifen geſpannten Schleyers. Er iſt zwiſchen den großen Sternen β und γ der Leyer.

Hieher gehören wohl auch jene Nebel, die in ihrem Innern dunkle Stellen haben, welche Stellen wahrſcheinlich Oeffnungen des Nebels ſind, durch welche man den Himmel ſehen kann.

  • AR = 12 h 31′, P = 100° 40′. Ein heller, elliptiſch gebauter Nebel, 5 Min. lang, ½ Min. breit. Der lichtere Kern380Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.ſcheint von dem eigentlichen Nebel geſondert zu liegen, da er von ihm durch eine dunkle Kluft getrennt iſt. Ueber das ganze ſonderbare Gebilde iſt ein elliptiſch geformter Nebel feinerer Art verbreitet.
  • AR = 12 h 48′, P = 67° 23′. Ein heller, wenig elliptiſcher Nebel von 6 Min. Länge, 5 Min. Breite. Der lichte Kern enthält einen Doppelſtern und neben dem Kern iſt eine ſchwarze Höhle, eine dunkle Oeffnung im Nebel.
  • AR = 17 h 52′, P = 113° 1′. Ein gabelförmig dreigeſpaltener Nebel mit einem Doppelſtern in ſeiner Hauptſtelle, neben welchem eine dunkle, unregelmäßige Oeffnung.
  • Hieher gehört auch der merkwürdige große Nebel im Orion (AR = 5 h 27′, P = 95° 30′), von welchem wir ſo - gleich beſonders ſprechen werden.

Nachdem wir auf dieſe Weiſe die verſchiedenen Gattungen der Nebelmaſſen des Himmels nach ihren Geſtalten im Allgemeinen betrachtet haben, iſt uns noch übrig, einige andere beſonders merk - würdige einzeln anzuführen, da ſie ſich nicht wohl unter eine der vorhergehenden Klaſſen bringen laſſen und auch wegen ihrer be - ſondern Wichtigkeit eine eigene Betrachtung verdienen.

§. 251. (Die Gruppe im Haupthaar der Berenice.) Dieſes Sternbild enthält ſehr viele Sterngruppen und Nebel, aber der merkwürdigſte unter ihnen iſt wohl der in AR = 13 h 4′, P = 70° 56′. Dieſe Gruppe iſt vollkommen rund, hat 5 Min. Durch - meſſer, und enthält eine unzählige Menge von ſehr dicht gedrängten Sternen der XII bis XX. Größe. Sie iſt einer der ſchönſten Gegenſtände des geſtirnten Himmels. Hier mag ſie noch als Beiſpiel dienen, wie verſchieden die Beſchreibungen eines und des - ſelben Gegenſtandes ſind, wenn er mit ſchwachen oder mit ſehr lichtſtarken Fernröhren beobachtet worden. Meſſiers, der die Gruppe mit einem ſonſt ſchon guten Fernrohre von 3 ½ Zoll Oeffnung be - trachtete, ſagt von ihr, daß ſie ein ſternleerer Nebelfleck ſey, Nebuleuse sans étoiles, der ihm rund und ziemlich hell erſcheine. Der ältere Herſchel aber, der dieſe Gruppe mit ſeinem zwanzig - füßigen Teleſcope beobachtete, ſetzt ihr in ſeinem Tagebuche folgende Note bei: Eine Gruppe von äußerſt dicht gedrängten Sternen381Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels. und einer der prachtvollſten Gegenſtände, die ich je am Himmel geſehen habe. Ich ſehe ſie unter der Geſtalt einer gediegenen Kugel, zuſammengeſetzt aus ſehr kleinen, beinahe an einander liegenden Sternen, deren Glanz in einander fließt und ſich wie ein Lichtmeer über das Ganze ergießt. Der jüngere Herſchel machte zwanzig Jahre ſpäter zu ſeiner Beobachtung dieſer Gruppe die Bemerkung: Ein ungemein ſchöner Gegenſtand, die Sterne in ihm ſind ſehr klein von der XII bis XX. Größe und ſtehen ſehr nahe an einander. Das Ganze iſt mehr unregelmäßig rund, als kugelartig und der Rand deſſelben iſt mit auslaufenden An - ſätzen verſehen, die wie Füße und Scheeren eines Krebſes von dem Hauptkörper austreten. Die Sterne in dieſer Gruppe ſind in der That unzählbar. Welche Beſchreibungen dieſer Him - melskörper werden unſere Nachkommen zu erwarten haben, wenn einmal ihre Fernröhre einen noch höhern Grad der Vervoll - kommnung erreicht haben werden.

