PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darſtellung des Weltſyſtems.
Mit Königl. Würtembergiſchem Privilegium.
Drei Baͤnde. Mit dem Bildniſſe des Verfaſſers und aſtronomiſchen Tafeln.
  • Dritter Theil:
    • Phyſiſche Aſtronomie.
    • Beſchreibung und Lehre vom Gebrauch der aſtronomiſchen Inſtrumente.
Stuttgart,Hoffmann'ſche Verlags-Buchhandlung.1836.
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Phyſiſche Aſtronomie oder Geſetze der himmliſchen Bewegungen. Beſchreibung und Lehre vom Gebrauch der aſtronomiſchen Inſtrumente.
Mit einem erklärenden Verzeichniſs der vorzüglichſten aſtronomiſchen Kunſtwörter. Nebſt 28 aſtronomiſchen Figuren auf fünf Tafeln.
Stuttgart,Hoffmann'ſche Verlags-Buchhandlung.1836.
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Die Wunder des Himmels.

Dritter Band.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder III. 1[2][3]

Kapitel I. Eigenſchaften der Körper.

§. 1. (Allgemeine Eigenſchaften der Körper.) Wohin wir unſere Blicke wenden, finden wir uns von Dingen umgeben, die auf unſere Sinne einwirken und die wir Körper nennen. Was ſind ſie, woher kommen und worin beſtehen ſie und wie werden wir uns ihres Daſeyns bewußt? Die Metaphyſiker haben ſich lange darüber geſtritten: ſie ſtreiten noch, und ſie werden es wahr - ſcheinlich immer.

Ohne dieſen Forſchern das Vergnügen, unauflösbare Räthſel löſen zu wollen, zu mißgönnen, werden wir uns damit begnügen, dasjenige, was allein in unſerer Macht iſt: die Wirkungen dieſer Körper auf einander, näher kennen zu lernen.

Unſere erſten Begriffe von den Körpern führen uns auf Eigenſchaften derſelben, die ihnen allen zukommen, an denen wir ſie erkennen und ohne die wir ſie uns nicht zu denken vermöchten. Dieſe ſind Größe, Geſtalt und Undurchdringlichkeit.

§. 2. (Größe, Geſtalt und Undurchdringlichkeit.) Jeder Körper muß einen Raum einnehmen oder ein gewiſſes Volum haben, wie groß oder wie klein auch daſſelbe ſeyn mag. Darin beſteht ſeine Größe. Jeder Körper muß ferner dieſen ſeinen Raum auf eine beſtimmte Art einnehmen und von dem übrigen Raume durch gewiſſe Gränzen oder Flächen getrennt ſeyn, worin ſeine Form1 *4Eigenſchaften der Körper.oder ſeine Geſtalt beſteht. Endlich können auch zwei oder meh - rere Körper nicht zugleich an demſelben Orte ſeyn. Sie können ſich verdrängen, um die Orte der verdrängten einzu - nehmen; ſie können ſich neben den kleinſten Theilen anderer Körper eindrängen, wie Waſſer in den Schwamm, wie Salz in das Waſſer; aber dieſe kleinſten Theile ſelbſt müſſen unverändert fort - beſtehen und der Ort, den einer dieſer Theile einnimmt, kann nicht zugleich von einem andern eingenommen werden, wenn an - ders unſer Begriff vom Körper nicht ſeine Bedeutung verlieren ſoll. Darin beſteht die Undurchdringlichkeit oder die Impene - trabilität der Körper.

Geſtalt und Volum ſind zwei verſchiedene und von einander unabhängige Eigenſchaften jedes Körpers. Das Volum kann bei derſelben Geſtalt ſehr verſchieden ſeyn und umgekehrt. Das Volum der Sonne iſt Millionenmal größer, als das der Erde, aber die Geſtalt beider iſt gleich, weil beide Kugeln ſind. So können zwei Körper z. B. eine Kugel und ein Würfel ſehr verſchiedene Geſtalten und doch daſſelbe Volum, d. h. denſelben Rauminhalt haben. Eben ſo kann die Oberfläche einer Kugel gleich groß mit der einer ebenen Tafel oder die Länge eines Kreisbogens gleich groß mit der einer geraden Linie ſeyn, während doch die Ge - ſtalten dieſer Flächen oder dieſer Linien ſehr verſchieden ſind.

§. 3. (Beſondere Eigenſchaften der Körper.) Wenn man aber den Begriff eines Körpers, wie er uns durch die Erfahrung gegeben wird, noch näher unterſucht, ſo findet man, außer jenen allgemeinen Eigenſchaften deſſelben, noch mehrere andere, die ihm zwar nicht mehr nothwendig zukommen, die aber, als Reſultate unſerer Beobachtungen und wegen ihrer Anwendbarkeit in der Folge, eine beſondere Betrachtung verdienen.

§. 4. (I. Poroſität.) Das Volum, welches die Körper ein - nehmen, wird, der Erfahrung gemäß, von den Theilen, ſelbſt von den kleinſten Theilen dieſer Körper nicht vollſtändig eingenommen; denn dieſe Theile ſind nicht in abſoluter Berührung unter ein - ander, ſondern ſie ſind durch Zwiſchenräume, Poren, getrennt, deren Inhalt ſelbſt nicht zu dem eigentlichen Körper gehört. Das Volum eines jeden Körpers beſteht alſo aus ſolchen, den Körper conſtituirenden Theilen deſſelben und aus den dieſe Theile tren -5Eigenſchaften der Körper.nenden Poren, die entweder leer oder mit andern Subſtanzen angefüllt ſind.

Wenn die Poren eines der Atmoſphäre ausgeſetzten Körpers größer ſind, als die kleinſten Theile, aus welchen die Atmoſphäre beſteht, ſo dringt die letzte in jene Poren ein. So ſieht man, wenn Holz, Kreide oder Zucker auf den Boden eines mit Waſſer gefüllten Gefäßes gebracht wird, die durch den Druck des Waſſers aus den Poren jener Körper herausgedrängte Luft in der Geſtalt von Blaſen auf die Oberfläche des Waſſers ſteigen. Wenn eine lange, verticale Röhre, deren Boden mit Holz verſchloſſen iſt, mit Queckſilber gefüllt wird, ſo ſieht man das letzte in der Ge - ſtalt eines feinen Silberregens durch den Boden dringen. Unſere gewöhnlichen Filtrationen beruhen ganz auf demſelben Princip, und man wird z. B. das Waſſer von allen fremden Beſtand - theilen reinigen, wenn man es durch ein Filtrum von Papier, von poröſem Stein, von einem Sand - oder Kohlenlager gehen läßt, vorausgeſetzt, daß die Poren des Filtrums kleiner ſind, als die Dimenſionen der fremdartigen Körper, von welchem man das Waſſer befreien will.

Dieſe Poroſität wird, ſo viel uns bekannt, bei allen Körpern, ſelbſt bei den Metallen und Steinen angetroffen. Unter den kieſelartigen Steinen iſt der ſogenannte Hydrophan in ſeinem ge - wöhnlichen Zuſtande nur ſehr wenig durchſichtig, aber er wird vollkommen diaphan, wenn er eine Zeit im Waſſer gelegen hat. Uebrigens darf immer noch bemerkt werden, daß das, was wir Undurchdringlichkeit der Materie nennen, vielleicht den Körpern ſelbſt nicht eben nothwendig zukömmt. Wir ſchließen ihr Daſeyn nur aus Erfahrungen, denen wir dann, durch Induction, eine allgemeine Gültigkeit geben. Aber man könnte vielleicht auch Erfahrungen für das Gegentheil anführen, z. B. die Wirkungen des Lichts, der magnetiſchen und electriſchen Materie u. ſ. w. Zwar ſuchen wir uns hier mit den Poren der Körper zu helfen, aber dieſe ſind doch nur wieder angenommen, weil wir die Ma - terie an ſich, vielleicht mit Unrecht, für undurchdringlich halten. Glücklicher Weiſe hängen von dieſen, nicht ſowohl phyſiſchen als metaphyſiſchen Speculationen unſere Kenntniſſe der äußeren6Eigenſchaften der Körper.Erſcheinungen der Natur nicht ab, und nur mit dieſen letzten be - ſchäftiget ſich der eigentliche Naturforſcher.

§. 5. (II. Compreſſibilität.) Durch Druck oder Schlag können die meiſten Körper in einen engeren Raum gebracht werden. Ihr Volum nimmt ab, ohne daß die Anzahl ihrer kleinſten Theile vermindert wird. Dieſer Druck muß daher die Größe der Poren dieſer Körper vermindern, oder er muß die Theile dieſer Körper einander näher bringen. Wenn ſie, nachdem der Druck aufgehört hat, ihre frühere Geſtalt mit einer gewiſſen Kraft wieder anzu - nehmen ſich beſtreben, ſo nennt man dieſe Kraft Elaſticität. Alle elaſtiſche Körper müſſen daher compreſſibel ſeyn, aber nicht alle compreſſible Körper ſind elaſtiſch.

§. 6. (III. Ausdehnbarkeit.) Beinahe alle Körper nehmen, wenn ſie erwärmt werden, einen größeren Raum ein, als ſie bei einer geringeren Temperatur eingenommen haben. Daſſelbe thun alle luftförmige Körper (Gaſe), wenn ſie von dem auf ſie laſtenden Drucke befreit werden. Durch dieſe Ausdehnung muß daher die Dimenſion der Poren der Körper vergrößert werden. Eine ſchlaffe, beinahe ganz luftleere Blaſe ſchwillt auf, wenn ſie mit wohl verſchloſſener Oeffnung auf einen erwärmten Ofen ge - bracht wird, und ſinkt wieder in ihren vorigen Zuſtand zurück, wenn die in ihr verſchloſſene Luft auskühlt. Die eiſernen Schienen unſerer Wagenräder werden gewöhnlich etwas kleiner, als die Peripherie des Rades von Holz gemacht, aber durch ſtarke Hitze vergrößert, paſſen ſie genau auf das Holz, welches ſie noch nach der Auskühlung ſo ſtark anziehen, daß ſie, ſelbſt ohne Be - feſtigung durch Nägel, lange auf dem Rade feſthalten können. Wenn ſich Flaſchenſtöpſel nicht ohne Gefahr für die Flaſche aus - ziehen laſſen, ſo unwindet man den Hals derſelben mit in heißes Waſſer getauchten Tüchern, wodurch die Oeffnung der Flaſche erweitert und der Kork ohne Mühe herausgebracht wird. Als in dem Gebäude des Conservatoire des Arts zu Paris die beiden gegenüberſtehenden Seitenwände an ihren oberen Stellen auswärts gewichen waren, ließ Molard ſie durch mehrere eiſerne Stangen verbinden, die durch beide Mauern gingen und an ihren äußerſten Enden mit Schrauben verſehen waren. Wenn dieſe Stangen durch untergeſtellte Lampen erhitzt und verlängert waren, wur -7Eigenſchaften der Körper.den die Schrauben näher an die Mauern gedreht, und dadurch die Wände von den bei ihrer Verkühlung ſich wieder verkürzenden Stangen einander näher und durch wiederholte Verſuche endlich ganz in die frühere ſenkrechte Lage gebracht.

§. 7. (IV. Theilbarkeit.) Alle Körper von noch merkbarem Volum, ſelbſt die kleinſten, laſſen ſich, der Erfahrung gemäß, in noch kleinere Theile trennen. Dieſe Theilung geht, unſeren Beobachtungen zu Folge, ungemein weit und vielleicht ſelbſt ins Unendliche. Newton lehrte uns der erſte die ungemein geringe Dicke mancher durchſichtigen Flächen kennen und ſelbſt berechnen, indem er die Farben, welche ſie bei verſchiedenen Dicken zurück - werfen, zu dieſem Zwecke benützte. Eine Seifenblaſe iſt eine hohle Kugelſchaale, die je nach der Dicke ihrer einzelnen Stellen auch in verſchiedenen Farben ſpielt. Kurz vor ihrem Platzen zeigt ſich auf dem höchſten Theile derſelben ein ſchwarzgrauer Punkt und dort iſt die Dicke der Blaſe, nach Newtons Rechnungen, noch nicht der zwei und ein halb millionſte Theil eines Zolles. Die durch - ſichtigen Flügel mancher Inſekten ſind ſo dünn, daß 50000 der - ſelben übereinander gelegt, noch nicht die Dicke des vierten Theils eines Zolls betragen würden. In unſeren vergoldeten Silber - fäden iſt das ſie ringsum bedeckende Gold ſo ausgedehnt, daß daſſelbe bei einem Draht von einem Fuß Länge noch nicht den millionſten Theil eines Lothes wiegt. Ein Zoll dieſes Sil - berdrabts würde alſo nur den 18 millionſten und der noch immer gut ſichtbare hundertſte Theil dieſes Zolles würde den 1800 mil - lionſten Theil von einem Lothe Goldes enthalten. Daſſelbe Stück, durch ein Mikroſcop mit einer 500maligen Vergrößerung betrachtet, würde 500mal länger und alſo auf dieſem Silber - faden das ihn bedeckende Gold in 900000 Millionen Theile ge - theilt erſcheinen, deren jeder noch alle die Eigenſchaften dieſes Metalls hat, ſeine Farbe, ſeine Dichte, ſeine frühere Verwandt - ſchaft zu den chemiſchen Agentien u. ſ. w.

Noch viel weiter ſcheint dieſe Theilbarkeit bei den organiſchen Körpern zu gehen. Unſer Blut z. B. iſt nicht eine gleichmäßige rothe Flüſſigkeit, ſondern es beſteht aus kleinen rothen Kügelchen, die in einer transparenten Flüſſigkeit, dem Serum, ſchwimmen. Bei den Säugthieren ſind dieſe Kügelchen vollkommen rund, bei8Eigenſchaften der Körper.Vögeln und Fiſchen aber elliptiſch. In dem Blute der Menſchen beträgt der Durchmeſſer dieſer Kügelchen nur den 4000ſten Theil eines Zolls, woraus folgt, daß in einem ſolchen Blutstropfen, der an der Spitze der feinſten Nadel hängen bleibt, wenigſtens eine Million ſolcher Kügelchen enthalten ſeyn muß.

Und doch haben uns die Mikroſcope ſchon Thiere gezeigt, die noch kleiner ſind, als dieſe Kügelchen, von denen Millionen auf einander gehäuft noch keinem Sandkorn gleichen und die zu Tauſenden mit Eins durch die feinſte Oeffnung einer Nadel ſchwimmen; und doch hat jedes derſelben ſeine Glieder und Eingeweide, ſeine Sinne und ſeinen Inſtinkt, und, wie man aus ihren Bewegungen ſieht, auch ſeinen freien Willen. Aus welchen feinen Theilen muß der Organismus dieſer Weſen zu - ſammen geſetzt ſeyn! Müſſen ſie nicht auch ein Herz, Arterien und Venen, Muskeln und Nerven haben, und von welcher Größe ſollen wir dieſelben annehmen? Wenn die Kügelchen ihres Blutes zu den unſeren daſſelbe Verhältniß haben, wie die Größe ihres ganzen Körpers zu dem unſeren, wer mag den Durchmeſſer der - ſelben berechnen?

(Unſere Sinne ſind die feinſten Inſtrumente zu Unterſuchungen ſolcher Art.) Da uns hier unſere feinſten Inſtrumente verlaſſen und da unſere beſten Mikroſcope nicht mehr bis zu jenen Gränzen vorzu - dringen im Stande ſind, ſo ſcheinen jene unbekannte Gegenden nicht mehr für eigentliche Beobachtungen, ſondern bloß für Muth - maßungen geeignet, mit welchen die Einbildungskraft nach Ge - fallen ſpielen kann. Aber dieſe Muthmaßungen ſind doch ganz anderer Art, als jene, welche unſere hyperphyſiſchen Naturphilo - ſophen ihren Speculationen zu Grunde zu legen pflegen. Sie ſind auf Thatſachen gebaut, auf eine eigene Gattung von Beobach - tungen, mit einem Inſtrumente angeſtellt, das wir in uns ſelbſt tragen und das unendlich feiner gebaut iſt, als alle diejenigen, die bisher aus den Werkſtätten unſerer Künſtler hervorgegangen ſind. Unſer Nervenſyſtem iſt, beſonders im gereizten Zuſtande, von einer Empfindlichkeit, die wir nur fühlen, aber nicht mehr berechnen oder mit dem Verſtande angeben können. Unſere Ge - ruchsnerven z. B. zeigen uns das Daſeyn riechbarer Körper in der Luft, von denen keine chemiſche Analyſe auch nur die geringſte9Eigenſchaften der Körper.Spur auffinden kann. Ein einziger Gran Moſchus verbreitet in einem großen und luftigen Zimmer oft mehrere Jahre durch einen ſtarken Geruch, und Papiere, die neben Moſchus gelegen haben, können die Reiſe nach Oſtindien und zurück machen, ohne ihren Geruch zu verlieren. Bedenkt man nun, wie viele Moſchus - Theilchen ſich von einem ſolchen Körper in jeder Sekunde abſon - dern müſſen, um nach allen Richtungen von ihm durch den Geruch erkannt zu werden, ſo muß man über die Menge, alſo auch über die Kleinheit dieſer Theilchen erſtaunen.

Nicht minder bewunderungswürdig erſcheint uns der Sinn des Geſichts. Das Licht des Mondes, auch viele tauſendmale in unſern Hohlſpiegeln und Brenngläſern verdichtet, zeigt nicht die geringſte Wirkung, weder auf unſere Thermometer, noch auch auf die chemiſchen Erſcheinungen der Körper, die dieſem höchſt conden - ſirten Lichte ausgeſetzt werden. Aber ſo wie auch nur ein Strahl des nicht verdichteten Mondlichts die Pupille unſeres Auges trifft, zieht ſich dieſelbe ſogleich zuſammen, und doch bleibt dieſe Pupille ganz unbeweglich, wenn man ſie mit den Spitzen einer Nadel kratzt, wenn man ſie mit Säuren benetzt, oder wenn man electri - ſche Funken auf die Oberfläche derſelben leitet. Dieſe Beiſpiele mögen uns lehren, mit welcher Behutſamkeit man zu Werke gehen muß, wenn man von Experimenten, an lebloſen Körpern ange - ſtellt, auf jene ſchließen will, die an den mit Leben begabten Subſtanzen ſtatt haben, und ohne Zweifel ſind unſere Phyſiologen beſonders aus dem Grunde noch ſo weit hinter ihren eigenen Wünſchen zurück, weil ſie ihre Beobachtungen an dem thieriſchen Organismus gewöhnlich erſt dann anſtellen können, wenn bereits das Leben aus ihm entflohen iſt.

§. 8. (Kryſtalliſation der Körper.) Durch Bemerkungen dieſer Art, die ſich ſo oft darbieten, wird man verſucht, alle Körper der Natur als ins Unendliche theilbar anzunehmen. Allein die ſon - derbaren Phänomene der Kryſtalliſation ſcheinen dieſer Annahme zu widerſprechen. Wenn Salz mit Waſſer gemiſcht und das Gemenge einer höheren Temperatur ausgeſetzt wird, ſo verdampft das Waſſer allmählig und wenn einmal ſo viel Waſſer ſich in Dampfgeſtalt entfernt hat, daß der noch übrige Reſt deſſelben nicht mehr im Stande iſt, die ganze Maſſe des Salzes im flüſſigen10Eigenſchaften der Körper.Zuſtande zu erhalten, ſo ſieht man dieſes Salz in regelmäßigen Geſtalten an dem Boden und den Wänden des Gefäßes ſich an - ſetzen, und dieſe Geſtalten ſind durchaus dieſelben für dieſelbe Gattung des Salzes, und verſchieden für verſchiedene Gattungen: Kugel, Würfel, drei - vier und mehrſeitige Pyramiden u. ſ. f. Wenn man dieſe Kryſtalle gehörig ſpaltet, um ſie in immer klei - nere Theile zu theilen, ſo bemerkt man, daß die urſprüngliche Geſtalt derſelben, z. B. die Würfelform, auch bei den kleinſten Theilen dieſer Kryſtalle wieder erſcheint, und daß dieſe kleinſten Theile an ihren Seitenflächen eine ſehr hohe Politur haben, die man durch keine mechaniſche Kunſt erreichen kann. Es ſcheint daher, als ob die letzten Theile der kryſtalliſirten und vielleicht aller Körper der Natur, oder daß die Atome dieſer Körper durchaus eine beſtimmte und für jeden Körper eigenthümliche Ge - ſtalt haben, wie dieſe denn auch ſchon bei den meiſten, ſelbſt bei Steinen und Metallen durch unmittelbare Beobachtungen nachge - wieſen worden iſt. Vielleicht hängen die Eigenſchaften, durch welche ſich dieſe Körper unter einander auszeichnen, nur von dieſen Geſtalten und gegenſeitigen Stellungen ihrer Atome ab. Unſere Flüſſigkeiten kryſtalliſiren alle in der Kälte, und wenn unſere Luft - arten in eine ſo niedere Temperatur gebracht werden könnte, in welcher ſie ebenfalls zu feſten Körpern werden, ſo würden ſie ohne Zweifel dieſelben Erſcheinungen zeigen. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß dieſe letzten Elemente aller Körper ihrer Geſtalt und Natur nach unveränderlich und unzerſtörbar ſind, da wir ſie nach allen, auch den gewaltſamſten Veränderungen wieder finden, welche wir mit dieſen Körpern, durch mechaniſche oder chemiſche Kräfte vor - nehmen, und daß ſie endlich, obſchon ſie ſelbſt, ihrer ungemein geringen Dimenſionen wegen, noch durch keine Kunſt in den Be - reich unſerer Sinne gebracht werden konnten, doch von einer be - ſtimmten, wenn gleich uns unangeblichen Größe ſeyn müſſen.

§. 9. (Bewegung der Körper; Anziehung und Abſtoßung der - ſelben.) Außer dieſen, allen Körpern der Natur gemeinſamen Eigen - ſchaften bemerken wir aber noch eine andere, die in ganz beſonderem Grade unſere nähere Betrachtung verdient. Wir ſehen, daß bei - nahe alle dieſe Körper und ſelbſt die Theile, aus welchen ſie11Eigenſchaften der Körper.beſtehen, ihre Lage gegen einander ändern, oder daß ſie ſich bewegen.

In dieſen Körpern ſelbſt können wir aber nichts finden, was dieſe Bewegung erzeugen ſollte. Wir ſind daher gezwungen, die Urſache derſelben außer ihnen zu ſuchen. In den thieriſchen, be - lebten Körpern ſcheint wohl etwas zu liegen, das eine Bewegung derſelben hervorbringt, aber dieſe dem Willen des Thieres gehor - chende Bewegung ſeiner Glieder kann nicht in dieſen Gliedern ſelbſt, oder in irgend einem andern Theile des Körpers geſucht werden, da wir ſie im Schlafe und noch mehr, nach dem Tode des Thieres, nicht mehr finden, wenn gleich der ganze Körper durch dieſen Tod keine merkbare Veränderung in der Zuſammen - fügung ſeiner Theile erlitten hat. Dieſe freiwillige Bewegung der lebenden Geſchöpfe ſcheint daher auch hier keineswegs eine Wirkung der an ſich todten Materie ſelbſt, ſondern vielmehr ein Reſultat des dieſe Materie belebenden und von ihr ganz verſchie - denen Weſens zu ſeyn, deſſen Natur uns noch in tiefes Dunkel gehüllt iſt.

Was iſt es alſo, was zwei Waſſertropfen einander nähert, was das Eiſen dem Magnete entgegen führt; was den Stein, den wir aus der Hand fallen laſſen, zur Erde fallen macht; was die Planeten um die Sonne und die Satelliten um ihren Haupt - planeten treibt? Wir wiſſen es nicht. Wir ſehen, daß ſich die Körper bewegen, und da wir die Urſache dieſer Bewegung nicht in den Körpern ſelbſt vorausſetzen können, ſo ſuchen wir ſie außer ihnen, in den andern Körpern, zu oder von denen ſich jene bewegen. Wir ſagen, daß dieſe Körper gegen jene eine Anzie - hung oder Abſtoßung äußern. So kömmt es uns vor, und dieſe beiden Ausdrücke ſind auch nichts weiter, als das Bild, welches wir uns von jenen Erſcheinungen entwerfen. Ob es aber auch in der That der Natur gemäß ſey, ſind wir nicht im Stande, zu entſcheiden. Wenn wir ſagen, der Magnet zieht das Eiſen an, ſo heißt dieß nur, daß dieſe beiden Körper, wenn ſie ſich be - gegnen, einander näher kommen und wenn ſie ſich berühren, an einander feſt halten, ſo daß ein gewiſſer Widerſtand nöthig iſt, ſie zu trennen. Ob aber die Urſache dieſer Annäherung, ob der eigentliche Sitz dieſer Anziehung in dem Magnet, oder in dem12Eigenſchaften der Körper.Eiſen, oder ob er in einem dieſe beiden Körper umgebenden Medium ſey, dieß iſt uns eben ſo[unbekannt], als die Art, auf welche dieſe Anziehung beider Körper bewirkt werden mag. Die Wirkung allein iſt es, die wir kennen, weil wir von ihrem Daſeyn, von ihrer Größe und von ihren Modificationen unmit - telbar durch unſere Sinne belehrt werden. Aus dieſen Wirkungen ſchließen wir, daß es ein allgemeines, alle Körper der Natur um - ſchlingendes, obgleich uns unſichtbares Band geben muß, welches nicht nur dieſe Körper, ſondern auch die kleinſten Theile eines jeden einzelnen Körpers unter ſich verbindet, und ohne welches jeder Körper, jedes Atom des Körpers eine Welt für ſich aus - machen würde, ohne Zuſammenhang und Wechſelwirkung auf andere. Dieſes magiſche Band, dieſes räthſelhafte Weſen, was da macht, daß jedes Atom der Materie, daß jeder Körper alle anderen an ſich zu ziehen ſucht, nennen wir, obſchon wir daſſelbe nicht weiter kennen, der Kürze wegen, die Kraft dieſes Körpers, nicht ſowohl, um dadurch die Sache ſelbſt, als vielmehr nur die uns ſichtbare Wirkung derſelben zu bezeichnen. Wir bemerken eben ſo wenig den unſichtbaren Faden, der den fallenden Stein zur Erde herabzieht, als wir das Seil bemerken, an welchem ſich die Erde um die Sonne, oder der Mond um die Erde ſchwingt, und wir wiſſen eben ſo wenig von dem, was ein Körper, was Materie überhaupt iſt, als wir einſehen, wie dieſe Körper auf einander wirken oder ſich gegenſeitig in Bewegung ſetzen können. Die Entdeckung dieſer Dinge wollen wir nur auch fernerhin dem Scharfſinne unſerer Metaphyſiker überlaſſen, die ohnehin, ſeit die Erde ſteht, noch keine einzige nützliche gemacht haben, und uns dafür begnügen, die Wirkungen dieſer Urſachen näher kennen zu lernen und durch dieſe Kenntniſſe, verbunden mit der allein un - trüglichen mathematiſchen Analyſe, auf dem Wege reiner und vorurtheilsfreier Beobachtungen ſo viel von den Geheimniſſen der Natur zu erforſchen, als ſie eben den menſchlichen Kräften zu gönnen für gut gefunden hat.

§. 10. (Molecular - und allgemeine Anziehung der Körper.) Zuvörderſt wollen wir bemerken, daß dieſe Kräfte, mit welchen die Körper auf einander wirken, zweierlei weſentlich von einander verſchiedener Art zu ſeyn ſcheinen. Die einen wirken nur zwiſchen13Eigenſchaften der Körper.den kleinſten Atomen eines und deſſelben Körpers, ihr Wirkungs - kreis iſt daher, in Beziehung auf ihre Ausdehnung im Raume, ſehr beſchränkt, und ſie erzeugen dadurch das, was wir Zuſammen - hang, Feſtigkeit und Dichte dieſer Körper nennen. Die andern aber wirken von einem Körper zum andern, ſelbſt auf ſehr große Entfernungen und dieſe ſind es, welche die Bewegungen dieſer Körper um und gegen einander, auf der Oberfläche unſerer Erde ſowohl, als auch in jenen Höhen über uns hervorbringen. Jene Kräfte nennt man die Molecular-Anziehung, während dieſe die allgemeine Attraction oder auch die allgemeine Schwere (Gravitation) genannt wird.

§. 11. (Nähere Betrachtung der Molecularkräfte.) Die Mo - lecularkräfte ſind uns, ſelbſt in ihren Wirkungen, noch ſehr wenig bekannt, aber ihr Daſeyn iſt darum nicht weniger gewiß, da wir, ohne ſie, die uns von allen Seiten umgebende Welt nicht ſo ſehen könnten, wie ſie uns in der That erſcheint. Wenn dieſe Kräfte nicht exiſtirten, ſo würde die ganze Natur nur ein verworrenes Aggregat unter einander geworfener Atome, einem Sandhaufen ähnlich, ſeyn, ohne Geſtalt, Zuſammenhang und Bewegung. Es würde keine feſten, keine flüſſigen, keine luftförmigen Körper mehr geben; Licht und Wärme würden nicht mehr die wundervollen Wirkungen auf dieſelbe hervorbringen; alle organiſche Weſen und das Leben ſelbſt, ſo weit es dieſe Weſen beſeelt, würde aus der Natur verſchwinden. Die einzelnen Elemente jenes chaotiſchen Haufens würden in keiner weiteren Beziehung zu einander ſtehen, ihren einmal eingenommenen Ort nicht mehr ändern und an die Stelle des regen Lebens und der immerwährenden Bewegung, die wir jetzt in allen Theilen der Natur bewundern, würde eine öde, allgemeine Ruhe und die Stille des Grabes treten.

Wenn wir daher auch die Art, auf welche dieſe Kräfte wirken, nicht näher angeben können, wie wir es wohl bei der Kraft der allgemeinen Schwere im Stande ſind, ſo ſind wir deſſenungeachtet von der Exiſtenz derſelben nicht weniger überzeugt. Jede Gegend, jeder Punkt des Himmels und der Erde, auf den wir mit unſern Fingern hindeuten, kann als ein Beweis für das Daſeyn dieſer Kräfte dienen und die ganze materielle Welt ſelbſt iſt nur ein14Eigenſchaften der Körper.großes Reſultat der Wirkungen, welche durch dieſe Kräfte erzeugt werden.

Wir haben oben geſehen, daß jeder Körper aus Atomen von beſtimmter Geſtalt beſteht und daß dieſe Atome durch Zwiſchen - räume (Poren) von einander getrennt ſind. Wir kennen weder die Dimenſionen dieſer Atome, noch die ihrer Zwiſchenräume, aber wir wiſſen, daß beide ungemein klein ſeyn müſſen und daß wahr - ſcheinlich die Atome noch viel kleiner ſind, als ihre Entfernungen von einander, ja es iſt möglich, daß bei vielen Körpern das Ver - hältniß der Größe der Atome zu ihren Zwiſchenräumen demjenigen gleich kömmt, das wir bei den Planeten unſeres Sonnenſyſtems und den Räumen bemerken, die ſie von einander trennen. Ohne Zweifel wirken die Kräfte, welche dieſe Atome gegen einander ausüben, nur auf die kleinen Diſtanzen ihrer Zwiſchenräume und ſind in größeren Entfernungen ganz unmerklich. Auch müſſen ſie nicht bloß anziehende, ſondern auch abſtoßende Kräfte ſeyn, indem jene die Cohäſion und dieſe den Widerſtand der Körper bewirken, den ſie alle, wie wir wiſſen, ihrer Compreſſion entgegen ſetzen, während beide zuſammen vielleicht diejenigen Wirkungen hervor - bringen, die wir durch die Bennenung der Affinität und der chemiſchen Erſcheinungen zu bezeichnen pflegen. Es ſcheint, daß die abſtoßende Kraft der Atome in der nächſten Umgegend der - ſelben, die anziehende aber erſt in etwas größern Entfernungen von ihnen wirkſam iſt. Daher widerſtehen, bei den feſten Kör - pern, die Atome derſelben ſowohl der Trennung, als der Com - preſſion, und man muß oft bedeutende Kräfte anwenden, ſie zu brechen, oder auch ſie in einen kleineren Raum zuſammen zu preſſen. Die Intenſität dieſer anziehenden Kraft ſcheint bei allen den Körpern, die wir hart und brüchig nennen, oft ſehr groß zu ſeyn, wenn gleich der Durchmeſſer ihrer Wirkungsſphäre ungemein klein iſt. Dieß iſt z. B. der Fall bei Gußeiſen, bei mehreren Steinen und anderen Subſtanzen, die man mit keiner Gewalt ſtrecken oder ausdehnen kann. Bei dem Bley und bei anderen weichen Metallen ſcheint dieſe Intenſität der Attraction viel ge - ringer und dafür die Wirkungsſphäre derſelben bedeutend größer zu ſeyn.

Bei flüſſigen Körpern aber iſt das Gewicht der einzelnen15Eigenſchaften der Körper.Elemente, aus welchen ſie beſtehen, viel größer, als der gegen - ſeitige Zuſammenhang derſelben durch die Molecularkraft. Wenn daher ein ſolcher Körper an ſeinen Gränzen nicht eingeſchloſſen wird, ſo trennen ſich die Theile deſſelben, oder ſie fließen aus ein - ander. Wird er aber in einem Gefäße feſt gehalten, ſo ſetzt er ſich, durch dieſes Gewicht ſeiner Elemente, in dem unterſten Theile des Gefäßes, deſſen Raum er durchaus gleichförmig erfüllt. Auch ein feſter Körper, in daſſelbe Gefäß gebracht, würde durch das Gewicht ſeiner Elemente daſſelbe thun, wenn er nicht durch die ſtärkere Cohäſion dieſer Elemente daran gehindert würde. Obſchon aber bei den feſten Körpern dieſe Attraction der Atome viel größer iſt, als bei den flüſſigen, ſo iſt ſie doch auch bei den letztern noch bedeutend größer, als bei den luftförmigen Körpern. Wenn das Waſſer erwärmt wird, ſo löst es ſich in noch viel kleinere und noch viel weiter von einander getrennte Theile auf, die in der Geſtalt von Dünſten ſich in die Atmoſpäre erheben, und wenn dann dieſen Dünſten ihre höhere Temperatur wieder entzogen wird, ſo tritt die frühere Cohäſionskraft wieder ein, welche die zerſtreuten Theile des Dunſtes in runde Tropfen ſammelt und ſie in ihrer früheren Geſtalt, als Waſſer, wieder der Erde zuführt. Wenn Flüſſigkeiten in größeren Höhen, z. B. von einer Thurm - ſpitze, ausgegoſſen werden, ſo fallen ſie, nicht in ganzen Maſſen, ſondern wie Sand oder Staub, in runden abgeſonderten Tropfen herab, die deſto größer ſind, je größer die Cohäſionskraft der Flüſ - ſigkeit iſt. So fällt Oel in großen, Aether und Alcohol aber in ſehr kleinen Tropfen zur Erde. Die Regentropfen, die an der Außenſeite unſeres Fenſterglaſes einander näher kommen, vereini - gen ſich und laufen in einander, ſo wie Queckſilbertropfen, die einander auf einer horizontalen Glastafel begegnen, zum Zeichen, daß ſie von einander angezogen werden. Dieſelbe Anziehung der Atome gibt auch den Körnern unſeres Schrotes die kugelförmige Geſtalt. Wenn das geſchmolzene Bley von einer größeren Höhe herabgegoſſen wird, theilt es ſich, wie dort das Waſſer, durch ſeine Cohäſionskraft in runde Tropfen, die, ehe ſie den Boden er - reichen, auskühlen und daher ihre kugelförmige Geſtalt beibe - halten. Dieſelbe Kraft, welche dieſen Tropfen ihre runde Form gibt, hat auch jene großen Körper des Himmels, die Sonne, den16Eigenſchaften der Körper.Mond und die Planeten abgerundet, wenn dieſelben anders, wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, zur Zeit ihrer Entſtehung ſich in einem flüſſigen Zuſtande befunden haben.

Dieſelbe Anziehung, welche wir zwiſchen den einzelnen Ele - menten der feſten oder auch der flüſſigen Körper unter ſich bemerken, zeigt ſich zwiſchen den Atomen der feſten und flüſ - ſigen Körper ſelbſt. So fällt ein Waſſertropfen von der untern Seite einer horizontalen Glastafel nicht herab, weil er von der Tafel angezogen wird. Wenn die Spitze einer Nadel in eine Flüſſigkeit getaucht und wieder aus ihr herausgezogen wird, bleibt ein Tropfen derſelben an ihr hängen, und alle feſte, in Flüſſig - keiten eingetauchte Körper, werden naß, wenn anders dieſe beiden Körper ſich gegenſeitig anziehen. Wenn eine Glasröhre in Queckſilber getaucht wird, ſo bleibt ſie trocken, aus derſelben Urſache, aus welcher auch unſere Kleider trocken bleiben würden, wenn es nicht Waſſer, ſondern Queckſilber regnete.

§. 12. (Capillarkraft und Affinität der Körper.) Dieſelbe Molecular-Attraction zeigt ſich auch bei dem Aufſteigen der Flüſ - ſigkeiten in den Poren und Zwiſchenräumen der feſten Körper, wo ſie dann Capillar-Attraction genannt wird. So ſieht man Waſſer oder Oel in den Schwamm und Zucker dringen oder in dem Dochte unſerer Lampen aufſteigen; ſo kann man mit be - netzten Seilen ſehr große Laſten heben und durch dieſelbe Kraft ſteigt auch der größte Theil der Säfte in den Körpern der Pflanzen und Thiere in die Höhe.

Noch auffallender erſcheint dieſe Molecularkraft in unſeren chemiſchen Prozeſſen, wo ſie den Namen der Affinität (Ver - wandtſchaft) erhält. Wenn zwei Flüſſigkeiten unter einander gemengt werden, ſo ſieht man häufig eine dritte entſtehen, deren Eigenſchaften von jenen der beiden erſten völlig verſchieden ſind. Oft iſt das Volum der Miſchung, oft iſt auch die Temperatur, die Farbe, ſelbſt der Zuſtand der Flüſſigkeit ganz anders, als er bei den einzelnen Körpern vor ihrer Vermiſchung geweſen iſt. Ein Quart Waſſer mit eben ſo viel Schwefelſäure gemiſcht, nimmt einen bedeutend geringeren Raum ein, als zwei Quart betragen, weil ſich die Elemente dieſer beiden Flüſſigkeiten inniger anziehen, als die einer jeden derſelben. Auch iſt dieſe Miſchung von einer17Eigenſchaften der Körper.viel höheren Temperatur, als jeder der beiden Körper vor der - ſelben hatte. Wenn die beiden Luftarten, die unter der Benennung des Oxygens und Hydrogens bekannt ſind, in einem beſtimmten Verhältniſſe unter einander gemiſcht werden, ſo entſteht keine neue Luftart, ſondern Waſſer, womit wir das Feuer löſchen, während doch ohne Oxygen kein Feuer unterhalten werden kann und wäh - rend das Hydrogen einer der entzündbarſten Körper der ganzen Natur iſt. Daſſelbe Oxygen, das an ſich farblos iſt, gibt, wenn es mit dem weißen Queckſilber verbunden wird, in einer beſtimm - ten Menge beider Körper ein rothes, und in einer andern Menge ein ſchwarzes Produkt. Die Schwärze unſerer Tinte ver - danken wir zwei Körpern, dem Eiſenvitriol und den Galläpfeln, von welchen der eine grün und der andere gelb iſt.

§. 13. (Intenſität der Molecularkraft.) Noch iſt übrig, etwas über die Intenſität oder über die eigentliche Größe dieſer Molecular-Kräfte zu ſagen. Ohne dieſe Größe in beſtimmten Zahlen angeben zu können, läßt ſich doch leicht zeigen, daß ſie, zuweilen wenigſtens, an das Ungeheure gränzt und daß ſie nicht nur diejenigen Kräfte, welche wir durch unſere Maſchinen, durch Dämpfe und andere Mittel hervorbringen können, ſondern daß ſie ſogar die meiſten übrigen Kräfte der Natur ſelbſt weit hinter ſich zurückläßt. Wenn wir z. B. die Kraft näher betrachten, mit welcher das Licht von den Körpern unſerer Erde gebrochen oder zurück geworfen wird, ſo finden wir ſie in der That von einer erſtaunenswürdigen Größe. Der in gerader Richtung bei einem Körper ankommende Lichtſtrahl, wird von demſelben erſt dann, wenn er dem Körper gleichſam unendlich nahe iſt, angezogen, und zwar ſo ſtark, daß dadurch der früher geradlinige Strahl um dreißig und ſelbſt um mehr Grade gebogen wird. Da aber die Geſchwindigkeit des Lichts ſo ungemein groß iſt, ſo muß auch dieſe Krümmung derſelben in einer beinahe unendlich kleinen Zeit vor ſich gehen. Welche Kraft mag aber dazu erfordert werden, den Weg des mit einer ſo großen Schnelligkeit ſich bewegenden Lichtes in einem beinahe untheilbaren Augenblick, um einen Winkel von vollen dreißig Graden abzulenken?

Um dieſe Frage näher zu betrachten, wollen wir zuerſt be - merken, daß durch die Anziehung unſerer Erde, durch die größteLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 218Eigenſchaften der Körper.uns bisher bekannte Kraft, die Körper auf der Oberfläche der - ſelben in einer Sekunde nahe um 15 Fuß von ihrem Laufe abge - lenkt werden. Vergleichen wir damit jene Kraft, welche das Element eines Körpers auf das Licht ausübt. Da die Zeit, während welcher dieſe Kraft wirkt, gleich derjenigen Zeit iſt, in welcher das Licht die Wirkungsſphäre des körperlichen Elements durchläuft, ſo wollen wir, was gewiß nicht zu wenig iſt, den Durchmeſſer dieſer Wirkungsſphäre gleich dem tauſendſten Theil eines Zolles annehmen. Da aber das Licht in einer Sekunde 42000 Meilen durchläuft, ſo wird es den Raum von 1 / 1000 Zoll ſchon in dem unendlich kleinen Augenblick des 12 billionſten Theils einer Sekunde zurücklegen. Beträgt nun die durch die Brechung des Lichtes hervorgebrachte Ablenkung deſſelben 30 Grade, ſo wird die dazu erforderliche Kraft, ſelbſt wenn ſie eine ganze Sekunde hindurch wirkſam bliebe, die oben erwähnte Kraft unſerer Erde ſchon gegen 32 Millionenmal übertreffen müſſen, da 42000 Sin. 30° (22842) gleich 21000 (22842) oder nahe gleich 15mal 32 Millionen iſt, vorausgeſetzt, daß die deut - ſche Meile 22842 Par. Fuß beträgt. Da aber dieſe Molecular - kraft keineswegs eine ganze Sekunde, ſondern nur den 12 billionſten Theil derſelben, ihre Wirkung auf das Licht äußern kann, ſo muß dieſe Kraft in demjenigen Verhältniß größer ſeyn, in welchem das Quadrat einer Sekunde größer iſt, als das Quadrat dieſes kleinen Theiles einer Sekunde, das heißt, ſie muß nahe 160 Quadrillio - nenmal größer ſeyn, als wir ſo eben gefunden haben, oder mit andern Worten, ſie muß die oben erwähnte Kraft, mit welcher die ganze Erde die Körper auf ihrer Oberfläche anzieht, wenig - ſtens 6720 Quintillionenmal übertreffen, eine Zahl von 34 Ziffern, deren drei erſte 672 ſind, und von deren Größe wir uns keinen auch nur einigermaßen genäherten Begriff mehr machen können.

§. 14. (Unterſchiede der Molecular - und der allgemeinen At - traction.) Dieſe ſo eben erwähnte Kraft der Erde, mit welcher ſie alle Körper auf und über der Oberfläche derſelben an ſich zieht, iſt von allen bisher betrachteten Molecularkräften ſchon da - durch weſentlich verſchieden, daß dieſe letzteren nur auf ſehr kleine, ſelbſt unſerm bewaffneten Auge ganz unmerkbare Diſtanzen wirkſam ſind, während jene ſich auf ſehr große und vielleicht ſelbſt19Eigenſchaften der Körper.auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erſtreckt. Denn dieſe Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober - fläche zunächſt liegenden Körper, wenn ſie ihrer Unterſtützung be - raubt werden, gegen ſie fallen, ſondern ſie iſt auch, wie wir bald ſehen werden, die Urſache, warum der Mond in einer Entfernung von nahe fünfzig tauſend Meilen ſich um die Erde bewegt.

§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende Kraft.) Indem wir aber dieſe Kraft der Erde näher unterſuchen wollen, müſſen wir ſie zuerſt wohl von einem Impulſe oder von einem bloßen Stoße unterſcheiden. Wenn wir einen Körper mit der Hand ſtoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, ſo wirkt dieſe auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen - blick, nur ſo lange als dieſer Stoß dauert, nach welchem dann der Körper gleichſam ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Die Folge davon iſt, daß der Körper in Folge dieſes Stoßes eine Bewegung annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe immer dieſelbe ſeyn wird, wenn in der That bloß dieſer Stoß und ſonſt keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung eines auf dieſe Art bewegten Körpers muß alſo erſtens geradlinig und zweitens gleichförmig ſeyn, d. h. er muß ſich mit immer gleicher Geſchwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar ſolche Bewe - gungen nicht nachweiſen, weil alle Körper, denen wir einen ſolchen augenblicklichen Impuls durch unſere mechaniſchen Kräfte bei - bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgeſetzt ſind und ſich überdieß in der Luft oder in andern widerſtehenden Mitteln bewegen, daher ſie, außer jenem erſten Impulſe, auch noch dieſen andern Kräften unterworfen ſind. Wenn wir eine Kugel auf einem horizontalen Boden fortſtoßen, wenn wir ein Rad um ſeine Axe ſchwingen, wenn wir eine Kugel aus unſeren Feuerge - wehren abſchießen oder einen Stein in die Höhe werfen, ſo ſehen wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in einer krummen Linie laufen, ſie und das Rad an der Axe immer langſamer gehen und bald völlig ſtill ſtehen, weil die Reibung der Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des2 *20Eigenſchaften der Körper.Rades an ſeiner Axe, weil der Widerſtand, den der Stein in der Luft erleidet, und weil überdieß bei allen dieſen Körpern die An - ziehung der Erde jene erſte durch den Stoß erzeugte Bewegung ändert, hindert und endlich ganz aufhebt. Wenn aber alle dieſe Störungen nicht da wären, ſo würde der Körper bloß dem An - triebe jenes erſten Stoßes folgen, und wir können keine Urſache mehr angeben, warum er den geradlinigen Weg, den er einmal eingeſchlagen, verlaſſen, warum er ſeine anfängliche Geſchwindig - keit verändern, oder warum er nicht ohne Aufhören ſich in derſelben Art fortbewegen ſollte.

Wenn wir alſo einen Körper ſich in gerader Linie und ſo bewe - gen ſähen, daß er in derſelben Zeit, z. B. in einer jeden Sekunde, auch immer denſelben Weg zurücklegte, oder daß ſeine[Geſchwin - digkeit] beſtändig wäre, ſo würden wir daraus ſchließen, daß dieſer Körper ſich in Folge eines erhaltenen Stoßes, eines urſprünglichen Impulſes bewegte. Allein ſolche Bewegungen gibt es, wie ge - ſagt, in der Natur oder auf der Oberfläche unſerer Erde nicht, weil hier immer mehrere Kräfte und zwar vorzüglich die Kraft der Erde ſelbſt auf die Körper einwirken.

§. 16. (Freier Fall der Körper auf der Oberfläche der Erde.) Der einfachſte Fall der Bewegungen, die wir auf der Oberfläche der Erde beobachten, iſt ohne Zweifel der, den ein Stein oder überhaupt jeder Körper annimmt, wenn wir ihn ſeiner Unter - ſtützung berauben. Wir ſehen ihn da ſogleich in einer auf die Erdfläche ſenkrechten, d. h. in einer vertikalen Richtung zur Erde und zwar deſto ſchneller fortgehen, je länger er geht. Hier iſt alſo wohl noch eine geradlinige, aber keine gleichförmige Bewe - gung mehr; der Weg des zur Erde fallenden Körpers iſt noch, wie dort, eine gerade Linie, aber die Geſchwindigkeit des Falls iſt nicht mehr gleichförmig, ſondern ſie wächst mit der Zeit.

Aber in welchem Verhältniſſe nimmt dieſe Geſchwindigkeit mit der Zeit zu? Dieß iſt Sache der Beobachtung. Allein dieſe Beobachtungen ſind ſchwer mit der hier nothwendigen Ge - nauigkeit anzuſtellen. Wir werden daher, wie dieß ſo oft in den Naturwiſſenſchaften und beſonders in der Aſtronomie geſchieht, irgend eine, dieſen Erſcheinungen frei fallender Körper im Allge - meinen angemeſſene Hypotheſe annehmen und zuſehen, ob dieſe21Eigenſchaften der Körper.Annahme mit jenen beobachteten Erſcheinungen vollkommen über - einſtimmt.

Die einfachſte und natürlichſte Hypotheſe iſt ohne Zweifel die, daß der Mittelpunkt der Erde eine conſtante und immer fortwirkende Kraft beſitzt, mit welcher er die Körper auf und über der Oberfläche der Erde in der Richtung ihres Halbmeſſers, d. h. in einer auf die Erdoberfläche ſenkrechten Richtung an ſich zieht. Dadurch iſt dieſe Kraft der Erde gleichſam auf den oben betrachteten Impuls zurückgeführt, nur mit dem Unterſchiede, daß der letzte nur im Anfange der Bewegung ſich äußert, während jener auch in jedem folgenden Augenblicke noch thätig iſt, ſo daß alſo die Kraft der Erde als ein ſich immer wiederholender und in ſeiner Intenſität immer gleich großer Impuls (Stoß oder Zug) betrachtet werden kann, in deſſen Richtung die frei fallenden Körper ſich der Erde immer mehr nähern.

§. 17. (Erſtes Geſetz dieſer Bewegung.) Nehmen wir alſo an, daß der Körper in einem Augenblicke, in welchem er den erſten Impuls von der Erde erhält, ſich zu bewegen anfange, und daß er am Ende dieſes Augenblicks eine Geſchwindigkeit erhalten habe, vermöge welcher er, wenn nun weiter keine Kraft auf ihn wirkte, in ſeiner einmal angenommenen verticalen Richtung gleich - förmig fortgehen und z. B. in jeder nächſtfolgenden Sekunde g Fuß zurücklegen würde, ſo daß alſo die Geſchwindigkeit deſ - ſelben am Ende der erſten Sekunde g Fuß beträgt. Da er am Ende dieſer erſten, oder im Anfange der zweiten Sekunde von der Kraft der Erde wieder einen, und zwar, weil dieſe Kraft con - ſtant ſeyn ſoll, einen eben ſo großen Impuls erhält, wie im Anfange der erſten Sekunde, ſo wird er auch dadurch, während der ganzen Dauer der zweiten Sekunde ſeine bereits erlangte Geſchwindigkeit in eben dem Maaße vermehren, wie in der erſten, oder er wird am Ende der zweiten Sekunde eine Geſchwindigkeit von 2 g Fuß erhalten. Eben ſo wird am Ende der dritten Sekunde ſeine Ge - ſchwindigkeit 3 g ſeyn u. ſ. w. Nennt man alſo überhaupt v die Geſchwindigkeit (velocitas) und t die Anzahl Sekunden, die ſeit dem Anfange der Bewegung des Körpers verfloſſen ſind, ſo wird man die einfache Gleichung v = gt haben, und dieſe Gleichung drückt den Satz aus, daß, unter der Vorausſetzung einer conſtanten22Eigenſchaften der Körper.Kraft der Erde, die Geſchwindigkeiten der frei fallenden Körper ſich wie die Anzahl der während des Falles verfloſſenen Sekunden verhalten, oder daß dieſe Geſchwindigkeiten den Zeiten proportional ſind. Man nennt dieß eine gleichförmig beſchleunigte Geſchwindigkeit, weil ſie gleichförmig mit der Zeit wächst.

Allein wir ſuchen nicht ſowohl die Geſchwindigkeiten, mit welchen der Körper am Ende einer jeden Sekunde, wenn weiter keine Kraft auf ihn wirkt, in ganz demſelben Verhältniſſe weiter gehen würde, ſondern wir wünſchen vielmehr den Raum zu kennen, welchen er am Ende einer jeden Anzahl von Se - kunden in ſeinem gleichförmig beſchleunigten Falle zurückgelegt haben wird.

§. 18. (Zweites Geſetz dieſer Bewegung.) Zu dieſem Zwecke wollen wir zuerſt bemerken, daß wir die Größe der Zwiſchen - zeiten, in welchen dieſe Impulſe der Erdkraft auf einander folgen, nicht anzugeben im Stande ſind, um ſo weniger, da dieſe Kraft wahrſcheinlich immerwährend und ohne alle Unterbrechung wirk - ſam iſt. Dann wird man aber der Wahrheit deſto näher kommen, je kleiner man dieſe Zwiſchenzeiten annimmt. Wir haben oben dafür die Dauer einer Sekunde gewählt, allein dieſelben Schlüſſe würden auch dann noch gelten, wenn wir für jene Dauer den hundertſten und tauſendſten Theil einer Sekunde angenommen[hätten]. Immer würden wir, wie dort, gefunden haben, daß, wenn die Kraft der Erde beſtändig iſt, auch der Zuwachs der Geſchwindigkeit des fallenden Körpers beſtändig ſeyn oder daß ſich dieſe Geſchwindigkeit wie die Zeit verhalten muß. Je kleiner wir aber dieſe Zwiſchenräume annehmen, deſto mehr wird es uns auch erlaubt ſeyn, die Bewegung des Körpers, während dieſer Zeit, als völlig gleichförmig vorauszuſetzen, und man ſieht, daß man auf dieſe Weiſe überhaupt jede andere Bewegung und zwar deſto genauer darſtellen wird, je kleiner man dieſe Zwiſchenzeiten gewählt hat. Fahren wir daher, der Kürze wegen, fort, dieſe kleinſte Zeiteinheit eine Sekunde zu nennen. Im Anfange der erſten Sekunde hatte der Körper, unſerer Annahme gemäß, gar keine Geſchwindigkeit, da er aus der Ruhe ſeine Bewegung an - gefangen hat. Am Ende derſelben aber hatte er, wie wir oben geſagt haben, die Geſchwindigkeit von g Fuß. Nehmen wir alſo23Eigenſchaften der Körper.an, daß er, während dieſer erſten Sekunde, immer dieſelbe Geſchwindigkeit hatte und mit ihr doch den Raum durchlief, den er während ſeines Falles in der That zurückgelegt hat, ſo muß dieſe gleichförmige Geſchwindigkeit das Mittel aus jenen beiden ſeyn, die er im Anfange und am Ende der erſten Sekunde hatte, d. h. ſie muß gleich ½ g, oder ſo groß geweſen ſeyn, daß er mit dieſer gleichförmigen Geſchwindigkeit während der erſten Sekunde den Raum ½ g durchläuft.

Im Anfange der zweiten Sekunde hatte er die Geſchwindig - keit g und am Ende derſelben, nach dem Vorhergehenden die Geſchwindigkeit 2 g. Er würde alſo denſelben Raum, den er im freien Falle während der zweiten Sekunde zurückgelegt hat, auch mit der mittleren Geſchwindigkeit d. h. mit der Geſchwindigkeit 3 / 2 g in vollkommen gleichförmiger Bewegung zurückgelegt haben. Eben ſo würde er in der dritten Sekunde mit der Geſchwindig - keit 5 / 2 g, die das Mittel aus 2 g und 3 g iſt, denſelben Raum, wie im freien Falle, zurücklegen u. ſ. w. Es iſt daher, in Be - ziehung auf den von dem Körper durchlaufenen Raum, ganz daſſelbe, ob wir annehmen, daß er ihn mit einer gleichförmig be - ſchleunigten Bewegung, wie er in der That thut, oder daß er jeden kleinſten Theil dieſes Raumes immer mit derſelben, aber jeden nächſten Theil deſſelben mit einer gleichförmig größern Ge - ſchwindigkeit zurücklege. In dem letzten Falle geht er aber, wie wir geſehen haben, in

  • der erſten Sek. durch den Raum ½g alſo in einer Sek. durch ½ g
  • zweiten 3 / 2 g zwei 4 / 2 g
  • dritten 5 / 2 g drei 9 / 2 g
  • vierten 7 / 2 g vier 16 / 2 g

u. ſ. w.

Dieſe kleine Tafel zeigt aber ſchon auf den erſten Blick das Geſetz, nach welchem die letzten Zahlen derſelben, d. h. nach welchem24Eigenſchaften der Körper.die von dem Körper in 1, 2, 3 .. Sekunden durchlaufenen Räu - me fortgehen. Man ſieht nämlich, daß man für jede willkühr - liche Anzahl t Sekunden den ihr entſprechenden Raum durch ½ g tt ausdrücken muß, ſo daß alſo die Räume, welche die Körper in ihrem freien Falle gegen die Erde zurücklegen, ſich wie die Quadrate der Zeiten verhalten, während die am Ende dieſer Zeiten erhaltenen Geſchwindigkeiten dieſen Zeiten ſelbſt proportio - nal ſind. Nehmen wir alſo an, der Körper ſey während der erſten Sekunde durch den Raum 1 gefallen und habe am Ende dieſer Zeit die Geſchwindigkeit 2 erhalten, ſo zeigt die folgende kleine Tafel den Fallraum und die Endgeſchwindigkeit für jede folgende Sekunde.

§. 19. (Anwendung dieſer Geſetze auf ſpecielle Fälle.) Häufige und genaue Verſuche, welche man über den Fall der Körper an - geſtellt hat, ſtimmten mit dieſen beiden Geſetzen ſo vollkommen überein, daß man an der Wahrheit derſelben nicht weiter zweifeln kann.

Bei dem freien Falle der Körper verhalten ſich alſo die Ge - ſchwindigkeiten wie die Zeiten, und die durchlaufenen Räume wie die Quadrate der Zeiten, während welcher der Fall dauert. Behält man daher die vorhergehenden Bezeichnungen von g v und t bei und nennt man x den Raum, welchen der Körper in t Sekunden zurücklegt, ſo hat man die beiden einfachen Ausdrücke v = g t und x = ½ g t t aus welchen man leicht noch den folgenden dritten vv = 2 g x ableiten wird. Mit Hülfe dieſer Ausdrücke kann man ſehr leicht eine Menge intereſſanter Fragen über den freien Fall der Körper25Eigenſchaften der Körper.beantworten, von denen wir hier nur einige kurz anführen wollen. Man vergleiche damit Band I. Kap. I und II.

Das höchſte von Menſchenhänden errichtete Gebäude iſt die große Pyramide bei Cairo, deren Spitze eine Höhe von 450 Par. Fuß über ihrem Boden hat. Nimmt man die Sekunde in dem gewöhnlichen Sinne dieſes Wortes, nämlich für den 86400ſten Theil eines mittleren Tages, ſo beträgt der Fall der Körper während der erſten Sekunde, den darüber angeſtellten Beobach - tungen gemäß, 15,098 Par. Fuß. Dieſe Größe iſt alſo, vermöge der zweiten unſerer Gleichungen, gleich ½ g, ſo daß daher die Größe g ſelbſt 30,198 Par. Fuß beträgt.

Mit dieſem Werthe von g findet man aus derſelben zweiten Gleichung, wenn man in ihr x = 450 ſetzt, daß ein Stein von dem Gipfel dieſer Pyramide bis zu dem Boden derſelben in Sekunden fallen, und daß er daſelbſt mit einer Geſchwindigkeit ankommen würde, mit welcher er, wenn er nur gleichförmig fort - ginge, in jeder Sekunde einen Weg von 164⅘ Fuß zurücklegen müßte.

Der höchſte Berg der Erde, der Dhawalagiri in Indien, ſoll 24150 Par. Fuß über die Meeresfläche ſich erheben. Von ſeinem Gipfel würde daher ein Stein in vertikaler Richtung erſt nach 40 Sekunden an der Meeresfläche, und zwar mit einer Geſchwin - digkeit von 1520 Fuß ankommen. Dieſe Endgeſchwindigkeit iſt bedeutend größer als die des Schalles, die nur 1038 Fuß in einer Sekunde beträgt und ſie überſteigt die gewöhnliche Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel nahe dreimal.

In Norwegen, Diſtrikt Rake bei Friedrichshall, ſoll ein ſenk - rechtes Erdloch ſich befinden, deſſen Tiefe man noch mit keinem Senkbley ergründen konnte. Wenn man aber einen Stein in daſſelbe fallen läßt, ſo hört man den letzten Aufſchlag deſſelben auf den Boden der Höhle erſt nach 90 Sekunden. Nimmt man dabei auf die Verzögerung dieſer Erſcheinung durch den Schall keine Rückſicht, ſo zeigen unſere Gleichungen, daß die ſenkrechte Tiefe dieſer Höhle 122294 Par. Fuß, alſo nahe fünfmal ſo viel, als die Höhe des Dhawalagiri betrage, und daß dieſer Stein an den Boden der Höhle mit der Geſchwindigkeit von 2718 Fuß in einer Sekunde ankommen müßte.

26Eigenſchaften der Körper.

Der Mond iſt in ſeiner mittleren Diſtanz 51600 deutſche Meilen oder 1178647000 Par. Fuß von der Erde entfernt. Wenn wir daher die Kraft der Erde auch in dieſer Entfernung noch gleich der an ihrer Oberfläche annehmen und überdieß voraus - ſetzen dürften, daß der Mond nicht eine ähnliche Anziehung, wie unſere Erde, auf die ihn umgebenden Körper ausübe, ſo würde, wie unſere Gleichungen zeigen, ein von dem Monde in gerader Linie zur Erde fallender Stein die letzte erſt in 8835 Sekunden oder in 2 Stunden 27 Minuten 15 Sekunden erreichen, und auf derſelben mit einer Geſchwindigkeit ankommen, vermöge welcher er in einer Sekunde durch 266797 Fuß, das heißt, durch nahe 11¾ d. Meilen geht.

Allein dieſe Vorausſetzungen ſind ſehr gewagt und äußerſt unwahrſcheinlich. In der That, wenn unſere Erde eine Kraft beſitzt, mit welcher ſie alle Körper an ſich zieht, warum ſollten dieſe anderen Körper, warum ſollte der Mond, die Sonne und überhaupt alle Körper der Natur einer ſolchen Kraft beraubt ſeyn? Welche Vorrechte ſoll irgend ein Körper der Natur vor allen andern anſprechen dürfen? Und wenn ſie in der That alle eine ſolche Kraft beſitzen, durch welche ſie ſelbſt auf ſehr entfernte Körper noch eine Wirkung äußern, welchen Grund hat man vor - auszuſetzen, daß dieſe Kraft in allen, in großen und kleinen Ent - fernungen immer dieſelbe bleiben ſoll? Diejenigen Entfernungen von der Erdoberfläche, die Berge und Höhlen derſelben, in wel - chen wir unſere Beobachtungen noch anſtellen können, ſind in der That, gegen den Halbmeſſer der Erde, ſo klein, daß ſie, ohne merklichen Fehler, alle als gleich groß und daß alſo auch die auf ſie wirkende Kraft der Erde durchaus als dieſelbe, oder als eine conſtante Kraft angeſehen werden kann. Und wenn dieß, in viel größern Diſtanzen, wie es ſcheint, nicht der Fall iſt, nach wel - chem Geſetze ändert ſich dann dieſe Kraft in verſchiedenen Ent - fernungen?

§. 20. (Allgemeine Bemerkungen über dieſen Gegenſtand.) Dieſe Frage iſt noch zu beantworten übrig und die Antwort darauf ſoll der Gegenſtand des folgenden Kapitels ſeyn. Ehe wir aber dahin übergehen, wollen wir noch bemerken, daß auch das meiſte von dem, was den Inhalt des gegenwärtigen Kapitels27Eigenſchaften der Körper.ausmacht, auf Sätzen beruht, die wir nicht ſtreng beweiſen, ſon - dern vielmehr nur als Axiome annehmen können, zufrieden, wenn die darauf gebauten Folgerungen den äußern Erſcheinungen der Natur, d. h. unſern Beobachtungen derſelben vollkommen ent - ſprechen. Daß ein Körper ruht, ſo lange keine äußere Kraft auf ihn wirkt, und daß ein Körper, der, auch nur durch einen augen - blicklichen Impuls in Bewegung geſetzt, ſich immerfort gleich - förmig und in einer geraden Linie bewegen muß, ſo lange er durch keine andere Kraft daran gehindert wird dieſes Axiom, das unter der ſonderbaren Benennung des Princips der Träg - heit der Materie bekannt iſt; daß jede Aenderung einer ſchon ſtatt habenden Bewegung der ſie erzeugenden Kraft proportional iſt; daß bei jeder ſolchen Kraftäußerung zwiſchen zwei Körpern die Wirkung des einen immer der Gegenwirkung des anderen gleich ſeyn ſoll dieſe und mehrere andere Sätze, welche man als die Grundſätze unſerer Dynamik auſſtellt, ſind, ſo wahr ſie auch an ſich ſeyn mögen, keines eigentlichen Beweiſes fähig und in ſich ſelbſt noch manchen Dunkelheiten unterworfen. Da die Körper, wie wir annehmen, ohne die Wirkung einer äußern Kraft ſich nicht bewegen können, wie ſollen ſie ſich doch, derſelben An - nahme gemäß, ohne äußere Kraft in dieſer Bewegung erhalten? Nehmen wir vielleicht dabei ſtillſchweigend an, daß die Bewe - gung etwas der Materie Eigenthümliches ſey? Es mag ſo ſeyn, immerhin: aber muß es auch ſo ſeyn? Iſt dieſes auf den Kör - per einwirkende Weſen ſelbſt nichts Körperliches mehr, oder ge - hören beide ihrer innern Natur nach zuſammen, oder iſt das, was dem Körper ſeine Bewegung, gleichſam ſein Leben mittheilt, etwas Analoges mit derjenigen, uns eben ſo wenig bekannten Kraft, die, nur anders modificirt, auch die Urſache des organiſchen Lebens, der Pflanzen und Thiere, die Urſache des Wachsthums und der Gährung und vielleicht ſelbſt die eigentliche[Quelle] aller unſerer geiſtigen Operationen bildet? Was wiſſen wir von allen dieſen Dingen, über die wir nur noch fragen können, und wie viel mehr mag noch zurück ſeyn, von dem uns unſere Sinne und ſelbſt unſere lebhafteſte Phantaſie gar nichts mehr vorſtellen können? Auch andere Wiſſenſchaften, ja ſelbſt die Mathematik, geht von ſolchen Axiomen, von erſten Grundſätzen aus, über die28Eigenſchaften der Körper.ſich nichts weiter mehr ausmachen läßt und die gleichſam wie Glaubensſachen angenommen werden müſſen, um auf ihnen, als auf einer Baſis, weiter zu bauen. Dieſe Baſis ſelbſt aber iſt kein weiterer Gegenſtand weder der Erfahrung, noch der Ver - nunft, ſie iſt die Gränze oder vielmehr die abſolute Scheide - wand aller unſerer geiſtigen Thätigkeit.

[29]

Kapitel II. Allgemeine Schwere.

§. 21. (Vorarbeiten Anderer.) Unter allen Entdeckungen in dem weiten Felde der Wiſſenſchaften, iſt wohl die der allgemeinen Schwere, die wir dem großen Newton verdanken, die glänzendſte und einflußreichſte, da ſie das Geſetz enthält, dem alle Himmels - körper unſeres Sonnenſyſtems und, wie es ſcheint, ſelbſt alle Körper des Weltraumes gehorchen.

Es kann nicht anders, als ſehr intereſſant ſeyn, zu ſehen, auf welche Weiſe dieſer ſeltene Geiſt zu jener hohen Idee gekom - men iſt. Selbſt wenn wir ihn kämpfen und ringen, wenn wir ihn fehlen ſehen, kann er nur mit der innigſten Theilnahme und hier insbeſondere mit rein menſchlicher Theilnahme betrachtet werden. Auch ſteht er nicht allein, nicht ohne Hülfe und Beirath von anderen da. Viele treffliche Männer gingen ihm voraus und bahnten ihm den Weg zu ſeinem hohen Ziele. Und doch verfehlte er viele Jahre dieſen Weg, und mühte ſich ab, die kraft - vollſte Zeit ſeines Lebens, die Wahrheit zu finden, die er ahnte, ja die er, aber ohne es zu wiſſen, ſchon als ein Jüngling von kaum zwanzig Jahren gefunden hatte, und zu deren Erkenntniß er erſt durch Andere und durch einen glücklichen Zufall geführt werden mußte. Aber deſſenungeachtet erſcheint er als der Führer dieſer Anderen, als ihr Herr und Meiſter und als der Vorfechter unter den Eliten ſeiner Zeit. Denn Er war es, der ſie leitete in30Allgemeine Schwere.dem großen Kampfe, Er errang den Sieg, und was auch Jene geleiſtet haben mögen, ihm gebührt der Lorbeer. Ein volles Jahr - hundert iſt verfloſſen ſeit der Zeit, da er unter uns gewandelt hat, und noch ſteht er da, unerreicht und unerreichbar, ein Rieſe unter den Pigmäen, und ſein Haupt mit dem Strahlenkranze der Unſterblichkeit umwunden.

§. 22. (Unterſchied der Welt - und Literatur-Geſchichte.) Die ſogenannte Weltgeſchichte, worunter wir gewöhnlich die der Regenten und der von ihnen geführten Kriege verſtehen, iſt in mehr als einer Beziehung ſehr verſchieden von der Geſchichte der menſchlichen Kultur. In jener gehen die großen Epochen der - ſelben gewöhnlich nur von Einem Menſchen aus, und ſie ſind nur zu oft von den heftigſten Erſchütterungen begleitet. Plötzlich erhebt ſich, nicht ſelten aus dem Staube der Unbekanntſchaft, der Friedensſtörer, und ſeiner Zeit und ihren Vorurtheilen, allen göttlichen und menſchlichen Geſetzen trotzend, ſelbſt den Kampf mit den Elementen und den Geiſtern des Schickſals nicht ſcheuend verbreitet er ſich mit ſeinen Heeren über ganze Länder und Welttheile, und tritt das Glück der Völker unter ſeine Füße, um auf den Trümmern deſſelben ſeiner Dynaſtie einen Thron und ſich ſelbſt, am Ende ſeiner Thaten, die Verwünſchung der Nachwelt, und auf einer wüſten Inſel im Weltmeere, ein enges Grab zu erobern.

Nicht ſo in dem großen Reiche der Wiſſenſchaften, deren Wachsthum nur langſam, und die blutloſen Fehden der Gelehrten etwa ausgenommen, immer friedlich vor ſich geht, und wo nur ſelten oder nie der Einzelne, ohne Hülfe der Anderen, eine neue Epoche begründen kann. Die meiſten großen Conceptionen, deren unſere Kulturgeſchichte erwähnt, ſind nur ſcheinbar von einem einzigen Manne ausgegangen. Denn nicht nur die eigentliche Ausführung, die immer fremder Hände bedarf, ſondern die erſte Idee ſelbſt entſprang gewöhnlich nur aus verwandten Anſichten mehrerer vorhergegangener Geiſter. In der That findet man, daß beinahe jede große Revolution in dem Gebiete der Kultur von einer Art allgemeiner geiſtiger Fermentation eingeleitet worden iſt, die beinahe alle beſſere Köpfe des Jahrhunderts, wie durch einen höhern Inſtinct getrieben, auf denſelben Gegenſtand gerichtet hat. Anfangs klein und unbemerkbar nimmt das Ge -31Allgemeine Schwere.dränge allmählig zu, um jenen Punkt, wo der Schatz begraben liegt; zuerſt Einzelne, dann Mehrere rütteln an dem verſchloſſenen Thore, bis endlich, wenn alle Vorbereitungen erſchöpft ſind, der Sohn des Glücks hervortritt aus der Menge, und mit einem Drucke ſeiner Hand die Riegel ſprengt, und ſofort aus der weit geöffneten Pforte ein Strom von Licht ſich ergießt, der die ganze unbekannte, früher in tiefe Nacht begrabene Gegend mit ſeinen Strahlen, nicht mit jenem verzehrenden Feuer des Ehrgeizes und der Eroberungsſucht, ſondern mit den milden, wohlthätigen Strah - len der Wahrheit und der Erkenntniß erleuchtet.

§. 23. (Vorgänger Newtons.) Nahe zwei Jahrhunderte vor der Entdeckung, von welcher wir hier ſprechen, hatte uns Coper - nicus (geb. 1472, geſt. 1543) die Bewegung der Planeten in Kreiſen gelehrt, deren gemeinſchaftlicher Mittelpunkt die Sonne iſt, und uns dadurch den Weg gezeigt, auf dem allein eine wahre Kenntniß des Himmels und ein Fortſchreiten der Wiſſenſchaft möglich war. Er gab uns das neue Teſtament der Aſtronomie, und Kepler (geb. 1571, geſt. 1630) lieferte uns eine neue, we - ſentlich verbeſſerte Auflage deſſelben, indem er das unnütze Gerüſte der Epicykeln niederriß, mit welchem die Alten unſer Sonnenſyſtem überladen hatten, und welches auch Copernicus noch beizubehalten gezwungen war. Er zeigte uns, daß ſich die Planeten nicht in Kreiſen, ſondern in Ellipſen, in deren einem Brennpunkte die Sonne iſt, bewegen, und er lehrte uns die drei Geſetze kennen, nach welchen dieſe Bewegungen vor ſich gehen. Dadurch erſt ge - wann die Sternkunde eine mathematiſche Unterlage und eine eigentlich ſtreng wiſſenſchaftliche Geſtalt.

Aber noch war der Grund dieſer Geſetze, gleichſam das einzige oberſte Geſetz unbekannt, von welchen jene drei nur ein Ausfluß, eine bloße Folge ſeyn ſollten. Zwar hatte Kepler ſelbſt mehr als eine Muthmaßung darüber aufgeſtellt, aber auch nur Muthmaßungen, durch keine Rechnung unterſtützt und alles eigentlichen Beweiſes entbehrend. An geiſtiger Kraft fehlte es dem ſeltenen Manne nicht, dieſe von ihm geahnte Höhe zu erreichen; aber ſeine kläglichen Lebensverhältniſſe, die Mißgunſt des Glücks, ohne das nichts Großes gedeiht, und vielleicht ſelbſt die zu große Lebhaftigkeit ſeiner Imagination, die ihn nur zu oft32Allgemeine Schwere.auf Irrwegen und grundloſer Spekulation herumführte, hin - derten ihn, ſeinem Haupte die Krone aufzuſetzen, deren er ſo würdig war, und die er, nicht aus Mangel an eigenem Ver - dienſte, einem Andern überlaſſen mußte.

Dieſe beiden Männer gingen Newton in größerer Entfernung voraus. Es fehlte aber auch nicht an anderen, näheren Vorgän - gern, die der großen Entdeckung, durch die Jener ſich unſterblich machte, oft nahe genug kamen. Bouilloud, ein Arzt in Frank - reich, ſtellte in ſeiner Astronomica Philolaica, die im Jahre 1645 erſchien, bereits den Satz auf, daß die Kraft, mit welcher die Sonne auf die Planeten wirkt, ſich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung dieſer Planeten von der Sonne verhalte. Dieß war im Grunde Newtons Baſis, aber da es nur als eine Hypotheſe vor - getragen, und durch keine Beweiſe unterſtützt war, ſo blieb es ohne weitere Folgen und wurde bald darauf wieder vergeſſen. Bo - relli’s Werk über die Satelliten Jupiters, das im Jahre 1666 erſchien, ſtellte ebenfalls die Anſicht auf, daß die Bewegungen der Planeten um die Sonne nach denſelben Geſetzen vor ſich[gehen] müſſen, nach welchen ſich dieſe Satelliten in ihren Bahnen um ihren Hauptplaneten bewegen, und nach welchen zugleich der Mond um unſere Erde geht. Eine eben ſo wichtige als richtige Bemerkung, die aber, aus derſelben Urſache, ohne Früchte zu tragen, wieder verloren ging.

Noch näher trat der Sache Robert Hooke, Newtons Zeitge - noſſe und Gegner, ein erfindungsreicher Kopf, der ſchon in dem - ſelben Jahre, 1666, der königl. Akademie in London eine Abhand - lung über die Abnahme der Schwere der Körper in verſchiedenen Höhen über der Erde vorgetragen hatte. Im May deſſelben Jahres las er in dieſer Akademie eine Abhandlung über die Bewegung der Planeten um die Sonne, in welcher er die Ent - ſtehung der krummen Bahnen der Planeten durch die Verbindung einer conſtanten Tangentialkraft dieſer Himmelskörper mit einer veränderlichen Centrifugglkraft der Sonne zu erklären ſuchte. In einer im Jahre 1674 von ihm herausgegebenen Schrift ſtellt er die Sätze auf, daß alle Himmelskörper eine gegen ihren Mittel - punkt gerichtete Anziehungskraft haben, wodurch ſie nicht nur auf ihre eigenen Elemente, ſondern auch auf alle anderen Körper33Allgemeine Schwere.außer ihnen wirken; daß die anziehenden Kräfte deſto ſtärker ſind, je näher die angezogenen Körper ſtehen u. ſ. w.

Allein alle dieſe und ähnliche Ideen, die einer genauen und fortgeſetzten Betrachtung würdig geweſen wären, wurden nur eben hingeworfen, ohne ſie weiter zu verfolgen. Dieſes Verfolgen des erſten flüchtigen Gedankens, dieſes Brüten über ihm iſt es aber, was ihn zur Reife bringen, was allein die Wiſſenſchaft wahrhaft fördern konnte. Wußte doch Newton ſelbſt die Anfrage ſeines Freundes Halley, auf welche Weiſe er zu ſeinen großen Entdeckun - gen gekommen ſey, nur mit den wenigen, aber inhaltſchweren Worten zu erwiedern: Indem ich unabläßig darüber nachdachte.

Endlich wurde auch Huygens, Newtons Zeitgenoſſe und Rival, oft auf demſelben Wege mit ihm gefunden. Huygens (geb. 1625, geſt. 1695) war ohne Zweifel einer der größten Geometer und der ſinnreichſten Köpfe ſeiner und ſelbſt aller Zeiten. Seine Theorie der[Evolution], die von ihm entdeckten merkwür - digen Eigenſchaften der Cycloide, ſeine Arbeiten über die Wahr - ſcheinlichkeitsrechnung, ſein erſtes Aufſtellen und Ausbilden der Theorie der Kreisbewegung und des Stoßes der Körper, ſeine Beſtimmung des Schwingungspunkts der Pendel, ſeine weſent - lichen Verbeſſerungen der Gewicht - und Feder-Uhren, ſeine optiſchen Entdeckungen über die Natur des Lichtes, über die Theorie der Fernröhre, über die doppelte Strahlenbrechung des isländiſchen Kryſtalls, ſelbſt ſeine praktiſchen Verbeſſerungen der optiſchen Inſtrumente, mit welchen er den erſten Satelliten Saturns und den Ring dieſes Planeten entdeckte alle dieſe und noch mehrere andere, große Verdienſte ſichern ihrem Urheber eine der ausge - zeichnetſten Stellen in der Geſchichte der wiſſenſchaftlichen Kultur, und es fehlte vielleicht nur ein Schritt, um ihm ſelbſt die erſte, ſelbſt die vor Newton, anzuweiſen. Denn volle fünfzehn Jahre ſchon vor der Bekanntmachung des Princips der allgemeinen Schwere durch Newton, hatte Huygens bereits die oben erwähnten Eigenſchaften der Centralbewegung der Körper in Kreiſen in drei - zehn Propoſitionen öffentlich vorgetragen, und wenn er den Ein - fall gehabt hätte, nur zwei dieſer Propoſitionen unter ſich zu verbinden, und ſie als ein Beiſpiel auf die Rotation der ErdeLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 334Allgemeine Schwere.um ihre Axe und auf die Bewegung des Mondes um die Erde anzuwenden, (was Newton eigentlich ſpäter that, und wo - durch er eben auf ſeine große Entdeckung geführt wurde), ſo würde Er der Schöpfer des neuen Syſtems geworden ſeyn. Aber er verſäumte es, dieſe Anwendung, dieſen letzten Schritt zu machen, und mußte daher die Palme des Ruhmes einem Andern, einem Glücklicheren überlaſſen.

§. 24. (Veranlaſſung zu dieſer Entdeckung Newtons.) Iſaak Newton wurde am 25. Dez. 1642 geboren. In ſeinem 18ten Jahre betrat er die Univerſität zu Cambridge, beinahe ohne alle jene vorbereitende Bildung, welche die Schüler dieſes berühmten Inſtituts bei ihrem Eintritte in daſſelbe mitzubringen pflegten. Vielleicht aber wirkte eben dieſer Mangel vortheilhaft auf ſeinen Geiſt. Er wurde von keinen Vorkenntniſſen unterſtützt, er hatte aber auch keine Vorurtheile zu beſiegen. Er hatte nichts gelernt, er durfte auch nichts verlernen, und ſein jugendlicher Geiſt konnte ungehindert ſeinen eigenthümlichen Gang gehen, den Weg des kleinſten Widerſtandes, ohne ſich von den Gebirgen von Hinder - niſſen irren zu laſſen, die ſich vor ihm aufthürmten, die er aber nicht kannte, und die er bald darauf ſo glorreich beſiegte.

Er wendete ſich, gleich im Anfange ſeiner Studien, zur Ma - thematik. Seine Abſicht dabei ſoll geweſen ſeyn, die Irrthümer der Aſtrologie, die zu jener Zeit noch viele Anhänger zählte, auf geometriſchem Wege zu widerlegen. Euclid’s Werke lernte er nur eben kennen, um ſie ſogleich wieder aus der Hand zu legen. Er fand ſie zu leicht, und betrachtete die meiſten der in ihnen enthaltenen Sätze nur als eben ſo viele Axiome, deren Wahr - heit ſich gleichſam von ſelbſt verſteht. Er wendete ſich daher ſogleich zu der viel ſchwereren Geometrie des Descartes, zu Wallis Arithmetik des Unendlichen und zu Keplers aſtronomiſchen Werken, welche er alle, die Feder in der Hand, las und ſich daraus Auszüge machte, die er bis an das Ende ſeines Lebens bewahrte. Man erkannte bald den Geiſt, der in ihm lebte, und im Jahre 1669, wurde er, an des berühmten Barrow’s Stelle, Profeſſor der Mathematik in Cambridge, eine Stelle, die er bis zu dem Jahre 1695 begleitete, wo er zum Vorſteher der königl. Münze in London mit einem jährlichen Gehalte von 15000 Pf. Sterling35Allgemeine Schwere.berufen ward, welches Amt er bis an ſein Ende beibehielt, das am 20. März 1727 im 85ſten Jahre ſeines Alters erfolgte.

Gegen das Jahr 1662 wendete ſich ſeine ganze Aufmerkſam - keit gegen die Optik, und insbeſondere gegen die Natur des Lichtes, über welche er auch bald darauf die glänzendſten Ent - deckungen machte. Als aber im Jahre 1666 eine peſtartige Krank - heit die Umgegend von Cambridge verheerte, zog er ſich auf einige Monate in ſeinen Geburtsort, Woolſthorpe zurück, ein Dorf in Lincolnſhire, nahe eine deutſche Meile ſüdlich von der Stadt Grantham.

Hier ſaß er eines Tages in ſeinem Garten, als er, wie man erzählt, durch den Fall eines Apfels von einem vor ihm ſtehenden Baume, auf die erſte Idee der allgemeinen Schwere geleitet wurde. Dieſer Baum war lange ein Gegenſtand der beſonderen Beachtung aller Verehrer Newtons. Erſt im Jahre 1826 wurde der morſche Stamm deſſelben von einem Sturme geſtürzt, und aus ſeinem Holze wurde ein Stuhl verfertigt, der den Freunden des hingeſchiedenen großen Mannes, wenn ſie ſeine Geburtsſtätte beſuchen, noch jetzt mit einer Art von Andacht gezeigt zu werden pflegt. Wenn übrigens dieſe Erzählung von dem Apfel, die erſt in den neueſten Zeiten wieder mehrere Vertheidiger gefunden hat, auch nicht ganz verbürgt ſeyn ſollte, ſo iſt ſie doch weder ſehr un - wahrſcheinlich, noch die einzige ihrer Art. Auch Galilei, auf den ſein Vaterland noch jetzt ſtolz iſt, auch er ſoll durch den Anblick einer ſchwingenden Lampe, die von dem Innern des Kir - chendoms zu Piſa herabhing, auf die Theorie des Pendels und dadurch auf die eigentliche Begründung der Mechanik geführt worden ſeyn, eine Wiſſenſchaft, deren Schöpfer er iſt, und von welcher die Alten nicht einmal eine Ahndung hatten.

§. 25. (Fragen, die ſich Newton darboten.) Warum fällt der Apfel, und überhaupt jeder Körper, wenn er nicht gehalten oder unterſtützt wird? Da er immer in einer ſenkrechten Richtung zur Erde hin fällt, ſo ſcheint in dieſer Erde etwas zu ſeyn, das ihn an ſich zieht. Dieſes Etwas, dieſe Kraft, wie wir es nennen wollen, auf welche Weiſe, nach welchem Geſetze wirkt ſie auf den fallenden Körper? Und wie weit erſtreckt ſie ſich von der Erde? 3 *36Allgemeine Schwere.Wenn ſie z. B. bis zu dem Monde reichen ſollte, welche Wirkung äußert ſie auf dieſen Himmelskörper? Er hängt doch offenbar mit der Erde zuſammen, ſo wie jener fallende Stein, da er, wenn er gleich nicht zur Erde fällt, ſich doch in einem Kreiſe um die Erde bewegt. Sollte vielleicht dieſe Bewegung eine Folge jener Kraft der Erde ſeyn, die den Stein zu ihr fallen macht? Und wenn dieß zugegeben werden ſollte, obſchon man eben die Ver - bindung zwiſchen dieſen beiden Erſcheinungen nicht ſieht, dürfte man dann nicht noch weiter gehen, und dieſelben Schlüſſe auch auf dieſe Erde ſelbſt, ja auf alle übrige Planeten unſeres Son - nenſyſtems anwenden? In der That, die Erde und dieſe Planeten alle bewegen ſich, wie ſchon Copernicus gezeigt hatte, in Kreiſen um die Sonne, ganz ſo, wie ſich der Mond in einem Kreiſe um die Erde bewegt. Wird nun der Mond zu ſeiner Be - wegung durch jene Kraft der Erde gezwungen, könnten nicht auch die Erde und alle Planeten zu ihrer Bewegung um die Sonne durch eine ähnliche, in der Sonne wohnenden Kraft gezwungen werden?

Große Fragen fürwahr, da offenbar von ihnen die ganze Kenntniß der Organiſation unſeres Planetenſyſtems abhängt. Und alles dieß wegen eines Apfels, der zufällig vor uns zur Erde fällt. Wie viele Millionen, ſeit die Erde ſteht, ſahen ſo gut wie Newton die Körper fallen, ohne dadurch auf ſolche Fragen ge - führt zu werden, ja ohne dabei auch nur überhaupt etwas zu denken.

Und doch es ſind nur Fragen, Meinungen, Hypotheſen, und nichts weiter. Es mag ja doch, in alten und neuen Zeiten, Menſchen gegeben haben, die bei ſolchen Gelegenheiten auf ſolche Fragen kamen. Aber nicht die Frage die Antwort iſt es, auf die in ſolchen Fällen alles ankömmt. Kepler, Hooke, Huygens waren, nach dem, was wir oben von ihnen gehört haben, Männer, die ſich in der That, wenn auch nicht eben dieſe, doch ihnen ſehr ähnliche Fragen vorgelegt haben müſſen. Aber haben ſie ſie auch beantwortet, auf die einzige Art, wie man ſolche Fragen beantworten ſoll, durch Rechnung, mit dem Griffel in der Hand? Es fiel ihnen nicht ein, oder ſie fanden kein Mittel dazu, dieſe Wahrheit, wenn es eine ſeyn ſollte, näher zu unter -37Allgemeine Schwere.ſuchen, und ſie auf dem allein untrüglichen Probirſtein der Rechentafel abzureiben. Deßhalb blieb die Sache, wie ſie war, eine Mei - nung, eine bloße Hypotheſe, die keine Folgen, keine Früchte hatte.

Die nähere Unterſuchung des Gegenſtandes forderte aber drei Dinge, die zuerſt bekannt ſeyn mußten: I. die Art, auf welche jene Kraft wirkt. II. Die Umlaufszeit des Mondes und III. die wahre Größe der Erde.

§. 26. (I. Wie die Attraction wirkt.) Das erſte, was Newton kennen mußte, war die Art, auf welche dieſe Kraft der Erde, wenn ſie überhaupt exiſtirt, auf nahe und ferne Gegenſtände wirken ſoll. An der Oberfläche der Erde fallen die Körper wie die Beobachtungen zeigen, in der erſten Sekunde durch 15 (genauer durch 15,098) Par. Fuß, und man kann anneh - men, daß dieſe Größe dieſelbe iſt, für alle Orte der Oberfläche der Erde, und ſelbſt für alle Höhen und Tiefen, zu welchen wir noch gelangen können. Dieſe Beſtändigkeit der Kraft der Erde würde einen ſchwächeren Kopf verleitet haben, die ganze Unter - ſuchung gleich anfangs wieder aufzugeben. Wenn dieſe Kraft noch in der Höhe einer deutſchen Meile über der Erde, und ſo hoch ſind beinahe die größten Berge, die wir kennen, noch immer dieſelbe, wie an der Oberfläche der Erde iſt, ſo ſcheint ſie über - haupt in allen Entfernungen dieſelbe zu bleiben. Allein Newton ließ ſich dadurch nicht irre machen, da er zu ſehr davon über - zeugt war, daß dieſe Kraft in größeren Entfernungen immer kleiner werden müſſe. Vielmehr beſtärkte ihn dieß in ſeiner Ver - muthung. Denn wenn die Kraft der Erde, ſelbſt in der Entfer - nung einer Meile noch immer dieſelbe zu ſeyn ſcheint, ſo muß ſie eine ſehr ſtarke Kraft ſeyn, ſo muß ſie, da ſie nun einmal nicht immer dieſelbe bleiben kann, nur ſehr langſam abnehmen, ſo muß ſie am Ende ſelbſt noch in der Gegend des Mondes groß genug ſeyn, um dort, um an dieſem Himmelskörper noch bemerk - bare Veränderungen hervorzubringen, und eben dieſe Verände - rungen waren es, die er ſuchte.

Man kann ſich aber dieſe Anziehungskraft der Erde nicht wohl anders vorſtellen, als durch einen Strahlen - oder Seilenbüſchel, deſſen einzelne Linien alle aus dem Mittelpunkte der Erde aus - laufen, wie etwa die Strahlen eines Lichtes, das in dem Mittel -38Allgemeine Schwere.punkte dieſer Erde ſeinen Sitz hat. Denkt man ſich eine hohle Kugelfläche, deren Halbmeſſer z. B. 100 Fuß beträgt, und deren Mittelpunkt mit jenem der Erde zuſammenfällt, ſo wird die innere Fläche dieſer Kugelſchaale von jenem Lichte mit einer gewiſſen Stärke beleuchtet werden. Wenn aber der Halbmeſſer dieſer Ku - gel noch einmal ſo groß, alſo gleich 200 Fuß wäre, ſo wird dieſe zweite hohle Kugelſchaale in ihrem Innern von demſelben Lichte offen - bar ſchwächer beleuchtet werden. Zwar fällt alles Licht, welches früher die kleinere Kugel beſchien, jetzt auch auf die größere; aber da die Oberfläche der zweiten viel größer iſt, als die der erſten, ſo werden die auf die zweite Kugel fallenden Strahlen, da ſie divergirend von dem Mittelpunkte ausgehen, auch viel weiter von einander entfernt ſeyn, d. h. mit andern Worten, die zweite Kugel wird von demſelben Lichte ſchwächer erleuchtet werden, als die erſte, und zwar genau um ſo viel ſchwächer, als die Oberfläche dieſer zweiten Kugel größer iſt, als die Oberfläche der erſten. Da ſich aber die Oberfläche der Kugeln bekanntlich wie die Quadrate ihrer Halbmeſſer verhalten, ſo wird die Fläche der zweiten Kugel, deren Halbmeſſer 2mal ſo groß iſt, als jener der erſten, auch 2mal 2 oder 4mal ſchwächer erleuchtet werden. Eben ſo wird für eine Kugel von einem 3mal ſo großen Halbmeſſer, als die erſte, die Beleuchtung 3mal 3 oder 9mal ſchwächer ſeyn, für einen 4mal ſo großen Halbmeſſer 16mal ſchwächer u. ſ. w., kurz, die Beleuchtung wird abnehmen, wie das Quadrat der Entfernung zunimmt, oder, was daſſelbe iſt, die Beleuchtung dieſer innern Kugelſchaale, in jedem einzelnen Punkte ihrer Ober - fläche, wird ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfer - nung verhalten.

Daſſelbe wird alſo auch von der Anziehung der Erde auf alle Körper außer ihr gelten, wenn anders die vorhergehende Voraus - ſetzung richtig iſt, daß dieſe beiden Dinge, Licht und Attraction, ſich auf gleiche Weiſe von ihren Centralkörpern aus verbreiten. Die Folge wird uns lehren, ob man ſich dieſe Vorausſetzung er - lauben darf, d. h. ob die auf dieſe Weiſe erhaltenen Erſcheinungen der Attraction auch in der That mit den Beobachtungen über - einſtimmen. Von irgend einer Vorausſetzung über die Wirkungs - art dieſer Kraft muß man ausgehen, wenn man dieſe Wirkungen39Allgemeine Schwere.einer Rechnung unterwerfen will. Die oben angenommene iſt die natürlichſte und einfachſte, die man wählen kann. Der Erfolg wird zeigen, ob ſie auch die wahre iſt.

(Weitere Gründe für dieſe Annahme.) Newton nahm aber dieſe Vorausſetzung nicht auf Gerathewohl, und bloß auf die, übrigens durch nichts bewieſene, Analogie mit dem Lichte geſtützt, an. Er hatte noch einen anderen, beſſeren Grund, und dieſen verdankte er den Vorarbeiten Keplers und Huygens, deren Entdeckungen er nun zu ſeinem Zwecke benutzen konnte.

Kepler hatte nämlich im Jahre 1618 durch ſehr mühſame, und Jahre lang mit ſeltener Ausdauer fortgeführte Rechnungen gefunden, daß die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne ſich wie die Würfel der Halbmeſſer ihrer Bahnen verhalten (I. Kap. IX. 146). Huygens aber hatte unter den oben erwähnten 13 Propoſitionen auch den Satz aufgeſtellt, daß bei den in Kreiſen umlaufenden Körpern die Quadrate ihrer Umlaufszeiten ſich verhalten, wie die Halbmeſſer dieſer Kreiſe, dividirt durch den Druck, welchen dieſe Körper ſenkrecht auf die Peripherie ihrer Bahn ausüben. Dieſer Druck muß aber als die Kraft ange - ſehen werden, welche, indem ſie gegen den Mittelpunkt des Kreiſes gerichtet iſt, eben dieſe Kreisbewegung des Körpers erzeugt. Verbindet man daher dieſe beiden Sätze mit einander, ſo folgt, daß bei allen Kreisbewegungen der Druck der bewegten Körper, d. h. die im Mittelpunkte dieſer Kreiſe wohnende bewegende oder anziehende Kraft ſich verhalten muß, wie verkehrt das Quadrat dieſes Halbmeſſers, d. h. alſo, wie verkehrt das Quadrat der Entfernung des angezogenen Körpers von dem anziehenden Mittelpunkte, und dieß iſt eben der Satz, welchen wir oben für die Attraction der Körper überhaupt, aus der Analogie derſelben mit dem Lichte, abgeleitet haben. Newton kannte dieſe Propoſi - tion, und benutzte ſie auch in der That zu dieſem Zwecke, wie er dieß ſelbſt in einem ſeiner ſpätern Briefe an Halley geſtand. Die Entdeckung Keplers aber war zu jener Zeit, als Newton ſeine Unterſuchungen anſtellte, nicht nur ihm, ſondern der ganzen aſtro - nomiſchen Welt bekannt, und allgemein längſt als eine unbe - ſtreitbare Wahrheit angenommen worden.

40Allgemeine Schwere.

§. 27. (II. Umlaufszeit des Mondes um die Erde.) Wenn Newton durch unmittelbare Verſuche, oder auf Beobachtun - gen gegründete Rechnungen entſcheiden wollte, ob es in der That dieſelbe Kraft iſt, die den Stein auf die Erde fallen macht, und die den Mond um dieſelbe bewegt, ſo mußte er zweitens die Zeit, in welcher der Mond ſich um die Erde bewegt, oder er mußte die Revolution des Mondes mit großer Genauigkeit kennen. Wir haben aber bereits oben (I. §. 123) gezeigt, daß man, wenn man zwei in der Zeit ſehr von einander entfernte Beobachtungen des Mondes vergleicht, die wahre Größe dieſer Revolution mit aller nur wünſchenswerthen Schärfe beſtimmen kann, wie denn auch bereits die alten Griechen ſie ſo genau be - ſtimmt hatten, daß die neueren Aſtronomen nur wenig oder nichts mehr hinzufügen konnten. Dieſe Umlaufszeit des Mondes um die Erde, in Beziehung auf die Fixſterne oder die ſogenannte ſideriſche Revolution deſſelben (I. §. 100) beträgt 27,3216614 Tage. Da er in dieſer Zeit volle 360 Grade oder 1296000 Sekunden beſchreibt, ſo findet man leicht durch eine einfache Proportion, daß der Mond in ſeiner Bewegung um die Erde in jeder Zeit - ſekunde den kleinen Winkel von 0,5479 Sekunden zurücklegt. Allein man weiß, daß die halbe Peripherie eines jeden Kreiſes, deſſen Halbmeſſer für die Einheit angenommen wird, 3,1415926 Theile dieſes Halbmeſſers beträgt, daß alſo zu einem Winkel von 648000 Sekunden der Bogen 3,1415926 und daher auch zu einem Winkel von einer einzigen Sekunde der Bogen von 0,0000048481 Halb - meſſern gehört. Multiplicirt man daher die letzte Zahl durch 0,5479, ſo folgt, daß der Bogen der Mondsbahn, der von dieſen Himmelskörpern in jeder Sekunde beſchrieben wird, gleich dem 0,0000026563ſten Theil des Halbmeſſers der Mondsbahn iſt. Es iſt aber aus dem Kap. V. des I. Theiles bekannt, wie man die Entfernung des Mondes von der Erde durch die Beobachtung der Parallaxe dieſes Geſtirns findet. Dieſe Beobachtungen gaben die Entfernung des Mondes von dem Mittelpunkte der Erde, oder den Halbmeſſer der Mondsbahn gleich 60,16 Halbmeſſer der Erde. Multiplicirt man daher die beiden letzten Zahlen durch einander, ſo findet man, daß der Bogen, welchen der Mond in ſeiner41Allgemeine Schwere.Bahn während jeder einzelnen Sekunde zurücklegt, nur 0,0001598 Erdhalbmeſſer beträgt.

§. 28. (III. Beſtimmung des Halbmeſſers der Erde.) Allein dieſe letzte Beſtimmung der Entfernung des Mondes kann noch nicht zu unſerem Zwecke gebraucht werden. Unſere Abſicht iſt nämlich, den Fall der Körper auf die Erde mit der Bewe - gung des Mondes zu vergleichen, um zu ſehen, ob in der That beide aus derſelben Urſache entſpringen. Da aber dieſer Fall in Toiſen oder Fußen ausgedrückt iſt, ſo müſſen wir auch jenen Bogen der Mondsbahn in demſelben Maaße kennen, oder mit andern Worten, wir müſſen wiſſen, wie viel Toiſen der Halb - meſſer der Erde beträgt.

Wir haben oben (I. Kap. I. und II. ) das Vorzüglichſte von dem mitgetheilt, was wir über die Geſtalt und Größe der Erde wiſſen. Allein Newton kannte dieſe Beſtimmungen noch nicht, da die zu dieſem Zwecke angeſtellten Meſſungen der Erde erſt nach ihm unternommen wurden. Die erſte beſſere Gradmeſſung iſt die von Picard in Frankreich, der im Jahre 1669, alſo drei Jahre nach Newtons Aufenthalt in Woolſthorp, den Grad eines Me - ridians oder den Breitengrad der Erde gleich 342360 Fuß gefun - den hat, woraus folgt, daß der Halbmeſſer der Erde 19615780 Par. Fuß beträgt.

Zwar hatte ſchon früher, im Jahre 1615, Snellius in Hol - land durch ſeine mit vieler Umſicht angeſtellte Vermeſſung dieſen Grad gleich 330432 Fuß, alſo zu unſerem Zwecke genau genug, gefunden, aber Newton ſcheint von dieſer Beſtimmung eben ſo wenig, als von der ſeines Landsmanns Norwood, Nachricht er - halten zu haben, welcher letzte im Jahre 1634 den Breitengrad der Erde gleich 343800 Fuß, alſo noch genauer als ſelbſt Picard gefunden hatte. Auch mochte er diejenigen Werke, in welchen von dieſen damals noch neuen Meſſungen geſprochen wurde, in der Zurückgezogenheit ſeines ländlichen Aufenthaltes nicht bei der Hand gehabt, und, einer damals allgemein angenommenen Vorausſetzung gemäß, den Erdgrad in runder Zahl zu 60 eng - liſchen Meilen angenommen haben. Da die engliſche Meile 4954,19 Par. Fuß enthält, ſo betrug alſo, ſeiner Annahme ge -42Allgemeine Schwere.mäß, der Erdgrad nur 297251, und der daraus folgende Halb - meſſer der Erde nur 17031230 Fuß. Man ſieht, daß dieſe beiden Zahlen beträchtlich, nahe um ihr Siebentheil, kleiner ſind, als die oben von Picards Meſſungen angeführten Reſultate. Mul - tiplicirt man die letzte Zahl mit der oben angegebenen 0,0001598, ſo findet man 2721,59 Pariſer Fuß für den Bogen, welchen der Mond in ſeiner Bahn während jeder Zeitſekunde zurück - legt. So hatte nämlich Newton dieſen Bogen gefunden. Allein wenn er, ſtatt ſeiner fehlerhaften Vorausſetzung über die Größe der Erde, denjenigen Halbmeſſer derſelben, nämlich 19615780 Fuß, gebraucht hätte, den Picard aus ſeinen Meſſungen abgeleitet hat, ſo würde er für dieſen Bogen die Größe von 3134,6 Fuß gefunden haben, welche Zahl wieder nahe um ihren Siebentheil größer iſt, als die vorhergehende.

§. 29. (Anziehung der Erde in größeren Entfernungen von ihrem Mittelpunkte.) Auf der Oberfläche der Erde fällt, wie wir geſehen haben, jeder Körper in der erſten Sekunde durch 15 Fuß. Wie tief wird er in einer Entfernung von zehn, hundert, tauſend Meilen von der Oberfläche der Erde, in derſelben Zeit von einer Sekunde fallen?

Die Antwort auf dieſe Frage iſt leicht, wenn man das in I. betrachtete Geſetz der Abnahme der Anziehungskraft der Erde als richtig vorausſetzt. Dieſer ſenkrechte Fall des Körpers zur Erde iſt nämlich die reine Wirkung jener Kraft, und kann ſelbſt für das eigentliche Maaß dieſer Kraft genommen werden. Der Fall wird daher für jede in Halbmeſſern der Erde gegebene Ent - fernung gleich ſeyn der Zahl 15, dividirt durch das Quadrat dieſer Entfernung. Der höchſte Berg, den wir kennen, iſt ein Pic des Himalaja in Tibet, deſſen Höhe 24100 Fuß beträgt. Seine Höhe iſt alſo noch nicht der achthundertſte Theil des Erd - halbmeſſers nach Picard, oder der Gipfel dieſes Berges iſt 1,0012 Erdhalbmeſſer von dem Mittelpunkte der Erde entfernt. Dividirt man die Einheit durch das Quadrat dieſer Zahl, ſo erhält man 0,998, und dieß durch 15 multiplicirt gibt 14,970. Die Körper fallen demnach auf der Spitze dieſes Berges in der erſten Sekunde nur durch 14,97 Fuß oder beinahe um 4 3 / 10 Linien weniger tief, als am Niveau des Meeres, oder endlich, wenn die Kraft der43Allgemeine Schwere.Erde an ihrer Oberfläche zur Einheit genommen wird, ſo iſt ſie auf dem Gipfel jenes Berges nur mehr 0,998, alſo um ihren zweitauſendſten Theil kleiner, als zuvor. Eine ſo geringe Ver - ſchiedenheit konnte allerdings durch unſere Beobachtungen nicht mehr entdeckt werden, daher man auch, zu Newtons Zeiten, die Schwere an allen Orten der Erde gleich groß vorausſetzte.

Wenn aber der Körper um den ganzen Halbmeſſer der Erde über die Oberfläche derſelben gebracht werden könnte, ſo würde er in dieſer Entfernung, die die doppelte von jener an der Ober - fläche iſt, in einer Sekunde nur mehr durch den vierten Theil von 15 oder nur durch 3,75 Fuß fallen. In einer dreimal ſo großen Entfernung, oder in der Diſtanz von drei Erdhalbmeſſern von dem Mittelpunkte der Erde, wird er durch den 9ten Theil jener Größe, oder nur durch 1,67 Fuß, in einer zehnmal größeren Entfernung nur durch den 100ſten Theil, oder durch 0,15 Fuß fallen u. ſ. w.

Wenn alſo endlich derſelbe Körper bis in den Ort, wo der Mond iſt, d. h. wenn er in die Entfernung von 60,16 Erdhalb - meſſern von dem Mittelpunkte der Erde gebracht würde, ſo würde er daſelbſt in der erſten Sekunde durch 15, dividirt durch das Quadrat von 60,16, das heißt, er würde in der Gegend des Mondes nur mehr durch 0,00414 Fuß fallen, oder er würde in der erſten Sekunde ſich nahe 6 / 10 einer Linie der Erde nähern.

Dieß Reſultat iſt, als Ergebniß der Rechnung, völlig gewiß, wenn anders die obige Vorausſetzung, auf welche dieſe Rechnung gegründet iſt, richtig iſt, daß nämlich die Attractionskraft der Erde ſich verkehrt, wie das Quadrat der Entfernung verhält. Allein iſt dieſe Vorausſetzung auch in der That richtig? Dieß eben ſoll hier entſchieden werden, und zwar durch unmittelbare Beobachtungen, durch Beobachtungen an dem Monde entſchieden werden. Wenn uns dieſe Beobachtungen zeigen könnten, daß der Mond in der That in jeder Sekunde durch 0,00414 Fuß zur Erde fällt, ſo iſt unſere Vorausſetzung richtig, und das Geſetz der Anziehung der Erde, das Geſetz der Schwere iſt durch Experi - mente nachgewieſen, und muß ſonach als wahr anerkannt werden.

Allein wie ſollen uns die Mondsbeobachtungen zeigen, daß dieſer Himmelskörper in der That in jeder Sekunde ſo viel zur44Allgemeine Schwere.Erde fällt? Wir ſehen ihn nicht fallen, und wenn er auch in der That fallen ſollte, ſo haben wir kein Mittel, die Größe dieſes Falls zu meſſen. Alles, was wir von ſeiner Bewegung wiſſen, iſt, daß der Bogen, den er in jeder Sekunde um die Erde be - ſchreibt, 2721,59 oder auch 3134,6 Fuß beträgt, je nachdem wir den Halbmeſſer der Erde nach Newton oder nach Picard anneh - men. Was ſoll aber aus dieſem Bogen für den Fall des Mondes zur Erde folgen?

§. 30. (Wirkung dieſer Attraction der Erde auf ruhende und auf bewegte Körper.) Um die letzte Frage zu beantworten, müſſen wir in unſerer Unterſuchung wieder einige Schritte zurückgehen.

Wenn der Mond durch irgend eine mächtige Hand feſtge - halten, und dann plötzlich ausgelaſſen würde, ſo müßte er ohne Zweifel in einer geraden Linie zur Erde fallen, und ſich ihr, wie wir geſehen haben, in der erſten Sekunde um 0,00414 Fuß nähern, ganz aus demſelben Grunde, wegen welchem der Stein auf der Oberfläche der Erde in derſelben Zeit durch 15 Fuß fällt, wenn die Hand, die ihn hält, ſich wendet, und dadurch den Stein ſei - ner bisherigen Unterſtützung beraubt. Allein jene unſichtbare Hand, die vielleicht auch vor Zeiten den Mond feſtgehalten hat, kann ſich nicht bloß gewendet haben, als ſie den Mond ſich ſelbſt oder vielmehr der Wirkung der Erde überließ, ſondern ſie muß ihn, als ſie ihn ſeinem ferneren Schickſale überlaſſen wollte, mehr als nur ausgelaſſen, ſie muß ihn aus der Hand geworfen haben, und die Richtung dieſes Wurfes muß, nicht auf die Erde zu, ſondern ſeitwärts gegangen ſeyn, weil ſonſt der Mond wieder in einer geraden Linie zur Erde herabgefallen wäre, was er doch nicht gethan hat, da er vielmehr, wie wir ſehen, einen Kreis um die Erde beſchreibt.

Die Exiſtenz dieſer Bahn, die uns vor Augen liegt, führt uns daher auf zwei Vorausſetzungen, ohne welche jene Bahn ſich nicht als möglich denken läßt. Der Mond muß nämlich von zwei verſchiedenen Kräften in Bewegung geſetzt werden, von einer erſten urſprünglichen, von einer Wurfkraft, und von der im Mittelpunkte ſeiner Bahn ruhenden Centralkraft oder von der Anziehungskraft der Erde. Jene iſt eine nur im erſten Augen - blicke wirkende Kraft, gleich der eines Stoßes, dieſe aber eine45Allgemeine Schwere.immerwährend thätige, und noch jetzt in jedem Augenblicke wir - kende Kraft. Jene konnte alle möglichen Richtungen haben, nur nicht die gerade zur Erde hin, weil ſonſt der Mond auf die Erde gefallen wäre; dieſe aber hatte, und hat noch ihre Richtung gegen den Mittelpunkt der Erde. Jene allein würde den Mond in irgend einer geraden Linie im Weltraume fortgeführt, und dieſe allein würde ihn, ebenfalls in einer geraden, aber zur Erde ge - richteten Linie auf dieſe Erde geworfen haben, und beide zuſam - men endlich leiten ihn in der krummen Linie, in dem Kreiſe hin, den er eben, wie wir ſehen, um die Erde beſchreibt.

Die Kraft der Erde alſo erſcheint in ihrer Wirkung bei der Bewegung des Mondes nicht mehr rein, ſondern mit der Wir - kung jener Wurfkraft, jenes Stoßes vermiſcht, welchen der Mond im Anfange ſeiner Bewegung erhalten haben muß, damit er dieſe Bahn, die wir an ihm beobachten, in der That beſchreiben kann, und es wird daher, ehe wir an die eigentliche Auflöſung unſeres Problems gehen, nothwendig ſeyn, dieſe Miſchung wieder aufzu - heben, und aus der ſo zuſammengeſetzten Bewegung des Mondes denjenigen Theil herauszuſuchen, der, ſo wie jener Fall des Stei - nes, bloß der Anziehung der Erde angehört.

Zu dieſem Zwecke werden wir alſo die Wirkung dieſer An - ziehung der Erde, welche ſie auf ſchon bewegte Körper äußert, unterſuchen müſſen. Glücklicher Weiſe können wir dieſe Unter - ſuchung auf der Oberfläche der Erde alle Tage, und ohne viel Mühe anſtellen. Wir ſehen den Stein, und überhaupt jeden Körper, wenn er aus der ruhenden Hand gelaſſen wird, ſenk - recht zur Erde fallen. Allein wenn er von derſelben Hand ge - worfen wird, ſo ſehen wir ihn nicht mehr in gerader Linie ſenkrecht fallen, ſondern, gleich dem Monde, eine krumme Linie beſchreiben, offenbar aus demſelben Grunde, weil hier zwei Kräfte auf ihn wirken, die augenblickliche Kraft des Wurfs oder der erſte Stoß der Hand, und die immer thätige Anziehungs - kraft der Erde. Wir bemerken ferner, daß die krumme Linie, die er auf dieſe Weiſe beſchreibt, deſto länger iſt, je größer jene erſte Kraft iſt, mit welcher ihn die Hand geworfen hat. Die Kugeln unſerer Feuergewehre geben uns davon eben ſo bekannte, als auf - fallende Beiſpiele. Dieſe Maſchinen treiben die von ihnen gewor -46Allgemeine Schwere.fenen Körper oft ſehr weit über die Erde hin, und unſere Kano - nenkugeln beſchreiben, ehe ſie wieder zur Erde fallen, einen deſto längeren Bogen über derſelben, je ſtärker die Ladung iſt, mit welcher ſie abgeſchoſſen wurden. Und was hindert uns, an - zunehmen, daß eine noch viel ſtärkere Ladung ſie noch viel weiter, ſie endlich ganz um die Erde herum treiben würde, ſo wie auch vielleicht der Mond von einer ſolchen erſten hinlänglich ſtarken Kraft um die Erde getrieben wird.

Dieſe beiden Dinge ſind offenbar ſo ähnlich, und einander in einem ſo hohen Grade analog, daß wir nur das eine derſel - ben, den Stein oder die Kugel, deren Spiel in unſerer Nähe vorgeht, näher betrachten dürfen, um das, was wir an ihm ge - funden haben, auch ſogleich auf das zweite, auf den Mond zu übertragen.

§. 31. (Fall der auf der Oberfläche der Erde geworfenen Körper.) Denken wir uns demnach vor einer horizontal aufge - ſtellten Kanone eine vertikale Wand in einer ſolchen Entfernung von der Mündung des Geſchützes, daß die Kugel, wenn ſie dieſe Mündung verläßt, jener Wand genau in der Zeit von einer Se - kunde begegne. Bemerken wir überdieß zuerſt denjenigen Punkt der Wand, der mit dem Mittelpunkte der Mündung in derſelben Höhe liegt, oder den Punkt, welchen die Kugel treffen würde, wenn ſie ſich genau in horizontaler Richtung bewegen, wenn ſie, während ihres Laufes, von der Erde nicht angezogen werden möchte. Bemerken wir dann aber auch, nach dem Schuſſe, den - jenigen Punkt der Wand, wo ſie von der Kugel in der That ge - troffen worden iſt. Wo wird dieſer zweite Punkt liegen? Genau 15 Fuß unter dem erſten, wie ſich jeder ſelbſt überzeugen kann, der das Experiment anſtellen will. Alſo genau eben ſo viel, als ſie, in dieſer erſten Sekunde, frei gefallen wäre, wenn man ſie, ſtatt ſie aus der Kanone zu ſchießen, bloß aus der um - gewendeten Hand hätte fallen laſſen.

Was ſollen wir aus dieſer merkwürdigen Uebereinſtimmung ſchließen? Offenbar, daß, wenn zwei Kräfte auf einen Körper wirken, jede derſelben die gleiche Veränderung in ihm hervorbringt, die ſie hervorgebracht haben würde, wenn ſie allein auf ihn ge - wirkt hätte, und wenn die andere gar nicht da geweſen wäre. 47Allgemeine Schwere.Vermöge des Wurfes der Hand geht der Stein in der Richtung dieſes Wurfs in einer geraden Linie, in derſelben geraden Linie fort, die er beſchreiben würde, wenn die Erde keine anziehende Kraft hätte. Und vermöge dieſer letzten Kraft fällt er ganz eben ſo in ſenkrechter Richtung zur Erde, als er gefallen ſeyn würde, wenn jener Wurf der Hand nicht ſtatt gehabt hätte, ſondern wenn der Stein nur aus der ruhenden Hand gefallen wäre. Beide Kräfte zuſammen aber bewirken die krummlinige Bahn dieſes Steines, deren jedes noch ſo kleine Theilchen, jedes Element, aus dem Elemente dieſer geraden Wurflinie und aus dem Elemente jener ſenkrechten Falllinie zuſammengeſetzt iſt.

Daſſelbe wird alſo auch von dem Monde gelten, und unmit - telbar auf ihn angewendet werden können. Die gerade Linie, in welcher er ſich, vermöge ſeiner urſprünglichen Wurfkraft zu be - wegen ſucht, wird die auf den Halbmeſſer ſeines Kreiſes ſenk - rechte Tangente ſeyn, in welcher er jeden Augenblick von der Erde fortgehen will, und auch in der That fortgehen würde, wenn die Anziehung der Erde ihn nicht zurückhielte. Und dieſe Anziehung der Erde wird wieder die kleine gerade Linie ſeyn, um welche er, indem er die Richtung jener Tangente verläßt, in jeder Sekunde der Erde näher rückt, oder eigentlich zu ihr hinfällt.

Welches iſt aber dieſe letzte gerade Linie, um welche ſich der Mond in jeder Sekunde der Erde nähert?

§. 32. (Anwendung des Vorhergehenden auf den Mond.) Sey C Fig. I der Mittelpunkt der Erde, und zugleich jener der Mondsbahn AMD. Indem der Mittelpunkt A des Mondes dieſen Punkt A ſeiner Bahn verläßt, um ſeinen Weg fortzuſetzen, wird er, wenn keine andere Kraft auf ihn wirkte, nicht anders, als in der Richtung, die er bei ſeiner Ankunft in A hatte, d. h. er wird in der geradlinigen Tangente AB ſeiner Bahn, die auf ſeiner Entfernung CA ſenkrecht ſteht, fortgehen. Allein da er zugleich von der Erde angezogen wird, ſo kann er, am Ende der erſten Sekunde, nicht in dem Punkte B dieſer Tangente, ſondern er muß in irgend einem der Erde C nähern Punkte, nämlich in dem Punkte M ſeiner kreisförmigen Bahn ſeyn, ganz eben ſo, wie vorhin die Kugel der ihr gegenüber ſtehenden Wand nicht in dem horizontalen Viſirpunkte, ſondern in einem anderen, tieferen48Allgemeine Schwere.Punkte begegnete. Auf dieſelbe Weiſe begegnet alſo auch jetzt der Mond dem ihm gegenüberſtehenden Halbmeſſer CB oder dieſer ſeiner Wand nicht in dem Viſirpunkte B, ſondern in dem der Erde nähern Punkte M, und die Diſtanz dieſer beiden Punkte, das heißt die kleine Linie BM iſt es, um welche der Mond in der erſten Sekunde, ſeit er von A ausging, zur Erde fiel, und um welche er auch in der That ſchon von dem Punkte A aus gefallen ſeyn würde, wenn bloß die Anziehung der Erde, ohne jene Wurfkraft, auf ihn gewirkt hätte.

Dieſe kleine Linie BM alſo, die den eigentlichen Fall des Mondes zur Erde während jeder Sekunde ausdrückt, dieſe iſt es, deren Größe wir nun beſtimmen ſollen, um zu ſehen, ob ſie mit derjenigen übereinſtimmt, die wir oben aus unſerer Vorausſetzung abgeleitet haben, wo wir fanden, daß der Mond in jeder Sekunde um 0,00414 Fuß zur Erde fallen ſoll.

Allein wie ſoll man dieſe Größe BM finden? Wir kennen von der Mondsbahn bloß die Größe des Halbmeſſers CA oder CD und die Größe des Bogens AM ſeiner Bahn, den der Mond in jeder Sekunde zurücklegt.

§. 33. (Berechnung des Falls des Mondes gegen die Erde.) Die erſten und einfachſten Elemente der Geometrie reichen ſchon hin, zu zeigen, daß dieſe Größe BM gleich iſt dem Quadrate des Bogens AM dividirt durch den Durchmeſſer AD des von dem Monde beſchriebenen Kreiſes, d. h. durch die doppelte Entfernung des Mondes von dem Mittelpunkte der Erde.

Nehmen wir nun nach Picards Meſſung den Halbmeſſer der Erdbahn gleich 19615780 Fuß an, ſo iſt, wie wir oben geſehen haben, der Bogen AM gleich 3134,6 Fuß, und da die Entfernung des Mondes von der Erde 60,16 Erdhalbmeſſer beträgt, ſo iſt die geſuchte Linie BM, um welche der Mond in einer Sekunde zur Erde fällt, gleich dem Quadrate von 3134,6, dividirt durch das Produkt von 60,16 in 39231560, das heißt, gleich 0,00416 Fuß, alſo bis auf eine hier ganz unmerkliche Differenz genau ſo groß, als wir ſo eben aus der doppelten Vorausſetzung ge - funden haben, daß die Kraft der Erde ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung verhalte, und daß dieſe Kraft, welche49Allgemeine Schwere.die Körper auf der Oberfläche der Erde fallen macht, dieſelbe iſt, welche auch der Mond um ſie bewegt.

Dieſe Uebereinſtimmung iſt alſo der ſchönſte Beweis für die Richtigkeit der Vorausſetzung, welche auf dieſe Weiſe durch eine unmittelbare Beobachtung der Natur, durch die Beſtimmung der Größe der Erde, und der Umlaufszeit des Mondes, beſtätiget war, und an deren Wahrheit man daher nicht weiter zweifeln konnte. Aber einmal dahin gekommen, war es nun leicht, durch Induction oder nach der Analogie den gefundenen Satz auch auf die übrigen Körper des Himmels auszudehnen und anzunehmen, daß auch die Planeten in ihren Bewegungen um die Sonne durch eine ähnliche, dieſer Sonne inwohnende Kraft, die ſich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung verhält, bewegt werden, wie der Mond durch eine ſolche Kraft der Erde um ſie geführt wird. In der That boten ſich auch bald, wie wir weiter unten ſehen werden, Beobachtungen in Menge dar, welche dieſe Erweiterung der durch den Mond gemachten Entdeckung auf die ſchönſte und genügendſte Weiſe beſtätigten.

§. 34. (Newtons Fehler in der Berechnung dieſer Kraft.) Wir haben in dem Vorhergehenden, um den Zuſammenhang nicht zu ſtören, ſogleich den nahe wahren Werth des Erdhalbmeſſers, wie er aus Picards Meſſungen hervorgeht, angenommen, und ſo durch eine ſehr einfache Rechnung die Beſtätigung unſerer frühe - ren Vermuthung gefunden. Wir haben nämlich, um das Ganze noch einmal mit andern Worten darzuſtellen, gefunden, daß man auf zwei ganz verſchiedenen Wegen immer denſelben Werth für den Fall des Mondes gegen die Erde erhält, man mag ihn aus dem beobachteten Falle der Körper an der Oberfläche der Erde, oder aus der beobachteten Umlaufszeit des Mondes um die Erde ableiten, und eben die Uebereinſtimmung der beiden durch ſo verſchiedene Mittel erhaltenen Reſultate, verbürgt uns die Richtigkeit der Annahme, auf welche dieſe Rechnung ge - gründet iſt.

Allein Newton hatte größere Schwierigkeiten, ſich von der Wahrheit ſeiner Vorausſetzung zu überzeugen. Man ſieht aus allem Vorhergehenden, daß die Rechnungen, welche geführt werdenLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 450Allgemeine Schwere.mußten, um die Richtigkeit der ihnen zu Grunde gelegten Hypo - theſen zu beſtätigen, die genaue Kenntniß der Größe des Erd - halbmeſſers vorausſetzten, und eben dieſe war es, die ihm fehlte. Er nahm, wie wir oben geſagt haben, den Halbmeſſer der Erde gleich 17031230 Fuß, alſo viel zu klein an, daher er auch den Bogen AM gleich 2721,59, alſo ebenfalls zu klein gefunden hatte. Nach dieſen Annahmen wird alſo der Fall des Mondes während einer Sekunde gleich dem Quadrate von 2721,59, dividirt durch das Produkt von 60,16 in 34062460, das heißt, gleich 0,00361 Fuß ſeyn. Es ſollte aber, wenn die Vorausſetzung richtig iſt, gleich 0,00414, alſo nahe ein Siebentheil größer ſeyn. Dieſe Differenz war aber zu beträchtlich, als daß ſie zugelaſſen werden konnte.

Man ſieht dieß in der That beſſer, wenn man aus dieſer, von Newton gefundenen Größe von BM = 0,00361 wieder auf den Fall der Körper über der Oberfläche der Erde rückwärts ſchließt. Da nämlich die Entfernung des Mondes von der Erde 60,16 Halbmeſſer der Erde beträgt, ſo müßte, wenn Newtons Beſtimmung der Größe BM auch nur beinahe richtig geweſen wäre, der Fall der Körper auf der Oberfläche der Erde während einer Sekunde gleich dem Quadrate von 60,16 multiplicirt in dieſe Zahl 0,00361, das heißt, er müßte nahe gleich 13,065 Fuß ſeyn. Allein unſeren Beobachtungen zu Folge, beträgt dieſer Fall 15 Fuß, und dieſe Beſtimmung iſt, wie Newton ſehr wohl wußte, ſo genau, daß ſie kaum ein Zehntheil eines Fußes, nicht aber bei - nahe volle zwei Fuß von der Wahrheit abweichen konnte.

§. 35. (Folgen, die er aus dieſer Differenz ableitete.) Newton hätte vielleicht aus dieſer Nichtübereinſtimmung ſeiner Rechnung mit den Beobachtungen den Schluß ziehen können, daß irgend eines der ſeinen Rechnungen zu Grunde gelegten Elemente, der Halbmeſſer der Erde oder die Umlaufszeit oder die Entfernung des Monds in Erdhalbmeſſern ausgedrückt, nicht ganz richtig ſeyn, und daher noch einer Verbeſſerung bedürfen könne. Allein unglücklicher Weiſe vertraute er dieſen von andern geborgten Re - ſultaten zu ſehr, und ſetzte dafür das Mißtrauen, welches ſie ver - dient hätten, bloß auf ſeine Schlüſſe oder vielmehr auf die Hy - potheſe, die er ſeinen Schlüſſen zu Grunde legte, und von der er ſich, wie er nun einzuſehen glaubte, zu viel verſprochen hatte. 51Allgemeine Schwere.Es iſt alſo wohl ganz unrichtig, ſagte er zu ſich ſelbſt, was ich anfangs für ſo wohl begründet hielt; es iſt unrichtig, daß die - ſelbe Kraft, die den Stein zur Erde fallen macht, auch den Mond um ſie bewegt, oder es iſt doch, wenn es auch ſo wäre, unrichtig, daß dieſe Kraft ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung verhält. Dieß brachte ihn auf die Idee, daß bei dieſen Erſchei - nungen der Natur wohl noch ganz andere Kräfte mit im Spiele ſeyn könnten, und er ließ ſich ſogar, wie er ſpäter ſeinen Freunden ſelbſt geſtand, zu der Meinung verleiten, daß die Wirbeltheorie ſeines Vorgängers Descartes, die er doch früher ſelbſt als ganz unſtatthaft verworfen hatte, und die doch ſo gar nichts an ſich hatte, was einen Mann von ſeinem Geiſte länger feſthalten konnte, doch nicht ſo ganz verworfen werden ſollte. Da aber dieſe wun - derlichen Wirbel der Art waren, daß ſie ſich keiner eigentlichen Berechnung, die doch hier allein entſcheiden konnte, unterwerfen ließen, ſo brach Newton alle weitere Unterſuchungen über dieſen Gegenſtand gänzlich ab, und erklärte ſeine frühere Idee für einen von den vielen mißlungenen Verſuchen, die das Forſchen nach Wahrheit auch bei Männern ſeiner Art ſo oft zu hindern und aufzuhalten pflegen, ſo daß er dieſe ſeine Beſchäftigung mit un - nützen Spekulationen, denn als ſolche erſchienen ſie ihm, mehrere Jahre durch ſelbſt vor ſeinen näheren Freunden verheimlichte.

§. 36. (Weitere Verſuche Newtons, ſeine Abſichten zu er - reichen.) Wäre die Sache in dieſem Zuſtande geblieben, ſo würde vielleicht bis heute noch unſere ganze Aſtronomie auf der Stufe, auf welche ſie Kepler erhoben hatte, das heißt im Grunde doch nur auf der Stufe ihrer Kindheit, ſtehen geblieben ſeyn.

In der That war wenig Hoffnung zu einer Verbeſſerung dieſes Zuſtandes der Wiſſenſchaft, denn als Newton, am Ende der Krankheit, welche die Umgegenden Cambridg’s verheerte, nach dieſer Stadt zurück kehrte, überließ er ſich ganz wieder ſeinen optiſchen Unterſuchungen, die ihn ſchon früher zu ſo ſchönen Entdeckungen geführt hatten. Volle zwölf Jahre kam er nicht mehr auf jenen Gegenſtand zurück, den er, wie es ſchien, für immer aufgegeben hatte. Im Jahre 1678 erhielt er von der Londoner Academie den Auftrag, ſeine Anſicht über ein Werk der4 *52Allgemeine Schwere.phyſiſchen Aſtronomie mitzutheilen, das damals einiges Aufſehen gemacht hatte, und das jetzt ganz vergeſſen iſt. Er kam dieſem Wunſche in einem Briefe an Hooke, Secretär dieſer Societät, nach, in welchem er auch gelegentlich von einer ihm erſt kürzlich beigefallenen Idee ſprach, die Rotation der Erde durch unmit - telbare Beobachtungen zu beweiſen. Zu dieſem Zwecke ſchlug er das nun allgemein bekannte Experiment mit von hohen Thürmen fallenden Körpern vor (Vergl. I. §. 20) und behauptete, daß dieſe Körper, wegen der Rotation der Erde, öſtlich von dem Thurme zu Boden fallen müſſen, weil ſie vor ihrem Falle die Geſchwindigkeit der Spitze des Thurms haben, die größer iſt, als die des Fußpunktes deſſelben. Die Academie ſetzte einen großen Werth auf dieſen Vorſchlag, und trug Hooke, der als ein genauer Beobachter bekannt war, die Ausführung deſſelben auf. Als dieſer anfing, ſich mit dem Gegenſtande zu beſchäftigen, bemerkte er, daß der Körper nicht bloß öſtlich, ſondern auch, in der nörd - lichen Hemiſphäre, etwas ſüdlich von dem Fuße des Thurmes zur Erde kommen müſſe. In der That hat man auch in den ſpäteren Zeiten durch genauere Rechnungen dieſes Reſultat voll - kommen beſtätiget gefunden. Das höchſte Gebäude, welches bis - her durch Menſchenhände errichtet worden iſt, die große Pyramide zu Cairo, von 450 Fuß Höhe, würde nach Laplace’s und Gauß theoretiſchen Unterſuchungen dieſes Gegenſtandes, die öſtliche Aus - weichung der von ihrer Spitze fallenden Körper 12,36 Linien, und die ſüdliche 0,002 Linien geben. Obſchon die letzte ſo gering iſt, daß ſie durch Beobachtungen nicht mehr beſtimmt werden kann, ſo iſt ſie demungeachtet nicht weniger, als jene, in der Theorie begründet, und Newton erkannte auch ſofort die Richtig - keit der Bemerkung. In ſeiner Antwort an Hooke ſetzte er hinzu, daß er dieſe Sache ſeitdem noch näher unterſucht, und gefunden habe, daß der Weg des fallenden Körpers bei der rotirenden Erde eine Art von Spirale ſeyn müſſe.

Allein auch dieſe Bemerkung wollte Hooke nicht gelten laſſen. Er ſchrieb nämlich nach einiger Zeit an Newton zurück, daß nach ſeinen über dieſen Gegenſtand angeſtellten Unterſuchungen die krumme Linie, in welcher der Körper bei einer rotirenden Erde fällt, eine Ellipſe ſey, wenn anders die Kraft der Erde ſich wie53Allgemeine Schwere.verkehrt das Quadrat der Entfernung verhalte, und die Bewegung des Körpers im freien Raume vor ſich gehe.

Man findet nicht, daß Newton auf dieſe zweite Verbeſſerung Hooke’s geantwortet habe. Aber er erkannte ohne Zweifel die Rich - tigkeit derſelben. Sie gab ihm ſogar, wie er ſelbſt in einem ſpätern Briefe an Halley, vom 27. Julius 1686 geſteht, Veran - laſſung, der Sache weiter nachzuforſchen, und dadurch ein ſehr wichtiges Theorem zu entdecken, welches eigentlich nur eine Er - weiterung des von Hooke gefundenen Satzes war. Er fand nämlich, daß, wenn ein durch eine Centralkraft getriebener Körper in einer Ellipſe einhergeht, und wenn dieſe Kraft in einem der Brennpunkte der Ellipſe ihren Sitz hat, daß dann dieſe Kraft ſich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung des Körpers von dieſem Brennpunkte ver - hält. Da nun ſchon lange vorher durch Kepler ausgemacht war, daß die Planeten Ellipſen beſchreiben, in deren einem Brennpunkte die Sonne ruht, ſo war auch dadurch das Geſetz der Attraction der Sonne gefunden. Allein dieſe Entdeckung gehört einer ſpä - teren Epoche an, wenigſtens machte ſie Newton erſt fünf Jahre nachher, im Jahre 1683, der königl. Academie in London, und erſt 1687 öffentlich bekannt. Als er jenen Brief Hooke’s erhielt, wagte er es noch nicht, dieſe vielleicht nur geahnte, aber nicht bewieſene Entdeckung als das eigentliche Geſetz der Natur anzu - erkennen. Das Mißlingen ſeines erſten Verſuchs, den er vor dreizehn Jahren angeſtellt hatte, um die Bewegung des Mondes mit jener der fallenden Körper in Uebereinſtimmung zu bringen, machte ihn ſchüchtern, und verbreitete Zweifel und Ungewißheit über alle ſeine Spekulationen dieſer Art, ſo wie es ihn auch ab - hielt, die Reſultate ſeiner bisherigen Unterſuchungen bekannt zu machen, bevor er ſie nicht von allen Seiten geprüft, und die Wahrheit derſelben durch Rechnung über allen Zweifel erhoben hatte. Dieſe vielleicht zu weit getriebene Vorſicht verwickelte ihn hier, ſo wie beinahe in allen ſeinen anderen großen Entdeckungen, in ſpätere und oft ſehr unangenehme Streitigkeiten mit den Ri - valen ſeines Ruhmes. Wenn aber auch dieſe vielleicht nur ſcheinbare Aengſtlichkeit aus der Individualität des ſeltenen Man - nes hervorging, ſo kann ſie doch zugleich als ein Beweis der höheren Kraft und der tieferen Erkenntniß deſſelben angeſehen54Allgemeine Schwere.werden, die ſelbſt da noch Mängel und Hinderniſſe erblickt, wo der gewöhnliche gute, aber leichte Kopf nichts mehr ſieht, und kühn den Sprung wagt, der ihn zum Ziele führen ſoll. Wenn er aber auch die Richtigkeit dieſes Satzes ſchon früher eingeſehen haben ſollte, ſo wußte er doch gewiß damals noch nicht auch den umgekehrten Satz zu beweiſen, daß nämlich, wenn die Kraft der Sonne ſich wie verkehrt das Quadrat der Geſchwindigkeit verhält, dann auch die Bahnen der Planeten Ellipſen oder überhaupt krumme Linien der zweiten Ordnung (I. Kap. IX. ) ſeyn müſſen. Zu jenen gehörte nur Differentialrechnung, zu dieſen aber war der Integralcalcul nothwendig, der damals noch kaum geboren war. Dieſem gemäß blieb es alſo noch immer zweifelhaft, ob nicht auch andere der Sonne inwohnende Kräfte ebenfalls ſolche elliptiſche Bahnen erzeugen können, wie denn dieß auch in der That der Fall iſt, da z. B. wenn die Kraft der Sonne ſich wie die Entfernung ſelbſt verhält, alſo mit ihr im gleichen Verhält - niſſe zu - und abnimmt, dieſe Bahnen ebenfalls Ellipſen ſind, nur mit dem Unterſchiede, daß dann die Sonne nicht in einem der Brennpunkte, ſondern in dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte dieſer Ellipſen ihren Sitz hat. Endlich, wenn man auch zugeben wollte, daß die Sache auf theoretiſchem Wege richtig und voll - ſtändig erwieſen ſey, ſo handelte es ſich hier nicht ſowohl um ein wiſſenſchaftliches Theorem, um einen Satz der Schule, ſondern um eine, und zwar um eine ſehr große und weit verbreitete, Er - ſcheinung der Natur. Dieſe letzte aber wird nicht durch Spekulationen, ſondern durch Beobachtungen befragt, und ſo ſinn - reich und kunſtvoll auch unſere Erklärung ihrer Phänomene ſeyn mag, ſo iſt doch der eigentliche Prüfſtein der Wahrheit dieſer Hypotheſen immer nur die Uebereinſtimmung derſelben mit dieſen Beobach - tungen, und an dieſem letzten und beſten Beweiſe mußte es ihm ſo lange fehlen, als er jenen erſten Verſuch mit dem Monde und dem fallenden Steine nicht zu den gelungenen zählen durfte.

§. 37. (Endliche Entdeckung ſeines Irrthums.) Er ließ alſo alle weiteren Unterſuchungen dieſes Gegenſtandes zum zweiten Male fallen, da er ſie nur als leere, von den Beobachtungen nicht un - terſtützte Spekulationen betrachtete, und er würde ſie vielleicht nie mehr aufgenommen haben, wenn er nicht volle ſechszehn Jahre55Allgemeine Schwere.nach jenem erſten Verſuche, zufällig wieder darauf zurückgeführt worden wäre.

Es war im Junius des Jahres 1682, als er in dem Hauſe der Academie zu London, unter den früher Angekommenen, auf die für dieſen Tag angeſagte Verſammlung wartete. Man ſprach hier unter andern auch von einer neuen Gradmeſſung, die kurz zuvor ein gewiſſer, damals noch wenig bekannter Picard in Frank - reich ausgeführt hätte, und eines der Mitglieder zeigte ein von ihm erhaltenes Schreiben vor, in welchem die Reſultate dieſer Vermeſſung enthalten waren. Newton nahm eine Abſchrift dieſer Zahlen, und hörte dann den nun folgenden Vorträgen der Aca - demie mit ungetheilter Aufmerkſamkeit zu. Nach geendeter Sitzung wieder in ſeiner Wohnung angekommen, ſuchte er ſeine alten Rech - nungen von dem Jahre 1666 hervor, um ſie mit den Zahlen jenes Briefes zu vergleichen. Er bemerkte bald im Verfolge ſeiner Rechnungen, daß er ſich der ſo lange gewünſchten Erfül - lung ſeines Wunſches nähere; mit jeder Zeile wurde es ihm ge - wiſſer, daß er an dem Vorabende einer großen Entdeckung ſtehe aber jetzt wurde er auch von einem ſo heftigen Beben ſeiner Nerven ergriffen, daß er die angefangene Rechnung nicht vollenden konnte. In dieſem Zuſtande vertraute er ſich einem ſeiner herein - tretenden Freunde, der den Griffel wieder aufnahm, und die Rechnung zu Ende brachte.

Wir haben bereits oben gezeigt, wie Picards Meſſungen in der That ſehr gut mit Newtons Vorausſetzung übereinſtimmten, und wie eben dadurch der ſo lange geſuchte Beweis der Rich - tigkeit derſelben endlich gefunden wurde. Es möchte ſchwer ſeyn, den Eindruck zu ſchildern, den dieſes Reſultat auf einen ſol - chen Geiſt hervorbringen mußte. Mit eins öffnete ſich nun das ganze Weltall vor ſeinem Blicke: die Sonne mit ihren Planeten und Kometen, dieſe Planeten ſelbſt mit ihren Satelliten, kurz das ganze, dem menſchlichen Auge bisher verſchleierte Sonnenſyſtem ſtand nun in ſeiner innern, wundervollen Einrichtung, und in dem alle ſeine Bewegungen regulirenden Geſetze, klar und deut - lich vor ſeinen Augen.

§. 38. (Nächſte Folge dieſer Entdeckung.) Nachdem ſich nun Newton von der Wahrheit ſeiner erſten Anſicht überzeugt, nachdem56Allgemeine Schwere.er das große Geſetz der Natur, daß nämlich alle Körper ſich wie verkehrt das Quadrat ihrer Entfernungen anziehen, gefunden, und durch die Erſcheinungen der Natur ſelbſt nachgewieſen hatte, ging er mit neuer Kraft an alle die früheren Verſuche, die er über dieſen wichtigen Gegenſtand von Zeit zu Zeit angeſtellt hatte. Er ſuchte ſie unter einander zu verbinden, und aus ihnen die Erklärungen aller übrigen Phänomene des Himmels abzuleiten. Er ſah bald, daß ſich aus der Anwendung des von ihm entdeckten Geſetzes nicht nur die elliptiſche Bewegung der Himmelskörper, ſondern auch noch eine große Anzahl von andern Erſcheinungen derſelben, von welchen man bisher keinen Grund angeben konnte, würden ableiten laſſen. Allein dieſe Ableitung, dieſe weitere Ent - wicklung jenes oberſten Naturgeſetzes erforderte einen noch viel höheren Aufwand von geiſtiger Kraft, als ſelbſt jene Entdeckung, und ſie iſt es eigentlich, wodurch er ſeine wahre Größe beur - kundet hat.

Vier Jahre beſchäftigte er ſich unabläſſig mit dieſen wichti - gen und ſchwierigen Entwickelungen, deren Reſultate er endlich im Jahre 1686, alſo erſt zwanzig Jahre nach ſeiner erſten Idee, in ſeinem unſterblichen Werke: Principia philosophiae naturalis mathematica, bekannt machte.

§. 39. (Kurze Inhaltsanzeige der Principien.) Dieſes größte Werk von allen, die der menſchliche Geiſt hervorgebracht hat, handelt zuerſt von den krummen Linien, welche die Körper be - ſchreiben, wenn ſie von gegebenen Kräften getrieben werden. Unter dieſen Problemen wird der Fall der Natur, wo die Central - kraft ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung verhält, mit der ihm gebührenden Umſtändlichkeit beſonders betrachtet. Ferner wird gezeigt, daß bei dieſem Naturgeſetze die Anziehung der Ku - geln auf äußere Punkte ſich ſo verhalte, als wäre ihre anziehende Kraft, die doch jedem Elemente ihrer Maſſe zukommen muß, in dem Mittelpunkte dieſer Kugeln vereiniget. Dadurch wird es erlaubt, die himmliſchen Körper, ſo groß ſie auch an ſich ſeyn mögen, in der Rechnung nur als Punkte zu betrachten, und ſich daher die dabei vorkommenden, ſonſt unüberſteiglichen Schwierig - keiten ungemein abzukürzen. Da jene anziehende Kraft nicht nur der Sonne, ſondern überhaupt allen Körpern zukömmt, ſo werden57Allgemeine Schwere.nicht bloß die Planeten von der Sonne, ſondern ſie werden auch von einander ſelbſt angezogen, und daher kommt es, daß die Ellipſen, welche jeder Planet, wenn er allein da wäre, um die Sonne beſchreiben würde, durch die Attraction der anderen Pla - neten oft ſehr merklich geſtört, und in eine andere ſehr ver - wickelte krumme Linie verwandelt wird. Glücklicher Weiſe ſind dieſe Planeten alle ſo klein gegen die Sonne, und überdieß durch ſo große Zwiſchenräume von einander getrennt, daß dieſe Stö - rungen nur gering ſind, und daß man ſich ohne merklichen Fehler erlauben kann, die Störungen jedes Planeten durch jeden andern, einzeln betrachtet, zu unterſuchen. Wäre dieß nicht der Fall, ſo würde man alle dieſe Störungen, welche jeder Planet von allen andern zugleich erleidet, berechnen müſſen, und dann würden die Schwierigkeiten ſo groß ſeyn, daß ſie die Kräfte unſerer gegen - wärtigen, und wahrſcheinlich auch die aller künftigen Analyſe, weit überſteigen würde. Bei dieſer Einrichtung unſeres Sonnenſyſtems aber reicht vollkommen zur Theorie der Bewegung eines Planeten hin, wenn man zuerſt die reinen elliptiſchen Elemente (I. Band Kap. X.) deſſelben ſucht, und dann die Störungen auffindet, welche derſelbe durch jeden andern Planeten, einzeln betrachtet, erleidet. Auf dieſe Weiſe iſt die Unterſuchung auf das ſoge - nannte Problem der drei Körper zurückgebracht, d. h. auf die Beſtimmung der Bewegung eines Planeten, der von der Sonne angezogen, und von einem anderen, gegen die Sonne viel ſchwä - cheren Planeten, in ſeiner Bewegung etwas geſtört wird. Auch in dieſer Beſchränkung bleibt dieſe Aufgabe noch immer eine der ſchwierigſten der ganzen Aſtronomie. Newton hat ſie nicht er - ſchöpft, wie ſie denn auch in unſern Tagen noch immer nicht als vollendet betrachtet werden kann, ſo weit man auch in derſelben bereits vorgerückt iſt. Aber er hat, wie beinahe in allen großen Fragen dieſer Wiſſenſchaft, die ſeit ihm die erſten Geometer beſchäftigte, er hat die Grundzüge, die erſten und ſchwerſten Schritte zur Auflöſung derſelben angegeben.

Die weitere Entwickelung deſſelben Naturgeſetzes gab ihm auch Mittel an die Hand, die Maſſen der Sonne und der Pla - neten, die Dichtigkeiten derſelben, und die Größen zu beſtimmen, durch welche auf der Oberfläche derſelben die Körper in der erſten58Allgemeine Schwere.Sekunde fallen, und ſo Fragen zu beantworten, welche die Alten ſich, vernünftiger Weiſe, nicht einmal aufgeben konnten. So fand er z. B., daß die Maſſe der Sonne 355000mal größer, als die der Erde iſt, daß die Dichte der Sonne nur der vierte Theil der Dichte der Erdmaſſe iſt, daß die Körper auf der Ober - fläche der Sonne in einer Sekunde durch 430, auf der Oberfläche Jupiters aber durch 39 Fuß fallen u. ſ. w.

Die große Abplattung Jupiters, die kurz zuvor Caſſini ent - deckt hatte, brachte Newton auf die Unterſuchung der Urſache derſelben, und dadurch auf die Beſtimmung der wahren Geſtalt der Erde, die auch, wenn gleich viel weniger als jener Planet, an ihren Polen abgeplattet iſt. Er fand, daß die aus der Rotation der Erde entſtehende Centrifugalkraft an dem Aequator den 289ſten Theil der Schwere beträgt, daß der Halbmeſſer des Aequators ſich zu der halben Rotationsaxe der Erde wie 230 zu 229 verhält, und daß die Geſtalt der Erde die eines Körpers iſt, der durch die Rotation einer Ellipſe um ſeine kleine Axe entſteht.

Newton zeigte ferner, daß die wunderbaren Erſcheinungen der Ebbe und Fluth des Meeres eine bloße Wirkung der Attraction des Mondes, verbunden mit jener der Sonne ſind, und lehrte die Größe und Zeit derſelben beſtimmen. Er erklärte die größeren Ungleichheiten der Mondbewegungen, vorzüglich die Evection, Variation und die jährliche Gleichung (I. §. 173) aus dem von ihm entdeckten Naturgeſetze, und zeigte, daß ſie eben ſo eine bloße Folge dieſes Geſetzes ſind, wie die ſchnelle Bewegung der Knoten und der Abſiden (I. §. 170) dieſes Satelliten. Selbſt die Prä - ceſſion der Nachtgleichen (I. §. 190) ſtellt er, den Beobachtungen gemäß, aus dieſem Geſetze, d. h. aus der Anziehung der Sonne und des Mondes auf die an ihren Polen abgeplattete Erde dar. Die Kometen betrachtete er als Himmelskörper, die in eben ſo regelmäßigen Bahnen, wie die Planeten, um die Sonne gehen, und er lehrte uns, die Elemente dieſer Bahnen aus den Beobach - tungen zu berechnen, wovon er ſelbſt ein Beiſpiel für den merk - würdigen Kometen d. J. 1680 gegeben hatte. Ueberdieß findet man noch in demſelben Werke zum erſten Male die vorzüglichſten Lehren unſerer Hydroſtatik und Hydrodynamik oder die Theorie des Gleichgewichts und der Bewegung der Flüſſigkeiten; tiefe und59Allgemeine Schwere.ſchwierige Unterſuchungen über die Bewegungen feſter Körper in flüſſigen und luftförmigen Mitteln, über den Widerſtand, welche ſie von dieſen Mitteln erleiden, über die Geſtalt der Körper, bei welchen dieſer Widerſtand am kleinſten iſt; über die Bewegung der Pendeln und der geworfenen Körper in widerſtehenden Mit - teln, über die Fortpflanzung des Schalls in der Luft, über die Bewegung des Waſſers in Röhren und Kanälen, über die Wir - kungen des Lichts auf die Elemente der Körper u. ſ. w.

Dieß iſt eine kurze Ueberſicht des Inhalts jenes unſterblichen Werkes. Die Größe des Gegenſtandes, den er behandelt, die edle Einfachheit des darin aufgeſtellten Syſtems, der Scharfſinn, mit welchem dieſe ſchweren Unterſuchungen durchgeführt werden, und die Sicherheit, auf Rechnung gegründete Sicherheit der darin aufgeſtellten Reſultate, verleihen den Principien einen für alle noch kommende Jahrhunderte dauernden Namen.

§. 40. (Erſte Aufnahme dieſes Werkes.) Dieſer großen Vor - züge ungeachtet, fanden die Principien durch mehr als fünfzig Jahre nicht die allgemeine, günſtige Aufnahme, die ſie in ſo hohem Grade verdienten; ſie mußten vielmehr lange mit allen den Schwie - rigkeiten kämpfen, die ſich der Einführung jeder neuen Wahrheit entgegen zu ſetzen pflegen. Die Irrthümer und Vorurtheile ver - gangener Jahrhunderte hatten ſich ſelbſt der beſſern Köpfe be - mächtigt, und dieſe waren es vorzüglich, denn die andern ver - ſtanden es nicht, welche ſich der Aufnahme deſſelben entgegen ſetzten. Die ſonderbare, von Descartes aufgeſtellte Philoſophie, die alle Erſcheinungen der Natur durch Wirbel erklären wollte, hatte ihren Scepter über ganz Europa verbreitet, und Alle eilten, ſich für ein Syſtem zu erklären, das mehr für die Imagination, als für den Verſtand gemacht war, und das die Meiſten deſto leichter zu verſtehen glaubten, je weniger ſie es in der That ver - ſtanden, oder je weniger ſie ſich von dem Grunde dieſes Glaubens eine genügende Rechenſchaft geben konnten. Newtons Theorie im Gegentheile war ganz und allein für den Verſtand berechnet, und der Vortrag deſſelben war ſo kurz und dunkel, und erforderte von dem Leſer ſo viele Vorkenntniſſe und Faſſungskraft, daß von allen ſeinen Zeitgenoſſen kaum zwei oder drei gefunden werden konnten, von denen man ſagen durfte, ſie ſeyen im Stande ge -60Allgemeine Schwere.weſen, das Werk vollkommen zu verſtehen. Er wählte in dieſem Buche den ſynthetiſchen Vortrag der alten griechiſchen Geometer, für welchen er ſein ganzes Leben durch eine beſondere Achtung gehegt hatte. Allein es ſcheint, daß er die von ihm gemachten Entdeckungen nicht auf dieſem, an ſich ſehr ſchwierigen, ſondern daß er ſie auf dem viel leichteren Wege der mathematiſchen Ana - lyſe gemacht, und dann nur wieder in die Sprache jener Syntheſe übertragen habe. Man muß es bedauern, daß er dieſen Weg gewählt, daß er bei der Auseinanderſetzung ſeiner Entdeckungen nicht die Mittel angegeben hat, welche ihn dazu führten, und daß er die Beweiſe mehrerer ſeiner Theoreme gänzlich unterdrückte, weil er, wie es ſcheint, das Vergnügen, ſich mühſam errathen zu laſſen, dem Zwecke, ſeine Leſer aufzuklären, vorgezogen hat. Die Kenntniß der Methode, die das Talent zu ſeinen Entdeckungen führt, iſt oft nicht weniger intereſſant und lehrreich zugleich, als dieſe Entdeckungen ſelbſt.

§. 41. (Einfachere Ableitung dieſes allgemeinen Geſetzes.) Da dieſes Geſetz die Grundlage der ganzen neueren Aſtronomie, und ſonach von der größten Wichtigkeit iſt, ſo wird es nicht unange - meſſen ſcheinen, die Wahrheit deſſelben noch auf einem anderen Wege zu zeigen.

Newton wollte ſeine Idee von dieſem Geſetze, oder vielmehr er wollte die Richtigkeit dieſer Idee durch irgend eine allgemeine Erſcheinung in der Natur, durch eine eigentliche Beobachtung nachweiſen, und er wählte dazu die Bewegung des Mondes, in - dem er durch Rechnung zeigte, daß dieſer Himmelskörper, wenn er bis zur Oberfläche unſerer Erde gebracht werden könnte, in der erſten Sekunde eben ſo tief fallen würde, als hier, den Beobach - tungen gemäß, jeder Stein während derſelben Zeit fällt, und daß daher die Kraft, welche den Stein fallen macht, dieſelbe ſeyn muß, welche den Mond in ſeiner Bahn um die Erde bewegt. Zu dieſem Zwecke mußte er nicht nur die Bewegung des Mondes, ſondern auch die Größe der Erde genau kennen, und da ihm die letzte Kenntniß fehlte, ſo wurde er, wie man geſehen hat, ſo lange in der Erfüllung ſeiner Wünſche aufgehalten. Auch blieb, ſelbſt nachdem er endlich dieſe Entdeckung gemacht hatte, immer noch die Frage übrig, ob daſſelbe, was er ſo eben für die61Allgemeine Schwere.Erde und den Mond gefunden hatte, auch für die Sonne, für die Planeten und überhaupt für alle Körper unſeres Sonnenſyſtems gelten könne, und dieſe letzte Frage war es auch eigentlich, die, als die bei weitem allgemeinere und wichtigere, hier vorzüglich beantwortet werden ſollte. Newton ſchloß ſie aus Induction, indem er das, was er für die Erde in Beziehung auf den Mond gefunden hatte, auch ſofort, der Analogie gemäß, auf die Sonne in Beziehung auf die Planeten übertrug. Zwar ließ es der große Mann ſpäter nicht an Beweiſen fehlen, daß ſeine Induction richtig iſt, und eigentlich kann jedes Blatt ſeiner Principien als ein ſolcher Beweis dienen, ſo daß in dieſer Rückſicht allerdings nichts mehr zu wünſchen übrig iſt.

Indeß darf man doch geſtehen, daß er ſchneller zu ſeinem Ziele, zur gewünſchten Ueberzeugung gekommen, und daß er in ſeiner Entdeckung nicht ſo lange aufgehalten worden wäre, wenn er, um die Wahrheit ſeiner Schlüſſe in der Natur ſelbſt nachzuweiſen, nicht den Mond, ſondern die Planeten ſelbſt zum Gegenſtande ſeiner Prüfung gewählt hätte. Dadurch würde er zugleich die Auflöſung jenes allgemeinen Problemes, das er eigentlich ſuchte, gefunden haben, von welchem das vorhergehende mit dem Monde, nur als ein Beiſpiel, als ein bloßer beſonderer Fall erſcheint.

In der That war die Bewegung der Planeten um die Sonne zu Newtons Zeiten nicht nur ſchon ſehr genau bekannt, ſondern Kepler hatte bereits ein Jahrhundert vorher das Geſetz angegeben, nach welchem dieſe Bewegungen vor ſich gehen. Er hatte näm - lich (Vergl. I. §. 146) gefunden, daß die Quadrate der Umlaufs - zeiten dieſer Himmelskörper ſich wie die Würfel der Halbmeſſer ihrer Bahnen verhalten. Schon Kepler hatte gezeigt, daß dieſes, nach ihm benannte Geſetz, beſonders bei den vier Jupitersſatelliten, ſehr gut mit den Beobachtungen übereinſtimme, und daß man daher an der Wahrheit deſſelben nicht weiter zweifeln kann.

Dieſem gemäß hätte Newton, um die Richtigkeit ſeiner Schlüſſe oder ſeiner Entdeckung darzuthun, nur zeigen dürfen. daß dieſelbe unmittelbar auf das von Kepler entdeckte Geſetz führe, ſo daß jedes dieſer beiden Geſetze nur gleichſam als ein anderer Ausdruck deſſelben Satzes betrachtet werden könne.

62Allgemeine Schwere.

In der That, Newton nahm an, daß die Kraft jedes Cen - tralkörpers auf die ſich um ihn bewegenden Körper, daß alſo z. B. die Kraft der Sonne, mit welcher ſie die Planeten um ſich bewegt, ſich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung verhalte, oder mit andern Worten: daß dieſe Kraft der Sonne gleich ſey der Einheit, dividirt durch den Halbmeſſer der kreisförmigen Planetenbahn. Seine geometriſche Betrachtung dieſes Gegen - ſtandes zeigte ihm, daß dieſe Kraft ſich wie die Linie BM, d. h. wie dieſer Halbmeſſer multiplicirt in das Quadrat des Bogens AM, verhalte, welchen der Planet während einer Sekunde beſchreibt. Wenn man aber dieſe beiden Ausdrücke der Attractionskraft der Sonne einander gleich ſetzt, ſo findet man ſofort, daß in unſerem Sonnenſyſteme der Würfel des Halbmeſſers jeder Planetenbahn ſich verkehrt wie das Quadrat dieſes von dem Planeten beſchrie - benen Bogens verhält. Allein dieſe Bogen verhalten ſich, bei verſchiedenen Planeten, verkehrt wie die Umlaufszeiten derſelben, alſo müſſen ſich auch die Würfel der Halbmeſſer dieſer Bahnen, wie die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten verhalten, worin eben das dritte Kepler’ſche Geſetz beſteht, das daher nur als eine unmittelbare Folge des von Newton entdeckten Geſetzes zu betrachten iſt. Durch dieſe einfache Reihe von Schlüſſen war demnach die Wahrheit des Geſetzes der allgemeinen Schwere für alle Körper unſeres Sonnenſyſtems als erwieſen anzunehmen, da für ſie das dritte Kepler’ſche Geſetz bereits ein Jahrhundert früh[e]r bewieſen worden iſt.

