PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I][II]
Geſchichten Helleniſcher Staͤmme und Staͤdte
Zweiter Band. Die Dorier, erſte Abtheilung.
Mit einer Karte des Peloponnes.
Breslau,im Verlage von Joſef Max und Komp.1824.
[III]
Die Dorier.
Vier Buͤcher
Erſte Abtheilung. Erſtes und zweites Buch.
Breslau,im Verlage von Joſef Max und Komp. 1824.
[IV][V]

Vorrede.

Das geſchichtliche Werk, das ich hiermit dem Publicum und der Wiſſenſchaft uͤbergebe, verfolgt eine Aufgabe, die durch ihre Groͤße und Schoͤn - heit mich vor Beginn der Arbeit mit Begeiſterung erfuͤllte, beim Fortgange derſelben zu immer neu anwachſender Thaͤtigkeit ſtaͤrkte, am Schluſſe aber faſt nur beſchaͤmt und niederdruͤckt: ſo wenig darf ich hoffen ſie von allen Seiten befriedi - gend geloͤst zu haben. Sie forderte, einen von den Staͤmmen, welche die Hauptglieder in dem Organismus des Helleniſchen Nationallebens bil - den, herausgeſondert in ſeinen aͤußeren Zuſtaͤnden und Verhaͤltniſſen, noch mehr aber in ſeinem gei - ſtigen Weſen und Leben zu erkennen und darzu - ſtellen. Die Statthaftigkeit einer ſolchen Auf - gabe laͤugnet heutzutage Niemand, da man aufge - geben, der Voͤlker Leben aus aͤußern Umſtaͤnden und Conjuncturen einerſeits und ſchlauen Plaͤnen[1*]VIausgezeichneter Maͤnner von der andern zu erklaͤ - ren, da man einſieht, daß Nationen nur groͤßre Individuen ſind, deren Charakter, von einer hoͤ - hern Natur von Anfang an beſtimmt, durch die Erziehung der Weltgeſchichte entwickelt wird, nach Geſetzen, die eben ſo weit uͤber dem Cauſalnex der einzelnen Momente als uͤber der ſubjektiven Frei - heit der Individuen ſtehn. Auch herrſcht die letz - tre Anſicht jetzt ſchon in den tiefern Studien der Griechiſchen Geſchichte vor, und hat uns das bald in Gegenſaͤtzen ſich entzweiende und wieder verei - nigende, bald in organiſcher Metamorphoſe neue Geſtalt gewinnende Leben der Hellenen in vielfa - cher Hinſicht mit groͤßerer Klarheit erkennen laſſen; welche Stelle aber in demſelben die Staͤmme ein - nehmen, wie in ihnen die Helleniſche Nationalitaͤt bis auf die tiefſte Wurzel ſich ſpaltet und ver - zweigt, daher ſie in jeder Richtung des geiſtigen Lebens auseinandertreten, und erſt vereint den vollen Begriff des Griechenthums geben, haben geiſtreiche Maͤnner ſchon einigemal nachzuweiſen geſucht, mit einer unverabredeten Uebereinſtim - mung, der nur wenige Unzuſammenhaͤngendes re - dende Stimmen widerſprachen. Auch hat man wohl ſchon den Geſammtbegriff des Hellenismus aus denen der einzelnen Staͤmme, und die letztern als nothwendig in jenem enthalten[andeutungs - weiſe] zu conſtruiren unternommen; Bemuͤhungen, die ich nicht zu tadeln wage, obgleich nur gar zuVII leicht das geſchichtliche Leben durch den allgemei - nen Begriff getoͤdtet wird, und es die Schranke der hiſtoriſchen wie naturgeſchichtlichen Forſchung zu ſein ſcheint, daß wir zwar den tiefen Zuſam - menhang des faktiſch Erkannten einzuſehn, und ſo zum Allgemeinen aufzuſteigen, aber nie vom Allgemeinen ab das Beſondre, dem goͤttlichen Gei - ſte gleichſam nachſchaffend, zu geſtalten vermoͤgen. Meine Aufgabe ging auf keinerlei Conſtruction, ſondern einzig darauf, aus genauer Betrachtung des Doriſchen Lebens in allen ſeinen Kreiſen und Richtungen das eigenthuͤmliche Weſen dieſes Stam - mes, wie eines einzelnen Menſchen aus ſeinen Handlungen und Reden, mit moͤglichſter Schaͤrfe und Beſtimmtheit auszumitteln; welche Aufgabe freilich an der ſcheinbar unaufloͤslichen Schwierig - keit leidet, daß wir uns einerſeits ſchon einen Be - griff von dem geiſtigen Weſen eines Volkes gebil - det haben muͤſſen, ehe wir daſſelbe in dem aͤußern Handeln der Einzelnen, in denen ſich die Sinnes - art der Geſammtheit mehr oder minder darſtellt, zu erkennen und nachzuweiſen vermoͤgen, und daß uns andrerſeits doch nichts Anders als die unbe - fangenſte Betrachtung des Letztern zur richtigen Erkenntniß des Erſtern fuͤhren kann: aber dies iſt keine unſrer Aufgabe eigenthuͤmliche Schwie - rigkeit, ſondern der in jeder hiſtoriſchen Forſchung mehr oder minder ſtattfindende Cirkel. Bedeu - tender iſt die, daß die Maſſe und VielartigkeitVIII des zuſammenzutragenden Stoffs und der unterge - ordneten Unterſuchungen einen lichtvollen Gang der Geſammtdarſtellung ungemein erſchwert: um ſo noͤthiger ſcheint es, den Plan des Ganzen hier mit einigen Worten anzugeben.

Zuerſt mußte von der Exiſtenz, Verbreitung und Stellung des Doriſchen Stammes gehandelt, und die aͤußere Geſchichte deſſelben fuͤr ſich darge - ſtellt werden, obgleich dies nie in ſo vollkommner Sonderung geſchehn kann, daß nicht zugleich man - che politiſche und Cultur-Ideen, welche auf die Stellung nach außen beſtimmend einwirken, be - ruͤhrt werden ſollten. Sonſt habe ich dieſe Dar - ſtellung oͤrtlich dadurch beſchraͤnkt, daß ich von den Staaten der Dorier außerhalb des Peloponnes nur die Anlage behandle; in Hinſicht der Zeit dadurch, daß ich die Erzaͤhlung nur bis zum An - fange des Peloponneſiſchen Krieges fortfuͤhre, nach dem die vorher ſchon mannigfach aufgeloͤste Stamm - einheit allgemach ganz verſchwindet: dazu iſt die Behandlung durch Auslaſſung alles Deſſen, was in andern Werken, wie in Manſo’s Sparta, genuͤ - gend eroͤrtert ſchien, und deſſen war ungemein viel, fragmentariſch geworden; manche Luͤcken auszufuͤllen, wird die chronologiſche Beilage und die Karte dienen, die den Zuſtand des Peloponnes waͤhrend des Krieges zu veranſchaulichen beſtimmt iſt. Daß ich nun auf dieſen geſchichtlichen Abriß Abhandlungen uͤber Religion, Staat, Sitte undIX Kunſt folgen laſſe, und alles Dies unter dem Ti - tel von Geſchichte, wird Niemand tadeln, der nicht von Geſchichte uͤberhaupt ſehr enge und unleben - dige Vorſtellungen hat. Die Religion, gebildet in Zeiten, da Staat und Recht noch embryoniſch in den Keimen lagen, und als dieſe ſich zu ge - ſtalten anfingen, ſchon lange feſtgeſtellt, iſt ganz eigentlich die aͤlteſte Geſchichtsurkunde des geiſti - gen Lebens einer Nation, zumal wenn nachgewie - ſen wird, was bei der Doriſchen des Apollon mit genuͤgender Evidenz geſchehen zu ſein ſcheint: daß ſie der Volkſtamm nicht durch aͤußerliche Ueber - tragung erhalten, ſondern aus dem eignen reli - gioͤſen Gefuͤhl zur beſtimmten Geſtalt erſchaffen habe. Wie ſchwierig aber die Behandlung die - ſes Gegenſtandes ſei, mag am beſten die Betrach - tung lehren, daß uͤberhaupt keine Religion, mit Ausnahme des Chriſtenthums, in einer geſchicht - lichen Zeit neu entſtanden iſt, daß aller andern Urſprung in einer voͤllig verhuͤllten Urzelt liegt, welche ein ſpaͤter untergegangnes Vermoͤgen, religioͤſe Gefuͤhle in beſtimmter Form feſtzuhalten und dem Beduͤrfniß des Glaubens ſein Objekt zu ſchaffen, beſeſſen haben muß. In einer ſolchen Zeit ruhend ſtehen beim erſten daͤmmernden Beginn der Geſchichte die Gottheiten und Culte aller Voͤlker ſchon vor uns, den Sprachen aͤhnlich, die auch nie - mals nachweisbar ein neues weſentliches Element, ein Wurzelwort oder eine Flexion, erhalten haben;X wie dieſe, moͤgen ſie ſich vermiſchen, degeneriren, von außen umgeſtaltet werden; etwas voͤllig Neues giebt es in ihnen nicht, und alle Religion iſt ihrem Weſen nach traditionell und poſitiv. Das, glaub ich, lehrt alle Hiſtorie, die ſich bemuͤht die Epochen des geſchichtlichen Lebens mit Unbefangenheit zu erkennen. Dagegen iſt es vielleicht ein beſondres Reſultat der hier mitgetheilten Unterſuchungen, daß dieſer Zuſtand religioͤſer Produktivitaͤt doch fuͤr Griechenland in eine Zeit geſetzt werden muß, in der nicht die Nation blos, ſondern auch die einzel - nen Staͤmme derſelben in beſtimmt ausgepraͤgter Eigenthuͤmlichkeit daſtanden. Denn wenn ich er - ſtens gezeigt habe, daß aller Apollocult von dem Doriſchen Urlande um Tempe ausgegangen iſt, ſo iſt auch zweitens anſchaulich gemacht worden, daß die Grundideen deſſelben mit dem Geiſte des Do - riſchen Volkſtammes in derjenigen Uebereinſtim - mung ſtanden, die uͤberhaupt bei Vergleichung fruͤherer und ſpaͤterer Epochen deſſelben Volks er - wartet werden kann. Freilich haͤngt dies Reſul - tat von dem Gelingen meines Bemuͤhens ab, uͤberhaupt die religioͤſen Ideen dieſes Cultus aus deſſen Symbolen, Mythen, Darſtellungen dem Leſer zu vergegenwaͤrtigen; den ich dabei nur zu erwaͤgen bitte, daß ich einerſeits aus Scheu durch Raͤſonnement die aͤchte Farbe der Tradition zu ver - wiſchen, andrerſeits auf weiteres Fortſinnen rech - nend, die Stelle einzelner Saͤtze im allgemeinernXI Zuſammenhange oft nur mit wenigen Worten be - zeichnet habe. Juͤnger als die Bildung des Goͤt - termythus iſt auf jeden Fall die des heroiſchen, ſeine Tendenz ſchon mehr praktiſch, weniger ideal, auf und ab ſchwankend von religioͤſer Anſchauung zu geſchichtlicher Erinnerung. Bei den Doriern concentrirte ſich der Schoͤpfergeiſt dieſer Mytho - logie in der Einen Geſtalt des Herakles, die dem Doriſchen Stamm in ihren Hauptzuͤgen zu vindi - ciren und von dieſem Anfangspunkte aus zu ent - wickeln, eine der Hauptabſichten dieſes Buches war. Da in dieſer Claſſe von Mythen manche der aͤlteſten politiſchen Ideen, wie Heiligkeit des Koͤnigthums, Nothwendigkeit der Mordſuͤhne, hell hervortreten: ſo ſchien es angemeſſen, unmit - telbar die Darſtellung des Doriſchen Staates fol - gen zu laſſen. Dem Doriſchen Stamme iſt vor allen Griechiſchen ein eben ſo fruͤh gebildeter als intenſiver Begriff von der Ordnung des oͤffent - lichen Lebens eigen, ſo daß die noch in vielfacher Hinſicht unbeſtimmten Verhaͤltniſſe der Homeriſchen Achaͤer in einen auffallenden Gegenſatz treten mit dem ſtreng geregelten und harmoniſch ausgebilde - ten Staatsleben, wie es ſich ſchon ſo fruͤh in Kreta, dann gleicherweiſe in Sparta, und, wie ich glaube, auch ſehr zeitig in Delphi geſtaltete. Den Begriff des Doriſchen Staates uͤberhaupt nach - zuweiſen, ſeinen Organismus aus Kreta’s, Spar - ta’s und einiger andern Staaten aͤlteren Inſtitu -XII tionen zu entwickeln, war die Hauptabſicht des dritten Buches, das indeſſen auch diejenigen Staatseinrichtungen und ſolche Verfaſſungen der Dorier nicht uͤbergeht, in denen von jenem politi - ſchen Stammgeiſte eben Nichts oder Wenig ſicht - bar iſt. Eine ſehr verwickelte Aufgabe fuͤr die ge - ſchichtliche Forſchung iſt die Sitte, oder die Weiſe des Familienlebens und der Geſelligkeit, die nicht unmittelbar von der Einheit des Staates abhaͤngt, weil an ihr die verſchiedenſten Zeitalter und oft auch Individuen beſtaͤndig und unmerklich arbeiten, ohne daß von ihrem Entſtehen und ihren Um - wandlungen irgend beſtimmte Kunde auf die Nach - welt kaͤme. Doch wird die Behandlung der Do - riſchen Sitte erſtens dadurch erleichtert, daß ſie, die Individuen faſt mit gleicher Strenge wie das eigentliche Recht beherrſchend, eben darum mit groͤßter Treue und Beharrlichkeit feſtgehalten wird, daher wir oft in verſchiednen und entlegnen Dori - ſchen Staaten weſentlich ganz dieſelben Herkom - men finden, und in ihnen bei ſtrengem Gegenſatze gegen ſpaͤter allgemeine Hellenenſitten doch Urſit - ten der ganzen Nation, ja aller occidentaliſchen Voͤlker erkennen: zweitens dadurch, daß uns hier, ſo wie in der Kunſt, der Sprachgebrauch bedeu - tend unterſtuͤtzt, indem er in beſtimmten Aus - druͤcken von Doriſcher Kleidung, Speiſe, Lebens - art, wie von Bauart und Tonart, redet, waͤhrend von Doriſcher Ariſtokratie nur ſelten, von Dori -XIII ſcher Religion als deren Inkunabeln am ent - fernteſten lagen nie geſprochen wird. Die Kunſt tritt eigentlich uͤberall ein, wo das Beſtre - ben waltet, innerliches Leben in entſprechender aͤußerlicher Form darzuſtellen, z. B. in jeder Cul - tushandlung, aber auch in Gang, Kleidung und andern Lebensſitten, in welchen ſich haͤufig ein wahres Kunſtſtreben mit einer eben ſo realen Richtung auf einen aͤußerlichen Zweck unzerreißlich vereinigt. Und ſo ſind alle die einzelnen Kuͤnſte, deren Darſtellung ich der Erziehung angereiht habe, Gymnaſtik, Muſik, Orcheſtik, Dramatik, Plaſtik, nur Seiten und Ausdruͤcke jener allge - meineren das ganze Leben durchdringenden: wie auch wohl dieſe geſchichtliche Darſtellung anſchau - lich macht, bei der abſichtlich, was dem allgemei - nen Nationalleben entſprungen, in den Vorgrund, was mehr aus einzelnen Anregungen hervorgegan - gen, in den Hintergrund geruͤckt iſt.