§. 252. (Zwitternebel.) Man wird ſchon bei der vorher - gehenden Aufzählung der einzelnen Klaſſen von Nebeln bemerkt haben, daß einige von ihnen auf der Gränze von zwei benachbarten Gattungen ſtehen. In der That iſt bei einer ſo großen Ver - ſchiedenheit der Formen eine genaue Sonderung derſelben, beinahe unmöglich. Einen recht auffallenden Beweis dazu gibt der Nebel, AR = 6 h 32′, P = 79° 58′ im Kopfe des Einhorns oder unter den Füßen der Zwillinge. Dieſer Gegenſtand ſtellt ſich dem Auge auf den erſten Blick als einen Nebelſtern dar; ein heller Stern der V. Größe in einen runden Nebel eingehüllt. Allein ein beſſeres Fernrohr und eine aufmerkſamere Betrachtung des Gegenſtandes zeigt noch 15 andere kleine und eine Anzahl noch viel feinerer Sterne, die alle von jenem Nebel umſchloſſen werden. Einer jener 15 Sterne iſt zugleich ein Doppelſtern. Dieſer Himmelskörper iſt alſo zugleich ein Nebel, ein Nebelſtern, eine Sterngruppe und ein Doppelſtern.

Ein anderer nicht minder räthſelhafter Gegenſtand iſt in AR = 20 h 50′, P = 60° 26′, ein Nebel von nahe 30 Min. Länge und 2 Min. Breite; einzelne Stellen des Nebels ſind dicht mit ſehr kleinen Sternen beſäet, der Nebel hängt offenbar mit382Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.dieſen Sternen zuſammen und ſieht doch durchaus nicht ſternig aus. Das Ganze gleicht einem feinen Netze von Sternen, über das ein dünner Schleyer gezogen iſt.

Eine der merkwürdigſten Nebelgeſtalten iſt die in AR = 19 h 52′, P = 67° 43′. Wenn man in einer Ellipſe, deren große und kleine Axe ſich nahe wie 4 zu 3 verhalten, aus den beiden End - punkten der großen Axe als aus Mittelpunkten Kreiſe zieht, deren Durchmeſſer gleich drei Viertheilen der großen Axe ſind, ſo werden die Bogen dieſer Kreiſe um den Mittelpunkt der Ellipſe einen Theil derſelben begränzen, der in jenem Himmelskörper mit einem ſehr hellen und durchaus gleichförmigen Nebel ausgefüllt iſt, während die beiden übrigen äußeren Theile der Ellipſe mit einem ſchwachen, matt dämmernden Nebel angefüllt ſind. Das Ganze hat die Geſtalt dieſer Ellipſe, durch deren Mitte jener lichte Nebel in der Form eines) (zieht. Beide Nebel ſind, ſo wie das ganze Bild, zu beiden Seiten des Mittelpunktes der Ellipſe ſehr ſym - metriſch gebaut.

§. 253. (Nebel in der Andromeda.) Dieſer große und merk - würdige Nebel iſt in AR = 0 h 33′, P = 49° 40′. Er wurde zuerſt von Simon Marius i. J. 1612 bemerkt und hat die Geſtalt einer Raute, deren größte Diagonale 30 Min. und deren kleinſte 15 Min. beträgt. Marius vergleicht, nicht unangemeſſen, ſein Licht mit dem einer Kerze, das durch ein dünnes Hornblatt ſcheint. Dieſes Licht nimmt gegen den Mittelpunkt zu, anfangs langſam, dann ſchnell, doch iſt es auch im Mittelpunkte ſelbſt noch nicht ſternig, ſondern offenbar ein nur ſtärker condenſirtes Nebellicht, das die Vermuthung, daß das Ganze nur aus ſehr entfernten Sternen beſtehe, ſehr unwahrſcheinlich macht. Dieſer Nebel iſt vollkommen milchig, gänzlich unauflösbar und ohne alle Spuren von Schuppen oder Flocken. Man kann ihn ſchon mit unbewaffneten Augen bemerken. M. ſ. Fig. am Ende dieſes Theils.

§. 254. (Der große Nebel im Orion.) Dieſer merkwürdigſte aller Nebel iſt in AR = 5 h 27′, P = 95° 30′ bei Θ Orion, vier Grade unter dem mittleren der drei in einer geraden Linie liegenden Sterne δ, ε und ζ, die unter dem Namen des Jakobs - ſtabes bekannt ſind. Er wurde zuerſt von Huygens i. J. 1659383Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.beſchrieben und abgebildet. Spätere Beſchreibungen und Zeich - nungen deſſelben Gegenſtandes haben wir von Derham, Godin, Mairan, Picard, Legentil und Meſſiers. In den neuern Zeiten hat ſich Schröter und zuletzt der jüngere Herſchel vorzugsweiſe damit beſchäftiget, und der Letztere hat in den Mem. of the astron. Society eine Zeichnung dieſes Nebels gegeben, die alle andern an Genauigkeit und Schönheit der Ausführung weit hinter ſich zurückläßt. Man ſieht davon eine verkleinerte Abbildung in Fig. am Ende dieſes Theils.