Ja ſelbſt ohne die hier zu Hülfe gerufene geometriſche Be - trachtung läßt ſich das Geſetz der allgemeinen Schwere auf eine ſehr einfache Weiſe aus der Theorie der kreisförmig bewegten Körper nachweiſen. Schon Huygens hatte in den oben erwähnten Propoſitionen gezeigt, daß bei jedem in der Peripherie eines Kreiſes einhergehenden Körper die Centrifugalkraft wie der Halbmeſſer des Kreiſes, und verkehrt wie das Quadrat der Um - laufszeit des Körpers ſich verhalte. Dieſe Centrifugalkraft iſt ſenkrecht auf die Peripherie des Kreiſes, liegt daher in dem Halb - meſſer der Bahn und iſt zum Mittelpunkte dieſer Bahn, iſt zur Sonne gerichtet, und kann daher bei den Planeten für dieſe Kraft der Sonne ſelbſt angeſehen werden. Allein nach dem erwähnten63Allgemeine Schwere.Geſetze Keplers verhalten ſich die Quadrate der Umlaufszeiten wie die Würfel der Halbmeſſer ihrer Bahnen. Verbindet man daher beide Sätze mit einander, ſo folgt ſofort, daß ſich bei den in Kreiſen bewegten Planeten die Centrifugalkraft, d. h. die Attractionskraft der Sonne, wie verkehrt das Quadrat der Halb - meſſer ihrer Bahnen verhalte, worin eben das von Newton ent - deckte Geſetz beſteht.

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Kapitel VI. Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.

§. 42. (Abwägung der Weltkörper.) Wir haben in dem vor - hergehenden Kapitel das Geſetz der allgemeinen Schwere in ſeinem einfachſten Ausdrucke betrachtet, und bereits dort die Bemerkung aufgeſtellt, daß beinahe unſere ganze neuere Aſtronomie nur eine weitere Entwicklung dieſes Geſetzes iſt. In der That, wie jede neue, ſelbſt die geringfügigſten Dinge betreffende Wahrheit nur ſelten allein ſteht, ſondern immer eine Reihe von andern oft noch wichtigern Wahrheiten in ihrem Gefolge nach ſich zieht, ſo mußte daſſelbe in einem noch viel höheren Grade von dieſer Entdeckung erwartet werden, die ihrer Natur nach ſich über das ganze Son - nenſyſtem, über den ganzen uns bekannten Theil des Himmels verbreitet. Nachdem dieſes große Geſetz einmal bekannt geworden war, ſah man aus ihm, wie aus einer reichen Quelle, eine grofe Menge anderer Entdeckungen entſpringen, wichtiger und ſelbſt wunderbarer Entdeckungen, deren Daſeyn die Alten nicht einmal ahnden konnten, da ihnen alle Wege, die zu denſelben führten, feſt verſchloſſen bleiben mußten, ſo lange ihnen jenes Geſetz ſelbſt, deſſen unmittelbare Folge ſie ſind, unbekannt war.

Wenn die mit der Aſtronomie Unbekannten hören, daß man in dieſer Wiſſenſchaft die Größe und Entfernung der Sonne und des Monds, zu denen doch Niemand von uns gelangen kann,65Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.mit einer Genauigkeit*)Verhältnißmäßig wenigſtens. So kennen wir die Entfernung des Mondes und der meiſten Planeten von der Erde bis auf den hundertſten Theil ihrer Größe genau. Von wie vielen Hauptſtädten unſerer Erde, beſonders der außereuropäiſchen, kann man daſſelbe ſagen? anzugeben vermag, wie ſie dieß von der Größe ihrer Berge, und von den Entfernungen ihrer Städte auf der Erde nicht im Stande ſind, ſo bemächtiget ſich ihrer eine Art von Ungläubigkeit, die nur zu oft die Neigung verrathet, die Verſicherungen der Aſtronomen für eine prahlende Großſprecherey zu halten, und welche gewöhnlich nur durch andere Erzählungen, deren Wahrheit ſie nicht läugnen können, wenn ſie ſie gleich eben ſo wenig begreifen, von ihren Ausbrüchen zurück gehalten wird; ſo ſehen ſie in jedem Kalender die künftigen Finſterniſſe mit einer Genauigkeit angegeben, die ſie eben ſo ungläubig belächeln wür - den, wenn ſie nicht bereits ſo oft durch eigene Erfahrung die Wahrheit dieſer Angaben beſtätiget gefunden hätten.

Aber welche ganz andere Gefühle werden ſich in ihnen regen, wenn ſie nun hören, daß die Aſtronomen ſich ſogar unterfangen haben, den Mond und die Sonne und alle Planeten auf einer Wage abzuwägen, und nicht nur die Gewichte derſelben, ſondern auch die größere oder kleinere Dichtigkeit des Stoffes zu beſtim - men, aus dem jeder dieſer Himmelskörper gewebt iſt. Wenn ſie hören, daß man, wenn die Sonne in einer Schaale dieſer Wage liegt, in der anderen 338980 ſolcher Kugeln, wie unſere Erde iſt, legen müſſe, um die Wage im Gleichgewichte zu erhalten; daß dieſe Sonne groß genug iſt, um aus ihr eine und eine halbe Mil - lion ſolcher Kugeln, wie unſere Erde iſt, formen zu können; daß der ganze Sonnenkörper nur die Dichtigkeit unſeres Bernſteins, Benus die des Glaſes, Saturn die des Cedernholzes habe; daß die Steine, die auf der Oberfläche unſerer Erde in der erſten Sekunde durch 15 Fuß fallen, auf dem Mars nur durch 6 Fuß, auf der Sonne aber durch 430 Fuß fallen u. ſ. w., wenn ſie ſo excentriſche, für ſie wenigſtens ſo ganz unglaubliche Behauptungen hören, wer mag es ihnen verargen, daß ſie die vermeintenLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 566Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Großſprecher entweder gar nicht, oder doch nur in der Abſicht anhören, zu erfahren, wie geſchickt ſich der Sophiſt aus der ſich ſelbſt gelegten Schlinge ziehen und wie fein er es anfangen werde, ſeinen gläubigen Zuhörern Staub in die Augen zu ſtreuen, um ſie am Ende ſeiner Produktion, von einem Galimathias hochtra - bender und nichtsſagender Worte betäubt, unverrichteter Dinge wieder nach Hauſe zu ſchicken.

Und doch ſind eben dieſe Fragen, deren Beantwortung auf den erſten Blick ſo ſchwer, ja ganz unmöglich erſcheint, die leich - teſten der ganzen Aſtronomie und der Art, daß jeder Anfänger in der Kunſt nicht nur ihre Beantwortung, wenn ſie ihm gege - ben wird, verſtehen, ſondern mit einigem Nachdenken auch wohl dieſe Antwort ohne Mühe ſelbſt finden kann. Die Leſer werden ſich davon ſogleich, wenn ich es anders nicht gar zu ſehr an mir ſelbſt fehlen laſſe, durch eigene Erfahrung überzeugen.

§. 43. (Nähere Beſtimmung des Geſetzes der allgemeinen Schwere.) Wir haben oben (Kap. II. ) dies Geſetz der allgemeinen Schwere, der beſſern Verſtändlichkeit wegen, in ſeiner einfachſten Geſtalt gegeben. Wir wollen daher hier, ehe wir an die Beant - wortung jener Fragen gehen, eine kleine, aber wichtige Berichti - gung, die wir früher übergehen konnten, nachtragen.

Nach jenem Geſetze ziehen ſich alle Körper gegenſeitig im verkehrten Quadrate ihrer Entfernungen an. Wenn alſo z. B. ein Satellit Jupiters oder Saturns einen Stein in der Entfer - nung von 100 Meilen in der erſten Sekunde um einen Fuß gegen ſich anzieht, ſo wird er dieſen Stein in der doppelten Entfernung, von 200 Meilen, nur mehr um ¼, in der Entfernung von 300, 400, 500 Meilen, nur um 1 / 9, 1 / 16, 1 / 25 Fuß in der erſten Se - kunde anziehen, und ſo fort für jeden andern Körper, nur mit dem Unterſchiede, daß z. B. ein zweiter Satellit jenen Stein in der Entfernung von 100 Meilen nicht mehr um einen, ſondern vielleicht nur mehr um einen halben Fuß in der Sekunde anziehen wird. Bei beiden wird ſich alſo, jenem allgemeinen Geſetze ge - mäß, die Anziehung des Steines wie verkehrt das Quadrat ſeiner Entfernung verhalten, aber dieſe Anziehung ſelbſt wird bei dem zweiten Satelliten nur die Hälfte des erſten ſeyn, oder ſie wird67Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.für 100 Meilen ½ Fuß, für 200 Meilen , für 300 Meilen 1 / 18, für 400 Meilen 1 / 32 Fuß u. f. betragen.

Man ſieht daraus, daß die Art, nach welcher die Anziehung der Körper wirkt, bei allen dieſelbe, daß aber die Größe dieſer Anziehung bei verſchiedenen Körpern auch ſehr verſchieden ſeyn kann, ganz ſo, wie z. B. alle Pferde den Wagen, vor den ſie geſpannt werden, auf dieſelbe Weiſe ziehen, während doch das eine derſelben ihn viel ſtärker oder ſchwächer ziehen kann, als das andere, je nachdem es mit einer größern oder geringern Muskel - kraft begabt iſt. Was iſt es nun, das dieſe Stelle der Muskel - kraft bei den Körpern des Himmels vertritt?

Wir werden uns nicht bei der Unterſuchung aufhalten, was dieſe Kraft der Himmelskörper, mit welcher ſie alle anderen Kör - per anziehen, eigentlich ſey oder woher ſie komme. Die Meta - phyſiker, die ſich ſo gern mit Fragen dieſer Art beſchäftigen, mögen ſie beantworten, wenn ſie können. Uns genügt es, das Daſeyn einer ſolchen Kraft aus ihren unbeſtreitbaren Wirkungen zu er - kennen. Dieſe ſehen wir täglich und immerwährend in unend - lichen Abwechslungen ſowohl um uns, als auch ſelbſt in uns. Ueberall in der Natur bemerken wir dieſen Hang der Körper, ſich anzuziehen, ſich zu vereinigen, ſich zur Kugelgeſtalt abzurunden Der Thautropfen auf dem Kohlblatte, und die Geſtirne des Him - mels ſind gleich gute Beiſpiele für den Beweis dieſes Satzes. Aber die Urſache dieſer Erſcheinung?

Wir empfinden den Duft, den die Blume ausbaucht; wir ergötzen unſer Auge an dem Lichte - und an den Farben der Körper; wir erfreuen unſer Ohr mit den harmoniſchen Tönen der Muſik; wir ſehen die ganze Erde mit allen ihren Reitzen unter, und den endloſen Himmel mit allen ſeinen Wundern über uns aber was wiſſen wir davon? Daß ſie da ſind, und nichts weiter. Woher ſie kommen, und wohin ſie gehen, iſt uns unbe - kannt. Wir können eben ſo wenig den Hauch der Blumen, als die Feinheit des Lichtes berechnen, und der innere Zuſammenhang der Dinge auf der Erde iſt uns eben ſo ein Räthſel, als jene Zauberkraft, die den Himmel zuſammenhält oder als das magi - ſche Band, das unſere Erde an die Sonne, und uns ſelbſt an5 *68Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.dieſe Erde feſſelt. Wir wiſſen nur, oder glauben doch zu wiſſen, was von der Außenwelt durch jene fünf Kanäle, die wir unſere Sinne nennen, unſerem Innern zugeführt wird. Für alle andere Dinge aber fehlt uns das Mittel, ſie aufzufaſſen, daher wir auch nicht weiter nach ihnen fragen ſollten, da eine Antwort auf ſolche Fragen doch unmöglich iſt, und wenn ſie möglich wäre, uns unverſtändlich bleiben muß. Wie viel mag uns noch, ſelbſt. in unſerer Nähe entgehen, das wir nicht einmal zu vermiſſen im Stande ſind, von dem uns unſere feinſten Fiebern keine Vor - ſtellung mehr geben. Ja es iſt ſogar ſehr möglich, daß wir ſelbſt von dem, was wir noch für das Begreiflichſte halten, ſo viel als gar nichts wiſſen. Wie ganz anders würde uns wohl die Welt vorkommen, wenn wir ohne Augen geboren würden, oder wenn es der Natur gefallen hätte, noch ein Paar ſolcher Klappen mehr in uns aufzuſchließen, und uns dadurch mit der Außenwelt in einen neuen Rapport zu ſetzen.

Wie es daher auch mit dieſer Attractionskraft der Körper, deren Wirkung wir ſehen, ohne ihre Urſache erforſchen zu können, beſchaffen ſeyn mag, ſo können wir doch nicht gut anders, als dieſe Kraft einem jeden einzelnen Theile, einem jeden Elemente dieſer Körper zuzuſchreiben, aus welchen ſie, als aus den kleinſten Körpern ihrer Art, zuſammengeſetzt ſeyn müſſen. Dieſer noth - wendigen Vorausſetzung gemäß wird alſo die ganze Kraft, mit welcher ein Körper den andern anzieht, nichts anders, als die Summe aller jener Kräfte ſeyn, die den einzelnen Elementen, aus welchen der Körper beſteht, zukommen, und dieſe Totalkraft des Körpers wird offenbar deſto größer ſeyn müſſen, je größer die Anzahl dieſer Elemente, d. h. mit andern Worten, je größer die Maſſe des ganzen anziehenden Körpers iſt, indem wir unter dieſem Worte nur eben die Summe aller den Körper conſtitui - tenden Atome zu verſtehen pflegen.

So fallen, um dieß auf unſere Erde anzuwenden, die Körper auf der Oberfläche derſelben in der erſten Sekunde durch 15 Fuß, und dieſe Erſcheinung kann als die Wirkung der Attractionskraft, als das eigentliche Maaß der Kraft der Erde, ſo wie dieſe jetzt iſt, angeſehen werden. Wenn aber dieſe Erde, welche bekanntlich im Mittel die Dichtigkeit des Flußſpaths oder des ſogenannten69Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Spießglaſes hat, wenn ſie, ohne ihren Umfang zu ändern, fünf - mal mehr Maſſe in ſich enthielte, oder die Dichtigkeit unſeres Goldes hätte, ſo würde auch die Kraft ihrer Attraction, für die - ſelbe Entfernung, fünfmal größer werden, oder die Körper würden dann, an ihrer Oberfläche, nicht mehr 15, ſondern fünfmal ſo viel, alſo 75 Fuß in der erſten Sekunde fallen.

Daſſelbe würde von zwei andern Kugeln gelten, deren Maſſen unter ſich verſchieden ſind. Unſer Mond z. B. hat nur den 70ſten Theil der Maſſe der Erde. Er wird alſo auch einen Körper 70mal ſchwächer anziehen, als die Erde, vorausge - ſetzt, daß derſelbe in beiden Fällen gleich weit von dem Mittel - punkte der Erde oder des Mondes entfernt iſt.

So lange man daher nur von einem einzigen Körper ſpricht, wird man noch immer, wie zuvor, ſagen können, daß ſich ſeine Anziehung wie verkehrt das Quadrat ſeiner Entfernung verhält. Aber wenn man die Anziehung von zwei oder mehreren Körpern unter einander vergleichen, oder wenn man allgemein ſprechen will, ſo wird man ſagen müſſen: Die Anziehung jedes Körpers verhält ſich direct wie ſeine Maſſe, und indirect wie das Quadrat ſeiner Entfernung, oder mit andern Worten, die Anziehung eines jeden Körpers iſt gleich ſeiner Maſſe, dividirt durch das Quadrat ſeiner Entfernung.

Nimmt man dieſe Entfernung der angezogenen Körper, wie es unter den Aſtronomen gewöhnlich iſt, in Halbmeſſern der Erde, ſo hat man für die Anziehung der Erde, d. h. für den Fall der um a Erdhalbmeſſer von ihrem Mittelpunkte entfernten Körper, während der erſten Sekunde, den Ausdruck 15 dividirt durch das Quadrat von a. So erhält man alſo für die Anziehung der Erde in der Entfernung von 1, 2, 3 .. Erdhalbmeſſern die Größen 15, , 1 6 / 9 .. Fuß, und für die Entfernung von 10, 20, 30 .. Erdhalbmeſſern 0,15, 0,04, 0,02 .. Fuß u. ſ. w. Für Saturn aber, deſſen Maſſe nahe 100mal größer iſt, als die der Erde, wird man die Anziehung deſſelben auf alle Körper außer ihm erhalten, wenn man ſeine Maſſe, d. h. wenn man die Zahl 1500 durch das Quadrat von a dividirt, wo wieder a die Entfernung dieſer Körper von dem Mittelpunkte Saturns, in Theilen des Erd - halbmeſſers ausgedrückt, bezeichnet. Demnach wird alſo die An -70Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.ziehung Saturns auf einen Körper, der von ſeinem Mittelpunkte 10, 20, 30 .. Erdhalbmeſſer entfernt iſt, gleich 16, 3 7 / 10, 1 7 / 10 .. Fuß betragen, und ſo fort für alle anderen Planeten, deren Maſſe man kennt.

§. 44. (Anwendung dieſes Satzes auf den Fall der Körper im Monde.) Wir wollen von dieſem einfachen Satze ſogleich eine Anwendung geben, und die Frage zu beantworten ſuchen, wie tief denn wohl die Körper in der erſten Sekunde auf der Ober - fläche des Mondes fallen mögen. Auf den erſten Blick ſollte man glauben, daß ſich ſo etwas nicht ohne unmittelbare Experi - mente, auf dem Monde ſelbſt angeſtellt, ausmachen ließe. Da nun, ſo viel wir wiſſen, noch Niemand von uns bis dahin ge - kommen iſt, ſo müßte auch die Sache unausgemacht bleiben. Aber wir werden ſogleich ſehen, daß dieß keinesweges der Fall iſt, und daß man vielmehr, ohne die Erde auch nur einen Augen - blick zu verlaſſen, jene Frage, und zwar ohne alle Mühe, beant - worten kann.

Auf der Oberfläche der Erde fällt der Stein in der erſten Sekunde durch 15 Fuß. Die Maſſe des Mondes aber beträgt, wie man aus der Theorie der Ebbe und Fluth des Meeres ge - funden hat, nur den 70ſten Theil der Erdmaſſe, oder die Maſſe des Mondes iſt 0,0143, wenn die Maſſe der Erde für die Einheit angenommen wird. Der ebenfalls bekannte Halbmeſſer des Mondes aber beträgt 230 deutſche Meilen, während der der Erde 860 Meilen hat, ſo daß jener gleich 0,2674 iſt, wenn der Halbmeſſer der Erde für die Einheit angenommen wird.

Die Kraft der Erde, oder der Fall der Körper in der Ent - fernung von a Erdhalbmeſſern von dem Mittelpunkte der Erde iſt alſo, wie zuvor, gleich der Zahl 15, dividirt durch das Qua - drat von a. Die Kraft des Mondes aber auf dieſelben Körper in derſelben Entfernung iſt gleich dem 70ſten Theil von 15, oder gleich der Zahl 0,2143 dividirt durch das Quadrat von a. Dieſe Kraft des Mondes iſt alſo für Körper, die nur 1 / 10 Erdhalbmeſſer von dem Mittelpunkte des Mondes entfernt ſind, gleich 21,43 Fuß; für die Entfernung von 2 / 10 Erdhalbmeſſer wird ſie 5,36, für die Entfernung von 3 / 10 Erdhalbmeſſer 2,39 Fuß, und alſo auch für die Entfernung von 0,2674 Erdhalbmeſſer, d. h. für die71Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Körper auf der Oberfläche des Mondes gleich 3 Fuß ſeyn, oder mit andern Worten: Auf der Oberfläche des Mondes fallen die Körper in der erſten Sekunde durch 3 Fuß, alſo nur durch den fünften Theil des Weges, durch welchen ſie auf der Oberfläche der Erde fallen.

Ganz eben ſo leicht wird man nun auch den Fall der Körper auf der Oberfläche jedes andern Planeten unſeres Sonnenſyſtems finden, wenn man die Maſſe und den Halbmeſſer deſſelben gegen die Maſſe und den Halbmeſſer unſerer Erde kennt. So haben wir bereits oben die Maſſe Saturns nahe gleich 100mal größer als die der Erde gefunden. Allein der Halbmeſſer dieſes Plane - ten beträgt nahe 10 Halbmeſſer der Erde. Die Anziehung dieſes Planeten wird alſo gleich der Zahl 1500 dividirt durch das Qua - drat von a ſeyn, und wenn man a gleich 10 nimmt, ſo wird man, wie bereits oben gefunden wurde, für die Anziehung Saturns in der Entfernung von 10 Erdhalbmeſſern, d. h. für die Oberfläche dieſes Planeten ſelbſt, 15 Fuß erhalten, d. h. auf der Oberfläche Saturns fallen die Körper in der erſten Sekunde durch 15 Fuß, alſo nahe eben ſo tief, wie auf der Erde.

Eben ſo findet man, daß die Maſſe Jupiters 316, und die des Mars nur 1 / 10 von jener der Erde beträgt, während der Halbmeſſer Jupiters 11, und der des Mars nur 6 / 10 Erdhalb - meſſer hat, woraus folgt, daß die Körper auf der Oberfläche Jupiters in einer Sekunde durch 38 1 / 10, und auf der Oberfläche des Mars nur durch 6 8 / 10 Fuß fallen. Die Maſſe der Sonne endlich iſt 355000mal größer, als die der Erde, und ihr Halb - meſſer beträgt 110 Erdhalbmeſſer, alſo fallen auch die Körper auf der Oberfläche der Sonne in einer Sekunde durch 430 Fuß.

Da aber dieſer Fall der Körper oder, was daſſelbe iſt, da dieſe Attraction der Planeten eigentlich das, was wir das Ge - wicht dieſer Körper nennen, beſtimmt, ſo wird auch aus dem Vorhergehenden unmittelbar folgen, daß ein Körper, der z. B. bei uns ein Pfund wiegt, auf der Oberfläche des Mondes viel leichter ſeyn, und nur mehr den fünften Theil eines Pfundes oder nur 6⅖ Loth wiegen wird, während er auf der Sonne 430 Pfund wiegen muß. Es verſteht ſich aber wohl von ſelbſt, daß ſich dieſe Verſchiedenheit in dem Gewichte der Körper nicht durch unſere72Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Wagen nachweiſen laſſen wird, weil das eigentliche Gewicht, was wir in die andere Wagſchaale zu legen pflegen, um dadurch das Gewicht des Körpers zu finden, doch auch wieder ein Körper iſt, der auch, und zwar auf dieſelbe Weiſe, von der Schwere ſeines Planeten afficirt wird, und daher z. B. auf dem Monde auch nur den fünften Theil ſeines irdiſchen Gewichtes haben kann. Statt dieſes Wortes Gewicht werden wir daher, der beſſern Verſtändlichkeit wegen, das Wort Druck gebrauchen und ſagen, daß ein Körper, der auf der Erde mit der Kraft von einem Pfunde auf ſeine Unterlage drückt, auf dem Monde nur mit dieſer Kraft, auf Jupiter mit 2⅗, und auf der Sonne mit 28 7 / 10 Pfun - den auf ſeine Unterlage drücken wird.

§. 45. (Anwendung des Vorhergehenden auf künſtliche Monde.) Wir alle wiſſen, daß, wenn ein Stein aufwärts geworfen, oder eine Kugel ſchief gegen den Horizont abgeſchoſſen wird, dieſe Kugel eine krumme Linie beſchreibt, an deren Ende ſie wieder zur Erde zurückfällt. Je größer die Kraft iſt, mit welcher die Kugel aus der Mündung des Geſchützes getrieben wird, deſto größer iſt auch der Bogen, den ſie über der Erde beſchreibt, und es iſt klar, daß dieſe Kraft, die Ladung der Kanone, endlich ſo groß werden könnte, daß die Kugel gar nicht mehr zur Erde zu - rückfallen, ſondern daß ſie eine krumme Linie um die ganze Erde herum beſchreiben müßte. Dann würde ſie aber daſſelbe thun, was der Mond ſchon lange thut, und wir würden auch in der That auf dieſe Weiſe einen kleinen Mond mehr erhalten, ſo daß wir am Ende dieſe Monde in beliebiger Menge, etwa wie jetzt unſere Luftballone oder unſere Seifenblaſen, ſteigen laſſen könnten, wenn wir nur unſern Geſchützen die dazu nöthige Kraft zu ertheilen wüßten! Und wie groß müßte dieſe Kraft, wie groß müßte die anfängliche Geſchwindigkeit ſeyn, um zu dieſem Zwecke zu gelangen?

Die Antwort auf dieſe Frage iſt für die, welche nur mit den erſten Elementen der Mechanik bekannt ſind, ſehr leicht. Wenn man die Fallhöhe der Körper in der erſten Sekunde mit dem Durchmeſſer des Planeten multiplicirt, und aus der ſo erhaltenen Zahl die Quadratwurzel nimmt, ſo hat man die geſuchte anfäng - liche Geſchwindigkeit der in Frage ſtehenden Kugel.

73Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.

Für die Erde z. B. iſt jene Fallhöhe 15 Fuß. Der Halb - meſſer derſelben aber iſt 19642400 Fuß. Wird alſo die letzte Zahl zweimal genommen, und durch 15 multiplicirt, ſo erhält man 589272000 und von dieſer Zahl iſt die Quadratwurzel 24275.

Unſere Kanone müßte alſo eine Ladung erhalten, nach wel - cher die Kugel in der erſten Sekunde ihres Laufes einen Weg von 24275 Par. Fuß zurücklegte. Davon ſind aber unſere Kano - nenkugeln, die höchſtens 700 Fuß in der erſten Sekunde zurück - legen, noch weit entfernt.

Die Mondsbewohner aber, vorausgeſetzt, daß ſie mit beſſern Geſchützen verſehen ſind, könnten einen ſolchen Verſuch, der für uns noch unmöglich iſt, ſchon viel leichter ausführen; denn da bei ihnen die Schwere der Körper nur den fünften Theil unſerer Schwere beträgt, ſo wird auch ſchon der fünfte Theil jener La - dung hinreichen, die Kugel zu einem Satelliten des Mondes, zu einem Monde des zweiten Ranges zu machen. Eine anfängliche Geſchwindigkeit von 5000 Fuß würde dieſe Kugel bereits um den Mond herum treiben. Da aber auch dieſe Geſchwindigkeit über ſiebenmale größer iſt, als die von unſern Kanonen erzeugte, ſo werden auch ſie noch einige Schwierigkeiten bei der Ausführung dieſes Experiments zu überwinden haben, beſonders wenn ſie, wie man vermuthen darf, noch nicht ſo weit, wie wir, in der Balliſtik vorgerückt ſeyn, oder wenn ſie vielleicht noch ganz und gar keine Kanonen haben ſollten.

§. 46. (Vortheile der Mondsbewohner.) Immer aber werden ſich die Seleniten in allen den Fällen eines großen Vortheiles über uns zu erfreuen haben, wo es ſich darum handelt, der Kraft der Schwere entgegen zu arbeiten. Wenn ſie z. B. ihre Wagen, ihre Hebel, ihr Rad an der Welle u. dgl., durch elaſtiſche Fe - dern, durch entwickelte Dämpfe oder durch ihre eigene oder durch die Muskelkraft ihrer Thiere in Bewegung ſetzen wollen, ſo wer - den ſie mit einem fünfmal geringeren Kraftaufwande ſchon ihr Ziel erreichen. So würden unſere Pferde auf dem Monde, unter übrigens gleichen Umſtänden, viel größere Laſten ziehen und ohne zu ermüden viel ſchneller laufen können, als auf der Erde, ſo wie auch die Grotesque-Tänzer des Mondes, wenn es ſolche gibt, und wenn ſie dieſelbe Muskelkraft, wie die unſern, beſitzen, mit der -74Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.ſelben Anſtrengung ſchon fünfmal höhere Sprünge machen können, weil ſie auch nur durch eine fünfmal geringere Kraft zu ihrer Erde zurückgezogen werden.

§. 47. (Meteorſteine.) Man hat in den neuern Zeiten die Vermuthung aufgeſtellt, daß die Steine, welche öfter unter heftigen Detonationen aus der Luft zur Erde fallen, und die unter der Benennung von Aerolithen oder Meteorſteinen bekannt ſind, Produkte der Vulkane des Mondes ſeyn mögen.

Wenn man, um die Sache ganz einfach darzuſtellen, von der Bewegung des Mondes ſowohl, als auch von jener der Erde abſtrahirt und annimmt, daß der Wurf eines ſolchen Steines gerade gegen die Erde bin gerichtet ſey, ſo iſt es leicht, denjenigen Punkt zwiſchen Mond und Erde zu finden, wo dieſer Stein von dem Monde ganz eben ſo ſtark, wie von der Erde angezogen wird. Setzt man nämlich voraus, daß die Kräfte dieſer beiden Weltkörper ſich wie ihre Maſſen dividirt durch die Entfernung des Steines von ihrem Mittelpunkte verhalten, ſo findet man, daß dieſer Punkt nahe 7 Erdhalbmeſſer von dem Monde, alſo auch nahe 53 Erdhalbmeſſer von dem Mittelpunkte der Erde ent - fernt iſt. Eine einfache Rechnung zeigt, daß die anfängliche Geſchwindigkeit, die der Stein bei ſeinem Auswurfe durch den Vulkan erhalten, oder daß der Weg, welchen der Stein in der erſten Sekunde zurücklegen muß, um jenen Punkt der gleichen Anziehung zu erreichen, 8290 Par. Fuß beträgt, alſo nahe 12mal größer iſt, als die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel. Wir kennen aber die Kräfte nicht, welche unſere, und noch weniger jene, welche die Vulkane des Mondes entwickeln, als daß wir dadurch über die Wahrſcheinlichkeit jenes Urſprungs der Aerolithen uns eine Entſcheidung erlauben dürften. Gewiß iſt, daß ein Körper, der mit dieſer Geſchwindigkeit die Oberfläche des Mondes verläßt, und in gerader Richtung auf die ruhende Erde fortgeht, jenen Punkt der gleichen Anziehung erreichen, und daß er ihn daher auch, wenn jene anfängliche Geſchwindigkeit nur etwas größer iſt, auch überholen wird. Dann tritt er aber in die Attractionsſphäre der Erde ein, und gehört fortan nicht mehr dem Monde, ſondern uns an. Da ohne Zweifel die meiſten dieſer Steine, wenn ſie anders dieſen Urſprung haben, in einer gegen75Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.die Erde ſchiefen Richtung von dem Monde ausgeworfen wer - den, ſo werden ſie auch ihren Weg nicht in gerader Richtung auf die Erde hinnehmen, ſondern vielmehr dieſelbe, wenn ſie einmal die Attractionsgränze des Mondes überſchritten haben, in krummen Linien, gleich andern, kleineren Monden, umkreiſen, wo ſie dann, beſonders wenn ihre Anzahl, wie es ſcheint, ſehr groß iſt, oft in den Fall kommen könnten, daß ſie die Bahn der Erde durch - ſchneiden, oder ahe zu derſelben gelangen müßten, um von ihr mit Heftigkeit angezogen und zum Herabſtürzen auf die Erde gebracht zu werden.

Man könnte fragen, wie viele Zeit ein ſolcher Stein brauchte, um von jenem Punkte der gleichen Anziehung bis zur Erde zu kommen, oder um ſeinen Weg von 53 Erdhalbmeſſern zurückzu - legen. Wenn er bloß von der Erde angezogen, und durch die Atmoſphäre derſelben in ſeinem Laufe nicht gehindert wäre, ſo würde er dieſen Weg in 2 Stunden 18 Minuten zurücklegen, und am Ende dieſer Zeit die Erde mit einer Geſchwindigkeit erreichen, vermöge welcher er in einer Sekunde 251028 Fuß zurücklegte. Da dieſe die Geſchwindigkeit unſerer Kanonenkugeln gegen 360mal übertrifft, ſo könnte man daraus das tiefe Einſchlagen der Aero - lithen in die Erde, und die Erſcheinung erklären, daß man ſelbſt nach heftigen Steinregen, ſo wenige derſelben auf der Oberfläche des Bodens, wo ſie gefallen ſind, finden kann. Allein da ein ſolcher Stein, in dem Punkte der gleichen Attraction, auch noch, obgleich nur ſchwach, von dem Monde angezogen wird, ſo muß dadurch ſeine Endgeſchwindigkeit verkleinert, und dafür die Zeit, während welcher er jene 53 Erdhalbmeſſer zurücklegt, beträchtlich vergrößert werden. In der That findet man, daß er unter dieſer Vorausſetzung jenen Weg erſt in nahe 64 Stunden oder in 2⅔ Tagen zurücklegen würde.

Uebrigens muß man geſtehen, daß ſich die Erde, ihrem Diener und Fackelträger gegenüber, in einer etwas ſonderbaren Lage be - findet, wenn anders dieſe Hypotheſe von dem Urſprunge der Aero - lithen gegründet ſeyn ſoll. Sie muß ſich von ihm mit Steinen werfen laſſen, ohne es verhindern, ſelbſt ohne es, nach dem Rechte der Repreſſalien, auch nur erwiedern zu können, da uns unſere fünfmal größere Schwere hindert, unſere Steine auch dem Monde76Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.wieder an den Kopf zu werfen, um wenigſtens dadurch den unartigen Diener vielleicht beſſere Sitte zu lehren. Da man indeß, wie unſere ſcharfſinnigen Philoſophen ſagen, am beſten ge - duldig leidet, was man nicht ändern kann, ſo wird es auch hier am klügſten ſeyn, ruhig zuzuſehen und abzuwarten, was etwa noch kommen ſoll; indeſſen jedoch, in Hoffnung beſſerer Zeiten, die ver - ſchoſſenen Kugeln des Feindes aufzuleſen, um ſie in unſeren Mi - neralienkabinetten aufzuſtellen, und dadurch unſeren allzeitfertigen Hypotheſenkrämern Gelegenheit zu geben, ihr Talent an ihnen nach Luſt und Liebe auszuüben. Wir wollen es vorziehen, zuzu - ſehen, welche weitere, verläßliche Folgerungen ſich noch aus dem bisher betrachteten Geſetze der allgemeinen Schwere ableiten laſſen.

§. 48. (Beſtimmung der Maſſe der Sonne.) Nach dieſem Geſetze iſt die Attraction kraft eines jeden Körpers auf einen außer ihm gelegenen Punkt gleich der Maſſe dieſes Körpers, divi - dirt durch das Quadrat ſeiner Entfernung von dem angezogenen Punkte. Alſo iſt auch ſofort umgekehrt: die Maſſe des an - ziehenden Körpers gleich der Anziehungskraft deſſel - ben, multiplicirt in das Quadrat der Entfernung.

So geſtellt, ſieht man ſogleich, daß dieſes Geſetz uns auch die Maſſen der Himmelskörper kennen lehrt, wenn man ihre Anziehung auf einen gegebenen äußern Körper kennt.

Dieſe Anziehung aber wird, (nach §. 33) durch die kleine Linie BM (Fig. I.) ausgedrückt, um welche der angezogene Punkt während einer Sekunde zu dem anziehenden Körper hinfällt. Dieſe kleine Linie iſt ferner gleich der Entfernung CA des ange - zogenen Punktes A von dem anziehenden Körper C, multiplicirt in das halbe Quadrat des kleinen Bogens AM, welchen der an - gezogene Punkt während einer Sekunde um den anziehenden Körper beſchreibt. Dieſer Bogen endlich, in Theilen des Halb - meſſers CA ſeines Kreiſes ausgedrückt, wird erhalten, wenn man die Zahl 360 durch die in Tagen ausgedrückte Umlaufszeit des angezogenen Punktes dividirt, und die ſo erhaltene Zahl durch 0,000004848 multiplicirt, wie dieß alles bereits oben (§. 27) um - ſtändlich erörtert wurde.

77Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.

Wenden wir dieß ſogleich auf die Beſtimmung der Maſſe unſerer Sonne an. Die Umlaufszeit der Erde beträgt 365,25638 Tage. Daraus folgt, daß der Winkel ACM, den die Erde in einer Sekunde um die Sonne beſchreibt, 0,0411 Sekunden, und daß daher der Bogen AM 0,0000001993 Halbmeſſer der Erdbahn beträgt.

Um nun alles in Halbmeſſern der Mondsbahn auszudrücken, bemerken wir zuerſt, daß die Entfernung der Erde von der Sonne 392mal größer iſt, als die Entfernung des Mondes von der Erde. Wir werden alſo den Halbmeſſer CA der Erdbahn gleich 392 ſetzen, und die Hälfte dieſer Zahl oder 196 in das Quadrat des vorhergehenden Bogens AM multipliciren, wodurch man für die Größe BM erhält 0,000000000007782 Halbmeſſer der Monds - bahn. So viele Halbmeſſer der Mondsbahn fällt alſo die Erde während jeder Sekunde gegen die Sonne, oder dieß iſt das eigent - liche Maaß der Attraction, welche ſie in derjenigen Entfernung ausübt, in welcher die Erde ſich um ſie bewegt. Wollte man dieſen Fall in Par. Fuß ausdrücken, ſo würde man nur die letzte Zahl durch 1173051000 multipliciren, welches die Entfernung des Mondes von der Erde (51355 Meilen) in Par. Fuß ausgedrückt iſt, wodurch man für jenen Fall 0,009129 Fuß erhält.

Mit welcher Kraft würde aber die Sonne auf die Erde wirken, wenn die Erde nur ſo weit von ihr entfernt wäre, als der Mond von der Erde entfernt iſt? Die Antwort auf dieſe Frage folgt unmittelbar aus unſerem Geſetze. Da nämlich dieſe beiden Kräfte der Sonne, indem die Maſſe des anziehenden Körpers dieſelbe bleibt, ſich wie verkehrt die Quadrate der beiden Entfernungen verhalten müſſen, ſo wird man die neue Kraft er - halten, wenn man die vorhergehende, oder wenn man die letztge - gebene Zahl durch das Quadrat von 392 multiplicirt, wodurch man die Zahl 0,00000119581 erhält. Das heißt alſo: Wenn die Erde ſo nahe bei dem Mittelpunkte der Sonne ſtünde, als der Mond in der That bei der Erde ſteht, ſo würde die Attractions - kraft der Sonne auf die Erde BM = 0,00000119581 Halbmeſſer der Mondsbahn betragen, oder ſo würde die Erde in jeder Se - kunde durch dieſen Raum BM gegen die Sonne fallen.

78Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.

Es iſt alſo nur noch übrig, zuzuſehen, durch welchen Raum denn der Mond während derſelben Zeit in ſeiner Bahn gegen die Erde fällt, um ſofort die zwei Attractionskräfte, die der Sonne und die des Mondes, für dieſelbe Entfernung, nämlich für die Entfernung des Halbmeſſers der Mondsbahn, zu erhalten. Da dieſe Attractionen für dieſelben Entfernungen nur mehr durch die Maſſen der beiden anziehenden Körper, der Sonne und des Mondes, verſchieden ſeyn können, ſo werden ſie ſich auch wie dieſe Maſſen verhalten müſſen.

Was nun den Mond betrifft, ſo haben wir ſchon oben ge - funden (§. 27), daß er in jeder Sekunde den Winkel von 0,5479 Sekunden, alſo den Bogen AM von 0,0000026562 Halbmeſſer der Mondsbahn beſchreibt. Da aber in unſern gegenwärtigen Rech - nungen dieſer Halbmeſſer der Mondsbahn für die Einheit aller Diſtanzen angenommen worden iſt, ſo wird die Anziehungskraft der Erde auf den Mond gleich ſeyn der Hälfte des Quadrats der letzten Zahl, d. h. gleich 0,0000000000035278, und dieſe Zahl drückt alſo die Anziehung der Erde auf den Mond aus.

Da ferner, wie geſagt, dieſe Anziehungen der Sonne und der Erde, wegen der gleichen Diſtanzen der angezogenen Körper, ſich wie die Maſſen der anziehenden Körper verhalten, ſo verhält ſich die Maſſe der Sonne zur Maſſe der Erde, wie jene beiden Zah - len, d. h. wie 0,00000119581 zu 0,0000000000035278 oder endlich wie 338980 zu 1, oder die Maſſe der Sonne iſt 338980 größer, als die Maſſe der Erde.

§. 49. (Vereinfachung der vorhergehenden Rechnungen.) Wem vielleicht die vorhergehenden Rechnungen mit den großen, oder eigentlich mit den ſehr kleinen Zahlen nicht bequem genug dünken, der kann ſich, mit einer geringen Aenderung, das ganze Geſchäft ſehr abkürzen. In der That, es wurde oben geſagt, die Maſſe ſey das Produkt der kleinen Linie BM in das Quadrat der Ent - fernung AC des angezogenen Körpers von dem anziehenden. Allein dieſe Linie BM iſt gleich dem halben Produkte derſelben Entfernung AC in das Quadrat des Bogens AM, oder was hier, wo es ſich nur um Verhältniſſe handelt, daſſelbe iſt, die Linie BM iſt gleich dem Produkte der Entfernung in das Quadrat des Winkels ACM, welchen der angezogene Punkt in einer79Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Sekunde beſchreibt. Alſo iſt auch die Maſſe des anziehenden Körpers gleich dem Quadrate dieſes Winkels multiplicirt mit dem Würfel der Entfernung des angezogenen Punktes.

In dieſer Geſtalt unſeres Satzes wird die vorhergehende Be - rechnung viel einfacher. In der That, für die Sonne wird der erwähnte Winkel gleich 0, 0411 und die Entfernung gleich 392, alſo iſt auch das Produkt des Quadrats der erſten Zahl in den Würfel der zweiten, oder die Maſſe der Sonne gleich 101752. Für den Mond aber iſt jener Winkel 0, 54788, und die Entfer - nung 1, alſo auch das erwähnte Produkt oder die Maſſe der Erde gleich 0,300172; woraus ſofort folgt, daß die Maſſe der Sonne zur Maſſe der Erde ſich verhält, wie 101752 zu 0,300172 oder wie 338980 zu 1, wie zuvor.

§. 50. (Analoge Beſtimmung der Maſſe der Planeten.) Ganz eben ſo wird man auch die Maſſe aller derjenigen Planeten beſtim - men können, die mit Satelliten verſehen ſind. Der vierte Sa - tellit Jupiters z. B. vollendet den Umlauf um ſeinen Haupt - planeten in 16,68877 Tagen, woraus folgt, daß er in einer Sekunde den Winkel in 0,8988 Sekunden beſchreibt, während ſeine Entfer - nung von dem Mittelpunkte Jupiters 252300 Meilen beträgt. Die Entfernung der Erde von der Sonne aber iſt 20658000 Meilen, alſo nahe 81,8 mal größer, als jene, und der Winkel, den die Erde während einer Sekunde um die Sonne zurücklegt, iſt nach dem Vorhergehenden 0,0411 Sekunden. Multiplicirt man alſo das Quadrat von 0,0411 mit dem Würfel von 81,9, ſo erhält man für die Maſſe der Sonne die Zahl 927,98. Multiplicirt man aber das Quadrat von 0,8988 mit dem Würfel von 1, ſo erhält man für die Maſſe Jupiters die Zahl 0,80786. Die Maſſe der Sonne verhält ſich daher zur Maſſe Jupiters, wie 927,98 zu 0,80786 oder wie 1149 zu 1. Oben haben wir aber die Maſſe der Sonne 338980 mal größer als die Maſſe der Erde gefunden, alſo iſt auch die Maſſe Jupiters 295mal größer, als die der Erde. Eben ſo findet man, daß die Maſſe Saturns 95, und die des Uranus 17mal größer iſt, als die der Erde.

(Andere Beſtimmung der Maſſe der Sonne gegen die der Erde.) Man ſieht, daß die vorhergehende Beſtimmung der Maſſen ſich eigentlich darauf reducirt, daß man für zwei Centralkörper die80Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Größe des Falles beſtimmt, den die von ihnen angezogenen Punkte während einer Sekunde erleiden, und daß man nur dieſen Fall beider Körper auf dieſelbe Entfernung bringen darf, um ſofort auch das Verhältniß der Maſſen beider Centralkörper zu erhalten. So iſt die Sonne der Centralkörper für die Erde, und dieſe iſt der Centralkörper für den Mond, ſo wie Jupiter wieder der Cen - tralkörper für ſeine vier Satelliten iſt. Ganz eben ſo kann man aber auch den Mittelpunkt der Erde als den Centralkörper für die auf der Oberfläche der Erde frei fallenden Körper betrachten, und da die Größe dieſes Falles aus den Beobachtungen bekannt iſt, ſo läßt ſich auch daraus die Maſſe der Sonne ohne Beihülfe des Mondes unmittelbar ableiten. In der That, dieſer Fall auf der Oberfläche der Erde beträgt, wie wir ſchon öfter erwähnt haben, 15 Fuß während einer Sekunde, und die Entfernung dieſer fallenden Körper von dem Mittelpunkte der Erde iſt dem Halbmeſſer der Erde gleich. Wenn aber dieſe Körper 23600mal weiter, d. h. wenn ſie ſo weit, als die Erde von der Sonne, von dem Mittelpunkte der Erde entfernt wären, ſo würden ſie, unſerem allgemeinen Geſetze gemäß, in der erſten Sekunde nur nahe durch 15, dividirt durch das Quadrat von 23600, das heißt, nur nahe durch den Raum von 0,000000026932 Fuß gegen dieſen Mittelpunkt der Erde, gegen ihren Centralpunkt fallen. Allein die Erde ſelbſt fällt gegen ihren eigenen Centralpunkt, d. h. gegen die Sonne, wie wir oben geſehen haben, in derſelben Zeit durch 0,009129 Fuß. Da nun dieſe beiden Fallhöhen ſich wie die beiden anziehenden Kräfte, d. h. wie die Maſſen der beiden anziehenden Körper verhalten müſſen, ſo iſt die Maſſe der Sonne zu jener der Erde, wie die beiden letztgenannten Zahlen, d. h. wie 338974 zu 1, ſehr nahe, wie ſchon oben gefunden wurde.

§. 51. (Ausdehnung dieſes Geſetzes.) Bisher haben wir dieſes Geſetz nur auf die Körper unſeres Sonnenſyſtems angewendet, und wir könnten uns begnügen, zu wiſſen, daß es bis an die äußerſte Gränze deſſelben befolgt wird, da ohnehin alles, was jenſeits dieſer Gränze liegt, für uns größtentheils ein noch ganz unbekanntes Land iſt, und wahrſcheinlich immer bleiben wird.

Dieſe Gränze iſt übrigens ſo weit von uns entfernt, oder das Reich der Sonne iſt, in Vergleich mit allen Reichen der81Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Erde, ſo gewaltig groß, daß wir Urſache haben, uns Glück zu wünſchen, weil es einem von uns gelungen iſt, das zwar kurze, aber mit der größten Genauigkeit befolgte Geſetzbuch dieſer wahr - haft unermeßlichen Monarchie, des eigentlichen Sonnenſtaates, aufgefunden zu haben. Von den Planeten, die wir in dieſem Sonnenſyſteme kennen, iſt Uranus der weiteſte von der Sonne. Er iſt über 19mal weiter als die Erde, oder nahe 400 Millionen deutſche Meilen von der Sonne entfernt.

Eine Kanonenkugel, die in jeder Sekunde, ohne zu ermatten, 600 Par. Fuß zurücklegte, würde dieſen Weg erſt in 480 Jahren vollenden. Allein dieſer Planet iſt noch weit von der uns be - kannten Gränze jenes Reiches entfernt. Derjenige Himmels - körper, der ſich unter den bisher berechneten am meiſten von der Sonne entfernt, iſt der große Komet, der im Jahre 1680 erſchie - nen iſt. Er ſteht in ſeiner Sonnenferne über 880mal weiter als die Erde, oder nahe 17600 Millionen Meilen von der Sonne ab, und jene Kugel würde ihn erſt in 21400 Jahren erreichen. Aber auch er gehorcht, wie die Rechnungen der Aſtronomen zeigen, dem oben (I. §. 146) erwähnten dritten Geſetze Keplers, alſo auch dieſem allgemeinen Geſetze der Schwere, von welchem jenes, wie wir geſehen haben, nur eine Folge iſt.

Aber außer dieſem Reiche? Jenſeits der Gränzen des Son - nengebietes? Wir haben bereits geſagt, daß dort nur unbe - kanntes Land für uns iſt, und daß wir ſonach nicht beſtimmen können, welche Geſetze in jenen ungemeſſenen Entfernungen gelten mögen. Wir haben oben (I. §. 70) geſagt, daß unſere Kenntniſſe dieſer Gränze durchaus nur negativer Art ſind, und daß wir bloß wiſſen, daß der nächſte Fixſtern nicht unter vier Billionen deutſche Meilen von uns entfernt ſeyn kann. Ob er aber noch zwei - oder zehn - oder hundertmal weiter von uns ab - ſteht, iſt uns gänzlich unbekannt. Demnach ſind die andern Son - nen, die Fixſterne, welche wir in ſo großer Zahl über uns glänzen ſehen, wenigſtens ſo weit von uns entfernt, daß zwiſchen den nächſten derſelben und zwiſchen der Sonnenferne jenes äußerſten Kometen noch ein Zwiſchenraum von 3980000 Millionen Meilen, eine ungeheuere Wüſte von dieſer Breite liegt, die unſern StaatLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 682Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.ringsum von allen andern Sonnengebieten trennt, und deren Oberfläche über 50 Quadrillionen Quadratmeilen beträgt.

Es ſcheint verwegen, um die Ereigniſſe, welche dort vorgehen, und um die Geſetze zu fragen, nach welchen ſie vorgehen.

Und doch die Auflöſung dieſes Räthſels, ſo ſchwer es auch ſcheint, iſt dem menſchlichen Geiſte bereits gelungen.

Wir haben oben von einer eigenen Gattung von Fixſternen geſprochen, die man immer Paarweiſe, ſehr nahe neben einander ſtehend, antrifft.

Wir erwähnten, daß bei mehreren dieſer Doppelſterne der eine ſich um den andern bewegt, daß man ſogar bei mehreren derſelben ſchon die Geſtalt der Bahn beſtimmt hat, in welcher dieſe Bewegung vor ſich geht, und dabei das überra - ſchende Reſultat fand, daß die Bahn des einen dieſer Sterne eine Ellipſe iſt, in deren einem Brennpunkt der andere Stern liegt, ganz ſo wie bei den Planeten und Satelliten unſeres Syſtems, von deren elliptiſchen Bahnen auch der eine Brennpunkt von der Sonne oder von dem Hauptplaneten eingenommen wird. Allein ſchon Newton hat gezeigt, daß ſolche Bewegungen eine noth - wendige Folge des Geſetzes der allgemeinen Schwere ſind, ſo daß alſo auch in jenen ungemeſſenen Fernen das Geſetz unſeres Son - nenſyſtems anerkannt wird, und daß es daher höchſt wahrſchein - lich das allgemeine Geſetz der ganzen, endloſen Natur iſt. Welches Entzücken würde Newton zu Theil geworden ſeyn, ihm, der ſchon vor Freude über die Entdeckung des Geſetzes unſeres Syſtems erkrankte, wenn er dieſe Ausdehnung ſeiner Entdeckung über den ganzen Weltenraum auch nur hätte ahnen können.

§. 52. (Beſtimmung der Maſſen dieſer Doppelſterne.) Wir ga - ben oben bereits von mehreren dieſer Sternenpaare die Umlaufszeit des einen um den anderen. So beträgt ſie bei dem ſchönen Doppelſtern Caſtor in den Zwillingen 253, bei ξ im großen - ren 61, bei η in der nördlichen Krone 43 Jahre u. ſ. w. Wenn wir nun auch durch künftige Beobachtungen dahin gelangen ſoll - ten, die Halbmeſſer der Bahnen dieſer Sterne in einem uns be - kannten Maaße, z. B. in Meilen, anzugeben, ſo würden wir daraus, ganz ſo wie oben bei den Planeten, auch den Fall dieſer Geſtirne gegen ihren Centralkörper finden können, und daraus83Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.mittelſt des allgemeinen Geſetzes der Schwere, auch denjeni - gen Fall beſtimmen, den das Geſtirn haben würde, wenn es von ſeinem Centralkörper eben ſo weit, als die Erde von der Sonne, entfernt wäre. Dieſen Fall mit demjenigen verglichen, welchen unſere Erde in der That hat, wird uns ſofort die Maſſe jenes Centralkörpers in Beziehung auf die Maſſe unſerer Sonne kennen lehren.

Nehmen wir an, der Halbmeſſer der Bahn eines ſolchen Doppelgeſtirns ſey zwanzigmal größer, als der Halbmeſſer der Erdbahn, und ſein Fall gegen den Centralkörper betrage 1 / 10 Fuß während einer Sekunde. Da unſere Erde in dieſer Zeit um 0,009129 Fuß gegen die Sonne fällt, ſo würde ſie, jenem allge - meinen Geſetze gemäß, wenn ſie, ſo wie jener Sterne 20mal weiter von der Sonne entfernt wäre, in jeder Sekunde nur durch 0,009129, dividirt durch 400, das heißt, nur durch 0,0000228 Fuß fallen, während doch jener Stern in der That durch 1 / 10 Fuß fällt. Daraus folgt, daß ſich die Maſſe jenes Centralſterns zur Maſſe unſerer Sonne verhält, wie 0,1 zu 0,0000228 oder wie 4380 zu 1. Oder auch umgekehrt: Der Stern fällt in ſeiner Ent - fernung von 20 Erdweiten in einer Sekunde durch 0,1 Fuß. Er würde daher, wenn er ſeinem Centralſtern 20mal näher, d. h. ſo nahe, als die Erde der Sonne wäre, in derſelben Zeit durch 400mal 0,1, das heißt durch 40 Fuß fallen, woraus wieder folgt, daß die Maſſe des Centralkörpers ſich zu der Sonnenmaſſe ver - hält, wie 40 zu 0,009129 oder wie 4380 zu 1, wie zuvor.

§. 53. (Größe der Himmelskörper.) Wir haben bereits oben (I. Kap. V.) die Mittel angezeigt, deren ſich die Aſtronomen be - dienen, die Entfernungen der himmliſchen Körper von der Erde zu finden. Wenn aber einmal dieſe Entfernung, z. B. in Meilen, bekannt iſt, ſo braucht man nur noch den Winkel zu beobachten, unter welchen uns der Halbmeſſer dieſer Körper erſcheint, um ſofort auch die wahre Größe dieſes Halbmeſſers in Meilen zu erhalten. Man multiplicirt nämlich dieſen Winkel durch die ge - gebene Entfernung, und durch die bekannte Zahl 0,000004848 (§. 66), und das Produkt iſt der Halbmeſſer des Geſtirns in Meilen. So erſcheint uns der Halbmeſſer der Sonne unter dem6 *84Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.Winkel von 996 Sekunden, und ihre Entfernung von der Erde beträgt 20658000 Meilen, alſo beträgt auch der wahre Halbmeſſer derſelben 99750 Meilen. Da nun der Halbmeſſer der Erde be - kanntlich nur 859 Meilen hat, ſo iſt der Halbmeſſer, alſo auch der Durchmeſſer der Sonne nahe 116mal größer als jener der Erde. Da ferner die Oberfläche der Kugeln ſich wie die Qua - drate, und die Inhalte oder Volumina derſelben wie die Würfel ihrer Halbmeſſer verhalten, ſo iſt die Oberfläche der Sonne 13456mal größer als die der Erde, und ihr Volum iſt 1560000 mal größer, als das der Erde. Eben ſo findet man das Volum Saturns 928, und das Jupiters 1330mal größer als das Volum der Erde.

§. 54. (Dichtigkeit der Himmelskörper.) Nachdem wir nun das Volum ſowohl, als auch die Maſſe der Himmelskörper kennen gelernt haben, wird es keine weitere Schwierigkeit mehr haben, auch die Dichtigkeit derſelben oder das Verhalten des Stoffes, aus dem ſie beſtehen, zu dem unſere Erde zu beſtimmen. Die Dichtigkeit eines jeden Körpers iſt nämlich nichts anders, als das Verhältniß ſeiner Maſſe zu ſeinem Volum, indem die Dichte derſelben offenbar in demſelben Verhältniſſe größer werden muß, in welchem die Maſſe bei demſelben Volum größer, oder in welchem das Volum bei derſelben Maſſe kleiner wird. Man darf daher nur die Maſſe eines Körpers durch ſein Volum divi - diren, um die Dichtigkeit deſſelben zu erhalten.

So fanden wir oben für unſere Sonne die Maſſe 338980, und das Volum 1560000, wenn Maſſe und Volum der Erde als Einheit vorausgeſetzt wird. Alſo iſt auch die Dichte der Sonne 0,22, oder nahe ¼ von der Dichte der Erde. Die Maſſe Saturns wurde oben gleich 100 oder genauer 95, und das Volum dieſes Planeten gleich 928 von dem der Erde gefunden, alſo iſt auch die Dichte Saturns 0,12 oder nur der zehnte Theil von der Dichte der Erde. Die Dichte unſerer Erde aber, dieſelbe im Ganzen betrachtet, iſt nach Maskelyne’s Verſuchen 4,5, und nach Cavendish ſinnreichem Experimente 5,2 der Dichtigkeit des reinen Waſſers, welche beide Zahlen man im Mittel zu 4,85 oder nahe 5 nehmen kann.

85Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.

Nimmt man die Dichtigkeit der Erde als Einheit an, ſo findet man für die Dichtigkeiten der Himmelskörper unſeres Sy - ſtemes folgende Zahlen:

  • Sonne0,22
  • Uranus0,20
  • Saturn0,12
  • Jupiter0,22
  • Mars0,69
  • Erde1,00
  • Venus1,07
  • Merkur3,61
  • Mond0,70
  • Jupiters Satellit I. 0,2
  • II. 0,4
  • III. 0,3
  • IV. 0,4

Um dieſe Dichtigkeiten mit denen unſerer bekannteſten irdi - ſchen Körper zu vergleichen, wollen wir dieſes Kapitel mit einem kleinen Verzeichniſſe derſelben beſchließen, das uns bei anderen Gelegenheiten wieder nützlich ſeyn kann. Die in demſelben an - gegebenen Dichtigkeiten ſetzen die des reinen oder deſtillirten Waſſers gleich der Einheit voraus.

  • Schwefeläther0,71
  • Reinſter Alcohol0,79
  • Terpentinöl0,87
  • Olivenöl0,91
  • Wein, Bordeaux0,99
  • Milch1,03
  • Meerwaſſer1,02
  • Salpeterſäure1,22
  • Schwefelſäure1,84
  • Korkholz0,24
  • Pappelholz0,38
  • Cedernholz0,56
  • Tannenholz0,66
  • Apfelholz0,73
  • Eſcheuholz0,84
  • Pottaſche0,86
  • Eis0,97
  • Alaun1,80
  • Elfenbein1,92
  • Schwefel2,03
  • Porcellan2,14
  • Feldſpath2,56
  • Bergkryſtall2,65
  • Korallen2,69
  • Perlen2,75
  • Smaragd, grün2,77
  • Onix2,81
  • Marmor2,84
  • Asbeſt2,99
  • Turmalin3,15
  • Flintglas3,33
  • Diamant3,53
  • Topas, orient. 4,01
  • Saphir, orient. 3,99
  • Spath4,43
  • Jode4,95
  • Chrome5,90
  • Zink6,86
86Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.
  • Eiſen, Guß -7,21
  • Eiſen, geſchmiedet7,79
  • Stahl7,81
  • Nickel8,28
  • Arſenik8,31
  • Kupfer8,79
  • Wismuth9,82
  • Silber10,47
  • Rhodium11,00
  • Palladium11,30
  • Blei11,33
  • Queckſilber13,60
  • Gold, geſchmiedet19,36
  • Platin, geſchmiedet20,34
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Kapitel IV. Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.

§. 55. (Bewegungen in krummen Linien überhaupt.) Wir haben oben (II. §. 15) geſehen, daß, wenn ein Körper ſich in einer geraden Linie, und mit gleichförmiger Geſchwindigkeit be - wegt, dieſe Bewegung nur die Folge eines erſten Impulſes ſeyn kann, der bloß einen Augenblick thätig iſt, deſſen Wirkung aber, nach dem Geſetze der Trägheit (II. §. 20) ohne Ende fortdauert, wenn keine anderen, äußeren Einwirkungen dieſe Bewegung ſtören. Wenn daher ein Körper ſich entweder in einer krummen Linie mit gleichförmiger Geſchwindigkeit, oder in einer geraden Linie mit ungleichförmiger Geſchwindigkeit, oder endlich, wenn er ſich in einer krummen Linie mit veränderlicher Geſchwindigkeit bewegt, ſo werden wir in allen dieſen Fällen annehmen müſſen, daß we - nigſtens zwei Kräfte auf ihn wirken. Die eine derſelben kann ebenfalls ein bloßer Impuls, ein anfänglicher, augenblicklicher Stoß oder Zug ſeyn, in deſſen Folge der Körper wie zuvor eine gerade Linie, deren Richtung die dieſes Stoßes iſt, mit gleichför - miger Geſchwindigkeit durchlaufen würde. Wenn aber die wahre Bahn, die wir den Körper beſchreiben ſehen, eine krumme Linie, d. h. eine ſolche iſt, deren Richtung ſich immerwährend und in jedem Augenblicke ändert, ſo kann die andere der beiden auf ihn wirkenden Kräfte nicht mehr von der Art eines augenblicklichen88Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.Stoßes, ſondern ſie muß, wie die oben (II. §. 16) betrachtete Attraction der Erde, eine ebenfalls immerwährend und in jedem Augenblicke fortwirkende Kraft ſeyn, weil nur durch eine ſolche Kraft die immerwährende Aenderung der Richtung der Bahn, ſo wie die ſtetige Aenderung der Geſchwindigkeit des Körpers ſich erklären läßt.

§. 56. (Zerlegung der Kräfte.) Es ſcheint auf den erſten Blick keine leichte Aufgabe zu ſeyn, die Bahn eines ſolchen, von zwei Kräften nach verſchiedenen Richtungen getriebenen Körpers zu beſtimmen. Allein wir haben bereits oben (II. §. 31) eines allgemeinen Grundſatzes der Mechanik erwähnt, der uns hier ganz beſonders zu ſtatten kommen wird. Nach dieſem Grundſatze, der mit der Erfahrung vollkommen übereinſtimmt, bringt jede der beiden Kräfte auf die Körper ganz dieſelbe Wirkung hervor, die ſie hervorgebracht haben würde, wenn ſie ganz allein auf ihn gewirkt hätte, und wenn die andere gar nicht da geweſen wäre. Dieſem Grundſatze, den man das Princip der Zerlegung der Kräfte nennt, gemäß, wird man alſo die Wirkungen der beiden Kräfte abgeſondert betrachten können, wodurch das Geſchäft der Bahnbeſtimmung ungemein erleichtert wird. Einige Beiſpiele werden dieß ſogleich näher erklären.

Wenn ein Körper A (Fig. 2) durch irgend eine Kraft M während einer beſtimmten Zeit, und in gleichförmiger Bewegung von A nach B, und zugleich von irgend einer andern Kraft N in derſelben Zeit von A nach C getrieben wird, ſo findet man den Weg, welchen er in Folge der vereinten Wirkung beider Kräfte beſchreibt, auf folgende Art: Man ziehe die Linie BD mit AC und CD mit AB parallel, ſo entſteht das Parallelogramm ABCD, und der geſuchte Weg des von beiden Kräften getriebenen Körpers wird die Diagonale AD dieſes Parallelogramms ſeyn. Denn da die Kraft N nach der Richtung von AC, die mit BD parallel iſt, wirkt, ſo wird dieſe Kraft, vermöge des erwähnten Principes, die - jenige Bewegung des Körpers, mit welcher er ſich der Linie BD zu nähern ſucht, nicht ändern, und er wird daher dieſe Linie BD in derſelben oben erwähnten Zeit erreichen, die Kraft N mag auf ihn wirken oder nicht. Dieſer Körper wird alſo am Ende dieſer Zeit irgendwo in dieſer Linie BD ſeyn müſſen. Ganz eben ſo89Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.wird man auch zeigen, daß er bloß vermöge der Kraft N am Ende derſelben Zeit irgendwo in der Linie CD ſeyn müſſe, die Kraft M mag auf ihn wirken oder nicht. Der Körper wird daher am Ende dieſer Zeit ſowohl in der Linie BD, als auch irgendwo in der Linie CD, das heißt, er wird in dem gemeinſchaftlichen Durchſchnittspunkte D dieſer beiden Linien ſeyn, und daher die Diagonale AD des Parallelogramms beſchrieben haben, von welchen die Seitenlinien AB und AC die beiden auf ihn wirkenden Kräfte, ihrer Größe und Richtung nach, vorſtellen.

Auf dieſe Weiſe und mit denſelben Worten hat Newton im erſten Buche ſeiner Principien dieſes Theorem von der Zerle - gung der Kräfte erklärt, deſſen wir ſchon oben (I. §. 80) Erwäh - nung gethan haben. Seine Nachfolger haben ſich bemüht, es ſtrenge zu beweiſen. Es wäre aber zu wünſchen, daß dieſe ein - fache und gemeinverſtändliche Darſtellung wenigſtens in unſern Lehrbüchern beibehalten worden wäre, und daß man, aus zu weit getriebener Vorliebe für die Rigoroſität der Beweiſe, eine Er - klärung, die Newton in ſein unſterbliches Werk aufgenommen hat, nicht unter der ſcholaſtiſchen Würde gehalten hätte, mit welcher unſere Dogmatiker ſich noch immer ſo gerne brüſten.

Das Vorhergehende bezieht ſich übrigens nur auf geradlinige und gleichförmige Bewegungen. Allein man ſieht, daß es unmit - telbar auch auf jede andere Bewegung angewendet werden kann, wenn man die krumme Linie der Bahn, wie dieß in der Geome - trie und Mechanik geſchieht, in ſo kleine Theile zerlegt, daß man ſie, ohne merklichen Fehler, als gerade Linien, deren jede mit gleichförmiger Bewegung zurückgelegt wird, betrachten kann.

§. 57. (Bahn der geworfenen Körper auf der Erde.) Es werde nun ein Körper A (Fig. 3) auf der Oberfläche der Erde in einer horizontalen Richtung Aδ geworfen, und zugleich in jedem Augenblicke von der Kraft der Erde angezogen. Wenn bloß der erſte augenblickliche Impuls des Wurfes auf ihn wirkt, ſo würde er in jeder Sekunde die gleich großen Theile Aα, αβ, βγ .. der horizontalen Linie Aαβγ .. beſchreiben, von welchen z. B. jeder dieſer Theile hundert Fuß betragen ſoll. Wenn aber bloß die Anziehung der Erde auf ihn wirkte, welche Wirkung man hier, aus der bereits oben (§. 19) angeführten Urſache als conſtant,90Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.und in unter ſich parallelen oder ſenkrechten Richtungen annehmen kann, ſo würde dieſer Körper in der erſten Sekunde (nach §. 19) um 15,098 Fuß ſenkrecht zur Erde fallen. Wir wollen dieſe Größe, der Kürze wegen, ein Maaß nennen. Wenn er alſo während der erſten Sekunde durch ein Maaß fällt, ſo wird er, nach der Tafel des §. 18, während der zweiten durch 4, während der dritten durch 9, während der vierten Sekunde durch 16 Maaß fallen u. ſ. w.

Dieß vorausgeſetzt, ziehe man alſo durch die Endpunkte α, β, γ .. jener gleichen Theile der horizontalen Linie Aδ die darauf ſenkrechten, oder die vertikalen Linien αb, βc, γd .. und nehme auf ihnen die Stücke

  • αB gleich 1 Maaß
  • βC 4
  • γD 9
  • δE 16 u. ſ. f.

ſo werden A, B, C, D.. die Punkte ſeyn, in welchen ſich der ge - worfene Körper im Anfange der 1. 2. 3. 4ten Sekunde befindet. Vereinigt man dann dieſe Punkte durch eine etwa mit freier Hand gezogene krumme Linie ABCD .. ſo erhält man die geſuchte Bahn des geworfenen Körpers. Je kleiner man die anfänglichen gleichen Theile der horizontalen Linie Aδ genommen hat, deſto genauer wird man auch dieſe krumme Linie erhalten. Dieſelbe Zeichnung zeigt auch, daß man dieſe krumme Linie als eine Folge der Diagonalen von den Parallelogrammen jener beiden Kräfte anſehen kann. In der erſten Sekunde ſind dieſe beiden Kräfte Aα und αB, und AB die Diagonale ihres Parallelogramms. Wenn am Ende dieſer erſten Sekunde die Schwere der Erde nicht auf den Körper wirkte, ſo würde er in der Verlängerung dieſer Diagonale, in der einmal erhaltenen Richtung fortgehen. Allein durch dieſe Schwere wird er, während der erſten Sekunde, um die Linie Bb fallen, alſo wird er die Diagonale BC der beiden Kräfte Bb und bC beſchreiben. In der dritten Sekunde würde er, vermöge der in C erhaltenen Geſchwindigkeit in der Richtung der Verlängerung von BC fortgehen, aber von der Schwere um Cc ſenkrecht herabgezogen werden, ſo daß er die Diagonale CD der beiden Kräfte Cc und cD beſchreibt u. ſ. w.

91Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.

Da für die gleichen Abſtände Aα, αβ, βγ .. der horizontalen Linie die darauf ſenkrechten Linien αB, βC, γD .. ſich wie 1, 4, 9.., das heißt wie die Quadrate der natürlichen Zahlen ver - halten, und da dieß eine bekannte Eigenſchaft der Parabel iſt, ſo iſt dadurch auch die Bahn der über der Erde geworfenen Körper geometriſch beſtimmt. Uebrigens ſieht man, daß ein ſolcher Kör - per einen deſto größern paraboliſchen Bogen über der Erde be - ſchreiben, oder daß er die Oberfläche derſelben deſto ſpäter errei - chen wird, je größer die anfängliche Wurfkraft, d. h. je größer die Linie Aα iſt, ſo wie, daß dieſe Linie endlich auch ſo groß werden kann, daß der geworfene Körper die Erde gar nicht mehr erreicht, ſondern eine krumme Linie um ſie beſchreibt, wo wir dann wieder auf denjenigen Fall zurückkommen, von welchem wir bereits oben (§. 45) geſprochen haben, nämlich auf einen künſtlichen Satelliten der Erde, der gleich unſerem Monde, ſeine Bahn um dieſe Erde beſchreibt.

§. 58. (Princip der Erhaltung der Flächen bei Bewegungen durch Centralkräfte.) Dieß leitet uns gleichſam von ſelbſt auf die Bewegung der Satelliten um ihre Hauptplaneten, und auf die dieſer Planeten um die Sonne, als um den Centralpunkt ihrer Bahnen. Nehmen wir alſo an, ein Planet A (Fig. 4) habe im Anfange ſeiner Bewegung durch irgend eine äußere Veranlaſſung einen Stoß erhalten, in deſſen Folge er während der erſten Sekunde die gerade Linie AB zurücklegt. Wenn weiter keine Kraft auf den Planeten wirkte, ſo würde er in der zweiten Sekunde, in derſelben Richtung die eben ſo große Linie Bc = AB zurücklegen. Wenn aber auch die immer thätige Kraft der Sonne, deren unveränderlichen Ort wir in S annehmen wollen, auf ihn wirkt, ſo wird ſie den Planeten während der zweiten Sekunde in der Richtung BS, etwa um die Linie Bm, an ſich ziehen. Dem - nach hat der Planet, wenn er in dem Punkte B ankommt, zwei Geſchwindigkeiten: die eine Bc, nach dem Geſetze der Trägheit, in der Tangente ſeiner Bahn, und die andere Bm nach der Rich - tung gegen die Sonne S. Zieht man daher durch c die gerade Linie cC gleich und parallel mit Bm, und ergänzt das Parallelo - gramm BCcm, ſo wird die Diagonale BC dieſes Parallelogramms den eigentlichen Weg des Planeten während der zweiten Sekunde92Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.vorſtellen, und derſelbe wird, am Ende dieſer Sekunde, in dem Punkte C ſeyn. Allein die beiden Dreiecke ASB und BSc haben gleiche Flächen, weil ihre Grundlinien AB und Bc gleich groß, und ihre Scheitel in demſelben Punkte S, alſo in derſelben Höhe über ihrer Grundlinie haben. Aber auch die beiden Dreiecke BSc und BSC haben gleiche Flächen, weil ſie eine gemeinſchaft - liche Grundlinie SB, und ihre Scheitel C und c in einer Linie Cc haben, die zu jener Grundlinie parallel iſt, ſo daß alſo auch dieſes zweite Dreieckspaar, wie das erſte, gleiche Baſis und Höhe hat. Daraus folgt demnach, daß auch die beiden äußerſten dieſer Dreiecke, nämlich das Dreieck ASB und BSC gleiche Flä - chen haben, und eben daſſelbe wird auch von den beiden Dreiecken BSC und CSD gelten, wenn der Planet am Ende der dritten Sekunde in dem Punkte D iſt, und ſo fort für jeden folgenden Punkt.

Man ſieht daraus, daß, wenn die anziehende Kraft einen feſten Punkt S einnimmt, oder eine ſogenannte Centralkraft iſt, die Bewegung der von ihr angezogenen Körper immer ſo be - ſchaffen ſeyn muß, daß die Flächen ASB, BSC, CSD .. welche die Radien SA, SB, SC.. um den Sitz S der Kraft beſchreiben, der Zeit proportional ſind, oder daß dieſe Flächen immer in 2, 3, 4.. Sekunden auch 2, 3, 4.. mal ſo groß ſind, als in einer Sekunde. Dieß iſt das erſte Geſetz Keplers, welches wir ſchon oben (I. §. 132) betrachtet haben. Kepler hatte daſſelbe durch unmit - telbare Beobachtungen auf bloß praktiſchem Wege, und nur für die elliptiſchen Bahnen der Planeten gefunden. Man ſieht aber aus der vorhergehenden einfachen Deduction, daß daſſelbe überhaupt für alle Bahnen gilt, die durch eine Centralkraft er - zeugt werden, und es iſt leicht zu zeigen, daß derſelbe Satz auch umgekehrt ſtatt hat, daß nämlich, ſo oft die von den Radien eines Körpers um einen feſten Punkt beſchriebenen Flächen der Zeit pro - portional ſind, die ſie bewegende Kraft eine Centralkraft ſeyn müſſe, die in dieſem feſten Punkte ihren Sitz hat.

§. 59. (Allgemeine Betrachtung der Kegelſchnitte.) In der That iſt es auch nicht nothwendig, daß die von den Planeten um die Sonne beſchriebenen Bahnen immer die Geſtalt einer Ellipſe haben, ſelbſt dann nicht, wenn die Kraft der Sonne, wie93Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.wir oben gezeigt haben, ſich wie verkehrt das Quadrat der Ent - fernung verhält.

Man kann nämlich durch Rechnung zeigen, daß bei einer ſo geſtalteten Kraft der Sonne die Bahnen der um ſie gehenden Körper überhaupt ſogenannte Linien der zweiten Ordnung, oder daß ſie Kegelſchnitte ſeyn werden, deren es im allgemeinen drei Gattungen gibt, die wir hier etwas näher betrachten wollen.

Wenn man durch den Mittelpunkt eines horizontalen Kreiſes eine vertikale gerade Linie errichtet, und dann eine zweite gerade Linie um den höchſten Punkt dieſer Vertikalen ſo herumführt, daß ſie immer durch dieſen Punkt und durch die Peripherie des Kreiſes geht, ſo beſchreibt dieſe zweite, bewegliche Gerade eine krumme Oberfläche, die man einen Kegel nennt, von welchem jener oberſte Punkt der Scheitel iſt. Man kann ſich die beweg - liche gerade Linie auch über dieſen Punkt unbeſtimmt verlängert denken, wo ſie dann durch ihre oben angegebene Bewegung einen Doppelkegel beſchreiben wird, von welchem jener feſte Punkt als Mittelpunkt betrachtet werden kann. In Fig. 5 iſt der untere Theil eines ſolchen Kegels vorgeſtellt, wo C der Mittelpunkt des Kreiſes BD, und CA die darauf ſenkrechte Gerade, AB oder AD die bewegliche Gerade, und A der Scheitel des Kegels iſt.

Denken wir uns die Oberfläche dieſes Kegels in irgend einem Punkte M derſelben durch eine auf der Ebene ſenkrecht ſtehende Ebene MN geſchnitten, ſo wird der Durchſchnitt der Kegelfläche mit der ſchneidenden Ebene MN eine ſogenannte Linie der zwei - ten Ordnung ſeyn. Dieſe Linie wird aber ganz andere Geſtalten und Eigenſchaften erhalten, wenn die ſchneidende Linie MN ſelbſt von verſchiedener Lage iſt. Man bemerkt hier vorzüglich drei Fälle. Um ſie leichter zu unterſcheiden, wollen wir zuerſt die fixe ſchneidende Linie MO parallel mit der gegenüberſtehenden Seite AB des Kegels ziehen, und von ihr ausgehen, um auch die anderen Schnitte, die über und unter dieſem fixen Schnitte liegen, zu betrachten.

§. 60. (Ellipſen.) Hier bemerken wir zuerſt, daß, ſo lange die ſchneidende Linie MN über der fixen Linie MO, oder irgendwo in dem Winkel AMO liegt, der Schnitt der Ebene mit dem94Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.Kegel immer auch die dem Einſchnittpunkte M gegenüber liegende Seite AB des Kegels trifft, und daß daher die durch dieſen Schnitt erzeugte krumme Linie eine ringsum geſchloſſene Curve bilden wird. Dieſe Curven ſind es, die in der Geometrie Ellip - ſen genannt werden. Wir haben ihre vorzüglichſten Eigenſchaften bereits oben (I. §. 136) betrachtet. Wenn die ſchneidende Linie ſehr nahe an MA liegt, ſo wird die ſo entſtehende Ellipſe ſehr länglich oder ſehr excentriſch ſeyn. Wie dieſe Linie MN von MA weiter gegen MO herabrückt, wird die Excentricität der Ellipſe kleiner, und wenn MN in eine ſolche Lage gekommen iſt, daß ſie mit der Ebene des Kreiſes parallel, oder daß ſie ſenkrecht auf die Axe AC des Kegels ſteht, ſo verſchwindet dieſe Excentricität völlig, und der Kegelſchnitt wird zu einem Kreiſe, der als eine Ellipſe mit verſchwindender Excentricität betrachtet werden kann. Wenn aber die ſchneidende Linie MN noch weiter gegen die fixe Linie MO herabſinkt, ſo entſtehen wieder Ellipſen, deren Größe und deren Excentricität immer bedeutender wird, je tiefer die ſchneidende Linie MN herabſinkt. Da man die Seitenlinien AB und AD des Kegels auch unter den Kreis BD unbeſtimmt ver - längert ſich vorſtellen kann, ſo ſieht man, daß der Schnitt, ſo lange er nur innerhalb des Winkels AMO ſtatt hat, immer noch die gegenüberſtehende Seite AB oder ihre Verlängerung treffen, daß alſo die ſo entſtehende Linie immer noch eine geſchloſſene Linie, eine Ellipſe ſeyn wird.

§. 61. (Parabeln.) Allein ſo wie die ſchneidende Linie MN dieſe Gränze erreicht, und in die Lage der fixen Linie MO kömmt, iſt dieß nicht mehr der Fall. Hier geht nämlich der Schnitt nicht mehr durch die dem Punkte M gegenüber liegende Seite AB des Kegels, weil die beiden Linien MO und AB einander parallel ſind, und ſich daher nie ſchneiden können, ſo weit man auch den Kegel auf der untern Seite des Kreiſes BD ver - längert. Hier iſt alſo auch die Curve des Schnitts keine ge - ſchloſſene, in ſich ſelbſt zurückkehrende, ſondern ſie iſt eine gegen - über von M offene Linie, die von ihrem Scheitel M zu beiden Seiten der Linie MO, mit zwei gleichen Aeſten ſich ins Unend - liche ausbreitet. Dieſe krumme, von der Ellipſe weſentlich ver - ſchiedene Linie heißt Parabel.

95Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.

§. 62. (Hyperbeln.) Tritt nun die ſchneidende Linie MN noch weiter, oder auf die andere, untere Seite der fixen Linie MO, d. h. fällt MN zwiſchen die Schenkel OM und MD des Winkels OMD, ſo bleibt die durch den Schnitt entſtehende Linie, wie man ſieht, auf der dem Punkte M gegenüberſtehenden Seite offen, indem ſie da, wie zuvor bei der Parabel, in zwei gleiche und unendliche Aeſte ausläuft. Allein ſie iſt demungeachtet ſehr von der Parabel verſchieden. Verlängert man nämlich die Seiten BA und DA des Kegels über dem Punkte A, und ſtellt man dadurch in der Zeichnung den oben erwähnten Doppel - kegel her, ſo ſieht man, daß die ſchneidende Linie MN, wenn ſie in den Winkel OMD fällt, nicht nur den unteren, ſondern daß ſie auch den oberen Kegel trifft, daß alſo die Ebene des Schnitts in dieſem Falle durch beide Kegel geht, was nicht ge - ſchehen kann, ſo lange die ſchneidende Linie MN in dem Winkel AMO oder über der fixen Linie MO liegt. Die hier entſtehende krumme Linie beſteht alſo aus zwei von einander abgeſonderten, ähnlichen Theilen, welche ihre Scheitel einander zukehren, und von welchen jede auf der ihren Scheitel gegenüberſtehenden Seite mit zwei gleichen Aeſten in’s Unendliche ausläuft. Dieſe krumme Linie mit vier unendlichen Aeſten heißt Hyperbel.

So lange alſo die ſchneidende Linie MN über der fixen Linie MO, oder in dem Winkel AMO liegt, entſtehen Ellipſen; fällt die ſchneidende Linie in die fixe, ſo entſteht die Parabel, und liegt endlich die ſchneidende Linie unter der fixen, oder in dem Winkel OMD, ſo entſtehen Hyperbeln. Die Parabel iſt demnach die Gränze, welche die Ellipſen von den Hyperbeln trennt, ſo wie auch der Kreis die Gränze von denjenigen Ellipſen iſt, die über und unter ihm liegen, und deren Excentricität immer größer wird, je weiter ſie ſich von dieſem Kreiſe, zu den beiden Seiten deſſelben, entfernen. Für jeden Punkt M des Kegels, wo der Schnitt anfangen ſoll, gibt es, wie man ſieht, nur eine einzige Lage der ſchneidenden Ebene, die den Schnitt zur Parabel macht, ſo wie auch nur eine einzige andere Lage den Kreis erzeugt; für die Ellipſe und die Hyperbel aber gibt es unendlich viele Lagen, und es iſt genug, daß die ſchneidende Ebene nur überhaupt über oder96Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.unter dem paraboliſchen Schnitte liegt, um in dem erſten Falle eine Ellipſe, und in dem zweiten eine Hyperbel zu erzeugen.

§. 63. (Anwendung auf die Bewegung der Planeten und Ko - meten.) Dieſes vorausgeſetzt, gehen wir nun wieder zu der Be - wegung der Planeten um die Sonne zurück. Dieſe wird, nach dem Vorhergehenden, durch zwei Kräfte bewirkt. Die eine der - ſelben iſt die Kraft der Sonne, die ſich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung des Planeten von der Sonne rer - hält, und die daher, je nach der Verſchiedenheit dieſer Entfer - nungen, ſelbſt als eine veränderliche Kraft betrachtet werden muß. Die andere aber iſt der augenblickliche Impuls, der Stoß, den der Planet im Anfange ſeiner Bewegung, entweder unmittelbar durch die Hand der Allmacht, oder auch durch die Anziehung irgend eines ihm damals nahe ſtehenden Körpers erhalten hat. Die erſte dieſer beiden Kräfte würde, wenn ſie allein da wäre, oder wenn der Planet ſeine Bewegung aus der Ruhe angefangen hätte, dieſen Planeten in einer geraden Linie, und mit immer beſchleunigter Geſchwindigkeit zur Sonne geführt haben, weil die Richtung dieſer Kraft immer gegen die Sonne zu geht. Die zweite Kraft aber würde, wenn ſie allein da geweſen wäre, den Planeten zwar auch in einer geraden Linie, aber, vermöge des Geſetzes der Trägheit, mit einer immer gleichen Geſchwindigkeit nach derjenigen Gegend des Himmels hingeführt haben, nach welcher jener urſprüngliche Stoß ſelbſt gerichtet war. Beide Kräfte zuſammen aber werden den Planeten in einer krummen Bahn um die Sonne führen. Durch jenen erſten Impuls hat er nämlich in dem erſten Augenblicke ſeiner Bewegung eine be - ſtimmte Geſchwindigkeit nach irgend einer Richtung, die nicht durch die Sonne geht, erhalten. Allein in demſelben Augenblicke wurde er auch von der Sonne angezogen, und er geht daher, weder in der Richtung jenes Impulſes, noch in der Richtung dieſer zur Sonne gekehrten Kraft, ſondern er geht in der Dia - gonale des Parallelogramms (§. 56) einher, deſſen Seiten die Größe und Richtung jener beiden Kräfte darſtellen. Dieſe Dia - gonale iſt alſo die Tangente ſeiner krummen Bahn während des erſten Augenblickes. Sei AB (Fig. 4) das Stück ſeiner Tangente, welches der Planet im erſten Augenblicke zurücklegt. Wenn am97Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.Ende deſſelben die Kraft der Sonne nicht weiter auf ihn wirkte, ſo würde er mit der nun erhaltenen Geſchwindigkeit und Richtung ſeinen Weg in dieſer Tangente weiter verfolgen, und den Weg Bc = AB zurücklegen. Allein die Sonne, die ihn auch während des zweiten Augenblickes wieder zu ſich zu ziehen ſtrebt, zwingt ihn, jene erſte Tangente zu verlaſſen, und neuerdings in der Dia - gonale BC des Parallelogramms einherzugehen, deſſen Seiten Bm und Bc die Größe und Richtung der Kraft der Sonne und derjenigen Kraft vorſtellen, die am Ende des erſten Augenblicks auf den Planeten gewirkt hat, und die ſelbſt wieder eine Com - plication von der Kraft der Sonne, und von der des erſten Im - pulſes iſt. Dieſe Diagonale BC wird alſo der Weg des Planeten während des zweiten Augenblickes, oder ſie wird wieder die Tan - gente ſeiner Bahn in dieſer Zeit ſeyn. Eben ſo wird die Diago - nale CD das erſte Element der Tangente der Bahn während des dritten Augenblickes ſeyn u. ſ. w., und der ganze Weg des Pla - neten wird durch die gebrochene gerade Linie ABCD .. vorgeſtellt werden, die einer krummen Linie deſto näher kömmt, je kleiner wir ihre Theile oder je kleiner wir die Zwiſchenzeiten annehmen, während welcher wir den Planeten in ſeinen nach einander fol - genden Stellungen betrachten wollen. Man kann daher auch annehmen, daß der Planet in jedem Punkte B ſeiner Bahn von zwei veränderlichen Kräften getrieben wird, nämlich von der Centralkraft Bm der Sonne, nach welcher er in jedem Augen - blicke ſich in gerader Linie der Sonne zu nähern, und von der Tangentialkraft Bc, nach welcher er in demſelben Augen - blicke ebenfalls in gerader Richtung, nämlich in der Richtung der letzten Tangente ſeiner Bahn fortzugehen ſtrebt. Wie viel aber die Krümmung ſeiner Bahn in dem erſten, und in jedem folgen - den Augenblicke ſeiner Bewegung betragen ſoll, dieß hängt von dem Verhältniſſe der Stärke des erſten Stoßes zu der Stärke der Anziehung der Sonne ab. Dieſes Verhältniß wird alſo auch beſtimmen, ob die Bahn des Körpers eine Ellipſe, Parabel oder eine Hyperbel iſt, und ob z. B. dieſe Ellipſe ſehr ſtark oder nur wenig excentriſch ſeyn wird.

§. 64. (Nähere Beſtimmung der anfänglichen Geſchwindigkeit.) Man kann dieſe verſchiedenen Fälle durch Rechnungen mit großerLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 798Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.Genauigkeit angeben. Es iſt hier nicht der Ort, die Gründe dieſer Rechnungen anzuführen, aber die einfachen Reſultate derſelben dürfen nicht ganz übergangen werden. Nimmt man der Kürze wegen an, daß der Planet in demjenigen Punkte ſeiner Bahn, wo er der Sonne am nächſten iſt, alſo in ſeinem Perihelium (I. Kap. IX. ) entſtanden iſt, und nennt man a die Entfernung dieſes Periheliums von dem Mittelpunkte der Sonne, in Theilen der halben großen Axe der Erdbahn ausgedrückt, ſo ſey b gleich der Zahl 5,804, dividirt durch die Quadratwurzel von a. Dieſes vorausgeſetzt, darf man nur die Größe jenes erſten Impulſes, d. h. die Geſchwindigkeit des Planeten oder den Weg, in deut - ſchen Meilen ausgedrückt, kennen, den er in ſeiner Sonnennähe während einer Sekunde zurücklegt, um daraus ſogleich zu ent - ſcheiden, welchen der oben angeführten Kegelſchnitte der Planet um die Sonne beſchreiben muß.

Iſt nämlich die anfängliche Geſchwindigkeit des Planeten, in Meilen ausgedrückt, kleiner als die vorhergehende Zahl b, ſo iſt die Bahn des Planeten eine Ellipſe; iſt ſie eben ſo groß, als b, ſo iſt die Bahn eine Parabel, und iſt ſie endlich größer als b, ſo iſt die Bahn eine Hyperbel.

So lange alſo die anfängliche Geſchwindigkeit zwiſchen Null und der Größe b liegt, entſtehen immer Ellipſen, aber dieſe Ellipſen ſind anfangs, bei einer ſehr kleinen Geſchwindigkeit, ſehr länglich oder excentriſch. Wie dieſe Geſchwindigkeit zunimmt, nimmt die Excentricität der Ellipſen ab, bis ſie endlich, wenn dieſe Geſchwindigkeit nahe drei Viertheile von b beträgt, ganz verſchwindet, und die Bahn ein vollkommener Kreis wird. Wenn von dieſem Punkte an die Geſchwindigkeit noch weiter wächst, ſo nimmt auch die Excentricität der nun entſtehenden Ellipſen immer mehr zu, bis ſie endlich, wenn die Geſchwindigkeit genau gleich b wird, in die Parabel, bei einer noch größern Geſchwindigkeit in Hyperbeln übergehen. Man ſieht, daß auch hier, bei der eigentlich aſtronomiſchen Betrachtung der Kegelſchnitte, wie dort bei der geometriſchen, die Parabel als die Gränze zwiſchen den Ellipſen und Hyperbeln erſcheint, und daß eben ſo der Kreis den Uebergang von der einen Gattung von Ellipſen zu der andern bildet.

99Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.

§. 65. (Anwendung des Vorhergehenden auf die Bahn der Erde.) Dieſe Beſtimmung der Planetenbahnen ſetzt alſo die Kenntniß der urſprünglichen Geſchwindigkeit derſelben voraus. Allein woher ſollen wir dieſe nehmen? Dieſe Körper des Him - mels ſind vielleicht vor Millionen von Jahren, zu einer Zeit ent - ſtanden, wo das ganze Menſchengeſchlecht noch nicht exiſtirte. In welchem Archive ſollen wir denn die Nachrichten aus jenen Zeiten ſuchen? Wir werden unten ſehen, daß die Bewegungen der Planeten, wie ſie uns von den älteſten Beobachtern überliefert worden ſind, auf das genaueſte mit denen übereinkommen, die wir ſelbſt in unſern Tagen beobachten, und daß man[ſehr] gute Gründe hat, die Unveränderlichkeit dieſer Bewegungen ſelbſt noch für viel größere Zeiträume mit Sicherheit vorauszuſetzen. Wir dürfen daher nur jetzt die Geſchwindigkeit eines dieſer Himmels - körper zur Zeit, wo er der Sonne am nächſten iſt, beobachten, um verſichert zu ſeyn, daß er viele Jahrtauſende durch, ſo oft er dieſen Punkt ſeiner Bahn erreicht, auch immer wieder dieſelbe Geſchwindigkeit, ſo wie denſelben Abſtand von der Sonne haben werde.

Unſere Erde z. B., um das Vorhergehende ſogleich auf ſie anzuwenden, iſt in ihrem Perihelium um den 0,9832ſten Theil der halben großen Axe ihrer elliptiſchen Bahn von dem Mittelpunkte der Sonne entfernt, und ſie hat in dieſem Punkte ihres Weges eine Geſchwindigkeit, mit welcher ſie in einer Sekunde 4,28 deut - ſche Meilen zurücklegt. Für dieſen Fall iſt alſo die Größe a gleich 0,9832, und daher die Größe b gleich 5,85 Meilen. Wäre alſo die Geſchwindigkeit der Erde, zur Zeit ihrer Entſtehung in der Sonnennähe, gleich 5,85 Meilen, ſo würde die Bahn der Erde eine Parabel geworden ſeyn. Wäre dieſe Geſchwindigkeit aber noch größer geweſen, als 5,85 Meilen, ſo würde ſich die Erde in einer Hyperbel um die Sonne bewegt haben. In dieſen beiden Fällen würde ſich alſo unſere Erde, in den unendlichen Aeſten dieſer krummen Linien, immer mehr von der Sonne entfernt haben, ohne je wieder zu ihr zurückkehren zu können. Es iſt mehr als wahrſcheinlich, daß mehrere unſerer Kometen in der That in ſolchen Bahnen einhergehen. Welche Veränderungen,7 *100Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.welche Schickſale würden aber die Erde mit ihren Bewohnern ge - troffen haben, wenn ſie im Augenblicke ihrer Entſtehung von dieſem Falle, dem ſie, wie man ſieht, nahe genug geſtanden iſt, getroffen worden wäre. Ihre anfängliche Geſchwindigkeit war 4,28 Meilen, nur Meile kleiner als jene, die ihr ſo verderblich hätte werden können. Und eben weil ſie kleiner als 5,85 war, wurde die Bahn der Erde eine Ellipſe. Wäre dieſe Geſchwindig - keit nur ein Drei-Viertheil von 5,85, oder wäre ſie 4,39 Meilen geweſen, ſo würde die Erdbahn ein vollkommener Kreis geworden ſeyn. Die wahre Geſchwindigkeit derſelben beträgt aber nur 4,28 Meilen, iſt alſo nahe ein Zehntheil kleiner noch, als die Kreis - geſchwindigkeit, daher unſere Ellipſe zu denen gehört, die (in Fig. 5) über dem Kreiſe, gegen den Scheitel A des Kegels bin liegen. Auch liegt ſie viel näher bei dem Kreiſe, als bei dieſem Scheitel, daher auch ihre Excentricität ſehr klein iſt, oder ihre Bahn der eines Kreiſes ſehr nahe kömmt, was alles mit unſern Beobachtungen vollkommen übereinſtimmt.

Anders verhält es ſich ſchon mit Merkur, dieſem der Sonne nächſten Planeten, deſſen Excentricität ſehr groß iſt; für ihn iſt die Größe a gleich 9,64 Meilen. Eine ſolche Geſchwindigkeit würde ſeine Bahn zu einer Parabel, und eine noch größere zu einer Hyperbel gemacht haben. Allein ſeine beobachtete Geſchwin - digkeit im Perihel iſt 8,34, alſo 1,8 Meilen kleiner als jene, und im Gegentheile 1,7 Meilen größer als die Kreisgeſchwindigkeit, daher die Bahn Merkurs wohl noch eine Ellipſe, aber eine von dem Kreiſe ſehr entfernte, oder eine ſehr excentriſche Ellipſe iſt. Für Uranus hat man die beobachtete Geſchwindigkeit im Perihel gleich 1,02 Meilen, während die für den Kreis 0,97, und die für die Parabel 1,37 Meilen betragen würde.

§. 66. (Wahrſcheinlichkeit der Ellipſe.) Man ſieht, daß unter allen möglichen unzähligen Geſchwindigkeiten, die ein Körper er - halten kann, nur eine einzige den Kreis, und ebenfalls nur eine einzige die Parabel hervorbringt, während es im Gegentheile un - endlich viele gibt, welche die Bahn zu einer Ellipſe oder zu einer Hyperbel machen. Daraus folgt die äußerſt geringe Wahrſchein - lichkeit, daß ein Körper unſeres Sonnenſyſtems ſich in einem Kreiſe oder in einer Parabel bewege, wohingegen bei weitem die101Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.meiſten Bahnen derſelben entweder Ellipſen oder Hyperbeln ſeyn werden. Selbſt unter dieſen beiden letzten Kegelſchnitten wird wieder die Ellipſe ſehr viel wahrſcheinlicher ſeyn, als die Hyper - bel, aus dem Grunde, weil für die Ellipſe ſchon die geringſte Geſchwindigkeit, ſchon die leiſeſte Anziehung irgend eines andern Himmelskörpers hinreicht, während im Gegentheile für die Hy - perbeln durchaus nur ſolche Geſchwindigkeiten erfordert werden, die eine beſtimmte Größe überſteigen. In der That haben wir auch bisher in der Natur noch kein Beiſpiel von einem Planeten oder Kometen gefunden, deſſen Bahn genau kreisförmig oder pa - raboliſch wäre. Daſſelbe gilt ſehr nahe auch von den hyperboliſchen Bahnen, in welchen man bisher bloß zwei Kometen, den von 1771 und von 1824 einhergehen laſſen wollte. Allein die Beobach - tungen dieſer beiden Kometen laſſen immer noch einige Zweifel über die Geſtalt ihrer Bahnen übrig, und es iſt nahe eben ſo wahrſcheinlich, daß dieſelben nur ſehr excentriſche Ellipſen ſind.

Wir werden alſo annehmen können, daß die im verkehrten Verhältniſſe ihrer Entfernung wirkende Kraft der Sonne, ver - bunden mit der Kraft eines Impulſes, welchen der Planet im Augenblicke ſeiner Entſtehung erhalten hat, dieſen Planeten im Allgemeinen in einer Ellipſe um die Sonne führt, indem die letzte einen der beiden Brennpunkte dieſer Ellipſe einnimmt. Da ſich nun der Planet, wenn er von ſeinem Aphelium ausgeht, in der erſten Hälfte ſeiner Bahn der Sonne nähert, in der darauf fol - genden zweiten Hälfte aber wieder von ihr entfernt, ſo hört man von den mit dem Gegenſtande weniger bekannten Leſern öfter den Zweifel aufwerfen, wie es möglich ſey, daß die Kraft der Sonne, die doch den Planeten in allen Punkten ſeiner Bahn anziehen ſoll, ihn auch zuweilen von ſich entfernen können? Eine ge - ringe Ueberlegung wird aber bald die Antwort auf dieſen Ein - wurf finden. Wenn ein Planet von ſeiner Sonnennähe ausgeht, ſo ſteht die Richtung ſeiner Bewegung, die immer durch die Tan - gente ſeiner Bahn angedeutet wird, ſenkrecht auf ſeinen Radius oder auf die Linie, welche ihn mit der Sonne verbindet. Da er hier der Sonne am nächſten iſt, ſo wird er auch am ſtärkſten von ihr angezogen. Da aber auch ſeine Geſchwindigkeit in der Tan - gente hier die größte iſt, und da, wie die Rechnung zeigt, dieſes102Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.Fortſchreiten in der Tangente während einer beſtimmten Zeit viel beträchtlicher iſt, als die Annäherung zur Sonne in derſelben Zeit, ſo iſt hier, im Perihelium, die Tangentialkraft die über - wiegende, und der Planet muß ſich von der Sonne entfernen. Während er nun in dieſer erſten Hälfte ſeiner Bahn einhergeht, ſucht ihn die Kraft der Sonne immerwährend an ſich zu ziehen, und ſeiner jetzt ſtatthabenden von der Sonne abgewendeten Be - wegung entgegen zu wirken. Dadurch vermindert ſich allmählig die Tangentialgeſchwindigkeit des Planeten ſo lange, bis er end - lich in ſeinem Aphelium ankömmt. In dieſem Punkte iſt ſeine Tangentialkraft am kleinſten, ſo wie auch die Attraction der Sonne, wegen der ſich bisher immer vergrößernden Entfernung des Planeten, am ſchwächſten geworden iſt. Allein demungeachtet iſt die letzte Kraft in dieſem Punkte der Bahn beträchtlich größer, als die Tangentialkraft, die Centralkraft überwiegt, und der Pla - net muß ſich daher in der zweiten Hälfte ſeiner Bahn der Sonne wieder nähern, bis er im Perihelium ankömmt, um von da ganz auf dieſelbe Weiſe eine zweite Revolution um die Sonne zu wie - derholen.

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Kapitel V. Störungen der Planeten überhaupt.

§. 67. (Allgemeine Ueberſicht dieſer Störungen.) Wenn bloß die Erde nebſt der Sonne in unſerem Planetenſyſteme da wäre, ſo würde es ein Leichtes ſeyn, die Bahn der Erde nach allen ihren Beziehungen auf das genaueſte zu beſtimmen. Dieſe Bahn würde nämlich, nach dem vorhergehenden Kapitel, eine Ellipſe ſeyn, und ſchon wenige gute Beobachtungen würden hinreichen, die Lage, Größe und Geſtalt dieſer Ellipſe kennen zu lernen.

Allein nebſt dieſer Erde bewegen ſich noch mehrere Planeten, und vielleicht unzählige Kometen um die Sonne, und da dieſe Körper, wie überhaupt alle, dieſelbe Eigenſchaft haben, alle an - dern; Körper nach dem oben (§. 26 und §. 43) angegebenen allgemeinen Geſetze anzuziehen, ſo wird dadurch die Ellipſe, welche jeder dieſer Körper, wenn er allein da wäre, um die Sonne beſchreiben würde, auf das mannigfaltigſte abgeändert. Während z. B. Jupiter durch die Kraft der Sonne in ſeiner großen ellip - tiſchen Bahn um dieſes Geſtirn geführt wird, ſuchen ihn auch alle übrige, beſonders die ihm näher ſtehenden Planeten, Saturn und Mars, durch ähnliche Kräfte immerwährend aus dieſer Bahn heraus zu ziehen. Nach der verſchiedenen Lage und Entfernung der ihn umgebenden Planeten, wird er von denſelben bald zur Sonne hin, bald von ihr weg gezogen; dieſer bewegt ihn auf104Störungen der Planeten überhaupt.ſeinem Wege vor, und jener zurück; dieſer erhebt ihn über, und jener zieht ihn unter ſeine urſprüngliche Bahn. Auf dieſe Weiſe iſt dieſer Planet, und daſſelbe gilt auch von allen übrigen, weit entfernt, eine reine Ellipſe um die Sonne zu beſchreiben, ſondern ſeine Bahn iſt vielmehr eine äußerſt zuſammengeſetzte, eine jeden Augenblick veränderliche krumme Linie, deren nähere Beſtimmung alle Kräfte unſerer Analyſe überſteigt und ſo gut als ganz un - möglich iſt. Dazu kömmt noch, daß die Ecliptik, auf die wir in unſern Rechnungen alle Orte der Planeten beziehen, durch eine ähnliche Wirkung aller Planeten auf die Erde, ſelbſt wieder jeden Augenblick eine andere Lage einnimmt. Durch dieſe Aenderungen, ſo wie durch die bereits oben (I. Kap. XII. ) betrachteten Verän - derungen der Präceſſion und Nutation, wird gleichſam die ganze Sphäre des Himmels erſchüttert, der Anfangspunkt, von dem wir alle Orte der Geſtirne zählen, verrückt, und aus dem letzten dieſer Geſtirne das erſte, aus dem erſten das letzte gemacht, ſo daß an dem Himmel, an welchem wir früher nur Ordnung und Harmonie zu bewundern pflegten, jetzt alles Unordnung und Verwirrung wird, und daß von der großen Karte, die wir uns von demſelben entworfen haben, am Ende auch nicht ein einziger Punkt in Ruhe bleibt, durch welchen wir dieſe nach allen Rich - tungen unter einander verſchlungene Bewegungen feſſeln, und dieſes verworrene Chaos um ſo weniger überſehen können, da wir daſſelbe nicht einmal von einem feſten Standpunkte, ſondern wieder von einer jährlich um die Sonne, und täglich um ſich ſelbſt ſich wälzende Kugel beobachten müſſen, die überdieß ſelbſt wieder von allen Planeten hin und wieder gezogen, und auch noch mit einer Hülle umgeben iſt, welche, die Quelle unzähliger Täuſchun - gen, uns kein einziges dieſer Geſtirne an dem Orte erblicken läßt, welches daſſelbe in der That am Himmel einnimmt.

§. 68. (Schwierigkeit der Beſtimmung derſelben.) Aus dieſem Geſichtspunkte betrachtet, erſcheint uns die Beſtimmung eines einzigen Ortes am Himmel, und überhaupt die ganze Aſtronomie alle menſchlichen Kräfte weit zu überſteigen, und wenn man be - denkt, wie viele Jahrtauſende erfordert wurden, bis der menſchliche Geiſt nur die größte und auffallendſte und ihm zunächſt liegende von allen dieſen Erſcheinungen, die Exiſtenz der doppelten Bewe -105Störungen der Planeten überhaupt.gung ſeiner Erde, erkennen lernte, ſo muß man an der Auflöſung dieſes auf das höchſte verwickelten Problems ſelbſt für alle Folge - zeit beinahe verzagen.

Und doch hat man es gewagt, und glücklich ausgeführt. Dieß muß auch der mit den Mitteln, die zu dieſem Zwecke füh - ren, ganz Unbekannte willig zugeben, da jeder gemeine Kalender unwiderlegliche Beweiſe für dieſe Behauptung liefert. Die Aſtro - nomen berechnen in dieſen Volksbüchern die Finſterniſſe der Sonne und des Mondes auf Sekunden voraus, und Jedermann weiß aus eigener Erfahrung, wie genau ſie zutreffen. Sie haben Jahrhunderte vorher den Augenblick berechnet, wenn auf einer beſtimmten Stelle in Lappland oder auf der Inſel Otaheiti die Venus vor der Sonne erſcheinen wird. Voll Vertrauen in ihre Vorausſagungen hat man Schiffe ausgerüſtet, um dieſe Erſcheinung an dieſen und noch an vielen andern Orten der Erde zu beobach - ten, und das Vertrauen wurde nicht getäuſcht. Kurz, die Sache ſteht jetzt ſo, daß jeder wahre Aſtronom um jeden Preis eine ſichere Wette eingehen kann, daß Jupiter oder irgend ein anderes Geſtirn des Himmels nach einer beſtimmten Anzahl von Jahren zu einer gegebenen Sekunde unter dem Spinnenfaden ſeines heute geſtellten Fernrohrs erſcheinen wird. Wer die Präciſion der heu - tigen aſtronomiſchen Tafeln kennt, wird dieſe Angabe nicht über - trieben finden. Allein wenn dieß ſo iſt, und wie geſagt, kein Aſtronom, der ſeine Wiſſenſchaft näher kennt, kann daran zweifeln, ſo muß auch das oben erwähnte große Problem aufgelöst ſeyn, da ohne daſſelbe dieſe Leiſtungen offenbar unmög - lich wären.

§. 69. (Durch welche Mittel die Berechnung dieſer Störungen erleichtert wird.) Und durch welche Mittel, durch welche Kunſt - griffe iſt es uns möglich geworden, dieſe Aufgabe, die größte und höchſte, die wohl je dem menſchlichen Geiſte gegeben worden iſt, aufzulöſen? Die Leſer werden nicht erwarten, daß ich ſie in das Labyrinth der mathematiſchen Berechnungen einführe, in welchem ſie dem leitenden Faden der Ariadne wohl nur mit Wider - ſtreben folgen würden. Wir wollen uns daher begnügen, nur einige von den Umſtänden anzugeben, durch welche uns, dieſe106Störungen der Planeten überhaupt.unter anderen Verhältniſſen allerdings unüberſteiglichen Hinder - niſſe zu beſiegen, möglich geworden iſt.

§. 70. (I. Große Entfernung der Planeten von uns.) Zuerſt wollen wir bemerken, daß die ungemeine Präciſion, mit welcher die Aſtronomen die Lage der Geſtirne angeben, oft nur ſcheinbar iſt, und daß ſie uns in den meiſten Fällen ſehr ungenau erſcheinen würden, wenn wir ſie, mit dem Maaßſtabe in der Hand, an Ort und Stelle nachmeſſen könnten. Sie werden dieſes ſelbſt ohne Zweifel willig zugeben, wenn wir dafür, der Wahrheit zur Steuer, eben ſo willig zugeſtehen, daß ſie deſſen ungeachtet mit den größten Schwierigkeiten ſiegreich gekämpft, daß ſie ihre Wiſſenſchaft zu dem Stolze des menſchlichen Geiſtes erhoben, und dieſelbe viel weiter gebracht haben, als man von irgend einer andern rühmen kann. Sie können den Ort eines jeden Planeten, auf Jahr - hunderte voraus, bis auf die Genauigkeit der Dicke eines Haares am Himmel beſtimmen. Das ſcheint allerdings eine ſehr große, und iſt auch in der That, wenn man die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten bedenkt, eine bewunderungswürdige Genauigkeit. Aber dieſe Dicke eines Haares, vor unſer Auge gehalten, bis es am reinſten erſcheint, wie viel bedeckt ſie wohl an der Sphäre des Himmels? Das feinſte derſelben wenigſtens zehn Sekunden. Und dieſe zehn Sekunden, wie viel betragen ſie z. B. von dem Umkreiſe der Uranusbahn? Wenigſtens achtzehntauſend Meilen oder mehr als zehnmal den Durchmeſſer unſerer ganzen Erde. Bei dem uns nächſten Fixſtern, wenn er in der That (I. §. 70) vier Billionen Meilen von uns abſteht, würden dieſe zehn Sekunden volle zweihundert Millionen Meilen betragen. Solche Dinge nennen ſie eine Kleinigkeit, und mit Recht, denn ein Fehler von zehn Se - kunden in der Peripherie eines Kreiſes beträgt doch erſt den 129600ſten Theil des Ganzen. Wie viele Dinge ſind aber, ſelbſt unter denen, die uns hier unten zunächſt umgeben, deren Durchmeſſer oder deren Umfang wir bis auf den hunderttauſendſten Theil ihrer Größe kennen? Deſſenungeachtet bleibt es wahr, daß dieſe Größen an ſich ſelbſt ſehr bedeutend ſind, ſo gering ſie uns auch in jenen großen Entfernungen erſcheinen. Und wohl uns, daß ſie uns ſo erſcheinen. Denn wenn wir dieſes Gewirre von zahlloſen Him - melskörpern, gleichſam in einem viele Millionenmal verkleinerten107Störungen der Planeten überhaupt.Modelle, ganz nahe vor unſern Augen hätten, und jede kleine Abweichung der ſo wunderbar unter einander verſchlungenen Be - wegungen mit unſern ſtärkſten Mikroſcopen noch vergrößert ſehen könnten, ſo würde es wahrſcheinlich keinem von uns einfallen, die Geſetze aufzuſuchen, nach welchen alle dieſe Erſcheinungen vor ſich gehen. Dort oben aber, in jenen ungemeſſenen Räumen, zeigen ſich die Veränderungen, welche mit den Himmelskörpern vorgehen, für uns nur in ihren großen, gleichſam in ihren rohen Zügen, daher es uns noch möglich wird, die Hauptmomente derſelben rein aufzufaſſen, ohne uns von dem Detail dieſer Erſcheinungen beirren oder übertäuben zu laſſen. In dieſer Beziehung alſo iſt das Problem, die wahre Bahn eines Planeten unſeres Sonnen - ſyſtems zu beſtimmen, ſo ſchwer es auch an ſich ſeyn mag, doch immer noch unendlich leichter, als die Bahn eines der Millionen Sonnenſtäubchen zu berechnen, die uns in unſerer nächſten Nähe umgeben. Aus dieſer Urſache ſind wir auch in der Phyſik, ſo weit ſich dieſe Wiſſenſchaft nur mit den Körpern der Erde, die wir unmittelbar vor unſern Augen haben, beſchäftiget, viel mehr zurück, als in der Aſtronomie, die es nur mit ſehr entfernten Gegenſtänden zu thun hat. Gar vieles läßt ſich nur gut erkennen, wenn es aus einer gewiſſen Ferne geſehen wird, und das Detail verſteckt nur zu oft die großen Züge des Ganzen. Wenn man mehreren Perſonen ein großes Frescogemälde vorlegte, und ſie daſſelbe nur durch ein ſtarkes Mikroſcop beſähen, ſo würde jeder eine andere Idee davon erhalten, und der eine würde es für ein Haus, der zweite für einen Baum, und ein anderer wohl gar für ein Portrait anſehen. Die Bewohner des Mondes, die fünfzig tauſend Meilen von uns entfernt ſind, und eben dadurch die ganze Erde im Großen überſehen, kannten gewiß Amerika und Neuholland lange vorher, ehe ſie von uns, die wir doch die Erde ſo nahe haben, entdeckt wurden, und daß die Erde eine Kugel iſt, die ſich täglich um ſich ſelbſt dreht, mußten ſie lange vorher, ehe Copernicus es finden konnte, auf den erſten Blick geſeh[e]n haben.

Allein dieß iſt nicht die einzige Urſache, durch welche uns die Auflöſung jenes großen Problems möglich geworden iſt. Es gibt vielmehr noch mehrere beſondere Eigenthümlichkeiten unſeres108Störungen der Planeten überhaupt.Sonnenſyſtems, die uns jene Auflöſung ungemein erleichtern, und es ſcheint beinahe, als hätte die gegen uns auch ſonſt ſo gütige Natur dieſe Einrichtungen abſichtlich getroffen, um den ſchwachen Kräften der Menſchen nachzuhelfen, und den Beſſeren von ihnen die Freude zu machen, wenigſtens einige von ihren Geheimniſſen zu enthüllen.

§. 71. (II. Große Maſſe der Sonne gegen die der Planeten.) Alle die Ungleichheiten der Bewegung, welche durch die Anziehung der Planeten unter ſich entſtehen, ſind doch immer nur ſehr klein gegen die eigentlich elliptiſche Bewegung derſelben, welche letzte bloß von der Anziehung der Sonne kömmt, und von welcher jene erſten nur gleichſam als geringe Unregelmäßigkeiten zu betrachten ſind, die man daher auch die Störungen oder die Perturba - tionen der elliptiſchen Bewegung zu nennen pflegt. Wir haben oben (§. 43) geſehen, daß alle himmliſche Körper ſich im geraden Verhältniſſe ihrer Maſſe, und im verkehrten des Quadrates ihrer Entfernung anziehen. Wenn nun z. B. Jupiter zu einer Zeit von der Sonne eben ſo weit als Saturn entfernt iſt, ſo würde er, wenn die Maſſe Saturns eben ſo groß wäre, als die der Sonne, von dieſen beiden Körpern gleich ſtark angezogen werden, und die Folge davon würde eine ſehr große Störung, eine totale Umänderung ſeiner Bewegung und ſeiner Bahn ſelbſt ſeyn. Allein die Maſſe Saturns iſt noch nicht einmal der dreitauſendſte Theil von jener der Sonne, und in eben dieſem Verhältniſſe ſteht alſo auch die Anziehung, welche er und die Sonne auf Jupiter aus - üben, wenn beide gleich weit von dieſem Planeten entfernt ſind. Ja ſelbſt die Maſſen aller Planeten unſeres Syſtems zu - ſammen genommen, betragen noch nicht den achthundertſten Theil der Sonnenmaſſe, und ſie können daher, auch wenn ſie alle in einem einzigen Punkte vereiniget wären, die Hauptwirkung, welche jede derſelben von der Sonne erhält, nur unbedeutend abändern. Durch dieſe Einrichtung hat unſer Planetenſtaat eine ſtreng mo - narchiſche Geſtalt erhalten, in welcher die Gewalt des Regenten über die eines jeden, auch des mächtigſten Unterthanen viel zu weit vorherrſcht, und in welcher jede Unordnung, jeder kleine Ungehorſam ſofort wieder unter die Herrſchaft des großen Ge - ſetzes zurückgebracht wird, das unmittelbar von dem Monarchen109Störungen der Planeten überhaupt.ſelbſt ausgeht, der die legislative und executive Gewalt in ſich vereinigt, und mit Fug und Recht, weil er an Maſſe, die dort die Stelle der Geiſteskraft vertritt, die aller ſeiner Unterthanen über achthundertmal übertrifft. Dieſe Einrichtung unſeres Pla - netenſyſtems ſcheint ein charakteriſtiſches Kennzeichen, nicht bloß im Ganzen, ſondern auch in den einzelnen Theilen deſſelben zu ſeyn. In der That iſt die Ungleichheit der Stände in dieſem Staate ſo auffallend, daß wir hier unten, ſo bunt es auch zu - weilen zugehen mag, kaum etwas ähnliches aufzuweiſen haben werden, und doch bemerkt man in demſelben ſeit Jahrtauſenden keine bedeutende Unordnung, indem auch die mächtigſten Unter - thanen denſelben Gehorſam gegen ihren gemeinſchaftlichen Herr - ſcher äußern, den ſie wieder mit derſelben Strenge von ihren Untergebenen fordern, und mit demſelben Rechte, kann man hin - zuſetzen, da auch ſie wieder an innerer Kraft ihre Unterthanen oft eben ſo weit übertreffen, als ſie ſelbſt alle zuſammen von dem Autokraten des ganzen, großen Reiches übertroffen werden. Unſere Erde bildet mit ihrem Monde einen ſolchen kleinen Staat im Staate, ſie führt ihn auf ihrer weiten Reiſe um die Sonne als ihren Diener in ſchweigendem Gehorſam mit ſich, aber ihre Maſſe übertrifft auch die ihres Begleiters mehr als ſiebenzigmal. Jupiter wird auf ſeiner noch viel größeren Bahn von vier ſolcher Diener begleitet, die aber alle zuſammen noch nicht den zehn - tauſendſten Theil der Maſſe ihres Herrn beſitzen. Auf eine ähn - liche Weiſe verhält ſich Uranus zu ſeinen ſechs, und Saturn zu ſeinen ſieben Satelliten, obſchon wieder mehrere derſelben ſelbſt manchen Hauptplaneten, wie z. B. Merkur, an Maſſe übertreffen. Auf dieſe Weiſe werden alſo dieſe Monde gezwungen, die Ober - herrſchaft ihrer Hauptplaneten, und dieſe wieder, die alles über - wiegende Macht der Sonne anzuerkennen.

§. 72. (III. Kleine Excentricitäten und Neigungen der Pla - netenbahnen.) Aber dieſer günſtige Umſtand würde doch noch nicht hinreichen, die hieher gehörenden Rechnungen ausführbar zu machen, wenn ſich nicht noch mehrere andere zu demſelben Zwecke vereinigten. Wenn z. B. alle Planetenbahnen vollkommene Kreiſe wären, ſo würde weder die große Axe, noch die Excentricität der - ſelben irgend eine Störung erleiden. Wenn aber, wie dieß in110Störungen der Planeten überhaupt.der That der Fall iſt, dieſe Bahnen Ellipſen ſind, ſo ſieht man leicht, daß die Störungen der Planeten, welche in ſolchen Bahnen einhergehen, im Allgemeinen deſto größer ſeyn werden, je mehr dieſe Ellipſen von Kreiſen abweichen, oder je größer ihre Excen - tricitäten ſind. Wenn z. B. die Bahn Jupiters, des größten aller Planeten, eine Excentricität gleich der Hälfte ihrer großen Halbaxe hätte, ſo würden dadurch nicht nur dieſe Bahn ſelbſt, ſondern auch die ihr nahe liegenden der andern Planeten ſehr große Störungen erleiden, die am Ende eine Umänderung unſeres ganzen Sonnenſyſtems hervorbringen könnten. Allein die Jupitersbahn iſt weit entfernt, eine für das Ganze ſo ver - derbliche Geſtalt zu haben, da ihre Excentricität noch nicht der fünfhundertſte Theil ihrer Halbaxe iſt. Selbſt die Merkursbahn, die unter den Bahnen der älteren Planeten am meiſten abge - plattet iſt, hat eine Excentricität, die nur den fünften Theil ihrer Halbaxe beträgt, und nahe daſſelbe bemerkt man auch bei den beiden neuen Planeten Pallas und Juno. Dieſe drei Planeten ſind überdieß alle ſehr klein, und der erſte iſt noch der Sonne ſo nahe, daß ſich von ihnen keine bedeutende Störungen befürchten laſſen.

Eben ſo iſt es mit den Neigungen der Bahnen gegen die Ecliptik. Wenn alle dieſe Bahnen genau in der Ecliptik lägen, ſo würden ſie unter ſich ſelbſt die Lagen dieſer Bahnen offenbar gar nicht, alſo auch im Gegentheile deſto mehr verrücken, unter je größeren Winkeln ſie gegen einander geneigt wären. Allein auch dieſer Fall hat in unſerm Planetenſyſteme nicht ſtatt, wo alle ältere Planetenbahnen höchſtens einen Winkel von drei Graden unter einander bilden, wieder Merkur und die neueren Planeten ausgenommen, von welchen der erſte eine Neigung von ſieben, und Pallas ſogar eine von fünfunddreißig Graden hat, die aber deſſenungeachtet aus der bereits angegebenen Urſache keinen ſchädlichen Einfluß auf die übrigen Planeten äußern können.

§. 73. (IV. Große Entfernungen der Planeten unter einander.) Endlich ſind auch die Räume, welche die Planeten von einander trennen, ſo ungemein groß gegen dieſe Körper ſelbſt, daß die An - ziehung, welche ſie gegen einander ausüben, ſchon aus dieſem Grunde allein nicht anders als ſehr gering ſeyn kann. Die ſo111Störungen der Planeten überhaupt.weit präponderirende Maſſe der Sonne, die kleinen Excentricitä - ten und Neigungen der Planetenbahnen, und die großen Diſtanzen endlich, in welchen dieſe Körper ſich bewegen, alle dieſe Umſtände ſind eben ſo viele Urſachen, warum die Störungen, welche die Planeten von einander leiden, an ſich ſelbſt immer nur ſehr gering ſind, und uns überdieß wegen ihrer großen Entfernungen von uns noch geringer erſcheinen. Durch dieſe günſtigen Verhältniſſe iſt es uns alſo möglich geworden, die Auflöſung jenes großen Problems, der Beſtimmung dieſer Störungen durch unmittelbare Berechnung, zu Ende zu führen, aber, wie man ſchon aus dieſen Hülfsmitteln ſelbſt ſieht, nicht die ſtrenge, allgemeine, ſondern nur eine genäherte Auflöſung des Problemes, aber doch auch ſo weit genähert, als es nur immer von dem gegenwärtigen Zuſtande der Analyſis und der Beobachtungskunſt ſelbſt gefordert werden kann. Da es nämlich, auch unter dieſen günſtigen Verhältniſſen, noch immer unmöglich wäre, die wahren Werthe dieſer Störungen in ſogenannten geſchloſſenen analytiſchen Ausdrücken anzugeben, ſo hat man dieſelben, was viel leichter iſt, und in allen Fällen an - geht, in unendliche Reihen entwickelt, welche nach den natür - lichen Potenzen der ſtörenden Maſſen, der Excentricitäten und Neigungen fortſchreiten. Da aber dieſe drei Größen, wie ſo eben gezeigt worden iſt, ſehr klein ſind, ſo werden auch die Glieder dieſer Reihen immer kleiner, je weiter man in ihnen fortgeht, und man kann ſich in den meiſten Fällen, ohne einen merkbaren Fehler, mit dem erſten, oder doch mit den beiden erſten dieſer Glieder begnügen.

Bemerken wir noch den hier ſehr weſentlichen Umſtand, daß die Planeten alle ſehr nahe die Geſtalt einer Kugel haben, und daß das Newton’ſche Geſetz die ihm ausſchließend zukommende Eigenſchaft hat, daß jede Kugel alle außer ihr befindliche Körper genau ſo anzieht, als ob die ganze Maſſe dieſer Kugel in ihrem Mittelpunkte vereiniget wäre. Dadurch wird die Berechnung der gegenſeitigen Störungen der Planeten auf die von einzelnen Punkten zurückgeführt, da man ſonſt auch auf die Geſtalt derſelben Rückſicht nehmen müßte, wodurch die Auflöſung unſeres Problems, ſelbſt unter allen den oben erwähnten Erleichterungen, für unſere Kräfte unmöglich geworden wäre.

112Störungen der Planeten überhaupt.

§. 74. (V. Abgeſonderte Betrachtung dieſer Störungen.) Ja ſelbſt unter dieſer Geſtalt würden die Berechnungen der Stö - rungen, die jeder Planet von allen übrigen erleidet, ſehr ſchwer, und ſelbſt für den geübteſten und geduldigſten Rechner beinahe unausführbar ſeyn, wenn man in der That alle dieſe Störungen auf einmal beſtimmen ſollte. Um z. B. die Perturbationen, welche die Erde von den übrigen Planeten in jedem Augenblicke erleidet, zu beſtimmen, ſollte man, wenn man nach aller Strenge verfahren wollte, zuerſt die Störungen kennen, welche jeder dieſer die Erde ſtörenden Planeten wieder von allen übrigen, die Erde ſelbſt mit ein - geſchloſſen, in dieſem Augenblicke erfährt. Allein da, wie geſagt, dieſe Störungen alle nur gering ſind, ſo kann man ſich, ohne Nachtheil zu befürchten, erlauben, nur diejenigen Perturbationen zu beſtimmen, welche jeder einzelne Planet von jedem anderen einzelnen Planeten unſeres Sonnenſyſtems unter der Vorausſetzung erleidet, daß dieſer andere Planet ſelbſt nicht weiter in ſeiner Bahn geſtört werde, ſondern bloß in ſeiner reinen elliptiſchen Bewe - gung um die Sonne gehe. Auf dieſe Weiſe iſt unſer Problem eigentlich dahin gebracht, daß man nur immer drei Körper auf einmal betrachtet, nämlich die Sonne, den ſtörenden, und den von ihm geſtörten Planeten, und ſo iſt das berühmte Problem der drei Körper entſtanden, das größte und ſchwerſte, das viel - leicht je der menſchliche Geiſte erörterte, und deſſen bloß genä - herte Auflöſung ſeit Newton, der es zuerſt aufgeſtellt und wenigſtens in ſeinen vorzüglichſten Theilen gelöst hat, von den vorzüglichſten Geometern und Aſtronomen, D’Alembert, Euler, Laplace, Lagrange u. a. verſucht, und erſt in unſern Tagen zu einem Grade der Vollkommenheit ausgebildet wurde, die wohl nur wenig mehr zu wünſchen übrig läßt.

§. 75. (Ueber Wahrheit und Annäherung zu derſelben.) Wenn es aber den Aſtronomen, aller ihrer Anſtrengungen ungeachtet, bisher doch nur gelungen iſt, von dieſer wichtigſten Aufgabe ihrer Wiſſenſchaft bloß eine genäherte Auflöſung zu geben muß man da nicht beſorgen, daß dieſe Wiſſenſchaft, die man doch ſo oft die Königin aller andern nennen hört, noch ſehr unvollkom - men, und noch weit von der Vollendung entfernt iſt, die ſie allein zu der Annahme einer ſolchen Benennung berechtigen könnte? 113Störungen der Planeten überhaupt.Es iſt möglich, daß die mathematiſche Analyſe, wenn ſie gleich den menſchlichen Geiſt auf jene höchſte Stufe der Erkenntniß ge - ſtellt hat, die irdiſche Weſen unſerer Art überhaupt noch einnehmen können, es iſt möglich, daß auch ſie faſt nichts als Stückwerk und ein höchſt unvollkommenes Spielzeug, eine bemitleidenswerthe Krücke iſt, mit welcher wir uns auf unſerem Wege zur Wahrheit mühſam genug fortſchleppen, und auf die vielleicht ein höherer Geiſt, der dieſer Hülfsmittel nicht bedarf, nur mit Lächeln herab - ſieht. Aber dieſes Mittel, ſo unvollkommen es auch an ſich ſelbſt ſeyn mag, hat uns doch dahin gebracht, die Bewegungen der Planeten mit derſelben Genauigkeit zu berechnen, mit welcher wir ſie mit unſern vollkommenſten Inſtrumenten beobachten können; es hat dieſe Rechnungen mit den Beobachtungen in eine Ueber - einſtimmung, in eine Harmonie gebracht, deren ſich keine andere Wiſſenſchaft erfreut; es hat uns endlich alle Erſcheinungen des Himmels, ſo verwickelt ſie auch ſeyn mögen, nicht nur die unſerer Tage, die wir ſelbſt beobachten können, ſondern auch die der längſt verfloſſenen Jahrhunderte in ihren erſten Urſachen ent - ſchleyert, und uns ſelbſt bei den künftigen Beobachtungen unſerer Nachfolger verweilen laſſen, um Phänomene zu beſtimmen, die ſich erſt in der ſpäten Folgezeit zutragen werden, und die wir jetzt mit Gewißheit vorausſagen können, obſchon ſie uns, ohne dieſes Hülfsmittel, ohne dieſes Fernrohr unſeres geiſtigen Auges, viel - leicht ewig verborgen geblieben wären.

Uebrigens, wer von uns dieſe Annäherung zur Wahrheit ver - ſchmäht, wer Wahrheit, reine Wahrheit ſelbſt fordert in wel - cher anderen menſchlichen Erkenntniß kann er ſich des Beſitzes dieſes Kleinods rühmen? Alle unſere ſogenannten menſchlichen Wahrheiten, was ſind ſie anders, als Annäherungen und oft noch ſehr unvollkommene Annäherungen zu einem Ziele, das noch kein Sterblicher erreicht hat. Man pflegt gewöhnlich die Mathematik anzuführen, um zu beweiſen, daß uns wenigſtens in Einem Felde unſeres Wiſſens, die Erkenntniß der Wahrheit nicht verſagt ſeyn ſoll. Allein, ohne von den erſten Grundſätzen zu ſprechen, auf denen doch das ganze Gebäude dieſer Wiſſenſchaft errichtet iſt, ſind die Mittel, deren ſie ſich bedient, ihre ſogenannten Wahr -Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 8114Störungen der Planeten überhaupt.heiten zu finden, ſind die Zahlen ſelbſt, mit denen wir rechnen, etwas anderes, als bloße Annäherung zu den wahren Zahlen, mit denen wir gerne rechnen möchten, ohne es zu können? Wel - ches ſind z. B. die Zahlen, die, mit ſich ſelbſt multiplicirt, zwei oder drei geben? Wir wiſſen es nicht. Wir können ſie wohl, aber nur näherungsweiſe, angeben; ſie ſelbſt erreichen aber können wir nie. Unſere größten und beſten Logarithmen-Tafeln, dieſel - ben, welche die Aſtronomen bei allen ihren Rechnungen brauchen, und welche auch Andere brauchen würden, wenn ſie ihren eige - nen Vortheil beſſer verſtünden, dieſe Tafeln enthalten über viermal - hunderttauſend Zahlen, und von ihnen allen ſind kaum zwanzig richtig oder völlig genau bekannt, während alle andern bloß an - nähernd, bloß beinahe wahr ſind, und doch beruhen auf ihnen alle unſere Berechnungen des Himmels und der Erde.

Nachdem wir ſo die Störungen, welche die Planeten von ihrer gegenſeitigen Anziehung erleiden, im Allgemeinen betrachtet haben, wollen wir nun die merkwürdigſten derſelben etwas näher unterſuchen.

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Kapitel VI. Periodiſche Störungen.

§. 76. (Zwei Klaſſen dieſer Störungen.) Die Anziehung, welche die Planeten unter einander erleiden, wird ſich zunächſt in den Orten dieſer Körper ſelbſt äußern, indem ſich dadurch die Längen und Breiten (I. S. 32) ſo wie die Entfernungen derſelben von der Sonne, alſo auch von der Erde ändern. Dieſe Störungen werden aber offenbar nur von den Orten der beiden Planeten in ihren Bahnen, oder von ihren gegenſeitigen Stellungen abhängen, und da dieſe Stellungen nach einigen Umläufen beider Planeten immer wieder dieſelben ſeyn müſſen, ſo werden auch die davon abhängigen Störungen in beſtimmten Perioden wiederkehren, aus welcher Urſache man ſie auch die periodiſchen Störun - gen genannt hat.

Allein man ſieht leicht, daß dieſe, bloß von ihren gegenſeitigen Stellungen abhängenden Aenderungen der Planeten in ihren Bah - nen endlich auch auf dieſe Bahnen ſelbſt einen Einfluß äußern, und daß dadurch die Geſtalt, die Lage, und vielleicht ſelbſt die Größe dieſer Bahnen Aenderungen erleiden werden. Dieſe Aen - derung der Jupitersbahn z. B. in jeder gegebenen Zeit wird aber nicht mehr, wie zuvor von der Stellung der dieſem Planeten zu - nächſt ſtehenden Mars oder Saturn in derſelben Zeit, ſondern ſie8 *116Periodiſche Störungen.wird vielmehr von dem Complex aller Stellungen der auf Ju - piter wirkenden Planeten ſeit mehreren Jahrhunderten, von der Lage aller übrigen Planetenbahnen gegen die Jupitersbahn ab - hängen. Dieſe Lagen ſind nun, wie wir bald näher ſehen werden, ebenfalls veränderlich, und ſelbſt in gewiſſen obgleich ſehr langen Zeiträumen, wiederkehrend, daher alſo auch dieſe Störungen, die ſich nicht auf den geſtörten Planeten ſelbſt, ſondern nur auf die Elemente ſeiner Bahn beziehen, zwar auch im Allgemeinen in Perioden, aber in ſehr lange, mehrere Jahrtauſende umfaſſende Perioden eingeſchloſſen ſind, und aus dieſer Urſache, zum Unter - ſchiede mit den zuerſt betrachteten, ſäculäre Störungen ge - nannt werden.

Beide Gattungen von Perturbationen haben die Aſtronomen durch Rechnungen, von welchen wir hier keine nähere Anzeige geben können, entwickelt, und dadurch den Planetentafeln eine Genauigkeit gegeben, die bis auf wenige Sekunden mit den beſten Beobachtungen übereinſtimmt, während man früher, wo man dieſe Störungen noch nicht kannte, oft viele Minuten und ſelbſt ganze Grade von Unterſchieden zwiſchen der Theorie und der Beobach - tung gefunden hatte. Auf dieſe Weiſe iſt es ihnen gelungen, die verwickelten Erſcheinungen des Himmels mit einer ſie ſelbſt über - raſchenden Präciſion darzuſtellen, und alle ohne Ausnahme aus dem einzigen und einfachen Geſetze der allgemeinen Schwere ab - zuleiten. Denn weit entfernt, dieſe Störungen, wie ihre Benen - nung zu ſagen ſcheint, als Ausnahmen von der allgemeinen Regel oder als wahre Unordnung des Sonnenſyſtems zu betrachten, iſt vielmehr jede derſelben nur eine neue Beſtätigung jenes großen Geſetzes geworden, dem alle Körper des Himmels, ſelbſt in ihren ſcheinbaren Abweichungen von demſelben, in ſtiller Unterwerfung gehorchen.

§. 77. (Periodiſche Störungen des Mondes.) Wir wollen nun zuerſt die periodiſchen Störungen der Planeten, und unter ihnen beſonders die des Mondes betrachten, weil dieſe uns zu - nächſt angehen, und ſich durch ihre Größe vor allen andern aus - zeichnen, daher auch mehrere von ihnen ſelbſt von den alten Griechen ſchon bemerkt worden ſind, obſchon es ihnen unmöglich war, die Urſache derſelben anzugeben.

117Periodiſche Störungen.

Die elliptiſche Bahn der Erde, und der Ort der Erde ſelbſt in dieſer Bahn wird von den ſie zunächſt umgebenden Planeten nur ſehr wenig geſtört. Im ungünſtigſten Falle kann dieſer Ort der Erde in ſeiner Bahn nur um 40 Sekunden, und ihre Ent - fernung von der Sonne kaum um den zehntauſendſten Theil ihrer mittleren Diſtanz von derſelben verrückt werden. Die Urſache davon liegt, wie bereits im vorhergehenden Kapitel bemerkt wurde, vorzüglich in den geringen Maſſen der ſtörenden Planeten, und in den großen Entfernungen, in welchen ſie von der Erde abſtehen. Eben ſo gering, ja noch viel geringer ſind alſo auch die Störungen, welche der Mond von denſelben Planeten erleidet, von welchen er, als der beſtändige Begleiter der Erde, im Mittel immer nahe eben ſo weit entfernt iſt, als ſie ſelbſt. Aber mit der Sonne verhält es ſich ganz anders. Der Mond bewegt ſich nämlich in einer Ellipſe, in deren einem Brennpunkte die Erde iſt, er bewegt ſich alſo eigentlich um die Erde, und wenn außer dieſer Erde kein anderer Himmelskörper mehr groß genug oder auch nahe genug wäre, um durch ſeinen Einfluß dieſe Be - wegung des Mondes zu verändern, ſo würde auch der Mond un - geſtört in ſeiner elliptiſchen Bahn um die Erde gehen. Die Sonne iſt nun zwar nahe 400mal weiter, als der Mond, von der Erde entfernt, aber ihre Maſſe iſt dafür auch (§. 48) über 300000mal größer, als die der Erde, und dieſe ungeheuere Prä - potenz iſt die Urſache, daß die Wirkung der Sonne auf die Be - wegung des Mondes, ihrer großen Entfernung ungeachtet, noch ſo bedeutend iſt, daß ſie den Ort des Mondes in ſeiner Bahn um die Erde um mehr als zwei Grade verrücken kann. Eigent - lich iſt es nicht die Erde, ſondern der gemeinſchaftliche Schwer - punkt der Erde und des Mondes, der in der Zeit eines Jahres ſeine elliptiſche Bahn um die Sonne zurücklegt. Wenn man zwei in ihrer Größe ſehr ungleiche Kugeln durch einen Stab verbindet, an dem gemeinſchaftlichen Schwerpunkt derſelben ein Band befeſtiget, und das ganze, gleich einer Schleuder, um die Hand bewegt, ſo hat man ein Bild von dieſer Bewegung des Mondes um die Erde, und mit dieſer zugleich um die Sonne, nur mit dem Unterſchiede, daß hier die beiden Kugeln, die Erde und der Mond, an Größe ſo ſehr verſchieden ſind, daß der118Periodiſche Störungen.Schwerpunkt des ganzen Syſtems ſehr nahe zu dem Mittelpunkte, und noch in den Körper der Erde ſelbſt fällt. Die Sonne iſt, wie geſagt, vierhundertmal weiter von der Erde entfernt, als der Mond in ſeiner mittleren Diſtanz von der Erde abſteht. Alſo iſt auch die Diſtanz der Sonne von dem Monde zuweilen 1 / 400mal kleiner, und zuweilen wieder eben ſo viel größer, als die Diſtanz der Sonne von der Erde. So wenig dieß ſcheint, ſo hat es doch, wie wir ſehen werden, einen ſehr großen Einfluß auf die Bewe - gung des Mondes. Dazu kömmt noch, daß die Richtung der Bewegung des Mondes bald zur Sonne hin, bald von ihr weg gewendet iſt, wodurch die Geſchwindigkeit dieſes Satelliten bald vergrößert, bald wieder vermindert wird, ſo daß alſo, durch dieſe Störungen der Sonne, die Entfernung des Mondes ſowohl, als auch die Größe und Richtung ſeiner Bewegung oft beträchtlich verändert werden kann.

§. 78. (Evection.) Unter dieſen Störungen des Mondes durch die Sonne, ſind beſonders die merkwürdig, welche dieſer Satellit in ſeiner Länge erleidet. Da die Excentricität ſeiner Bahn ſo beträchtlich iſt, ſo kann ſchon die Gleichung der Bahn (I. §. 141) auf mehr als ſechs Grade gehen, wodurch daher ſelbſt die rein elliptiſche Bewegung des Mondes um die Erde, ſelbſt ohne Zuthun der Sonne, ſehr ungleichförmig wird. Allein durch die Wirkung der Sonne werden noch viele andere Ungleichheiten eingeführt, von welchen die größte, unter dem Namen der Evec - tion bekannte, ſchon von Ptolemäus (130 Jahre nach Chr. G.) entdeckt wurde. Durch dieſe Störung iſt die Länge des Mondes in den Syzygien, d. h. zur Zeit des Neu - und Voll - mondes immer größer, als ſie nach der rein elliptiſchen Bewe - gung ſeyn ſoll, während ſie wieder zur Zeit der beiden Quadra - turen um dieſelbe Größe, d. h. um nahe 1,27 Grade zu klein iſt. Nennen wir der Kürze wegen A die Differenz der Länge des Mondes und der Sonne, B die mittlere Anomalie (I. S. 279) des Mondes, und C die mittlere Anomalie der Sonne, ſo läßt ſich die Evection durch das Produkt von 1,27 in den Sinus von 2 A B ausdrücken. In den Syzygien iſt A gleich 0 oder 180, in den Quadraturen aber iſt A gleich 90 oder 270°, alſo iſt dort die Evection negativ, und am größten, während ſie hier ihren119Periodiſche Störungen.größten poſitiven Werth erreicht. Man ſieht daraus zugleich, daß die Evection eine Periode von 31,8 Tagen hat, in welcher Zeit ſie alle ihre Veränderungen regelmäßig durchlauft. Die alten Griechen vor Ptolemäus beobachteten den Mond nur zur Zeit der Finſterniſſe, d. h. in den Syzygien, wo der vorherge - hende Ausdruck gleich 1,27° Sin. B wird, wenn B, wie zuvor, die mittlere Anomalie des Mondes bezeichnet. Allein ganz dieſelbe Form hat auch die Gleichung des Mittelpunkts (I. §. 141), und dieß iſt die Urſache, warum jene alte Aſtronomen die Gleichung der Mondsbahn um 1,27° zu klein, oder warum ſie die Monds - bahn in ihrer Geſtalt einem Kreiſe viel näher angenommen haben, als ſie in der That iſt. Ptolemäus oder vielleicht ſchon Hipparch (140 Jahre vor Chr. G.), deſſen Arbeiten Ptolemäus benützte, beobachtete den Mond auch zur Zeit ſeiner Quadraturen, wo die Länge deſſelben, vermöge der Evection, größer erſcheint, als ſie ſeyn ſoll, da ſie doch in den Syzygien kleiner war. Weil er dieſe, wenn auch nur ſcheinbaren Widerſprüche weder vereinigen, noch erklären konnte, ſo nahm er die Excentricität der Mondsbahn veränderlich an, indem er vorausſetzte, daß ſie ſich zur Zeit der Neu - und Vollmonde mehr zu einem Kreiſe abrunde, zur Zeit der Quadrat[u]ren aber zu einer ſehr länglichen Ellipſe ausdehne. Eine Vorausſetzung, die nicht gegründet iſt, und die man auch ſofort verwarf, als man die wahre Urſache der Evection in der Störung des Mondes durch die Sonne kennen gelernt hatte.

Wir werden unten ſehen, daß die große Axe der Mondsbahn, oder daß die Abſidenlinie dieſer Bahn eine ſehr ſchnelle Bewegung am Himmel hat, ſo daß ſie ihren Ort während der Zeit eines Jahres um mehr als 40 Grade ändert. Wenn nun dieſe Abſiden zu irgend einer Zeit mit den Quadraturen zuſammen fallen, ſo wird dadurch, wie eine einfache Rechnung zeigt, die Centralkraft der Erde, für die ganze Bahn des Mondes, durch die Sonne weniger verändert, als ſonſt der Fall iſt. Geht daher der Mond von der Erdnähe zur Erdferne, ſo wird er ſich dabei weniger von der Erde entfernen, als er ſonſt gethan haben würde, d. h. ſeine Excentricität wird kleiner erſcheinen. Geht er aber von der Erd - ferne zur Erdnähe über, ſo wird er, da er ſchwächer, als es die reine Ellipſe fordert, von der Erde angezogen wird, in der Erd -120Periodiſche Störungen.nähe ſich weiter von der Erde entfernen, und die kleinſte Entfer - nung wird gegen die mittlere größer, d. h. ſeine Excentricität wird wieder kleiner erſcheinen.

Wenn aber für eine andere Zeit die Abſiden mit den Syzy - gien zuſammen fallen, ſo ändert ſich, wie durch dieſelbe Rechnung gezeigt werden kann, die Centralkraft der Erde mehr, als in allen andern Fällen, woraus daher, durch Wiederholung derſelben Schlüſſe, folgt, daß dann die Excentricität der Mondsbahn größer erſcheinen muß. Als Endreſultat alles Vorhergehenden werden wir alſo annehmen, daß die Excentricität, oder was daſ - ſelbe iſt, die Gleichung des Mittelpunktes der Mondsbahn am größten erſcheint, wenn die Abſiden in die Syzygien, und am kleinſten, wenn ſie in die Quadraturen fallen, und das iſt es, worauf die eigentliche Erklärung der Evection beruht.

§. 79. (Variation.) Die zweite große Ungleichheit der Mondslänge heißt die Variation. Sie kann ſich bis auf 0,65 Grade erheben, und hat dieſen ihren größten Werth in den vier Punkten, die zwiſchen den Syzygien und Quadraturen in der Mitte liegen, das heißt, in den vier Octanten, während ſie in den Syzygien und Quadraturen ſelbſt verſchwindet. Ihr Aus - druck iſt 0°,65 Sin 2 A, wo wieder A gleich der Länge des Mon - des weniger jener der Sonne iſt. Daraus folgt zugleich, daß die Periode dieſer Störung gleich 14,76 Tagen, oder gleich einem halben ſynodiſchen (I. §. 98) Monat iſt.

Es läßt ſich nämlich durch eine einfache Rechnung, die wir aber hier, unſerem Zwecke gemäß, nicht näher anführen wollen, leicht zeigen, daß die Tangentialkraft (vergl. §. 63) des Mondes im Allgemeinen, in den Syzygien am größten, und in den Qua - draturen am kleinſten iſt, und daß ſie daher in den Octanten in ihrem mittleren Werthe ſeyn muß, woraus dann unmittelbar folgt, daß die Geſchwindigkeit des Mondes im erſten und dritten Quadranten von A, durch die Wirkung der Sonne vermindert, im zweiten und vierten Quadranten aber vermehrt wird, was mit der erwähnten Erſcheinung der Variation unmittelbar im Zuſam - menhange ſteht.

§. 80. (Jährliche Gleichung des Mondes.) Eine dritte be - trächtliche Störung des Mondes durch die Sonne, die jährliche121Periodiſche Störungen.Gleichung, iſt ebenfalls ſchon von Tycho entdeckt worden. Ihr Ausdruck iſt 0°,19 Sin C, wenn C die mittlere Anomalie (I. §. 140) der Sonne bezeichnet. Dieſe Gleichung zeigt, daß dadurch die Länge des Mondes in den erſten ſechs Monaten des Jahrs ver - mindert, in den andern aber um eben ſo viel vermehrt wird. Zur Zeit der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne, d. h. im Anfange des April und Oktober verſchwindet dieſe Störung, deren Periode ſonach gleich der Länge unſeres Jahres iſt.

Man kann nämlich durch einige einfache geometriſche Be - trachtungen leicht zeigen, daß die Centralkraft (§. 63), welche die Erde auf den Mond ausübt, daß alſo auch die elliptiſche Bewe - gung dieſes Satelliten, durch die Sonne in den Quadraturen um ihren 1 / 182ſten Theil vermehrt, und in den Syzygien nahe um das Doppelte, alſo um ihren 1 / 91 Theil vermindert, alſo im Ganzen mehr verkleinert als vergrößert, d. h. überhaupt verkleinert werde. Dieſe im Allgemeinen conſtante Verminderung der Cen - tralkraft der Erde vertheilt ſich aber in ihrer Wirkung über die ganze Bahn des Mondes, und iſt, in ſeinem vorzüglichſten Gliede, dem Coſinus des Winkels C proportional. Wenn aber die Cen - tralkraft abnimmt, ſo nimmt auch die Geſchwindigkeit des Mon - des ab, und zwar um eine Größe, die dem Sinus deſſelben Winkels proportional iſt, woraus die Erklärung der jährlichen Gleichung des Mondes von ſelbſt folgt.

Dieß ſind die drei vorzüglichſten Störungen der Längen des Mondes. Ihre beträchtliche Größe und die kurzen Zeiträume, in welchen ſie wiederkehren, ſind die Urſache, warum ſie ſchon von unſeren Vorgängern, ihrer unvollkommenen Inſtrumente unge - achtet, gefunden wurden, obſchon ihre wahre Erklärung erſt nach der Entdeckung des Geſetzes der allgemeinen Schwere und der Auflöſung des Problems der drei Körper (§. 74) gegeben werden konnte.

§. 81. (Mondsſtörungen von langer Periode.) Allein es gibt noch eine große Anzahl anderer Störungen, die in der That viel kleiner ſind, als jene, deren Kenntniß uns aber doch unentbehrlich war, wenn wir die Bewegung des Mondes genau darſtellen, und dieſelbe zur Beſtimmung der geographiſchen Länge, beſonders auf dem Meere, mit Vortheil anwenden ſollten. Die Theorie dieſer122Periodiſche Störungen.Störungen gab uns ſehr bald die allgemeine Form dieſer Glei - chungen, allein die abſolute Größe derſelben ließ ſich noch vor wenig Jahren nicht gut anders, als auf praktiſchem Wege be - ſtimmen. Erſt in unſeren Tagen iſt es den Aſtronomen gelungen, die Tafeln des Mondes auf eine ähnliche Weiſe, wie man bisher bei den Planeten gethan hat, aus den bloßen Elementen (I. §. 142) der Mondsbahn zu entwickeln, welche letzte unmittelbar aus den Beobachtungen genommen wurde, während alles andere der reinen Theorie anheim fiel. Auf dieſe Weiſe ſind die Mondstafeln von Damoiſeau entſtanden, die ſo genau mit dem Himmel überein - ſtimmen, daß wohl nur wenig mehr zu wünſchen und unſeren Nachfolgern hinzuzufügen übrig bleiben mag.

Unter dieſen kleineren Störungen des Mondes von der Sonne hat Laplace, dem wir die gegenwärtige Vollkommenheit der Theo - rie dieſes Satelliten vorzüglich verdanken, einige beſonders merk - würdige gefunden, die hier eine nähere Anzeige verdienen. Die erſte derſelben, die in ihrem größten Werthe nur 14 Sekunden beträgt, hat eine ſehr lange Periode von nahe 184 Jahren. Nicht einmal die Exiſtenz, viel weniger noch die Größe und Periode einer ſolchen Gleichung würde man auf dem bloßen Wege der Beobachtungen gefunden haben. Ihre Kenntniß war aber ſehr wichtig, weil wir ſonſt die Wirkung einer ſolchen Störung mit der mittleren Bewegung des Mondes vermengt haben würden, die dadurch ſelbſt veränderlich geworden wäre, da ſie doch, ihrer Natur nach, beſtändig ſeyn ſoll.

§. 82. (Beſtimmung der Sonnenparallaxe und der Erdabplat - tung durch die Störungen des Mondes.) Eine andere dieſer kleinen Störungen hat daſſelbe Argument, wie die Variation; ſie wurde nämlich gleich a Sin. A gefunden, und der größte Werth derſelben oder der Faktor a iſt der Art, daß ſeine Größe von der Sonnen - parallaxe abhängt. Man fand dieſen Werth von a durch eine große Anzahl von Mondsbeobachtungen gleich 122 Sekunden, und daraus wurde die Größe der Sonnenparallaxe gleich 8,6 Se - kunden abgeleitet, ſehr nahe mit demjenigen übereinſtimmend. den man aus den Durchgängen der Venus vor der Sonnenſcheibe in den Jahren 1761 und 1769 gefunden hat, wo man viele Schiffe123Periodiſche Störungen.mit großen Koſten ausgerüſtet hatte, um dieſe Durchgänge von verſchiedenen Orten der Erde zu beobachten.

Eine ähnliche Störung der Länge, ſo wie auch eine der Breite des Mondes, hängt in ihrem Coefficienten von der Abplattung der Erde an ihren beiden Polen ab. Die Beobachtungen des Mondes haben den größten Werth der erſten dieſer Gleichungen gleich 6,8 Sekunden gegeben, woraus die Abplattung 1 / 305 folgt (vergl. I. §. 22). Wäre dieſe Abplattung, wie Einige wollten, nahe noch einmal ſo groß, ſo würde auch der Coefficient jener Störung doppelt ſo groß, oder nahe 14 Sekunden ſeyn, was mit den Mondsbeobachtungen im Widerſpruche ſteht. Ganz auf die - ſelbe Weiſe gab auch die erwähnte Störung der Breite dieſe Abplattung der Erde gleich 1 / 304. Man erhält auf dieſe Weiſe die Abplattung unſerer Erde ganz unabhängig von den Unregel - mäßigkeiten ihrer Oberfläche und ihrer Dichtigkeit an verſchiedenen Orten, was bei den Meridianvermeſſungen, und ſelbſt bei den Pendelbeobachtungen, durch welche allein wir bisher die Geſtalt der Erde beſtimmen konnten, nicht der Fall iſt.

Die Parallaxe des Mondes (vergl. I. Kap. V.) kann durch bloße Theorie aus der bekannten Länge des Sekundenpendels und aus den Gradmeſſungen abgeleitet werden, alſo kann man auch umgekehrt aus der Länge des Pendels, und aus der bekannten Parallaxe des Mondes den Halbmeſſer der Erde beſtimmen. Dieſe Parallaxen kann man aber durch bloße Beobachtungen des Mondes in verſchiedenen Höhen über ſeinem Horizonte finden, ohne daß es nöthig iſt, ſeinen Beobachtungsort zu verändern, oder weit entfernte Gegenden der Erde zu dieſem Zwecke auf - zuſuchen.

So iſt alſo der Aſtronom in den Stand geſetzt, bloß durch die Vergleichung der Theorie mit ſeinen Beobachtungen, ohne ſeine Sternwarte auch nur einen Augenblick zu verlaſſen, nicht nur die Größe, ſondern auch die Geſtalt, und ſogar die Ent - fernung der Erde von der Sonne zu beſtimmen, ohne mühſame geodätiſche Meſſungen auszuführen, ohne koſtbare Reiſen in fremde Welttheile zu unternehmen, und ohne endlich alte, Jahrtauſende von uns entfernte Beobachtungen zu Hülfe zu rufen.

124Periodiſche Störungen.

Alles Vorhergehende zeigt, wie innig die Erſcheinungen des Himmels unter einander und mit dem allgemeinen Geſetze der Schwere zuſammen hängen, und daß der Mond mit ſeinen zahl - loſen, und ſo mannigfaltig in ſich verwickelten Störungen vorzüglich geeignet iſt, uns dieſen wunderbaren Zuſammenhang, und zugleich die große Macht der mathematiſchen Analyſe zu be - weiſen, dieſes wahrhaft vortrefflichen Inſtrumentes, ohne deſſen Hülfe es dem menſchlichen Geiſte unmöglich geweſen wäre, in jene Tiefen einzudringen, und eben dort, wo auf den erſten Blick nur Unordnung und Verwirrung zu herrſchen ſcheint, die ſchönſte Harmonie zu finden.

§. 83. (Periodiſche Störungen der Planeten überhaupt.) In - dem wir nun von den periodiſchen Störungen des Mondes zu denen der Planeten übergehen, bemerken wir zuerſt, daß dieſe Störungen bloß von den Stellungen der beiden Planeten, d. h. von den Differenzen ihrer Längen und ihrer Entfernungen von einander abhängen. Dieſe Entfernungen aber werden nicht bloß von der Lage dieſer Planeten ſelbſt im Raume, ſondern auch von ihrer Lage gegen die großen Axen ihrer elliptiſchen Bahnen be - ſtimmt. Will man alſo z. B. die Störung des Mars, die er durch Jupiter erfährt, beſtimmen, und bezeichnet man durch die Länge des erſten, durch die des zweiten Planeten, und durch π die Länge des Periheliums des einen oder des andern dieſer beiden Himmelskörper, ſo wird die geſuchte Störung bloß von den Größen , und π abhängen. Da dieſe Störungen, wie bereits oben geſagt worden iſt, in beſtimmten Zeiträumen perio - diſch wieder kommen, ſo werden ihre analytiſchen Ausdrücke die Sinus oder Coſinus dieſer drei Winkel enthalten, in - dem dieſe trigonometriſchen Funktionen, wie bekannt, für die Peri - pherie des Kreiſes ebenfalls periodiſch wiederkehren, und ſich daher, als für jene Ausdrücke vorzüglich geeignet, gleichſam von ſelbſt darbieten. Die Theorie zeigt, daß dieſe Störungen, ſo weit ſie die Länge der Planeten betreffen, alle durch den Sinus, und daß eben ſo die Störungen des Abſtandes der Planeten von der Sonne durch den Coſinus des Winkels (m n π) vorgeſtellt werden können, wo m und n nach der Ordnung die Zahlen 1, 2, 3 .. bezeichnen.

125Periodiſche Störungen.

Die Aſtronomen haben dieſe Störungen für alle ſieben älteren Planeten, Uranus und die Erde auf das genaueſte berechnet. Man findet ſie in dem dritten Theile der Mécanique céleste von Laplace. Auf dieſe Rechnungen ſind dann die Tafeln gegründet worden, durch welche die Beſtimmung des Ortes jedes Planeten für jede gegebene Zeit zugleich ungemein erleichtert und geſichert wird. Die beſten Planetentafeln, deren wir uns jetzt bedienen, ſind die der Sonne, oder vielmehr der Erde von De - lambre und Carlini, des Merkur, der Venus und des Mars von Lindenau, und endlich der drei von der Sonne entfernteſten Planeten von Bouvard; für die vier neuen Planeten hat man noch keine ſolche Tafeln entworfen, weil ihre großen Excentrici - täten und Neigungen der genauen Beſtimmung derſelben noch zu viele Hinderniſſe entgegen ſtellen.