Daß dieſes Nationalleben, deſſen Hauptzuͤge ich am Schluſſe zuſammenzuſtellen verſucht, aller - dings noch weit lebendiger, anſchaulicher, be - ſtimmter gezeichnet werden koͤnne als es hier ge - ſchehn, iſt eine Ueberzeugung, die ſich mir nach Vollendung des Werkes vielleicht lebhafter als irgend einem Andern aufdraͤngt, ſo lebhaft daß ich wuͤnſchen moͤchte, von dem gewonnenen Stand - punkte noch einmal das Ganze neugeſtalten zu koͤn - nen, um dann erſt Jegliches an ſeinen gehoͤrigſtenXIV Platz und in ſein eigenſtes Licht zu ſtellen. Nun aber habe ich mich, mehr ein Lernender als ein Lehrender, mit voͤlliger Unbefangenheit der Com - bination des Stoffes uͤberlaſſen, oft mit dieſer beſchaͤftigt den allgemeinen Faden eben nur noch in Haͤnden behalten, oft allgemeinere Reſultate faſt unerwartet aus der Behandlung des Gegeb - nen hervorwachſen ſehn, oft aber auch nach einer uͤbeln Sitte, der ich indeß ſchwerlich ſobald ent - ſagen kann, die Forſchung auf ein beſtimmtes Reſultat hinauszufuͤhren unterlaſſen, weil mir der bornirende Schein der Sicherheit und Vollendung weit gefaͤhrlicher duͤnkt als das Hinausſtellen des Abſchluſſes in die ungewiſſe Zukunft. Wenn ſich deſſenungeachtet hie und da ein gewiſſes Gefuͤhl mit einiger Haͤrte ausſpricht, wie es wohl ein wiſſenſchaftliches Verfahren zu begleiten pflegt, das eine eigenthuͤmliche Unterſuchungsweiſe auf eignes Studium der Quellen anwendet: ſo mag ich verſichern, daß dieſes Gefuͤhl bei mir niemals im Widerſpruch geſtanden hat mit der dankbaren Anerkenntniß, durch Anderer Forſchungen vielfach belehrt, geleitet, erweckt worden zu ſein, und mit der groͤßten Bereitwilligkeit, dieſe Belehrung auf unzaͤhligen einzelnen Stellen einzugeſtehn. So werden Voß in der Darſtellung des Apollon-Phoͤ - bos, Buttmann in der des menſchlichen Herakles manche Idee als die ihrige wiedererkennen; wie vielfachen Reiz der Forſchung ich einem andernXV eminenten Mythologen verdanke, habe ich nie ver - hehlen wollen. Von Boͤckh, kann ich gar nicht mehr angeben, wie viel durch Unterricht und Mit - theilung in meine Studien und namentlich in dies Buch uͤbergegangen iſt, und kaum dafuͤr brauche ich des trefflichen Gelehrten Verzeihung zu erbitten, wenn ich Einiges unreif und voreilig ausgeſpro - chen, woruͤber wir von ihm reiflichere Erwaͤgung und gediegnere Eroͤrterung zu erwarten haben. Wie er mich auch durch Mittheilung von In - ſchriften und durch berichtigende Bemerkungen nach Zuſendung der Bogen unterſtuͤtzt, habe ich einige - mal anzumerken Gelegenheit gefunden. Weniger konnte ich, ohne weitlaͤuftig zu werden, des ſtill - fortwirkenden Einfluſſes gedenken, den Heerens leitender Rath und Diſſens belehrendes Geſpraͤch auf mein Buch geuͤbt haben, welche Gelehrte uͤberdies durch den freundlichſten Antheil am Fort - gange des Unternehmens den wankenden Muth der Arbeit oftmals neu befeſtigten. Schließlich bemerke ich noch, daß die Erwaͤhnungen der In - ſchriften, die Fourmont nach Paris gebracht, ſo wie derer, die der Engl. Conſul Sherard in Klein - aſien ſammelte, und einiger andern in Paris und London befindlichen Steine, dann auch des Reiſe - journals Fourmonts des Neffen, mancher durch Lord Elgin an das Brittiſche Muſeum gekomme - nen Zeichnungen, mehrerer Griechiſchen Muͤnzen in noch nicht herausgegebnen Sammlungen, wieXVI bei Payne Knight, Lord Northwick, u. dgl. m. ſich auf Autopſie gruͤnden, der eine nach England und Frankreich auf huldvolle Veranſtaltung unſrer Regierung unternommene Reiſe die Gelegenheit gab.

XVII

Inhaltsverzeichniß.

  • Einleitung. Ueber den Norden Griechenlands. Graͤnzvoͤlker: Illyrier, von denen Makedonier und Theſ - ſaler ſtammen, die alten Phryger, und Thraker. Von den Nordſtaͤmmen der Griechiſchen Nation, den Helle - nen, Achaͤern, Minyern, Joniern, Doriern, deren Ur - vaterland in Hyllis geſucht wird, und dem Verhaͤltniß derſelben zum Ganzen des uͤbrigen Volkes. S. 1.
  • Erſtes Buch. Aeußere Geſchichte des Doriſchen Stammes. 1. Die Dorier in Theſſalien. Beſchreibung von Tem - pe, den Olympospaͤſſen, Heſtiaͤotis. Von den Perrhaͤbern und Lapithen, und der Dorier Verhaͤltniſſen zu dieſen. Aegimios. Zug nach Kreta. S. 17.
  • 2. Die Dorier am Oeta und Parnaſſ. Beſchrei - bung der Landſchaft, Bezeichnung der Doriſchen Orte. Verhaͤltniß zu den Dryopern und deren Schickſale, zu den Maliern, zu den einwandernden Aenianen. S. 35.
  • 3. Heraklidenzug. Daß die Herakliden von Urſprung Dorier, nicht Argeier. Quellen der angeblichen Ge - ſchichte des Zugs, abweichende Traditionen, Analyſe der gewoͤhnlichen. S. 46.
  • 4. Der Peloponnes, die Akropole Griechenlands. Con - ſtruktion ſeiner Gebirge, Naturbeſchaffenheit von Arka - dien, Lakonika, Meſſenien, Argolis, Achaja, Elis. Ue - ber die aͤlteſte Urbarmachung, und die Schickſale der Ureinwohner. Wie die Doriſchen Einwandrer die Herr - ſchaft gewannen. S. 66.
  • [2]XVIII5. Die Dorier im Peloponnes. In Argos, von da in Sikyon, Phlius, Kleonaͤ, Epidauros, Aegina, Troͤzen. Ueber die undoriſchen Orte von Argolis, den politiſchen Verband dieſer Landſchaft, das Verhaͤltniß der Dryoper. Gruͤndung von Korinth und Megara. Eroberung Lako - nika’s und Verhaͤltniß der Dorier zu den Achaͤern; Meſ - ſeniens Einnahme und innere Zuſtaͤnde. S. 78.
  • 6. Anlagen der Dorier außerhalb des Pelo - ponnes. Von Argolis aus in Kleinaſien; Zuſammen - ſtellung der hiſtoriſchen, und Wuͤrdigung der mythiſchen Nachrichten. Von Korinth in Sicilien und dieſſeits des Joniſchen Meeres. Von Megara in Thrakien und Sici - lien. Von Sparta in Aſien und Italien. S. 102.
  • 7. Geſchichte des Peloponnes bis Olymp. 40.
  • Ueber die aͤlteſten Denkmale und andre Quellen der Ge - ſchichte. Lykurg und der Gottesfrieden. Die Meſſeni - ſchen Kriege. Sparta’s Verhaͤltniſſe zu den Arkadern, der Argeier zu den Umwohnern, Sparta’s und der Ar - geier zu einander. Pheidon, und die nachfolgende Zeit. S. 129.
  • 8. Zeit der Tyrannen, in Sikyon, Korinth, Epidau - ros, Megara. Sparta’s Unternehmungen gegen dieſe und andre. Kleomenes Thaten gegen Argos, und Argos innere Umwaͤlzung. Megara’s Krieg mit Athen. S. 160.
  • 9. Zeit der Perſerkriege und bis zu dem Pelo - ponneſiſchen. Von dem Peloponneſiſchen Bunde und ſeinen innern Verhaͤltniſſen. Sparta’s Hegemonie. Symmachie gegen die Perſer. Inwiefern Athen die He - gemonie erhalten, und die Griechen Aſiens befreit habe. Innere Kriege im Peloponnes, Krieg mit Athen. Ver - anlaſſung und Bedeutung des Peloponneſiſchen. S. 178.
  • Zweites Buch. Religion und Mythus des Doriſchen Stammes. Apollon, Urſprung und Verbreitung des Dienſtes. 1. Apollon, keine Pelasgiſche, Orientaliſche, Italiſche, eine aͤchthelleniſche, Doriſche Gottheit. Tempe die Wurzel des Dienſtes von Pytho und Kreta. Bildung des Py -XIX thiſchen Inſtituts durch die Kriſſaͤiſche Niederlaſſung; innere und aͤußere Verhaͤltniſſe derſelben. S. 199.
  • 2. Kretiſche Apollokolonieen in Lykien und Troas (von dem Cult der Aeneaden und der Sage von Aeneias in Itali - en), in Thrakien, bei Milet und Kolophon, zu Troͤzen, Taͤnaron, Megara, Thorikos (in Zuſammenhang mit dem Leukadiſchen Dienſt; von dem Leukadiſchen Sprunge). Der Pythiſche Dienſt in Boͤotien, und durch die Jonier in Attika; von der Gruͤndung Apolliniſcher Feſte und der politiſchen Bedeutung des Cultus in Athen. S. 215.
  • 3. Apollocult durch den Heraklidenzug im Peloponnes allge - mein, mit den Olympien vereinigt, Helleniſcher Natio - nalcult. Weitre Verbreitung durch Ausſendung von Unterthanenvoͤlkern des Pythiſchen Gottes, die Amphikty - onie, Kolonieen. S. 248.
  • 4. Die Hyperboreerſage, anſaͤſſig in Delphi, Delos, Olym - pia. Ueber das urſpruͤngliche mythiſche Lokal des Vol - kes, und warum es von Manchen nach Weſten verſetzt worden. Der ethiſche und religioͤſe Begriff der Hyper - boreer. S. 267.
  • Von dem Begriff und Weſen des Apollokults. 5. Daß der Apollocultus mit geringen Ausnahmen uͤber - all nach Urſprung und Charakter derſelbe; daß er kein Naturcult, Apoll nicht Sonnengott ſei. S. 280.
  • 6. Die Homeriſche Idee des raͤchenden und ſtrafenden Apoll ausgefuͤhrt; ihr gegenuͤber die des helfenden und retten - den geſtellt. Paͤan, Agyieus, Apollon. Im Mittelpunkt der Begriff der Reinheit, des Lichts. Phoͤbos, Lykeios. Der Cultus ein dualiſtiſch-ſupranaturaliſtiſcher. S. 292.
  • 7. Dieſelben Ideen nachgewieſen in der mythiſchen Geſchichte des Gottes, ſeiner Geburt nach Deliſcher, ſeinem Kampf mit Python nach Delphiſcher Sage. Mimiſche Darſtel - lung des letztern und der Dienſtbarkeit des Gottes. S. 308.
  • 8. Dieſelben im Cultus. Von den unblutigen Opfern und den Reinigungsgebraͤuchen deſſelben. Verhaͤltniß und Ordnung der Suͤhn - und Reinigungsfeſte. Apollini - ſche Mordſuͤhne, auch im Attiſchen Criminalrecht. Apol - liniſche Weiſſagung und Muſik, Charakter und einzelne Weiſen der letztern. Von Apollons Feſten und dem abweichenden Charakter der Hyakinthien. Seine GeſtaltXX in der bildenden Kunſt nach verſchiednen Epochen. Ein - fluß des Cultus auf geiſtige Bildung und Philoſophie. S. 324.
  • Artemis. 9. Die Doriſche Artemis, Apollons Schweſter, geſchieden von der Altpeloponneſiſchen Naturgoͤttin, an welche die zu Ortygia in Sicilien, die Brauroniſche, die Orthia oder Iphigeneia ſich anreihen, ſo wie von der aus Kap - padokien ſtammenden Goͤttin von Epheſos. S. 367.
  • Andre Gottheiten. 10. Von den Geſtalten des Zeus - Hera - Athena - Deme - ter - Poſeidon - Dionyſos - Aphroditen - Asklepios - Cha - riten - Eros - Dioskuren-Cultus bei den Doriern, und dem Charakter Doriſcher Religioſitaͤt im Allgemeinen. S. 394.
  • Herakles. 11. Von dem Doriſchen Herakles und ſeinen Thaten in Theſſalien, Aetolien, Epeiros, Doris, deren aͤußerem Zu - ſammenhange und idealer Bedeutung. Uebertragung der Doriſchen Mythen auf Boͤotien, und von dem Attiſchen Heraklesdienſt. S. 411.
  • 12. Von der Bildung der Peloponneſiſchen Heraklesfabel aus alteinheimiſcher Sage und der Uebertragung Dori - ſcher. Mythen von Herakles durch Colonieen und Umna - mung andrer Daͤmonen entſtanden aus Koiſchem, Lydi - ſchem, Bithyniſchem, Phrygiſchem, Phoͤnieiſchem Cultus. Ueber die Idee dieſes Heroenmythus, und die komiſche Seite der Fabel. S. 441.
  • Drittes Buch. Staat der Dorier. 1. Einheit und Beſtaͤndigkeit Principe deſſelben. Stand - punkt deſſelben in der allgemeinen Geſchichte des politi - ſchen Lebens der Hellenen. Daß es wirklich einen Dori - ſchen Staat gegeben. Wie derſelbe in der Verfaſſung Spar - ta’s realiſirt ſei, unter Einfluß von Kreta und Delphi. S. 5.
  • 2. Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe. Von Sparta’s Perioͤken, ihrer Eintheilung, politiſchen Rechten, undXXI Geſchaͤften. Dabei von der Talthybiaden und andrer Familien erblichen Aemtern. S. 21.
  • 3. Von den Heloten. Ueber die Benennung derſelben, ihr ſtaatsrechtliches Verhaͤltniß, wie ſie behandelt wurden. Kryptie. Wege zur Freiheit. Ueber die Zahl der Un - terthanen Sparta’s, die Eintheilung des Lakoniſchen Ge - biets, das Stadtgebiet und die Komen. S. 33.
  • 4. Von den unterthaͤnigen Staͤnden in Kreta, Argos, Epi - dauros, Korinth, Sikyon, in den Kolonieen Syrakus, Byzanz, Herakleia, Kyrene. Vergleichung der Peneſten Theſſaliens, und Proſpelaten Arkadiens. Von dem Ge - genfatze der πόλις zu den Demen in Arkadien und ſonſt, und wie durch Aufhebung deſſelben Demokratieen ent - ſtanden. S. 52.
  • 5. Von den freien Staatsbuͤrgern. Einthei - lung derſelben in die Doriſchen Phylen und andre hin - zutretende, dann in die ὠβαὶ, πἁτϱαι, τϱιακάδες. Vom Unterſchied der Homoͤen und Hypomeionen. Ver - theilung der Staatsgewalt. Von den Volksver - ſammlungen in Sparta und Kreta. S. 75.
  • 6. Von der Geruſia zu Sparta, Kreta und Elis, und dem Koͤnigthum in Sparta und andern Doriſchen Staa - ten. S. 91.
  • 7. Von Sparta’s Ephoren, threm urſpruͤnglichen Amte und deſſen allmaͤliger Ausdehnung, auch andern Magiſtraten deſſelben Staats. S. 111.
  • 8. Ueber die Wuͤrden, die an die Stelle des Koͤnigthums traten, die Kosmen Kreta’s und die Prytanen in Ko - rinth und ſonſt. Vermuthungen uͤber die fruͤhere Bedeu - tung der Attiſchen. Von den Artynen und Demiurgen in andern Staͤdten. S. 130.
  • 9. Ueber die Umwandlungen der Verfaſſung in den Dori - ſchen Staaten Argos, Epidauros, Aegina, Kos, Rhodos, Korinth, Korkyra, Ambrakia, Leukadien, Epidamnos, Apollonia, Syrakus, Gela, Akragas, Sikyon, Phlius, Megara, Byzanz, Chalkedon, Herakleia Pontika, Knidos, Melos, Thera, Kyrene, Taras, Herakleia Siritis, Kro - ton, Delphi. Von der Tendenz der Spartiatiſchen Ver - faſſung, und ihrer Bedeutung fuͤr das Holleniſche Ge - ſammtleben. S. 142.
  • XXII10. Von der Haushaltung der Doriſchen Staaten. Vertheilung des Landbeſitzes. Syſſitien. Lakoniſche Hauswirthſchaft. Gebrauch des Geldes. Von der Aegi - netiſchen, und der Italiſch-Sieiliſchen Muͤnze. S. 189.
  • 11. Von der Gerichtsverfaſſung in Sparta, und den entſprechenden Inſtitutionen des Zaleukos fuͤr die Epi - zephyriſchen Lokrer. S. 218.
  • 12. Doriſche Kriegsverfaſſung. Von der Aushebung, Gliederung, den Befehlshabern, Truppengattungen, der Bewaffnung und Taktik des Spartiatiſchen Heeres. Von dem Charakter Doriſcher Kampfweiſe, und der kuͤnſtleri - ſchen und heitern Anſicht des Kriegs. S. 231.
  • Viertes Buch. Sitte und Kunſt der Dorier. 1. Privatalterthuͤmer. Wohnung. Dabei von der Dori - ſchen Tempelbaukunſt, und dem Charakter dieſer Archi - tektur im Gegenſatz einer fruͤhern vordoriſchen. S. 253.
  • 2. Kleidung. Freiere der Jungfrauen als der Eheweiber. Schlichte Einfachheit der Maͤnnerkleidung; Bedeutung der Art des Umwurfs; Charakteriſtiſches der Tracht. S. 260.
  • 3. Sitten des Mahles. Syſſitien als Reſt alten Her - kommens; von den Speiſen und der Weiſe des Trin - kens; der geſellſchaftlichen Ordnung; dem Ton der Un - terhaltung. S. 273.
  • 4. Perſoͤnliche Verhaͤltniſſe der Geſchlechter. Knuͤpfung der Ehe durch Verlobung und Raub, Zeit derſelben, Noͤthigung der Geſetze. Verhaͤltniß der Gat - ten, und von der Bildung und Sitte Doriſcher Frauen uͤberhaupt. Verhaͤltniſſe verſchiedner Alter. Von der Knabenliebe, wie ſie faktiſch in Kreta und Sparta beſtand, und ihrer urſpruͤnglichen Bedeutung. S. 280.
  • 5. Erziehung. Form derſelben, Eintheilung und Stufen - ordnung der Knaben, Juͤnglinge, Maͤdchen in Sparta und Kreta. Mittel derſelben. Gymnaſtik, Betrieb dieſer Kunſt bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften, Uebung der Jugend in Ertragung und Entbehrung. Mu - ſik. S. 299.
  • XXIII6. Von der Doriſchen Tonart. Charakter der Muſik in Sparta und andern Staaten, allgemeine Uebung und Einfluß derſelben auf die Sitten, Betrieb in den ver - ſchiednen Staͤdten des Stammes. Orcheſtik, zuerſt gymnaſtiſche, dabei von den Embaterien und der Pyr - rhiche; dann mimiſche. Deikelikten. Bukoliasmen. Komik bei Bakchiſchen und Cerealiſchen Feſten. S. 316.
  • 7. Komoͤdie der Megarer, Mutter der Attiſchen, zuſammen - haͤngend mit der Siciliſchen. Phormis, Epicharm. Ue - ber das Italiſche Drama nach Vaſengemaͤlden. So - phrons Mimen, deren rhythmiſcher Bau u. kuͤnſtleriſcher Charakter. Rhinthons Phlyaken. Urſpruͤnge der Tra - goͤdie in Sikyon, des Satyrſpiels in Phlius. Von der orcheſtiſchen Poeſie als Doriſcher Lyrik. Plaſtiſche Kunſt bei dieſem Volkſtamme. S. 349.
  • 8. Ausbildung der Rede bei den Doriern. Gnomi - ſcher und apophthegmatiſcher Charakter derſelben. Bra - chylogie und Witz der Dorier. Griphen. Symbotiſche Spruͤche der Pythagoreer, von Doriſchem Gepraͤge, wie dieſe Philoſophie uͤberhaupt. S. 383.
  • 9. Ueber die Weiſe des taͤglichen Lebens u. die Behandlung des Todes. Grundlinien einer Darſtellung des Dori - ſchen Charakters uͤberhaupt; dann von dem Eigen - thuͤmlichen in der Sinnesart der Spartiaten, Kreter, Argeier, Rhodier, Korinther, Syrakuſier, Sikyonier, Phliaſier, Megarer, Byzantier, Aegineten, Kyrenaͤer, Tarantiner, Meſſenier, Delpher. S. 397.
  • Beilagen. 1. Rechtfertigung der Karte des Peloponnes. Quel - len. Mathematiſche Beſtimmungen, allgemeine Meſ - ſungen und Routen bei den Alten. Achaia, Sikyon und Korinth, Megara, Argolis, Arkadien, (uͤber deſſen politi - ſche Eintheilung vor Erbauung von Megalopolis), Lako - nika, Meſſenien, Elea und Triphylien. Ueber Ptolemaͤos Angaben. S. 423.
  • 2. Herakleen. Herodor, die Logographen, Panyaſis, Steſichoros, Peiſandros, Kinaͤthon, Heſiodiſche Ge - dichte. S. 463.
  • XXIV3. Chronologiſche Tafel bis Olymp. 87, 2. mit An - merkungen. S. 483.
  • 4. Vom Doriſchen Dialekt. Von einer Griechiſchen Urſprache; daß die Doris erſt durch Dorier und Aetoler in den Peloponnes gekommen; von ihrem Charakter im allgemeinen, und den beſondern Eigenthuͤmlichkeiten der Doriſchen Volksmundarten. Ueberſicht der einzelnen. S. 511.
  • Nachtraͤge und Verbeſſerungen. S. 517.
[1]