Dieſer Nebel iſt durch die Schönheit ſeines Anblicks, durch die Eigenthümlichkeit ſeiner Geſtalt, durch die ſonderbare Ab - wechslung des auf ihm vertheilten Lichtes, durch ſeine große Aus - breitung und durch das Unerklärbare ſeines ganzen Weſens vor allen anderen ausgezeichnet. Legentil vergleicht ſeine Geſtalt nicht unangemeſſen mit der des geöffneten Rachens eines Thiers. Ein Theil dieſes Nebels iſt ungemein hell, ein anderer ſehr blaß und matt, und wieder ein anderer ganz dunkel bis zur völligen Schwärze. Der hellſte Theil ſcheint nicht ſowohl in einem ſtetigen Lichte zu glänzen, als vielmehr in beweglichen Flammen zu lodern. Die dunklen Stellen ſind von den hellen, ohne Abſtufung des Lichtes, ſcharf getrennt. Die in dieſem Nebel, ſelbſt in den helleren Theilen deſſelben ſtehenden Fixſterne zeichnen ſich alle durch einen beſonders lebhaften Glanz aus und ihre Stellung ſcheint eine beſondere Beziehung auf den Nebel ſelbſt zu haben. Im Gegen - theile findet man zur Seite dieſes Nebels nach allen Seiten eine Menge größerer und kleinerer Sterne, die ſämmtlich nur in einem düſtern Lichte ſchimmern und mit eigenen Nebelatmoſphären umgeben ſind, wie denn überhaupt dieſe ganze Gegend des Himmels an Nebeln ungemein reich iſt.

Um einige der vorzüglichſten Theile dieſes großen Nebels näher anzugeben, bemerken wir zuerſt das ſogenannte Trapez, ein faſt regelmäßiges Viereck, von vier Sternen gebildet, von welchen der eine, θ Orion, der IV., und die drei anderen der VI., VII. und VIII. Größe ſind. Dieſer vierfache Stern iſt von einem ſehr hellen Nebel umgeben, der aber nicht bis zu dieſen Sternen ſelbſt vordringt, ſondern ſich vielmehr von ihnen nach384Sterngruppen und Nebeimaſſen des Himmels.allen Seiten zurückgezogen zu haben ſcheint, ſo daß dieſes Trapez ſelbſt, in ſeinen nächſten Gränzen, mit Dunkel eingeſchloſſen iſt, auf welche dann erſt jene helle Umgebung folgt. Es ſcheint, als ob der Nebel durch die Attraction oder Abſorbtion der Sterne zu dieſem letzteren übergegangen wäre. Eine ähnliche Erſcheinung gab uns auch der bereits oben erwähnte Nebel im Schützen (AR = 17 h 52′, P = 113° 1′), der in drei Theile geſpalten iſt, deren Trennungslinien einen leeren Raum einſchließen, in deſſen Mitte ein Doppelſtern ſteht.

In dieſem Trapez hat man vor einigen Jahren einen kleinen, feinen Stern entdeckt, der jetzt in ſtarken Fernröhren ſehr gut zu ſehen iſt, während er früher gewiß unſichtbar war, da kein Aſtro - nom deſſelben erwähnte, obſchon ohne Zweifel alle dieſes Trapez wiederholt und mit Aufmerkſamkeit betrachtet hatten. Iſt dieſer Stern an jenem Orte neu entſtanden oder iſt er ſeitdem an Licht gewachſen?

Die Huygeniſche Region dieſes Nebels liegt ſüdweſtlich vom Trapez; eine helle Stelle in der Form eines rechtwinkligen Dreiecks. Die Erleuchtung dieſer Stelle iſt nicht gleichförmig, ſondern ſchuppen - oder flockenartig, nahe wie die Oberfläche der Sonne in guten Fernröhren erſcheint, nur iſt in dem Nebel die Körnung gröber, und die Flocken ſind nicht rund, ſondern länglich und büſchelartig. Ein geübtes Auge bemerkt bald, daß dieſes Licht nicht von vereinten, ſehr weit entfernten Sternen kommen kann, aber man wird auf die Vermuthung geleitet, als ob der Nebel hier aufgebrochen und in mehrere Theile getrennt ſey.

Die ſchwachneblige Region ſteht an der Südgränze der vorigen; eine Stelle, ganz mit ſchwachem Nebel bedeckt, der ſich ſtufenweiſe in Dunkel verliert. Nahe bei ſind drei Sternchen, die nach den früheren Beſchreibungen ehedem noch ganz innerhalb dieſes Nebels lagen, ſo daß es ſcheint, als habe der letzte ſich auch von dieſen Sternen zurückgezogen.

Legentils Bucht, eine ganz finſtere krumme Einbeugung die in den frühern Zeichnungen eine andere Geſtalt hatte, als jetzt.

Meſſiers Arm, ein weitauslaufender Nebelaſt, der ſich385Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.gegen Südoſt erſtreckt. Ein zweiter Arm liegt nördlicher und geht gerade nach Oſten.

Mairans Nebel, ein abgeſonderter Nebel neben dem Großen. Er liegt nördlich von den beiden Armen Meſſiers.