§. 84. (Merkwürdige Störung zwiſchen Jupiter und Saturn.) Unter dieſen periodiſchen Störungen der Planeten ſind vorzüglich zwei, die zwiſchen den beiden größten Planeten unſeres Sonnen - ſyſtems ſtatt haben, merkwürdig geworden. Schon Halley, New - tons Coaeve, hatte bemerkt, daß die Umlaufszeit Saturns zur Zeit des Hipparch (140 Jahre vor Chr.) größer, und die des Ju - piter im Gegentheile kleiner war, als zu ſeiner Zeit, oder daß die mittlere Bewegung des Saturn ſeitdem langſamer, und die des Jupiter geſchwinder geworden ſey. Dieſe Entdeckung war um ſo auffallender, da man bei allen andern Planeten dieſe Um - laufszeiten aus den älteren und neueren Beobachtungen durchaus conſtant oder unveränderlich gefunden hatte (I. §. 125), und da man bald darauf auch durch die Theorie belehrt wurde, daß dieſes Element der Planetenbahnen in der That immer daſſelbe bleiben müſſe.

Euler war der erſte, der dieſe ſonderbare Entdeckung der Analyſe zu unterwerfen ſuchte. Er fand auch in der That eine ſolche Verzögerung des einen, und eine Beſchleunigung des an - dern jener beiden Planeten, aber da er durch ſeine Theorie beide von gleicher Größe gefunden hatte, was mit den Beobachtungen nicht übereinſtimmte, ſo konnte ſeine Erklärung dieſer Erſcheinung, ſo ſinnreich ſie auch war, nicht angenommen werden. Auch La - grange beſchäftigte ſich ſpäter mit dieſem eben ſo ſchwierigen, als126Periodiſche Störungen.intereſſanten Gegenſtande, aber auch ohne Erfolg. Dieſe und mehrere andere ausgezeichnete Geometer ſuchten den Grund dieſer Ungleichheit bald in dem Widerſtande des Aethers, in welchem ſich die Planeten bewegen ſollen, bald in den Störungen, welche die Kometen auf dieſelben äußern, bald in der Zeit, welche die Kraft der Schwere brauchen ſoll, von der Sonne bis zu dieſem entfernten Planeten zu gelangen u. dgl. Dieſe Muth - maßungen gaben allerdings zu andern, nicht minder wichtigen Entdeckungen Veranlaſſung, aber ſie ließen doch den Gegenſtand, den man durch ſie ſuchte, in ſeinem Dunkel.

In den letzten Decennien des verfloſſenen Jahrhunderts verglich Lambert diejenigen Beobachtungen Saturns und Jupi - ters, die Tycho angeſtellt hatte, mit ſeinen eigenen, und fand, zur noch größeren Ueberraſchung der Aſtronomen, daß, ganz im Widerſpruche mit Halleys Entdeckung, die mittlere Bewegung Saturns ſeit jener Zeit bis auf ſeine Tage ſich beſchleunigt, und die des Jupiter im Gegentheile ſich verzögert habe. Dieß machte viele an der Exiſtenz dieſer beiden Ungleichheiten zweifeln, indem ſie die bloß ſcheinbare Veränderung dieſer beiden Bewegungen bloß der Unvollkommenheit der älteren Beobachtungen zuſchrieben. Allein Laplace, der ſich durch dieſe grundloſen Vermuthungen nicht irren ließ, glaubte vielmehr eben in dieſem äußern Widerſpruche das Daſeyn einer Störung von ſehr langer Periode zu erkennen, durch welche die Bewegungen dieſer beiden Planeten mehrere Jahrhunderte durch abwechſelnd bald beſchleunigt, bald wieder verzögert werden könnten. Um dieſe Ungleichheit aufzuſuchen, mußte er die Geſammtſtörung dieſer beiden Planeten, die man bisher, wie bereits oben geſagt wurde, nur in den erſten, und ſonach größten Gliedern ihrer unendlichen Reihen entwickelt hatte, noch auf mehrere der folgenden Glieder fortführen und zuſehen, ob ſich unter dieſen letzten eine Störung von ſehr langer Periode finde, die den beobachteten Ungleichheiten jener beiden Planeten entſpricht.

Bei dieſer mühevollen Unterſuchung kam ihm eine andere wichtige Entdeckung zu ſtatten, die man ſchon früher gemacht hatte. Es iſt bereits oben geſagt worden, daß die periodiſchen Störungen dieſer beiden Planeten durch die Sinus und Coſinus127Periodiſche Störungen.der Winkel (m n π) ausgedrückt werden, wo und von den mittlern Längen, oder was hier daſſelbe iſt, von den Umlaufszeiten der beiden Planeten abhängen, und wo die Größen m und n die ganzen Zahlen 1, 2, 3 bezeichnen. Gewöhnlich braucht man nur diejenigen Glieder zu unterſuchen, wo m ſowohl als n entweder gleich 1 oder gleich 2 iſt, da die folgenden, wo m oder n gleich 3, 4, 5 iſt, ſchon ſo kleine Werthe haben, daß man ſie ohne merklichen Fehler ganz übergehen kann.

Nun iſt es eine, unmittelbar aus der äußeren analytiſchen Form dieſer Störungsglieder hervorgehende Eigenſchaft derſelben, daß ſie, ſo gering ſie auch an ſich ſelbſt ſeyn mögen, in allen den Fällen einen bedeutenden Werth erhalten, wo die Umlaufs - zeiten oder was daſſelbe iſt, wo die mittleren täglichen Bewegun - gungen der beiden Planeten ſich ſehr nahe wie die zwei ganzen Zahlen verhalten, die man eben für m und n ſetzen ſoll. Wenn z. B. die mittleren Bewegungen zweier Planeten ſich nahe wie 5 zu 7 verhalten, ſo kann es ſehr leicht geſchehen, daß die erſten Glieder der erwähnten Reihen, in welchen m und n gleich 1, 2, 3 .. geſetzt werden, ſämmtlich nur unbeträchtlich ſind, während doch das erſt ſpäter folgende Glied, in welchem m = 5 und n = 7, oder umgekehrt iſt, einen ſehr großen Werth erhalten kann. Ein ſolcher Fall trat auch in der That bei jenen beiden Planeten ein. Die ſideriſche Umlaufszeit Jupiters beträgt 4332,58, und die des Saturn 10759,22 Tage (I. §. 142), und dieſe beiden Zeiten verhalten ſich ſehr nahe wie die beiden ganzen Zahlen 2 und 5, woraus daher folgt, daß man bei der Entwickelung der gegenſei - tigen Störungen dieſer zwei Himmelskörper vorzüglich auf die - jenigen Glieder Rückſicht nehmen müßte, in welchen m = 2 und n = 5, und umgekehrt geſetzt wird. Indem Laplace dieſe Unter - ſuchung vornahm, fand er auch ſeine frühere Vermuthung voll - kommen beſtätiget. Er fand nämlich unter den Störungen, die Saturn von Jupiter leidet, ein Glied, das bis auf 2950 Sekun - den ſteigen konnte, und unter den Störungen Jupiters ein ande - res, jenem entſprechendes, deſſen größter Werth 1200 Sekunden betrug. Die Periode dieſer Störungen aber iſt für beide nahe gleich 930 Jahren, und beide ſind endlich ſo beſchaffen, daß die eine derſelben immer eine Beſchleunigung andeutet, wenn die an -128Periodiſche Störungen.dere eine Verzögerung enthält. Alles dieß ſtimmte aber mit den bisher geſammelten Beobachtungen jener Planeten aus den alten nicht minder, als aus den mittlern und neuen Zeiten ſo wohl zu - ſammen, daß an der Richtigkeit dieſer Erklärung einer früher ſo räthſelhaften Erſcheinung nicht weiter gezweifelt werden konnte.

Im Jahre 1560 haben dieſe beide Störungen ihren größten Werth erreicht, und zu dieſer Epoche war die Bewegung Saturns am langſamſten, die des Jupiter aber am ſchnellſten. Seitdem näherten ſich dieſe beiden Bewegungen ihren wahren immer mehr, bis ſie i. J. 1790 denſelben ganz gleich kamen, und i. J. 2020 werden ſie wieder ihre größten Werthe erreichen. Man ſieht nun, wie Halley und Lambert ſo ganz verſchiedene Reſultate finden konnten, wenn ſie Beobachtungen von ſolchen Epochen mit ein - ander verglichen, wo dieſe beiden Planeten in Beziehung auf ihre mittleren Bewegungen in ganz andern Verhältniſſen ſich befanden. Wenn das Wiederaufleben der Wiſſenſchaften in Europa etwa 500 Jahre ſpäter eingetreten wäre, ſo würden die Beobachtungen die entgegengeſetzten Erſcheinungen von denen angezeigt haben, die Halley gefunden hat. Die aſtronomiſchen Tafeln der Indier, denen dieſes Volk ein ſo hohes Alterthum beilegt, zeigen deutlich, daß ſie zu einer Zeit entworfen worden ſind, wo die Bewegung Saturns die langſamſte, und die Jupiters die ſchnellſte war, und es läßt ſich daher eben daraus mit einiger Sicherheit die Zeit der Entſtehung dieſer Tafeln ableiten. Vereiniget man damit die Excentricitäten, welche dieſe Tafeln mehreren Planetenbahnen beilegen, ſo wird es, wie Laplace gezeigt hat, ſehr wahrſcheinlich, daß dieſe Tafeln, weit entfernt, viertauſend Jahre vor dem An - fange unſerer Zeitrechnung entſtanden zu ſeyn, wie die Indier vorgeben, erſt gegen den Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts nach Chr. G. nach dem Muſter der europäiſchen Tafeln zuſam - men getragen wurden.

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Kapitel VII. Säculäre Störungen.

§. 85. (Säculäre Störungen des Mondes; Bewegung der Knotenlinie.) Es iſt bereits im Anfange des vorhergehenden Ka - pitels bemerkt worden, daß man unter den ſäculären Störun - gen der Planeten diejenigen verſteht, welche nicht ſowohl dieſe Planeten ſelbſt, als vielmehr die Bahnen derſelben durch die Ein - wirkung der andern Planeten erleiden.

Um auch hier wieder die ſäculären Störungen des Mon - des zuerſt zu betrachten, ſo iſt für ſich klar, daß dieſer Satellit, der ſich in einer nahe fünf Grade gegen die Ecliptik geneigten Ebene bewegt, durch die Attraction der Sonne, die in der Ecliptik liegt, dieſer Ecliptik ſelbſt genähert werden muß. Dieſe Annähe - rung des Mondes zur Ecliptik hat offenbar immer ſtatt, der Mond mag ſich auf der nördlichen oder auf der ſüdlichen Seite der Ecliptik befinden, und die Folge derſelben muß ſeyn, daß der Mond die Ecliptik immer eher erreicht, als er ohne dieſe At - traction der Sonne gethan hätte. Das heißt aber mit an - dern Worten: die Knoten der Mondsbahn (I. 99) rücken dem Monde entgegen, und da der Mond von Weſt gen Oſt um die Erde geht, ſo werden die Knoten ſeiner Bahn von Oſt gen Weſt, oder rückwärts gehen. Nach den Beobachtungen beträgt dieſeLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 9130Säculäre Störungen.retrograde Bewegung der Mondsknoten in Beziehung auf die Fix - ſterne jährlich 19,35 Grade (I. §. 170). Dieſe Bewegung der Knoten iſt übrigens nicht immer dieſelbe, ſondern ſie hängt von der Entfernung der Sonne und der Erde von dem Monde ab. Man findet, daß ſie zur Zeit der Syzygien am größten, und während der Quadraturen am kleinſten iſt. Im Mittel beträgt die Umlaufszeit der Knoten der Mondsbahn in Beziehung auf die Geſtirne oder die ſideriſche Revolution (I. S. 222) derſelben 6793,2859 Tage, und die Revolution des Mondes ſelbſt in Bezie - hung auf ſeine Knoten, d. h. die Zeit, die zwiſchen zwei nächſten Durchgängen des Mondes durch ſeinen Knoten verfließt, iſt 27,2121 Tage, welche Zwiſchenzeit man den Drachenmonat zu nennen pflegt.

§. 86. (Bewegung der Abſiden der Mondsbahn.) Da die Attraction der Sonne die Entfernung des Mondes von der Erde bald vermehrt und bald wieder vermindert, ſo folgt daraus auch eine Aenderung der Lage der großen Axe der Monds - bahn. Man ſieht im Allgemeinen, daß dieſe Axe der Sonne folgen, alſo von Weſt nach Oſt fortrücken wird. Die Beobach - tungen zeigen, daß dieſe Fortrückung der Abſiden der Monds - bahn, in Beziehung auf die Fixſterne, jährlich 40,65 Grade beträgt. Daraus folgt die ſideriſche Umlaufszeit der Abſiden des Mondes gleich 3232,567 Tagen, und die Revolution des Mondes ſelbſt in Beziehung auf dieſe Abſiden gleich 27,555 Tagen, welche letzte Zeit man die anomaliſtiſche Revolution des Mondes zu nennen pflegt. Auch dieſe Bewegung iſt übrigens mehreren Ungleichheiten unterworfen, die ebenfalls von dem Stande der Sonne gegen die Erde und gegen den Mond abhängen.

§. 87. (Geſchichte der Entdeckung.) Dieſe Bewegung der Abſiden des Mondes hat die Geometer des verfloſſenen Jahr - hunderts lange beſchäftigt. Schon Newton hat ſie aus dem Ge - ſetze der allgemeinen Schwere abzuleiten geſucht, aber durch ſeine Rechnungen nur nahe halb ſo groß gefunden, als ſie durch die Beobachtungen angezeigt wird. Später fand Clairaut durch eine viel ſorgfältigere Analyſe nahe daſſelbe, und die ihm folgenden Unterſuchungen Eulers und D’Alemberts ſchienen dieſes Reſultat131Säculäre Störungen.zu beſtätigen. Dieß war alſo gleichſam der erſte Fall, wo die Theorie mit der Beobachtung nicht übereinſtimmte, und das Newton’ſche Geſetz der allgemeinen Schwere nicht hinreichend ge - funden wurde, um daraus alle Erſcheinungen des Himmels zu erklären. Auch ließ ſich Clairaut, ſeines ſeltenen Scharfſinns ungeachtet, durch dieſe Nichtübereinſtimmung verführen, ein an - deres, complicirteres Geſetz der Natur anſtatt jenes einfachen, das Newton aufgeſtellt hatte, auf die Bahn zu bringen. Er fand zwar dabei Widerſpruch von einem Manne, deſſen Anſehen in dem Felde der Naturgeſchichte zu jener Zeit für eine ſehr große Auto - rität galt. Buffon wollte das von Clairaut vorgeſchlagene Geſetz durchaus nicht annehmen, aber bloß aus dem Grunde, weil das von Newton aufgeſtellte das einfachere wäre, und weil, nach ſeiner Anſicht, die Natur zur Erreichung ihrer Zwecke immer die ein - fachſten Mittel wählen müſſe. Allein dieſer gleichſam teleologiſche oder metaphyſiſche Grund wollte Clairaut nicht einleuchten, der ihm dafür die Reſultate ſeiner Analyſis entgegenſetzte, die jener nicht widerlegen konnte, weil er ſie nicht verſtand. Doch hatte dießmal der Metaphyſiker, dem Geometer gegenüber, Recht. Clai - raut bemerkte nämlich ſpäter, daß er die Annäherung ſeiner Be - rechnung nicht weit genug getrieben hatte, und als er dieſelbe mit mehr Umſicht wiederholte, fand er, daß die Theorie auch hier mit den Beobachtungen in vollkommenem Einklang ſey. Nach ihm wurde dieſe weſentliche Verbeſſerung auch von Euler und D’Alem - bert als richtig erkannt, und die neueſten Beſtimmungen der Bewegung der Abſiden der Mondsbahn, die Laplace in ſeiner Mécanique céleste gegeben hat, weichen nur mehr um ihren 1 / 440 ſten Theil von den Beobachtungen ab. So wurde daher dieſelbe Erſcheinung, die man früher als eine Ausnahme von dem allgemeinen Geſetze der Schwere betrachtete, jetzt einer der ſchönſten Beweiſe für das Daſeyn dieſes Geſetzes. Denn dieß war das Loos jener glänzenden Entdeckung, daß jedes neue Hin - derniß, das ſich gegen dieſelbe zu erheben ſchien, der Gegenſtand eines neuen Triumphes für ſie wurde.

§. 88. (Acceleration der mittleren Bewegung des Mondes.) Einen ähnlichen Fall, der den Aſtronomen noch mehr Mühe ko - ſtete, bot die Beobachtung der mittleren Bewegung des Mondes9 *132Säculäre Störungen.dar. Es iſt bereits oben (Kap. VI. ) geſagt worden, daß die Umlaufszeit der Planeten um die Sonne, alſo auch die der Sa - telliten um ihre Hauptplaneten aus theoretiſchen Gründen, von welchen wir ſpäter ſprechen werden, als conſtant oder als unver - änderlich erkannt worden iſt. Da mit dieſen Umlaufszeiten, nach dem dritten Kepler’ſchen Geſetze, die halben großen Axen der Bahnen in unmittelbarem Zuſammenhange ſtehen, indem, nach dieſem Geſetze, eines durch das andere gegeben iſt, ſo wurden auch dieſe Halbaxen der Bahnen als für alle Zeiten unver - änderlich erkannt, und die Beobachtungen der älteſten Zeit ſtimm - ten auch mit dieſer Vorauſetzung bei allen Planeten vollkommen überein.

Nicht ſo bei dem Monde. Auch hier, wie oben (S. 124) bei den beiden größten Planeten unſeres Sonnenſyſtems, hatte Halley zuerſt gefunden, daß die Umlaufszeit des Mondes um die Erde ſeit den Zeiten der griechiſchen Beobachtungen, d. h. nahe ſeit zweihundert Jahren vor Chr. G. bis auf unſere Tage immer kürzer, alſo die mittlere Bewegung des Mondes immer ſchneller werde, wodurch daher der Mond der Erde immer näher kommen, und endlich, wenn dieſe Bewegung ohne Aufhören in derſelben Art fortſchreitet, auf ſie fallen muß, um ſich für immer mit ihr zu vereinigen.

Dieſe befremdende Erſcheinung hat die Aſtronomen lange ge - quält, da ſie die Urſache derſelben nicht finden konnten. Man ſuchte dieſelbe in der Wirkung der Planeten, in der Abweichung des Mondes und der Erde von der Kugelgeſtalt, in dem Wider - ſtande des Aethers, in der allmählichen Fortpflanzung der Schwere u. f., aber immer vergebens. Indeß war die Ueberein - ſtimmung aller anderen Phänomene des Himmels mit dem Ge - ſetze der allgemeinen Schwere ſo groß, daß man nicht ohne leb - haftes Bedauern dieſe Ausnahme ſehen konnte, welche bloß die mittlere Bewegung des Mondes von dieſem Geſetze machen ſollte. Dieß bewog die beiden größten Geometer ihrer Zeit, Lagrange und Laplace, dem Grunde dieſer auffallenden Erſcheinung weiter nachzuforſchen. Sie gingen von der Anſicht aus, daß dieſe Aus - nahme nur ſcheinbar ſey, und ihre Urſache in demſelben Geſetze, und zwar in der Anziehung der Sonne auf den Mond, haben133Säculäre Störungen.müſſe, aus welchen überhaupt alle Störungen dieſes Satelliten zu erklären ſeyn ſollen. Wenn in der That die Erde in ihrer Bahn ſich der Sonne allmählich näherte, oder von ihr entfernte, ſo würde ſich dadurch auch die Entfernung des Mittelpunkts der Mondsbahn von der Sonne ändern, und es iſt kein Zweifel, daß dadurch eine Vergrößerung oder eine Verkleinerung dieſer Monds - bahn ſelbſt hervorgebracht werden müßte. Allein die große Axe der Erdbahn iſt, wie die aller Planeten, unveränderlich, und jene Vorausſetzung einer veränderlichen Entfernung der Erde von der Sonne ſcheint ſonach unzuläſſig zu ſeyn.

Erinnert man ſich aber, daß die Excentricität der Erdbahn, den Beobachtungen gemäß, ſeit den älteſten Zeiten immer kleiner wird, daß alſo auch die elliptiſche Erdbahn, obſchon die große Axe derſelben unveränderlich iſt, einem Kreiſe immer näher kömmt, ſo folgt daraus, daß auch die Sonne ſeit jener Zeit dem Mittelpunkte der Mondsbahn im Allgemeinen immer näher rücken, und daß dadurch die Wirkung der Sonne auf die Bewegung des Mondes vergrößert werden muß. Lagrange hat der Erſte dieſen Grund der Acceleration der mittleren Bewegung des Mondes nachgewieſen, und Laplace hat denſelben durch ſeine darüber an - geſtellten Berechnungen über allen Zweifel erhoben. Die Wir - kung der Sonne auf den Mond hängt von der Entfernung der Sonne von der Erde ab; dieſe Entfernung aber hängt von der Excentricität der Erdbahn ab, und da die letzte veränderlich iſt, ſo muß es auch die erſte ſeyn. Die mathematiſche Analyſe gibt die Größe dieſer Aenderung des Sonneneinfluſſes, alſo auch die Größe der daraus entſpringenden Veränderung in der mittleren Bewegung des Mondes, und zwar mit den Beobachtungen voll - kommen übereinſtimmend. Nennt man t die, ſeit dem Jahre 1800 verfloſſenen Jahrhunderte, ſo beträgt dieſe Aenderung der mittle - ren Länge des Mondes 10,72 tt Sekunden, oder dieſe Länge iſt i. J. 1900 um 10,72 Sekunden größer, als ſie aus der Umlaufs - zeit, die der Mond i. J. 1800 hatte, folgen würde.

§. 89. (Säculäre Bewegung der Abſiden - und Knoten-Linie.) Dieſelbe Theorie hat auch gezeigt, daß die oben (§. 85 und 86) erwähnten Bewegungen der Abſiden - und der Knoten-Linie der Mondsbahn ähnlichen ſäculären Störungen unterworfen ſind, die134Säculäre Störungen.aus derſelben Quelle entſpringen. Während nämlich die mittlere Bewegung des Mondes in ſeiner Bahn mit der Zeit immer ſchneller wird, nimmt die Bewegung des Perigeums, und die der Knotenlinie immer ab, und zwar in einem Jahrhundert jene um 32,16, und dieſe um 7,88 Sekunden, ſo daß dieſe drei ſäculären Störungen ſich wie die Zahlen 1, 3 und ¾ verhalten. Die Beobachtungen der künftigen Jahrhunderte werden dieſe Bewe - gungen noch genauer beſtimmen, da ſie ſich in der Folge der Zeiten anhäufen. Durch ſie wird einſt die Länge des Mondes um volle neun, und die Länge des Perigeums der Mondsbahn ſogar um volle dreißig Grade verändert werden, und aus dieſem großen Unterſchiede wird man mit Sicherheit auf die viel gerin - gere Veränderung der Excentricität der Erdbahn zurückſchließen, von welcher jene Unterſchiede die unmittelbaren Folgen ſind. Dieſe Excentricität ändert ſich in einem Jahre äußerſt wenig, und nur durch 0,15 einer Meile, aber durch dieſe Aenderung wird in der Folge der Jahrhunderte das Perigeum der Mondsbahn um dreißig Grade, d. h. um volle 27000 Meilen, verrückt werden, und unſere ſpäten Nachfolger werden daher die Veränderung, welche ſeitdem in der Bahn der Erde vorgegangen iſt, in der Bahn des Mondes, wie in einem unermeßlichen Hohlſpiegel, vergrößert erblicken. Schon ſeit den Zeiten der Griechen bis auf unſere Tage iſt die Länge des Mondes um zwei, und die des Perigeums ſeiner Bahn um volle 6⅗ Grade verändert worden, während ſich doch in derſelben Zeit und aus derſelben Urſache die Gleichung des Mittelpunkts (I. §. 141) der Sonne nur um acht Minuten, alſo nur um den 49ſten Theil der Bewegung des Perigeums verändert hat.

§. 90. (Gränzen und Perioden dieſer Störungen.) Wenn aber dieſe ſäculäre Störung des Mondes ohne Aufhören in der - ſelben Richtung fortginge, ſo würde ſie, wie bereits erwähnt, den Mond der Erde immer näher bringen, und denſelben endlich ganz auf ſie ſtürzen. Allein dieſe verderbliche Folge haben wir nicht zu befürchten. Die Analyſe hat uns nämlich gezeigt, daß die Excentricität der Erdbahn nicht immer, ſondern nur bis zu einem gewiſſen Grade abnehmen, und dann wieder wachſen werde, ſo daß die Veränderungen derſelben in beſtimmte Gränzen eingeſchloſſen ſind,135Säculäre Störungen.welche dieſe Excentricität nie überſchreiten kann. Die Perioden, während welcher ſie von ihren größten Werthen zu ihren kleinſten, und umgekehrt übergeht, enthalten viele Jahrtauſende, und kön - nen jetzt, wo die Maſſen der Planeten noch nicht mit aller Schärfe bekannt ſind, nicht mit Genauigkeit beſtimmt werden. Nach den vorläufig darüber angeſtellten Rechnungen war die Excentricität der Erdbahn in dem Jahre 11400 vor Chr. G. in ihrem größten Werthe, und betrug 0,0196. Von jener Zeit nimmt ſie durch 48300 Jahre immer ab, und wird erſt i. J. 36900 nach Chriſto ihren kleinſten Werth 0,00393 haben, und dann allmählig wieder zunehmen, ſo daß alſo ihre Periode nahe 48300 Jahre beträgt, in welchen ſie um 0,01567 Theile der großen Halbaxe der Erdbahn abgenommen hat.

§. 91. (Säculäre Störungen der Planeten.) Nach dieſen kurzen Betrachtungen der ſäculären Störungen des Mondes gehen wir nun zu denen der Planeten über. Es wurde bereits oben geſagt, daß die ſtrenge Auflöſung dieſes Problems die Kräfte unſerer Analyſe überſteigt, und daß man ſich daher mit einer bloßen Annäherung begnügen muß, die uns glücklicherweiſe durch mehrere Einrichtungen unſeres Sonnenſyſtems ſehr erleichtert wird. Demungeachtet iſt die Aufgabe auch ſo noch ſehr ſchwer und verwickelt, wie ſie denn auch den vorzüglichſten Geometern, die ſeit Newton gelebt haben, Beſchäftigung genug gegeben hat. Gewöhnlich ſtellt man ſich dabei einen imaginären Planeten vor, der ſich nach Keplers Geſetze in einer Ellipſe bewegt, deren Ele - mente ſelbſt ſich allmählig ändern, während ſich um dieſen einge - bildeten Planeten der wahre in einer kleinen Bahn bewegt, deren Natur von den periodiſchen Störungen abhängt, indeß die erwähnten Aenderungen der elliptiſchen Elemente die ſäculären Störungen des Planeten geben. Es würde dem Zwecke dieſer Schrift ganz unangemeſſen ſeyn, uns in eine nähere Darſtellung der hieher gehörenden Berechnungen einzulaſſen, daher wir uns begnügen, nur die vorzüglichſten Reſultate derſelben mehr ge - ſchichtlich, als mit ihren Gründen, anzuführen.

§. 92. (Störung der Knoten und Neigungen.) Wenn man ſich zwei einander ſchneidende Planetenbahnen, z. B. auf der Oberfläche eines Globus, vorzeichnet, ſo ſieht man gleichſam auf136Säculäre Störungen.den erſten Blick, daß in Folge der gegenſeitigen Anziehung der beiden Planeten die Bahnen derſelben ſich nähern, und daß daher der geſtörte Planet die Ebene des ſtörenden eher erreichen wird, als er ohne dieſe Störung gethan haben würde. Dieß wird der Fall ſeyn, der ſtörende Planet mag über, oder, in der an - deren Hälfte ſeiner Bahn, unter der Ebene des geſtörten ſich befinden. Der Winkel aber, welchen die beiden Bahnen mit ein - ander bilden, wird in der einen Hälfte derſelben offenbar ver - mehrt, und in der andern vermindert werden. Da nun beide Planeten, vermöge ihrer elliptiſchen Bewegung von Weſt gen Oſt, um die Sonne gehen, und da der geſtörte Planet, wie geſagt, die Ebene des ſtörenden früher erreicht, ſo wird dadurch der Knoten beider Bahnen dem Laufe des geſtörten Planeten entge - gen, alſo von Oſt gegen Weſt gebracht, während im Gegentheile die Neigung beider Bahnen abwechſelnd vergrößert und verkleinert wird. Mit andern Worten: durch die Störungen zweier Pla - neten gegen einander weichen die Knoten der geſtörten Bahn auf den ſtörenden immer zurück, während die Neigungen beider Bahnen, kleine periodiſche Schwankungen ausgenommen, im All - gemeinen als beſtändig betrachtet werden können.

Dieß gilt von der Lage zweier Planetenbahnen gegen ein - ander. Wenn man aber, wie es dem aſtronomiſchen Gebrauche angemeſſen iſt, die Lage eines jeden Planeten auf eine dritte Ebene, z. B. auf die Ecliptik bezieht, ſo hat jene einfache Dar - ſtellung nicht mehr ſtatt, und dann kann der Knoten der geſtörten Bahn mit der Ecliptik ſowohl vor - als rückwärts gehen, und die Neigung der Bahn gegen die Ecliptik kann eben ſo, wie der Knoten, beſtändig zu - oder abnehmen. Dieß iſt ſelbſt dann der Fall, wenn die Ecliptik als eine feſte Ebene betrachtet wird. Allein das iſt ſie nicht, da ſie, als die Ebene der Erdbahn, von allen andern Planeten ebenfalls in ihrer Lage am Himmel ge - ſtört wird. Nach den aſtronomiſchen Rechnungen nähert ſich, in Folge dieſer Störungen der Erde durch die Planeten, die Ecliptik dem Aequator in jedem Jahrhundert um 48,37 Sekunden, wäh - rend der Durchſchnittspunkt derſelben mit dem Aequator, oder während der Frühlingspunkt um die kleine Größe von 16,44 Sekunden vorwärts, oder von Weſt nach Oſt geht. Wir haben137Säculäre Störungenaber bereits oben (I. §. 190) geſehen, daß, den Beobachtungen zu Folge, der Frühlingspunkt in einem Jahrhundert um 5021,13 Sekunden rückwärts geht, und daß dieß im Allgemeinen eine Folge der Anziehung der Sonne und des Mondes auf die abge - plattete Erde iſt, die wir dort die Präceſſion genannt haben. Da aber die Wirkung der Planeten den Frühlingspunkt in einem Jahrhundert um 16,44 Sekunden vorwärts bewegt, ſo beträgt die eigentliche Wirkung der Sonne und des Mondes 5037,57 Sekunden, oder die beobachtete Präceſſion, nach welcher der Früh - lingspunkt in jedem Jahre um 50,2113 Sekunden rückwärts geht, beſteht aus zwei Theilen. Vermöge des erſten, oder vermöge der Einwirkung der Sonne und des Mondes auf die abgeplattete Erde geht der Frühlingspunkt jährlich um 50,3757 Sekunden rück - wärts, und vermöge des zweiten, der Einwirkung der Planeten auf die Erdbahn, geht derſelbe jährlich um 0,1644 Sekunden vor - wärts. Der erſte iſt ſeiner Natur nach conſtant, und für alle Zeiten derſelbe, wenn anders die mittlere Entfernung jener beiden Geſtirne, und die Abplattung der Erde ſich nicht mit der Zeit ändert. Der zweite Theil aber hängt von der Lage, von der Vertheilung der Planetenbahnen gegen die Erdbahn ab, und iſt daher veränderlich, da in der Folge der Jahrhunderte dieſe Lage der Planeten, durch ihre gegenſeitigen Störungen ſelbſt, eine ganz andere ſeyn wird, als diejenige iſt, welche wir jetzt beobachten.

§. 93. (Veränderung der Länge des tropiſchen Jahres.) Dieſe Bemerkung hat einen wichtigen Einfluß auf die Länge des Jah - res, und dadurch auf unſere geſammte Zeitrechnung. Das wahre Jahr der Erde oder die ſideriſche Umlaufszeit (I. §. 100) der - ſelben um die Sonne iſt bei ihr, wie bei allen andern Planeten, eine völlig unveränderliche Größe. Allein das tropiſche Jahr (I. §. 123), oder die Umlaufszeit der Erde in Beziehung auf den Frühlingspunkt, iſt kürzer als das ſideriſche Jahr, und zwar um die Zeit, welche die Erde braucht, mit ihrer mittleren Bewe - gung den Bogen zurückzulegen, welcher von dem Frühlingspunkte vermöge der beobachteten Präceſſion zurückgelegt wird. Dieſer Bogen enthält aber, nach dem Vorhergehenden, einen obſchon kleinen Theil, deſſen Werth in verſchiedenen Jahrhunderten ver - änderlich iſt. Alſo iſt auch die Zeit, in welcher die Sonne dieſen138Säculäre Störungen.Bogen zurücklegt, und ſomit das tropiſche Jahr ſelbſt, eine ver - änderliche Größe.

In unſerer Zeit z. B. beträgt jener veränderliche, von den Planeten kommende Theil der Präceſſion, wie oben geſagt wurde, 0,1644 Sekunden. Da die Sonne in einem Tage 59′ 8,33 zu - zurücklegt, ſo wird ſie einen Bogen von 0,1644 in vier Zeitſekun - den beſchreiben, d. h. unſer gegenwärtiges Jahr iſt um 4 Sekun - den größer, als das wahre oder mittlere tropiſche Jahr. Die Theorie zeigt, daß das tropiſche Jahr am größten, nämlich um 38 Sekunden größer als das mittlere, gegen das Jahr 3040 vor Chr. G. war, und daß es ſeit jener Zeit bis auf unſere Tage abgenommen hat, und noch weiter abnehmen wird bis zu dem Jahre 7600 nach Chr., wo es am kleinſten, und zwar wieder um 38 Sekunden kleiner, als das mittlere ſeyn, von welcher Zeit an es aber dann wieder allmählig wachſen wird. Die Länge des tropiſchen Jahres betrug nämlich, den Beobachtungen zu Folge, im Anfange des 19ten Jahrhunderts 365,242255 Tage oder 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, 50,83 Sekunden. Im Jahre 3040 vor Chr. war ſeine größte Länge 365 Tage, 5 Stunden, 49 Minuten, 24,83 Sekunden. Im Jahre 2360 nach Chr. wird es ſeine mitt - lere Länge von 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten, 46,83 Se - kunden, und endlich im Jahre 7600 nach Chr. ſeine kürzeſte Dauer von 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten, 8,83 Sekunden haben. Seit Hipparch’s Zeiten (140 Jahre vor Chr. G.) bis auf unſere Tage iſt daher das tropiſche Jahr, nach welchem ſich alle unſere Zeitrechnungen, unſer Kalender und ſelbſt unſere Jah - reszeiten richten, um 14 Sekunden kürzer geworden.

§. 94. (Allgemeine Bemerkungen über die Störungen der Knoten und der Neigungen.) Die folgende kleine Tafel zeigt die durchaus rechtläufige tropiſche Bewegung der Knoten der älteren Planetenbahnen gegen die Ebene der Ecliptik, und die Aenderung ihrer Neigungen gegen dieſe Ebene in 100 Jahren.

139Säculäre Störungen.

Säculäre Aenderung.

  • der Knoten der Neigung
  • Merkur .. 4238,9 18,3 zunehmend
  • Venus .. 3151,3 4,5 abnehmend
  • Mars .. 2692,7 0,1 abnehmend
  • Jupiter .. 3443,6 22,6 abnehmend
  • Saturn .. 2754,7 15,5 abnehmend
  • Uranus .. 1423,2 1,1 zunehmend.

Subtrahirt man die Zahlen der erſten Columne dieſer Tafel von der beobachteten Präceſſion 5021, 13 in einem Jahrhundert, ſo erhält man die ſäculäre ſideriſche Bewegung dieſer Knoten in Beziehung auf die Fixſterne, die daher, wie man ſieht, durchaus rückgängig oder von Oſt nach Weſt gerichtet iſt. So iſt die ſä - culäre ſideriſche Bewegung der Knoten Merkurs 782,23, der Venus 1869,8 u. ſ. w. Uebrigens ſind alle dieſe Zahlen nur genähert, und können bloß für einige Jahrhunderte vor und nach der gegenwärtigen Zeit gelten, daher man auch nicht annehmen darf, daß z. B. die Knoten der Planetenbahnen auf der Ecliptik immer in derſelben Richtung fortgehen, oder daß die Neigungen derſelben immerwährend zu - oder abnehmen. Vielmehr ſind dieſe Größen alle in beſtimmte Gränzen eingeſchloſſen, die ſie nie über - ſteigen können. So wanken z. B. die aufſteigenden Knoten der Jupitersbahn immer zwiſchen den beiden Längen von 90 und 117 Graden, und die des Saturn zwiſchen 72 und 136, ſo daß der mittlere Ort beider Knoten nahe in der Länge von 104 Graden liegt, von welchen die Ausweichung bei Jupiter 13, und die bei Saturn 32 Grade beträgt. Eben ſo iſt auch die Neigung der Jupitersbahn gegen die Ecliptik immer zwiſchen den Gränzen 17 und 3, und die der Saturnsbahn zwiſchen 47 und 33 enthalten, aber die Perioden, in welchen dieſe Größen von einer Gränze zur andern übergehen, ſchließen eine große Anzahl von Jahrtauſenden, nahe 25000 Jahre, in ſich; beide werden erſt von unſern ſpätern Nachkommen mit der nöthigen Schärfe beſtimmt werden können.

§. 95. (Säculäre Störungen der Abſidenlinie.) Nachdem wir ſo die Aenderungen beider Elemente, durch welche die Lage der Planetenbahnen im Weltraume beſtimmt wird, kennen gelernt140Säculäre Störungen.haben, wollen wir nun auch diejenigen Störungen betrachten, welche die Excentricitäten, die Lage der großen Axen der Ellipſen, und endlich die Größe dieſer Axen ſelbſt erleiden.

Die Aenderung der Lage der großen Axen oder der Länge der Abſiden hat das Eigenthümliche, daß ſie, und zwar ſie allein, nicht in beſtimmte Gränzen eingeſchloſſen iſt, zwiſchen welchen ſie periodiſch auf und nieder geben, ſondern daß ſie mit der Zeit im - merwährend nach derſelben Seite fortſchreiten, und endlich die ganze Peripherie des Kreiſes, oder volle 360 Grade zurücklegen. Die folgende Tafel gibt die tropiſche ſäculäre Bewegung des Periheliums der älteren Planeten, die bei allen direct oder von Weſt nach Oſt gerichtet iſt.

  • Merkur .. 5604,7
  • Venus ... 4753,3
  • Erde ... 6200,9
  • Mars ... 6603,6
  • Jupiter ... 5685,0
  • Saturn .. 6958,2
  • Uranus .. 5260,5.

Subtrahirt man von dieſen Zahlen die ſäculäre Präceſſion 5021,1, ſo erhält man die eigentliche oder ſideriſche Bewegung der Abſiden in hundert Jahren, die alſo bei Merkur 583,6, und bei der Erde 1179,8 beträgt, und die ebenfalls bei allen Plane - ten, Venus allein ausgenommen, direct iſt. Nach dieſer Tafel fiel das Perihelium der Erdbahn nahe um das Jahr 4100 vor Chriſti Geburt mit dem Frühlings-Nachtgleichenpunkte zuſam - men, und es iſt immer merkwürdig, daß die meiſten Chronologen die Entſtehung der Erde in dieſelbe Zeit geſetzt haben. Um das Jahr 1250 nach Chriſti machte die große Axe der Erdbahn mit der Linie der Nachtgleichen einen rechten Winkel, und im An - fange des 19ten Jahrhunderts fiel das Perihelium der Erdbahn nahe mit der Linie des Winterſolſtitiums zuſammen. Die nähere Folgen dieſer Bewegung der Abſidenlinie wurde ſchon oben (I. §. 152) angeführt. Hier wollen wir nur noch bemerken, daß die Lage der großen Axe einer Planetenbahn, wenigſtens ſo lange die Excentricität derſelben nur gering iſt, weder auf ihren eigenen, noch auf die anderen Planeten irgend einen weſentlichen Einfluß141Säculäre Störungen.äußern kann, und daß es daher im Allgemeinen gleichgültig iſt, nach welchem Punkte des Himmels dieſelbe gerichtet iſt. Dieß iſt wahrſcheinlich auch die Urſache, warum die Bewegung derſel - ben in keine Gränzen eingeſchloſſen iſt, ſondern ſich mit der Zeit über alle Punkte ihres Umkreiſes verbreitet.

§. 96. (Säculäre Störung der Excentricität.) Nicht ſo mag es ſich aber mit der Größe der Excentricität dieſer ellipti - ſchen Bahnen verhalten, da von dieſer die mittlere Temperatur der Oberfläche der Planeten, und die Größe der Variation der Jahreszeiten abhängt. Man kann durch eine einfache Rechnung zeigen, daß der mittlere Betrag der Erwärmung und Erleuch - tung, die ein Planet von der Sonne erhält, wenn die große Axe der Bahn dieſelbe bleibt, ſich wie die kleine Axe dieſer Bahn ver - hält. So wie dieſe letzte ſich ändert, ändert ſich auch die Excen - tricität, und alſo auch die Temperatur auf der Oberfläche des Planeten.

Bei der Erde z. B. beträgt die Aenderung der Diſtanz der - ſelben von der Sonne nahe den 30ſten Theil ihrer mittleren Ent - fernung, und die erwärmende Kraft der Sonne im Winter und Sommer wird demnach auf das Doppelte oder auf den 15ten Theil des Ganzen ſteigen. Wenn daher die Excentricität der Bahn der Erde oder die eines andern Planeten einmal ſehr groß werden könnte, ſo würde dadurch der Unterſchied der beiden jährlichen Extreme der Temperatur ebenfalls ſehr beträchtlich, und endlich dem Pflanzen - und Thierreiche ſchädlich werden kön - nen. Dieß iſt aber nicht der Fall, und die Analyſe zeigt, daß die Excentricitäten aller Planetenbahnen, ſo wie oben die Knoten und Neigungen, in Gränzen, und zwar in ſehr enge Gränzen eingeſchloſſen ſind, die ſie nie überſteigen können. Die folgende Tafel zeigt dieſe Aenderungen der Excentricitäten in hundert Jah - ren für die älteren Planeten in unſeren Zeiten:

  • Merkur .. 0,000004 zunehmend
  • Venus .. 0,000062 abnehmend
  • Erde ... 0,000042 abnehmend
  • Mars ... 0,000090 zunehmend
  • Jupiter .. 0,000159 zunehmend
142Säculäre Störungen.
  • Saturn .. 0,000312 abnehmend
  • Uranus .. 0,000025 abnehmend.

Man ſieht daraus, daß die Excentricität bei Merkur, Mars und Jupiter wächst, während ſie bei allen übrigen abnimmt, oder daß die Bahnen der drei erſten Planeten ſich jetzt immer mehr von der Kreisgeſtalt entfernen, während die vier andern ſich dieſer Geſtalt immer mehr nähern. Aber in der Folge der Jahrhun - derte wird ſich dieſes Verhältniß ändern, und die erſten werden ſich allmählig wieder zu Kreiſen abrunden, während die andern ſich davon entfernen, ohne doch je, weder in die Kreisform, noch in die einer ſtark abgeplatteten Ellipſe überzugehen.

Die größten und kleinſten Werthe der Excentricität der Erd - bahn haben wir bereits oben angegeben. Sie iſt immer zwiſchen den beiden Gränzen von 0,00393 und 0,01960 enthalten, und legt den Weg zwiſchen ihnen erſt in 48000 Jahren zurück. Wenn man eben ſo bloß die gegenſeitige Wirkung der zwei größten Planeten unſeres Sonnenſyſtems betrachtet, und den viel geringe - ren Einfluß der übrigen Planeten übergeht, ſo zeigt die Analyſe, daß die Excentricität Jupiters zwiſchen den Gränzen 0,0604 und 0,0261, und die des Saturn zwiſchen 0,0841 und 0,0134 liegen, ſo daß die größte Excentricität des einen dieſer Planeten immer mit der kleinſten des andern zu gleicher Zeit ſtatt hat, oder daß die eine wächst, während die andere abnimmt. Die Periode zwiſchen beiden Extremen beträgt bei beiden Planeten nahe 70000 Jahre. Um das Jahr 16000 vor Chr. G. war die Excentricität Jupiters am kleinſten, oder ſeine Bahn kam damals einem Kreiſe am nächſten, während zu derſelben Zeit die Bahn des Saturn am meiſten von der Kreisform entfernt war. Seit jener Epoche wächst die Excentricität Jupiters, und nimmt die von Saturn ab, bis gegen das Jahr 54000 nach Chr. jene am größten, und dieſe am kleinſten ſeyn wird. Aehnliche Erſcheinungen zeigen auch die anderen Planeten, aber es iſt ſchwer, ſie jetzt ſchon mit Genauigkeit zu beſtimmen, weil die Maſſen der Planeten noch nicht mit hinlänglicher Schärfe bekannt ſind. Wenn aber einmal unſere ſpäten Nachkommen die von den gegenwärtigen ſehr ver - ſchiedenen ſäculären Störungen ihrer Zeit beobachtet haben wer - den, ſo werden ſie zugleich das Mittel beſitzen, aus dieſen Diffe -143Säculäre Störungen.renzen der Störungen jene Maſſen mit der größten Präciſion abzuleiten.

Dadurch werden ſie ſich in den Stand geſetzt ſehen, auf die Veränderungen zurückzugehen, welche unſer Planetenſyſtem vor vielen Jahrtauſenden erlitten hat, ſo wie ſie auch mit Sicherheit diejenigen beſtimmen werden, welche erſt die Folge der künftigen Zeiten heraufführen wird, ſo daß dann der Geometer durch die Hülfe ſeiner Analyſe alle vergangenen und künftigen Phänomene dieſes Syſtems gleichſam mit einem einzigen Blicke zu überſehen im Stande ſeyn wird.

§. 97. (Säculäre Störungen als Mittel zur Beſtimmung der Maſſen.) Außer den Mitteln nämlich, die wir oben (Kap. III. ) zur Beſtimmung der Maſſen der Planeten angegeben haben, und die ſich nur auf die von Satelliten begleiteten Planeten beziehen, geben dieſe Störungen, welche die Planeten überhaupt von ein - ander erleiden, noch einen andern, und zwar oft ſehr ſicheren Weg, die Maſſen derſelben zu beſtimmen. Nach dem Geſetze der allgemeinen Schwere verhält ſich die Anziehung jedes Körpers wie ſeine Maſſe dividirt durch das Quadrat der Entfernung deſ - ſelben von dem angezogenen Körper. Wie mannigfaltig daher auch dieſe Attraction eines Planeten auf den anderen durch äußere Umſtände modificirt werden mag, immer wird die eigentliche Größe dieſer Anziehung von der Maſſe des anziehenden Planeten abhängen, oder immer wird der analytiſche Ausdruck der Stö - rung, welche ein Planet auf den andern ausübt, die Maſſe des ſtörenden Planeten als Factor enthalten. Wird nun in der Zeitfolge die wahre Größe dieſer Störung durch unmittelbare Beobachtung genau beſtimmt, ſo wird man dieſen numeriſchen Ausdruck jenem analytiſchen Ausdrucke derſelben gleich ſetzen, und dadurch eine ſogenannte Gleichung erhalten, in welcher man die Maſſe des ſtörenden Planeten als die einzige unbekannte Größe anzuſehen, und daher dieſelbe durch Hülfe dieſer Gleichung zu be - ſtimmen hat. Dieſes Verfahren läßt ſich, wie man ſieht, nicht nur bei den ſäculären, ſondern auch bei den periodiſchen Störungen der Planeten immer dort mit Nutzen anwenden, wo dieſe Stö - rungen ſelbſt groß genug ſind, um durch die Beobachtungen mit Schärfe aufgefaßt und von anderen unterſchieden zu werden. 144Säculäre Störungen.Auf dieſe Weiſe hat man in den neueren Zeiten die Maſſe Ju - piters durch die Störungen, welche er auf die vier neuen Pla - neten ausübt, mit einer viel größeren Schärfe beſtimmt, als es früher durch die Beobachtung der vier Satelliten dieſes Planeten möglich war, eine Verbeſſerung von großer Wichtigkeit, da Ju - piter unter allen Planeten bei weitem die größte Maſſe hat, und daher auch auf das ganze Planetenſyſtem den bedeutendſten Ein - fluß äußert. Künftig wird es daher beſſer ſeyn, die Beobach - tungen dieſer Satelliten und der Störungen, die ſie von der Sonne erleiden, zur Beſtimmung ihrer eigenen Maſſen zu be - nützen, wie dieß Laplace mit den vier Monden Jupiters ſchon gethan hat. Er hat auf dieſem Wege die Maſſen dieſer Satel - liten, wie folgt, gefunden.

  • Maſſe Jupiters ... 1
  • des I. Satelliten 0,000017
  • II. 0,000023
  • III. 0,000088
  • IV. 0,00004〈…〉〈…〉

Die Bewegungen der ſieben Monde Saturns und noch mehr die der ſechs des Uranus ſind uns noch zu wenig bekannt, um ſie zu demſelben Zwecke anwenden zu können, und zwar, weil ſie ſelbſt, beſonders die letzten, ſehr lichtſchwach und demnach nur mit den vorzüglichſten Teleſcopen zu ſehen ſind. Es iſt überraſchend, dieſe kleinen Körper, dieſe Atome des Himmels in derſelben Waage abwägen zu ſehen, in welcher wir oben (Kap. III. ) das Gewicht der ungeheueren Maſſe der Sonne beſtimmt haben, deren Maſſe die des kleinſten dieſer Satelliten wenigſtens 50 millionenmal übertrifft.

Bemerken wir noch zum Schluſſe dieſes Gegenſtandes, daß die Bewegungen, welche durch die gegenſeitigen Störungen der Planeten in den Excentricitäten ihrer Bahnen hervorgebracht werden, zu den langſamſten gehören, die wir in der Natur finden. Die Excentricität der Merkursbahn ändert ſich in hun - dert Jahren erſt um den 0,000004ſten Theil ihrer Halbaxe, d. h. um nahe 31 3 / 10 Meilen, ſo daß alſo dieſe Excentricität in einem Tage nur um nahe 20 Fuß zunimmt, während Merkur ſelbſt in dieſer Bahn im Mittel täglich ſich um 576000 Meilen bewegt,145Säculäre Störungen.und während das Licht in derſelben Zeit 3620 Millionen Meilen zurücklegt, alſo in der Zeit von einer einzigen Sekunde die ſo - genannte Reiſe um die Welt, oder den Weg von 5400 Meilen, achtmal gemacht hat, ſo daß alſo das Licht nahe vier Billionen - mal geſchwinder iſt, als die Veränderung der Excentricität der Merkursbahn.

Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder III. 10[146]

Kapitel VIII. Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.

§. 98. (Anfängliche runde Geſtalt der Körper.) Nachdem wir in den beiden vorhergehenden Kapiteln die Wirkungen der gegen - ſeitigen Anziehung der Planeten unterſucht haben, welche ſie auf die Bahnen und auf den Ort dieſer Körper in ihren Bahnen äußert, wollen wir nun noch kurz den Einfluß betrachten, welchen daſſelbe Geſetz der allgemeinen Attraction auf die Geſtalt der Planeten ſowohl, als auch auf die ihrer atmoſphäriſchen Umge - bungen ausübt.

Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß dieſe Körper nicht auf einmal, ſondern daß ſie erſt nach und nach aus der primitiven Materie, aus dem Urſtoffe des Weltalls entſtanden ſind, in welchem ein - zelne vorherrſchende Punkte die ſie zunächſt umgebende, anfangs wahrſcheinlich noch flüſſige Maſſe anzogen, und in mehr oder weniger regelmäßigen Schichten um ſich ablagerten. Wo immer jene Materie nahe gleichförmig vertheilt war, und wo dieſe Ablagerung in einer beſtimmten Ordnung vor ſich ging, mußte ſich auch der ſo entſtehende und allmählich fortbildende Körper zu einer regel - mäßigen Form, im Allgemeinen zur Kugelform ausbilden, deren Dichtigkeit gegen den Mittelpunkt derſelben immer größer wurde, weil hier die Kraft der Anziehung des Mittelpunkts ſo - wohl, als auch der Druck der weiter entfernten Schichten größer147Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.war, als in bedeutenden Diſtanzen von dem Mittelpunkte. Wir ſehen in der That dieſe Art der Entſtehung und Fortbildung bei allen flüſſigen Körpern der Erde, und jeder Regentropfen kann uns als Beiſpiel für jene großen Tropfen des Himmels dienen.

§. 99. (Abplattung durch Rotation.) Da aber dieſe Ablage - rungen ohne Zweifel nicht in ganz ungeſtörter Ordnung vor ſich gehen, und da während der allmählichen Ausbildung des neuen Weltkörpers, auch andere, ihm benachbarte, auf ihn einwirken mußten, ſo iſt es auch nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Kugelgeſtalt derſelben ganz rein erhalten werden konnte. Der anfangs noch weiche Planet, deſſen feſte und flüſſige Theile noch unter einander gemiſcht waren, und der, durch die Anziehung der benachbarten Körper in eine Bewegung um ſich ſelbſt, in Rotation geſetzt wurde, mußte durch die Centrifugalkraft (I. §. 21) dieſer Ro - tation an ſeinem Aequator ſich erheben, und die Geſtalt einer an ihren beiden Polen abgeplatteten Kugel erhalten. Die Beob - achtungen zeigen uns in der That dieſe Geſtalt bei allen Him - melskörpern, die uns nahe genug ſind, um ihre Abplattung noch zu unterſcheiden.

Man kann durch Rechnung ſtreng beweiſen, daß eine Maſſe von durchaus gleicher Dichte durch die Rotation die Geſtalt eines Sphäroids, d. h. eines Körpers erhalten müſſe, der durch die Umdrehung einer Ellipſe um ihre kleine Axe entſtanden iſt. Wendet man dieſe Rechnungen unmittelbar auf unſere Erde an, ſo findet man ihre Abplattung nahe gleich 1 / 580. Allein nach den Beobachtungen iſt ſie gleich 1 / 300, alſo nahe doppelt ſo groß, zum Zeichen, daß die Vorausſetzung einer durchaus gleichen Dichte der Erdmaſſe unzuläſſig iſt.

§. 100. (Rückſicht auf die verſchiedene Dichtigkeit der Erd - maſſe.) In der That iſt es auch nebſt den ſo eben angeführten, auch noch aus anderen Gründen ſehr wahrſcheinlich, daß die Dichte der Erde gegen ihren Mittelpunkt zunimmt. Schon die zur Bewohnbarkeit der Erde für Thiere und Pflanzen ſo noth - wendige Stabilität der Meere fordert es, daß die mittlere Dichte der feſten Erde viel größer ſey, als die Dichte des Waſ - ſers, weil ſonſt die von Winden bewegten Wellen des Oceans10 *148Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.immerwährend aus ihren Geſtaden treten, und das Feſtland über - ſchwemmen würden, wie dieß z. B. der Fall wäre, wenn unſere großen Meeresbecken Queckſilber ſtatt Waſſer enthielten. Bei einer nicht homogenen Erdmaſſe aber hat die theoretiſche Beſtim - mung ihrer Geſtalt große Schwierigkeiten, doch iſt man endlich dahin gekommen, zu zeigen, daß auch in dieſem Falle noch die Erde eine elliptiſche Geſtalt haben müſſe, wenn ſie mit ſich ſelbſt im Gleichgewichte verbleiben ſoll. Dieſelbe Analyſe hat uns zu - gleich gelehrt, daß die beiden Bewegungen der Erdaxe, die wir oben (I. Kap. XII. ) unter dem Namen der Präceſſion und Nu - tation kennen gelernt haben, eine bloße Folge der Anziehung des Mondes und der Sonne auf die abgeplattete Erde ſind. Die nähere Angabe der hieher gehörenden Berechnungen würde aber dem Zwecke dieſer Blätter unangemeſſen ſeyn.

§. 101. (Entfernung des urſprünglichen Stoßes von dem Mit - telpunkte des Planeten.) Es wurde bereits oben (I. Kap. II. u. IV. ) gezeigt, daß ſich die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne ſowohl, als auch zugleich die tägliche Rotation um ihre Axe aus einem anfänglichen Stoße oder Zuge erklären läßt, deſſen Rich - tung weder durch den Mittelpunkt der Sonne, noch auch durch den der Erde gegangen iſt. Wir haben geſehen (§. 64), auf welche Weiſe durch die Größe eines ſolchen urſprünglichen Stoßes die Geſtalt des Kegelſchnitts, in welchem der Planet um die Sonne geht, näher beſtimmt wird. Ganz eben ſo läßt ſich nun auch durch eine ſehr einfache Rechnung derjenige Punkt des Halb - meſſers des Planeten beſtimmen, auf welchen jener Stoß gerichtet ſeyn mußte, damit der Körper eben dieſe und keine andere Rota - tion um ſeine Axe erhalte. Bei der Erde z. B. war dieſer Punkt nahe 0,006 eines Erdhalbmeſſers von dem Mittelpunkte der Erde, alſo nur ſehr wenig entfernt, daher auch die Abplattung der Erde nicht groß, die Umdrehungszeit derſelben im Gegentheile noch be - deutend groß iſt.

Bei Jupiter aber betrug dieſe Entfernung nahe 0,38 ſeines Halbmeſſers, eine viel größere Diſtanz als bei der Erde. Daher auch die Abplattung dieſes Planeten 1 / 14 oder ſehr groß, und die Umdrehungszeit (nahe 10 unſerer Stunden) ſo ungemein klein iſt. Bei dem Monde endlich iſt dieſe Entfernung nur 0,002 ſeines149Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.Halbmeſſers, alſo noch viel kleiner als bei der Erde, daher auch ſeine Rotation, die bekanntlich ſeiner Revolution gleich iſt, volle 27 3 / 10 Tage dauert.

§. 102. (Mittelpunkt der freien Rotation der Planeten.) So - wohl die jährlichen Bewegungen der Planeten um die Sonne, als auch die täglichen Rotationen derſelben um ihre Axen gehen alle in derſelben Richtung, von Weſt gegen Oſt, vor ſich. Und daſſelbe gilt auch von den Satelliten dieſer Planeten. Es iſt dieß eine Eigenheit unſeres Sonnenſyſtems, auf die wir ſpäter wieder zurückkommen werden, und die, wie es ſcheint, ganz vorzüglich zur Erhaltung deſſelben beiträgt. Dieſem gemäß, hat alſo jeder Punkt derjenigen Hälfte der Planeten, die eben der Sonne zuge - kehrt iſt, eine doppelte, und in ihrer Richtung entgegen geſetzte Bewegung, nämlich erſtens die um die Sonne, die überhaupt allen Punkten des Planeten gemein iſt und von Weſt nach Oſt geht, und zweitens die tägliche um die Axe des Planeten, die in dieſer Hälfte von Oſt nach Weſt geht, alſo mit der vor - hergehenden eine entgegengeſetzte Richtung hat. Dieſe letzte iſt, da ſie aus der Rotation entſpringt, deſto größer, je weiter der Punkt, den man eben betrachtet, von dem Mittelpunkte des Pla - neten entfernt iſt, welcher letzte gar keine tägliche Bewegung hat. Es wird daher, in dieſer der Sonne zugekehrten Hälfte des Pla - neten auch irgend einen Punkt geben müſſen, deſſen jährliche, öſtliche Bewegung genau gleich der täglichen, weſtlichen iſt, und der daher, während der doppelten Bewegung des Planeten, als vollkommen ruhend betrachtet werden kann. Man nennt in der Mechanik dieſen Punkt den Mittelpunkt der freien Rota - tion, und man findet ſeine Entfernung von dem Mittelpunkte des Planeten, wenn man die Größe 0,4 durch die ſo eben be - trachtete Entfernung des urſprünglichen Stoßes dividirt. So hatten wir für die Erde die Entfernung des Stoßes gleich 0,006 gefunden, alſo iſt auch die Diſtanz des ruhenden Punktes von dem Mittelpunkte der Erde gleich 〈…〉 oder 66⅗ Halbmeſſern der Erde, ſo daß alſo hier dieſer Punkt weit außer die Erde, zwiſchen ſie und die Sonne fällt. Bei Jupiter iſt dieſe Diſtanz150Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.gleich 1,06, ſo daß alſo hier der Mittelpunkt der freien Rotation ſehr nahe an der Oberfläche des Planeten liegt. Bei dem Monde endlich iſt ſie gleich 200 Mondhalbmeſſern, oder nahe 60 Erdhalb - meſſern, d. h. ſehr nahe gleich der mittleren Entfernung des Mon - des von der Erde. Für den Mond fällt alſo jener Punkt ſehr nahe in den Mittelpunkt der Erde, ein merkwürdiges Zuſammen - treffen, das vielleicht noch einmal nähere Aufſchlüſſe über das geheimnißvolle Band geben wird, welches den Mond mit der Erde verbindet.

§. 103. (Alter der Erde.) Da der urſprüngliche Stoß, von welchem wir oben geſprochen haben, die Bewegung der Erde um die Sonne in der Ebene der Ecliptik erzeugt hat, ſo muß die Richtung dieſes Stoßes mit der Ecliptik ſelbſt parallel, und zu - gleich nahe ſenkrecht auf die urſprüngliche Entfernung der Erde von der Sonne geweſen ſeyn, weil die elliptiſche Bahn derſelben eine ſo geringe Excentricität hat, oder einer kreisförmigen Bahn ſo ähnlich iſt, in welcher bekanntlich der Halbmeſſer auf der Tan - gente des Kreiſes immer ſenkrecht ſteht. Da aber auch derſelbe anfängliche Stoß die Urſache der täglichen Rotation der Erde um ihre Axe ſeyn ſoll, und da dieſe Rotation in der Ebene des Aequators vor ſich geht, ſo muß die Richtung deſſelben aus der - ſelben Urſache auch mit der Ebene des Aequators parallel geweſen ſeyn. Daraus kann man den Schluß ableiten, daß die Erde zur Zeit ihrer Entſtehung in einer ihrer zwei Solſtitien geweſen ſeyn muß, weil nur dort die Ecliptik dem Aequator parallel liegt, und daß ſie zugleich in einem ihrer beiden Abſiden geweſen ſeyn muß, weil nur in dieſen beiden Punkten die Bahn der Erde auf ihrer Entfernung von der Sonne ſenkrecht ſteht. Die Erde ſcheint daher in der Nähe einer der beiden Sonnenwenden, und zwar zu einer Zeit entſtanden zu ſeyn, wo die Abſiden der Erdbahn mit dieſen Sonnenwenden zuſammenfielen. Nimmt man an, daß die Länge des Periheliums der Erde im Jahre 1800 unſerer Zeitrechnung 99° 30′, und daß die tropiſche Bewegung deſſelben in 100 Jahren 1,722° beträgt, ſo fiel die große Axe der Erdbahn oder die Abſi - denlinie derſelben mit einer der beiden Sonnenwenden zuſammen in den Jahren 9204 oder 19656 oder 30108 u. ſ. w. vor dem Anfang unſerer Zeitrechnung. Ueberhaupt aber hat man folgende151Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.Lagen des Periheliums der Erdbahn für verſchiedene Jahr - hunderte:

Dieſe Tafel mag unſeren allzeitfertigen Geologen Stoff zu neuen Hypotheſen geben; wir wollen uns begnügen, ſie angezeigt zu haben. Uebrigens mag es dem bloßen Rechner erlaubt ſeyn, ſolchen Spekulationen einen Augenblick nachzuhängen, ohne einen größern Werth darauf zu legen, als ſie in der That verdienen. Uebrigens iſt das hohe Alter unſerer Erde wohl keinem bedeuten - den Zweifel unterworfen, vielmehr vereinigen ſich mehrere Erſchei - nungen für daſſelbe. Wir haben bereits oben (I. Kap. XII. ) von den Thierkreiſen zu Esne und Denderah in Oberägypten geſprochen. Aber noch ältere Denkmäler ſcheint Indien aufzuweiſen, welches Land, nach John Call’s neueſten Unterſuchungen, vom Ganges bis zum Cap Comorin viele Spuren einer ſehr frühen Kultur enthält, da dieſe Gegenden ganz mit Palläſten, Tempeln und den Ruinen derſelben bedeckt ſind, deren Bauart von einer bereits ſehr weit vorgerückten Kunſt zeugt. In einem dieſer Tempel fand er einen Thierkreis, der das Sommerſolſtitium in dem Sternbilde der Jungfrau zeigt, wo daſſelbe am Himmel bereits vor 10000 Jahren geſtanden hat. Eben ſo fand A. Humboldt in Amerika auf dem Felſen im Norden der Ruinen von Canur, unter dem ſiebenten Grad der nördlichen Breite, Zeichnungen und Inſchrif - ten, die offenbar das Werk eines ſehr gebildeten Volkes geweſen ſeyn müſſen, das aber vor undenklichen Zeiten daſelbſt gelebt haben mag, da die gegenwärtigen Bewohner dieſer Gegenden weder eine Erinnerung an ſie aufbehalten haben, noch auch über die Bedeu - tung dieſer Inſchriften etwas mittheilen konnten. Nach Pallas findet man in Sibirien nordöſtlich von Baikalſee ähnliche, viele152Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.Meilen weit fortlaufende, mit Charakteren und Zeichnungen be - deckte Felſen. Dieſes Land enthält in ſeinem Boden mehr foſſiles Elfenbein, als ganz Indien jetzt an lebenden Elephanten hat. Wenn Chevalier’s Conjecturen gegründet ſind, ſo müſſen die be - rühmten Eiſenminen der Inſel Elba und Korſika ſchon ſeit vierzig tauſend Jahren bebaut worden ſeyn.

Wie ſich aber auch dieſe und andere Erſcheinungen verhalten mögen, die man für das hohe Alter der Erde anführen kann, immer wird man mit dem folgenden Ausſpruche eines unſerer erſten und ausgezeichnetſten Naturforſcher übereinſtimmen müſſen: Nous voyons l’homme vivre et mourir sur les ruines d’un vaste edifice reconstruit, renversé et reconstruit encore, sans que l’imagination même la plus active puisse atteindre et fixer les premiers bouleversemens.

§. 104. (Höhe der Atmoſphäre.) Unſere Erde iſt bekanntlich von einer luftförmigen Hülle, von einer Atmoſphäre umgeben, deren Daſeyn die Beobachtungen auch ſchon bei Venus, Mars und Jupiter nachgewieſen haben, und die vielleicht bei keinen Him - melskörpern fehlt. Es ſcheint, daß die Elaſticität derſelben, die an der Oberfläche der Erde dem Drucke der auf ihr laſtenden obern Schichten proportional iſt, in größeren Höhen viel ſchneller, als dieſer Druck abnimmt, und daß dadurch eine Verdünnung der höheren Luft entſteht, bei welcher ſie ganz ohne Elaſticität iſt, und wo ſie daher ihre Gränze haben muß. Diejenige Höhe der Luft, wo ſie noch Kraft genug hat, die Sonnenſtrahlen zurückzuwerfen, hat man, aus den Erſcheinungen der Morgen - und Abend-Däm - merung, zu zehn Meilen berechnet. Allein die Sternſchnuppen und andere meteoriſche Phänomene ſcheinen nach den bisherigen Beobachtungen, ſelbſt eine Höhe von dreißig Meilen über der Oberfläche der Erde zu erreichen, und diejenigen Gegenden der Atmoſphäre, in welcher noch Wärme, Licht und Electricität thätig iſt, liegen wahrſcheinlich in einer noch viel größeren Höhe.

Die eigentliche letzte Gränze der Atmoſphäre muß ohne Zwei - fel dort angenommen werden, wo die Centrifugalkraft der mit der Erde zugleich rotirenden Luft mit der Schwere der Erde gleich groß geworden iſt, da ſich die Luft jenſeits dieſer Gränze, wo die Centrifugalkraft überwiegt, von der Erde entfernen müßte,153Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.und nicht mehr bei ihr bleiben könnte. Wegen dieſer Centrifu - galkraft wird alſo auch die Atmoſphäre, ſo wie die Erde ſelbſt, an ihren Polen abgeplattet ſeyn, und unter dem Aequator eine erhabene Geſtalt annehmen. Wegen der ungemeinen Beweglich - keit ihrer Elemente, und der großen Entfernung derſelben von der Erde wird dieſe Abplattung oft ſehr bedeutend ſeyn können. Die Rechnung zeigt aber, daß dieſe Abplattung ihre Gränzen habe, die ſie nicht überſteigen kann, und daß, bei der größtmöglichen Abplattung, die kleine Axe des Luftſphäroids zur großen ſich wie die Zahlen 2 zu 3 verhalten müſſe.

§. 105. (Zodiakallicht.) Man hat das Zodiakallicht als die Atmoſphäre der Sonne anſehen wollen. Dieſes der Milch - ſtraße ähnliche, aber hellere Licht erſtreckt ſich in der Geſtalt eines Kegels, deſſen Baſis die Sonne iſt, und deſſen Axe in der Ecliptik liegt, ſelbſt noch weit über die Erdbahn heraus. Man ſieht es am deutlichſten, beſonders in den Tropenländern, in den Monaten April und Mai gleich nach Sonnenuntergang, und im Sep - tember und October kurz vor Sonnenaufgang. Es hat offenbar die Geſtalt einer ſchmalen Linſe, deren große Axe veränderlich ſcheint, aber wenigſtens fünfmal größer iſt, als die kleine. Schon dieſes Verhältniß der beiden Axen zeigt, daß das Zodiakallicht keine Atmoſphäre der Sonne ſeyn kann, bei welcher, nach dem Vorher - gehenden dieſes Verhältniß, ſelbſt wenn es am größten iſt, nur gleich 3 zu 2 ſeyn kann. Auch läßt ſich durch Rechnung zeigen, daß die Atmoſphäre der Sonne, wenn ſie exiſtirt, noch lange nicht bis zur Bahn des Merkurs ſich erſtrecken kann, da doch das Zo - diakallicht noch über die Erdbahn herausgeht. Vielleicht beſteht daſſelbe bloß in dem durch die Nähe der Sonne verdichteten Aether, an deſſen Daſeyn im Weltraume man jetzt nicht wohl mehr zweifeln kann; vielleicht iſt dieſes Licht ein Ausfluß, eine Sammlung von Kometenmaterie, die bei dem Durchgange dieſer Himmelskörper durch ihr Perihelium abgeſetzt wird, und ſich um die Sonne lagert; vielleicht iſt es ein eigenthümlicher, ſchwacher Nebel, in welchen die Sonne eingehüllt iſt, ſo daß dann dieſelbe zu den Nebelſternen gezählt werden müßte. Immer ſcheint es, daß wir die nähere Unterſuchung dieſes räthſelhaften Gegenſtandes unſern Nachkommen überlaſſen müſſen.

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Kapitel IX. Ebbe und Fluth des Meeres und der Atmoſphäre der Erde.

§. 106. (Impoſantes Schauſpiel der Ebbe und Fluth.) Ob - ſchon das, die Erde bedeckende Meer ſchon ſeit Jahrtauſenden mit ihr und mit ſich ſelbſt im Gleichgewichte zu ſchweben ſcheint, und die Geſtade nicht mehr verläßt, die es in der Vorzeit ſo oft durch - brochen hat, um das Feſtland mit ſeinen Fluthen zu bedecken, ſo ſieht man doch dieſe gewaltige Waſſermaſſe in regelmäßiger Oſcillation ſich täglich auf und nieder bewegen, und ſich von dem Mittelpunkte der Erde erheben, um bald darauf wieder zu ihm zurückzuſinken. Es iſt in der That ein erhabenes Schauſpiel für den ſtillen Zuſchauer an dem Ufer des Meeres, zu ſehen, wie die Fluthen deſſelben hin und wieder wogen, und ſich ungeſtüm an den ſie einſchließenden Geſtaden brechen, die ſie wechſelweiſe zu erſtürmen, und wieder zu verlaſſen ſtreben. Daß der Mond in jedem Monate um die Erde, daß die Erde in jedem Jahre um die Sonne, und in jedem Tage um ſich ſelbſt geht dieß ſind allerdings große und wunderbare Erſcheinungen. Aber wir füh - len ſie nicht, und ſind bereits längſt daran gewöhnt. Nur das feinere Auge des Geometers und des Aſtronomen lehrte uns dieſe Bewegungen kennen, die für den größten Theil der übrigen Men - ſchen beinahe ganz unbemerkt vorüber gehen. Aber dieſelben155Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.Kräfte, welche dieſe Phänomene erzeugen, ſind auch zugleich die Urſache jenes periodiſchen, und ſelbſt den gleichgültigſten Zuſchauer ergreifenden Auf - und Niederwogens des Weltmeeres, in welchem die Natur, die ſonſt ihre Geheimniſſe der allgemeinen Schwere ſo ſorgfältig vor unſern Blicken zu verbergen ſcheint, uns dieſelben mit großen unverkennbaren und ſelbſt den roheſten Wilden ver - ſtändlichen Charakteren geoffenbart hat.

§. 107. (Erſcheinung der Ebbe und Fluth im Allgemeinen.) Zweimal an jedem Tage erheben und ſenken ſich die Gewäſſer des Oceans in immer wieder kommender regelmäßiger Folge. Die erſten ſechs Stunden des Tages ſind ſie im Steigen begrif - fen; ſie überſchwemmen ihre flachen Geſtade, ſuchen die ſteilen Küſten zu erſtürmen, und dringen in die Mündungen der Flüſſe ein, um ſie meilenweit vor ihren Ufern anzuſchwellen. Dieß iſt die Zeit der Fluth (flux). Wenn das Waſſer ſeine größte Höhe erreicht hat, verweilt es daſelbſt als Hochmeer (la haute mer). Bald darauf ſinkt es eben ſo regelmäßig wieder zu ſeiner erſten Tiefe herab, die Zeit der Ebbe (reflux) die ebenfalls nahe ſechs Stunden dauert, bis es ſeine größte Tiefe (basse mer) erreicht hat, wo es einige Zeit verweilt, um dann wieder zu ſeiner frü - heren Höhe zu ſteigen, und in derſelben Ordnung dieſelben Veränderungen regelmäßig zu durchlaufen.

Dieſe Bewegungen des Weltmeeres werden allerdings durch die Wirkung der Winde vermehrt, aber ſie entſpringen nicht aus ihnen, da man die Ebbe und Fluth auch bei dem ſtillſten Wetter und dem reinſten Himmel immer in derſelben Ordnung abwechſeln ſieht. Dieſe Ordnung iſt ſo groß, daß man die verſchiedenen Mo - mente dieſer Erſcheinungen für verſchiedene Orte ſelbſt auf ganze Jahre mit derſelben Sicherheit vorausſagen kann, mit welcher die Aſtronomen die Finſterniſſe der Sonne und des Mondes be - ſtimmen.

§. 108. (Perioden der Ebbe und Fluth.) Dieſe Regel - mäßigkeit des Phänomens ſetzt eine eben ſo regelmäßige und dauernde Urſache voraus, welche jene Wirkungen hervorbringt. Um dieſe Urſache zu entdecken, muß man dieſe Erſcheinun - gen ſelbſt durch eine längere Zeit aufmerkſam beobachten, und vor allem die Perioden beſtimmen, in welchem ſie wiederkehren. 156Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.Man fand auf dieſe Art, daß dieſe Perioden mit dem ſynodiſchen Mondmonat (I. §. 98 und 162), das heißt, mit der Zeit des Neu - und Vollmondes in auffallendem Zuſammenhange ſtehen, und daß ſie beſonders von den Stellungen des Mondes gegen die Erde abhängen. Zwar ſind dieſe Perioden nicht immer gleich unter einander, aber wenn man aus mehreren auf einander fol - genden das Mittel nimmt, ſo erhält man für die Dauer derſelben 24 Stunden, 50 Minuten, in welchem Zeitraum immer zwei Ebben und eben ſo viele Fluthen ſich ereignen. Dieß iſt aber genau die Zeit, in welcher der Mond, für jeden Beobachter auf der Erde, vermöge der mittleren Bewegung dieſes Satelliten, wieder zu ſeinem Meridian zurückkömmt, eine Zeit, die man den Mondtag nennen kann, ſo wie man die Zeit von 24 Stunden zwiſchen zwei nächſten Culminationen der Sonne einen Sonnentag zu nennen pflegt. (I. §. 155.)

Wenn alſo für irgend einen Hafen heute das Hochmeer genau in den Mittag dieſes Ortes fällt, oder um 12 Uhr ſtatt hat, ſo wird es am erſten folgenden Tag um 12 Uhr 50 Minuten Abends, am zweiten um 1 Uhr 40 Minuten, am dritten um 2 Uhr 30 Minuten eintreten, ſo daß es täglich um 50 Minuten ſpäter kommt, und zwiſchen je zwei ſolchen Abendfluthen wird immer auch eine Morgenfluth in der Mitte liegen, von welcher die erſte um 12 Uhr 25 Minuten Morgens, die am erſtfolgenden Tag um 1 Uhr 15 Minuten, am zweiten um 2 Uhr 10 Min., am dritten um 3 Uhr 0 Min. Morgens eintritt u. ſ. w. Zwar ſind dieſe Intervalle, wie ſchon geſagt, zuweilen einige Minuten größer oder kleiner, als ſie angegeben wurden, aber eben dieſe Ungleich - heiten ſind nun wieder ein neuer Beweis, daß die ganze Erſchei - nung von dem Monde kommt, da auch dieſer, wie wir oben (Kap. VI. ) geſehen haben, ſeine Geſchwindigkeit ſehr ſtark ändert, und da man, wenn man die Unregelmäßigkeit beider aufmerkſam betrachtet, eine ſehr genaue Uebereinſtimmung beider findet.

§. 109. (Urſachen der Ebbe und Fluth.) Doch iſt der Mond zwar die wichtigſte, aber keineswegs die einzige Urſache dieſer Er - ſcheinungen. Man darf ſie in der That nur durch einige Mo - nate beobachtet haben, um zu bemerken, daß die Fluthen, welche157Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.zur Zeit des Neu - oder Vollmondes eintreten, durchaus viel grö - ßer, und die der Quadraturen im Gegentheile beträchtlich kleiner ſind, als die mittleren Fluthen. Wenn man dieſe Beobachtungen noch weiter fortſetzt, ſo findet man, daß die Fluth und eben ſo die Ebbe immer größer wird, wenn der Mond oder die Sonne der Erde näher kömmt, und daß ſelbſt die Declinationen dieſer beiden Geſtirne noch einen Einfluß auf dieſe Erſcheinungen äußern, wobei jedoch der des Mondes immer als der überwiegende er - kannt wird.

§. 110. (Lokalverhältniſſe, welche die Ebbe und Fluth be - dingen.) Alles Vorhergehende gilt eigentlich nur in ſeiner ganzen Stärke von großen freien Meeren, von dem eigentlichen Welt - meere. In kleineren Seen, ſelbſt in dem kaspiſchen Meere, und überhaupt nahe am Ufer oder in engen Häfen werden die Gewäſſer in ihrem regelmäßigen Laufe aufgehalten und geſtört, und der Moment, ſelbſt die Größe des Hochmeers wird dadurch oft bedeutend modificirt. An den Küſten von Frankreich ſind dieſe Zeiten, oft ſelbſt ſchon für zwei benachbarte Häfen, ſehr verſchieden, obſchon ſie für einen und denſelben Hafen eben ſo conſtant ſind, wie auf der hohen See. In Dünkirchen z. B. tritt das Hochmeer erſt zwölf Stunden nach der Culmination des Mondes ein, und in St. Malo (Breite 48° 39′) ſechs Stunden, während am Cap der guten Hoffnung die Fluth ſchon Stunde nach der Culmination des Mondes ihre größte Höhe erreicht.

§. 111. (Hafenetabliſſement und Totalfluth.) Man pflegt die Zeit ſeit der Culmination des Mondes, wo das Hochmeer am Tage des Neumondes für jeden Hafen eintritt, das Etablisse - ment du port (establishment of the port) zu nennen, und man geht von dieſem Augenblicke aus, um alle folgenden Momente des Hochmeers für dieſen Monat durch Rechnung zu beſtimmen. Dieſes Hafenetabliſſement beträgt in

  • Hamburg. 5 St. 0 Min.
  • Amſterdam. 3 0
  • Fliſſingen. 1 0
  • Oſtende .. 0 20
  • Calais .. 11 40
  • Dieppe .. 10 30
  • St. Malo. 6 St. 0 Min.
  • Liſſabon. 4 0
  • London .. 2 45
  • Plymouth. 6 5
  • Dublin .. 9 45
  • Gröningen. 11 15
158Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.
  • Berg-op-Zom 3 St. 0 Min.
  • Antwerpen. 4 25
  • Dünkirchen 11 45
  • Boulogne. 10 40
  • Cherbourg. 7 45
  • Breſt .. 3 St. 45 Min.
  • Cadix .. 1 15
  • Portsmouth 11 40
  • Lwerpool. 11 0
  • Briſtol .. 6 45

Es wäre ſehr wünſchenswerth, dieſe Angaben, ſo wie auch die Höhen der Fluthen für mehrere Orte mit großer Genauigkeit zu haben, da von ihnen die Berechnung der künftigen Fluthen abhängen, deren Kenntniß für die Bewohner der Meeresufer ſo nützlich und ſelbſt nothwendig iſt, um die Unfälle zu vermeiden, die ſo oft aus den Ueberſchwemmungen dieſer Ufer entſtehen. Man nennt Totalfluth (marée totale) die halbe Summe zweier nächſten Hochmeere über dem Niveau der zwiſchen ihnen liegenden tiefſten Ebbe. Beträgt z. B. die Höhe der erſten Fluth 4,4 Toi - ſen über dem Niveau der nächſtfolgenden Ebbe, und die der zweiten Fluth 3,6 Toiſen, ſo iſt die Totalfluth 4 Toiſen. Dieſe Total - fluth beträgt im Mittel aus ſehr vielen Beobachtungen für Breſt 3,21, für Cherbourg 2,70, für St. Malo 5,98, und für Dieppe 2,87 Meter. In den franzöſiſchen Häfen ereignen ſich die größ - ten Fluthen immer ein und einen halben Tag nach dem Neu - und Vollmonde, und dieſe größten Fluthen ſind es, deren Kenntniß beſonders intereſſant iſt. Man findet ſie aber auf folgende Art.

§. 112. (Berechnung der Ebbe und Fluth.) Laplace hat in ſeiner Mec. céleste Vol. II. p. 289 einen einfachen Ausdruck gegeben, durch welchen man die Höhe der Fluth für alle Neu - und Vollmondstage eines Jahres berechnen kann. Die Reſultate dieſer Berechnung werden von den Aſtronomen in Paris jährlich bekannt gemacht. So hat man z. B. für das Jahr 1834 ge - funden:

  • Fluthhöhe
  • 10 März Neumond um 11 Uhr Morgens. 0,84 Meter
  • 25 Vollmond um 6 Uhr Morgens. 1,13

Um nun zu wiſſen, welches die größte Fluthhöhe für Breſt im Monat März des Jahres 1834 ſeyn wird, multiplicirt man die größere der beiden vorhergehenden Zahlen, nämlich 1,13 durch die Totalfluth von Breſt, d. h. durch 3,21, wodurch man für die geſuchte größte Fluth 3,63 Meter erhält, und da dieſe anderthalb159Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.Tage nach dem Vollmonde ſtatt haben ſoll, ſo fällt ſie auf den 26. März um 6 Uhr Abends, für St. Malo findet man an dem - ſelben Tage die größte Fluth dieſes Monats 6,76 Meter, oder 20,81 Par. Fuß.

§. 113. (Erklärung dieſer Erſcheinungen.) Da die Voraus - beſtimmungen dieſer Erſcheinungen ſo gut mit den Beobachtungen übereinſtimmen, ſo kann man nicht zweifeln, daß auch die Vor - ausſetzungen, auf welche ſich jene Rechnungen gründen, der Wahr - heit gemäß ſind, daß nämlich dieſe Erſcheinungen eine bloße Folge der Anziehung der Sonne, und beſonders des Mondes auf die, die Oberfläche der Erde bedeckenden Gewäſſer des Meeres ſind.

Sey T (Fig. 6) der Mittelpunkt des Mondes und S der Mittelpunkt der Erde ABmn, alſo A der nächſte, und B der von dem Monde weiteſte Punkt der Oberfläche der Erde, wo der Beobachter in A den Mond in ſeinem Zenith, und B in ſeinem Nadir (Einl. §. 8) hat. Da die Anziehung des Mondes, wie die aller Körper, ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung ver - hält, ſo iſt dieſe Anziehung des Mondes für den Punkt A der Erde die größte, und für den Punkt B die kleinſte von allen, während ſie für die beiden zwiſchen jenen liegenden Punkte m und n nahe eben ſo groß, als für den Mittelpunkt S der Erde, alſo nahe gleich der mittleren Anziehung des Mondes iſt. Da alſo der Punkt A ſtärker, als der Mittelpunkt S der Erde, von dem Monde angezogen wird, ſo wird auch dieſer Punkt A ſich dem Monde T zu nähern, oder von dem Punkte T zu entfernen ſuchen; der Punkt A und alſo auch das ihm zunächſt umgebende Waſſer wird daher ſteigen. Da aber eben ſo der Mittelpunkt S an dem Monde T mehr, als der entfernteſte Punkt B angezogen wird, ſo wird ſich auch der Punkt S dem Monde mehr nähern, als der Punkt B, oder mit andern Worten, der Punkt B und alſo auch das ihn umgebende Waſſer, wird hinter dem Mittel - punkte S der Erde zurückbleiben, ſich von ihm entfernen, und daher ebenfalls ſteigen. Daſſelbe wird auch, obſchon in gerin - germ Grade, für alle die Punkte der Erde gelten, die mit den beiden Punkten A und B in einerlei Meridian liegen, oder für die der Mond zu derſelben Zeit culminirt. Die übrigen Punkte der Erde aber werden ſich deſto weniger von dem Mittelpunkte160Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.derſelben entfernen, werden deſto weniger ſteigen, je weiter ſie von jenem Meridian entfernt ſind. Die Punkte m und n, die den Mond in oder nahe bei ihrem Horizonte ſehen, werden nur mit der mittleren Kraft des Mondes, mit derſelben Kraft, wie der Mittelpunkt S angezogen, und bleiben daher ungeſtört, oder viel - mehr die, dieſe beiden Punkte umgebenden Gewäſſer müſſen an Höhe abnehmen oder ſinken, weil ein großer Theil dazu verwendet worden iſt, die Gewäſſer bei A und B zu erhöhen.

Man ſieht daraus ſchon ohne alle Rechnung, daß zwiſchen je zwei nächſten Culminationen des Mondes auch eine doppelte Ebbe und Fluth ſtatt haben, und daß die Fluth für jeden Ort der Erde in die Zeit ſeiner oberen oder unteren Culmination (Einl. §. 26), die der Ebbe aber nahe ſechs Stunden vor und nach der - ſelben ſtatt haben muß.

Was ſo eben von dem Monde geſagt worden iſt, gilt auch von der Sonne, nur wegen ihrer zu großen Entfernung in viel geringerem Maaße. Die Sonnenfluthen werden für jeden Ort in den Augenblick ſeines Mittags und ſeiner Mitternacht fallen, und wenn jeden Monat einmal die Culmination des Mondes in die - ſelbe Zeit fällt, d. h. zur Zeit der Neu - und Vollmonde, ſo wer - den die Wirkungen der Sonne und des Mondes ebenfalls zuſam - menfallen und die Fluthhöhe vergrößern, während im Gegen - theile zur Zeit der Quadraturen, wo der Mond in der Linie BST und die Sonne in der verlängerten Linie mSn liegt, die Fluthhöhe des Mondes durch die der Sonne vermindert werden muß. Aus derſelben Urſache wird die Fluth des Mondes ſowohl, als auch die der Sonne deſto ſtärker ſeyn, je näher dieſe Geſtirne bei der Erde ſtehen, was alles mit den Beobachtungen ganz genau übereinſtimmt. Daß das Hochmeer an jedem Orte nicht in den Augenblick der Culmination ſelbſt trifft, ſondern oft erſt mehrere Stunden ſpäter ſtatt hat, kömmt offenbar daher, daß das Waſſer, von m und n nach A oder nach B zu kommen, und ſich in dieſen beiden letzten Punkten auf die größte Höhe zu brin - gen, eine gewiſſe Zeit erfordert, da die Trägheit des Waſſers, die Reibung ſeiner Theile, die Unebenheiten des Meeresbodens u. dgl. dieſer Bewegung deſſelben mehrere Hinderniſſe entgegen ſetzen. Aus derſelben Urſache fällt bekanntlich auch die größte Hitze des161Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.Tages nicht auf den Mittag, ſondern oder 2 Stunden ſpäter, ſo wie die höchſte Temperatur des Jahres nicht auf den Augen - blick des Sommerſolſtitiums, wo die Sonne am höchſten ſteht, ſondern mehr als einen Monat ſpäter fällt, weil die Accumulation der Wärme ebenfalls nur allmählig fortſchreitet, und ſich ſelbſt nach dem höchſten Stande der Sonne noch einige Zeit durch an - häuft.

Es wurde bereits geſagt, daß alle die Orte, welche mit den Punkten A und B in demſelben Meridian liegen, zu gleicher Zeit ihre Fluthen haben, aber in geringerem Grade, offenbar in einem um ſo geringeren je weiter ſie von den beiden Punkten A und B entfernt ſind. Da aber die Sonne und der Mond ſich nie ſehr weit von der Ebene des Aequators entfernen, ſo werden auch dieſe Orte A und B, welche die größten Fluthen haben, immer in der Nähe des irdiſchen Aequators ſeyn, oder ſie werden in die heiße Zone fallen. Die Fluthen werden alſo in den Tropenländern am größ - ten ſeyn, und immer kleiner werden, je näher man den beiden Polen der Erde kömmt. Auch dieß iſt der Erfahrung vollkom - men gemäß. In Oſtindien und an den tropiſchen Küſten Ame - rika’s ſteigen dieſe Fluthen gewöhnlich ſehr hoch, obſchon ſie auch durch Localurſachen an andern Orten oft ſehr erhöht werden. In dem Hafen von St. Malo beträgt dieſe Höhe gewöhnlich 50 Fuß. In der Nord - und Oſtſee iſt die Erhebung und Senkung des Meeres ſchon viel kleiner, und an den nördlichen Küſten von Norwegen bemerkt man ſie gar nicht mehr, ſo wenig als in klei - neren oder ringsum eingeſchloſſenen Meeren, wie in dem ſchwarzen oder dem kaspiſchen See.

§. 114. (Beſtimmung der Mondmaſſe und Geſchichte der Theorie dieſer Erſcheinung.) Wenn man den Einfluß, welchen der Mond auf die Fluth hat, von jenem der Sonne geſchickt ſondert, ſo geben dieſe Erſcheinungen ein gutes Mittel, die Maſſe des Mondes zu beſtimmen. Man hat auf dieſem Wege gefunden, daß die Maſſe dieſes Satelliten nahe den 75ſten Theil der Maſſe der Erde beträgt, übereinſtimmend mit anderen aſtronomiſchen Beſtimmungen.

Die Theorie dieſer Erſcheinungen, in ihrer ganzen Vollſtän - digkeit aufgefaßt, iſt übrigens eine der ſchwerſten, mit welchen ſichLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 11162Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.unſere Geometer bisher beſchäftiget haben, wie ſchon aus den vielen vergeblichen Verſuchen folgt, welche ſeit Newtons Zeiten angeſtellt wurden, dieſen Zweck zu erreichen. Schon Kepler wollte eine ſolche Theorie liefern, aber die Analyſe war damals noch in einem zu unvollkommenen Zuſtande, um ein ſo ſchwieriges Problem genügend aufzulöſen. Galilei, der die Anſicht Keplers bekämpfte, ſtellte eine andere auf, die aber eben ſo wenig angenommen zu werden verdiente. Newton, der den Gegenſtand zuerſt aus dem wahren Geſichtspunkte betrachtete, ſtellte ſeine Theorie i. J. 1687 auf, allein ſo richtig auch ſeine Ideen waren, ſo bedurften ſie doch noch einer großen Entwickelung und Ausbildung, um den Erſcheinungen der Natur vollkommen zu genügen. Im Jahre 1738 machte die k. Akademie der Wiſſen - ſchaften zu Paris dieſes Problem zum Gegenſtande einer Preis - frage, die vier gekrönte Memoiren zur Folge hatte. Die drei erſten waren von Daniel Bernoulli, Leonhard Euler und Mac - laurin, welche alle mit ſehr viel Scharfſinn die von Newton ſchon früher eingeſchlagene Bahn verfolgten. Die vierte aber hatte den bekannten Jeſuiten Cavalleri zum Verfaſſer, und dieſer ſuchte die gegebene Frage durch die Anwendung der carteſiſchen Wirbel zu erklären, eine auf nichts gegründete Theorie, an welcher aber die Pariſer Akademie noch viele Jahre feſtzuhalten ſuchte, nachdem bereits Newton ſein Syſtem der allgemeinen Schwere aufgeſtellt, und die Nichtigkeit der Wirbel des Descartes dargethan hatte. Die gegenwärtige hohe Ausbildung dieſes Gegenſtandes verdanken wir vorzüglich Laplace, der ſeine tiefen Unterſuchungen darüber in den beiden letzten Theilen ſeiner Mec. céleste mitgetheilt hat.

§. 115. (Ebbe und Fluth der Atmoſphäre.) Da die Wirkung der Sonne und des Mondes auf unſere Meere ſo bedeutend iſt, ſo wird ſie wahrſcheinlich auf das unſere Erde rings umgebende Luftmeer, wegen der großen Beweglichkeit deſſelben, noch viel be - trächtlicher ſeyn. An der oberſten Gränze der Atmoſphäre ſind dieſe Wirkungen ohne Zweifel auch ſehr groß, aber wir bewohnen nur den Grund dieſes Meeres, und ſind in dieſer Beziehung in demſelben Falle mit den Bewohnern der Tiefe des Oceans, die von den großen Veränderungen, welche an ſeiner Oberfläche vorgehen, wohl nur ſehr wenig fühlen. Indeß erkennen wir dieſe163Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.Fluctuationen unſerer Atmoſphäre ſelbſt auf der Erde noch durch die täglichen Aenderungen des Barometers, und an denjenigen Winden, deren Richtung und Stärke von den Tageszeiten ab - hängt und die daher periodiſch ſind. Jene Variationen des Baro - meters ſind allerdings nur klein, da ſie ſelbſt unter dem Aequator, wo ſie am größten ſind, nur etwa drei Zehntheile einer Linie be - tragen. Demungeachtet hat man ſich durch fortgeſetzte Beobach - tungen an guten Inſtrumenten, ſelbſt in höheren Breiten, von ihrem Daſeyn nicht nur, ſondern auch von ihrer Größe überzeugt. Dieſen Beobachtungen zu Folge liegt die größte Höhe des Baro - meterſtandes zwiſchen 9 und 10 Uhr Morgens; hierauf nimmt die Höhe bis 4 Uhr Abends ab, wo ſie am kleinſten iſt. Von da ſteigt ſie wieder, bis ſie um 11 Uhr Abends zum zweitenmale eine größte Höhe erreicht, und dann wieder fällt, bis ſie um 4 Uhr Morgens zu ihrer zweiten größten Tiefe ſinkt. Aus dieſer Epoche ſieht man aber ſchon, daß ſie ſich nicht nach dem Laufe des Mondes, ſondern vielmehr nach dem der Sonne richtet. Auch zeigt die Theorie, daß die Anziehung dieſer beiden Geſtirne auf unſere Atmoſphäre, ſelbſt unter dem Aequator, höchſtens eine Aenderung von 0,02 Linien in der Höhe des Barometers hervor - bringen könnte. Jene beobachtete Aenderung ſcheint daher eine Wirkung der Temperatur zu ſeyn, die durch die Sonne in unſerer Atmoſphäre erzeugt wird.

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Kapitel X. Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.

§. 116. (Bei dem Monde iſt die Revolution der Rotation gleich.) Wir haben im Vorhergehenden geſehen, daß ſich aus dem einfachen Geſetze der allgemeinen Attraction nicht nur die ellipti - ſche Bewegung der Planeten um die Sonne, und der Satelliten um ihre Hauptplaneten erklären läßt, ſondern daß auch die man - nigfaltigen Abweichungen dieſer Körper von ihren elliptiſchen Bahnen, daß die periodiſchen ſowohl als die ſäculären Störungen aus derſelben Quelle fließen, die zugleich die Urſache der ſphä - roidiſchen Geſtalt dieſer Planeten und ihrer Atmoſphären, ſo wie derjenigen Erſcheinungen iſt, welche unter der Benennung der Prä - ceſſion und der Nutation der Erdaxe, und der Ebbe und Fluth des Meeres bekannt ſind. Es gibt aber noch mehrere andere Folgen deſſelben großen Geſetzes, die zwar eben ſo wenig, als die bereits angeführten, in dieſen Blättern umſtändlich und mit ihren Gründen mitgetheilt werden können, die aber doch zu wich - tig und intereſſant ſind, als daß es erlaubt ſeyn ſollte, ſie hier ganz zu übergehen.

Da uns der Mond immer dieſelben Flecken zeigt, oder da er uns immer dieſelbe Seite zuwendet, ſo muß er ſich um ſeine Axe drehen, und zwar in derſelben Zeit, in welcher er ſich um165Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.die Erde bewegt, ſo daß alſo die Rotation des Mondes der Re - volution deſſelben gleich iſt. Man wird ſich von der Wahrheit dieſes Schluſſes leicht überzeugen, wenn man ſich einen Beobach - ter außer der Mondsbahn z. B., in der Sonne, denkt, für welchen der Mond während jeder ſeiner Revolutionen um die Erde nach und nach alle Seiten ſeiner Oberfläche dem Beobachter zuwenden wird. Beide Bewegungen ſind alſo bei dem Monde gleich, und zwar ganz genau gleich, weil ſchon der geringſte Unterſchied, in - dem er mit der Zeit ſich anhäufen müßte, uns längſt auch die andere Seite des Mondes zugewendet hätte, die doch bisher noch kein menſchliches Auge geſehen hat. Dieſe Uebereinſtimmung der Notation mit der Revolution bei dem Monde iſt ſehr merkwürdig, und wir werden ſehen, daß dieſelbe auch bei den Satelliten der andern Planeten ſtatt hat. Nicht ſo bei den Hauptplaneten, wo zwi - ſchen dieſen beiden Bewegungen die größte Verſchiedenheit herrſcht. So dreht ſich die Erde 366mal, Jupiter 10000mal und Saturn 25000mal um ſich ſelbſt, während jeder dieſer Körper nur einen einzigen Umlauf um die Sonne macht.

§. 117. (Scheinbare Librationen des Mondes.) Zwar bemerkt man mit einiger Aufmerkſamkeit, daß die dem Rande zunächſt ſtehenden Flecken zuweilen auf die von uns abgewendete Hemi - ſphäre des Mondes treten, und uns unſichtbar werden, und daß eben ſo andere, die wir zuerſt nicht geſehen hatten, auf der uns zugewendeten Hälfte dieſes Satelliten erſcheinen. Allein man ſiebt bald, daß dieß nur ſcheinbare Bewegungen ſind, die von der un - gleichförmigen Bewegung des Mondes um die Erde, und von unſerer Stellung gegen dieſen Himmelskörper kommen. Wegen ſeiner elliptiſchen Bewegung, ſo wie auch wegen der großen Stö - rungen, die er von der Sonne erleidet (S. 116), geht er in ſeiner Bahn bald mit einer größeren, bald wieder mit einer kleineren Geſchwindigkeit fort, und muß uns daher, die wir im Mittel - punkte ſeiner Bahn ſtehen, bald von dem öſtlichen, bald wieder von dem weſtlichen Rande einen kleinen Theil ſeiner von uns im Allgemeinen abgewendeten Seite zukehren. Da ferner die Ro - tationsaxe des Mondes auf der Ebene ſeiner Bahn nicht genau ſenkrecht ſteht, ſondern um einen Winkel von nahe 83 Graden gegen ſie geneigt iſt, ſo werden wir, wenn er den höchſten Punkt166Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.ſeiner Bahn einnimmt, von ſeinem nördlichen Rande etwas we - niger, und von ſeinem ſüdlichen etwas mehr erblicken, als wenn er in dem tiefſten Punkte ſeiner Bahn ſtünde. Da endlich derjenige Punkt des Mondrandes, der bei ſeinem Aufgange am höchſten ſteht, bei ſeinem Untergange nahe am tiefſten erſcheint, ſo wird ein Beobachter auf der Oberfläche der Erde an dem äußerſten Rande des Mondes auch andere Flecken ſehen, als der Antipode deſſelben. Allein alle dieſe, übrigens ſehr geringen Verände - rungen, die man die ſcheinbaren Librationen des Mondes nennt, haben ihren Grund nur in unſerer Stellung gegen den - ſelben, und ſind daher bloß als optiſche Erſcheinungen zu betrach - ten, die mit den Bewegungen des Mondes ſelbſt in keinem unmittelbaren Zuſammenhange ſtehen. Die erſte dieſer Libratio - nen, in der Länge, kann, aus dem Mittelpunkte des Mondes geſehen, höchſtens 8 Grade, die Libration der Breite 6,8° und endlich die dritte oder die Libration der Parallaxe einen Grad betragen.

§. 118. (Säculäre Aenderungen der Rotation des Mondes.) Wir werden daher annehmen müſſen, daß die Rotation des Mon - des um ſeine Axe der mittleren Bewegung deſſelben um die Erde vollkommen gleich iſt. Allein welcher mittleren? Denn wir haben oben (I. S. 330) geſehen, daß dieſe mittlere Bewegung des Mondes ſelbſt wieder veränderlich iſt, indem ſie ſeit mehr als 20000 Jahren immer zugenommen hat, und nahe eben ſo lange noch zunehmen, dann aber wieder allmählig langſamer werden wird. Wenn daher die Rotation des Mondes eine für alle Zeiten unveränderliche Größe wäre, wie dieß bei der Erde und den Pla - neten in der That der Fall iſt, ſo müßte ſie in der Folge der Jahr - hunderte ſchon längſt von der Revolution dieſes Satelliten verſchieden geworden ſeyn, und wir würden daher ſchon ſeit Jahrtauſenden einen großen Theil der von uns noch immer abgewendeten He - miſphäre deſſelben zu Geſichte bekommen haben. Da dieß gegen die Erfahrung iſt, ſo muß man annehmen, daß auch die Rota - tion des Mondes einer ähnlichen ſäculären Veränderung, wie die Revolution, unterworfen ſey. Weil aber auf der andern Seite jede freie Rotation eines Körpers ihrer Natur nach nicht anders als gleichförmig ſeyn kann, ſo muß es eine beſondere äußere Kraft167Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.geben, die auf den Mond einwirkt, und ihn zwingt, jeden Augen - blick der Erde dieſelbe Seite unverwandt zuzukehren.

§. 119. (Urſache dieſer Erſcheinungen.) Dieſe Kraft kann aber offenbar nur in der Erde liegen. Nimmt man, wie dieß ſehr wahrſcheinlich iſt, an, daß der Mond zur Zeit ſeiner Ent - ſtebung ein flüſſiger Körper war, ſo wird die Erde, wegen ihrer großen Nähe, den ihr nächſten Punkt, d. h. den Mittel - punkt der uns ſichtbaren Scheibe des Mondes, unter allen am ſtärkſten angezogen, und ſo ſich dieſen Punkt noch mehr ge - nähert haben. Dadurch erhielt die Oberfläche dieſes Satelliten die Geſtalt eines Ellipſoids, deſſen kleinſte Axe die Rotationsaxe, und deſſen größte gegen die Erde gekehrt war. Es iſt äußerſt unwahrſcheinlich, daß der primitive Stoß, welcher dem Monde (S. 87) ſeine Bewegung gab, genau eine ſolche Beſchaffenheit hatte, wodurch die drehende und die fortſchreitende Bewegung deſſel - ben einander ganz gleich geworden wären. Allein unter der Vor - ausſetzung, daß die große Axe des Mondſphäroids urſprünglich gegen die Erde gerichtet war, iſt es ſchon hinlänglich, dieſe beiden Bewegungen nur nicht zu ſehr verſchieden anzunehmen, um daraus jene Erſcheinung der Gleichheit beider Bewegungen zu erklären. Wenn nämlich auch dieſe große Axe des Mondes jeden Augen - blick von der Richtung nach dem Mittelpunkt der Erde ſich zu entfernen ſtrebt, ſo wird ſie doch durch die Anziehung der Erde ſelbſt immer wieder in ihre frühere Lage zurückgebracht werden, ſo wie z. B. die Schwere der Erde ein in Bewegung begriffenes Pendel, ſo oft es ſich von ſeiner Verticallinie entfernt, immer wieder zu derſelben zurückführt. Durch dieſe Attraction der Erde entſteht alſo eine Art von wahrer, nicht bloß ſcheinbarer Libra - tion des Mondes, die aber ſehr gering ſeyn muß, da unſere Beobachtungen ſie noch nicht zu erkennen gegeben haben. Auch die Abplattung des Mondes an ſeinen beiden Polen iſt ſo klein, daß ſie bisher unſern ſchärfſten Inſtrumenten entging, und daß wir daher die Geſtalt dieſes Satelliten ohne merklichen Fehler als vollkommen kugelförmig annehmen können. Nach der Theorie aber iſt die kleine Axe deſſelben gleich 0,9989, wenn die große, gegen den Mittelpunkt der Erde gekehrte Axe für die Einheit168Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.angenommen wird, ſo daß alſo ſeine Abplattung nur den tauſend - ſten Theil dieſer Axe beträgt.

§. 120. (Der Mond in Verbindung mit Kometen.) Wenn der Mond je einem Kometen nahe gekommen iſt, was ſeit der undenklichen Zeit ſeiner Exiſtenz wohl geſchehen ſeyn mag, ſo muß doch die Maſſe eines ſolchen Kometen ungemein gering ge - weſen ſeyn. Denn wenn ſie auch nur den hunderttauſendſten Theil der Erdmaſſe betragen hätte, ſo würde ein Zuſammentreffen dieſer beiden Körper, wie die Rechnung zeigt, die wahren Librationen des Mondes ſchon ſo groß gemacht haben, daß ſie unſern Beobach - tungen nicht mehr hätten entgehen können. Aber vielleicht war der Mond ſelbſt einmal ein Komet, der in der graueſten Vorzeit der Erde nahe gekommen iſt, und nun, von ihr feſtgehalten, ſie auf ihrer Bahn um die Sonne begleiten muß? Es hat nicht an Aſtronomen gefehlt, die dieſe Meinung aufgeſtellt haben. Allein wenn man, mit Hülfe der Analyſe, auch in die entfernteſte Zeiten zurück geht, ſo findet man, daß der Mond ſich immer in einer nahe kreisförmigen Bahn um die Erde, ſo wie die Planeten um die Sonne, bewegt habe, und daß daher ein ſolcher Urſprung deſ - ſelben ganz unwahrſcheinlich iſt.

§. 121. (Störungen der Kometen von den Planeten und von dem Aether.) Dieſe Kometen erleiden von den Planeten unſeres Sonnenſyſtems, wenn ſie aus ihrer weiten Ferne zu denſelben herabſteigen, oft große Störungen, die auf eine ganz andere Art berechnet werden müſſen, als die Störungen der Planeten unter ſich, weil die große Excentricität ihrer Bahnen nicht mehr die Ab - kürzungen erlaubt, die man bei den Planeten mit ſo viel Vor - theil anzuwenden pflegt. Schon Halley erkannte die großen Wir - kungen dieſer Störungen an dem nach ihm genannten Kometen, deſſen auf einander folgende Umlaufszeiten, in Folge dieſer Stö - rungen, mehr als ein ganzes Jahr von einander verſchieden waren. Aber erſt 75 Jahre ſpäter verſuchte es Clairaut, dieſe Störungen der Analyſe zu unterwerfen. Dieſe Kometen ſcheinen ſelbſt noch eine andere Art von Störung zu erleiden, dergleichen wir bei den Planeten noch kein Beiſpiel gefunden haben. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die Räume, welche die Körper unſeres Sonnenſyſtems von einander trennen, mit einer vielleicht äußerſt169Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.feinen und durchſichtigen Materie erfüllt ſind, und daß die Körper, wenn ſie ſich in dieſem Aether bewegen, von demſelben einen Widerſtand erfahren. Bei den Planeten, dieſen dichten und feſten Kugeln, wird ſolcher Widerſtand ohne Zweifel nur ſehr ge - ring ſeyn können, wie wir denn auch bisher durch keine Beobach - tung die Exiſtenz deſſelben nachzuweiſen vermögen. Allein die Ko - meten, dieſe ungemein ausgebreiteten, und aus einem ſo lockeren Gewebe beſtehenden Körper, daß ſie vielleicht nicht einmal unſern Wolken zu vergleichen ſind, würden allerdings einen viel größern Widerſtand von jenem Mittel erleiden können. Man hat eine ſolche Bewegung der Analyſe unterworfen und gefunden, daß, wenn dieſes Mittel eine ſehr geringe Dichtigkeit, und die ellipti - ſche Bahn des Kometen eine ſehr kleine Excentricität hat, die große Axe der Ellipſe immerwährend abnehmen, alſo auch die Umlaufszeit des Kometen kleiner, die Winkelgeſchwindigkeit deſ - ſelben aber immer größer werden müßte, während die Excentri - cität der Bahn, und die Lage der großen Axe periodiſchen Ab - wechslungen unterworfen ſeyn würde, die ſich mit jedem Umlaufe des Kometen um die Sonne wieder herſtellen. Dieſe immerwäh - rende Abnahme der großen Axe würde daher eine beſtändige An - näherung des Kometen zur Sonne, und ein endliches Zuſammen - fallen beider Körper zur Folge haben. Encke hat bei dem nach ihm benannten Kometen von 1200 Tagen Umlaufszeit in der That eine ſolche Verkürzung der Revolution bemerkt, und dadurch Ver - anlaſſung gegeben, auf dieſen bisher ganz vernachläſſigten Gegen - ſtand in der Folge eine größere Aufmerkſamkeit zu wenden.

§. 122. (Unveränderliche Gegenſtände des Sonnenſyſtems.) Wir haben bisher geſehen, wie durch die Wirkung der, allen Kör - pern unſeres Sonnenſyſtemes gemeinſamen Anziehung keiner der - ſelben in abſoluter Ruhe, wie vielmehr alles in gegenſeitiger, oft durch viele Urſachen zugleich mannigfaltig modificirter Bewegung ſich befindet, wie die Ebenen, auf welche wir alle Lagen der himmliſchen Körper beziehen, die Ecliptik und der Aequator, ja wie ſelbſt die Punkte dieſer Ebenen, von welchen wir dieſe Lagen zu zählen anfangen, die Aequinoctialpunkte der Himmels - ſphäre, ähnlichen immerwährenden Aenderungen unterliegen. Zwar ſind wir dahin gelangt, von allen dieſen Veränderungen170Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.ſtrenge Rechenſchaft zu geben, und zu zeigen, daß dieſe bloß ſchein - baren Unordnungen nur eine Folge, ein unmittelbarer Ausfluß deſſelben Geſetzes der allgemeinen Schwere ſind. Aber je ſchwerer die Aufgabe iſt, deren Löſung hier der menſchliche Geiſt durch die Hülfe der Analyſe unternommen, und in ihren Hauptpunkten wenigſtens glücklich zu Ende geführt hat; je größer und verworre - n[e]r das Gewühl aller dieſer beinahe unüberſehbaren Körper iſt, das uns von allen Seiten umgibt, deſto wünſchenswerther muß es uns erſcheinen, in dieſen zahlloſen, und ſich ſo wunderbar durch - kreuzenden Bewegungen wenigſtens einige Punkte aufzufinden, die an dem ewigen Wechſel keinen Theil nehmen, die mitten in dieſem beſtändig auf und nieder wogenden Meere in abſoluter Ruhe bleiben, und an die wir daher, als an fixe Punkte, alle anderen anknüpfen, und die Bewegungen derſelben davon abmeſſen können.

Wir kennen bisher drei ſolcher conſtanten, und, wie es ſcheint, für immerwährende Zeiten unveränderlichen Dinge: die Stabilität der Drehungsaxe der Erde, die Länge des Tages, und die mittlere Entfernung der Erde und aller Planeten von der Sonne. Wir wollen dieſe drei Gegenſtände nach der Reihe näher betrachten.

§. 123. (I. Unveränderlichkeit der Erdaxe.) Die Tiefe unſerer Meere beträgt, den darüber angeſtellten Verſuchen zu Folge, nur einen ſehr geringen Theil des Halbmeſſers der Erde, wie auch ſchon daraus hervorgeht, daß daſſelbe ſo große Strecken des Feſt - landes unbedeckt gelaſſen hat. Man wird ohne merklichen Fehler annehmen können, daß der Boden des Meeres nahe eben ſo tief unter dem Spiegel des Waſſers liegt, als das höchſte Feſtland über demſelben ſteht, eine Größe, die nahe 30000 Fuß beträgt, alſo ſelbſt noch ein kleiner Theil der Abplattung iſt, die über drei Meilen oder gegen 70000 Fuß hat. Obſchon es ſehr wahrſchein - lich iſt, daß dieſes Meer in der Vorzeit wenigſtens zuweilen einen großen Theil des Continents bedeckt hat, wie die auf den höchſten Bergen zurückgelaſſenen Spuren deſſelben zeigen, ſo konnte daſ - ſelbe doch eben wegen ſeiner geringen Tiefe, oft große Strecken bedecken und wieder verlaſſen, ohne jene gewaltſamen Revolutio - nen anzunehmen, für welche mehrere unſerer Geologen ſogar171Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.eine Verſetzung des Aequators in die Gegenden, welche jetzt die Pole einnehmen, zu Hülfe gerufen haben. Man hat dieſe extravaganten Hypotheſen ausgedacht, um dadurch die Ueberreſte von Thieren der Tropenländer, die man in den kalten Zonen fand, zu erklären. So wurde im Jahr 1771 an dem ſandigen Ufer des Fluſſes Wilhui in Sibirien ein ganz gut erhaltenes Rhinoceros einige Fuß tief unter der Erde entdeckt, deſſen Haut noch nicht von der Verweſung ergriffen war, und i. J. 1799 wurde am Ausfluſſe der Lena ein ungewöhnlich großer Elephant, in einen Eisblock eingeſchloſſen, gefunden, deſſen Fleiſch noch ſo friſch geweſen ſeyn ſoll, daß die Jakuten ihre Hunde damit füttern konnten. Dieſe und ähnliche Erſcheinungen wollte man aus einer ſolchen Verſetzung des Aequators, der früher durch jene Gegenden gegangen ſeyn ſoll, und durch den dadurch verurſachten Sturz des Weltmeers von Süd nach Nord erklären, ohne zu bedenken, daß dieſe Thiere unmittelbar nach ihrem Tode hätten einfrieren müſſen, um vor der Fäulniß bewahrt zu bleiben.

§. 124. (Erklärung dieſer Erſcheinungen) Eine ſolche plötz - liche Verſetzung des Aequators der Erde könnte nur von irgend einer fremden äußern Kraft gekommen ſeyn, und man ſieht da nichts, als etwa einen Kometen, der in der Vorzeit mit der Erde zuſammengetroffen ſeyn mag. Allein wir haben bereits oben ge - zeigt, wie unwahrſcheinlich ein ſolches Zuſammentreffen, und wie noch viel unwahrſcheinlicher eine ſo bedeutende Folge dieſes Con - flictes iſt, da die Maſſen aller Kometen ſo ungemein klein ſind.

Aber iſt es nicht möglich, daß vor Zeiten auch in dem ge - genwärtigen Klima Sibiriens Elephanten in der That gelebt haben? Der an der Lena gefundene war allerdings, ſeiner Größe und Geſtalt nach, denen gleich, die wir noch jetzt im ſüd - lichen Aſien finden. Seine beiden Hauzähne hatten neun Fuß Länge, und ſein Kopf wog vier Zentner. Aber ſeine Haut war bedeckt mit einer dichten braunen Wolle, aus der ſtarke, ſchwarze Haare hervorragten, und der Hals des Thieres war mit einer löwenartigen Mähne beſetzt. Eben ſo war die Haut jenes Rhi - noceros mit ſteifen, drei Zoll langen Borſten oder Haaren be - deckt. Unter einem ſolchen Pelze konnten dieſe Thiere das Klima Sibiriens ſehr wohl ertragen, während die ihres Gleichen, wenn172Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.anders ſie das ſind, in Indien jene ſtrenge Kälte nicht ertragen würden. Uebrigens wandern auch dieſe Thiere des Südens zur Sommerszeit oft ſehr weit gegen Norden hin, und man ſieht den ſogenannten Königs-Tiger Indiens ſeine Excurſionen bis an den weſtlichen Abhang des Altaiberges, nahe bei Barnul (53° nördlicher Breite) ausdehnen. Daſſelbe konnte auch in der Vor - zeit mit den Elephanten geſchehen ſeyn, und dann war ein Ein - ſinken deſſelben im leichten Grunde, oder ein Erdfall mit einer darauf folgenden ſtrengen Kälte ſchon hinreichend, dieſe Thiere zu begraben, und ihre Körper vor der Verweſung zu ſchützen, ohne erſt, wie unſere Geologen wollen, die Pole der Erde aus ihren Angeln zu heben. Auf eine ähnliche Weiſe wollte auch Halley die Kälte in Nordamerika erklären, die nach dem Zeugniſſe aller Reiſenden viel größer iſt, als in denſelben Breiten Europas. Nach ſeiner Anſicht wurde der Pol der Erde, der früher in der Nähe der Hudſonsbay gelegen war, durch den Stoß eines Kome - ten in diejenige Gegend, die er jetzt einnimmt, verſetzt, und die einer ſo großen Kälte ausgeſetzte Gegend des frühern Nordpols hat ſeitdem noch keine Zeit gehabt, ſich zu erwärmen. Allein die beobachtete größere Kälte Amerikas gilt nur von der öſtlichen Seite, während man auf der weſtlichen Küſte des großen Oceans dieſe Differenz nicht mehr bemerkt. Aber wohl tritt dieſelbe Er - ſcheinung wieder im nordöſtlichen Aſien hervor, wo eine viel ſtrengere Kälte herrſcht, als unter derſelben Breite in Europa, ſo daß ſowohl in der alten, als auch in der neuen Welt der öſtlichere Theil bei weitem der kältere iſt.

§. 125. (Andere Beweiſe für die Unveränderlichkeit der Erdaxe.) Ueberhaupt ſind dieſe Verſetzungen der Pole, ſo oft man ſie auch zu geologiſchen Erklärungen zu Hülfe gerufen hat, und zwar nicht nur jene gewaltſamen und plötzlichen, ſondern ſelbſt geringe und langſam fortſchreitende Veränderungen derſelben, durch nichts er - wieſen, und mit den Beobachtungen, ſo wie mit der Theorie in directem Widerſpruche. Seit der Zeit, wo man durch die Er - findung der Fernröhre die Polhöhen ſo vieler Orte mit großer Genauigkeit beſtimmt hat, wurde auch nicht an einem derſelben eine Aenderung bemerkt, die größer wäre, als die bisher noch unvermeidlichen Beobachtungsfehler. Das die Erde zum Theil173Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.bedeckende Meer ſtört die Lage der Erdaxen ſo wenig, daß es vielmehr, durch ſeine große Beweglichkeit, der Erde erſt den ſichern und dauernden Zuſtand des Gleichgewichtes gibt, der ſonſt, bei einer ganz ſtarren Maſſe der Erde, durch die kleinſte äußere Ein - wirkung ſchon geſtört werden könnte.

§. 126. (Freie Axen der Rotation.) Wir haben bereits oben (S. 32) von der Schwungkraft geſprochen, durch welche jedes Element eines Körpers, der ſich um eine gerade Linie als um ſeine Axe dreht, ſich in ſenkrechter Richtung von dieſer Axe zu entfernen ſtrebt. Da aber dieſe Elemente, durch den Zuſammen - hang des Körpers, an dieſer Entfernung gehindert werden, ſo entſteht daraus ein Druck auf die Rotationsaxe. Dieſer Druck liegt, ſo wie die Centrifugalkraft, in der Richtung der Linie, die von dem Elemente ſenkrecht auf die Axe gezogen wird, und iſt offenbar deſto größer, je größer dieſe Linie, d. h. je weiter das Element von der Rotationsaxe entfernt liegt. Iſt nun der Körper, in Beziehung auf dieſe Axe, nicht zu allen Seiten derſelben ſym - metriſch geſtellt, ſo wird dieſer Druck ein Wanken der Rotationsaxe und eine Störung der ſonſt gleichförmigen Drehung des Körpers erzeugen. Iſt aber der Körper ſo gebaut, und die Rotationsaxe durch ihn ſo geſtellt, daß jedes Element deſſelben, auf der einen Seite der Axe, ein anderes gleich großes und gleich entferntes auf der andern Seite derſelben hat, ſo wird zwar jedes dieſer zwei Elemente einen Druck auf die Axe erzeugen, aber beide Preſſungen werden erſtens gleich groß, und zweitens auf einander in ihrer Richtung entgegengeſetzt ſeyn, d. h. beide Preſſungen werden ſich gegenſeitig aufheben, und die Axe wird durch dieſes Elementenpaar keinen Druck erleiden. Da daſſelbe von jeden zwei anderen eben ſo gegen einander geſtellten Elementen gilt, und da, der Vorausſetzung gemäß, der ganze Körper nur aus ſolchen Elementenpaaren beſteht, ſo wird auch die Drehungsaxe eines ſolchen Körpers von keinem Elemente deſſelben einen Druck erleiden, oder ſie wird eine ſogenannte freie Axe ſeyn. Für eine Kugel z. B. ſind alle Durchmeſſer derſelben ſolche freie Axen, und eben ſo iſt für ein Ellipſoid, das durch die Umdrehung einer Ellipſe um ſeine große oder kleine Axe entſteht, dieſe große oder dieſe kleine Axe eine freie, weil in der That alle auf dieſe Ro -174Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.tationsaxe ſenkrechten Schnitte des Ellipſoids Kreiſe ſind, deren Mittelpunkte ſämmtlich in dieſer Axe liegen, wie dieß bei der Kugel für jeden ihrer Durchmeſſer der Fall iſt.

Weitere geometriſche oder vielmehr mechaniſche Unterſuchungen haben gezeigt, daß jeder Körper, ſo unregelmäßig er auch geformt ſeyn mag, immer wenigſtens drei ſolche freie Axen habe, und daß ſich dieſelben in dem Schwerpunkte des Körpers unter, einan - der ſenkrechten Richtungen durchſchneiden. Bei der Kugel ſind, wie geſagt, alle Durchmeſſer derſelben freie Axen, und bei dem ſo eben erwähnten Ellipſoid iſt nicht nur diejenige Axe, um welche die Ellipſe gedreht wird, ſondern auch noch jeder Durchmeſſer des Aequators des Körpers eine freie Axe.

§. 127. (Anwendung auf die Erde.) Wenden wir das Vor - hergehende auf die Erde oder überhaupt auf die Planeten an, die zur Zeit ihrer Entſtehung wahrſcheinlich die Geſtalt einer Kugel hatten. Der primitive Stoß, dem ſie ihre Bewegung verdanken, gab ihnen eine Rotation um einen ihrer Durchmeſſer, d. h. alſo um eine freie Axe. Durch die ſo entſtehende Rotation der Kugel wurde ſie an ihren Polen abgeplattet, die Kugel wurde in ein Ellipſoid verwandelt, das durch die Umdrehung einer Ellipſe um ihre kleine Axe entſteht. Dadurch hörte alſo die urſprüngliche Drehungsaxe nicht auf, eine freie Axe zu ſeyn. Die Planeten bewegen ſich alſo um ſolche vollkommen freie Axen, die keinen Druck erleiden, daher ſie auch ihre Rotation um dieſe, immer dieſelbe Lage beibehaltenden Axen ungeſtört und ohne Ende fortſetzen. Ja dieſe Abplattung der Erde trägt ſelbſt weſent - lich dazu bei, die Lage der Rotationsaxe derſelben immer in der gleichen Lage zu erhalten, da ſie, wenn ſie auch durch äußere Kräfte etwas aus ihrer Richtung gebracht werden ſollte, eben durch dieſe Abplattung ſogleich wieder in ihre frühere Lage zurückgebracht werden müßte, während im Gegentheile, wenn die große Axe der erzeugenden Ellipſe die Rotationsaxe des Körpers geworden wäre, ſchon die geringſte Störung derſelben hinreichend geweſen ſeyn würde, dieſe Axe immer mehr von ihrer früheren Lage zu entfernen, ohne ſie je wieder in ihre erſte Stellung zurückführen zu können.

§. 128. (Unveränderlichkeit der Länge des Tages.) Dieſelben Gründe, welche wir ſo eben für die Unveränderlichkeit der Lage175Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.der Erdaxe angegeben haben, ſprechen auch für die immer gleich - förmige Rotation der Erde um dieſe Axe, d. h. für die Unver - änderlichkeit der Länge des Tages. Die genaueſten theoretiſchen Unterſuchungen über die Störungen, welche die tägliche Drehung der Erde um ihre Axe erleiden könnte, haben durchaus keine, un - ſeren Sinnen bemerkbare Aenderung in der Geſchwindigkeit dieſer Drehung erkennen laſſen, und die ſchärfſten aſtronomiſchen Beob - achtungen haben ſich mit der Theorie vereinigt, dieſen Grund - pfeiler der geſammten Sternkunde, die Unveränderlichkeit der Dauer des Sterntages (I. §. 159), über allen Zweifel zu erheben.

§. 129. (Aus den Umlaufszeiten der Planeten.) Die alten Griechen haben ihre Beſtimmungen der Umlaufszeiten der Pla - neten um die Sonne mit einer ſo großen Genauigkeit vorgenom - men, daß wir, nach ſo viel tauſend neuen, mit den beſten Inſtru - menten angeſtellten Beobachtungen, nichts Weſentliches daran zu ändern geſunden haben. Da dieſe Umlaufszeiten, wie wir bald ſehen werden, ſelbſt für alle Zeiten unveränderlich ſind, ſo müſſen wir annehmen, daß auch die Länge des Tages, in welchen jene Umlaufszeiten ausgedrückt werden, ſeit jener Zeit bis auf unſere Tage, keine Aenderung erlitten hat, weil ſich dieſe ſofort in den Revolutionen der Planeten gezeigt haben würde. Wenn unſer Tag um eine Sekunde kleiner oder größer wäre, als der zur Zeit der Griechen, ſo würden wir die Revolution Jupiters, die ſie gleich 4332,5848 Tage fanden, um 0,05 Tage oder um eine Stunde und zwölf Minuten anders finden, während wir doch in unſeren neueſten Beſtimmungen kaum einige Sekunden von jener alten abweichen. Selbſt wenn der Tag ſich nur um den hundertſten Theil einer Sekunde ſeit jener Zeit geändert hätte, ſo würden wir jetzt die Revolution Jupiters um volle 43 Zeitſekunden anders finden, als die Griechen, was mit allen Beobachtungen aus jenen und aus unſeren Zeiten in directem Widerſpruche ſteht.

Man hat geglaubt, daß die Paſſatwinde, welche zwiſchen den Wendekreiſen beſtändig von Oſt nach Weſt ziehen, oder daß das Herabſteigen des Polarkreiſes gegen den Aequator, und andere Verſetzungen großer Maſſen auf der Oberfläche der Erde oder des Meeres, daß Erdbeben, Vulkane u. dgl. die Geſchwindigkeit der Rotation derſelben verändern könnten. Allein eine nähere Be -176Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.trachtung dieſes Gegenſtandes hat die Zweifel zerſtreut, und man kennt durchaus keine Urſache, welche großen Theilen der Erdmaſſe ſo beträchtliche Ortsveränderungen geben könnte, um dadurch die Länge des Tages auf eine uns merkbare Weiſe zu ſtören.

§. 130. (Aus der ſäculären Gleichung der mittlern Mondsbe - wegung.) Wir haben oben (§. 88) gefunden, daß die mittlere Bewegung des Mondes ſeit undenklichen Zeiten immer ſchneller wird, und daß dadurch die Länge des Mondes in t Jahrhunderten um 10,72 tt Sekunden zunimmt. Wer das Verfahren näher kennt, wie man zu dieſer Kenntniß kam, wird ohne Anſtand zugeben, daß dieſe Zahl 10,72 wenigſtens bis auf eine Se - kunde genau iſt. Nehmen wir nun an, daß die Dauer des Tages jetzt z. B. um eine Sekunde größer ſey, als zu Hipparchs Zeiten (150 Jahre vor Chr. G.). Dieß vorausgeſetzt, würde alſo auch ein Jahrhundert oder 36525 Tage um eben ſo viele oder um 36525 Sekunden, d. h. um 10 Stunden, 8 Minuten, 45 Se - kunden größer ſeyn, als zur Zeit Hipparchs. In 10 Stunden, 8 Minuten, 45 Sekunden beſchreibt aber der Mond in ſeiner mittleren Bewegung einen Bogen von 5 Grad, 34 Minuten, 13 Sekunden oder von 20053 Sekunden. Daraus folgt, daß bloß durch dieſe kleine Vergrößerung des Tages von einer Se - kunde die gegenwärtige Säcularbewegung des Mondes um 20053 Sekunden größer erſcheinen müßte, als zur Zeit Hipparchs. Allein dann müßte zugleich der vorhergehende Faktor von tt, nicht 10,72 Sekunden, ſondern 542 Sekunden, alſo über 50mal größer ſeyn, da er doch, wie wir bereits geſagt haben, den neueſten Beobach - tungen gemäß höchſtens um eine einzige, nicht aber um 530 und mehr Sekunden unrichtig ſeyn kann. Es iſt alſo ganz und gar unwahrſcheinlich, daß die Länge des Tages ſeit dem Anfange unſerer Zeitrechnung, nicht bloß um eine ganze, ſondern auch nur um den hundertſten Theil einer Sekunde ſich geändert habe.

Wenn man ſich aus dem Vorhergehenden (I. §. 123) erin - nert, mit welcher ungemeinen Präciſion die Umlaufszeiten der Planeten beſtimmt werden können, und in der That auch ſchon von den Alten beſtimmt worden ſind, ſo wird man es nicht nur nicht übertrieben, ſondern vielmehr ſehr billig finden, daß die177Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.Aſtronomen die Unveränderlichkeit der Länge des Tages nur zwi - ſchen den Gränzen des hundertſten Theiles einer Sekunde ange - nommen haben, da ſie, wie die vorhergehenden Schlüſſe zeigen, mit Sicherheit noch viel engere Gränzen hätten annehmen können.

§. 131. (III. Unveränderlichkeit der großen Axen der Planeten - bahnen.) Wir haben oben (im ſiebenten Kapitel) die ſäculären Störungen der Planeten betrachtet, und die Aenderungen angege - ben, welche, durch den gegenſeitigen Einfluß dieſer Körper, die Neigung und die Lage ihrer Knoten ſowohl, als auch die Excen - tricität und die Länge der Abſidenlinie ihrer Bahnen erleidet. Wir haben daſelbſt geſehen, daß dieſe Größen ſämmtlich verän - derlich ſind, und zwiſchen beſtimmten Gränzen in ſehr großen Perioden von mehreren Jahrtauſenden hin und wieder gehen, die Abſiden allein ausgenommen, die in keine ſolche Gränzen einge - ſchloſſen ſind und in der Folge der Zeiten ihren ganzen Kreis um die Sonne zurücklegen. Dieſe Ausnahme ſcheint ihre Urſache darin zu haben, daß es für die Erhaltung des ganzen Syſtems offenbar gleichgültig iſt, nach welcher Seite der Himmelsſphäre hin die große Axe der Planetenbahnen gerichtet ſeyn mag, um ſo mehr, da dieſe Bahnen ohnehin nur ſehr wenig von Kreiſen ver - ſchieden, und da ſie überdieß durch ſo große Zwiſchenräume von einander getrennt ſind.

Allein es gibt noch ein anderes und ſehr wichtiges Element dieſer Bahnen, von deſſen ſäculären Störungen wir bisher noch nicht geſprochen haben. Die große Axe der Bahn, oder die ſo - genannte mittlere Entfernung des Planeten von der Sonne hängt, wie das dritte Geſetz Keplers (I. §. 146) zeigt, unmittelbar mit der Umlaufszeit deſſelben um die Sonne zuſammen, ſo daß beide zugleich wachſen oder abnehmen müſſen.

§. 132. (Folgen, die eine Aenderung dieſer Axen haben würde.) Welche Folgen würde aber eine ſolche Zu - oder Abnahme dieſes Elementes nach ſich ziehen? Es iſt leicht einzuſehen, daß eine Aenderung deſſelben, auch die geringſte, wenn ſie einmal ſtatt hat, nicht mehr in einem periodiſchen Wachſen und Abnehmen beſtehen kann, ſondern daß es, ſeiner Natur nach, immer in demſelben Sinne fortgehen, und ſich mit der Zeit anhäufen muß. Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 12178Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.Ein ſolcher Planet, deſſen mittlere Entfernung ſich auch nur einen Augenblick ändert, wird daher immerwährend der Sonne näher kommen, oder ſich immer weiter von ihr entfernen, und jeder von dieſen beiden Fällen wird ohne Zweifel von dem größten und wichtigſten Einfluſſe auf den Planeten und die ihn bewohnen - den Geſchöpfe ſeyn.

Wir haben oben (S. 98) geſehen, daß es von der Geſchwin - digkeit in ſeiner urſprünglichen Entfernung von der Sonne ab - hängt, ob die Bahn deſſelben eine Ellipſe, oder aber eine Hyperbel iſt. In jener krummen Linie wird er eine geſchloſſene, in ſich ſelbſt wiederkehrende Bahn um die Sonne beſchreiben, in dieſer aber, ſo wie in der Parabel, wird er, wenn er einmal ſein Perihelium zu - rückgelegt hat, ſich immer weiter von der Sonne entfernen, und end - lich die Anziehungsſphäre derſelben gänzlich verlaſſen, und in fremde Fixſternſyſteme eintreten, ohne je wieder zu unſerm Syſteme zurück - zukehren. Wenn nun auch ein Planet, vermöge ſeiner anfänglichen Geſchwindigkeit, die er in einer beſtimmten Entfernung von der Sonne erhalten hat, eine Ellipſe beſchreibt, ſo wird er doch, wenn ſeine mittlere Diſtanz ſich ändert, und er das nächſtemal wieder zu derſelben Entfernung von der Sonne gelangt, eine ganz andere Geſchwindigkeit haben, mittelſt welcher er fortan keine Ellipſe mehr um die Sonne beſchreiben kann. So bewegt ſich z. B. Jupiter in ſeinem Perihelium während einer Sekunde durch 1,85 Meilen, während Saturn in ſeiner Sonnennähe während derſelben Zeit nur 1,38 Meilen zurücklegt. Dieſe beiden Geſchwindigkeiten ſind zugleich ihre anfänglichen geweſen, wenn anders dieſe Plane - ten im Perihelium entſtanden. Wenn aber Saturn in dieſer ſeiner kleinſten Entfernung von der Sonne einmal die erwähnte Geſchwindigkeit Jupiters haben ſollte, ſo würde die früher ellip - tiſche Bahn Saturns in eine Parabel übergehen, und daher ſich immer weiter von der Sonne entfernen, und ſammt ſeinem Ringe und ſeinen ſieben Monden endlich ganz aus unſerem Syſteme verſchwinden. Eben ſo könnte ſchon eine geringe Vergrößerung der anfänglichen Geſchwindigkeit die Bahn eines Planeten, wenn ſie auch keine Hyperbel wird, zu einer ſehr excentriſchen Ellipſe machen, und ſo den Himmelskörper ganz aus der Reihe der eigent - lich ſogenannten Planeten entfernen und ihn unter die Kometen179Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.verſetzen. Durch dieſe Erweiterung der Planetenbahnen würden dieſe Himmelskörper, die jetzt, durch ſo große Räume von ein - ander getrennt, ihre Wege friedlich, und ohne einander bedeutend zu ſtören, zurücklegen, einander näher gerückt werden, ſich auf ihren Bahnen begegnen, Unordnungen und ſelbſt Zerſtörungen verurſachen, und endlich das ſchöne Verhältniß, welches jetzt unter ihnen beſteht, gänzlich aufheben, und das ganze Syſtem ſeiner Auflöſung entgegenführen. Noch wichtiger würde eine Vermin - derung dieſer Geſchwindigkeit ſeyn, da ſie den Planeten der Sonne immer näher bringen, und endlich ganz mit ihr vereinigen müßte. Der Planet würde nämlich, wenn die Tangential-Geſchwindigkeit, mit welcher er jetzt nahe einen Kreis um die Sonne beſchreibt, immer kleiner würde, von der immer mehr überwiegenden Cen - kralkraft der Sonne auch immer mehr zu ihr hingezogen werden, er würde in ſtets engeren Windungen und mit ſtets wachſender Winkelgeſchwindigkeit eine Spirale um die Sonne beſchreiben und endlich auf ſie ſtürzen.

§. 133. (Geſchichte dieſer Entdeckung.) Durch eine in der That bewunderungswürdige Einrichtung unſeres Sonnenſyſtems iſt dieſen beiden Extremen dadurch vorgebeugt worden, daß die großen Axen, alſo auch die Umlaufszeiten ſämmtlicher Planeten um die Sonne, eine für alle Zeiten conſtante und unveränder - liche Größe ſind.

Der berühmte Geometer Lagrange hat nämlich die merk - würdige Entdeckung gemacht, daß man, wenn man in dem durch die Rechnung gegebenen allgemeinen analytiſchen Ausdruck der ſäculären Störungen der großen Axe eines Planeten diejenigen Zahlen ſubſtituirt, welche den einzelnen Planeten zukommen, alle Glieder dieſes Ausdrucks ſich aufheben, woraus folgt, daß dieſe große Axe ſelbſt, durch die Einwirkung der anderen Planeten, keine Störung leidet, oder daß ſie, und unter allen Elementen der Bahn ſie allein, unveränderlich iſt. Laplace hat dieſe Theorie noch weiter ausgebildet, und Poiſſon hat erſt in unſe - ren Tagen gezeigt, daß dieſe Unveränderlichkeit der großen Axen der Bahnen oder der mittleren Bewegungen der Planeten auch dann noch ſtatt hat, wenn man bei den Berechnungen der Stö -12 *180Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.rungen derſelben auf die kleinen Glieder Rückſicht nimmt, die man bisher vernachläſſigen zu können glaubte. Zwar fand der letzte, daß der analytiſche Ausdruck der großen Axe einige Glieder enthält, die eine ſäculäre Veränderung derſelben darſtellen, aber auch zugleich, daß dieſe Glieder ſo ungemein klein ſind, daß ſie noch viele Jahrtauſende hindurch den ſchärfſten Beobachtungen un - merklich ſeyn werden.

§. 134. (Erklärung dieſer Erſcheinung.) Durch welches Mit - tel aber hat die Natur dieſen für die Erhaltung ihres Werkes ſo wichtigen Zweck erreicht? Durch eine Einrichtung, die auf den erſten Blick eben ſo geringfügig als zufällig erſcheint.

Die Umlaufszeiten aller Planetenbahnen ſind unter ſich in - commenſurabel, d. h. es gibt auch nicht zwei ſolcher Umlaufs - zeiten, die ſich zu einander genau, wie zwei ganze Zahlen ver - halten. Dieß iſt das Geheimniß, dieß iſt der feine Faden, an welchen die Natur die Dauer des Planetenſyſtems geknüpft hat.

Die Umlaufszeit Jupiters z. B. beträgt nahe 4332, und die des Saturn 10759 Tage, und dieſe beiden Zahlen verhalten ſich beinahe, wie 2 zu 5. Wenn ſie ſich aber genau wie 2 zu 5 verhielten, wenn z. B. die erſte 4312, und die zweite 10780 Tage betrüge, ſo würde daraus eine immerfort gebende Aenderung der Axen dieſer beiden Planetenbahnen entſtehen: die eine derſelben würde zu - und die andere abnehmen, und die Folge davon würde eine endliche Zerſtörung dieſer beiden größten Planeten unſeres Sonnenſyſtemes ſeyn. In der That hat auch ſchon der Umſtand, daß dieſe beiden Umlaufszeiten ſich nur beinahe, wie die Zahlen 2 und 5 verhalten, die Folge, daß dieſe beiden Planeten von ein - ander eine viel größere Störung, die bei Saturn bis auf 2950 Sekunden geht, erleiden, als man bei allen andern Planeten findet, und dieſe Störung würde noch viel größer ſeyn, wenn jenes Verhältniß dem der Zahlen 2 zu 5 noch näher wäre, ja ſie würde endlich in ein immerdauerndes Wachſen der Axe der Ju - pitersbahn, und in eine ſtets abnehmende Entfernung Saturns von der Sonne übergehen, wenn jenes Verhältniß vollkommen hergeſtellt wäre. Wir haben bereits oben (§. 84) von den aus dieſer Quelle entſpringenden großen Störungen dieſer beiden Planeten geſprochen, und gezeigt, daß ſie in beſtimmte Gränzen181Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.eingeſchloſſen ſind, zwiſchen welchen ſie während einer Periode von 930 Jahren auf und nieder gehen. Je näher die Umlaufszeiten dieſer Planeten jenen Verhältniſſen kommen, deſto mehr würden ſich dieſe Gränzen ſowohl, als auch die Dauer dieſer Periode erweitern, bis endlich die Zügel, welche die beiden größten Him - melskörper unſeres Syſtemes in ihren Bahnen gehalten haben, nachgäben, und das Ganze ſeinem unvermeidlichen Untergange entgegen eilen würde.

§. 135. (Die Erde war anfänglich in einem flüſſigen Zuſtande.) Die vorhergehenden Betrachtungen über die Unveränderlichkeit der Länge des Tages ſtehen noch mit einem andern Gegenſtande in naher Verbindung, der zu intereſſant iſt, als daß er hier ganz übergangen werden könnte.

Wir hatten ſchon öfter Gelegenheit zu erwähnen, daß unſere Erde zur und nach der erſten Zeit ihrer Entſtehung in einem Zu - ſtande der Flüſſigkeit geweſen iſt. Die Abplattung derſelben an ihren Polen iſt dafür ein hinlänglicher Beweis. Wäre die Erde urſprünglich ein feſter Körper geweſen, ſo würde ſie, ihrer Rota - tion ungeachtet, ihre erſte Geſtalt im Allgemeinen beibehalten haben. Die Theorie zeigt uns bei der gegebenen Größe der Erde und der Geſchwindigkeit ihrer Rotation, vorausgeſetzt, daß ſie an - fangs flüſſig war, nicht nur die Größe ihrer Abplattung, ſondern auch die ſphäroidiſche Geſtalt ihrer Oberfläche, und die Reſultate dieſer Theorie ſtimmen zu wohl mit unſern Beobachtungen, mit unſern Meridianvermeſſungen und Pendellängen zuſammen, als daß man an der Richtigkeit der Vorausſetzung, worauf jene Theorie gebaut iſt, weiter zweifeln könnte.

§. 136. (Urſache dieſes urſprünglichen Zuſtandes der Erde.) Welches iſt aber die Urſache dieſes urſprünglichen Zuſtandes un - ſerer Erde? In der Antwort auf dieſe Frage haben ſich unſere Geologen von jeher in zwei Klaſſen getheilt, die ſich, wie es bei allen Spaltungen, die ſich auf Meinungen gründen, zu geſchehen pflegt, zuweilen nicht freundlich bekämpften. Die Neptuniſten behaupten, daß zur Zeit der Entſtehung der Erde die feſten und flüſſigen Theile unter einander gemengt, daß jene durchaus im Waſſer aufgelöst geweſen ſind, und daß die feſte Rinde und über - haupt alle ſolide Theile der Erde, die wir jetzt auf derſelben182Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.bemerken, nur auf dem Wege der Austrocknung und der Präcipi - tation, des Bodenſatzes erhalten werden konnten. Die Pluto - niſten im Gegentheile wollten von allen dieſen Auflöſungen und Niederſchlägen nichts wiſſen, und erklären daher den in der Vor - zeit flüſſigen Zuſtand der Erde, den beide Parteien als eine That - ſache zugeben müſſen, für eine Folge des Feuers, der hohen Tem - peratur, mit welcher anfänglich die ganze Erde durchdrungen ge - weſen ſey, und welche ſich, ſeit ſo vielen Jahrtauſenden, gegen den Mittelpunkt der Erde zurückgezogen habe, während die äußeren Theile derſelben erkalteten, erſtarrten und dadurch in den feſten Zuſtand geriethen, in welchem wir ſie jetzt erblicken.

Dieſe beiden Parteien zankten ſich lange genug, aber die Be - weiſe, welche ſie für und gegen die aufgeſtellten Meinungen vor - brachten, waren nicht der Art, um die Sache zu entſcheiden, und den langen Kampf zu einem glücklichen Ende zu führen. Zu dieſem Zwecke gab es nur ein Mittel; die Spuren jenes Central - feuers aufzuſuchen, welche zu finden ſeyn mußten, wenn anders die Hypotheſe der Plutoniſten gegründet ſeyn ſollte.

§. 137. (Centralfeuer der Erde.) Man weiß, daß in einer mäßigen Tiefe unter der Oberfläche der Erde, in unſern Kellern z. B., die Temperatur den ganzen Tag und das ganze Jahr immer unverändert dieſelbe iſt. Aber in größeren Tiefen? Auch darüber hat man lange genug geſtritten, ob in dieſen grö - ßern Tiefen die Temperatur ſich ändere, und wenn ſie dieß thut, in welchem Verhältniſſe ſie es thue. Das Eintreten der äußern Luft in unſere Bergwerke, die Luftzüge, die daſelbſt herrſchen, ſelbſt das Verweilen mehrerer Menſchen in denſelben, verbunden mit den Schwierigkeiten der Beobachtungen, alles erregte Zweifel und ließ lange zu keinem ſtehenden Reſultate gelangen. Endlich wurde es durch zweckmäßig angeſtellte Verſuche in unſern Minen ausgemacht, daß die Temperatur der Erde mit der Annäherung zu ihrem Mittelpunkte ſteige, und zwar in allen Breiten und zu allen Jahreszeiten nahe um einen Grad Reaumur für je 60 Fuß Vertiefung. Nachdem dieſe Thatſache einmal über alle Zweifel erhoben war, war auch das Recht der Plutoniſten hergeſtellt, da dieſe Erſcheinung, deren Daſeyn nicht weiter geläugnet werden konnte, nicht anders, als durch eine ſehr hohe Temperatur im Mittel -183Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.punkte der Erde ſich erklären ließ, die ſich allmählig gegen dieſen Punkt zurückgezogen habe, während die anfangs flüſſige Oberfläche derſelben durch Verkühlung ſich erhärtete.

Dieſe Verkühlung, welche bisher bloß auf die Oberfläche und die ihr zunächſt liegenden Theile der Erde gewirkt hat, mußte aber auch noch eine andere Wirkung, die ſich über die ganze Erde erſtreckte, gehabt haben. Alle Körper dehnen ſich bekanntlich aus, wenn ſie erwärmt werden, ſo wie ſie ſich wieder durch die Kälte zuſammen ziehen. Daſſelbe mußte alſo auch mit der Erde geſchehen ſeyn. Zu der Zeit ihrer Entſtehung, wo ſie von einem ſehr hohen Grad der Temperatur durchdrungen war, muß ſie auch viel größer geweſen ſeyn, als jetzt, ſie muß ſich durch die ſeit ſo vielen Jahrtauſenden auf ihrer Oberfläche vorgegangene Verkühlung auf einen viel kleineren Raum zurück - gezogen haben, als der iſt, den ſie urſprünglich eingenommen hat. Wir werden weiter unten noch einen anderen, wichtigern Grund für dieſe allmählige Zuſammenziehung der Erde finden. Daß aber die anfängliche Temperatur der ganzen Erde ſehr hoch ge - weſen ſeyn muß, wird man nicht leicht in Abrede ſtellen können, wenn man bemerkt, daß nach dem angegebenen Verhältniſſe der Zunahme der Wärme in größeren Nähen bei dem Mittelpunkte der Erde, für eine Tiefe von einer deutſchen Meile unter der Ober - fläche der Erde die Zunahme der Temperatur ſchon 381 Grad R. betragen müſſe, bei welcher Hitze ſchon das Blei im flüſſigen Zu - ſtande ſich erhält. In der Tiefe von 3 7 / 10 Meilen unter der Oberfläche der Erde würde Gold, und in einer Tiefe von 34 Meilen würde ſelbſt Eiſen und Platin ſchmelzen, und wahrſchein - lich nimmt die Temperatur in den größern Tiefen noch ſchneller zu, als in den geringen, in welchen allein wir ſie bisher zu beobachten Gelegenheit hatten, ſo daß man alſo mit Recht in dem Mittelpunkte der Erde auch jetzt noch eine alle unſere Be - griffe überſteigende Hitze annehmen kann.

§. 138. (Wirkung dieſer Abnahme der Temperatur der Erde auf ihre Rotation.) Dieſe mit der Zeit an Volum abnehmende kugelförmige Erde dreht ſich aber um ihre Axe. Welches immer die Kraft geweſen ſeyn mag, die dieſe Drehung hervorgebracht hat, ihre Wirkung auf die Rotation der Erde, d. h. die Ge -184Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.ſchwindigkeit dieſer Rotation mußte, nach dem Geſetze der Träg - heit (S. 27) dieſelbe bleiben, ſo lange die Größe, das Volum der Erde dieſelbe blieb. Aber eben dieſes Volum nahm, durch die allmählige Verkühlung der Erde, immerwährend ab, und was iſt die Folge dieſer Abnahme? Offenbar eine Vermehrung der Geſchwindigkeit, eine ſchnellere Drehung der Erde um ihre Axe. Ganz eben ſo wird ein Rad, mit derſelben Kraft ange - ſtoßen, ſich deſto geſchwinder drehen, je kleiner daſſelbe iſt und umgekehrt. Die Erde muß alſo, wenn alles Vorhergehende richtig iſt, ſich jetzt ſchneller drehen, als in der Vorzeit, der Tag muß jetzt kürzer ſeyn, als er ehedem geweſen iſt, und wenn wir wiſſen könnten, wie viel der Tag kürzer geworden iſt, ſo würden wir auch ein Mittel haben, zu meſſen, wie viel die Erde kleiner, ja ſelbſt wie viel ſie kälter geworden iſt, als ſie vor einer beſtimm - ten Anzahl von Jahrtauſenden geweſen ſeyn mag.

§. 139. (Dieſe Wirkung der Temperatur auf die Rotation der Erde iſt unmerklich.) Dieß würde uns demnach auf eine andere, ſo oft aufgeworfene Frage führen, ob es wahr iſt, wie die älteren Leute vorzüglich ſo gern klagen, daß unſere Sommer nicht mehr ſo warm ſind, als ſie in der Vorzeit geweſen ſeyn ſollen.

Es könnte ſeyn, wenn nämlich der Tag jetzt in der That um vieles kürzer iſt, als er früher war. Allein wir haben oben (S. 176) gefunden, daß die Länge des Tages ſeit dem Anfange unſerer Zeitrechnung gewiß nicht einmal um den hundertſten Theil einer Sekunde kleiner geworden iſt. Nehmen wir an, daß die mitt - lere Temperatur der ganzen Erde, nicht bloß die der Oberfläche derſelben, ſeit zwei Jahrtauſenden um einen Grad des Thermo - meters R. ſich vermindert habe. Nehmen wir noch an, daß die Maſſe, aus welcher die Erde beſteht, ſich im Allgemeinen nur ſo wenig, als das Glas, d. h. um ſeinen hunderttauſendſten Theil für jeden Grad des Thermometers ausdehne, daß alſo auch das ganze Volum der Erde ſeit jener Zeit um ſeinen hunderttauſendſten Theil kleiner geworden ſey. Die Mechanik lehrt uns, daß bei einer ſolchen Verminderung der Erdkugel die Geſchwindigkeit der Umdrehung derſelben um ihre Axe um ihren 1 / 50000 Theil vergrößert, daß alſo auch der Tag von 86400 Sekunden um ſeinen 86400 / 50000 ſten Theil, das heißt, um 1 7 / 10 Sekunde verkürzt würde. Allein185Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.er wurde, wie wir geſehen haben, in der That nicht einmal um den hundertſten Theil einer Sekunde verkürzt, eine Größe die 170mal kleiner iſt als 1 7 / 10 Sekunden. Alſo iſt auch die oben angenommene Abkühlung der Erde, ein Grad für 2000 Jahre, 170mal größer, als man ſie dieſen Schlüſſen gemäß, annehmen kann, oder mit andern Worten: die mittlere Temperatur der Erde kann ſeit den letzten zwei Jahrtauſenden noch nicht um den 1 / 170ſten Theil eines Grades Reaumur abgenommen haben. Die Klagen, welche unſere alten Leute, dieſe laudatores temporis acti, über die Abnahme der Wärme der Erde ſo gern anſtim - men, ſind daher ungegründet, ſo weit nämlich dieſe Abnahme von der ſeitdem ſtatt gehabten Abkühlung der ganzen Maſſe der Erde, und von dem Zurückziehen jenes Centralfeuers gegen den Mittelpunkt der Erde kommen ſoll.

§. 140. (Verhalten der Temperatur auf der Oberfläche der Erde.) Ganz anders aber verhält es ſich auf der Oberfläche der Erde. Hier bewirkt nicht bloß jenes Centralfeuer, ſondern auch die Gegenwart der Sonnenſtrahlen, und zwar dieſe letzten in einem viel höheren Grad, als jenes, die von uns auf dieſer Oberfläche beobachtete Temperatur. Zwar behaupteten Mairan, Buffon und Bailly, daß der Beitrag, den dieſes Centralfeuer zu der Tempe - ratur der Oberfläche der Erde liefere, denjenigen, welcher von der unmittelbaren Wirkung der Sonnenſtrahlen komme, im Som - mer 30 und im Winter 400mal übertreffe. Dieſe Herren brauch - ten die großen Zahlen zur Unterſtützung ihrer ſchönen Romane von der Atlantis, und von dem berühmten Urvolke, das vor un - denklichen Zeiten in den Hochebenen des mittleren Aſiens alle Wiſſenſchaften, und beſonders die Aſtronomie bis zu einem bisher unerreichten Grad der Vollkommenheit ausgebildet haben ſoll. Allein Fourier hat dieſen Gegenſtand, nicht einer leeren Decla - mation, ſondern einer ſtrengen Rechnung unterworfen, und ge - funden, daß der Beitrag, den das Centralfeuer der Erde zu der auf der Oberfläche derſelben herrſchenden Temperatur liefert, ge - genwärtig nur den dreißigſten Theil eines Grades Reaumur be - trage. Dieß iſt alſo ſehr weit entfernt, die ſo ſorgfältig ausge - ſchmückten Träume jener Geologen zu beſtätigen. Jene Central - wärme der Erde, ſo groß ſie auch in beträchtlichen Tiefen unter186Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.der Oberfläche derſelben iſt, hat ſich doch ſchon ſo ſehr gegen den Mittelpunkt zurückgezogen, daß ſie die mittlere Temperatur der Oberfläche kaum mehr auf eine für unſere Inſtrumente merkbare Art vergrößert.

Die gänzliche Verſchwindung dieſes Centralfeuers, welche die Folge der Zeiten einmal heraufführen wird, kann daher auch nicht im Stande ſeyn, die von der Einbildungskraft jener Schriftſteller aufgeſtellten Beſorgniſſe zu unterſtützen, nach welchen dann die Oberfläche der Erde einer entſetzlichen, alles Leben und jede Vege - tation zerſtörenden Kälte ausgeſetzt werden ſoll. Uebrigens, wenn die Erde bei ihrer Entſtehung wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, in der That in einem Zuſtande der Incandeſcenz, die ſich auch auf ihre Oberfläche erſtreckte, geweſen iſt, welche Reihe von Jahr - tauſenden mag erforderlich geweſen ſeyn, dieſe Temperatur bis auf die des dreißigſten Theils eines Grades herab zu bringen?

§. 141. (Wirkung der Sonne auf die Temperatur der Erd - oberfläche.) Die Sonne iſt daher bei weitem die vorzüglichſte, man kann ſagen, die einzige Urſache der Temperatur, welcher ſich die Oberfläche der Erde erfreut. Dieſe Wirkung der Sonne auf die Erde iſt aber eine doppelte. Die erſte iſt periodiſch und geht bloß zu einer Tiefe von nahe fünfzig Fuß. Hart unter der Ober - fläche und noch mehr über derſelben iſt dieſe Wirkung täglichen ſowohl, als auch jährlichen Variationen unterworfen, die wir an unſeren ſogenannten Tages - und Jahreszeiten erkennen. Dieſe Variationen nehmen mit der Tiefe ab, und fünfzig Fuß unter der Oberfläche ſind ſie ſchon nicht mehr bemerkbar. Die zweite Wirkung der Sonne auf die Erde fängt im Gegentheile erſt mit der Tiefe von 100 Fuß an, fühlbar zu werden. Hier gießt die Sonne täglich ihre Wärme aus, die ſich dann in dieſen tiefen Gegenden ſammelt und vorzüglich die dem Aequator nahen Orte durchdringt, aber auch von da allmählig zu den Polen hin ſich verbreitet.