Einleitung. Ueber den Norden Griechenlands.

1.

Der Urſprung des Doriſchen Stammes liegt in den Gegenden, wo gegen Norden die Griechiſche Nation an ganz verſchiedene, weit verbreitete Staͤmme der Bar - baren graͤnzt. Ueber dieſe Graͤnzen ſteigt zwar Men - ſchengedenken nirgend hinauf, und hat von einem jen - ſeits liegenden Urſprung auch nicht den leiſeſten Schim - mer einer Ueberlieferung bewahrt. Aber an den Graͤnzen ſelbſt entwickelten ſich viele der Bewegungen, welche den Zuſtand des geſammten Volkes hinter einander ver - aͤnderten, und wurden viele der Impulſe gegeben, welche durch alle Glieder deſſelben und lange Zeiten nachwirkten. Das Hauptgeſetz dieſer Bewegungen war ein ſtetiges Vordringen der barbariſchen Staͤmme, beſonders der Illyrier, gegen welches ſich auffallender Weiſe Griechenland, obgleich dadurch fortwaͤhrend ge - druͤckt, beſchraͤnkt und ſelbſt Theile ſeines Ganzen da - durch verlierend, doch nie zu einmuͤthiger Gegenwehr vereinigte: wohl deswegen, weil das Geſicht von Grie - chenland durchaus nach Suͤden gekehrt, alles Augen - merk dahin gerichtet war.

II. 12

2.

Um fuͤrs erſte eine Graͤnzbeſtimmung aufzuſtel - len, die wir hernach genauer modificiren koͤnnen, ſo nennen wir den Gebirgszug, der ſich vom Olymp gegen Weſten bis an das Akrokerauniſche Gebirg erſtreckt, die Kambuniſchen Berge und den Lakmon inbegreift, und in der Mitte einen Knoten mit dem von Nord nach Suͤd ſtreichenden Pindos bildet. Der weſtliche Theil dieſer Kette trennt die letzten Griechenſtaͤmme von der großen Illyriſchen Nation, die ruͤckwaͤrts bis an die Kelten in Suͤddeutſchland reichte. Jeder Aufſchluß uͤber den Zuſammenhang, die Eigenthuͤmlichkeit und den Sprachſtamm dieſes Volkes wird uͤberaus willkommen ſein, und die Dialekte der Albaneſen, beſonders in den Gebirgen, wo ſich das Urſpruͤngliche unvermiſchter er - halten, werden zur Forſchung Stoff geben1S. beſonders Pouqueville’s Verzeichniß albaneſiſcher Worte. Vgl. Thunmanns Geſch. der Europ. Voͤlker S. 250.. Bis zur Ausmittlung des naͤhern Verhaͤltniſſes ſind ſie fuͤr uns nur noͤrdliche Graͤnze des Griechenvolks, von dem ſie an Sprache und Sitte nationell verſchieden waren.

3.

Makedonien hatte mit den Illyriſchen Staͤm - men einen Theil der Sprache und die Tracht der Chlamys ſowohl als des Haares gemein2Str. 7, 327. a. , woraus ganz deut - lich erhellet, daß die Makedonier zur Illyriſchen Na - tion gehoͤrten3Illyriſche Worte bei den Makedoniern: σαυάδαι Silenen in Maked. δευάδαι illyriſch. δϱάμις Brodt Maked. δϱά - μικες bei den Athamanen. Band 1. S. 254. vgl. Heſych. βα - τἀϱα. S. die fleißige Sammlung bei Sturz de dial. Mace - donica. . Indeſſen iſt kein Zweifel, daß Grie - chen hier Ureinwohner waren. Die Ebnen von Ema - thien, der ſchoͤnſte Theil des Landes, waren Sitz der Pelasger4Juſtin 7, 1. vgl. Aeſch. Ἱκετ. 261., die nach Herodot auch Kreſton oberhalb Chalkidike inne hatten, wohin ſie aus Theſſaliotis ge -3 kommen waren1Herod. 1, 57. S. zur Stelle Band 1. S. 444.. Daher war die Makedoniſche Spra - che voll griechiſcher Stammwoͤrter. Und daß dieſe nicht etwa durch die helleniſche oder helleniſirende Koͤnigsdy - naſtie hineingekommen ſind: geht daraus hervor, daß viele derſelben Bezeichnungen der einfachſten Begriffe waren, die keine Sprache von einer fremden entlehnt, und daraus, daß dieſe Worte nicht in ihrer griechiſchen Form, ſondern nach einem innerlichen Organismus um - gebildet erſcheinen2Vgl. z. B. δαίνειν toͤdten, δάνος Tod mit ϑανεῖν, ϑάνατος; ἐέλδω (ἐέλδωϱ Homer) mit ἐϑέλω, ἀδϱαία fuͤr αἰϑϱία, worin ϑ eben ſo ſeine Aſpiration verliert wie φ in κεβαλὴ (Haubet) ἀβϱοῦτις fuͤr ὀφϱὺς (Braue), Βίλιππος, Βεϱενίκη, βαλακϱός u. a. Auch faͤllt oͤfter der Spiritus asper weg. ἐνδομενία oder ἐνδυμενία Hausrath (Polyb.) mit Verwechſelung von ο und υ.. Man findet im Makedoniſchen grammatiſche Formen, die gemeinhin aeoliſch genannt werden3Z. B. die Nomi - native ἵπποτα u. ſ. w. die ſonſt Aeoliſch-boeotiſch, Doriſch, auch Theſſaliſch genannt werden. Sturz a. O. S. 28., manches Arkadiſche4Z. B. ζέϱεϑϱα fuͤr βάϱαϑϱα. und Theſſaliſche5Z. B. ταγῶν ἀγὰ die Anfuͤhrung des Tagos, wie in Theſſalien; ματτύα Leckerſpeiſe, Theſſaliſch, Ma - kedoniſch und auch Spartaniſch.; und was vielleicht am meiſten Aufſchluß verheißt, mehrere Worte, die aus dem Griechiſchen verſchwunden, ſich noch im Latein erhalten haben6Z. B. Βἰϱ̓ϱ̔οξ, hirsutus, hirtus, γάϱκαν (Gerte) virgam, ἴλεξ ilex. Auch der Mangel an Aſpiration bildet einen Vergleichungspunkt.. Zum Doriſchen Dia - lekt zeigt ſich keine beſondre Verwandtſchaft; daher wir Herodots, auch ſonſt wenig unterſtuͤtzte Annahme einer urſpruͤnglichen Identitaͤt des Doriſchen und Makedniſchen (Makedoniſchen) Volks auf ſich beruhen laſſen. Bei Andern heißt Makednos Sohn des Arkadiſchen Voͤlkerva - ters Lykaon7Apollodor 3, 8, 1., oder Makedon Bruder des Magnes, oder Sohn des Aeolos, wie Heſiod und Hellanikos ange -1 *4ben1Bei Conſtant. Porph. de themat. 2, 2. S. 1453. Sturz Hell. S. 79. Die Stelle des Heſiod iſt wohl aus den Eoͤen, und kein Grund vorhanden, ſie fuͤr falſch zu halten. Man muß im zweiten Verſe υἷε δύω Μάγνητα Μάκεδνόν ϑ̕ ἱππιοχάϱμην leſen.: mannigfache Bemuͤhungen, den halbgriechiſchen Volkſtamm mit der uͤbrigen Nation genealogiſch zu ver - binden.

4.

So wie die Makedonier, ſo ſind wohl auch die Theſſaler Illyrier, welche eine griechiſche Bevoͤlke - rung unterworfen haben, nur daß hier die Zahl der Ein - wandrer geringer, die Maſſe und Cultur der Ureinwoh - ner uͤberwiegend war. So kam es, daß die Theſſaler weit mehr zu Griechen wurden, als ihre noͤrdlicheren Stammverwandten, daß namentlich die Sprache faſt durchaus griechiſch, und zwar vielleicht der altepiſchen aͤhnlicher war, als ein andrer Dialekt. Aber was wir als des eingewanderten Volkes Eigenthuͤmlichkeit kennen, iſt ungriechiſch. Die nationale Tracht2Die alten Makedoniſchen Muͤnzen geben genau dieſelbe, wie die Theſſaliſchen., wozu der fla - che und breite Hut Kauſia und die Chlamys gehoͤrte, die den beiden Voͤlkern gemein, aber den Griechen Homers und noch lange hernach unbekannt war3Vgl. indeß Θετταλικὰ πτεϱὰ bei mehrern Lexi - kogr. mit Didymos bei Ammonios χλαμύς. Weiter davon im 4. Buch., bis man ſie in Athen als Ritterkleid annehmlich fand iſt ein genuͤ - gendes Beiſpiel. Auch den Gebrauch der Reiterei im Kriege haben ohne Zweifel erſt die Theſſaler nach Grie - chenland gebracht. Was aber vielleicht hoͤheres Gewicht als die angefuͤhrten Aeußerlichkeiten hat, iſt einerſeits der ungeſtuͤme und leidenſchaftliche Sinn, andrerſeits die geiſtige Unbedeutendheit und Armuth derſelben denn die Liebe des reichen Skopadenhauſes zur Kunſt beweiſt nicht mehr, als die eines Archelaos in Makedo -5 nien fuͤr das Geſammte. Hiedurch ſind ſie genugſam von dem durch die Natur edelgeſchaffnen Stamme der Griechen unterſchieden. Wir werden alſo anzunehmen bewogen, daß dieſes Volk, welches kurz vor dem Hera - klidenzuge aus Thesprotien, und zwar aus der Gegend von Ephyra (Kichyros) in die Ebne des Peneios ein - wanderte, vorher ſchon aus dem Gebiete der Illyrier dahin hinabgekommen war. Dagegen koͤnnen freilich manche[Uebereinſtimmungen] in den Sitten der Theſſaler mit den Doriern angefuͤhrt werden. So daß ſie ebenfalls jene eigenthuͤmlich Doriſche Maͤnnerliebe hatten, und den Geliebten (wie die Spartaner) Ἀΐτας nannten1Vgl. Theokr. 12, 14. mit Alkman bei den Schol., daß ſie ferner die Frauen, gleich den Doriern, mit dem Na - men Herrinnen (δέσποιναι) ehrten2He - ſych. δεσποίνας. vgl. Buch 4.. Indeſſen war ein freieres und allzufreies Verhaͤltniß des weiblichen Ge - ſchlechts bei allen Illyriern herkoͤmmlich, die ſich darin ſchon dem Norden naͤherten3Nach Aelian V. G. 3, 15. die Frauen in Illyrien bei Gaſtmaͤhlern und Weingelagen; Herod. 5. 18. das Gegentheil von den Makedoniern.. Ueberhaupt aber ſind durch dieſe Wanderungen noͤrdlicher Staͤmme nach Suͤden Sitten, Einrichtungen, Verhaͤltniſſe unter den Griechen verbreitet worden, die dem von Homer dargeſtellten Griechenlande voͤllig fremd waren.