Picards Region liegt nördlich vom Trapez und gränzt an dieſes und an die große Bucht, zeichnet ſich durch die ſonderbaren Faſern und durch einen kleinen, nahe ſtehenden, iſolirten Nebel aus, der ſich in einen Stern zuſammen zu ziehen ſcheint.

Derhams Region, weſtlich vom Trapez. Von dem Trapez gehen Strahlen gleich Kometenſchweifen aus, die ſich allmählig in die zarte Nebelgegend verlieren, welche, noch weiter weſtlich, Fouchy’s Region ausfüllt. In dieſer letzten verwäſcht ſich der Nebel allmählig bis zur völligen Dunkelheit.

In der beigegebenen Zeichnung, dieſe als das Bild eines geöffneten Thierrachens betrachtet, und den nördlichen Theil des Nebels als den unteren angeſehen, ſteht das Trapez dicht an dem durch die große Bucht gebildeten Rachen; die Huygeniſche Region bildet die Stirn und den Hinterkopf; der letztere iſt durch den Einſchnitt, Legentils Bucht, ausgezeichnet. Als untere Kinnlade des Rachens erſcheint die Region Picards und gerade hinter dem Rachen liegt Derhams Region. Oberhalb des Rachens erſtreckt ſich der Schnabel des Thiers in zwei lange Rüſſel weit nach Oſten vorwärts. Der obere oder größere Rüſſel iſt ſtärker gekrümmt. Unterhalb des Schnabels endlich, in ziemlicher Entfernung von ihm, liegt Mairans Nebel.

In dem dunkelſten Theile dieſes Nebels ſah Schröter öfter ein feines Sternchen ſchimmern, und ein andermal bemerkte er in ihm einen früher und ſpäter nicht mehr ſichtbaren, pyramidaliſchen Lichtnebel. Im Jahre 1800 ſah derſelbe Beobachter eine große, helle Lichtkugel auf einer Stelle, wo er früher nichts dieſer Art geſehen hatte, aber ſchon nach wenigen Tagen war auch dieſe Kugel wieder verſchwunden. Wenn dieſe Beobachtungen, der - gleichen wir von Herſchel keine erwähnt finden, gegründet ſind, welche Veränderungen müſſen in dieſen Himmelskörpern vor ſich gehen, daß ſie uns, in einer ſo großen Entfernung, noch ſo be - deutend erſcheinen!

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 25386Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.

§. 255. (Magellans Flecken oder Kohlenſäcke.) Auch in der ſüdlichen Hemiſphäre des Himmels gibt es mehrere ſehr merk - würdige Gegenſtände dieſer Art, die aber bisher noch weniger bekannt ſind, da es in den Gegenden jenſeits des Aequators un - ſerer Erde bisher noch zu ſehr an Beobachtern fehlte. Lacaille im vorigen und Dunlop im gegenwärtigen Jahrhunderte haben uns bereits mehrere derſelben mitgetheilt, aber eine noch weit reichere Ernte wird ohne Zweifel der jüngere Herſchel zurückbringen, der erſt in dem Jahre 1834 eine Reiſe nach dem Cap der guten Hoffnung gemacht hat, um dort durch längere Zeit mit ſeinen vortrefflichen Inſtrumenten den ſüdlichen Himmel zu unterſuchen.

Hier erwähnen wir nur der ſogenannten Magellansflecken, die auch die Kap-Wolken oder die ſchwarzen Wolken und von den brittiſchen Seeleuten die Kohlenſäcke genannt werden. Sie haben ihre Benennung von der dunklen Farbe, die wahrſcheinlich von der gänzlichen Sternleerheit dieſer Gegenden kömmt. Sie ſind ſehr auffallend und ihre Oberfläche nimmt mehrere Quadratgrade ein. Ihrer ſind zwei. Die große ſchwarze Wolke geht von AR = 12 h 21′ bis 13 h 5′ und von P = 151° bis 154° und liegt an der Oſtſeite des ſüdlichen Kreuzes. Die kleine ſchwarze Wolke iſt in AR = 10 h 40′ und P = 152° nahe bei der Karlseiche. Beide dunkle Flecken ſtehen mitten in einem ſehr hellen Theile der Milch - ſtraße.

Mit dieſen ſchwarzen Wolken dürfen nicht verwechſelt werden die beiden ſüdlichen Wolken (nubecula major et mi - nor), die beide helle, ausgebreitete Nebel ſind und weit von der Milchſtraße abſtehen. Die große ſüdliche Wolke geht von AR = 5 h 7′ bis 6 h 0′ und von P = 159° bis 161° und liegt ganz nahe an dem Südpole der Ecliptik; die kleine ſüdliche Wolke aber iſt in AR = 1 h 50′ und P = 163° 10′. Dieſe beiden hellen Stellen des Himmels ſind, ſo wie die meiſten hellen Theile der Milchſtraße, durch eine große Anzahl von teleſcopiſchen Sternen ausgezeichnet.