Von den Wärmeſtrahlen der Sonne, welche die Erde errei - chen, gehen die einen durch die Atmoſphäre und die Gewäſſer des Oceans, während andere von dieſen Flüſſigkeiten abſorbirt, und wieder andere von ihnen in den Weltraum zurückgeworfen werden. Dieſer letzte, unermeßliche Raum iſt der Sammelplatz187Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.aller Wärme, die ſeit dem Anfange aller Dinge von den Him - melskörpern, von der Sonne, den Planeten und Kometen, und von den Fixſternen ausgeſtrömte. Jeder dieſer Körper hat ſeine ihm eigenthümliche, urſprüngliche Wärme, die er in Folge der Zeit durch Verkühlung immer mehr verliert. Aber auch jener Weltraum ſelbſt, in welchem ſich dieſe Körper bewegen, ſcheint ſeine eigene Wärme zu beſitzen, die nicht bloß das Reſultat jener Wärmeausſtrahlung der Himmelskörper iſt. Wenn dieſer Raum ohne alle Wärme wäre, ſo würden die Pole unſerer Erde einer ungemeinen Kälte ausgeſetzt ſeyn, die Temperatur von dem Aequa - tor zu den Polen würde viel ſchneller abnehmen, die kleinſten Variationen in der Entfernung der Sonne von uns würden die Wärme auf der Oberfläche der Erde ſehr ſtark ändern, und der Wechſel des Tages mit der Nacht würde einen plötzlichen, den meiſten Thieren und Pflanzen unerträglichen Wechſel der Tempe - ratur erzeugen. Da bei unſerer Erde, wie wir geſehen haben, und wahrſcheinlich auch bei den andern Planeten, die urſprüng - liche Centralwärme derſelben beinahe keinen Einfluß mehr auf die Oberfläche derſelben äußert, ſo werden die Pole dieſer Weltkörper nahe die Temperatur des Weltraumes haben, während die dem Aequator nahen Gegenden von der Sonne in einer viel höheren Temperatur erhalten werden. Aber für die äußerſten Planeten unſeres Syſtemes, für Uranus z. B., iſt ohne Zweifel der Einfluß der Sonne ſchon ſo gering, daß die Temperatur der ganzen Ober - fläche eines ſolchen Planeten von jener des Weltraumes wohl nur unbedeutend verſchieden ſeyn wird.

§. 142. (Wirkung der Sonne auf andere Planeten.) Dieſe Sonne iſt alſo die Quelle, nicht nur der Bewegungen ſo vieler Planeten und Kometen, ſondern auch des Lichts und der Wärme, deren ſich die Bewohner dieſer Himmelskörper erfreuen. Ihr wohlthätiger Einfluß iſt es, der die Thiere und Pflanzen belebt, welche die Erde bedecken, und die aller Wahrſcheinlichkeit nach, wenn auch anders geſtaltet und organiſirt, auf den Planeten wieder gefunden werden. Wie dürfte man auch annehmen, daß die Natur, deren Fruchtbarkeit wir hier ſo ſehr zu bewundern Gelegenheit haben, auf ſo viel größeren Planeten unthätig ſeyn ſollte, auf Jupiter z. B., der ſo, wie unſere Erde ſeine Tage und188Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.Nächte und ſeine Jahreszeiten hat, und auf deſſen Oberfläche wir ſelbſt in der großen Ferne, die uns von ihm trennt, noch Ver - änderungen vorgehen ſehen, die von einer ungemeinen Kraft und Thätigkeit der Natur in jenen Gegenden zeugen. Der Menſch allerdings iſt nur für die Temperatur dieſer Erde geſchaffen, von der er kömmt, und zu welcher er wieder zurückkehrt, aber anderen Himmelskörpern werden ohne Zweifel auch andere Organiſationen nicht weniger angemeſſen ſeyn. Wenn auf unſerer Erde der ein - zige Unterſchied des Klimas ſchon ſo viele Abwechslungen in die Produkte derſelben gebracht hat; welche noch viel größere Ver - ſchiedenheiten dürfen wir bei allen dieſen Planeten und den Sa - telliten derſelben erwarten? Die lebhafteſte Imagination kann ſich dieſe Variationen nicht mehr vorſtellen, aber das Daſeyn der - ſelben ſcheint deſſenungeachtet nicht minder gewiß.

§. 143. (Ueberblick des Vorhergehenden.) Alles Vorherge - bende zeigt, daß die Bewegungen unſeres Sonnenſyſtems ſehr zu - ſammen geſetzt ſind, und daß ein ſeltener Scharfſinn und die Vereinigung der höchſten Geiſter aller Jahrhunderte nöthig war, dieſe Verwicklungen zu entfalten, und in dem Ganzen ein einziges, alles beherrſchende Geſetz zu entdecken. Der Mond beſchreibt ſeine beinahe kreisförmige Bahn um die Erde; aber, von der Sonne geſehen, ſcheint er eine Reihe von Epicykeln zu beſchreiben, deren Mittelpunkte auf der Peripherie des großen Kreiſes liegen, in welchem die Erde ihre jährliche Bahn um die Sonne vollendet. Aber auch dieſe Sonne bewegt ſich in dem unermeßlichen Welt - raume, und wird auf dieſem Wege, wie der Mond von der Erde, von allen ihren Planeten und Kometen begleitet. Alſo auch dieſe Erde und alle Planeten beſchreiben wieder andere Epicykeln, deren Mittelpunkte auf der Peripherie der Bahn liegen, welche die Sonne um den Schwerpunkt desjenigen Sternenſyſtems zurück - legt, von dem ſie ſelbſt mit allen ihren Begleitern nur als ein kleiner, aber integrirender Theil zu betrachten iſt. Dieſe Sonne ſelbſt wieder beſchreibt neue Epicykeln, deren Mittelpunkte auf der Bahn liegen, die der Schwerpunkt jenes Sternenſyſtems um den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt eines Aggregats von ähnlichen Syſtemen bildet, und ſo fort und fort ohne Ende, wie es allein189Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.dem ſelbſt unendlichen Urheber der Natur würdig und angemeſſen gedacht werden kann.

§. 144. (Gegenſtände der Unterſuchung für künftige Jahr - hunderte.) Die Aſtronomie hat uns die Bewegung der Erde und die Epicykeln kennen gelehrt, die der Mond und die übrigen Sa - telliten um ihre Hauptplaneten beſchreiben. Sie hat uns mit dem Geſetze, dem großen Regulator aller dieſer Bewegungen bekannt gemacht, und ſelbſt die ſcheinbaren Störungen und Ausnahmen von dieſem Geſetze wieder unter die Herrſchaft deſſelben zurück - geführt. Große Schritte, fürwahr! Aber wenn es volle ſechs Jahrtauſende, denn ſo lange etwa währt unſere Menſchengeſchichte, gebraucht hat, dieſe Bewegungen der Planeten und ihrer Satelli - ten zu erkennen, welche Zeit wird erfordert werden, um auch die Bewegungen der Sonne, und die der Fixſterne zu beſtimmen. Schon fangen die Beobachtungen an, uns wenigſtens die Exiſtenz derſelben erkennen zu laſſen. Die ſogenannte eigene Be - wegung der Fixſterne ſcheint, wenigſtens größtentheils, von einer Veränderung des Orts der Sonne im Weltraume zu kom - men, und die erſt ſeit Kurzem entdeckten Bewegungen der dop - pelten und vielfachen Sterne ſind gleichſam die erſten Blicke des menſchlichen Geiſtes jenſeits der Gränze des Sonnenſyſtems, deſſen Eigenſchaften und Wunder uns bisher allein beſchäftiget haben.

Aber ſelbſt in dieſem Syſteme, wie viel iſt noch übrig, wie viele Arbeiten ſind noch zu vollenden, die wir kaum angefangen haben. Die Satelliten Saturns ſind uns nur wenig, und die des Uranus beinahe ganz und gar nicht bekannt. Gibt es nicht jenſeits des Uranus oder zwiſchen Mars und Jupiter noch meh - rere Planeten? Die Störungen der vier neu entdeckten Planeten, die ſie durch Jupiter erleiden, ſind ſo groß, daß die bisherige Entwicklung der Theorie der Perturbationen nicht mehr hinreicht, und daß neue Bereicherungen unſerer Analyſe erfordert werden, um die Bewegungen derſelben mit der unſeren gegenwärtigen Beobachtungen angemeſſenen Genauigkeit darzuſtellen. Auch die ſäculären Störungen der anderen Planeten werden erſt in der Folge mit mehr Genauigkeit beſtimmt werden, wenn wir zu einer genaueren Kenntniß der Maſſen dieſer Himmelskörper gelangt190Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.ſind. Die Theorie der Geſtalt der Erde erwartet ebenfalls noch wichtige Verbeſſerungen, und ohne Zweifel wird einſt ganz Europa mit einem großen Netze von Dreiecken überzogen ſeyn, die uns die Lage, Größe und Krümmung eines jeden Punktes dieſes Welttheils kennen lehren werden. Zahlreiche und genaue Beobach - tungen der Pendellängen an allen Orten der Erde, ſo wie der Ebbe und Fluth an allen Meeresküſten; die Entdeckung neuer und die genauere Beſtimmung ſchon bekannter Kometen; die Berech - nung der Störungen, welche dieſe Himmelskörper von den Pla - neten erleiden, der Einfluß, den die nächſten Fixſterne und viel - leicht auch der Aether, in dem ſich die Himmelskörper bewegen, auf die Planeten ausüben alle dieſe und noch ſo viele andere Eigenſchaften unſeres Sonnenſyſtems müſſen den Unterſuchungen, dem Fleiße und der Einſicht der Nachwelt überlaſſen bleiben.

Und wenn ſie einſt dieſe Arbeiten vollendet haben wird, welche ganz neue Wege der Forſchung werden ſich ihr dann jenſeits dieſes Sonnenſyſtems eröffnen! Die Beſtimmung der Entfernung der Fixſterne von einander, und von der Sonne; die Bewegung der doppelten und vielfachen Sterne und die der Stern - gruppen um ihren gemeinſchaftlichen Schwerpunkt, die periodiſchen Lichtabwechslungen der ſogenannten veränderlichen, und die wunderbaren Erſcheinungen der neuen Sterne; ein vollſtändiges Verzeichniß aller Geſtirne des Himmels, die genaue Beſtimmung der Geſtalt der Nebelflecken und der Veränderungen, welche die Zeit an ihnen erzeugt dieß ſind die Gegenſtände jenſeits unſe - res Sonnenſyſtems, mit denen ſich unſere ſpäten Nachkommen mit Freuden beſchäftigen werden, ſo lange der Sinn für Wiſſen - ſchaft und für alles, was gut und groß iſt, unter ihnen nicht erſtirbt, und der Genius der europäiſchen Kultur nicht ſeine Fackel löſcht, um andere Welttheile mit ihren wohlthätigen Strahlen zu erleuchten.

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Kapitel XI. Urſprung des Weltſyſtems.

§. 145. (Bisher aufgeſtellte Geologien.) Die Erde, die wir bewohnen, und ſelbſt das ganze Sonnenſyſtem, das uns von allen Seiten umgibt, iſt ohne Zweifel nicht immer in dem Zuſtande geweſen, in dem wir es jetzt erblicken. Wie alles, was wir um und ſelbſt in uns bemerken, verſchiedene Stufen ſeiner Ausbildung durchgeht, bis es den höchſten Gipfel derſelben erreicht, von wel - chem es dann wieder allmählig zurückſchreitet, und einer, wenigſtens ſcheinbaren Vernichtung, einer gänzlichen Umformung ſeines Weſens entgegen geht, ſo kann auch wohl der gegenwärtige Zuſtand unſe - res Sonnenſyſtems nur eine der vielen Verwandlungen ſeyn, die daſſelbe durchzugehen hat, um den ihm von der Natur geſetzten Zweck zu erreichen.

Es kann nicht unſere Abſicht ſeyn, die Stufenleiter aller dieſer vergangenen und künftigen Metamorphoſen zu verfolgen, da deren nächſte Sproſſen ſchon ſo weit von uns abliegen, daß ein Unter - nehmen ſolcher Art, für einen menſchlichen Geiſt, nicht nur verwe - gen, ſondern abſurd und rein unmöglich erſcheint. Deſſenungeachtet können wir es uns kaum verſagen, wenigſtens einige Blicke rück - wärts in die dunkle Nacht zu werfen, aus der alles, was wir um uns ſehen, aus der wir ſelbſt hervorgegangen ſind, und daſelbſt einige lichte Punkte aufzuſuchen, die vielleicht dazu dienen können,192Urſprung des Weltſyſtems.unſern eigenen und den Stammbaum des ganzen großen Hauſes, dem wir angehören, wenn auch nicht bis zu ſeinen Wurzeln, doch bis zu den uns zunächſt umgebenden Stellen etwas näher kennen zu lernen.

Dieſe Luſt, ſeine Abſtammung zu erfahren, und ſie auf ſo viele Generationen, als nur immer möglich auszudehnen, dieſe dem menſchlichen Geſchlechte, wie es ſcheint, angeborene Sucht hat, nebſt einer anderen bekannten Kaſte, beſonders die Sekte unſerer ſogenannten Geologen ergriffen. Ueber keinen Gegenſtand hat man, in unſerer hypotheſenreichen Zeit, ſo viele, und man darf es kühn hinzuſetzen, ſo alberne Theorien aufgeſtellt, als über die Entſtehung der Erde. Nur die drei letzten Decennien haben ihrer mehr als ſechszig ausgebrütet, ſo daß auf jedes Jahr we - nigſtens zwei derſelben kommen, und man iſt dabei auf eine Art zu Werke gegangen, daß man ſich eigentlich nur darüber wundern muß, warum man nicht noch mehr, warum man in derſelben Zeit nicht wenigſtens Tauſend und Eines dieſer Mährchen zu Tage gefördert hat. Allerdings wagt man es in unſerer Zeit nicht mehr, mit einem großen Geologen des ſiebenzehnten Jahrhunderts, der auch zugleich ein großer Theolog geweſen ſeyn ſoll, zu be - haupten, daß die großen Zähne, die man an den Ufern des Ohio gefunden hat, die Backenzähne der gefallenen Engel ſeyn ſollen. Solche Behauptungen ſind nicht mehr nach dem Geſchmacke unſerer Zeit, woraus aber im geringſten nicht folgt, daß die neuen Moden auch zugleich beſſer oder vernünftiger ſind, als jene, denen wir kaum mehr ein gutmüthiges Lächeln gönnen. Der Quäcker Bur - nett, aus der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, macht es um kein Haar beſſer, als ſein Vorgänger, und benimmt ſich dabei ſo dreiſt, als ob er ſelbſt bei der Schöpfungsgeſchichte einer der allernächſten Zuſchauer geweſen wäre. Der berühmte Wood - ward nahm, um die Revolutionen, welche die Erde in der Vor - zeit erfahren hat, zu erklären, ohne Weiteres an, daß einige der ewigen Geſetze der Natur auf gewiſſe Zeit aufgehoben ſeyn mußten, und er macht ſeine Sache ſo arg, daß man, um die Revolutio - nen, die in ſeinem eigenen Kopfe vorgegangen ſeyn mochten, zu erklären, die nicht minder ewigen Geſetze des Denkens, wenigſtens wieder auf einige Zeit, aufzuheben gezwungen war. Daß endlich erſt in193Urſprung des Weltſyſtems.unſeren Tagen die Erde als ein lebendes Thier dargeſtellt wurde, das mit Eingeweiden und Sinnen verſehen, und allen animali - ſchen Verrichtungen des Einathmens, der Verdauung, Abſonde - rung u. f. unterworfen iſt, wird nſern Leſern bekannt genug ſeyn, um hier keine weitere Erläuterung dieſer geiſtreichen Hypo - theſe zu ſuchen. Wir wollen uns nicht damit befaſſen, die Meinungen dieſer Gelehrten hier umſtändlich anzuführen, und noch weniger, ſie zu widerlegen, was doch, wenigſtens in Bezie - hung auf ſie ſelbſt, unmöglich wäre. Man muß dieſe Leute gehen laſſen, und ſie vielleicht ſogar um ihr Glück beneiden. Wir andern, die wir die Autokratie der ſogenannten Vernunft anerken - nen, und an den Feſſeln der Denkgeſetze liegen, wir Armen ſind gar nicht im Stande zu begreifen, wie glücklich ein Mann ſeyn muß, der ohne alle Geſetze und ohne allen Zwang, ſo allein für ſich, in den Tag hineindenken darf.

§. 146. (Hypotheſe des Leibnitz und Whiſton.) Da man die vorzüglichſten Meinungen, welche über dieſen Gegenſtand aufge - ſtellt worden ſind, ihrer Sonderbarkeit wegen, wenigſtens hiſtoriſch kennen ſoll, ſo wollen wir uns begnügen, dieſelben hier ſo kurz als möglich mitzutheilen.

Leibnitz ſtellte die Anſicht auf, daß alle Planeten und Ko - meten, die Erde nicht ausgenommen, in der Vorzeit eben ſo viele wahre Sonnen geweſen ſeyen, die aber, nachdem ſie älter geworden waren, ihre frühere jugendliche Kraft, und mit ihr auch ihr ſelbſt - ſtändiges Licht verloren haben. Woher aber jene Sonnen kamen, und warum die noch ſcheinende Sonne nicht auch älter und ſchwächer geworden iſt, fand er nicht für gut, uns zu erklären, wie denn überhaupt ſeine ganze Kosmogenie nur eine der vielen hingeworfenen Ideen war, mit welchen der große Mann ſich in den Stunden zu vergnügen pflegte, in welchen er das Feld der ſichern Geometrie verließ, um auf dem weichen Boden der Phan - taſie auszuruhen.

Whiſton im Gegentheile machte dieſe Speculationen zu dem eigentlichen Gegenſtande ſeines Lebens, und brütete darüber mit einer Vorliebe und mit einem Eifer, der einer beſſern Sache würdig geweſen wäre. Er hatte ſich in die Kometen verliebt, und wußte auch aus ihnen alles, ſeine eigenen Thorheiten nichtLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 13194Urſprung des Weltſyſtems.ausgenommen, mit der bündigſten Schärfe abzuleiten. Nach ſei - ner Meinung war die Erde anfangs ſelbſt ein Komet, aber ohne Arendrehung, daher auch ohne Bewohner, ein todter Klotz, der ſich indeß doch um die Sonne bewegte. Nach vielen Millionen von Jahren ſtieß er zufällig mit einem andern Kometen zuſam - men, wodurch er anfing, ſich um ſeine Axe zu drehen. Der Wechſel des Tages und der Nacht, der dadurch auf der Erde entſtand, lockte Pflanzen und Thiere auf ihre Oberfläche hervor. Jahrtauſende durch dauerte auf derſelben eine paradieſiſche Zeit, die unſer Gelehrter mit nicht minder lebhaften Farben ſchildert, als die darauf folgende Periode einer allgemeinen Verderbniß, die endlich ſo ſehr überhand genommen hatte, daß es eines neuen Kometen bedurfte, um das ganze verruchte Geſchlecht in ſeinem Waſſer zu erſäufen. Seitdem geht es, wie wir alle wiſſen, und da es, wie ebenfalls bekannt, bereits ſtark Berg ab geht, ſo ſteht in Kurzem ein vierter und letzter Komet zu erwarten, der aber, weder ſo ſtößig wie der zweite, noch auch ſo wäſſerig wie der dritte, ſondern der vielmehr ganz feuriger Natur ſeyn, und die arme Erde mit allem, was in und auf ihr iſt, zu Staub und Aſche verbrennen wird.

Bemerken wir noch zur Ehre unſeres Geſchlechts, daß das Werk Whiſtons (Astronomical principles) in welchem er uns dieſe Dinge zum Beſten gibt, bei ſeiner Erſcheinung als eines der höchſten Produkte des menſchlichen Scharfſinns bewundert, und von Klein und Groß mit einer Gierde geleſen wurde, deren ſich noch kein anderer Roman bisher zu erfreuen das Glück ge - habt hat.

§. 147. (Büffon’s Hypotheſe) Auch Büffon, der Plinius unſerer Zeiten, verſuchte ſeine Kraft an dieſem intereſſanten Ge - genſtande. Nach ihm war im Anfang aller Dinge bloß die Sonne und eine Unzahl von Kometen da, welche letztere in allen mög - lichen Richtungen um die erſte ſchwärmten. Einige von dieſen Kometen mußten mit der Zeit der Sonne näher kommen, als es ihnen vielleicht ſelbſt lieb ſeyn mochte. Da geſchah von zwei Dingen eines: entweder begegnete der Komet der Sonne beinabe in einer auf die letzte ſenkrechten Richtung, und dann blieb er an der Sonne hängen, um ihre Maſſe zu vermehren, und den Ver -195Urſprung des Weltſyſtems.luſt zu erſetzen, den ſie durch das Ausſtrömen ihres Lichtes er - leidet oder der Komet begegnete der Sonne nur in ſchiefer Richtung, er ſtreifte bloß die Oberfläche derſelben, und riß daher ein größeres oder kleineres Stück der Sonne ab, um es fortan auf ſeiner großen Bahn mit ſich weiter zu führen. Da die Sonne ihrer Natur nach, die Büffon ſehr genau kennt, flüſſig iſt, und da alle Kometen, wie er ebenfalls mit Sicherheit beſtimmen kann, von der Weſtſeite kommen müſſen, wenn ſie an die Sonne ſtoßen wollen, ſo erklärt ſich daraus ohne allen Anſtand die Entſtehung ſowohl, als auch die Bewegung aller unſerer Planeten. Jenes abgeriſſene Stück der flüſſigen Sonne ſchleppte nämlich der Komet in Form eines Baches, eines Waſſerſchweifes, hinter ſich her, und dieſer Strom trennte ſich in mehrere Theile, in verſchiedene größere und kleinere Kugeln, die je nach ihrer Entfernung von der Sonne, in welcher ſie entſtanden, eine verſchiedene Geſchwin - digkeit um dieſe Sonne, und auch zugleich eine Rotation um ihre eigene Axe hatten. Auf dieſe Weiſe ſind alſo die Planeten, und auf eine ganz ähnliche ſind auch die Satelliten dieſer Planeten entſtanden. Da der Komet, wie geſagt, von Weſt gen Oſt zur Sonne kam, ſo iſt dadurch auch ſofort erklärt, warum die jähr - liche ſowohl, als auch die tägliche Bewegung der Planeten in derſelben Richtung, von Weſt gen Oſt, vor ſich geht.

Da man zu Büffons Zeiten die oben erwähnte Hypotheſe Whiſtons ſchon wieder vergeſſen hatte, ſo wurde dieſe neue Dar - ſtellung des großen franzöſiſchen Naturforſchers ſehr lange als die beſte, ja als die einzig wahre allgemein angenommen.

§. 148. (Franklin’s Hypotheſe.) Franklin’s Anſicht dieſes Ge - genſtandes hat uns Lichtenberg mitgetheilt, und was Männer, wie dieſe beiden, auch nur in Nebenſtunden, und gleichſam im Vor - beigehen, aufzunehmen der Mühe werth finden, kann auch keinem Anderen unwillkommen ſeyn, daher wir ſie hier mit den Worten des Letztern, nur etwas abgekürzt, mittheilen wollen.

Zum beſſeren Verſtändniſſe von Franklins Idee wird man ſich der bereits früher (I. §. 183) erwähnten Entdeckung Mariotte’s erinnern, nach welcher unſere atmoſphäriſche Luft, wenn ſie zu - ſammen gedrückt wird, an Dichtigkeit gerade ſo zunimmt, wie die Gewichte, durch welche der Druck bewirkt wird, ſo daß alſo ein13 *196Urſprung des Weltſyſtems.doppelter oder dreifacher Druck auch zwei - oder dreimal ſo dicht macht. Die Phyſiker haben die hieher gehörenden Ex - perimente ſchon ſehr weit getrieben, und man kann ſagen, daß ſich die Luft endlich ſo ſtark zuſammendrücken läßt, daß z. B. das Gold auf ihr ſchwimmen würde. Denkt man ſich eine ſenk - rechte, oben offene Höhle im Innern der Erde, und nimmt man an, daß die Temperatur der Luft in der Höhle mit der außer derſelben, mit welcher ſie im freien Zuſammenhange iſt, die gleiche Temperatur habe, und daß endlich das Mariotte’ſche Geſetz durch - aus für jede Tiefe, für jede Dichte der Luft gelte, ſo würde die Luft in der Höhle immer dichter werden, je tiefer ſie läge, und bei einer Tiefe unter der Oberfläche der Erde von deutſchen Meilen würde das Waſſer, von 10½ Meilen das Zinn, von 11 Meilen das Silber, und von 11½ Meilen das Gold in dieſer Luft ſchwimmen. Würde z. B. das Gold durch irgend eine Kraft noch unter dieſe Tiefe von 11½ Meilen, in eine noch dichtere Luft gebracht, und dann ſich ſelbſt überlaſſen, ſo würde es, gleich einem unter dem Waſſer ausgelaſſenen Korkholze, bis zu der vo - rigen Tiefe von 11½ Meilen hinauffahren.

Nun geht Franklin von dem Gedanken aus, daß die Zerſtö - rungen, die wir auf der Erde bemerken, zu groß ſind, als daß ſie hätten entſtehen können, wenn die ganze Erde, auch in unſern gegenwärtigen Zeiten, eine durchaus ſolide Maſſe wäre. Er meint alſo, ſie beſtehe in ihrem Innern aus einer Flüſſigkeit, die dichter iſt, als alle feſte Körper, die wir auf der Erde kennen, und auf der daher dieſe feſten Körper ſchwimmen können. Da nun die Luft, wie wir geſehen haben, durch Vermehrung des auf ihr laſtenden Druckes einer ſo großen Dichtigkeit fähig werden kann, ſo wäre es möglich, daß ſie aus Luft beſteht, daß ſie aus Luft entſtanden iſt, die ſich gegen den Mittelpunkt hin, etwa nach dem Mariotte’ſchen Geſetze, immer mehr und mehr ver - dichtet habe. In dieſer Luft werden ſich alle feſten Körper, die entweder in ſie gerathen, oder die aus ihr ſelbſt und ihren ur - ſprünglichen, heterogenen Beſtandtheilen entſtehen, jeder in eine beſtimmte Entfernung von dem Mittelpunkte der Erde ſetzen, und wenn ihrer mehrere in gleichen Entfernungen von dem Mittel - punkte zuſammen kommen, auch wohl eine Art von harter Kruſte197Urſprung des Weltſyſtems.bilden, eine Rinde oder Kugelſchaale, welche die innere, noch dich - tere Luft ringsum einſchließt, und die an manchen ihrer Stellen ſo dünn ſeyn kann, daß ſie durch eine von innen auf ſie wirkende Kraft leicht dem Zerbrechen ausgeſetzt wird.

Nimmt man alſo mit Franklin an, daß alle Materien mit ihren Kräften anfänglich wie ein Dunſt durch den Weltraum verbreitet geweſen ſind, ſo mußten ſich, wenn die Anziehung der einzelnen Theile dieſer Materie zu wirken anfing, die ſchweren Dunſttheilchen dem Mittelpunkte mehr nähern, und da ſie ſich, vermöge ihrer Elaſticität, auch einander abſtoßen, zugleich immer dichter werden, je mehr ſie ſich anhäuften, wodurch denn eben die erwähnte Luftkugel entſtanden ſeyn kann, welcher ſich die übrigen Körper auf die angegebene Weiſe feſtſetzten. Viele dieſer Körper, die anfangs zu tief in die Luft durch ihren Fall eingeſunken waren, ſtiegen nachher wieder auf, ſchloſſen ſich an die übrigen an, und bildeten endlich dieſe Kruſte, dieſe Ober - fläche der Erde, die wir bewohnen, und die jetzt ſo tief in die ganze Luftkugel eingeſenkt iſt, daß bloß unſere gegenwärtige Atmoſphäre darüber noch hervorſteht. Chemiſche Prozeſſe, Gas - entwickelungen, Exploſionen von Dämpfen, die unter dieſer Kruſte in der ſo ſtark verdichteten Luft ſtatt haben, werden dieſe Kruſte an einzelnen Stellen durchbrechen, wodurch die neptuniſchen und vulkaniſchen Revolutionen erklärt werden können, die unſere Erde ſchon ſo oft erlitten zu haben ſcheint, oder ſie werden, wenn ſie jene Kruſte nicht zerbrechen können, in der untern Luft Wellen verurſachen, die ſich auf Tauſende von Meilen erſtrecken, und uns als Erdbeben fühlbar ſeyn werden.

Dieſer urſprüngliche Dunſt, dieſer Nebel, dieſe chaotiſche Ur - materie, oder wie man ſie ſonſt nennen will, iſt nicht mit unſerer atmoſphäriſchen Luft identiſch, da dieſe letzte gleichſam nur ein Produkt, oder der feinſte Theil von jenen iſt. Wir haben bereits oben, bei Betrachtung der Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels geſehen, daß die Annahme einer ſolchen nebelartigen Urmaſſe ſehr viel Wahrſcheinlichkeit für ſich habe, eine Meinung, die ſchon Newton hatte, indem er behauptete, daß die ganze Welt ſich aus einem flüchtigen Weſen niedergeſchlagen zu haben ſcheine, wie ſich Waſſer aus Dampf niederſchlägt, und daß198Urſprung des Weltſyſtems.dann dieſer Niederſchlag zu den mannigfaltigſten Formen zu - ſammen geronnen ſey, die wir jetzt an den Körpern der Erde bemerken.

Wem der Ausdruck, daß alle, auch die feſten Körper, in letzter Analyſe, aus Luft beſtehen, zu auffallend erſcheint, der erinnere ſich nur, daß inflammable Luft mit dephlogiſtiſirter vermiſcht, Waſſer gebe, und daß aus Waſſer Eis werden kann, zu welchem ſich jene gemiſchte Luft unmittelbar nicht verdichten läßt. Dieſes Waſſer auf gebrannten Gyps gegoſſen, verhärtet ſich mit ihm zu einem ſteinförmigen Körper, aus dem wir Statuen machen, welche letztere alſo im Grunde aus zwei Luftarten beſtehen. Waſſer entſteht aus Luft, viele Pflanzen entſtehen aus dem Waſſer, und unzählige Thiere leben allein von Waſſer, Luft und Pflanzen, alſo von Luft und von ſolchen feſten Körpern, die früher auch Luft geweſen ſind. Was ſind daher dieſe Thiere ſelbſt geweſen? So ſteht mit Eins der Elephant mit aller ſeiner Majeſtät und ſeinem Elfenbein da, aus Dunſt zuſammen geronnen, wie Franklins Welt. In der That, da die Natur die Pflanzen und Thiere nicht baut, wie wir unſere Häuſer bauen, ſondern ſich der - jenigen Kräfte dabei bedient, die ſie in die kleinſten Elemente der Körper gelegt hat, und da dieſe Kräfte nur in den kleinſten Di - ſtanzen wirkſam ſind (S. 16), ſo iſt immer Flüſſigkeit nöthig, damit ſich alles finden, und an einander fügen kann. Da aber auch dieſe ſich bald verlieren oder durch ihre eigene Schwere nach den tiefſten Stellen ziehen würde, ſo müſſen dieſe flüſſigen Körper auch in elaſtiſche übergehen, d. h. in luftförmige Körper, auf die wir[daher] immer wieder in letzter Inſtanz zurück zu kommen ge - zwungen ſind.

§. 149. (Beſondere Eigenſchaften des Planetenſyſtems.) Ob - ſchon die Elemente des Planetenſyſtems, wie es ſcheint, ganz will - kührlich ſind, ſo haben ſie doch mehrere ſehr merkwürdige Eigen - heiten, die allen Bahnen gemeinſchaftlich ſind, und die daher auch eine beſondere Betrachtung verdienen.

Man bemerkt nämlich nicht ohne Verwunderung, daß ſich alle Planeten ohne Ausnahme in einer und derſelben Richtung, von Weſt nach Oſt bewegen. Auch die Satelliten gehen in der - ſelben Richtung um ihre Hauptplaneten. Ja ſelbſt die täglichen199Urſprung des Weltſyſtems.Umdrehungen dieſer Körper gehen ſämmtlich von Weſt nach Oſt. Dieß iſt in der That ſehr auffallend. Unſer Syſtem, ſo weit wir es jetzt kennen, beſteht aus eilf Planeten und achtzehn Satelliten. Von denjenigen, deren tägliche Rotation durch die Beobachtungen bereits ausgemacht iſt, kennen wir ſechs Planeten, die Sonne ſelbſt, unſern Mond, vier Monde Jupiters und einen Mond ſo wie den Ring Saturns. Dieß gibt demnach zuſammen dreiund - vierzig Bewegungen, die alle nach derſelben Seite gerichtet ſind. Gne ſo große Anzahl kann nicht gut die Folge eines bloßen Zu - fals ſeyn. Wendet man darauf die bekannten Regeln der Wahr - ſcheinlichkeit an, ſo findet man, daß man vier Billionen gegen eins wetten kann, daß dieſer auffallenden Uebereinſtimmung ſo vieler Bewegungen eine einzige gemeinſchaftliche Urſache zu Grunde liege. Eine ſo große Wahrſcheinlichkeit beſitzt aber vielleicht keine einzige aller unſerer ſogenannten hiſtoriſchen Wahrheiten. Wir ſind daher beinahe gezwungen, anzunehmen, daß irgend eine uns unbekonnte Kraft dieſe Bewegungen hervorgebracht hat.

Eine andere nicht minder auffallende Eigenſchaft unſeres Sonnenſyſtens iſt die geringe Excentricität, die wir bei allen Planetenbahnen bemerken. Die ſieben älteren haben alle ſehr nahe eine kreisförmige Bahn; von den vier neuen fügt ſich auch Ceres und Veſta demſelben Verhältniſſe, während Juno und Pallas bereits eine etwas größere, aber doch noch lange nicht eine ſo große Excentricität haben, wie die Kometenbahnen. Ueber - haupt ſind die Bahnen der Planeten und die der Kometen durch dieſe zwei Eigenſchaften weſentlich und zwar ſo ſtark von einan - der unterſchieden, daß ſelbſt der Uebergang von der einen zu der andern gänzlich vermißt wird. Von den Planeten kennt man keinen, deſſen Bewegung nicht beinahe ganz von Weſt gen Oſt gerichtet wäre. Wenn nur einer derſelben ſich z. B. nahe von Süd gen Nord oder umgekehrt bewegte, wo man ihm dann weder eine weſtliche, noch eine öſtliche Bewegung zuſchreiben könnte, ſo würde dieſer gleichſam ein Verbindungsglied, einen Ring zwi - ſchen den zwei Ketten bilden, an deren einer die Planeten, und an der andern die Kometen angereiht ſind. Aber man kennt keinen ſolchen Planeten, wohl aber mehrere Kometen, die ſich auf dieſe Weiſe, und ſehr viele, die ſich von Oſt gen Weſt bewegen. Daſ -200Urſprung des Weltſyſtems.ſelbe gilt von der Excentricität. Alle Planetenbahnen haben eine ſehr kleine Excentricität; ſelbſt die der Juno, die größte unter allen, beträgt nur den vierten Theil ihrer großen Halbaxe, wäh - rend im Gegentheile diejenige Kometenbahn, welche unter allen uns bekannten noch dem Kreiſe am nächſten liegt, die des Biela - ſchen Kometen ſchon eine Excentricität hat, die drei Viertheile ihrer halben großen Axe beträgt.

Daſſelbe gilt endlich auch von den Neigungen dieſer Ba[h]- nen gegen die Ecliptik oder vielmehr gegen den Sonnenäquat[o]r. Dieſe iſt bei allen älteren Planeten ungemein klein, und ſelbſt[b]ei den meiſten neuen noch immer gering, während im Gegent[h]eile die Neigungen der Kometenbahnen alle Grade des Halbkreiſes von bis 180° durchlaufen.

§. 150. (Laplace’s Hypotheſe.) Dieſe drei, allen Planeten zukommenden Eigenſchaften, die jährliche und tägliche Bewegung von Weſt gen Oſt, die geringe Excentricität und die ebenfalls ſehr kleine Neigung ihrer Bahnen, von denen man bisher noch keine Rechenſchaft geben konnte, ſcheinen auf eine da[s]ganze Sy - ſtem umfaſſende, gemeinſchaftliche Kraft zu deuten[,]die bei dem Entſtehen dieſes Syſtems wirkſam geweſen iſt, und aus deren Kenntniß wir vielleicht etwas Näheres über dieſe Entſtehung ſelbſt ableiten können. Dieſen Weg hat Laplace genommen, um den Urſprung des Planetenſyſtems zu erklären, und man wird bald ſehen, daß er ſeiner ſchönen und ſinnreichen Hypotheſe im Allge - meinen dieſelbe Idee, wie oben Franklin, zu Grunde legt, nur mit dem Unterſchiede, daß er ſie mit Hülfe jener drei merkwür - digen Eigenſchaften weiter entwickelt, und ihre Uebereinſtimmung mit den Beobachtungen genauer nachweist.

Welches auch die Urſache, die jene drei Erſcheinungen erzeugte, geweſen ſeyn mag, ſo muß ſie doch alle Planeten umfaßt haben, und da dieſe letzten durch ſo große Zwiſchenräume von einander getrennt ſind, ſo kann jene Urſache nur in einer, anfänglich viel - leicht bloß luftförmigen, Flüſſigkeit von ungeheurer Ausdehnung geſucht werden. Da ſie allen Planeten eine beinahe kreisförmige Bewegung, in einer und derſelben Richtung, um die Sonne ge - geben hat, ſo muß dieſe Flüſſigkeit die Sonne in Geſtalt einer Atmoſphäre umgeben haben. Dieſe Atmoſphäre der Sonne, die201Urſprung des Weltſyſtems.vielleicht urſprünglich nur eine Fortſetzung des eigenen Sonnen - körpers war, hatte alſo anfänglich, wahrſcheinlich durch die Wir - kung einer in ihr herrſchenden außerordentlichen Hitze, eine Aus - dehnung, die noch über die Bahn des Uranus herausreichte, und die ſich ſpäterhin, in Folge ihrer Abkühlung, bis auf die gegen - wärtige Gränze der Sonne zurückgezogen hat.

Damals glich alſo unſere Sonne einem jener Nebelſterne (II. S. 368), einem vielleicht nur kleinen lichten Punkte, umge - ben von einer ſphäriſchen Dunſthülle. Vor dieſer Zeit mag ſelbſt jener lichte Kern noch nicht da geweſen ſeyn, und das Ganze einem äußerſt dünnen, weit verbreiteten, chaotiſchen Nebel gegli - chen haben.

Wenn jener lichte Kern, der Embryo der künftigen Sonne, durch irgend eine Kraft, wozu ſchon die Anziehung der benach - barten Theile der Sonnenatmoſphäre hinreichend war, eine Be - wegung, eine Rotation um ſich ſelbſt hatte, ſo mußte an dieſer Rotation auch die ganze Atmoſphäre der Sonne allmählig Theil nehmen. Wenn nun die anfangs ſo große Hitze aus einzelnen Theilen oder Schichten dieſer Atmoſphäre entfloh, ſo mußte da - durch eine Trennung der Atmoſphäre in einzelnen Schichten ſtatt finden, deren Beſtandtheile ſich nach den bekannten Kepler’ſchen Geſetzen um die Sonne bewegten. War ferner irgendwo in dieſen Schichten eine dichtere Maſſe vorhanden, ſo zog dieſe nach und nach die benachbarten Theile der Schichten an ſich, und die Pla - neten entſtanden. Man ſieht, daß bei einer ſolchen Entſtehung dieſer Körper die Richtung der Bewegung derſelben um die Sonne mit derjenigen übereinſtimmen mußte, welche die Sonne ſelbſt hatte, daß alſo dadurch die gemeinſchaftliche jährliche Bewegung dieſer Planeten von Weſt gen Oſt ſehr gut erklärt wird.

Da ferner die von der Sonne entfernteren Theile eines auf dieſe Weiſe entſtandenen Planeten, wegen der Rotation des ganzen Sonnenkörpers, eine größere Geſchwindigkeit hatten, als die dem Kern näheren Theile, ſo mußte hieraus auch eine Rotation dieſer Planeten um ihre Axe, und zwar in der Richtung ihrer jährlichen Bewegung folgen, wodurch die gemeinſchaftliche Richtung der täglichen Rotation dieſer Planeten auf eine ſehr einfache Weiſe dargeſtellt wird.

202Urſprung des Weltſyſtems.

Dieſe Planeten, die aus der Verdichtung der benachbarten Theile einer Schichte der Sonnenatmoſphäre entſtanden, werden anfangs, wo die ihrem Innern zukommende Temperatur noch immer ſehr hoch geweſen ſeyn mag, einen viel größern Raum eingenommen, und ſich, wie oben die Sonnenatmoſphäre ſelbſt, durch allmählige Abkühlung zu einem dichtern Kern, mit einer eigenen Dunſthülle, ausgebildet haben, wo dann die allmähliche Abkühlung der äußerſten Schichte dieſer Planetenatmoſphäre ganz auf dieſelbe Art die Satelliten erzeugen konnte, wie die Plane - ten ſelbſt aus der Sonnenatmoſphäre erzeugt wurden.

Bei der Abſonderung der ſich allmählig abkühlenden Schich - ten von der übrigen, inneren Atmoſphäre der Sonne, mußte die Maſſe, aus welcher dieſe Schichten beſtanden, durch die Rotation der Sonne gegen den Aequator derſelben hingetrieben werden, wodurch die zweite der oben erwähnten Erſcheinungen erklärt wird, daß nämlich die Bahnen aller Planeten nur in der Nähe des Sonnenäquators getroffen werden, oder daß ihre Neigungen gegen die Ebene dieſes Aequators ſämmtlich ſehr klein ſind.

Wenn ſich die äußerſte Kugelſchaale der Sonnenatmoſphäre, in Geſtalt einer bereits mehr erkalteten, aber immer noch ſehr erwärmten Flüſſigkeit, durch die Rotation des Sonnenkörpers, auf eine für alle Theile dieſer Schichte gleichmäßige Art zu dem Aequator herabſenkt, ohne ſich in ihren einzelnen Partien zu tren - nen, und wenn auch die Conglomeration der Maſſe dieſer Schichte um ihren neuen Kern mit ungeſtörter Regelmäßigkeit vor ſich geht, ſo wird ein flüſſiger, ſpäter durch weitere Abkühlung ſich conſolidirender Ring um dieſen Kern entſtehen. Aber die Re - gelmäßigkeit, die zur Bildung eines ſolchen Rings erfordert wird, wird eine Erſcheinung dieſer Art immer ſehr ſelten machen, daher wir auch in unſerem ganzen Sonnenſyſteme nur ein einziges Beiſpiel eines ſolchen Rings, bei Saturn, haben. In den meiſten Fällen wird der Ring ſchon in den erſten Zeiten ſeiner Bildung in mehrere abgeſonderte Maſſen berſten, die dann für ſich, als die Satelliten des neuen Planeten, ihren Weg um denſelben zurücklegen.

Dieſelbe Regelmäßigkeit der Bildung der Planeten würde, wenn ſie in der That ſtatt gehabt hätte, die Planeten vollkommen in die Ebene des Sonnenäquators, und die Satelliten genau in203Urſprung des Weltſyſtems.die Ebene der Aequatoren ihrer Hauptplaneten gelegt haben, ſo wie ſie auch die Bahnen aller dieſer Körper zu vollkommenen Kreiſen gemacht haben würde. Jede kleine Störung dieſer Regelmäßigkeit wird aber Veränderungen in den Neigungen ſowohl, als auch in den Excentricitäten dieſer Bahnen hervorge - bracht haben, und es ſcheint, daß dieſe Störungen nie groß genug geweſen ſind, um das eine oder das andere dieſer beiden Elemente zu ſtark von ihrem urſprünglichen Zuſtande zu entfernen, daher wir die Neigungen ſowohl, als auch die Excentricitäten aller Planetenbahnen in ſo enge Gränzen eingeſchloſſen finden.

Nach dieſer Hypotheſe, die mit den früher (II. S. 387) mitgetheilten Erſcheinungen bei den Nebelmaſſen des Himmels ſehr wohl übereinſtimmt, befand ſich alſo die Sonne, oder wenigſtens die nächſte Umgebung, die Atmoſphäre ihres Kerns, urſprünglich in einem luftförmigen Zuſtande. Die Maſſe dieſer Atmoſphäre mag nahe den ſiebenhundertſten Theil der ganzen Sonnemmaſſe betragen haben, da die Maſſen aller Planeten und Satelliten, die aus dieſer Atmoſphäre entſtanden ſind, daſſelbe Verhältniß zur gegenwärtigen Maſſe der Sonne haben. Da dieſe Atmoſphäre in der Nähe der Sonne dichter, als an ihrer äußerſten Gränze ſeyn mußte, ſo ſollten auch die unteren Planeten (I. S. 214) eine größere Dichtigkeit haben, als die weiter von der Sonne entfern - ten, oberen Planeten, was auch in der That ſehr nahe mit den bisher über die Dichtigkeit der Planeten erhaltenen Beobachtungen zuſammentrifft.

§. 151. (Rückſicht auf die Kometen bei dieſer Hypotheſe.) Bei dieſer Darſtellung des Urſprungs unſeres Planetenſyſtems iſt, wie man ſieht, auf die Kometen keine Rückſicht genommen worden. Wenn man aber die Kometen für, den Nebelmaſſen des Himmels ähnliche Körper hält, mit denen ſie ſo vieles gemein zu haben ſcheinen, ſo kann man nicht ohne viele Wahrſcheinlichkeit anneh - men, daß dieſe kleineren Nebelmaſſen von einem Sonnenſyſteme zu dem anderen in dem Weltenraume umherirren, und daß ſie durch die Condenſation des Urnebels entſtehen, der in ſo erſtau - nenswürdiger Menge in dem Univerſum zerſtreut iſt. Aus dieſem Geſichtspunkte betrachtet wären daher die Kometen für das Son - nenſyſtem das, was die Aerolithen für unſere Erde ſind, da dieſe204Urſprung des Weltſyſtems.der Erde eben ſo fremd zu ſeyn ſcheinen, als jene der Sonne. Dieſe Kometen ſehen jenen Nebelmaſſen zuweilen ſo täuſchend ähnlich, daß man ſie oft genug mit ihnen verwechſelt hat, und daß man ſie nur durch ihre eigene Bewegung von jenen unter - ſcheiden kann. Auch zeigen ſie uns, wie ihre in den Aphelien vielleicht ſehr feſte Maſſe durch die hohe Temperatur, welcher ſie in ihren Sonnennähen ausgeſetzt ſind, ſich bis zu einer luftförmigen Dunſtwolke von einer ſo geringen Dichtigkeit verbreitet, daß man durch dieſelbe, ihres enormen Volums ungeachtet, doch noch die feinſten Sterne durchblicken ſieht. Warum ſollte ein Zuſtand, den dieſe Körper bei jedem ihrer Durchgänge durch das Perihe - lium erfahren, nicht auch einmal bei der Sonne ſelbſt zur Zeit ihrer Entſtehung möglich geweſen ſeyn?

Man kann daher annehmen, daß unſer Sonnenſyſtem an - fänglich bloß aus dem Hauptkörper, aus der Sonne ſelbſt, die aber damals einen viel größeren Raum einnahm, beſtanden habe, und daß dieſelbe von den in allen Gegenden des Weltraums zerſtreuten, ihr ſelbſt aber fremden, Kometen umkreist worden ſey. Da ſie ſonach auf ihren Bahnen der Sonne mit verſchiede - nen Geſchwindigkeiten und in verſchiedenen Richtungen begegneten, ſo mußten auch ihre Neigungen alle möglichen Lagen gegen die Ecliptik haben, wie dieß den Beobachtungen vollkommen gemäß iſt.

Nicht minder genügend wird auch dadurch die große Excentri - cität der Bahnen dieſer Kometen erklärt. Wenn ſie elliptiſch ſind, ſo müſſen ſie auch zugleich ſehr länglich ſeyn, weil ihre großen Axen wenigſtens ſo groß, als der Durchmeſſer der Sonne zu der Zeit ſeyn mußten, da dieſer Centralkörper ſelbſt noch ſo ſtark aus - gedehnt war. Viele dieſer Bahnen ſind aber auch ohne Zweifel hyperboliſch; allein da wir die Kometen nur dann ſehen können, wenn ſie der Erde, alſo auch der Sonne näher kommen, ſo wird in dieſer Nähe der hyperboliſche Bogen der Bahn, wegen der ungemeinen Größe ſeiner Axe, einem paraboliſchen immer ſehr nahe kommen, und daher leicht mit ihm verwechſelt werden können.

Dieß mag die Urſache ſeyn, warum wir noch keinen Kometen gefunden haben, deſſen Bahn ganz ſicher als eine hyperboliſche erkannt wurde, da im Gegentheile bei den meiſten derſelben205Urſprung des Weltſyſtems.die Parabel hinreicht, die Beobachtungen dieſer Himmelskörper darzuſtellen.

Einige dieſer Kometen ſind auch wohl in die Atmoſphäre der Sonne zu der Zeit geſtürzt, als dieſe noch in ihrer Bildung begriffen war. In dieſem Falle mußten ſie, in dem widerſtehenden Mittel dieſer Atmoſphäre, Spiralen beſchreiben, und entweder ſich mit dem Kern der Sonne vereinigen, oder, wenn ſie früher einem Planeten begegneten, durch ihren Stoß die Ebene der Bahn und des Aequators dieſer Planeten von der Ebene des Sonnenäqua - tors entfernen, wodurch die verſchiedenen Neigungen dieſer Bahnen und die ſchiefe Stellung ihrer Rotationsaxen erklärt werden.

Wenn aber in den von der Sonne bereits verlaſſenen Zonen ſich noch Nebelmaſſen fanden, die zu fein oder zu weit verbreitet waren, um ſich zu Planeten zu vereinigen, ſo mußten ſie in dieſer ihrer urſprünglichen Geſtalt fortfahren, als große Dunſtwolken ſich um die Sonne zu bewegen, und in dieſem Zuſtande uns alle die Erſcheinungen zeigen, die wir an dem Zodiacallichte be - merken, ohne eben die Bewegung der Planeten bedeutend zu hindern, da ihre Dichtigkeit ſo ungemein klein, und da ihre eigene Bewegung der jenen Planeten nahe gleich iſt.

§. 152. (Wahrſcheinlichkeit dieſer Hypotheſe.) Schon das Vorhergehende reicht hin, die hier aufgeſtellte Hypotheſe von dem Urſprunge unſeres Planetenſyſtems ſehr wahrſcheinlich zu machen. Zu demſelben laſſen ſich aber auch noch mehrere andere Gründe anführen. Daß unſere Erde und überhaupt alle Planeten ur - ſprünglich in einem flüſſigen Zuſtande geweſen ſind, folgt ſchon aus der Abplattung derſelben an den Polen ihrer Rotation, oder aus der beobachteten regelmäßigen Abnahme der Schwere der Erde, wenn man von dem Aequator ſich den beiden Polen nähert. Daß aber dieſer flüſſige Zuſtand der Planeten ſeinen Grund in einer anfänglichen ſehr hohen Temperatur dieſer Körper habe, iſt bereits oben (Kap. VIII) gezeigt worden, und dadurch wird es ſehr wahrſcheinlich, daß dieſer urſprüngliche Zuſtand der Himmels - körper nicht bloß ein flüſſiger, ſondern ein luftförmiger geweſen iſt.

Die genaue Uebereinſtimmung der Dauer der Revolution und Rotation bei den Satelliten unſeres Syſtems kann ebenfalls als ein Beweis der Richtigkeit jener Hypotheſe angeſehen werden. 206Urſprung des Weltſyſtems.Es iſt nämlich äußerſt unwahrſcheinlich, daß dieſe Gleichheit beider Bewegungen ſchon gleich bei dem Entſtehen dieſer Satel - liten in aller Strenge ſtatt gehabt habe. Aber wenn es auch nur beinahe beſtand, ſo mußte, wie man durch Rechnung zeigen kann, die Attraction des Hauptplaneten eine Oſcillation des Mondes um den, dem Planeten zugewendeten Halbmeſſer dieſes Mondes und zugleich, wenn anders der Satellit anfangs in einem flüſſigen Zuſtande war, eine Verlängerung dieſes Halbmeſſers erzeugen, und man ſieht, wie durch dieſe Verlänge - rung jene Oſcillationen des Mondes immer kleiner werden, und endlich ganz verſchwinden mußten, ſo daß ſich endlich jene Gleich - heit der beiden Bewegungen in aller Strenge herſtellte. Dieſe ſehr wahrſcheinliche Erklärung jenes Phänomens iſt alſo eben - falls auf jenem anfänglichen Zuſtand der Himmelskörper ge - baut, welcher unſerer Hypotheſe von der Entſtehung des ganzen Syſtems zu Grunde liegt. Auch ſieht man zugleich, daß eben dieſe Gleichheit der beiden Bewegungen bei den Satelliten aller Bildung von Ringen um dieſelben oder von ſecundären Monden hindernd entgegen treten mußte, daher auch unſere ſchärfſten Beobachtungen noch keine Erſcheinungen dieſer Art an den Sa - telliten entdecken konnten.

Die drei nächſten Monde Jupiters gewähren uns eine noch auffallendere Erſcheinung, nach welcher die mittlere Bewegung des erſten oder nächſten, mehr der zweifachen des dritten, weniger der dreifachen des zweiten dieſer Satelliten immer gleich Null iſt. (Vergl. oben S. 337.) Allein wenn man, unſerer Hypotheſe gemäß, auch dieſe Satelliten, zur Zeit ihrer Entſtehung, in einem flüſſigen Zuſtande vorausſetzt, ſo iſt es, wie die Analyſe zeigt, ſchon hinreichend, wenn jenes Verhältniß, das in ſeiner ganzen Genauigkeit außerordentlich unwahrſcheinlich und völlig uner - klärbar wäre, im Anfange auch nur beinahe ſtatt gefunden hat, wo dann die Anziehung dieſer drei Satelliten und die des Hauptplanet n ſchon hinreichend waren, dieſes urſprünglich nur genäherte Verhältniß mit der Zeit ganz genau herzuſtellen.

[207]

Kapitel XII. Dauer des Weltſyſtems.

§. 153. (Welche Art von Störungen hier betrachtet werden.) Nachdem wir in dem vorhergehenden Kapitel es gewagt haben, unſere Unterſuchungen über den Zuſtand des Sonnenſyſtems in der grauen Vorzeit auszudehnen, wollen wir nun auch unſern Blick in die ferne Zukunft richten und zuſehen, was wir da zu hoffen oder zu fürchten haben.

Wir haben in dieſem Syſteme mehrere Eigenheiten entdeckt, die uns in den Stand ſetzten, auf den Zuſtand deſſelben in einer Epoche, von welcher der Anfang unſerer Menſchengeſchichte ohne Zweifel ſehr weit entfernt iſt, wenigſtens mit einiger Wahrſchein - lichkeit zurückzuſchließen. Sollte es nicht auch einige andere Eigen - heiten dieſes Syſtems geben, die uns Mittel darbieten, den Zuſtand deſſelben in der fernen Zukunft wenigſtens ſo weit zu entſchleiern, um daraus einige Beruhigung für die fernere Dauer dieſes großen und wunderbaren Gebäudes abzuleiten? Wenn auch wir ſelbſt und alles, was mit uns auf dieſer Erde lebt, wieder zu dem Staube zurückkehren muß, von dem wir genommen ſind, und wenn wir uns willig in dieſes allen lebenden Weſen gemeinſame Loos ergeben, ſo können wir doch den Wunſch nicht unterdrücken, daß nach unſerem Abtreten von dieſem Schauplatze wieder andere Weſen, in immer fortgehender Reihe, auf derſelben208Dauer des Weltſyſtems.Bühne ſich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über uns ausgeſpannt iſt, bleiben und beſtehen, und daß dieſelbe Sonne und derſelbe Mond, die uns in unſerem Leben oft ſo freundlich geleuchtet haben, auch noch die Blumen beſcheinen möge, die in der fernſten Zukunft über unſern Gräbern blühen werden.

Man ſieht ohne mein Erinnern, daß bei Unterſuchungen dieſer Art nicht von ſolchen Störungen die Rede ſeyn kann, die durch unvorherzuſehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht wird ein uns noch unbekannter Komet unſere Erde zertrümmern, oder in ſeinen Fluthen erſäufen, oder ſie zu Aſche verbrennen und die Trümmer derſelben mit ſich in fremde Sonnenſyſteme führen; vielleicht wird einſt dieſes ganze Syſtem, wie jener Fixſtern in der Caſſiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe - kannte Urſache in Brand gerathen und auflodern, ſo daß von allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden ſeyn wird. Solche Kataſtrophen, ſie mögen nun möglich ſeyn oder nicht, ſind nicht vorauszuſehen, und ſtehen in keinem weitern Zu - ſammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerſtörung, von der hier allein die Rede ſeyn kann. Daß ein Menſch vom Blitze getödtet wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer des ganzen Geſchlechts haben. Aber daß alle Menſchen und überhaupt alle lebende Weſen immerwährenden Reibungen und Abnutzungen ihrer Körper unterworfen ſind, dieß läßt uns nur gar zu gewiß auf einen endlichen Stillſtand der ganzen Maſchine ſchließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maſchine über uns trägt ſie auch ſolche Spuren, aus denen wir, wenn auch in der fernſten Zukunft, auf ihren Stillſtand, auf ihre Auflöſung ſchließen können?

Man ſieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die Rede iſt, welchen die einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems unterworfen ſind. Wir haben bereits oben (S. 115) geſehen, daß dieſe Störungen zweierlei Art ſind. Die periodiſchen, welche bloß den Ort des Planeten in ſeiner Bahn angehen, und die ſä - culären, welche dieſe Bahn ſelbſt mit der Zeit verändern. Die erſten können offenbar keinen Einfluß auf eine einſtige Zerſtörung209Dauer des Weltſyſtems.des Ganzen haben. Aber die zweiten? Sie könnten es, und ſie würden es auch, wenn anders dieſe Aenderungen der Bahnen mit der Zeit, alſo ohne Ende, und immer nach derſelben Rich - tung fortgingen. Allein das thun ſie nicht, wie wir bereits oben gezeigt haben. Und ſo ſcheint denn auch, von dieſer Seite wenig - ſtens, nichts zu fürchten.

§. 154. (Vorzügliche Rückſicht auf drei Elemente der Plane - tenbahnen.) Da dieſe Sache ſchon an ſich, und beſonders in Be - ziehung auf uns ſelbſt von ſo großer Wichtigkeit iſt, ſo wird es nicht unangemeſſen ſeyn, ſie etwas näher zu betrachten.

Es iſt bereits oben (I. S. 280) geſagt worden, daß jede Bahn eines Planeten oder Kometen ſechs Beſtimmungsſtücke oder Ele - mente hat, an denen man ſie erkennen und von allen andern unterſcheiden kann. Dieſe Elemente ſind: 1) die große Axe oder die Umlaufszeit; 2) die Excentricität; 3) die Neigung der Bahn; 4) die Länge des Periheliums; 5) die Länge der Knotenlinie und 6) die Epoche oder der Ort des Planeten in ſeiner Bahn zu einer gegebenen Zeit.

Es wird nicht nothwendig ſeyn, hier umſtändlich zu zeigen, daß die drei letzten der ſechs genannten Elemente in Beziehung auf die längere Fortdauer des ganzen Syſtems ganz gleichgültig und ohne allen Einfluß ſind. Ob die große Axe nach dieſer oder nach einer andern Gegend des Himmels gerichtet iſt, ob die Pla - netenbahn die Ebene der Ecliptik in dieſer oder in einer anderen Linie ſchneidet, das kann die Stabilität des Ganzen offenbar eben ſo wenig ſtören, als dieſelbe von dem Orte des Planeten in ſeiner Bahn zu irgend einer Zeit abhängig ſeyn kann.

Nicht ſo iſt es aber mit den drei erſtgenannten Elementen. Die große Axe darf durchaus gar keiner Aenderung unterworfen ſeyn, ſelbſt nicht einer periodiſchen, weil eine ſolche, der Natur der Sache nach, ſo fort in ein immerwährendes Wachſen oder Abnehmen derſelben übergehen würde, deren für das Ganze zerſtörende Folgen wir bereits oben (§. 132) näher angegeben haben. Die beiden anderen Elemente aber, die Excentricität und die Neigung der Bahn, können wohl ſolche Aenderungen leiden, aber dieſe Aenderungen müſſen in beſtimmte, wenn auch ſehr langeLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 14210Dauer des Weltſyſtems.Perioden eingeſchloſſen ſeyn, wenn ſie das Syſtem in die Länge nicht gefährden ſollen.

Nun zeigt die Analyſe, daß die Entwicklung der drei letztge - nannten Elemente aus Reihen beſteht, deren Glieder alle nur Sinus von Winkeln enthalten, die mit der Zeit fortgehen. Da aber die Sinus bekanntlich ſelbſt nur periodiſch zu - und abneh - mende Größen ſind, ſo würden auch jene drei Elemente dergleichen Größen ſeyn, wenn jene Reihe nicht noch ein Glied enthielte, das der Zeit ſelbſt proportional iſt. Vermöge dieſes letzten Gliedes können alſo jene drei Elemente ſelbſt ohne Gränzen wachſen, und ſie thun dieſes auch, doch, wie geſagt, ohne alle Gefahr für die Stabilität des ganzen Syſtems. Die drei erſten Elemente aber zeigen, wenn ſie ebenfalls in Reihen entwickelt werden, durchaus nur Glieder, welche die Coſinus jener Winkel, und kein der Zeit ſelbſt proportionales Glied enthalten, woraus man denn den Schluß gezogen hat, daß auch dieſe drei Elemente keine mit der Zeit fortgehende, ſondern nur periodiſch wiederkehrende Aenderungen erleiden können.

§. 155. (Berichtigung der vorhergehenden Betrachtung.) Allein dieſer Schluß, mit welchem man ſich lange begnügte, iſt nicht ganz richtig. Poiſſon hat zuerſt gezeigt (Conn. des tems 1830) daß es nicht genug iſt, wenn dieſe Reihen bloße Coſinus enthal - ten, damit jene Elemente nicht ohne Aufhören wachſen, oder ab - nehmen können, ſondern daß auch noch dieſe Reihen convergent ſeyn, d. h. daß ihre auf einander folgenden Glieder immer kleiner ſeyn müſſen, wenn jener auf ſie gebaute Schluß vollkommen ſtreng ſeyn ſoll.

Was nun die Reihe für die große Axe der Bahnen betrifft, ſo iſt ſie, wie man zeigen kann, immer convergent, und überdieß der Art, daß ihre Veränderung, wenn man ſtatt der in ihr ent - haltenen allgemeinen Zeichen die numeriſchen Werthe für jeden Planeten ſubſtituirt, immer gleich Null iſt, wie ſchon oben (§. 133) geſagt wurde. Von dieſer Seite, und ſie iſt die wichtigſte von allen, iſt alſo für eine Störung der Stabilität unſeres Sonnen - ſyſtems weiter nichts zu beſorgen.

Die Entwicklung für die Excentricität und die Neigungen der Bahnen aber gibt Reihen, von welchen es ſehr ſchwer iſt, mit211Dauer des Weltſyſtems.Beſtimmtheit zu ſagen, ob ſie convergiren oder nicht. Poiſſon hat jedoch gefunden, daß die Beſchaffenheit dieſer beiden Elemente auch von zwei Gleichungen abhänge, die in Beziehung auf un - ſern Gegenſtand von der größten Wichtigkeit ſind. Wenn näm - lich dieſe Gleichungen auch nur zwei reelle und gleiche, oder auch wenn ſie zwei imaginäre Wurzeln haben, ſo mögen jene Reihen immerhin convergent ſeyn: dieſe beiden Elemente können doch proportional mit der Zeit, d. h. ohne Ende wachſen, und die end - liche Zerſtörung des Syſtems würde darum nicht weniger gewiß heraufgeführt werden.

Nun hat aber ſchon früher Laplace gezeigt, daß die Wurzeln dieſer beiden Gleichungen in einem beſtimmten Falle immer reell und unter ſich ungleich ſeyn werden, und dieſer Fall tritt dann ein, wenn die Planeten alle ſich nach derſelben Richtung um die Sonne bewegen. Dieß hat aber glücklicher Weiſe in unſerem Syſteme ſtatt, wo ſich alle Planeten ohne Ausnahme von Weſt nach Oſt bewegen, und die unmittelbare Folge davon iſt, daß die Excentricitäten ſowohl, als auch die Neigungen der Bahnen dieſer Planeten nicht mehr ohne Ende wachſen, ſondern daß ſie immer nur zwiſchen zwei Gränzen, und zwar zwiſchen zwei ſehr engen Gränzen auf und nieder gehen können, und dadurch ge - ſchieht es endlich, daß die Stabilität unſeres Syſtems geſichert, und die Fortdauer deſſelben gleichſam für immerwährende Zeiten bedingt wird.

§. 156. (Merkwürdige, hieher gehörende Gleichungen.) Der - ſelbe Laplace nämlich, dem wir ſo viele ſchöne Entdeckungen in dieſen höheren Gefilden der Sternkunde verdanken, hat gefunden, daß zwiſchen den drei Elementen, von welchen hier vorzüglich die Rede iſt, und zwiſchen den Maſſen der Planeten mehrere Glei - chungen exiſtiren, deren Grund wir zwar hier nicht näher angeben können, die aber zu wichtig und zu intereſſant ſind, um ganz über - gangen zu werden.

Man denke ſich von irgend einem Planeten, z. B. von Merkur das dreifache Produkt, deſſen Faktoren die Maſſe dieſer Planeten, das Quadrat ſeiner Excentricität, und die Quadratwurzel ſeiner großen Axe ſind. Nennt man dieſes Produkt für Merkur a, für Venus a', für die Erde a' 'u. ſ. w., ſo zeigen jene höheren Rech -14 *212Dauer des Weltſyſtems.nungen, daß die Summe aller dieſer Größen a, a', a' '.. für alle Zeiten eine conſtante oder unveränderliche Größe ſeyn müſſe. Nun iſt die Maſſe eines jeden Planeten, wenn man die Sonnen - maſſe als Einheit annimmt, ſo wie auch das Quadrat der Excen - tricität, wenn man die halbe große Axe der Bahn als Einheit vorausſetzt, den Beobachtungen gemäß, bei allen Planeten eine ſehr kleine Größe, alſo muß auch die Größe a, a', a'' .. und daher auch jene Conſtante, wenigſtens bei dem gegenwärtigen Zu - ſtande unſers Planetenſyſtems, eine ſehr kleine Größe ſeyn. Allein da dieſe Conſtante, wie geſagt, eine für alle Zeiten unveränderliche, alſo auch immer nur eine ſehr geringe Größe iſt, ſo müſſen auch die einzelnen Glieder a, a', a' '.. jener Summe immer nur ſehr klein ſeyn. Dieſe Glieder beſtehen aber aus den Maſſen und den halben Axen der Bahnen, die, wie bereits bekannt, immer dieſel - ben bleiben, und endlich aus den Excentricitäten dieſer Bahnen, welche letztere daher ebenfalls immer ſehr klein bleiben müſſen, weil die Glieder a, a', a'' .. wie wir geſehen haben, nur ſehr kleine Werthe haben können.

In der That, wenn auch nur ein einziges dieſer Glieder a, a', a' '.. mit der Zeit ſehr groß werden könnte, d. h. alſo, wenn nur eine einzige Excentricität unſeres Sonnenſyſtems ohne Ende wachſen könnte, ſo würde dadurch jene Summe, oder, was daſſelbe iſt, jene Conſtante ſelbſt unendlich groß werden. Allein ſie iſt jetzt, wie die Beobachtungen zeigen, ſehr klein, und muß daher, da ſie eine Conſtante iſt, immer ſehr klein bleiben, alſo kann auch nicht eine einzige jener Excentricitäten über alle Gränzen hinaus wachſen, und alle müſſen vielmehr immer zwiſchen zwei engen Werthen, über welche ſie ſich nie entfernen können, einge - ſchloſſen bleiben, vorausgeſetzt nämlich, daß alle jene Glieder a, a', a'' poſitive Größen ſind. Wenn auch nur eines derſelben einen negativen Werth erhielte, ſo würden die obigen Schlüſſe offenbar nicht mehr angewendet werden können; denn dann könnten zwei dieſer Glieder ohne Anſtand in’s Unendliche zunehmen, und ihre Summe doch noch eine ſehr kleine Größe bleiben, wenn nämlich das eine dieſer Glieder poſitiv, und das andere negativ wäre. Allein dieſer Fall kann in unſerem Plane - tenſyſtem nie eintreten. Und warum nicht? Aus dem bereits213Dauer des Weltſyſtems.oben angegebenen Grunde, weil nämlich die Bewegungen aller Planeten durchaus nach derſelben Richtung vor ſich geben. In dieſem Falle muß man nämlich von den beiden Zeichen, die jeder Quadratwurzel, alſo auch der oben erwähnten Wurzel der großen Axe eigen ſind, in allen Gliedern a, a', a' '.. immer daſſelbe Zeichen nehmen, ſo daß die poſitiven Werthe dieſer Größen ge - nommen werden müſſen, wenn die Planeten von Weſt nach Oſt, und die negativen, wenn ſie von Oſt nach Weſt gehen. Da nun in unſerem Sonnenſyſteme alle Planeten von Weſt nach Oſt ſich um die Sonne bewegen, und da überdieß die Maſſen derſelben, ſo wie die Quadrate der Excentricitäten ihrer Bahnen, ſchon an ſich poſitive Größen ſind, ſo ſind auch alle jene Glieder a, a', a'' .. ſelbſt poſitiv, und der angeführte Schluß, daß dieſe Excentricitäten für immerwährende Zeiten nur kleine Größen bleiben müſſen oder nie über beſtimmte Gränzen hinauswachſen können, iſt daher hier in ſeiner ganzen Stärke anwendbar.

Einen ganz ähnlichen Ausdruck erhält man auch für die Nei - gungen der Bahnen gegen die Ecliptik. Nennt man nämlich wieder b das dreifache Produkt der Maſſe eines Planeten in das Quadrat der Tangente der Neigung, und in die Quadratwurzel der großen Axe der Bahn, und bezeichnet man für einen zweiten Plane - ten daſſelbe Produkt durch b', für einen dritten durch b' 'u. ſ. w., ſo zeigt die Analyſe, daß die Summe der Größen b, b', b'' .. in unſerm Syſteme eine für alle Zeiten unveränderliche Größe iſt. Dieſe Größe iſt aber jetzt, den Beobachtungen gemäß, ſehr klein, alſo muß ſie auch immerfort ſehr klein bleiben, und zwar aus derſelben Urſache, weil die Größen b, b', b' '.. alle poſitiv, oder, mit andern Worten, weil die Bewegungen der Planeten alle nach derſelben Seite gerichtet ſind.

§. 157. (Folgerungen aus dem Vorhergehenden.) Wir ſehen daher, daß vermöge einer ſehr einfachen Einrichtung unſeres Sonnenſyſtems die großen Axen der Bahnen ganz unveränderlich ſind, und daß die Excentricitäten und die Neigungen derſelben ſich zwar ändern, aber daß auch dieſe Aenderungen in beſtimmte, meiſtens ſehr enge Gränzen eingeſchloſſen ſind, welche dieſe beiden Größen nie überſchreiten können. Da aber die Beſtändigkeit dieſer drei Elemente es vorzüglich iſt, von welcher die Erhaltung unſers214Dauer des Weltſyſtems.Syſtems und die ungeſtörte Ordnung deſſelben für die Folgezeit abhängt, ſo dürfen wir daraus den Schluß ziehen, daß es bei der Entſtehung dieſes Syſtems in der Abſicht der Natur lag, ihm dieſe Erhaltung zu ſichern, und demſelben das Siegel einer immer - währenden Dauer aufzudrücken. Dieſen Zweck hat ſie vorzüglich durch zwei, auf den erſten Blick nur geringfügig ſcheinende Mittel erreicht, indem ſie nämlich für die großen Axen, oder was daſſelbe iſt, für die Umlaufszeiten dieſer Planeten keine andere, als irra - tionale Zahlen (§. 134) gewählt hat, wodurch ſie die Unverän - derlichkeit der großen Axe, dieſes für die Stabilität des Ganzen wichtigſten Elementes (§. 132) ſicherte, und indem ſie die Bewe - gungen der Planeten ſo eingerichtet hat, daß ſie ſich alle nach derſelben Seite um die Sonne bewegen.

§. 158. (Andere Gründe für die Stabilität des Sonnenſyſtems.) Eine andere ſchon der geringſten Aufmerkſamkeit auffallende Ein - richtung des Planetenſyſtems ſcheint denſelben Zweck zu haben. Der ganze Sonnenſtaat iſt, wie ſchon früher bemerkt wurde, nicht nur in ſeinem Ganzen, ſondern ſelbſt in den einzelnen Theilen deſſelben weſentlich monarchiſch geordnet. Die Sonne, der Mit - telpunkt der Bewegungen der Planeten, überwiegt alle dieſe Pla - neten zuſammen genommen an Maſſe, d. h. an eigener intenſiver Stärke mehr als ſiebenhundertmal, und eine ähnliche Präponde - ranz bemerken wir auch bei allen Hauptplaneten in Beziehung auf ihre Satelliten. Die Maſſe der Erde iſt 70mal größer als die des Mondes, und die Maſſe Jupiters übertrifft die aller ſeiner vier Monde ſogar gegen 6000mal. Die daraus folgenden mäch - tigen Anziehungen der Sonne auf die Planeten, und der Haupt - planeten auf ihre Satelliten laſſen keine ſo beträchtliche Stö - rungen in dieſem Staate aufkommen, von denen man eine Zer - rüttung oder auch nur eine größere Unordnung des Ganzen beſorgen könnte. Wenn z. B. Jupiter plötzlich aus dieſem Syſteme aus - geſchieden würde, ſo würden wir ſeine Monde, die wir jetzt in ſo ſchöner Ordnung um ihn gehen ſehen, ſich ſofort in dem Raume zerſtreuen, und den einen in Ellipſen um die Sonne gehen, den andern aber in hyperboliſchen Bahnen ſich von derſelben entfernen ſehen. Aber das Daſeyn mächtiger, alle andern ſo weit über - wiegender Kräfte iſt ein weſentlicher Schutz für ein Syſtem, das215Dauer des Weltſyſtems.in allen ſeinen Theilen beiſammen bleiben, und in der Regel - mäßigkeit ſeiner Bewegungen nicht weſentlich geſtört werden ſoll.

§. 159. (Gründe für die Erhaltung der Erde.) Selbſt auf unſerer Erde bemerken wir ähnliche Spuren dieſer Abſicht der Natur, ihren Werken Beſtand und Dauer zu geben. Dahin ge - hört vorzüglich die bereits oben (§. 123) betrachtete Stabilität der Pole auf der Oberfläche der Erde, und das durch die Beobach - tungen ſo vieler Jahrtauſende beſtätigte Gleichgewicht der Meere, die einen ſo großen Theil dieſer Erde bedecken. Dieſe beiden Erſcheinungen, die zur Erhaltung organiſcher Weſen unumgänglich nothwendig ſind, können als ein einfaches Reſultat der Rotation der Erde verbunden mit der allgemeinen Schwere aller Körper betrachtet werden. Denn durch jene Rotation wurde die Erde an ihren Polen abgeplattet, und durch dieſe Abplattung iſt die Rotationsaxe der Erde eine freie (§. 126) und invariable Axe derſelben geworden. Durch die Wirkung der allgemeinen Schwere aber mußte die Erdmaſſe gegen ihren Mittelpunkt viel dichter werden, als in der Nähe ihrer Oberfläche, ſo daß jetzt die mitt - lere Dichte der ganzen Erde die des Meerwaſſers weit übertrifft, was allein ſchon hinreicht, dieſe Meere ſelbſt in ſtetem Gleichge - wichte zu erhalten, und der Wuth ihrer Fluthen einen Zügel an - zulegen.

Nach allen dieſen Beobachtungen ſcheint es daher, daß der Urheber der Natur es abſichtlich ſo eingerichtet habe, daß die Dauer ſeines ſchönen und großen Werkes geſichert bleibe, und daß er in ſeiner Anlage zu dem Sonnenſyſtem von denſelben An - ſichten ausgegangen iſt, die er auf der Erde, zur Erhaltung ihrer ſelbſt ſowohl als der auf ihr lebenden Geſchöpfe beobachtet hat.

§. 160. (Nothwendige Beſchränkung der durch die vorherge - henden Betrachtungen erhaltenen Reſultate.) Wenn aber dieſe be - wunderungswürdigen Einrichtungen der Natur uns über die weitere Dauer ihres Werkes vollkommen beruhigen können, und wenn, wie wir geſehen haben, wenigſtens das Innere dieſes Sy - ſtems keine Spur von einer künftigen Zerſtörung an ſich trägt, ſo iſt doch eine auch noch ſo lange keine ewige Dauer. Wir können uns nicht vermeſſen, die innere Einrichtung des Weltalls, und noch weniger die Abſicht ihres erhabenen Gründers, auch nur216Dauer des Weltſyſtems.mit einiger Vollſtändigkeit zu erforſchen. Auch kann, was innere Kräfte nicht vermögen, dereinſt von äußern herbeigeführt werden. Endlich, wenn die vorhergehenden Betrachtungen auf eine Abſicht der Natur, ihr Werk zu erhalten, deuten, wie viele andere Er - ſcheinungen ließen ſich dagegen aufführen, die dieſen unſeren Wün - ſchen und Hoffnungen widerſprechen.

Wir ſehen, daß allen Dingen dieſer Erde nur eine, oft ſehr kurze Periode ihres Daſeyns angewieſen iſt, nach welcher ſie alle verſchwinden, und, wenigſtens in dieſer Geſtalt, nicht mehr wieder kommen. Jeder kommende Winter zerſtört die ſchönen Gebilde unſerer Fluren. Zahlreiche Familien und ganze Geſchlechter von Thieren ſind bis auf die letzten Reſte derſelben verſchwunden, und ſelbſt ganze Völkerſchaften, weltbeherrſchende Nationen ziehen vor uns vorüber wie die Bilder eines Schattenſpieles an der Wand, und Alles, Alles was uns hier unten umgibt, wird von dem Strome der Zeit fortgeriſſen, und eilt unaufhaltſam ſeinem Endzuſtande der Auflöſung und Zerſtörung entgegen. Die Erde, die wir betreten, iſt mit den Ruinen der Vorzeit und mit dem Staube von Pflanzen und Thieren bedeckt, und es wird eine Zeit kom - men, wo man über die Pyramiden, wie jetzt über Karthago, hin - gehen wird, ohne eine Spur derſelben zu erblicken.

Von dieſem, wie es ſcheint, nicht minder allgemeinen Geſetze der Natur, deren zerſtörende Wirkungen uns von allen Seiten in der Nähe umgeben ſoll davon dieſe Erde ſelbſt und der über ſie ausgeſpannte Himmel eine Ausnahme machen? Welches Recht hätten ſie zu ſolchen Anſprüchen? Oder welches Recht haben wir, ſelbſt nur von geſtern her, und morgen ſchon nicht mehr, die ewige Exiſtenz dieſes unſeres Wohnortes zu fordern? Haben wir nicht Sterne am Himmel verſchwinden, und ganze Sonnenſyſteme daſelbſt auflodern ſehen? Welche ſchreckliche Schau - ſpiele, gegen die unſere Waſſerfluthen und Erdbeben, gegen die der Tod von Tauſenden in einer wüthenden Schlacht nur als Poſſenſpiele erſcheinen. Der Untergang einer Sonne mit allen ihren Planeten und Kometen! Dieß erregt unſer Entſetzen. Aber der bloß uns ſo groß erſcheinende Unfall kann keine Ausnahme von einem allgemeinen Naturgeſetze begründen. Er ſcheint uns nur groß, weil wir ſelbſt ſo klein ſind. Dort oben wird mit einem217Dauer des Weltſyſtems.Maaße gemeſſen, gegen welches unſere größten noch viel zu klein ſind, und unſer ganzes Planetenſyſtem, ſo ungeheuer es uns er - ſcheint, iſt doch nur ein unmerklicher Punkt des Ganzen.

Wenn daher dieſe, gegen das ganze Sonnenſyſtem ſo viel kleinere Erde, gleich den Früchten ihrer Fluren, auch allmählig ihrer Beſtimmung entgegen reift und altert, wenn ſie vielleicht von denſelben Kräften, die ſie erzeugt, und ſo lange erhalten haben, auch einmal wieder zerſtört werden ſollte wollen wir uns auflehnen gegen das ewige Geſetz der Natur? Sind wir denn nicht uns ſelbſt und alles das Unſrige, dieſe Erde ſelbſt nicht ausgenommen, den Elementen ſchuldig? Wenn dieſe nun wieder aufwachen und das ihrige zurückfordern; wenn Feuer und Waſſer und Winde, die unſere Erde bewohnbar und fruchtbar ge - macht haben, in ihrem Laufe fortſchreiten, und ſie auch wieder zu zerſtören beginnen; wenn dieſe Sonne, die uns ſo lange er - leuchtete und erwärmte, die alles Lebende ſo viele Jahrtauſende auferzog und an goldenen Seilen um ihr erfreuendes Antlitz lenkte, wenn ſie die alternde Kraft der Erde, die ſich nicht mehr zu er - halten vermag, nun endlich wieder herab zieht in ihren brennenden Schooß ja wenn ſie ſelbſt, die Königin unſerer Tage, wenn ſie ihre Zeit gelebt und ihre Beſtimmung erfüllt hat, wenn endlich ſie ſelbſt erliſcht und verſchwindet aus der Reihe der erſchaffenen Weſen ſo entſetzlich dieß auch uns ſcheinen mag was ge - ſchähe dann anders, als was nach dem ewigen Geſetze der Natur geſchehen muß?

Denn überall, wo wir in dem Weltraume Entſtehen, Wachs - thum und Zunahme bemerken, da muß auch Abnahme und Tod ſeyn, und wo immer im Wechſel der Dinge Fortgang iſt, da iſt auch Untergang, ſcheinbarer Untergang wenigſtens, Ab - wechslung von Geſtalten und Formen. Alles, was Körper, das heißt, was ſterblich iſt, eilt ſeiner Auflöſung entgegen, und kann von keiner Kraft davon zurück gehalten werden. Und wie auf den Gipfeln unſerer Berge, und in den Abgründen der Erde die Verſteinerungen und Ueberreſte der Pflanzen und Thiere einer längſt verſchwundenen Vorwelt zerſtreut liegen, ſo werden auch einſt die morſchen Trümmer des großen, himmliſchen Baues über uns, in dem Weltenraume zerſtreut werden. Dieſe Sonne, dieſe Sterne218Dauer des Weltſyſtems.werden erlöſchen, und von ihnen wird dort oben, wie von den Denk - mälern der Vorzeit hier unten auf unſerer Erde keine Spur mehr ſeyn. Auch dieſe Blumen des Himmels werden verblühen und abfallen, wie welke Blätter, mit denen die Winde ſpielen, und dieſelbe Welle, die ſie ſo lange getragen hat, wird ſie dereinſt auch her - abziehen in die Tiefe des Weltmeers, in den Abgrund der ewigen Nacht. Nur Einer, den kein Name nennt, Einer nur wird bleiben hoch über dem Ocean der Welten, der zu den Füßen ſeines Thrones rauſcht, und deſſen Wogen immer wechſelnd vor ihm auf und nieder ziehen, während Er allein unwandelbar und ewig bleibt.

[219]

Zweiter Abſchnitt. Beobachtende Aſtronomie oder Beſchreibung und Gebrauch der aſtronomiſchen Inſtrumente.

[220][221]

§. 1. (Ueber die Mittel und die unvermeidlichen Fehler der Beobachtungen.) Wir haben bisher das Vorzüglichſte von Dem - jenigen angezeigt, was uns die Aſtronomen von den Körpern des Himmels und von den Bewegungen derſelben kennen gelehrt haben, und unſere Leſer werden, wie wir glauben, oft genug Ge - legenheit gehabt haben, ſich über die Genauigkeit jener Angaben von Gegenſtänden zu verwundern, die ſo ungemein weit von uns entfernt ſind, daß ſie ſich unſeren Unterſuchungen beinahe ganz zu entziehen ſcheinen. In der That kennen wir von den meiſten Dingen, die uns in unſerer nächſten Nähe umgeben, ihren gegen - wärtigen Standpunkt und die Veränderungen, welche mit ihnen vorgegangen ſind und in der Folge noch vorgehen werden, viel weniger, als uns die Orte der himmliſchen Körper, und ihre Be - wegungen in der Vor - und Folgezeit bekannt geworden ſind. Die Aſtronomen pflegen die Orte der Geſtirne am Himmel mit der Genauigkeit von einer Sekunde anzugeben. Allein ein gewöhn - liches Menſchenhaar bedeckt mit ſeiner Dicke, wenn es in der Entfernung von dem Auge gehalten wird, wo es am reinſten und dunkelſten erſcheint, ſchon 15 bis 20 Sekunden am Himmel, ſo daß man alſo jene Orte der Geſtirne an der Sphäre des Himmels mit einer Schärfe angeben kann, welche die Dicke eines ſolchen Haares weit übertrifft. Eben ſo haben wir geſehen, daß man die Entfernung des Mondes und mehrerer Planeten von der Erde, ſo ſchwierig dieſelbe auch anfangs zu beſtimmen ſchien, im Ver - hältniſſe zu der Größe dieſer Entfernungen, genauer angeben kann, als man dieß bei den meiſten größeren Städten der Erde, ſelbſt unſeres Welttheiles, zu thun im Stande iſt (I. S. 154). Die Finſterniſſe der Sonne und des Mondes, die man mit derſelben222Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Leichtigkeit und Sicherheit für das nächſte Jahr, als für irgend ein anderes der nächſt vorhergegangenen oder der nächſtfolgenden Jahrhunderte berechnen kann, und die, wie jeder Kalender be - zeugt, auf das genaueſte zutreffen ſind nicht ſie allein ſchon ein hinreichender Beweis von der in der That bewunderungs - würdigen Schärfe, mit welcher die Aſtronomen die Bewegungen und alle die mannigfaltigen Veränderungen kennen müſſen, welche mit dieſen beiden Geſtirnen in der Folge der Zeiten vorgehen? Gränzt es nicht an das Unglaubliche, wenn uns die ferne Wie - derkunft von Kometen vorausgeſagt wird, die nur wenige Wochen in unſerer Nähe ſichtbar waren, und die dann, in ihren wei - ten Bahnen jenſeits unſeres Planetenſyſtems volle ſiebenzig und mehr Jahre unſeren Blicken unſichtbar, die fernſten Räume des Himmels durchwandern, bis ſie endlich wieder, nach ihren langen Reiſen, zu uns hernieder ſteigen, um ſich zum zweitenmale unſeren erſtaunten Augen zu zeigen? Und doch haben die Aſtro - nomen dieſe Wiederkehr der Kometen vorher zu ſagen gewagt, und mit Glück gewagt. Sie ſind, folgſam dem Rufe, an dem be - ſtimmten Tage zu uns herab gekommen, und ſie werden, ſo lange ſie denſelben Geſetzen gehorchen, auch in der Folge der Zeiten wieder kommen, und zwar auf derſelben Straße wieder kommen, welche ihnen die Aſtronomen durch ihre Berechnungen vorzeich - nen. Und was ſoll man endlich von denjenigen nicht minder gewiſſen Vorherbeſtimmungen ſagen, mit welchen uns die Geſtalt und die gegenſeitige Lage der Planetenbahnen, eine Folge ihrer Störungen unter einander, verkündet wird, Veränderungen, die zu einer Zeit ſtatt gehabt haben, die dem Anfange unſerer Men - ſchengeſchichte weit vorhergeht, oder die, erſt nach neuen Jahr - tauſenden, unſere ſpäten Enkel ſehen, und durch eigene Anſchauung beſtätiget finden werden?

Aber wie iſt man zu allen dieſen Kenntniſſen gekommen? Wie iſt es dem menſchlichen Geiſte möglich geworden, ſich bis zu dieſer Höhe zu erheben, und in dieſer Wiſſenſchaft, der ſchwer - ſten unter allen, eine Genauigkeit zu erreichen, die ihm, in beinahe allen andern, für immer verſagt zu ſeyn ſcheint? Welches ſind die Mittel, deren er ſich bediente? Welches ſind die In - ſtrumente, und welcher Art iſt ihr Gebrauch, um damit223Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dieſen Zweck, dieſe in allen andern Wiſſenſchaften unübertroffene Schärfe in ihren Beobachtungen zu erreichen? Denn auf Beob - achtungen muß am Ende alles beruhen, und von ihnen alles ausgehen, was uns zur Kenntniß der Dinge außer uns, was uns zur Kenntniß der Natur führen ſoll.

Es wird nicht unintereſſant, ja es wird nothwendig ſeyn, dieſe Inſtrumente und die Art ihres Gebrauches kennen zu lernen, weil es nur dadurch möglich wird, die Wahrheit der Theorien, welche auf den mit dieſen Inſtrumenten gemachten Beobachtungen erbaut wurden, zu erkennen, und den Grad der Verläßlich - keit zu beurtheilen, der ihnen zukömmt. In der That iſt wohl jede unſerer Beobachtungen, welcher Art ſie auch ſeyn mag, wie überhaupt jedes Menſchenwerk, Fehlern unterworfen; dieſe Fehler mögen ihre Quelle in der Beſchränktheit unſeres Geiſtes oder unſerer Aufmerkſamkeit, in der Unvollkommenheit unſerer eigenen Sinne oder auch derjenigen Werkzeuge haben, deren wir uns bei dieſen Beobachtungen bedienen. Was uns, bei dieſer Lage der Dinge, übrig bleibt, iſt nur, zuzuſehen, daß dieſe, an ſich unver - meidlichen Fehler ſo klein werden, als es unter dieſen Umſtänden eben ſeyn kann, und daß wir uns von dem größtmöglichen Fehler, den wir bei jeder beſtimmten Beobachtung und unter jeden gege - benen Verhältniſſen noch begehen können, eine deutliche Rechen - ſchaft zu geben wiſſen. Denn nur dann ſind wir mit Beſtimmt - heit anzugeben im Stande, ob eine aus unſeren Beobachtungen abgeleitete Hypotheſe oder eine darauf erbaute Theorie mit den Erſcheinungen der Natur, welche wir dadurch darſtellen oder er - klären wollen, ſo weit übereinſtimmt, daß wir ſie als ein wahres Geſetz der Natur betrachten dürfen.

Wir werden uns daher in dem Folgenden mit der Beſchrei - bung der vorzüglichſten aſtronomiſchen Inſtrumente, und mit der Art, ſie zu gebrauchen, beſchäftigen, um dadurch die Leſer in den Stand zu ſetzen, die Mittel, welche man bei jenen Beobachtungen anwendet, näher kennen zu lernen, und ſich von der hohen Ge - nauigkeit, welche man dabei erreichen kann, gleichſam durch eigene Anſicht zu überzeugen.

§. 2. (Schwierigkeit der Verfertigung genauer Inſtrumente.) Unter allen unſern mechaniſchen Künſtlern haben es die Verfertiger224Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.der aſtronomiſchen Inſtrumente wohl am weiteſten gebracht, und die Genauigkeit, mit welcher in unſeren Tagen dieſe Inſtrumente gearbeitet werden, kömmt der zum Sprüchworte gewordenen geo - metriſchen Schärfe am nächſten. Wer mit dem Zwecke, um den es ſich hier handelt, nicht näher bekannt iſt, mag es wohl für etwas ſehr Leichtes halten, auf der Drehbank ein Stück Metall kreisförmig abzudrehen, und die Peripherie deſſelben in 360 gleiche und jeden dieſer Intervalle wieder in eine Anzahl kleinerer, unter ſich ebenfalls gleicher Intervalle einzutheilen, dann das Ganze in ſeinem Mittelpunkte aufzuſtellen, und in irgend einer geforderten Lage zu befeſtigen. Allein die praktiſche Ausführung dieſer Auf - gaben gehört zu den ſchwierigſten der geſammten Mechanik, wie ſich ſchon daraus ſchließen läßt, daß man, aller Bemühungen und ſelbſt aller von Monarchen darauf verwendeten Koſten ungeachtet, doch erſt in der zweiten Hälfte des vergangenen achtzehnten Jahr - hunderts dahin gekommen iſt, ſich dieſer Auflöſung ſo weit zu nähern, als es das Bedürfniß der Wiſſenſchaft in dieſer Zeit er - forderte. Die Alten, ſowohl die Griechen in der alexandriniſchen Schule, als auch die Araber, ſo viel Fleiß und Mühe ſie auch auf ihre oft ſehr großen und koſtbaren Inſtrumente verwendet hatten, konnten doch Fehler von fünf und oft ſelbſt von zehn Minuten in ihren Beobachtungen nicht vermeiden, und ſie mußten mit dieſen Fehlern zufrieden ſeyn, da ſie, mit unbewaffneten Augen, am Himmel eben nicht mehr oder nicht genauer ſehen konnten, als an ihren Inſtrumenten. Was würde es ihnen ge - nützt haben, an den letzten ſelbſt die einzelnen Sekunden noch mit Genauigkeit zu leſen, während ſie am Himmel Winkel von mehreren Minuten nicht mehr unterſcheiden konnten.

Allein dieß änderte ſich, ſobald das Fernrohr und das mit ihm ſo nahe verwandte Mikroſcop erfunden war, und ſobald man auf die glückliche Idee gerieth, dieſe beiden wunderbaren optiſchen Werkzeuge mit den aſtronomiſchen Inſtrumenten in eine unmittelbare Verbindung zu bringen. Dieſe Erfindung, vielleicht die ſchönſte und nützlichſte, deren der menſchliche Geiſt ſich rühmen kann, erweiterte unſere Kenntniß der ſichtbaren Welt, zu beiden Gränzen derſelben, beinahe in’s Unendliche, und brachte Gegen - ſtände, die uns zuvor durch ihre zu große Entfernung, oder durch225Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ihre Kleinheit für immer unſichtbar geblieben wären, in den Be - reich unſerer Sinne, und dadurch in den Kreis unſerer Beobach - tungen. Beſonders aber war es in der Aſtronomie, daß dieſe Erfindung eine für alle Zeiten merkwürdige Epoche conſtituirte. Fortan konnte man an dem geſtirnten Himmel, durch Hülfe des Fernrohrs, die den Alten ganz unmerkbaren Winkel von einer, oder doch von einigen wenigen Sekunden deutlich unterſcheiden, während man zugleich, durch das Mikroſcop, auf der Oberfläche der aſtronomiſchen Inſtrumente dieſelben kleinen Winkel klar zu erkennen vermochte. Jetzt drängte ſich daher auch das Bedürfniß auf, dieſe Inſtrumente ſo einzurichten, ſie ſo genau einzutheilen, daß man auf ihnen dieſe kleinen, früher ganz unkennbaren Winkel auch mit Sicherheit zu meſſen im Stande ſeyn könnte. Jeder Fehler in dieſer Eintheilung, jede Unvollkommenheit in der Aus - arbeitung dieſer Inſtrumente, auch jene kleinen, welche unſere Vorgänger mit Recht übergehen konnten, und ſogar, da ſie die - ſelben nicht weiter bemerken konnten, übergehen mußten, wurden jetzt fühlbar und wirkten ſtörend auf die Beobachtungen ein. Die geringſte Unſicherheit der Hand des Künſtlers, der dieſe Inſtru - mente verfertigen ſollte, jede noch ſo kleine Unvollkommenheit ſeiner Werkzeuge, deren er ſich zur Verfertigung jener Inſtrumente bediente, konnte die letzten ſchon unbrauchbar machen, da ſie mit jener Genauigkeit, welche uns, bei dem vorgerückten Zuſtande der Wiſſenſchaft, das Fernrohr an dem geſtirnten Himmel ge - währte, nicht mehr gleichen Schritt halten konnte. Dazu kamen noch die ungleiche Ausdehnung jener metalliſchen Maſſen durch Veränderungen der Temperatur, die unvermeidliche Biegung der einzelnen Theile dieſer Inſtrumente durch ihr eigenes Gewicht und mehrere andere Rückſichten und Fehlerquellen, die jetzt den prak - tiſchen Aſtronomen plagen, und von denen ihre Vorgänger nicht einmal eine Ahnung hatten.

Es wird der Mühe werth ſeyn, die erſte dieſer Fehlerquel - len, die Eintheilung der aſtronomiſchen Kreiſe etwas näher zu betrachten. Wenn die Peripherie eines Kreiſes in einzelne Sekunden getheilt werden ſollte, ſo müßte ſie 1296000 feine Striche oder Punkte erhalten, deren Abſtände unter einander alle gleich groß ſind. In jedem Kreiſe beträgt aber eine Sekunde derLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 15226Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Peripherie deſſelben nur 0,000004848 ſeines Halbmeſſers, oder jeder Abſtand zwiſchen zwei nächſten jener Punkte iſt nur der 206200ſte Theil ſeines Halbmeſſers. Bei einem Kreiſe von drei Fuß (432 Linien) im Durchmeſſer, und größere hat Reichenbach, der größte deutſche Mechaniker, aus guten Gründen nie verfertiget, nimmt eine Minute der Peripherie nur mehr in ihre Länge 0,063 oder nahe 1 / 16 einer Linie ein, alſo eine Größe, die man mit freien Augen nicht mehr gut unterſcheiden, und die man ohne Mikroſcop nicht mehr mit Sicherheit auftragen kann. Aber ein Fehler von einer ganzen Minute iſt ſchon ſo groß, daß er, bei dem gegenwärtigen Zuſtande der praktiſchen Aſtronomie durchaus nicht mehr zugelaſſen werden darf. Mit den beſſeren, jetzt ge - bräuchlichen Inſtrumenten pflegt man die einzelne Sekunde noch anzugeben. Bei einem Kreiſe von drei Fuß im Durchmeſſer be - trägt aber eine Sekunde nur 0,00105 Linie, alſo nahe nur den tauſendſten Theil einer Linie. Eine ſo geringe Größe kann man aber nur mit ſehr ſtarken Mikroſcopen unſern Augen ſichtbar machen. Welche Aufgabe iſt es daher, auf der Peripherie eines ſolchen Kreiſes dreihundert und ſechszig feine Striche oder Punkte ſo anzubringen, daß keiner von ihnen um den tauſendſten Theil einer Linie verſetzt, oder außer dem genau für ihn beſtimmten Orte ſteht, nichts zu ſagen von den 3600 anderen Strichen, die zwiſchen je zweien der erſten in den Diſtanzen von dem tauſendſten Theile einer Linie eingeſchaltet werden ſollen, um dadurch die einzelnen Sekunden des Kreiſes anzuzeigen. Ein ſolches Kunſt - werk, das den hier aufgeſtellten Forderungen genau entſpricht, iſt wohl noch nie aus der Hand eines Menſchen hervorgegangen, und wird auch in aller Folgezeit für ſo gut, als ganz unmöglich gehalten werden können. Auch würde ein ſolches Inſtrument, wenn es durch irgend einen glücklichen Zufall einmal entſtünde, ſeiner Natur nach auf keine Dauer Anſpruch machen, und ſchon in den nächſten Augenblicken nicht mehr ſeyn, was es, im Zu - ſtande ſeiner größten Vollkommenheit, geweſen iſt. Die immer wechſelnden Aenderungen der Temperatur der Luft, welche dieſe Inſtrumente umgeben, werden in der Lage und Geſtalt ſeiner Theile nicht bloß vorübergehende, und ſich wieder herſtellende, ſondern ſelbſt conſtante und bleibende Verziehungen derjenigen227Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Metalle hervorbringen, aus welchen allein dieſe Inſtrumente ver - fertiget werden können. Auch wird, wie bereits erwähnt, das eigene Gewicht dieſer Theile Biegungen und Krümmungen erzeu - gen, die weder durch den ſymmetriſchen Bau des Inſtruments, noch durch Gegengewichte vermieden werden können, ſo ſorgfältig auch jener ausgeführt, ſo ſinnreich auch dieſe angebracht ſeyn mögen. Ja ſelbſt wenn es möglich wäre, auch dieſe Uebel zu vermeiden oder durch Vorſicht zu umgehen und unſchädlich zu machen, welche Mittel haben wir, dieſe Kreiſe an ihrer Säule zu befeſtigen, oder um ihre Axe zu bewegen, ohne Anwendung einer äußeren Kraft, d. h. ohne die einzelnen Theile des Inſtrumen - tes, wenn auch noch ſo vorſichtig, doch immer mit einer gewiſſen Kraft zu preſſen und zu ziehen, wodurch die Geſtalt und Lage derſelben nicht anders, als verändert werden kann? *)Die nähere Bekanntſchaft mit den neueren aſtronomiſchen In - ſtrumenten hat uns gelehrt, daß man die Ideen, die man von der Feſtigkeit und Stabilität der uns umgebenden Körper aus dem gemeinen Leben mitgebracht hat, als ungegründete und falſche Anſichten, als wahre Vorurtheile ganz aufgeben muß. Die maſſive metallene Säule FB, Fig. 20, des Multiplications - kreiſes z. B., die in ihrer Größe und Maſſe einer kleinen Ka - none zu vergleichen iſt, ſoll, zum gehörigen Gebrauche des In - ſtruments, vollkommen ſenkrecht auf dem Horizonte ſtehen. Die Waſſerwage gibt uns, wie wir ſpäter ſehen werden, die Mittel, dieſe Verticalität zu unterſuchen, und die Fußſchrauben K, K ', K' 'des Inſtruments geben die Mittel, die Fehler dieſer Verticalität wegzubringen. Wenn nun, durch wiederholte Verſuche, dieſe Fehler ſchon ſehr klein gemacht ſind, und man bloß den letzten Reſt derſelben wegzuſchaffen ſucht, ſo kann man dieß, nach Rei - chenbach’s Rathe, nicht mehr mit jenen Fußſchrauben, deren Windungen zu dieſem Zwecke nicht mehr fein genug ſind, ſon - dern man wird dieſe Abſicht viel beſſer dadurch erreichen, daß man die Säule an ihrem obern Ende bei B mit der Spitze des Fingers[ſanft] von der Stelle weg drückt, wohin ſie noch eine kleine Neigung gegen den Horizont hat, wo ſie dann in der neuen, durch den Druck der Hand erzeugten, verticalen Lage verbleibt, ſo daß alſo dieſe ſolide Metallſäule von mehreren Zollen im Durchmeſſer nicht mehr als ein rigider, unbiegſamer Körper, ſondern nur als eine feine Stange von weichem, bieg - ſamem Wachſe anzuſehen iſt, der man, durch einen ſanften Druck der Fingerſpitze, jede beliebige Lage geben kann. Demun -15 *228Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.geachtet haben unſere Künſtler, in Verbindung mit den Aſtrono - men, für welche ſie arbeiten, Mittel gefunden, die einzelnen Se -*)Mit Hülfe des bekannten Fühlhebels kann man die Bie - gungen, welche durch äußere Kräfte hervorgebracht werden, an denjenigen Körpern noch deutlich leſen, die man ſonſt für ganz unbiegſam gehalten hat. Wenn man zum Beiſpiel eine Kanone an ihren beiden Enden auf Stützen legt, ſo krümmt ſich, wie der Fühlhebel zeigt, der nicht unterſtützte, mittlere Theil der Kanone durch die Wirkung der Schwere, gleich einem dünnen, biegſamen Stabe zur Erde. Wird aber die Kanone bloß in ihrer Mitte auf eine einzige Stütze gelegt, ſo ſieht man dafür die beiden Enden derſelben, gleich einem in der Mitte gehaltenen Fiſchbeine, ſich abwärts biegen. Man könnte dieß der größern Maſſe oder dem bedeutenden Gewichte der Kanone zuſchreiben. Aber dieſelbe Erſcheinung wiederholt ſich auch bei den leichteſten Körpern, mit welchen wir noch Ver - ſuche dieſer Art anſtellen können. Die horizontalen Fäden, welche man in dem Brennpunkte der aſtronomiſchen Fernröhre ausgeſpannt findet, gehören zu den feinſten, welche die Natur oder auch die Kunſt hervorbringen kann. Man pflegt ſie häufig von dem feinen Geſpinnſte zu nehmen, welches im Herbſte unſere Gärten und Wieſen überzieht, und das unter der Benennung des fliegenden Sommers bekannt iſt. Dieſe Fäden, welche von einer eigenen Gattung ſehr kleiner Spinnen geſponnen werden, ſind ſo fein, daß man ſie mit freien Augen nur mehr an ihrer Spiegelung erkennt, wenn ſie gegen die Sonne gehalten werden. Obſchon daher ihr Gewicht ohne Zweifel ganz ungemein klein iſt, ſo ſieht man doch durch die ſtarke Vergrößerung des Fern - rohrs, daß ſie, wenn ſie an ihren beiden Enden in dem Fern - rohre befeſtigt, und auf das beſte horizontal geſpannt werden, in ihrer Mitte ſich krümmen, und daher keine gerade, ſondern eine krumme, gegen den Horizont convexe Linie bilden, nicht anders, als ein dickes Seil oder eine ſchwere Kette von beträchtlicher Länge, die auch bekanntlich keine Kraft an ihren Enden ſo ſtark ſpannen kann, daß ſie eine vollkommen gerade Linie bildet. Ein anderes Mittel, die Veränderlichkeit der Körper, die man gewöhnlich für unveränderlich hält, zu unter - ſuchen, geben unſere äußerſt empfindlichen Waſſerwagen. Legt man eine ſolche Wage auf die Fenſterbrüſtung eines Hauſes, ſelbſt im erſten Stockwerke, ſelbſt von dem ſolideſten Mauerwerke, und drückt man dann mit der Hand ſtark gegen die Wand des Fenſters, ſo ſieht man augenblicklich die Lage der Blaſe ſich verändern, und wenn der Druck nachläßt, ſich wieder herſtellen, zum Zeichen, daß auch unſere ſtärkſte Mauer, wie jene Säule an dem Multiplicationskreiſe, gleich einer weichen Wachstafel,229Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.kunden auf ihren Inſtrumenten mit Sicherheit anzugeben, und erſt ſeit einigen Decennien hat unſere Inſtrumental-Aſtronomie, vorzüglich durch engliſche und deutſche Künſtler, Fortſchritte ge - macht, an deren Möglichkeit man vor Kurzem noch zweifeln mußte. Nicht bloß die großen Inſtrumente dieſer Art, die ſoge - nannten Meiſterſtücke, ſondern auch die kleineren, die ſich jeder mit geringen Koſten anſchaffen kann, ſind mit einer Präciſion, mit einer Vollendung gearbeitet, die wohl nur wenig mehr zu wünſchen übrig laſſen kann. Nur wenig aber nicht nichts! Denn am Ende iſt doch alles, was Menſchenhände machen kön - nen, nur Menſchenwerk, und ſo vortrefflich es uns auch erſcheinen mag, noch immer unvollkommen. Auch werden wohl die Forde - rungen des Aſtronomen an den Künſtler, die Leiſtungen des letz - teren immer hinter ſich zurücklaſſen, und es wird daher auch immer der erſte bemüht ſeyn müſſen, durch Geſchicklichkeit in der Anwendung dieſer Inſtrumente, durch Umſicht und Scharfſinn in dem Gebrauche derſelben, ſich von den noch übrig bleibenden Un - vollkommenheiten der Werkzeuge, die ihm der Künſtler in die Hände liefert, ſo viel als möglich unabhängig zu machen. Der Aſtronom wird daher darauf bedacht ſeyn müſſen, die Umſtände und Verhältniſſe ſeiner Beobachtungen ſo zu wählen, die Fehler ſeines Inſtruments kennen zu lernen, um ſie entweder zu umgehen oder durch Nachhülfe der Rechnung unſchädlich zu machen, ſeine Operationen mit dieſen Inſtrumenten ſo zu combiniren, und die damit erhaltenen Reſultate ſo zu behandeln, daß er daraus, ſo ſehr es nur von ihm ſelbſt abhängen kann, alles Unvollkommene entfernt, und ſich dadurch der geſuchten Wahrheit ſo weit nähert, als es überhaupt den Menſchen erlaubt iſt, dieſes nur für höhere Weſen, wie es ſcheint, beſtimmte Gut zu erreichen.

In dieſen wenigen Zügen iſt das eigentliche Geſchäft des praktiſchen Aſtronomen gezeichnet, ein ſchwieriges, mühevolles,*)jedem Drucke nachgibt, wie denn überhaupt jede auf einen Kör - per ausgeübte Kraft auch eine Wirkung auf denſelben hervor - bringen muß, obſchon dieſe Wirkung in vielen Fällen ſo klein ſeyn wird, daß wir ſie, mit unſeren Sinnen, nicht mehr be - merken können.230Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.aber auch durch den erhabenen Gegenſtand, auf den es gerichtet iſt, und durch die Genüſſe, die ein glücklicher Erfolg deſſelben gewährt, ein edles und in hohem Grade beglückendes Geſchäft, um welches ihn der größte Theil der übrigen Menſchen beneiden würde, wenn ſie die Annehmlichkeiten deſſelben näher kennen möchten.

Wir wollen nun dieſe Inſtrumente und die Art, ſie anzuwen - den, ſo weit dieſes mit dem Zwecke der gegenwärtigen Schrift vereinbar iſt, näher betrachten.

§. 3. (Inſtrumente der Alten: Gnomon.) Das älteſte und zugleich einfachſte Inſtrument, welches wir kennen, iſt der Gno - mon, von dem wir bereits früher (I. S. 209) geſprochen haben. Er beſteht in einer auf den Horizont vertical ſtehenden Säule, und iſt vorzüglich zu Sonnenbeobachtungen beſtimmt. Indem man nämlich die Länge des Schattens mißt, welche dieſe von der Sonne beſchienene Säule auf den horizontalen Boden wirft, auf welchem ſie ſteht, kann man daraus und aus der bekannten Länge der Säule ſelbſt die Höhe der Sonne finden, wie an dem erwähnten Orte gezeigt worden iſt. Wenn man nämlich die Länge der Säule durch die des Schattens dividirt, ſo erhält man die Tangente der Höhe der Sonne.

Die Alten beobachteten die Sonne am Gnomon vorzüglich zur Zeit der beiden Solſtitien (I. S. 103) oder im Anfange des Sommers und des Winters, wo die Sonne im Mittage am höchſten oder am tiefſten ſteht, um daraus die wahre Größe der Schiefe der Ecliptik (I. S. 107) abzuleiten. Wir haben bereits an dem angeführten Orte die älteſte Beobachtung an den Gnomon, und überhaupt die älteſte aller aſtronomiſchen Beobachtungen, die auf uns gekommen iſt, angeführt, die in dem Jahre 1100 vor Chr. G. in China gemacht, und uns von dem Jeſuiten Gaubil mitgetheilt worden iſt. Verbinden wir damit noch eine andere, die ebenfalls durch ihr hohes Alterthum ausgezeichnet iſt. Der Grieche Pytheas, der durch ſeine aſtronomiſchen Kenntniſſe, und durch ſeine zur Verbeſſerung der Geographie unternommenen großen Reiſen bei den Alten in hohem Anſehen ſtand, beobachtete in Marſeille im231Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Jahre 320 vor Chr. G. (drei Jahre vor dem Tode Alexanders des Großen) zur Zeit des Sommerſolſtitiums die Sonne an einem Gnomon, deſſen Höhe 120 und deſſen mittägige Schattenlänge 41⅘ Fuß betrug. Daraus folgt die Höhe der Sonne gleich 70° 48′ oder genauer 70° 32′, da man den Schatten des Gno - mons, wegen dem Halbmeſſer der Sonne, der 26′ beträgt, zu kurz beobachtet hat. Nimmt man davon die ſchon aus anderen Beob - achtungen (I. S. 105) bekannte Aequatorhöhe von Marſeille, die gleich 46° 42′ iſt, weg, ſo erhält man für die geſuchte Schiefe der Ecliptik zur Zeit des Pytheas 23° 50′, während ſie in unſern Tagen 23° 28′ beträgt, ſo daß ſie alſo ſeit 2150 Jahren um 22 Minuten abgenommen hat, übereinſtimmend mit dem was früher (I. S. 112) von dieſer Abnahme geſagt worden iſt.

Statt bloß das Ende des Schattens zu beobachten, der wegen der ihn umgebenden Halbſchatten immer ſchlecht begränzt iſt, wird man beſſer an der höchſten Spitze des Gnomons eine auf die Mittagslinie (I. S. 29) ſenkrechte Metallplatte mit einer kleinen runden Oeffnung anbringen, und dann, ſtatt jenen Schatten, die Entfernung des Fußpunktes des Gnomons von dem durch dieſe Oeffnung auf dem Boden projicirten Bilde der Sonne meſſen. Die alexandriniſchen Griechen, unter ihnen beſonders Eratoſthenes, ſo wie auch früher ſchon die Aegyptier und Chineſer bedienten ſich häufig dieſes einfachen Inſtruments, zu welchem ſie gleichſam ſchon von der Natur ſelbſt angewieſen wurden, wenn ſie die ab - wechſelnde Schattenlänge der Berge, Bäume oder Thürme be - merkten.

Unter der Regierung des Kaiſer Auguſtus wurde der große Obelisk, von 117 röm. Fuß Länge, den Seſoſtris im Jahr 967 vor Chr. G. in Aegypten errichten ließ, nach Rom gebracht, und daſelbſt, unter der Anleitung des Manlius, auf dem Marsfelde aufgeſtellt, um daran, wie Plinius H. N. Lib. 36 ſagt, die Be - wegungen der Sonne zu beobachten, ſo daß er alſo mehr als eine Art von Sonnenuhr gebraucht wurde, um daran wenigſtens den Augenblick des wahren Mittags zu erkennen. Coſchuking errichtete i. J. 1278 einen Gnomon von 40 Fuß in Peking und Ulug Beigh i. J. 1430 einen andern in Samarkand von 165 Fuß.

232Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

In den letzten Jahrhunderten unſerer Zeitrechnung haben ſich beſonders die Italiener bemüht Gnomone von bedeutender Größe zu errichten. Sie bedienten ſich dazu ihrer hohen Kirchen, deren Wände ſie an ihren höchſten Theilen durchbohrten, wo ſie dann durch dieſe Oeffnung das Bild der Sonne auf den gegenüberlie - genden Fußboden der Kirche fallen ließen. Einen ſolchen Gno - mon errichtete Paul Toſcanelli im Jahre 1467 in der berühmten Kuppel der Kathedrale zu Florenz. Die erwähnte Oeffnung war in der Höhe von 277 Fuß über dem Fußboden der Kirche ange - bracht. Dieß iſt der größte aller bisher bekannten Gnomone. Einen anderen von 51 Fuß errichtete Gaſſendi i. J. 1636 in der Kirche des Oratoriums zu Marſeille; Ignatio Danti einen andern von 67 Fuß in der Kirche des heil. Petronius zu Bologna, der ſpäter von Caſſini wiederhergeſtellt wurde; Bianchini erbaute in der Karthäuſerkirche zu Rom (den ehemaligen Bädern des Diocletians) zwei ſehr ſchöne Gnomone von 62 und 75 Fuß; Sully und le Monnier errichteten einen Gnomon von 80 Fuß in der Kirche des heil. Sulpitius zu Paris, an welchem der letzte viele Jahre durch die Solſtitialhöhe der Sonne beobachtete, und auf einer gegenüberſtehenden Marmorplatte eingrub. Einer der Letzten endlich wurde von den Aſtronomen Ceſaris und Reggio in der Kathedrale zu Mailand i. J. 1786 errichtet. Auf den ältern Sternwarten findet man ſie noch oft genug, aber in den neueren Zeiten hat man ſie größtentheils verlaſſen und mit Recht, da ſie lange nicht die Genauigkeit gewähren, welche man mit unſern andern Inſtrumenten erreichen kann. Die Urſache davon liegt größtentheils in der Unſicherheit der Meſſung der wahren Schat - tenlänge, und in der Veränderlichkeit der Lage hoher Gebäude. Wir haben ſchon, in der vorhergehenden Note, Gelegenheit ge - habt, von der Leichtigkeit zu ſprechen, mit welcher auch die ſtärk - ſten Mauern jedem Drucke nachgeben. Aber die Wirkung der Sonne, wenn ſie dieſe Mauern beſcheint, und die Folgen des Froſtes und des Wiederaufthauens dieſer Mauern ſowohl, als auch des Bodens, auf dem ſie ſtehen, iſt noch viel bedeutender. Schon Bouguer hat darüber eigene Beobachtungen angeſtellt. Er hatte in der durchbrochenen Wand des Doms der Invaliden zu Paris ein Fernrohr eingemauert, um ihm zu beſonderen Un -233Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.terſuchungen eine, wie er glaubte, fixe und unveränderliche Stel - lung zu geben. Allein er bemerkte bald, daß die Lage dieſes Fernrohrs ſich änderte, wenn das Gebäude von der einen oder der andern Seite von der Sonne beſchienen war. Durch einge - mauerte Libellen, die nie von dem Sonnenlichte unmittelbar ge - troffen werden konnten, beobachteten die Mailänder Aſtronomen an dem ſehr ſoliden Gebäude ihrer Sternwarte regelmäßige, tägliche Schwankungen, die ſich nach dem Stande der Sonne gegen das Gebäude richteten. Die Sternwarte Piazzi’s in Pa - lermo, ein Thurm eines ehemaligen arabiſchen Emirs, iſt äußerſt ſolid, und die Dicke der Wände derſelben beträgt gegen ſechs Fuß. Auf dieſer Sternwarte beobachtete Piazzi durch mehrere Jahre den Polarſtern, in der Hoffnung, in der Bewegung deſſelben eine jährliche Parallaxe (I. S. 159) dieſes Sterns zu entdecken. Er fand auch in der That ſolche Veränderungen der Lage derſel - ben, die mit den Jahreszeiten periodiſch wiederkehrten, und ſich mit einer parallactiſchen Bewegung des Sterns nahe genug in Uebereinſtimmung bringen ließen. Allein da alle andern Beob - achter nichts Aehnliches an dem Polarſtern finden konnten, ſo konnte man nicht umhin, an der Richtigkeit der Vorausſetzung Piazzi’s zu zweifeln, bis endlich er ſelbſt auf die Erklärung ver - fiel, daß nicht der Stern, ſondern ſeine Sternwarte, ihrer Soli - dität ungeachtet, ſolchen periodiſchen, von der Jahreszeit abhän - gigen Schwankungen unterworfen ſey, eine Idee, die ſich bald darauf vollkommen beſtätiget fand, und die wahrſcheinlich auch andere Aſtronomen, die höhere gebaute Sternwarten bewohnen, für richtig erkennen würden, wenn ſie darauf mehr aufmerkſam wären.

§. 4. (Inſtrumente der Alten: Triquetrum, Aſtrolabium, Ar - millen.) Die Griechen der alexandriniſchen Schule bedienten ſich zum Höhenmeſſen der Geſtirne eines Inſtrumentes, das aus drei Linialen zuſammen geſetzt war, und das ſie deßhalb Triquetrum nannten. Es iſt in Fig. 7 ſo abgebildet, wie es Ptolemäus in ſeinem Almageſt (Lib. V. 12) beſchreibt. Es beſteht aus einer verticalen Säule AB, an welcher ſich zwei Regeln BC und AC in Gewinden auf und ab bewegen. Die Regel BC trägt zwei auf ſie ſenkrecht geſtellte Abſehen m und n, deren jede mit einer234Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.kleinen Oeffnung verſehen iſt. Man erhebt die Regel BC ſo lange, bis das Auge hinter m das Geſtirn durch die beiden Oeff - nungen der Abſehen erblickt, in welcher Lage der BC dann die dritte Regel AC ſo auf BC gelegt wird, daß die Diſtanzen BA und BC einander gleich ſind. Zu dieſem Zwecke theilte man die Linie BA ſowohl, als auch die ihr gleiche BC in 60 gleiche Theile, und trug dann dieſelben Theile, nur in einer größeren Anzahl, auf die dritte Regel von A nach D auf. Dieſem gemäß erhielt man in jeder Beobachtung, durch die erwähnte Stellung der drei Regeln, ein gleichſchenkliges Dreieck ABC, in welcher die beiden gleichen Seiten BA, BC die Halbmeſſer eines Kreiſes, deſſen Mittelpunkt B, und in welchem die dritte Seite AC die Sehne des ihr gegenüberſtehenden Winkels ABC vorſtellte. Die Größe dieſer Sehne erhielt man für jede Stellung der Regeln durch eine einfache Zählung der auf der Regel AD aufgetragenen Theile von A bis C und aus dieſer Sehne AC fand man den ihr entſprechenden Winkel ABC durch eine zu dieſem Zwecke eigens be - rechnete Tafel, welche in einem Kreis des Halbmeſſers 60 für jeden Winkel die zu ihm gehörende Sehne gab, ganz eben ſo, wie man jetzt aus unſern Sinustafeln für jeden Winkel den ihm entſpre - chenden Sinus findet, wie denn auch in der That der Sinus eines Winkels nichts anders als die Sehne eines doppelt ſo großen Winkels iſt. Der hier gefundene Winkel ABC iſt aber, wie man leicht ſieht, nichts anderes, als eben die geſuchte Zenithdiſtanz der Sonne. Hat man z. B. in irgend einer Beobachtung die Länge der Sehne AC gleich 40 ſolcher Theile gefunden, von denen jeder der beiden Halbmeſſer 60 hatte, ſo war die Zenithdiſtanz ABC der Sonne gleich 38° 56′ 33″ und daher ihre Höhe gleich 51° 3′ 27″.

Zur Verſicherung der Verticalität der Säule AB diente ein ſogenanntes Loth pq oder ein an einem Faden in p aufgehängtes Gewicht, der von ſelbſt eine verticale Lage annahm, und mit dem daher die Säule AB parallel geſtellt werden mußte.

Man ſieht, daß ein Inſtrument dieſer Art, ſelbſt wenn es mit aller Sorgfalt der neueren Mechanik conſtruirt würde, keine große Genauigkeit in den Beobachtungen gewähren könnte. Auch bedienten ſich deſſelben die den Griechen folgenden Araber nur235Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.im Anfange ihrer aſtronomiſchen Arbeiten, und erſetzten es bald durch den bereits oben (I. S. 104) erwähnten Quadranten, deſſen Einrichtung aus der dort gegebenen Beſchreibung hinlänglich klar ſeyn wird, ſo daß wir ihn hier um ſo mehr übergehen können, da er nun auch ſchon außer Gebrauch iſt, etwa den ſogenannten Mauerquadranten ausgenommen, von welchem wir ſpäter ſprechen werden. Wir bemerken hier nur noch, daß der größte Quadrant, deſſen man ſich je zu den aſtronomiſchen Beobachtungen be - diente, der des Ulug Beigh geweſen iſt. Dieſer berühmte Aſtronom war gegen das Jahr 1430 Beherrſcher der Länder an dem Fluſſe Oxus (des heutigen Amu in der großen Bucharei und in Khowaresm) ſoll in ſeiner Hauptſtadt Samarkand einen Quadranten von einer ſolchen Größe errichtet haben, daß der Halbmeſſer derſelben, nach der Erzählung der türkiſchen Geſchichtſchreiber, der Höhe des Gipfels der Kuppel der Sophien - kirche in Konſtantinopel gleich, d. h. daß er 180 römiſche Fuß groß geweſen iſt. Allein es iſt wahrſcheinlich, daß dieſe Erzählung auf einem Mißverſtändniſſe beruht, und daß dieſes Inſtrument kein Quadrant, ſondern nur ein Gnomon geweſen iſt.

Das Aſtrolabium oder der aſtronomiſche Ring beſteht in einem in einzelne Grade eingetheilten Ring ABCD (Fig. 8), um deſſen Mittelpunkt E ſich eine Alhidade (Linial) SS, bewegt, das mit zwei darauf ſenkrecht ſtehenden durchlöcherten Abſehen m und n verſehen iſt. Bei der Beobachtung wird es an dem kleinen Ringe A aufgehängt, wo dann der Halbmeſſer BD hori - zontal ſtehen ſoll. Wird in dieſer Lage des Inſtruments die Alhidade SS 'ſo geſtellt, daß das Auge bei S' durch die beiden Oeffnungen der Abſehen das Geſtirn z. B. die Sonne erblickt, ſo gibt der Winkel S'ED der Alhidade mit dem Halbmeſſer BD oder auch der jenem gleiche Winkel SEB die geſuchte Höhe der Sonne an. Man ſieht, wie vielen Unvollkommenheiten ein In - ſtrument dieſer Art unterworfen iſt, auch wurde es nicht lange gebraucht, und bloß in der Marine, wo man gewöhnlich mit einer geringern Genauigkeit zufrieden iſt, erhielt ſich daſſelbe bis in das vorige Jahrhundert. Jetzt iſt es, auch unter den Schiffern, durch den viel genaueren Sextanten ſchon längſt verdrängt. Uebri - gens bezeichnet man in unſeren Tagen mit dem Namen Aſtrolab236Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.einen auf einem Fußgeſtelle horizontal liegenden Kreis mit einer Alhidade, deren Abſehen höher ſind, als die in Fig. 8 er - wähnten, um durch die Oeffnungen derſelben die Spitzen hoher terreſtriſcher Objekte und ſelbſt der Geſtirne zu ſehen. Wir wer - den weiter unten ein dieſem ähnliches, aber viel vollkommener gebautes Inſtrument unter dem Artikel Theodolik kennen lernen.

Armillarſphären oder Armillen nannte man verſchie - dene Verbindungen von Kreiſen, durch welche man den Aequator, die Ecliptik und die darauf ſenkrechten Kreiſe darſtellte. In Fig. 9 iſt ein ſolches Inſtrument abgebildet, deſſen ſich ſchon Hipparch und Ptolemäus bediente, und an welchem noch Tycho Brahe den größten Theil ſeiner Planeten-Beobachtungen machte. Der äußere Kreis HZR ſtellt den Meridian vor, und bei den Beobachtungen wurde dieſer Kreis auch in der That in der Ebene des Meridians aufgeſtellt, ſo daß von den Punkten H und R des Horizonts der erſte nach Süd und der zweite genau nach Nord, und daß die Endpunkte der Axe PP 'nach dem Nord - und Südpole gerichtet waren. Der Faden ZZ' mit ſeinem Gewichte bei Z 'zeigte das Zenith an. Der Mittelpunkt jener Axe PP' war mit einem kleinen Cylinder m verſehen, und durch ihn ging, ſenkrecht auf die Axe, die Ebene des Rings AB, die daher den Aequator vorſtellte. Dieſer Ring war an dem äußern Ringe HZR feſt, und mit Ab - ſehen a und b verſehen. Senkrecht auf die Ebene dieſes Ringes AB war ein anderer, um die Axe PP 'beweglicher, und ebenfalls mit Abſehen verſehener Ring CD angebracht, der daher den Decli - nations - oder Stundenkreis (I. S. 28) vorſtellte. Das ganze Inſtrument ſtand auf einem feſten Fußgeſtelle bei Z'.

Wenn man mit dieſem Inſtrumente eine Beobachtung ma - chen wollte, ſo wurde zuerſt der äußere Ring HZR in den Me - ridian und mittels des Lothes, der Punkt Z in das Zenith, alſo auch P in den Nordpol des Aeauators gebracht, und dann der bewegliche Declinationskreis CD ſo weit verſchoben, bis man durch die Abſehen deſſelben das zu beobachtende Geſtirn bemerkte, wo dann der Kreis CD auf dem Aequator AB den Stunden - winkel, und wo die Abſehen des Kreiſes CD auf ihm ſelbſt die Declination des Geſtirns anzeigten. Hatte man zuvor die Ab -237Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſehen a und b des Aequators, mittels eines ſchon bekannten Ge - ſtirns, ſo geſtellt, daß ſie den Frühlings - und Herbſt-Nachtgleichen - punkt (I. S. 33) bezeichneten, ſo konnte man auf dieſe Weiſe zugleich die Rectaſcenſion des zu beobachtenden Geſtirns finden, und daher auch die Sternzeit (I. S. 306 u. 316) der Beobach - tung angeben.

§. 5. (Zeitbeſtimmung durch Inſtrumente der älteren Aſtrono - men.) Gewöhnlich brauchte Tycho dieſe Inſtrumente zur Beſtim - mung der Zeit ſeiner anderen Beobachtungen, die er an ſeinen großen Quadranten (I. S. 104) oder Sextanten gemacht hatte, indem er nämlich an ſeiner in dem Meridian aufgeſtellten Armil - larſphäre den Declinationskreis CD derſelben auf irgend einen größern, in ſeiner Rectaſcenſion ſchon bekannten Fixſtern ſtellte, wodurch er ſofort den Stundenwinkel dieſes Sterns auf ſeinem Aequatorialring AB ableſen konnte. Die Summe des ſo er - haltenen Stundenwinkels und der ſchon bekannten Rectaſcenſion des Sterns gab ihm dann ſofort die Sternzeit der Beobach - tung, woraus er dann leicht (I. S. 315) auch die mittlere Sonnenzeit derſelben Beobachtung finden konnte. Am ein - fachſten war dieſes Verfahren, wenn er ſtatt irgend eines bekann - ten Fixſterns, unmittelbar die Sonne wählte, weil dann der an dem Aequatorringe AB abgeleſene Stundenkreis der Sonne auch ſofort ſchon die wahre Sonnenzeit der Beobachtung gab, wie bereits oben (I. §. 155) erklärt worden iſt.

Dieſe Zeitbeſtimmung iſt, wie man ſieht, eines der wichtigſten Geſchäfte des praktiſchen Aſtronomen. Er unterſcheidet ſich da - durch weſentlich von dem bloßen Geometer, dem es ſchon genügt, wenn er den Winkel, welchen zwei irdiſche Gegenſtände, z. B. zwei Thürme oder zwei Bergſpitzen, in ſeinem Auge bilden, mit Genauigkeit angeben kann, da dieſer Winkel immer derſelbe bleibt, ſo oft er aus demſelben Standpunkte des Auges geſehen wird. Nicht ſo bei den Gegenſtänden des Himmels. Die Geſtirne än - dern, ſowohl durch die tägliche Bewegung des Himmels, die allen Sternen gemeinſchaftlich iſt, als auch durch die ihnen eigene Be - wegung, ihre Lage gegen das Auge des Beobachters un - aufhörlich, und es iſt daher nicht genug, daß der Aſtronom von einem dieſer Geſtirne, z. B. die Höhe auch mit der größten238Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Genauigkeit angibt, ſondern er muß auch zugleich oben ſo genau die Zeit angeben, in welcher er jene Höhe beobachtet hat, wie dieß für ſich klar iſt, weil dieſe Höhe ſich jeden Augenblick ändert.

Da aber die Armillarſphäre, wie man aus der vorhergehenden Beſchreibung derſelben ohne meine Erinnerung bemerkt haben wird, weder in ihrer Konſtruction durch den Künſtler, noch in ihrer Aufſtellung durch den Aſtronomen eine große Genauigkeit gewähren kann, ſo wird auch das erwähnte Verfahren, durch dieſes Inſtrument die Zeit zu beſtimmen, keiner großen Schärfe fähig ſeyn. Aus dieſem Grunde war man ſchon in den älteren Zeiten auf andere Mittel bedacht, die Zeit der Beobachtung, dieſes wichtigſte Element der geſammten praktiſchen Aſtronomie, für jeden Augenblick mit mehr Verläßlichkeit zu beſtimmen. Das beſte Mittel zu dieſem Zwecke gab aber dieſelbe Veränderlichkeit der Höhe der Geſtirne, von welcher wir nur ſo eben geſprochen haben. Während des täglichen Umlaufes jedes Sterns um die Erde kömmt derſelbe in alle die verſchiedenen Höhen, in die er überhaupt, nach der Lage ſeines Parallelkreiſes gegen den Hori - zont des Beobachters, kommen kann, und ſo, wie zu jeder Zeit nach der Kulmination des Sterns, d. h. wie zu jedem Stunden - winkel deſſelben eine beſtimmte Höhe gehört, ſo wird auch um - gekehrt jeder gegebenen Höhe ein beſtimmter Stundenwinkel, d. h. eine beſtimmte Zeit entſprechen, ſo daß man daher die letzte finden kann, wenn die erſte durch irgend eine Beobachtung ge - geben iſt.

Dieſem gemäß, pflegten alſo die älteren Aſtronomen in dem Augenblicke einer jeden Beobachtung, z. B. in dem Augenblicke des Anfangs oder des Endes einer Finſterniß, mittels des oben (I. S. 104) erwähnten Quadranten die Höhe der Sonne oder irgend eines anderen bekannten Geſtirns zu meſſen, woraus ſie dann die Zeit jener Beobachtung auf folgende Art ableiteten.

Sey (I. Thl. Fig. 2) S' die Sonne für den Augenblick des Anfangs jener Beobachtung, deren Zeit man beſtimmen will; ſey ferner Z das Zenith und N der Nordpol des Aequators. Wenn man mit dem Sextanten die Höhe S'R 'der Sonne über dem Horizonte HR beobachtet hat, ſo kennt man auch die Zenith - diſtanz ZS' derſelben, die nämlich gleich 90° weniger jener Höhe239Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.iſt. Eben ſo iſt aber auch, aus den Sonnentafeln oder aus den aſtronomiſchen Ephemeriden, die Poldiſtanz NS 'der Sonne für dieſen Tag bekannt, ſo wie die Polhöhe HN des Beobachtungs - ortes, die (nach I. S. 30. II. ) gleich der geographiſchen Breite des Beobachters, und überdieß auch gleich 90° weniger ZN iſt. Man kennt daher in dem ſphäriſchen Dreiecke NZS' alle drei Seiten, und wird daher, mittels der bekannten Formeln, der ſphä - riſchen Trigonometrie, auch den Winkel ZNS 'dieſes Dreiecks mit aller Schärfe berechnen können. Dieſer Winkel iſt aber der Stundenwinkel der Sonne, d. h. die geſuchte wahre Son - nenzeit (I. S. 307).

Dieſes an ſich, wie man ſieht, ſehr einfache Verfahren wird etwas zuſammen geſetzter, wenn man, zur Beſtimmung der Zeit, nicht die Sonne, die ſich dazu vorzüglich eignet, ſondern wenn man die Höhe irgend eines bekannten Sterns beobachtet, eine Beobachtung zu welcher man öfter gezwungen iſt, z. B. wenn man den Augenblick einer zur Nachtzeit angeſtellten Beobachtung, wo man die Sonne nicht ſehen kann, beſtimmen will.

Sey alſo S' der gewählte Stern deſſen Rectaſcenſion VQ 'und Poldiſtanz NS' bekannt ſeyn ſoll. Nehmen wir an, daß zur Zeit der Beobachtung dieſes Sterns in S' die Sonne in der Ecliptik VL den Punkt S einnehme, ſo daß alſo VS die Länge der Sonne für dieſen Augenblick vorſtellt. Läßt man von S auf den Aequator VQ einen ſenkrechten Kreisbogen ST herab, ſo wird VT die Rectaſcenſion der Sonne für denſelben Augenblick bezeich - nen, und wir wollen daher vorausſetzen, daß man, aus den aſtro - nomiſchen Ephemeriden, auch dieſe Rectaſcenſion VT der Sonne bereits kenne.

Wenn man daher mit dem Quadranten die Höhe S'R 'des Sterns oder, was daſſelbe iſt, die Zenithdiſtanz ZS' deſſelben beobachtet, ſo wird man in dem Dreiecke NZS ', in welchem wie - der alle drei Seiten gegeben ſind, ganz wie zuvor, den Stunden - winkel ZNS' des Sterns, d. h. mit andern Worten: den Bogen QQ des Aequators durch Rechnung finden. Da man aber offen - bar hat TQ = VQ VT oder TQ = QQ '+ VQ' VT240Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſo wird man auch die geſuchte wahre Sonnenzeit durch folgende einfache Gleichung erhalten:

  • Wahre Zeit = Stundenwinkel des Sterns, mehr Rectaſcen - ſion des Sterns, weniger Rectaſcenſion der Sonne.

Setzt man, was für die Berechnung bequemer iſt, in dem letzten Gliede dieſer Gleichung nicht, wie bisher vorausgeſetzt wurde, die Rectaſcenſion der wahren, ſondern die Rectaſcen - ſion der mittleren Sonne (I. S. 309), ſo erhält man auch, ſtatt der wahren Sonnenzeit unmittelbar die mittlere Zeit, und dieſe letzte iſt es, in welcher die Aſtronomen ihre Beobachtungen vorzugsweiſe anzugeben pflegen.

Auf dieſe Weiſe alſo verfuhren die älteren Aſtronomen, um für jede ihrer Beobachtungen die Zeit derſelben zu beſtimmen. Tycho beſonders, welcher der erſte auf eine größere Schärfe in der Zeitbeſtimmung drang, bediente ſich zu dieſem Zwecke ſeiner großen und für ſeine Zeit, ſehr genauen Quadranten, durch welche er die Höhen der Sterne, alſo auch die Zeit ſelbſt, bei jeder wich - tigen Beobachtung mit viel größerer Präciſion beſtimmte, als es durch Hülfe der Armillarſphären möglich geweſen wäre.

§. 6. (Zeitbeſtimmung der neueren Aſtronomen.) Man ſieht, wie beſchwerlich und zeitraubend dieſes Geſchäft der älteren Aſtro - nomen geweſen iſt. Jede Beobachtung, die ſie machten, war eigentlich eine doppelte, nämlich zuerſt die eigentliche Beobach - tung ſelbſt, z. B. die Finſterniß an einem Inſtrumente, und dann, an dem anderen, die Beſtimmung der Zeit dieſer Beobachtung, welche letztere, wenn ſie genau ſeyn ſollte, umſtändliche Rechnun - gen erforderte, und überdieß noch zu gleicher Zeit mit jener angeſtellt werden ſollte, wodurch nicht nur zwei Inſtrumente, ſondern auch zwei Beobachter nothwendig wurden.

Und dieſes Uebel konnte ſo lange nicht vermieden werden, als man kein Mittel hatte, größere Intervalle der Zeit in kleinere und gleiche Theile zu theilen. Ein ſolches Mittel konnte man aber nur in einer anderen Gattung von Inſtrumenten finden, welche, ſo wie die Zeit ſelbſt, eine regelmäßige und völlig gleich - förmige Bewegung zeigten. Solche Inſtrumente ſind aber unſere Uhren, von welchen wir ſpäter umſtändlich ſprechen werden. 241Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Hier wollen wir nur vorausſetzen, daß eine ſolche Uhr von einem Mittag zum anderen durch einige Tage regelmäßig fortgehe, und den Ablauf jeder Stunde, Minute und Sekunde genau anzeige.

Mit Hülfe eines ſolchen Inſtrumentes war es nun nicht mehr nothwendig, bei jeder Finſterniß oder bei der Beobachtung jeder anderen Erſcheinung des Himmels auch zugleich die Zeit dieſer Beobachtung zu beſtimmen, ſondern es war ſchon genug, dieſe Uhr nur jeden Mittag mit der Sonne oder mit der großen Himmelsuhr zu vergleichen, und dann bloß den Stand der Uhr im Augenblicke jener Beobachtung abzuleſen, um daraus auch ſofort die wahre Zeit jener Beobachtung zu finden.

Ein einfaches Beiſpiel wird dieß ſogleich deutlich machen. Geſetzt, man habe aus einer der vorerwähnten Beobachtungen ge - funden, daß die Uhr im Mittage des 3ten März 12h 1′ gegeben habe, daß ſie alſo gegen die rechte Zeit um eine Minute voraus - gegangen ſey. An dem folgenden Tage, im Mittage des 4ten März aber wurde auf eine ähnliche Art der Stand der Uhr 12h 4′ gefunden, ſo daß ſie alſo, in einem ganzen Tage, d. h. daß ſie während der Zeit, wo die Uhr 24h und 3′ zurücklegte, um volle drei Minuten gegen die rechte Zeit voraus gegangen ſey. Kann man nun, wie bei jeder guten Uhr vorausgeſetzt wird, mit Sicher - heit annehmen, daß ſie während des Laufes dieſes Tags immer gleichförmig fortgegangen ſey, ohne etwa bald geſchwinder und bald wieder langſamer zu gehen, ſo kann man auch annehmen, daß ſie in der Mitte zwiſchen jenen zwei Tagen, d. h. daß ſie am 3ten März um Mitternacht um Minuten mehr, als am Mittage dieſes Tages voraus gegangen ſey, oder daß ſie 12h 2′ 30″ Abends zeigte, als ſie genau 12h Abends zeigen ſollte, und daß ſie eben ſo, als ſie 6h Abends zeigen ſollte, 6h 2′ 15″ zeigte u. ſ. w., ſo daß man alſo immer aus dem, was die Uhr zeigte, das finden kann, was ſie in demſelben Augenblicke zeigen ſollte und umgekehrt.

Nehmen wir nun an, daß man z. B. am 3ten März Abends in dem Augenblicke, als dieſe Uhr 3h 10′ 36″ zeigte, den Anfang einer Finſterniß beobachtet habe, und daß man die wahre Zeit dieſer Beobachtung finden wolle. Da dieſer Augenblick von dem des erſten Mittags um 5h 9′ 36″ der Uhrzeit entfernt iſt, undLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 16242Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.da die Uhr, wie wir geſehen haben, in einem Tage, d. h. in 24h 3′ Uhrzeit um volle 3 Minuten vorausgeht, ſo findet man leicht, daß die Uhr in jener Zeit von 5h 9′ 36″ um 38 5 / 10 Se - kunden mehr, als am erſten Mittag vorausgehen werde. Denn man hat die einfache Proportion 24h 3′: 3′ = 5h 9′ 36″: x 'woraus man x = 0,644 Minuten oder x = 38 6 / 10 Sekunden findet. Die Uhr ging alſo am erſten Mittag um eine Minute, und zur Zeit jener Beobachtung noch um 38 6 / 10 Sekunden mehr, d. h. ſie ging zur Zeit jener Beobachtung im 1′ 38 6 / 10″ gegen die wahre Zeit voraus, und dieſe Zahl wird man daher von der - jenigen Zeit 5h 10′ 36″, welche die Uhr in der That zeigte, abzieben müſſen, um die geſuchte wahre Zeit jener Beobachtung zu erhalten, die demnach gleich 5h 8′ 57 4 / 10″ iſt.

Auf dieſe Weiſe wird man in allen ähnlichen Fällen verfah - ren, um die wahre Zeit jeder Beobachtung durch eine, wie man ſieht, ſehr einfache Rechnung zu erhalten.

§. 7. (Correſpondirende Höhen zu Zeitbeſtimmungen.) Wie findet man aber den Augenblick des Mittags eines jeden Tages, damit man, wie in §. 6 vorausgeſetzt wurde, den Fehler der Uhr für jeden Mittag beſtimmen kann?

Man könnte dazu das oben gegebene Verfahren, die Zeit überhaupt zu beſtimmen, auch hier wieder benützen, und mit dem Fernrohre des Quadranten die Sonne ſo lange verfolgen, bis ſie ihre größte Höhe über dem Horizonte erreicht, wo ſie alſo in dem Felde des Fernrohrs nicht mehr ſteigt, ſondern eben zu fallen anfängt. Aber dieſes Verfahren würde ſehr unverläßlich ſeyn, und man würde dadurch wohl nie die Zeit auch nur auf eine halbe Minute genau beſtimmen, da man ſie doch, nach den Be - dürfniſſen der neuern Aſtronomie, bis auf eine Sekunde, ja ſelbſt bis auf das Zehntheil einer Sekunde genau zu kennen braucht. Die Sonne und überhaupt alle Geſtirne verändern nämlich, wenn ſie dem Meridian, ihrem Mittage, nahe kommen, ihre Höhe ſehr langſam, und in dem Meridian ſelbſt einige Zeit gar nicht, ſo daß es daher ſehr zweckwidrig ſeyn würde, aus dieſen Höhenän - derungen, die ſo äußerſt klein ſind, die Zeit des Mittages oder den Augenblick der größten von allen dieſen Höhen beſtimmen zu243Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.wollen. Je weiter aber die Geſtirne von dem Meridian entfernt ſind, deſto ſchneller iſt dieſe Höhenänderung, und am ſchnellſten iſt ſie dann, wenn das Geſtirn S' in der Nähe desjenigen Ver - ticalkreiſes ZS'R '(Theil I. Fig. 2) ſteht, deſſen Winkel RZR' mit dem Meridian NZR ein rechter iſt, daher man auch dieſen Kreis den erſten Verticalkreis zu nennen pflegt. In dieſer Ge - gend alſo wird man die Höhe der Geſtirne mit dem Quadranten am vorheilhafteſten beobachten, wenn man aus dieſer Höhe nach der in §. 5 erklärten Weiſe die Zeit finden will.

Allein dieſe Zeit wird nicht die des Mittages ſeyn, welche letzte wir hier eigentlich ſuchen. Dieß würde nun zwar nicht als ein Hinderniß für unſere Methode angeſehen werden können, da es, wie man ohne meine Erinnerung bemerken wird, gleichviel iſt, ob man den Stand der Uhr für zwei Mittage oder auch für zwei andere Augenblicke kennt, wenn nur dieſe letzten den Augen - blick der eigentlichen Beobachtung, der Finſterniß z. B. einſchließen, oder doch nicht weiter von ihm entfernt ſind, als man ſich auf den regelmäßigen Gang der Uhr verlaſſen kann. Allein die Be - rechnung des Dreieckes ZNS ', um daraus, nach §. 5, den Stun - denwinkel ZNS' des Geſtirns zu finden, wird, wenn ſie oft wie - derholt werden ſoll, beſchwerlich und zeitraubend ſeyn, und was noch viel wichtiger iſt, die beobachtete Höhe muß völlig genau be - kannt ſeyn, weil ſonſt der Stundenwinkel und ſonach die ganze Zeit - beſtimmung ſelbſt fehlerhaft ſeyn würde. Allein um eine genaue Höhe zu erhalten, muß man auch ein ſehr genau gearbeitetes, ein ſehr vollkommenes Inſtrument haben, und ſolche ſind nicht Jeder - manns Sache, da ſie nur mit großen Koſten angeſchafft werden können. Dazu kommt noch, daß man nicht nur die Polhöhe HN oder 90 ZN des Beobachtungsortes und die Poldiſtanz NS 'des Geſtirns, ſondern auch noch die Refraction (I. S. 347) genau kennen muß, um durch die Auflöſung jenes Dreieckes den Winkel ZNS' mit aller Schärfe zu beſtimmen, und dieſe Forderungen ſind nicht immer ſo leicht zu erfüllen, als man wohl auf den erſten Blick glauben ſollte.

Allein von allen dieſen Hinderniſſen und Schwierigkeiten können wir uns völlig befreien, wenn wir bedenken, daß alle Sterne zu beiden Seiten des Meridians dieſelbe Höhe über16 *244Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dem Horizonte in den beiden Augenblicken haben, wo ſie den - ſelben Abſtand vom Meridian, d. h. wo ſie, zu beiden Seiten des Meridians, auch gleiche Stundenwinkel haben. Die Sonne ſteht drei Stunden vor dem Mittag, d. h. um 9 Uhr wahre Zeit morgens genau eben ſo hoch, als ſie um 3 Uhr w. Z. Abends ſteht, und ſo für jede andere zwei gleiche Stunden - winkel, wenn anders ihre Declination (Einl. S. 32) in dieſer Zwiſchenzeit unveränderlich angenommen werden kann. Bei den Fixſternen iſt dieß in der That der Fall; bei der Sonne, dem Monde und den Planeten aber iſt dieſe Declination allerdings veränderlich, aber dieſe Veränderung iſt im Allgemeinen ſehr klein, und es iſt leicht, auf ſie durch Rechnung Rückſicht zu nehmen, wobei wir uns aber hier nicht weiter aufhalten wollen.

Wenn man alſo die Sonne an einem Tage zweimal, vor und nach dem Mittage, in der Nähe des erſten Verticalkreiſes ſo beobachtet, daß ſie in beiden Augenblicken dieſelbe, übrigens will - kührliche Höhe hat, ſo weiß man, daß zu dieſen beiden Augen - blicken auch dieſelben Stundenwinkel der Sonne gehören, oder mit andern Worten, daß der Augenblick der erſten Beobachtung eben ſo weit vor dem wahren Mittage, als der zweite nach dem Mittage ſtatt hat, daß alſo auch der geſuchte wahre Mittag genau in die Mitte zwiſchen jene zwei Augenblicke fallen muß.

Man ſieht, daß man zu dieſen Beſtimmungen des Mittags weder die Polhöhe des Beobachtungsorts, noch die Declination des Geſtirns, noch auch die abſoluten Höhen ſelbſt, und die dazu gehörende Refraction zu kennen braucht, und daß man bloß von der Gleichheit der beiden Höhen und von dem gleichförmigen Gange der Uhr verſichert ſeyn muß, daß alſo auch zu dieſen Beobachtungen der correſpondirenden Höhen, wie man ſie zu nennen pflegt, weder eine eigentliche Rechnung, noch auch ein vorzügliches Inſtrument erfordert wird. In der That, die Ein - theilung des Quadranten, den man zu dieſen Beobachtungen wählt, mag ſo fehlerhnft ſeyn, als ſie will, und dieſer Fehler iſt bei den ältern und unvollkommenern Inſtrumenten bei weitem der gewöhnlichſte, ſo werden doch dadurch die Beobachtungen nicht ſchlechter, da man vor und nach Mittag immer nur mit dem - ſelben Theilſtriche zu thun hat, und da es gleich viel iſt, in245Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.welchen Höhen man die Sonne beobachtet hat, wenn dieſe Höhen nur dieſelben ſind. Ganz eben ſo verhält es ſich auch mit bei - nahe allen übrigen Fehlern dieſer Inſtrumente, die für denſelben Punkt des eingetheilten Randes ebenfalls dieſelben bleiben, und daher auf das geſuchte Reſultat, auf die Zeit des Mittags, keinen Einfluß haben. Um aber, nicht dieſe Inſtrumentalfehler, die hier ganz unſchädlich ſind, ſondern um die ſogenannten Beobachtungs - fehler zu vermeiden, welche letzteren von der Unſicherheit unſerer Sinne kommen, wird man zu beiden Seiten des Meridians nicht bloß eine, ſondern mehrere Höhen der Sonne beobachten, und dann aus den Mittagen, die man aus jedem correſpondirenden Höhenpaare erhält, das ſogenannte arithmetiſche Mittel nehmen, welches letzte offenbar, als das Reſultat aller beobachteten Höhen, viel verläßlicher ſeyn wird, als dasjenige ſeyn kann, das bloß aus einem einzigen Paare derſelben abgeleitet worden iſt.

Um dieß durch ein Beiſpiel deutlich zu machen, nehmen wir an, man habe folgende correſpondirende Sonnenhöhen zu den bei - geſetzten Uhrzeiten beobachtet,

Uhrzeit

  • Höhe Vormitteg Nachmittag
  • 43° 15′. 9h 14′ 52,0. 2h 49′ 40,2
  • 43° 20′. 9h 20′ 43,3. 2h 43′ 50,1
  • 43° 25′. 9h 26′ 54,8. 2h 37′ 37,6
  • 43° 30′. 9h 33′ 19,3. 2h 31′ 13,5

wo man alſo bei den nachmittägigen Zeiten eigentlich 14h ſtatt 2h hätte ſchreiben ſollen, um die Zeiten der Uhr ununterbrochen fort - zuzählen. Die Summe der beiden Zeiten der erſten Höhe 43° 15′ gibt 24h 4′ 32,2 und davon iſt die Hälfte 12h 2′ 16,1 die ge - ſuchte Uhrzeit des Mittags aus dieſer erſten Höhe. Eben ſo er - hält man

Uhrzeit des Mittags

  • Höhe I.. 12h 2′ 16,1
  • II .. 12h 2′ 16,6
  • III .. 12h 2′ 16,2
  • IV .. 12h 2′ 16,4
246Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Addirt man alle dieſe vier Zeiten, und dividirt ſie durch 4, ſo erhält man für das arithmetiſche Mittel derſelben, d. h. für die aus allen Beobachtungen geſuchte Uhrzeit 12h 2′ 16,325 oder die Uhr ging an dieſem Tage im Augenblicke des wahren Mittags gegen die wahre Sonnenzeit (I. S. 310) voraus um 2′ 16,3.

Auf dieſe Weiſe kann man alſo jeden Mittag die Uhr mit der Sonne, d. h. mit der wahren Zeit vergleichen, und daraus, wie wir oben (§. 6) geſehen haben, den Stand der Uhr gegen dieſe wahre Zeit auch für jede andere zwiſchen dieſen Mittagen liegende Zeit durch eine einfache Rechnung beſtimmen. Da man nämlich die Abweichung der Uhr von der wahren Zeit für jeden gegebenen Augenblick kennt, ſo darf man nur die Uhrzeit einer Beobachtung kennen, um daraus auch ſofort die wahre Zeit dieſer Beobachtung zu finden.

Wollte man aber dieſe Zeiten der Beobachtungen nicht, wie es die älteren Aſtronomen zu thun pflegten, in wahrer, ſondern, was in der That bequemer iſt, in mittlerer Sonnenzeit an - geben, ſo braucht man nur für den wahren Mittag jedes Tages die ſogenannte Zeitgleichung (I. S. 310), d. h. den Unter - ſchied zwiſchen der wahren und mittleren Zeit zu kennen. Man findet aber dieſe Zeitgleichung für jeden Tag des Jahres ſchon in den aſtronomiſchen Ephemeriden berechnet. Geſetzt, dieſe Zeit - gleichung wäre für den Tag unſerer vorhergehenden correſpondi - renden Höhen 8 Minuten 32,7 Sekunden, ſo heißt dieß, daß eine richtig gehende mittlere Uhr in dem Augenblicke des wahren Mittags jenes Tages 12h 8′ 32,7 zeigen ſoll. Allein unſere Uhr zeigte 12h 2′ 16,3, alſo ging ſie, im wahren Mittage jenes Tages, oder in dem Augenblicke, wo es in der That 12h 8′ 32,7 mittlerer Zeit war, gegen mittlere Zeit zu ſpät um 6′ 16,4.

Wäre endlich, was man ebenfalls in dieſen Ephemeriden findet, für den Augenblick des wahren Mittags dieſes Tages die Sternzeit (I. 314) gleich 5h 14′ 25,6 angegeben, ſo würde, da unſere Uhr in dieſem Augenblicke 12h 2′ 16,3 zeigte, dieſelbe gegen Sternzeit um 6h 47′ 50,7 zu früh gehen.

247Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Welche von dieſen drei Zeiten man alſo wählt, immer wird man, durch Hülfe der correſpondirenden Höhen, die Abweichung der Uhr von jeder dieſer drei Zeiten für den wahren Mittag eines jeden Tages, an welchem man eine Beobachtung angeſtellt hat, angeben können, und daraus den Stand und Gang der Uhr durch eine ſehr leichte und einfache Rechnung ableiten, d. h. für jede andere Beobachtung die richtige wahre oder mittlere Sonnenzeit, oder endlich die Sternzeit dieſer Beobachtung angeben können.

Hat man nun ſeine Uhr ſo eingerichtet, daß ſie nahe nach der Sonnenzeit geht, d. h. daß ſie von einem Mittage zum an - dern nahe 24 volle Stunden gibt, ſo wird man zur Regulirung derſelben durch correſpondirende Höhen offenbar am bequemſten die Sonne gebrauchen. Allein es wurde bereits früher (I. S. 319) bemerkt, daß eine nach Sternzeit gehende Uhr zum aſtronomiſchen Gebrauche viel bequemer iſt. Eine Sternuhr aber iſt eine ſolche gleichförmig gehende Uhr, die zwiſchen zwei nächſten Kulmina - tionen (I. S. 30) eines Fixſterns nahe 24 volle Stunden, die alſo auch, da die Sonne ſich im Mittel täglich um 0h 3′ 56,555 gegen Oſt dreht, zwiſchen zwei nächſten Kulminationen der mitt - leren Sonne (I. S. 308) 24h 3′ 56,555 zeigt. Es wurde bereits geſagt (I. S. 318) wie man jede mittlere Uhr, durch eine bloße Verkürzung ihres Pendels, auf eine ſolche Sternuhr bringen kann. Wenn man ſich alſo, wie es am angemeſſenſten iſt, ſich einer ſolchen Sternuhr bei allen ſeinen Beobachtungen bedient, ſo wird man auch, zur Regulirung dieſer Uhr durch correſpondirende Höhen ſich nicht der Sonne, ſondern am bequemſten eines bekannten Fixſterns bedienen. Dann wird man nämlich die durch die Beobachtung der correſpondirenden Höhen dieſes Sterns erhaltene Uhrzeit der Kulmination unmittelbar mit der bekannten Recta - ſcenſion dieſes Sterns vergleichen, um ſofort den Fehler der Uhr gegen Sternzeit zu erhalten, weil (nach I. S. 318) die Rectaſcen - ſion eines jeden Geſtirns auch zugleich die Sternzeit der Kulmi - nation deſſelben iſt. Wenn er alſo z. B. von einem Fixſtern, deſſen Rectaſcenſion 5h 30′ 24″ ihm bekannt iſt, durch correſpon - dirende Höhen die Uhrzeit der Kulmination an ſeiner Sternuhr gleich 5h 31′ 10″ gefunden hat, ſo iſt ihm dadurch auch ſofort bekannt, daß ſeine Uhr, in dem Augenblicke jener Kulmination,248Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.gegen Sternzeit um 46 Sekunden voraus iſt. In dieſem Falle wird alſo auch die Correction der Uhr gegen Sternzeit nie ſo hoch anwachſen können, wie in dem vorhergehenden Beiſpiele, wo wir ſie gleich 6h 47′ 50,7 gefunden haben. In der Ordnung wird man nämlich ſeine Sternuhr durch allmäblige Verkürzung des Pendels, und wenn dieſes einmal die gehörige Länge hat, durch die Stellung der Zeiger, ſo zu ſtellen ſuchen, daß ihre Ab - weichung von der Sternzeit nur ſehr klein iſt, und auch in meh - reren Monaten ſelbſt immer noch klein bleibt. Wenn aber auch der tägliche Fehler derſelben noch ſo gering iſt, wenn ſie z. B. in jedem Sterntage nur eine einzige Sekunde vor der Sternzeit vorausgeht, ſo wird dieß in zwei Monaten doch ſchon eine Mi - nute, und in einem Jahre ſechs Minuten betragen. Dieß wird aber kein Grund ſeyn, die Zeiger der Uhr öfter zu verſtellen, um ſie ihrem wahren Stande näher zu bringen, wie dieß wohl viele mit ihren Taſchenuhren zu thun pflegen, wenn ſie die Mittags - glocke läuten hören. Durch ſolche gewaltſame Verſtellungen der Zeiger mit der Hand wird der regelmäßige Gang dieſer feinen Maſchinen geſtört, und der Aſtronom wird dieſe und alle ähnlichen äußeren Störungen ſeiner Uhr ſorgfältig vermeiden, um ſie ſo viel möglich ihren Gang ununterbrochen fortſetzen zu laſſen. [Daher] kommt es, daß man ſelbſt auf den beſteingerichteten Sternwarten oft zu ſeiner Verwunderung hört, daß die Uhren derſelben meb - rere Minuten von der richtigen Zeit abweichen, während man doch glauben ſollte, daß ſie immer auf das Genaueſte mit dem Himmel übereinſtimmen ſollten. Der Aſtronom iſt ſchon voll - kommen zufrieden, daß ſeine Uhr nur gleichförmig, wenn ſie auch täglich, aber auch nur alle Tage, um dieſelbe Zeit zurück - bleibt oder vorausgeht. Er hält von dieſem Gange ſeiner Uhr, wie man geſehen hat, täglich ſcharfe Rechnung, und wird dadurch von dem Fehler derſelben für jeden gegebenen Augenblick in genaue Kenntniß geſetzt. Eine Uhr aber, deren Fehler man genau kennt, iſt für ihn mit Recht eben ſo viel, als eine fehlerfreie, eine ganz vollkommene Uhr.