5.

Wie viel Land Illyriſche Voͤlker im Weſten uͤber Griechenland gewannen: ſchließt man hieraus. Epeiros war ehemals groͤßtentheils von Pelasgern bewohnt gewe - ſen4S. Str. 5, 221,, die Umwohner von Dodona waren ſolche nach ſich - rer Ueberlieferung, die geſammten Thesproter5S. beſonders Stephan. Byz. Ἔφυϱα., die Chaoner an den Akrokerauniſchen Gebuͤrgen ebenfalls6Alexandros Epheſ. bei Steph. Byz. Χαονία., wie gegenuͤber in Italien die Choner, Oenotrer und Peu -6 ketier1Niebuhr Roͤm. Geſch. 1. S. 34. Daher das Dieſſeits und Jenſeits vieler Namen, wie Kaulonia (Pouquev. fand Muͤnzen ΚΑϒΛΟΝΙΑΤΑΝ in Epiros) Pandoſia (Juſtin. 12, 2.), Ache - ron, Acherontia u. a.. Auch find die alten Bauten, Inſtitute, Goͤt - terdienſte der Epeiroten unverkennbar Pelasgiſch. Von den Pelasgern aber ſetzen wir voraus, daß ſie Griechen waren und Griechiſch redeten, welche Meinung wir hier nur im Voruͤbergehen mit wenigen Gruͤnden unterſtuͤtzen koͤnnen. Man bedenke, daß alle nachwandernden Staͤm - me, Achaeer, Jonier, Dorier, wie wir beſonders von dieſen wiſſen, nicht ſtark und zahlreich genug waren, um eine barbariſche Bevoͤlkerung zu helleniſiren2Herodot nennt auch Jonier und Aeo - lier ehemalige Πελασγοὺς, weil ſie dieſe in ſich aufgenommen, er muß aber ein μεταμαϑεῖν τὴν γλῶσσαν annehmen, weil die Spra - che der bei Kreſton und bei Plakia wohnenden Pelasger, vermuthlich nur ein alterthuͤmlicher Dialekt, ihm barbariſch ſchien. Aeſchylos haͤlt ſie im Gegenſatz der καϱβάνοι fuͤr Griechen, Ἱκετ. 911., daß man - che Gegenden, wie Arkadien und Perrhaͤbien, fortwaͤh - rend pelasgiſch blieben, ohne von Ungriechen bewohnt zu ſein, daß die aͤlteſten Namen der Griechiſchen Orte und Sagen zwar andern Epochen der Sprache, aber nicht einer andern Sprache angehoͤren, daß endlich die Ueber - einſtimmung des Lateiniſchen mit dem Griechiſchen nur durch das Mittelglied des Pelasgiſchen erklaͤrt werden kann. Nun waren aber die Epeirotiſchen Voͤlker durch Einfluͤſſe, die ſie nur von Illyrien erhalten haben konn - ten, faſt ganz barbariſirt3So die Chaoner nach Thuk. 2, 80. Altgriechiſch ſind im Epirot. Dialekt z. B. γδοῦπος fuͤr δοῦπος (Maittaire S. 141.) γνώσκω, nosco Orion 42, 17. Ἄσπετος Achill. Plut. Pyrrh. 1. (α ἕπομαι). Die Nachricht bei Str. 7, 327., daß einige Gegenden zwei Spra - chen redeten, geht gewiß auf ein Nebeneinanderbeſtehen illyriſcher und griechiſcher Dialekete., und das Helleniſche Volk fing in geſchichtlicher Zeit erſt am Ambrakiſchen Meer - buſen an. In ſpaͤtern Zeiten war uͤber die Haͤlfte7 von Aetolien ungriechiſch, ohne Zweifel Illyriſch1Polyb. 17, 5, 8., von da draͤngten ſich die Epeirotiſch-illyriſchen Athamanen auch in Suͤdtheſſalien ein2Band 1. S. 253.. Wanderungen und Raub - zuͤge, wie ſie ſchon in mythiſcher Zeit die Encheleer unternahmen, haben fort und fort Griechenlands aͤchte Bevoͤlkerung eingeſchraͤnkt und verdraͤngt.

6.

An den Illyriſchen Stamm gegen Oſten graͤnzten damals außer Pelasgern die Phryger und Thraker. Die Phryger waren damals unmittelbare Nachbarn der Makedonier in Lebaͤa, bei denen ſie Bryger hießen (Βρύγες, Βϱύγοι, Βϱίγες)3Nach He - ſych iſt Βϱέκυς (Βεϱεκύντιος) daſſelbe Wort wie Βϱύξ. Bruges ſagte auch Ennius und, wie es ſcheint, M. Brutus (Plutarch Brut. 45)., ſie wohnten am ſchneeigen Bermios, wo die fabelhaften Roſengaͤrten des Koͤnig Mi - das lagen, in denen der weiſe Seilenos luſtwandelnd ge - fangen wurde, wie die anmuthige Sage meldet. Auch kaͤmpften ſie von hier, wie die Telegonie des Eugammon erzaͤhlte4Proklos Chreſtomathie. Briger oder Phryger in der Gegend von Dyrrhachion. Appian Buͤrgerkr. 2, 59., mit den Thesprotern von Epeiros. Nicht weit entfernt ſaßen die Mygdoner, die[naͤchſten] Ver - wandten der Phryger. Nach Xanthos wanderte dieſes Volk erſt in den Troiſchen Zeiten nach Aſien hinuͤber5Bei Creuzer Fragm. histor. S. 171. Strabo 14, 608. vgl. Konon bei Phot. 1.. Aber theils beginnt die Kretiſche Sage mit Goͤtterdien - ſten und Mythen, die nach den aͤlteſten Zeugniſſen von Phrygern aus Aſien abſtammten6S. daruͤber beſonders Hoecks Kreta., und dann werden die Armenier, entſchiedene Stammverwandte der Phry - ger7Nach der gewoͤhnlichen Meinung Koloniſten derſelben. Herod. 7, 73. Eu - doxos bei Steph. Ἀϱμενία. vgl. Heeren de linguarum Asiat. in Persarum imp. cognatione. Commentat. Gotting. 13. , als ein in ihren Sitzen uraltes Volk betrachtet. Wir werden uns daher begnuͤgen, denſelben Menſchen -8 ſtamm in Armenien, Vorderaſien, am Bermios anzu - erkennen, ohne den einen Zweig vom andern ableiten zu wollen. Es haben ſich in dem Landſtriche zwiſchen Illyrien und Aſien, einer wahren Heerſtraße alter Voͤlkerwanderungen, verſchiedene Nationen von verſchie - denen Seiten durcheinander gedraͤngt und ineinander geſchoben, ſo daß fruͤhere Continuitaͤt leicht aufgehoben werden konnte. Fuͤr den Zuſammenhang des Phrygi - ſchen Volkes mit andern ſind die Spuren ſeiner Spra - che die wichtigſte Urkunde. Es wußten aber die Sprach - gelehrten zu Platons Zeit wohl, daß viele Stamm - woͤrter des Griechiſchen ſich auch mit geringer Veraͤn - derung im Phrygiſchen fanden, wie Πῦρ, Ὕδωρ, Κύων1Plato Kratyl. 410 a. Merkwuͤrdig iſt, daß die Worte auch im Deutſchen ſind. Πῦϱ iſt nach den Grundſaͤtzen des Ueber - gangs (ſ. Grimms vortreffliche Grammatik S. 584. zweite Ausg. ) althochdeutſch Viuri, plattd. Fuͤr. Κὐων canis Hund (die Zufuͤgung des d iſt wie in Μὴν, Μὰν phrygiſch der Mond, vgl. Heſych ναὶ Μὴν und Mahnd, Mond). Ὕδωρ, althochd. wazar, plattd. water; das Digamma iſt noch in der aͤchten phrygiſchen Form βέδυ, welches zugleich wegen alter Nachbarſchaft makedoniſch und orphiſch, (ſ. Neanth. Kyziken. bei Klem. Alex. Strom. 5. S. 673. Jablonsky de lingua Phrygia S. 76.) u. bald Waſſer, bald Luft uͤberſetzt wird. Endlich zeigt die Phrygiſche Inſchrift bei Walpole, beſonders die Worte ΜΙΛΑΙ ΛΑϜΑΓΤΑΕΙ ϜΑΝΑΚΤΕΙ, uͤberraſchende Aehnlichkeit in Flexion und Wurzeln mit dem Grie - chiſchen.; und wenn das Armeniſche noch jetzt im innern Bau bedeutende Aehnlichkeit mit dem Griechiſchen zeigt, muß dies auf dieſelbe Grundverwandtſchaft zuruͤck - gefuͤhrt werden. Indeſſen haben ſich die Phryger in Aſien ohne Zweifel mannigfach mit Syrern gemiſcht, die nicht blos jenſeits des Halys, ſondern auch dieſſeits in Lykaonien2S. Jablonsky de lingua Lycaon. Opusc. 3. S. 119. und bis Lykien3wenn der Epiker Choerilos in der bekannten Stelle von Lykiſchen Solymern ſprach. ſaßen, und daher gar9 Manches in Sprache und Religion von dieſen angenom - men1Z. B. ἀδαγοὺς ein Hermaphroditiſcher Gott (Heſych) von Dagon; der Name Adon (Athen. 14, 624), βαλλὴν Koͤnig (Hef. Euſt. Od. 19. S. 680 Baſ. ) von Baal, Herr u. ſ. w.. Das Enthuſiaſtiſche jedoch und Orgiaſtiſche des Cultus hatten ſie ſicher von jeher; es war ihnen gemein mit den naͤchſten Nachbarn, den Thrakern; den eigentli - chen Altgriechen ſcheint es faſt ganz fremd geweſen zu ſein.

7.

Die Thraker, welche in Pierien am Olympos ſaßen, und von da an den Helikon hinabgekommen wa - ren, ſind als Urheber der Dionyſos - und Muſenvereh - rung, als Vaͤter der griechiſchen Poeſie, duͤrfen wir ſagen2S. Band 1. S. 379 390., fuͤr die Culturgeſchichte ein hoͤchſt bedeutendes Volk. Wir muͤſſen von dieſen vorausſetzen, daß ſie eine der Griechiſchen ſehr aͤhnliche Sprache redeten, weil ſie ſonſt ohne bedeutende Einwirkung geblieben waͤren. Ihre Wurzel hatten ſie zwar wohl in dem ſpaͤter ſo ge - nannten Thrakia, wo die Beſſer am Pangaeon das Ora - kel des Dionyſos verwalteten. Aber ob mit ihnen der ganze große Volkſtamm, Edonen, Odomanten, Odryſen, Treren u. ſ. w., ohne weitere Frage als identiſch ange - nommen werden duͤrfe, oder ob nicht vielmehr dieſe durchaus barbariſchen Nationen3Die Sprachſpuren ſind ſehr vom Griechiſchen entfernt, wie das haͤufig vorkommende βϱία, βϱέα, Stadt, ζίλα Wein, πιτῦγις Schatz. Schol. Apoll. 1, 933 u. a. m. nur durch die Grie - chen den allgemeinen und fruͤher ſchon bekannten Namen erhalten haben, laſſen wir dahin geſtellt. Zwiſchen dieſe Voͤlker aber hat ſich beſonders der Paeoniſche Stamm eingeſchoben, welcher durch eine uralte Wanderung der Teukrer mit den Myſern4Herod. 5, 13. 7, 20. 75. vgl. Hellanik. a. O. wo zu ſchreiben: ἐφ̕ ούνῦν Μακεδόνες καλοῦνται μόνοι μετὰ Μυσῶν τότε οἰ - heruͤbergekommen war; zu ihm10 gehoͤrten die Pelagonen am Axios, die auch nach Theſ - ſalien vordrangen, wie unten naͤher nachgewieſen werden wird. Von den Teukrern aber wiſſen wir ſonſt nichts, als daß ſie mit (Pelasgiſchen) Dardanern zuſammen den Troiſchen Staat bildeten, deſſen Sprache dem Griechi - ſchen wohl verwandt, vom Phrygiſchen verſchieden war1Hymn. Hom. auf Aphrod. V. 113..

8.

Der oben bezeichnete Gebirgsbezirk iſt es nun weiter, in welchem der Urſprung der Voͤlkerſtaͤmme zu ſuchen iſt, die in der heroiſchen Mythologie als die herr - ſchenden und gewaltigen, und uͤberall im Gegenſatze einer fruͤheren Urbevoͤlkerung auftreten. Es ſind dies nach meinem Dafuͤrhalten nichts als noͤrdlichere Zweige der griechiſchen Nation, welche ſich uͤber die ſuͤdlicheren ge - worfen und ſie unterjocht haben. Das aͤlteſte Vaterland der eigentlichen Hellenen, die in der Mythologie nur einen kleinen Stamm in Phthia bezeichnen2Aeginet. p. 12. 155. vgl. noch Phavorin Ἀχαιοὺς ἄϱξωσιν S. 144. Sie lagen wahr - ſcheinlich ſpaͤter noch in den Moloſſern, die fuͤr Griechen galten. Herod. 6, 127., lag nach Ariſtoteles in Epeiros um Dodona, deſſen Gott Achil - leus als den urvaͤterlichen Schirmer ſeiner Familie an - fleht. Wahrſcheinlich waren die Achaeer, das herr - ſchende Volk ſowohl Theſſaliens als des Peloponnes in mythiſcher Zeit, gleichen Stammes und Urſprungs mit jenem. Die Minyer, Phlegyer, Lapithen, Aeoler zu Korinth und Salmone wurzeln in den Gegenden oberhalb Pierien an Makedoniens Graͤnzen, wo das aͤlteſte Orcho - menos, Minya, Salmonia oder Halmopia liegen3S. Band 1. S. 139. 248 ff. Zwar laͤugnet Buttmann uͤber die Minyae (Berl. Akad. 1820. S. 13.) die Exi - ſtenz dieſer Orte, allein unter den von mir angefuͤhrten Stellen ſind mehrere ganz entſcheidende.. 4κοῦντες. Dies geht indeß wohl auf die Sage, wonach die Myſer (wie die Thyner u. Andre) aus Thrake nach Aſien gekommen, nach Str. und Plin. 5, 32, 41.11Nicht mehr nachweisbar ſind die Jonier in ihren noͤrd - licheren Wohnſitzen, ſondern erſcheinen urploͤtzlich wie vom Himmel gefallen in Attika und Aegialea: indeſſen ſind auch dieſe keineswegs mit den Urbewohnern dieſer Gegenden identiſch, und moͤgen ſich von irgend einem noͤrdlicheren, wahrſcheinlich achaeiſchen Stamme losge - loͤst haben1Nach der Genealogie aus den Eoͤen Doros, Xuthos (davon Achaeos und Jon) Aeolos; Tzetz. Lyk. 284. Die Genealo - gie bei Eurip. Jon 1608., Xuthos als Vater von Jon, Doros, Achaeos, iſt ſchon durch Atheniſche Eigenliebe entſtellt. Jene Stelle der Eoͤen aber, wenn auch im poetiſchen Gewand, giebt immer ein unbefangneres Zeugniß, als Herodot, der die Jonier als Ureinwoh - ner betrachtet.. Die Dorier endlich finden wir in alten Sagen und Gedichten an dem einen Ende jener oben be - zeichneten Gebirgskette, naͤmlich am Olympos, ſeßhaft; aber es iſt wahrſcheinlich, daß ſie fruͤher am andern noͤrd - licheren Ende, an der aͤußerſten Graͤnze der Griechiſchen Welt, ſaßen.