Unter den eigentlichen Nebelmaſſen des ſüdlichen Himmels iſt der merkwürdigſte in AR = 10 h 36′, P = 148° 40′ bei dem387Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Stern η in der Karlseiche. Lacaille hat ihn entdeckt und erſt in unſeren Tagen hat Dunlop in den Phil. Transact. für 1827 eine Beſchreibung und Zeichnung deſſelben gegeben. Von der letzten ſieht man eine verkleinerte Darſtellung in der Figur am Ende dieſes Theiles.

§. 256. (Entſtehung und Ausbildung dieſer Himmelskörper.) Es wird uns wohl immer unmöglich ſeyn, die Entſtehung und die Beſtimmung dieſer wundervollen Körper des Himmels zu ergrün - den. Aber man kann ſich, ſchon bei dem erſten Anblicke derſelben, der Vermuthung kaum entziehen, daß ſie auf verſchiedenen Stufen ihres Wachsthums und ihrer Ausbildung ſtehen. Und wie ein aufmerkſamer Beobachter, wenn er einen Garten betritt, in wel - chem er Tauſende von Pflanzen jeder Art und jeden Alters mit einem Blicke überſieht, wie er in dieſen Abſtufungen ihres Wachs - thumes ſelbſt die allmählige Entwicklung dieſer Pflanzen erkennt, ohne eben jede einzelne derſelben von ihrer Entſtehung bis zu ih - rem Untergange mühſam verfolgt zu haben, eben ſo werden auch wir, wenn wir den endloſen Garten des Himmels und die unzäh - ligen Gewächſe deſſelben in den verſchiedenen Graden ihrer Ent - wickelung erblicken, aus eben dieſen Mannigfaltigkeiten ſelbſt uns ein Bild von dem allmähligen Wachsthume dieſer Körper ent - werfen können. Denn auch dieſes Sternenheer iſt doch wohl eben ſo wenig, wie jener Garten und wie alle Werke der Natur, ur - plötzlich in derſelben Geſtalt entſtanden, in welcher wir es jetzt vor uns ſehen. Dieſe Himmelskörper bedürfen vielleicht Millionen von Jahren, um ſich zu einer beſtimmten und geregelten Form auszubilden aber ſie ſind demungeachtet nicht weniger Kinder der Zeit, und was in ihr entſtanden iſt muß auch ihr Gepräge tragen, muß der allmähligen Entwickelung, und ſelbſt wenn dieſe vollendet und ihre Beſtimmung erfüllt iſt, dem Untergange unter - worfen ſeyn.

Auf welche Weiſe dieſe Entwickelung vor ſich geht, und durch welche Kraft ſie bewirkt wird wir wiſſen es nicht von den Kör - pern unſerer Erde, die uns zunächſt umgeben, wir wiſſen es von uns ſelbſt nicht wie ſollten wir es von jenen ſo weit entfern - ten und uns in allen Beziehungen ſo fremden Körpern des Him -25 *388Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.mels ergründen wollen? Dieſe Kraft, durch welche die an ſich todte, ſtarre Maſſe belebt wird, ſich ſelbſt durch alle Stufen ihrer Verwandlungen fortbildet und auf ihre eigenen Elemente, die wir mit keinem Mikroſcope mehr verfolgen können, ſo wie auf die entfernteſten Körper einwirkt, die auch kein Teleſcop mehr erreicht, dieſe Kraft, dieſe Seele der ganzen Natur wird uns ewig ein Ge - heimniß bleiben und unſer Auge wird nie den dichten Schleier durch - dringen, welchen die große Mutter aller Dinge vor die beiden äußerſten, dunklen Kammern ihrer Werkſtätte gezogen hat, in de - ren einer ſie die Entſtehung, und in der andern den Untergang, in einer die Geburt und in der andern den Tod aller ihrer Ge - ſchöpfe bereitet.