§. 8. (Correſpondirende Höhen zur Beſtimmung der Recta - ſcenſion der Geſtirne.) Wir wollen daher fortan vorausſetzen, daß der beobachtende Aſtronom ſeiner Zeit in jedem Augenblicke genau249Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.verſichert iſt, da wir die Mittel, dieſen Zweck zu erreichen, kennen gelernt haben. Damit iſt nun auch allerdings eines ſeiner vor - züglichſten und dringendſten Geſchäfte abgethan, da er, wie bereits oben geſagt wurde, bei jeder ſeiner Beobachtungen an den ihren Ort am Himmel immer verändernden Geſtirnen auch zugleich die genaue Zeit dieſer Beobachtung angeben muß.

Wir haben ſo eben geſehen, wie er durch die Beobachtung der correſpondirenden Höhen eines Sterns, die Correction ſeiner Uhr finden kann, wenn er die Rectaſcenſion dieſes Sterns kennt. Allein ganz eben ſo und durch daſſelbe einfache Verfahren wird er auch umgekehrt die Rectaſcenſion eines jeden Sterns finden, wenn er die Correction ſeiner Uhr ſchon kennt. Da nämlich die Rectaſcenſion eines jeden Sterns gleich der Sternzeit der Culmi - nation deſſelben iſt, ſo wird er, durch correſpondirende Höhen, die Uhrzeit der Culmination des Sterns ſuchen, und an dieſer Uhrzeit die ihm hereits bekannte Correction derſelben gegen Stern - zeit anbringen, um ſofort auch die richtige Sternzeit der Culmi - nation, d. h. um die geſuchte Rectaſcenſion des Sterns zu erhalten. In unſerem letzten Beiſpiele wurde die Uhrzeit der Culmination des Sterns durch correſpondirende Höhen gleich 5h 31′ 10″ ge - funden, und die aus anderen Beobachtungen bereits bekannte Correction der Uhr war 46″, um welche nämlich die Uhr gegen Sternzeit voraus iſt, woraus ſofort folgt, daß die geſuchte Rect - aſcenſion des beobachteten Sterns gleich 5h 30′ 24″ iſt, wie zuvor.

Dieß gibt alſo ein eben ſo einfaches als auch ſicheres Mittel, die Rectaſcenſionen aller Geſtirne mit der größten Genauigkeit zu beſtimmen. Auch haben es die Aſtronomen des 17ten Jahr - hunderts fleißig angewendet, ſo bald ſie einmal durch ihre mecha - niſchen Künſtler ſolche Ubren erhalten konnten, auf deren gleichför - migen Gang ſie ſich verlaſſen durften. Denn dieſe Vorausſetzung einer guten Uhr iſt eigentlich die weſentlichſte, um genaue Reſul - tate zu erhalten, während im Gegentheile, wie wir geſehen haben, der Quadrant, mit welchem man dieſe correſpondirenden Höhen beobachtet, ohne Nachtheil ſelbſt ein ſehr mittelmäßiges Inſtru - ment ſeyn kann. Auf der Pariſer Sternwarte wurde dieſes Ver - fahren ſchon ſehr früh i. J. 1666 angewendet, wie man aus den250Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Memoiren der Academie dieſer Stadt bei Gelegenheit der Fin - ſterniß des 22ſten Julius jenes Jahres ſehen kann, wo Huygens, Roberval und Auzout ihre Zeit bereits durch correſpondirende Höhen beſtimmten. Lacaille, einer der beſten und fleißigſten Aſtronomen des achtzehnten Jahrhunderts, beſtimmte noch i. J. 1755 beinahe alle ſeine ſehr zahlreichen Rectaſcenſionen der Fix - ſterne und der Planeten auf dieſelbe Weiſe.

§. 9. (Quadranten mit zwei Fernröhren.) Der einzige Nach - theil, den man dieſer Methode der correſpondirenden Höhen zum Vorwurfe machen kann, iſt, daß ſie zeitraubend und von Zufällen zu ſehr abhängig ſind, die der Beobachter nicht in ſeiner Gewalt hat. Sie fordern, wenn man mehrere derſelben nehmen will, vor und nach dem Mittage wenigſtens eine halbe Stunde, und wenn die Sonne Nachmittag, zur Zeit der Beobachtungen, mit Wolken bedeckt iſt, ſo geht die ganze Beobachtung verloren. Auch waren nach der Mitte des 17ten Jahrhunderts, wo man die Uhren zu den aſtronomiſchen Beobachtungen zu gebrauchen anfing, dieſe ſinnreichen und ſchwer auszuführenden Maſchinen noch lange nicht mit derjenigen Vollkommenheit gearbeitet, durch welche ſie ſich in unſeren Tagen auszeichnen. Endlich gab dieſe Art der Beob - achtung nur die Rectaſcenſion der Geſtirne, aber nicht die Decli - nation (Einl. S. 32), alſo nur eine unvollſtändige Beſtimmung des Ortes derſelben am Himmel. Die Declination ließ ſich doch nur wieder durch Hülfe jener Quadranten finden, indem man mit ihnen die Höhe der Geſtirne im Meridian maß, und davon die bereits bekannte Aequatorhöhe ſubtrahirte (I. S. 106), und dazu gewährten jene Quadranten die gewünſchte Sicherheit eben - falls nicht.

Bei dieſer Lage der Dinge entſchloſſen ſich mehrere der beſten Beobachter, die Uhren nur zur allgemeinen Zeitbeſtimmung ihrer übrigen Beobachtungen zu gebrauchen, nicht aber ſie auch zugleich zur Angabe der Rectaſcenſionen anzuwenden, wozu ſie ihnen nicht genau genug ſchienen, da jeder Fehler in der beobachteten Zeit die Fehler in der ſo geſuchten Rectaſcenſion, im Bogen gezählt, ſchon fünfzehnmal größer, alſo z. B. ein Fehlen von einer Zeit - minute die geſuchte Rectaſcenſion ſchon um 15 Bogenminuten, oder um den vierten Theil eines Grades unrichtig machte. Sie251Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſuchten daher die Orte der Planeten am Himmel, an deren Kenntniß dem Beobachter vor allen gelegen iſt, durch andere Mittel zu erhalten und ſie wählten dazu vorzugsweiſe die Beob - achtung der Diſtanzen dieſer Planeten von zwei benachbarten, ihrer Lage nach bereits bekannten Fixſternen. Zu dieſer Abſicht mußten ſie dem Quadranten, ſo wie er oben (I. S. 104) be - ſchrieben wurde, eine etwas veränderte Einrichtung geben. Er mußte nämlich zuerſt mit zwei Fernröhren verſehen werden, von welchen das eine, wie bisher, ſich um den Mittelpunkt C [I. Fig. 7] bewegte, während das andere in der Lage CA mit dem Qua - dranten feſt und unveränderlich verbunden wurde. Zweitens mußte aber auch der ganze Quadrant ABC um den Punkt C, wo er an ſeine Säule oder an ſein Fußgeſtell befeſtiget war, nach allen Richtungen beweglich gemacht werden. Dieß könnte z. B. am einfachſten durch eine ſogenannte Nuß geſchehen, wie ſie in Fig. 10 abgebildet iſt. Auf dem unteren Theile der Säule D, welche den Quadranten trägt, iſt ein metallener Cylinder befeſtiget, der an ſeinem oberſten Ende eine halbe Kugelſchaale C trägt. In dieſe Schaale paßt eine Kugel a, an welche ein hohler Cylinder ab angegoſſen iſt, und in deſſen Höhlung ein innerer Cylinder ab paßt, an deſſen oberſten Ende b das Inſtrument AB oder hier der Quadrant befeſtiget wird. Die Druckſchraube m hält den inneren Cylinder in ſeiner äußeren Hülle feſt, und die Druck - ſchraube n befeſtiget die Kugel in ihrer Kugelſchaale. Wenn man daher die beiden Druckſchrauben m und n öffnet, ſo kann man dem Quadranten AB irgend eine willkührliche, auch geneigte Lage gegen den Horizont geben, und ihn dann, wenn man die beiden Schrauben anzieht, auch in dieſer Lage befeſtigen.

Wenn alſo mit einem ſolchen Inſtrumente die Diſtanz zweier Geſtirne, z. B. die Diſtanz eines Planeten, deſſen Ort man be - ſtimmen will, von einem bereits bekannten Fixſtern beobachtet werden ſoll, ſo bringt man zuerſt die Fläche des Quadranten in die Ebene, welche durch das Auge des Beobachters und durch jene beiden Geſtirne geht, und zwar ſo, daß das fixe Fernrohr des Inſtruments auf das eine dieſer beiden Geſtirne gerichtet iſt.

In dieſer Lage wird der Quadrant mittels jener Druck - ſchrauben befeſtiget, und nun wird auch das andere Fernrohr252Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.längs der Ebene des Quadranten ſo lange bewegt, bis durch daſ - ſelbe auch das andere Geſtirn erſcheint. Man ſieht, daß man auf dieſe Weiſe die Diſtanz der beiden Geſtirne auf dem Quadranten ableſen kann, und daß man dieſelbe am beſten erhalten wird, wenn zwei Beobachter zu gleicher Zeit an dem Inſtrumente be - ſchäftiget ſind, von denen jeder durch eines der beiden Fernröhre ſieht. Uebrigens bemerkt man von ſelbſt, daß man, da man im Allgemeinen die kleineren Diſtanzen vorziehen wird, den Bogen AB auch kleiner, als den vierten Theil eines Kreiſes nehmen kann, wodurch das Inſtrument zu den Beobachtungen bequemer wird. Ein ſolches Inſtrument wird ein aſtronomiſcher Sextant oder Octant genannt, je nachdem der Bogen AB .. 60 oder 43 Grade hat.

Dieſer Art, die Orte der Planeten am Himmel, z. B. ihre Länge und Breite zu finden, bedienten ſich vorzüglich Tycho, Hevel und ſelbſt noch Flamſtead.

Allein auch dieſes Verfahren ſetzt einen ſehr vollkommen ge - bauten und genau getheilten Quadranten voraus, und es iſt über - dieß für den Gebrauch unbequem, da es zwei Beobachter und eine ſehr umſtändliche Berechnung erfordert. Um dieſes zu zeigen, ſeyen (Fig. 11) A und B die beiden Sterne, deren Ort am Him - mel man genau kennt, und durch deren Diſtanzen AC und BC von dem Planeten C man auch den Ort des letzten beſtimmen will. Iſt alſo z. B. P der Nordpol des Aequators, ſo kennt man die beiden Poldiſtanzen AP und BP der Sterne und den Winkel APB d. h. die Differenz ihrer Rectaſcenſionen. Durch die Beobachtung ſind überdieß die Diſtanzen AC und BC gegeben. Sonach kennt man in dem Dreiecke APB die zwei Seiten AP, BP und den von ihnen eingeſchloſſenen Winkel APB, alſo wird man auch daraus durch Rechnung (I. S. 110) die Seite AB und den Winkel x finden können. Dadurch ſind in dem zweiten Dreiecke ABC alle drei Seiten gegeben, alſo wird man auch den Winkel ABC, das heißt den Winkel y = ABC x berechnen können. Auf dieſe Weiſe kennt man aber in dem dritten Dreiecke BPC die beiden Seiten BP und BC nebſt dem eingeſchloſſenen Winkel y, alſo findet man auch daraus durch Rechnung die Seite PC und den Winkel BPC. Es iſt aber PC die geſuchte Poldi -253Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſtanz des Planeten und der Winkel BPC iſt gleich der geſuchten Rectaſcenſion des Planeten, wentger der bereits bekannten Recta - ſcenſion des zweiten Sterns B.

§. 10. (Mauerquadrant.) Da dieſe Rechnungen, wenn ſie oft wiederholt werden, ſehr zeitraubend ſind, ſo dachte man bald auf andere Mittel, dieſelbe Abſicht zu erreichen.

Zuerſt ſuchte man dem Quadranten, auf den man immer wieder zurückzukommen gleichſam gezwungen war, mehr Vollkom - menheit zu geben. Man ſah ein, daß man die Theilung deſſelben, bei einem kleineren Inſtrumente beſonders, nicht mit Genauigkeit auftragen kann, und daß im Gegentheile ſehr große Inſtrumente weder leicht noch ſicher in alle die verſchiedenen Lagen gebracht, und darin erhalten werden können. Man kam daher auf die Idee, viel größere Quadranten in der Ebene des Meridians feſt und unveränderlich aufzuſtellen, und daran die Geſtirne zur Zeit ihrer Kulmination zu beobachten. So entſtand der Mauer - quadrant, der noch in den letzten Decennien des verfloſſenen Jahrhunderts zu den vorzüglichſten und gebräuchlichſten Inſtru - menten der Aſtronomie gehörte.

Der Mauerquadrant ABC (Fig. 12) beſteht aus mehreren ſtarken und unter einander feſt verbundenen Stangen und einem ähnlichen Kreisbogen AB von Metall. Dort wo dieſe Stangen an einander gefügt ſind, in den Punkten m, m, m iſt das ganze Inſtrument durch ſtarke Schrauben an eine, in der Ebene des Meridians errichtete Mauer befeſtiget. Man wird ſich bei dieſen Schrauben leicht eine Vorrichtung denken können, durch welche man das ganze Inſtrument in ſeiner Lage etwas verrücken, und dadurch ganz genau in die Ebene des Meridians bringen kann. Ein Bleiloth BC, oben bei C, an einer Nadelſpitze befeſtiget, wird an dem unterſten Theile B des eingetheilten Randes BA immer denſelben Punkt bedecken, ſo lange die beiden äußerſten Halbmeſſer CA und CB des Quadranten unverändert dieſelbe Lage gegen den Horizont beibehalten. Schlägt der Faden auf einen andern Punkt, ſo wird man von dieſer Abweichung des Quadranten entweder Rechnung tragen, oder ſie auch, durch die - ſelbe Vorrichtung bei den Schrauben m, m .. wieder herſtellen und verbeſſern können. Der Faden dieſes Lothes iſt durch ein254Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ihn umgebendes Gehäuſe vor Luftzug geſchützt, und die zu große Beweglichkeit des Gewichts bei B wird dadurch gehindert, daß man es in einem mit Waſſer gefüllten Gefäße ſchwimmen läßt. Das Fernrohr DE bewegt ſich um den Mittelpunkt O des Qua - branten mit der Fläche deſſelben parallel. Bei der Ocularſeite E iſt es, mittels einer Schraube cd und einer doppelten Metall - platte b mit dem Rande des Inſtruments in Verbindung. Dieſe Platte umfaßt, in der Geſtalt einer Gabel, den Kreisbogen und die beiden Theile derſelben können durch eine eigene Schraube einander genähert werden, wodurch dann das Fernrohr feſt mit dem Kreisbogen AB verbunden wird. Wenn aber dieſe beiden Theile der Platte von einander entfernt werden, ſo läßt ſich das Fernrohr frei um den Mittelpunkt O drehen, und auf einen will - kührlichen Punkt des Quadranten ſtellen und daſelbſt, mittels der erwähnten Schraube bei b ſo befeſtigen, daß man kleine Verrückungen des Fernrohrs noch mittels der Schraube cd her - vorbringen, und dadurch das Fernrohr genau auf den zu beobach - tenden Stern ſtellen kann. Auf der jener Platte b entgegen ge - ſetzten Seite iſt dieſes Fernrohr mit einem kleinen, eingetheilten Metallplättchen a oder mit dem Vernier verbunden, der zur genaueren Beſtimmung der auf dem Kreiſe AB angebrachten Theilſtriche dient, und von dem wir weiter unten ſprechen werden.

Tycho iſt der erſte, der ein ſolches Inſtrument gebraucht hat, das er, als der Erfinder deſſelben, Quadrans Tychonicus nannte. Da er den Halbmeſſer deſſelben ſehr groß annahm, ſo konnte er den Rand deſſelben mittels Transverſalen, wie wir weiter unten ſehen werden, noch bis auf zehn Sekunden eintheilen. Allein dieſe ſo weit getriebene Theilung war ungenau, und man ſieht aus ſeinen Beob - achtungen, daß die Fehler derſelben öfter auf 2 und ſelbſt auf 3 Minuten gehen. Seine nächſten Vorgänger, wie Walther, Regiomontan, Wilhelm IV. und andere, die auf ihre Inſtrumente nicht geringere Mühe und Koſten verwendet hatten, mußten ſich Fehler von 10 Minuten gefallen laſſen, und den Arabern ging es, ihrer ungeheueren Inſtrumente ungeachtet, nicht beſſer. Pto - lemäus verſichert in ſeinem Almageſt, daß ſeine und Hypparch’s Beobachtungen die Winkel bis auf 4 Minuten im Raume, und die Zeit bis auf 8 Zeitminuten genau geben; allein aus den Beobach -255Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.tungen der alexandriniſchen Griechen ſcheinen viel größere Fehler zu folgen.

Wie dem auch ſeyn mag, die große Vollkommenheit unſerer aſtronomiſchen Inſtrumente datirt ſich erſt ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts und unter dieſen wurden beſonders die Mauerquadranten von den engliſchen Künſtlern mit einer bisher ganz unbekannten Genauigkeit verfertiget. Im Jahre 1725 ſchon vollendete Graham einen der erſten und vorzüglichſten Mauer - quadranten von 8 Fuß im Halbmeſſer, an welchem Halley in Greenwich beobachtete. Unter Graham’s Leitung verfertigte Jo - nathan Siſſon einen anderen, mit welchem le Monnier in Paris bis zum Jahre 1751 beobachtete, und der dann nach Berlin ge - bracht wurde, wo Lalande an ihm die Beobachtungen machte, die Lacaille, nach der getroffenen Verabredung, gleichzeitig am Kap der guten Hoffnung anſtellte. Der berühmte Mechaniker Bird in England verfertigte mehrere ausgezeichnete Inſtrumente dieſer Art, einen von 8 engliſchen Fuß im Halbmeſſer für Greenwich, zwei für Oxford, eben ſo viele für Petersburg, Göttingen, Cadix, Mannheim und Paris. Der franzöſiſche Finanzminiſter Bergeret ließ im Jahr 1775 in England einen Mauerquadranten für die Ecole militaire in Paris verfertigen, an dem anfangs d’Agelet viel beobachtete, bis endlich Lalande, der Neffe des bekannten Aſtronomen (Jerome le Français Lalande) ihn benützte, um durch ſeine eifrigen und viele Jahre fortgeſetzten Beobachtungen den erſten vollſtändigen Fixſternkatalog von mehr als 40000 Ster - nen zu geben. (M. ſ. deſſen Histoire céleste, Paris 1801). Kein anderes Inſtrument hatte bisher eine ſo reiche Ernte von nützlichen Beobachtungen geliefert. Ramsden, vielleicht der erſte aller Mechaniker, die je gelebt haben, verfertigte einen großen Mauerquadranten für die Sternwarte in Padua, einen andern für Mailand und für Wilna, und endlich einen für Blenheim in England, welcher letzte ſich auf einer ſoliden verticalen Axe im Horizonte drehen läßt, und überhaupt eines der vollkommenſten Inſtrumente iſt, welches je aus der Hand eines Künſtlers her - vorging.

§. 11. (Entdeckung der Fernröhre.) So vorzüglich aber auch dieſe Inſtrumente, in Beziehung auf die früheren, ſeyn mochten,256Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſo ließen ſie doch für die erhöhten Forderungen der neueren Aſtro - nomie noch gar manches zu wünſchen übrig. Ihr großes Volum machte ſie koſtbar, und zum Gebrauche unbequem, und es war äußerſt ſchwer, wo nicht unmöglich, einen ſo großen Kreisbogen in einer und derſelben Ebene, ohne theilweiſe Biegungen und Krümmungen zu erhalten. Nicht minder ſchwer war es, das Fernrohr in allen ſeinen Lagen der Ebene des Quadranten genau parallel zu machen, und die zwei letzten Urſachen machten das Inſtrument zur Beobachtung der abſoluten Zeitbeſtimmung oder der Rectaſcenſion in der Ebene des Meridians nicht mit der Schärfe geeignet, welche die ſo weit vorgerückten Bedürfniſſe der Wiſſenſchaft zu erfordern ſchienen. Wegen der Unbeweglichkeit des Inſtruments waren die Rectificationen deſſelben beſchwerlich und unſicher. Endlich waren ſie, eben wegen ihrer Größe, den Einwirkungen der Temperatur ausgeſetzt. Die höheren Theile des Obſervationszimmers ſind gewöhnlich wärmer, als die näher an dem Fußboden liegenden, wodurch das Inſtrument oben mehr als unten, und überhaupt in ſeinen verſchiedenen Theilen verſchie - den ausgedehnt wird, was auf die damit angeſtellten Beobach - tungen einen um ſo nachtheiligeren Einfluß haben muß, je ſchwerer es iſt, dieſe Ausdehnung zu bemerken oder von ihren Wirkungen Rechnungen zu tragen.

Dieſe Schwierigkeiten, mit denen die neueren Aſtronomen zu kämpfen hatten, entſprangen vorzüglich aus der Entdeckung eines neuen Inſtrumentes, durch welches unſer edelſter Sinn wunderbar erhöht, und unſere Kenntniß der Erde und des Himmels auf eine Weiſe erweitert wurde, von welchen ſich die Alten keine Vorſtel - lung machen konnten.

Die Ausbildung und Vervollkommnung der Aſtronomie in ihrem ganzen Umfange hängt vorzüglich von drei Gegenſtänden ab. Erſtens von dem Grade der Genauigkeit, mit welcher wir die äußeren Objecte dieſer Wiſſenſchaft, die himmliſchen Körper, ſehen können. Was man nicht oder doch nicht deutlich ſieht, kann man auch nicht oder doch nicht genau beobachten. Mit freien Augen unterſcheiden wir Winkel, die mehrere Minuten unter ſich verſchieden ſind, nicht mehr, alſo wird auch ein Beob - achter mit unbewaffnetem Auge für eine und ſelbſt für mehrere257Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Minuten nicht mehr gut ſtehen können. Dieß war der Fall der alten Griechen und Araber und überhaupt aller Aſtronomen, die mit den neuern Mitteln, die Schärfe unſeres Auges zu ſtärken, unbekannt waren.

Als wir durch eine der glücklichſten Entdeckungen, die dem menſchlichen Geiſte je gelungen iſt, dahin gekommen waren, Ge - genſtände am Himmel zu ſehen, die uns wegen ihres zu geringen Umfanges früher ganz unbemerkbar waren, ſo mußte es unſere nächſte Sorge ſeyn, nun auch unſere Inſtrumente ſo einzurichten, ſo zu vervollkommnen, daß man damit die Größen, die man nun ſehen konnte, auch zu meſſen im Stande war. Wir ſahen jetzt die Durchmeſſer der Planeten, ihre Winkelabſtände von den Fixſternen, ihre Höhen über dem Horizonte oder über dem Aequa - tor bis auf einzelne Sekunden genau, und daraus mußte unmit - telbar der Wunſch entſtehen, dieſe Gegenſtände auch eben ſo genau bis auf die einzelne Sekunde meſſen zu können.

Nachdem endlich auch dieſe Forderung erfüllt war, nachdem durch die vereinigten Bemühungen der größten Künſtler des ver - floſſenen Jahrhunderts unſere Meßwerkzeuge eine Genauigkeit erhalten hatten, daß ſie mit jener wunderbaren Verſchärfung un - ſeres Auges gleichen Gang hielten, nachdem unſere optiſchen ſowohl, als auch unſere meſſenden Inſtrumente auf einen ſo hohen Grad der Vollkommenheit gebracht waren, blieb noch eine andere, dritte Gattung von Inſtrumenten, das Werkzeug des Geiſtes, wenn man ſo ſagen darf, blieb noch die mathemati - ſche Analyſis übrig, die nun auch aus dem Zuſtande der Kind - heit, in welchem ſie uns von unſeren Vorgängern überliefert worden war, zu der Höhe gebracht werden mußte, in welcher ſie die beiden anderen großen Hülfsmittel der Wiſſenſchaft kräftig unterſtützen, oder vielmehr, da ſie unter allen bei weitem die wichtigſte war, in welcher ſie jene beiden leiten und anführen konnte, ſo daß fortan die theoretiſche Aſtronomie mit der prakti - ſchen Hand in Hand auf demſelben Wege ihrer gemeinſamen Vollendung entgegen gehen konnten.

Die Darſtellung der allmähligen Ausbildung dieſer drei Theile der Wiſſenſchaft bildet die wahre Geſchichte der Aſtronomie. Ein völliges Gleichmaaß unter dieſen Theilen würde die Wiſſen -Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 17258Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſchaft zu einer in ſich ſelbſt abgeſchloſſenen Ruhe, zu einer Art von Stagnation bringen, während im Gegentheile das Ueberge - wicht des einen derſelben über die beiden andern Leben und Thä - tigkeit erzeugt, und den menſchlichen Geiſt aufreitzt, das geſtörte Gleichgewicht wieder herzuſtellen, und die Lücken und Mängel, die in den zurückgebliebenen Theilen der Wiſſenſchaft ſichtbar werden, durch neue Anſtrengungen wieder zu erſetzen.

Eine ſolche Aufforderung an den Genius der Menſchheit er - ging, im Anfange des ſiebenzehnten Jahrhunderts, durch die Er - findung des Fernrohrs, dem bald auch die des Mikroſcops folgte, das jenem ſo nahe verwandt iſt. Beide Inſtrumente erweiterten die Gränze unſeres edelſten Sinnes, und dadurch unſere Kenntniß der Natur auf eine wunderbare Weiſe. Zwei neue, bisher ganz ungeahnte Welten ſchloſſen ſie vor uns auf, indem ſie uns Ge - genſtände erkennen ließen, von welchen die einen wegen ihrer zu geringen Kleinheit, und die anderen wegen ihrer zu großen Ent - fernung, uns für immer verborgen geblieben wären.

Wenn es aber erlaubt iſt, dieſe Entdeckung, durch welche der Menſch die ihm von der Natur geſetzten Schranken zu durchbre - chen, und ſich über ſich ſelbſt zu erheben wußte, für ihn ſelbſt in einem hohen Grade ruhmvoll zu halten, ſo muß doch auch hin - zugeſetzt werden, daß er dieſe ſchönſte und glänzendſte ſeiner Ent - deckungen keinesweges dem Scharfſinne oder dem angeſtrengten Nachdenken ſeines Geiſtes, ſondern daß er ſie nur einem Zufalle, einem blinden Ohngefähr, daß er ſie bloß einem abſichtsloſen Spiele zweier Kinder verdankt. Auch möchte es, welche hohe Idee von der geiſtigen Kraft des Menſchen man auch nähren mag, wohl immer für ihn unmöglich ſeyn, auf dem bloßen Wege der theoretiſchen Spekulation zu Entdeckungen ſolcher Art zu ge - langen*)Huygens, der ſelbſt zur Vollendung dieſer Entdeckung ſehr we - ſentlich beigetragen hat, erklärt ſich darüber in ſeiner Dioptrik auf folgende Weiſe: Wenn es je einen Menſchen von ſolcher Geiſteskraft gegeben hätte, daß er durch bloßes Nachdenken und aus geometriſchen Principien auf die Entdeckung des Fernrohrs gekommen wäre, ſo würde ich nicht anſtehen können, ihn für. Nach Borelli’s Erzählung ſoll Zacharias Janſen, ein259Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.bolländiſcher Künſtler, i. J. 1590 auf dieſe Entdeckung gekom - men ſeyn, indem ſeine Kinder unter den vielen vorräthigen Glas - linſen zufällig zwei derſelben zuſammen brachten, und dadurch die entfernten Gegenſtände zu ihrer Verwunderung ſehr vergrößert erblickten. Andere erzählen dieſelbe Anekdote von Jakob Metius, aus Alkmar, oder von Johann Lippersheim aus Middelburg in Holland, die Beide dieſe Entdeckung nahe um dieſelbe Zeit ge - macht haben ſollen.

Ein Stück Kieſelerde mit Potaſche vermiſcht, und ein Spiel der Kinder eines Brillenmachers öffnete uns alſo zwei neue, un - bekannte Welten. Dieſes zufällige Spiel lehrte uns mit dem mikroſcopiſchen Auge der Milbe die Blüthentheile der Mooſe, das kunſtreiche Gewebe und den Farbenſchmelz der Schmetterlings - flügel und jene Geſchöpfe erblicken, die den Waſſertropfen zu Tauſenden bewohnen, und die heerdenweiſe durch das Oehr einer Nadel ziehen, während ſie uns zugleich mit den Augen eines höheren Weſens die fernſten Gränzen unſeres Planetenſyſtems betrachten, und ſelbſt weit jenſeits dieſer Gränzen die zahlloſen Wunder des Himmels kennen lehrte, gegen welche alles, was uns hier unten groß und mächtig erſchien, nur als ein bedeutungsloſes Nichts verſchwindet. Gewiß ein merkwürdiges Beiſpiel, das uns zugleich erheben und demüthigen, aber auch auffordern muß, keine, auch nicht die geringſte Erſcheinung der Natur zu vernachläſſigen, da ſie, obgleich anfangs unbedeutend ſcheinend, doch immer einen Ring mehr in der Kette unſerer Kenntniſſe bilden kann, und daher als ein Schatz von bisher unbekanntem Werthe zu dem großen Vorrathe anderer Schätze, zu demjenigen Erbe gelegt werden ſoll, welches wir unſern Nachkommen mit der Hoffnung überlaſſen können, daß Zeit und Glück auch erſt einen ſpäten Enkel begün -*)ein höheres, über alle Sterblichen weit erhabenes Weſen zu halten. Aber davon ſind wir ſo weit entfernt, daß ſelbſt noch lange nachher unſere größten Gelehrten von dieſer durch einen bloßen Zufall gemachten Entdeckung die wahren Gründe derſelben nicht einmal gehörig angeben können. In der That waren die erſten optiſchen Schriftſteller lange in Verlegenheit, die ein - fachſten Erſcheinungen und Eigenſchaften des Fernrohrs theoretiſch richtig zu erklären.17 *260Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſtigen, und die Koſtbarkeit des hinterlegten Pfandes zu Tage för - dern wird.

§. 12. (Brechung der Lichtſtrahlen durch eine Linſe.) Um die Einrichtung eines Fernrohrs näher kennen zu lernen, wird es angemeſſen ſeyn, zuerſt die Art zu unterſuchen, auf welche die Lichtſtrahlen von einer Glaslinſe gebrochen werden. Wir betrach - ten hier nur ſogenannte biconvexe Linſen MN (Fig. 13) die auf beiden Seiten erhaben geſchliffen, und Stücke von zwei gleichen oder auch verſchiedenen Kugeln ſind, deren Mittelpunkte irgendwo in derſelben geraden Linie aα liegen, welche Linie auch die Axe der Linſe heißt.

Eine ſolche Linſe iſt alſo ein gemeines Brennglas, das Jedermann kennt und auch zu brauchen weiß. Wenn man näm - lich die eine der beiden Flächen dieſes Glaſes der Sonne ausſetzt, ſo daß die Strahlen derſelben nahe ſenkrecht auf dieſe Fläche fallen, ſo bemerkt man auf der anderen Seite der Linſe, in einiger Entfernung von ihr, einen kleinen, runden, lichten Kreis, den man den Brennpunkt der Linſe nennt, weil er in der That eine große Hitze äußert, und die Gegenſtände, auf die er fällt, in Brand ſetzt. Dieſer Brennpunkt liegt aber, wie man ſich leicht über - zeugen kann, immer in der Axe der Linſe, und iſt in der That nichts anderes, als das Bild der Sonne, wie man deutlich ſehen kann, wenn man dieſelbe Linſe vor die Oeffnung eines verfin - ſterten Zimmers ſtellt, und auf der inneren Seite, in derſelben Entfernung von der Linſe, eine weiße Tafel vorſtellt, wo ſich dann von den entfernten äußeren Gegenſtänden, z. B. von den andern Häuſern der Stadt, die Bilder derſelben auf der Tafel zeigen. Je weiter jene Häuſer von der Linſe entfernt ſind, deſto deutlicher erſcheinen ihre Bilder, wenn die Tafel in der That eben ſo weit, wie oben bei der Sonne, von der Linſe abſteht, während die näher ſtehenden Häuſer undeutlich, und endlich ganz unkennt - lich werden. Wir müſſen daher annehmen, daß die von den ent - fernten Gegenſtänden ausgehenden, und die ganze Vorderfläche der Linſe bedeckenden Lichtſtrahlen, bei dem Durchgange derſelben durch die Linſe gebrochen, und hinter der anderen Seite der Linſe ſo vereiniget werden, daß alle diejenige Strahlen, welche von einem beſtimmten Punkte des Gegenſtandes, z. B. von der Spitze261Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.eines Thurmes ausgingen, ſich wieder in einem einzigen beſtimm - ten Punkte ſammeln, und eben dadurch das Bild dieſer Thurm - ſpitze bilden, und daſſelbe wird auch von jedem andern Punkte des Thurmes gelten müſſen, weil ſonſt das Bild deſſelben nicht ſo rein und deutlich ſeyn könnte, wie es in der That erſcheint.

Wenn alſo der äußere Gegenſtand, wie ein entfernter Thurm oder die noch viel mehr entfernte Sonne, ſehr weit von der Linſe abſteht, ſo liegt das Bild derſelben immer in dem Brennpunkte der Linſe. In dieſem Falle können aber alle Strahlen, welche von dieſem Gegenſtande auf die Linſe fallen, als unter einander parallel angeſehen werden, obſchon eigentlich jeder einzelne Punkt des leuchtenden Körpers immer nur divergirende Strahlen aus - ſendet, ſo daß alſo für parallel auffallende Strahlen, der Ort des Bildes immer in dem Brennpunkte der Linſe iſt.

Wenn aber der Gegenſtand näher an die Linſe rückt, ſo daß gegen ſeine Entfernung die Größe der Linſe nicht mehr als un - bedeutend angeſehen werden kann, ſo wird die Divergenz der auf die Linſe fallenden Strahlen auch nicht mehr unmerklich ſeyn, man wird dieſe Strahlen nicht mehr als unter ſich parallel an - nehmen können, und dann wird auch die Brechung derſelben, bei ihrem Durchgange durch die Linſe, eine andere ſeyn, als zuvor, d. h. das Bild des näher gerückten Gegenſtandes wird, zwar noch in die Axe der Linſe, aber nicht mehr in den Brennpunkt der - ſelben fallen, und überdieß auch nicht mehr dieſelbe Größe haben, wie zuvor.

Es iſt intereſſant zu ſehen, welches, für jeden gegebenen Ge - genſtand, der Ort und die Größe ſeines Bildes ſeyn wird. Dieſe Frage läßt ſich aber auf folgende ſehr einfache Weiſe beantworten.

Wir wollen zuerſt die Dicke der Linſe als unbedeutend über - ſehen, da ſie in der That auf die Antwort, die wir ſuchen, nur einen ſehr geringen Einfluß hat, und bloß bemerken, daß von allen Strahlen, die von irgend einem Punkte eines nahen oder fernen Gegenſtandes auf die Linſe fallen, immer einer nicht ge - brochen wird, nämlich derjenige, der durch den Mittelpunkt C der Linſe durchgeht, und daher der Hauptſtrahl jenes Punktes heißt. Die Urſache, warum dieſer Strahl von der Linſe keine262Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Brechung erleidet, ſondern nach ſeinem Durchgange durch dieſelbe ſeinen Weg in derſelben Richtung fortſetzt, liegt offenbar in dem Umſtande, daß die beiden Orte der Linſe, wo der Hauptſtrahl in ſie tritt, und wo er ſie wieder verläßt, in ihren Krümmungen einander parallel ſind, und daß ſie daher keine Abweichung des Strahls von ſeinem Wege hervorbringen können.

Es ſey nun ACa die Axe und C der Mittelpunkt der Linſe MN (Fig. 13), und AB ein auf dieſer Axe ſenkrecht ſtehender Ge - genſtand, deſſen Größe AB und Entfernung AC von der Linſe gegeben iſt, und deſſen Bild man ſucht.

Wenn die auf die Linſe auffallenden Strahlen alle unter ſich, und mit der Axe Aa parallel wären, ſo würden ſie, nach dem Vorhergebenden, nach ihrer Brechung ſich alle in dem Brenn - punkte der Linſe vereinigen. Sey p dieſer Brennpunkt, deſſen Ort man alſo, durch das oben erwähnte einfache Experiment mit der Sonne, leicht finden kann.

Was nun den unterſten Punkt A des Gegenſtandes AB be - trifft, der in der Axe der Linſe liegt, ſo wird ſein Bild, auf der anderen Seite der Linſe, ebenfalls irgendwo in der Axe liegen müſ - ſen, weil der Hauptſtrahl AC deſſelben in der Axe liegt, alſo durch den Mittelpunkt der Linſe geht, und daher gar nicht gebrochen wird.

Zieht man nun auch durch den höchſten Punkt B des Gegen - ſtandes, und durch den Mittelpunkt C der Linſe die gerade Linie BC, ſo wird dieſe Gerade den Hauptſtrahl dieſes oberſten Punk - tes B vorſtellen, und da ſich überhaupt von jedem Punkte des Objekts alle von ihm ausgehenden Strahlen wieder in einem ein - zigen Punkte vereinigen ſollen, ſo wird dieſer Vereinigungspunkt der von B ausgehenden Strahlen, oder ſo wird das Bild des höchſten Punktes B irgendwo in dem Hauptſtrahl BC oder deſſen Verlängerung ſeyn müſſen. Um daher den Punkt in der Linie BC zu finden, in welchem das Bild des Punkes B liegt, ſo wollen wir bemerken, daß von allen den Strahlen, die dieſer Punkt B divergirend ausſendet, auch ein mit der Axe AC parallel liegen - der Strahl ſeyn muß. Sey Bo dieſer mit AC parallele Strahl. Da nun, nach dem Vorhergehenden, jeder mit der Axe parallel einfallende Strahl, nach ſeiner Brechung, durch den Brennpunkt263Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.p der Linſe gehen muß, ſo wird op den mit AC parallelen Strahl des höchſten Punktes B, nach ſeiner Brechung vorſtellen.

Demnach muß das geſuchte Bild des Punkes B ſowohl in der Linie BC, als auch in der Linie op, alſo muß dieſes Bild in dem gemeinſchaftlichen Durchſchnittspunkte b dieſer beiden Linien BC und op ſeyn. Da nun, der Vorausſetzung gemäß, der Gegenſtand AB auf der Axe ſenkrecht ſteht, ſo wird auch das Bild ab auf derſelben ſenkrecht ſtehen, und da man das Bild b des höchſten Punktes B ſchon kennt, ſo darf man nur von dieſem Punkte b eine Senkrechte ba auf die Axe AC der Linſe ziehen, um ſofort die Größe ba als auch die geſuchte Entfernung Ca des Bildes von der Linſe zu erhalten.

Man wird alſo, um das Vorhergehende kurz auszudrücken, durch irgend einen Punkt B des Gegenſtandes zwei Gerade ziehen, von welchen die eine BC durch den Mittelpunkt der Linſe, und die andere Bo mit der Axe der Linſe parallel iſt. Zieht man dann durch den Punkt o und durch den bekannten Brennpunkt p der Linſe eine Gerade op, welche verlängert die vorige Gerade BCb in dem Punkte b ſchneidet, ſo iſt b das geſuchte Bild des Punkes B.

Man muß ſich nämlich, dem Vorhergehenden gemäß, vor - ſtellen, daß alle von dem Punkte A auf die Linſe fallende, und dieſelbe gleichſam bedeckende Strahlen, nach ihrer Brechung, ſich ſämmtlich in dem Punkte a vereinigen, und da das Bild von A erzeugen. Und eben ſo werden auch alle die von dem höchſten Punkte B des Gegenſtandes auffallende Strahlen nach ihrer Brechung ſich in dem Punkte b vereinigen, um hier das Bild des Punktes B zu machen, und daſſebe gilt auch von allen den übrigen zwiſchen A und B liegenden Punkten, deren Bilder alle zwiſchen a und b in der auf die Axe ſenkrechten Linie ab liegen werden. In der Zeichnung ließen ſich alle Strahlen eines jeden Punktes nicht ausdrücken, da es ihrer in der That für jeden Punkt unzählige gibt, ſondern man hat von ihnen nur die - jenigen angeführt, deren Lage zur Auffindung des Bildes noth - wendig ſind.

Mit Hülfe dieſer Zeichnung wird man alſo für jede gegebene Größe und Entfernung des Gegenſtandes die Größe und Ent -264Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.fernung des Bildes in allen Fällen beſtimmen*)Noch genauer und allgemeiner läßt ſich dieß durch die einfach - ſten Vorſchriften der Algebra thun. Nennt man AC = a die Entfernung und AB = b die Größe des Gegenſtandes, ſo wie Ca = α die Entfernung und ab = β die Größe des Bildes und Cp = p die Brennweite der Linſe, ſo hat man wegen der Aehnlichkeit der Dreiecke Cop nnd pab, ſo wie auch wegen der Aehnlichkeit der Dreiecke ABC und abc die Proportionen Co: Cp = ab: ap und AB: AC = ab: aC oder b: p = β: α p und b: a = β: α das heißt, man hat die Gleichungen 〈…〉 und 〈…〉 Eliminirt man aus dieſen zwei Gleichungen die Größe α oder β ſo erhält man 〈…〉 und 〈…〉 und von dieſen zwei Ausdrücken gibt die erſte die Entfernung α, und die zweite die Größe β des Bildes.. Nimmt z. B. die Entfernung AC des Gegenſtandes von der Linſe zu, ſo nimmt die Größe ab ſowohl, als auch die Entfernung aC des Bildes ab, und a rückt dem Brennpunkte p näher. Wird die Entfer - nung AC des Gegenſtandes, wie bei der Sonne, unendlich groß, ſo fällt das Bild a in den Brennpunkt p, übereinſtimmend mit dem Vorhergehenden, da jetzt die von dem Gegenſtande auf die Linſe fallenden Strahlen unter ſich parallel ſind. Rückt umge - kehrt der Gegenſtand A näher an die Linſe, ſo entfernt ſich das Bild a von derſelben, und wird zugleich immer größer, und zwar ſo lange, bis der Gegenſtand in die Entfernung Cp 'gleich Cp kommt oder bis er in der Entfernung der Brennweite ſteht, wo dann das Bild in einer unendlichen Entfernung auf der andern Seite der Linſe ſteht, weil jetzt die aus p' auf die Linſe fallenden Strahlen, nach ihrer Brechung, unter ſich parallel werden. Ein ſehr weit entfernter Gegenſtand hat demnach ſein Bild im Brenn - punkte der Linſe, und ein im Brennpunkte ſtehender Gegenſtand hat ſein Bild in einer unendlichen Entfernung, oder von einem in dem Brennpunkte p' ſtehenden Gegenſtand werden alle Strahlen265Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.durch die Linſe in einer unter ſich parallelen Lage gebrochen. Uebrigens bemerkt man auch ohne meine Erinnerung, daß in allen den erwähnten Fällen das Bild des Gegenſtandes immer verkehrt iſt, indem das Bild b des höchſten Punktes des Ge - genſtandes am tiefſten unter der Axe ACa der Linſe liegt.

§. 13. (Einrichtung der Fernröhre.) Nach dieſer Erläuterung der Wirkung einer einfachen Linſe wird es nun leicht ſeyn, die Einrichtung der Fernröhre zu überſehen. Die einfachſten dieſer optiſchen Inſtrumente beſtehen aus zwei Linſen, die an den beiden Enden einer Röhre ſo angebracht ſind, daß ihre Axen ſowohl, als auch ihre Brennpunkte zuſammen fallen.

Sey Ee (Fig. 14) der Gegenſtand in einer ſehr großen Ent - fernung von der erſten größeren Linſe MAN oder von dem Ob - jektive, und bab 'die kleinere Linſe oder das Ocular. Sey EAa die gemeinſchaftliche Axe der beiden Linſen, und in dieſer Axe endlich F ihr gemeinſchaftlicher Brennpunkt.

Schon aus dieſer Stellung der beiden Linſen folgt, daß die von einem ſehr weit entfernten Gegenſtande Ee, alſo die mit der Axe parallel auf das Objektiv MN auffallenden Strahlen ihr Bild in dem Brennpunkte F dieſes Objektivs haben werden. Da aber dieſes Bild in F für die Ocularlinſe bb 'die Stelle des Ge - genſtandes vertritt, und da dieſer Gegenſtand F in dem Brenn - punkte der Ocularlinſe liegt, ſo werden (nach §. 12) die Licht - ſtrahlen nach der Brechung durch das Ocular bb', unter ſich parallel in das Auge O des Beobachters treten, und dieß iſt die erſte wichtige Eigenſchaft des Fernrohrs, da ein wohlgebautes Auge die Gegenſtände nur dann deutlich ſieht, wenn die von jedem Punkte deſſelben ausgehenden Strahlen unter ſich parallel ſind. Allein dieſes Inſtrument gewährt noch andere, wichtigere Vor - theile, die wir ſogleich näher kennen lernen werden.

Der in der Axe liegende Punkt E des hier als ſehr entfernt angenommenen Gegenſtandes wirft eine Anzahl mit der Axe Aa paralleler Strahlen auf das Objektiv MN, welche dieſe Linſe gleichſam ganz bedecken, und welche ſich, nach ihrer Brechung durch das Objektiv, in dem Brennpunkte F deſſelben vereinigen, und daſelbſt das Bild jenes Punktes E entwerfen. Von F gehen dann dieſe Strahlen divergirend auf das Ocular bb 'aus welchem266Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſie, nach ihrer zweiten Brechung unter ſich parallel heraustreten. Da der Hauptſtrahl EAFO dieſes Punktes E die Mitte A und a der beiden Linſen, alſo ungebrochen durchgeht, ſo iſt Ea oder aO die Richtung aller dieſer von E kommenden, nach der zweiten Brechung unter ſich parallelen Strahlen.

Betrachten wir nun eben ſo auch den äußerſten Punkt E des Gegenſtandes Ee, oder den, der von der Axe am meiſten entfernt iſt. Dieſer Punkt e ſchickt ebenfalls eine Anzahl unter ſich paral - leler, alſo auch, da Ee gegen die Entfernung EA ſehr klein iſt, mit der Axe Aa paralleler Strahlen auf das Objektiv, die ebenfalls das Objektiv gleichſam bedecken, und daher, nach ihrer Brechung durch das Objektiv, ſich in irgend einem Punkte f vereinigen, welcher Punkt f daher das Bild von dem Punkte e ſeyn wird. Da aber der Hauptſtrahl des Punktes e, nämlich der Strahl eA, ungebrochen durch die Mitte A des Objektivs hindurchgeht, ſo findet man den Punkt f, wenn man in dem Brennpunkte F des Ob - jektivs ein Loth auf die Axe Aa errichtet, wo dann der Durch - ſchnittspunkt dieſes Lothes Ff mit jenem Hauptſtrahle eaf den geſuchten Ort f des Bildes von e, und überhaupt das Loth Ff das Bild des Gegenſtandes Ee geben wird. Dieſes Bild Ff wird aber, wie man aus §. 12 ſieht, im Allgemeinen deſto kleiner ſeyn, je kleiner die Brennweite AF der erſten Linſe MN gegen ihre Entfernung AE von dem Gegenſtande iſt. Von dieſem Ver - einigungspunkte f aller von e kommenden Strahlen fallen dann dieſe Strahlen wieder divergirend auf das Ocular bb 'und treten, da ſie aus dem Brennpunkte f (oder da das ganze Bild Ff ſehr klein iſt) ſehr nahe aus dem Brennpunkte F des Oculars kom - men, nach ihrer Brechung durch dieſes Ocular bb', unter ſich parallel aus dem Oculare heraus. Um aber auch hier die ge - meinſchaftliche Richtung aller dieſer parallelen Strahlen zu erfah - ren, ziehe man den Strahl fa, der, als Hauptſtrahl des Punktes f, ungebrochen durch die Mitte a des Oculars gehen muß, und der daher die geſuchte Richtung aller der von f kommenden, nach ihrer Brechung unter ſich parallelen Strahlen anzeigt.

Zieht man daher durch den äußerſten Rand b des Oculars die gerade Linie bO parallel mit fa, ſo wird der Punkt O der Axe der Ort des Auges ſeyn, in welchem daſſelbe alle von dem267Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Gegenſtande Ee kommende Strahlen überſehen kann, ſo wie zu - gleich der Winkel aOb = Faf derjenige Winkel ſeyn wird, unter welchem das Auge des Beobachters in O, durch das Fernrohr, den Gegenſtand Ee, oder eigentlich das Bild Ff deſſelben, ſehen wird.

Ein unbewaffnetes, freies Auge in O aber würde den Gegen - ſtand nur unter dem viel kleineren Winkel EOe (oder was hier, wegen der gegen AO ſehr großen Entfernung EA daſſelbe iſt), unter dem Winkel EAe = FAf ſehen, und in dieſem Unterſchiede der beiden Sehwinkel Faf und FAf beſteht der zweite und weſent - lichſte Vortheil dieſer Inſtrumente, indem man durch ſie alle Ge - genſtände unter viel größeren Winkeln, alſo dieſe Gegenſtände ſelbſt viel größer ſieht, als mit freien Augen.

Es iſt leicht, den Grad dieſer Vergrößerung genau anzugeben. Da nämlich die beiden bei F rechtwinkligen Dreiecke FAf und Faf die Seite Ff gemeinſchaftlich haben, ſo verhalten ſich in ihnen die Winkel bei f und F, wie die Seiten FA und fa, oder man hat, wenn man durch m die Vergrößerung des Fernrohrs anzeigt, 〈…〉 das heißt, das Fernrohr vergrößert die Gegenſtände ſo vielmal, als die Brennweite aF des Oculars in der Brennweite AF des Objektivs enthalten iſt. Um daher recht ſtark vergrößernde Fernröhre zu erhalten, wird man ein Objektiv von recht großer Brennweite wählen und es mit einem Oculare von einer ſehr kleinen Brennweite verbinden. Iſt z. B. die Brennweite des Ob - jektivs 10 Fuß oder 120 Zolle, und die des Oculars nur 1 / 10 Zoll, ſo wird die Vergrößerung eines ſolchen Fernrohrs 1200 ſeyn, oder man wird damit alle Gegenſtände unter einem 1200mal größeren Winkel ſehen, als mit freien Augen.

§. 14. (Allmählige Verbeſſerungen der Fernröhre.) Das ſo eben beſchriebene Fernrohr iſt das einfachſte ſeiner Art. Es zeigt, wie man ſchon aus der Zeichnung ſieht, die Gegenſtände, die man dadurch betrachtet, in einer verkehrten Lage, ſo daß die oberen Theile deſſelben unten, und die rechts ſtehenden links erſcheinen. Dieſen Uebelſtand hat man aber für aſtronomiſche Beobachtungen mit Recht als geringfügig betrachtet, da die Gegenſtände des Himmels beinahe alle eine runde Geſtalt haben.

268Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Dieſe verkehrte Lage des Bildes läßt ſich aber beſeitigen, wenn man nicht, wie bisher vorausgeſetzt wurde, beide Linſen biconvex, oder auf beiden Seiten erhaben, ſondern wenn man die Ocularlinſe auf einer oder auch auf beiden Seiten hohl ſchleift, wie ſich leicht durch eine einfache Zeichnung nachweiſen ließe. Auf dieſe Weiſe ſind noch unſere Theaterteleſcope eingerichtet, und dieſe ſind es auch, die von den oben erwähnten holländiſchen Künſtlern zuerſt erfunden worden ſind, daher man ſie auch hol - ländiſche Fernröhre zu nennen pflegt, während das in §. 13 be - ſchriebene mit zwei biconvexen Linſen, nach ſeinem Erfinder, das Keplerſche oder auch das aſtronomiſche Fernrohr heißt.

Ein größerer Nachtheil dieſer aſtronomiſchen Fernröhre beſtand darin, daß man damit nur einen ſehr kleinen Theil des Himmels mit einem Blicke überſehen konnte, einen um ſo kleineren, je ſtärker die Vergrößerung des Inſtruments iſt. Allein dieſen Nachtheilen half man bald dadurch ab, daß man das Ocular verdoppelte, oder daß man dem in §. 13 beſchriebenen Oculare bb 'in einer geringen Entfernung von demſelben noch eine convexe Linſe hinzufügte, wodurch das Feld des Fernrohrs ſehr vergrößert wird.

Nicht ſo leicht war es, einem anderen, für den Gebrauch dieſer Inſtrumente ſehr wichtigen Fehler derſelben zu begegnen. Es iſt nämlich nicht ganz richtig, daß die von einem Punkte des Gegenſtandes auf das Objektiv fallenden Strahlen, durch die Brechung dieſes Objektives, wieder genau in einem einzigen Punkt vereinigt werden, wenn anders dieſe Objektivlinſe, wie wir oben vorausgeſetzt haben, von zwei Kugelflächen begränzt wird. Zwar läßt ſich durch Rechnung die Geſtalt finden, welche die Ober - flächen dieſer Linſen haben ſollten, um alle parallel auf ſie fal - lende Strahlen wieder in einen einzigen Punkt zu vereinigen. Aber unſere Künſtler haben keine Mittel, jene Flächen mit der hier nöthigen Genauigkeit zu erzeugen, und ſie ſind gezwungen, bei der Kugelfläche zu bleiben, die ſie allein mit Schärfe darzuſtellen im Stande ſind. Da nun bei ſolchen kugelförmigen Linſen die von einem Punkte des Gegenſtandes kommenden Strahlen, wenn ſie nahe bei dem Mittelpunkte der Linſe einfallen, einen andern Vereinigungspunkt haben, als wenn ſie näher bei dem Rande die Linſe treffen, ſo entſtehen eigentlich in jedem Gegenſtande mehrere269Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nahe an und über einander liegende Bilder, von welchen das Auge keines deutlich ſehen kann. Dieſer Fehler, den man die ſphäriſche Abweichung nennt, war deſto größer, je ſtärker die Vergrößerung, und je größer das Objektiv des Fernrohrs war. Aus dieſer Urſache findet man die Objektive vieler älterer Fernröhre mit einem ihren Rand bedeckenden Ringe verſehen, um das Objektiv dadurch gleichſam kleiner, und jenen Fehler unſchäd - licher zu machen. Allein dieſen Vortheil, wenn er ſo genannt werden kann, erlangte man nur auf Koſten eines anderen noch wichtigeren. Es iſt nämlich für ſich klar, daß man die Gegen - ſtände durch ein Fernrohr deſto heller ſehen wird, je mehr Licht von dem Gegenſtande auf das Objekt fällt, d. h. je größer das Objektiv iſt. Eine Verkleinerung deſſelben wird alſo das Bild deſſelben dunkel und lichtſchwach machen, und dieſer Fehler wird deſto mehr fühlbar werden, je ſtärker die Vergrößerung des Fern - rohrs iſt.

Dazu kam noch ein anderes Hinderniß, das anfangs ganz unüberſteiglich ſchien. Es iſt nämlich bekannt, daß jeder einzelne an ſich weiße Lichtſtrahl aus vielen anderen beſteht, die ſich durch eigene Farben unter einander kenntlich machen (II. S. 10). Dieſe einzelnen farbigen Strahlen haben aber die für die Verfer - tigung der Fernröhre ſehr nachtheilige Eigenſchaft, daß jeder der - ſelben durch die Linſe des Objektivs auf eine andere Weiſe ge - brochen wird, ſo daß nun, ſtatt einem einzigen deutlichen und weißen Bilde des Gegenſtandes, eine Anzahl verſchiedener farbiger Bilder deſſelben entſteht, die dem Deutlichſehen noch hinderlicher ſind, als die ſo eben erwähnten, von der Kugelgeſtalt der Gläſer kommenden Strahlen. Dieſen Fehler der Fernröhre nennt man die Farbenabweichung, und er ſchien ſo weſentlich mit der Natur der Sache zuſammenzuhängen, daß ſelbſt Newton daran verzweifelte, und von den Fernröhren dieſer Art ganz abgehend, ſeine Zuflucht zu andern nahm, wo dieſe Glaslinſen durch Metall - ſpiegel erſetzt wurden. Seitdem hat man dieſe Spiegelteleſcope oder Reflectoren, wie man ſie auch nennt, zu einer ſehr großen Vollkommenheit gebracht, während die ſo ſehnlich gewünſchte Verbeſſerung der Refractoren, oder der Fernröhre mit Glaslinſen, durch jene Anſicht des großen Mannes, zu der er durch einen270Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſonderbaren Fehlſchluß verleitet worden war, lange Zeit aufgehal - ten wurde.

Leonhard Euler war der erſte, der aus der Einrichtung des menſchlichen Auges den Schluß zog, es müſſe möglich ſeyn, jene beiden Fehler der Fernröhre, durch eine zweckmäßigere Einrichtung dieſer Inſtrumente, aufzuheben, weil ſie die Natur in unſerem Auge in der That gehoben hat. Er ſchlug zu dieſem Zwecke, nach der Analogie der inneren Einrichtung des Auges, zwei Glaslinſen vor, welche zwiſchen ihren inneren concaven Flächen verſchiedene Flüſſigkeiten enthalten ſollten. Er ſtellte darüber nicht ſowohl praktiſche Verſuche, die hier vorzüglich erfordert wurden, ſondern bloß theoretiſche Unterſuchungen an. Im Jahre 1747 theilte er ſeine Berechnung eines ſolchen farbenloſen oder achromatiſchen Fernrohrs mit, wo er zu der in ihm enthaltenen Flüſſigkeit Waſſer gewählt hatte. Der größte Künſtler ſeiner Zeit, John Dol - lond, ſuchte auch dieſen Verſuch praktiſch auszuführen, aber da ihm ſeine erſten Bemühungen mißlangen, ſo gab er die Sache bald auf, um ſo mehr, da er Newton’s Anſicht, daß fehlerfreie Refractoren ganz unmöglich wären, auch zu der ſeinigen gemacht hatte.

Erſt i. J. 1754 zeigte Klingenſtierna, ein ausgezeichneter ſchwediſcher Geometer, daß Newton ſich in ſeinem Schluſſe geirrt habe, und dadurch aufgemuntert, nahm Dollond ſeine früheren Verſuche wieder vor. Allein ſtatt der Flüſſigkeiten, die Euler vor - geſchlagen hatte, wählte er zwei verſchiedene Glasarten, die in England unter den Namen des Kron - und Flint-Glaſes bekannt ſind. Mehr durch eine Art dunklen Gefühls, als durch mathe - matiſche Schlüſſe, deren Hülfe er nicht zu Rathe ziehen konnte, fand er endlich, daß ſich der Zweck, ein fehlerfreies Objektiv zu erhalten, dadurch erreichen laſſe, daß man daſſelbe aus zwei nahe an einander geſtellten Linſen, einer biconvexen von Kronglas und einer concaven von Flintglas, verfertigte. So gelang es ihm nach vielen darüber angeſtellten Verſuchen i. J. 1758, das erſte achromatiſche Fernrohr von fünf Fuß Länge zu Stande zu bringen. Es wurde mit allgemeinem Beifall aufgenommen, da es in ſeinen Wirkungen die beſten bisher bekannten Fernröhre von viel größerer Länge weit übertraf. Er verwendete die letzten drei Jahre ſeines271Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Lebens zur Vervollkommnung ſeiner Entdeckung, die er noch ſehr weit zu führen die gewiſſe Hoffnung hatte, und überließ ſie endlich ſeinem Sohne Peter Dollond, der ihr in Verbindung mit Ramsden die Vollendung gab, die wir am Ende des verfloſſenen Jahrhun - derts an dieſem Inſtrumente zu bewundern Gelegenheit hatten.

Euler im Gegentheile, der anfangs an die glücklichen Erfolge des engliſchen Künſtlers kaum glauben konnte, da er die Brech - barkeit und Farbenzerſtreuung jener zwei Glasarten für viel zu wenig verſchieden hielt, um darauf ſo große Wirkungen zu grün - den, ſuchte, als er die mechaniſche Ausführung der achromatiſchen Fernröhre nicht weiter bezweifeln konnte, nun auch von ſeiner Seite die Theorie dieſer Inſtrumente zu fördern. Er machte die Reſultate ſeiner Unterſuchungen in den Memoiren der Akade - mie zu Berlin und Petersburg, und endlich in einem eigenen, größeren Werke, in ſeiner Dioptrik (Petersb. 1769), öffentlich be - kannt. Seitdem haben wir von Clairaut, d’Alembert, Klügel u. a. mehrere treffliche Bearbeitungen dieſes Gegenſtandes erhalten.

In den neueren Zeiten haben ſich unter den optiſchen Künſt - lern vorzüglich Fraunhofer in München und Plößl in Wien aus - gezeichnet. Die größte Schwierigkeit, die ſich der Verfertigung vollkommener Objektive von bedeutendem Umfange entgegenſetzt, beſteht in der Bereitung großer Stücke reinen, wellenfreien Glaſes, beſonders des Flintglaſes, welches, wegen der dabei ſtatt habenden Beimiſchung von Blei, nur ſelten in ganz gleichförmigen homogenen Maſſen erhalten werden kann. Auch ſind die Ver - hältniſſe, mit welchen jene zwei Glasarten die Lichtſtrahlen brechen, in der That ſehr wenig von einander verſchieden, da ſie nur zwi - ſchen den engen Gränzen von 1 5 / 10 und 1 6 / 10 enthalten ſind. Noch enger ſind die Gränzen für die Farbenzerſtreuungen dieſer beiden Glasarten. Es iſt aber keinem Zweifel unterworfen, daß andere Glasgattungen, welche, in dieſen beiden Beziehungen, größere Verſchiedenheit hätten, auch viel beſſere Mittel zur Fer - tigung vollkommener Fernröhre darbieten würden, da auf dieſen Verſchiedenheiten die Aufhebung der beiden oben erwähnten Fehler vorzüglich beruht. Da das Blei in größerer Quantität ſich nicht gut mit den übrigen Beſtandtheilen des Glaſes zu einer homogenen Maſſe vermiſcht, ſo hat man verſchiedene andere Beimiſchungen272Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom Inſtrumente.von Zink, Wismuth, Baryt u. ſ. w. zu dieſem Zwecke vorge - ſchlagen. Unter der Vorausſetzung einer ſolchen, von den bishe - rigen in jenen zwei Beziehungen mehr verſchiedenen Glasart hat man bereits i. J. 1827 theoretiſche Unterſuchungen über die aus ſolchen Glasgattungen beſtehenden Fernröhre angeſtellt, und ge - funden*)Zeitſchrift für Phyſik und Mathematik von Baumgartner. Wien. Band IV. S. 257, und neue Folge. Band III. S. 57., daß bei ihnen die beiden Linſen, aus welchen das Objektiv beſteht, nicht mehr nahe im Kontakt, ſondern daß ſie in beträchtlicher Entfernung von einander geſtellt werden müſſen, um ihre größte Wirkung zu äußern, ſo zwar, daß die zweite Linſe bei günſtigen Verhältniſſen der Glasarten, nahe in die Mitte des ganzen Fernrohrs zu ſtehen kömmt. Wegen dieſer Trennung der beiden Objektivlinſen hat man dieſe Fernröhre dialytiſche genannt. Der bereits erwähnte treffliche Optiker Plößl in Wien hat auch bereits mehrere derſelben ausgeführt, die nach dem ein - ſtimmigen Urtheile der Kenner die bisherigen achromatiſchen Fern - röhre von gleichen Dimenſionen weit übertreffen. Da ihm, ſo wie überhaupt allen optiſchen Künſtlern, jene neuen Glasarten noch fehlen, ſo hat er den Verſuch gemacht, die zweite, innere Linſe, die aus der neuen Glasart verfertiget werden ſollte, durch eine eigens conſtruirte Doppellinſe von Kron - und Flintglas zu erſetzen, und obſchon der Verſuch ſehr glücklich ausfiel, ſo würde doch, wie man nicht zweifeln kann, eine einfache Linſe, deren Glas die zu dieſem Zwecke erforderlichen Eigenſchaften im hohen Grade beſäße, noch glänzendere Reſultate geben. Die Vortheile, welche dieſe dialytiſchen Fernröhre gewähren, beſtehen vorzüglich darin, daß die zweite oder die Flintglas-Linſe bis auf ihre Hälfte und ſelbſt darüber verkleinert wird, wodurch die Bereitung homogener Stücke dieſes Glaſes ſehr erleichtert, und der bisherige hohe Preis dieſer Inſtrumente ſehr vermindert wird; daß ferner die Länge der Fernröhre durch die neue Einrichtung bedeutend, ſelbſt bis auf die Hälfte derſelben, vermindert werden kann, wodurch nun auch Objektive von acht, zehn und mehr Zollen im Durchmeſſer an unſeren eigentlichen aſtronomiſchen Meßinſtrumenten angebracht werden können, was bisher, wegen der zu großen Länge ſolcher273Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Fernröhre, nicht gut ausgeführt werden konnte, und daß endlich dadurch dieſe neuen optiſchen Inſtrumente an Schärfe und Licht - ſtärke ſehr gewinnen, weil die Lichtſtrahlen, nach ihrem Durchgange durch die zweite Objectivlinſe, ſich unter viel größeren Winkeln als bisher zu dem Bilde vereinigen, und dadurch dem Bilde ſelbſt mehr Präciſion und eine ſchärfere Begränzung geben.

Auch die frühere Idee Eulers, ſtatt der Gläſer beſondere Flüſſigkeiten zu wählen, hat man in den neueren Zeiten auszu - führen geſucht. Blair und Brewſter i. J. 1813 in London, Gi - rard 1822 in Wien, Barlow 1828 und nahe um dieſelbe Zeit auch Rogers in Edinburg haben ſolche Verſuche angeſtellt, die, nach den darüber erhaltenen Nachrichten, ſehr glücklich ausgefallen ſind. Zu dieſen aplanatiſchen Fernröhren, wie man ſie nennt, hat Brewſter das ätheriſche Oel von Caſſia und Saſſafras, ſpäter aber vorzugsweiſe Schwefelalkohol (sulfuret of carbon) vorge - ſchlagen, welchen letzteren auch Barlow anwendet. Girard ſoll Terpentinöl, Marx in Göttingen Kreoſot zu den aplanatiſchen Objectiven gebraucht haben. In Barlow’s erſtem Fernrohre dieſer Art hat das vordere Objectiv von Kronglas 6 Zoll Durchmeſſer und 4 Fuß Brennweite die Flüſſigkeitslinſe ſteht von jenem 24 Zoll ab und hat einen Durchmeſſer von bloß 3 Zoll. Ein ſpä - teres von demſelben Künſtler verfertigtes hat eine Oeffnung der erſten Linſe von 7⅘ Zoll, in einer Entfernung von 40 Zoll von der zweiten. Dieſes Fernrohr, das in ſeiner ganzen Länge 8,7 Fuß hat, ſoll ſo viel leiſten als ein gutes achromatiſches von 18 Fuß Länge. Beide, die dialytiſchen ſowohl als die aplanatiſchen Fern - röhre, die im Grunde auf demſelben Prinzip, auf der Trennung der beiden Objectivlinſen beruhen, ſind noch als in ihrer erſten Entſtehung zu betrachten, und man darf der Hoffnung Raum geben, daß durch ſie eine neue Epoche in der Geſchichte unſerer Fernröhre begründet werden wird.

§. 15. (Anwendung der Fernröhre bei den Meßinſtrumenten.) Nur wenige Jahre nach der Erfindung der Fernröhre wurden dieſelben, wie zu erwarten war, ſchon auf den Himmel angewen - det. Der berühmte Galilei hatte, wie man ſagt, auf eine unbe - ſtimmte Nachricht von dieſer Erfindung, die Zuſammenſetzung des Fernrohrs errathen, und mit dem erſten von ihm verfertigtenLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 18274Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſchon i. J. 1610 die Thäler und Berge des Mondes, die Satel - liten Jupiters, die ſonderbare Geſtalt des Saturn, deſſen Ring er aber noch nicht erkennen konnte, die Sonnenflecken und ihre Bewegungen, und die Phaſen der Venus entdeckt. Die meiſten dieſer eben ſo unerwarteten als für ihn ruhmvollen Entdeckungen machte er in ſeinem Werke: Nuntius sidereus, Venedig 1610, bekannt, wofür er von der Republik Venedig eine dreifache Er - höhung ſeines Gehaltes, und von Cosmus II. in Florenz ein Geſchenk von tauſend Dukaten erhielt. Nahe dreißig Jahre noch (er ſtarb erſt 1642 im 78ſten Jahre ſeines Alters) genoß er die Freude, die Gränzen der Wiſſenſchaft und unſerer Kenntniß des Himmels zu erweitern, und der Gegenſtand der Achtung und Verehrung aller Gebildeten Europas zu ſeyn, bis er endlich, drei Jahre vor ſeinem Tode, in die Hände unwiſſender und ſchaam - loſer Verfolger fiel, unter deren unwürdiger Bedrückung er, ein blinder Greis, den Reſt ſeines Lebens im Kerker vertrauerte.

Allein dieſer Gebrauch der neu erfundenen Fernröhre war nicht der einzige, und ſelbſt nicht der wichtigſte, den die Aſtrono - mie von dieſen Werkzeugen machte. Bisher hatten ſie uns nur neue, und ſo lange unbekannte Gegenſtände des Himmels vor die Augen geführt, oder die Oberfläche der bisher nur im Allgemeinen bekannten, wie die des Mondes, der Venus u. f. näher kennen gelehrt. Aber unſere Meſſungen der Größen und der Lagen der Himmelskörper blieben immer noch nahe denſelben Unvoll - kommenheiten unterworfen, über welche ſchon die alten Griechen und Araber ſich zu beklagen hatten. So lange wir uns mit den Abſehen begnügen mußten, wie ſie bei den älteren Inſtrumenten (Fig. 7, 8, 9) angebracht waren, oder auch mit einem bloßen hohlen Rohre, an deſſen einem, dem Ocular-Ende, eine kleine Oeffnung, und an dem anderen ein Kreuzfaden war, ſo lange konnte man, auch bei dem beſtgetheilten Inſtrumente, nicht ge - nauer beobachten oder meſſen, als man eben mit freien, unbe - waffneten Augen zu ſehen im Stande war. Sobald aber dieſes hohle Rohr mit zwei Glaslinſen verſehen, und in ein eigent - liches Fernrohr verwandelt war, ſo durfte man nur das zu meſſende Geſtirn in den Mittelpunkt dieſes an dem Quadranten angebrachten Fernrohrs führen, und die Beobachtung deſſelben275Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.mußte offenbar deſto genauer ſeyn, je ſtärker die Vergrößerung und die Deutlichkeit war, mit welcher das neue Inſtrument die Gegenſtände zeigte.

Auf dieſe Weiſe bedienten ſich auch die erſten Aſtronomen des Fernrohrs bei ihren Beobachtungen, durch welche ſie z. B. die Höhe oder die Declination, oder mit einem Worte, die Lage der Geſtirne am Himmel anzugeben ſuchten. Allein man ſieht, daß auch hier noch manches zu wünſchen übrig blieb. Zwar ſah man jetzt dieſe Geſtirne viel beſſer, und konnte ſie daher auch viel genauer beobachten; aber da man ſie in dem Mittelpunkte des Feldes des Fernrohrs beobachten mußte, und da doch dieſer Mittelpunkt durch nichts ausgezeichnet war, ſondern gleichſam nur errathen oder geſchätzt werden mußte, ſo waren Mißgriffe und ſelbſt bedeutende Beobachtungsfehler nicht wohl zu vermeiden, beſonders wenn das kreisrunde Feld der Fernröhre, wie dieß bei den früheren Inſtrumenten in der That der Fall war, einen grö - ßeren Umfang hatte. Aus dieſer Urſache wollte auch einer der vorzüglichſten praktiſchen Aſtronomen jener Zeit, Hevelius in Danzig, dieſe neuen Inſtrumente bei ſeinen Beobachtungen gar nicht anwenden, und er ging, durch den Widerſpruch der anderen gereizt, ſogar ſo weit, daß er die Fernröhre als ganz unbrauchbar bei den Beobachtungen erklärte, weil ſie, wie er ſagte, den Ort der Gegenſtände, die man durch daſſelbe betrachtet, verſchieben, ſo daß man ſie durch das Fernrohr an einer ganz andern Stelle, als mit freien Augen ſehen ſoll.

Ein Mittel, die Geſtirne durch das Fernrohr genauer zu pointiren, als die bisherige, unbeſtimmte und unverläßliche Stel - lung deſſelben in den Mittelpunkt des Feldes dieſes Mittel alſo mußte noch gefunden werden, wenn anders das neue In - ſtrument die eigentlichen aſtronomiſchen Beobachtungen in der That weſentlich fördern ſollte. Es muß auffallend erſcheinen, daß dieſes Mittel, das doch uns jetzt ſo nahe zu liegen ſcheint, ſo lange verborgen bleiben konnte.

Noch vor wenig Jahren war man der allgemeinen Meinung, daß Picard in Frankreich, einer der ausgezeichnetſten theoretiſchen und praktiſchen Aſtronomen, dieſes Mittel zuerſt gefunden habe. Auch kam er wohl ohne fremden Beiſtand auf dieſe Idee, die er,18 *276Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.wie es ſcheint, ſchon ſeit dem Jahre 1667 bei ſeinen Beobachtun - gen angewendet hat. Allein ſchon über zwanzig Jahre früher, i. J. 1640, machte Gascoigne in England dieſelbe Entdeckung, und ihm muß daher auch die Ehre derſelben vorbehalten bleiben.

Wenn man nämlich einen Gegenſtand, z. B. einen Faden in die Nähe des Brennpunktes F (Fig. 14) der beiden Linſen eines Fernrohrs bringt, ſo ſieht man denſelben durch das Ocular bb 'deſto reiner, und ſelbſt wenn er weiß, z. B. ein Silberfaden iſt, deſto ſchwärzer, je näher er jenem Brennpunkte gebracht wird. Stellt man dann das Fernrohr ſo, daß irgend ein terreſtriſches Object, z. B. die wohlbegränzte Ecke einer Mauer, den Faden eben berührt; bewegt man dann das Auge vor dem Oculare ſo weit als möglich, rechts und links oder auf und ab, und bleibt der Faden in allen dieſen Lagen des Auges immer genau Tangente zum Objecte, ſo iſt dieß eben das beſte Zeichen, daß der Faden ſelbſt im Brennpunkte des Fernrohrs, d. h. in demjenigen Orte deſſelben ſteht, wo von der vordern, größern Linſe des Fernrohrs das kleine Miniaturbildchen des Objectes entworfen wird, von dem wir oben (S. 265) geſprochen haben. Was aber hier von dem terreſtriſchen Objecte geſagt iſt, gilt auch von den Geſtirnen. Hat man daher durch dieſen Brennpunkt in einer auf die Axe der beiden Linſen (S. 260) ſenkrechten Ebene zwei Fäden geſpannt, die ſich unter rechten Winkeln durchkreuzen, ſo wird man, eben durch den Durch - ſchnittspunkt der beiden Fäden, einen feſten und unveränderlichen Punkt des Feldes haben, mit welchem man die Lage der zu beobachtenden Sterne bequem und ſicher vergleichen kann, indem man nämlich bei jeder Beobachtung, durch eine angemeſſene Be - wegung des Fernrohrs den Stern nur immer in dieſen Durch - ſchnittspunkt der beiden Fäden zu bringen ſucht. Man wird ſich dabei leicht eine einfache Vorrichtung, z. B. einen im Innern des Fernrohrs angebrachten Ring denken können, der dieſe Fäden trägt, während er ſelbſt durch äußere kleine Schrauben nach allen Richtungen bewegt, und in jeder derſelben feſtgehalten wird, wo - durch daher die Fäden leicht in die erforderliche Lage gebracht werden können.

Dieſe einfache, aber folgenreiche Idee iſt es, die der oben erwähnte Gascoigne zuerſt gehabt und ausgeführt hat. (Phil. 277Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Transact. XXX. 603.) Aus den Briefen an ſeine Freunde Crabtree und Horrockes, die vom Jahre 1640 datirt ſind, folgt, daß er ſchon damals ein mit ſolchen Fäden verſehenes Fernrohr zu ſeinen Beobachtungen gebraucht, und daß er auch ſchon, um dieſe Fäden bei Nacht zu ſehen, das Innere des Fernrohres be - leuchtet habe. Horrockes, der ſchon vor ſeinem 25ſten Jahre (i. J. 1641) ſtarb, hatte ein ausgezeichnetes aſtronomiſches Talent, und bekannte bei mehreren Gelegenheiten ſeine Bewunderung der man - nigfaltigen ſchönen Erfindungen, die Gascoigne in der Kunſt zu beobachten gemacht hatte. Auch der Letzte wurde den Wiſſen - ſchaften durch den Tod noch in der erſten Blüthe ſeines Alters entriſſen. Er ſtarb in ſeinem 23ſten Jahre in der Schlacht von Marſton Moor, die Cromwell den königlichen Truppen geliefert hat. Man hat dieſe Erfindung dem franzöſiſchen Aſtronomen Morin vindiciren wollen, der in ſeiner Scientia longitudinum, Paris 1634 von der Anwendung des Fernrohrs auf die Quadran - ten ſpricht, aber ohne im geringſten der Fäden im Brennpunkte des Rohrs zu erwähnen. Selbſt die Sonnenbeobachtungen Picards vom Jahre 1667, die erſten, die in Frankreich an einem mit einem Fernrohre verſehenen Quadranten gemacht worden ſind, erwähnen dieſer Fäden nicht ausdrücklich, wenigſtens nicht in der Relation, die Lalande in ſeiner Aſtronomie (§. 2310) davon ge - geben hat, wie denn auch Huygens in ſeinem Systema Saturnium, das erſt 1659 heraus kam, von dieſen Fäden, als von einer neuen Sache und von ſeiner eigenen Erfindung ſpricht, was er nicht hätte thun können, wenn er dieſelben ſchon früher bei Picard, den er wohl kannte, und mit dem er früher in Paris längere Zeit durch gelebt hatte, gefunden hätte. Doch iſt es möglich, und ſelbſt nicht unwahrſcheinlich, daß Huygens und Picard auf dieſe einem fleißigen und talentvollen Beobachter ſo nahe liegende Idee, jeder für ſich und ohne fremde Hülfe, gekommen ſind, um ſo mehr, da die frühere Entdeckung Gascoignes ſelbſt in England ſo lange Zeit unbekannt geblieben iſt.

Immer ſieht man, daß, ohne dieſes oder ein ähnliches gleich gutes Mittel, das Fernrohr auf den zu beobachtenden Gegenſtand nicht mit Genauigkeit gerichtet oder dieſer pointirt werden kann, und daß, ohne daſſelbe, jede Beobachtung nur eine beiläufige Schätzung278Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nach dem Augenmaaße genannt werden darf. In der That iſt es auch dieſe Einrichtung, in welcher die großen Vorzüge geſucht werden müſſen, welche die neueren Beobachtungen vor denen der Alten ſo ſehr auszeichnen, und ohne welche alle jene an ſich ſo bewunderungswürdigen Verfeinerungen, mit welcher unſere gegen - wärtigen aſtronomiſchen Inſtrumente in Beziehung auf ihre Con - ſtruction und auf ihre Eintheilung ausgeſtattet ſind, vergebens und ohne allen Erfolg geblieben wären. Denn diejenigen Fehler, welche aus jenen Schätzungen in dem bloßen Felde des Fernrohrs entſtanden, waren viel größer als die, welche, auch zu jener Zeit, aus der fehlerhaften Eintheilung oder der unzweckmäßigen Ein - richtung in dem Baue der Inſtrumente entſpringen konnten. Mit Recht wird man daher behaupten, daß die neueren Beobachtungen ihre ſie in ſo hohem Grade auszeichnende Genauigkeit vorzüglich dieſer Entdeckung verdanken, und daß dieſe in der Geſchichte der beobachtenden Aſtronomie eine neue und zwar eine ſehr glänzende Epoche begründet.

Nach dieſen vorausgeſchickten Bemerkungen über das Fern - rohr wird es nun leicht ſeyn, die Einrichtung und den Gebrauch der damit verſehenen Inſtrumente zu überſehen.

§. 16. (Mittagsrohr.) Wir haben bereits oben (S. 253) erinnert, daß der Quadrant, ſelbſt der Mauerquadrant, ſeiner Conſtruction nach, nicht geeignet iſt, die Zeit oder die Rectaſcen - ſion der Geſtirne unmittelbar und mit der nöthigen Schärfe zu geben, vorzüglich aus dem Grunde, weil dieſe Inſtrumente nur ſelten oder gar nicht eine vollkommene Ebene, ohne Wellen und Biegungen, bilden, daher ſie auch nie als genau in der Ebene des Meridians ſtehend angenommen werden können, wie dieß doch erfordert wird, wenn man an ihnen den Durchgang der Ge - ſtirne durch den Meridian beobachten ſoll.

Der berühmte däniſche Aſtronom Olaus Römer iſt der Er - finder desjenigen Inſtruments, welches zu jenem Zwecke noch heute mit Recht als das geeignetſte angeſehen wird. Er ſtellte daſſelbe auf der von ihm in Kopenhagen erbauten Sternwarte auf, und die zahlreichen Beobachtungen, welche er an demſelben anſtellte, zeugten von der Zweckmäßigkeit des neuen Inſtruments. Daſſelbe279Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.iſt in Fig. 15 abgebildet, und allgemein unter dem Namen des Mittagsrohrs (Paſſageninſtrument) bekannt.

Eine horizontale Axe AB von Metall liegt mit ihren beiden äußerſten cylindriſchen Enden A, B, um die ſich dieſe Axe drehen läßt, in ſoliden Pfeilern P, Q von Stein, und durch die Mitte M dieſer Drehungsaxe geht das Fernrohr CD in einer auf die Axe ſenkrechten Stellung. Wird daher die Rotationsaxe AB genau in den Horizont und in die Richtung von Oſt nach Weſt gebracht, ſo liegt das Fernrohr in der Richtung von Süd nach Nord, und geht, wenn es um die Axe AB gedreht wird, in der Ebene des Me - ridians auf und nieder, ſo daß man alſo nur die Durchgänge der hohen und niedern Sterne durch dieſes Fernrohr an einer Uhr beobachten darf, um ſofort auch die Uhrzeiten des Durchgangs dieſer Sterne durch den Meridian, d. h. um die Uhrzeiten ihrer Culminationen zu erhalten.

Man ſieht ſchon aus dem erſten Anblicke des Inſtruments, daß es, wenn es anders mit einiger Vorſicht gebaut und aufge - ſtellt iſt, eine viel größere Stetigkeit und Sicherheit gewährt, als man von einem Quadranten je erwarten kann.

Um das Fernrohr auf die ſchon ſonſt bekannte mittägliche Höhe des Sterns, der eben durch den Meridian gehen ſoll, zu ſtellen, iſt an dem einen Ende A der Drehungsaxe ein Halbkreis mon angebracht, der in einer auf dieſe Axe ſenkrechten Lage an dem Pfeiler P befeſtiget iſt. Concentriſch mit ihm iſt ein Zeiger oder eine Alhidade Ao, dem Fernrohre CD parallel, an dem Ende A der Axe angebracht. Dieſe an ihrem Ende o mit einem feinen Striche verſehene Alhidade Ao bewegt ſich alſo ſammt dem Fern - rohre um die Axe AB, und zeigt durch ihren Strich an dem Kreiſe mn die Höhe des zu beobachtenden Geſtirns bloß in ganzen Minuten an, da dieß hinreicht, das Geſtirn in das Feld des Fernrohrs zu bringen.

Die beiden Enden A und B der Axe liegen jede auf einer doppelten, ſtarken Metallplatte auf, die in der Zeichnung durch Vierecke angezeigt ſind. Der eine Theil jeder Platte iſt an dem Pfeiler feſt, und der andere, der eigentlich die Axen-Enden A und B trägt, läßt ſich durch Schrauben an dem erſten hin und wieder bewegen, und zwar der eine bei A ſenkrecht auf und ab, und der280Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.andere bei B, horizontal vor und rückwärts. Die letzte ſetzt uns demnach in den Stand, die Drehungsaxe genau in die Richtung von Oſt nach Weſt, d. h. das auf die Axe ſenkrechte Fernrohr genau in die Ebene des Meridians zu bringen, und die erſte dient dazu, das eine Ende A der Axe ſo lange zu erhöhen oder zu er - niedrigen, bis dieſe Axe AB ſelbſt genau horizontal iſt, was man mit Hülfe einer Waſſerwage erkennt, die man, mit ihren Haken, an die beiden cylindriſchen Enden A und B der Axe aufſtellt oder anhängt.

Um für nächtliche Beobachtungen das Innere des Fernrohrs zu beleuchten, dient eine an der äußern Seite des Pfeilers ange - brachte Lampe P, die ihr Licht durch den in der Richtung pB durchbohrten Pfeiler und durch die ebenfalls hohle Drehungsaxe BM auf einen kleinen Spiegel wirft, der im Innern des Fern - rohrs bei M unter einer gegen BM ſchiefen Stellung aufgeſtellt iſt, ſo daß er das von der Lampe empfangene Licht gegen das Ocular C des Fernrohrs reflectirt.

§. 17. (Rectification der Fäden des Mittagsrohrs.) Ehe man mit dieſem Inſtrumente Beobachtungen anſtellt, muß es in allen ſeinen Theilen berichtiget oder rectificirt ſeyn. Wir wollen die wichtigſten dieſer Operationen hier näher anzeigen, da ſich die meiſten derſelben auch auf die noch ferner anzuführenden Inſtru - mente unverändert anwenden laſſen.

Zuerſt wollen wir bemerken, daß man durch den Brennpunkt des Fernrohrs einen auf die Axe der beiden Linſen (S. 260) ſenkrechten Faden in einer verticalen Richtung einſpannt. Dieſer Faden wird daher, wenn das ganze Inſtrument richtig ſteht, den Theil des Meridians vorſtellen, nach welchem das Fernrohr ge - richtet iſt, und der Augenblick, in welchem ein Stern durch dieſen Faden gehend geſehen wird, wird der geſuchte Augenblick der Culmination dieſes Sterns ſeyn.

Um aber dem Faden die bezeichnete Stellung zu geben, in welcher er erſtens ſenkrecht auf der Axe der beiden Linſen, zwei - tens genau durch den Brennpunkt, und drittens auf den Horizont vertical ſteht, wird man ſich aus dem Vorhergehenden erinnern, daß dieſer Faden im Innern des Fernrohrs an einem feinen metallenen Ringe angebracht iſt, welcher Ring ſelbſt wieder281Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.durch eigene Schrauben nach allen Richtungen bewegt werden kann. Da dieſer Ring gewöhnlich ſchon von dem Künſtler ſenk - recht auf die Linſenaxe geſtellt wird, und da auch ein kleiner Fehler in dieſer Stellung keine nachtheiligen Folgen hat, indem man doch immer nur in der Nähe der Mitte dieſes Fadens beob - achtet, ſo kann man in den meiſten Fällen von den oben aufge - zählten Forderungen die erſte als ſchon erreicht betrachten.

Nicht ſo iſt es mit der zweiten oder mit der Bedingung daß der Faden auch genau durch den Brennpunkt des Rohrs geht. Dieſe Unterſuchung theilt ſich in zwei von einander weſent - lich verſchiedene. Es kann nämlich erſtens der zur Linſenaxe ſenkrecht ſtehende Faden zwar durch dieſe Axe gehen, aber zu wein vor oder hinter dem Brennpunkte, d. h. zu nahe oder zu fern von dem Objective des Fernrohrs ſtehen. Oder er kann zweitens, obſchon er in derſelben Entfernung, wie der Brennpunkt ſelbſt, von dem Objective iſt, doch noch zur Seite dieſes Brennpunktes, rechts oder links von ihm ſtehen. In beiden Fällen wird er nicht, wie doch gefordert wird, durch den Brennpunkt gehen.

Ehe aber der Beobachter an dieſe beiden Correctionen geht, wird er die Entfernung der beiden Linſen, ſeinem Auge gemäß, ſtellen. Aus den gemeinſten Erfahrungen an jedem Theaterper - ſpective iſt bekannt, daß der Kurzſichtige, wenn er durch ein ſol - ches Inſtrument gut ſehen ſoll, daſſelbe verkürzen, oder die beiden Linſen einander näher rücken muß, während der Weitſichtige ſie von einander entfernt. Auch muß jeder von ihnen, wenn er gut ſehen will, dieſe Diſtanz der Linſen etwas ändern, wenn er ſehr nahe, oder wenn er ſehr entfernte Gegenſtände beobachtet. Daſ - ſelbe gilt auch für die aſtronomiſchen Fernröhre. Da aber dieſe vorzugsweiſe für die himmliſchen, d. h. für ſehr weit entfernte Gegenſtände beſtimmt ſind, ſo wird der Beobachter, ohne alle Rückſicht auf jenen Faden, ſein Fernrohr zuerſt auf ein Geſtirn, z. B. auf den Mond richten, und ſein Ocular ſo lange verſtellen, bis er die Flecken deſſelben am deutlichſten ſieht. Am beſten zu dieſem Zwecke wird man die Doppelſterne wählen, von welchen, in dieſer Beziehung, ſchon oben (II. S. 319) geſprochen wurde. Wenn man nun, durch dieſe Verſchiebung des Oculars, es dahin gebracht hat, daß man einen ſolchen Doppelſtern ganz rein282Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.und deutlich ſieht, ſo wird man vielleicht den Faden nur ſehr ſchlecht, in der Form eines grauen, breiten Streifens erblicken, zum Zeichen, daß er entweder zu nahe an oder zu ferne von dem Objective ſteht. Denn in der wahren Entfernung von dem Ob - jective, d. h. wenn er durch den Brennpunkt deſſelben geht, er - ſcheint er, wie ſchon oben geſagt, immer ganz rein, ſchwarz und ſcharf begränzt. In dieſem Falle wird man alſo, mittels der dazu beſtimmten Schraube, den den Faden tragenden Ring in der Richtung der Länge des Fernrohrs ſo lange verſchieben oder ſeine Diſtanz von dem Objecte ändern, bis er dem Auge völlig rein und ſchwarz erſcheint. Allein dieſe bloße Anſicht des Fadens iſt wohl hinreichend, ihn dem Brennpunkte ſehr nahe zu bringen, aber ſie genügt nicht, um ihn mit der größten Schärfe genau durch dieſen Brennpunkt ſelbſt zu führen. Zu dieſem letzten Zwecke wird man, nach jener erſten rohen Berichtigung des Fa - dens, das Fernrohr auf irgend ein weit entferntes, feſtes und wohl begränztes terreſtriſches Object, z. B. auf die Ecke einer Thurmſpitze richten, und den Faden mit dieſer Ecke in genaue Berührung bringen. Dann bewegt man das Auge vor dem Ocular rechts und links ſo weit, als man nur eben noch durch das Fernrohr den Faden ſehen kann, und ſieht genau zu, ob in den beiden äußerſten Lagen des Auges jene Berührung immer genau und unverändert ſtatt hat. Tritt dieſer Umſtand zufällig ein, ſo wird man ſich verſichert halten, daß der Faden zwar nicht durch den Brennpunkt gehe, aber doch in einer durch dieſen Brennpunkt auf die Linſenaxe ſenkrechten Ebene liegen muß. Wenn aber, während das Auge ſich vor dem Oculare bewegt, der Faden auf dem terreſtriſchen Objecte nicht feſt bleibt, ſondern ebenfalls ſich zu bewegen ſcheint, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß er noch nicht in der erwähnten Ebene, ſondern daß er hinter oder vor dieſer Ebene liegt. Welcher von dieſen beiden Fällen aber in der That ſtatt hat, wird man durch folgende einfache Vorſchrift finden: Wenn, bei jener Bewegung des Auges, Aug und Faden nach derſelben Seite, z. B. beide rechts gehen, ſo ſteht der Faden zu nahe am Objectiv, und muß daher von ihm entfernt werden; geht aber Aug und Faden auf entgegengeſetzte Seiten, z. B. jenes rechts und dieſes links, ſo ſteht der Faden zu weit von dem Ob -283Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.jective, und muß daher demſelben genähert werden. Eigentlich ſcheint es dem Beobachter, als ob nicht der Faden, ſondern als ob der Gegenſtand, z. B. die Thurmſpitze um den feſten Faden beweglich wäre, wenn er ſein Auge in verſchiedene Stellungen vor das Ocular bringt. Dieſem Scheine gemäß kann man daher die vorhergehende Regel auch ſo ſtellen: Wenn Aug und Bild des terreſtriſchen Gegenſtandes auf verſchiedene Seiten gehen, ſo iſt der Faden zu nahe an dem Objective; wenn Aug und Bild auf dieſelbe Seite gehen, ſo iſt der Faden zu weit von dem Objective, und muß daher demſelben ſo lange genähert wer - den, bis das Auge, während ſeiner eigenen Bewegung, keine Aenderung des Bildes mehr bemerkt. Dieſes Verfahren iſt übrigens für Weit - und Kurzſichtige daſſelbe, denn wenn auf dieſe Art der Faden in ſeine wahre Lage gebracht worden iſt, ſo wird der Weitſichtige ſowohl, als der Myops, nur das Ocular, ſeinem eigenen Auge gemäß, verändern, um ſofort beide Gegenſtände, den Faden ſowohl, als das Geſtirn zugleich am deutlichſten zu ſehen.

Allein durch dieſe erſte Berichtigung iſt, wie geſagt, der Faden nur in die Ebene gebracht worden, die ſenkrecht auf die Linſenaxe durch den Brennpunkt geht, ohne daß er deßhalb auch ſelbſt ſchon durch den Brennpunkt gehen muß, von dem er viel - mehr, in jener Ebene, noch rechts oder links abſtehen kann.

Wenn das äußere Rohr von Metall, welches die beiden Linſen umgibt, ein vollkommener Cylinder wäre, deſſen Baſis jene Linſen bilden, ſo dürfte man nur dieſen Cylinder auf zwei Unterlagen ſo auflegen, daß die Mitte jenes Fadens irgend einen wohlbegränzten terreſtriſchen Gegenſtand ſcharf ſchneidet, und dann den Cylinder um ſeine Axe drehen, und zuſehen, ob dadurch dieſer Durchſchnitt des Gegenſtandes durch den Faden ſich nicht ändert.

Allein jene Röhre iſt nicht vollkommen cylindriſch, und ſie läßt ſich auch, wie ſchon der erſte Anblick des Inſtruments zeigt, nicht um ihre Axe drehen. Dafür läßt ſich aber das ganze In - ſtrument ABCD aus ſeinen Lagern bei A und B herausheben, und dann in verkehrter Lage wieder in dieſe Lage zurück bringen, ſo daß z. B. der Endpunkt A der Drehungsaxe, der früher öſtlich284Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.lag, jetzt auf das weſtliche Lager B zu liegen kömmt, und durch dieſes Umlegen wird offenbar derſelbe Zweck erreicht, als wenn man die cylindriſche Röhre CD um ihre Axe, um die Hälfte der Peripherie eines Kreiſes gedreht hätte. Wenn daher die Mitte des Fadens vor und nach der Umlegung immer denſelben Punkt des terreſtriſchen Gegenſtandes trifft, ſo wird dieß ein Zeichen ſeyn, daß dieſe Mitte des Fadens mit dem Brennpunkte des Fernrohrs zuſammenfällt. Iſt dieß aber nicht der Fall, ſo wird man, nach der Umlegung, die Hälfte des bemerkten Fehlers durch diejenige Schraube verbeſſern, welche den oben erwähnten Faden - ring in horizontaler Richtung hin und her bewegt, und die andere Hälfte, wenn man will, durch diejenige Schraube des Lagers B, welche das Ende der Drehungsaxe horizontal zu verſchieben be - ſtimmt iſt. Da es nicht immer ſicher iſt, den beobachteten Fehler, beſonders, wenn er noch etwas bedeutend iſt, genau zu halbiren, ſo wird man das angezeigte Verfahren öfter wiederholen, wodurch jener Fehler offenbar immer kleiner, und endlich ganz unmerklich werden muß.

§. 18. (Rectification des Mittagsrohrs: Horizontalität der Drehungsaxe.) Das bisher Geſagte trifft nur, wie man ſieht, die gehörige Stellung des Fadens in dem Fernrohre, und indem man denſelben, durch die erwähnten Operationen, in dem Brennpunkt der beiden Linſen gelegt hat, hat man es zugleich dahin gebracht, daß das eigentliche Fernrohr, d. h. die Axe der beiden Linſen, die man auch die Collimationslinie zu nennen pflegt, auf der Rotationsaxe AB ſenkrecht ſteht, worin eine der Hauptbedin - gungen beſteht, welche das Mittagsrohr erfüllen muß, wenn die damit angeſtellten Beobachtungen brauchbar ſeyn ſollen, da nur dann dieſe Collimationslinie, wenn die Drehungsaxe horizontal iſt, einen Verticalkreis (Einl. S. 27) beſchreiben, ſonſt aber nur in einer gegen den Horizont ſchief gelegten Ebene ſich bewe - gen wird.

Allein durch welche Mittel kann man dieſe Rotationsaxe in eine dem Horizonte parallele Lage bringen? Das einfachſte Mittel zu dieſem Zwecke iſt die Libelle, oder wie ſie auch ge - nannt wird, die Waſſerwage. In der Höhlung der metallenen Röhre CDC'D '(Fig. 16) liegt eine gläſerne mit Weingeiſt nicht285Beſchreibung und Gebrauch der oſtronom. Inſtrumente.völlig gefüllte, an ihrer oberſten Seite kreisförmig gebogene Röhre. Man ſieht in der Zeichnung dieſe Glasröhre AB durch die oben aufgeſchnittene Metallröhre. In der Mitte zwiſchen A und B iſt der höchſte Punkt des erwähnten kreisförmigen Bo - gens AB der Glasröhre, und dort wird alſo auch, wenn die Li - belle genau horizontal geſtellt wird, die Luftblaſe m ſtehen, die den mit Weingeiſt nicht erfüllten Theil der Glasröhre einnimmt, und die, da ſie viel leichter als dieſe Flüſſigkeit iſt, ihrer Natur nach immer den höchſten Theil der Röhre oder des Kreisbogens AB einnehmen muß. Denkt man ſich nun die Metallröhre ent - weder unten bei C 'und D' mit zwei Fußgeſtellen, um ſie dadurch z. B. auf einen Tiſch zu ſtellen, oder oben bei C und D mit zwei Haken verſehen, um ſie dadurch an irgend eine Axe (z. B. an die Drehungsaxe AB Fig. 15 des Mittagsrohrs) zu hängen, ſo wird man mit Hülfe dieſer Libelle in jenem Fall den Tiſch und in dieſem die Axe auf folgende Weiſe horizontal ſtellen, wenn man noch bemerkt, daß eines jener Fußgeſtelle oder einer jener Haken ſo eingerichtet iſt, daß er ſich mittels einer daran angebrachten Schraube etwas verlängern oder verkürzen läßt, und daß bei den ſorgfältiger gearbeiteten Libellen der oberſte Rand der Glasröhre in eine Anzahl gleicher mit Zahlen verſehenen Theile getheilt iſt, um dadurch den Ort der Blaſe genauer zu beſtimmen.

Wenn die unterſten Theile der Fußgeſtelle oder auch, wenn die höchſten Theile, die eigentlichen Aufhängungspunkte der beiden Haken von dem oberſten Rande der Glasröhre ſchon genau gleich weit entfernt wären (in welchem Zuſtande man die Libelle bereits rectificirt nennt), ſo dürfte man ſie nur auf den Tiſch ſtellen oder an jene Axe hängen, und Tiſch oder Axe auf der einen Seite deſſelben ſo lange erhöhen oder erniedrigen, bis die Luftblaſe m der Libelle genau in der Mitte der Glasröhre ſteht. Allein dieß iſt ſelten der Fall, und gewöhnlich ſind beide, Libelle und Tiſch, oder Libelle und Axe, zugleich fehlerhaft. In dieſem Falle wird man dann ſo verfahren:

Man hänge die Libelle CD (Fig. 16) an die Rotationsaxe AB (Fig. 15) ſo auf, daß C auf der Seite von A und D auf der Seite von B iſt, und leſe in dieſem Stande der Libelle den286Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Ort der Mitte der Luftblaſe. Geſetzt, dieſe Mitte ſtehe bei dem Theilſtriche a der Glasröhre. Dann hebe man die Libelle von der Axe ab, und hänge ſie in verkehrter Richtung wieder an die - ſelbe, ſo daß jetzt der Theil C der Libelle nach B, und der Theil D nach A kömmt, und leſe hier wieder den Ort der Mitte der Blaſe, der z. B. bei dem Theilſtriche b ſtehen ſoll. Wenn a von b verſchieden ſind, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß die Rotationsaxe AB nicht horizontal ſteht, und daher verbeſſert werden muß. Die Größe dieſer Verbeſſerung aber wird unmittelbar durch dieſe beiden Zahlen a und b angegeben. Man wird nämlich in dieſer zweiten Lage der Libelle, die man nach dem erwähnten Umkehren derſelben ruhig hängen läßt, den Endpunkt A oder B der Rota - tionsaxe ſo weit erhöhen oder erniedrigen, bis der Mittelpunkt der Luftblaſe genau in der Mitte zwiſchen jenen zwei Zahlen a und b ſteht. Hatte man z. B. in der erſten Stellung der Libelle die Zahl 8, und in der zweiten die Zahl 12 geleſen, ſo wird man bei dieſer zweiten Stellung der Libelle den einen End - punkt der Rotationsaxe ſo lange erhöhen, bis der Mittelpunkt der Luftblaſe bei dem Theilſtriche 10 ſteht, und dann wird die Rotationsaxe horizontal ſeyn, weil dann die Libelle, in beiden Lagen derſelben, immer dieſelbe Zahl 10 zeigen wird. Daſſelbe, was hier von der Rectification der Drehungsaxe geſagt iſt, läßt ſich auch auf die Horizontalſtellung des Tiſches anwenden, wenn man in ihm zwei auf einander ſenkrechte Linien zieht, und jede dieſer Linien, nach dem hier angezeigten Verfahren, horizontal ſtellt.

Dieſes Verfahren iſt zugleich das einfachſte und ſicherſte, weil dabei die oben erwähnten Schrauben, welche den Fuß oder den Haken der Libelle verlängern oder verkürzen ſollen, gar nicht weiter berührt werden. Dieſe Bewegung jener Schrauben ſoll, wo möglich, ganz vermieden werden, weil dadurch das Gleichge - wicht der einzelnen Theile geſtört, und eine Spannung in der metallenen Faſſung erzeugt wird, die ſich, bei den neuen und ſehr empfindlichen Libellen oft nur ſpät erſt herſtellt, und dem Beob - achter durch langes Warten zu viele Zeit raubt.

Man ſieht, daß man auf dieſe Weiſe eine Ebene oder eine Axe, ſelbſt mittels einer nicht rectificirten Libelle, horizontal ſtellen kann. Wenn aber der Fehler der Libelle, den man bei dem vor -287Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.hergehenden Verfahren nicht weiter zu kennen braucht, zu groß iſt, ſo wird die gefundene Zahl, die das Mittel aus den beiden geleſenen Zahlen iſt, auch zu weit von der Mitte m der Einthei - lung entfernt ſeyn, wie dieß in unſerem Beiſpiele bereits der Fall iſt, wo das gefundene Mittel oder die Zahl 10 um volle 15 Theilſtriche von der Mitte der Eintheilung, die bei der Zahl 25 iſt, entfernt ſteht. Solche Fälle muß man aber vermeiden, weil die Krümmungen auch unſerer beſten Libellen, am Rande derſelben, nur ſelten vollkommen kreisförmig ſind, und weil am Ende jener Punkt ſo weit von der Mitte der Theilung wegrücken könnte, daß er unter die metallene Faſſung AC der Röhre rückt, wo er gar nicht geſehen werden kann.

Sobald man alſo bemerkt, daß der Fehler der Libellen zu groß iſt, ſo wird man ihn auf folgende Weiſe verbeſſern können. Man hänge ſie mit ihren Haken an die Rotationsaxe. Iſt dann die Luftblaſe nicht in der Mitte der Theilung, ſo iſt entwe - weder die Axe nicht horizontal, oder die Oberfläche der Libelle iſt jener Axe nicht parallel, d. h. die Libelle iſt nicht rectificirt, oder endlich, was gewöhnlich der Fall ſeyn wird, beide, Axe und Li - belle, ſind fehlerhaft. Da man die Fehler eines jeden der beiden Inſtrumente nicht kennt, ſo iſt es das natürlichſte, anzunehmen, daß dieſe Fehler einander gleich ſeyn mögen. Man laſſe daher den Mittelpunkt der Luftblaſe gegen den Mittelpunkt der Thei - lung halben Weges durch die Schraube A (Fig. 15) der Rota - tionsaxe und die andere Hälfte des Weges durch die obenerwähnte Correctionsſchraube des Libellenhakens zurücklegen. Hat man durch beide Schrauben die Blaſe in die Mitte der Theilung ge - bracht, ſo kehre man die Libelle um, ſo daß ihr öſtlicher Arm jetzt auf die Weſtſeite der Rotationsaxe komme. Iſt in dieſer neuen Lage die Blaſe nicht in der Mitte, ſo verbeſſere man wieder, wie zuvor, die eine Hälfte des Fehlers durch die eine, und die andere Hälfte durch die andere Schraube, und bringe ſonach die Blaſe wieder in die Mitte der Theilung. Dann kehre man die Libelle wieder um, und wiederhole dieſes Verfahren der halbgetheilten Correction ſo lange, bis die Luftblaſe der Libelle, in ihren beiden entgegengeſetzten Lagen, immer in der Mitte der Theilung genau einſpielt.

288Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Durch dieſes Verfahren wird, wie man ſieht, die Drehungs - axe und die Libelle zugleich rectificirt. Es wird übrigens nie nothwendig ſeyn, daſſelbe ſo weit fortzuſetzen, bis der Mittel - punkt der Blaſe in beiden Lagen der Libelle genau auf den Mit - telpunkt der Theilung fällt, da es, nach dem Vorhergehenden ſchon hinreicht, wenn beide Mittelpunkte nur einander nahe ge - nug gebracht werden. Wenn z. B. die Blaſe in der erſten Lage der Libelle 20, und in der zweiten Lage 26 zeigt, ſo wird man, nach dem zuvor gezeigten Verfahren, bloß durch die Schraube der Rotationsaxe die Blaſe auf die Mitte jener zwei Zahlen oder auf die Zahl 23 bringen, und dadurch verſichert ſeyn, daß die ſo geſtellte Rotationsaxe auch genau horizontal iſt, obſchon die Li - belle ſelbſt noch nicht rectificirt iſt, da ſie, nach unſerer Zeichnung (Fig. 16) nicht 23, ſondern 25 zeigen ſollte. Will man daher auch dieſe Libelle noch rectificiren, ſo wird man nur, mittels ihrer Correctionsſchraube, den einen Haken derſelben ſo viel verlängern oder verkürzen, daß der Mittelpunkt der Blaſe um zwei Theilſtriche, von 23 auf 25 fortgehe, da 25 der Mittel - punkt der an der Glasröhre angebrachten Theilung iſt. Bemer - ken wir noch, daß es öfter nothwendig iſt, den Werth eines jener gleichen Theilſtriche in Sekunden zu kennen. Zu dieſem Zwecke wird man die Libelle an irgend ein Höhen meſſendes Inſtrument z. B. an einen Quadranten befeſtigen, und nun Inſtrument und Libelle ſo bewegen, daß z. B. der Mittelpunkt der Blaſe 30 Theil - ſtriche der Libelle durchlauft, während das Inſtrument ſeine Höhe um 20 Sekunden geändert hat, woraus folgt, daß ein Theilſtrich der Libelle Sekunden beträgt. Muß man alſo die Axe A des Mittagsrohrs, bei der Rectification derſelben, z. B. um 12 Theil - ſtriche der Libelle erheben, ſo weiß man, daß dieſe Erhebung 8 Sekunden beträgt.

§. 19. (Rectification des Mittagsrohrs: Stellung im Meri - dian.) Wenn ſonach die Drehungsaxe des Mittagsrohrs genau horizontal geſtellt worden iſt, ſo wird das Fernrohr [oder viel - mehr die Collimationslinie deſſelben, die nach dem Vorhergehenden (§. 17) bereits ſenkrecht auf jener Rotationsaxe ſteht], wenn daſſelbe um jene Axe gedreht wird, einen Verticalkreis (Einl. S. 27) beſchreiben, oder es wird in einer auf den Horizont289Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſenkrechten Ebene auf und nieder geben aber noch nicht in der Ebene des Meridians, wie es doch von dieſem Inſtru - mente gefordert wird. Es wird zwar leicht ſeyn, dieſes Fernrohr ſo zu ſtellen, daß es dem Meridian ſchon nahe ſtehe, wozu man ſich z. B. der Culmination der Sonne oder irgend eines andern Geſtirns, deſſen Rectaſcenſion man kennt, bedienen kann, wenn man zuerſt den Gang ſeiner Uhr durch correſpondirende Höhen (m. ſ. oben S. 244) oder auf irgend eine andere Art (S. 293) beſtimmt hat. Allein es handelt ſich hier um eine ganz ge - naue Stellung des Mittagsrohrs, und um eine ſolche, die von anderen Inſtrumenten unabhängig iſt, weil daſſelbe ſeines ſoliden und einfachen Baues und ſeiner ganzen Beſtimmung wegen die Zeit ſowohl, als auch die zu beobachtenden Rectaſcenſionen beſſer und vollkommener geben ſoll, als es durch irgend eines der an - dern, zu dieſem Zwecke minder geeigneten Inſtrumenten mög - lich iſt.

Bemerken wir zuerſt, daß man jetzt, wo die Collimationslinie des Ferurohrs bereits einen Vertikalkreis beſchreibt, zugleich ein leichtes Mittel erhalten hat, den oben in dem Brennpunkte der beiden Linſen ſenkrecht auf die Axe derſelben geſpannten Faden, auch vollkommen vertical oder zu dem Horizonte ſenkrecht zu ſtellen: man darf nämlich jetzt nur dieſen Faden, indem man das Fernrohr ſanft auf - oder abwärts bewegt, an irgend einem wohl begränzten terreſtriſchen Objecte auf - und niederlaufen laſſen. Wenn bey dieſer Bewegung des Fernrohrs der Faden nicht immer genau durch denſelben Punkt des Objects geht, ſo wird man den oben erwähnten Fadenring mit einer eigens dazu be - ſtimmten Schraube ſo lange, in ſeiner eigenen Ebene, um ſeinen Mittelpunkt drehen, bis er jener Forderung genügt, wo er dann vertikal ſtehen wird. Gewöhnlich ſpannt man zu beiden Seiten dieſes mittleren Fadens noch einen oder auch zwei mit jenem pa - rallele und unter ſich gleichweit entfernte Fäden auf, um die Beob - achtungen der Durchgänge der Sterne zu vervielfältigen. Man kann ihren Parallelismus prüfen, wenn man nahe an dem Aequa - tor liegende Sterne durch die oberen und durch die unteren End - punkte dieſer Fäden durchgehen läßt, und zuſieht, ob die Zeitin - tervalle für jedes Fädenpaar aus jenen beiden Beobachtungen genauLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder III. 19290Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dieſelben ſind. Dieß gibt zugleich ein einfaches Mittel, die Entfernung dieſer Seitenfäden von dem mittleren oder von dem Hauptfaden zu beſtimmen. Beträgt z. B. die Zeit, die ein Stern von bekannter Declination (Einl. S. 28) braucht, von einem dieſer Nebenfäden zu den mittleren zu gelangen, 100 Sekun - den Sternzeit (I. S. 315), ſo wird man nur dieſe 100 Sekunden durch den Coſinus der Declination des Sterns multipliciren, um das geſuchte Intervall der beiden Fäden in Sternzeit zu erhalten. Iſt z. B. dieſe Declination gleich 80 Graden, ſo hat man, da der Coſinus von 80 Graden gleich 0,1736 iſt, 17,36 Sternzeitſekunden für das geſuchte Intervall der beiden Fäden, das daher im Rau - me oder in Bogenſekunden ausgedrückt, 15mal größer oder gleich 260,4 Bogenſekunden iſt. Beobachtet man dann einen andern Stern, deſſen Declination z. B. 40 Grad beträgt, wovon der Coſinus 0,7660 iſt, an dieſem Seitenfaden, ſo wird er jenes In - tervall in einer Zeit durchlaufen, die gleich 17,36 dividirt durch den Coſinus ſeiner Declination, d. h. die gleich 22,663 Sternzeit - ſekunden iſt, ſo daß man daher zu der Beobachtungszeit an die - ſem Seitenfaden nur 22,663 Sekunden addiren, oder wenn er weſt - licher ſteht, davon ſubtrahiren darf, um ſofort die Zeit zu erhal - ten, wenn dieſer Stern durch den mittleren oder durch den Haupt - faden gegangen iſt. Noch wollen wir bemerken, daß man dieſer Reihe von ſenkrechten, unter ſich parallelen Fäden gewöhnlich noch einen anderen darauf ſenkrechten oder nahe horizontalen hinzufügt, der dazu dient, die zu beobachtenden Sterne alle nahe durch die - ſelben Punkte der andern verticalen Fäden, alſo in der Nähe die - ſes horizontalen, durchgehen zu laſſen, wo es jetzt nicht mehr nöthig iſt, die verticalen unter ſich genau parallel einzuſpannen, was nur ſchwer oder gar nicht erreicht werden kann.

Um nun noch die Collimationslinie, d. h. den mittleren ver - ticalen Faden des Mittagsrohrs ganz genau in die Ebene des Meridians zu bringen, wird man am beſten einen dem Nord - pole des Aequators nahen Stern in ſeiner obern ſowohl, als auch in ſeiner unteren Culmination an dem Mittagsrohre beobachten. Geht die Uhr bereits ſehr nahe nach Sternzeit (I. S. 319), ſo beobachte man die Uhrzeit der zwei Augenblicke, wo z. B. der291Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Polarſtern in ſeiner oberen und unteren Culmination (I. S. 105) iſt und ſubtrahire die letzte Zeit von 12 Uhr. Die halbe Differenz der ſo erhaltenen zwei Zeiten dividirt man dann durch den Coſinus der Polhöhe und durch die Tangente der Declination des Sterns: was herauskommt, iſt die geſuchte Abweichung des Rohrs von dem Meridian oder iſt das geſuchte Azimut (I. S. 31). Um dieß durch ein Beiſpiel zu erläutern, nehmen wir an, man hätte für die obere Culmination des Polarſterns 0 Stunden 58 Minuten 20 Sekunden und für die untere 12 Stunden 58 Minuten 50 Sekun - den gefunden, ſo iſt jene Differenz 30 alſo ihre Hälfte 15 Zeit - ſekunden. Die Declination des Polarſterns iſt aber nahe 88° 10′ und die Polhöhe Wiens 48° 12,6. Von jenem Winkel iſt die Tan - gente 31,2416 und von dieſem der Coſinus 0,6664, alſo beträgt auch das Azimut des Fernrohrs 0,721 Zeitſekunden und zwar gegen Oſt, da jene Differenz poſitiv iſt. Man wird daher in dieſem Falle das Fernrohr oder vielmehr die Drehungsaxe AB deſſelben mittelſt der bereits erwähnten Schraube bei der Unterlage B die - ſer Axe um 0,721 Zeitſekunden weſtlicher ſtellen, um die Collima - tionslinie in die Ebene des Meridians zu bringen. Die Beobach - tungen der nächſtfolgenden Tage werden zeigen, ob man dieſe Zu - rechtſtellung des Fernrohrs ganz genau vorgenommen hat. Dieß wird nämlich der Fall ſeyn, wenn die erwähnte Differenz der bei - den Sternzeiten genau gleich Null iſt.

Dieß ſind die weſentlichſten Correctionen des Mittagrohrs, die man mit aller Sorgfalt vornehmen muß, ehe man an die eigentlichen Beobachtungen mit dieſem Inſtrumente geht. Da es ſchwer iſt, dieſe drei Fehler, der auf die Drehungsaxe ſenkrechten Stellung der Collimationslinie, der Horizontalität der Drehungs - axe und des Azimuts des Fernrohrs, durch bloße mechaniſche Mittel, wie Schrauben, Libellen und dergl. völlig wegzubringen, und da ſich auch dieſe Fehler durch äußere Einwirkungen auf das Inſtrument häufig ändern, ſo ziehen es die neueren Beobachter vor, dieſe Fehler durch jene Mittel überhaupt nur ſo klein als möglich zu machen, und dann den Reſt derſelben oder vielmehr die Folgen dieſer Reſte auf die künftigen Beobachtungen in Rech - nung zu bringen, ein Verfahren, das viel genauer iſt, als jenes, das ſich aber hier ohne Umſtändlichkeit nicht gut vortragen läßt.

19 *292Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

§. 20. (Andere Correctionen des Mittagsrohrs.) Allein es gibt bei dieſem Inſtrumente noch andere Fehler, auf die ein ge - nauer Beobachter ebenfalls Rückſicht nehmen ſoll. Man ſieht z. B. ohne meine Erinnerung, daß der Künſtler, welcher ſolche Inſtru - mente verfertiget, die Endpunkte A und B der Drebungsaxe, mit welchen dieſe Axe eigentlich auf ihren Lagern aufliegt, mit der größten Sorgfalt ausarbeiten muß; dieſe Endtheile der Axe ſind Cylinder mit kreisförmiger Baſis. Wenn nun dieſe Baſis bei dem einen oder dem anderen Endpunkte der Axe kein vollkomme - ner Kreis, ſondern z. B. eine Ellipſe wäre, oder wenn ſie auch beide Kreiſe, aber von verſchiedenem Durchmeſſer wären, oder wenn beide Cylinder einander nicht genau gegenüberſtünden u. ſ. w., ſo würden dieſe Unvollkommenheiten der mechaniſchen Ausführung, die doch der Künſtler nicht wohl gänzlich vermeiden kann, ebenſo viele Fehlerquellen ſeyn, auf welche der Beobachter, da er ſie nicht wie jene drei wegſchaffen oder doch ſo viel möglich vermin - dern kann, bei den Berechnungen ſeiner Beobachtungen Rückſicht nehmen muß. Schwerer noch iſt es, diejenigen Fehler zu beſtim - men, die von der Wirkung der Schwere auf das Fernrohr in den verſchiedenen Lagen deſſelben gegen den Horizont kommen, ſo wie jene, welche die Temperatur in den verſchiedenen Theilen des In - ſtrumentes erzeugt. Um dieſe letzten Fehler wenigſtens ſo viel möglich zu vermeiden, hat man eigene Beſchirmungen, welche bei den Sonnenbeobachtungen nicht nur das Inſtrument, ſondern auch die beiden Pfeiler P und Q in Schatten ſtellen, ſo daß nur das Objectiv D des Fernrohrs den Sonnenſtrahlen bloß gegeben wird, und man hat gefunden, daß der Mangel dieſer Beſchirmung des Inſtruments oft ſehr große Fehler erzeugt. Selbſt der oben er - wähnte Ring im Innern des Fernrohrs, welcher die Fäden trägt, iſt einer ſolchen Verſtellung durch die Sonnenſtrahlen ausgeſetzt, wenn dieſelben vor der Beobachtung den weſtlichen, und nach der - ſelben den öſtlichen Rand des Ringes beſcheinen, daher man vor dieſen Ring einen zweiten anzubringen pflegt, welcher den erſten vor der unmittelbaren Einwirkung der Sonnenſtrahlen be - ſchützen ſoll.

Noch muß erwähnt werden, daß man für dieſe, ſo wie über - haupt für alle in dem Meridian aufgeſtellte Inſtrumente, in an -293Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.gemeſſenen Entfernungen von z. B. einer Viertelmeile im Nord und Süd eigene Meridianzeichen aufzuſtellen pflegt, Säulen oder Pfeiler, die in ihren böchſten Theilen mit einer eingetheilten Scala verſehen ſind, deren Theile ſich durch das Fernrohr gut leſen laſ - ſen, und durch deren Hülfe man nicht nur die Richtung des Me - ridians ſehr genau beſtimmen, ſondern auch das Fernrohr leicht wieder darauf zurückführen kann, wenn es ſich durch irgend einen Zufall davon entfernt hat.

§. 21. (Beobachtungen mit dem Mittagsrohre.) Durch alle dieſe und manche andere Rückſichten iſt man dahin gekommen, daß man mit ſolchen Inſtrumenten die Correction der Uhr, d. h. die Zeitbeſtimmung ſowohl, als auch die Beſtimmung der Rectaſcen - ſion der Geſtirne bis auf zwei oder drei Zehntheile einer Zeitſe - kunde genau erhalten kann.

Wir wollen nur noch kurz anzeigen, auf welche Weiſe man mit dem Mittagsrohre jene beiden Beobachtungen anzuſtellen pflegt, vorausgeſetzt, daß man die Fehler deſſelben durch das vor - hergehende Verfahren bereits weggebracht hat.

Zuerſt alſo dient dieſes Inſtrument zur Beſtimmung der Zeit, d. h. zur Berichtigung der Uhr, die man bei allen folgenden Beob - achtungen braucht. Es iſt bereits früher (I. S. 319) geſagt worden, daß man auf Sternwarten die Uhren gewöhnlich nach Sternzeit gehen läßt, ſo daß ſie zwiſchen zwei nächſten Mittagen oder zwiſchen zwei nächſten Culminationen der Sonne, nicht 24 Stunden, ſondern nahe 24 Stunden 3 Minuten 56 Sekunden geben (I. S. 315), wobei vorausgeſetzt wird, daß eine ſolche Uhr vor allem gleichförmig gehe, d. h. daß ſie im Laufe mehrerer Tage gegen die richtige Sternzeit täglich oder ſtündlich um dieſelbe Größe zu - oder abnehme.

Um nun für jeden Augenblick dieſe Abweichung der Uhr von der wahren Sternzeit zu finden, wird man das Mittagsrohr, mittelſt des Index Ao des Kreiſes mn nahe auf die mittägige Höhe eines Fixſterns ſtellen, deſſen Rectaſcenſion für dieſen Augenblick man genau kennt. Es ſey dieſer Stern Aldebaran oder α im Stier, deſſen Rectaſcenſion 4 Stunden 26 Minuten 25,3 Sekunden ſeyn ſoll. Da der Gang der Uhr, etwa bis auf eine Minute, ſchon aus den früheren Beobachtungen bekannt iſt, ſo wird man einige294Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Minuten, ehe die Uhr 4 Stunden 26 Minuten zeigt, an das In - ſtrument gehen, um daſſelbe auf den gewählten Fixſtern zu ſtel - len, und dann abwarten, bis der Stern in das Feld des Fern - rohrs tritt. Geſetzt, daſſelbe ſey mit drei ſenkrechten Fäden ver - ſehen, die in gleichen Entfernungen von einander ſtehen, und man habe die Uhrzeiten des Durchgangs des Sterns durch dieſe Fäden gefunden, wie folgt:

  • Durch den erſten Faden Uhrzeit 4 St. 26 M. 54,2 S.
  • zweiten ... 4 27 39,3
  • dritten ... 4 28 23,3

Addirt man dieſe drei Zeiten und dividirt die ſo erhaltene Summe durch 3, d. h. nimmt man das Mittel aus dieſen drei Beobachtungen, ſo erhält man 4 St. 27 M. 39 S. für die Uhrzeit desjenigen Augenblicks, wo der Stern durch den Meridian ging. Allein die wahre Sternzeit dieſes Augen - blicks iſt bekanntlich (I. S. 319) gleich der Rectaſcenſion deſſelben oder gleich 4 St. 26 M. 25,3 S. Die Differenz dieſer beiden Zeiten iſt 1 Minute 13,8 Sekunden, alſo geht auch die Uhr um die Zeit, wo ſie 4 Stunden 28 Mi - nuten zeigte, um 1 Minute 13,8 Sekunden gegen Sternzeit voraus oder ſie geht um 1 Minute 13,8 Sekunden zu geſchwind.

Ebenſo wird man an demſelben Tage durch eine andere Beob - achtung, z. B. von Wega oder α der Leyer, deren Rectaſcenſion 18 Stunden 31 Minuten 19,2 Sekunden iſt, finden, daß die Uhr um dieſe Uhrzeit um 1 Minute 14,2 Sekunden gegen Sternzeit voraus iſt, woraus folgt, daß ſie in 14 Stunden 5 Minuten Uhrzeit um 0,4 Sekunden gegen Sternzeit vorausgeht, ſo daß ſie alſo, wenn man ihren Gang gleichförmig annimmt, in jeder Stunde um 0,028 Sek. gegen Sternzeit vorauseilt. Aus mehreren ſolchen Beobachtungen wird man das Mittel nehmen und ſo den Stand und Gang der Uhr gegen die große Himmelsuhr oder ge - gen die wahre Sternzeit mit aller nur wünſchenswerthen Schärfe beſtimmen können.

Um nun auch, nachdem der Zuſtand der Uhr vollkommen be - kannt iſt, die Rectaſcenſionen ſolcher Geſtirne, deren Ort am295Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Himmel man noch nicht kennt, durch das Mittagsrohr zu beſtim - men, wird man kurz vor der Culmination deſſelben das Fernrohr auf dieſes Geſtirn ſtellen und wieder die Uhrzeiten der Durchgänge deſſelben durch die drei Fäden bemerken. Geſetzt man habe an demſelben Tage von irgend einem Kometen beobachtet

  • am erſten Faden die Uhrzeit 10 Stunden 43 Minuten 16,2 Sek.
  • zweiten ... 10 44 20,4
  • dritten ... 10 45 24,3

Das Mittel dieſer drei Zahlen iſt 10 Stunden 44 Minuten 20,3 Sekunden, und dieß iſt alſo auch zugleich die Uhrzeit der Culmination des Kometen. Allein die Uhr ging um 4 St. 27 Min. Uhrzeit bereits um 1 Min. 13,8 Sek. gegen Sternzeit voraus und accelerirt in jeder Stunde um 0,028 Sekunden, alſo ging ſie zur Zeit der Beobachtung des Kometen um 1 Min. 13,98 Sek. gegen Sternzeit voraus, oder der Komet culminirte, wie aus dieſer Beobachtung und aus dem bereits bekannten Fehler der Uhr folgt, um 10 Stunden 43 Minuten 6,32 Sekunden Sternzeit, und dieß iſt daher auch (I. S. 319) die geſuchte Rectaſcenſion des Kometen.

Das Vorhergehende wird hinreichen, die Einrichtung und den Gebrauch des Mittagsrohrs jedem Leſer deutlich zu machen. Ich habe mich abſichtlich etwas umſtändlicher darüber verbreitet, da das Inſtrument eines der wichtigſten der neueren Aſtronomie iſt, und da das, was hier von ihm geſagt worden iſt, ſich mit einigen Aenderungen auch auf andere Meridianinſtrumente anwenden läßt.

§. 22. (Zeitbeſtimmung bloß durch Hülfe eines einfachen Fern - rohrs.) Da eine genauere Kenntniß der Zeit nicht bloß dem Aſtronomen nothwendig, ſondern auch jedem Anderen willkommen iſt, deſſen Geſchäfte auf irgend eine Art an die Zeit gebunden ſind, ſo wollen wir hier einige Mittel zu dieſem Zwecke mittheilen, von welchen man mehrere ſelbſt ohne alle eigentliche Inſtrumente anwenden kann.

Das einfachſte unter allen iſt ohne Zweifel der Gnomon, von welchem wir ſchon oben (I. S. 110) geſprochen haben, und der in einem geradlinigen, auf horizontalem Boden ſenkrecht auf - geſtellten Stabe beſteht. Dieſe Lage des Stabes oder der Stange wird man leicht mittelſt eines Bleilothes erhalten. Wird296Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ein ſolcher Stab den Sonnenſtrahlen ausgeſetzt, ſo bemerkt man, daß der Schatten deſſelben auf der horizontalen Ebene um den Stab herumgeht, und daß er immer kürzer wird, je näher die Sonne an dem Meridian, oder je näher die Zeit dem Mittage iſt. In gleichen Entfernungen von dem Mittage, z. B. drei oder vier Stunden vor und nach dem Mittage eines gegebenen Tages, hat dieſer Schatten gleiche Länge und ſteht auch, zu beiden Sei - ten des Meridians, gleichweit von ihm ab, ſo daß alſo dieſer Schatten vor und nach dem Mittage mit der Mittagslinie (I. S. 29) gleiche Winkel macht.

Dieſe wenigen Bemerkungen reichen hin, eine Sonnenuhr der einfachſten Art zu conſtruiren. Man ziehe nämlich aus dem Fuß - punkte der Stange, wo ſie den Boden berührt, als aus einem Mittelpunkte, mitteſt einer daſelbſt befeſtigten Schnur mehrere concentriſche Kreiſe von verſchiedenen Halbmeſſern und bemerke in der Peripherie eines jeden Kreiſes diejenigen zwei Punkte, die vor und nach Mittag von dem Endpunkte des Schattens getroffen werden. Theilt man dann in jedem Kreiſe den zwiſchen dieſen bei - den Punkten enthaltenen Bogen in zwei gleiche Theile und ver - einiget dieſen Theilungspunkt mit dem Fußpunkte der Stange durch einen auf dem horizontalen Boden gezogene gerade Linie, ſo wird dieſelbe die Mittagslinie ſeyn, und ſo oft in künftigen Tagen der Schatten der verticalen Stange auf dieſe Mittagslinie fällt, wird dieſer Augenblick den des wahren Mittags an dieſem Tage bezeichnen. Eigentlich wird, wie man ſieht, ſchon ein einziger jener Kreiſe zu dieſem Zwecke genügen, auch ſind die anderen nur gezogen worden, um dadurch den Verſuch wiederholen und ſich von der Genauigkeit der Ausführung überzeugen zu können. Die ver - ſchiedenen Mittagslinien, die jeder dieſer Kreiſe gibt, ſollen näm - lich alle auf eine und dieſelbe Linie fallen, und wenn, wie dieß gewöhnlich der Fall iſt, da ſich das Schattenende der Stange nicht ganz genau beobachten läßt, wenn dieſe Mittagslinien unter ein - ander etwas abweichen ſollten, ſo wird man aus ihnen das Mit - tel nehmen. Am ſicherſten wird man dieſe Beobachtungen zur Zeit der Solſtitien (I. S. 33) anſtellen, weil da die Declination der Sonne ſich am wenigſten ändert.

Dadurch ſind wir alſo in den Stand geſetzt, jeden Tag we -297Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nigſtens den Augenblick des wahren Mittags genau anzugeben. Allein die anderen Stunden des Tages ſind uns noch unbekannt. Wir wollen daher ſehen, wie man auch zur Kenntniß dieſer letzte - ren gelangen kann.

Ich ſetze dabei voraus, daß man eine gute, d. h. eine gleich - förmig gehende Uhr habe. Eine ſolche Uhr mag immerhin täg - lich um eine beträchtliche Zeit, z. B. um eine ganze Minute, vor der wahren Zeit vorausgehen oder hinter ihr zurückbleiben, wenn ſie nur im Laufe eines jeden Tages um dieſelbe Größe von der Wahrheit abweicht. Unſere vorhergehenden einfachen Beobachtungen an der verticalen Stange werden uns bald von der Brauchbarkeit der Uhr überzeugen, wenn man an dieſer Stange mehrere Tage nach ein - ander den Augenblick des wahren Mittags an der Uhr beobachtet und dabei auf die Zeitgleichung (I. S. 313) Rückſicht nimmt.

Geſetzt man hätte folgende Uhrzeiten des wahren Mittags ge - funden, denen ich ſogleich die mittlere Zeit dieſer Mittage (nach I. S. 314) hinzuſetze:

Aus dieſen Beobachtungen folgt daher, daß die Uhr am 5. Julius im wahren Mittag gegen die mittlere Zeit um 1 Minute 42 Sekunden, und am 20. Julius ſchon um 10 Minuten 13 Se - kunden zu ſpät ging. Dieſe Uhr ſcheint alſo, wie man gewöhn - lich urtheilen hört, ſchlecht zu gehen, da ſie in 15 Tagen um volle 8 Minuten 31 Sekunden zu ſpät geht, alſo in einem Mo - nate von 30 Tagen um 17 Minuten 2 Sekunden oder mehr als eine Viertelſtunde zu ſpät gehen wird. Allein wenn man den Gang dieſer Uhr zwiſchen den einzelnen Beobachtungstagen näher betrachtet, ſo findet man, daß ſie im Gegentheile eine gute Uhr iſt. In der That, während der beiden erſten Tage blieb ſie um 1 Minute 8 Sekunden, alſo täglich um 34,0 Sekunden zurück. In den drei Tagen vom 7. bis zum 10. Julius blieb ſie 1 Minute 40 Sekunden, alſo täglich wieder 33,3 Sekunden zurück. In den zehn letzten Tagen endlich, vom 10. bis zum 20. Julius blieb ſie298Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.5 Minuten 43 Sekunden, alſo täglich 34,3 Sekunden zurück. Ihre tägliche Retardation gegen mittlere Zeit iſt daher

  • aus der erſten Vergleichung 34,0 Sekunden
  • zweiten 33,3
  • dritten 34,3

und da die drei letzten Zahlen ſo wenig unter einander verſchieden ſind, ſo kann man den Gang der Uhr während dieſer 15 Tage als gleichförmig, nämlich ihre tägliche Retardation im Mittel gleich 33,87 Sekunden annehmen.

Eine ſolche Uhr vorausgeſetzt, beobachte man nun an einem vor ſeinem Fenſter ſtehenden Thurme oder höheren Hauſe, mittelſt eines Fernrohres von nur ſchwacher Vergrößerung, die vor - überziehenden Fixſterne, wie ſie nach einander von der Mauer bedeckt werden und hinter ihr verſchwinden. Wenn dieſe Mauer weit genug, etwa einige hundert Klafter, von dem Auge des Beob - achters entfernt iſt, ſo haben dieſe Verſchwindungen der Sterne augenblicklich ſtatt und können daher mit vieler Schärfe beobachtet werden. Wenn ferner der Theil der Mauer, an welchem man dieſe Verſchwindungen ſieht, ſenkrecht auf dem Horizonte ſteht, wie dieſes bei den meiſten Mauern der Fall iſt, ſo wird ein Fixſtern alle Tage des Jahres um dieſelbe Sternzeit hinter der Mauer zu ver - ſchwinden ſcheinen, wenn anders das Auge des Beobachters immer dieſelbe Lage beibehält. Denn eigentlich geht der Stern im Augen - blicke ſeiner Verſchwindung durch den Verticalkreis (I. S. 27), der durch das Auge und durch die ſenkrechte Mauer des Thurmes be - ſtimmt wird, oder der Stern hat in dieſem Augenblicke daſſelbe Azimut (I. S. 30), welches auch der Thurm für den Beobachter hat. Allein wenn für einen am Himmel fixen Stern S' (I. Fig. 2) das Azimut R Z S' nicht geändert wird, ſo bleibt auch ſein Stunden - winkel RNS '(I. S. 30) und alſo auch die Sternzeit VQ ſeines Durch - gangs durch den Verticalkreis ZS' immer derſelbe, da nach I. S. 38 dieſe Sternzeit nichts anders iſt, als die Summe ſeines Stunden - winkels QNQ 'oder QQC und ſeiner Rectaſcenſion Q'V. Derſelbe Stern wird daher alle Tage um dieſelbe Sternzeit verſchwinden, und man darf dieſe Sternzeit nur einmal genau beſtimmen, um durch die beobachtete Verſchwindung des Sterns auch für jeden anderen Tag ſofort den Fehler ſeiner Uhr gegen Sternzeit beſtimmen zu können.

299Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Dabei wird, wie geſagt, bloß vorausgeſetzt, daß das Auge des Beobachters immer denſelben Ort unverändert beibehalte. Allein dieſer Forderung wird man ſehr leicht genügen, wenn man z. B. an ſeinem Fenſterſtocke einen feſten Nagel ſchief gegen den Ho - rizont ſo einſchlägt, daß das Fernrohr, während der Beobachtung, in den Winkel, welchen der Nagel mit dem Fenſterbalken bildet, frei herabſinkt. In dieſer Lage richtet man dann das Fernrohr auf den Thurm ſo, daß das Auge die bekannte Stelle des Thurms, wo der Eintritt des Sterns ſtatt haben ſoll, in der Mitte des Feldes erblickt.

Man ſieht ohne meine Erinnerung, daß es zu ſolchen Beob - achtungen am bequemſten iſt, ſeine Uhr nach Sternzeit gehen zu laſſen, wie dieß auch auf allen Sternwarten bereits längſt eingeführt iſt (Vergl. I. S. 319). Allein da wir nun einmal daran gewöhnt ſind, unſere Uhren nach mittlerer Sonnenzeit ge - hen zu laſſen, ſo können wir auch hier dieſe Einrichtung beibe - halten, wenn wir nur bemerken, daß dann (I. S. 318) die mitt - lere Zeit der Verſchwindung des Sterns hinter dem Thurme jeden Tag um 3 Min. 55,907 Sek. früher ſtatt hat, als an dem vorhergehenden Tage. Auch mag man bemerken, daß der gewählte Stern, der am erſten Tage zu einer für dieſe Beobachtungen be - quemen und geſchickten Abendſtunde verſchwindet, immer früher am Tage zu dem Thurme kommen und daher am Ende durch das vielleicht nur ſchwache Fernrohr ganz unſichtbar werden wird. Dieſe Acceleration, die, nach dem Geſagten, täglich 3 Minuten 55,907 Sekunden beträgt, wird nach einem Monate nahe auf zwei, und nach einem halben Jahre auf zwölf Stunden ſteigen. Allein dieſem Umſtande läßt ſich leicht begegnen, wenn man gleich die erſten Nächte nicht bloß einen, ſondern mehrere Sterne beobachtet, deren Verſchwindungen eine oder eine halbe Stunde von einander entfernt ſind. Wenn dann ſpäter auch die letzten dieſer Sterne ſchon zu nahe an dem Tage fallen, ſo kann man mit ihnen wieder andere auf dieſelbe Weiſe verbinden und in einem Jahre z. B. 50 Sterne beobachten, ſo daß in jeder halben Stunde des Tages im ganzen Jahre wenigſtens einer derſelben beobachtet werden kann.

Dieſe Methode iſt ſo einfach, daß es kaum nöthig ſeyn wird, ſie durch ein Beiſpiel zu erläutern. Geſetzt, man habe an irgend300Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.einem Tage durch den oben erwähnten Gnomon oder ſonſt auf irgend eine Weiſe (ſ. oben S. 244 oder 293) gefunden, daß die Uhr um 2 Minuten 40 Sekunden gegen mittlere Zeit zu ſpät gehe. An demſelben beobachtete man auf die eben angezeigte Art die Ver - ſchwindung eines Sterns, die z. B. in dem Augenblicke ſtatt hatte, als die Uhr 8 Stunden 45 Minuten 36 Sekunden gab. Da aber dieſe Uhr um 2 Minuten 40 Sekunden zu ſpät geht, ſo iſt die mittlere Zeit der Verſchwindung des Sterns 8 Stun - den 48 Minuten 16 Sekunden.

Da derſelbe Stern jeden folgenden Tag um 3 Minuten 55,908 Sekunden früher verſchwindet, ſo wird er am zweiten Tag um 8 Stunden 44 Minuten 20 Sekunden, am dritten um 8 St. 40 Minuten 24,2 Sekunden mittlerer Zeit verſchwinden. Hat man nun dieſe folgenden Verſchwindungen ebenfalls beobachtet und z. B. gefunden, daß die des zweiten Tages um 8 Stunden 41 Mi - nuten 46 Sekunden und die des dritten um 8 Stunden 37 Mi - nuten 56 Sekunden Uhrzeit ſtatt hatte, ſo findet man die Cor - rectionen der Uhr für dieſe drei Tage auf folgende einfache Weiſe

ſo daß man alſo jeden Tag den Fehler der Uhr und zugleich ihren täglichen Gang erhält, der in unſerem Beiſpiele 5,9 Sekunden be - trägt, um welche die Uhr jeden Tag gegen die mittlere Zeit vor - ausgeht oder accelerirt. Die Uebereinſtimmung des täglichen Gan - ges aus jedem Beobachtungspaare gibt zugleich einen Beweis von dem guten Gange der Uhr.

Wenn man bedenkt, wie einfach dieſe Beobachtungen ſind und mit welcher großen Schärfe ſie ſich anſtellen laſſen, ſo daß ſie ſelbſt von Aſtronomen, die mit keinem Mittagsrohre verſehen ſind, mit Vortheil gebraucht und allen anderen bisher erwähnten Zeit - beſtimmungen vorgezogen werden können, ſo muß man ſich ver - wundern, daß dieſe Methode, ſelbſt außer dem eigentlich wiſſen -301Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſchaftlichen Leben, nicht überall eingeführt iſt, wo man einer ge - nauen Zeitbeſtimmung bedarf. Unſere Uhrmacher z. B. werden nie einen höheren Grad ihrer Kunſt erreichen und mit den Chro - nometermachern Englands und Frankreichs, deren jeder eine kleine Privatſternwarte in ſeinem Hauſe hat, rivaliſiren können, ſo lange ſie nicht einmal genau wiſſen, ob die von ihnen verfertigten Uhren einen regelmäßigen Gang haben. Denn welches Mittel haben ſie, dieſes zu erfahren? Sogenannte Probeuhren oder Regu - latoren, von welchen ſie einſtweilen vorausſetzen, daß ſie gut ſind. Aber was berechtigt ſie zu dieſer Vorausſetzung? Einige bedienen ſich zu dieſem Zwecke ſogar der Sonnenuhren, die ſie ſich auf der Rückſeite ihres Hauſes von irgend einem vielleicht ſehr un - erfahrnen Menſchen aufzeichnen laſſen, ohne zu bedenken, daß noch nie eine ſolche Uhr verzeichnet worden iſt, durch welche man die Zeit bis auf eine oder auch auf mehrere Sekunden genau erhal - ten kann. Ja viele von ihnen kennen noch nicht einmal den Un - terſchied zwiſchen wahrer und mittlerer Zeit, und wollen ihre Uhren, denen ſie doch vor allen einen gleichförmigen Gang geben ſollen, zwingen, nach der Sonne d. h. ungleichförmig zu gehen. Alles dieß hindert ſie aber nicht, als Künſtler, wie ſie ſich ſelbſt zu nennen belieben, mit Stolz auf die anderen Handwerker herabzuſehen, die ſie tief unter ſich erblicken, wenn gleich man - cher von dieſen letztern ſein Handwerk mit viel mehr Kenntniß deſſelben und mit viel mehr Ueberlegung treibt, als jene ihre ſo - genannte Kunſt zu behandeln pflegen.

§. 23. (Zeitbeſtimmung ſelbſt ohne Fernrohr.) Da eine we - nigſtens genäherte Kenntniß der Zeit ſelbſt im bürgerlichen Leben ſo nothwendig iſt und da nicht Jedermann ſich die Inſtrumente oder das Fernrohr dazu verſchaffen kann, ſo wird es wünſchens - werth ſeyn, denſelben Zweck noch auf eine einfachere Weiſe zu erreichen.

Der oben (I. S. 109) erwähnte Gnomon, eine verticale Stange auf horizontalem Boden, iſt zwar einfach genug und ſeine An - ſchaffung in Jedermanns Bereiche. Allein ſeine Aufſtellung im Freien ſetzt ihn zu vielen Veränderungen durch Winde, Witte - rung, Störungen durch Menſchen und Thiere aus, als daß er für längere Zeit mit Sicherheit gebraucht werden könnte: für einen302Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.oder einige Tage aber läßt er ſich ohne Mühe und Koſten errich - ten, um dadurch den Stand und Gang einer Uhr, für dieſe we - nigen Tage, kennen zu lernen und dann, mit Hülfe einer ſolchen Uhr, andere Mittel zur künftigen, dauernden Zeitbeſtimmung in Bewegung zu ſetzen, wie wir dieß ſo eben in Beziehung auf die Sternverſchwindungen gethan haben, und wie wir es auch hier, in Beziehung auf eine andere Methode der Zeitbeſtimmung wie - der thun wollen.

Setzen wir alſo, um die Sache anfangs ſo einfach als möglich vorzutragen, voraus, daß man in ſeiner Wohnung ein Fenſter habe, deſſen Richtung wenigſtens nahe nach Süden gehe, ſo daß daſſelbe von der Sonne im Mittag beſchienen werde. An dem oberſten Theile deſſelben, zwiſchen den beiden Glasfenſtern, befe - ſtige man eine Schnur auf eine unveränderliche oder doch immer wieder leicht und ſicher zu findende Weiſe. Dieſe Schnur, die nahe ſo lang, als das Fenſter hoch iſt, trage an ihrem unteren Ende ein an ihr frei ſchwebendes Gewicht, ſchwer genug, die Schnur ſtraff zu ſpannen. Die Schwankungen der Schnur durch Luftzug der beiden Fenſter zu vermeiden oder doch zu vermindern, kann man den untern Theil des Gewichtes in einer kleinen mit Waſſer gefüllten Schaale gehen laſſen.

Hat man die Dicke der Schnur ſtark genug gewählt, um den Schatten derſelben, wenn ſie von der Sonne beſchienen wird, ent - weder auf dem Fußboden oder auch an einer der Wände des Zim - mers gut zu ſehen, ſo wird man bemerken, daß dieſer Schatten ſich um ſo ſchneller bewegt, je weiter er von der Schnur entfernt iſt, und ſolche Fenſter wird man daher zu unſerm Zwecke vorzugs - weiſe auswählen, weil man im Allgemeinen die Zeit durch dieſen Schatten deſto genauer beſtimmen wird, je ſchneller ſich dieſer Schatten bewegt, wenn er zugleich ſo deutlich und ſcharf begränzt, als möglich, geſehen wird.

Kennt man nun mit Hülfe des erwähnten Gnomons, oder mittelſt einer durch den Gnomon regulirten Uhr, an irgend einem hellen Tage den Augenblick des wahren Mittags genau, ſo wird man, in dieſem Augenblick, den Ort des Schnurſchattens auf dem Boden oder an der Wand des Zimmers durch eine gerade Linie verzeichnen, und ſo oft in künftigen Tagen der Schatten303Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.der Schnur wieder auf dieſe Linie fällt, ſo oft wird man auch den Augenblick des wahren Mittags dieſes Tages haben. Es iſt übri - gens für ſich klar, daß man, ſtatt jener Schnur, auch den Fen - ſterrahmen oder die Fenſtermauer ſelbſt gebrauchen und ihren Schatten wie zuvor beobachten kann, vorausgeſetzt, daß dieſer Rahmen, oder daß die Fenſterwand vollkommen vertical iſt, wo - von man ſich leicht mittelſt eines Bleilothes überzeugen wird.

Allein dadurch erhält man nur die Zeit des Mittages und daher vielleicht durch mehrere Wochen keine Zeitbeſtimmung, ſelbſt wenn die Witterung günſtig, die Sonne aber im Mittage zufäl - lig durch Wolken bedeckt iſt. Auch wird dieſe Methode dadurch ſehr beſchränkt, daß nicht jede Wohnung zu jenen Beobachtungen gelegene Fenſter darbietet.

Es wäre daher zu wünſchen, daß man dieſes an ſich ebenſo einfache als ſichere Verfahren auch auf jede Stunde des Tages und auf jede Lage des Fenſters, wenn daſſelbe nur nicht gegen Nord ſteht, ausdehnen könnte.

Man kann das auch, aber, wie dieß in beinahe allen Din - gen zu geſchehen pflegt, dieſer Vortheil läßt ſich nur auf Koſten eines anderen erreichen. So iſt es bekanntlich ein Grundgeſetz der Mechanik, daß man bei der Wirkung jeder Maſchine die Zeit nur auf Koſten der dazu verwendeten Kraft oder dieſe auf Koſten je - ner erſparen kann. Und ebenſo kann man auch hier, wie überhaupt ſehr oft in der beobachtenden Aſtronomie, von der Zeit des Mit - tags oder von der beſchränkenden Lage des Fenſters ſich ganz un - abhängig machen, wenn man ſich dafür eine übrigens ſehr leichte trigonometriſche Rechnung gefallen laſſen will. Dem Aſtronomen iſt dieß allerdings kein Hinderniß, und die mit dieſen Rechnungen nicht Bekannten werden doch wohl unter ihren Freunden leicht einen finden, der ſie dieſer kleinen Mühe überheben wird; für dieſe will ich dieſe erweiterte Methode der Zeitbeſtimmung hier kurz auseinander ſetzen.

Ich ſetze alſo voraus, daß man an einem Tage, für welchen man den Stand ſeiner Uhr, etwa durch Hülfe jenes Gnomons, genau kennt, aus irgend einem auch nicht gegen Süden gelegenen Fenſter den Schatten jener Schnur oder auch den Schatten des verticalen Fenſterſtockes, auf dem Boden oder an der Wand des304Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Zimmers, in einem Augenblicke bemerkt und angezeichnet habe, wo es z. B. genau drey Uhr Abends wahre Sonnzeit war. Die Frage iſt: wie viel wird es alle anderen Tage des Jahres wahre Zeit in dem Augenblicke ſeyn, wo jener Schatten wie - der dieſelbe bezeichnete Stelle einnimmt?

In dem ſphäriſchen Dreiecke ZNS '(I. Fig. 2) zwiſchen dem Zenith Z, dem Pol N des Aequators und dem Mittelpunkte S' der Sonne kennt man die Seite NS' oder die Poldiſtanz ((I. S. 28) der Sonne, ferner die Seite NZ oder die Aequatorhöhe (I. S. 29) des Beobachtungsorts, und den Stundenwinkel ZNS 'der Sonne zur Zeit der Beobachtung an dem erſten Tage. Daraus findet man durch die bekannten Vorſchriften der Trigonometrie das Azi - mut RZS' (I. S. 31) der Sonne.

Hat man z. B. dieſe erſte Beobachtung zu Wien, deſſen Aequa - torhöhe 41° 48′ iſt, an einem Tage gemacht, an welchem die Poldiſtanz der Sonne 80° war, und zwar zu dem Augenblicke, wo die wahre Zeit 3 Stunden, alſo der Stundenwinkel 45° be - trug, ſo findet man daraus das Azimut der Sonne 59° 55′ für dieſen Augenblick.

Daſſelbe Azimut wird aber die Sonne alle Tage des Jahres in demjenigen Momente haben, wo der Schatten der Schnur wieder auf die bezeichnete Stelle der Wand tritt, aber der Stun - denwinkel oder die wahre Zeit dieſes Momentes wird eine andere ſeyn, weil die Poldiſtanz der Sonne für jeden Tag eine andere iſt. Das Dreieck NZS 'wird ſich alſo auch geändert haben, in - dem wohl die Seite NZ und der Winkel NZS' derſelbe bleibt, die Linie NS 'aber näher gegen Z herauf oder weiter von Z herabge - rückt iſt, nachdem die Poldiſtanz der Sonne ſeit jenem erſten Tage kleiner oder größer geworden iſt.

Dieſe Poldiſtanz der Sonne aber kann man mit Hülfe eines jeden aſtronomiſchen Kalenders für jeden Tag des Jahres leicht finden und ebenſo wird man auch für jede gegebene Poldiſtanz der Sonne den ihr entſprechenden Tag des Jahres oder eigentlich die zwei Tage finden, da die Sonne im Allgemeinen zweimal des Jahrs dieſelbe Poldiſtanz hat. So findet man z. B. aus dieſem Kalender, daß jener erſte Beobachtungstag, an welchem die Pol -305Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.diſtanz der Sonne 80° betrug, entweder der 16. April oder der 28. Auguſt geweſen iſt.

Dieſe Poldiſtanz kann aber, da die Schiefe der Ecliptik (I. S. 32) 23½ Grad beträgt, von 66½ bis 113½ Grad wachſen. Nehmen wir alſo dieſe Poldiſtanz nach und nach zu 66, 67, 68 bis 113 Gra - den an, ſo bekommen wir eben ſo viele Dreiecke NZL ', in welchen allen die Seite NZ = 41° 48′ und der äußere Winkel oder das Azimut RZS' = 59° 55′ iſt, während die Seite NS 'nach der Ord - nung 66, 67, 68 Grade beträgt, und es wird ſich nun bloß darum handeln, in dieſem Dreiecke aus den bekannten Seiten NZ und NS' und dem Winkel RZS 'den unbekannten Stundenwinkel ZNS' zu finden, welcher letzte zugleich die geſuchte wahre Zeit ſeyn wird, zu welcher der Schatten der Schnur in den verſchiedenen Tagen des Jahres wieder auf die bezeichnete Stelle fällt. Nimmt man z. B. für unſeren Fall nach der Ordnung die Poldiſtanz der Sonne gleich 75, 89, 85 und 90 Graden, ſo findet man daraus die wahre Zeit und die zwei Tage des Jahres durch folgende kleine Tafel.

u. ſ. w.

Auf dieſe Weiſe wird man ſich, wenn man die Poldiſtanzen nach den einzelnen Graden wachſen läßt, eine Tafel entwerfen, aus welcher man für jeden Jahrestag die wahre Zeit jenes Mo - mentes nehmen kann. Denn geſetzt, man hätte am 2. April den Schatten der Schnur auf der bezeichneten Stelle in einem Augen - blicke geſehen, wo die Uhr 3 Stunden, 20 Minuten, 48 Sekunden gab, da ſie doch nach der vorhergehenden Tafel 3 St., 14 Min., 28 Sek. geben ſollte, ſo ſieht man daraus, daß die Uhr an dieſem Tage um 6 Min. 20 Sek. gegen wahre Zeit zu früh ging. Will man aber, wie gewöhnlich, die Uhr nicht mit der wahren, ſondern mit der mittleren Zeit vergleichen, ſo ſieht man aus der oben (I. S. 313) gegebenen Tafel, daß die Zeitgleichung am 2. AprilLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 20306Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.3 Min. 42 Sek. beträgt, ſo daß alſo die geſuchte mittlere Zeit jenes Tages 3 St., 18 Min., 10 Sek. iſt, oder daß die Uhr an dieſem Tage um 2 Min. 38 Sek. gegen mittlere Zeit zu früh geht, und ſo fort mit allen andern Tagen des Jahres.

§. 24. (Sonnenuhren.) Nachdem wir uns über den wichti - gen Gegenſtand der Zeitbeſtimmung ſo umſtändlich verbreitet haben, würde es unangemeſſen ſcheinen, eines der im gemeinen Leben gewöhnlichſten Mittel zu dieſem Zwecke hier ganz mit Stillſchweigen zu übergehen.

Unſere Erde bewegt ſich in einem Sterntage (I. S. 306) um ihre Axe von Weſt nach Oſt, und zwar, wie wir oben (I. S. 64 und 305) geſehen haben, auf eine ganz gleichförmige Weiſe oder mit einer völlig unveränderlichen Geſchwindigkeit. Wir haben bereits früher (I. Kap. II) gezeigt, daß man ſich die daraus fol - genden Erſcheinungen ganz eben ſo gut dadurch erklären kann, daß man die Erde in Ruhe läßt, und dafür den ganzen Himmel in derſelben Zeit, aber in verkehrter Richtung, oder von Oſt nach Weſt, ſich um die Erde bewegen läßt. Nehmen wir dieſe letztere, als die gewöhnlichſte und augenfälligſte Erklärung an, ſo würde alſo die Sonne, wenn ſie immer denſelben Ort am Himmel ein - nähme, ſo wie alle Fixſterne, während jeden Sterntages um die ruhende Erdaxe die ganze Peripherie eines Kreiſes zurücklegen. Denken wir uns hinter der Erde, auf der der Sonne entgegenge - ſetzten Seite, irgend eine ebene oder krumme aber feſte und un - veränderliche Fläche, ſo wird der Schatten, welchen die von der Sonne beſchienene Erdaxe hinter ſich wirft, auf dieſe Ebene fallen und auf ihr eben ſo gleichförmig weiter gehen, wie die Sonne ſelbſt mit dem ganzen Himmel um die ruhende Erde in ihrer täglichen Bewegung weiter ſchreitet, und ſo oft dieſe Sonne, in den folgenden Tagen, von dem Meridian eines beſtimmten Beob - achters wieder dieſelbe Entfernung, d. h. ſo oft die Sonne wieder denſelben Stundenwinkel hat (I. S. 30), ſo oft wird auch der Schatten der Erdaxe wieder dieſelbe Stelle auf jener Ebene einnehmen, ſo daß, wenn man nur einmal weiß, welche Stelle er für 1, 2, 3.. Uhr einnimmt, man künftig auch immer rückwärts, aus dem Orte des Schattens auf die ihm entſprechende Tageszeit, ſchließen wird.

307Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Dabei haben wir vorausgeſetzt, daß die Sonne, gleich einem Fixſtern, immer dieſelbe Stelle an dem ſich täglich um die Erde bewegenden Himmel, z. B. den Frühlingspunkt (I. S. 32), ein - nimmt. Setzen wir ſtatt dieſer Sonne einen eben ſo hellen Fix - ſtern in den Frühlingspunkt, ſo würden wir auf dieſe Weiſe, durch den Schatten auf unſerer Fläche, eigentlich die verſchiedenen Stun - den des Sterntags (I. S. 306) erhalten. Allein die wahre Sonne ſteht nicht feſt unter den anderen Sternen des Himmels, ſondern ſie bewegt ſich, wie wir oben (I. Kap. IX) geſehen haben, täglich nahe einen Grad gegen Oſten, und zwar nicht alle Tage mit derſelben, ſondern eigentlich mit einer veränderlichen Ge - ſchwindigkeit. Dadurch wird aber unſere Sache nicht weſentlich geändert. Der Schatten der Erdaxe, wie dieſelbe von der wahren Sonne beſchienen wird, wird noch immer ſeinen täglichen Weg auf jener Fläche zurücklegen, und er wird auch auf derſelben immer wieder dieſelbe Stelle einnehmen, ſo oft dieſe wahre Sonne dieſelbe Stelle gegen den Meridian des Beobachters einnimmt, d. h. ſo oft die wahre Sonne, in dem Laufe eines jeden künftigen Tages, wieder denſelben Stundenwinkel hat. Der Schatten der Erdaxe auf jener Fläche wird alſo nicht mehr, wie zuvor, den Stundenwinkel des Frühlingspunkts, oder die Sternzeit, ſondern er wird den Stundenwinkel der wahren Sonne, d. h. er wird die wahre Zeit (I. S. 307) angeben.

Dieß wäre demnach die einfachſte und zugleich die ſicherſte Sonnenuhr, die man haben könnte, und einmal auf jener Ebene die Orte des Schattens der Erdaxe für die verſchiedenen Stunden, Minuten und Sekunden des wahren Tages beſtimmt, würden wir, ſo oft dieſer Schatten wieder auf eine der ſo bezeich - neten Stellen fiele, ſofort auch daraus die wahre Zeit dieſes Augenblickes, ohne Inſtrumente, ohne Rechnung, durch den bloßen Anblick jener Flächen finden.

Allein wo iſt jene Fläche, oder wie ſollen wir uns eine ſolche verſchaffen? Da dieß offenbar für unſere Kräfte unmöglich iſt, müſſen wir deßhalb ganz von unſerer Unternehmung abſtehen?

Eine ſehr einfache Betrachtung wird uns helfen, dieſes an ſich unüberwindliche Hinderniß zu umgehen, und unſern Zweck auf einem andern Wege zu erreichen. Der Halbmeſſer unſerer20 *308Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Erde beträgt, wie wir oben geſehen haben, 859 deutſche Meilen; der Halbmeſſer der Erdbahn aber, oder mit anderen Worten, die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde hat 20658000 M. Die letzte iſt alſo über 24000mal größer, als die erſte. Die ganze Erde iſt alſo nur als ein ſehr kleiner Körper, nur als ein beinahe verſchwindender Punkt gegen jene hohle Himmelskugel anzuſehen, in deren Oberfläche ſich die Sonne aufhält. Wollten wir uns z. B. dieſe beiden Kugeln in ihrem wahren Verhältniſſe durch ein Modell darſtellen, in welchem der Durchmeſſer der kleineren, der Erde, einen Schuh beträgt, ſo müßten wir dem Durchmeſſer der größeren, der Himmelskugel, einen Durchmeſſer von 24000 Fuß, alſo von mehr als einer deutſchen Meile geben, da ſchon 22842 P. Fuß auf eine ſolche Meile gehen. Alſo würde auch eine ſo kleine Kugel von nur einem Schuh im Durchmeſſer, wenn wir hinter ihr eine feſte Fläche anbringen, oder wenn wir ſie vor der feſten Wand eines Hauſes oder vor dem Dache eines Thurmes u. ſ. w. aufſtellen, uns ganz dieſelbe Dienſte leiſten, wie jener vorhergehende zu große, und darum für uns unmögliche Apparat, wenn nur, was allerdings hier Hauptſache iſt, wenn nur die Axe dieſer kleinen Kugel, wofür hier irgend ein durch ihren Mittelpunkt gehender, und zu beiden Seiten verlängerter Stift genommen werden kann, mit der großen Weltaxe genau parallel gelegt wird. Wegen der ſo geringen Größe der Erde gegen die ungemeine Entfernung der Sonne kann man nämlich, ohne allen merklichen Fehler, annehmen, daß die Son - nenſtrahlen, obſchon ſie eigentlich aus der Sonne divergent aus - gehen, auf alle Punkte der Erde in unter ſich parallelen Richtungen auffallen, und daß es daher, in Beziehung auf unſere Abſicht, gleichviel iſt, auf welchem Punkte der Oberfläche der Erde man dieſe Axe anbringt, wenn man ſie nur mit der wahren Axe der Erde vollkommen parallel ſtellt, ſo daß alſo auch jene kleine Kugel, von der wir ſo eben geſprochen haben, ganz überflüſſig wird, indem ſchon ein einfacher, der Erdaxe paralleler Stift ge - nügt, um dieſen unſern Endzweck zu erreichen, nämlich um durch den Schatten eines ſolchen Stifts, den er auf eine hinter ihm ſtehende, ebene oder krumme Fläche wirft, die wahre Zeit in jedem Augenblicke anzugeben.

309Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

§. 25. (Horizontale Sonnenuhr: erſte Methode.) Unſere Aufgabe reducirt ſich demnach auf folgende zwei Fragen: wie ſoll man erſtens einen geradlinigen Stift ſo ſtellen, damit er der Erdaxe parallel werde, und wie ſoll man zweitens auf einer hinter dieſem Stifte ſtehenden Fläche die Orte des Schattens dieſes Stiftes für jeden Augenblick der wahren Zeit angeben?

Um die Antworten auf dieſe Fragen nicht gleich anfangs zu ſehr zu compliciren, wollen wir uns jene Fläche als eine hori - zontale Ebene, z. B. als ein dem Horizonte parallel gelegtes Tiſchblatt denken. Hier wird es ſehr leicht ſeyn, unſern Stift in dem Tiſche in der durch die erſte Frage geforderten Weiſe aufzu - ſtellen. Die Erdaxe macht nämlich mit dem Horizonte eines jeden Ortes auf der Oberfläche der Erde einen Winkel, der gleich der Polhöhe oder, was daſſelbe iſt, der gleich der geographiſchen Breite dieſes Ortes iſt (I. S. 34), welche letzte man bekanntlich aus jeder guten Karte des Landes, in welchem jener Ort liegt, nehmen kann. Für Wien z. B. iſt die geographiſche Breite 48° 12′ 35″ (I. S. 34). Sey alſo ABDE (Fig. 17) die erwähnte horizontale Tafel. Man ziehe in ihr, durch irgend einen will - kührlich gewählten Punkt C, die zwei unter ſich ſenkrechten Linien AB und DE und befeſtige in dem Punkte C der Tafel einen ge - radlinigen Stift CP über dieſer Tafel ſo, daß er mit den beiden Linien CD und CE einen Winkel von 90 Graden, mit der Linie CA aber einen Winkel von 48° 12′ 35″ macht, ſo wird dieſer Stift der Erdaxe parallel ſtehen, ſobald man die horizontale Tafel ſo ſtellt, daß die Linie CA genau nach Nord, alſo auch CD nach Oſt, CE nach Weſt und CB endlich nach Süd gerichtet iſt, ſo daß alſo die Linie ACB die Mittagslinie (I. S. 29) des Ortes vorſtellt. Einfacher wird ſich dieſer Stift noch ſo in ſeine ge - hörige Lage ſtellen laſſen. Man bilde ſich z. B. aus Carton oder Metallblech ein bei G rechtwinkliges Dreieck CGP, deſſen einer Winkel bei C gleich der Polhöhe des Ortes, alſo in unſerem Beiſpiele, gleich 48° 12′ 35″ iſt, und ſtelle dann dieſes Dreieck ſenkrecht auf die Ebene der Tafel ſo, daß der Scheitel C deſ - ſelben in den oben gewählten Punkt C der Tafel, und daß die Seite CG des Dreiecks in die oben gezogene Linie CA der Tafel fällt. In dieſer Lage wird die größte, oder die dem rechten310Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Winkel G gegenüberſtehende Seite CP die wahre Lage des Stiftes angeben, ſo daß man alſo, bei dieſer Stellung des Dreiecks, den Stift nur in die Richtung der Seite PC des Dreiecks bringen, und in dieſer Lage an der Tafel befeſtigen kann.

Damit iſt alſo die erſte unſerer Fragen beantwortet. Allein wie ſoll man nun, in derſelben Tafel, die Linien finden, auf welche der Schatten des Stiftes fallen muß, wenn es eben 1, 2, 3… Uhr wahre Zeit iſt?

Zu dieſem Zwecke kann man ſich des folgenden graphiſchen Verfahrens bedienen. Nachdem man, wie zuvor, durch einen willkührlich gewählten Punkt C der Tafel die beiden unter ſich ſenkrechten Geraden AB und DE gezogen hat, ziehe man nun, ebenfalls in der Ebene dieſer Tafel, die Linie CQ ſo, daß ſie mit der Linie CA einen Winkel ACQ gleich der Polhöhe des Ortes bilde. Man nehme dann in dieſer Linie CQ irgend einen, eben - falls willkührlichen Punkt P und errichte in dieſem Punkte P auf die Linie CQ eine Senkrechte, welche die Linie AC in dem Punkte H ſchneiden ſoll. Durch dieſen Punkt H ziehe man eine auf AC ſenkrechte, alſo mit DE parallele Gerade D'E '. Man nehme ferner in der Linie AC von dem Punkte H aus die Linie HO genau ſo groß, als jene Senkrechte HP war, und ziehe aus dem ſo beſtimmten Punkte O, als aus dem Mittelpunkte, mit irgend einem willkührlichen Halbmeſſer, z. B. mit dem Halb - meſſer OH den Halbkreis MHN. Theilt man dann die Peripherie dieſes Kreiſes von dem Punkte H aus, zu beiden Seiten deſſelben, in ſechs gleiche Theile, und zieht durch die Theilungspunkte a, b, c.. die Halbmeſſer Ca, Cb, Cc und verlängert dieſelben, bis ſie die oben erwähnte Gerade D'E' in den Punkten a', b', c'… ſchneiden, ſo hat man nur dieſe Punkte a', b', c'… mit dem oben gewählten Punkte C durch die geraden Linien Ca'XI, Cb'X, Cc'IX u. ſ. w. zu verbinden, um die geſuchten Schatten - linien zu erhalten, auf welche nämlich der Schatten des Stiftes, der auf die oben erwähnte Weiſe in der Tafel befeſtiget wurde, in den Augenblicken fallen wird, wann es 11, 10, 9.. Uhr wahre Zeit Morgens iſt. Eben ſo erhält man auf der andern Seite von AC die Schattenlinien für 1, 2, 3… Uhr Abends, und wenn man die Peripherie des Halbkreiſes MHN, ſtatt wie zuvor in 12,311Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.genau in 24 oder in 48 gleiche Theile theilt, ſo erhält man auch die Schattenlinien für die Halben - und Viertel-Stunden zwiſchen jenen bereits gefundenen ganzen. Hat man die Tafel groß genug gewählt, ſo wird man ſelbſt noch kleinere Theile der Stunde mit Sicherheit auf ihr eintragen können. Eine ſolche Sonnenuhr wird eine Horizontaluhr genannt, weil ſie auf eine horizontale Tafel verzeichnet iſt. Stellt man in der That dieſe Tafel mittelſt einer Libelle (S. 284) genau horizontal, und die Linie AC in die Richtung der Mittagslinie, ſo daß C auf der Nordſeite liegt, ſo wird der Schatten des Stiftes CP oder CQ, ſo oft er von der Sonne beſchienen wird, auf der bezeichneten Tafel die wahre Zeit angeben.

§. 26. (Horizontale Sonnenuhr: zweite Methode.) Obſchon die angeführte Verzeichnung einer ſolchen Uhr von Jedermann leicht ausgeführt werden kann, ſo gibt es doch noch eine einfachere Art, eine Horizontaluhr zu conſtruiren.

Beide Methoden beruhen im Grunde auf der Auflöſung von zwei ebenen Dreiecken, durch die man ohne Mühe findet, daß die Tangente des Winkels ACa 'oder ACb' .. der Schattenlinie Ca 'oder Cb' .. mit der Mittagslinie CA der Uhr für jeden gegebenen Stundenwinkel (I. S. 30) der Sonne, gleich iſt der Tangente dieſes Stundenwinkels multiplicirt in den Sinus der Polhöhe des Ortes, in welchem man die Sonnenuhr errichten will. Sucht man z. B. den Winkel ACM oder ACN für den Stundenwinkel von 30°, oder von 2 Stunden vor oder nach dem Mittage für die Polhöhe von 50°, ſo findet man die Tangente von 30° gleich 0,57735 und den Sinus von 50° gleich 0,76604. Beider Produkt gibt 0,44227 für die Tangente des geſuchten Winkels ACM, wel - cher Winkel daher gleich 23° 51′ 31″ iſt, und ſo fort für alle übrigen Stundenwinkel. Hat man ſo dieſe Winkel ACa ', ACb' .. für alle einzelnen Stundenwinkel berechnet, ſo wird man ſie mit - telſt des ſogenannten Transporteurs an die Seite CH rechts und links von derſelben auf die Tafel auftragen, und die Son - nenuhr wird vollendet ſeyn.

Da ich aber, dem Zwecke dieſer Schrift gemäß, jene Rech - nungen, ſo einfach ſie auch ſeyn mögen, nicht als bekannt vor - ausſetzen darf, ſo wollen wir ſie, durch Hülfe einer bereits voraus berechneten Tafel, unſern Leſern ganz entbehrlich machen.

312Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Iſt nämlich wieder CDE (Fig. 18) die oben erwähnte hori - zontale Tafel, ſo ziehe man, wie dort, durch den willkührlichen Punkt C die Gerade CA und darauf ſenkrecht die Linie DAE. In der Linie CA errichte man, ſenkrecht auf die Tafel, das Dreieck GCP, deſſen Winkel bei C gleich der Polhöhe iſt, und befeſtige dann, in dem Punkte C, nach der Richtung der Seite CP den Stift CQ. Endlich theile man die gerade Linie CA in 1000 gleiche Theile, und trage dann auf der Linie DAE, zu beiden Seiten von A, ſo viele dieſer Theile auf, als die folgende Tafel für jeden Stundenwinkel angibt, wodurch man die Punkte a, b, c.. und a', b', c '.. erhält, die, mit C verbunden, die geſuchten Schattenlinien Ca, Ca', Cb, Cb '.. der Horizontaluhr geben.

Wollte man alſo eine ſolche Uhr, z. B. für Weimar errich - ten, ſo wird man, da die geographiſche Breite dieſer Stadt 51° beträgt, von den 1000 gleichen Theilen der Linie CA, 208 von A nach a und nach a' tragen, um die. Schattenlinien für die erſte Stunde vor und nach Mittag zu erhalten. Nimmt man eben ſo Ab = Ab '= 449 ſolcher Theile, ſo erhält man die Schattenlinien für 10 Uhr vor und für zwei Uhr nach dem Mittage, und ſo fort für alle übrigen Stunden und Unterabtheilungen derſelben.

Die folgende Tafel erſtreckt ſich über den größten Theil Deutſchlands.

313Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Für 6 Uhr Morgens oder Abends iſt die Entfernung des Durchſchnittspunktes der Schattenlinien mit der Linie DAE, von A an gezählt, unendlich groß, d. h. dieſe Schattenlinie fällt in die durch C mit DE parallel gezogene Linie VI, VI. Will man dann noch die übrigen weiter gegen Morgen oder gegen Abend fallenden Schattenlinien auf der Tafel verzeichnen, ſo wird man nur die bereits erhaltenen Schattenlinien rückwärts über C hinaus verlängern. So gehört z. B. die Schattenlinie C.IX für 9 Uhr Morgens, alſo auch ihre Verlängerung auf der anderen Seite von C für 9 Uhr Abends, und eben ſo wird die Linie C.III ver - längert die Schattenlinie für 3 Uhr Morgens geben, wo man dieſe Linien offenbar nicht weiter fortſetzen wird, als die größte halbe Tageslänge des Orts beträgt, die wir oben (I. S. 205) in einer eigenen Tafel angegeben haben.

§. 27. (Sonnenuhr für jede gegebene Fläche.) So einfach die vorhergehenden Vorſchriften zur Verzeichnung einer Sonnen - uhr auf einer ebenen horizontalen Tafel jedermann erſcheinen werden, ſo wird man doch ſchon ohne ausdrückliche Erinne - rung bemerken, daß die Conſtruction einer Sonnenuhr auf irgend einer anderen, ſchief gegen den Horizont und gegen den Meridian geſtellten Ebene, z. B. auf der Ebene einer ſenkrechten Mauer oder auf der eines ſchief liegenden Daches ſehr zuſammen geſetzt werden kann, und noch mehr werden ſich die Schwierigkeiten häufen, wenn eine Sonnenuhr auf irgend einer krummen Fläche, z. B. auf der Seitenwand eines runden Thurms oder auf einem runden Kuppeldache verzeichnet werden ſoll. Alle dieſe Uhren werden mit der vorhergehenden Horizontaluhr bloß darin überein kommen, daß der Stab, deſſen Schatten die Stunde anzeigt, immer der Weltaxe parallel geſtellt werden ſoll, da dieß, wie wir oben geſehen haben, die Hauptbedingung iſt, die jeder Zeit - beſtimmung dieſer Art zu Grunde liegen muß. Die Verzeichnung der Schattenlinien aber wird bei dieſen Uhren, je nach der Stel - lung und Krümmung der Flächen, auf welchen ſie verzeichnet werden ſollen, für jede Uhr eine andere ſeyn.

Allein ohne uns hier in die oft ſehr verwickelten Regeln ein - zulaſſen, die man bei der Conſtruction einer ſolchen Uhr zu beob - achten hat, wollen wir vielmehr ein Mittel ſuchen, die Horizon -314Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.taluhr, die wir nach dem Vorhergehenden als bereits conſtruirt, und mit der größten Sorgfalt ausgeführt vorausſetzen, auf jene ebene oder krumme Fläche aufzutragen oder gleichſam zu pro - jiciren.

Zu dieſem Zwecke wird man die bereits verfertigte, und zur größeren Genauigkeit in einem bedeutenderen Maaßſtabe ausge - führte Horizontaluhr auf einen feſten Tiſch unmittelbar vor jener Fläche, z. B. vor jener Wand bringen, auf welcher man die neue Uhr verzeichnen will. Auf dieſem Tiſche ſtellt man dann die Tafel der Horizontaluhr, mittelſt einer Libelle, horizontal (oben (S. 284), und überdieß die Linie CA (Fig. 17 und 18) genau in die Mittagslinie, ſo daß der Punkt C nach Süd und der Punkt A genau nach Nord ſteht. Am einfachſten wird man dieß letzte, wenn man nicht ſchon eine verläßliche und genaue Pendel - oder Taſchenuhr hat, erreichen, wenn man mit Hülfe des bereits oben (I. S. 109) erwähnten Gnomons den Augenblick bemerkt, wo der Schatten der verticalen Stange auf das ſchon durch frühere Beobachtungen bekannte Zeichen des Mittags fällt, und wenn man, in dieſem Augenblicke, die immer horizontale Tafel der Uhr ſo dreht, daß der Schatten ihres Stiftes CQ genau auf die Schattenlinie CA der zwölften Stunde der Horizontaluhr fällt.

In dieſer Lage iſt alſo die Horizontaluhr auf ihrem Tiſche vollkommen orientirt. Verlängert man nun, etwa durch einen geſpannten Faden den Stiel CQ der Horizontaluhr, bis dieſer Faden die Wand, auf welcher die neue Uhr verzeichnet werden ſoll, in einem Punkte R trifft, ſo wird man in dieſem Punkte R der Wand einen Stiel, z. B. eine Stange von Eiſen ſo befeſtigen, daß er dem geſpannten Faden genau parallel wird. Da ſonach dieſer Stiel auch der Weltaxe parallel iſt, ſo wird er der Stiel der neuen Uhr ſeyn.

Auf dieſelbe Weiſe, wie man den Stiel der Horizontaluhr verlängert hat, wird man aber auch die Schattenlinien derſelben verlängern können, indem man nämlich den in C (Fig. 17 u. 18) befeſtigten Faden von ſeiner erſten Lage CQ abhebt, und ihn in die Lage CA, Ca ', C'b' .. der Schattenlinien der Horizontaluhr für 12, 11, 10 Uhr u. ſ. f. bringt, ihn in dieſer Lage ſpannt, und die Punkte r, r ', r' '.. der Wand bemerkt, in welchem der ſo315Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.geſpannte Faden die Wand trifft. Verbindet man dann dieſe Punkte r, r ', r' '.. der Wand mit dem vorigen Punkte R der - ſelben durch die geraden Linien Rr, Rr', Rr '' .., ſo erhält man ſofort auch die Schattenlinien der neuen Uhr für 12, 11, 10.. Uhr und ſofort für jede andere Stunde des Tages.

Dieß ſetzt voraus, daß die Wand, auf welcher die neue Son - nenuhr verzeichnet werden ſoll, eine Ebene, z. B. die ſenkrechte Wand eines Hauſes oder die ebene Fläche irgend eines Daches iſt, denn nur dann werden ſchon zwei Punkte wie R und r oder wie R und r 'u. f. hinreichen, die gerade Linie, d. h. die Schat - tenlinie der Uhr zu beſtimmen. Iſt aber dieſe Wand eine krumme Fläche, z. B. die Oberfläche eines cylindriſchen oder kegelförmi - gen Gebäudes, ſo ſind die Schattenlinien einer ſolchen Wand nicht mehr gerade, ſondern ebenfalls krumme Linien, zu deren Ver - zeichnung jene zwei Punkte nicht mehr hinreichen.

Allein in dieſem Falle kann man ſich eines ſehr einfachen Mittels bedienen, dieſe krumme Schattenlinien unmittelbar zu finden. Dieſes Mittel läßt ſich auch eben ſo bequem und ſicher zugleich bei ebenen Wänden anbringen, und es hat noch den Vor - theil, daß man die neue Sonnenuhr ſelbſt ohne Hülfe der Sonne oder zur Nachtzeit verzeichnen kann. Dieſes Mittel beſteht in einer Lampe, deren Licht man in einer beträchtlichen Entfernung von der Horizontaluhr aufſtellt. Am beſten wird man eine ſolche Lampe wählen, die ihr Licht nicht durch ein gewöhnliches Fen - ſterglas, ſondern durch eine Glaslinſe ſchickt, in deren Brenn - punkte die Flamme der Lampe ſteht. Dann werden nämlich die von der Flamme auf die Linſe fallenden Strahlen, nach der Brechung durch dieſe Linſe, unter ſich parallel auf die Horizontaluhr treten, wie dieß auch mit den Strahlen der Sonne der Fall iſt, und man wird daher eine ſolche Lampe auch ganz nahe an die Horizontaluhr halten können, um den Schatten des neuen Stiels auf der krummen Wand deſto deutlicher zu ſehen. Hält man nun dieſe Lampe ſo, daß der Stiel CQ der Horizontaluhr nach und nach auf die Schattenlinien CA, Ca ', Cb' .. derſelben für 12, 11, 10.. Uhr fällt, ſo wird auch der Schatten des neuen Stiels auf der krummen Wand diejenigen krummen Linien angeben, auf welche der Schatten dieſes neuen316Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Stiels, wenn er von der Sonne beſchienen wird, um 12, 11, 10.. Uhr fallen wird, und ſofort für alle übrigen Stunden des Tages, ſo daß man alſo nur, für jede jener Lagen der Lampe, den Schatten des neuen Stiels auf der krummen Wand, ſeiner ganzen Länge nach, anzeichnen darf, um ſofort auch die entſprechenden Schattenlinien der neuen Sonnenuhr zu erhalten.

§. 28. (Meridiankreis.) Wir haben in dem Vorhergehenden die vorzüglichſten Mittel angezeigt, durch welche man die Zeit einer jeden Beobachtung beſtimmen kann. Man wird von ſelbſt bemerken, daß dieſe Mittel nicht alle von gleichem Werthe ſind, und daß es z. B. dem gegenwärtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft ganz unangemeſſen wäre, wenn irgend ein Aſtronom ſeine Zeit durch eine Sonnenuhr beſtimmen wollte, da die Conſtruction derſelben, ſo viel Sorgfalt man auch darauf verwendet haben mag, doch nie die Genauigkeit gewähren kann, die von den aſtro - nomiſchen Beobachtungen in unſeren Tagen gefordert wird. Im Gegentheile iſt das Mittagsrohr ohne Zweifel das beſte und ſicherſte Mittel, nicht bloß zu einer genauen Beſtimmung der Zeit, ſondern auch zur Beobachtung der Rectaſcenſion der Geſtirne.

Allein durch dieſe Rectaſcenſion wird der Ort eines Geſtirns am Himmel noch nicht vollſtändig angegeben, indem alle andern, die in demſelben Declinationskreiſe (I. S. 28) mit jenem liegen, auch eine mit ihm gemeinſchaftliche Rectaſcenſion haben. Es iſt daher noch erforderlich, daß der Aſtronom auch, nebſt der Recta - ſcenſion, die Declination (I. S. 31) jedes Geſtirns durch ſeine Beobachtungen beſtimme, um dadurch die Lage deſſelben, und zwar gegen den Aequator vollſtändig anzugeben.

Wir haben zwar bereits oben (I. S. 106) gezeigt, wie man zu dieſem Zwecke den Quadranten gebrauchen kann, wenn man ihn in der Ebene des Meridians aufſtellt. Wenn man nämlich die Polhöhe ſeines Beobachtungsortes, nach der dort (I. S. 105) auseinander geſetzten Methode, durch frühere Beobachtungen be - reits beſtimmt hat, ſo wird man nur von jeder, in dem Meridian mittelſt des Quadranten beobachteten Höhe eines Geſtirns die Aequatorhöhe des Beobachtungsorts ſubtrahiren, um ſofort die geſuchte Declination des Geſtirns zu erhalten. Allein wir haben317Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.auch bereits erinnert, daß der Quadrant, ſelbſt der Mauerqua - drant, ſeiner ganzen Einrichtung nach, nicht ſo verläßliche Re - ſultate darbietet, daß er die geſuchten Höhen der Sterne nicht mit der Schärfe zu geben im Stande iſt, die man dem gegen - wärtigen Bedürfniſſe der ſo ſehr verfeinerten Beobachtungskunſt angemeſſen nennen kann.

Man mußte daher auf ein anders eingerichtetes Inſtrument bedacht ſeyn, welches dieſe Höhen, und dadurch die Declinationen der Geſtirne mit einer größeren Sicherheit geben kann. Auch dieſes Inſtrument iſt von demſelben däniſchen Aſtronomen Römer, der das Mittagsrohr erfunden hat, und zwar nahe zu gleicher Zeit ausgedacht worden. Es beſteht, um es am einfachſten zu ſagen, in einem, mit einem Fernrohre verſehenen und auf das genaueſte eingetheilten Kreiſe, deſſen Ebene ſich in der Ebene des Meridians befindet.

Es wurde oben (S. 293) geſagt, daß an der Drehungsaxe AB des Mittagsrohrs CD (Fig. 15) eine Alhidade Ao befeſtiget iſt, die während der Drehung des Fernrohrs auf einem, an dem Pfeiler P befeſtigten Halbkreiſe mn auf und nieder geht, und daß man dadurch die Höhe findet, auf welche man das Fernrohr ſtellen ſoll, damit der verlangte Stern im Felde dieſes Fernrohrs erſcheine. Zu dieſem Zwecke war es genug, jenen Kreis nur klein, etwa von einem Fuß im Durchmeſſer zu machen, und ſeinen Umfang bloß von fünf zu fünf Minuten zu theilen, da man durch dieſen Kreis, nicht etwa die Höhe der durch den Meridian ge - henden Sterne genau meſſen, ſondern nur überhaupt dieſe Sterne in dem Fernrohre zu dem Geſichte des Beobachters bringen will, um dann die Rectaſcenſion derſelben genau beobachten zu können. Wollten wir daher auch die Höhen, oder, was für Meridianbeobachtungen daſſelbe iſt, die Declinationen dieſer Sterne mit derſelben Genauigkeit an dieſem Inſtrumente beſtimmen, ſo dürfte man nur dieſen Kreis mn größer machen, genau ein - theilen, und überhaupt auf ſeine Conſtruction alle die Sorgfalt verwenden, welche der neue Zweck, zu dem er nun beſtimmt iſt, nothwendig macht.

Auf dieſe Weiſe alſo entſtand der Meridiankreis, den man in ſeinen vorzüglichſten Theilen in der Fig. 19, und zwar318Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſo abgebildet ſieht, wie man jetzt in Deutſchland dieſes Inſtru - ment nach Reichenbachs Angabe zu verfertigen pflegt.

Man bemerkt hier wieder, wie bei dem Mittagsrohre, die auf den beiden Pfeilern P und Q ruhende horizontale Drehungs - axe AB, in deren Mitte das darauf ſenkrechte Fehrnrohr CD an - gebracht iſt. Die beiden Enden A und B dieſer Drehungsaxe ſind mit ihren Pfeilern durch zwei Metallſtücke in Verbindung, deren jedes aus zwei ſtarken Platten beſteht. Die erſte, dem Pfeiler nächſte Platte iſt unmittelbar an dem Pfeiler feſt, und die andere, welche die eigentlichen Lager trägt, auf welchen die cylindriſchen Enden der Rotationsaxe aufliegen, laſſen ſich an den erſten Platten durch Schrauben bewegen, und zwar die eine auf und nieder, um dadurch die Rotationsaxe mittels der Libelle horizontal zu ſtellen, und die andere im Horizonte vor - und rückwärts, um dadurch dieſe Axe ſenkrecht auf den Meridian oder das Fernrohr CD in die Ebene des Meridians zu bringen.

An dem einen Ende der Rotationsaxe ſind zwei concentriſche, zu dieſer Axe ſenkrechte Kreiſe mn angebracht. Die Peripherie dieſer beiden in einer Ebene liegenden Kreiſe ſind einander ſo nahe, daß ſie ſich beinahe berühren, und daß ein unbewaffnetes Auge nur mit Mühe die Gränze unterſcheidet, die ſie von einan - der trennt. Der größere oder äußere dieſer beiden Kreiſe iſt an ſeinem mit Silber eingelegten Limbus in Grade und Minuten eingetheilt, und dieſer Kreis iſt mit der Rotationsaxe feſt und unveränderlich verbunden, ſo daß er ſich, wie das Fernrohr, zu - gleich mit dieſer Axe dreht. Der kleinere oder innere Kreis, der auch die Alhidade genannt wird, trägt an vier Orten ſeines Lim - bus, von welchen Orten je zwei einander gegenüber ſtehen, einen Vernier, um dadurch, wie wir weiter unten ſehen werden, die Minuten des andern Kreiſes noch weiter unterzutheilen, ſo daß man jetzt mit Hülfe beider Kreiſe unmittelbar zwei Sekunden leſen, und ſelbſt die einzelne Sekunde meiſtens noch mit Sicher - heit ſchätzen kann. Statt dieſes Vernier können wir hier einſt - weilen eine einfache, feine gerade Linie ſubſtituiren, die am Rande des innern Kreiſes, an vier Orten deſſelben, in der Richtung des Halbmeſſers gezogen iſt, und mittelſt welcher man die Lage des äußern Kreiſes gegen den feſten inneren, auf dieſem letzten ableſen319Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.kann. Dieſer zweite Kreis oder die Alhidade iſt nicht wie der erſte, an der Drehungsaxe AB, ſondern er iſt an dem Pfeiler P befeſtiget, und bleibt daher, auch während der Drehung des erſten Kreiſes, feſt und unveränderlich ſtehen. Die Oeffnung im Mit - telpunkte dieſer Alhidade iſt nämlich etwas größer, als das Ende A der Drehungsaxe, damit dieſe frei durch jene Oeffnung gehen kann. Die Befeſtigung der Alhidade an dem Pfeiler aber wird durch die ſtarke metallene Vorrichtung ab bewirkt. Der Theil a dieſer Vorrichtung iſt ein ſtarkes, in den Pfeiler feſt eingemachtes Eiſenſtück, und der Theil b iſt eine ſolide Platte von Meſſing, die an ihrem oberſten Theile mit dem Mittelpunkte der Alhidade durch Schrauben feſt verbunden iſt. Beide Theile ſind bei c mit einander durch eine feine Schraube in Verbindung gebracht. Um ſich von der unveränderlichen Lage der Alhidade zu verſichern, wird an die Speichen derſelben, bei d, eine Libelle befeſtiget. Wenn ſich dieſe Libelle durch irgend eine kleine Verſtellung der Alhidade ändert, ſo wird, durch die erwähnte feine Schraube bei e, die Alhidade in ihrer Ebene bewegt, bis die Blaſe jener Libelle wieder den frühern Ort, alſo auch die Alhidade ſelbſt wieder ihre erſte Stelle einnimmt.

Eine ähnliche Vorrichtung hat man auch an dem andern Ende B der Rotationsaxe. Man ſieht hier das in dem Pfeiler Q befeſtigte Eiſenſtück a', und die ſolide Platte b' von Meſſing. Dieſe Platte umgibt in ihrem obern Theile bei d' die Rotations - axe frei, ſo daß dieſe ungehindert durch die etwas größere Oeff - nung der Platte gehen kann. Allein durch die Mitte dieſer Platte und längs der Richtung c'd 'geht eine metallene Stange, deren unteres Ende bei c' in einer Schraubenmutter lauft, und mit einer granulirten kleinen Scheibe verſehen iſt, die man bei h ſieht, und mittels welcher man jene Stange bequem drehen kann. Bewegt man dieſe Schraube h rückwärts, ſo geht das obere Ende d' der Stange herab, und läßt die Rotationsaxe ganz frei, daher man jetzt dieſe Axe mit dem Fernrohre und dem an ſie befeſtig - ten äußern Kreiſe frei drehen, und das Fernrohr nahe auf den eben zu beobachtenden Stern ſo ſtellen kann, daß er wenigſtens in dem Felde des Fernrohrs erſcheine. Hat man dieß erlangt, ſo wird man nun noch das Fernrohr ſammt ſeinem äußeren Kreiſe320Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.etwas weniges ſanft bewegen müſſen, um nun auch den hori - zontalen Faden im Brennpunkte des Fernrohrs (vergleiche oben) ganz genau auf das Geſtirn zu ſtellen. Um dieß mit Sicher - heit zu bewirken, ſchraubt man zuerſt die Stange durch ihre ver - ticale Schraube h wieder aufwärts, wodurch der obere Theil d' dieſer Stange an die Rotationsaxe angedrückt, und dadurch dieſe Axe, ſammt Kreis und Fernrohr, gleichſam feſtgeſtellt wird, und jetzt kann man, mittels einer anderen feinen, horizontalen Schraube fc 'deren granulirte Scheibe bei f iſt, die Platte c'd', alſo auch die jetzt an ſie gleichſam befeſtigte Rotationsaxe ſehr ſanft und ſo lange bewegen, bis der Stern von dem horizontalen Faden des Fernrohrs bedeckt wird. In dieſem Zuſtande liest man den Ort der vier Verniere der Alhidade an dem äußern Kreiſe ab, und das Mittel aus dieſen vier Ableſungen gibt die geſuchte, beobach - tete Höhe des Sterns.

Bei der vorhergehenden Beſchreibung des Meridiankreiſes ſind mehrere kleine Einrichtungen, der Kürze und der leichteren Ueberſicht wegen, übergangen worden, die von der Umſicht und dem Scharfſinne des Künſtlers an dem Inſtrumente angebracht wurden, um dadurch die Sicherheit und Bequemlichkeit der Beob - achtungen zu erhöhen. Hier mögen die beiden folgenden Be - merkungen, als ein ergänzender Nachtrag des Vorhergehenden, genügen. Erſtens iſt die Rotationsaxe ihrer Länge nach, und auch der Pfeiler in der Richtung dieſer Axe ausgehöhlt, um durch eine, an der andern Seite des Pfeilers aufgeſtellte Lampe das Innere des Fernrohrs zu erhellen, und die feinen Fäden im Brennpunkte deſſelben, während der nächtlichen Beobachtungen, ſichtbar zu machen. Da dieſe Vorrichtung ſchon bei der Zeichnung (Fig. 15) des Mittagsrohrs angezeigt wurde, ſo ſchien es unnö - thig, ſie hier zu wiederholen. Zweitens iſt es nicht genug, daß ein Inſtrument irgend einer Art bloß ſo gut als möglich aus der Hand des Künſtlers hervorgeht, es muß auch für längere Zeit, für viele Jahre in ſeinem erſten guten Zuſtande bleiben, ohne ſich zu früh abzunutzen und dadurch unbrauchbar zu werden. Vor allem wird es nöthig ſeyn, dafür zu ſorgen, daß die cylin - driſchen Enden A und B der Rotationsaxe durch das große Ge - wicht des Inſtrumentes, bei dem häufigen Gebrauche deſſelben,321Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nicht eingerieben werden und dadurch ihre urſprüngliche Geſtalt verändern, wo dann die Hauptbedingungen des Inſtruments ver - loren gehen und das Fernrohr ſich nicht mehr in der Ebene des Meridians bewegen, ſondern bald zu der einen, bald zu der an - dern Seite von ihm abweichen würde, je nachdem verſchiedene Theile dieſer abgenützten cylindriſchen Zapfen mit ihren Unterla - gen in Berührung kommen. Dieſes zu verhüten, dient, auf der Seite B der Axe, die metallene Stange r, die an ihrem untern Ende in einen Ring ausläuft; die Oeffnung dieſes Rings iſt be - trächtlich größer, als die Dicke der Axe an dieſem Orte und an dem innern Rande dieſes Ringes, in dem untern Theile deſſelben, bei p und q ſind zwei kleine kreisförmige Scheiben, ſogenannte Frictionsräder angebracht, die ſich um ihre Axe bewegen und mit ihrem oberen Theile etwas über die innere Fläche des Rings hervorſtehen. Der oberſte Theil dieſer vertikalen Stange r hat eine Oeffnung, in welche das eine Ende einer andern horizonta - len Stange u eingreift, während an dem anderen Ende dieſer Stange ein daſelbſt verſchiebbares, mit Blei gefülltes Gewicht R 'angebracht wird. Dieſe Stange wird durch einen Stift u gehal - ten, der durch die auf dem Pfeiler Q befeſtigte Säule s getragen wird. Auf dieſe Weiſe bilden die beiden Stangen r und u einen Hebel, deſſen Unterlage der Stift u, deſſen Kraft das Gewicht R' und deſſen Laſt die Schwere der ihm zugewendeten Hälfte des Inſtruments iſt, und man ſieht leicht, daß man das Gewicht R 'ſo lange von dem Unterſtützungspunkte u entfernen kann, bis der von beiden Körpern beſchwerte Hebel ſehr nahe im Gleichgewichte iſt und bis das Inſtrument, ſtatt mit ſeiner ganzen früheren Laſt, nur mehr mit einem ſo geringen Theile derſelben auf ſeinem La - ger bei B aufliegt, daß es nur eben nicht frei in der Luft ſchwebt. Dieſelbe Vorrichtung ſieht man auch an dem anderen Ende A der Rotationsaxe; durch eine gehörige Stellung der beiden Ge - gengewichte R und R' werden die verticalen Stangen r ſo erhöht, daß die oben erwähnten beiden Frictionsrollen p und q in ihren oberen Theilen den untern Theil der Axe berühren, und daß nun dieſe Axe auf den vier Rollen ihrer beiden Hebel, wie auf den Rädern eines Wagens hin und her gedreht werden kann, während das ganze ſchwere Inſtrument vielleicht nur mehr mit dem zehn -Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 21322Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.tauſendſten Theile ſeines eigentlichen Gewichtes auf den cylindri - ſchen Endpunkten dieſer Axe ruht. Ein ähnliches Gegengewicht ſiebt man auch in S, welches beſtimmt iſt, die Schwere der auf ſeiner Seite ſtehenden Kreiſe auf dieſelbe Art zu balanciren. Da man, wie wir bald ſehen werden, dieſes Inſtrument öfters um - kehren muß, ſo daß dieſe Kreiſe bald auf der Seite des Pfeilers P, bald auf jener von Q zu liegen kommen, ſo muß jeder Pfeiler zwei Säulen tragen, von welchen die eine s für die Axe und die andere t für die beiden Kreiſe beſtimmt iſt.

§. 29. (Rectification des Meridiankreiſes.) Da dieſes Inſtru - ment nicht nur die Rectaſcenſionen, wie das Mittagsrohr, dem es ſo ähnlich iſt, ſondern auch die Höhen der Geſtirne, während ihres Durchganges durch den Meridian, anzeigen ſoll, ſo werden, für die Rectification deſſelben zuerſt alle diejenigen Vorſchriften gel - ten, die wir ſchon oben (S. 284) bei dem Mittagsrohre angeführt haben und die daher hier keiner neuen Aufzählung bedürfen.

I. Um die gleiche Größe und Lage der cylindriſchen Zapfen A und B der Rotationsaxe zu prüfen, kann man, für verſchiedene Stellungen des Fernrohrs über dem Horizonte, die Hänglibelle (S. 285) mit ihren Haken an dieſen Zapfen einhängen und zu - ſehen, ob die Blaſe der Libelle immer dieſelbe Lage beibehält. Man ſtellt z. B. das Fernrohr horizontal, das Objektiv D nach Süden, während der Kreis mn auf der Seite des öſtlichen Pfei - lers P ſteht. Hängt man bei dieſem Stande des Inſtruments die Libelle zweimal, in verkehrter Lage, an die Axe, ſo ſey z. B. 10 die halbe Differenz der beiden Leſungen. Man kehre nun das Inſtrument um, ſo daß der Kreis mn auf den weſtlichen Pfeiler Q komme und ſtelle das Fernrohr wieder horizontal, aber das Objektiv nach Nord und hier ſey, nach der doppelten Einhängung der Libelle, die halbe Differenz der zwei Leſungen gleich 22. Dar - aus folgt, daß die Libelle bei der erſten Lage des Inſtruments um ½ (22 10) oder um 6 Theilſtriche anders ſtand als bei der zweiten. Beträgt nun, wie oben (§. 18) der Theilſtrich Sekunden, ſo macht dieſer Unterſchied der beiden Lagen der Ro - tationsaxe 6mal oder 4 Sekunden, zum Zeichen, daß entwe - der die beiden Zapfen der Axe von der genauen cylindriſchen Ge -323Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſtalt abweichen, oder daß die Axen dieſer Cylinder nicht ganz ſcharf in einer geraden Linie liegen.

II. Um die Gleichheit der Durchmeſſer dieſer Cylinder zu un - terſuchen, wiederhole man die ſo eben erwähnten Operationen mit der Libelle, doch ſo, daß das Objektiv des Fernrohrs, in beiden Lagen des Inſtruments, immer nach derſelben Seite, z. B. im - mer nach Süd gerichtet wird; findet man in der erſten Lage jene halbe Differenz z. B. 15 gegen Oſt und in der zweiten 5 gegen Weſt, ſo iſt die Summe dieſer Zahlen 20, und dieſe durch multiplicirt, gibt 13,3 Sekunden für die geſuchte Ungleichheit der Durchmeſſer jener Cylinder. Sollten aber beide halbe Tifferenzen öſtlich oder beide weſtlich gefunden werden, ſo würde man die Differenz jener zwei Zahlen nehmen und dadurch 10mal 3 / 2 oder 6,3 für die Ungleichheit der Cylinderdurchmeſſer erhalten.

III. Wenn der äußere Kreis mn mit dem inneren nicht ge - nau concentriſch liegt, ſo wird die Ableſung der beobachteten Höhen der Sterne dadurch geändert oder ſie wird fehlerhaft ſeyn. Allein dieſem Fehler kann man ſehr leicht dadurch begegnen, daß man an zwei einander diametral gegenüber liegenden Vernieren abließt, wofür der Künſtler ſchon geſorgt hat, indem er die oben erwähn - ten vier Verniere unter rechten Winkeln gegen einander ſtellte.

IV. In den neueren Zeiten hat man auch diejenigen Fehler zu berückſichtigen geſucht, welche aus der Wirkung der Schwere auf Fernrohr und Kreis, bei den verſchiedenen Lagen derſelben, entſtehen. Zu dieſem Zwecke beobachtet man einen Circumpolar - ſtern (I. S. 36) in ſeiner oberen ſowohl, als auch in ſeiner un - teren Conjunction und zwar in jeder zweimal, indem zuerſt der Kreis mn öſtlich, und dann weſtlich von dem Fernrohre ſteht.

Allein die an dieſen Inſtrumenten angebrachten Fernröhre ſind ſo lichtſtark, daß man damit nicht nur die Fixſterne der zwei - ten und dritten Größe, wie den Polarſtern bei Tage, ſondern daß man auch das Bild dieſer Sterne in einem Spiegel durch dieſe Fernröhre ſehr gut ſehen kann. Man wählt dazu gewöhnlich eine mit Queckſilber gefüllte Schaale, weil die Oberfläche dieſes Me - talls ſehr gut ſpiegelt und weil ſie, wie überhaupt alle Flüſſig - keiten, im ruhenden Zuſtande eine genau horizontale Lage ein - nimmt. Wenn man aber das Bild eines Sterns in einen vor21 *324Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.das Objektiv geſtellten horizontalen Spiegel beobachtet und dann wieder das Fernrohr unmittelbar, wie bei den gewöhnlichen Beob - achtungen, auf den Stern ſelbſt wendet, ſo durchläuft das Fern - rohr, zwiſchen dieſen beiden Beobachtungen, an dem Kreiſe einen Winkel, der genau gleich der doppelten Höhe dieſes Sterns iſt, wenn man dabei auf die Verbeſſerung der Refraction (I. S. 347) gehörig Rückſicht nimmt. Denn da, nach dem bekannten optiſchen Geſetze, der Reflexionswinkel des von dem Spiegel zurückgeworfe - nen Lichtſtrahls gleich dem Einfallswinkel des unmittelbar von dem Stern kommenden Strahls iſt, ſo ſieht man das Bild des Sterns im Spiegel genau ebenſo tief unter dem Horizonte, als man den Stern ſelbſt über dem Horizonte erblickt.

Beobachtet man daher dieſes Bild des Polarſterns, ſowie frü - her ihn ſelbſt, ebenfalls in beiden Culminationen und in beiden Lagen des Kreiſes mn, ſo erhält man dadurch acht Beobachtungen, aus welchen man, durch eine zweckmäßige Combination derſelben, jene Beugung des Inſtrumentes finden kann, die aus der ver - ſchiedenen Einwirkung der Schwere auf die einzelnen Theile deſ - ſelben entſteht.

§. 30. (Gebrauch des Meridiankreiſes). Da dieſes Inſtru - ment, wie bereits geſagt, zugleich ein Mittagsrohr iſt, ſo wird man die Beobachtungen der Durchgänge der Sterne an den ver - ticalen Fäden des Fernrohrs ganz ebenſo anſtellen, wie oben (S. 293) bei dem Mittagsrohre geſagt worden iſt und dadurch entweder die Correction der Uhr, wenn die Rectaſcenſion des Sterns bekannt iſt, oder dieſe Rectaſcenſion finden, wenn der Stand und Gang der Uhr bereits durch andere vorhergehende Beobachtungen an dieſem Inſtrumente gegeben iſt.

Allein der Meridiankreis ſoll, nebſt den Rectaſcenſionen, auch die Höhen der durch ihn in dem Meridian beobachteten Geſtirne geben, zu welchem Zwecke er mit dem oben beſchriebenen, auf ſeine Drehungsaxe ſenkrechten und auf das Genaueſte eingetheilten Kreiſe verſehen iſt. Wenn nun der Nullpunkt des Kreiſes, wo die auf ihm verzeichnete Reihe der Grade eben anfängt, von dem Künſtler ſchon genau in denjenigen Punkt der Peripherie geſetzt worden wäre, der bei dem zwiſchen ſeinen Pfeilern aufgeſtellten Kreiſe dem Horizonte entſpricht, wenn nämlich derjenige Durch -325Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.meſſer deſſelben, der durch die Punkte und 180° geht, in dem Horizonte läge, und daher der durch 90° und 270° gehende Durch - meſſer auf dem Horizonte ſenkrecht ſtünde, ſo würde man nur den horizontalen Faden des Fernrohrs auf den durch den Meri - dian gehenden Stern ſtellen, und die Verniere des Kreiſes able - ſen, um auch ſofort ſchon die geſuchte Meridianhöhe des Sterns zu erhalten. Allein der Künſtler hat das nicht gethan und kann es auch nicht thun, ſo wenig, daß er vielmehr jenen Nullpunkt der Theilung ganz willkührlich nehmen und es dem Beobachter überlaſſen muß, zu ſuchen, wie viel er ihn unrecht genommen hat. Man pflegt dieß den Collimationsfehler des Inſtru - ments zu nennen, ſo daß alſo, wenn der eigentliche Horizontal - punkt des Kreiſes, nicht wie er ſollte, auf , ſondern z. B. auf 10° 20′ 30″ fallen ſollte, der Collimationsfehler deſſelben gleich dieſem Bogen ſeyn würde, wo man alſo dann von jeder an dem Inſtrumente abgeleſenen Höhe nur wieder dieſen conſtanten Feh - ler 10° 20′ 30″ zu ſubtrahiren haben würde, um ſofort die wahre beobachtete Höhe zu erhalten.

Wie findet man aber dieſen Collimationsfehler? Dieſe Frage iſt für den Beobachter von der größten Wichtigkeit, da man, ohne die Kenntniß dieſes Fehlers, wie man ſieht, eigentlich gar nicht beobachten kann.

§. 31. (Den Horizontalpunkt des Kreiſes zu finden.) Ein Mittel zu dieſem Zwecke haben wir im Grunde ſchon in dem vor - hergehenden §. 29. kennen gelernt.

Beobachtet man nämlich ein Geſtirn zur Zeit ſeiner Culmi - nation zuerſt unmittelbar, indem man das Fernrohr auf die ge - wöhnliche Weiſe auf daſſelbe richtet, und beobachtet man es auch in dem Spiegel eines Queckſilberhorizontes, indem man das Fern - rohr auf das Bild des Geſtirnes in dieſem Spiegel richtet, ſo erhält man dadurch, wie wir geſehen haben, einen von dem Fern - rohre auf dem eingetheilten Limbus des Kreiſes durchlaufenen Bogen, der genau gleich der doppelten Höhe des Geſtirns über dem Horizonte des Beobachters iſt, ſo daß alſo die Mitte dieſes Bogens der geſuchte Horizontalpunkt des Kreiſes ſeyn wird. Hätte man z. B. die directe von der Refraction (I. S. 347) befreite Höhe eines Sterns gleich 102°, und die im Spiegel reflectirte326Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.gleich 48° gefunden, ſo würde die wahre Höhe deſſelben gleich der halben Differenz dieſer Zahlen oder gleich 27° und der Col - limationsfehler gleich der halben Summe derſelben oder gleich 75° ſeyn, ſo daß man alſo von jeder an dieſem Inſtrumente direct beobachteten Höhe den Collimationsfehler 75° ſubtrahiren muß, um die wahre Höhe des Geſtirns zu erhalten.

Ohne Hülfe eines ſolchen Spiegels kann man den Collima - tionsfehler des Kreiſes auch dadurch finden, daß man ein Geſtirn zweimal direct, aber in verkehrten Lagen des Kreiſes beobachtet. Geſetzt man hätte in der erſten Lage des Inſtruments, wo der Kreis mn z. B. gen Oſt oder an der Seite des öſtlichen Pfeilers P ſtand, wenn man den borizontalen Faden des Fernrohrs auf ein Geſtirn richtet, an dem Kreiſe die Zahl 40° 13′ 10″ geleſen. Man hebe dann das Inſtrument aus ſeinen Lagern bei A und B, ſtelle es in verkehrter Richtung, ſo daß der Kreis mn jetzt auf den weſtlichen Pfeiler Q kömmt, wieder zurück, und bringe endlich den Faden des Fernrohrs wieder auf denſelben Stern, wo dann der Kreis 44° 32′ 20″ zeigen ſoll. Man ſieht, daß ſonach das Fernrohr zwiſchen dieſen beiden Beobachtungen auf ſeinem Kreiſe einen Bogen durchlaufen hat, der gleich iſt der doppelten Zenith - diſtanz (I. S. 27) dieſes Sterns, und daß daher die Mitte dieſes Bogens dem wahren Zenithpunkte des Beobachters entſpricht. Nimmt man daher die halbe Differenz dieſer beiden Zahlen, ſo erhält man den Collimationsfehler gleich 9′ 35″ und dieſe Zahl iſt es, die man zu allen Beobachtungen, wo der Kreis öſt - lich ſteht, addiren und von allen, wo der Kreis weſtlich ſteht, ſub - trahiren muß, um die wahre Zenitdiſtanz des Geſtirns zu erhalten, die demnach hier gleich 42° 22′ 45″ oder gleich der halben Sum - me jener beiden erſten Zahlen iſt.

Da in beiden Beobachtungen der Stern denſelben Ort am Himmel einnehmen, alſo im Meridian ſeyn muß, und da jeder Stern, wegen der täglichen Bewegung des Himmels nur einen Augenblick im Meridian iſt, ſo wird man jene zwei Beobachtun - gen in zwei nächſtfolgenden Tagen, zur Zeit der beiden Culmina - tionen des Sterns, anſtellen. Wenn man aber das Inſtrument ſchnell genug umkehren kann, um das Geſtirn in beiden Lagen des Kreiſes noch im Fernrohre ſehen zu können, was z. B. bei327Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dem ſich ſehr langſam bewegenden Polarſtern ſtatt hat, ſo kann man dieſe beiden Beobachtungen auch ſchon in einem einzigen Tage, ja in wenigen Minuten vollenden. Zwar beobachtet man dann beidemale den Stern nicht in, ſondern außer dem Meridian und in unter ſich verſchiedenen Höhen; aber da die Geſtirne in der Nähe des Meridians ihre Höhe nur ſehr wenig ändern, ſo kann man dieſe Aenderung ihrer Höhe bis zu ihrer Meridianhöhe ſehr leicht und ſicher berechn n und ſelbſt ohne alle Rechnung[un - mittelbar] aus den Beobachtungen ableiten. Ein Beiſpiel wird dieß ſogleich deutlich machen.

Geſetzt man hätte einen Stern zweimal in der öſtlichen und eben ſo oft in der weſtlichen Stellung des Kreiſes zu folgen - den Sternzeiten beobachtet:

Dieſe vier Beobachtungen ſind zwar zu verſchiedenen Zeiten gemacht worden, wo alſo auch der Stern verſchiedene Höhen hatte, ſo daß daher dieſe Beobachtungen unmittelbar untereinander nicht verglichen werden können. Dieß könnten ſie nur, wenn alle vier in einem und demſelben Augenblicke z. B., um die Mitte aus allen jenen vier Sternzeiten, alſo um die Sternzeit 19h 0′ 11″ beobach - let worden wären. Allein auf dieſe Zeit laſſen ſich jene Beobach - tungen leicht zurückführen, da aus ihnen ſelbſt die Veränderung der Zenithdiſtanzen des Sterns für jede gegebene Zeit hervorgeht. Die beiden erſten zeigen z. B., daß in der Zeit von 1′ 37″ die Zenithdiſtanz um 45″ abgenommen hat, alſo wird ſie auch in einer Zeitminute um 27,3 abnehmen. Ebenſo zeigen die beiden letzten, daß in der Zeit von 1′ 56″ die Zenithdiſtanz um 53″ ab - nimmt, alſo wird ſie auch in einer Zeitminute um 27,5 ab - nehmen. Wir können daher, im Mittel aus allen vier Beobach - tungen, annehmen, daß die Zenithdiſtanz des Sterns in einer Zeit - minute um 27,4 abnimmt.

Allein die erſte Beobachtung iſt von jener imaginären mitt -328Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.leren, die um 19h 0′ 11″ angeſtellt ſeyn ſoll, um 3,0, die zweite um 1,38, die dritte um 1,22 und die vierte endlich um 3,15 Zeit - minuten entfernt. Multiplicirt man alſo dieſe vier Zahlen durch 27,4, ſo erhält man die Reductionen, die man an die vier beob - achteten Zenithdiſtanzen anbringen muß, um ſie alle auf jene imaginäre um 19h 0′ 11″ angeſtellte Zenithdiſtanz zu bringen. Man hat ſo

Wir erhalten demnach im Mittel aus je zwei Beobachtun - gen folgende zwei, in demſelben Augenblicke ſtatt habenden Zenith - diſtanzen des Sterns

  • Kreis Oſt39° 59′ 16,5
  • Kreis Weſt43° 34′ 56,3

und von dieſen beiden Zahlen gibt daher wieder, wie zuvor, die halbe Differenz derſelben den geſuchten Collimationsfehler des Krei - ſes, der gleich 47′ 49,9 iſt, und die halbe Summe gibt die wahre Zenithdiſtanz des Sterns, die gleich 41° 47′ 6,4 iſt.

Dieſes Verfahren, den Collimationsfehler zu beſtimmen, iſt ſehr brauchbar bei ſolchen Kreiſen, die ſich ſchnell umwenden laſ - ſen, und ſie gibt zugleich ſehr genaue Reſultate, wenn man in beiden Lagen des Inſtruments mehrere Beobachtungen anſtellt und aus ihnen allen das Mittel nimmt.

§. 32. (Den Polpunkt des Kreiſes zu finden.) Wie man aber in dem Vorhergehenden den Horizontalpunkt oder, was daſſelbe iſt, den Zenithalpunkt des Kreiſes beſtimmte, um zu wiſſen, von welchem Punkte des eingetheilten Limbus man die Höhen oder die Zenithdiſtanzen zu zählen hat, eben ſo kann man auch an dem Kreiſe denjenigen Punkt deſſelben beſtimmen, welcher dem Pole des Aequators am Himmel entſpricht, wo man dann alle Beob - achtungen der Sterne auf dieſen Inſtrumentalpolpunkt beziehen und ſonach unmittelbar die Poldiſtanzen (I. S. 28) dieſer Sterne erhalten wird.

Dieſen Polpunkt wird man am beſten durch die Beobachtung329Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.der Circumpolarſterne in ihren beiden Culminationen (I. S. 36) beſtimmen können. Steht nämlich der Kreis mn auf der Weſt - ſeite und nennt man h und h' die beiden Zahlen, bei welchen das Fernrohr zur Zeit der oberen und der unteren Culmination ſtand, ſo iſt die Zahl des Kreiſes, die dem Polpunkte entſpricht, oder ſo iſt der Polpunkt des Inſtruments P gleich h p für die obere, und gleich h' + p für die untere Culmination, wo p die Poldi - ſtanz des beobachteten Sterns bezeichnet, und wo bei den Größen h und h' ſchon auf die Verbeſſerung der Refraction (I. S. 343) Rückſicht genommen iſt.

Wenn aber der Kreis auf der Oſtſeite des Fernrohrs iſt, und man hier k und k 'die beiden Ableſungen nennt, ſo iſt der ge - ſuchte Polpunkt des Kreiſes P' gleich k + p in der oberen und k' p in der unteren Culmination.

Daraus folgt alſo, daß man, ſelbſt ohne die Poldiſtanz p des Sterns zu kennen, nur die halbe Summe der Größen h und h' beider Culminationen bei der weſtlichen Stellung, oder die halbe Summe der Größen k und k 'bei der öſtlichen Stellung des Kreiſes zu nehmen braucht, um ſofort den Polpunkt des Inſtru - ments zu erhalten. Nehmen wir an, um dieß durch ein Beiſpiel deutlich zu machen, man hätte bei der weſtlichen Lage des Krei - ſes in der oberen Culmination h = 318° 15′, und in der unteren h' = 315° 1′ gefunden, ſo iſt der Polpunkt des Inſtruments in dieſer Lage P = 316° 38′, oder man muß von allen in dieſer Lage des Kreiſes gemachten Beobachtungen die Größe 316° 38′ ſubtrahiren, um die Poldiſtanz des beobachteten Sterns zu er - halten.

Hätte man eben ſo bei der öſtlichen Lage des Kreiſes in der oberen Culmination k = 40° 12′, und in der unteren k '= 43° 26′ gefunden, ſo würde der Polpunkt des Inſtruments für dieſe Lage P' = 41° 49′ ſeyn, oder man wird von allen in dieſer Lage des Kreiſes gemachten Beobachtungen die Größe 41° 49′ ſubtra - hiren, um die Poldiſtanzen der beobachteten Geſtirne zu erhalten.

So wie alſo zuvor (§. 31.) der Zenithpunkt des Kreiſes durch die Umkehrung deſſelben von Oſt nach Weſt oder durch die Beob - achtung deſſelben Sterns in verkehrten Lagen des Inſiruments ge - funden wird, ſo wird auch hier der Polpunkt deſſelben durch die330Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Beobachtung der beiden Culminationen deſſelben Sterns beſtimmt. Da nun hier, in unſerem Beiſpiele, beide Culminationen nicht nur in der einen, ſondern auch noch in der anderen Lage des In - ſtruments beobachtet worden ſind, ſo erhält man dadurch auch die Aequatorhöhe des Beobachtungsorts, die nämlich gleich der halben Differenz der Größen P und P' oder gleich 42° 35,5 iſt. Auch die Poldiſtanz des ſo beobachteten Sterns findet man unmittelbar aus den vier erhaltenen Zahlen, indem ſie gleich der halben Dif - ferenz der Zahlen h und h', oder auch der Zahlen k und k ', alſo hier gleich 37′ iſt. Die Uebereinſtimmung zwiſchen dieſen bei - den Differenzen wird zugleich ein Beweis für die Richtigkeit der vier Beobachtungen und der daraus abgeleiteten Werthe der bei - den Polpunkte P und P' ſeyn.

§. 33. (Gebrauch des Collimators.) Noch ein anderes Mit - tel, den Zenithpunkt des Kreiſes zu finden, muß ſeiner Vorzüglich - keit wegen hier erwähnt werden. Es iſt dieſes der vor einigen Jahren von dem Capitän Kater in England vorgeſchlagene Colli - mator. Dieſer beſteht in einem kleinen Fernrohre, welches in ſeinem Brennpunkte mit einem Kreuzfaden verſehen und nahe ſenk - recht auf einem in ſeiner Mitte durchbrochenen eiſernen Teller be - feſtiget iſt, durch deſſen Oeffnung das Fernrohr geht. Dieſer Teller wird auf dem in einem Gefäße enthaltenen Queckſilber frei ſchwimmend erhalten und das Rohr ſo geſtellt, daß das Objektiv deſſelben den höchſten Punkt einnimmt, während das Ocular, oder vielmehr, nach weggenommenem Ocular, der Kreuzfaden deſſel - ben, mittelſt eines Planſpiegels, durch eine nebenſtehende Lampe erleuchtet wird. Bringt man dieſe Vorrichtung unter den Mittel - punkt des Fernrohrs des Meridiankreiſes, und ſtellt man dieſes letzte Fernrohr nahe ſenkrecht, ſo daß das Objektiv deſſelben den tiefſten Punkt einnimmt, ſo kann man durch dies ſo ſenkrecht ge - ſtellte Kreisrohr den Kreuzfaden des Collimators erblicken, und dann durch eine kleine Bewegung des Kreisrohrs die Fäden bei - der Fernröhre genau auf einander bringen. In dieſer Stellung des Kreisrohrs liest man dann ſeine Lage an dem Limbus des Kreiſes ab.

Dreht man dann den, immer auf dem Queckſilber ſchwimmen - den Teller des Collimators im Horizonte um 180 Grade, ſo daß331Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.die weſtliche Seite des Tellers jetzt auf die öſtliche kömmt, und bringt wieder durch eine kleine Bewegung des Kreisrohrs, die Fäden beider Fernröhre neuerdings genau auf einander, und liest auch in dieſer zweiten Lage den Kreis wieder ab, ſo gibt die halbe Summe der beiden Ableſungen an dem Meridiankreiſe ſofort den Nadirpunkt (I. S. 26) des Kreiſes, der dann, um 180° vermehrt oder vermindert, der geſuchte Zenithpunkt deſſelben ſeyn wird.

Dabei wird vorausgeſetzt, daß das kleine Fernrohr des Colli - mators wenigſtens nahe ſenkrecht auf der horizontalen Fläche des Queckſilbers ſey. Man kann dieſes leicht durch kleine Gewichte er - reichen, die man in verſchiedenen Punkten des eiſernen Tellers auflegt und daſelbſt verſchiebt. Wenn auf dieſe Weiſe das Fern - rohr des Collimators auch nur nahe ſenkrecht geſtellt iſt, ſo wird die optiſche Axe dieſes Fernrohrs, bei der erwähnten Drehung des Tellers um 180 Grade, die Oberfläche eines ſehr ſpitzen Kegels beſchreiben, von deſſen kreisförmiger Baſis man, durch jenes Verfahren, zwei einander genau gegenüberſtehende Punkte beob - achtet, in deren Mitte, als in dem Mittelpunkte dieſer Baſis, die auf dem Queckſilber vertical ſtehende, alſo nach dem Zenithe des Beobachters gehende Linie liegen muß, daher man auch die Mitte der beiden Ableſungen am Kreiſe zu nehmen hat, um den geſuchten Punkt deſſelben zu erhalten.

Uebrigens muß der Kreuzfaden des Collimators genau in dem Brennpunkte ſeines Objektivs liegen, was man durch das oben (S. 281) erklärte Verfahren leicht erreichen wird, weil man ſonſt dieſen Kreuzfaden durch das große Fernrohr des Kreiſes nicht deutlich ſehen kann. Eine kleine äußere Schraube, die den die Kreuzfäden tragenden Ring (S. 276) in der Ebene dieſes Ringes bewegt, wird dazu dienen, den einen dieſer Fäden mit dem ho - rizontalen Faden des Kreisrohres nahe parallel zu ſtellen.

Man ſieht, daß der eigentliche Zweck des Collimators iſt, uns den Stellvertreter eines Fixſterns zu geben, der in einem ſehr kleinen Kreiſe ſich bewegt,[deſſen] Mittelpunkt das Zenith oder eigentlich das Nadir des Beobachters iſt. Wenn man die Zenith - diſtanz dieſes Sterns in den beiden Punkten ſeines Kreiſes beob - achtet, die dem Süd - und Nordpunkte des Himmels am nächſten liegen, und wenn man dann die Mitte der beiden Ableſungen332Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nimmt, ſo erhält man dadurch den Punkt des Inſtrumentalkrei - ſes, der dem Zenithe entſpricht.

§. 34. (Verſchiedene Meridiankreiſe.) Obſchon die von - mer vorgeſchlagenen ganzen Kreiſe unbezweifelte und auch gleich anfangs allgemein anerkannte Vorzüge vor den Quadranten be - ſitzen, ſo konnten ſie doch die erſten Künſtler noch nicht mit der - jenigen Genauigkeit verfertigen, welche den Wünſchen der Beob - achter ihrer Zeit zu entſprechen im Stande geweſen wäre. Aus dieſer Urſache blieb auch der Mauerquadrant, in Verbindung mit dem Zenithſector, bis nahe zu dem Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts das einzige oder doch das vorzüglichſte Inſtrument zur Beobachtung der Zenithdiſtanzen der Geſtirne. Doch war zu dieſer Zeit ſchon ein ganz vorzüglicher Kreis von ſechs Fuß Durch - meſſer, welchen der berühmte Ramsden in England verfertigt hatte, im Beſitze Piazzi’s, eines der eifrigſten und geſchickteſten Beobach - ters in Palermo. Ein nahe gleich großes Inſtrument dieſer Art wurde um dieſelbe Zeit für die Sternwarte in Dublin vollend et, und ein kleinerer, unter der Benennung des Weſtbury Circle, war in den Händen von Pond. Alle dieſe Inſtrumente haben gute Früchte getragen, die ſchönſten und reichſten aber verdankt man jenem in Palermo, durch welchen uns Piazzi den erſten großen und verläßlichen Sternkatalog von 7456 Sternen geliefert hat. Seit Troughton i. J. 1809 ſeine vortreffliche Methode, dieſe In - ſtrumente einzutheilen, bekannt gemacht hat, eine Methode, die ſpäter durch Reichenbach weſentliche Verbeſſerungen erhielt, nahm die Güte und Brauchbarkeit derſelben immer zu. Indeß waren jene Kreiſe von Ramsden in ihrer Bauart weſentlich von den oben beſchriebenen verſchieden. Dieſe Kreiſe waren nämlich zwi - ſchen zwei metallenen Säulen befeſtiget, welche letzten wieder auf einer horizontalen Platte ruhten, die ſich, ſammt Kreis und Säu - len, um ihre vertikale Axe bewegen ließen, daher dieſe Inſtru - mente auch mit einem nahe eben ſo großen horizontalen Kreiſe verſehen waren, um damit die Azimuthe, ſowie mit jenem die Zenithdiſtanzen, zu meſſen, daher ſie auch in England unter der Benennung des altitude and azimuthal instrument oder des rever - sible circle bekannt wurden.

Im Jahre 1812 vollendete Troughton den erſten Mauer -333Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.kreis (mural circle), der auf der Sternwarte in Greenwich aufge - ſtellt wurde und der in der Geſchichte der beobachtenden Aſtronomie Epoche machte. Dieſer in dem Meridian aufgeſtellte Kreis ſteht unmittelbar mit einem ſoliden Pfeiler von Mauerwerk in Ver - bindung, welcher Pfeiler auch die Verniere oder Mikroſcope trägt, durch welche die Ableſungen an den Kreiſen geſchehen. Man ſieht, daß ein ſolcher Kreis eine viel ſolidere Aufſtellung gewährt, als jene reverſiblen Kreiſe von Ramsden; dafür können ſie aber auch nicht umgewendet werden und man iſt daher bei ihnen bloß auf die Beobachtungen der Poldiſtanzen beſchränkt, ohne auch zugleich Zenithdiſtanzen zu erhalten, weil man an ihnen, durch die Beob - achtung beider Culminationen der Circumpolarſterne, wohl den Polpunkt, aber nicht den Zenithpunkt des Kreiſes beſtimmen kann, während im Gegentheile die Kreiſe von Ramsden ſich ſehr leicht umwenden und die Verticalität ihrer Drehungsaxe ſehr ſicher an - geben laſſen. Im Jahre 1825 wurde ein ganz ähnlicher Kreis von Troughton auf dieſelbe Sternwarte gebracht, und das regel - mäßige Verfahren eingeführt, daß die Sterne an dem einen Kreis unmittelbar, und an dem andern zu gleicher Zeit in einem Queck - ſilberhorizont beobachtet wurden, wodurch man daher, nebſt den Poldiſtanzen, auch die Zenithdiſtanzen der Sterne erhielt. Seit dieſer Einrichtung ſollen die Beobachtungen Pond’s in Greenwich an Genauigkeit ſehr gewonnen haben.

Wenn aber dieſe großen und koſtbaren Kreiſe auch die Di - ſtanzen der Sterne von dem Pole oder dem Zenithe mit großer Schärfe zn geben im Stande ſeyn konnten, ſo ſchienen ſie doch die Rectaſcenſionen nicht mit der gewünſchten Verläßlichkeit darzuſtel - len, was wohl in dem eigenen Baue, vorzüglich in der kurzen und ſchwachen Drehungsaxe des Fernrohrs liegen mochte; wenig - ſtens fuhren die engliſchen Aſtronomen fort, ihre Rectaſcenſionen an dem ihnen viel ſicherer erſcheinenden Mittagsrohre zu nehmen. Erſt in den neueren Zeiten hat man dieſem Umſtande durch eine andere Einrichtung jener Inſtrumente abzuhelfen geſucht, wie die Kreiſe von Wollaſton und Groombridge zeigen. Dieſe beſtehen in zwei einander parallelen Kreiſen, die durch Querſtangen feſt unter einander und mit einer ſtarken horizontalen Axe, der des Mittags - rohrs ähnlich, verbunden ſind. Das Fernrohr geht mitten durch334Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dieſe Axe und liegt zwiſchen jenen beiden Kreiſen, mit welchen daſſelbe an ſeinen zwei Endpunkten feſt verbunden iſt.

Reichenbach in München hat weder dieſe, noch die vorherge - hende Bauart ſeiner Meridiankreiſe angenommen, ſondern die oben (S. 317) beſchriebene gewählt und ſie zugleich ganz aus ei - nem Stücke gegoſſen, während die engliſchen aus vielen einzelnen bloß durch Schrauben zuſammengehaltenen Theilen beſtehen. Dieſe Kreiſe haben bereits an vielen Sternwarten Deutſchlands durch eine ſehr große Anzahl trefflicher Beobachtungen, der Pol - und Zenithdiſtanzen ſowohl, als auch der Rectaſcenſionen, ihre Vor - züglichkeit bewährt und daher auch, bei den Aſtronomen dieſes Landes, allgemeinen Eingang gefunden. Nicht ſo in England, wo man noch die ältere Einrichtung vorziehen will und wo man zu der vielleicht noch zu wenig bekannten deutſchen Bauart kein Vertrauen hegt*)So ſagt Airy in ſeiner Geſchichte der Aſtronomie der letzten drei Jahrzehnte: An instrument of this kind in Germany would I conceive be below mediocrity, unless the workmanship were not exquisite, and when made in the best possible way, I cannot but think, that its mechanical structure is extremely weak. Er tadelt bei Reichenbachs Einrichtung vorzüglich, daß das Fernrohr mit ſeinen beiden Enden nicht unmittelbar mit dem Kreiſe verbunden iſt, wie bei den Mauerkreiſen von Trough - ton; daß der Gebrauch des deutſchen Kreiſes nicht ohne Um - wendung ſtatt haben kann; daß dieſe Umwendung nicht ſo leicht, wie bei den Kreiſen in Palermo und Turin geſchehen kann, und daher auch nur zuweilen und gelegentlich vorgenommen wird und dergl., und ſchließt endlich damit, that this instrument is little known in England..

§. 35. (Multiplicationskreiſe.) Die bisher betrachteten Me - ridian - und Mauer-Kreiſe ſind, wie ſchon ihre Benennung zeigt, vorzugsweiſe nur zu ſolchen Beobachtungen beſtimmt, die in der Ebene des Meridians vorgenommen werden. Da ſie aus dieſer Urſache einen fixen Stand haben, ſo werden ſie auch gewöhnlich in größeren Dimenſionen verfertiget, wie denn die Durchmeſſer dieſer Kreiſe in Deutſchland bis drei, in England aber ſelbſt bis ſechs und mehr Fuß halten. Dieſe mit ſo viel Sorgfalt gebauten und ſo ſicher aufgeſtellten Meridianinſtrumte ſind es eigentlich,335Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.welche den Werth einer Sternwarte conſtituiren und ſie werden daher auch immer dort angewendet, wo man in den Beobachtun - gen eine vorzügliche Genauigkeit verlangt.

Aber es gibt auch öfters Fälle, wo man außer dem Meri - dian beobachten muß, und dann ſind jene Inſtrumente nicht mehr anwendbar. Vorzüglich ſind es die Höhen der Sterne, die man entweder zur Zeitbeſtimmung, wenn man kein Mittagsrohr hat, beobachtet, und dann muß man dieſelben abſichtlich ſo weit als möglich von dem Meridian entfernt nehmen. Zu dieſen und ähn - lichen Zwecken eignet ſich nun beſonders der Multiplications - kreis, den man in Fig. 20 abgebildet ſieht.

Er beſteht in zwei concentriſchen Kreiſen m m und n n, die ſich in einer Vertikalfläche um ihre gemeinſchaftliche horizontale Axe A B drehen, welche letztere an einer vertikalen Säule E F befeſtiget iſt. Dieſe cylindriſche Axe ſelbſt iſt in der Figur nicht ſichtbar, da ſie von dem zur Aufnahme dieſer Axe durchbohrten Würfel B, an dem oberſten Theile der Säule E F, und durch den hohlen Cy - linder Q bedeckt wird. Ein Ende dieſer Axe ſteht auf der Rück - ſeite des Würfels bei B über demſelben etwas hervor, ſowie auch der Cylinder Q an ſeiner untern Seite eine Oeffnung hat, durch die man zu dem andern Endpunkte dieſer Axe gelangen kann. Man hat dieſe beiden Enden der Axe zu der Abſicht frei gelaſſen, um an ſie die Haken einer Hänglibelle anbringen zu können, durch die man, wie man bald ſehen wird, dieſe Axe genau horizontal, alſo auch die Ebene der beiden Kreiſe m und n genau vertikal ſtellen kann, da dieſe Kreiſe von dem Künſtler ſchon auf der Dreh - bank vollkommen ſenkrecht auf ihre Axen abgedreht werden müſſen. Damit übrigens dieſe Kreiſe mit ihren Gewichten die Axe, an deren einem Ende ſie beide angebracht ſind, nicht ſchief drücken können, iſt ein mit Blei gefülltes Gegengewicht H auf der an - dern Seite der Axe angebracht, welches durch den Hebel p q, deſ - ſen Unterſtützungspunkt die Säule E G iſt, jenes von den Kreiſen abwärts gedrückte Ende R der Axe, wieder ebenſo viel aufwärts hebt.

Senkrecht auf dieſe horizontale Axe A B iſt das Fernrohr C D angebracht, wo C das Ocular und D das Objektiv deſſelben iſt. Dieſes Fernrohr iſt mit dem inneren Kreiſe m m, der zugleich die336Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Verniere trägt, feſt verbunden und kann nur mit dieſem Kreiſe zugleich vertical auf und ab bewegt werden. Der äußere Kreis n n iſt in Grade und Minuten eingetheilt, oder er trägt die Theilung, und der innere das Fernrohr und die Verniere. Das Fernrohr hat gegen ſeine Mitte bei A eine mit einem Schieber verſehene Oeffnung, durch welche man das Licht einer Lampe in das Innere des Rohrs fallen läßt, um damit die Fäden im Brennpunkte bei C zur Nachtzeit zu ſehen. Da die Beobachtung ſehr hoch oder nahe am Zenithe ſtehender Sterne bei dieſem Baue des Inſtruments beſchwerlich, wo nicht unmöglich wäre, weil dann das Fernrohr in die vertikale Lage F Q kömmt, ſo iſt im Innern deſſelben bei C ein kleiner Planſpiegel angebracht, deſſen Ebene mit der optiſchen Axe C D des Fernrohrs einen Winkel von 45 Graden macht, wo dann die Ocularröhre O ſenkrecht auf dieſe Axe C D geſtellt wird. Bei dieſer Einrichtung fallen die von dem Geſtirne nach der Richtung D C kommenden Strahlen auf den Spiegel unter einem Winkel von 45 Graden auf, und werden von ihm unter einem ebenſo großen Winkel, alſo in der Richtung der Ocularröhre O in das Auge des Beobachters reflectirt, ſo daß der Geſichtsſtrahl aller, hohen und niederen, Sterne, für den Beob - achter immer eine horizontale, alſo zur Beobachtung ſelbſt ſehr bequeme Lage hat.

Die oben erwähnte verticale Säule F E beſteht aus einem hohlen Cylinder, der an ſeinem unterſten Theile F auf drei ſtar - ken Füßen K befeſtiget iſt. An der unteren Seite dieſer Füße wird durch drei Schrauben, von denen man in der Zeichnung nur die zwei a und c ſehen kann, eine dreiarmige Spange von Stahl, von deren drei Armen die zwei a b und b c ſichtbar ſind, ange - ſchraubt, und auf der Mitte b dieſer ſtarken, elaſtiſchen Stahl - feder ſteht die eigentliche vertikale Axe des Inſtruments, die durch die Höhlung des Cylinders F E geht und an ihrem oberſten Ende die bereits erwähnte innere horizontale Axe A B der beiden Kreiſe aufnimmt. Noch iſt unter jenem Fußgeſtelle, zwiſchen ihm und der Stahlſpange, ein horizontaler Kreis M an das untere Ende der verticalen Axe des Inſtruments befeſtigt, der ſich daher mit dieſer Axe dreht. Man ſieht bei d die Druckſchraube, mit welcher man dieſen Kreis an das Fußgeſtelle bei c befeſtigen kann. 337Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Eben daſelbſt iſt auch ein Index oder ein Vernier an dem Fuß - geſtelle angebracht, durch deſſen Hülfe man dieſen horizontalen Kreis auf einen beſtimmten Punkt im Horizonte, alſo auch die Verticalkreiſe m und n in ein beſtimmtes Azimuth ſtellen kann.

§. 36. (Beobachtungen mit dieſem Inſtrumente). Nehmen wir an, der äußere, die Eintheilung tragende Kreis n n ſey mit dem Fußgeſtelle FQB des Inſtruments feſt und unveränderlich ver - bunden. Um der Beſtändigkeit ſeiner Lage gewiß zu ſeyn, könnte man an ſeinen oberen Speichen eine Libelle befeſtigen, durch die man jede kleine Verſtellung dieſes Kreiſes ſogleich erkennen und berichtigen würde.

Kann man nun vorausſetzen, daß die Ebene der beiden Kreiſe vollkommen vertical iſt, und daß die optiſche Axe des Fernrohrs (S. 277) zu dieſer Kreisebene parallel iſt, ſo wird man, um die Höhe oder die Zenithdiſtanz eines Sterns zu beobachten, zuerſt den unteren horizontalen Kreis M lüften, indem man die Druck - ſchraube d nachläßt und dann wird man das ganze Inſtrument um ſeine in dem hohlen Cylinder F Q ſtehende verticale Axe ſo lange frei drehen, bis die Ebene des Kreiſes durch den zu beobachtenden Stern geht. Dann öffnet man auch die ähnliche (und deßhalb in der Zeichnung nicht angegebene) Druckſchraube, welche den innern Kreis an dem feſten äußeren hält, ſo daß man alſo jetzt dieſen innern Kreis, ſammt dem an ihm befeſtigten Fernrohre, um ſeine horizontale Axe A B ſo lange drehen kann, bis das Geſtirn im Felde des Fernrohrs, in der Nähe des in demſelben ausgeſpann - ten Fadens, erſcheint. In dieſer Lage befeſtige man nun wieder die beiden Druckſchrauben des Kreiſes M ſowohl, als auch die des inneren verticalen Kreiſes m m, ſo ſteht jetzt das Inſtrument in der vorbereitenden Lage, die zu den eigentlichen Beobachtungen erfordert wird.

Bemerken wir nun, daß bei jeder dieſer Druckſchrauben auch noch eine andere feine Mikrometer-Schraube angebracht iſt, die in der Lage der Tangente ihres Kreiſes liegt und dazu beſtimmt iſt, die obſchon durch ihre Druckſchrauben bereits geklemmten oder befeſtigten Kreiſe noch etwas weniges in ihrer Ebene weiter zu bewegen. Wir haben eine ſolche Mikrometer-Schraube ſchonLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 22338Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.oben, (S. 320) bei Gelegenheit des Meridiankreiſes angeführt, wo ſie auch (Fig. 19) bei f h abgebildet iſt.

Durch dieſe Mikrometer-Schrauben bewegt man nun das Fernrohr in verticaler und horizontaler Richtung ganz leiſe ſo, daß der bereits im Felde des Fernrohrs ſtehende Stern in der Mitte des Feldes ganz genau auf den horizontalen Faden zu ſtehen komme. In dieſem Augenblicke liest man die neben dem Inſtrumente ſtehende Uhr und dann auch den Stand der Verniere des inneren Kreiſes gegen den feſten, eingetheilten äußeren Kreis ab, wodurch man die geſuchte Zenithdiſtanz des Sterns für eine gegebene Zeit erhält, vorausgeſetzt, daß man den Collimations - fehler (S. 325) des Kreiſes bereits kennt, d. h., daß man bereits weiß, wie viel man von jeder Leſung am Kreiſe abziehen oder da - zu addiren muß, um die wahre Zenithdiſtanz der Beobachtung zu erhalten.

Dieſen Collimationsfehler findet man aber entweder durch Um - wendung des Inſtruments oder durch einen Queckſilberhorizont ganz auf dieſelbe Art, wie bereits oben (§. 31) bei dem Meridian - kreiſe geſagt worden iſt, und man ſieht von ſelbſt, daß hier die er - ſte Methode ganz beſonders anwendbar iſt, weil das Inſtrument, nach der Einrichtung ſeines Baues, ſich ſo leicht und ſicher um - wenden läßt, ſo daß einmal der Kreis auf der einen und dann auf der entgegengeſetzten Seite der verticalen Säule F B zu ſte - hen kömmt.

§. 37. (Multiplicirende Beobachtungen an dieſem Inſtrumente.) Das ſo eben angezeigte Verfahren möchte wohl das ſicherſte und bequemſte zugleich ſeyn. Die ſehr zahlreichen und guten Beobach - tungen, welche auf dieſe Art an einem ſolchen Inſtrumente, deſſen Kreiſe nur einen Durchmeſſer von 18 Zoll haben, auf der Stern - warte in Wien gemacht worden ſind, laſſen über die Vorzüglich - keit dieſes Gebrauches keine Zweifel mehr übrig.

Man hat aber, in früheren Zeiten wenigſtens, geglaubt, daß dieſes Inſtrument weſentlich gewinnen würde, wenn man ihm eine Einrichtung geben könnte, durch welche man die Beobach - tungen deſſelben vervielfältigen und ſie auf dieſe Weiſe von den meiſten derjenigen Fehler unabhängig machen würde, denen jede einzelne, iſolirte Beobachtung ihrer Natur nach, ausgeſetzt339Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſeyn muß. Hieher gehören z. B. vorzüglich die Febler der Thei - lung*)Aus dieſem Grunde hat man auch dieſes Inſtrument Multi - plicationskreis genannt, da man es, ohne Rückſicht auf dieſe Eigenſchaft, bloß Höhenkreis nennen ſollte.. Dieſe Fehler waren in der That, in der Mitte des ver - gangenen Jahrhunderts, bei den meiſten Inſtrumenten noch ſo groß, daß der berühmte Tobias Mayer, der dieſes Prinzip der Mul - tiplication der Beobachtungen zuerſt aufgeſtellt hat, der beob - achtenden Aſtronomie einen für ſeine Zeit ſehr weſentlichen Dienſt erwieſen hat. Allein ſeitdem haben ſich die Umſtände ſo ſehr ge - ändert und die Theilung der Inſtrumente iſt, beſonders durch Reichenbach, ſelbſt bei den kleinen Kreiſen zu einer ſo großen Voll - kommenheit gebracht worden, daß dieſe früher nothwendige oder doch wohlthätige Einrichtung jetzt nicht nur überflüſſig, ſondern ſelbſt ſchädlich erſcheint, indem dadurch eine Menge neuer Fehlerquellen geöffnet werden, die vorzüglich von der geringeren Stabilität des Inſtruments bei den Multiplicationen entſpringen, die oft bedeu - tend größer ſind, als die der etwa noch unrichtigen Theilung, welche man dadurch wegbringen will, und die endlich dem Gebrauch des Inſtruments, für den Beobachter ſowohl als für den Berech - ner dieſer Beobachtungen, ſo unbequem und Zeit raubend machen, daß darin beſonders die Urſache geſucht werden muß, warum die multiplicirenden Inſtrumente ſelbſt unter den deutſchen Aſtrono - men, die ſich doch von jeher durch ihren beharrlichen Fleiß aus - gezeichnet haben, lange nicht die Früchte getragen haben, die man von anderen Inſtrumenten z. B., für die Verfertigung grö - ßerer Sternkataloge, in ſo reichem Maaße erhalten hat.

Deſſenungeachtet mag es zweckmäßig erſcheinen, hier wenigſtens das Vorzüglichſte von dieſer Behandlungsart der Inſtrumente, die ſo lange als die beſtmögliche gegolten hat, zur Kenntniß un - ſerer Leſer zu bringen.

Wir haben oben vorausgeſetzt, daß der äußere, die Theilung tragende Kreis n n, an den Fußgeſtellen F B des Inſtruments feſt und unveränderlich angebracht ſey. Nehmen wir nun an, daß auch er, ſo wie der innere Kreis m m, ſich um ſeine horizontale Axe A B bewegen laſſe, und daß der äußere Kreis, mittelſt einer22 *340Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.eigenen Druckſchraube an dieſes Fußgeſtelle, ſo wie der innere durch ſeine Druckſchraube an den äußern Kreis befeſtiget werden könne. Bei dieſer Einrichtung wird man alſo, wenn man die Druck - ſchraube des äußern Kreiſes andrückt, und dafür die Schraube des inneren Kreiſes lüftet, bloß den inneren ſammt ſeinem Fern - rohre bewegen, wie wir dieß bisher gethan haben. Wenn man aber im Gegentheile die Druckſchraube des inneren Kreiſes feſt - ſtellt und dafür die des äußeren öffnet, ſo wird man beide, jetzt miteinander verbundene Kreiſe, zugleich um ihre gemeinſchaft - liche horizontale Axe A B bewegen können. Auf dieſe abwechſelnde Bewegung des inneren Kreiſes um den feſten äußeren und der gemeinſchaftlichen beiden unter ſich verbundenen Kreiſe, beruht das erwähnte Princip der Multiplication, welches wir nun ſo - gleich näher angeben wollen.

Man ſtellt zuerſt den inneren Kreis durch ſeinen Vernier auf irgend einen beſtimmten Theilſtrich, z. B. auf Null-Grad des äußeren Kreiſes und befeſtiget jenen auf dieſem durch ſeine Druck - ſchraube. Dann öffnet man die Druckſchraube des äußeren Krei - ſes und dreht beide Kreiſe zugleich um ihre horizontale Axe A B, bis das Geſtirn im Felde des Fernrohrs erſcheint, worauf man den äußern Kreis wieder an ſein Fußgeſtelle ſchließt und mit der feinen Mikrometer-Schraube dieſes Kreiſes den horizontalen Fa - den des Fernrohrs genau auf den Stern bringt und die Zeit die - ſes Moments an der Uhr bemerkt. Nehmen wir an, die Kreiſe ſeyen während dieſer Beobachtung auf der Oſtſeite der verticalen Axe F B geſtanden.

Damit iſt die erſte Hälfte der Beobachtung vollendet, die aber, für ſich allein, kein Reſultat gibt, da der innere Kreis noch immer auf des äußeren ſteht.

Man dreht nun beide Kreiſe um ihre verticale Axe F B um 180 Grade, ſo daß die beiden Kreiſe jetzt auf die Weſtſeite dieſer Axe kommen, bis der Stern wieder in der Ebene dieſer Kreiſe erſcheint und löst dann, bei immer geſchloſſenem äußeren Kreis, den innern, und bewegt ihn ſammt ſeinem Fernrohre ſo lange um ſeine horizontale Axe A B, bis der Stern zum zweitenmale in der Nähe des Fadens erſcheint. In dieſer Lage befeſtiget man den inneren Kreis durch ſeine Druckſchraube wieder an den äußeren,341Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.und bringt dann, durch die Mikrometer-Schraube dieſes inneren Kreiſes, den horizontalen Faden des Fernrohrs genau auf das Geſtirn.

Jetzt iſt auch die zweite Hälfte der Beobachtung geendet und da zwiſchen beiden das Fernrohr offenbar um die doppelte Ze - nithdiſtanz des Sterns auf dem äußeren Kreiſe fortgerückt iſt, ſo wird auch das Ableſen dieſes Kreiſes ſofort die geſuchte doppelte Zenithdiſtanz des Geſtirns geben.

Es iſt aber für ſich klar, daß man von dem jetzt gefunde - nen Punkte des äußeren Kreiſes eben ſo gut, wie zuvor von dem Nullpunkte deſſelben ausgehen, und dieſelbe Beobachtung, ſo oft man will, wiederholen kann. Man wird nämlich jetzt die beiden geſchloſſenen Kreiſe wieder in ihre erſte Lage, wo der Kreis öſt - lich von der verticalen Axe ſteht, bringen, den äußeren Kreis lüf - ten und ihn ſammt den noch an ihm befeſtigten inneren ſo lange drehen, bis der Faden wieder den Stern deckt, worauf der äußere Kreis geſchloſſen, beide wieder auf die Weſtſeite gedreht und dann der innere gelöst und ſo lange gedreht wird, bis der Faden wieder auf den Stern fällt, wo dann die zweite Ableſung des äußeren Kreiſes die vierfache Zenithdiſtanz des Sterns angeben wird, und ebenſo wird nun die 6, 8, 10fache Zenithdiſtanz deſſelben erhal - ten. In der Ordnung wird man ſich mit der doppelten oder vier - fachen Zenithdiſtanz begnügen, und da dieſe Beobachtungen, mit einiger Uebung, ſchnell genug auf einander folgen, ſo wird es immer erlaubt ſeyn, die Höhenänderung des Geſtirns während dieſer Beobachtungen als der Zeit proportional oder als gleich - förmig ſich ändernd anzuſehen. Dann wird man alſo auch das Mittel aus allen ſo erhaltenen Zenithdiſtanzen, d. h. den durch die Anzahl der Beobachtungen dividirten Bogen, welcher das Fern - rohr durchlaufen hat, als die Zenithdiſtanz anſehen, die für das Mittel der ſämmtlichen Beobachtungszeiten gehört. Geſetzt man habe im Anfange der Beobachtung den inneren Kreis auf 10° 5′ 30″ des äußeren geſtellt und am Ende von zwei vollſtändigen oder doppelten Beobachtungen ſeinen Stand gleich 242° 50′ 40″ ge - funden. Die Uhrzeiten der vier Momente, wo der Faden den Stern deckte, ſeyen 4h 30′, 4h 34′, 4h 37′ und 4h 43′, geweſen, ſo iſt die Differenz von jenen beiden Ableſungen 232° 45′ 10″,342Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.und die Summe von dieſen vier Uhrzeiten 18h 24′. Nimmt man alſo von jeder dieſer Zahlen den vierten Theil, ſo erhält man als Reſultat dieſer Beobachtungen, daß um 4h 36′ Uhrzeit die ein - fache Zenithdiſtanz des Sterns gleich 58° 11′ 17, iſt.

§. 38. (Rectification des Multiplicationskreiſes.) Wir haben bisher vorausgeſetzt, daß die Ebene der beiden Kreiſe vollkommen vertical und die optiſche Axe des Fernrohrs zu dieſer Ebene pa - rallel iſt. Allein durch welche Mittel kann man dieſer Forderung genügen?

Zu dieſem Zwecke muß man zuerſt die verticale Axe b E oder den ſtählernen Cylinder, der in ſeinem unterſten Punkte auf der Spange a b c ſteht, und auf welchem eigentlich das ganze Inſtru - ment ruht, in eine auf dem Horizonte ſenkrechte Stellung brin - gen; dieß wird man mittelſt einer Libelle thun können, die man über jener Axe bei u u zwiſchen den zu dieſer Abſicht frei gelaſſe - nen Bogen der Säule E G aufſtellt, welche den Unterſtützungs - punkt des oben erwähnten Hebels für das Gegengewicht trägt. Stellt man dann den Kreis, alſo auch dieſe Libelle mit der Linie, die durch zwei der drei Fußſchrauben geht, z. B. mit der Linie K K 'parallel, ſo ſoll z. B. der Mittelpunkt der Blaſe bei dem Theilſtriche 10 ſtehen. Dreht man dann den Kreis um ſeine ver - ticale Axe F B um 180 Grade, bis er wieder mit der Linie K K' 'parallel iſt, und zeigt in dieſer Lage der Mittelpunkt der Blaſe z. B. 20, ſo wird man die eine oder die andere dieſer beiden Fußſchrauben K oder K' ſo lange bewegen, bis die Blaſe das Mittel jener beiden Zahlen, d. h. bis ſie die Zahl 15 zeigt. Auf dieſe Weiſe bringt man es durch einige Wiederholungen dieſes Verfahrens leicht dahin, daß die Libelle, in den beiden erwähn - ten Lagen des Kreiſes, immer dieſelbe Zahl z. B. 15 zeigt. Dreht man dann den Kreis im Horizonte noch um 90 Grade gegen ſeine beiden vorigen Lagen, ſo daß jetzt der Kreis durch die dritte Fuß - ſchraube K '' geht, ſo wird man auch dieſe Fußſchraube K '' ſo lange bewegen, bis die Libelle in dieſer neuen Lage ebenfalls 15 zeigt, und dann wird die Libelle in allen Lagen des Kreiſes immer un - verändert dieſelbe Zahl geben, zum Zeichen, daß die erwähnte ſtählerne Axe des Inſtruments in der That vertical iſt. Sollte die Libelle bei dieſer Bewegung des Kreiſes durch alle Punkte des343Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Horizonts noch einen geringen Fehler dieſer Verticalität anzeigen, ſo wird man das ſo eben angezeigte Verfahren wiederholen, um dadurch dieſen noch übrigen kleinen Fehler vollkommen wegzu - bringen.

Auf dieſer verticalen Axe iſt nun in ihrem obern Endpunkte die horizontale Axe A B der beiden Kreiſe durch ſtarke Schrauben im Inneren des Würfels B befeſtiget. Dieſe horizontale Axe muß nun ebenfalls genau ſenkrecht auf jener verticalen ſtehen. Es iſt ſchon oben geſagt worden, daß die beiden Enden dieſer hori - zontalen Axe frei ſtehen, damit man an ſie die Haken einer zwei - ten Libelle anbringen kann. Hängt man nun dieſe Libelle in zwei einander entgegengeſetzten Lagen an dieſe Axe, ſo daß derſelbe Haken zuerſt bei B und dann bei Q zu ſtehen kömmt, und zeigt ſie z. B. in der erſten Lage 4 und in der andern 10, ſo wird man das eine Ende der horizontalen Axe durch die dazu beſtimmte Schraube ſo lange erniedrigen oder erhöhen, bis die Libelle in beiden Lagen die Zahl 7 gibt, wo dann dieſe Axe A B horizon - tal und daher auf der Axe b E ſenkrecht ſtehen wird. Durch die - ſes Verfahren wird alſo auch die Ebene der beiden Kreiſe auf den Horizont ſenkrecht geſtellt ſeyn, da der Künſtler, wie bereits oben erinnert wurde, ſchon durch die Einrichtung ſeiner Drehbank den Kreis ſenkrecht auf ſeine Axe geſtellt hat.

Noch iſt übrig, die optiſche Axe des Fernrohrs mit der Ebene dieſer Kreiſe parallel zu ſtellen. Zu dieſem Zwecke wird man zu - erſt den horizontalen Faden deſſelben, durch eine ſanfte Bewegung des Fernrohrs, längs einem ſcharf begränzten und ſehr entfern - ten terreſtriſchen Gegenſtande hinlaufen laſſen, und ihn mittelſt der dazu beſtimmten Schraube um ſeinen Mittelpunkt ſo lange drehen, bis der Faden, ſeiner ganzen Länge nach, immer ſcharf auf dem Objekte bleibt. Dann ſtellt man auch den zweiten oder verticalen Faden oder eigentlich nur den dem horizontalen zunächſt ſtehenden Theil deſſelben, auf jenen terreſtriſchen Gegenſtand und liest dabei den Azimuthalkreis M ab. Jetzt dreht man die Kreiſe auf die entgegen geſetzte Seite der verticalen Axe b E, bis der Horizontalkreis genau 180 Grade mehr zeigt, als in der erſten Lage, und ſieht nun zu, ob der verticale Faden auch in dieſer344Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.zweiten Lage das terreſtriſche Objekt wieder genau treffe. Hat dieß nicht ſtatt, ſo verbeſſert man die Hälfte des ſo gefundenen Feh - lers durch diejenige Schraube, welche das Fadennetz in horizon - taler Richtung zu bewegen beſtimmt iſt. Eine Wiederholung die - ſes Verfahrens wird den noch übrig gebliebenen Fehler bald bis zur völligen Unmerklichkeit deſſelben vermindern.

§. 39. (Theodolit.) Dieſes Inſtrument unterſcheidet ſich nicht weſentlich von dem Multiplicationskreiſe; die Bauart und Einrichtung iſt in beiden dieſelbe, nur daß bei dem Multiplica - tionskreiſe der Höhenkreis, bei dem Theodoliten aber der Hori - zontalkreis der wichtigere und daher auch der mit mehr Sorgfalt von dem Künſtler ausgearbeitete iſt. Aus dieſer Urſache wird auch der Theodolit mehr zu geodätiſchen Meſſungen, für irdiſche Gegenſtände, gebraucht, wo man vorzüglich die horizontale Diſtanz derſelben ſucht, während der Multiplicationskreis, wie wir geſe - hen haben, beſonders zur Beobachtung der Höhe der Geſtirne be - ſtimmt iſt. Es wäre aber wünſchenswerth, beide Kreiſe bei bei - den Inſtrumenten gleich groß und gleich gut zu machen, damit jedes derſelben zu dem geodätiſchen ſowohl, als aſtronomiſchen Zwecke brauchbar werde.

Der Theodolit iſt in Fig. 21 vorgeſtellt. Man ſieht hier wieder die drei ſtarken Fußſchrauben K, K ', K' 'des dreiarmigen Fußgeſtells; dieſe Arme ſind an ihren Enden, wo ſie die Fuß - ſchrauben aufnehmen, in zwei Theile geſpalten, und dieſe Theile können durch eigene Seitenſchrauben k, k', k '' einander genähert werden, um jede Wankung der Fußſchrauben zu verhindern. Dieſe letzten Schrauben laufen an ihren unteren Enden in eine koniſche Stahlſpitze aus, die in einer ähnlichen koniſchen Vertiefung einer ſtarken Metallſcheibe y, y', y' 'ſich bewegt, welche Scheiben an ihrer untern Seite mit anderen drei kurzen, koniſchen Stahlſpitzen verſehen ſind, womit ſie feſt und unverrückbar auf dem Beobach - tungstiſche P aufliegen. An der untern Seite dieſer drei Arme des Fußgeſtelles iſt wieder (wie bei Fig. 20) die metallene Spange a F c angeſchraubt. Auf dieſer Spange ſteht die eigentliche verti - cale Drehungsaxe F E des Theodoliten, die ſich in dem hohlen Cylinder Q Q frei bewegt, und an deren oberen Ende der Hori - zontalkreis R R' ſenkrecht auf jene Axe befeſtiget iſt. Dieſer345Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Horizontalkreis iſt entweder ein einfacher Kreis, über deſſen Ebene eine in dem Mittelpunkte deſſelben, unter E, an die Axe F E be - feſtigte Alhidade, die an ihrem anderen Ende mit einem Verniere verſehen iſt, auf und ab läuft, oder er beſteht, wie bei dem Mul - tiplicationskreiſe, aus zwei concentriſchen Kreiſen, von welchen der äußere oder größere durch eine eigene Druckſchraube an die Hülſe Q Q' der verticalen Axe F E befeſtiget werden kann, wäh - rend der innere, das Fernrohr und den Höhenkreis tragende Kreis ſich entweder innerhalb des feſten äußeren frei drehen oder, wenn er durch ſeine Druckſchraube an dieſen äußeren Kreis befeſtiget wird, mit dieſem zugleich um die Axe F E rotiren kann, um da - durch die gemeſſenen horizontalen Winkel auf dieſelbe Weiſe zu multipliciren, wie dieß oben (S. 340) für das in Fig. 20 abge - bildete Inſtrument bei den Höhenwinkeln gezeigt worden iſt.

In beiden Fällen ſind auf dem inneren Kreiſe R R 'verticale Säulen f g befeſtiget, die an ihren oberen Enden die horizontale Drehungsaxe A B des Inſtruments tragen. Senkrecht auf dieſe Drehungsaxe iſt der Verticalkreis T T' des Theodoliten und das Fernrohr C N D deſſelben befeſtiget. Dieſer Verticalkreis iſt eben - falls entweder ein einfacher Kreis nach ſeiner an der Axe A B befeſtigten Alhidade d e, oder er iſt ein doppelter concentriſcher Kreis, auf dieſelbe Art, wie in Fig. 20 eingerichtet, um damit auch die Höhen multipliciren zu können. Das Fernrohr C N D iſt in ſeiner Mitte bei N unter einem rechten Winkel gebrochen, wo dann ein im Innern des Rohrs bei N angebrachter kleiner Spiegel die von dem Objektive D nach der Richtung D N einfallenden Strah - len in die darauf ſenkrechte Richtung NC nach dem Ocular C zu reflectirt. Bei dieſer Einrichtung des Fernrohrs wird alſo das Auge des Beobachters bei C immer das Geſtirn, es mag hoch oder niedrig ſtehen, in der horizontalen Richtung der Linie C N erblicken, zu welchem Ende alſo die eine Hälfte N C der Drehungs - axe durchbohrt oder hohl ſeyn muß. Damit die Drehungsaxe A B durch die Objektivhälfte N D des Fernrohrs nicht ſchief gedrückt wird, iſt das Gegengewicht H an der Stange N H angebracht. Um endlich den Höhenkreis T T' in jeder ſeiner Lagen feſt zu ſtel - len, wird man die Druckſchraube n, die unmittelbar auf die Dre - hungsaxe A B wirkt, anziehen, und um dann dem ſo befeſtigten346Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Kreis ſammt ſeinem Fernrohre doch noch eine kleine Bewegung zu geben, durch welche man den Faden des Fernrohrs genau auf den Stern bringen kann, iſt eigene Vorrichtung h L mit ihrer Mikrometerſchraube m h angebracht, die ganz der bei dem Meri - diankreiſe (Fig. 19) bei c 'd' und f h beſchriebenen ähnlich iſt und daher hier keiner weiteren Erläuterung bedarf.

§. 40. (Gebrauch und Rectification des Theodoliten.) Wenn der Kreis R R und die Drehungsaxe A B bereits horizontal und wenn der Höhenkreis T T' ſo wie die optiſche Axe des Fernrohrs bereits ſenkrecht auf der Drehungsaxe A B, alſo auch ſenkrecht zu dem Horizonte geſtellt ſind, ſo wird man, wenn das Inſtrument nicht multiplicirt oder wenn die beiden äußeren Kreiſe R R 'und T T' feſt ſind, bei der Beobachtung mit dieſem Inſtrumente auf folgende Weiſe verfahren.

Geſetzt man wollte den Winkel, welchen zwei Thurmſpitzen in dem Auge des Beobachters bilden und zugleich die Differenz der Höhen dieſer Spitzen über dem Horizonte finden. Zu dieſem Zwecke wird man alſo den Höhenkreis T T' ſammt dem Fernrohre um die Verticalaxe F E, und zugleich das Fernrohr N D um ſeine Horizontalaxe A B ſo lange drehen, bis die Spitze des einen Thurms im Felde des Fernrohrs nahe bei dem Durchſchnitte der beiden Kreuzfäden deſſelben erſcheint. Jetzt werden beide Kreiſe R R 'und T T' durch ihre Druckſchrauben geſchloſſen und der Fa - dendurchſchnitt, mit Hülfe der Mikrometerſchrauben dieſer beiden Kreiſe genau auf die Thurmſpitze gebracht, wo dann die beiden Kreiſe abgeleſen werden. Dann werden ſie wieder gelüftet und ſo lange gedreht, bis auch die zweite Spitze im Felde des Fern - rohrs erſcheint, wo daſſelbe Verfahren wiederholt und die Stel - lung der beiden Kreiſe wieder abgeleſen wird. Die Differenz der beiden Leſungen an dem Kreiſe R R' gibt dann den geſuchten Ho - rizontalwinkel der beiden Thürme, ſo wie die Differenz der beiden Leſungen des Kreiſes T T' die geſuchte Höhendifferenz der Spitzen dieſer Thürme geben wird.

Will man die abſolute Höhe dieſer Objekte ſelbſt kennen, ſo wird man zuerſt den Zenithpunkt des Höhenkreiſes T T' durch die oben (S. 325) erwähnten Methoden beſtimmen. Man wird z. B. die Höhe irgend eines weit entfernten und ſcharf begränzten Gegen -347Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſtandes in zwei entgegengeſetzten Lage des Inſtruments beobachten, indem bei der erſten Beobachtung der Kreis T T' rechts und in der zweiten links von dem Fernrohre N D ſteht. Die Differenz der beiden Leſungen oder der, während dieſer beiden Beobachtungen von dem Fernrohre durchlaufene Kreis wird die doppelte Zenith - diſtanz des Objekts ſeyn. Da man dadurch die einfache, wahre Zenithdiſtanz und die ihr, in beiden Lagen des Kreiſes entſpre - chende Theilzahl kennt, ſo weiß man auch, welche conſtante Größe man von jeder Leſung an dieſem Kreiſe abzuziehen oder zu ihm hinzuzuſetzen hat, um in jeder anderen Beobachtung ſogleich wie - der die wahre Zenithdiſtanz des Gegenſtandes zu erhalten.

Stellt man ebenſo den Nullpunkt des Horizontalkreiſes R R 'in der Ebene des Meridians auf, oder, was daſſelbe iſt, weiß man, welcher Punkt dieſes Horizontalkreiſes dem Meridiane ent - ſpricht, ſo wird man auch alle an dieſem Kreiſe abgeleſenen Bo - gen nur von jenem Meridianpunkte an zählen, oder von jeder Le - ſung an dieſem Kreiſe eine bekannte Conſtante abziehen, um ſofort auch die Azimute (I. S. 30) der beobachteten Gegenſtände zu erhalten.

Alles dieß ſetzt aber voraus, daß von den beiden Kreiſen R R 'und T T', ſowie von den beiden Axen A B und F E die eine horizontal und die andere genau vertical ſey. Dieſer Forderung zu genügen oder das Inſtrument zu rectificiren wird man ganz ſo, wie oben (S. 342) bei dem Multiplicationskreiſe geſagt wor - den iſt, verfahren.

Um zuerſt die verticale Drehungsaxe F E vollkommen ſenk - recht auf den Horizont zu ſtellen, wird man ſich einer Libelle be - dienen, die mit ihren zwei Füßen auf die cylindriſchen Enden der Axe A B aufgeſtellt wird, ſo daß die Glasröhre der Libelle zwiſchen den Speichen des Kreiſes T T' zu ſtehen kommt. Dann ſtellt man dieſe Axe A B parallel zu zwei Fußſchrauben K K 'und verbeſſert, bei der jedesmaligen Umdrehung des Kreiſes um 180 Grade, die eine dieſer beiden Fußſchrauben ſo lange, bis die Mitte der Blaſe in beiden Lagen des Inſtruments immer denſelben Punkt zeigt. Iſt z. B. 12 der Theilſtrich, bei welchen die Mitte dieſer Blaſe in der erſten Lage ſteht, und iſt 20 derſelbe für die zweite Lage des Inſtruments, ſo wird in der zweiten Lage die erwähnte Fuß -348Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſchraube ſo bewegt, daß die Mitte der Blaſe zu dem Theilſtrich 16 oder zu dem Mittel von jenen beiden komme. Iſt dieß be - richtigt, ſo wird die Axe A B in eine auf die beiden vorigen ſenk - rechte Lage gebracht, und bloß durch die dritte Fußſchraube die Mitte der Libelle wieder auf den Theilſtrich 16 zurückgeführt. Zeigt dann die Libelle, bei allen Richtungen der Axe A B, im - mer denſelben Punkt, ſo wird die Axe F E vollkommen vertical oder der von dem Künſtler auf dieſe Axe ſenkrecht abgedrehte Kreis R R 'wird vollkommen horizontal ſeyn, wodurch die erſte der oben erwähnten Bedingungen erfüllt iſt.

Allein nun iſt es noch möglich, daß die beiden Stützen f g, welche die horizontale Drehungsaxe A B tragen, von unglei - cher Länge ſind, wo dann die auf dieſer Stütze ruhende Axe AB nicht mehr horizontal, alſo auch der auf dieſe Axe A B von dem Künſtler bereits ſenkrecht abgedrehte Kreis T T' auch nicht mehr vertical ſeyn würde, worin doch die zweite Bedingung beſteht, die ſtatt haben muß, wenn das Inſtrument in der That zu Beobach - tungen tauglich ſeyn ſoll. Um nun auch dieſer Forderung zu genügen, wird man dieſelbe Libelle, ohne übrigens jetzt den Kreis ſelbſt weiter zu bewegen, zuerſt in einer und dann in der entge - gengeſetzten Lage auf die Endpunkte der Axe A B ſtellen, ſo daß derſelbe Fuß der Libelle zuerſt nach A und dann nach B kömmt. Steht die Libelle in dieſen beiden Lagen derſelben bei verſchiedenen Theilſtrichen, ſo wird man durch eine eigens dazu beſtimmte Schraube, die an der einen der Stützen f g bei Z angebracht iſt, dieſe Stütze etwas erhöhen oder erniedern, bis die Libelle in der Mitte zwiſchen jenen beiden abgeleſenen Theilſtrichen ſteht und dieſes Verfahren wird man ſo lange wiederholen, bis die Libelle in ihren beiden Lagen immer denſelben Theilſtrich zeigt, wo dann die Drehungsaxe A B horizontal über dem Kreiſe R R 'parallel, und zugleich der Kreis T T' gegen den Horizont ſenkrecht ſeyn wird.

Um endlich auch noch die optiſche Axe des Fernrohrs mit dem Kreiſe T T' parallel zu ſtellen, wird man den ſenkrechten Faden deſſelben auf irgend ein ſcharf begränztes terreſtriſches Objekt rich - ten und dann die Axe A B ſammt Fernrohr und Höhenkreis aus ihren beiden Lagern bei A und B herausheben, um es in verkehr -349Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ter Stellung, ſo daß jetzt das Axenende A auf das Lager B komme, wieder in dieſe Lager zurückbringen. Wird jetzt das Fernrohr wieder auf das terreſtriſche Object zurückgebracht, und weicht der Faden etwas von demſelben ab, ſo wird man die Hälfte des be - merkten Fehlers durch die Schraube bei A verbeſſern, welche be - ſtimmt iſt, das Fadennetz in horizontaler Richtung zu bewegen.

§. 41. (Aequatorial.) Wenn man einen Höhenkreis, wie z. B. den in Fig. 20 beſchriebenen, ſo aufſtellen wollte, daß die früher verticale oder auf dem Horizonte ſenkrechte Drehungsaxe F E jetzt auf dem Aequator ſenkrecht ſteht, d. h. daß dieſe Axe in der Ebene des Meridians aufgeſtellt, mit dem Horizonte einen Winkel bildet, der gleich der Polhöhe (I. S. 30) des Beobach - tungsorts iſt, ſo würde man ein Aequatorial haben, wie daſ - ſelbe in Fig. 22 abgebildet erſcheint. Dieſes Inſtrument iſt alſo von einem Höhenkreiſe nur in der Aufſtellung ſeiner Axe weſent - lich verſchieden. Bei dem Höhenkreiſe geht dieſe Drehungsaxe nach dem Zenithe, bei dem Aequatorial aber nach dem Pole des Aequators, oder dort ſteht die Axe ſenkrecht auf dem Horizonte, während dieſe Axe E F (Fig. 22) hier der Weltaxe parallel liegt; dort ſtellt alſo auch der auf dieſe Axe ſenkrechte Kreis M (Fig. 20) den Horizont vor, während hier dieſer Kreis A A' (Fig. 22) mit dem Aequator parallel iſt; dort endlich liegt der verticale Kreis m n (Fig. 20) immer in der Ebene eines Höhenkreiſes (I. S. 27), während hier dieſer Kreis B B' '(Fig. 22), wie man ihn auch um die ihm parallele Axe E F drehen mag, da ſeine Ebene ſtets durch dieſe Axe gehend angenommen wird, immer in dem Declinations - kreiſe (I. S. 28) derjenigen Sterne liegt, durch welche ſeine Ebene geht. So wie daher bei dem Höhenkreiſe (Fig. 20) der Kreis M die Azimuthe und der Kreis m n die Zenithdiſtanzen der Ge - ſtirne zu geben beſtimmt iſt, ſo wird bei dem Aequatorial (Fig. 22) der auf die Drehungsaxe E F ſenkrechte Kreis A A die Stun - denwinkel (I. S. 30), und der mit dieſer Axe parallele Kreis B B'' die Poldiſtanzen der Sterne, die man eben durch das Fernrohr C D beobachtet, zu geben beſtimmt ſeyn.

Man ſtelle ſich alſo eine ſenkrechte, auf dem Tiſche oder in dem Boden befeſtigte Säule P vor, an deſſen oberem Ende eine andere cylindriſche Säule E F ſo aufliegt, daß ſie der Weltaxe350Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.parallel iſt und ſich um ihre eigene Axe drehen läßt. Das untere Ende E dieſes Cylinders geht durch einen auf ihn ſenkrecht ge - ſtellten, an der Säule P befeſtigten Kreis. Durch das obere durchbohrte Ende F dieſes Cylinders aber geht, ebenfalls auf ihm ſenkrecht, die Axe F G eines andern Kreiſes B B' ', deſſen Ebene alſo, da überhaupt jeder Kreis B B'' auf ſeiner Axe F G ſchon von dem Künſtler ſenkrecht geſtellt wird, mit der cylindriſchen Säule E F parallel iſt. Dieſem Kreiſe B B' gegenüber iſt das mit Blei gefüllte Gegengewicht H angebracht, um dem ſchiefen Druck dieſes Kreiſes auf die Rotationsaxe E F entgegen zu wirken. Mit dieſem letzten Kreiſe B B' iſt das Fernrohr C D ſo verbunden, daß es ſich um den Mittelpunkt des Kreiſes, parallel zu der Ebene deſ - ſelben, bewegen läßt, und daß es, während ſeiner Bewegung, eine Alhidade m m' mit ſich führt, die an einem oder auch an beiden ihrer Enden mit einem Verniere verſehen iſt. Eine ähnliche Al - hidade n n' ſieht man auch bei dem anderen Kreiſe A A' und dieſe iſt an die Drehungsaxe E F befeſtigt, ſo daß ſich der Vernier n' derſelben mit jener Axe zugleich über die Ebene dieſes Kreiſes A A' hin bewegt. Bei A und B ſieht man zugleich die Druckſchrauben, durch welche die Alhidaden n n' und m m', die man ſich hier in der Geſtalt eines vierarmigen Kreuzes vorſtellen kann, an ihren Kreiſen feſtgeſtellt werden können, ſowie die längeren Mikrometer - ſchrauben A a und B b, durch welche man, auch wenn jene Druck - ſchrauben angezogen ſind, der Alhidade doch noch eine kleine Be - wegung geben kann, um (wie oben S. 320) den Faden des Fern - rohrs genau auf den beobachteten Stern zu ſtellen.

Denken wir uns alſo die Drehungsaxe F E des Aequatorials genau der Weltaxe parallel aufgeſtellt und das Inſtrument in al - len ſeinen Theilen berichtiget. Dreht man dann dieſe Axe F E um ſich ſelbſt, ſo wird auch die an die Axe befeſtigte Alhidade n n', ſowie der Declinationskreis B B' 'ſammt ſeinem Fernrohre C D ſich um dieſe Axe bewegen, während der Aequatorialkreis A A', der an der Säule P unveränderlich befeſtiget iſt, allein in Ruhe bleibt. Dreht man auf dieſe Weiſe die Axe F E ſo lange, bis der Vernier n' auf dem höchſten Punkte des Kreiſes A A', alſo im Meridian ſteht, ſo wird dann auch der Deklinationskreis B B'' in der Ebene des Meridians ſeyn und ſenkrecht auf dem Horizonte351Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſtehen. Bewegt man in dieſer Lage des Inſtruments das Fern - rohr, parallel mit ſeinem Kreiſe, ſo lange, bis der Durchſchnitt des Kreuzfadens auf einem Geſtirne ſteht, ſo wird die Alhidade bei m oder m' die Poldiſtanz (I. S. 28) dieſes Geſtirns anzeigen, während die Alhidade n', die bei dem mit Null bezeichneten Theil - ſtriche des Kreiſes A A' ſteht, anzeigt, daß der Stundenwinkel (I. S. 30) des Geſtirns gleich Null iſt, wie es ſeyn ſoll, da der Stern eben durch die Ebene des Meridians geht. Dreht man dann die Axe E F noch weiter z. B. um 30 Graden oder was daſſelbe iſt, um 2 Stunden, gegen Weſten, ſo rückt dadurch die mit dieſer Axe verbundene Alhidade n n' auf ihrem feſten Aequa - torialkreiſe A A' ebenfalls um 30 Grade gegen Weſt oder in der Richtung A n A' vor und ganz eben ſo viel dreht ſich auch der ebenfalls an jener Axe EF befeſtigte und mit ihr immer parallele Kreis B B' ſammt ſeinem Fernrohre gegen Weſt weiter, ſo daß alſo jetzt die Ebene dieſes Kreiſes, und daher auch die mit ihm parallele optiſche Axe des Fernrohrs, in der Ebene desjenigen Declinationskreiſes (I. S. 28) liegt, der zwei Stunden weſtlich von dem Meridian entfernt iſt. In dieſer Lage des Inſtruments wird alſo jeder Stern, den man in dem Durchſchnitte des Kreuz - fadens des Fernrohrs erblickt, in dieſem Augenblicke den Stun - denwinkel von 30 Graden oder von 2 Stunden haben, weil die Alhidade n n' des Kreiſes A A' auf den Theilſtrich von 30 Graden ſteht und die Poldiſtanz dieſes Sterns wird unmittelbar durch die Alhidade m oder m' des anderen Kreiſes B B' angegeben werden.

Man ſieht daher, daß man mit einem ſolchen Inſtrumente unmittelbar den Stundenwinkel und die Poldiſtanz eines Geſtirns angeben kann. Bewegt man nämlich den Kreis B B' um die Drehungsaxe E F des Inſtruments ſo, daß die Ebene dieſes Krei - ſes, wenn man ſie bis an den Himmel erweitert gedenkt, durch den Stern geht, und bewegt man dann das Fernrohr CD, paral - lel mit ſeinem Kreiſe B B' ſo, daß der Stern im Durchſchnitte der Fäden erſcheint, ſo wird die Alhidade mm 'dieſes Kreiſes B B' die Poldiſtanz, und die Alhidade n n' des Kreiſes A A' den Stundenwinkel dieſes Geſtirns anzeigen. Kennt man über - dieß, durch Hülfe einer bereits berichtigten Uhr, die Sternzeit dieſer Beobachtung, ſo wird man nur den durch das Inſtrument352Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.gegebenen Stundenwinkel von dieſer Sternzeit ſubtrahiren, um ſo - fort auch (I. S. 38) die Rectaſcenſion des beobachteten Ge - ſtirns zu erhalten. Das Aequatorial gibt alſo durch jede einzelne Beobachtung, wenn die Sternzeit derſelben bereits bekannt iſt, die Rectaſcenſion und Poldiſtanz (I. S. 31) des beobachteten Ge - ſtirns, wodurch ſeine Lage am Himmel vollkommen beſtimmt iſt. Man ſieht zugleich, daß von den beiden Kreuzfäden des Fern - rohrs der eine, der Stundenfaden, dem Kreiſe B B' parallel und der andere, der Declinationsfaden, auf dem Kreis B B' ſenkrecht, alſo mit dem andern Kreiſe A A' parallel geſtellt ſeyn ſoll.

§. 42. (Vortheile, welche das Aequatorial bei den Beobach - tungen gewährt.) Man hat ſo eben geſehen, daß man durch die - ſes Inſtrument die Rectaſcenſion und Poldiſtanz der Geſtirne un - mittelbar beſtimmen kann. Da dieß die gewöhnliche Art iſt, durch welche die Aſtronomen die Orte der Geſtirne am Himmel ange - ben, ſo muß auch ein ſolches Inſtrument dem Beobachter vorzüg - lich willkommen ſeyn. Allein es gibt wohl nur wenige ſo voll - kommen gebaute Aequatoriale, mit welchen man die Rectaſcenſion oder eigentlich den Stundenwinkel und die Poldiſtanz der Geſtirne in der That unmittelbar und mit derjenigen Schärfe beſtim - men kann, die man bei den ſo genauen Beobachtungen unſerer Zeit zu fordern berechtigt iſt. Bei den weniger ſorgfältig gebau - ten Inſtrumenten dieſer Art, die man parallaktiſche Ma - ſchinen nennt, pflegt man das Fernrohr derſelben in der Nähe des zu beobachtenden Geſtirns, z. B. eines Planeten, aufzuſtellen und dann dieſen Planeten ſowohl, als auch einen ihm nahen, be - kannten Fixſtern durch das, während dieſer Beobachtungen unbe - wegt oder ruhend bleibende Fernrohr, durchgehen zu laſſen, woraus man dann, zwar nicht mehr die abſolute Rectaſcenſion und Pol - diſtanz, aber doch die Differenz der Rectaſcenſion und Pol - diſtanz des Planeten und des Sterns erhält, alſo auch, wenig - ſtens mittelbar, den Ort des Planeten erhält, da jener des Sterns ſchon bekannt iſt. Wir werden dieſe ſehr nützliche und anwend - bare Beobachtungsart weiter unten näher kennen lernen. Hier wollen wir nur bemerken, daß, wenn das Fernrohr in der That während des Durchganges beider Geſtirne unverrückt bleiben ſoll, die Beobachtung nur auf ſolche Fixſterne beſchränkt bleibt,353Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.die, wenigſtens in ihrer Poldiſtanz, nicht weiter von dem Plane - ten abſtehen, als der Durchmeſſer des Feldes des Fernrohrs be - trägt. Dieſer Durchmeſſer erſtreckt ſich aber bei ſtärkeren Ver - größerungen, die hier immer vorzüglich wünſchenswerth ſind, nur auf fünf bis zehn Minuten und es findet ſich nur zu oft, daß man in ſolcher Nähe keine wohlbekannten Sterne findet, die man mit dem Planeten vergleichen kann, um daraus den Ort des letzteren am Himmel zu beſtimmen. In dieſem Falle ſind alſo die ſorgfältiger gearbeiteten und größern Aequatoriale, wie die von Reichenbach, von ganz vorzüglichem Nutzen, da man bei ihnen wenigſtens das Fernrohr an ſeinem Kreiſe B B' um mehrere Grade verrücken und die Differenz der Poldiſtanzen beider Geſtirne an dieſem Kreiſe mit großer Sicherheit ableſen kann. Dabei bleibt alſo die Alhidade n n' des Aequatorkreiſes A A' und daher auch die Ebene des Kreiſes B B' ſelbſt unverrückt und man beobachtet eigentlich beide Geſtirne in demjenigen Declinationskreiſe des Himmels, durch welchen die Ebene des Kreiſes B B' in dieſer ſei - ner Stellung geht, oder, wenn man lieber will, man beobachtet jetzt die beiden Geſtirne gleichſam wieder durch ein ruhendes Fern - rohr, deſſen Feld aber, ſelbſt bei einer ſehr ſtarken Vergrößerung, einen Durchmeſſer von fünf bis zehn Graden hat, wodurch die oben erwähnte Beſchränkung in der Auswahl der paſſenden Sterne beinahe gänzlich beſeitiget wird. Auf der Sternwarte in Wien werden Beobachtungen dieſer Art an dem Aequatorial von Rei - chenbach ſeit mehreren Jahren angeſtellt und ſie harmoniren, wie die Annalen dieſer Sternwarte zeigen, ſehr gut mit den gleichzei - tigen Beobachtungen an dem Meridiankreiſe, ſo daß es fortan, wenn nur die zur Vergleichung gewählten Sterne genau beſtimmt ſind, nicht mehr nothwendig iſt, die Planeten bloß zur Zeit ihrer Culmination zu beobachten, ſondern daß man ſie ganz eben ſo gut zu jeder bequemen Abendſtunde und überhaupt in jedem von der Witterung begünſtigten Augenblicke nicht nur, wie in dem Meri - dian, einmal, ſondern ſelbſt wiederholt beobachten und auch mit mehreren Sternen vergleichen kann.

Aber auch außer den eigentlichen aſtronomiſchen Beobachtun - gen gewährt das Aequatorial ſo weſentliche Vortheile, daß dieſe parallaktiſche Aufſtellung der Fernröhre, wenigſtens der größeren,Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 23354Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.allgemein eingeführt zu werden verdient. Auf welchen Punkt ſeines Kreiſes B B' nämlich das Fernrohr CD geſtellt wird, ſo beſchreibt daſſelbe, wenn man das Inſtrument um ſeine große Axe E F dreht, einen Kegel, deſſen Axe eben dieſe Linie E F, d. h. die Weltaxe ſelbſt iſt, oder mit anderen Worten, das bis an den Himmel verlängerte Fernrohr beſchreibt daſelbſt einen Kreis, deſ - ſen Pol zugleich der Pol des Aequators iſt. Allein einen ganz ähnlichen Kreis beſchreibt auch jeder Stern am Himmel während ſeiner täglichen Bewegung um die Axe der Erde, woraus alſo folgt, daß das Fernrohr, wenn es einmal auf einen, dem Pole nahen oder fernen Stern geſtellt und dann mittelſt ſeiner Druck - ſchraube bei B an ſeinem Kreis B B' geklemmt wird, nur entwe - der ſanft mit der Hand oder beſſer mit einer eigenen Vorrichtung um die Axe EF gedreht werden darf, um den Stern, den ganzen Tag durch, immer unverrückt in der Mitte des Geſichtsfeldes zu erhalten. Ganz anders verhält ſich dieß bei einem Fernrohre, das wie in Fig. 20 aufgeſtellt iſt, oder welches, wie gewöhn - lich der Fall iſt, bloß eine verticale und eine horizontale Bewegung hat. Denn da die Geſtirne in ihrem täglichen Gange um die Erde keine von dieſen beiden, ſondern vielmehr eine kreisförmige Bewegung haben, ſo geſchieht es nur zu oft, beſonders bei ſtär - keren Vergrößerungen, daß der Beobachter den Stern, wenn er dem Rande des Fernrohrs zu nahe tritt, aus dem Geſichtsfelde verliert, wo er dann oft nicht ohne Mühe wieder aufgeſucht wer - den muß, was bei einem parallaktiſch aufgeſtellten Fernrohre nie beſorgt werden darf.

Dazu kömmt noch, daß dieſe parallaktiſche Aufſtellung das beſte und bequemſte Mittel gewährt, die Geſtirne ſelbſt bei Tage zu ſehen oder auch bei Nacht diejenigen lichtſchwachen Geſtirne aufzuſuchen, die man mit unbewaffneten Augen nicht mehr be - merken kann. Wenn man z. B. mit einem wie in Fig. 20 auf - geſtellten Fernrohre Mars oder Jupiter am Tage oder auch die vier kleinen neuen Planeten bei Nacht ſehen will, ſo muß man für die Zeit der Beobachtung ihr Azimut und ihre Höhe (I. S. 31) kennen, die man nur durch umſtändliche Berechnun - gen finden kann. Stellt man dann die Alhidade des Kreiſes M auf das Azimut und die des Kreiſes m n auf die Höhe oder Ze -355Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nithdiſtanz des Sterns, ſo wird man den geſuchten Stern in dem Felde des Fernrohrs erblicken. Iſt man aber im Beſitze eines Aequatorials oder einer parallaktiſchen Maſchine, ſo wird man für jede gegebene Sternzeit, in welcher man ein ſeiner Lage am Himmel nach bekanntes Geſtirn beobachten will, nur von dieſer Sternzeit die bekannte Rectaſcenſion des Sterns ſubtrahiren, um den Stunden - winkel (I. S. 38) deſſelben zu erhalten. Stellt man dann die Alhidade n n' des Kreiſes A A' (Fig. 22.) auf dieſen Stundenwin - kel und die Alhidade m m' des Kreiſes B B' auf die Poldiſtanz des Sterns, ſo wird man auch das geſuchte Geſtirn ſofort in dem Felde des Fernrohrs C D erblicken. Dieſe Rectaſcenſion und Pol - diſtanz aber iſt für alle Planeten und für viele Tauſende von Fixſternen bereits in unſeren Sternkatalogen und aſtronomiſchen Ephemeriden enthalten, aus welchen man ſie daher nur, ohne alle Rechnung, nehmen darf, um das geſuchte Geſtirn auch ſofort in ſeinem Fernrohre ſehen und beobachten zu können.

§. 43. (Rectification des Aequatorials.) Alles Vorhergehende ſetzt aber voraus, daß das Inſtrument in allen ſeinen Theilen ſo weit berichtiget iſt, daß das Fernrohr, wenn es auf den Stunden - winkel und die Poldiſtanz eines Sterns geſtellt wird, dieſen Stern wenigſtens in der Nähe des Durchſchnittes ſeines Fadenkreuzes, wenn auch nicht genau in dieſem Durchſchnitte zeige. Dazu wer - den nun mehrere vorbereitende, die Stellung des Inſtruments be - treffende Rectificationen erfordert, von welchen die vorzüglichſten folgende ſind.

1. Soll die Rotationsaxe E F des Inſtruments in der Ebene des Meridians liegen. 2. Soll dieſe Axe gegen den Horizont um die Polhöhe des Beobachtungsortes gegen Nord geneigt ſeyn. 3. Sollen die Alhidaden m m' und n n' der beiden Kreiſe ſo ge - ſtellt ſeyn, daß der erſte auf Null ſteht, wenn das Fernrohr nach dem Pole des Aequators gerichtet iſt, und daß auch der zweite auf Null ſteht, wenn der Kreis B B' oder ſein Fernrohr C D in der Ebene des Meridians iſt. 4. Soll der Kreis B B' mit der Rotationsaxe E F parallel ſeyn, und endlich ſoll auch 5. die optiſche Axe des Fernrohrs C D mit ihrem Kreiſe B B' ſich parallel bewegen.

23 *356Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Den beiden letzten Forderungen wird man am beſten auf fol - gende Art entſprechen. Es wurde bereits oben (S. 349) geſagt daß das Aequatorial nichts anderes als ein Höhenkreis (Fig. 20) iſt, deſſen verticale Axe F E man ſchief gegen den Horizont und zwar mit der Weltaxe parallel legt. Nun wird man ſich leicht eine einfache Vorrichtung, etwa nur von Holz verſchaffen, durch welche man das Aequatorial ſo aufſtellt, daß ſeine Drehungsaxe F E (Fig. 22) wieder in ſeine urſprüngliche oder verticale Lage zurückkömmt. Dann wird man alſo wieder einen Höhenkreis haben und an ihm jene beiden Fehler 4 und 5 ganz ebenſo berich - tigen, wie dieß oben (S. 342) bei dem in Fig. 20 dargeſtellten Höhenkreis geſagt worden iſt. Man wird nämlich dann, nachdem man die Axe E F durch das oben (S. 342) angezeigte Verfahren auf den Horizont genau ſenkrecht geſtellt hat, den Kreis B B' mit ſeiner vertical ſtehenden Axe E F (Fig. 22) parallel machen, wenn man (wie S. 343) die Hänglibelle in zwei einander ent - gegengeſetzten Lagen an die Axe F G dieſes Kreiſes B B' anhängt und dadurch dieſe Axe F G horizontal, d. h. den Kreis B B' ſelbſt vertical oder mit der bereits vertical ſtehenden großen Drehungs - axe F E parallel ſtellt. Und eben ſo wird man die optiſche Axe des Fernrohrs mit der Ebene des Kreiſes B B' parallel ſtellen, wenn man (wie S. 343) das Fernrohr in zwei einander entge - gen geſetzten Lagen auf daſſelbe terreſtriſche Object ſtellt. Dieſes Verfahren hat noch den Vortheil, daß man, wenn durch das ſo aufgeſtellte Aequatorial die Zenithdiſtanz irgend eines terreſtriſchen Objectes mit umgewendetem Kreiſe zweimal beobachtet, (wie oben S. 326) den Zenithpunkt des Kreiſes B B' erhält. Wenn dieſe Berichtigungen vorüber ſind, ſo legt man die Rotationsaxe E F wieder in ihre, der Weltaxe wenigſtens beinahe parallele Lage r r zurück und bringt den Kreis B B' mittelſt einer an ſei - ner Axe F G aufgehängten Libelle in eine auf dem Horizonte ſenk - rechte Stellung.

Um dann die Drehungsaxe E F ganz genau in die Ebene des Meridians ſowohl, als auch in die gehörige Neigung gegen den Horizont zu bringen, wird man einen Stern, am beſten den Polarſtern, einige Minuten vor ſeiner Culmination mit dem Fern -357Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.rohre verfolgen, und durch einen Gehülfen den einen Endpunkt E oder F der Drehungsaxe ſo weit öſtlich oder weſtlich bewegen laſ - ſen, daß der Stern im Augenblicke der Culmination genau auf den dem Kreiſe B B' parallelen Faden, d. h. auf den Stunden - faden des Fernrohrs trifft, und dann wird die Rotationsaxe E F in der Ebene des Meridians liegen, oder die oben angeführte erſte Forderung wird erfüllt ſeyn.

Allein dann wird dieſe im Meridian liegende Axe vielleicht noch einen Winkel mit dem Horizonte bilden, der von der Pol - höhe des Beobachtungsortes verſchieden iſt. Um daher auch dieſe zweite Stellung der Axe noch zu berichtigen, wird man bemerken, daß der oben gefundene Zenithpunkt des Kreiſes B B' jetzt in der dem Aequatorial eigenthümlichen Lage, den Polpunkt dieſes Kreiſes bildet. Dieß iſt nämlich derjenige Punkt des Kreiſes B B', deſſen Halbmeſſer der Rotationsaxe E F parallel iſt und der da - her, wenn man ihn bis an die Sphäre des Himmels verlängert, durch den Pol des Aequators gehen ſoll. Da man aber die Pol - diſtanz des Polarſterns, wie ſie durch die Refraction (I. S. 343) verändert wird, ebenfalls ſchon kennt, ſo wird man das bereits in der Ebene des Meridians liegende Fernrohr auf denjenigen Punkt des Kreiſes B B' ſtellen, der von dem Polpunkte deſſelben um dieſe Poldiſtanz des Sterns entfernt iſt, und nun zuſehen, ob im Augenblicke der Culmination der Stern, nicht nur wie zuvor auf den Stundenfaden, ſondern auch auf den Declinationsfaden des Fernrohrs trifft. Iſt dieß nicht der Fall, ſo wird man durch den Gehülfen einen der beiden Endpunkte E oder F ſo viel höher oder tiefer ſchrauben laſſen, bis der Declinationsfaden den Stern genau bedeckt, und dann wird alſo auch die zweite der oben genannten Bedingungen erfüllt ſeyn.

Liest man endlich in der ſo erhaltenen Stellung des Inſtru - ments die Verniere der beiden Alhidaden ab, und findet man z. B., daß der Vernier n n' des Kreiſes A A' bei der Zahl 0h 4′ 10″, und daß der Vernier m m' des Kreiſes B B' bei der Zahl 32′ 6″ ſteht, während die Sternzeit der Beobachtung, wo der Stern im Durchſchnitte des Fadenkreuzes ſtand, gleich 1h 2′ 30″ war, ſo kann man auch daraus die Fehler des Standes dieſer358Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.beiden Verniere finden. Denn geſetzt, die Rectaſcenſion des Po - larſterns iſt 0h 59′ 58″ und die Poldiſtanz deſſelben 34′ 14″, ſo wird (I. S. 38) die Sternzeit weniger der Rectaſcenſion der wahre Stundenwinkel des Sterns zur Zeit ſeiner Beobachtung ſeyn. Dieſer wahre Stundenwinkel iſt alſo in unſerem Beiſpiele gleich 0h 2′ 32″. Allein der an dem Kreiſe A A' des Inſtru - ments abgeleſene Stundenwinkel war 0h 4′ 10″ alſo um 0h 1′ 38″ größer als der wahre. Eben ſo war auch die wahre Poldiſtanz des Sterns, wie ſie von der Refraction verändert wird, gleich 34′ 14″, während die an dem Kreiſe B B' des Inſtruments ab - geleſene Poldiſtanz 32′ 6″ oder 2′ 8″ kleiner war, als die wahre. Daraus folgt daher, daß von dieſen beiden Vernieren der eine n n' um 0h 1, 38″ zu weit weſtlich, und der andere m m' um 2′ 8″ zu nahe bei dem Pole ſteht, und jetzt kann man ent - weder dieſe Verniere, durch eigens dazu beſtimmte Schrauben, ſo weit an ihren Alhidaden verſchieben, daß dieſe Fehler gänzlich ver - ſchwinden, oder man kann auch, was ſicherer iſt, dieſe Fehler, wenn ſie nur klein ſind, beſtehen laſſen und von ihnen bei jeder Beob - achtung Rechnung tragen. Dadurch iſt alſo auch den zwei letzten der oben unter Nr. 3 angegebenen Bedingungen genug gethan worden und jetzt wird das Inſtrument in vollkommen beobachtungs - fähigem Zuſtande ſeyn.

Wenn man alſo dann mit dieſem Inſtrumente z. B. einen kleinen, mit freien Augen unſichtbaren Stern aufſuchen will, deſ - ſen Rectaſcenſion 5h 40′ 20″ und deſſen Poldiſtanz 36° 15′ 40″ beträgt, ſo wird man, um ihn zu der Sternzeit 10h 50′ im Rohre zu erhalten, ſo verfahren:

  • Sternzeit 10h 50′ 0″
  • Rectaſc. 5 40 20″
  • wah. Stundenw. 5 9 40
  • Correction + 1 38
  • Inſtr. Stundenw. 5 11 18
  • wahre Poldiſtanz 36° 15′ 40″
  • Correction 2 8
  • Inſtr. Poldiſtanz 36 13 32

Man wird alſo den Vernier der Alhidade n n' auf den Theil - ſtrich 5h 11′ 18″ des Kreiſes A A', und den Vernier der Alhi - dade m m' auf den Theilſtrich 36° 13′ 32″ des Kreiſes B B' ſtel - len, und der verlangte Stern wird um 10h 50′ Sternzeit in der359Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Mitte des Feldes des Fernrohrs erſcheinen. Ganz ebenſo würde man auch umgekehrt, wenn man die Mitte des Fernrohrs zu einer beſtimmten Sternzeit auf ein noch unbekanntes Ge - ſtirn ſtellt, und dann die beiden Verniere abliest, die Rectaſcen - ſion und Poldiſtanz dieſes Geſtirns und dadurch den Ort deſſelben am Himmel finden. Denn geſetzt, man hätte dieſen Stern um 16h 17′ 20″ Sternzeit in der Mitte des Feldes im Durchſchnitts - punkte des Kreuzfadens geſehen und den Vernier des Aequator - kreiſes A A' gleich 4h 11′ 28″, den Vernier des Declinationskrei - ſes B B' aber gleich 54° 3′ 20″ abgeleſen. Dieß vorausgeſetzt bat man

  • Inſtr. Stundenw. 4h 11′ 28″
  • Correction 1 38
  • wahrer Stundenw. 4 9 50
  • Sternzeit 16 17 20
  • wahre Rectaſcenſion 12 7 30
  • Inſtr. Poldiſt. 54° 3′ 20′,
  • Correction + 2 8
  • wahre Poldiſtanz 54 5 28

(§. 44. (Berichtigung der Drehungsaxe und der beiden Albi - daden des Aequatorials.) Obſchon das Vorhergebende hinreicht, von der Rectification ſowohl, als auch von der Beobachtungsart an dem Aequatorial einen, wie wir erwarten, deutlichen Begriff zu geben und dadurch unſere Leſer in den Stand zu ſetzen, dieſes nützliche und bequeme Inſtrument gehörig anzuwenden, ſo wird es doch nicht überflüſſig ſeyn, die vier erſten der oben unter 1, 2 und 3 erwähnten Berichtigungen noch auf eine andere Weiſe vor - zunehmen, die weniger mechaniſch iſt, als jene, und die zugleich, ge - hörig ausgeführt, eine viel größere Sicherheit gewährt, beſonders wenn man die hier angeführten Beobachtungen auch noch mit um - gewendetem Kreiſe B B' wiederholt und die Libelle zu Hülfe nimmt, die gewöhnlich an dem Fernrohre C D angebracht iſt. Uebrigens wird es, dem Zwecke dieſer Schrift gemäß, hinreichend ſeyn, das hier zu beobachtende Verfahren durch einfache analytiſche Ausdrücke zu geben, ohne auch zugleich die geometriſchen Beobachtungen an - zuführen, welche ihnen zu Grunde liegen.

Ich ſetze dabei voraus, daß der Kreis A A', wie dieß in der That gewöhnlich geſchieht, in Stunden, und der Kreis B B' in Grade eingetheilt ſey. Man beobachte nun einen ſogenannten360Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Circumpolarſtern, d. h. einen ſolchen, der ſo nahe bei dem Pole iſt, daß er nicht mehr auf - und untergeht, und zwar in ſeinen bei - den Culminationen, ſo daß in jeder derſelben der Durchſchnitt des Kreuzfadens den Stern genau deckt. Dieß vorausgeſetzt, nennen wir dann s den Stundenwinkel oder die Zahl des Ver - niers n n' an dem Kreiſe A A' und p die Poldiſtanz oder die Zahl des Verniers m m' an dem Kreiſe B B', wie man dieſe beiden Zahlen nach der Beobachtung der obern Culmination an dem In - ſtrumente abgeleſen hat. Für die untere Culmination bezeichne man dieſelben beiden Größen durch s' und p'. Nennt man nun D s den Fehler des Verniers n n' und D p den Fehler des Ver - niers m m', ſo erhält man dieſe Fehler ſogleich durch die folgen - den zwei einfachen Ausdrücke 〈…〉 und 〈…〉 und dadurch ſind alſo die beiden oben unter Nr. 3 angeführten Fehler beſtimmt.

Nennt man dann x die Anzahl Sekunden, um welche das eine Ende der Rotationsaxe E F in vertikaler Richtung, und y die Anzahl Sekunden, um welche dieſes Ende in horizontaler Richtung verſtellt werden ſoll, um dieſe Rotationsaxe der Welt - axe genau parallel zu machen, ſo hat man 〈…〉 und 〈…〉 . Tang. Poldist. * und dadurch ſind auch die zwei erſten der oben erwähnten Fehler beſtimmt.

Um dieſe einfachen Ausdrücke auf ein Beiſpiel anzuwenden, ſo ſey für einen Circumpolarſtern, deſſen wahre Poldiſtanz 34′ 10″ beträgt, in der oberen Culmination s = 0h 2′ 10″ und p = 33′ 20″, und in der unteren s' = 12h 2′ 30″ und p' = 33′ 36″ gefunden worden. Dieß vorausgeſetzt findet man durch jene Ausdrücke ſogleich die beiden Fehler der Verniere D s' = 10 Zeitſekunden und D p = 42 Raumſekunden. Für die361Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.doppelte Berichtigung der Axe aber erhält man in verticaler Rich - tung + = 8″ und in horizontaler y = 4″.

Mittelſt dieſer vier Werthe würde man alſo jetzt die Lage der Verniere ſowohl, als auch die der Axe verbeſſern und dieſe Fehler gänzlich wegbringen. Da ſie aber bereits ſehr klein ſind und da das Inſtrument durch die Einwirkung der Temperatur und der verſchiedenen Biegungen ſeiner Theile nicht leicht ganz fehlerlos erhalten werden kann, ſo wird es beſſer ſeyn, dieſe Fehler auf die angezeigte Art von Zeit zu Zeit wieder zu beſtimmen und dann bei den Beobachtungen davon Rechnung zu tragen*)Dieß kann am beſten auf folgende Art geſchehen: Sey m der Winkel, deſſen Tangente gleich 〈…〉 iſt und ſey n gleich der Quadratwurzel aus der Größe x2 + y2, ſo erhält man für jede mit dieſem Inſtrumente angeſtellte Beobachtung aus dem an den beiden Kreiſen deſſelben abgeleſenen Stunden - winkel s und Poldiſtanz p dieſe wahren Größen durch fol - gende Ausdrücke: wahrer Stundenwinkel 〈…〉 Cotg p wahre Poldiſtanz * = p + D p + n Cos (m s) So findet man für unſer vorhergehendes Beiſpiel m = 27° 11′ und n = 9 Sekunden, ſo daß man daher hat wahrer Stundenwinkel * = s + 10″ + 0,5 Sin (27° 11′ s) wahre Poldiſtanz * = p + 42, + 9″ Cos (27° 11′ s) Setzt man in den letzten Ausdrücken für die obere Culmina - tion s = 0h 2′ 10″ oder = 32′ 30′ 30″ ſo erhält man für den wahren Stundenwinkel 0h 2′ 30″ und für die wahre Poldiſtanz 34′ 10″. Setzt man aber für die untere Culmi - nation s = 12h 2′ 30″ oder = 180° 37′ 30″, ſo erhält man für den wahren Stundenwinkel 12h 2′ 30″ und für die wahre Poldiſtanz 34′ 10″ wie zuvor und auch übereinſtimmend mit derjenigen wahren Poldiſtanz, von welcher wir oben ausgegan - gen ſind..

Ich wünſchte, durch dieſe Darſtellung der Berichtigung und des Gebrauchs des Aequatorials zur Aufnahme dieſes wichtigen und häufig noch nicht nach ſeinem ganzen Werthe anerkannten Inſtruments beigetragen zu haben.

§. 45. (Hadley’s Sextant.) Alle bisher beſchriebenen Inſtru - mente erfordern zu ihren Beobachtungen, wie man ſieht, einen feſten und unveränderlichen Stand. Allein auf der See kann man362Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dieſen nicht haben und daher war noch eine andere Gattung von Inſtrumenten wünſchenswerth, die keine ſolche feſte Aufſtellung erfor - dern. Das vorzüglichſte von denen, die man zu dieſem Zwecke ausgedacht hat, iſt der Sextant (Fig. 23), der ſeinen Namen von ſeinem Erfinder, John Hadley, hat, obſchon man bereits im Jahre 1742 oder zehn Jahre nach der Bekanntmachung dieſer Er - findung unter Hadley’s hinterlaſſenen Papieren eine Schrift von Newtons Hand gefunden haben ſoll, in welchem der letzte dieſes Inſtrument, als von ihm ſelbſt erfunden, beſchreibt.

Der Sextant iſt beſtimmt, die Winkel zweier Gegenſtände in jeder Richtung deſſelben gegen den Horizont ſelbſt dann zu meſſen, wenn der Beobachter keinen feſten Stand hat, daher es, wie ge - ſagt, beſonders für den Schiffer brauchbar iſt, obſchon es auch für Beobachtungen auf dem feſten Lande als eines der nützlich - ſten Inſtrumente erkannt werden muß.

Es beſteht im Allgemeinen aus einem Kreisſector A q O, um deſſen Mittelpunkt q ſich eine Alhidade q M bewegt, welche bei M einen Vernier und bei q einen Spiegel trägt. Die ſpiegelnde Fläche deſſelben geht durch den Mittelpunkt q des Kreisſectors und iſt mittelſt einer Vorrichtung Q auf ſeiner Rückſeite ſenkrecht auf der Ebene des Sectors befeſtigt. Ein anderer kleinerer Spie - gel iſt bei P ebenfalls ſenkrecht auf die Ebene des Sextanten und ſo befeſtiget, daß er ſehr nahe parallel mit der Linie q O geht, die den Mittelpunkt q des Sextanten mit dem erſten oder dem Anfangspunkte O des eingetheilten Randes A B verbindet. Wenn daher die Alhidade Q M mit ihrem Spiegel q ſo geſtellt wird, daß der Index der Alhidade M durch dieſen Anfangspunkt O der Theilung geht, ſo ſind die Ebenen beider Spiegel zu einander parallel.

Die obere Hälfte des kleinen Spiegels P iſt durchbrochen, ſo daß der Lichtſtrahl von einem entfernten Objecte H durch dieſen offenen Theil des Spiegels unmittelbar in das Auge C oder in das, auf dieſen Spiegel nahe ſenkrecht geſtellte Fernrohr D C kom - men kann. Wird nun die Alhidade Q M mit dem daran befeſtig - ten Spiegel q ſo lange gedreht, bis der Strahl eines zweiten Objectes K in der Richtung K q auf den großen Spiegel kömmt und von demſelben in der Richtung q P auf den untern Theil363Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.des kleinen Spiegels P reflectirt wird, von welchem er endlich in der Richtung P C in das Fernrohr oder in das Auge C des Beob - achters fällt, ſo ſieht dieſes Auge zugleich das Object H durch die unmittelbaren Strahlen deſſelben und das Object K durch die von beiden Spiegeln zweimal reflectirten Strahlen, in dem Felde des Fernrobrs, und man wird dann der Alhidade Q M durch ihre Mikrometerſchraube m (vergl. S. 337) noch eine kleine Bewegung geben können, durch welche man es dahin bringt, daß die Bil - der der beiden Gegenſtände H und K ſich im Felde des Fernrohrs genau decken oder auf einander fallen. Da nun bei jedem Spiegel der einfallende Strahl K q und der zurückgeworfene q P und eben ſo auch q P und P D mit der Ebene des Spiegels Q oder P immer denſelben Winkel bilden und da, wie bereits erwähnt, die Ebene des kleinen Spiegels P mit der Linie q O des Anfangspunktes der Theilung parallel iſt, ſo ſieht man leicht, daß bei einer ſol - chen Stellung der Albidade Q M, für welche die Bilder der bei - den Objecte H und R ſich in dem Fernrohre decken, der Winkel, welchen beide Spiegel mit einander bilden oder, was daſſelbe iſt, daß dann der Winkel O q M der Alhidade mit jener Linie q O des Anfangspunktes der Theilung d. h. alſo, daß der von dem Ver - nier M der Alhidade von jenem Anfangspunkte O an durchlau - fene Bogen gleich iſt der Hälfte des Winkels, welchen die beiden Objecte H und K in dem Auge des Beobachters bilden.

Aus dieſer Urſache theilen auch die Künſtler den Kreisbogen A B ſo ein, daß jeder halbe Grad dieſes Kreiſes durch ſeine bei - geſetzten Zahlen ſchon als ein ganzer betrachtet wird, ſo daß daher der an dem Inſtrumente unmittelbar abgeleſene Bogen auch ſofort gleich dem geſuchten Winkel H C K iſt, welchen die beiden Objecte in dem Auge C des Beobachters bilden.

Dieſe Deckung der beiden Bilder im Fernrohre wird offen - bar auch dann nicht geſtört, wenn man den Sextanten um ſein Fernrohr, gleichſam um die Axe C D dreht oder wenn man auch dieſe Bilder aus dem Mittelpunkte des Feldes an den Rand deſ - ſelben führt. Und eben dieß iſt es, was dieſes Inſtrument zur See ſo brauchbar macht, wo man es während der Beobachtung mittelſt der Handhabe E in freier Hand zu halten pflegt, ſo daß ungeachtet der Schwankungen des Schiffes die beiden Bilder der364Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Gegenſtände doch immer in dem Felde des Fernrohrs erhalten werden können. Bemerken wir noch, daß zur Beobachtung der Sonne eigene gefärbte Blendgläſer bei a und b angebracht ſind, die man aufwärts dreht, um das Geſicht gegen die Sonnenſtrah - len durch dieſe Gläſer zu ſchützen, die alſo auch für minder bellleuch - tende Gegenſtände wieder zurückgeſchlagen werden.

§. 46. (Beobachtungen mit dem Sextanten.) Um die Winkeldiſtanz zweier Gegenſtände z. B. zweier Thürme oder Geſtirne mit dem Sex - tanten zu meſſen, halte man das Inſtrument bei ſeiner Handhabe E mit der rechten Hand ſo, daß der eine H dieſer Gegenſtände, durch den obern Theil des kleinen Spiegels P, unmittelbar in dem Fern - rohre C D erſcheint, ſo daß alſo die Axe dieſes Fernrohrs in die Richtung C D H des einen dieſer Gegenſtände gebracht wird. Dann drehe man die Fläche des ganzen Sextanten um dieſes Rohr, als um ſeine Axe, ſo lange, bis dieſe Fläche auch durch den andern Gegenſtand K geht, und in dieſer Lage des Sextanten (wo alſo der erſte Gegenſtand H immer im Felde des Ferurohrs bleibt) be - wege man die Alhidade Q M ſo lange, bis auch der zweite Ge - genſtand K, ſammt dem erſten, im Fernrohre erſcheint. In die - ſer Stellung der Alhidade befeſtiget man ſie, durch ihre Druck - ſchraube, an die Fläche des Sextanten und bewege ſie dann mittelſt ihrer Mikrometerſchraube m noch etwas, bis die Bilder der beiden Gegenſtände ſich in dem Felde des Rohrs vollkommen decken. Die Zahl des Theilſtriches, bei welchem dann der Ver - nier der Alhidade ſteht, gibt den geſuchten Winkel der beiden Ge - genſtände H und K.

Wenn man aber nicht die Diſtanz zweier Geſtirne, ſon - dern die Höhe eines derſelben finden will, ſo braucht man dazu noch einen Horizont, am beſten eine mit Queckſilber ge - füllte Schaale. Dann richtet man das Fernrohr des Sextanten ſo, daß man damit unmittelbar, durch den oberen Theil des klei - nen Spiegels, das Bild des Geſtirns in dieſem Horizonte zieht, worauf man die Ebene des Sextanten um das Fernrohr, als um eine fixe Axe dreht, bis dieſe Ebene in eine verticale Lage kommt Hat man dieß erreicht, ſo bewegt man, indem man immer das von dem Horizonte reflectirte Bild des Geſtirnes im Fernrohre feſthält, die Alhidade Q M ſo lange auf oder ab, bis auch das365Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.zweite, von dem großen und dem untern Theile des kleinen Spie - gels reflectirte Bild, zugleich mit jenem, in dem Felde des Fern - rohrs erſcheint, worauf man wieder die Alhidade durch ihre Druck - ſchraube feſt ſtellt und durch die Mikrometerſchraube m beide Bil - der zur genauen Bedeckung bringt. Die jetzt von der Alhidade angegebene Zahl der Theilſtriche iſt die doppelte Höhe des beob - achteten Geſtirns.