9.

Wir richten unſern Blick auf die Hylleer (ϓλλεῖς, ῾ϓλλοι), welche am bezeichneten Orte, an den Akrokeraunien naͤmlich, unterhalb der Bulinen2S. beſonders Skylax S. 7. Voſſ. Ob Byllis, Buliones von ϓλλὶς u. ſ. w. weſentlich verſchieden iſt, zweifle ich. und Encheleer wohnten, und auch dem Hylliſchen Hafen von Korkyra den Namen gegeben hatten3S. zum folgenden Apollon. 4, 521 etc. Schol. zur Stelle und zu V. 1125. 1149. beſonders Stephan. Byz. ϓλλεὶς aus Apollo - dor (Heyne S. 434) Skylax a. O. Skymnos Ch. 404. aus Ti - maeos (Frgm. 121 Goͤller) und Eratoſthenes. Euſt. zu Dion. P. V. 386. Etymol. M. 776, 39. wo ſie ἔϑνος Κελτικόν heißen. vgl. Schoenemann Geogr. Argon. p. 53.. Ihr Land wird als eine große Halbinſel mit 15 Staͤdten beſchrieben, die wohl meiſt nur gefabelt ſind. Nun heißt aber der erſte der drei Doriſchen Staͤmme uͤberall Hylleis, und die Homonymie mit dem Volke laͤßt die Vermuthung des12 Urſprungs von da aufkommen. Dieſe gewinnt an Wahr - ſcheinlichkeit durch die Behauptung der Alten: jene Hyl - leer ſeien eigentlich Hellenen; welches den oben auf - geſtellten Thatſachen voͤllig analog iſt. Sie wird faſt zur Gewißheit dadurch, daß dieſe Hylleer ebenſo wie die Doriſchen von einem Sohne des Herakles, den er mit der Melite, Aegaeos Tochter, gezeugt habe1Panyaſis ſcheint nach Schol. Apoll. 4, 1149. von beiden Hyllos geſprochen zu haben, dem Sohn der Melite und dem der Deianeira. vgl. Schol. Soph. Trachin. 54. Valeſ. zu Harpokr. S. 126. Nicht ganz unwahrſcheinlich hat Raoul-Rochette 2. S. 280 bei Schol. Pind. P. 1. v. 120. ῾ϓλλος, ὃς ἐβασίλευσε τῶν πεϱὶ τὴν Ιταλίαν οἰκησάντων Ἰλλυϱίαν (Hemſterhuis Οἰχαλίαν) vor - geſchlagen., hergelei - werden; auch herrſchte in dieſen Gegenden wirklich alter Heraklesdienſt2Z. B. in Dorrhachion nach Appian Buͤrgerkr. 2, 39. Chriſtodor. in Anal. Brunk. 2. S. 472. und dadurch, daß der den Doriern nationale Cultus des Apollon auch bei den Hylleern ſich in dunklen Spuren erhalten hatte, indem ſie nach der Sage einen Dreifuß als Zeichen unverletzlicher Heiligkeit in unterirdiſchem Gemache bargen. Ein ſolches Zuſammen - treffen berechtigt uns zu dem Schluſſe, daß wenigſtens ein Theil des Doriſchen Volkes von dieſen aͤußerſten der Hellenen abſtammt: wie viel dadurch in den aͤlteſten Mythen deſſelben ſich erklaͤrt, wird unten gezeigt werden.

10.

Hier koͤnnten wir die oben angekuͤndigte Be - trachtung ſchließen, wenn nicht die freilich ſehr an - ſpruchsvolle Frage einige Antwort verdiente: wie man ſich das nationale Verhaͤltniß jener noͤrdlicheren Einwohner zu den Ureinwohnern, wie uͤberhaupt der griechiſchen Voͤlkerſtaͤmme untereinander zu denken habe? Das Nachdenken daruͤber koͤmmt immer wieder auf jene13 Pelasger zuruͤck, die wenn auch nicht uͤberall im alten Griechenland denn die Sage unterſcheidet viele Voͤl - kerſtaͤmme ſo von ihnen, daß nie Verwechſelung Statt findet1Beſonders die unter ſich zuſammenhaͤngende Kette von Ae - tolern Epeern Lokrern (von deren Verwandtſchaft ſ. Boeckh zu Pind. O. 9, 61. S. 191.) Lelegern (Heſiod. bei Str. 7. S. 322.) und wenn dieſe, wie mehrere ſagen, mit der Kariſchen Nation eins ſind, zu der wieder die Lyder und ein Theil der My - ſer gehoͤrt: ſo wuͤrden wir einen ſehr ausgedehnten Volksſtamm darin ſehen. doch faſt immer da erſcheinen, wo fruͤhe Landescultur, uralte Niederlaſſungen, bedeutſame und vorzuͤglich heilige Culte ſich finden. Und zwar muͤſſen wir von den meiſten der alten Goͤtterdienſte Griechen - lands ſagen, daß ſie dieſem Stamme ihren Urſprung verdankten. Zeus und Dione von Dodona; Zeus und Hera von Argos, Hephaeſtos und Athena, Demeter und Kora, der Arkadiſche Hermes und die Artemis Arka - diens, Kadmos und die Kabiren koͤnnen nach der Weiſe geregelter Forſchung auf keinen andern zuruͤckgefuͤhrt werden. Wir muͤſſen alſo jenem Volke eine produktive Fuͤlle im Erzeugen und zugleich eine noch nicht erſtarrte Lebendigkeit im Metamorphoſiren des religioͤſen Lebens beiſchreiben, ſo daß ſich dieſelbe Grundbildung an ver - ſchiednen Orten anders entwickelte, beſonders dadurch, daß Theile des Ganzen einſeitig feſtgehalten wurden, an - dre verloren gingen. Auch erkennen wir an vielen Stel - len die durchgehende Einheit jener Goͤtterdienſte; es aͤußert ſich in Symbolen, Namen, Gebraͤuchen, Sagen uͤberall eine verwandte Empfindungsweiſe und Gefuͤhls - richtung; das hineinwirkende Phrygiſche und Thrakiſche wie im Kretiſchen Zeus und im Dionyſos ſondert ſich leicht davon; die Phoenikiſche und beſonders Aegyptiſche Religion liegen fern ab, faſt unbekannt, wo ſie ſie auch14 in ihrer Naͤhe hatten, in ihrem Kern unverſtaͤndlich, wenn ſie ſie kannten, im Geiſte widerſtrebend, wenn ſie ſie verſtanden. Im Ganzen zeigen ſich die Pelasgiſchen Goͤtterdienſte als einer naiven Naturreligion angehoͤrig, die ſich mit Leichtigkeit um die verſchiednen Geſtaltungen der beſondern Natur legt, und an kraͤftigen und energi - ſchen Bezeichnungen tiefer und lebendiger Gefuͤhle eine uͤberſchwengliche Fuͤlle hat.

11.

Die Goͤtterdienſte der noͤrdlichen Staͤmme da - gegen, die man als Hellenen den Pelasgern entgegen ſetzt, haben ſehr fruͤhzeitig eine mehr ethiſche Wendung genommen, wozu die aͤußern Verhaͤltniſſe derſelben foͤr - derlich waren. Das heroiſche Leben, welches keine Fa - bel, die Richtung auf Kraftaͤußerung und That, die Abneigung gegen jene harmloſe Naturbeſchaͤftigung, wel - che in dieſen Staͤmmen unverkennbar, mußte andre Keime urſpruͤnglicher religioͤſer Empfindung aufziehn und zeitigen. Daher der Zeus Hellanios des Aeakos, der Laphyſtios des Athamas, endlich der Doriſche, deſſen Sohn, Prophet, Kaͤmpfer Apollon iſt, bei weitem mehr Darſtellungen geiſtiger Weltordnung in alterthuͤmlicher Weiſe ſind, als irgend ſchaffende Naturgewalten. In - deſſen wird damit nicht gelaͤugnet, daß ruͤckwaͤrts eine Zeit liege, in der auch dieſe Richtungen noch ungetrennt geweſen. So laͤßt es ſich ſelbſt darthun, daß der Apol - lon Lykeios der Dorier ganz aͤhnliche Ideen ausſpricht als der Zeus Lykaͤos der Arkader, obgleich beide ſich ganz abgeſondert entwickelt haben. So ſind auch alt - Arkadiſche und Doriſche Sitten in den Grundzuͤgen aͤhn - lich. Das Gemeinſame iſt ſchon hier nur durch Verglei - chung zu gewinnen; die Ueberlieferung giebt gleich im erſten Anfange eine Unzahl voͤllig geſchiedner Individua - litaͤten in jeder Gattung, ohne die Frage zu loͤſen, wie dieſe ſich ſo geſondert. Denn erſt nach der Sonderung15 verbanden ſich dieſe Individualitaͤten wieder zu einem Ganzen, indem im Cultus ſowohl als durch die Dichter neue von den fruͤhern oft grundverſchiedne Verhaͤltniſſe beſtimmt wurden.

12.

Die Sprache des griechiſchen Urſtamms (neben der Religion die aͤlteſte Urkunde der Geſchichte) muß, wenn man aus innerer Conſequenz, dialektiſchen Spu - ren, und der Vergleichung des Lateiniſchen argumentirt, einen hoͤchſt kunſtreichen Organismus ſtarken und bedeuten - der Flexionen und Formationen gehabt haben, den die ſpaͤtere griechiſche oft ſehr abſchliff; in der aͤlteſten Zeit galt Schaͤrfe und Praͤciſion in Angabe der Stamm - wie der Beugungslaute noch hoͤher als die Leichtigkeit der Ausſprache. Wo ſich die alte Zunge erhalten hatte, mochte ſie den Spaͤtern rauh und fremdtoͤnend vorkom - men; deren Sprache auch gegen das Lateiniſche in vieler Art verzaͤrtelt war. Aber die Eigenheiten des aͤcht Dori - ſchen Dialekts, welche ſich wahrſcheinlich auch zum Theil im Aetoliſchen zeigten, ſind da, wo ſie nicht bloß aus treuer Bewahrung des Alterthuͤmlichen hervorgegangen ſind, wirkliche Ausweichungen aus der Urſprache, und finden ſich daher nicht im Latein, ſie tragen, wenn ich ſo ſa - gen darf, einen noͤrdlichen Charakter1Merkwuͤrdig, daß die Masculin-Endungen auf ϱ, der Spir. aſper zwiſchen Vokalen mitten im Stammwort ſich gerade auch im Deutſchen finden.. Es kann wohl keinem andern Umſtand als Einwanderungen, und be - ſonders der Doriſchen, beigeſchrieben werden, daß der Artikel, deſſen das Latein und der epiſche Dialekt ent - behrt, eintrat; die Einfuͤhrung deſſelben iſt faſt wie in den romaniſchen Sprachen als Zeichen einer großen Um - waͤlzung anzuſehen. Die Eigenthuͤmlichkeit des Doriſchen Dialekts muß im Ganzen ſchon in den Jahrhunderten16 der Wanderungen ſtatt gefunden haben, weil es ſich ſonſt nicht erklaͤren laͤßt, wie ganz eigenthuͤmliche For - men des Dorismus Kreta mit Argos, Sparta gemein ſind; ſo wie auch die Dialekte, die man als Unterab - theilungen der Aeoliſchen Mundart zu betrachten gewohnt iſt, damals ſchon exiſtirt haben muͤſſen, da die Lesbi - ſche Mundart der Boeotiſchen aus keinem andern Grunde am naͤchſten kommt, als weil damals Boeoter nach Les - bos wanderten. Der Joniſche Dialekt dagegen wird in ſeinen Beſonderheiten wohl nur als eine im weichen Kli - ma Aſiens unter aſiatiſchen Einfluͤſſen gebildete Mund - art anzuſehn ſein, als eine Verweichlichung und Entar - tung1Die Alten ſagen oͤfter, daß die Jonier in Aſien ἐλυμήναν - το τῆς διαλέκτου τὸ πάτϱιον. Hephaeſtion Gaisf. S. 234. da der zunaͤchſt verwandte Attiſche Stamm in ſeiner Sprache nur geringe Spuren davon zeigt. Aber die Entſtehung des Attiſchen Dialekts iſt uͤberhaupt ſehr raͤthſelhaft, da nicht anzunehmen iſt, daß eine Gemeine von funfzehntauſend Maͤnnern von Anfang an eine von den uͤbrigen Griechen ſo ſehr verſchiedne Mundart ge - redet; ohne Zweifel haͤngt ſeine Bildung weit mehr von der Schrift ab, und es ſind Bewußtſein und Reflexion und freie Wahl zwiſchen ſchon vorhandnen Formen im Attiſchen Dialekt weit thaͤtiger geweſen, als in allen uͤbrigen. Der Verfaſſer verheißt, genauere und ſpe - ciellere Unterſuchungen der Art in der zweiten Beilage anzuknuͤpfen.

[17]

Erſtes Buch. Aeußere Geſchichte des Doriſchen Stammes.

1.

1.

Seit alten Zeiten waren Dorier und Jonier die geſonderten Hauptſtaͤmme der Nation, dieſe Pelasgi - ſchen, jene Helleniſchen Geſchlechts, dieſe ein urein - wohnendes, jene ein vielgewandertes Volk. Denn un - ter Deukalions Herrſchaft bewohnten ſie Phthiotis; unter Doros Hellens Sohn das Land am Oſſa und Olympos, ſo Heſtiaeotis heißt. Da ſie aber aus He - ſtiaeotis von den Kadmeern vertrieben wurden, wohn - ten ſie am Pindos und hießen das Makedniſche Volk. Von da wanderten ſie wieder nach Dryopis, und da ſie von Dryopis nach dem Peloponnes gezogen, wur - den ſie der Doriſche Volkſtamm genannt1Herod. 1, 56. behandelt von Salmaſ. de lingua hellen. p. 276. und in der Hist. de l’Ac. des Insc. T. 25. p. 11 28. Vgl. 8, 43. ἐόντες Δωϱικόν τε καὶ Μακεδνὸν ἔϑνος ἐξ Ἐϱινεοῦ τε καὶ Πίνδου καὶ τῆς Δϱυοπίδος ὕστατα ὁϱμηϑέντες..

Niemand wird dieſe zuſamenhaͤngende Darſtellung als unmittelbar aus alter Ueberlieferung fließend an - ſehn: ſie kann uns nur gelten als ein eigner wiſſen -II. 218ſchaftlicher Verſuch des Vaters der Geſchichte, ver - ſchiedne Sagen und Ueberlieferungen aneinander zu rei - hen und zn ordnen; auch iſt nicht ſchwer, die dieſer Verbindung zum Grunde liegenden Schluͤſſe aufzufin - den und zu pruͤfen. Die Dorier ſind die aͤchten Hel - lenen, ſagt Herodot, weil ſie damals als ſplche wirk - lich anerkannt wurden1So nennt ſogar Pindar Ol. 8, 30. die Myrmidonen Δω - ϱιεὺς λαός, wie ich glaube, nur um ſie als Hellenen andern Staͤm - men entgegen zu ſetzen.. Nun iſt aber Hellen Sohn des Deukalion, welcher in Phthia herrſchte, und das alte Hellas ſelbſt in Phthia; darum ſchließt er wohnten die Dorier vor alten Tagen in dieſer Land - ſchaft. Herodot uͤberſah, daß die mythiſchen Hellenen, ein kleiner Volkſtamm in Phthia, ganz andre Helden - ſagen und Stammverbindungen haben, als die Dorier, und im heroiſchen Mythus ſich durchaus keine Spur von naher Verwandtſchaft beider zeigt. Dies beſeitigt, kommen wir zur zweiten Angabe, die ganz den Stem - pel alter Tradition traͤgt: Doros habe am Olymp und Oſſa gewohnt. Hier alſo knuͤpft ſich die wirkliche Erinnerung wieder an, nachdem ſie uns in ſehr dunkeln Worten wie unbewußt von den Urſitzen der Dorier an den Akrokeraunien geſprochen hatte. Das Olymposgebirge, die Scheide der Voͤlker, deſſen in den Himmel ragende Kuppe noch jetzt die Umwoh - ner das himmliſche Haus nennen, iſt auch der Punct, auf welchem die Dorier zuerſt in Griechenland auf - treten.