Uns genüge es, dieſe Stufenfolgen zwiſchen jenen beiden äußerſten Endpunkten des Lebens aller Weſen, der Erde und des Himmels, mit unſeren eigenen Augen geſehen und uns von dem unbeſtreitbaren Daſeyn von Ereigniſſen, zu deren Evolutionen viele Jahrtauſende, vielleicht Millionen von Jahren, nöthig waren, wäh - rend der kurzen Zeit unſeres eigenen Lebens überzeugt zu haben. Von jenem erſten, formloſen, weit verbreiteten Urnebel, von jenem altergrauen Chaos, aus dem die Himmelskörper hervorgehen, haben wir beinahe alle auf einander folgenden Metamorphoſen derſelben geſehen, bis zur letzten und höchſten Stufe, bis zu dem eigentlichen, abgerundeten, nebelloſen, im reinſten Lichte ſtrahlenden Sterne, bis zu jenen wundervollen Gruppen, wo Tauſende von dieſen vol - lendeten Sternen in einem verhältnißmäßig engen, abgeſchloſſenen Raume ſich in ewig ungeſtörter Harmonie um einander bewegen. Wir haben geſehen, wie aus jenem chaotiſchen Urnebel durch Zer - reißung, oder vielmehr durch Anziehung überwiegender Stellen deſſelben, geſonderte Theile entſtehen, deren Geſtalt zwar noch un - beſtimmt, deren Licht aber ſchon kräftiger erſcheint. Wenn in die - ſen kleinen Nebeln, die man immer, ihrem Urſprunge gemäß, in ganzen, großen Lagern beiſammen findet, die Condenſation ein - zelner Punkte und die Anziehung der benachbarten Nebelmaſſe weiter fortgeſchritten iſt, finden wir dieſe iſolirten Nebel ſchon klei - ner, von ihren Nachbarn durch größere Zwiſchenräume getrennt389Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.und gegen ihren Mittelpunkt an Helligkeit zunehmend. Hier hat ſich die Lichtmaſſe des Ganzen bereits um eine Centralſtelle an - gehäuft, aber dieſe Stelle ſelbſt iſt noch Nebel, ausgebreitet und an ihren Gränzen unbeſtimmt. Wieder andere, die vielleicht Mil - lionen von Jahren in ihrer Bildung jenen anderen voraus geeilt ſind, haben ſich ſchon zu einer nahe kugelförmigen Geſtalt abge - rundet und ihr mehr verdichteter, daher kleinerer und hellerer Mit - telpunkt nähert ſich bereits dem eigentlichen Sternenlichte, aber dieſer Kern iſt mit einer dichten Atmoſphäre umgeben, die bis - her noch nicht von jenem Centralpunkte aufgenommen und ab - ſorbirt werden konnte. In jenem anderen ſieht man zwei und ſelbſt mehrere ſolcher vorherrſchenden Stellen, welche ſich das Gleich - gewicht halten, welche die ſie umgebende Nebelmaſſe unter ſich theilen, oder auch einander ſelbſt aufzehren werden. Hier ſind zwei dieſer im Kampfe begriffenen Streiter noch durch ein Nebel - band mit einander verbunden, durch welches, wie durch einen Ka - nal, der Schwächere in den mächtigen Gegner hinüber zu fließen ſcheint; dort iſt jener bereits vernichtet, aber dieſer trägt noch die Spuren ſeines langen Kampfes und zieht den noch nicht völlig aufgezehrten Nebel in der Geſtalt eines Schweifes, eines Fächers oder einer Spindel nach ſich und kurz, überall bemerken wir bei jenen Himmelskörpern, wie bei denen auf unſerer Erde, das Princip der Anziehung und ihre beiden Folgen, die Verdichtung und Abrundung, dieſe beiden immer wiederkehrenden Erſcheinun - gen der ganzen Natur, die vereinigende und die formge - bende Kraft, die im Kleinen, wie im Großen, durch den ganzen endloſen Weltraum zu herrſchen ſcheint. Wie durch Verdichtung aus der Regenwolke der Waſſertropfen entſteht, und wie er, das Gleichgewicht ſeiner Theile herzuſtellen, ſich abzurunden ſtrebt, eben ſo und wahrſcheinlich durch dieſelbe Kraft getrieben, hat ſich auch unſere Erde, eben ſo die Sonne mit ihren Planeten, und eben ſo auch jenes zahlloſe Heer von Sonnen gebildet und abge - rundet: jene in einer Sekunde und dieſe in Millionen von Jah - ren. So entſteht der Thau, der auf dem Blumenblatte perlt, und eben ſo entſtand unſere Milchſtraße und alle die anderen unzähligen Milchſtraßen, die nur als Nebelfleck oder Stern -390Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberſchimmern: aus bloßem Dunſt, der ſich verdichtet, wo es dann, wie bei uns Waſſertropfen, dort Sonnen regnet.

Uebrigens liegen die meiſten dieſer wundervollen Gegenſtände weit außer dem Bereiche unſerer eigentlichen Beobachtungen, und der Phantaſie iſt noch ein unendliches Feld für ihre Spiele eröffnet. Vielleicht exiſtirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegoſſen iſt, das ſich in unüberſehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, ſich ſtellenweiſe in Wolken ſammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn ſie vom Winde getrieben werden, verſchiedene phantaſtiſche Geſtalten annimmt, oder ſich bis zur Lichterzeugung condenſirt, oder ſich an Sterne hängt u. dgl. Vielleicht iſt es dieſer Stoff, aus dem die eigentlichen Geſtirne ſich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie Herſchel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken ſind. Vielleicht auch, daß dieſer Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen iſt, aus dem ſie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigſtens die Anſicht Newtons, die er ſeinem Freunde Conduit in einem vertraulichen Geſpräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis feierte eben ſeinen dreiundachtzigſten Geburtstag. Er hatte vor Kurzem eine heftige Krankheit überſtanden und fühlte ſich heute ſtärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be - fragte ihn über dieſe Gegenſtände, bei denen er ſonſt nur ungern verweilte, weil ſie der Rechnung nicht unterworfen werden können. Aber in dieſer Stunde, wo er ſich ſo wohl fühlte, ſchien ihm die Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die Redſeligkeit des Alters beſchlich. Die Leſer werden vielleicht nicht un - gern hören, was ein Mann dieſer Art von jenen Dingen dachte. Ich bemerke nur noch, daß Brewſter in ſeinem Life of Newton uns erſt kürzlich (London 1831) aus einem Manuſcripte Conduits dieſe Nachricht mitgetheilt hat.