Um den Queckſilber-Horizont vor dem Luftzuge zu beſchützen, bedeckt man ihn mit einem Dache von zwei Glasplatten, deren Flächen einander genau parallel ſind. Statt des Glaſes wird man ſicherer diejenige Glimmergattung anwenden, die unter dem Na - men Frauenglas oder Miroir d’ane bekannt iſt, da dieſe ſchon von der Natur in vollkommen parallele Blätter geſpalten wird. Künſtliche Horizonte, die aus Spiegeln beſtehen und mit Libellen horizontal geſtellt werden, ſind nie ſo ſicher, wie jene natürlichen. Auf dem Meere endlich bedient man ſich zu dieſem Zwecke des Horizontes der See, d. h. derjenigen Linie, welche die Oberfläche des Meeres von dem Himmel trennt, indem man dieſe Linie mit dem zu beobachtenden Geſtirn im Felde des Fernrohrs zur Bedeckung bringt.

§. 47. (Rectification des Sextanten.) Auch dieſes Inſtru - ment muß, ehe es zu den Beobachtungen verwendet wird, zuerſt in allen ſeinen Theilen berichtiget ſeyn. Die wichtigſte dieſer Be - richtigungen betrifft den ſogenannten Collimationsfehler des Sextanten. Es ſollen nämlich, wie geſagt, beide Spiegel auf der Ebene des Sextanten ſenkrecht ſtehen, und überdieß, wenn die Al - hidade auf Null ſteht, einander parallel ſeyn. Man ſtelle alſo die Alhidade in die Nähe des Nullpunktes der Eintheilung und ſehe durch das Fernrohr auf irgend einen wohl begränzten Ge - genſtand. Mit einer geringen Bewegung der Alhidade wird man dann das unmittelbar durch den oberen Theil des kleinen Spie - gels ſowohl, als auch das mittelbar durch den großen Spiegel reflectirte Bild deſſelben Gegenſtandes in dem Fernrohre er - blicken, worauf man beide, durch die Mikrometerſchraube, zur genauen Deckung bringt. Steht in dieſem Zuſtande die Alhidade nicht auf Null, ſondern z. B. auf 30′ des eingetheilten Randes, auf der Seite von dem Nullpunkte O nach A, ſo muß man von allen366Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.mit dem Inſtrumente beobachteten Winkeln dieſe Größe 30′ ſubtrahiren, um den wahren Winkel zu erhalten. Man wird ihn addiren, wenn die Alhidade auf der andern Seite zwiſchen O und B ſtünde. Kann man aber bei dieſer Unterſuchung die beiden Bilder deſſelben Gegenſtandes nicht zu einer genauen Bedeckung bringen, ſondern gleiten ſie, wenn man die Alhidade bewegt, neben einander hin, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß der kleine Spiegel nicht ſenkrecht auf der Ebene des Sextanten ſteht. In dieſem Falle wird man dann dem kleinen Spiegel durch die unter ihm, auf der binteren Fläche des Sextanten, hervorſtehende Schraube die gebörige Neigung gegen dieſe Fläche geben, damit er darauf ſenk - recht ſteht, d. h. damit die beiden Bilder in der That zur Bedeckung gebracht werden können.

Beſſer iſt es noch, zur Beſtimmung jenes Collimationsfehlers nicht ein terreſtriſches Object, ſondern die Sonne zu nehmen. Bringt man dann die beiden Bilder derſelben an ihrem ſehr ſcharf begränzten Rande an den entgegengeſetzten Seiten dieſes Randes zur Bedeckung, und liest für beide Bedeckungen den Stand der Alhidade ab, ſo iſt die halbe Differenz der beiden Leſungen der Collimations - fehler des Inſtruments, und die halbe Summe derſelben iſt gleich dem Durchmeſſer der Sonne, wodurch man, da dieſer Durchmeſ - ſer aus den aſtronomiſchen Ephemeriden bereits bekannt iſt, zugleich ein Prüfungsmittel hat, ob die beiden Beobachtungen in der That gut und verläßlich ſind.

§. 48. (Vernier.) Dieß ſind die vorzüglichſten Inſtrumente der neueren beobachtenden Aſtronomie, deren nähere Kenntniß den Leſern, wie wir glauben, intereſſant und nützlich zugleich ſeyn wird, wenn ſie ſich einen richtigen Begriff von den aſtronomiſchen Beobachtungen machen wollen. Wir haben bei der Beſchreibung derſelben des Verniers öfter erwähnt, daher wir auch dieſen hier näher angeben müſſen.

Wenn dasjenige Ende der Alhidade, welches an dem getheil - ten Rande des Inſtruments auf und ab bewegt wird, bloß eine einzige gerade Linie, die wir oben (S. 318) den Index nannten, enthielte, ſo würde man mit einem ſolchen Inſtrumente keine kleineren Winkel meſſen können als unmittelbar durch die Theil - ſtriche auf dem Rande deſſelben angegeben ſind. Wenn man da -367Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.her z. B. auf einem Kreiſe noch die einzelnen Sekunden leſen wollte, ſo müßte man auf ſeiner Peripherie nicht weniger als 1,296,000 Theilſtriche anbringen, die alle von einander gleichweit abſtehen. Dadurch würden aber, der Schwierigkeit der Ausfüh - rung für den Künſtler nicht zu gedenken, ſelbſt bei einem Kreiſe von beträchtlichem Halbmeſſer dieſe Theilſtriche ſo nahe an ein - ander ſtehen, daß es ſchwer ſeyn würde, ſie deutlich von einander zu unterſcheiden. Dieſem Umſtande abzuhelfen, hat Peter Ver - nier, ein franzöſiſcher Geometer, i. J. 1631 eine eben ſo einfache als ſinnreiche Vorrichtung ausgedacht, die jetzt ihrer Vorzüglich - keit wegen allgemein angenommen iſt. Man hat ſonſt wohl auch den Portugieſen Nonius, der mehrere Jahrhunderte vor Ver - nier lebte, für den Erfinder dieſer Einrichtung gehalten, daher dieſelbe auch zuweilen den Namen des letzteren erhält, aber mit Unrecht, da das von Nonius zu dieſem Zwecke vorgeſchlagene Mittel von dem des Vernier ganz verſchieden iſt und auch an Anwendbarkeit weit hinter ihm zurückſteht.

Sey a b (Fig. 24) ein Theil des eingetheilten Kreisbogens irgend eines Inſtruments. Daſſelbe ſey z. B. durch die in der Zeichnung bemerkten Striche in mehrere gleiche Theile getheilt, deren jeder 10 Minuten halten ſoll, ſo daß alſo das Intervall 0,1 oder 1,2 oder 2,3 u. f. zehn Minuten beträgt. Neben oder hier unter ihm ſey der concentriſche Kreisbogen des Verniers an - gebracht, ſo daß, wenn die den Vernier tragende Alhidade um ihren Mittelpunkt bewegt wird, der Bogen des Verniers an dem feſten Bogen des Kreiſes ſich auf und ab bewegt. Allein dieſer Bogen des Verniers ſey nur ſo groß, als 9 Intervalle des oberen Kreisbogens ſind, er betrage alſo 9mal 10 oder nur 90 Minuten und ſey dem un - geachtet doch wieder, wie jener, in 10 gleiche Theile getheilt. Daraus folgt alſo, daß 10 Intervalle des Verniers gleich 9 Intervallen des Krei - ſes, daß alſo auch jedes einzelne Intervall des Verniers nur 9 / 10 eines Intervalls des Kreiſes, d. h. daß jedes Intervall des Verniers, auf dem Kreiſe genommen, genau gleich neun Minuten iſt. Legt man daher den Vernier an den Kreis ſo an, daß die beiden erſten Theilſtriche 0,0 mit einander übereinſtimmen oder nur eine einzige368Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.gerade Linie bilden, ſo werden auch die beiden letzten Theilſtriche 9,10 mit einander übereinſtimmen, die zweiten 1,1 aber werden um 1 Minute, die 2,2 um 2 Minuten, die 3,3 um 3 Minuten u. ſ. w. von einander abſtehen, und man wird daher auf dieſem Kreiſe, obſchon er nur von 10 zu 10 Minuten getheilt iſt, doch noch, mit Hülfe dieſes Verniers, auch noch die einzelne Mi - nute ſicher und eben ſo gut ableſen können, als ob der Kreis ſelbſt in dieſe einzelnen Minuten getheilt wäre.

Geſetzt alſo, Kreis und Vernier ſtehen, wie in A ſo, daß der Theilſtrich 0 des Kreiſes zu dem Punkte 10° 0′ 0″ der Peripherie deſſelben gehöre, ſo wird man bei der Ableſung dieſes Kreiſes ſagen, daß der an dem Inſtrumente beobachtete Winkel 10° 0′ 0″ betrage. Steht aber der Vernier ſo, wie in B, ſo wird der beob - achtete Winkel gleich 10° 1′ 0″ und eben ſo wird er, bei dem Stande C gleich 10° 2′ 0″ ſeyn und ſo fort durch alle Theilſtriche des Verniers.

Man ſieht, daß ſich dieſelbe Vorrichtung ohne alle Abänderung auch bei einem geradlinigen Maaßſtabe anbringen läßt. Sey a b ein Theil z. B. ein Fuß dieſes Maaßſtabes, der bei 1, 2, 3 in zehn gleiche Theile oder in zehn Zolle getheilt iſt. Mit einem ſolchen Maaßſtabe wird man alſo unmittelbar nur ganze Zolle in der That meſſen können, während man die halben, viertel Zolle u. ſ. bloß nach dem Augenmaße ſchätzen muß. Wenn man aber zu dieſem Maaßſtabe noch einen Vernier hat, der genau 9 ſolcher Zolle lang und ebenfalls wieder in 10 gleiche Theile ge - theilt iſt, ſo wird man mittelſt jenes Stabes auch noch die Zehn - theile der Zolle oder die ſogenannten Linien unmittelbar abmeſ - ſen können. Denn geſetzt, man wollte den kleinen Abſtand der Linie m von b in Theilen eines Zolles haben. Legt man den Vernier ſo wie in A, daß die Theilſtriche 9 des Stabes und 10 des Verniers coincidiren, ſo läßt ſich, in dieſer Lage des Ver - niers, die Diſtanz b m offenbar nicht angeben. Rückt man alſo den Vernier an dem ruhenden Maaßſtab weiter rechts, ſo daß, wie in B, die beiden Theilſtriche 1 und 1 übereinſtimmen, ſo läßt ſich auch hier noch nichts über dieſe Diſtanz b m entſcheiden. Rückt man aber den Vernier noch etwas weiter rechts, bis der letzte Theilſtrich 10 des Verniers mit dem Striche m des Maaßſtabes369Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.genau übereinſtimmt und findet man, daß in dieſer Stellung C des Verniers die Theilſtriche 2 und 2 genau coincidiren oder in eine einzige gerade Linie fallen, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß die Linie m des Maaßſtabes von dem vorletzten Theilſtriche 9 deſſel - ben um 2 Zehntheile abſteht, und daß daher die geſuchte Diſtanz b m gleich 8 / 10 Zolle oder gleich 8 Linien iſt.

Iſt zwiſchen den einzelnen Theilſtrichen des Verniers, wie in der Zeichnung der Fig. 24, noch Raum genug, um auch jedes Intervall 01, 12, 23 deſſelben ebenfalls wieder in zehn gleiche Theile unterzutheilen, ſo wird man, mit einem ſolchen Verniere, auf jenem Maaßſtabe nicht bloß wie zuvor die zehnten, ſondern auch die hundertſten Theile eines Zolles oder die ſogenannten Punkte unmittelbar meſſen können. Rücken aber dadurch die Theilſtriche ſchon ſo nahe an einander, daß man ſie mit freien Augen nicht mehr gut unterſcheiden kann, ſo wird man eine Loupe (Mikroſcop) zu Hülfe nehmen, das man an dem Verniere ſo befeſtigen kann, um es nach der ganzen Länge des Verniers zu verſchieben und dadurch jeden einzelnen Theil des Verniers in den Mittelpunkt des Loupenfeldes zu bringen.

Auf dieſe Weiſe hat man es dahin gebracht, unſere Kreiſe von drei Fuß im Durchmeſſer, und ſelbſt kleinere noch, bis zur unmittelbaren Leſung von zwei Sekunden mit einer Genauigkeit zu theilen, von welcher unſere Vorgänger noch keine Idee hatten, deren nähere Auseinanderſetzung aber uns hier zu weit führen würde.

§. 49. (Schraubenmikrometer.) Noch iſt eine eigene Vor - richtung bei denbisher angeführten Inſtrumenten übrig, die der Leſer kennen lernen ſoll, um von den Beobachtungen der Aſtrono - men ſelbſt einen deutlicheren Begriff zu erhalten.

Es wurde bereits früher (§. 15) geſagt, daß ſich in dem Brennpunkte jedes Fernrohrs, wenn daſſelbe auf einen Gegenſtand gerichtet wird, ein kleines, ſehr deutliches Miniaturbildchen dieſes Gegenſtandes entwerfe, und daß man daher in der durch dieſen Punkt auf die Axe des Fernrohrs ſenkrechten Ebene mehrere - den auszuſpannen pflegt, durch welche das Geſichtsfeld des Fern -Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 24370Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.rohrs gleichſam in verſchiedene Parthien eingetheilt wird. Dieſe Fäden dienen zur genauen Beſtimmung der Lage der Geſtirne, die man in dem Augenblicke beobachtet, wo ſie von dieſen Fäden bedeckt werden.

Bisher haben wir nur die einfachſte Gattung dieſes Faden - netztes kennen gelernt, nämlich drei oder mehrere ſenkrechte, unter ſich parallele Fäden, die von einem horizontalen geſchnitten wer - den, wo man dann z. B. bei dem Mittagsrohre an den vertica - len Fäden die Rectaſcenſion und bei dem Meridiankreiſe an dem horizontalen Faden die Höhe oder die Declination der Geſtirne zu beobachten pflegt.

Eben ſo haben wir ſchon oben geſagt, daß das Hauptgeſchäft des praktiſchen Aſtronomen eigentlich die genaue Beſtimmung der größtmöglichen Anzahl von Fixſternen in allen Gegenden des Himmels iſt. Zwar müſſen wir, bei dem bisherigen Zuſtande der Wiſſenſchaft, darauf Verzicht leiſten, dieſe Fixſterne ſelbſt, ihre Größe, Entfernung und dergl. kennen zu lernen, und uns begnü - gen, bloß den ſcheinbaren Ort, welchen ſie am Himmel einnehmen, oder ihre Rectaſcenſion und Declination, durch unſere Beobach - tungen zu beſtimmen. Allein auch dieſe bloße Ortskenntniß iſt für die geſammte praktiſche Aſtronomie von dem größten und we - ſentlichſten Nutzen; denn dieſe Orte dienen uns dann als fixe und wohlbekannte Punkte des Himmels, an welche wir alle un - ſere übrigen Beobachtungen der Planeten und Kometen und der Sonne ſelbſt gleichſam anreihen, und dadurch auch den ſcheinbaren Ort dieſer letzten Himmelskörper beſtimmen; um dieſe letzte aber iſt es uns bisher allein zu thun, da ſie es ſind, die zu dem eigent - lichen Haushalte des Sonnenſyſtems gehören, auf deſſen nähere Kenntniß wir, wie jetzt die Sachen ſtehen und wahrſcheinlich noch lange ſtehen werden, alle unſere aſtronomiſchen Unterſuchungen beſchränken müſſen.

Nehmen wir nun an, wir hätten unſerem oben erwähnten Fadennetze eine ſolche Einrichtung gegeben, daß man damit nicht bloß, wie bisher, die Appulſe der Sterne an dieſe Fäden beobach - ten, ſondern daß man damit auch wenigſtens ſolche Intervalle am Himmel meſſen könnte, die das Geſichtsfeld des Fernrohrs alſo z. B. 5 bis 10 Minuten nicht überſteigen. Ein ſolches Netz371Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.würde uns, wie man ſogleich ſieht, bei der Beobachtung jener Planeten und Kometen von dem größten Nutzen ſeyn; denn nun dürfte man ein mit einem ſolchen Fadennetze verſehenes Fern - rohr nur eben ſo aufſtellen, daß man dadurch einen bekann - ten Fixſtern ſehen kann, von dem man weiß, daß er von dem Planeten, den man eigentlich beobachten will, nicht weiter ent - fernt iſt, um auch dieſen noch, einige Zeit vor oder nach dem Stern, in dem Felde des unverrückten Fernrohrs ſehen zu können. Dann wird man, mittelſt jener Fäden, bloß die Diſtanz jener bei - den Geſtirne von einander meſſen, um ſofort, da der Ort des Fixſterns am Himmel ſchon bekannt iſt, auch den geſuchten Ort des Planeten zu erhalten.

Eine ſolche Vorrichtung, deren man mehrere ausgedacht hat, iſt unter der Benennung des Mikrometers bekannt, da ſie, wie man ſieht, zur Meſſung von bloß kleinen Diſtanzen (μικϱος klein, μετϱω meſſen) beſtimmt iſt.

Auf einer in dem Brennpunkte des Fernrohrs ſenkrecht auf die Axe deſſelben befeſtigten und in ihrer Mitte kreisförmig durch - bohrten Meſſingplatte, H K (Fig. 25 und 26) iſt ein horizonta - ler Faden F G und ein verticaler D E befeſtigt. Auf dieſer Platte ſind zwei feine Schieber m m' und n n', zwiſchen welchen und der Platte ſich eine zweite, ebenfalls durchbohrte Platte, pa - rallel mit jener erſten, mittelſt einer feinen Schraube A b c auf und ab bewegen läßt. Dieſe zweite Platte iſt ebenfalls mit einem horizontalen Faden f g verſehen, der ſich, wenn die zweite Platte durch ihre Schraube bewegt wird, parallel mit dem erſten F G auf und ab bewegt. Dieſe Schraube trägt bei ihrer Hand - habe A einen Index b, der, während der Umdrehung der Schraube, auf einer eingetheilten Scheibe B herumgeht und dadurch auch z. B. den hundertſten Theil einer Umdrehung dieſer Schraube anzeigt.

Wenn dieſe Schraube, wie hier vorausgeſetzt wird, ſehr feine und durchaus gleiche Windungen hat, ſo wird man dadurch die ſenkrechten Diſtanzen zweier Geſtirne ſehr genau beſtimmen kön - nen, wenn einmal der Werth einer ganzen Umdrehung der Schraube bekannt iſt. Zu dieſem Zwecke ſtellt man zuerſt beide Fäden f g und F G genau auf einander, ſo daß ſie nur einen einzigen zu24 *372Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.bilden ſcheinen, und bemerkt, für dieſen Stand des beweglichen Fadens, den Ort des Zeigers b auf der eingetheilten Scheibe B. Dann ſchraubt man den beweglichen Faden f g ſo weit über oder unter den feſten F G, bis beide Fäden irgend ein bekanntes Ge - ſtirn, z. B. die Sonne d an ihrem oberen und unteren Rande ge - nau berühren und bemerkt nun wieder den Stand des Zeigers auf ſeiner Scheibe. Geſetzt der Durchmeſſer der Sonne betrage volle 32 Minuten, und die Schraube machte 40¼ Umgänge, um dieſen Durchmeſſer zwiſchen den beiden Fäden des Mikrometers zu faſ - ſen, ſo folgt daraus, wie man leicht ſieht, daß ein ganzer Um - gang der Schraube 47,7 Sekunden, und daher jeder hundertſte Theil derſelben 0,477 Sekunden betrage. Dieß vorausgeſetzt habe man ein mit einem ſolchen Schraubenmikrometer verſehe - nes Fernrohr im Meridian ſo aufgeſtellt, daß der Faden F G ho - rizontal und D E vertical ſteht. In dieſer Stellung läßt man einen bekannten Fixſtern durch das Feld des Fernrohrs gehen und ſchraubt den beweglichen Faden f g auf ihn, ſo daß der Stern, wäh - rend er durch das Feld geht, die ganze Länge dieſes Fadens zurücklege. Zugleich beobachtet man auch ſeinen Durchgang durch den feſten ver - ticalen Faden D E. Daſſelbe thut man nun auch mit dem bald darauf folgenden Planeten und bemerkt zugleich, wie viel Umdrehungen man die Schraube gedreht hat, um den beweglichen Faden von ſeiner letzten Stelle, wo er den Stern traf, auf diejenige zu bringen, wo der Mittelpunkt des Planeten durch ihn ging. Dieſe Anzahl der Umdrehungen durch 47,7 multiplicirt, gibt ſofort die Differenz der Declinationen beider Geſtirne, und die Zwiſchenzeit, die von dem Appulſe des Fixſterns durch den Verticalfaden D E bis zu dem des Planeten verfloſſen iſt, gibt die Differenz der Rectaſcenſionen bei - der Geſtirne. Da man nun die Rectaſcenſion und Declination des Fixſterns bereits kennt, ſo erhält man dadurch auch ſofort die Rectaſcenſion und Declination des Planeten.

Man ſieht, daß man zu ſolchen Beobachtungen, ſo wichtig ſie auch ſind, keines eigenen großen koſtbaren Inſtruments, ſon - dern bloß eines guten Fernrohrs bedarf, von deſſen feſter Aufſtel - lung während der Dauer beider Beobachtungen man verſichert iſt. Wenn man aber mit einem ſolchen Fernrohre auch außer dem Meridian beobachten will, wodurch die Anwendbarkeit deſſelben373Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.offenbar ſehr erhöht wird, ſo wird es vortheilhaft ſeyn, ein ſo eingerichtetes Fernrohr mit einer, wenn gleich nicht mit der größ - ten Genauigkeit gebauten parallaktiſchen Maſchine (S. 349) zu verbinden und dann den früher horizontalen Faden F G jetzt dem Aequator parallel zu ſtellen, was leicht erhalten wird, wenn man vor den Beobachtungen einen Stern in das Feld eintreten läßt und die Platte H K mittelſt einer eigenen Schraube ſo dreht, daß der Stern durch die ganze Länge des Feldes den Faden F G nicht verläßt. Dieß iſt ein Grund mehr für die bereits oben (S. 353) als ſehr vortheilhaft angegebene Aufſtellung aller größeren Fern - röhre auf einem parallaktiſchen Stative.

§. 50. (Rautenmikrometer.) Auch ohne Hülfe einer Schraube kann man, durch eine bloße zweckmäßige Stellung der Fäden ge - gen einander, die Differenz der Orte zweier einander naher Ge - ſtirne beſtimmen. Eine der einfachſten und zweckmäßigſten dieſer Vorrichtungen iſt die folgende, die von dem großen Aſtronomen Bradley vorgeſchlagen wurde. Man denke ſich um das kreisför - mige Feld des Fernrohrs ein Quadrat A B C D (Fig. 27) beſchrie - ben, deſſen Seiten jenen Kreis in vier einander gegenüber ſtehen - den Punkten berühren. Von dem oberen Berührungspunkte M ziehe man zwei gerade Linien oder hier zwei geſpannte Fäden M C und M D nach den unteren Spitzen des Quadrats, und eben ſo von dem unteren Berührungspunkte N zwei andere nach A und B. Spannt man überdieß noch einen fünften Faden P Q, der durch den Mittelpunkt des Kreiſes parallel mit der Seite A B oder C D des Quadrats geht, ſo wird man, wie zuvor, durch eine geringe Drehung des Quadrats um ſeinen Mittelpunkt dieſes Netz leicht ſo ſtellen, daß der letzte Faden P Q dem Wege der Sterne, d. h. dem Aequator parallel iſt.

Mit einem ſo eingerichteten und ſo geſtellten Fadennetze wird man dann die Differenz der Rectaſcenſionen und Declinationen der Geſtirne leicht beſtimmen, wenn man bemerkt, daß, wie aus der erwähnten Conſtruction dieſes Netzes hervorgeht, jede der P Q parallele Linie a c gleich ſeyn muß der Entfernung b M dieſer Li - nie von dem ihr nächſten Scheitel M oder N der Raute, welche jene vier erſten Fäden unter ſich bilden. Hätte man alſo z. B. den Durchgang eines Fixſterns, deſſen Declination 30 Grade be -374Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.trägt, durch den Punkt a um 4h 17′ und durch den Punkt c um 4h 21′ beobachtet, ſo iſt die Differenz dieſer Zeiten 4 Minuten. Multiplicirt man dieſe Differenz, um ſie in Bogen zu erhalten, durch 15 und überdieß durch den Coſinus der Declination, der hier gleich 0,866 iſt, ſo erhält man 51,96 Bogenminuten, und eben ſo groß iſt alſo auch der Abſtand M b des Weges a c dieſes Sterns von dem Punkte M. Die Zeit aber, wo dieſer Stern in der Mitte zwiſchen ſeinen Fäden in a und c, d. h. wo er in dem Punkte b war, iſt offenbar gleich der Mitte jener zwei Beobachtungszeiten oder gleich 4h 19′. Hätte man nun eben ſo bald darauf einen Planeten auf dieſelbe Weiſe beobachtet und für ihn den Abſtand M b gleich 32,54 Bogenminuten und die Zeit der Mitte beider Beobachtun - gleich 4h 22′ gefunden, ſo würde die Differenz der Rectaſcenſionen beider Geſtirne 3 Zeitminuten d. h. 45 Bogenminuten, und die Differenz ihrer Declinationen gleich 19,42 Bogenminnten ſeyn, woraus ſich alſo wieder der Ort des Planeten am Himmel leicht finden läßt, wenn jener des Fixſterns bereits bekannt iſt.

Bei einer genaueren Betrachtung dieſes Netzes wird man leicht finden, daß man auch die Theile der vier erſten Fäden, die außer der Raute liegen, zu demſelben Zwecke benützen, und z. B. die Appulſe der Sterne auch in den Punkten a' und b' beobach - ten kann, anderer Vortheile, welche dieſes Rautennetz bietet, hier nicht zu erwähnen.

§. 51. (Kreismikrometer.) Am einfachſten aber iſt es, zu derſelben Abſicht bloß einen einfachen Kreis in dem Brennpunkte des Fernrohrs aufzuſtellen und den Eintritt in E und C (Fig. 28), ſowie den Austritt der Sterne in E 'und C' aus der Peripherie dieſes Kreiſes zu beobachten. Nimmt man nämlich die Mitte der Ein - und Austrittszeit eines jeden der beiden Geſtirne, ſo erhält man dadurch diejenigen Augenblicke, wo dieſe Geſtirne in der Mitte ihrer Sehnen E E 'und C C' oder wo ſie in den Punkten D und F waren, in welchen ein auf dieſe Sehnen ſenkrechter Halbmeſſer C M dieſe Sehnen halbirt, und dann wird die Diffe - renz dieſer beiden Augenblicke offenbar auch zugleich die geſuchte Differenz der Rectaſcenſionen der beiden Geſtirne ſeyn.

Um nun auch, aus denſelben Ein - und Austritten der Sterne die Differenz ihrer Declination zu erhalten, wird man jede der375Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.halben Sehnen C D und E F oder die halben Zwiſchenzeiten der Beobachtungen durch 15mal den Coſinus der Declination der beiden Geſtirne multipliciren, wodurch man dieſe halben Sehnen C D, E F, in Bogen ausgedrückt erhält. Kennt man nun bereits den Halbmeſſer des Kreiſes, ſo ſind in den rechtwinkligen Drei - ecken C D O und E F O bereits zwei Seiten gegeben, woraus man dann, auf die bekannte Art, auch die dritten Seiten O F und O D finden wird, deren Differenz D F gleich der geſuchten Differenz der Declination der beiden Geſtirne iſt.

Den Halbmeſſer dieſes Kreiſes wird man auf mehr als eine Art leicht beſtimmen können, am ſicherſten aber durch zwei Fix - ſterne, deren Declinations-Differenz B nahe gleich dem Durchmeſ - ſer dieſes Kreiſes iſt, ſo daß alſo jeder derſelben, der eine oben und der andere unten, eine ſehr kleine Sehne im Felde des Kreis - mikrometers beſchreibt. Nennt man dann A die Summe der Quadrate der halben Sehnen oder der halben beobachteten Zwi - ſchenzeiten in Zeitſekunden ausgedrückt, und durch die vorige Größe B dividirt, und nennt man endlich C das Quadrat von 15mal dem Coſinus der Declination der Mitte zwiſchen beiden Sternen, ſo iſt der geſuchte Durchmeſſer des Kreiſes gleich B + A C.

Zu dieſem Zwecke kann man ſchon die dem Auge nächſte innere Blendung (Diaphragma) benützen, die in jedem Fernrohre ent - halten iſt, wenn man ſie zuvor auf einer Drehbank genau kreis - förmig ausdrehen läßt. Bequemer zur Beobachtung wird ein fei - ner metallener Ring ſeyn, der in der Ebene jener Blendung durch zwei oder drei Stifte befeſtigt wird, und, wenn er etwas kleiner als die Oeffnung dieſer Blendung iſt, den Vortheil gewährt, daß man die kommenden Sterne vor ihrer Beobachtung ſehen und den Eintritt ſowohl, als auch den Austritt derſelben an den beiden Rändern des Rings beobachten kann. Die vorhergehende Beſtim - mung des Halbmeſſers wird zugleich ein gutes Mittel geben, zu prüfen, ob der Ring an ſeinen beiden Seiten in der That voll - kommen kreisförmig, alſo zu dieſer Art von Beobachtungen ge - eignet iſt. Zu dieſem Zwecke darf man nur dieſen Ring, nach jeder Beobachtung eines Sternenpaars, etwas weniges in ſeiner Ebene drehen und die beiden Sterne an anderen Punkten der Pe -376Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ripherie durchgehen laſſen, um zu ſehen, ob man für den Halb - meſſer des Rings wieder denſelben Werth erhält. Was dieſen einfachen Mikrometer vor allen andern beſonders empfiehlt, iſt erſtens der Umſtand, daß unſere Künſtler einen rollkommenen Kreis viel leichter, als eine gerade Linie von gegebener Neigung, darzuſtellen vermögen, und daß zweitens die Beobachtungen an einem ſolchen Kreiſe auch in dem verfinſterten Fernrohre angeſtellt wer - den können, während alle anderen Mikrometer eine Beleuchtung des Innern des Fernrohrs erfordern, um die Fäden des Mikro - meters ſichtbar zu machen, was oft beſchwerlich und zuweilen ſelbſt ſchädlich iſt, da man dann ſehr kleine oder lichtſchwache Ge - ſtirne, wie z. B. die neuen Planeten oder ſehr matte Kometen, in dem beleuchteten Felde des Fernrohrs, nicht mehr gut ſehen kann.

§. 52. (Längenbeſtimmungen durch Chronometer.) Wenn man die bisher dargeſtellten vorzüglichſten Inſtrumente der neueren Aſtronomie näher betrachtet, ſo ſieht man leicht, wie ſich damit alle Beobachtungen, deren die Wiſſenſchaft in ihrem gegenwärti - gen Zuſtande bedarf, anſtellen laſſen. Dieſe Beobachtungen beziehen ſich ſämmtlich auf die Durchgänge der Geſtirne durch den Meridian (zur Beſtimmung der Zeit, oder, wenn dieſe bereits bekannt iſt, der Rectaſcenſion durch das Mittagsrohr), oder auf die Be - ſtimmung der Höhen (im Meridian zur Kenntniß der Declinatio - nen durch den Meridiankreis oder den Mauerquadranten, oder außer dem Meridian zur Zeitbeſtimmung durch den Multiplica - tionskreis) oder endlich auf die Beſtimmung der Differenzen der Rectaſcenſion und Declination (durch Aequatoriale oder auch durch einfache, aber mit Mikrometern verſehene Fernröhre). Man hat überdieß im Verlaufe dieſes Werkes geſehen, wie man, bloß mit Hülfe dieſer beobachteten Höhen der Geſtirne die Polhöhe oder die geographiſche Breite (I. S. 105), die Schiefe der Ecliptik (I. S. 108) u. ſ. w. finden, und wie man aus dieſen und ähn - lichen Beſtimmungen die ſämmtlichen Elemente der Planetenbah - nen durch Rechnung ableiten kann, z. B. die Lage der Nachtglei - chen (I. S. 117) die Umlaufszeiten der Planeten, ihre Knotenli - nien, Neigungen (I. S. 220 223), ihre Entfernungen (I. S. 141) u. ſ. w.

Noch iſt uns übrig zu ſagen, wie man mittelſt derſelben377Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Inſtrumente auch die geographiſche Länge (I. S. 33) ſeines Beobachtungsortes beſtimmen kann, dieſes wichtige Element, ohne welches wir nicht wüßten, welchen Punkt der Oberfläche der Erde, oder wenigſtens, welchen Punkt unſeres irdiſchen Parallelkreiſes wir bewohnen, und deſſen Unkenntniß beſonders den Schiffer auf der hohen See in die größten Gefahren bringen könnte.

Dem Seemanne, der auf ſeiner Fahrt in entlegene Gegenden oft nichts als Himmel und Waſſer vor ſich ſieht, muß es näm - lich von der äußerſten Wichtigkeit ſeyn, jeden Tag, ja jede Stunde genau zu wiſſen, auf welchem Punkte der Oberfläche der Erde er ſich befindet, ſowohl um von dieſem Punkte aus die rechte Richtung nach dem beſtimmten Lande einzuſchlagen, als auch um ſich vor Klippen und Untiefen, die vielleicht in ſeiner Nähe ſind, zu be - wahren. Dieſe für ſein Schiff gefährlichen Stellen ſind nämlich größtentheils von frühern Seefahrern bereits bemerkt und in ihre Karten aufgenommen worden. Man kennt daher die geographi - ſche Länge und Breite derſelben, und es iſt nun Sache ihrer Nachfolger, zu wiſſen, ob ſie in der Nähe ſolcher Stellen ſind, d. h. zu wiſſen, welches in jedem Augenblicke ihre eigene Länge und Breite iſt.

Was nun die Breite oder die Polhöhe betrifft, ſo iſt bereits oben (I. S. 150 u. f.) umſtändlich gezeigt worden, wie man ſie durch Beobachtungen der Höhe der Geſtirne finden kann, daher wir uns hier nicht weiter dabei aufhalten. Nicht ſo verhält es ſich mit der geographiſchen Länge, die daher hier noch einige Er - läuterungen erfordert.

Bemerken wir zuerſt, daß man die geographiſche Länge eines Ortes in Beziehung auf einen andern bereits bekannten Ort, z. B. auf Paris, kennen wird, wenn man weiß, wie viel es in demſelben Augenblicke an dieſen beiden Orten Uhr ſey. Geſetzt ein Schif - fer habe nach einem heftigen Sturm, der ihn in ganz unbekannte Gegenden verſchlagen, in der erſten heitern Stunde, nachdem ſich der Himmel wieder aufgeklärt hat, ſeine Breite 10′ nördlich gefunden und damit zugleich, durch irgend eine beobachtete Höhe der Sonne oder irgend eines andern Geſtirns außer dem Meri - dian gefunden, daß ſeine Uhr, die im Augenblicke dieſer Beobach - tung 8h 26′ 50″ zeigte, um volle 8h 3′ 30″ gegen mittlere Sonnen -378Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.zeit ſeines gegenwärtigen Aufenthaltsortes zu wenig zeigt, daß es alſo in dieſem Augenblicke auf ſeinem Schiffe genau 16h 30′ 20″ mittlere Zeit oder 4h 30′ 20″ Morgens iſt. Man hat be - reits oben geſehen, auf welche Weiſe er dieſe ſeine Breite ſowohl, als auch ſeine wahre Ortszeit durch eine einfache Beobachtung finden kann. Wenn er nun auch zugleich wüßte, daß es, in demſelben Augenblicke, in Paris genau 8h 22′ 30″ Abends mitt - lere Pariſer Zeit ſey, ſo würde er auch ſofort wiſſen, daß er 16h 30′ 20″ weniger 8h 32′ 30″, das heißt, daß er 8h 7′ 50″ öſtlich, oder daß er 121° 57′ 30″ öſtlich von Paris entfernt ſey, daß alſo ſeine nördliche Breite 10′ und ſeine öſtliche Länge 121° 57′ 30″ betrage, und der erſte Blick auf ſeine Karte würde ihm zei - gen, daß ſein Schiff in der Nähe der weſtlichſten Spitze der In - ſel Maghindano, die in der Mitte zwiſchen der Inſel Lucon und Borneo liegt, ſich befinde, und daß er daher ſeinen Lauf nördlich nehmen müſſe, wenn er nach der Stadt Manilla beſtimmt iſt. Allein wie ſoll er erfahren, wie viel Uhr man in eben dieſem Au - genblicke in Paris zählt?

Das einfachſte Mittel zu dieſem Zwecke iſt ohne Zweifel ein Chronometer, das heißt eine Uhr mit Federn (denn eine Pen - deluhr läßt ſich auf dem immer wankenden Schiffe nicht brauchen), auf deren guten Gang er ſich vollkommen verlaſſen kann. Ehe der Schiffer Paris verließ, verglich er ſeinen Chronometer täglich mit der Uhr der Sternwarte, und fand, daß er in jedem Tage regelmäßig um 2 Sek. gegen die mittlere Zeit vorausgehe. Als er Paris verließ, um ſeine Reiſe anzutreten, fand er, daß ſein Chronometer um 0h 3′ 0″ gegen die mittlere Pariſer Zeit vor - aus ſey. Seitdem bis zu dem gegenwärtigen Tage ſind volle 40 Tage verfloſſen, in welchen alſo die Uhr, wenn ſie ihren vorigen Gang unverändert beibehielt, 2mal 40 Sekunden oder 1 Minute 20 Sekunden weiter vorausgegangen ſeyn muß, ſo daß ſie alſo heute um 0h 4 Minuten 20 Sekunden gegen mittlere Zeit Paris zu viel gebe. Nun war aber die Uhrzeit der Beobachtung 8h 26′ 50″, alſo iſt auch die mittlere Pariſer Zeit dieſer Beobachtung um 4′ 20″ kleiner oder gleich 8h 22′ 30″, wie zuvor.

Es wird zur beſſeren Ueberſicht dieſes intereſſanten Verfah - rens nicht überflüſſig ſeyn, daſſelbe noch auf ein zweites Beiſpiel379Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.anzuwenden, welches unmittelbar aus dem Reiſejournal eines fran - zöſiſchen Seefahrers im Jahr 1793 genommen iſt. Der Schiffer kam in der Mitte des März deſſelben Jahrs in dem Hafen von Tongatabu, einer der Freundſchaftsinſeln, an. Dieſer Ort war ſchon früher durch engliſche Seefahrer genau beſtimmt worden. Seine ſüdliche Breite iſt 21° 7′ 35″ und ſeine öſtliche Länge von Paris 12h 9′ 47,4. Unſer Schiffer wollte von da über die hebri - diſchen und caledoniſchen Inſeln nach der Oſtküſte von Neuholland fahren. Um ſeiner Länge zwiſchen den vielen Inſeln, durch welche ſein Lauf gehen ſollte, gewiß zu ſeyn, beſchloß er, hier einige Tage zu verweilen, um den Stand und Gang ſeines Chronome - ters zu prüfen. Zu dieſem Zwecke nahm er am 29. März in den Morgenſtunden eine Sonnenhöhe auf Tongatabu, als ſein Chro - nometer 7h 34′ 28,8 zeigte. Die Berechnung dieſer Höhe (III. S. 239) zeigte ihm, daß ſeine Beobachtung um 7h 33′ 55,1 mittlere Zeit von Tongatabu gemacht worden war, und daß alſo ſein Chronometer in dieſem Augenblick um 33,7 Sekunden vor ſeiner mittleren Ortszeit vorausgieng.

Eine ähnliche Beobachtung ſtellte er auch am 7. April um 7h 57′ 3,2 Uhrzeit an und fand, daß dieſer Uhrzeit die mittlere Zeit 7h 55′ 42,3 entſpreche, ſo daß alſo jetzt, neun Tage nach jener erſten Beobachtung, die Uhr um 1′ 20,9 gegen die mittlere Zeit vorausgeht, und daß zugleich ihre tägliche Voreilung gen mittlere Zeit den neunten Theil von 1′ 20,9 weniger 33,7, das heißt 5,24 beträgt.

Am 8. April ſegelte er von dieſem Hafen gen Weſt ab. Am 12. überfiel ihn ein Sturm, der bis zum 14. währte und ihn, wie er beſorgte, von dem rechten Weg abgebracht hatte. Als am 15. April Nachmittag ſich die Sonne wieder zeigte, beſtimmte er zuerſt ſeine Breite, die er gleich 19° 51′ 20″ ſüdlich fand. Um nun auch ſeine Länge, von ſeinem bekannten Abfahrtsorte Tonga - tabu zu erhalten, beobachtete er auf dem Schiffe mit ſeinem Sex - tanten zur Zeit, als ſein Chronometer 3h 48′ 28″ zeigte, eine Sonnenhöhe und fand daraus durch Rechnung (III. S. 239), daß er dieſe Beobachtung um 2h 47′ 25,5 mittlerer Ortszeit ſeines Schiffes angeſtellt habe.

Um nun auch, für denſelben Augenblick ſeiner Beobachtung,380Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.die mittlere Zeit von Tongatabu zu erhalten, ſo war, nach ſeinen früheren Beobachtungen in jenem Hafen, der Chronometer am 7. April gegen die mittlere Zeit des Hafens um 1′ 20,9 voraus. Da aber derſelbe Chronometer täglich um 5,24 noch weiter vor - ausgeht, ſo mußte er am 15. April oder 8,3 Tage nach jener Beobachtung des 7. April, um 8,3 mal 5,24 oder um 43,5 mehr, alſo im Ganzen um 2′ 4,4 gegen die mittlere Zeit jenes Ha - fens voraus ſeyn. Wir haben demnach für den Augenblick der letzten Beobachtung

  • Zeit des Chronometers auf dem Schiffe 3h 48′ 28,0
  • Correction 2′ 4,4
  • Mittlere Zeit in Tongatabu 3h 46′ 23,6
  • Zuvor war aber mittlere Zeit des Schiffs 2h 47′ 25,5
  • Differenz 0h 58′ 58,1

und dieß iſt daher zugleich die geſuchte Längendifferenz des Schiffs und des Hafens von Tongatabu. Da die mittlere Schiffszeit kleiner iſt, als die mittlere Hafenzeit, ſo liegt das Schiff um 0h 58′ 58,1 weſtlich von jenem Hafen. Es war aber die bekannte

  • Länge von Tongatabu 12h 9′ 47,4
  • die gefundene Längendifferenz 0h 58′ 58,1
  • alſo iſt auch die geſuchte öſtliche Länge des Schiffs von Paris 11h 10″ 49,3

Drückt man dieß, durch die Multiplication mit 15 in Gra - den aus, ſo erhält man für den Ort des Schiffs zur Zeit der letzten Beobachtung

  • öſtliche Länge von Paris 167° 42′ 19,5
  • ſüdliche Breite 19° 51′ 20,0

Ein Blick auf die Karte zeigte ihm daher, daß ſein Schiff an der Weſtküſte Neuhollands und zwar in der Nähe der Cum - berlands-Inſel am Glouceſter-Vorgebirge ſey.

§. 53. (Längenbeſtimmungen durch Finſterniſſe.) Es gibt noch mehrere Methoden, die geographiſche Länge durch Beobach - tungen zu beſtimmen, von welchen wir nur einige der vorzüglich - ſten kurz anführen wollen.

381Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Die Mondsfinſterniſſe (I. S. 333) bieten ſich zu dieſem Zwecke als beſonders bequem an. Da dieſe Finſterniſſe dadurch entſtehen, daß die für uns ganz beleuchtete Mondsſcheibe zur Zeit des Vollmonds in den Schattenkegel tritt, welchen die Erde hinter ſich wirft, ſo wird der Mond dadurch ſeines, bloß von der Sonne geborgten Lichtes, in der That beraubt und dieſe Verdunk - lung deſſelben muß von allen Bewohnern der Erde, die nur über - haupt den Mond zur Zeit ſeiner Finſterniß ſehen können, in demſelben Augenblicke geſehen werden, ſo daß alſo nur jeder dieſen Augenblick an der richtig nach ſeiner Ortszeit gehenden Uhr angeben darf, um ſofort auch die Längendifferenz aller Beob - achter dieſer Finſterniß zu erhalten.

Bei den Längenbeſtimmungen jeder Art kömmt nämlich alles darauf an, eine Erſcheinung aufzufinden, die für alle, denen ſie überhaupt nur bemerkbar iſt, in demſelben Augenblicke geſehen wird, die alſo tautochron iſt, da man eigentlich nur wiſſen will, wie viel jeder von den Beobachtern dieſer Erſcheinung in dieſem Augenblicke an ſeiner richtig gehenden Uhr zählt, d. h. welche wahre oder mittlere Sonnenzeit oder auch welche Sternzeit jeder dieſer Beobachter in dieſem Augenblicke hat, da dann die Differenz dieſer Zeiten zugleich die Differenz der geſuchten Längen der Beobachter iſt.

Da dieß nun von den Mondsfinſterniſſen ſowohl, als auch von den Verfinſterungen der Satelliten anderer Planeten z. B. des Jupiters gilt, ſo werden ſie auch unmittelbar zu Längenbe - ſtimmungen angewendet werden können, wie wir dieß bereits oben (I. S. 338) bemerkt haben. Allein dieſe Finſterniſſe haben zu dem gegenwärtigen Zwecke den Nachtheil, daß ſie nicht mit hinläng - licher Schärfe beobachtet werden können. Der Schattenkegel der Erde iſt nämlich, wegen dem ihn umgebenden Halbſchatten, nur ſehr unvollkommen begränzt, und dieß iſt die Urſache, daß man den eigentlichen Anfang oder das Ende der Finſterniß nie mit Gewißheit angeben kann. Kurz vor dem Anfange wird der Ort des Mondrandes, wo ſie beginnen ſoll, durch jenen Halb - ſchatten gleichſam mit einem Rauche, mit einem matten Schleier überzogen, der ſich allmählig näher zu dem Mittelpunkt hin zieht und zugleich immer dunkler wird und ſo, durch allmählige Abſtu -382Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.fungen das Licht des Mondes mehr und mehr verfinſtert, ſo daß der Augenblick der völligen Verfinſterung nicht genau angegeben werden kann. Daſſelbe iſt auch von dem Ende der Finſterniß zu bemerken. Man hat dieſem Umſtande dadurch abzuhelfen geſucht, daß man auch den Ein - und Austritt der Flecken des Mondes in den Schatten beobachtete, aber auch dieſe leiden, obſchon in geringerem Grade, unter derſelben Unvollkommenheit. Zum Be - weiſe führe ich hier eine Mondsfinſterniß an, die im Jahr 1790 in Paris und auf der Sternwarte Seeberg bei Gotha beobachtet wurde.

wo man aus den Zahlen der letzten Columne ſieht, wie wenig die Reſultate ſolcher Beobachtungen unter ſich übereinſtimmen. Beſſer harmoniren allerdings die Beobachtungen der Finſterniſſe der Jupitersmonde, aber auch ſie laſſen noch immer viel zu wün - ſchen übrig. Dazu kommt, daß dieſe Finſterniſſe nicht ſo oft vor - fallen, als der Schiffer beſonders ſie braucht, der jeden Tag die Lage ſeines Schiffes kennen muß, wenn er ſich nicht den größten Gefahren ausgeſetzt ſehen will.

Die Sonnenfinſterniſſe (I. S. 334), ſo wie die Bedeckungen der Fixſterne von dem Monde (I. S. 339) haben den Vortheil, daß ſie ſich mit großer Schärfe beobachten laſſen. Zwar ſind dieſe Erſcheinungen nicht tautochron, oder ſie haben nicht für alle Beobachter auf der Erde in demſelben Augenblick ſtatt. Sie ent - ſtehen nämlich dann, wenn der Mond in ſeinem Laufe gen Oſt ſich zwiſchen den Beobachter auf der Erde und zwiſchen die Sonne oder den Fixſtern ſtellt und uns daher den Anblick dieſer Geſtirne raubt oder, wie man zu ſagen pflegt, ſie verfinſtert. Man ſieht aber, daß dabei die Stellung des Beobachters auf der Oberfläche der Erde dieſe Erſcheinungen gar mannigfaltig verändern kann. Ein ſehr öſtlich ſtehender Beobachter wird z. B. den Mond noch weit weſtlich von dem Stern ſehen können, während für den weſt - lichen Beobacher der Stern von dem Monde ſchon ſeit längerer383Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Zeit bedeckt iſt. Allein da man die Bewegung des Mondes ſchon ſo genau kennt, ſo iſt es leicht, die von der Oberfläche der Erde beobachtete Finſterniß durch Rechnung auf diejenige Zeit zu brin - gen, zu welcher man ſie aus dem[Mittelpunkte] der Erde beob - achtet haben würde, und wenn dieſe Reduction, die man bei der gegenwärtigen Vollkommenheit unſerer Mondstafeln mit großer Schärfe vornehmen kann, bei allen Beobachtungen derſelben Fin - ſterniß vorgenommen wird, ſo hat man dann, für dieſe gleichſam von dem Mittelpunkte der Erde geſehene Finſterniß, die wieder für alle Beobachter tautochron iſt, die Ortszeiten der verſchiedenen Beobachter auf der Erde, daher man nur wieder dieſe Ortszei - ten, wie zuvor, von einander ſubtrahiren darf, um ſofort auch die geſuchten Längendifferenzen dieſer Beobachtungsorte zu erhalten.

Um auch dieß durch ein Beiſpiel zu erläutern, ſo hat man für die Bedeckung des Sterns ε Zwillinge durch den Mond am 8. Auguſt 1798 folgende Beobachtungen Mittlere Ortszeit.

Sucht man daraus mittelſt jener Rechnung diejenigen mitt - leren Ortszeiten, für welche ein Beobachter im Mittelpunkt der Erde den Mittelpunkt des Monds eben über jenen Stern ſehen würde, ſo erhält man für dieſe Ortszeiten

Leipzig3h 2′ 37″
Ofen3h 29′ 14″
Danzig3h 27′ 38″
Celle2h 53′ 15″

und die Differenzen dieſer Zeiten ſind auch zugleich die geſuchten Differenzen der geographiſchen Längen dieſer Orte. Nimmt man daher die Länge von Leipzig oder 0h 40′ 13″ von Paris, als bereits bekannt und ſo erhält man für die Länge

vonOfen1h 6′ 50″
Danzig1h 5′ 14″
Celle0h 30′ 51″
384Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Beobachtungen dieſer Art geben zwar ſehr genaue und ſehr gut unter ſich übereinſtimmende Reſultate, daher ſie auch zu Längenbeſtimmungen auf dem Feſtlande vorzugsweiſe von den Aſtronomen zu dieſem Zwecke gewählt werden, allein für den See - mann fallen ſie ebenfalls viel zu ſelten vor, als daß er ſich auf ſie verlaſſen könnte, ſelbſt wenn es möglich wäre, daß ihm die Beobachtungen der anderen ſchnell genug mitgetheilt werden könn - ten, um davon zu ſeinem Zwecke Gebrauch zu machen.

§. 54. (Längenbeſtimmungen durch Mondsdiſtanzen.) Für den Schiffer handelt es ſich alſo vorzüglich um ein Verfahren, wel - ches jeden Tag, ja jede Stunde angewendet werden kann, und welches zugleich ſo genaue Reſultate gibt, als nöthig iſt, ihm über den Lauf ſeines Schiffes und über die ihn umgebenden Gefahren wenigſtens in den meiſten Fällen ſicher zu ſtellen.

Dieſes Mittel hat ſchon Halley in den Beobachtungen der Diſtanzen des Mondes von den vorzüglichſten Fixſter - nen gefunden. Allein zu ſeiner Zeit, zu Ende des 17. Jahr - hunderts, war die Theorie des Mondes noch zu unvollkommen, um dieſe Methode mit Nutzen gebrauchen zu können. In unſe - ren Tagen aber ſind die Bewegungen des Mondes bereits ſo gut bekannt, daß dieſes Verfahren, die geographiſche Länge zu be - ſtimmen, mit Sicherheit angewendet werden kann und auch in der That von allen erfahrenen Schiffern vorzugsweiſe angewendet wird. Man verfährt aber dabei auf folgende Weiſe.

Da man, aus den aſtronomiſchen Tafeln, den Ort des Mon - des ſowohl, als auch den der Fixſterne, wie er aus dem Mit - telpunkte der Erde erſcheint, für jeden Augenblick leicht finden kann, ſo wird man daraus auch, durch eine einfache Rechnung, den Abſtand finden, um welchen für dieſen Augenblick der Mond von jedem jener Sterne entfernt iſt. Die Aſtronomen haben daher in ihren Ephemeriden dieſe Diſtanz des Mondes, ſowohl von etwa zehn bis zwölf der größten Fixſterne, als auch von der Sonne und von den größten Planeten für jeden Tag von 6 zu 6 Stunden voraus berechnet und durch den Druck bekannt gemacht, damit die Schiffer dieſe Tafeln auf ihren Reiſen mit ſich nehmen, und dann ihre künftigen Längenbeſtimmungen darauf gründen können. Nehmen wir an, daß man auf dieſe Art die von dem Mittelpunkte385Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.der Erde geſebene Diſtanz des Mondes von irgend einem anderen Geſtirne, z. B. von der Sonne für folgende Zeiten durch Rech - nung voraus gefunden habe:

Es habe nun ein Schiffer in dem ſogenannten großen Ocean zuerſt ſeine Breite zu 30′ Nördl. und den Fehler ſeiner Uhr beſtimmt, und dann, um 7h 3′ 40″ ſeiner mittleren Ortszeit in den Abendſtunden, mit ſeinem Sextanten die Diſtanz des Mit - telpunkts der Sonne und des Mondes gleich 28° 30′ 10″ beob - achtet.

Man ſieht ſchon aus dieſer Diſtanz, die gegen 7h Abends der Schiffszeit genommen wurde, da ſie zwiſchen die zweite und dritte der oben berechneten Diſtanzen fällt, daß es, zur Zeit die - ſer Beobachtung, in Paris zwiſchen 6 und 12 Uhr und zwar nahe 7 Uhr Morgens geweſen ſeyn müſſe, ſo daß alſo das Schiff nahe 12 Stunden mehr zählt, als Paris, oder daß das Schiff nahe in der öſtlichen Länge von 12h von Paris geweſen ſeyn müſſe.

Allein dieſe bloße Schätzung, die man übrigens durch eine einfache Proportion leicht genau berechnen könnte, würde doch ſehr unrichtig ſeyn. Denn jene voraus berechneten Diſtanzen be - ziehen ſich, wie geſagt, auf den Mittelpunkt der Erde, wäh - rend die hier auf dem Schiffe beobachtete nicht von dem Mittel - punkte, ſondern von der Oberfläche der Erde geſehen wurden, und daher mit jener nicht unmittelbar verglichen werden können. Um dieſe Vergleichung beider Diſtanzen richtig anzuſtellen, wird man alſo zuerſt dieſe beobachtete Diſtanz ebenfalls auf den Mit - telpunkt der Erde reduziren müſſen.

Ohne uns hier dabei aufzuhalten, wie dieſe Reduction ge - funden wird, wollen wir annehmen, daß ſie für unſeren Fall 12′ 20″ betrage, ſo daß alſo dieſe beobachtete Diſtanz, von dem Mittelpunkte der Erde geſehen, gleich 28° 42′ 30″ iſt.

Dieſes vorausgeſetzt, fragt es ſich nun, wie viel es in Paris mittlere Zeit iſt, wenn die geocentriſche Diſtanz der Sonne undLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 25386Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.des Mondes an jenem Tage 28° 42′ 30″ beträgt. Dieß fin - det man aber ſehr leicht aus der vorhergebenden Tafel, in welcher man ſieht, daß die Diſtanz der beiden Geſtirne von 6 Uhr Mor - gens bis Mittag ſich um 30′ 45″ ändert, während die beobach - tete geocentriſche Diſtanz von der der ſechsten Morgenſtunde nur um 51′ 50″ verſchieden iſt. Dieß gibt nämlich die Proportion 30′ 45″: 6h = 51′ 50″: x woraus folgt, daß x gleich 1h 28′ 32,5 iſt, welche Zeit dann, zu 6h addirt, die geſuchte correſpondirende mittlere Pariſer Zeit jener Beobachtung zu 7h 28′ 32,5 gibt. Wir haben demnach für dieſe Beobachtung

  • mittlere Schiffszeit .. 19h 3′ 40″ Abends
  • mittlere Pariſer Zeit. 7 28′ 32,5 Morgens
  • Differenz 11h 33′ 7,5

und dieß iſt daher zugleich die geſuchte Länge des Schiffs von Paris und zwar öſtlich von Paris, da die Ortszeit des Schiffs größer iſt, als die von Paris. Multiplicirt man dieſe Differenz durch 15, ſo erhält man für die Ortsbeſtimmung des Schiffs

  • öſtliche Länge von Paris 173° 46′ 52,5
  • nördliche Breite ... 30′ 0″

Die Karte zeigt, daß das Schiff zu jener Zeit in der Nähe der Inſel Ulul, einer der Carolinen-Inſeln war, die zwiſchen den Marianen - und Mulgravs-Inſeln liegen.

Das Vorhergebende wird, wie wir glauben, hinreichen, dem Leſer einen genügenden Begriff von dieſen intereſſanten Beſtim - mungen und überhaupt von den vorzüglichſten Beſchäftigungen des praktiſchen Aſtronomen und Seefahrers zu geben.

§. 55. (Beobachtungsfehler der erſten Art.) Doch wird man darum nicht glauben, daß damit das Geſchäft des wahren aſtro - nomiſchen Beobachters auch ſchon völlig geſchloſſen iſt. Seine Pflichten ſind eben ſo ausgebreitet und mannigfaltig, als der Ge - genſtand, mit welchem er ſich beſchäftiget, und ſeine Unterſuchun - gen ſind in vielen, ja in den meiſten Fällen der Art, daß ſie prak - tiſche Geſchicklichkeit und theoretiſchen Scharfſinn in einem Grade erfordern, der nur ſelten in einem und demſelben Menſchen ver - einigt angetroffen wird. Hier wird es genügen, nur einige der387Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.großen Hinderniſſe, die er beinahe täglich und in allen ſeinen Unternehmungen zu beſiegen hat, wenigſtens im Allgemeinen anzuzei - gen. Da kein Menſchenwerk irgend einer Art vollkommen iſt, ſo können wir dieß auch von unſeren aſtronomiſchen Inſtrumenten, ſelbſt von den beſten, nicht erwarten. Ja wenn es auch einmal irgend einem glücklichen Künſtler zufällig gelingen ſollte, ein in allen ſeinen Beziehungen fehlerfreies Inſtrument herzuſtellen, ſo würde daſſelbe doch keine Dauer haben und in der nächſten Stunde vielleicht ſchon wieder einer Menge, wenigſtens kleiner Fehler un - terworfen ſeyn. Die immer wechſelnden Fluctuationen der Wär - me in der Atmoſphäre bringen in jedem Inſtrumente nicht bloß augenblickliche und vorübergehende, ſondern ſelbſt conſtante Ver - änderungen hervor, die ſich nie ganz wieder herſtellen. Durch das Gewicht der einzelnen Theile, die bei einem ſolchen Werkzeuge, bei dem Gebrauche deſſelben, verſchiedene Lagen gegen einander annehmen müſſen, werden Verziehungen, Preſſungen und Reibun - gen entſtehen, die kein noch ſo ſymmetriſcher Bau des Ganzen und kein noch ſo zweckmäßig ausgedachtes Gegengewichtsſyſtem voll - kommen aufheben kann. Außer dieſen und ähnlichen Hinderniſ - ſen, deren gänzliche Entfernung außer dem Bereiche des Künſt - lers ſowohl, als auch des Beobachters iſt, wird jedes, auch das beſte Inſtrument noch Fehler der Ausführung haben, die wohl mit der Geſchicklichkeit und dem Scharfſinne des Künſtlers ſich vermindern, aber nie völlig verſchwinden werden. Die Axe wird nie vollkommen cylindriſch, nie ganz concentriſch mit ihrem Kreiſe, dieſer wird nicht geometriſch kreisförmig, die Eintheilung deſſel - ben nie völlig fehlerfrei ſeyn u. ſ. w. Daſſelbe wird auch von der Aufſtellung dieſer Inſtrumente gelten. Die Ebene des Meridiankreiſes oder die optiſche Axe ſeines Fernrohrs wird nie ganz genau in der Ebene des Meridians, die verticale Axe des Multiplicationskreiſes nie völlig ſenkrecht auf dem Horizonte, die Drehungsaxe des Aequatorials nie vollkommen der Weltaxe paral - lel ſeyn u. ſ. w., da alle Vorſicht, die man dabei angewen - det haben mag, doch nur eine Annäherung zur Wahrheit, aber nicht dieſe Wahrheit ſelbſt, nur eine Verminderung, aber keine völlige Vernichtung aller jener Fehler erreichen kann. So voll - kommen dieſe Inſtrumente auch gebaut und aufgeſtellt ſeyn mögen,25 *388Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.die Forderungen des Beobachters werden immer vor den Leiſtungen des Künſtlers voraus ſeyn, und an jenem iſt es daher, ſich ſo viel als möglich von dieſen unabhängig zu machen, und die Fehler, welche der Künſtler von dieſem Inſtrumente nicht ganz entfernen konnte, entweder geſchickt zu umgehen und dadurch un - ſchädlich zu machen, oder ihre wahre Größe durch die Beobach - tungen ſelbſt zu entdecken und dann von ihnen Rechnung zu tra - gen. Zu dieſer Abſicht muß der Aſtronom ſeine Beobachtungen ſo auswählen, ſo untereinander verbinden und ſich mit allen Ei - genheiten ſeines Inſtruments und mit den verſchiedenen Fehler - quellen deſſelben ſo innig bekannt machen, daß er in dieſen Feh - lern ſelbſt, ſo weit dieß menſchlichen Kräften möglich iſt, die Wahrheit erkennen und aus ihnen die der Natur der beobachteten Erſcheinungen gemäße oder richtige Reſultate herausfinden kann. Hierin vorzüglich beſteht das eigentliche Geſchäft des praktiſchen Aſtronomen, ein ſchweres und oft ſehr verwickeltes Geſchäft, von welchem aber hier nur die allgemeinſten Züge den Leſern mitge - theilt werden können, da es, um ſie völlig zu verſtehen, nöthig ſeyn würde, alle dieſe Geſchäfte ſelbſt bei jedem einzelnen Inſtru - mente umſtändlich durchzugehen. Mehrere Winke dazu ſind übri - gens bereits in dem Vorhergehenden enthalten. So wird z. B. bei allen oben erwähnten Kreiſen vorausgeſetzt, daß ſich die Al - bidade deſſelben mit dieſem Kreiſe genau concentriſch bewegt. Da dieſe Forderung von dem Künſtler nicht in aller Strenge befriediget werden kann, ſo bleibt dem Beobachter, wenn er ge - naue Reſultate erhalten will, nichts anderes übrig, als entweder die Größe dieſer Excentricität aufzuſuchen und ſeine Beobachtun - gen darnach zu verbeſſern, oder aber dieſen Fehler durch irgend ein Mittel zu umgehen und dadurch unſchädlich zu machen. Nun läßt ſich auf eine ſehr einfache Weiſe, durch bloße Elementargeo - metrie, zeigen, daß, wie groß auch dieſe Excentricität ſeyn mag, die Wirkung derſelben dadurch völlig vernichtet wird, wenn man der Alhidade, z. B. der Alhidade m m′ des Aequatorials (Fig. 22) zwei einander gegenüberſtehende Arme gibt und von den End - punkten m und m′ derſelben jeden mit einem Vernier verſieht. Denn dann wird, bei einer excentriſchen Alhidade, der eine Ver - nier immer eben ſo viel zu weit voraus ſtehen, als der andere389Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.zurückſteht, die beiden Leſungen werden, die eine eben ſo viel zu groß, als die andere eben ſo viel zu klein und daher das Mittel aus beiden Leſungen immer der Wahrheit gemäß ſeyn. Aus dieſer Urſache ſind auch bei allen beſſeren Kreiſen dieſe Alhidaden im - mer doppelt und einander entgegen geſetzt, um dadurch alle Feh - ler der Excentricität des Inſtruments aus den Beobachtungen zu eliminiren. Aber nicht immer, ja nur ſelten läßt ſich dieſes Um - gehen auch auf die anderen Fehler des Inſtruments anwenden. Wenn z. B. die Rotationsaxe des Aequatorials der Weltaxe nicht, wie es doch für jede gute Beobachtung erfordert wird, parallel iſt, ſo bleibt hier nichts übrig, als die Abweichung dieſer Rota - tionsaxe von ihrer wahren Lage in horizontaler ſowohl, als auch in verticaler Beziehung aufzuſuchen, wie wir dieß oben (S. 359) gethan haben, und dann von den ſo bekannten Fehlern dieſer Axe bei jeder künftigen Beobachtung Rechnung zu tragen, wie dieß ebenfalls oben (S. 361 in der Note) geſchehen iſt.

§. 56. (Allmählige Ausbildung der Aſtronomie) Bemerken wir noch, wie aus allen dieſen Betrachtungen von ſelbſt hervor - geht, daß unſere Kenntniſſe des Sonnenſyſtems und überhaupt alle unſere aſtronomiſchen Kenntniſſe ſich nothwendig nur ſtufen - weiſe und allmählig erweitern und berichtigen können. Die großen, gleichſam die groben Züge der Erſcheinungen, die uns der Him - mel darbietet, fand man ohne Zweifel, mit einiger Aufmerkſam - keit, ſchon in den erſten Zeiten mit noch ſehr unvollkommenen In - ſtrumenten, oder auch ohne alle Hülfe derſelben mit bloßen Augen, und jene erſten Beobachter werden nicht angeſtanden haben, ſie als von ihnen entdeckte Naturgeſetze zu betrachten. So wie wir aber mit dieſen Erſcheinungen durch fortgeſetzte Beobachtungen vermittelſt allmählig beſſerer Inſtrumente näher bekannt wurden, ſo fanden ſich ſofort mehrere Ausnahmen von dem ſogenannten allgemeinen Geſetze, und man ſah ſich dadurch in die Nothwendigkeit verſetzt, jene Geſetze zu ändern und mannigfaltig zu modificiren, um ſie den neuen Erſcheinungen beſſer anzupaſſen. Spätere Verbeſſerungen der Inſtrumente und der Beobachtungskunſt führten wieder ähnliche, neue Modificationen herauf, bis wir endlich, durch immerwährende Correctionen unſerer früheren Anſichten, zu demjenigen Grade un - ſerer Erkenntniß der Natur gelangten, den wir gegenwärtig ein -390Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nehmen und der ohne Zweifel in der Folge der Zeiten noch viel weiter erhöht werden wird, ſo lange das Menſchengeſchlecht für das Größte und Erhabenſte, das es zum Gegenſtande ſeiner Be - trachtung wählen kann, Sinn und Empfänglichkeit behält. Un - ſern alten Vorgängern in Griechenland mag es ſchwer genug ge - worden ſeyn, die Kreiſe zu erkennen, in welchen ſich die Planeten unſeres Sonnenſyſtems bewegen. Zweitauſend volle Jahre ver - floſſen ſeit jener Entdeckung, bis ein hochbegabter Mann aus den Beobachtungen Tycho’s, die alle diejenigen ſeiner Vorgänger an Ge - nauigkeit übertrafen, den Schluß zog, daß dieſe Bahnen der Planeten keine Kreiſe, ſondern Ellipſen ſind, in deren einem Brennpunkte die Sonne ruht. Und erſt in der Mitte des letztvergangenen Jahrhunderts, wo die aſtronomiſchen Inſtrumente beſonders durch engliſche Künſtler eine neue Verbeſſerung erhielten, konnte man durch Beobachtungen zeigen, daß auch dieſe Ellipſen nur eine An - näherung zur Wahrheit ſind, und daß die eigentlichen Bahnen der Planeten ſehr zuſammengeſetzte krumme Linien von doppelter Krümmung ſind, deren Geſtalt und Lage immerwährenden Aen - derungen unterworfen iſt, Aenderungen, von welchen uns die von Newton begründete und von ſeinen Nachfolgern weiter ausgebil - dete Theorie die vollſtändigſte Rechenſchaft gibt. Ebenſo hat man vielleicht ſehr bald bemerkt, daß alle Fixſterne ihren täglichen Weg um die Erde in Kreiſen zurücklegen, und wir haben ge - ſehen, welche Mühe es unſern Vorgängern koſtete, ſich von die - ſer Täuſchung zu befreien und dieſe Erſcheinung durch die täg - liche Umdrehung der Erde um ihre Axe zu erklären. Erſt ſpät erkannte man mit Hülfe neuer, beſſerer Inſtrumente, daß dieſe ſogenannten Kreiſe der Fixſterne auch eine Art von elliptiſcher Geſtalt hatten, und dadurch wurde man auf die Entdeckung der Re - fraction (I. S. 341) geführt, ohne deren Kenntniß jede weitere Ausbildung der Aſtronomie ſo gut als unmöglich geweſen wäre. Nun glaubte man, die krummen Linien, welche die Geſtirne in ihrem täglichen ſcheinbaren Laufe um die Erde beſchreiben, voll - kommen beſtimmt zu haben und jeden Punkt derſelben mit der größten Schärfe angeben zu können. Allein als Bradley in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Beſitz des beſten Inſtru - mentes ſeiner Zeit gelangte, entdeckte dieſer vortreffliche Beob -391Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.achter noch zwei andere Bewegungen der Fixſterne, durch welche jene krumme Linie, die man ſchon ſo genau zu kennen wähnte, gar mannigfaltig verändert und in ihrer Geſtalt umgeformt wurde, Bewegungen, die wir jetzt unter der Benennung der Aberration (I. S. 172) und der Nutation (I. S. 358) bei allen unſeren Beobachtungen täglich berückſichtigen und ohne deren Kenntniß die Aſtronomie nie denjenigen Grad der Vollkommenheit erhal - ten hätte, deren ſie ſich jetzt erfreut. Unſere ſpäten Enkel wer - den dereinſt noch die eigenen Bewegungen eines jeden dieſer Fix - ſterne hinzufügen, von welchen wir jetzt noch ſo wenig wiſſen, und ſie werden ihre Zeitgenoſſen über die Bewegung des ganzen Son - nenſyſtems im Weltenraume belehren, über deren Größe und Richtung wir noch ganz im Dunkeln ſind.

Auf dieſem Wege der allmählichen Verbeſſerungen alſo iſt unſere gegenwärtige Kenntniß der Aſtronomie entſtanden. Wenn eines jener ſogenannten Geſetze der Natur gefunden war und wenn, oft erſt nach mehreren Jahrhunderten, neue und beſſere Beobach - tungen uns auf Ausnahmen von dieſem Geſetze führten, ſo ſtell - ten dieſe Ausnahmen ſich zuerſt unter der Geſtalt von Fehlern der Beobachtungen dar, für welche ſie auch in der That, ſo lange man noch keine Urſache von ſolchen Ausnahmen kennt, gehalten werden müſſen. Wenn aber dieſe vermeinten Ausnahmen ſich immer mehr und mehr wiederholen und bei einer näheren Be - trachtung ebenfalls wieder nach einem gewiſſen Geſetze fortzuge - hen ſcheinen, ſo können wir nicht mehr umhin, den Grund derſelben nicht ſowohl in dem Inſtrumente oder in der Beobachtungsart, ſondern in der Natur ſelbſt zu ſuchen und jenes hypothetiſche Ge - ſetz der Natur dahin zu verändern, daß, daſſelbe nicht nur jene Erſcheinungen in ihren erſten rohen Zügen, ſondern daß es auch dieſe ſogenannten Ausnahmen darzuſtellen vermag, wodurch dann wieder den Beobachtungen ſo lange genug gethan wird, bis eine neue Verbeſſerung der Inſtrumente oder eine neue Verfeinerung der Analyſe uns wieder zu ander[e]n Ausnahmen führt, deren Dar - ſtellung denn auch eine neue Modification der vorhergehenden Hypotheſe nothwendig macht.

Zu dieſem Fortſchreiten in der Erkenntniß der Natur gehört aber, wenn ſie ſicher ſeyn ſoll, vor allem die oben erwähnte innige392Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Bekanntſchaft des Beobachters mit ſeinem Inſtrumente. Denn die meiſten derjenigen Beobachtungsfehler, die bloß von einer Unvollkom - menheit in dem Bau oder in der Aufſtellung der Inſtrumente entſpringen, haben ebenfalls die Eigenſchaft, daß ſie nach gewiſ - ſen Geſetzen fortgeben und in beſtimmten Perioden eingeſchloſſen ſind, nach welchen ſie in der früheren Ordnung wiederkehren. Dieß wird z. B. der Fall ſeyn bei einer Excentricität des Kreiſes, bei einer Verbiegung ſeiner Ebene, bei einer unrichtigen Eintheilung deſſelben, die gewöhnlich von einer falſchen Stellung des Kreiſes zur Theilmaſchine kömmt u. ſ. w. So lange daher das Inſtru - ment mit allen ſeinen Eigenthümlichkeiten nicht vollkommen be - kannt und ſein Gebrauch völlig geſichert iſt, wird man nie ent - ſcheiden können, ob dieſe periodiſchen, nach einem gewiſſen, wenn gleich noch vielleicht unbekannten Geſetze, fortgehenden Fehler der Beobachtungen bloß von dem Inſtrumente kommen, oder ob ſie in der Natur der Erſcheinungen ſelbſt gegründet ſind, und ſo lange man dieſe beiden Fehler nicht unterſcheiden und von einander trennen kann, iſt ein wahres Fortſchreiten unſerer Kenntniß der Natur unmöglich.

§. 57. (Beobachtungsfehler der zweiten Art.) Allein es gibt noch eine ganz andere Gattung von Fehlern, die man bei allen unſeren Beobachtungen antrifft, und die ſich von den bisher be - trachteten weſentlich unterſcheiden, indem ſie keine Periode beobach - ten und nach keinem beſtimmten Geſetze fortgehen, ſondern viel - mehr ganz dem Zufalle überlaſſen zu ſeyn ſcheinen. Die Fehler, mit welchem unſer Auge den Augenblick auffaßt, wo der Stern eben durch den Faden geht, oder die, mit welchem unſer Ohr die Pendelſchläge der Uhr vernimmt, nach welchen wir die Zeit der Beobachtung beſtimmen, ſelbſt der Wechſel der Witterung, der in der Refraction, und der Wechſel der Temperatur, der in dem Inſtrumente augenblickliche Veränderungen hervorbringt; ferner der Mangel oder auch eben ſowohl die zu große Geſpanntheit unſerer Auf - merkſamkeit im Augenblicke der Beobachtung, und unzählige an - dere ähnliche Urſachen werden die Reſultate dieſer Beobachtungen bald etwas größer, bald wieder etwas kleiner geben, als ſie der Wahrheit gemäß ſeyn ſollen. Wenn man z. B. die Polhöhe einer Stadt aus mehreren auf einander folgenden Beobachtungen nach393Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.der oben (I. S. 105) angezeigten Methode, ſchon mit gehöriger Rückſicht auf die oben erwähnten Fehler des Inſtruments

  • am erſten Tage 48° 12′ 35″
  • zweiten. 48° 12′ 33″
  • dritten. 48° 12′ 34″

gefunden hätte: welche von ihnen ſoll man nun als die wahre oder doch als die der wahren nächſte betrachten? Da die unbekannten Fehler einer jeden einzelnen dieſer Beobach - tungen, ſo groß auch die Anzahl der letzten ſeyn mag, nach keinem merkbaren Geſetze fortgehen und, wenn ſie, wie geſagt, nur zufällig entſtanden ſind, auch nicht fortgehen können, ſo können ſie, wie es ſcheint, auch keiner weitern Berechnung, nicht einmal einer bloßen Schätzung unterworfen werden. Wie vortrefflich daher auch unſer Inſtrument ſeyn mag, und welche Mühe und Einſicht wir auch auf die Behandlung deſſelben ver - wendet haben mögen, dieſe Fehler können nicht weggebracht werden, ſie wurzeln gleichſam in unſerer eigenen Natur, in der Unvollkommenheit unſerer ſinnlichen ſowohl als unſerer geiſtigen Operationen und ſie werden alſo auch immer und in ihrer gan - zen Stärke auf die Reſultate unſerer Beobachtungen einwirken und dieſelben ſelbſt fehlerhaft machen.

Eine einfache Betrachtung ſcheint uns übrigens hier einen Ausweg aus dieſen Hinderniſſen zu bahnen. Da die Fehler, von welchen die Rede iſt, zufällig ſind und die geſuchten Reſultate zuweilen ver - größern und im Allgemeinen eben ſo oft und eben ſo viel wieder verkleinern, ſo wird man, mit großer Wahrſcheinlichkeit, annehmen können, daß auch hier, wie ſo oft in andern Fällen, die Wahr - heit in der Mitte liege, und daß man daher nur die durch die einzelnen Beobachtungen erhaltenen Reſultate addiren und die ſo erhaltene Summe durch die Anzahl der Beobachtungen divi - diren, d. h. alſo, daß man nur das ſogenannte arithmetiſche Mittel aller Beobachtungen nehmen darf, um das der Wahr - heit nächſte Reſultat zu erhalten. In dem letzten Beiſpiel be - trägt die Summe der drei einzelnen Beobachtungen 144° 37′ 42″ und der dritte Theil derſelben oder 48° 12′ 34″ wird daher, nach dem ſo eben Geſagten, die der Wahrheit nächſte Polhöhe ſeyn.

394Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Es iſt für ſich klar, daß dieſes Verfahren im Allgemeinen deſto zuläſſiger ſeyn wird, je größer die Anzahl der Beobachtun - gen iſt, vorausgeſetzt, daß ſie alle unter ähnlichen Verhältniſſen angeſtellt worden ſind, und daß keine von ihnen irgend einen Vorzug vor der anderen verdient. Wenn aber dieſer Fall, der in der That ſelten genug eintreten mag, nicht ſtatt hat, wenn z. B. von 30 Beobachtungen die erſten 10 bei viel günſtigerem Wetter als alle übrigen, wenn die zweiten 10 von einem geübteren Beob - achter und die letzten 10 endlich an einem beſſeren Inſtrumente, als die übrigen, angeſtellt worden wären, kurz wenn die einzelnen Beobachtungen, wie man zu ſagen pflegt, ein verſchiedenes Ge - wicht haben? Dann läßt ſich die vorhergehende einfache Regel offenbar nicht mehr anwenden. Wie ſoll man alſo dann verfahren?

Noch verwickelter wird die Antwort auf dieſe Frage werden, wenn man, durch dieſe Beobachtungen, mehrere Größen zu - gleich der Wahrheit gemäß oder doch ihr ſo nahe als möglich finden will. Um auch davon ein Beiſpiel zu geben, ſo haben die Aſtronomen ihre Sonnen - und Planeten-Tafeln, wie wir oben (I. S. 285) gezeigt haben, ſo eingerichtet, daß man daraus den Ort dieſer Geſtirne für jeden gegebenen Augenblick leicht finden kann. Zur Berechnung dieſer Tafeln haben ſie für die ſechs Ele - mente (I. S. 280) eines jeden dieſer Planeten gewiſſe Werthe angenommen, die ihnen damals die wahrſcheinlichſten dünkten. Allein dieſe Werthe werden ohne Zweifel der Wahrheit nicht ganz gemäß ſeyn, und wenn in dem Laufe eines Jahrhunderts unſere Kenntniß des Sonnenſyſtems zugleich mit unſerer Beobachtungs - kunſt bedeutende Fortſchritte gemacht hat, ſo werden wir auch wohl im Stande ſeyn, beſſere und genauere Werthe für jene Ele - mente anzugeben, als die unſerer Vorgänger geweſen ſeyn - gen, denen jene Vortheile noch nicht zu Gebote ſtanden. Wir werden alſo auch beſſere Planetentafeln aufſtellen können, wenn wir zuerſt genauere Elemente erhalten haben, mit welchen wir dann jene Tafeln wieder neu berechnen werden. Allein wie ſollen wir zu dieſen beſſeren Elementen kommen? Offenbar durch unſere beſſeren Beobachtungen ſelbſt und durch Vergleichungen derſelben mit jenen Tafeln der Alten.

Nehmen wir alſo z. B. an, wir hätten an irgend einem Tage395Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.die Sonne mit aller uns möglichen Sorgfalt beobachtet und ihre Länge gleich 30° 24′ 50″ gefunden. Sucht man nun aus den al - ten Tafeln für dieſelbe Zeit die Länge der Sonne und findet ſie gleich 30° 24′ 10″, ſo iſt dieß ein Beweis, daß die alten Tafeln, für dieſen Tag, die Länge der Sonne um volle 40″ zu klein ge - ben. Allein wo liegt nun dieſer Fehler der Tafeln? Er kann in der Epoche, in der Excentricität, in der Lage der großen Axe kurz, er kann in einem der Elemente, oder in mehreren, oder auch in allen zugleich liegen und das letztere iſt ſogar das wahr - ſcheinlichſte, da wir keinen Grund haben, anzunehmen, daß auch nur ein einziges von den Elementen, wie ſie die Alten angenom - men haben, vollkommen richtig iſt.

Es wird ſchon einige Kunſt erfordern, zu entſcheiden, welchen Einfluß ein jedes dieſer ſechs Elemente, für ſich allein betrachtet, auf die Länge des Planeten haben wird und wie viel alſo jedes dieſer Elemente geändert werden müßte, wenn man durch dieſe Aenderung allein jenen Fehler von 40 Sekunden wieder gut ma - chen wollte. Da nun aber jedem Elemente ſein beſtimmter Theil von dieſem Fehler zukommen ſoll, ſo wird man offenbar eben ſo viel Beobachtungen, als Elemente ſind, alſo ſechs Beobachtun - gen, zu Hülfe rufen müſſen, um aus ihnen insgeſammt diejenigen Aenderungen zu beſtimmen, die jedes dieſer ſechs Elemente erfahren muß, um dadurch alle ſechs Beobachtungen ganz genau darzuſtellen.

Dieß wird aber, wie man ſieht, gar manche mühſame und zeitraubende Rechnungen geben. Und wenn man ſie endlich alle durchgeführt hat, wenn nun alle Elemente ſo beſtimmt worden ſind, daß ſie dieſen ſechs Beobachtungen vollkommen entſprechen: werden dieſe ſo gefundenen neuen Elemente nun auch ſchon die wahren ſeyn? Sie würden es ſeyn, wenn jene ſechs Beobach - tungen ſelbſt ganz wahr und fehlerfrei wären. Allein das ſind ſie nicht und das können ſie, eben jener Fehler wegen, von denen wir ſo eben geſprochen haben, nicht ſeyn. In Beziehung auf die oben erwähnte Natur dieſer Fehler werden wir alſo die Tafeln unſerer Vorgänger nicht bloß mit ſechs, ſondern vielmehr mit ſo vielen guten Beobachtungen als möglich vergleichen, und daraus erſt die wahrſcheinlichſten Elemente der Planeten beſtim - men müſſen. Wir werden alſo z. B. hundert der beſten Beob -396Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.achtungen ſammeln und jede derſelben wird, mit den alten Tafeln verglichen, einen anderen Fehler dieſer Tafeln geben. Wir wer - den dabei noch bemerken, daß nicht alle dieſe Beobachtungen den - ſelben Werth, oder ein gleiches Gewicht haben und dann wird es an uns ſeyn, zuzuſehen, auf welche Weiſe wir die Werthe jedes der ſechs Elemente zu beſtimmen haben, um dadurch alle jene hundert Beobachtungen, jede in Beziehung auf ihr Gewicht, nicht ganz genau, das iſt offenbar unmöglich, aber doch genauer dar - zuſtellen, als dieß durch was immer für andere Werthe dieſer Elemente geſchehen könnte. Die Leſer werden wahrſcheinlich ohne meine Erinnerung bemerken, daß dieſe Aufgabe nicht eben zu den leich - teſten und bequemſten gehört, obſchon ſie offenbar eine der wichtigſten und nothwendigſten der Aſtronomie iſt, da am Ende doch alle Be - mühungen der Aſtronomen nur den Zweck haben, das Sonnenſyſtem, das heißt, mit andern Worten, eben dieſe Elemente der Planetenbahnen immer mehr und endlich ſo genau, als möglich, kennen zu lernen.

§. 58. (Einfache Wahrſcheinlichkeit.) Fragen dieſer Art, wie die zuletzt aufgeſtellten, gehören in das Gebiet der ſogenannten Wahrſcheinlichkeits-Rechnung und dieſe ſpielt nicht nur in der Aſtronomie, ſondern ſelbſt in dem gemeinen geſellſchaftlichen Leben eine ſo wichtige Rolle und iſt überdieß dem größten Theile der Leſer noch ſo wenig bekannt, daß es nicht unangemeſſen er - ſcheinen wird, daß vorzüglichſte dieſer eben ſo nützlichen als inter - eſſanten Rechnungsart hier, ſo weit es ohne eigentliche analy - tiſche Ausdrücke geſchehen kann, kurz zuſammengeſtellt zu finden.

Es wird ohne Zweifel auf den erſten Blick ſonderbar er - ſcheinen, daß man Ereigniſſe beſtimmen und ſogar durch Rech - nung beſtimmen will, von denen man doch annimmt, daß ſie bloß zufällig ſind und daher gleichſam nichts Beſtimmtes, alſo auch nichts Beſtimmbares an ſich haben.

Um uns darüber zu verſtändigen, wollen wir vor allem die Sache durch ein Beiſpiel deutlich zu machen ſuchen. Ich wähle dazu die bekannten Spielwürfel, derer ſechs Seiten nach der Reihe mit 1, 2, 3, 4, 5, 6, Punkten oder Augen bezeichnet ſind. Wenn man zwei ſolcher Würfel auf Gerathewohl auf den Tiſch wirft, wie groß wird die Anzahl der auf der oberſten Seite der beiden Würfel ſtehenden Augen ſeyn?

397Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Um dieſe Frage zu beantworten, muß man zuerſt die Anzahl aller der Fälle, die hier eintreten können, wiſſen. Deren ſind nun 36, wie die folgende kleine Tafel zeigt, wo A den einen und B den anderen Würfel bezeichnet.

Wenn ich nun z. B. mit meinem Gegner wetten wollte, daß ich auf den erſten Wurf mit dieſen beiden Würfeln die Zahl 7 treffen wolle: welche Wahrſcheinlichkeit hätte ich da für mich?

Offenbar ſind hier unter allen 36 möglichen Fällen nur ſechs für mich günſtig, während die andern 30 für meinen Gegner ſprechen. Dieſe ſechs mir günſtigen Fälle ſind nämlich 1. 6, 2. 5, 3. 4 und die umgekehrten 4. 3, 5. 2, 6. 1. Die Wahrſcheinlich - keit alſo, daß die Zahl 7 geworfen werde, wird ſich, wie die Zahl derer dieſem Ereigniſſe günſtigen Fällen zu der Zahl aller mög - lichen Fälle verhalten oder dieſe W. wird gleich 6 / 36 ſeyn. Ganz eben ſo wird ſich aber auch die W., daß die Zahl 7 nicht gewor - fen werde, wie die Zahl der mir ungünſtigen Fälle zu der aller möglichen verhalten oder dieſe W. des Gegentheils deſſen, was ich erwarte, wird gleich 30 / 36 ſeyn. Demnach wird ſich auch die W. meines Gewinns zu der W. meines Verluſtes, wie jene bei - den Brüche, wie 6 / 36 zu 30 / 36 d. h. wie 6 / 30 oder endlich wie ver - halten oder mit andern Worten: wenn ich mit meinem Gegner jene Wette eingehe, ſo habe ich nur einen Fall für mich, wäh - rend der Gegner 5 für ſich günſtige Fälle hat. Ich würde daher ſehr thöricht handeln, wenn ich mit dieſem Gegner eine gleiche Wette eingehen und z. B. feſtſetzen wollte, daß er mir, wenn ich die Zahl 7 werfe, einen Gulden geben ſoll, während ich ihm einen Gulden geben muß, wenn ich die Zahl 7 nicht werfe. Die Ein - ſätze dieſer Wette müſſen vielmehr, wenn ſie richtig vertheilt und398Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.für beide Partheien gleich billig ſeyn ſollen, ebenſo wie die W. des Gewinns einer jeden Parthei alſo hier wie 1 zu 5 ſich verhalten, oder die Wette muß, wenn ſie richtig geſtellt ſeyn ſoll, ſo ausge - drückt werden, daß er mir, wenn ich 7 werfe, fünf Gulden zu geben habe, während ich ihm, wenn ich nicht 7 werfe, nur einen Gulden gebe.

Wenn nun die Wette in der That ſo geſtellt wird, was wird dann die Folge davon ſeyn? Daß nach 10 oder 50 oder 100 ſolchen wiederholten Würfen, nach deren jedem entweder ich einen oder der Andere fünf Gulden gegeben hat, die Summe der Ge - winnſte und Verluſte bei beiden Partheien ſehr nahe einander gleich und zwar um ſo gewiſſer einander gleich ſeyn werde, je größer die Anzahl der Würfe geweſen iſt, während im Gegen - theile, wenn ich mehr als einen Gulden für jeden mir ungün - ſtigen Wurf gebe, mein Verluſt, und ebenſo, wenn mein Gegner mehr als fünf Gulden für jeden ihm ungünſtigen Wurf gibt, ſein Verluſt immer um ſo gewiſſer ſeyn wird, je mehr die Zahl der Würfe anwächst oder je länger das Spiel fortgeſetzt wird.

Auf dieſe Weiſe iſt alſo unſere Wahrſcheinlichkeits-Rechnung zu verſtehen. Nämlich erſtens wird die Wahrſcheinlichkeit des Eintretens eines Ereigniſſes immer in der Geſtalt eines Bruches dargeſtellt, deſſen Zähler die Summe aller günſtigen und deſſen Nenner die Summe aller möglichen Fälle enthält. Ebenſo wird alſo auch die Wahrſcheinlichkeit des Nichteintretens dieſes Ereig - niſſes die Form eines Bruches haben, deſſen Zähler die Summe der ungünſtigen und deſſen Nenner wieder die Summe aller möglichen Fälle enthält. Jener erſte Bruch nähert ſich der Ein - heit deſto mehr, je größer die Zahl der günſtigen Fälle iſt und wenn endlich, unter allen möglichen Fehlern, gar kein ungünſtiger iſt, d. h. wenn alle möglichen Fälle zugleich günſtige Fälle ſind, ſo wird dieſer Bruch zur Einheit und die Wahrſcheinlichkeit zur Ge - wißheit, ſo daß alſo die Einheit gleichſam das Symbol der Gewiß - heit iſt. Beide Brüche zuſammen geben zu ihrer Summe immer die Einheit, weil es gewiß iſt, daß bei jedem Wurfe entweder ein günſtiger oder ein ungünſtiger Fall eintreffen muß. Iſt der erſte Bruch gleich ½, ſo ſind die günſtigen Fälle gleich zahlreich mit399Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.den ungünſtigen, dann iſt alſo auch der zweite Bruch gleich ½, und beide Summen wieder die Einheit, wie es ſeyn muß.

Hat man zweitens auf dieſe Weiſe die Wahrſcheinlichkeit des Gelingens und die des Nichtgelingens, jede durch ihren Bruch ausgedrückt, ſo gibt das Verhältniß dieſer zwei Brüche zugleich die Einſätze, welche beide Partheien einlegen müſſen, wenn ſie eine billige Wette unter ſich anſtellen wollen.

Drittens endlich ſind dieſe Wahrſcheinlichkeiten ſo wie die darauf gegründeten Wetten immer nur ſo zu verſtehen, daß ſie erſt dann ſtatt haben, wenn die Anzahl der in Rede ſtehenden Verſuche ſehr zahlreich iſt, oder daß ſie den durch ihre Zahlen ausgedrückten Erfolg deſto gewiſſer herbeiführen werden, je größer die Anzahl dieſer angeſtellten Verſuche iſt.

Auf dieſe Weiſe verſtanden wird man ſich nun leicht von der Richtigkeit der folgenden Auflöſungen überzeugen.

Die Wahrſcheinlichkeit, daß man auf einem Wurfe der bei - den Würfel wieder die Zahl 7, wie zuvor, aber ſo werfe, daß der eine, gleichviel welcher, der beiden Würfel die Zahl 2 und der andere 5 gebe, iſt 2 / 36, alſo die W. des Gegentheils 34 / 36 und daher das Verhältniß der Einſätze des erſten und zweiten Spie - lers bei einer Wette wie 2 zu 34 oder wie 1 zu 17, ſo daß der Eine für jeden ihm günſtigen Fall 17 Gulden von dem Andern erhält, während er für jeden ihm umgünſtigen Fall nur einen Gulden an den Anderen entrichtet.

Die Wahrſcheinlichkeit aber, daß der eine Spieler auf einen Wurf zwei gleiche Zahlen 1, 1 oder 2, 2 u. ſ. w. werfe, iſt noch kleiner, nämlich nur 1 / 36.

Wenn mit drei ſolchen Würfeln geworfen wird, ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß mit ihnen drei unter ſich verſchiedene Zah - len geworfen werden, gleich 120 / 216; daß man zwei gleiche und eine von ihnen verſchiedene Zahl werfe, gleich 90 / 216; daß man drei unter ſich gleiche Zahlen werfe, gleich 6 / 216; daß ſich unter den geworfenen Zahlen wenigſtens zwei, vielleicht aber auch drei gleiche befinden, gleich 95 / 216, und endlich iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß man mit einem Wurfe dieſer drei Würfel drei unmittelbar hinter400Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.einander ſtehende Zahlen wie 1. 2. 3 oder 2. 3. 4 u. ſ. f. werfe, gleich 24 / 216 oder gleich 1 / 9. Diejenigen Leſer, welche an ſolchen Spe - culationen Vergnügen finden, werden ſich von den hier angeführ - ten, ſo wie den nächſtfolgenden Auflöſungen leicht ſelbſt Rechen - ſchaft geben.

Hieher gehört auch folgende intereſſante Frage. In einer Urne befinde ſich eine gegebene Anzahl von unter ſich vollkommen gleichen, kleinen Kugeln. Wenn man nun die Hand in die Urne ſenkt und davon irgend eine Anzahl dieſer Kugeln auf Geratbewohl herauszieht, welche Wahrſcheinlichkeit hat man dafür, daß dieſe Anzahl der herausgezogenen Kugeln gerade, wie z. B. 2, 4, 6 oder daß ſie ungerade, wie 1, 3, 5 ſeyn wird?

Nehmen wir, um auch dieſe Aufgabe ſofort durch ein ſpeciel - les Beiſpiel zu erläutern, an, daß vier ſolche Kugeln in der Urne ſind, die wir, um ſie einzeln anzugeben, durch a, b, c, d bezeich - nen wollen. Dieß vorausgeſetzt wird man acht ungerade Zuſam - menſtellungen haben, nämlich erſtens die vier einzelnen a, b, c, d ſelbſt und dann noch die vier folgenden abc, abd, acd und bcd. Von den geraden Paarungen aber findet man nur ſieben, näm - lich ab, ac, ad, bc, b d, cd und endlich abcd. Es gibt daher überhaupt 15 mögliche, gerade und ungerade Verbindungen, und von dieſen ſind 8 ungerade und 7 gerade. Daraus folgt daher nach der oben angeführten Vorſchrift, daß die W. einer unge - raden Verbindung gleich 8 / 15 und die einer geraden gleich 7 / 15 iſt. Wenn ich daher mit meinem Gegner eine Wette eingehen will, daß ich auf jedem Griffe eine gerade Anzahl von Kugeln aus der Urne ziehen werde, ſo werde ich, wenn wir beide gleichviel ein - ſetzen, deſto gewiſſer in Nachtheil kommen, je mehr Züge aus der Urne ich mache. Soll aber dieſe Wette ſo angeſtellt werden, daß, je länger ich ziehe, deſto mehr auch Gewinn und Verluſt zu bei - den Seiten derſelbe bleibe, ſo muß ich bei jeder ungeraden Anzahl an den Gegner ſieben Gulden entrichten, während er mir, ſo oft ich eine gerade Anzahl ziehe, acht Gulden zu geben hat. Eben ſo findet man für fünf Kugeln die Wahrſcheinlichkeit, daß man eine ge - rade Anzahl derſelben zieht, gleich 15 / 34 und die W. einer ungeraden Anzahl gleich 16 / 31; für zehn Kugeln hat man für die W. einer401Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.geraden Anzahl 511 / 1023 und für die einer ungeraden 512 / 1023 u. ſ. w. Man ſieht daraus, daß die ungerade Anzahl immer wahrſchein - licher iſt, als die gerade, daß aber auch die beiden Wahrſchein - lichkeiten einander immer näher, nämlich gleich ½ kommen, je größer die in der Urne enthaltene Anzahl der Kugeln iſt; für drei Kugeln ſind dieſe Wahrſcheinlichkeiten 3 / 7 und 4 / 7 und für zwei Kugeln ſind ſie und .

Man wird bemerken, daß bei allen dieſen Unterſuchungen die Anzahl aller möglichen Fälle als bekannt vorausgeſetzt wird, weil ſich ohne dieſe Kenntniß die Wahrſcheinlichkeit irgend eines Erfolges gar nicht beſtimmen laſſen würde. Daſſelbe gilt auch von den zunächſt folgenden Problemen bis §. 62, wo ſodann Un - terſuchungen ganz anderer Art eintreten werden.

§. 59. (Zuſammengeſetzte Wahrſcheinlichkeit.) Aber nicht im - mer ſind dieſe Unterſuchungen ſo einfach, wie in den vorhergehen - den Fällen. Wenn man z. B. die Wahrſcheinlichkeit ſucht, daß irgend ein Ereigniß, deſſen einfache, nach §. 58 beſtimmte W. gleich w iſt, zwei, drei, viermal nach einander ſtatt habe, ſo iſt die geſuchte W. gleich der zweiten, dritten, vierten Potenz von w. So iſt z. B. die W., mit einem einzigen Würfel die Zahl 1 zu werfen, nach der vorhergehenden Tafel gleich . Alſo iſt auch die W. mit einem Würfel zweimal nacheinander die Zahl 1 zu werfen, gleich 1 / 36; dreimal gleich 1 / 216 u. ſ. w. Ebenſo war die W., mit zwei Würfeln auf einen Wurf die Zahlen 1 und 1 zu werfen, gleich 1 / 36, alſo iſt auch die W. dieſe beiden Zahlen zweimal nach einander zu werfen, gleich 1 / 1296 u. ſ. w.

Wenn ferner von zwei Urnen die erſte drei weiße und 1 ſchwarze, die zweite aber 4 weiße und 2 ſchwarze Kugeln ent - hält, ſo iſt die W., daß man durch einen zufälligen Griff in eine der beiden Urnen eine weiße Kugel ergreifen wird, gleich 7 / 24, ſo daß beide W. zuſammen wieder gleich der Einheit ſind. In dieſen und ähnlichen Fällen muß man nämlich die beiden nach §. 58 gefundenen einfachen Wahrſcheinlichkeiten mit ein - ander multipliciren, um die geſuchte zuſammengeſetzte W. zu erhalten. Es iſt nämlich die W., in die erſte Urne zu greifenLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 26402Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.gleich ½, und dann aus ihr eine weiße Kugel zu ziehen, gleich ¾, alſo iſt auch die W., daß ſich beides ereignen werde, gleich ½ × ¾ oder gleich . Ganz ebenſo findet man für die W., daß man in die zweite Urne greifen und aus ihr eine weiße Ku - gel ziehen werde, gleich ½ × 4 / 6 oder gleich . Da nun dieſe beiden Ereigniſſe für den Zug einer weißen Kugel günſtig ſind, ſo iſt die oben geſuchte W. gleich der Summe von und oder gleich 17 / 24, wie zuvor.

Ebenſo iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß man mit einem Würfel in 4 Würfen die Zahl 6 wenigſtens einmal werfe, gleich 671 / 1296, alſo ſchon etwas größer als ½, daher es auch wahrſcheinlicher iſt, daß dieſe Zahl 6 in 4 Würfen einmal, als daß ſie gar nicht vorkom - men werde. Die W. aber, daß man mit einem Würfel in 4 Würfen dieſe Zahl 6 wenigſtens zweimal werfe, iſt nur gleich 1 / 7, alſo viel geringer, als ½.

Die W., mit zwei Würfeln auf den erſten Wurf 9, oder, wenn dieß nicht geſchieht, wenigſtens auf den zweiten Wurf 9 zu treffen, iſt nahe gleiche . Ebenſo iſt die W., mit zwei Wür - ſeln auf den erſten, oder doch auf den zweiten oder wenigſtens auf den dritten Wurf die Zahl 7 zu treffen, nahe gleich u. ſ. w.

Ohne dieſe Aufgaben noch mit andern zu vermehren, oder auch nur die bereits erwähnten umſtändlich zu beweiſen, was uns hier zu weit führen würde, wollen wir uns begnügen, hier auf zwei intereſſante Anwendungen dieſer Fragen aufmerkſam zu machen, deren Nichtbeachtung bereits Viele in großen Schaden gebracht hat und die noch jetzt ihre nachtheiligen Wirkungen auf die bür - gerliche Geſellſchaft ausübt.

§. 60. (Anwendung dieſer Berechnung auf öffentliche Verſor - gungsanſtalten.) Wenn, wie ſchon das Sprichwort ſagt, nichts ungewiſſer iſt, als der Tod eines Menſchen, ſo verhält ſich dieß doch ganz anders, wenn von dem Tode einer großen Anzahl zu - ſammen lebender Menſchen die Rede iſt. Unſere zu verſchiedenen Zeiten und in verſchiedenen Ländern darüber angeſtellten Erfahrun - gen haben uns gelehrt, daß das Ausſterben großer Geſellſchaften, z. B. der ganzen Bevölkerung einer Provinz oder eines Landes, ſo lange nicht außerordentliche Fälle, verheerende Kriege oder403Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Krankheiten eintreten, äußerſt regelmäßig vor ſich gehe, und daß z. B. von einer Million in demſelben Jahre geborner Menſchen nach 18 Jahren nur die Hälfte, nach 46 Jahren der dritte, nach 55 Jahren nur mehr der vierte Theil derſelben lebe, und daß die Natur von dieſer Regel nur ſehr ſelten und auch dann noch nur ſehr geringe Ausnahmen mache. Dieſem gemäß hat man die ſo geſammelten Erfahrungen in Tafeln gebracht, die man Mortali - tätsliſten zu nennen pflegt. Die folgende iſt ein Auszug einer un - ſerer beſten, und ſie zeigt an, wie viel von 1000 zuſammen Ge - bornen nach 10, 20, 30 Jahren noch leben.

Dieſe Mortalitätstafel zeigt alſo, daß z. B. von 1000 in demſelben Jahre gebornen Menſchen im zwanzigſten Jahre noch 491, im fünfzigſten Jahre aber nur mehr 300 Lebende übrig ſind. Sie zeigt uns ferner, daß die eigentliche Lebenskraft der Men - ſchen in den erſten Jahren ſehr gering, daß ſie zwiſchen dem 10ten und 20ſten Lebensjahre am größten iſt, und daß ſie von da wieder abnimmt, bis ſie im 80ſten Jahre wieder ſo ſchwach wird, wie im Anfange.

Nennt man n die Zahl der erſten und (n) die entſprechende Zahl der zweiten Columne der vorhergehenden Tafel, wo alſo z. B. (n) = 300 für n = 50 iſt, ſo ſieht man aus dem bloßen Anblicke der Tafel, daß von 374 jetzt zuſammenlebenden 40jäh - rigen Menſchen nach 10 Jahren, wo alſo jeder von ihnen 50 Jahre alt iſt, nur mehr 300 leben. Alſo werden auch z. B. von 1000 zuſammenlebenden 40jährigen Menſchen nach 10 Jahren26 *404Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.noch x oder 1000mal 300 dividirt durch 374 leben, da man hat 374: 300 = 1000: x und überhaupt werden daher auch von N jetzt zuſammen leben - den n jährigen Menſchen nach t Jahren noch 〈…〉 Men - ſchen leben.

Da nun, nach §. 58, die einfache Wahrſcheinlichkeit des Ein - treffens eines Ereigniſſes gleich einem Bruche iſt, deſſen Zähler die Anzahl der günſtigen und deſſen Nenner die Anzahl aller mög - lichen Fälle überhaupt iſt, ſo iſt auch die Wahrſcheinlichkeit, daß eine von jenen N Perſonen, deren jede n Jahre alt iſt (n + t) Jahre erreiche, gleich der vorhergehenden Größe 〈…〉 dividirt durch N, das heißt dieſe Wahrſcheinlichkeit iſt gleich der Zahl 〈…〉 .

Auf dieſe Weiſe findet man alſo aus unſerer Tafel, daß die Wahrſcheinlichkeit w, daß ein bereits 40jähriger Menſch noch zehn Jahre lebe, gleich 〈…〉 oder 300 / 374 oder nahe 0,8 iſt. Ebenſo findet man für die Wahrſcheinlichkeit w', daß ein 50jähriger Menſch noch zehn Jahre lebe, den Ausdruck 〈…〉 oder 210 / 300 oder nahe 0,7, und ebenſo endlich iſt dieſe Wahrſcheinlichkeit w' 'für einen jetzt 60jährigen Menſchen gleich 0,5 u. ſ. w. Man ſieht, wie dieſe Wahrſcheinlichkeit mit dem zunehmenden Alter immer abnimmt.

So wie uns aber die Vorſchrift des §. 58 dieſe einfache Wahrſcheinlichkeit der Fortdauer eines Menſchen für irgend eine beſtimmte Anzahl von Jahren gegeben hat, eben ſo wird uns auch die Vorſchrift des §. 59 die zuſammengeſetzte Wahrſcheinlich - keit der Fortdauer der Verbindung von zwei oder mehreren Per - ſonen für eine beſtimmte Anzahl Jahre geben. Zu dieſem Zwecke werden wir nämlich, wie dort geſagt worden iſt, nur die zuvor bereits gefundenen einfachen Wahrſcheinlichkeiten multipliciren, um ſofort die geſuchte zuſammengeſetzte W. zu erhalten. Wenn alſo die405Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Wahrſcheinlichkeit, daß ein jetzt n jähriger Menſch noch t Jahr lebe, nach dem Vorhergehenden gleich 〈…〉 iſt, daß alſo auch die W., für einen n' jährigen Menſchen, noch t Jahre zu leben, gleich 〈…〉 iſt, ſo folgt daraus unmittelbar, daß die W., daß dieſe beide Perſonen nach t Jahren noch beiſammen leben, gleich dem Producte von 〈…〉 in 〈…〉 ſeyn wird, und ſofort für drei und mehrere Perſonen.

Man ſieht, wie von dieſen Rechnungen die wahrſcheinliche Dauer der Ehe zweier Perſonen verſchiedenen Alters oder auch das wahrſcheinliche Beiſammenleben der Aeltern mit ihren Kindern zuſammenhängt, und daß dieſe Wahrſcheinlichkeiten es ſind, auf welchen die richtige Berechnung unſerer ſogenannten Wittwen - und Waiſen-Penſionen beruht. So findet man z. B. für zwei Perſonen, davon die eine 40 und die andere 50 Jahr alt iſt, die Wahrſcheinlichkeit, daß ſie beide noch 10 Jahre beiſammen leben werden, gleich 0,8mal 0,7, oder gleich 0,56. Für 40 und 60jährige Perſonen iſt dieſe W. gleich 0,8mal 0,5, oder gleich 0,4 und für zwei 50 und 60jährige endlich 0,7mal 0,5 oder gleich 0,35. Sucht man aber die W., daß alle dieſe drei Perſonen, davon die eine jetzt 40, die andere 50 und die dritte 60 Jahre alt iſt, noch 10 Jahre mit einander leben, ſo iſt dieſe W. gleich dem Producte jener drei einfachen Wahrſcheinlichkeiten 0,8, 0,7 und 0,5 oder gleich 0,28 alſo viel kleiner, als alle jene vorher - gehenden einzelnen Wahrſcheinlichkeiten, wie dieß auch in der Natur der Sache ſo ſeyn muß.

§. 61. (Anwendung dieſer Berechnung auf unſere Glücksſpiele.) Wenn man drei Größen a, b und c zu je zweien unter ſich ver - bindet, ſo nennt man dieſe Verbindungen bekanntlich Amben. So hat man hier die drei Amben ab, ac und bc. Zwiſchen vier Größen a, b, c und d aber findet man ſechs Amben, nämlich die drei ebengenannten und dann noch die drei folgenden drei bd, ad und cd. Ebenſo wird man finden, daß 5 Größen 10 Amben, 6 Größen 15 Amben geben u. ſ. w. Betrachtet man dieſe Zah - len etwas genauer, ſo überzeugt man ſich bald, daß man über -406Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.haupt für n Größen die Zahl der Amben findet, wenn man n mit n 1 multiplicirt und das Product durch 2 dividirt.

Ebenſo erhält man die Ternen oder die Verbindungen die - ſer n Größen nach je dreien derſelben, wenn man die vorher - gehende Anzahl der Amben mit n 2 multiplicirt und durch 3 dividirt, ſo daß alſo 4 Größen 4, fünf Größen 10, ſechs Größen 35 Ternen geben u. ſ. w.

Auf dieſelbe Weiſe erhält man von n Größen alle möglichen Quaternen, wenn man die ſo eben gefundene Zahl der Ternen mit n 3 multiplicirt und durch 4 dividirt, und eben ſo end - lich auch die Zahl der Quinternen, wenn man die Zahl der Qua - ternen mit n 4 multiplicirt und durch 5 dividirt u. ſ. w.

Unſere gewöhnlichen Lotterien enthalten bekanntlich 90 Nu - mern, nämlich die natürlichen Zahlen 1, 2, 3 bis 90. Dieſe 90 Größen geben daher, nach dem Vorhergehenden, die Hälfte von 90mal 89 oder 4005 Amben, den dritten Theil von 4005mal 88 oder 117480 Ternen, den vierten Theil von 117480mal 87 oder 2555190 Quaternen, und den fünften Theil von 2555 190mal 86 oder 43949268 Quinternen.

Allein von dieſen 90 Numern werden bekanntlich in jeder Ziehung nur 5 gezogen oder unter dieſen 90 Zahlen gibt es nur 5 Treffer. Dieſe 5 Treffer geben alſo, wenn man darauf wieder die vorhergebende Regel anwendet

  • die Hälfte von 5mal 4 oder 10 Amben,
  • den dritten Theil von 10mal 3 oder 10 Ternen,
  • den vierten Theil von 10mal 2 oder 5 Quaternen und
  • den fünften Theil von 5mal 1 oder 1 Quinterne.

Da wir ſonach die Zahl aller möglichen und auch die Zahl aller günſtigen Fälle kennen, ſo werden wir auch leicht die Wahrſcheinlichkeit, daß einer von dieſen günſtigen Fällen eintrete, beſtimmen können. Dieſe Wahrſcheinlichkeit wird alſo (nach §. 58) gleich einem Bruche ſeyn, deſſen Zähler die Zahl der günſtigen und deſſen Nenner die Zahl aller möglichen Fälle iſt. Man er - hält ſonach, wenn man in eine ſolche Lotterie 2, 3, 4 oder 5407Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Zahlen ſetzt, für die Wahrſcheinlichkeit, daß man damit wenig - ſtens errathen wird

  • eine Ambe10 / 4005 oder 2 / 801
  • eine Terne10 / 117480 oder 1 / 11748
  • eine Quaterne5 / 2555190 oder 1 / 511038 und
  • eine Quinterne1 / 43949268

Wendet man auf die ſo gefundenen Wahrſcheinlichkeiten das - jenige an, was wir oben (S. 398) von den billigen Wetten ge - ſagt haben, ſo folgt daraus, daß dem Spieler, wenn er eine Ambe gewinnt, ſein Einſatz 801 / 2 oder nahe 400mal erſtattet werden ſollte: allein er erhält nur den 270fachen Einſatz. Ebenſo ſollte ihm, wenn er eine Terne erräth, ſein Einſatz 11747fach gegeben werden, er erhält ihn aber nur 5500fach, und bei einer Quaterne ſollte er den Einſatz 511038mal erhalten, während er ihn nur 75000mal erhält u. ſ. w. Man ſieht daraus die ſehr großen Nachtheile, welchen die Spieler in ſolchen Banken ausgeſetzt ſind, und wie thöricht es iſt, einen größern Theil ſeines Vermögens daran zu ſetzen, in der Hoffnung, daſſelbe zu vermehren.

Daſſelbe Glücksſpiel bietet noch eine Menge anderer in - tereſſanter Fragen dar, von welchen wir hier der Kürze wegen nur die vornehmſten mit ihren Antworten zuſammenſtellen.

Wenn man nur eine einzige Nummer geſetzt hat, ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß ſie herauskomme, oder daß dieſe Numer auch ein Treffer ſey, gleich 1 / 18.

Hat man zwei Numern geſetzt, ſo iſt die W., daß ſie auch beide herauskommen, oder daß man mit ihnen eine Ambe gewinne, nahe gleich 1 / 400, wie zuvor.

Die W., daß von zwei geſetzten Numern beide und zwar in einer beſtimmten Ordnung herauskommen, iſt gleich 1 / 800, und die W., daß von drei geſetzten Numern alle drei in einer beſtimm - ten Ordnung herauskommen, iſt 1 / 70488.

Wenn man bloß zwei Numern geſetzt hat, ſo iſt die W., daß von ihnen gewiß eine herauskomme, nahe gleich 1 / 10. Eben - ſo iſt die W., daß von drei geſetzten Numern wenigſtens eine herauskomme, gleich 3 / 20; die W. aber, daß zwei von ihnen herauskommen, iſt nur 1 / 100 und endlich die W., daß alle drei Treffer ſind, iſt gleich 1 / 1147, wie zuvor.

408Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

§. 62. (Wahrſcheinlichkeit, wenn die Anzahl der möglichen Fälle unbekannt iſt.) Allein alle die bisher angeführten Wahr - ſcheinlichkeiten ſetzen, wie man ſieht, voraus, daß die Anzahl der überhaupt möglichen Fälle bekannt iſt. Es gibt aber in der Natur eine Menge von Ereigniſſen ganz anderer Art, bei denen dieſe Anzahl der möglichen Fälle völlig unbekannt iſt, und dieſe ſind es vorzüglich, welche den Aſtronomen, den Phyſiker und überhaupt alle Diejenigen intereſſiren, denen es darum zu thun iſt, die Geſetze, nach welchen die Natur verfährt, durch eigentliche Beobachtungen, durch wiederholte Experimente näher kennen zu lernen. Wenn man nämlich den Werth einer oder auch mehrerer Größen, die man ſchon aus früheren Beobachtungen, wenigſtens beinahe, kennen gelernt hat, nun genauer beſtimmen will, ſo bleibt uns nichts übrig, als dieſe Beobachtungen mit aller uns mögli - chen Umſicht anzuſtellen und ſie, ſo viel es von uns abhängt, zu vervielfältigen. Auf dieſe Weiſe wird man z. B. für die Pol - höhe ſeines Ortes, oder für die Schiefe der Ecliptik oder für beide zugleich eine ſehr große Anzahl von Beſtimmungen erhalten, die unter ſich ſämmtlich, wenn auch nur wenig, verſchieden und über - dieß auch noch vielleicht von ſehr ungleichem Werthe (Gewichte) ſind, und es wird ſich nun darum handeln, aus allen dieſen Be - ſtimmungen diejenige herauszufinden, die der geſuchten Wahrheit zunächſt liegt. Man bemerkt ohne meine Erinnerung, daß dieſe Unterſuchungen einer ganz anderen Art ſind, als alle vorher - gehenden, und daß ſie zugleich für die endliche Ausbildung aller ſogenannten Naturwiſſenſchaften von der größten Wichtigkeit ſeyn werden, da ſie es eigentlich ſind, die uns von den unvermeid - lichen Fehlern unſerer Sinne, deren wir bei allen unſeren Beobach - tungen und Experimenten ausgeſetzt ſind, unabhängig machen und gleichſam den Menſchen von der beſchränkten Lage, in welche ihn die Natur verſetzt hat, befreien und ihn über ſich ſelbſt erheben, ihn zu einem Weſen höherer Art machen ſollten. Auch iſt jene Gat - tung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung, wo die Anzahl der über - haupt möglichen Fälle gegeben iſt, als die leichtere und einfachere ſchon ſeit längerer Zeit von Pascal, Moivre, Huygens, Leibnitz, Bernoulli u. A. ausgebildet worden, während die gegenwärtige erſt unſeren Tagen angehört, indem wir das Vorzüglichſte, was409Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.uns bisher davon bekannt geworden iſt, unſeren großen Zeitge - noſſen Laplace und Gauß verdanken.

Es würde dem vorgeſetzten Zwecke dieſer Schrift nicht ange - meſſen ſeyn, die von den beiden letztgenannten Männern zu dieſer Abſicht gegebenen Methoden hier umſtändlich mitzutheil n, da dieß ohne den Gebrauch vieler analytiſcher Formeln nicht ausführbar wäre. Wir müſſen uns daher bloß darauf beſchränken, die Wich - tigkeit, den Nutzen und die Anwendbarkeit dieſer neuen, höchſt intereſſanten Rechnung, wenigſtens in ihren allgemeinſten Zügen darzuſtellen und unſere Leſer auf den großen Einfluß aufmerkſam zu machen, welchen die hier in Rede ſtehenden Methoden, wenn ſie dermaleinſt weiter ausgebildet und gehörig angewendet ſeyn werden, auf die Tiefe ſowohl, als auch auf die Verbreitung der geſammten menſchlichen Erkenntniß äußern werden.

§. 63. (Der Begriff des Zufalls iſt in unſerer Unkenntniß der Dinge gegründet.) In der That, beinahe alle die wichtigen Fra - gen, die unſere geſelligen Verhältniſſe, die unſer bürgerliches und wiſſenſchaftliches Leben, die uns, unſere Beſorgniſſe und unſere Hoffnungen ſelbſt für die fernſte Zukunft betreffen, ſie laſ - ſen ſich alle auf dieſes große Problem der Wahrſcheinlichkeit zu - rückführen. Was ſind unſere menſchlichen Erkenntniſſe anders, als bloße Wahrſcheinlichkeiten? Selbſt in den mathematiſchen Wiſſenſchaften, wo wir uns ſo gern der erkannten reinen Wahrheit rübmen möchten, ſind doch die vorzüglichſten Mittel, uns ihr zu nähern, Analogie und Induction, die ſich beide wieder auf Wahrſcheinlichkeit gründen. Vor allem aber ſtellen ſich uns die Erſcheinungen der Natur, die geſammten Phänomene der phy - ſiſchen ſowohl, als auch ſelbſt der geiſtigen Welt, nur unter dem Bilde von Wahrſcheinlichkeiten dar, von welchen wir die Sache ſelbſt, die Wahrheit, welche ihnen zu Grunde liegt, nur ſelten oder bloß zufällig erfaſſen können.

Auch ſchreiben wir bei weitem die meiſten dieſer Erſcheinun - gen, da wir ihre Urſache und ihren Zuſammenhang nicht kennen, dem Zufalle zu, obſchon ſie, ſelbſt die geringfügigſten unter ihnen, ohne Zweifel eben ſo nothwendige Folgen derſelben ewigen Geſetze der Natur ſind, als es die Bewegungen der Sonne und aller Körper des Himmels nur immer ſeyn können. Auf dieſe Weiſe410Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.iſt, was wir Zufall nennen, nur der Ausdruck unſerer Unkennt - niß der Dinge. Vor der höchſten Erkenntniß der Welt muß alles als Zuſammenhang, und nichts als Zufall erſcheinen und auch für uns ſelbſt werden dieſe ſogenannten zufälligen Erſcheinungen, mit der Erweiterung unſerer Kenntniß der Dinge, immer mehr verſchwinden und die nächſte Folge davon wird ſeyn, daß ſich auch das Heer von Vorurtheilen vermindern wird, die ſo lange ſchon die Plage des armen Menſchengeſchlechtes ſind, und gegen die es, wie gegen den Moder der Verweſung, kein beſſeres Mittel gibt, als das helle Licht der Sonne, als das Licht der Aufklärung und der Crkenntniß.

Noch iſt es nicht ſo lange her, daß jede Finſterniß, jedes Nordlicht, jeder Komet, daß überhaupt jede ungewöhnliche Er - ſcheinung der Natur die Menſchen in Furcht und Schrecken ſetzte, weil ſie in ihren Augen als eben ſo viele Zeichen des göttlichen Zorns galten. Sie flehten zitternd zu dem Himmel, um dadurch die verhängte Strafe von ſich abzuwenden. Warum bitten ſie aber nicht auch denſelben Himmel, den Lauf der Sonne und der Planeten zu ändern? Weil ſie die Urſache dieſer Bewegungen kannten oder doch zu kennen glaubten, und weil ſie dieſe Plane - ten immer vor ſich hatten.

Von jenen Erſcheinungen aber, die nur ſelten wiederkamen und von deren Auftreten ſie ſich keine Rechenſchaft geben konnten, nahm jeder an, was ihm gut dünkte oder was ſeine erſchreckte Einbildungskraft ihm eben eingeben wollte. So haben wir ge - ſehen, daß der große Komet des Jahres 1456 Entſetzen über ganz Europa verbreitete, das ohnehin ſchon durch eine verheerende Peſt und durch die Verwüſtungen, welche die Türken um ſich verbreiteten, geängſtiget wurde. Wie ganz anders wurde die Erſcheinung deſ - ſelben Kometen zwei Jahrhunderte ſpäter aufgenommen, als New - ton das Geſetz des Weltſyſtems gefunden und uns gelehrt hatte, daß die Kometen, gleich allen andern Körpern unſeres Sonnen - ſyſtems, dieſem Geſetze gehorchen, und daß ſich die Bahnen, wel - che ſie am Himmel beſchreiben, beſtimmen und ihre Wiederkunft voraus berechnen laſſen. Früher war der Komet der Gegenſtand einer grundloſen Furcht, der Bote drohenden Unglücks, und jetzt iſt411Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.er ein Gegenſtand aufmerkſamer Beobachtung und Berechnung ge - worden.

Dieſelbe Regelmäßigkeit aber, die wir in der Bewegung der Kometen kennen gelernt haben, wird ohne Zweifel auch bei allen übrigen Erſcheinungen der Natur uns ſichtbar werden, wenn wir auch von ihnen die Geſetze, nach welchen ſie fortgehen, einmal kennen werden. Die krummen Linien, welche der Staub oder die, welche die Elemente der Luft um[uns] her beſchreiben, ſind gewiß eben ſo geordnet und eben ſo beſtimmten und unveränderlichen Geſetzen unterworfen, als die großen Bahnen, welche von jenen Himmelskörpern in dem Weltraume beſchrieben werden, und der Unterſchied, der zwiſchen beiden für uns noch ſtatt hat, liegt nicht in ihnen, ſondern einzig nur in uns ſelbſt, in unſerer Be - ſchränktheit, in unſerer Unkenntniß dieſer Gegenſtände. Denn ohne Zweifel iſt der gegenwärtige Zuſtand des Univerſums in al - len ſeinen, auch den geringfügigſten Theilen, nur die Folge eines vorhergegangenen, ſo wie zugleich die Urſache eines künftigen Zu - ſtandes deſſelben; und ein Geiſt, der alle Kräfte kennt, von wel - chen die Natur belebt iſt, und der den gegenwärtigen Zuſtand aller Weſen in ihren Wechſelwirkungen überſieht, wird mit Einem Blicke, vielleicht mit einem einzigen Ausdrucke ſeiner höheren Ana - lyſe, alle vergangenen und künftigen Phänomene der Natur zu umfaſſen im Stande ſeyn. Er würde ohne Zweifel die vergangenen und künftigen Bewegungen der Waſſertropfen im Weltmeere und der Sonnenſtäubchen in der Atmoſphäre ebenſo, wie die der Planeten und Kometen im Himmelsraume überſehen, für ihn würde kein Zu - fall, ſondern alles nothwendige Folge, für ihn würde keine Wahr - ſcheinlichkeit, ſondern alles nur Wahrheit ſeyn und die Vergan - heit, wie die Zukunft, würde klar und offen vor ſeinen Augen liegen.

§. 64. (Hinneigung aller Erſcheinungen der Natur zu einer ge - wiſſen Ordnung.) Mitten unter den höchſt veränderlichen und uns meiſtens zufällig erſcheinenden Phänomenen der Natur bemerken wir, daß die Unregelmäßigkeit derſelben in dem Maaße abnimmt, je öfter ſie vorkommen, und daß daher dort, wo anfangs der Zu - fall allein zu walten ſchien, eine Art von feſter Ordnung immer mehr ſichtbar zu werden ſcheint, die wir dann, vielleicht mit dem -412Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſelben Unrechte, einer gewiſſen, uns übrigens noch verborgenen Abſicht zuzuſchreiben geneigt ſind. Um dieß ſogleich durch ein Beiſpiel deutlich zu machen, wollen wir annehmen, daß eine Urne eine uns ganz unbekannte Anzahl von weißen und ſchwarzen Ku - geln enthalte. Wenn man bei jedem Zuge eine Kugel heraus - nimmt, ihre Farbe bemerkt und ſie dann wieder in die Urne zu - rücklegt, um eine neue Ziehung vorzunehmen, ſo wird man, je länger man dieſe Ziehungen fortſetzt, deſto deutlicher ein beſtimm - tes und conſtantes Verhältniß der beiden Farben bemerken, und dieß Verhältniß der gezogenen weißen und ſchwarzen Kugeln wird dem Verhältniß der überhaupt in der Urne enthaltenen weißen und ſchwarzen Kugeln immer näher kommen, je größer die An - zahl der Ziehungen iſt.

Denken wir uns, in einem zweiten Beiſpiele, eine Reihe kreisförmig um uns aufgeſtellter Urnen, deren jede eine große, übrigens willkührliche Zahl weißer und ſchwarzer Kugeln enthält. Zieht man dann eine Kugel aus der erſten Urne und wirft ſie in die zweite, ſchüttelt darnach die Kugeln der zweiten Urne und zieht aus ihr eine Kugel und wirft ſie in die dritte Urne u. ſ. f., bis man die aus der letzten Urne gezogene Kugel wieder in die erſte wirft, und ſetzt man dieſes Verfahren mit der ganzen Reihe von Urnen recht oft fort, ſo wird das Verhältniß der weißen und ſchwarzen Kugeln in jeder einzelnen Urne ſich dem conſtanten Verhältniſſe der weißen und ſchwarzen Kugeln in allen Urnen zuſammengenommen, immer mehr nähern, je länger jene Ver - ſuche fortgeſetzt werden.

Dieſelbe Erſcheinung, daß ſich alle, ſelbſt die zufälligſten Dinge, ſehr oft wiederholen, zu einer beſtimmten Regelmäßigkeit hinneigen, und zwar deſto mehr hinneigen, je öfter ſie wiederholt werden dieſe ſonderbare Erſcheinung dringt ſich uns gleich - ſam als ein allgemeines Geſetz bei allen Ereigniſſen der phyſiſchen und ſelbſt der moraliſchen Welt auf. Es ſcheint, daß gewiſſe conſtante Kräfte der Natur regelmäßige Wirkungen hervorbringen, und daß ſie eben dadurch andere veränderliche Einflüſſe mit der Zeit überwiegen und ſo gleichſam aus dem Schooße der Unordnung eine gewiſſe Ordnung, und aus der Verwirrung ſelbſt eine Art von Zu - ſammenhang und Harmonie erzeugen. Wenn wir bei dieſen Verſuchen413Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.einmal dahin gelangt ſind, dieſe Harmonie aufzufaſſen und das Ge - ſetz dieſes Zuſammenhangs zu erblicken, ſo ſind wir dann auch in den Stand geſetzt, die künftige Geſtaltung dieſer Ereigniſſe mit einer Sicherheit vorauszuſagen, von der wir uns ſelbſt nicht im - mer ſtrenge Rechenſchaft geben können und die den, mit weniger ſcharfen Sinnen oder mit einer ſchwächeren Auffaſſungsgabe be - theilten Zuſchauer ganz unerklärbar, ja wohl ſelbſt ein Wunder erſcheint. Wer von uns kann es ſagen, wie viele von den außer - ordentlichen Erſcheinungen, deren unſere Weltgeſchichte und oft ſchon die Geſchichte manches einzelnen Menſchen ſo voll iſt, auf dieſe und nur auf dieſe Weiſe erklärt werden können? Muß man nicht auch die für unſere geſelligen Verhältniſſe ſo wichtigen Ge - burts - und Sterbe-Tafeln, von welchen wir oben geſprochen haben, aus derſelben Quelle ableiten? Wie ſollte man ſich ſonſt erklären können, warum die Anzahl der Geburten und der Sterbefälle eines Landes, ungeachtet der Veränderungen einzelner Jahre, wenn man ſie aus einer großen Anzahl von Jahren ableitet, im - mer ſehr nahe dieſelben Reſultate geben? Daſſelbe hat mit den Erzeugniſſen des Bodens, ja ſelbſt mit den einzelnen Fruchtarten ſtatt, und es würde nicht ſchwer ſeyn, aus der moraliſchen Welt ebenfalls Beiſpiele für den Beleg dieſes Satzes anzuführen.

§. 65. (Trieb zur Vereinigung gleichgeſtimmter Weſen.) Da - hin ſcheint jene wunderbare Sympathie oder der Trieb zur Ver - einigung ähnlicher Weſen in der materiellen ſowohl, als auch in der geiſtigen Welt zu gehören. Zwei Pendel oder zwei Uhren, deren Gang anfangs verſchieden iſt, erhalten endlich, wenn ſie auf derſelben Unterlage angebracht ſind, einen ganz gleichen Gang. Auf dieſe Bemerkungen gründen ſich Breguet’s ſogenannte ſym - pathetiſche Uhren, die beide in Einem Gehäuſe eingeſchloſſen, endlich ganz denſelben, ſelbſt fehlerhaften Gang annehmen. Ge - ſpannte Saiten geben, wenn auch nur eine derſelben berührt wird, die gleichen oder doch die verwandten Töne. Auf dieſelbe Art ſehen wir auch die Thiere verſchiedener Gattung, aber von ähn - licher Organiſation, nach Vereinigung ſtreben und mehrere der - ſelben ſich in Gruppen und Heerden bilden. Selbſt über viele Geſchlechter der Pflanzen ſcheint ſich eine Art von Familienband zu ſchlingen und ſie zu einem gemeinſchaftlichen Ganzen zu ver -414Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.einigen. Ohne Zweifel haben die Zuſammentretungen der Men - ſchen zu größeren Geſellſchaften und zu ganzen Staaten denſelben Urſprung. Und wie in der Ehe, wie in der Liebe der Aeltern zu ihren Kindern und dieſer zu jenen, ſehen wir auch in dieſen größe - ren Geſellſchaften, daß der ſtärkere Geiſt daſſelbe Vergnügen in der Leitung und Beſchützung des ſchwächeren findet, welches die - ſer in der Hingebung und in dem Gehorſam gegen jene genießt. Verwandte Gefühle und Empfindungen, in einem Kreiſe mehrerer Menſchen erregt, verſtärken ſich durch gegenſeitige Mittheilungen, wie wir täglich in unſeren Schauſpielen und noch mehr in den - jenigen Gegenden ſehen können, wo dieſe Mittheilung durch keine äußere Hemmung beſchränkt iſt. So mächtig werden dadurch oft jene Empfindungen geſteigert, daß ſie zur Begeiſterung, ſelbſt zum Fanatismus führen, daß ſie das Gemüth eines ganzen Vol - kes bis zu einer Art von Wuth erhitzen, daß ſie ſich mit einer unwiderſtehlichen Kraft verbreiten und unglaubliche, an das Wun - derbare gränzende Wirkungen hervorbringen, wie unſere Ge - ſchichtsbücher auf mehr als einer Seite bezeugen. Es iſt mög - lich, daß die oft eben ſo ſchwer zu beſiegende Sympathie, welche die Muskeln unſers Geſichtes verzieht, wenn wir einen anderen lachen oder gähnen ſehen, aus derſelben Quelle entſpringt. Un - ſere Augenlieder ſchließen ſich ſchnell und unwillkührlich vor jeder plötzlich auffallenden Gefahr, noch ehe ſie die Wirkung unſeres Willens erreicht und wir machen die Bewegung des Ausweichens vor einem uns begegnenden Hinderniſſe, wenn wir gleich noch weit von ihm entfernt ſind, ja oft ſchon bei der Erzählung oder bei dem bloßen Gedanken an eine ſolche Gefahr.

Die Erzählung großer Thaten erregt nicht bloß Begeiſterung, ſondern auch den Trieb der Nachahmung, beſonders bei jungen Gemüthern, und weniger glücklich organiſirte Menſchen ſind durch Räubergeſchichten zu einer ähnlichen Nacheiferung angereizt worden.

§. 66. (Aehnliche Operationen unſeres Gedächtniſſes.) Auch in unſeren Erinnerungen an längſt vorübergegangene Ereigniſſe liegt noch viel Geheimnißvolles, das einer genaueren Unterſuchung in hohem Grade würdig iſt. Wir fühlen eigene innere Bewe - gungen, wenn wir uns an einen Namen oder an eine Sache er - innern wollen. Es iſt, als ob wir das Verlorne, nicht in dem415Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ganzen Kopfe, ſondern nur in einem Theile, in einem beſtimmten Winkel deſſelben ſuchen dürften, etwa wie man eine in einem Kaſten verlegte Schrift nur in gewiſſen Fächern deſſelben ſucht, wo ſie, einer innern Ahnung gemäß, liegen muß. Eindrücke der früheſten Jugend erhalten ſich oft noch bis in das ſpäte Alter, während die der männlichen Jahre ſchon längſt entſchwunden ſind. Wir behalten die Dinge, die wir am Abend eines Tags gehört oder gelernt haben, am ſicherſten, und vergeſſen im Gegen - theile jene am leichteſten, die wir etwa aus einem Buche un - mittelbar vor dem Einſchlafen erhalten haben. Verwickelte Unter - ſuchungen, wenn man ſie einige Tage ruhen läßt und ſich abſicht - lich von ihnen entfernt, treten dann gewöhnlich mit friſcher Klar - heit aus ihrem Dunkel hervor. Wir bewundern mit Recht das ungewöhnlich ſtarke Gedächtniß einiger Menſchen. Aber wenn man bedenkt, welche unüberſehbare Maſſe von Dingen auch das gewöhnlichſte Gedächtniß eines jeden Menſchen in ſich aufnimmt, ſo müſſen wir erſtaunen, daß ſo viele Gegenſtände in einem ſo kleinen Raume ohne Verwirrung Platz haben können. Einem Sänger in unſern Opern z. B. muß heute jede Sylbe ſeiner Rolle, ihr Ton, ihr Zeitmaaß und die ſie begleitende Gebehrde, klar und lebhaft vorſchweben und die folgende Rolle des morgenden Tages muß wieder allen jenen geſtrigen Vorrath in den dunklen Hin - tergrund zurückdrängen, um einem neuen, unüberſehbaren Heere von Erinnerungen ſeine Stelle abzutreten. Alle dieſe endloſen Reihen liegen zu gleicher Zeit in dem Gedächtniſſe des Sängers und können, nach Willkühr, wie die Regiſter einer Orgel, her - vorgezogen oder zurückgeſtellt werden.

§. 67. (Gewohnheiten.) Dieſe und viele andere Operationen unſeres inneren Sinnes werden, wie wir Alle erfahren, durch Wiederholung ſtärker und geläufiger. Dieſe Wiederholungen, wir mögen ſie nun ſelbſt vornehmen oder bloß an Andern häufig genug bemerken, bilden alsdann unſere Gewohnheiten und auf dieſen endlich beruht ein großer Theil unſerer Gebräuche und ſelbſt unſerer Sitten. Nur aus dieſer Gewohnheit läßt es ſich erklä - ren, warum ſo oft, was bei dem einen Volke für gut und ſchick - lich gehalten wird, bei dem anderen ſchlecht und ſelbſt abſcheulich erſcheint. Die Gladiatorenſpiele der alten Römer und die Men -416Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.ſchenopfer der Wilden erregen Entſetzen auch bei Jenen, die doch ohne Anſtand Tauſende von ihren Brüdern, bloßer Meinungen wegen, dem Scheiterhaufen übergeben oder ihre Blicke an den Leiden eines Verurtheilten laben, oder ein mit Leichen beſäetes Schlachtfeld mit Vergnügen ſehen und ſich dieſes Vergnügens noch als einer Tugend rühmen können.

Die Gewohnheit ſcheint einer der mächtigſten Hebel der menſch - lichen Geſellſchaft zu ſeyn. Es würde gewiß ſehr ſchlecht um uns ſtehen, wenn wir alles nur aus Ueberzeugung thun ſollten und wenn wir zu nichts frühe ſchon gewöhnt worden wären. Gar Vieles und vielleicht das Beſte in jedem Menſchen iſt nur durch Gewohnheit von Jugend auf in ihm entſtanden. Wenn unſere Erzieher, die der jungen ſowohl, als die der alten Kinder, dieſe Wahrheit ganz einſehen und ſie in das praktiſche Leben einführen wollten, ſo würde unſere moraliſche Welt eine ganz andere Ge - ſtalt annehmen. Aber ſie vergeſſen Beide, ſo oft ſie auch das Ge - gentheil davon im Munde führen, daß ihre Zöglinge ebenſowohl Geiſt als Körper ſind, und daß man dieſe beiden Dinge nicht ſo leicht trennen kann, als ſie meinen. Das, was in unſerem Geiſte die ſogenannte Ueberzeugung hervorbringt, iſt nicht immer der ei - gentliche Beweis. Wie wenig Sachen gibt es, die wir wirklich als bewieſen annehmen können! Die meiſten Menſchen ſehen, was ſie auch am beſten zu ſehen glauben, nur wie durch einen Nebel. Eure Beweiſe wirken nur auf den Geiſt, aber Gewohn - heit reißt Geiſt und Körper mit ſich fort, und zu ihr muß man im praktiſchen Leben, wo uns die Beweiſe ſo oft verlaſſen, wieder zurückkehren. Wer dieſe Beweiſe immer gegenwärtig haben will, wird ſich viele unnütze Geſchäfte machen und nie zu Ende kom - men. Gewohnheit geht ſicherer und ſchneller zugleich. Die beſte Erziehung und die beſte Regierung iſt die, welche die Kinder und die Leute gewöhnt hat, gut zu ſeyn. Grundſätze verlaſſen uns in der Stunde der Gefahr, aber Gewohnheit iſt eine zweite Na - tur, die uns nie verlaſſen kann. Rechtthun aus Grundſatz mag verdienſtlicher fern, aber Rechtthun aus Gewohnheit iſt ſicherer, wenigſtens für ſo ſchwache Geſchöpfe, die ſich ſelbſt die Engel nicht anders denken können, als Weſen, die bloß aus der Urſache gut ſind, weil ſie, etwa wieder aus Gewohnheit, gut ſeyn müſſen.

417Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

§. 68. (Inſtinct der Menſchen.) Wir pflegen in der uns, wie es ſcheint, ſchon angebornen Beſcheidenheit unſeren eigenen Werth ſo hoch anzuſchlagen, daß wir mit den anderen lebenden Weſen auf dieſer Erde durchaus nichts gemein haben wollen. Wir ſpre - chen ihnen erſtens den Verſtand ab und wollen zweitens nichts von ihrem Inſtinct an uns haben, und wir irren uns wahrſcheinlich in beiden Fällen. Die meiſten der vorhergehenden Bemerkungen zeigen uns, daß in unſerm inneren, ſogenannten geiſtigen Organismus ein ſehr großer Theil demjenigen angehört, was wir bei den übrigen Ge - ſchöpfen Inſtinct zu nennen pflegen. Bei einer unpartheiiſchen Be - trachtung unſerer Handlungen und beinahe aller unſerer geiſtigen Functionen geht keineswegs, wie wir uns wohl zuweilen ſelbſtge - fällig zu ſchmeicheln pflegen, Ueberlegung, Vernunftgrund und freie Wahl voraus, ſondern meiſtens nur ein gewiſſes zwar dunk - les, aber mächtig beſtimmendes Gefühl, das Menſchen von glücklicher Organiſation nur ſelten trügt, und das uns ſicherer leitet, als alles ſchulgerechte Raiſonnement. Auch iſt es jenes dunkle Gefühl, was uns zum Handeln führt, da das, was wir Vernunftſchlüſſe nennen, meiſtens ſpäter, erſt hinter jenem Gefühle, nachkömmt und mehr dazu dient, jene erſte Senſation zu control - liren. Die gütige Natur ließ es bei dem Menſchen, wie es ſcheint, nicht gern auf die Vernunft allein ankommen, und ſie ſchickt oft ſchon den Trieb über uns, wenn wir mit dem Beweiſe noch lange nicht fertig ſind. Auf dieſe Weiſe greift der Inſtinct beinahe im - mer dem geſchloſſenen Urtheile vor. Das Brauchbarſte im Leben hat gewöhnlich Jeder unter uns nicht von Andern gelernt: es wohnt uns bei, und wir kommen dazu, ohne ſelbſt recht zu wiſſen, auf welche Art. Am deutlichſten ſehen wir dieß in jenen Dingen, in welchen wir eigentlich nichts, als eben auf dieſe Weiſe ſehen: ich meine, in unſeren ſogenannten hyperphyſiſchen Wiſſenſchaften. Denn beſteht nicht z. B. unſere Metaphyſik, und unſere ganze Philoſophie dazu, eigentlich doch nur darin, uns deſſen etwas deutlicher, oder ſoll ich ſagen etwas gelehrter bewußt zu machen, was wir auch ohne Metaphyſik eigentlich ſchon längſt gewußt haben?

Die ſtärkſte Leidenſchaft unter allen, die des Menſchen Herz be - wegt, diejenige, die keinen Widerſtand kennt und kein Opfer ſcheut,Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 27418Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.iſt die Liebe der Mutter zu ihrem Säuglinge. Jede andere Liebe, ſo große Anſprüche ſie auch auf ihre Uneigennützigkeit machen mag, liebt doch, in letzter Inſtanz, nur ſich ſelbſt. Bei weitem die meiſten Menſchen thun alles, was ſie thun, nur ihres Vortheils wegen, und die wir die Edleren nennen, ſind von den andern nur dadurch verſchieden, daß ſie ſich edlere Vortheile zu den Beweg - gründen ihrer Handlungen wählten. Wenn es die Natur ſo wollte, was können wir dagegen thun? Dieſe Einrichtung iſt vielleicht ſehr weiſe und zur Erhaltung des ganzen Geſchlechts ſo nöthig, als die Empfindlichkeit zur Erhaltung des Körpers. Wenn wir uns aber dadurch gedehmüthigt fühlen, ſo wollen wir uns dafür mit der Bemer - kung zufrieden ſtellen, daß es unſerem Scharfſinne keine Schande bringe, den Betrug ausfindig gemacht zu haben, den uns die Natur, ohne Zweifel zu unſerem eigenen Beſten, ſpielen wollte. Alſo nur in der mütterlichen Liebe zu ihrem neugebornen Kinde äußert ſich, bei Menſchen, wie bei Thieren, eine unwiderſtehliche, von allem Eigen - nutz auch der edelſten Art ganz reine Anhänglichkeit an ein äußeres Weſen. Und worauf hat die Natur dieſe mächtigſte der Leidenſchaften gebaut? Auf Vernunftgründe? Dann wehe der Erhaltung des Ge - ſchlechts! Hat ſie doch nicht einmal jene andere Liebe, die wir vorzugs - weiſe mit dieſem Namen zu bezeichen pflegen, auf einer ſo gebrechlichen Baſis errichten wollen, wie ſchon die große Macht beweist, welche dieſelbe, ſelbſt gegen die lauteſte Stimme der Vernunft, ſo oft und auf die meiſten von uns auszuüben pflegt.

Es wäre beſſer, daß wir, ſtatt uns noch ferner mit den ver - meinten höheren Gaben zu brüſten, mit welchen uns die Natur zum Nachtheile aller anderen Geſchöpfe ſo reichlich beſchenkt ha - ben ſoll, diejenigen Gaben, die wir in der That erhalten haben, ganz unpartheiiſch etwas näher kennen zu lernen ſuchten, als wir bisher gethan haben. Unſere Philoſophen ſollten, ſtatt der un - fruchtbaren Speculationen, mit welchen ſie ihre Zeit vergenden, vielmehr dieſe innere Organiſation des Menſchen genauer kennen lernen. Noch fehlt es uns zu ſehr an Beobachtungen und Erfah - rungen, um die Natur von dieſer uns ſo nahen und zugleich ſo intereſſanten Seite mit Nutzen ſtudieren zu können. Das würde dermaleinſt eine Phyſiologie höherer Art geben und uns eine ganz neue Welt von Kenntniſſen öffnen. Was ſtünde da zu erwarten und419Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.wie beneidenswerth müßten uns unſere Enkel erſcheinen, wenn ſie einmal dahin gelangen ſollten, die Erſcheinungen und Geſetze die - ſes inneren Organismus zu erkennen und auf ihn die Kraft der Analyſe und unſere Wahrſcheinlichkeitsrechnung ebenſo anzuwenden, wie wir ſie bisher, nach Newtons Beiſpiel und Anleitung, auf die Erſcheinungen der Außenwelt, auf die Geſetze der Bewegungen der Himmelskörper angewendet haben.

Allein ſo wie die Aſtronomie, ſo lange ſie in den Händen der griechiſchen Philoſophen war, die nur raiſonniren, aber nicht beob - achten wollten, unfruchtbar blieb, ſo lange wird auch dieſe - here Phyſiologie, oder die eigentliche Pſychologie des Menſchen, in ihrer bisherigen Nacht verborgen bleiben, bis man eine hinlängliche Maſſe guter Beobachtungen und Erfahrungen über dieſen Gegenſtand geſammelt haben wird. Noch fehlt es uns beinahe gänzlich an denſelben, und ſelbſt die Inſtrumente, mit welchen man dieſe Beobachtungen anſtellen ſoll, ſind uns größtentheils noch unbe - kannt. Die Erſcheinungen, um die es ſich hier handelt, werden überdieß zu den gewöhnlichen und alltäglichen gezählt und entge - hen eben dadurch unſerer Aufmerkſamkeit, obſchon ſie derſelben in dem höchſten Grade würdig ſind, da wir nur durch ſie zu einer nähern Kenntniß unſerer ſelbſt kommen können. So lange wir bei irgend einer Unterſuchung der Natur, der äußeren ſowohl als auch der inneren, nicht meſſen und wägen können, ſo lange kön - nen wir auch nicht rechnen, und wo Rechnung fehlt, fehlt das Beſte, wo nicht Alles. Vielleicht iſt das beſte Mittel, dieſe Meſſun - gen vorzunehmen, in uns ſelbſt verborgen und wir haben bisher nur nicht Geſchicklichkeit genug gehabt, es gehörig anzuwenden. Die thieriſchen Nerven ſind vielleicht die feinſten Inſtrumente, die man zur Beobachtung der Natur gebrauchen kann, beſonders wenn ſie durch irgend einen Zufall in den Stand einer höheren Reiz - barkeit verſetzt werden. Durch ſie hat man die äußerſt ſchwache Electricität entdeckt, welche durch die Berührung zweier heterogenen Metalle erregt wird, und ſie ſind es auch, die uns jene ſonderbaren Erſcheinungen kennen gelehrt haben, die wir, ſo wenig wir auch noch von ihnen wiſſen, dem thieriſchen Magnetismus und dem Ein - fluſſe der Sonne und des Mondes auf verſchiedene Krankheiten zu - ſchreiben. Dieſe Wirkungen ſind, wenn ſie anders in der That27 *420Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.exiſtiren, ohne Zweifel nur ſehr ſchwach, und ſie können daher leicht verkannt und von einer zu lebhaften Phantaſie überſchätzt werden: aber dieß kann kein Grund ſeyn, ſie, wie Manche gethan haben, ohne alle weitere Unterſuchung zu verwerfen. Wir ſind noch ſo weit entfernt, alle Agentien der Natur zu kennen, daß es durchaus nicht gebilliget werden kann, die Exiſtenz ſolcher Er - ſcheinungen bloß aus der Urſache zu läugnen, weil ſie uns, bei dem gegenwärtigen Zuſtande unſerer Kenntniſſe, noch unerklärbar oder unglaublich erſcheinen. Auch hier wird man es ſich daher, nach jenem goldenen Wahlſpruche, angelegen ſeyn laſſen, alles zu prüfen und das Beſte zu behalten. Wie vieles iſt in unſeren Tagen als eine ausgemachte Wahrheit ſelbſt bis zu dem ge - meinſten Manne vorgedrungen, was in der Vorzeit als Thorheit verlacht oder als Irrthum verfolgt worden iſt. Man denke nur an unſere ehemaligen Aſtrologen, Zauberer, Traumdeuter, an un - ſere dämoniakiſchen Perſonen und an die ſchändlichen Hexenpro - zeſſe, denen ſo viele Unſchuldige zum Opfer gebracht wurden. Der Menſch iſt halb Geiſt, halb Körper, wie der Polyp halb Pflanze und halb Thier und an den Gränzen liegen immer die ſonderbarſten Geſchöpfe. Durch dieſe Sonderbarkeit ſelbſt wird ſchon das Intereſſe der Unterſuchung vermehrt, wenn ſie auch nicht ſonſt ſchon ſo innig mit unſerem eigenen Wohl und Wehe verbunden wäre. Was iſt kläglicher, als ein von Vorurthei - len befangener Geiſt, den Viſionen und Träume feſſeln, der im - mer fürchtet und keinen Augenblick ſich ſeines Daſeyns rein er - freuen kann. Und, welches Mittel gibt es gegen dieſes Unglück, als Bildung und Aufklärung und eine wahre Erkenntniß der Na - tur und unſerer eigenen Beſtimmung? Nur mit Schauder kann man an die vielen und traurigen Verirrungen denken, welchen ſich nicht bloß der Einzelne, ſondern ſogar ganze Völkerſchaften durch mehrere Jahrhunderte ohne Anſtand und mit einer Hart - näckigkeit hingegeben haben, die weder die Vernunft, noch die Erfahrung, noch das Unglück ſelbſt in ſeiner häßlichſten Geſtalt zu beſiegen vermochten. Dieſe Vorurtheile verbitterten ihr Leben, hielten ſie in beſtändiger Beſorgniß, verfolgten ſie bis in ihre Träume aber alles dieß vermochte nichts über das arme Men - ſchengeſchlecht, das ſich allen Qualen der Einbildungskraft willig421Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.hingab, um nur dadurch ſeine Luſt zu büßen, in der Zukunft zu leſen und das Unmögliche möglich zu machen.

Den Grund einer ſo betrübenden und ſo allgemeinen Erſchei - nung müſſen wir wohl in derſelben inneren Einrichtung unſeres We - ſens, in jener geiſtigen Phyſiologie ſuchen, die dort anfängt, wo unſere materielle Phyſiologie aufhört, und die ohne Zweifel, ſo wie dieſe, beſtimmten Geſetzen unterworfen iſt, deren nähere Kenntniß uns daher nicht anders als höchſt intereſſant ſeyn kann. Schon hat man es verſucht, einige dieſer Erſcheinungen aus dem Dunkel her - vorzuziehen, in welchem ſie bisher verborgen waren, und auf ſie die Wahrſcheinlichkeitsrechnung anzuwenden. Aber dieſe Ver - ſuche ſind noch zu neu und die Unterſuchungen ſelbſt vielleicht zu ſchwer, als daß man ſobald ſchon ihrer Vollendung entgegen ſehen ſollte. Hier wird es genügen, nur einige der vorzüglichſten derſel - ben kurz anzudeuten.

§. 69. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf das öffent liche Leben.) Da auf das Zuſammenleben der Menſchen in gan - zen Völkerſchaften ſo viele äußere und innere Urſachen einwirken, ſo wird es ſelbſt dem ſcharfſinnigſten Beobachter oft unmöglich, dieſe Wirkungen von einander zu trennen und ſich bis zu einer klaren Anſicht des Gegenſtandes zu erheben. Auch fehlt es uns hier mehr, als ſonſt wo, an hinlänglichen Erfahrungen. Hätte man z. B. in jedem Zweige der öffentlichen Adminiſtration ſeit Jahrhunderten die neu eingeführten Experimente mit ihren guten oder böſen Folgen genau aufgezeichnet, ſo würde man jetzt über den Nutzen oder Schaden derſelben ein beſtimmtes Urtheil fällen können. Aber wie wenige allgemeine und vollkommen bewährte Regeln wird man über dieſen ſo wichtigen Gegenſtand anführen können. So ſcheint es uns Allen klar, daß man dem unabweis - lichen Fortgange des Ganzen der menſchlichen Geſellſchaft in ma - terieller und intellectueller Hinſicht keinen Damm entgegen ſetzen ſoll; aber es iſt wohl nicht minder gewiß, daß man jede größere Veränderung nur mit der äußerſten Umſicht vornehmen darf, wenn man nicht auf neue, oft ganz unbefiegbare Hinderniſſe ſtoßen will. Die Vergangenheit kennen wir bereits durch unſere eigene Erfahrungen: aber die Uebel, welche jede Neuerung mit ſich füh - ren kann, ſind uns noch ganz fremd. In dieſer Unkenntniß der422Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Zukunft gebietet uns die Vernunft ſowohl, als auch jene Rech - nung, vor allem Vorſicht und Vermeidung aller heftigen Aen - derung, bei welcher, wie bei einem gewaltſamen Stoße in der ma - teriellen Welt, immer ſehr viel von dem verloren geht, was man in der Mechanik die lebendige Kraft des Syſtems zu nennen pflegt.

§. 70. (Wahrſcheinlichkeitsrechnung bei Zeugenausſagen.) Die Wahrſcheinlichkeit der Zeugenausſagen bei unſeren Gerichten zu kennen, muß für den Richter ſowohl, als auch für den Gerichteten von der größten Wichtigkeit ſeyn. Oft zwar wird es ſehr ſchwer und oft ſogar unmöglich ſeyn, auf dieſem Wege die geſuchte Wahrheit zu erhalten, da die meiſtens unbekannte Wahr - heitsliebe des Menſchen und der Grad ſeiner Einſicht des Gegenſtan - des die Sache ſelbſt mannigfaltig verändern kann. Wenn aber dieſe beiden Umſtände einigermaßen bekannt ſind, ſo läßt ſich unſere neue Rechnung in der That darauf anwenden.

Ein Zeuge ſagt vor Gericht aus, daß unter mehreren Fäl - len, von denen man nur n als möglich erkennt, ein beſtimmter dieſer n Fälle in der That ſtatt gehabt habe. Iſt dann w die Wahrhaftigkeit des Zeugen, das heißt der Grad der Verläßlich - keit, daß er die von ihm als Wahrheit erkannte Sache auch in der That ausſagen will und iſt s die Sicherheit deſſelben, d. h. der Grad der Verläßlichkeit, daß er ſich in ſeiner eigenen Anſicht nicht ſelbſt geirrt habe, ſo iſt, wie unſere Analyſe zeigt, die Wahr - ſcheinlichkeit, daß jener beſtimmte Fall in der That ſtatt gehabt hat, gleich dem Producte von w in s, mehr dem Producte von 1 w in 1 s durch n 1 dividirt.

Aus dieſer allgemeinen Formel laſſen ſich eine Menge beſonderer Fälle ableiten. Iſt man z. B. von der Wahrhaf - tigkeit oder Redlichkeit des Zeugen vollkommen überzeugt, ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage gleich dem Pro - ducte von w in s. Ganz daſſelbe hat auch ſtatt, wenn man von ſeiner Sicherheit, d. h. von der Richtigkeit ſeiner Ein - ſicht vollkommen überzeugt iſt. Muß man aber vorausſetzen, daß er eben ſo leicht redlich als unredlich ſeyn, und daß er eben ſo leicht die wahre als auch eine falſche Anſicht von der Sache haben kann, welche Vorausſetzung meiſtens ſtatt haben wird, ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage gleich , alſo etwas kleiner als ½. 423Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Wären ſtatt 3 möglichen Fällen 4, 5, 10 oder 100 Fälle möglich, ſo würde die Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage nach der Ordnung , 5 / 16, 10 / 36, und 100 / 396, alſo immer näher an ¼ kommen, d. h. wenn die Anzahl der möglichen Fälle unendlich groß iſt, ſo iſt die W. der Ausſage eines ſolchen Zeugen nur gleich ¼, oder es iſt dreimal wahrſcheinlicher, daß ſeine Ausſage falſch iſt, als daß ſie richtig ſey.

Nehmen wir in einem zweiten Beiſpiele an, daß zwei Zeugen, von deren richtiger Anſicht (Sicherheit) man überzeugt iſt, und deren Wahrhaftigkeit (Redlichkeit) bei beiden gleich w iſt, über ein Ereigniß, von welchem aber nur zwei Fälle möglich ſind, gleichlautend daſſelbe ausſagen, ſo iſt die W., daß ſie die Wahrheit ausſagen, gleich w2 dividirt durch die Zahl w2 + (1 w) 2. Iſt alſo z. B. w gleich ½, d. h. muß man voraus - ſetzen, daß beide Zeugen eben ſo gut redlich als unredlich ſeyn können, ſo iſt die W. ihrer Ausſage gleich ½, alſo ihre Ausſage ganz ebenſo wahrſcheinlich, als das Gegentheil derſelben. Iſt aber w nur gleich , ſo iſt die W. der gleichlautenden Aus - ſage beider Zeugen gleich . Sind aber nicht zwei, ſondern drei ſolche gleichlautende Zeugen vorhanden, ſo iſt die W. ihrer ge - meinſchaftlichen Ausſage, wenn wieder w gleich iſt, gleich 1 / 9, iſt aber w gleich , ſo iſt jene W. gleich 8 / 9, alſo ſchon ſehr groß, und noch größer wird dieſe W., wenn von dem Ereigniſſe nicht bloß zwei, ſondern mehrere Fälle möglich ſind.