2.

Der Gebirgskeſſel, welcher ſpaͤter Theſſalien hieß, wird gegen Abend vom Pindos, gegen Mittag vom Othrys, nach Morgen vom Pelion und Oſſa, in19 Mitternacht vom Olymp eingefaßt, unter welchem Na - men aͤltere Schriftſteller, wie Herodot, auch die Berg - kette inbegreifen, die man ſpaͤter (wahrſcheinlich illy - riſch) die Kambuniſche nannte. Die Rinne des Peneios liegt ſo, daß ſie die ebnen Striche gegen Mittag, das alte Argos Pelasgikon, von den bergigern gegen Mitter - nacht ſondert; ſie durchbricht gegen Nordoſt den Kamm der Hoͤhen, indem ſie Oſſa von Olympos trennt. Der Fluß ſchneidet auch hier, nach einem Naturgeſetze, naͤher an den maͤchtigeren Maſſen des Olymposgebirges hin1Olymp iſt nach Bernouille 1017 Toiſes, 6501 engl. F., Oſſa nach Dodw. gegen 5000.. ſo daß der Pfad an der Seite des lehneren und durch - brochneren Oſſa geht. Dieſe Thalſchlucht hieß mit einem alten Gattungsnamen Tempea, iſt oͤfter dichte - riſch geſchildert, ſelten fuͤr die Volksgeſchichte genugſam betrachtet2Getreuer als Aelian und Bar - thelemy beſchreiben das Thal Bartholdy, Bruchſt. zur Kentniß Gr. S. 112. Clarke Trav. P. 2. sct. 3. p. 273. Hawkins in Wal - pole’s Memoirs p. 528. Holland Albania p. 291. Dodwell Trav. T. 1. p. 103. Pouqueville T. 3. c. 73. Von den Alten be - ſchrieb Theopomp Φιλιππ. ϑ. Tempe genau, ſ. Theon Soph. Pro - gymn. 2. S. 19. Frommel in Creuzers Meletem. 3. S. 141, 6..

Vor dem Eingange in den Paß durchwandert man eine kleine runde Thalebene von anmuthiger Umgebung, an deren Ende zur linken Seite, wo die Berge ſich von bei - den Seiten naͤhern, die alte Feſte Gonnos (Gonnoi) lag, hundert und ſechzig Stadien entfernt von Lariſſa, der Hauptſtadt der Ebene3)xx m. p. in ipsis faucibus saltus, Liv. aus Polyb. 18, 10, 2. an der Seite des Olymp (S. 20.) Meletios nennt hier ein Goniga.. Von da ſchließen die Berge immer mehr zuſammen, bis ſie in zwei hohen Felſenmauern einander gegenuͤber treten und einen Schlund bilden, in dem an manchen Stellen nur die Kunſt einen Fahrweg laͤngs des Fluſſes gehauen hat. In2 *20der Mitte deſſelben liegt jetzt auf einem kuͤhnen Vorſprung des Oſſa eine Feſtung von roͤmiſcher Konſtruction, Ho - raͤo-Caſtro genannt, ſie deckt zugleich eine Seiten - ſchlucht dieſes Gebirges; auf demſelben Flecke ſtand wahrſcheinlich einſt das Bollwerk Gonnokondylon, dem die Thalwende den Namen gegeben zu haben ſcheint1Liv. 39, 25.. Nicht weit davon iſt die engſte Stelle des Bergthors kaum hundert Fuß breit, welche nach einer Inſchrift L. Caſſius Longin, Proconſul unter Caeſar, verſchanzte; aber ſchon vorher mochten hier wenige Bewaffnete einer bedeutenden Schaar das Vordringen wehren. Dieſe Gegend iſt nichts weniger als anmuthig und lieblich zu nennen, vielmehr von einer furchtbaren Wildheit, die ſenkrecht geſpaltenen Felſenmaſſen von gleicher Steinart erſcheinen wie auseinander geſprengt, meiſt nackt und kahl; die Schwaͤrze des Schattens in der Tiefe und der dumpfe Wiederhall vermehren das Duͤſtre des Ein - drucks; unten ſprudelt der weißlichgefaͤrbte (αργυρόδινος) Peneios. Nicht weit von jener ſchmalen Stelle oͤffnet ſich die Enge gegen das Meer, welchem Peneios ver - ſumpfend zufließt, von hier uͤberſchaut man die lachende Landſchaft Pierien an der oͤſtlichen und aͤußeren Seite des Olymp, namentlich die Ebnen von Phila, Herakleion und Leibethron, welche weiter in die untern Gegenden Makedoniens fuͤhren.

3.

Dies iſt die einzige Verbindungsſtraße Theſſaliens mit den Nordgegenden, welche uͤberall im Thale fort - fuͤhrt; alle andern ſind Bergwege. So die andre Straße nach Makedonien, der Olympiſche Paß (ἐσβολὴ Ὀλυμ - πική)2Herod. 7, 128. 173.. Auch dieſe geht von der ſtarkverſchanzten Fe - ſtung Gonnos aus, dem Schluͤſſel des Landes gegen Norden, und zieht ſich dann an der innern Seite des21 Olympos bis zu den Staͤdten Azoron und Doliche. Zwiſchen dieſen beiden Orten iſt ein Dreiweg1Liv. 44, 6. Polyb. 28, 11, 1. Αζοϱίου μεταξὺ καὶ Δο - λιχῆς.. Die Hauptſtraße ſteigt in noͤrdlicher Richtung uͤber die Hoͤhe der Kambuniſchen Gebirge nach dem Makedoniſchen Hoch - lande hinuͤber; Xerxes ließ hier die Waͤlder lichten, um ſeinem Kriegsheere Durchzug zu ſchaffen, welches die Griechen auf dem ebneren Wege durch Pierien und Tempe erwartet hatten, oft zogen in den Roͤmerkriegen bedeu - tende Heere den Weg2Außer Herodot ſ. Liv. 42, 2. und Plut. Aemil. 9.. Aber von dem bezeichneten Scheidepunkte rechtsab gingen zwei beſchwerliche Berg - wege uͤber die Hoͤhen des Olymp zur Verbindung Nord - theſſaliens mit Pierien. Durch den einen umging man den Tempepaß; denn er fuͤhrte uͤber die Feſte Lapa - thus im Norden dieſer Schlucht3Ueber die Lage vgl. Liv. 44, 2. und 6., und bei dem klei - nen See Askurias vorbei, von wo man nach dem 96 Stadien entfernten Dion an der Meereskuͤſte hinab - ſchaut, dann in die Pieriſche Ebne hinunter. Aber wichtiger iſt uns der andre noͤrdlicher gerichtete und uͤber den hohen Ruͤcken des Olympos gelegte Weg, wo das Caſtell Petra und der Tempel des Pythiſchen Apollon, gewoͤhnlich Pythion genannt, nebſt einem gleichnamigen Staͤdtchen lagen4Πυθίου Απόλλω - νος ἱεϱὸν, τὸ Πύθιον καὶ τὴν Πέτϱαν. Plut. Aem. 15. Pythoum (Πυϑῷον) et Petra Liv. 44, 2. 32. 35. 42, 53. Daß es nur ein Pythion in dieſer Gegend gab, lehrt die genaue Analyſe der Maͤr - ſche. Mannert hat 7 S. 520. 563. Pythion an den Paß durch die Kam - buniſchen Gebirge (jetzt uͤber Aleſſon und Sarvitza) geſetzt, von dem es ganz rechtsab liegt. Seine Meinung widerlegen Liv. 44, 2. und Plut. a. O. Vgl. Steph. d. v. Πύθιον, Πυθιεῖς οἱ τὸ Πύ - θιον οἰκοῦντες, ἐν Ἀπόλλωνος ἱεϱόν ἐστι, und ſ. v. Βάλλα., deſſen Hoͤhe Xenago - ras nach geometriſcher Meſſung auf 6096 griech. Fuß22 beſtimmt hatte1960 Toiſen. Vgl. oben.. Von dieſem Punkte ſtieg man nun entweder einen Gebirgsſteig zur Kuͤſte nach Herakleion und Phila in Pierien herab, oder man zog den Kamm des Olympos entlang auf ſehr beſchwerlichen und ge - faͤhrlichen Wegen in das obere Makedonien hinein2S. Plut. a. O., Liv. a. O. und 44, 7. vgl. Polyb. 28, 11..

Dieſe Bergewege und Schluchten hat kein neuerer Reiſender betreten, aber ihre Lage aus den Alten zu entraͤthſeln, war fuͤr unſern Gegenſtand nicht unwich - tig. Nicht bloß Perſeus und Aemilius Paullus kaͤmpf - ten hier um das Schickſal Makedoniens, ſondern auch die althelleniſchen Heldenvoͤlker um den Beſitz des fruchtbaren Theſſaliens. Es war eine Zeit, da durch dieſe Pforten die Voͤlker hinabdraͤngten, denen die ſchoͤnſten Theile Griechenlands zufallen ſollten; hier mußte jeder Fortſchritt mit Muͤhe errungen werden, in dieſem allerſchwerſten Kriege ſtaͤhlten ſich die Soͤhne des Gebirgs. Von den unzaͤhligen Burgen, wel - che in dieſen Gegenden jeden wichtigen Punkt decken, moͤchten die meiſten wohl ſchon in ſehr alter Zeit erbaut ſein. So vertheidigen drei3Liv. 31, 41. 36, 10. 13. 42, 2. 33. 67. den Olympiſchen Bergpaß, oder den Weg von Gonnos nach Azoron und Doliche, welche beiden Orte nebſt dem dritten Pythion auf der Hoͤhe unter dem Namen der Tripolis Pelagonia inbegriffen werden4Ptolemaeus rechnet ſie zur Pelasgiotis. Zur Stelle des Liv. 42, 35. uͤber die Tripolis fehlt leider das Griechi - ſche Original..

4.

Aber wenn in den hoͤhern Gegenden im Vorlande gegen Makedonien faſt alle Orte namenlos ſind, weil ſich die Griechiſche Geſchichte von da fortgezogen, ſo hat ſich dagegen in der Thalebne am Fluſſe aller Orten ſagenhaf - tes und geſchichtliches Andenken niedergelaſſen. Denn23 obgleich auch die Nordgebirge reichlicher Waſſerquellen, immer gruͤner Niederungen, fetter Viehtriften nicht ent - behren: draͤngten die Staͤmme doch beſtaͤndig nach dem reichen Ackerlande des Thales. Hier folgt auf Gonnos und Elateia zunaͤchſt Mopſion auf der rechten, Gyrton und Phalanna auf der linken des Fluſſes, dann Lariſſa in der Mitte des offenen Feldes1Bd. 1. S. 126., welches als Niederſchlag des einſt ſtagnirenden Fluſſes ſtehen geblieben, und von ihm fortwaͤhrend geduͤngt, von jeher einen ertragreichen Ackerbau anregte. Oberhalb Lariſſa, wo die Ebne ſich wieder zuſammenzieht, und die Huͤgel von der Nordſeite nahe an den Fluß traten, lagen, vierzig Stadien weiter hinauf Argura2Liv. 32, 15. Str. 9, 438. 440., eben ſo weit davon das feſte Atrax; an der obern Seite des Fluſſes die altberuͤhmte Stadt Pelinna3Ueber Pelinna ſ. außer Cellar Spanheim de usu num. 9. p. 902. Salmaſ. ad Solin. p. 687. Weſſeling ad Diodor. 18, 11. Boeckh Comment. ad Pind. P. 10. p. 335., und das Caſtell Pharkadon4Außer Str. Diod. 18, 56. Bei Polyaen 4, 2, 18. ſchreibe: Φίλιππος ἐπο - λιόϱκει Φαϱκηδόνα πόλιν Θδσσαλικήν.. Dann am linken Ufer des Peneios, wo das Gebirge von der Nordſeite wieder zu - ruͤcktritt und eine neue Ebne ſich ausdehnt, die alte Stadt Trikka5Ueber Trikka (Trikala 123 4 Lieuen von Lariſſa, Pouqv.) Mannert S. 569. und noch dazu Euſt. 2. S. 250. Baſ. Tzetz. Chil. 9, 28.. Zwiſchen Trikka und Pelinna iſt die Mythen-Stadt Oechalia anzuſetzen, deren Truͤm - mer vielleicht noch ein Reiſender in alten Felsmauern entdeckt6S. Il. 2, 370. mit Schol. und Euſt. Pelinnos ein Sohn des Oecha - lieus, Steph. Byz. Πἐλιννα., wie ſie in dieſer Gegend Pouqueville nicht ſelten ſah. Verfolgt man von Trikka aus den Peneios, der von Nordweſten kommt, weiter hinauf, ſo tritt man24 ganz in das Hochland Heſtiaeotis ein. Gegen viertehalb Stunden von Trikka1Pouquev. 12 Miles nach Holland. 4 St. Vaudoncourt. kommt man jetzt nach dem Kloſter Meteora, deſſen Name die wunderbare Lage auf hohen Felſenpfeilern, Saͤulen, Cylindern anzeigt2S. Melet., Pouquev., Holland, Cockerell bei Hughes Trav. 5. 1. S. 504.; von wo ein Weg am Strome weiter hinauf gegen Weſten nach Epeiros, ein andrer Paß gegen Norden uͤber Stymphaea nach Elymiotis in Makedonien fuͤhrt3Dieſer bei Arrian 1, 7.; jener Liv. 31, 41. 32, 15. 38, 2. Vergl. Caeſ. B. C. 3, 80.. Dies war die Lokalitaͤt der alten Feſtung Gomphoi, die gegen den Pindos und nicht ſehr weit von der Quelle des Fluſſes lag4Von Gomphoi Tempe gegen 500 Stadien. Plin. H. N. 4, 8. So einzutheilen: Tempe 40, bis Lariſſa 160, bis Trikka etwa 240, bis Gomphoi 60.; ja es iſt wahrſcheinlich, daß auch der Name Γόμφοι die keilaͤhnliche Form jener Felſen anzeigt. Nach Strabo bildeten Gomphoi (in NW), Trikka (in SW), Pelinna (NO), und die neuere Stadt Metropolis (SO) ein Viereck von feſten Punkten, in deſſen Mitte die alte Ithome lag, die Homer von der ſteilen Lage die klimmfelſige (κλωμακόεσσα oder κλιμακόεσσα) nennt59, 437. Il. 2, 729. Pauſ. 4, 9, 1. Meteora kann Ithome nicht ſein: eher die Ruine von Kaſtraki. Aber die Stelle von Kuralios und dem Tempel der Itoniſchen Athena in dieſer Gegend iſt eine arge Verwechſelung des nicht im - mer genauen Geographen. Anders de la Porte du Theil Eclairc. sur str. I, 76. p. 248. . Von Meteora verfolgt man in noͤrdlicher Richtung den Peneios hinauf bis zu ſeiner Entſtehung aus zwei kleinen Fluͤſſen, ſteigt alsdann weſtlich ſich wendend uͤber die ſehr hohe Bergkette des Pindos, und gelangt ſo nach dem jenſeits gelegnen Epeiros, die alte Verbindungsſtraße beider Laͤnder, an welcher noch mehrere kyklopiſche Mauern zum Zeugniß alter Voͤlkerkaͤmpfe ſtehen.