Newton ſagte mir darüber Folgendes, mehr geſprächsweiſe und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender Rede: Es iſt meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter den himmliſchen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne391Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.eigene Dünſte aus, die ſich mit anderen Materien verbinden und nach und nach in einen Körper ſammeln, wodurch die untergeord - neten Planeten oder die gegenwärtigen Satelliten entſtehen. Auch dieſe, deren vielleicht eine große Zahl geweſen iſt, ſammeln ſich ſpäter wieder zu einem Hauptplaneten oder zu einem Kometen. Dieſe letzten kommen, nach mancherlei Umläufen, der Sonne im - mer näher, verdichten dadurch ihre flüchtigen Theile und ſtürzen endlich in die Sonne, um ihr den Verluſt wieder zu erſetzen, den ſie durch den beſtändig von ihr ausgehenden Licht - und Wärme - Stoff erleidet. Es iſt möglich, daß ein großer, auf dieſe Art mit der Sonne ſich verbindender Komet die Hitze der Sonne ſo ſehr vermehren könnte, daß dieſe unſere Erde verbrennen und da - her kein lebendes Weſen mehr auf ihr getroffen würde. Es iſt möglich, daß die wunderbaren neuen Sterne, die Hipparch, Tycho und Kepler an Stellen des Himmels, wo früher kein Stern ſichtbar war, plötzlich aufflammen ſahen, auf dieſe Weiſe in Brand gera - then ſind, und daß es einſt mit unſerer Sonne eben ſo gehen werde. Ich glaube, daß es Weſen von viel höheren Geiſteskräften, als die unſeren, gebe, welche dieſe Revolutionen der himmliſchen Körper unter der Lenkung des höchſten Weſens beaufſichtigen. Die gegenwärtigen Bewohner unſerer Erde ſcheinen nur erſt ſeit einer kurzen Zeit da zu ſeyn. Zum Beweiſe dieſer Meinung führe ich nur an, daß alle Künſte, die Schrift, die Schifffahrt, die Malerei, die Magnetnadel u. f. erſt ſeit dem Gedenken unſerer Menſchenge - ſchichte entdeckt worden ſind, was nicht der Fall ſeyn könnte, wenn die Erde ſchon von jeher da geweſen wäre. Auch ſieht man auf der Oberfläche derſelben Zeichen von Zerſtörungen, die nicht durch eine bloße Waſſerfluth bewirkt werden konnten. Ueberhaupt ſehe ich alle Planeten als aus derſelben Materie beſtehend an, wie unſere Erde, nämlich aus Erde, Waſſer, Steinen, Metallen u. ſ. w., aber ver - ſchiedentlich vermengt. Auf die Frage, warum er dieſe ſeine Muth - maßungen nicht bekannt gemacht habe, wie es Kepler und ſo viele Andere gethan haben, antwortete er: Ich ſetze keinen Werth auf bloße Muthmaßungen; auch habe er in ſeinen Werken darüber genug geſagt, um ſeine Meinung erkennen zu laſſen.

Wie es aber auch mit dieſen und mit allen anderen darüber392Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.aufgeſtellten Meinungen beſchaffen ſeyn mag, ſo viel ſcheint gewiß, daß das Prinzip der Anziehung und deſſen Folge, der Verdich - tung der Materie bei der Bildung jener himmliſchen Weſen überall vorherrſchend iſt. In allen Nebeln, die einen eigent - lichen Kern oder auch nur eine entfernte Annäherung zu einem ſolchen zeigen, nimmt das Licht, alſo auch wohl die Dichtigkeit gegen den Kern regelmäßig zu, ſo daß jede den Kern umgebende, concentriſche Schichte auch ihre eigene Beleuchtung hat. Wo im - mer dieſer Kern ſehr hell erſcheint, iſt auch die ihn noch umge - bende Atmoſphäre ſehr ſchwach. Ueberdieß erblickt man überall den Hang zu einer regelmäßigen, meiſtens kugelförmig abgerun - deten Geſtalt, und Helligkeit und Verdichtung ſcheint durchaus gleichen Schritt zu halten. Dieſe Verdichtungen der urſprünglich ſo weit ausgedehnten Nebelmaſſen ſcheinen in jenen Himmelskör - pern ungewöhnlich groß zu ſeyn. Wenn ein Nebel, der früher zehn Minuten Durchmeſſer nach allen drei Dimenſionen hatte, nach vielen Jahrtauſenden ſich bis zu einer Kugel von einer Mi - nute verdichtet hat, ſo iſt er dadurch tauſendmale dichter, als zu - vor, geworden, und dieß iſt mehr, als das Verhältniß der Dich - tigkeit des Waſſers zu jener der Luft. Wenn aber derſelbe Kör - per nur mehr unter dem Durchmeſſer von 15 Sek. erſcheint, ſo hat ſeine Dichtigkeit 640000 mal zugenommen, und er, der in ſeinem erſten Zuſtande an loſem Zuſammenhange ſeiner Theile vielleicht mit unſeren Luftarten noch in keinen Vergleich gebracht werden konnte, wird jetzt die härteſten Körper der Erde, die wir kennen, an Dichte weit übertreffen.