§. 71. (Wahrſcheinlichkeitsrechnung bei Wahlen.) Die Wah - len der Candidaten zu Aemtern hängen gewöhnlich von der Mehr - heit der Stimmen, aber auch von der Einſicht und Unpar - theilichkeit der Wählenden ab, welche letzte nur ſchwer einer Be - rechnung unterworfen werden können. Doch gibt es auch hier einige allgemeine Geſetze, die ſchon der gemeine Verſtand vor - ſchreibt und die von der Analyſe beſtätiget werden. Wenn es z. B. den Wählenden an Einſicht fehlt, wenn das Amt beſonders wichtig iſt, wenn die Sache, die man dadurch zu erreichen ſucht, mit allgemein angenommenen Vorurtheilen im Streite liegt, dann wird die gewöhnlich beliebte Mehrheit der Stimmen deſto eher auf Irrwege führen, je größer die Anzahl der Stimmenden iſt. Daher ſollten größeren Verſammlungen nur ſolche Dinge zur Ent - ſcheidung überlaſſen werden, die der größere Theil der Menſchen424Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.bereits näher kennt; daher ſollte vorzüglich diejenige Klaſſe der menſchlichen Geſellſchaft durch Bildung und wahre Aufklärung ſich auszeichnen, die über das Schickſal der andern zu entſcheiden beſtimmt iſt.

Die ſicherſte Art, unter mehreren vorgeſchlagenen Candidaten Einen zu wählen, iſt die, wo jeder Wähler die Namen dieſer Candidaten auſſchreibt und ihnen diejenigen Zahlen beiſetzt, die, nach ſeiner Anſicht, die Verdienſte der Candidaten zu dieſer Wahl ausdrücken ſollen. Wenn z. B. vier Wähler über drei Candida - ten A B C folgende Liſte eingeben:

ſo hat der erſte Candidat 20, der zweite 25 und der dritte 12 Stimmen, alſo der zweite die meiſten und der dritte die wenig - ſten, daher der zweite gewählt wird. Wenn aber die Wähler ihre Liſten nur ſo abgeben, daß der zuerſt ſtehende Candidat als der würdigſte, der zweite als der nächſtwürdige gehalten wird, wenn z. B. jene vier Wähler folgende Liſte eingeben:

ſo denkt man ſich von dem unterſten Candidaten einer jeden Reihe anzufangen, die Zahlen 1, 2, 3 beigeſchrieben und verfährt, wie zuvor. Auf dieſe Weiſe hat der Candidat A die Zahlen 2, 3, 2 und 1 alſo 8 Stimmen, B aber 9 und C endlich 7, alſo hat B wieder die meiſten und C die wenigſten Stimmen.

Da aber die Intereſſen der Wähler und andere, den Ver - dienſten der Candidaten oft ganz fremde, Rückſichten den Zweck, den man durch dieſe Wahlen erreichen will, oft ſtören, ſo möchte es am gerathenſten ſeyn, bei den Wahlen durch abſolute Stim - menmehrheit ſtehen zu bleiben, wodurch wenigſtens diejenigen Candidaten entfernt werden, welche die Majorität der Stimmen zurückweiſet.

425Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

§. 72. (Wahrſcheinlichkeitsrechnung bei Urtheilsſprüchen.) In ſolchen Gerichten, wo wichtige und ſchwere Verurtheilungen ausgeſprochen werden, müſſen offenbar auch die ſtärkſten Gründe für die Exiſtenz der zu ſtrafenden Schuld vorausgeben, beſonders bei Todesſtrafen, wo kein Erſatz mehr möglich iſt. Mathemati - ſche Gewißheit iſt hier meiſtens unmöglich, und doch muß das Urtheil gefällt werden, weil durch die Ungeſtraftheit des Verbre - chers die Sicherheit der Geſellſchaft leidet. Man muß alſo we - nigſtens ſo ſtarke Beweiſe für die wirkliche Exiſtenz der Schuld haben, daß die Geſellſchaft weniger zu fürchten bat, wenn der Beklagte unſchuldig verurtheilt wird, als wenn er, ſchuldig und freigeſprochen, durch ſeine künftigen Attentate den Staat wieder in neue Gefahren ſetzt.

Welches iſt aber die Wahrſcheinlichkeit, daß ein durch die Mehrheit der Richter ausgeſprochenes Urtheil in der That der Gerechtigkeit angemeſſen iſt? Die Majorität von bloß einer Stimme in einem zahlreichen Tribunale zeigt an, daß der Ge - genſtand, um den es ſich hier handelt, noch ſehr zweifelhaft iſt. Wollte man aber z. B. bei jedem Todesurtheile die Totalität der Stimmen fordern, ſo iſt wohl die Wahrſcheinlichkeit des Ausſpruchs ſehr groß, aber dann würden auch gewiß zu viele Schuldige ungeſtraft bleiben. Man muß daher entweder die Anzahl der Richter ver - mindern, wenn man ihre Unanimität als Baſis der Verurthei - lung aufſtellt, oder man muß die Majorität der Stimmen ver - größern, wenn man nach der Simmenmehrheit urtheilen will.

Unſere Analyſe zeigt darüber Folgendes. Wenn in einem Tribunale z. B. von 8 Richtern ſchon 5 Stimmen zur Verurthei - lung des Angeklagten hinreichen, ſo iſt die W., daß die Sen - tenz gerecht iſt, gleich 0,746, alſo kleiner als ¾, da ſie doch gleich 1 ſeyn ſollte, wenn dieſe W. zur Gewißheit wird. Sind nur 6 Richter und werden 4 Stimmen zum Urtheil erfordert, ſo iſt jene W. gleich 0,774, ſchon größer als ¾, alſo auch größer als zuvor. Der Angeklagte geht daher im zweiten Falle, bei weniger Richtern, ſicherer, als im erſten, obſchon in beiden Fällen die Majorität um dieſelbe Größe 2 beträchtli - cher iſt, als die Minorität. Sind von 10 Richtern ſchon 6 zur Majorität hinreichend, ſo iſt die W. eines gerechten Urtheils426Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.0,73, und ſind von 12 Richtern 7 zur Majorität genug, ſo iſt dieſe Wahrſcheinlichkeit gleich 0,71 u. ſ. w. Wenn überhaupt zwei Stim - men mehr ſchon zu dem Urtheile hinreichen, ſo wird die W., daß die Sentenz gerecht iſt, immer kleiner, je größer die Anzahl der Richter iſt. Daſſelbe wird auch der Fall ſeyn, wenn mehr als 2 Stimmen zur Majorität erfordert werden, ſo daß die W. eines gerechten Urtheils mit der Anzahl der Richter immer ab - nimmt.

Im Gegentheile, wenn man ſtatt eines ſolchen arithmeti - ſchen irgend ein geometriſches Verhältniß für die Majorität der Richter feſtſetzt, ſo wächst die Sicherheit des Urtheils zugleich mit der Anzahl der Richter. Wird z. B. angenommen, daß die Sentenz nur dann vollzogen werden kann, wenn zwei Drittheile der Richter für die Strafe ſtimmen, ſo iſt die W. einer gerechten Sentenz bei 6 Richtern nahe 0,75 oder ¾. Bei 12 Richtern aber, wo alſo 8 für das Urtheil gefordert werden, iſt dieſe W. gleich 0,867 oder nahe 6 / 7, alſo ſchon bedeutend größer, als zuvor. Werden endlich von 12 Richtern 9 Stimmen zur Ausführung der Sentenz erfordert, ſo iſt die W. einer gerechten Sentenz 0,955, alſo ſehr groß und nahe gleich 1.

§. 73. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf Aſtro - nomie.) Wir haben bereits oben (§. 57) durch ein Beiſpiel zu zeigen geſucht, wie die Auflöſung der wichtigſten Probleme der Aſtronomie, und überhaupt aller eigentlichen Naturwiſſenſchaften, ihre letzte Vollendung nur durch dieſe neue Rechnung erhalten kann. In allen Fällen, wo wir uns der geſuchten Wahrheit ſo weit nähern wollen, daß die Fehler unſerer Sinne und die bei allen menſchlichen Unternehmungen unvermeidlichen Unvollkom - menheiten, da ſie nicht gänzlich entfernt werden können, wenig - ſtens den kleinſtmöglichen Einfluß auf die Reſultate unſerer Un - terſuchungen haben ſollen, in allen dieſen Fällen müſſen wir zu der Wahrſcheinlichkeitsrechnung, als dem einzigen Mittel zu die - ſem Zwecke, unſere Zuflucht nehmen.

Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir hier die Art, auf welche die Aſtronomen jene Rechnung auf ihre Beobachtungen au -427Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.zuwenden pflegen, in ihrem ganzen Umfange auseinander ſetzen wollten, beſonders wenn ſie, wie es öfters vorkömmt, mehrere un - bekannte Größen, die auf irgend eine Weiſe von einander abhän - gen und ſich gleichſam gegenſeitig bedingen, zu gleicher Zeit beſtimmen wollen, wie dieß in dem oben (§. 57) angeführten Beiſpiele geſchehen iſt. Da es aber doch dem Leſer ohne Zweifel nicht anders als intereſſant ſeyn kann, dieſes ſonderbare Verfah - ren wenigſtens in ſeinen Hauptzügen kennen zu lernen, ſo wird es uns erlaubt ſeyn, hier nur den einfachſten Fall, wo bloß eine einzige Größe zu beſtimmen iſt, näher anzuführen.

Nehmen wir alſo an, man hätte, etwa durch drei Beobach - tungen, von welchen keine irgend einem beſondern Verdachte eines dabei begangenen Fehlers ausgeſetzt iſt, die geographiſche Breite von Wien, wie folgt, gefunden:

  • 48° 12′ 33″
  • 48° 12′ 34″
  • 48° 12′ 35″

Da man, wie geſagt, dieſe drei Beobachtungen im Allgemei - nen als gleich gut anſehen muß, und da ſie doch von einander verſchieden ſind, ſo entſteht nun die Frage, welche von ihnen oder auch, welche Combination von ihnen man wählen oder als die der Wahrheit am nächſten ſtehende annehmen ſoll.

Das Princip aber, worauf dieſe und alle ähnlichen Unter - ſuchungen der Wahrſcheinlichkeitsrechnung beruhen, beſteht in Fol - gendem. Der wahrſcheinlichſte Werth der Größe, die man aus mehreren Beobachtungen beſtimmen will, iſt immer derjenige, für welchen die Summe der Quadrate der Fehler aus den einzelnen Beobachtungen die kleinſtmögliche oder ein Minimum iſt. Dieſe Fehler ſind aber hier offenbar die Differenzen, die man erhält, wenn man die einzelnen, durch die Beobachtungen für dieſe ge - ſuchte Größe erhaltenen Reſultate, von dieſem wahrſcheinlichſten Werth derſelben ſubtrahirt.

Wenn nun, wie hier, die einzelnen Beobachtungen alle einen gleichen Werth unter ſich haben, ſo iſt dieſer wahrſcheinlichſte Werth der geſuchten Größe offenbar gleich dem ſogenannten arith - metiſchen Mittel aus allen beobachteten Größen. Da es hier bloß428Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.um die Sekunden zu thun iſt, ſo kann man für die beobachteten Größen die Zahlen 33″, 34″ und 35″ annehmen, und dann iſt der dritte Theil der Summe derſelben, oder die Zahl 34″, die geſuchte wahrſcheinliche Größe. In der That erhält man auch, wenn man die drei Beobachtungen von dieſer Zahl 34 ſubtrahirt, die Differenzen, oder die Fehler 1, 0 und 1, und die Summe dieſer drei Quadrate iſt 2. Jede an - dere ſtatt 34 angenommene Zahl würde eine größere Summe der Fehlerquadrate geben. Nähme man z. B. die Zahl 33, ſo wären die drei Fehler 0, 1 und 2, alſo auch jene Summe gleich 5 oder größer als 2. Nähme man aber die Zahl 34,5, ſo wären die drei Fehler 1,5, 0,5 und 0,5, alſo auch die Summe der Fehlerquadrate gleich 2,75, wieder größer als 2, und ſofort für alle anderen Zahlen außer 34″, welche letzte man daher als die wahr - ſcheinlichſte, als die der Wahrheit zunächſt liegende, annehmen wird, eine Annahme, die im Allgemeinen deſto ſicherer ſeyn wird, je größer die Anzahl der unter ſich gleich guten Beobachtun - gen iſt.

Wir haben ſonach für den wahrſcheinlichſten Werth der Pol - höhe Wiens, ſo weit ſie aus dieſen drei Beobachtungen erhalten werden kann, die Größe 48° 12′ 34″ erhalten und es entſteht nun die Frage, wie viel oder wie wenig man ſich wohl auf dieſe Beſtimmung verlaſſen kann. Dieſes Maaß der Verläßlichkeit des erhaltenen Reſultats pflegt man das Gewicht deſſelben zu nennen, und die Analyſe zeigt, daß dieſes Gewicht immer gleich iſt dem halben Quadrate der Auzahl der Beobachtungen, dividirt durch das Quadrat der Fehler derſelben. Die Anzahl der Beob - achtungen iſt hier 3, die Summe der Fehlerquadrate aber nur 2, alſo iſt das geſuchte Gewicht des erhaltenen Reſultats gleich der Hälfte von 9 dividirt durch 2 oder gleich 2,25. Man ſieht, daß dieſes Gewicht deſto größer ſeyn wird, je größer die Anzahl der Beobachtungen und je kleiner die Fehler derſelben ſind, wie es auch ſchon die Natur der Sache erfordert.

Um das nun Folgende kürzer auszudrücken, wollen wir durch N die Quadratwurzel aus der Anzahl der Beobachtungen, und durch P die Quadratwurzel aus dem erhaltenen Gewichte des429Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Reſultats, 48° 12′ 34″ bezeichnen. In unſerem Beiſpiele iſt 3 die Anzahl der Beobachtungen und 2,25 das Gewicht des Reſul - tats, alſo iſt N = 1,732 und P = 1,5.

Dieß vorausgeſetzt, nennt man den mittleren Fehler das Reſultat, welches man erhält, wenn man die Zahl 0,2821 durch P dividirt; dieſer mittlere Fehler, hier 0,188, des Reſultats iſt die Summe der Producte jedes Fehlers der einzelnen Beobach - tungen in die dieſer Beobachtung zukommende Wahrſcheinlichkeit.

Der wahrſcheinliche Fehler des Reſultats aber, d. h. derjenige, von dem es gleich annehmbar iſt, daß man ihn began - gen oder auch nicht begangen habe, iſt gleich der Zahl 0,4769 dividirt durch P, alſo iſt in unſerm Beiſpiele dieſer wahrſcheinliche Fehler gleich 0, 32, oder mit anderen Worten, das erhaltene Re - ſultat 48° 12′ 34″ kann eben ſo gut um 0, 32 zu groß, oder um 0, 32 zu klein ſeyn, aber nicht um mehr, da es z. B. ſchon we - niger wahrſcheinlich iſt, daß das Reſultat um 0, 4, als daß es um 0, 32 fehlerhaft iſt.

Dieß war der wahrſcheinliche Fehler des Reſultats aller Beobachtungen. Welches iſt aber der wahrſcheinliche Fehler einer jeden einzelnen Beobachtung? Dieſer wird offenbar größer ſeyn als jener, und man findet ihn, wenn man jenen mit N multipli - cirt. Er iſt in unſerem Beiſpiele gleich 0, 55, d. h. alſo, man muß der Wahrſcheinlichkeit gemäß annehmen, daß jede ein - zelne der drei vorhergehenden Beobachtungen um 0, 55, aber nicht um mehr, fehlerhaft iſt.

Wenn wir alſo auch nicht eben vollkommen gewiß ſind, daß das erhaltene Reſultat der Wahrheit gemäß iſt, ſo wiſſen wir doch, daß es, ſo lange wir uns auf dieſe drei Beobachtungen be - ſchränken, dieſer Wahrheit am nächſten liege. Dieſes Reſultat wird vielleicht noch einer Verbeſſerung bedürfen, die wir finden können, wenn wir die Beobachtungen weiter fortſetzen. Indeſſen wird es doch auch jetzt ſchon intereſſant ſeyn, zu wiſſen, welches die beiden Gränzen ſind, zwiſchen welchen jener wahrſcheinliche Fehler liegen muß. Man findet dieſe Gränzen, wenn man den gefun - denen wahrſcheinlichen Fehler in die Zahl 0,4769 multiplicirt und durch N dividirt. In unſerem Beiſpiele war der wahrſcheinliche Fehler des Reſultats 0,32, alſo iſt dieſe Gränze 0,09, oder viel -430Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.mehr die Summe und die Differenz der beiden letzten Größen, ſo daß alſo der wahre Werth des wahrſcheinlichen Fehlers des Re - ſultats zwiſchen die Gränzen 0, 41 und 0, 13 fallen muß, oder daß man eins gegen eins wetten kann, daß der wahre Fehler des Reſultats zwiſchen 0, 23 und 0, 41 fällt. Eben ſo erhält man für die Gränzen des wahrſcheinlichen Fehlers einer jeden einzel - nen Beobachtung, der oben 0, 55 gefunden wurde, die beiden Zahlen 0, 40 und 0, 71, welche letzten Gränzen, der Natur der Sache nach, weiter auseinander ſtehen müſſen, als die erſten.

Wenn es auch der Abſicht dieſer Schrift nicht angemeſſen iſt, die Gründe aller der hier aufgeſtellten Sätzen mitzutheilen, ſo ſieht man doch ohne meine Erinnerung, welchen großen und aus - gebreiteten Nutzen Unterſuchungen dieſer Art haben müſſen, wenn es ſich darum handelt, die Reſultate der Beobachtungen mit der größten Schärfe zu erhalten oder wenigſtens zu erfahren, bis zu welchem Grade man ſich auf dieſelben verlaſſen kann, um dann wieder andere Folgerungen mit Sicherheit daraus abzuleiten.

In dem Vorhergehenden haben wir die Beobachtungen unter ſich von durchaus gleichem Werthe angenommen. Wenn dieſer Fall nicht ſtatt hat, ſo erhalten die oben mitgetheilten Vorſchrif - ten einige leichte Modificationen, die wir hier noch kurz anzeigen wollen.

Nehmen wir an, wir hätten wieder die drei vorhergehenden Beobachtungen erhalten:

  • 48° 12′ 33″
  • 48° 12′ 34″
  • 48° 12′ 35″

aber die Werthe derſelben ſeyen verſchieden, ſo zwar, daß die zweite zweimal und die letzte dreimal beſſer ſeyn ſoll, als die erſte, oder daß die Werthe dieſer Beobachtungen nach der Reihe gleich 1, 2 und 3 ſind.

Da es uns hier wieder nur um die Sekunden der geſuchten Polhöhe zu thun iſt, ſo können wir die drei Beobachtungen gleich den drei Zahlen 33, 34 und 35 annehmen. Dieß vorausgeſetzt, erhält man nun den wahrſcheinlichſten Werth der Polhöhe oder des geſuchten Reſultats, wenn man jede einzelne Beobachtung mit dem Quadrate ihres Werthes multiplicirt und die Summe431Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dieſer Producte durch die Summe der Quadrate jener drei Werthe dividirt. In unſerem Falle ſind jene Producte 33, 136 und 315, deren Summe gleich 484 iſt, und eben ſo ſind die Quadrate der Werthe 1, 4 und 9, deren Summen 14 beträgt. Demnach iſt der wahrſcheinlichſte Werth der[Beobachtungen] gleich 484 / 14 oder gleich 34, 571, ſo daß alſo die geſuchte wahrſcheinlichſte Polhöhe gleich 84° 12′ 34, 571 iſt, nicht mehr in der Mitte zwiſchen der erſten und letzten Beobachtung, ſondern beträchtlich näher an der dritten, weil dieſe dritte, mit dem Werthe 3 die beſte von allen, alſo die über - wiegende iſt.

Nimmt man nun die Differenzen dieſes Reſultats 34, 571 von den einzelnen Beobachtungen, ſo erhält man 1, 571, 0, 571 und 0, 429 und davon iſt die Summe der Quadrate gleich 5, 428.

Dieß vorausgeſetzt, iſt das Gewicht dieſes Reſultats gleich der halben Anzahl der Beobachtungen, multiplicirt mit der Summe der Quadrate der Werthe, dividirt durch die vorhergehende Zahl 5, 428, das heißt alſo gleich 3, 959, alſo beträchtlich größer, als zuvor, weil auch die Werthe der einzelnen Beobachtungen größer ſind. Nennt man nun wieder P die Quadratwurzel dieſes Ge - wichtes, oder iſt P = 1, 99, ſo iſt, wie zuvor, der mittlere Fehler des Reſultats gleich 0, 2821 dividirt durch P, das heißt in unſerem Beiſpiele iſt der mittlere Fehler gleich 0, 142. Der wahrſcheinliche Fehler des Reſultats aber iſt gleich der Zahl 0, 4769 dividirt durch P, oder gleich 0, 240, und beide Fehler ſind kleiner, als zuvor, da die Beobachtungen beſſer ſind und eben ſo mit den übrigen Beſtimmungen.

Beſonders merkwürdig iſt bei dieſen Unterſuchungen diejenige Größe, welche wir oben den mittleren Fehler des Reſultats genannt haben, und der, wie wir geſehen haben, gleich der Zahl 0, 2821 dividirt durch die Quadratwurzel aus dem Gewichte dieſes Reſultats iſt. Die folgende Tafel gibt uns ein Mittel, dieſen mittleren Fehler und die Ausdehnung deſſelben oder die wahrſcheinlichen Gränzen, zwiſchen welche er fallen kann, noch näher kennen zu lernen.

432Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Nennt man nämlich wieder P die Quadratwurzel des Ge - wichts des erhaltenen Reſultats, ſo drückt die Größe b der vor - hergehenden Tafel die Wahrſcheinlichkeit aus, daß jener mittlere Fehler zwiſchen den beiden Gränzen + 〈…〉 und 〈…〉 liege. Daraus folgt dann in Gemäßheit des oben Geſagten, daß die Zahl (1 b) die Wahrſcheinlichkeit des Gegentheils, das heißt die Wahrſcheinlichkeit iſt, daß der mittlere Fehler ir - gendwo außer den genannten Gränzen liege, und daß man die Summe b gegen die Summe (1 b) oder, was daſſelbe iſt, daß man die Größe 〈…〉 gegen die Einheit wet - ten kann, daß jener mittlere Fehler in der That zwiſchen jenen beiden Gränzen + 〈…〉 und 〈…〉 liegen müſſe.

So fanden wir in unſerem erſten Beiſpiele, wo die Werthe der ſämmtlichen Beobachtungen einander gleich waren, für die wahrſcheinlichſte Polhöhe das Reſultat 48° 12′ 34,0 mit dem Ge - wichte 2,25. Nimmt man nun a = 0,5 ſo iſt 〈…〉 gleich 0,3 und die Tafel gibt b = 0,520 alſo auch 〈…〉 = 1,08, ſo daß man alſo 1,08 gegen 1 wetten kann, daß das gefundene Reſultat nicht über 0,3 fehlerhaft iſt. Nimmt man aber a = 1, ſo iſt 〈…〉 = 0,7 und b = 0,843, ſowie 〈…〉 = 5,4 und man kann daher 5,37 gegen 1 wetten, daß jenes Reſultat nicht über 5, 4433Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.fehlerhaft iſt. Eben ſo zeigt a = 2, daß man 200 gegen 1 wet - ten kann, daß das Reſultat nicht über 1, 3 fehlerhaft iſt u. ſ. f.

Dieß wird hinreichen, den Leſern eine wenigſtens allgemeine Anſicht von dieſer neuen Rechnungsart und von der ausgebreite - ten Anwendung derſelben bei allen naturwiſſenſchaftlichen Unter - ſuchungen zu geben.

§. 74. (Bereits geleiſteter Nutzen dieſer neuen Rechnungsart in der Aſtronomie.) Die Aſtronomie bietet uns bereits mehrere Beiſpiele von dem Nutzen dar, welchen die Wahrſcheinlichkeitsrech - nung, obſchon ſie erſt ſeit kurzer Zeit ihre größere Ausbildung erhalten hat, in oft ſehr verwickelten Unterſuchungen geleiſtet hat, über deren wahre Kenntniß wir, ohne die Hülfe dieſer Ana - lyſe, vielleicht noch lange in Ungewißheit geblieben wären.

Eines der wichtigſten Elemente der geſammten Aſtronomie iſt ohne Zweifel die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde, oder die halbe große Axe der Erdbahn, da von ihr die Beſtim - mung aller anderen Entfernungen der Planeten unſeres Syſtems von einander abhängt, wie unmittelbar aus dem oben (I. S. 288) erklärten dritten Geſetze Kepplers folgt. Encke hat die ſämmt - lichen Beobachtungen der beiden Venusdurchgänge von 1761 und 1769, die zu dieſem Zwecke beſonders geeignet ſind (II. S. 78) mit der größten Sorgfalt berechnet, und als Reſultat ſeiner Unter - ſuchungen gefunden, daß die wahrſcheinlichſte mittlere Horizontal - parallaxe der Sonne für die Bewohner des Erdäquators gleich 8,5776 Sekunden iſt, und daß der wahrſcheinliche Fehler dieſer Beſtimmung 0,037 Sekunden beträgt. Demnach würde man alſo in einer billigen Wette Eins gegen Eins für die Be - hauptung einſetzen können, daß jene Sonnenparallaxe nicht klei - ner als 8, 5406 und nicht größer als 8, 6146 iſt. Welches iſt aber die daraus folgende Ungewißheit unſerer Kenntniß der mitt - leren Entfernung der Sonne von der Erde? Wenn man auf einen Grad des Aequators, wie gewöhnlich, 15 geographiſche Meilen rechnet, ſo daß alſo der Umfang des ganzen Aequators 5400 Meilen hat, ſo folgt daraus der Halbmeſſer des Aequators (I. S. 50) zu 859,4366 Meilen. Dann beträgt alſo die aus der obigen wahr - ſcheinlichſten Parallaxe abgeleitete Entfernung der Sonne 20666800 Meilen und aus dem zuvor angegebenen wahrſcheinlichen FehlerLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 28434Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.dieſer Beſtimmung folgt, daß man wieder Eins gegen Eins wetten kann, daß die wahre mittlere Entfernung der Sonne nicht kleiner als 20577649 und nicht größer als 20755943 Meilen iſt. Wir ſind demnach über dieſe Entfernung noch um 89147 Meilen oder um nahe 52 Erddurchmeſſer ungewiß. Dieſe Ungewißheit beträgt den 233ſten Theil der Entfernung der Sonne von der Erde und ſcheint daher nicht eben ſehr gering zu ſeyn. Allein wenn wir bedenken, daß wir die Entfernungen der meiſten großen Städte Europas kaum bis auf ihren 233ſten Theil, und die der außer - europäiſchen Städte noch lange nicht einmal ſo genau kennen, ſo wird uns dieß mit jener viel ſchwerer zu beſtimmenden Entfer - nung der Sonne durch unſere Aſtronomen wohl wieder auszuſöhnen im Stande ſeyn.

Eine andere Gelegenheit, den Nutzen dieſer neuen Analyſis zu zeigen, gab die oben (I. S. 330) erwähnte Acceleration der mittleren Bewegung des Mondes. Da bei allen Planeten die mittleren Axen ihrer Bahnen, alſo auch, vermöge des eben ſo angeführten dritten Geſetzes Keplers, die mittleren Bewegungen dieſer Planeten vollkommen conſtant und unveränderlich gefunden wurden, ſo war es auffallend, daß der Mond von dieſem allge - meinen Geſetze der Natur eine Ausnahme machen ſollte. Indeß ſchienen die Beobachtungen die Exiſtenz dieſer Ausnahme über allen Zweifel zu erheben, und es handelte ſich nun darum, durch die Theorie den Grund derſelben zu finden. Allein dieſe Unter - ſuchung quälte die größten Geometer des vergangenen Jahrhun - derts durch eine lange Zeit. Lagrange, der darüber ſehr viele und mühſame Rechnungen angeſtellt hatte, gerieth endlich auf den Abweg, das Daſeyn dieſer Acceleration als eine bloße Täu - ſchung ganz zu verwerfen. Allein Laplace, der die älteren Beob - achtungen, beſonders die der Araber, mit denen der neueren Zeiten ſorgfältig verglich und auf dieſe Vergleichung ſeine neue Analyſe anwendete, fand, daß die Wahrſcheinlichkeit der Exiſtenz dieſer Acceleration, wie ſie aus den Beobachtungen folgte, ſo groß ſey, daß man mehrere Tauſende gegen Eins für das Daſeyn derſelben wetten könnte. Durch dieſe Ueberzeugung bewogen, ging er die ganze Theorie des Mondes noch einmal durch, und war endlich auch ſo glücklich, die ſo lange vergebens geſuchte Urſache jener435Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Erſcheinung in der Veränderlichkeit der Excentricität der Erdhahn zu finden, wie dieß bereits oben (I. S. 331) geſagt worden iſt.

Wir wiſſen ferner, daß die Ebbe und Fluth des Weltmeeres eine Folge der Attraction des Mondes und der Sonne auf die Gewäſſer der Erde iſt. Durch dieſe Anziehung ſteigt das Meer in dem Hafen von Breſt, ſelbſt in ſeiner mittleren Höhe, täglich zweimal um 20 Fuß, und in St. Malo, nur zwanzig Meilen öſtlich von Breſt, ſogar um 50 Fuß, der Springfluthen nicht zu erwähnen, die noch viel höher gehen. Im Allgemeinen ſind dieſe Fluthen in den tropiſchen Meeren am größten, während ſie näher an den Polen beinahe ganz verſchwinden. Es war zu erwarten, daß dieſe Wirkung der Sonne und des Mondes ähnliche und vielleicht noch größere Bewegungen in der Atmoſphäre erzeugt, die unſere Erde umgibt und die noch viel beweglicher iſt, als das Meer. Laplace hat zu dieſem Zwecke eine große Menge ſorgfältig zu Paris angeſtellter Barometerbeobachtungen unterſucht, aber die - jenigen Aenderungen deſſelben, welche von einer ſolchen Einwirkung jener beiden Geſtirne kommen könnten, ſo ungemein klein gefun - den, im Maximum kaum drei Hunderttheile einer Linie, daß, die Wahrſcheinlichkeitsrechnung darauf angewendet, das Daſeyn einer ſolchen atmoſphäriſchen Ebbe und Fluth noch ganz unentſchieden bleibt. Unter dem Aequator, wo jener Einfluß beträchtlicher iſt, würden ſich Unterſuchungen dieſer Art mit größerer Sicherheit anſtellen laſſen.

Glücklicher war man mit einer anderen, obſchon ebenfalls ſehr kleinen periodiſchen Aenderung des Barometers, die von der Temperatur der verſchiedenen Tageszeiten abhängt und die eben - falls in der heißen Zone am merklichſten iſt. Man fand nämlich, daß dieſes Inſtrument, der gewöhnlichen Schwankungen ungeach - tet, die es wegen der Verſchiedenheit des Luftdrucks zeigt, regel - mäßig gegen 9 Uhr Morgens und 11 Uhr Abends am höchſten, und wieder um 3 Uhr Abends und 4 Uhr Morgens am tiefſten ſteht. In den Tropenländern beträgt die Differenz zwiſchen dem höchſten und niedrigſten Stande des Barometers nahe 8 / 10 einer Par. Linie. In unſeren Breiten aber, wo man ſie zuerſt entdeckte, ſind ſie viel kleiner, aber auch hier zeigte unſere neue Analyſe, daß man viele Tauſende gegen Eins wetten könne, daß dieſe Erſcheinung28 *436Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.nicht zufällig oder die Folge von Beobachtungsfehlern ſey, ſon - dern daß ſie aus einer regelmäßigen Urſache entſtehen müſſe, und dieß war eine hinlängliche Veranlaſſung, ihrem Grunde weiter nachzuforſchen.

Wir haben bereits oben (III. S. 200) einer merkwürdigen Erſcheinung unſeres Sonnenſyſtems erwähnt, nach welcher alle Planeten und Satelliten deſſelben ſich von Weſt nach Oſt, ſowohl um die Sonne oder um ihre Hauptplaneten, als auch, in ihrer Rotation, um ihre eigene Axe bewegen, und nach welcher überdieß die Bahnen dieſer Himmelskörper beinahe alle in der Nähe des Sonnenäquators liegen. Da man ſich davon weiter keine Rechenſchaft geben konnte, ſo hat man ſie auf Rechnung des Zufalls geſtellt, ohne ſich weiter um die Urſache dieſer Er - ſcheinungen zu bekümmern. Allein als Laplace die Wahrſcheinlich - keitsrechnung auf dieſen Gegenſtand anwendete, fand er, daß man viele Millionen gegen die Einheit wetten kann, daß dieſe Erſchei - nung nicht dem blinden Zufalle zuzuſchreiben ſey. Dieſe ſehr große Wahrſcheinlichkeit bewog ihn, die eigentliche Urſache dieſes Phä - nomens aufzuſuchen, und auf dieſem Wege war es, daß er zu der ſchönen und ſinnreichen Erklärung von dem Urſprunge unſeres Planetenſyſtems gelangte, die wir oben im eilften Kapitel aus - einander geſetzt haben.

Auf dieſe Weiſe iſt die neue Analyſe nicht nur ein mächtiges Mittel in der Hand der Geometer geworden, ſich von den bisher unvermeidlichen Beobachtungsfehlern unabhängig zu machen und den auf ſie gegründeten Unterſuchungen die letzte Vollendung zu geben, ſondern ſie hat uns auch bereits, als Veranlaſſung zu Entdeckungen, die ohne ihre Hülfe vielleicht unbekannt geblieben wären, die nützlichſten Dienſte geleiſtet und alles berechtiget uns zu der Hoffnung, daß der Nutzen, den wir von ihr für die Zu - kunft erwarten, noch weit größer ſeyn werde, wenn es uns einmal gelungen ſeyn wird, unſere Inſtrumente und unſere Beobach - tungskunſt, die wir bisher nur auf die Welt im Großen beſchränkt haben, auch auf die Elemente, aus welchen die Körper des Uni - verſums beſtehen, fortzuſetzen, und wenn einmal, unter dem fort - dauernden Schutze des Genius der Menſchheit, ein neuer Newton unter uns ſich erheben ſollte, um uns durch ſeine Entdeckungen, ſowie437Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Jener die Geſetze der materiellen Welt, auch die der geiſtigen zu offenbaren. Sechs Jahrtauſende, nach der gewöhnlichen Zeitrechnung, ſind vergangen, bis Jener erſcheinen konnte, um den erſten Schleier zu lüften, mit welchem die Natur ihre Geheimniſſe vor den Au - gen der Sterblichen verbarg: andere Jahrtauſende werden viel - leicht erfordert, um auch dieſen zweiten, dichteren Schleier zu heben. Aber die vielleicht ſehr großen Schwierigkeiten, um dieſes jetzt von uns noch zu ferne Ziel zu erreichen, werden die immer vorwärts ſtrebenden Bemühungen der Menſchen eben ſo wenig zurück halten, als es die gewiß auch nicht ge - ringen Hinderniſſe zu thun vermochten, welche unſere ſchwächeren und mit weniger Hülfsmitteln ausgerüſteten Vorgänger bei der Entdeckung des Geſetzes der allgemeinen Schwere zu beſiegen hat - ten. Seit dieſer großen und für alle Zeiten merkwürdigen Epoche hat man gefunden, daß dieſes Geſetz nicht nur die Bewegung der himmliſchen Körper, ſelbſt in ihren ſcheinbaren Ausnahmen, mit einer bewunderungswürdigen Genauigkeit darſtellt, ſondern man iſt auch bereits, wenn gleich nicht zu dem Beweiſe, doch zu der ſehr gegründeten und durch zahlreiche Beobachtungen beſtätig - ten Vermuthung gelangt, daß daſſelbe Geſetz, unter zweckge - mäßen Modificationen, auch die Anordnung der kleinſten, die Kör - per conſtituirenden Theilchen und die regelmäßige Bildung der Kryſtalle in ſich ſchließt. Könnten nicht auch die Bewegungen der Nerven thieriſcher Körper denſelben oder doch ähnlichen Ge - ſetzen der Dynamik unterliegen? Könnte nicht auch dieſelbe allgemeine Kraft, welche die Urſache des Zuſammenhangs und der Bewegung der Körper iſt, welche das Wachsthum und die Gährung derſelben beſtimmt, könnte ſie nicht auch jene inneren Bewegungen und Verän - derungen ihrer feinſten Theile beſtimmen, und ſo gleichſam die drei - fache uns umgebende Welt einen einzigen, gemeinſchaftlichen Urſprung haben? Die Bewegungen, welche die Nervenvibrationen dem Muskelſyſteme, und durch daſſelbe den äußeren, fremden Körpern mittheilen, dürfen vielleicht als bloße Entwicklungen feinerer elaſtiſcher Federn betrachtet werden, bei welchen, nach dem bekannten Grundſatze der Mechanik, der gemeinſchaftliche Schwerpunkt un - ſeres eigenen und der bewegten fremden Körper immer unbeweg - lich bleibt. Dieſe Vibrationen ſcheinen ſich, ohne Störung oder438Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.Verwirrung, eine über die Fläche der anderen hin zu verhreiten, ganz ſo, wie wir dieſelbe Erſcheinung auch bei den Wellen auf der Oberfläche unſerer Gewäſſer und ſelbſt bei unſerer Atmoſphäre bemerken, und ſie theilen ſich den Umſtehenden auf dieſelbe Art mit, wie ſich die Schwingungen gleichgeſtimmter Saiten oder die eines tönenden Körpers den ihn umgebenden Gegenſtänden mit - theilen. Wie es aber auch mit dieſen jetzt noch geheimnißvollen und im tiefen Dunkel liegenden Gegenſtänden und mit ihrer Beleuch - tung in einer wahrſcheinlich noch ſehr fernen Zukunft ſich verhalten mag: uns genüge es, dieſe Zukunft wenigſtens geahndet, und uns der Wahrheit, die wir vielleicht nie erreichen werden, mit unſeren ſchwachen Kräften wenigſtens wieder einige Schritte genähert zu haben.

[439]

Anhang. Verzeichniß der vorzüglichſten aſtronomiſchen Kunſtwörter mit ihren Erklärungen.

  • *) Umſtändlichere Erläuterungen dieſer Ausdrücke findet man in dem Werke ſelbſt durch die in folgendem alphabetiſchen Inhalts-Verzeichniſſe angegebenen Citate für dieſelben Ausdrücke.
  • Abendweite. Entfernung des Orts, wo der Stern untergeht, von dem wahren Weſtpunkte des Horizonts.
  • Aberration oder Abirrung des Lichts. Eine eigene Veränderung des ſcheinbaren Orts aller Geſtirne, die von der Geſchwindig - keit des Lichts, verbunden mit der Geſchwindigkeit der Erde, kömmt. Vermöge der Aberration ſehen wir alle Geſtirne etwas weiter auf diejenige Seite hin verrückt, nach welcher eben die Erde, in ihrer jährlichen Bewegung um die Sonne, geht. Bei der Sonne ſelbſt beträgt dieſe Verrückung 20 Sekunden. (M. ſ. Vol. I. S. 172 193.)
  • Abplattung. Die Erde iſt keine vollkommene Kugel, ſondern ſie iſt an ihren beiden Polen etwas eingedrückt oder abge - plattet, ſo daß ſie gleichſam die Geſtalt einer Pomeranze hat. Dieſe Abplattung beträgt nahe 1 / 300 ihres Halbmeſſers oder 2,8 geographiſche Meilen, ſo daß alſo der Polardurchmeſſer der Erde nahe 5,6 Meilen kleiner iſt, als der Aequatorialdurchmeſſer derſelben iſt, welcher letzte nahe 1719 geographiſche Meilen be - trägt. Auch alle übrigen Planeten unſeres Sonnenſyſtems, ſo weit wir ſie näher kennen, ſind an ihren Polen abgeplattet, am meiſten Jupiter, bei dem ſie 1 / 14 ſeines Halbmeſſers oder 675 Meilen beträgt.
440Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.
  • Abweichung, ſiehe Declination.
  • Abweichungskreis, ſiehe Declinationskreis.
  • Aequator oder Gleicher, iſt derjenige größte Kreis der Erde oder eines Planeten, der in allen ſeinen Punkten gleich weit von den beiden Polen derſelben abſteht. Er iſt unter allen Pa - rallelkreiſen (ſ. d. Art.) der größte. Er theilt die Erde in die nördliche und ſüdliche Hälfte. (I. S. 28.)
  • Aequatorial, ein aſtronomiſches Inſtrument, deſſen Fernrohr dem Weg der Geſtirne, auf die es geſtellt iſt, folgt, daher es zu den Beobachtungen der ſelben ſehr bequem iſt. (III. S. 349.)
  • Aequatorhöhe, der Winkel des Aequators mit dem Horizonte, für jeden gegebenen Ort der Erde. Die Aequatorhöhe eines Orts iſt immer gleich 90 Grade weniger der Polhöhe, oder was daſ - ſelbe iſt, gleich 90 Grade weniger der geographiſchen Breite dieſes Ortes (I. S. 29.)
  • Aequtnoctialpunkte oder Aequinoctien oder Nachtglei - chen, ſind die zwei Punkte, in welchen ſich der Aequator und die Ecliptik am Himmel ſchneiden. Der eine heißt das Früh - lingsäquinoctium oder der Frühlingspunkt, und der andere, ihm um 180 Grade entgegengeſetzte, das Herbſtaequi - noctium. In jenem erſcheint uns die Sonne im Anfange unſeres Frühlings am 21. März, in dieſem im Anfange des Herbſtes am 22. September, an welchen beiden Tagen, auf der ganzen Erde, Tag und Nacht von gleicher Länge ſind, daher jene Benennungen. Mitten zwiſchen dieſen beiden Punkten ſind die Solſtitien, wo die Sonne am höchſten über dem Aequator im Sommer, und am tiefſten unter dem Aequator im Win - ter ſteht. (I. S. 33.)
  • Anomalie eines Planeten, iſt der Winkel, welchen ſein Radius Vector (ſeine Entfernung von der Sonne) mit der großen Axe ſeiner elliptiſchen Bahn bildet. Iſt der Planet in ſeinem Peri - hel (ſ. d. Art.), ſo iſt ſeine Anomalie Null, und im Gegen - theile gleich 180 Grade, wenn der Planet in ſeinem Aphel (ſ. d. Art.) iſt. (Vergl. I. S. 279.)
  • Antipoden oder Gegenfüßler, die Bewohner derjenigen Gegenden auf der Oberfläche der Erde, die uns gerade gegenüber ſtehen. Die Bewohner der beiden Endpunkte deſſelben Durchmeſſers der Erde ſind Antipoden. (I. S. 93.)
  • Aphelium oder Sonnenferne, derjenige Punkt einer Planeten - bahn, der von der Sonne am weiteſten entfernt iſt, welche letzte immer in einem der beiden Brennpunkte (ſ. d. Art.) der ellip - tiſchen Bahn ſteht.
  • Apſiden, die zwei Endpunkte der großen Axe einer Planetenbahn oder diejenigen zwei Punkte der Bahn, von welchem der eine (das Perihel) am nächſten bei, und der andere (das Aphel) am weiteſten von der Sonne entfernt iſt.
  • Argument der Breite eines Planeten, iſt ſein Abſtand von dem aufſteigenden Knoten (ſ. d. Art.) der Bahn, dieſen Ab -441Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.ſtand aus der Sonne geſehen, oder iſt der Winkel ſeines Radius Vector (ſ. d. Art.) mit der Knotenlinie der Bahn. Von die - ſem Winkel hängt die Breite des Planeten ab. Daher die Benennung deſſelben (I. S. 2〈…〉〈…〉.)
  • Aſtrolabium, ein aſtronomiſches Inſtrument der Alten, das jetzt nur noch von den ſogenannten Feldmeſſern gebraucht wird. (III. S. 235)
  • Atmoſphäre, die unſere Erde rings umgebende Luft. Auch die Planeten ſind mit Atmoſphären umgeben.
  • Aufgang, die Zeit, wann ein Geſtirn auf der Oſtſeite des Hori - zonts ſichtbar zu werden anfängt.
  • Aufſteigung, gerade, ſ. Rectaſcenſion.
  • Axe, der Kreiſe. Eine gerade Linie, die durch den Mittelpunkt eines Kreiſes, ſenkrecht auf ſeine Fläche geht, iſt die Axe die - ſes Kreiſes. Iſt dieſer Kreis auf einer Kugel verzeichnet, ſo heißen die beiden Punkte, wo die Axe des Kreiſes die Kugel - fläche ſchneiden, die Pole des Kreiſes. So ſind die beiden Weltpole (ſ. d. Art) die Pole des Aequators ſowohl als auch die aller Parallelkreiſe. Axe der Erde oder Erdaxe iſt alſo derjenige Durchmeſſer der Erde, der durch die beiden Erd - pole geht oder der ſenkrecht auf den Aequator ſteht. Verlän - gert trifft dieſe Axe den Himmel in den beiden Weltpolen. Große Axe der Planetenbahnen iſt die größte Gerade, welche man in dieſer elliptiſchen Bahn ziehen kann. Sie geht durch den Mittelpunkt und durch die beiden Brennpunkte der Ellipſe. Eine andere Gerade, die durch den Mittelpunkt der Ellipſe, ſenkrecht auf die große Axe derſelben geht, heißt die kleine Axe der Ellipſe.
  • Azimut eines Sterns, iſt der Winkel, welchen der Höhenkreis des Sterns mit dem Meridian (ſ. d. Art.) bildet, oder es iſt der - jenige Bogen des Horizonts, der zwiſchen dem Meridian und dem Höhenkreis des Sterns enthalten iſt. Man zählt das Azi - mut von Süd gegen Weſt bis 360 Grade (I. S. 30.)
  • Bahnen der Planeten, ſind die Wege, welche die Planeten in ihrem Laufe um die Sonne beſchreiben. Dieſe Wege ſind krumme Linien und zwar Ellipſen (ſ. d. Art.)
  • Brechung des Lichts. Wenn das Licht durch einen durchſich - tigen Körper geht, ſo verläßt es denſelben in einer anderen Rich - tung, als in der, in welcher es eingetreten iſt. Der Winkel der beiden Richtungen heißt die Brechung des Lichts. Das Nähere hierüber ſ. m. II. S. 9, 16, u. ſ. f. Die Brechung des Lichts der Geſtirne in unſerer Atmoſphäre iſt die Urſache der Refraction (ſ. d. Art.).
  • Breite der Geſtirne, iſt der ſenkrechte Winkelabſtand der Ge - ſtirne von der Ecliptik, alſo die kürzeſte Entfernung derſelben von der Ecliptik. Sie iſt nördlich oder ſüdlich, wenn das Ge - ſtirn über oder unter der Ecliptik ſteht. Die Breite der Sonne iſt immer gleich Null, weil die Sonne immer in der Ecliptik442Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.(ſ. d. Art.) iſt. Breitenkreis eines Geſtirns, iſt derje - nige größte Kreis des Himmels, der durch das Geſtirn und durch den Pol der Ecliptik geht. Der Breitenkreis ſteht daher im - mer ſenkrecht auf der Ecliptik, und die Breite des Geſtirns iſt derjenige Bogen des Breitenkreiſes, der zwiſchen der Eclip - tik und dem Geſtirn enthalten iſt.
  • Brennpunkte der Ellipſe, ſind zwei Punkte der großen Axe der Ellipſe, welche die Eigenſchaft haben, daß die Summe ihrer beiden Abſtände, von irgend einem Punkte des Umfangs der Ellipſe, immer gleich der großen Axe derſelben iſt. (I. S. 271.)
  • Centralkraft, wird diejenige Kraft genannt, die in irgend einem feſten Punkte (Centrum) ihren Sitz hat. So ſagt man, die Planeten werden von einer Centralkraft um die Sonne getrie - ben, weil man vorausſetzt, daß die Urſache dieſer Bewegung ihren Sitz im Mittelpunkte der Sonne hat.
  • Centrifugalkraft. Wenn ein Körper ſchnell im Kreiſe gedreht wird, ſo ſucht er ſich bekanntlich von dem Mittelpunkte dieſes Kreiſes zu entfernen. Der Stein ſpannt z. B. das Band der Schleuder, und zwar deſto mehr, je ſchneller dieſe gedreht wird. (Näheres I. S. 74.) Da dieſe Körper immer in der Richtung der Tangente ihrer Bahn ſich von dem Mittel - punkte des Kreiſes zu entfernen ſuchen, ſo heißt dieſe Kraft auch Tangential - oder Wurfkraft.
  • Circummeridian-Höhen, ſind ſolche Höhen der Sterne, die man in der Nähe des Meridians gemeſſen hat. Man bedient ſich ihrer vorzugsweiſe zu Beſtimmungen der geographiſchen Breite.
  • Circumpolarſterne, ſind diejenigen Sterne, die zunächſt bei dem uns ſichtbaren Pol des Aequators ſtehen, und die daher für uns weder auf noch unter gehen. Der Polarſtern (ſ. d. Art.) iſt der vorzüglichſte unter ihnen.
  • Coluren, ſind die zwei Declinationskreiſe, von welchen der eine durch die Aequinoctien geht, während der andere auf dem erſten ſenkrecht ſteht. Jener heißt der Colur der Nachtgleichen und dieſer der Colur der Solſtitien (ſ. d. Art.). Jener ſchneidet die Ecliptik in den beiden Aequinoctien, und dieſer in denjenigen beiden Punkten, die von dem Aequator, nördlich und ſüdlich, am meiſten abſtehen, welche beide letzten Punkte auch die Sol - ſtitial - oder Wendepunkte der Ecliptik genannt werden.
  • Commutation eines Planeten, iſt der Winkel, unter welchem aus der Sonne ſeine Entfernung von der Erde geſehen wird. Iſt dieſer Winkel gleich Null, ſo iſt der Planet mit der Sonne in Oppoſition, und iſt dieſer Winkel gleich 180 Graden, ſo iſt der Planet mit der Sonne in Conjunction. (I. S. 244.)
  • Conjunction. Ein Planet iſt mit der Sonne in Conjunction, wenn er von der Erde bei der Sonne geſehen wird, oder ge - nauer, wenn ſeine Länge (ſ. d. Art.) gleich der Länge der Sonne iſt.
443Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.
  • Correſpondirende Höhen, ſind gleich große Höhen eines Geſtirns, die man zu beiden Seiten des Meridians, in Oſt und Weſt, beobachtet hat. Man braucht ſie vorzugsweiſe bei der Sonne zur Zeitbeſtimmung (III. S. 242.).
  • Culmination. Ein Geſtirn iſt in ſeiner Culmination, wenn es am höchſten über dem Horizonte ſteht, oder, was daſſelbe iſt, wenn es durch den Meridian (ſ. d. Art.) geht. Die Sonne culminirt daher im Augenblicke des wahren Mittags.
  • Dämmerung, die ſchwache Beleuchtung der Erde, die vor dem Aufgange oder nach dem Untergange der Sonne ſtatt hat. Ihre Urſache iſt der Reflex der Sonnenſtrahlen von den oberen Schichten der Atmoſphäre (I. S. 351.).
  • Declination oder Abweichung eines Geſtirns, iſt der ſenkrechte Winkelabſtand deſſelben von dem Aequator, oder der kürzeſte Ab - ſtand deſſelben von dem Aequator. Sie iſt nördlich oder ſüdlich, wenn der Stern über oder unter dem Aequator iſt. Ebenſo nennt man Poldiſtanz eines Sterns die Entfernung deſſelben von dem Nordpol des Aequators, ſo daß alſo Declination und Pol - diſtanz eines Sterns ſich immer zu 90 Graden ergänzen.
  • Declinationskreis heißt derjenige größte Kreis des Himmels, der durch das Geſtirn und den Pol des Aequators geht. Der Declinationskreis ſteht alſo immer ſenkrecht auf dem Aequator, und die Declination eines Geſtirns iſt derjenige Theil des De - clinationskreiſes, der zwiſchen dem Geſtirn und dem Aequator enthalten iſt. Der Declinationskreis wird auch Abweichungs - kreis oder Stundenkreis genannt.
  • Digreſſion oder Ausweichung, iſt die von der Erde geſehene Winkeldiſtanz eines Planeten von der Sonne. M. ſ. Elon - gation.
  • Directe Beweaung eines Geſtirns, iſt eine Bewegung, die von Weſt gegen Oſt gerichtet iſt. Eine von Oſt gegen Weſt ge - richtete Bewegung heißt retrograd oder rückgängig.
  • Diſtanz oder Abſtand. Dieſes Wort hat eine doppelte Bedeutung. Zuerſt bezeichnet es den Abſtand zweier Körper in einer ge - raden Linie gemeſſen, wie z. B. die Diſtanz zweier Thürme oder Berge, in Meilen gemeſſen. In dieſem Sinne wird es aber in der Aſtronomie nur ſelten gebraucht. Gewöhnlicher iſt die zweite, wo es den Winkel bezeichnet, welchen die zwei Gegen - ſtände in dem Auge des Beobachters oder von irgend einem Punkte aus geſehen, mit einander bilden. So iſt zur Zeit des Neumonds die Diſtanz der Sonne von dem Monde, aus der Erde geſehen, gleich Null, obſchon ihre geradlinige Entfernung über 20 Millionen Meilen beträgt. In den beiden Vierteln aber iſt die Diſtanz dieſer beiden Geſtirne gleich 90 Graden, und zur Zeit des Vollmonds endlich, wo Sonne und Mond ſich genau gegenüber ſtehen, iſt ihre Diſtanz gleich 180 Graden. Ebenſo nennt man die Diſtanz eines Geſtirns von einer Ebene den ſenkrechten (oder kürzeſten) Winkelabſtand444Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.des Geſtirns von dieſer Ebene. M. ſ. die Artikel: Breite, Declination, Höhe u. ſ. w.
  • Doppelſterne, zwei ſehr nahe bei einander ſtehende Fixſterne. Sie zeichnen ſich durch mehrere merkwürdige Eigenſchaften aus, von denen man die vorzüglichſten in II. S. 319 u. f. aufge - zeichnet findet.
  • Drachenmonat, iſt die Umlaufszeit des Monds in Beziehung auf ſeine Knoten (ſ. d. Art.). Er betragt 27 Tage 5 St. 5,6 M
  • Durchgang oder Vorübergang. Wenn Merkur oder Venus, von der Erde geſehen, auf der Sonnenſcheibe erſcheint, alſo zwi - ſchen Sonne und Erde ſteht, ſo nennt man dieß einen Durch - gang. Dieſe Erſcheinungen ſind vorzüglich nützlich zur Be - ſtimmung der Entfernung der Sonne von der Erde (II. S. 60 und 78).
  • Ecliptik oder Sonnenbahn, iſt der Weg, den die Sonne jährlich am Himmel zu beſchreiben ſcheint und den eigentlich die Erde beſchreibt. Wenn man die Ebene dieſer elliptiſchen Erdbahn nach allen Seiten erweitert, ſo ſchneidet ſie die Himmelsſphäre in einen größten Kreis, der ebenfalls die Ecliptik genannt wird. Die Ebene dieſes Kreiſes iſt gegen die Ebene des Aequa - tors unter dem Winkel von 23° 28′ geneigt, und dieſer Winkel heißt die Schiefe der Ecliptik. Beide Ebenen ſchneiden einander in zwei entgegen geſetzten Punkten, welche die Aequi - noctialpunkte genannt werden, während die zwei Punkte der Ecliptik, die am höchſten über und am tiefſten unter dem Aequator ſtehen, die Solſtitial - oder Wendepunke heißen. Von dieſen vier Punkten ſind je zwei nächſte um 90 Grade von einander entfernt.
  • Elemente der Planetenbahnen. So nennt man diejenigen Eigen - ſchaften dieſer Bahnen, wodurch ſie ſich von einander weſentlich unterſcheiden. Ihrer ſind im allgemeinen fünf: 1. die Länge der großen Axe der elliptiſchen Bahn, 2. die Lage dieſer Axe im Weltraum, 3. die Excentricität der Bahn, 4. die Nei - gung der Ebene der Bahn gegen die Ebene der Ecliptik und 5. die Durchſchnittslinie dieſer beiden Ebenen oder die Kno - tenlinie. Dazu pflegt man noch als 6. Element die Epoche zu zählen, d. h. den Ort in der Bahn, welchen der Planet zu einer beſtimmten Zeit einnimmt (I. S. 280)
  • Ellipſe, eine krumme Linie von eiförmiger Geſtalt, welche die Eigenſchaft hat, daß die Summe der Entfernungen eines jeden Punktes ihres Umfangs von zwei inneren feſten Punkten (den Brennpunkten der Ellipſe) immer dieſelbe Größe hat. Eine nähere Beſchreibung ſ. m. I. S. 271.
  • Elongation oder Digreſſion (Ausweichung), iſt die von der Erde geſehene Winkeldiſtanz eines Planeten von der Sonne. Die - ſer Winkel iſt gleich der Länge der Sonne weniger der geocen - triſchen (von der Erde geſehenen) Länge des Planeten (I. S. 244).
445Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.
  • Epicykel. Wenn der Mittelpunkt eines Kreiſes ſich auf der Pe - ripherie eines andern feſten Kreiſes bewegt, ſo nennt man den erſten oder den beweglichen Kreis einen Epicykel. Die Alten be - dienten ſich der Epicykel, um dadurch die verwickelten Bewegun - gen der Planeten, ſo gut es anging, darzuſtellen (I. S. 232.).
  • Epoche. Der Ort eines Planeten in ſeiner Bahn, für irgend eine gegebene Zeit, heißt die Epoche dieſes Planeten. Gewöhnlich wählt man dazu den Anfang irgend eines Jahres. So iſt z. B. die Länge der Venus für den Augenblick des mittleren Mittags in Wien, für den 1ſten Januar des Jahrs 1836 gleich 332 Grade, und dieſe Zahl iſt daher die Epoche der Venus für das Jahr 1836.
  • Erdweite, iſt die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde, gleich 20658000 Meilen, wofür man in runder Zahl 20 Mil - lionen zu nehmen pflegt.
  • Evection, iſt eine der großen Störungsgleichungen des Mondes, die durch die Einwirkung der Sonne erzeugt wird. (I. S. 332. III. S. 118.)
  • Excentricität. Die Entfernung der zwei feſten Brennpunkte jeder Ellipſe (ſ. d. Art.) nennt man die doppelte Excentricität. In der Mitte zwiſchen dieſen beiden Punkten iſt der Mit - telpunkt der Ellipſe. Alſo iſt auch die Excentricität gleich der Entfernung des Mittelpunkts der Ellipſe von einem ihrer beiden Brennpunkte. Gewöhnlich wird dabei in der Aſtronomie die halbe große Axe der Ellipſe (ſ. d. Art.) gleich der Ein - heit angenommen. So iſt für die elliptiſche Erdbahn die Excen - tricität derſelben gleich 0,017, wenn die halbe große Axe derſelben gleich eins iſt. Will man die Excentricität in Meilen aus - drücken, ſo erhält man dafür 351186 Meilen, da die halbe große Axe der Erdbahn 20658000 Meilen beträgt.
  • Frühlingspunkt, m. ſ. Aequinoctialpunkt.
  • Geocentriſcher Ort eines Planeten, iſt der Ort des Planeten am Himmel, wie er von der Erde geſehen wird, im Gegen - ſatze mit dem heliocentriſchen oder von der Sonne geſehenen Orte. Die geocentriſche Länge, Breite u. ſ. f. eines Planeten, iſt daher die von der Erde geſehene Länge, Breite u. ſ.
  • Gerade Aufſteigung, ſ. Rectaſcenſion.
  • Gleichung der Bahn. Man ſehe zuerſt den Artikel Anomalie und bemerke dann, daß die Aſtronomen bei jedem Planeten ſich noch einen ſogenannten mittleren Planeten (ſ. d. Art.) denken, deſſen ſie ſich zur Vereinfachung ihrer Rechnungen be - dienen. Der Unterſchied zwiſchen der Anomalie des wahren und der Anomalie dieſes, bloß eingebildeten, mittleren Plane - ten, heißt die Gleichung der Bahn. Dieſe Gleichung der Bahn iſt alſo auch der Unterſchied zwiſchen der heliocentri - ſchen (von der Sonne geſehenen) Länge des wahren und des mittleren Planeten, oder endlich, dieſe Gleichung iſt der Win - kel, welchen die Radii Vectores (ſ. d. Art) des wahren und446Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.des mittleren Planeten, in dem Mittelpunkte der Sonne bil - den. (Vergl. I. S. 279.)
  • Gnomon, eine auf dem Horizonte ſenkrechte Säule, durch deren Schatten die Alten die Höhe der Sonne gemeſſen haben. (Vergl. I. S. 109 und III. S. 230.)
  • Gravitation oder allgemeine Schwere. Nach Newton’s Entdeckung ziehen ſich alle Körper gegenſeitig an im Verhältniß ihrer Maſſe und verkehrt wie das Quadrat ihrer Entfernung. Wenn z. B. die Sonne jetzt die Erde mit der Kraft 1 anzieht, ſo würde ſie die Erde, wenn dieſe 2, 3, 4mal weiter entfernt wäre, nur mehr mit der Kraft ¼, 1 / 9, 1 / 16 anziehen: oder auch, wenn die Erde zwar immer in derſelben Entfernung bleibt, die Sonne aber an Maſſe 2, 3, 4mal größer wäre, ſo würde die Attraction der Sonne auf die Erde auch 2, 3, 4mal größer ſeyn. Dieſe Attraction (Anziehung) aller Körper gegen einan - der heißt Gravitation.
  • Größe der Himmelskörper. Man verſteht darunter den Durch - meſſer dieſer Körper, und zwar entweder in Meilen, oder, als Winkel, in Graden und Minuten ausgedrückt. So iſt die Größe oder der wahre Durchmeſſer des Mondes 932 geogr. Meilen, der Winkel aber, unter welchem wir dieſen Durchmeſſer ſehen, oder der ſcheinbare Durchmeſſer des Monds, beträgt 54′ 2″. Wenn von Größe oder Durch - meſſer der Himmelskörper die Rede iſt, ſo verſteht man darun - ter meiſtens dieſen Winkel, unter welchem man den wahren Durchmeſſer derſelben ſieht.
  • Heliocentriſcher Ort der Planeten, iſt der von der Sonne aus geſehene Ort derſelben am Himmel, im Gegenſatze mit dem geocentriſchen (von der Erde geſehenen) Orte derſelben. Daher auch heliocentriſche Länge, Breite gleichbedeutend mit: von der Sonne geſehene Länge, Breite u. ſ. f.
  • Hemiſphäre oder Halbkugel, die Hälfte einer Kugel.
  • Herbſtpunkt, ſ. Aequinoctialpunkt.
  • Höhe eines Geſtirns, iſt der Winkel, unter welchem uns ein Ge - ſtirn über unſerem Horizonte erſcheint. Bei ſeinem Auf - oder Untergange ſteht es im Horizonte oder ſeine Höhe iſt Null. Wenn es in unſerem Zenithe (über unſerm Scheitel) ſteht, ſo iſt ſeine Höhe gleich 90 Graden. Man muß daher dieſes Wort in der Aſtronomie nie in der Bedeutung nehmen, in welcher es im gewöhnlichen Leben genommen zu werden pflegt, wo z. B. die Höhe eines Thurms der geradelinige Abſtand ſeiner Spitze vom Boden in Klaftern ausgedrückt iſt, während es in der Aſtro - nomie immer einen Winkel bezeichnet. Vergl. den Artikel Diſtanz.
  • Höhenkreis oder Verticalkreis oder auch Scheitelkreis eines Sterns, iſt derjenige größte Kreis, der durch den Stern ſenk - recht auf den Horizont des Beobachters, alſo auch durch das Ze - nith, (ſ. d. Art.) des Beobachters geht. Der Bogen dieſes447Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.Kreiſes, der zwiſchen dem Stern und dem Horizonte ent - halten iſt, heißt die Höhe des Sterns (ſ. d. Art.).
  • Horizont, iſt derjenige größte Kreis des Himmels, deſſen Peri - pherie in allen ihren Punkten um 90 Grade von dem Zenith oder Nadir (ſ. d. Art.) des Beobachters entfernt iſt. Seine Ebene iſt gleichſam die Tangente der Erde in dem Punkte, den der Beobachter einnimmt. Dieſe Ebene trennt die uns ſicht - bare Hälfte des Himmels von der unteren, unſichtbaren. Die Oberfläche des ſtillſtehenden Waſſers iſt ſeiner Natur nach im - mer horizontal, ſo wie ein an einem Faden frei herabhängen - des Gewicht den Faden immer in eine verticale (d. h. auf den Horizont ſenkrechte) Richtung bringt.
  • Hyperbel, eine krumme Linie, die eine der ſogenannten drei Ke - gelſchnitte iſt (ſ. d. Art.). Eine nähere Beſchreibung der - ſelben ſ. m. III. S. 95.
  • Jährliche Gleichung. Eine der größeren Störungsgleichungen des Monds, die durch die Einwirkung der Sonne erzeugt wird. M. ſ. I. S. 333 und III. 121.
  • Iſothermiſche Linien, ſind diejenigen krummen Linien, die man auf der Oberfläche der Erde gezogen hat, um dadurch alle die - jenigen Punkte zu verbinden, welche dieſelbe mittlere Temperatur (ſ. d. Art.) haben. I. S. 209.
  • Kegelſchnitte. Wenn man einen Kegel in einer beſtimmten Rich - tung mit einer Ebene durchſchneidet, ſo wird der Durchſchnitt beider im Allgemeinen durch eine krumme Linie begränzt ſeyn, die man Kegelſchnitt nennt. Je nach der Lage der ſchneiden - den Ebene gegen die Axe des Kegels, wird dieſe krumme Linie eine andere Geſtalt annehmen. Man unterſcheidet von dieſen Geſtalten beſonders drei: die Ellipſe, Parabel und Hyperbel (ſ. d. Art.). Näheres über dieſen Gegenſtand in III. S. 93.
  • Klima. Unter dieſem Ausdrucke verſteht man in der Aſtronomie und mathematiſchen Geographie eine dem Erdäquator parallele Zone auf der Oberfläche der Erde, die man entweder nach der Temperatur dieſer Zone (heiße, kalte, gemäßigte Zone I. S. 202), oder gewöhnlicher nach der Dauer des längſten Tags, in dieſen Gegenden der Erde, einzutheilen pflegt. Näheres darüber in I. S. 205.
  • Knoten und Knotenlinie. Die gerade Linie, in welcher die Ebene einer Planetenbahn die Ebene der Ecliptik ſchneidet, heißt die Knotenlinie der Planetenbahn, und dieſe Linie zu beiden Seiten verlängert, bezeichnet am Himmel die beiden Knoten der Planetenbahn und zwar den aufſteigenden Knoten , wenn der Planet nach ſeinem Durchgange durch dieſen Knoten ſich über die Ecliptik oder gegen Nord erhebt, während der an - dere, von dem er gegen Süd geht, der niederſteigende Knoten[]heißt. In der alten Kalenderſprache heißt bei der Mondsbahn der aufſteigende Knoten der Drachenkopf, und der niederſteigende der Drachenſchwanz.
448Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.
  • Kreis, größter, einer Kugel. So heißt jeder Kreis auf der Ober - fläche einer Kugel, deſſen Mittelpunkt mit dem der Kugel zu - ſammen fällt. Alle andere Kreiſe, deren Mittelpunkte außer dem Kugelmittelpunkte liegen, ſind kleinere und zwar deſto klei - ner, je weiter ihr Mittelpunkt von jenem der Kugel entfernt iſt. Denkt man ſich einen größten Kreis der Kugel und mehrere ihm parallele über und unter ihm, ſo iſt der durch die Mit - telpunkte aller dieſer Kreiſe gehende Durchmeſſer der Kugel die Axe (ſ. d. Art.) aller dieſer Parallelkreiſe, und die beiden Endpunkte dieſes Durchmeſſers, heißen die beiden Pole aller dieſer Parallelkreiſe.
  • Kreismikrometer, iſt ein kleiner Kreis oder Ring, den man im Brennpunkte eines Fernrohrs ſenkrecht auf die Axe dieſes Rohrs anbringt, um damit die Orte der Himmelskörper gegen ein - ander zu beſtimmen. M. ſ. III. S. 374.
  • Länge der Sterne. M. ſ. zuvor den Art.: Breitenkreis. Länge eines Sterns iſt die Entfernung ſeines Breitenkreiſes von dem Frühlingspunkte, von Weſt gegen Oſt bis 360 Graden gezählt. Die Länge eines Sterns iſt alſo auch der Bogen der Eclip - tik, der zwiſchen dem Frühlingspunkte (ſ d. Art.) und dem Breitenkreiſe des Sterns enthalten iſt. Man kann kurz ſagen: Länge eines Sterns iſt deſſen öſtliche Entfernung vom Früh - lingspunkt, auf der Ecliptik gezählt.
  • Länge, geographiſche, eines Beobachters, iſt die Entfernung ſeines Meridians (ſ. d. Art.) von dem als erſten angenom - menen Meridian. Gewöhnlich nimmt man bei uns den Meri - dian durch die Inſel Ferro als den erſten an. Die Länge einer Stadt iſt daher der Winkel, den ihr Meridian mit dem von Ferro macht. Man zählt dieſen Winkel von Weſt gegen Oſt bis 360 oder auch zuweilen nur bis 180 gegen Oſt und auf der anderen Seite wieder bis 180 gegen Weſt, wo dann jene die öſtliche und dieſe die weſtliche Länge heißt. So hat, nach der erſten Art ſich auszudrücken, Mexico die Länge 278° 35′ und nach der zweiten Art die weſtliche Länge 81° 25′ von Ferro.
  • Mauerquadrant, ein aſtronomiſches Inſtrument, das in dem vierten Theile eines Kreiſes beſteht, der an einer in der Ebene des Meridians erbauten Mauer befeſtiget wird. Näheres III. S. 253.
  • Meridian oder Mittagskreis, iſt derjenige größte Kreis des Him - mels, der durch die Weltpole (Pole des Aequators), und durch das Zenith (Scheitelpunkt) des Beobachters geht. Die Ebene dieſes Kreiſes ſteht demnach ſenkrecht auf dem Aequator ſowohl, als auch auf dem Horizont. Sie geht durch den höchſten und tiefſten Punkt des Aequators und durch den Süd - und Nord - punkt des Horizonts. Wenn die Geſtirne, in ihrem täglichen Laufe um die Erde, in den Meridian treten, ſo ſtehen ſie am höchſten über dem Horizont oder ſie ſind in ihrer Culmination449Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.(ſ. d. Art.). Wenn die Sonne durch den Meridian geht, ſo be - zeichnet ſie dadurch den Augenblick des Mittags des Beobach - tungsorts. Der Meridian iſt demnach auch ein Declinations - oder Stundenkreis, und zwar derjenige, deſſen Stundenwinkel (ſ. d. Art.) gleich Null oder gleich 180° iſt.
  • Meridiankreis, eines der vorzüglichſten neuen Inſtrumente, das aus einem ganzen Kreiſe mit einem Fernrohre beſteht, welches letzte in der Ebene des Meridians (ſ. d. Art.) ſich auf und ab bewegt. M. ſ. III. S. 316.
  • Mikrometer, jede Vorrichtung an einem Fernrohre, mit welchem man kleinere Winkel mit Schärfe meſſen kann, wie z. B. das Schraubenmikrometer (III. S. 369), das Rautenmikrometer (III. S. 373), das Kreismikrometer (III. S. 374) u. f.
  • Milchſtraße, ein lichter Streifen, der nahe, in der Richtung eines größten Kreiſes, den ganzen Himmel umzieht und deſſen lichtere Farbe von der Gedrängtheit der in ihm ſtehenden Fix - ſterne entſteht. (II. S. 399.)
  • Mittag, ſ. Süd.
  • Mittagslinie, iſt der Durchſchnitt der Ebene des Meridians mit der des Horizonts (ſ. d. Art.). Dieſe Linie gibt daher die Rich - tung von Süd nach Nord. Der Schatten einer verticalen Stange im Augenblicke des wahren Mittags (wo die Sonne durch den Meridian geht) gibt auf einer horizontalen Ebene die Richtung der Mittagslinie.
  • Mittagsrohr oder Paſſagen-Inſtrument. Ein Fernrohr, wel - ches ſich, auf einer horizontalen Axe, in der Ebene des Meridians (ſ. d. Art.) auf und ab bewegt. Eines der vorzüglichſten In - ſtrumente der neueren Aſtronomie. Man ſehe darüber III. S. 278.
  • Mittlerer Planet. Die Planeten bewegen ſich in ihren ellipti - ſchen Bahnen um die Sonne ungleichförmig oder mit veränder - lichen Geſchwindigkeiten. Allein ihren ganzen Umlauf um die Sonne vollenden ſie demungeachtet immer in derſelben Zwiſchen - zeit. Die Aſtronomen haben daher für jeden wahren Planeten noch einen anderen bloß imaginären angenommen, der mit dem wahren dieſelbe Umlaufszeit hat, aber ſich dafür gleichförmig oder immer mit derſelben Geſchwindigkeit um die Sonne bewegt, ſo daß er mit dem wahren Planeten immer zu gleicher Zeit durch die große Axe (ſ. d. Art.) der Bahn oder durch das Perihelium und Aphelium dieſer Bahn geht. Dieſen imaginären Planeten nennt man den mittleren Planeten, und man bedient ſich ſei - ner zur Erleichterung der aſtronomiſchen Berechnungen. (Vergl. I. S. 278.) Man findet die conſtante tägliche Bewegung des mittleren Planeten, wenn man 360 Grade durch die Umlaufs - zeit des wahren Planeten dividirt. Mars z. B. hat die Umlaufs - zeit von 686,9297 Tagen, alſo iſt die tägliche Bewegung ſeines mittleren Planeten gleich 0,524 Grade oder gleich 31′ 26, 4. Weiß man nun, in welchem Augenblicke beide Planeten zugleichLittrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 29450Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.durch ihr Perihelium gingen, ſo weiß man auch, daß der mitt - lere Planet am Ende des 1. 2. 3. Tags nach jenem Augenblick 1, 2, 3mal 0,524 Grade von ſeinem Perihel entfernt iſt, d. h. daß die mittlere Anomalie (ſ. d. Art.) für dieſe Zeiten 0,524, oder 1°,048 oder 1°,572 u. f. iſt. Addirt man aber zu dieſer mittleren Anomalie die Gleichung der Bahn (ſ. d. Art.), ſo erhält man die wahre Anomalie des Mars, oder man erhält den Ort des wahren Planeten in ſeiner Bahn. Dieſe täg - liche Bewegung des mittleren Planeten wird auch öfter die tägliche mittlere Bewegung des wahren Planeten genannt. Auch bei der Sonne hat man eine ſolche mittlere Sonne, deren tägliche Bewegung 0,985 Grade beträgt, und ſo wie man den Augenblick des wahren Mittags durch die Culmination der wahren Sonne beſtimmt, ſo ſagt man auch, daß der mittlere Mittag ſtatt hat, wenn dieſe imaginäre mittlere Sonne durch den Meridian geht. Wie es ferner 1, 2, 3 Uhr wahre Zeit iſt, wenn die wahre Sonne, im Aequator gezählt, 15, 30, 45 Grade weſtlich vom Meridian ſteht, d. h. wenn der Stun - denwinkel (ſ. d. Art.) der wahren Sonne, 15, 30, 45 Grade beträgt, ſo iſt es auch 1, 2, 3 Uhr mittlere Zeit, wenn der Stundenwinkel jener mittleren Sonne 15, 30, 45 Grade iſt u. ſ. w.
  • Mittlere Entfernung der Planeten von der Sonne, iſt gleich - bedeutend mit der halben großen Axe (ſ. d. Art.) ihrer Bahn. So iſt die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde oder die halbe große Axe der Erdbahn gleich 20658000 geogr. Meilen. Gewöhnlich nimmt man dieſe halbe Axe der Erd - bahn als die Einheit aller anderen aſtronomiſchen Meſſungen an. So beträgt die mittlere Entfernung Jupiters (I. S. 295) 5,20116, d. h. alſo 5,20116 Halbmeſſer der Erdbahn oder über 107 Millionen Meilen.
  • Morgenweite eines Sterns, Entfernung des Orts, wo der Stern aufgeht, von dem Oſtpunkte (ſ. d. Art.) des Horizonts.
  • Multiplicationskreis, eines der Inſtrumente der neueren Aſtronomie, deſſen Beſchreibung und Gebrauch III. S. 334.
  • Nachtbogen eines Geſtirns, derjenige Theil ſeines Parallelkreiſes (ſ. d. Art.), der unter dem Horizonte des Beobachters liegt, und in welchem ihr daher der Stern unſichtbar iſt. Zur Zeit der Aequinoctien iſt der Nacht - und Tagbogen der Sonne gleich groß, weil zu dieſer Zeit in der That Tag und Nacht gleiche Dauer haben. Für die Circumpolarſterne (ſ. d. Art.), die nicht untergehen, iſt der Nachtbogen gleich Null.
  • Nachtgleiche, ſ. Aequinoctium.
  • Nadir oder Fußpunkt des Beobachters, iſt derjenige unſichtbare Punkt des Himmels, der ſenkrecht unter dem Beobachter ſteht und daher dem Zenith oder Scheitelpunkte gerade entgegen ge - ſetzt iſt. Nadir iſt für den Beobachter der tiefſte Punkt des Himmels, ſowie Zenith der höchſte Punkt deſſelben iſt.
451Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.
  • Nebel. Nebelſterne. Nebſt den bekannten Fixſternen gibt es am Himmel noch Stellen, die ſich durch ein mattes Licht aus - zeichnen und ihren Ort am Himmel ſo wie ihre Geſtalt ebenſo unveränderlich beibehalten, wie die Fixſterne. Dieſe Stellen werden Nebel genannt. Oft ſieht man auch eigentliche Fixſterne von ſolchen Nebeln, gleich einer Atmoſphäre, umgeben, die dann Nebelſterne heißen. II. S. 356.
  • Neigung nennt man den Winkel zweier Ebenen gegen einander. So iſt die Ecliptik gegen den Aequator um 23° 28′ geneigt und die Neigung der Merkursbahn gegen die Ecliptik beträgt nahe 7 Grade. I. S. 281.
  • Nonius, ſ. Vernier.
  • Nord oder Nordpunkt oder Mitternacht, derjenige Punkt des Ho - rizonts, wo er von dem Meridian oder von der Mittagslinie auf der Seite geſchnitten wird, wo der Polarſtern uns erſcheint. Er iſt dem Südpunkte (ſ. d. Art.) entgegengeſetzt.
  • Nutation, eine kleine Bewegung der Erdaxe oder, was daſſelbe iſt, der Weltpole am Himmel, die vorzüglich durch den Mond erzeugt wird. Durch die Nutation wird der Aequator gegen die feſte Ecliptik verrückt, wodurch der Frühlingspunkt ſowohl, als auch die Schiefe der Ecliptik (ſ. d. Art.) etwas verändert wer - den. Allein dieſe Veränderungen betragen nur 17 Sekunden bei dem Frühlingspunkt und 9 Sekunden bei der Schiefe, und ſie ſtellen ſich überdieß in einer Periode von 19 Jahren wieder her. (I. S. 358.)
  • Obere Planeten. So heißen diejenigen, deren mittlere Entfer - nung (ſ. d. Art.) größer iſt, als die der Erde von der Sonne. So iſt Mars und Jupiter ein oberer Planet, Merkur und Ve - nus aber ſind die beiden unteren.
  • Oppoſition oder Gegenſchein. Ein Planet iſt in Oppoſition, wenn er, von der Erde geſehen, der Sonne gerade gegenüber ſteht oder wenn die Länge der Sonne und des Planeten um 180 Grade verſchieden iſt. Zur Zeit der Oppoſition culminirt der Planet um Mitternacht, zur Zeit der Conjunction (ſ. d. Art.) aber um Mittag.
  • Oſt oder Oſtpunkt, Morgenpunkt. Dieſer Punkt des Horizonts ſteht in der Mitte zwiſchen Süd und Nord auf der Seite des Hori - zonts, wo die Geſtirne aufgehen.
  • Parabel, eine krumme Linie, die zu den drei Kegelſchnitten gehört. Ihre nähere Erklärung III. S. 95.
  • Parallaxe, iſt der Unterſchied der beiden Winkel, unter welchen man einen Punkt aus den beiden Endpunkten einer geraden Linie ſieht, oder es iſt derjenige Winkel, unter welchem ein Auge in jenem Punkte dieſe gerade Linie ſehen würde. Gewöhnlich nimmt man für dieſe Linie den Halbmeſſer der Erde an, in dem der Beobachter ſteht. Dann wird alſo die Parallaxe eines Ge - ſtirns am größten ſeyn, wenn dieſer Erdhalbmeſſer auf unſerer Geſichtslinie nach dem Stern ſenkrecht, d. h. wenn das Geſtirn29 *452Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.in unſerem Horizonte iſt: man nennt dieß die Horizontal - parallaxe des Geſtirns. Je höher das Geſtirn über den Horizont tritt, deſto kleiner wird die Höhenparallaxe deſ - ſelben, und wenn das Geſtirn im Zenith iſt, ſo iſt ſeine Höhen - parallaxe gleich Null, weil nämlich dann der Halbmeſſer der Erde einem Auge in dem Geſtirn nur als ein Punkt erſcheinen würde. Wegen der Parallaxe ſehen wir alſo die Geſtirne an ganz anderen Punkten des Himmels, als wir ſie von dem Mit - telpunkte der Erde aus ſehen würden. Daß dieſe Parallaxe nicht bloß auf die Höhe, ſondern auch auf die Länge, Breite u. ſ. f. der Geſtirne Einfluß haben muß, iſt für ſich klar, ſo wie, daß ſie immer kleiner wird, je größer die Entfernung des Geſtirns von der Erde iſt. Schon für die Sonne, deren Di - ſtanz von der Erde über zwanzig Millionen Meilen beträgt, er - ſcheint der Halbmeſſer der Erde, der nur 860 Meilen iſt, ſo gering, daß die Horizontalparallaxe der Sonne, als ihr größter Werth, nur mehr 8,6 Sekunden beträgt. Für die ungleich weiter entfernten Fixſterne wird endlich dieſe Parallaxe oder der Winkel, unter dem der Erdhalbmeſſer von dem Fixſterne geſehen wird, unendlich klein, daher man hier den Verſuch gemacht hat, durch Beobachtungen zu beſtimmen, ob wenigſtens der Halbmeſ - ſer der Erdbahn aus dem Fixſterne geſehen, noch unter einem merklichen Winkel erſcheint. Man nennt dieſen Winkel die jährliche Parallaxe der Sterne, ſo wie man, zum Unter - ſchiede mit dieſer, die vorhergehende die tägliche Parallaxe nennen könnte. Man fand aber, daß ſelbſt die jährliche Pa - rallaxe der Fixſterne noch viel zu klein iſt, um durch unſere Inſtrumente gemeſſen zu werden; daß man endlich, wenn die Parallaxe eines Geſtirns bekannt iſt, daraus die Entfernung deſſelben von der Erde meſſen könne, iſt oben (I. S. 140 und 157) gezeigt worden.
  • Parallelkreis eines Geſtirns iſt ein dem Aequator paralleler Kreis und zwar derjenige, in welchem das Geſtirn ſeine tägliche ſchein - bare Bahn um die Erde zurücklegt. Der uns ſichtbare oder über dem Horizonte liegende Theil des Parallelkreiſes heißt der Tagbogen, und der andere der Nachtbogen des Geſtirns. Die Parallelkreiſe ſind alle kleinere Kreiſe der Kugel, außer dem Aequator, der ein größter Kreis iſt. (S. d. Art. Kreis.)
  • Paſſagen-Inſtrument ſ. Mittagsrohr.
  • Perihelium oder Sonnennähe, iſt der der Sonne nächſte Punkt einer Planetenbahn, wie Aphelium (ſ. d. Art.) der von der Sonne am meiſten entfernte Punkt der Bahn iſt.
  • Periodiſche Revolution ſ. Tropiſche Revolution.
  • Perturbation oder Störung eines Planeten. Die elliptiſche Be - wegung der Planeten iſt eine Wirkung der Attraction der Sonne. Allein auch die übrigen Planeten wirken durch ihre Attraction auf jeden einzelnen Planeten, wenn gleich in viel geringerem Maaße und bringen dadurch kleine Aenderungen in der reinen453Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.elliptiſchen Bewegung jedes Planeten hervor, die man die Per - turbationen deſſelben nennt. Dieſelben ſind zweierlei Art, die periodiſchen, welche nur auf den Ort des Planeten in ſeiner Bahn Einfluß haben und nach beſtimmten Perioden wiederkehren, und die ſäculären, welche auf die Elemente (ſ. d. Art.) der Bahn wirken. (M. ſ. III. S. 115 und 124.)
  • Planetenſyſtem oder Weltſyſtem. Man hat in verſchiedenen Zeiten die Planeten unter ſich und in Beziehung auf die Sonne auf verſchiedene Weiſe zu ſtellen geſucht. Eine ſolche Stellung nennt man Planetenſyſtem. So haben wir das Ptolemäiſche Syſtem (I. S. 224), das Aegyptiſche (I. S. 227), das Co - pernicaniſche (I. S. 238) und das Tychoniſche Syſtem (I. S. 260). Von dieſen iſt das Copernicaniſche allgemein als das wahre an - erkannt.
  • Planetentafeln ſind eigene Verzeichniſſe, durch welche man für jede gegebene Zeit den Ort eines mittleren, und aus ihm den Ort des wahren Planeten (ſ. d. Art. Mittl. Planet) auf eine die Rechnung ſehr erleichternde Weiſe finden kann. Ein Spe - cimen ſolcher Tafeln, in ihrer einfachſten Geſtalt, findet man oben (I. S. 285).
  • Pol eines Kreiſes auf der Kugel, ſ. Kreis.
  • Polarkreis, iſt derjenige Parallelkreis (ſ. d. Art.) des Himmels oder auch der Erde, der 66° 32′ von dem Aequator, alſo 23° 28′ von dem Pole des Aequators entfernt iſt. Der über dem Aequator ſtehende Parallelkreis heißt der nördliche und der andere der ſüdliche. Die Bewohner der Erde, welche zwiſchen dem Parallelkreis und dem Pole leben, ſehen die Sonne einen oder mehrere Tage im Jahre nicht auf - und ebenſo nicht unter - gehen.
  • Polarſtern iſt unter den größern Sternen des Himmels derjenige, welcher dem Nordpole des Aequators zunächſt ſteht. Man fin - det ihn leicht am Himmel, da er mit den beiden Hinterrädern des ſogenannten Wagens (des Sternbilds des großen Bären) nahe in einer geraden Linie ſteht. Er iſt für die aſtronomiſchen Beobachtungen ſehr wichtig. Er war aber nicht immer dem Pole ſo nahe, als jetzt und wird ſich auch ſpäter wieder von ihm entfernen (I. S. 357).
  • Poldiſtanz eines Sterns iſt gleich 90 Graden weniger der Declination (ſ. d. Art.) dieſes Sterns, für Sterne unter dem Aequator iſt ſie gleich 90 Graden mehr der Declination. Pol - diſtanz iſt alſo die Entfernung eines Sterns von dem Nordpole des Aequators, in dem Declinationskreiſe (ſ. d. Art.) des Sterns gemeſſen.
  • Polhöhe oder geographiſche Breite eines Orts auf der Oberfläche der Erde, iſt die Höhe (ſ. d. Art.), unter welcher dem Beobach - ter in dieſem Orte der Nordpol des Aequators über dem Hori - zonte erſcheint, oder auch, iſt der ſenkrechte Winkelabſtand des Beobachters von dem irdiſchen Aequator. Für einen Beobachter454Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.im Aequator iſt die Polhöhe oder Breite gleich Null, und für die Bewohner des Pols iſt ſie gleich 90 Graden. Je größer die Polhöhe, deſto weiter iſt der Beobachter von dem Aequa - tor entfernt.
  • Präceſſion oder Vorrücken der Nachtgleichen. Der Frühlings - punkt (ſ. d. Art. Aequinoctium) geht jährlich auf der feſten Ecliptik nahe 50 Sekunden rückwärts oder von Oſt gegen Weſt, daher die Länge der Sterne (ſ. d. Art.) jährlich um eben dieſe Größe zunimmt. Dieſe Verrückung des Frühlingspunkts heißt die Präceſſion. (I. S. 354.)
  • Quadrant, ein aſtronomiſches Inſtrument, beſtimmt, die Höhe der Geſtirne zu meſſen. Es beſteht aus dem vierten Theile eines Kreiſes, daher ſeine Benennung. Näheres darüber I. S. 104 und III. S. 250.
  • Radius Vector des Planeten, iſt die Entfernung des Planeten von dem Mittelpunkte der Sonne, der immer in dem einen der beiden Brennpunkte der elliptiſchen Planetenbahn iſt.
  • Rectaſcenſion oder Gerade Aufſteigung eines Sterns. Man ſehe zuvor den Artikel: Declinationskreis. Rectaſcen - ſion iſt die Entfernung des Declinationskreiſes eines Geſtirns von dem Frühlingspunkte von Weſt gegen Oſt in der Ebene des Aequators bis 360° gezählt. Oder auch: Rectaſcenſion eines Sterns iſt der Winkel ſeines Declinationskreiſes mit dem Colur (ſ. d. Art.) der Aequinoctien. Man kann daher auch kurz ſagen: Rectaſcenſion eines Sterns iſt die öſtliche Entfernung deſſelben vom Frühlingspunkt, im Aequator gezählt, ſo wie Länge (ſ. d. Art.) eines Sterns die öſtliche Entfernung deſſelben vom Frühlingspunkt, in der Ecliptik gezählt, iſt. Durch Rectaſcenſion und De - clination wird der Ort eines Sterns an der Himmelsfläche ebenſo vollſtändig beſtimmt, wie durch Länge und Breite. (S. d. Art.)
  • Refraction oder Strahlenbrechung iſt die Ablenkung des Lichtſtrahls, der während dem Durchgange deſſelben durch un - ſere Atmoſphäre, durch die Anziehung derſelben bewirkt wird. (I. S. 343). Dieſe Ablenkung hat immer nur in dem Verti - calkreiſe (ſ. d. Art.) des Sterns ſtatt und ſeine Höhe wird da - durch vergrößert, ſo daß wir alle Sterne, wegen der Refraction, zu hoch ſehen. Für einen Stern im Horizont beträgt die Re - fraction bis 38 Minuten, für größere Höhen wird ſie immer kleiner und für Sterne im Zenith (ſ. d. Art.) verſchwindet ſie völlig.
  • Retrograde oder rückgängige Bewegung, heißt jede Be - wegung der Himmelskörper, wenn ſie von Oſt nach Weſt ge - richtet iſt, während die von Weſt nach Oſt gerichtete Bewegung eine directe heißt. Die Planeten haben bald dieſe bald jene Bewegung. (I. S. 217, 239.)
  • Revolution oder Umlaufszeit eines Planeten iſt die Zeit, wäh - rend welcher er ſeine ganze Bahn oder ſeinen ganzen Umlauf um irgend einen Punkt vollendet, alſo volle 360° in Beziehung455Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.auf dieſen Punkt zurückgelegt. Man unterſcheidet: ſideriſche Revolution in Beziehung auf die Fixſterne; tropiſche oder periodiſche in Beziehung auf den Frühlingspunkt; ſynodiſche in Beziehung auf die Sonne; anomaliſtiſche in Beziehung auf Anomalie (ſ. d. Art.).
  • Rotation eines Planeten iſt die Zeit, während welcher er ſich in ſeiner täglichen Bewegung ganz um ſeine Axe dreht. Bei der Erde beträgt dieſe Rotationszeit einen Sterntag (ſ. d. Art.) oder 23 Stunden 56 Minuten 4 Sekunden mittlere Zeit; bei der Venus 23 Stunden 21 Minuten; bei Jupiter 9 Stunden 56 Minuten unſerer mittleren Zeit u. ſ. f.
  • Säculäre Aenderungen, heißen alle diejenigen, die entweder ohne Ende in derſelben Richtung fortgehen, wie die Präceſſion der Nachtgleichen (ſ. d. Art.), oder die doch mehrere, oft viele Jahr - hunderte dieſelbe Richtung beibehalten, wie z. B. die Aenderun - gen der Knoten, der Neigungen, der Excentricitäten, der Pla - netenbahnen u. ſ. w. So nimmt z. B. die Excentricität der Erdbahn ſeit dem Jahre 11400 vor Chr. G. bis auf die gegen - wärtige Zeit immer ab und wird auch ferner noch abnehmen bis zu dem Jahre 36900 nach Chr. G. (III. S. 135), daher dieß eine ſäculäre Abnahme heißt. Im Gegenſatze mit dieſen Aenderungen ſtehen die ſogenannten periodiſchen Störun - gen, die oft nur eine Zeit nach einer und dann eben ſo weit wieder nach der anderen Richtung fortgehen, gleich einem Pen - del, welches den Hin - und Hergang ſeiner Schwingungen in einer kurzen Zeit und in einem nur geringen Raum abwechſelnd vollendet. Eine ſolche periodiſche Aenderung iſt z. B. die Nu - tation (ſ. d. Art.), deren Zeitraum nur 19 Jahre dauert.
  • Satelliten oder Trabanten der Planeten, ſind die Monde, welche einige unſerer Planeten begleiten. So iſt unſer Mond der Satellit der Erde: ſo hat Jupiter vier, Saturn ſieben Sa - telliten u. ſ. f.
  • Scheitel ſ. Zenith.
  • Scheitelkreis oder Verticalkreis ſ. Höhenkreis.
  • Schiefe der Ecliptik, iſt der Winkel, unter welchem die Bahn der Ecliptik gegen den Aequator geneigt iſt. Er beträgt jetzt nahe 23° 28′ und iſt ſchon ſeit ſehr langer Zeit im Abnehmen begriffen.
  • Schwere ſ. Gravitation.
  • Sextant, ein aſtronomiſches Inſtrument, das beſonders zu Beob - achtungen auf der See geeignet iſt. Die nähere Beſchreibung deſſelben ſ. III. S. 361.
  • Sideriſche Revolution eines Planeten, iſt die Umlaufszeit deſſelben um die Sonne in Beziehung auf einen feſten Punkt des Himmels, z. B., auf einen Fixſtern. Wenn man heute einen Planeten bei einem Fixſtern des Himmels erblickt und wenn er nach 1000 Tagen wieder zu demſelben Fixſtern zurückkömmt, ſo beträgt die ſideriſche Revolution des Planeten 1000 Tage.
  • Solſtitium oder Sonnenwende. So heißen die zwei Punkte456Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.der Ecliptik, die am meiſten von dem Aequator entfernt ſind. Der am höchſten über dem Aequator oder nördlich ſteht, heißt das Sommerſolſtitium, und der tiefſte unter ihr das Win - terſolſtitium, weil wir dort die Sonne im Anfange unſeres Sommers (am 21. Junius) und hier im Anfange des Winters (am 21. Dezember) erblicken.
  • Sonnenferne, ſ. Aphelium.
  • Sonnennähe, ſ. Perihelium.
  • Sonnenparallaxe, iſt die Hälfte des Winkels, unter welchem ein Auge im Mittelpunkte der Sonne den Durchmeſſer unſerer Erde ſieht. Dieſer Winkel beträgt 8,6 Sekunden. M. ſ. den Artikel Parallaxe.
  • Sonnentag, iſt die Zeit von einer Culmination der Sonne, oder von einem Mittag zum[nächſtfolgenden]. Verſteht man dabei die wahre Sonne, ſo erhält man den wahren Sonnentag; verſteht man aber dabei die mittlere Sonne (ſ. d. Art. Mitt - lerer Planet), ſo erhält man den mittleren Sonnentag. Im Gegenſatze iſt Sterntag die Zeit zwiſchen zwei nächſten Cul - minationen eines Fixſterns, z. B. des Frühlingspunkts. Alle dieſe Tage werden übrigens, nach dem aſtronomiſchen Gebrauche, in Stunden, Minuten und Sekunden der mittleren Zeit ausgedrückt. (ſ. d. Art. mittlerer Planet.)
  • Sonnenwende, ſ. Solſtitium.
  • Sonnenzeit iſt der Stundenwinkel (ſ. d. Art.) der Sonne. Wird damit die wahre oder die mittlere Sonne (ſ. d. Art. Mittlerer Planet) gemeint, ſo erhält man wahre oder mittlere Sonnen - zeit. Iſt die wahre oder die mittlere Sonne im Meridian, ſo iſt es eben wahrer oder mittlerer Mittag, das heißt 0 Uhr wahre oder mittlere Zeit; hat die wahre oder mittlere Sonne, in Beziehung auf den Aequator, ſeit dem Mittage, einen Bo - gen von 15, 30, 45 Grade zurückgelegt, ſo iſt es 1, 2, 3 Uhr wahre oder mittlere Zeit u. ſ. w.
  • Sterntag, ſ. Sonnentag.
  • Sternzeit iſt der Stundenwinkel (ſ. d. Art.) des Frühlingspunkts. Iſt der Frühlingspunkt im Meridian, ſo iſt es 0 Uhr Stern - zeit, und iſt er, im Aequator gezählt, 15, 30, 45 Grade weſt - lich vom Meridian, ſo iſt es 1, 2, 3 Uhr Sternzeit. Wie man Sternzeit in mittlere Zeit und umgekehrt verwandelt ſ. m. I. S. 315.
  • Störungen der Planeten, ſ. Perturbationen.
  • Strahlenbrechung, ſ. Refraction.
  • Stundenkreis, ſ. Declinationskreis.
  • Süd oder Mittag, iſt derjenige Punkt des Horizonts, wo derſelbe von dem Meridian (ſ. d. Art.) auf der Seite geſchnitten wird, auf welcher wir die Sonne im Mittag erblicken. Der ihm ge - genüberſtehende Punkt des Horizonts heißt Nord (ſ. d. Art.).
  • Synodiſche Revolution eines Planeten iſt die Umlaufszeit eines Planeten in Beziehung auf die Sonne. Wenn z. B. 457Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.heute Jupiter bei der Sonne, alſo in Conjunction (ſ. d. Art.) geſehen wird, und wenn 499 Tage verfließen, bis er wieder mit der Sonne zuſammenkömmt, ſo beträgt die ſynodiſche Revolution Jupiters 499 Tage. (M. ſ. I. S. 294.) Bei dem Monde iſt daher die ſynodiſche Revolution (oder, wie man hier zu ſagen pflegt, der ſynodiſche Monat) die Zeit von einem Neumond zum anderen, oder auch von einem Vollmond zum anderen, und dieſe Zeit beträgt 29 Tage 12 St. 44 Min. (II. S. 221.)
  • Tagbogen eines Geſtirns iſt derjenige Theil des Parallelkreiſes (ſ. d. Art.) des Geſtirns, der über unſerem Horizonte liegt, und in welchem uns daher das Geſtirn ſichtbar iſt, während es in dem anderen, unter dem Horizonte liegenden Theile, dem Nachtbogen, unſichtbar iſt.
  • Temperatur, mittlere, eines Orts. Wenn man durch mehrere Jahre täglich den Thermometerſtand ſeines Wohnortes beobachtet, und dann die Summe aller ſo erhaltenen Zahlen durch die Anzahl der ſämmtlichen Beobachtungen dividirt, ſo erhält man die mittlere Temperatur dieſes Ortes. M. ſ. I. S. 209.
  • Theodolith, ein Inſtrument zum geodätiſchen und aſtronomiſchen Gebrauche, deſſen Beſchreibung III. S. 344.
  • Thierkreis, ſ. Zodiacus.
  • Tropicus oder Wendekreis. Diejenigen zwei Parallelkreiſe des Aequators, welche von dem Aequator, zu beiden Seiten deſſel - ben, um 23° 28′, alſo um die Schiefe der Ecliptik (ſ. d. Art.) abſtehen. Der obere oder nördliche heißt der Wendekreis des Kreb - ſes und der untere oder ſüdliche der Wendekreis des Steinbocks. Auf der Erde ſchließen dieſe beiden Wendekreiſe die heiße Zone (ſ. d. Art.) ein. Die Sonne berührt auf ihrem jährlichen Laufe den nördlichen Wendekreis im Anfange unſeres Sommers, und den ſüdlichen im Anfange des Winters, und über ſie hinaus geht ſie nicht, indem ſie um dieſe Berührungspunkte ihren Weg wieder rückwärts macht oder gleichſam wendet, daher die Benennung.
  • Tropiſche oder periodiſche Revolution eines Planeten, iſt die Um - laufszeit eines Planeten in Beziehung auf den Frühlingspunkt (ſ. d. Art. Aequinoctium). Da das Aequinoctium, wegen der Präzeſſion (ſ. d. Art.) ſelbſt beweglich iſt, ſo iſt die trop. Re - volution von der fideriſchen (ſ. d. Art.) verſchieden, und dieſe fideriſche iſt allein die wahre Umlaufszeit um die Sonne, weil ſie ſich auf einen feſten Punkt bezieht, daher auch der Planet während ſeiner ſideriſchen Revolution in der That volle 360 Grade um die Sonne zurücklegt. Für die Sonne oder, was daſſelbe iſt, für die Erde, beträgt die ſideriſche Revolution 365,25638 mittlere Sonnentage, die tropiſche aber nur 365,24225 oder 365 Tage 5 St. 48 M. 50,4 Sek. ſolcher Tage, und die - ſes letzte iſt zugleich das, was wir unſer bürgerliches Jahr zu nennen pflegen.
  • Umlaufszeit, ſ. Revolution.
458Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.
  • Untere Planeten, ſo heißen die zwei Planeten Merkur und Venus, deren Bahnen kleiner ſind als die Erdbahn, und die daher von der Erdbahn eingeſchloſſen werden, während die übri - gen Planeten, deren Bahnen die Erdbahn einſchließen, die oberen genannt werden. Auch die Conjunctionen (ſ. d. Art.) der unteren Planeten ſind zweierlei Art: die obere Conjunction derſelben hat ſtatt, wenn die Sonne in gerader Linie zwiſchen dem Planeten und der Erde ſteht, und die untere, wenn der Planet in gerader Linie zwiſchen Sonne und Erde ſteht.
  • Untergang eines Geſtirns iſt der Augenblick, in welchem er, nachdem er eine Zeit durch über dem Horizonte ſichtbar geweſen war, auf der Weſtſeite deſſelben durch den Horizont geht, und anfängt, unſichtbar zu werden.
  • Variation, iſt eine der großen Störungsgleichungen des Monds, die von der Einwirkung der Sonne verurſacht wird. M. ſ. I. S. 332 und III. S. 118.
  • Vernier oder Nonius, iſt eine ſinnreiche Vorrichtung, um dadurch ſehr kleine Theile einer geraden oder krummen Linie zu meſſen. M. ſ. III. S. 366.
  • Verticalkreis, ſ. Höhenkreis.
  • Vorrücken der Nachtgleichen, ſ. Präceſſion.
  • Wahre Zeit oder wahre Sonnenzeit, iſt der Stundenwinkel (ſ. d. Art.) der wahren, am Himmel ſichtbaren Sonne. Wenn der Mittelpunkt dieſer Sonne durch den Meridian geht oder culminirt, ſo iſt dieß der Augenblick des wahren Mittags, und wenn dieſer Mittelpunkt, im Aequator gezählt, 15, 30, 45 Grade weſtlich von dem Meridian ſteht, ſo iſt es 1, 2, 3 Uhr wahre Zeit. Die Sonnenuhren zeigen, wenn ſie richtig con - ſtruirt ſind, dieſe wahre Zeit an.
  • Weltare, iſt die Axe (ſ. d. Art.) des Aequators oder diejenige gerade Linie, die durch den Mittelpunkt der Erde, ſenkrecht auf den Aequator geht. Dieſe Axe geht alſo auch durch die beiden Pole des Aequators, dem Nordpole und dem Südpol deſſelben. Um dieſe Axe dreht ſich die Erde in ihren täglichen Bewegun - gen von Weſt gegen Oſt, oder um ſie ſcheint ſich der ganze Himmel mit ſeinen Geſtirnen täglich von Oſt gegen Weſt zu drehen. Dieſe Axe endlich iſt gegen den Horizont des Beob - achters immer um einen Winkel geneigt, welcher der Pol - höhe (ſ. d. Art.) oder der geographiſchen Breite dieſes Ortes gleich iſt.
  • Weltpole ſind die zwei Punkte des Himmels, in welcher die ver - längerte Weltaxe (ſ. d. Art.) die Himmelsfläche trifft. Der obere uns ſichtbare heißt der Nordpol und der andere, un - ſichtbare, der Südpol.
  • Weltſyſtem, ſ. Planetenſyſtem.
  • Wendekreis, ſ. Tropicus.
  • Weſt oder Weſtpunkt, Abendpunkt. Dieſer Punkt des Horizonts459Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.ſteht in der Mitte zwiſchen Süd und Nord auf der Seite des Horizonts, wo die Geſtirne untergehen.
  • Widderpunkt, gleichbedeutend mit Frühlingspunkt ſ. d. Art. Aequinoctium.
  • Winterſolſtitium oder Winter-Sonnenwende ſ. Solſtitium.
  • Zeichen der Planeten, ſind eigene Figuren, mit welchen man die Planeten bezeichnet, z. B. Merkur durch , Venus durch u. ſ. f. (M. ſ. II. S. 64). Zeichen des Thier - kreiſes. Der Thierkreis (ſ. d. Art. Zodiacus) wird, als ein Kreis von 360 Graden, in zwölf gleiche Theile eingetheilt, die man Zeichen nennt. Jedes ſolcher Zeichen hat daher 30 Grade. Ihre Namen und Figuren (die I. S. 129 angegeben ſind) haben ſie von den Sternbildern, die in ihnen früher ent - halten waren, jetzt aber, wegen der Präceſſion, ſchon außer ihnen ſtehen. Näheres darüber I. S. 356.
  • Zeitgleichung iſt diejenige Zahl, welche man an jedem Tage des Jahres zu der wahren Zeit addiren muß, um die mitt - lere Zeit (ſ. d. Art.) zu erhalten. Näheres über dieſen Ge - genſtand ſ. m. I. S. 313.
  • Zenith oder Scheitelpunkt, der Punkt des Himmels, der ſenkrecht über dem Beobachter oder in dem Scheitel deſſelben ſteht, der höchſte Punkt des Himmels in Beziehung auf den Horizont. Wenn man von dem Mittelpunkte der Erde eine gerade Linie nach dem Beobachter zieht, ſo trifft dieſe Gerade, zu beiden Seiten verlängert, den Himmel, über dem Beobachter im Zenith, und unter demſelben im Nadir des Beobachters.
  • Zenithdiſtanz eines Sterns iſt die Entfernung deſſelben vom Zenith, in dem Höhenkreiſe (ſ. d. Art.) des Sterns gemeſſen. Die Zenithdiſtanz iſt alſo immer gleich 90 Graden, weniger der Höhe (ſ. d. Art.) des Sterns. Iſt der Stern im Zenith, ſo iſt ſeine Zenithdiſtanz Null, und iſt er im Horizont, ſo iſt ſeine Zenithdiſtanz gleich 90 Graden.
  • Zodiacus oder Thierkreis, iſt eine der Ecliptik parallele Zone des Himmels, die ſich zu beiden Seiten der Ecliptik bis auf 10 Grade von ihr entfernt. In dieſer Zone halten ſich die ſämmtlichen älteren Planeten ſammt der Sonne auf, welche letzte immer die Mitte derſelben einnimmt. Sie wird in 12 gleiche Theile, die man Zeichen (ſ. d. Art.) nennt, einge - theilt, worüber man I. S. 129 und S. 356 nachſehen kann.
  • Zodiacallicht, ein der Milchſtraße ähnliches Licht, das in der Geſtalt eines doppelten Kegels erſcheint, deren gemeinſchaft - liche Grundfläche die Sonne iſt und deren Axen in der Eclip - tik liegen. Die nähere Beſchaffenheit dieſes Lichtes iſt noch un - bekannt. (III. S. 153.)
  • Zonen, ſind dem Aequator parallele Streifen auf der Oberfläche der Erde, die von den beiden Polar - und Wendekreiſen (ſ. d. Art.) begränzt werden. Der von den beiden Wende -460Anhang. Aſtronomiſche Kunſtwörter.kreiſen eingeſchloſſene Streifen heißt die heiße Zone. Die zwei, zwiſchen den Wende - und Polar-Kreiſen jeder He - miſphäre enthaltenen Streifen bilden die zwei gemäßigten Zonen und zwar die nördliche und ſüdliche; die noch übrigen von den beiden Polarkreiſen umſchloſſenen Theile der Ober - fläche der Erde endlich bilden die beiden kalten Zonen der Erde. (M. ſ. I. S. 202.)
[461]

Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.

Die römiſchen Zahlen I, II, III beziehen ſich auf den Band, die andern auf die Seiten.

  • Aberration des Lichts I. 172. Iſt nicht aus der Parallaxe zu erklären I. 173. Differenz der Wirkungen der Aberration und der Parall - axe I. 175. Ellipſe der Aberration I. 176. Winkel der Aberration I. 177. Zuſammenhang mit der Geſchwindigkeit des Lichts I. 179. Urſache der Aberration I. 189. Wirkung derſelben auf den ſchein - baren Ort der Sterne I. 191.
  • Abplattung der Erde I. 71. Verſchiedene Werthe derſelben I. 83. Abplattung der Erde, Beſtimmung derſelben durch den Mond III. 123.
  • Abweichung ſiehe Declination.
  • Abweichungskreis ſiehe Declinationskreis.
  • Aegyptiſches Planetenſyſtem I. 227.
  • Aequator I. 28.
  • Aequatorial III. 349 361. Beſchreibung deſſelben III. 349 352. Vortheile für den Beobachter. III. 352. Rectification III. 355 360.
  • Aequatorhöhe I. 29.
  • Aequinoctialpunkte oder Nachtgleichenpunkte I. 33. Beſtimmung der - ſelben durch Beobachtung I. 117 121.
  • Aether-Störungen der Kometen durch denſelben III. 168.
  • Anomalie der Planeten, mittlere und wahre I. 279.
  • Antipoden I. 92.
  • Aphelium I. 273, gleichbedeutend mit Sonnenferne.
  • Apſiden oder Abſiden, gleichbedeutend mit der großen Axe der ellipti - ſchen Planetenbahn I. 300. Beſtimmung ihrer Lage I. 301. Ein - fluß der Aenderung der Abſiden der Erdbahn auf die Jahreszeiten I. 303.
  • Araber, Aſtronomie der I. 116.
  • Argument der Breite bei den Planeten I. 249.
  • Armillarſphäre III. 233.
  • Aſtrolabium III. 233.
  • Atmoſphäre der Erde, Höhe und Dichtigkeit derſelben I. 343. Höhe der Atmoſphäre III. 152. Ihre Ebbe und Fluth III. 162.
  • Attwoods Maſchine I. 80.
  • Aufgang der Geſtirne I. 36.
  • Ausdehnbarkeit der Körper III. 6.
  • Axe der Kreiſe auf der Kugel I. 24.
  • Axe der Erde. Ihr Lage iſt conſtant III. 170 174. Freie Axe der Rotation III. 173.
  • Axe große, der Planetenbahnen iſt conſtant III. 177 180.
  • Azimut I. 30.
462Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.
  • Bahnen, tägliche der Geſtirne in ihrer ſcheinbaren Bewegung um die Erde I. 56.
  • Bedingungsgleichungen und Anwendung derſelben II. 105.
  • Beobachtungen, Fehler der, III. 221. Theilungsfehler III. 225. Auf - gabe des Beobachters III. 229. Zeitbeſtimmung III. 237. Beobach - tungsfehler der erſten Art, durch Ausführung und Aufſtellung der Inſtrumente veranlaßt, III. 386. Beobachtungskunſt, ihre all - mählige Vervollkommnung III. 389. Beobachtungsfehler der zwei - ten Art, aus der Beſchränktheit unſerer ſinnlichen Organe hervor - gehend III. 392.
  • Bewegung überhaupt III. 11; durch Centralkräfte III. 91; elliptiſche, der Himmelskörper III. 87 102.
  • Bewohner der Planeten II. 160. Huygen’s Meinung darüber II. 161 166. Kircher’s Anſichten II. 166. Fontenelle’s Hypotheſen II. 167 171.
  • Brechung des Lichts, doppelt II. 16. Durch Linſen III. 260.
  • Breite der Sterne I. 32; geographiſche I. 33; iſt gleichbedeutend mit Polhöhe der Planeten I. 248.
  • Capillar-Attraction. III. 16.
  • Centralkräfte, Bewegung durch, III. 91.
  • Centrifugalkraft, Folge der drehenden Bewegung I. 69. 73.
  • Ceres II. 114 120.
  • Chineſen, Aſtronomie der, I. 115.
  • Circumpolarſterne I. 37.
  • Collimator beim Meridiankreis III. 330.
  • Compreſſibilität der Körper III. 6.
  • Copernicus I. 135. 237. Unvollkommenheit ſeines Planetenſyſtems I. 259.
  • Copernicaniſches Planetenſyſtem I. 237 240. Vorzüge deſſelben I. 241.
  • Correſpondirende Höhen, zur Zeitbeſtimmung III. 242 248; zur Be - ſtimmung der Rectaſcenſion III. 248.
  • Culmination der Geſtirne I. 36; obere und untere Culmination I. 37.
  • Dämmerung I. 351.
  • Dauer des Weltſyſtems III. 206 218.
  • Declination der Geſtirne oder Abweichung derſelben I. 32.
  • Declinationskreis, gleichbedeutend mit Abweichungskreis oder Stun - denkreis I. 28.
  • Denderah, Thierkreis zu, I. 360.
  • Depreſſion des Horizonts, welchen Theil der Erde man von einer ge - gebenen Höhe überſieht I. 47.
  • Dichte der Körper I. 78; der Himmelskörper wie man ſie findet III .. 48; Dichte verſchiedener Körper III. 85; der Planeten nimmt ge - gen ihren Mittelpunkt zu III. 147.
  • Directe Bewegung der Planeten I. 124.
  • Diſtanz der Geſtirne, wie man ſie aus der Parallaxe findet I. 143. Diſtanz unzugänglicher irdiſcher Objecte, wie ſie gemeſſen wird I. 143 146. Diſtanzen der Planeten von der Sonne I. 253. Diſtanz des Monds von der Erde I. 254.
  • Doppelſterne II. 320. Verſchiedene Klaſſen II. 320. Ihr Verhältniß zu den einfachen II. 321. Anzahl derſelben II. 321. Verſchiedenheit der Doppelſterne II. 322. Eigene Bewegung der Fixſterne II. 323. Frühere Meinungen von ihnen II. 328. Ihre Vertheilung am Himmel II. 323. Drei und mehrfache Sterne II. 324. Bewegung derſelben um einander II. 325. Bedeckung der Doppelſterne unter einander II. 327. Wie man ihre Entfernung von uns finden könnte II. 330 334. Bahnbeſtimmung der Doppelſterne II. 334. 463Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.Elemente der Bahnen der vorzüglichſten Doppelſterne II. 335. Einige beſonders merkwürdige II. 336 339. Sie unterliegen dem Geſetz der allgemeinen Schwere II. 339. Farben der Doppel - ſterne II. 340. Erklärungen dieſer Farben II. 342. Doppelſterne, als Prüfungsmittel der Fernröhre II. 344. Planeten der Doppel - ſterne II. 348. Bahnen dieſer Planeten II. 349. Anblick des Him - mels von dieſen Planeten. II. 351. Geſchichte ihrer Entdeckung II. 352 355. Beſtimmung ihrer Maſſen III. 82.
  • Durchgänge. Merkur’s II. 60. Der Venus II. 78. Wichtigkeit der Venusdurchgänge zur Beſtimmung der Sonnenparallaxe II. 79. Epochen, wenn ſie ſtatt haben II. 80; früheſte Beobachtung dieſer Durchgänge II. 81. Durchgang des Jahres 1769 II. 85; der Venus, Berechnung derſelben II. 86. Nächſtkünftige Durchgänge II. 87. Wie man daraus die Sonnenparallaxe findet II. 88. Vorzüge dieſer Me - thode II. 89 97. Einfache Darſtellung derſelben II. 99 101.
  • Ebbe und Fluth III. 154. Allgemeine Erſcheinungen III. 155. Perio - den III. 155. Urſachen III. 156. Einfluß der Lokalverhältniſſe III. 157. Hafenetabliſſement III. 157. Berechnung dieſer Erſcheinun - gen III. 158. Erklärung derſelben III. 159. Geſchichte ihrer Theo - rie III. 162. Ebbe und Fluth der Atmoſphäre III. 163.
  • Ecliptik oder Sonnenbahn I. 32. Lage derſelben am Himmel I. 100. Erſte Beſtimmung dieſer Lage I. 101 103. Genauere Beſtim - mung derſelben I. 107.
  • Elemente der Planetenbahnen I. 245, 252, 280.
  • Ellipſe, Eigenſchaften der, I. 271. Ellipſe III. 93, 100.
  • Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper III. 87 102.
  • Entfernung der Geſtirne ſiehe Diſtanz.
  • Epicykel zur Erklärung der zweiten Ungleichheit der Planeten I. 232. - here Beſtimmung dieſer Epicykel I. 234. Fehler dieſer Hypotheſe I. 235.
  • Epoche der Planeten I. 246.
  • Erde. Sie iſt keine Ebene und ſchwebt frei im Himmelsraum. I. 45. Sie hat im allgemeinen die Geſtalt einer Kugel I. 46, 51, 53. Größe der Erde I. 49. Folgen ihrer Kugelgeſtalt I. 50, 51. Cen - trifugalkraft ihrer drehenden Bewegung. I. 70. Abplattung I. 71. Meſſungen ihrer Geſtalt und Größe I. 72. Sphäroidiſche Geſtalt der Erde I. 72. Zweifel über dieſe Geſtalt I. 83. Einwürfe ge - gen die Rotation derſelben I. 91. Beweiſe für ihre tägliche Bewegung I. 55 95. Beweiſe für ihre jährliche Bewegung um die Sonne I. 130 140. Geſchwindigkeit der täglichen Bewegung I. 62. Geſchwindigkeit der jährlichen Bewegung der Erde I. 139. Analogie derſelben mit den Planeten I. 134. Ihre jährliche Bewegung iſt eine Folge der täglichen I. 138. Schiefe Stellung ihrer Axe gegen die Ecliptik, als Urſachen der Jahreszeiten I. 197. Abplattung derſelben III. 123. Alter der Erde III. 150. Die Lage ihrer Axe iſt unveränderlich III. 170 174. Die Zeit ihrer Rotation iſt conſtant III. 174 177. Die Erde war anfänglich in einem flüſſigen Zuſtande III. 181. Cen - tralfeuer der Erde III. 182. Allmählige Abkühlung derſelben III. 183. Folge derſelben III. 184. Temperatur derſelben III. 184 187.
  • Evection I. 334.
  • Excentricität der Planetenbahnen I. 272. der Planetenbahnen, wie ſie beſtimmt wird I. 298. Aenderungen dieſer Excentricität I. 299. Excentricität der Planetenbahnen III. 109.
  • Excentriſcher Kreis zur Erklärung der erſten Ungleichheit der Plane - ten I. 229. Fehler dieſer Erklärung I. 231.
464Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.
  • Fadennetze ſiehe Netze.
  • Fall der Körper durch die Schwere I. 66. Abweichung der fallenden Körper gegen Oſt I. 67. Fallhöhe für verſchiedene Polhöhen I. 81. Freier Fall der Körper III. 20. Geſetze dieſes Falls III. 21 24. Anwendung derſelben III. 24. Fall der ſchiefgeworfenen Körper III. 46. 89. Fall der Körper auf der Oberfläche des Monds III. 70; und der übrigen Planeten III. 71.
  • Farben, Urſache der, I. 183; des Sonnenlichts II. 9; der Doppelſterne II. 340. Complementare Farben II. 341.
  • Fehler, unvermeidliche, der Beobachtungen III. 221.
  • Fernrohr. Entdeckung deſſelben III. 255 ff. Einrichtung deſſelben III. 265. Allmähliche Verbeſſerungen III. 267 272. Anwen - dung bei Meßinſtrumenten III. 273. Fäden im Brennpunkte des Fernrohrs III. 275. Rectification dieſer Fäden. III. 280.
  • Finſterniſſe des Mondes geben einen Beweis für die Kugelgeſtalt der Erde. I. 53. Finſterniſſe des Monds I. 333.
  • Finſterniſſe der Sonne I. 334. Erſcheinungen dabei II. 201.
  • Fixſterne, wie man ſie kennen lernt I. 41. Entfernung derſelben I. 157 158. Jährliche Parallaxe I. 159. Unſere Unkenntniß der - ſelben und der Entfernung der Fixſterne I. 161 164 und 167. Größe derſelben I. 164; ihre eigene Bewegung II. 323. Schein - bare Größe derſelben II. 299. Verſchiedene ſcheinbare Größen II. 300. Veränderungen ihres Lichts II. 301. Eintheilung in Klaſ - ſen II. 302. Meſſung ihrer Lichtſtärke II. 317. Doppelſterne II. 318 355. Anzahl der Fixſterne, erſte Beſtimmung II. 303; zweite II. 303; dritte II. 304; vierte II. 305. Sternreiche Gegen - den des Himmels II. 308. Die Anzahl derſelben iſt unendlich II. 311 314. Abſolute Größe der Fixſterne II. 314.
  • Fluth ſiehe Ebbe.
  • Frühlingspunkt I. 33.
  • Geocentriſcher Ort der Planeten I. 243. 251.
  • Geologien, bisher aufgeſtellte III. 191. Nach Leibnitz und Whiſton III. 193. Nach Buffon III. 194. Nach Franklin III. 195. Nach La - place III. 200 203.
  • Gerade Aufſteigung ſiehe Rectaſcenſion.
  • Geſchwindigkeiten, verſchiedene II. 31; der ſämmtlichen Planeten II. 220. Urſprüngliche Geſchwindigkeit der Planeten III. 98. An - wendung auf die Erde III. 99; auf Merkur III. 100.
  • Geſetze Keplers, erſtes I. 266 und 275; zweites I. 272; drittes I. 288.
  • Gewicht der Körper I. 78.
  • Gleichung der Bahn der Planeten I. 279. Berechnung eines ellipti - ſchen Ortes der Planeten. I. 282.
  • Globus. Beſchreibung I. 39. Orientirung I. 40. Gebrauch deſſelben I. 41. Ort der Sonne auf dem Globus I. 126.
  • Gnomon, einfachſtes Inſtrument zur Höhenmeſſung I. 009. Aelteſte Beobachtungen damit I. 111. Gnomon I. 209. III. 231.
  • Gravitation ſiehe Schwere.
  • Größe der Geſtirne, wie ſie durch Beobachtungen beſtimmt wird I. 151. Präciſion dieſer Beſtimmungen I. 153. der Himmelskör - per III. 83.
  • Heliocentriſcher Ort der Planeten I. 243, 251.
  • Hemiſphäre, ſichtbare und unſichtbare I. 27; nördliche und ſüdliche I. 28; öſtliche und weſtliche I. 29.
  • Herbſtpunkt I. 33.
  • Höhe eines Sterns I. 27 mit ſeiner Zenithdiſtanz.
465Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.
  • Höhenkreiſe, ſiehe Verticalkreiſe.
  • Horizont I. 26, wahrer und ſcheinbarer I. 27.
  • Huygens III. 33.
  • Hyperbel III. 95.
  • Jahr, tropiſches. Aenderung deſſelben III. 137.
  • Jahreszeiten I. 194. Jahreszeiten, wenn die Erde eine andere oder keine Rotation hätte I. 195. Wenn die Schiefe der Ecliptik gleich Null wäre I. 196. Erklärung derſelben I. 199 202. Aenderung derſelben durch die Aenderung der Abſidenlinie der Erdbahn I. 303.
  • Jährliche Gleichung des Monds I.
  • Inſtrumente. Schwierigkeit bei der Verfertigung derſelben III. 223. Stabilität derſelben III. 227. Inſtrumente der Alten. Gnomon III. 231. Trignetrum, Aſtrolabium, Armillen III. 233. Armil - larſphären III. 236.
  • Interferenz des Lichts II. 21 26.
  • Iſothermiſche Linien I. 209.
  • Juno II. 114 120.
  • Jupiter. Diſtanz, Revolution, Durchmeſſer II. 121. Atmoſphäre II. 123. Flecken und Streifen II. 125. Rotation II. 126. Abplat - tung II. 126. Jahreszeiten II. 127. Maſſe II. 128. Anblick des Himmels auf Jupiter II. 132. Bewohner dieſes Planeten II. 133. Große Störung durch Saturn III. 125.
  • Kegelſchnitte III. 93.
  • Kepler. Die drei von ihm entdeckten Geſetze I. 136, 266, 275, 288. Sein Verfahren bei der Beſtimmung der Planetenbahnen I. 261 265. Deſſen erſtes Geſetz I. 266 und 275. Wie er ſein zweites Geſetz fand I. 267, 272. Graphiſche Beſtimmung der Planeten - bahn I. 269. Drittes Geſetz I. 288. Zuſammenhang der drei von ihm entdeckten Geſetze I. 290.
  • Klimate der Alten I. 205.
  • Knoten der Planetenbahnen I. 247.
  • Körper. Allgemeine Eigenſchaften III. 3.
  • Kometen II. 226 298. Anzahl der Kometen II. 227. Geſtalt II. 230. Kern II. 230. Nebelfülle II. 231. Schweif II. 231. Größe des Schweifs II. 232 234. Entſtehung und Ausbildung der Kome - ten II. 235 237. Sehr große Kometen II. 237. Phaſen derſel - ben II. 240. Maſſe der Kometen II. 241. Maſſe des Kerns II. 242, 244. Komet des Jahres 1770 II. 243. Berechnung ihrer Bahnen II. 245 250. Paraboliſche Bahnen II. 249. Kometen von bekannter Umlaufszeit II. 251. Komet von Halley II. 252. Elemente des Halley’ſchen Kometen II. 253. Frühere Erſcheinun - gen deſſelben II. 255. Spätere gewiſſe Erſcheinungen deſſelben II. 257. Erſte II. 257. Zweite II. 259. Dritte II. 260. Vierte II. 263. Fünfte II. 265. Komet von Olbers II. 267. Komet von Encke II. 268. Komet von Biela II. 270. Starke Annäherung zur Erde II. 274, und zu Encke’s Kometen II. 273. Was die Erde von den Kometen zu befürchten hat II. 275. Gründe gegen dieſe Beſorgniſſe II. 277. Aeltere Meinungen von den Kometen II. 277 282. Einfluß auf Witterung II. 282 285. Einfluß auf Krankheiten II. 285 288. Ueber ihr Zuſammentreffen mit weit verbreiteten Epidemien, II. 289 294. Bewohner der Kometen II. 294 298. Ihre geringe Maſſe III. 168. Störung derſelben durch Planeten III. 168. Durch den Aether III. 169. Kometen, Urbewohner des Weltſyſtems III. 203.
  • Kraft der Körper auf das Licht I. 183. Zerlegung der Kräfte I. 185. Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 30466Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.Anwendung derſelben I. 187, 188. Kraft der Sonne I. 293. Kraft als Urſache der Bewegung III. 12. Augenblicklich und ſtets wir - kende Kraft III. 19. Allgemeine Betrachtungen darüber III. 27. Iſt das Reſultat der Wirkung aller Elemente eines Körpers III. 68. Centralkraft III. 91.
  • Kreis, größter, der Kugel und Eintheilung deſſelben I. 24. Eigen - ſchaften derſelben I. 25. Neigung derſelben I. 25. Wie man aus dem Halbmeſſer deſſelben den Umkreis und die Oberfläche findet I. 50.
  • Kreismikrometer III. 374.
  • Kryſtalliſation der Körper III. 9.
  • Kugel. Wie man aus dem Halbmeſſer derſelben die Oberfläche und das Volumen derſelben findet I. 50.
  • Länge der Sterne I. 32.
  • Länge der Planeten in der Bahn und in der Ecliptik I. 249. Redu - zirte Länge I. 249.
  • Länge, geographiſche I. 33.
  • Längenbeſtimmung durch Chronometer III. 376 380. Durch Finſter - niſſe III. 380. Durch Mondsdiſtanzen III. 384.
  • Licht. Meſſung der Geſchwindigkeit deſſelben I. 179. Schwingungen, in welche das Licht die Atome der Oberfläche der Körper verſetzt I. 183. Große Kraft der Anziehung dieſer Atome I. 184. Licht, Quelle der Farben II. 9. Geſchwindigkeit und Feinheit des Son - nenlichts II. 14. Vibrations - und Emanations-Hypotheſe II. 15. Polariſation des Lichts II. 15. 18. Doppelte Brechung II. 16. Interferenz II. 21. Erklärung der Interferenz II. 23 26.
  • Linſen, Berechnung durch, III. 260.
  • Mars, Entfernung, Umlaufszeit, Größe, ſcheinbarer Durchmeſſer II. 109. Flecken und Rotation II. 110. Atmoſphäre II. 111. Abplat - tung II. 112. Wie ihn Kepler zu ſeiner Theorie benützte II. 113.
  • Mauerguadrant III. 253 255.
  • Maſſe der Körper I. 78.
  • Maſſen und Dichtigkeiten ſämmtlicher Planeten II. 219.
  • Maſſe der Himmelskörper, wie man ſie findet, III. 64. Beſtimmung der Maſſe der Sonne III. 76, 79. Beſtimmung der Maſſe der Planeten III. 79. der Doppelſterne III. 82. der Sonne, iſt ge - gen die der Planeten ſehr groß III. 108. Wie die Maſſen der Planeten durch die Störungen beſtimmt werden III. 143.
  • Maſſe des Monds, Beſtimmungen derſelben durch die Ebbe und Fluth III. 161.
  • Merkur, ſcheinbare Bewegung I. 214. Entfernung und Revolution, Größe, Bewegung ꝛc. II. 51, 52. Maſſe und Dichte II. 52. Scheinbarer Durchmeſſer II. 53. Temperatur und Beleuchtung II. 54. Wie man ihn erkennt II. 54. Hinderniß ſeiner Sichtbar - keit II. 55. Seine Lichtphaſen II. 56. Atmoſphäre II. 58. Ro - tation II. 59. Jahreszeiten II. 59. Berge II. 60. Durchgang durch die Sonnenſcheibe II. 60.
  • Meridian I. 29.
  • Meridiankreis III. 316 320. Rectification deſſelben III. 322. Ge - brauch III. 324. Beſtimmung des Zenithpunktes III. 325. des Polpunktes III. 328. Gebrauch des Collimators III. 331. Ver - ſchiedene Gattungen deſſelben III. 332.
  • Meteorſteine III. 74.
  • Mikrometer III. 369 376.
467Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.
  • Milchſtraße II. 309, 357. Andere ſehr entfernte Milchſtraßen II. 310. Geſtalt der Milchſtraße II. 357.
  • Mittag I. 30.
  • Mittagslinie I. 29.
  • Mittagsrohr III. 278 295. Rectification deſſelben III. 280 293. Rectification der Faden im Fernrohre III. 280. Der Drehungs - axe III. 284. Des Azimuts III. 288. Beobachtungen mit dieſem Inſtrumente III. 293.
  • Mittelpunkt der Rotation III. 149.
  • Mitternacht I. 30.
  • Mittlere Bewegung der Planeten I. 246.
  • Mittlerer Planet I. 277, 308.
  • Mittlere Sonne I. 277. Verwandlung derſelben in Sternzeit I. 314 318.
  • Mittlere Zeit I. 309.
  • Molecularkräfte III. 13. Ihre Intenſität III. 17.
  • Monate, Namen derſelben II. 77.
  • Mond. Beſtimmung ſeiner Entfernung von der Erde I. 149, 151. Diſtanz deſſelben von der Erde I. 254. Umlaufszeit I. 320. Ent - fernung I. 321. Phaſen I. 321. Aehnliche Phaſen der Erde für den Mond I. 324. Aſchgraues Licht I. 325. Ob er um ſeine Axe rotirt I. 327. Jahreszeiten auf dem Monde I. 327. Tageszeiten I. 328. Bewegung ſeiner Bahn I. 329. Säculäre Aenderung ſei - ner mittleren Bewegung I. 330. Sein Zweck iſt nicht die Beleuch - tung der Erde I. 331. Verwickelte Bewegungen deſſelben I. 332. Drei große Ungleichheiten derſelben I. 332, 333. Verſchiedene Na - men der Mondsflecken II. 77. Betrachtungen über eine Reiſe zu dieſem Himmelskörper II. 175 180. Warum wir ihn beſſer kennen, als die andern Himmelskörper II. 180. Wie die Erde auf dem Mond erſcheint II. 181. Wie der Himmel auf dem Mond erſcheint II. 184. Tags - und Jahreszeiten auf demſelben II. 182. Bewohner der vordern und hintern Seite deſſelben II. 185. Berge II. 186. Meſſung der Mondsberge II. 188, 193. Zwei Gattungen dieſer Berge II. 189. Ringgebirge II. 190. Streifen des Monds II. 192. Vulkane auf dem Monde II. 192. Atmoſphäre II. 195. Mangel an Waſſer II. 196. Bewohner des Monds II. 197 206. Correſpondenz derſelben mit uns II. 204. Ueberſicht ſeiner Revo - lutionen, Entfernung, Maſſe, Größe, Dichte u. ſ. f. II. 221. Be - rechnung ſeines Falles gegen die Erde III. 48. Künſtliche Monde III. 72. Mondsbewohner, ihr Verhältniß zur Schwere des Monds III. 73. Periodiſche Störungen deſſelben III. 116 122. - culäre Störungen III. 129. Acceleration der mittleren Bewegung III. 131. Seine Revolution und Rotation iſt gleich III. 165. Librationen III. 165. Säculäre Aenderungen der Rotationen III. 166. Beſtimmung ſeiner Maſſe III. 161. Aenderung ſeiner Ro - tation III. 166. Säculäre Gleichung der mittleren Bewegung III. 176.
  • Monde der obern Planeten ſiehe Satelliten.
  • Mondsfinſterniſſe ſiehe Finſterniſſe.
  • Multiplicationskreis III. 334. Beobachtungen damit III. 337 341. Rectification deſſelben III. 342.
  • Nacht, lange, unter den Polen I. 204.
  • Nachtbogen eines Geſtirns I. 33.
  • Nachtgleichen I. 33.
  • Nadir I. 26.
30 *468Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.
  • Nebel des Himmels, ſiehe Sterngruppen.
  • Neigung und Knoten der Planetenbahnen I. 247. Neigung und kleine Excentricitäten der Planetenbahnen III. 109.
  • Netze als Mikrometer III. 373.
  • Newton. Seine Vorgänger III. 31. Entdeckung der allgemeinen Schwere III. 34 ff. Inhalt ſeiner Principien III. 56.
  • Nonius, ſiehe Vernier.
  • Nord I. 29.
  • Nutation I. 358.
  • Ortsbeſtimmung der Sterne, durch Azimut und Höhe gegen den Ho - rizont I. 31. Durch Rectaſcenſion und Declination gegen den Aequator I. 31. Durch Länge und Breite gegen die Ecliptik I. 32.
  • Oſt I. 29.
  • Oſtwinde, beſtändige, I. 88.
  • Pallas II. 114 120.
  • Parabel III. 94.
  • Paraboliſche Bewegung der geworfenen Körper III. 89.
  • Parallaxe der Geſtirne I. 141. Tägliche Parallaxe I. 142. Wie man daraus die Entfernung der Geſtirne findet I. 147. Jährliche Pa - rallaxe der Fixſterne I. 159. Parallaxe der Geſtirne. Wie ſie durch Beobachtungen beſtimmt wird I. 148. Geſchichte derſelben I. 167 171. Parallaxe der Fixſterne und daraus folgende Ent - fernung II. 329.
  • Parallelkreiſe I. 32. Irdiſche Parallelkreiſe I. 33.
  • Parallelogramm der Kräfte I. 186. Anwendung deſſelben I. 187, 188. Parallelogramm der Kräfte III. 88.
  • Pendel. Erklärung deſſelben I. 84. Sekundenpendel I. 86. Verſchie - dene Länge deſſelben auf der Oberfläche der Erde I. 87. Meſſung der Schwere durch Pendel I. 87.
  • Perihelium I. 273, gleichbedeutend mit Sonnennähe.
  • Perſer, Aſtronomie der, I. 116.
  • Perturbationen, allgemeine Betrachtung darüber, III. 103. Schwierigkeit ihrer Beſtimmung III. 104. Erleichterung derſelben III. 105 114.
  • Perturbationen, periodiſche III. 116. Des Mondes III. 117. Evection III. 118. Variation III. 120. Jährliche Gleichung III. 120. Störungen von langen Perioden III. 121. Beſtimmung der Son - nenparallaxe und der Erdabplattung durch dieſe Störungen III. 123. Periodiſche Perturbationen der Planeten III. 124. Von Ju - piter und Saturn III. 125.
  • Perturbationen, ſäculäre III. 117. Des Mondes III. 129. Der Ab - ſiden des Mondes III. 130. Der Knotenlinie III. 133. Der mitt - leren Bewegung III. 131. Säculäre Störungen der Planeten III. 125. Der Knoten und Neigungen III. 136, 139. Aenderung des tropiſchen Jahres III. 137. Störungen der Abſiden III. 139. Der Excentricität III. 141. Mittel zur Beſtimmung der Maſſen III. 143. Der Rotation des Monds III. 166.
  • Planeten, kugelförmige Geſtalt derſelben I. 54. Planeten I. 96. Un - regelmäßige Bewegung derſelben I. 134. Aufzählung der Plane - ten und Satelliten unſeres Sonnenſyſtems I. 212. Mannigfaltige Bewegung derſelben I. 213. Bewegung der untern Planeten I. 214. Bewegung der oberen Planeten I. 216. Graphiſche Darſtel - lung ihrer ſcheinbaren Bewegung I. 217. Perioden ihrer ſchein - baren Bewegungen I. 219. Synodiſche Revolution derſelben I. 220. Durchgang der Planeten durch die Ecliptik I. 221. Sideri - ſche Revolution I. 222. Wie ſie beſtimmet wird I. 223. Verzeich -469Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.niß der ſideriſchen Revolution und Diſtanz der Planeten I. 224. Tropiſche Revolution I. 246, 255. Doppelte Ungleichheit ihrer Be - wegung I. 228. Erklärung der erſten Ungleichheit I. 229; und der zweiten I. 232. Heliocentriſcher und geocentriſcher Ort I. 243. Einfachſte Theorie derſelben I. 245. Epoche und mittlere Bewe - gung derſelben I. 246. Neigung und Knoten ihrer Bahnen I. 247. Länge in der Bahn und in der Ecliptik I. 248. Breite und Ar - gument der Breite I. 249. Theorie derſelben mit Rückſicht auf ihre Knoten und Neigungen I. 250. Correction der Beſtimmung ihrer Bewegung I. 252. Elemente der Planeten I. 245, 252, 280. Diſtanzen der Planeten I. 253. Elemente ihrer Bahnen I. 281. Beſtimmung ihrer Umlaufszeiten I. 254. Mittlere und wahre Planeten I. 277. Gleichung der Bahn I. 279. Radius Vector I. 279. Mittlere und wahre Anomalie I. 279. Verzeichniß ihrer Revolutionen, Entfernungen, Durchmeſſer, Oberfläche, Volum und ihrer Geſchwindigkeiten I. 294 297. Zeichen der Planeten II. 64. Obere und untere Zeichen II. 108, 123. Zwiſchenraum von Mars bis Jupiter II. 114. Vier neue Planeten II. 115 120. Bewohner derſelben II. 160 171. Große Diſtanzen zwiſchen den einzelnen Planetenbahnen II. 173. Große Diſtanzen derſelben un - ter ſich III. 111 und von der Erde III. 106. Geſtalt der Planeten im Allgemeinen III. 146 ff.
  • Planeten, neue. Epochen ihrer Entdeckung II. 115. Entfernung und Umlaufszeit I. 224. Entfernung von der Erde und ſcheinbarer Durchmeſſer II. 116. Urſprung dieſer Planeten II. 116. Eigen - ſchaften ihrer Bahnen II. 117. Große Störungen II. 118. Ihr helles Licht II. 119. Ihre Atmoſphäre II. 120.
  • Planetenſyſtem, graphiſche Darſtellung deſſelben II. 223, Fig. 15, 16, 17. Ptolemäiſches Syſtem I. 224. Aegyptiſches Syſtem I. 227. Copernicaniſches Syſtem I. 237. Tychoniſches Syſtem I. 260. Kepleriſches Syſtem I. 259 297. Ueberſicht des ganzen Plane - tenſyſtems I. 293.
  • Planetentafeln. Einrichtung derſelben I. 283 286. Gebrauch dieſer Tafeln I. 287. Planetentafeln der alten Indier I. 362. Verbeſ - ſerung der Planetentafeln II. 107.
  • Polariſation des Lichts II. 15 19.
  • Polarkreiſe I. 33.
  • Polarſtern, wie man ihn findet I. 52.
  • Polarſterne für verſchiedene Epochen I. 357.
  • Poldiſtanz der Geſtirne I. 28. Poldiſtanz und Declination zuſammen genommen geben immer 90 Grade.
  • Pole der Kreiſe auf der Kugel I. 24.
  • Polhöhe gleichbedeutend mit geographiſcher Breite I. 29. Polhöhe und Aequatorhöhe (ſ. d. Art.) eines Orts zuſammengenommen ſind im - mer gleich 90 Graden I. 34. Wie die Polhöhe durch Declination und Zenithdiſtanz eines Geſtirns gegeben wird I. 37. Beſtim - mung der Polhöhe durch Beobachtung I. 105.
  • Poroſität der Körper III. 4.
  • Ptolemäiſches Planetenſyſtem I. 224. Fehler deſſelben I. 225.
  • Präceſſion der Nachtgleichen oder Vorrücken der Nachtgleichen I. 354. Einfluß auf den ſcheinbaren Ort der Sterne I. 355. Vorrückung der Zeichen des Thierkreiſes I. 356. Anwendung auf chronologiſche Unterſuchungen I. 359.
  • Quadrant, Beſchreibung deſſelben I. 104. Beſtimmung der Pol - höhe und der Declination durch dieſes Inſtrument I. 106. 470Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.Quadrant mit zwei Fernröhren III. 230. Mauerquadrant III. 253 255.
  • Radius Vector der Planeten I. 272 und 279.
  • Rautenmikrometer III. 373.
  • Rectaſcenſion oder gerade Aufſteigung eines Sterns I. 31. Beſtim - mung einer erſten Rectaſcenſion durch Beobachtung I. 117 122.
  • Refraction des Lichts I. 343, 346. Beſtimmung ihrer Größe I. 347. Horizontal-Refraction I. 348. Sie verlängert unſere Lage I. 349. Einfluß der Horizontalrefraction I. 350. Terreſtriſche Refraction I. 351.
  • Reiſe um die Welt I. 53. In der Richtung des Meridians. I. 58.
  • Retrograde Bewegung der Planeten I. 214.
  • Revolutionen der Planeten. Beſtimmung der〈…〉〈…〉 deriſchen und tropiſchen Revolutionen durch Beobachtungen I. 255, 256. Vortheile ſehr alter Beobachtungen I. 257.
  • Ring Saturns, Abmeſſung und Lage deſſelben I. 341. Wie er den früheren Beobachtern erſchien II. 139. Huygens entdeckt ſeine wahre Geſtalt II. 140. Ausmeſſungen deſſelben II. 142. Neigung und Knoten der Ringebene II. 143. Urſachen ſeiner Verſchwindung II. 143 146. Verſchiedene Geſtalten des Ringes II. 146. Berge und Atmoſphäre II. 147. Rotation des Rings II. 148. Frühere Zweifel darüber II. 149. Auflöſung derſelben II. 150. Anblick des Rings von Saturn II. 151. Vor - und Nachtheile für die Bewoh - ner Saturns II. 153.
  • Rolle. Gebrauch derſelben zur Meſſung der Schwere I. 79.
  • Rotation der Erde und anderer Himmelskörper I. 90.
  • Satelliten der oberen Planeten des Jupiter II. 207. Des Saturn und des Uranus II. 217.
  • Satelliten Jupiters lehrten uns die Aberration kennen I. 180 182. Umlaufszeit und Entfernung I. 336. Verhältniſſe ihrer Längen und Bewegungen I. 337. Sie lehrten uns die Geſchwindigkeit des Lichts und die Entfernung Jupiters von der Sonne kennen I. 338. Frühere Namen derſelben II. 76. Geſchichte ihrer Entdeckung II. 216. Tafel ihrer Elemente II. 223. Entfernungen, Revolution, Durchmeſſer u. ſ. f. I. 336. II. 207. Wie ſie von Jupiter erſchei - nen II. 208. Vorübergänge vor der Jupitersſcheibe II. 208. Gleich - heit der Revolution und Rotation II. 209. Verfinſterungen der - ſelben II. 210 213. Verfinſterungen Jupiters durch dieſe Sa - telliten II. 213. Theorie dieſer Monde II. 214. Verhältniſſe ihrer Längen und Bewegungen I. 337. II. 215. Anblick des Himmels von dieſen Monden II. 215.
  • Satelliten Saturns I. 339.
  • Satelliten des Uranus I. 340.
  • Satelliten des Saturn und des Uranus II. 217. Tafel ihrer Ele - mente II. 223.
  • Saturn. Entfernung, Revolution II. 136. Größe und Maſſe II. 137. Atmoſphäre und Streifen II. 137. Rotation II. 138. Der Ring Saturns II. 139 155. Große Störung durch Jupiter III. 125.
  • Schatten der Bewohner der Erde in verſchiedenen Zonen I. 203 204.
  • Schiefe der Ecliptik I. 107. Beſtimmung derſelben durch Beobachtung I. 108. Abnahme dieſer Schiefe I. 113 114. Genauere Beſtim - mung derſelben I. 122. Urſache der Jahreszeiten I. 197 ff. Er - ſcheinungen wenn dieſe Schiefe größer oder kleiner wäre I. 209 211.
  • Schneegränze I. 208.
  • Schraubenmikrometer III. 369.
  • Schwere. Verſchiedenheit derſelben auf der Oberfläche der Erde I. 73,471Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.75. Mittel dieſe Schwere zu meſſen I. 76 82. Ihre Wirkung auf den Gang der Uhren I. 84. Auf das Sekundenpendel I. 85. Meſſung derſelben durch Pendel I. 87. Schwere wirkt auf alle Körper gleich II. 130. Allgemeine Schwere, Geſchichte der Ent - deckung derſelben III. 29 ff. Kraft der Erde in größeren Entfer - nungen III. 42. Wirkung der Erde auf ruhende und bewegte Kör - per III. 44, 47. Einfache Ableitung des Geſetzes der allgemeinen Schwere III. 60. Nähere Beſtimmung dieſes Geſetzes III. 66.
  • Sekundenpendel, ſiehe Pendel.
  • Sextant Hadley’s III. 361 366. Beobachtungen damit III. 364. Rectification III. 365.
  • Sideriſche Revolution I. 222.
  • Solſtitialpunkte oder Wendepunkte I. 33 und I. 103.
  • Sommerſolſtitien I. 33.
  • Sonne. Jährliche ſcheinbare Bewegung derſelben I. 96 129. Wor - an ſie erkannt wird I. 97. Ort der Sonne am Himmel, für je - den Tag des Jahres I. 125. Ihr angemeſſenſter Ort im Welt - raume I. 132. Größe derſelben I. 133. Diſtanz derſelben von den Planeten I. 254. Reflex ihrer Strahlen durch die Atmoſphäre I. 353. Ihre Maſſe II. 3. Größe II. 4. Dichte II. 5, 7. Fall der Kör - per auf ihre Oberfläche II. 6. Phyſiſche Beſchaffenheit II. 9. Sa - telliten der Sonne II. 77. Iſt ihre Oberfläche ein Feuer? II. 33. Temperatur ihrer Oberfläche II. 36. Erhaltung derſelben II. 37. Abnahme des Sonnendurchmeſſers II. 38.
  • Sonnenferne, ſiehe Aphelium.
  • Sonnenflecken Beſchreibung derſelben II. 39. Was ſie ſind II. 40. Größe derſelben II. 41. Hypotheſe über ſie II. 42. Geſchichte ihrer Entdeckung II. 143. Mittel die Rotation der Sonne zu finden II. 46. Ihre gekrümmten Bahnen II. 48. Einfluß auf die Wit - terung II. 49.
  • Sonnennähe, ſiehe Perihelium.
  • Sonnenparallaxe. Wie ſie beſtimmt wird II. 79 100. Frühere Ver - ſuche ſie zu beſtimmen II. 83 85. Beſtimmung derſelben durch den Mond III. 123.
  • Sonnenſpectrum, Eigenſchaft des, II. 10. Verſchiedene Intenſität def - ſelben II. 12. Chemiſche Wirkungen II. 13. Magnetiſche Wir - kungen II. 13.
  • Sonnentag I. 38. wahrer.
  • Sonnenuhren III. 306. Stellung des Styls III. 308. Horizontale Uhr III. 309 313. Sonnenuhr für jede gegebene Fläche III. 313.
  • Sonnenzeit, wahre I. 30.
  • Spiralfeder, Gebrauch derſelben zur Meſſung der Schwere I. 82.
  • Sternbilder, verſchiedene Namen derſelben II. 76.
  • Sternkataloge I. 122.
  • Sterngruppen, leicht ſichtbare II. 319.
  • Sterngruppen und Nebel des Himmels. Eintheilung dieſer Gegen - ſtände II. 359. Verzeichniſſe dieſer Himmelskörper II. 360. Ver - theilung derſelben am Himmel II. 361. Leicht ſichtbare Stern - gruppen II. 362. Teleſcopiſche Gruppen II. 363. Größe und Ent - fernung der teleſcopiſchen Gruppen II. 364. Natur derſelben II. 364. Verzeichniß der vorzüglichſten Sterngruppen II. 365 368. Nebelmaſſen II. 368. Weit verbreitete Nebel II. 369. Größen, regelmäßige Nebel II. 370. Nebel mit helleren Theilen II. 371. Nebel von regelmäßiger Geſtalt II. 372. Doppelnebel II. 373. Planetariſche Nebel II. 373. Sternnebel II. 375. Sterne mit472Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.Nebelſtrahlen II. 377. Ringförmige Nebel II. 378. Die Gruppe im Haupthaar der Berenice II. 380. Zwitternebel II. 381. Ne - bel in der Andromeda II. 382. Nebel im Orion II. 383 386. Entſtehung und Ausbildung der Sterngruppen und Nebel des Him - mels II. 387 393.
  • Sterntag I. 38.
  • Sternzeit I. 37. Wie ſie durch Rectaſcenſion und Stundenwinkel eines Sterns gegeben wird I. 38. Verwandlung derſelben in mittlere Zeit I. 314 318. Gebrauch der Sternzeit I. 318.
  • Störungen, ſiehe Perturbationen.
  • Stoß urſprünglicher der Planeten, Größe und Richtung derſelben III. 148 und 174.
  • Strahlenbrechung, ſiehe Refraction.
  • Stundenkreis, ſiehe Declinationskreis.
  • Stundenwinkel I, 30. Der Stundenwinkel des Frühlingspunktes iſt die Sternzeit; der Stundenwinkel der wahren Sonne iſt die wahre Sonnenzeit; der Stundenwinkel der mittleren Sonne iſt die mittlere Zeit.
  • Süd I. 29.
  • Synodiſche Revolution I. 220.
  • Tag, Länge deſſelben iſt unveränderlich III. 174 177. Wirkung der Temperatur auf ſie III. 184.
  • Tagbogen eines Geſtirns I. 33.
  • Tangentialkraft III. 97.
  • Temperatur der verſchiedenen Zonen der Erde I. 202 208. Mittlere Temperatur eines Orts I. 209.
  • Temperatur der Erde III. 184 188. Der Planeten III. 187.
  • Theilbarkeit der Körper III. 7.
  • Theodolit III. 344 348.
  • Tropiſche Revolution der Planeten I. 246.
  • Tycho’s Planetenſyſtem I. 261.
  • Uhren, aſtronomiſche, Gebrauch derſelben I. 371. III. 241, 297.
  • Umlaufszeiten der Planeten, ſiehe Revolution.
  • Untergang der Geſtirne I. 36.
  • Uranus, Entfernung und Revolution II. 156. Größe und Maſſe II. 157. Satelliten II. 158. Tags - und Jahreszeiten II. 159. Be - wohner des Uranus II. 160. Uranus iſt der äußerſte der Planeten II. 271.
  • Urſprung des Weltſyſtems III. 190.
  • Variation I. 334.
  • Venus, ſcheinbare Bewegung I. 215. Namen und Zeichen, helles Licht II. 62. Entfernung und Revolution II. 66. Durchmeſſer II. 66. Phaſen II. 67. Hellſter Glanz II. 67. Flecken und Atmoſphäre II. 69. Berge II. 71. Rotation II. 72. Tags - und Jahreszeiten II. 73. Anblick des Himmels von der Venus. II. 74. Mond der Ve - nus II. 75. Durchgänge der Venus vor der Sonnenſcheibe II. 78 100.
  • Vernier III. 366 369.
  • Verticalkreis I. 27, gleichbedeutend mit Höhenkreis.
  • Veſta II. 114 120.
  • Vorrücken der Nachtgleichen, ſiehe Präceſſion.
  • Wärme, ihr allgemeiner Einfluß II. 27. Auf Kunſt und Wiſſenſchaf - ten II. 28. Auf das gemeine Leben II. 30. Verbindung der Wärme mit dem Lichte II. 32, 34.
  • Wahre Zeit I. 310.
  • Wahrſcheinlichkeits-Rechnung II. 103 107. Einfache Wahrſcheinlichkeit473Alphabetiſches Inhaltsverzeichniß.III. 396. Zuſammengeſetzte Wahrſcheinlichkeit III. 401. Anwen - dung dieſer Berechnung auf öffentliche Verſorgungs-Anſtalten III. 402. Anwendung dieſer Berechnung auf unſere Glücksſpiele III. 405. Wahrſcheinlichkeit, wenn die Anzahl der möglichen Fälle unbekannt iſt III. 408. Der Begriff des Zufalls iſt in unſerer Unkenntniß der Dinge gegründet III. 409. Hinneigung aller Erſcheinungen der Natur zu einer gewiſſen Ordnung III. 411. Trieb zur Vereinigung gleichgeſtimmter Weſen III. 413. Operationen unſeres Gedächt - niſſes III. 414. Gewohnheiten III. 415. Inſtinkt der Menſchen III. 417. Anwendung der Wahrſcheinlichkeits-Rechnung auf Staats - verwaltung III. 421. Wahrſcheinlichkeits-Rechnung bei Zeugen - ausſagen III. 422. Bei Wahlen III. 423. Bei Urtheilsſprüchen III. 425. Anwendung der Wahrſcheinlichkeits-Rechnung auf Aſtro - nomie III. 426. Bereits geleiſteter Nutzen dieſer neuen Rechnungs - art in der Aſtronomie III. 433.
  • Weltaxe I. 28.
  • Weltpole I. 28.
  • Weltſyſtem, Urſprung deſſelben, III. 190 206. Beſonders ausgezeichnete Eigenſchaften deſſelben III. 198 200. Dauer des Weltſyſtems III. 206 218.
  • Wendekreiſe I. 33.
  • Wendepunkte, ſiehe Solſtitialpunkte.
  • Weſt I. 29.
  • Winde, beſtändige Oſtwinde auf der Erde I. 88.
  • Winkel. Mit welcher Genauigkeit man durch unſere neuern Inſtru - mente die Winkel meſſen kann I. 154 156.
  • Winterſolſtitien I. 33.
  • Zeit, Beſtimmung der, I. 305. Sternzeit I. 306. Mittlere und wahre Sonnenzeit I. 307, 310.
  • Zeitbeſtimmung durch Beobachtung. Bei den Alten III. 237 240. Bei den Neuen III. 240 248. Durch das Mittagsrohr III. 293. Durch ein einfaches Fernrohr III. 295. Auch ohne Fernrohr III. 302. Durch Sonnenuhren III. 306 316.
  • Zeichen der Planeten II. 64.
  • Zeichen des Thierkreiſes I. 129. Ihre Vorrückung durch die Proceſſion I. 356. Erfindung dieſer Zeichen I. 360. Urſprung ihrer Benen - nung II. 65.
  • Zeitgleichung I. 308 und 310, 313.
  • Zenith I. 26.
  • Zenithdiſtanz I. 27. Zenithdiſtanz und Höhe eines Sterns zuſammen - genommen geben immer 90 Grade.
  • Zodiacallicht III. 153.
  • Zonen, heiße, kalte und gemäßigte I. 202.
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About this transcription

TextDie Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems
Author Joseph Johann von Littrow
Extent499 images; 157508 tokens; 12279 types; 1070975 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems Dritter Theil: Physische Astronomie. Beschreibung und Lehre vom Gebrauch der astronomischen Instrumente Joseph Johann von Littrow. . 473 S. HoffmannStuttgart1836.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Oh 6775-3<a>http://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=670260819

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Physik; Gebrauchsliteratur; Populärwissenschaft; Wissenschaft; Physik; core; ready; china

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:49Z
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ShelfmarkSBB-PK, Oh 6775-3<a>
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