25

5.

Nun wohnte in der Thalebne ſeit uralten Zeiten ein Pelasgiſches Volk, welches den Goͤttern fuͤr das Geſchenk eines ſo fruchtbaren Ackerbodens in dem Feſte der Pelorien dankte. Sein Leben war ohne Zweifel der umgebenden Natur gemaͤß, welche noch jetzt die Anwoh - ner des Fluſſes zu ſanften und friedlichen Menſchen bil - det, die ihr Daſein gern an die Scholle knuͤpfen, waͤh - rend die Gebirgsbewohner bei groͤßerer Kraft groͤßere Freiheit erſtreben1Pouqueville S. 37.. Die alte Hauptſtadt dieſes Volks war Lariſſa2Bd. 1. S. 126. Hier wohnt auch Akriſios von Argos. Daß es dieſes Lariſſa iſt, ſicht man aus Schol. 1, 40. Vgl. Hellanikos Fragm. 116. Pauſ. 2. 16. Tzetz. Lyk. 836.. Aber ſchon ſehr fruͤh war die Urbevoͤl - kerung durch noͤrdlichere Volkſtaͤmme theils in Unterwuͤr - figkeit verſetzt, theils aus der Ebne hinausgedraͤngt worden3Str. 9, 439.. Eine gewiſſe Freiheit behielten jederzeit die - jenigen Ureinwoher, welche ſich in das Gebirge hinauf - gezogen hatten, die Perrhaͤber. Das Homeriſche Voͤlkerverzeichniß kennt Perrhaͤber auf der Hoͤhe Kyphos am Olymp und am ſchoͤnſtroͤmenden Titareſios, der am weſtlichen Saum des Olymposgebirgs hinfließend ſich durch ſein klares und deswegen dunkles Waſſer von dem ſchlammfuͤhrenden und darum weißlichen Peneios ſon - dert4Nach neuern Reiſenden. Schon die Alten verſtanden Homer oft falſch. Spaͤter Eurotas, oder Eu - ropos, wie die Exe. Strab. haben, d. i. der dunkle.. Auch heutzutage zeichnen ſich die Bewohner ſeiner Ufer durch geſunde Friſche aus, waͤhrend am Pe - neios die gelbe Farbe der Menſchen eine kraͤnkliche Na - tur bezeichnet5Pouqv.. Aber die Alten dachten beim Titare - ſios an den Styx und die Unterwelt: deswegen, weil bei dieſen Perrhaͤbern eben ſo wie bei den Hellopiſchen Pelasgern der Name und Cultus von Dodona ſich feſtge - ſetzt hatte6S. die Schriftſteller bei Str. 7, 328. Steph. Byz. Δωδώνη.. Und ſo war auch hier wie dort ein Pſycho -26 pompeion oder Todtenorakel. Der Fuͤrſt dieſer Perrhaͤ - ber heißt Guneus, deſſen Name (von γοῦνος, die Frucht - ſcholle) ein Andenken iſt an die fetten Felder des fruͤher bewohnten Thals. So viel wiſſen wir aus der Ho - meriſchen Stelle. Nachmals in geſchichtlicher Zeit fin - den wir die Perrhaͤber weiter ausgedehnt von den Kam - buniſchen Gebirgen, dem Tempepaß und dem Peneios eingefaßt und ſich nach Weſten noch uͤber Pindos hinaus - erſtreckend1Hieronymos bei Str. 9, 443.. Gonnos, Atrax waren Perrhaͤbiſch2Steph. Byz. Γόννος. Liv. 32, 15., wenn auch unter Andrer Herrſchaft. Aber im Gebirge erhielten ſich die Perrhaͤber, auch als die Theſſaler die Ebne beſaßen, zwar nicht unabhaͤngig, aber doch als beſondres, und bis in die Makedoniſche Zeit als amphiktyoniſches Volk.

6.

In der Flußebne herrſchte indeß das Sagenvolk der Lapithen, welches, wie ich gezeigt habe, aus Al - mopien in Makedonien ſtammt, und mit den Phlegyern identiſch, mit den Minyern und Aeolern zu Ephyra we - nigſtens ſehr nah verwandt war3Bd. 1. S. 248 ff.. Duͤrfen wir den reinmythiſchen Namen Lapithae als Volksbenennung brauchen, weil wir doch in ihnen ein perſoͤnlich auftre - tendes und in nationalen Verhaͤltniſſen ſtehendes Volks - ganze erkennen: ſo ſagen wir, daß Lapithiſch waren die Staͤdte Elateia, Gyrton, Mopſion, Lariſſa, Atrax, Oechalia, Ithome, Trikka. Denn an dieſe knuͤpfen ſich zum Theil ſchon nach dem Namen als einheimiſch die Sagen von den Heroen Elatos, Kaeneus, Mopſos, Ko - ronos, Eurytos, Hippodameia; und in den beiden letzt - genannten ſind die Aſklepiaden einheimiſch, welche in genealogiſchen und andern Sagen ſtets mit jenen verbun - den ſind. Bei Homer folgen die Einwohner von Trikka, Ithome, Oechalia den Soͤhnen des Asklepios; die von27 Argiſſa, Gyrton, Orthe, Elone und der weißen Stadt Olooſſon den Lapithen. Nach Strabons Unterſuchungen ſoll Orthe die Burg von Phalanna, Argiſſa das ſpaͤtere Argura ſein, beide am Fluſſe, Elone ein Staͤdtchen am Olymp1Wenn Olooſſon das heutige Alaſſona an der Karawanen - ſtraße von Lariſſa nach Makedonien iſt nach der Meinung des Erzbiſchofs von Theſſalonich zur Il. 2. S. 333. Rom. δοκεῖ δὲ φυλάσσειν καὶ νῦν τὴν κλῆσιν παϱαφϑειϱομένην βαϱβαϱικῶς. ἴσως γὰϱ αὕτη ἐστὶν ἄϱτι λεγομένη Ἐλασσών., ſo daß die mythiſche Ethnographie, die wir den Homeriſchen Katalogos nennen, mit den uͤbrigen Sagen hier voͤllig in Einklang treten wuͤrde.

7.

Soviel mußte vorausgeſchickt werden, um den Ort und die Nachbarſchaft getreu anzugeben, in welcher die Dorier zuerſt in der griechiſchen Sage erſcheinen. Sie graͤnzten naͤmlich an die Lapithen, aber in andrer Lage als dieſe. Denn nicht in der Ebne, ſondern in dem hoͤhern Lande, Heſtiaeotis, wohnten ſie nach Hero - dot2Andron bei Strabo 10, 475 e. τῆς Δωϱίδος πϱότεϱον, νῦν δὲ Ἑστιαιώτιδος λεγομένης. In Heſtiaeotis weſtlich vom Pindos, wohnten ſie auch nach Charax bei Steph. Δὠϱιον. Nach Perrhaͤbien ſetzt die Do - rier der Schol. Pind. P. 1, 124. und zu Ariſtoph. Plutus 385 nach der richtigen Verbeſſerung von Hemſterhuis S. 115. Perrhaͤbien aber coincidirt ziemlich mit Heſtiaͤotis.. Doch laſſen die oben angezogenen Worte die - ſes Schriftſtellers auch ſchließen, daß Tempe zu He - ſtiaeotis gerechnet wurde und damals Doriſch war; wie ſehr dies der Altar des Pythiſchen Apollon in dieſem Thale beſtaͤtigt, werden wir unten ſehn. Wo es ſich auch als wahrſcheinlich zeigen wird, daß ſie das erwaͤhnte Pythion auf der Hoͤhe des Gebirgs angelegt. Darnach duͤrfen wir wohl die ganze Tripolis fuͤr weiland Doriſch achten, da auch Azoron nicht immer von Illyriſchen Pe - lagonen bewohnt, ſondern ehemals Helleniſch war3Ein Held Azoros Bd. 1. S. 161.. 28Auch iſt wahrſcheinlich, daß der als Perrhaͤbiſch ge - nannte Ort Kyphos unter Doriſcher Herrſchaft ſtand, weil ſie in ihren zweiten Niederlaſſungen ein davon be - nanntes Akyphas bewohnten1Hemſterhuis haͤlt mit Unrecht beide fuͤr einerlei. a. O. S. 116.. Es iſt auffallend, daß ſich von keiner Doriſchen Stadt in dieſer Gegend eine direkte und beſtimmte Angabe erhalten hat: der Grund dieſes Mangels liegt in dem Verluſt des Heſiodiſchen Epos Aegimios.

8.

Dieſes Epos im Heſiodiſchen Ton, wenn auch der Verfaſſer etwa gegen Olymp. 30 in den letzten Zeiten des epiſchen Geſanges lebte2Athen. 11. S. 553 d. καὶ τὸν Αἰγίμιον ποιήσας, εἴϑ᾿ Ἡσίο - δός ἐστιν Κέϱκωψ Μιλήσιος. Ihn geradezu Kerkops zu nen - nen, moͤchte vielleicht unkritiſcher ſein, als den weitſchichtigen Na - men Heſiod zu reſpektiren., beſang die aͤlteſten Begeben - heiten des Doriſchen Stammes. Namentlich, wie Ae - gimios, der Dorierfuͤrſt, im ſchweren und gefaͤhrlichen Kriege mit den Lapithen den wandernden Herakles her - beiruft, und durch das Verſprechen, den dritten Theil des Gebiets ihm abzutreten, ſeine Bundesgenoſſenſchaft er - wirbt, durch welche die Feinde geſchlagen, ihr Fuͤrſt getoͤdtet, das ſtreitige Land erobert wird3Weſſel. zu Diod. 4, 37. p. 282.. Daß dies der Hauptinhalt des Gedichts geweſen ſei, beſagt der Name deſſelben4S. Valcken. ad Eurip. Phoen. p. 735.. Wahrſcheinlich wurden auch die Hel - den von Jolkos und die Phthioten als Bundesgenoſſen der Lapithen vorgefuͤhrt, wenigſtens kamen Phrixos und Achilleus Schickſale darin vor

5Schol. Apoll. 3, 584 4, 816. Groddek Bibliothek der alten Litter. u. Kunſt Th. 2. S. 89. ſchließt wohl zu ſchnell, daß der Argonautenzug darin enthalten geweſen, wie Weichert uͤber Apollonios S. 139. n. 176. mit Recht bemerkt. Daß im Aegimios der Zug der Dorier und ihre Colonien bis auf Kyrene erzaͤhlt worden waͤren,.

Das zweite Buch29 ſpielte in Euboea, welcher Inſel Name von der Kuh Jo abgeleitet wurde1So zu verſtehn iſt Steph. Byz. Ἀβαντίς. ὡς Ησίοδος ἐν Αἰγιμίου δευτέϱῳ πεϱὶ Ἰοῦς-νήσῳ δ᾿ἐν Ἀβαντίδι δίῃ, τὴν πϱὶν Ἀβαντίδα κίκλησκον ϑεοὶ ἀιὲν ἐόντες τήν ποτ᾿ ἐπώνυμον Εὔβοιαν βοὸς ὠνόμασεν Ζεύς. Hieran ſchließen ſich die vier Verſe von Argos und Fo bei den Schol. Eurip. Phoͤniſſ. 1151. Apollodor 2, 1, 3. meint dieſe Stelle. Auch gehoͤrt zu den Euboiſchen Mythen, was er 2, 1, 4. daraus erwaͤhnt. Vgl. Fabric. Biblioth. 1. S. 592. Harles.; ich vermuthe, daß der Kampf des Herakles gegen das Euboiſche Oechalia hineingenommen war. Aegimios war indeſſen in Heſtiaeotis herrſchend gedacht; weil nur da die Dorier Nachbarn der Lapithen waren: doch wird er auch mit Leichtigkeit nach den zwei - ten Wohnſitzen des Stammes, am Oeta, hinuͤbergezo - gen2S. Ephoros bei Steph. Byz. Δυμᾶνες (S. 96 Marx), aus ihm Str. 9, S. 654 a. . Er iſt uͤberhaupt mythiſcher Stammvater oder Stammheld der Doriſchen Nation, daher Pindor auch die Herkommen und Geſetze derſelben Satzungen des Aegimios nannte. Indeß werden von ihm nur zwei Staͤmme des Volks hergeleitet, die Dymanen und die Pamphylen; der dritte und vornehmſte, die Hylleer, hat den Hyllos zum Stammvater, Herakles wirklichen und Aegimios Adoptiv-Sohn. Und weil in den Doriſchen Staaten der Grundbeſitz unter dieſe Staͤmme gleich getheilt war: erhaͤlt nun in der ange - fuͤhrten Sage Herakles fuͤr ſeine Nachkommen das Drit - tel des Landes, was den Hylleern gebuͤhrte. Von der Landeseintheilung meldete der Dichter:

Man nennet ſie dreifach geſchieden
Weil ſie ein dreifaches Land abfeits den Geſchlechtern vertheilet
3Etym. M. s. v. τϱιχάϊϰες S. 768, 20. Ησίοδος διά τὸ τϱιχῇ αὐτοὺς (τοὺς Δωϱιᾶς) οἰκῆσαι ι οἷον Παν -
3.

5iſt nach dem Charakter des alten Epos ungedenkbar, welches keine chronologiſch angereihte Geſchichte enthaͤlt.

30

Daruͤber aber, daß der erſte Stamm von den beiden uͤbrigen als verſchieden von Urſprung abgeſondert wird, verweiſen wir auf die Bemerkungen im dritten Kapitel.

Ebenſo muͤſſen wir auf die Eroͤrterung des Apollo - dienſtes und Heraklesmythos im zweiten Buche verweiſen, welche erſt die innre Geſchichte des Doriſchen Stam - mes in ſeiner aͤlteſten Periode geben kann; ſintemal in jener Zeit die Religion alle Regungen des geiſtigen Le - bens noch einſchließt und inbegreift.

9.