Aber genug, und vielleicht ſchon mehr als genug von dieſen Gegenſtänden, von welchen wir warum ſollten wir es nicht ge - ſtehen? eigentlich gar nichts wiſſen, da ſie viel zu groß ſind, um von uns begriffen zu werden. In der That, wie klein, wie nichtig erſcheint uns alles, was wir bisher groß genannt haben, wenn wir es mit dieſen ätheriſchen Weſen vergleichen, die den Weltenraum bewohnen. Wir ſelbſt verſchwinden gegen dieſe Erde; dieſe Erde verſchwindet gegen das Sonnenſyſtem und ſelbſt dieſes was iſt es gegen jenen unendlichen Wald von Himmelskörpern, vor dem ſo eben unſer Blick vorüber geeilt iſt.

393Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.

Wir haben den Himmel und ſeine Wunder, und in ihnen den Abglanz der unendlichen Allmacht des Schöpfers in ſeinen Wer - ken geſehen. Aber vermeſſen wir uns nicht, dieſe Werke auch ſchon nach ihrer ganzen Größe erkannt zu haben. Was wir ſahen, ſo groß es auch erſcheinen mag, iſt doch vielleicht nur ein ſehr kleiner Theil von dem, was noch keinem menſchlichen Auge erreichbar war; iſt nur der Vorhof des unendlichen Tempels der Natur, den noch kein Sterblicher, auch nicht mit den höchſten Mitteln der Kunſt und Wiſſenſchaft, durchdrungen hat, oder je durchdringen wird. Wer mag uns ſagen, wie viele Welten noch jenſeits von denen ſtehen, die wir, ſelbſt durch unſere ſtärkſten Teleſcope, nur mehr als ſchwache, däm - mernde Wolken erblicken? Es iſt möglich, es iſt ſogar wahrſcheinlich, daß wir die größten Himmelskörper noch gar nicht kennen, weil ſie, wegen ihrer ungeheuern Maſſe, das Licht nicht mehr von ihrer Oberfläche ausſtrömen laſſen. Vielleicht braucht dieſes Licht, ſei - ner entſetzlichen Geſchwindigkeit ungeachtet, Jahrtauſende, um von anderen Geſtirnen bis zu uns zu kommen; und vielleicht konnte es von vielen derſelben ſeit der Zeit, die unſere Erde ſteht, noch nicht bis zu uns gelangen. Wer weiß es, ob auch nur zu Alexan - ders oder zu Moſes Zeiten dort oben alles ſo geweſen iſt, wie wir jetzt es ſehen, oder ob, nach anderen Jahrtauſenden, der ganze Himmel ſich mit neuen Sonnen überziehen wird, die ſchon längſt da ſind, aber noch nicht Zeit genug gehabt haben, uns ihr Licht zuzuſchicken, ſo wie vielleicht andere Syſteme eben ſo lange ſchon erloſchen und in ihr Nichts zurückgekehrt ſind, obgleich wir ſie noch immer am Himmel glänzen ſehen, bis endlich auch der letzte Strahl, den ſie ausgeſendet haben, zu uns gelangt. So ſehen wir, wohin wir unſere Blicke wenden, Himmelskörper ohne Zahl und ſelbſt in jenen Fernen, wohin unſere Fernröhre nicht mehr dringen, ſelbſt dort, wo alles Licht erliſcht, wo auch das ſchärfſte Auge nichts als Nacht erblicken würde auch dieſe Räume ſind höchſt wahrſcheinlich wieder von neuen Welten, von neuen Zeugen der Allmacht ihres Schöpfers erfüllt.

Bientôt à mes regards des cieux inconnus s’ouvrent, Des régions sans fin devant moi se découvrent;394Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.Carrière illimitée , par les mêmes lois, Mille Univers flottans se meuvent à la fois. Je vois de tout cotés, dans ces plaines profondes Autour d’autres soleils, graviter d’autres mondes, Et lorsque, pour peupler les espaces deserts, Je suis las, d’enfanter de nouveaux univers, Le Vide encore s’étend et, dans son sein immense, Par-delà l’Infini, l’Infini recommence.
(Lebrun. )

Ende des zweiten Theils.

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About this transcription

TextDie Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems
Author Joseph Johann von Littrow
Extent423 images; 125115 tokens; 12506 types; 850458 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems Zweiter Theil: Beschreibende Astronomie Joseph Johann von Littrow. . 394 S., [8] Bl. HoffmannStuttgart1835.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:49Z
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