Eine Begebenheit, die auch, wenn ſie nicht durch Tradition bezeugt waͤre, doch in ihren Wirkungen er - kannt und darnach vorausgeſetzt werden muͤßte, iſt die Wanderung von Doriern aus der Gegend des Olympos nach Kreta. Freilich ein wunderbarer Zug von einem Ende der Griechiſchen Welt zum andern, und eine ſehr anomale Erſcheinung in der Geſchichte der alten Colo - nien. Man muß annehmen, daß ſchon in jenen Urſitzen die Dorier, als von der Ebne ausgeſchloſſen, durch Noth und Thatluſt gedraͤngt, Piratenkaͤhne bauten, die engen und ſchmalen Fahrzeuge mit ſelbſtrudernden Kaͤm - pfern bemannten, und ſo aus Bergbewohnern zu See - fahrern umgeſchaffen die Normannen Griechenlands nach dem fernen Kreta ſeegelten. Das aͤlteſte Zeug - niß davon iſt das der Odyſſee. Mitten im Meere liegt das Land Kreta, ein herrliches und geſegnetes Ei - land. Viele, unzaͤhlbare Menſchen ſind darin und neun - zig Staͤdte. Andere reden eine anders gemiſchte Spra - che. Darin ſind Achaeer, hochherzige Eteokreten, Ky - donen, dreigetheilte Dorier, und goͤttliche Pelasger. Unter ihnen iſt die große Stadt Knoſſos1Od. 19, 174.. Andron giebt geographiſch genau an: dieſe Dorier ſeien aus He -3τες γὰϱ τϱιχάϊκες καλέονται Οὕνεκα τϱισσὴν γαϊαν ἑκὰς πάτϱης (ſchr. πάτϱῃς oder πάτϱαις) ἐδάσαντο. Was folgt, iſt falſch.31 ſtiaeotis, damals Doris, unter Tektaphos, Doros Sohn, ſammt Achaeern und Pelasgern, ſo in Theſſalien geblieben waren, nach Kreta gekommen1Bei Strabo 10, 475. d. und Stephan. Δώϱιον. Aus Andron ſchoͤpft wohl Diodor 5, 80. Vgl. 4, 60.. Weiter Dio - dor: des Tektaphos (Tektamos) Sohn ſei Aſterios, Koͤ - nig von Kreta, geweſen, der Adoptivvater Minos des Geſetzgebers. Dieſe Nachrichten werden ihrem weſent - lichen Inhalte nach durch zwei Proben gewiß. Erſtens dadurch, daß der Apollonsdienſt nun in Kreta eben ſo wie in Tempe und zwar ganz mit denſelben Gebraͤuchen geuͤbt wird, und auch die Uebertragung damit verbund - ner Sagen veranlaßt. Zweitens dadurch, daß die Do - riſche Grundverfaſſung ſich in Kreta ſo ſehr fruͤh zu einer Ordnung und Feſtigkeit ausbildete, welche hernach Mu - ſter fuͤr die verwandten Staaten wurde. Dies giebt uns das vollſte Recht, den Knoſſier Minos als Dorier anzuſehn. Beſſer noch ſagen wir, daß der Name Mi - nos eine Zeit bezeichnet, in welcher die Doriſchen Anlan - der einen großen Theil der Inſel in einen Staat verei - nigten, und indem ſie ſo erſtarkt ihre Macht uͤber die Kykladen und viele Kuͤſtenſtriche ausbreiteten, nach He - rodots, Thukydides und Ariſtoteles Ausdrucke, eine Art Thalaſſokratie erwarben. Wir wuͤrden die einfache Loͤ - ſung mehrerer Begebenheiten und Verhaͤltniſſe verſchmaͤhn, wenn wir jene Doriſche Wanderung laͤugnen wollten. Damit ſollen aber mit nichten ſpaͤtere Wanderungen aus dem ſchon Doriſchen Peloponnes gelaͤugnet werden2Die Nie - derlaſſungen, welche hier in Betracht kommen, ſind 1. die Einwan - derung nach Minos Tode (im dritten Geſchlecht vor Troja) von al - lerlei Staͤmmen, beſonders Hellenen, bei Herod. 7, 170., dieſe iſt bloße Sage von Polichna und Praͤſos und nicht ſehr glaubwuͤrdig. 2. Colonie des Althaemenes nach dem Heraklidenzug von Argos und Megara aus, und in Verbindung mit Rhodos. 3. Dorier aus;32 nur treffen dieſe in zu ſpaͤte Zeiten, um von ihnen abzu - leiten, was der Ableitung bedarf. Welche Gegenden Kretas nahmen die Dorier in Beſitz? Staphylos1Strabo 10. p. 475. c. ſagt, die Oſtkuͤſten. Genauer indeſſen nennt man die oͤſtliche Seite der Nordkuͤſte. Denn hier liegt das Minoiſche Knoſſos, welches man als den Hauptſitz der Doriſchen Bevoͤlkerung anſehen muß, mit ſeinem Hafen Herakleion und der Kolonie Apollonia. Indeſſen hat ſich von da ſehr fruͤh Herrſchaft, Sitte und Cultus des Stammes uͤber die andern von Eteokreten, Pelasgern, Kydonen bewohnten Gegenden verbreitet; und die Inſel mit Hilfe ſpaͤterer Nachwanderungen faſt ganz doriſirt2Die kretiſchen Staͤdte gal - ten im allgemeinen fuͤr Doriſch. Menander de encom. 32, 1. S. 81. Heeren, u. And.. Wenn zu Homers Zeit noch verſchiedne Miſchungen der Spra - che nach den inwohnenden Staͤmmen ſtatt fanden (ἄλλη δ᾿ἂλλων γλῶσσα μεμιγμένη): ſo erſcheint ſpaͤter der Doriſche Dialekt als der allgemein angenommene.

10.

Wir folgen jetzt wieder dem oben gegebnen Texte Herodots. Als aber die Dorier von den Kad - meern vertrieben waren, wohnten ſie am Pindos, und hießen das Makedniſche Volk. Damit ſpielt der Schriftſteller auf das mythiſche Ereigniß an, da die Kadmeer von Theben durch die Argeier vertrieben zu den Illyriſchen Encheleern zogen, und dabei den Mag - neſiſchen Berg Homole in der Naͤhe von Tempe be - ruͤhrten. In jenen Magneſiſchen Wohnſitzen waren ſie allerdings Nachbarn der Dorier geweſen. Aber es iſt wohl zu bedenken, welche verworne Fabel wir vor uns2dem ſchon Doriſchen Peloponnes. Lyktos, Lampe, und andre Orte von Sparta, Pharaͤ Colonie der Meſſenier; Gortyna von Amy - klaͤern, (Minyern), Phaeſtos von Sikyon, andre von Argos (Skylax S. 18. Diodor 5, 80.) 4. Aegineten in Kydonia.33 haben1S. Bd. 1. S. 233. 234. Nach Andron (Str. 10, 475.) kommen ſie gleich von Heſtiaeotis an den Parnaß. Nach Diodor 4, 67. vertreiben die Kadmeer die Dorier, die aber dann nach Doris (Erineos, Kytinion, Boeon) zuruͤckkehren. Fuͤr Hero - dot koͤnnte Lykophron 1388 ſprechen, der die Dorier Λακμωνίους nennt (Λάκμων ὄϱος Πε᾽ϱ῾ϱαιβίας, ἔνϑα ᾤκουν Δ.), da Lakmon der Knoten des Pindos und der Kambuniſchen Berge heißt. Aber Ly - kophron will nur ihre Wohnſitze in Heſtiaeotis andeuten.. Der verwuͤſtende Raubzug der Encheleer nach Phokis und Boeotien iſt wohl nicht anzuzweifeln; die Tradition konnte ſchwerlich irgendwie entſtehen, als durch ein wirkliches Faktum; es ſprach davon ein ziemlich altes Delphiſches Orakel und die Sage der Thebaeer; dieſelbe Horde mag bei ihrem Durchzuge auch die Dorier in ihren Sitzen beunruhigt haben; aber ſo wunderbar es iſt, daß fluͤchtige Thebaeer zu den Encheleern nach Illyrien von freien Stuͤcken gezogen ſein ſollen, ſo ſeltſam iſt es, daß dieſe die Dorier aus ihren Wohnſitzen verdraͤngt haben ſollten. Das mag wahr ſein, daß noͤrdliche Horden die Dorier vom Olympos hinwegdraͤngten; denn wir finden ſpaͤter in den alten Wohnſitzen dieſes Volks den Paeoniſchen (Teu - kriſchen) Stamm der Pelagonen, welche vom Axios herabgekommen waren2Ilias 2, 849. 21, 159. Darauf zielt Herodot (ſ. Einleitung), daß die Teukrer, zu denen er die Paeoner rechnet, bis an den Peneios vorgedrungen waͤren., und ſich der Tripolis Azoron, Doliche, Pythion bemaͤchtigt hatten. Wenn nun aber Herodot die Makedner oder alten Makedonier, welche zu ſeiner Zeit die Landſchaft zwiſchen den Fluͤſſen Ha - liakmon und Ludias vom Gebirge bis an die Kuͤſte be - wohnten, von den Doriern in jenen Wohnſitzen ablei - tet: ſo mag dies wohl eine Erzaͤhlung der Makedonier ſein, die nicht bloß ihrem Argiviſchen KoͤnigsſtammeII. 334Doriſchen Urſprung zuzuſichern bemuͤht waren; aber geſchichtlichen Sinn hat ſie wohl nicht. Denn die Ma - kedonier ſind zwar in der Grundlage, wie oben bemerkt, Griechen, aber ſie fuͤr Dorier zu halten, giebt es in Sprache und Sitte keinen Grund1Einleitung §. 3. In der Stelle bei Conſtant. Porphyr. Them. 2, 4. S. 1453. Meurſ. λέγεται δὲ καὶ Μακεδονίας μοῖϱα Μακέτα, ὡς Μαϱσύας ἐν πϱώτῳ Μακεδονιακῶν. καὶ τὴν Ηϱέ - στειαν δὲ Μακέταν λέγουσιν, will Raoul-Rochette 2. S. 70. Εστιαιῶτιν corrigiren; allein Ὀϱεστίαν liegt ja weit naͤher..

35

2.

1.

Von da wanderte, erzaͤhlt Herodot weiter, der Volkſtamm der Dorier nach Dryopis in die Land - ſchaft, welche ſeitdem Doris oder die Doriſche Tetrapo - lis heißt. Auch hier erfordert zuerſt das Geographi - ſche einige Eroͤrterung, welche ſich von den Thermopy - len, dem Punkte, wo das Oetegebirge das Meer be - ruͤhrt, bis zu dem Knoten erſtrecken muß, wo es ſich mit dem Parnaß und beide mit dem Pindosgebirge ver - ſchlingen, und der letztere Hauptbergzug Griechenlands ſich in verſchiednen Richtungen hin aufloͤßt und ver - zweigt.

Wenn wir die Ebene von Phokis, welche zwiſchen Oeta und Parnaſſos liegt, und vom Kephiſſos durchfloſ - ſen wird, hinaufwaͤrts verfolgen: ſo treten nach und nach die[Gebirge] von beiden Seiten naͤher zuſammen und verengern das Thal des Fluſſes. Die letzten Phokiſchen Staͤdte in dieſer Richtung ſind Amphikaea, Tithronion, Drymaea, in Truͤmmern und Palaeokaſtro’s noch er - kennbar1Amphikaea bei Dadja, ſ. Leake in Walpole’s Trav. S. 509. Clarke a. O. S. 227. Gell Itinerary S. 210.. Wendet man ſich von da weſtlich nach den hoͤhern Gegenden, ſo gelangt man bald zur Quelle des Fluſſes, welche dadurch unverkennbar iſt, daß ſie ſo - gleich einen ziemlich ſtarken Strom bildet. Und zwar ſtroͤmt Kephiſſos aus dem Parnaß, nicht Oeta, und3 *36wendet ſich zuerſt nach Nordoſt, um darauf nach Suͤdoſt umzubiegen1Ich folge hier beſonders Dodwell S. 123. und Gell, vergl. Band 1. S. 41. Pouqueville iſt ganz im Irrthum. Er laͤßt den Kephiß 1 1 4 St. von Arotina, das er fuͤr Erineos haͤlt, NO ent - ſpringen, und von N. in den Pindos fließen, der wieder in den Korinthiſchen Meerbuſen geht, was ganz gegen die Alten iſt. Er iſt gar nicht in Doris geweſen.. Die Lokalitaͤt iſt beſonders dadurch be - zeichnet, daß ſich bei der Quelle auf einem ſteilen Vor - ſprunge des Parnaſſos die alte Akropole einer Stadt erhebt, welche als Lilaea anerkannt werden muß. Die Landſchaft umher iſt großartig und kuͤhn geformt. Zwanzig Stadien davon lag Charadra, wo ein Gebirgs - bach in den Kephiſſos ſtroͤmte. Aber aus noch hoͤhern Thaͤlern kommt der Fluß Pindos herab, welcher nicht weit von Lilaea ſich mit Kephiſſos vereinigt. Dieſe Thaͤ - ler, nordweſtlich gegen Lilaea gelegen2Fruͤher ſetzte man es meiſt ganz falſch. Mit der Karte zum erſten Bande ſtimmt in der Haupt - ſache Gells Karte zum Itinerary. Nach Str. liegt die Tetra - polis meiſt oͤſtlich vom Parnaß, doch zieht ſie ſich auch weſtlich herum. 9, 417. Fl. Pindos nach Dodwell Aniani., ſind die eigent - liche Landſchaft Doris, von den Alten wenig im Ein - zelnen beſchrieben, und von neuern Reiſenden erſt ſeit Kurzem einigemal beſucht. Die ſteile Burg, welche an - derthalb Stunden von Lilaea auf einem Vorſprunge des Parnaſſes bei dem Dorfe Mariolatis liegt, iſt vielleicht Boeon. Die alten Mauern im Thal gegen Weſten bei Stagni, muß man fuͤr das feſte Kytinion anſehn3S. den Grund S. 57. N. 3.. Aber Erineos muß wohl an den Schluchten des Oeta, den Quellen des genannten Fluſſes naͤher, geſucht wer - den4S. Str. 9, 427. 10, 476 a. Davon unterſcheidet Strabo Erineos in Phthiotis, 9, 434. Etymol. M. 373, 56. Ἐϱινεὸς iſt die rechte Form. Erineum indeß Mela und die unten angef. Schol. Pindar und Ariſtoph.. Am Oeta lag Akyphas5Str. 9, 427. b. 434. Steph. Byz. Ἀκύφας μία τῆς Δωϱικῆς τετϱαπόλεως., wahrſcheinlich ei -37 nerlei mit der oberhalb Erineos gelegenen, dem Fluſſe gleichnamigen Stadt Pindos1Skymnos Chios V. 591. Δωϱιεῖς Ἐϱινεὸν, Βοιὸν, Κυ - τίνιον ἀϱχαιοτάτας ἔχουσι Πίνδον τ᾽ ἐχομένην. Vgl. Konon a. O. Gegen die, welche Pindos in dieſer Tetrapolis laͤugnen, genuͤgt He - rod. 8, 43. anzufuͤhren. Vgl. du Theil Eclairc. sur str. 9. T. 3. p. 118. Raoul-Roch. T. 2. p. 252. 4. p. 392., beide Namen hatten die Dorier aus den fruͤheren Wohnſitzen mitgebracht. Die - ſer Landwinkel an die Hauptgebirge Griechenlands zu - naͤchſt angelehnt und oberhalb der Ebnen haͤngend, die ſich von da ausbreiten, wird von den oberen Gegenden Aetoliens, dem Lande der Ozoliſchen Lokrer, Phokis und Suͤdtheſſalien umgeben2Str. 9, 427. c. ordnet die Reihe ſo: Aetoler, Lokroi Hesp., Dorier, Aenianen, Lokroi Epikn. vgl. 425. 430 b. . Von Kytinion fuͤhrte an der Seite des Parnaß hin ein Bergpfad nach dem Lande der Lokrer3Thukyd. 3, 95. 102. Es iſt die Kakiskala zwiſchen Stagni und Salona. Dodwell und Gell S. 206., welchen auch neuere Reiſende gewandert ſind; von Delphi ein andrer Gebirgspfad, den ein alter Reiſender auf 180 Stadien ſchaͤtzt4Pauſ. 10, 33, 2., nach Lilaea hinuͤber, und wahr - ſcheinlich bei Tithoraea vorbei. Nach Norden geht man jetzt aus dem Thale des Pindos ebenfalls einen Bergſteig durch Schluchten und Engen des Oeta in das jenſeitige Flußthal des Spercheios, welcher gegenwaͤrtig Hellada heißt5Dieſen Weg, uͤber Kamara, Palaeochori, Neuropoli, beſchreiben Dodwell 2. S. 126. Gell S. 241.; war dieſer ſchon im Alterthum gangbar, ſo ver - band er Doris mit dem Lande der Malier.

2.

Das Gebirge Oeta ſtreift in weſtlicher Rich - tung und in der Ausdehnung von zweihundert Stadien gegen den Maliſchen Meerbuſen, den es bei den Ther - mopylen erreicht. Es trennt Doris, Phokis und die Epiknemidiſchen Lokrer von der Ebne am Spercheios. Ver -38 bindungswege ſind der zuletzt genannte Pfad; dann ein andrer aus Phokis nach dem Felſenthal von Trachinien1Dieſen Weg bei Eleutherochori vorbei ging Holland S. 383. vgl. Dodw. S. 74. Er iſt auch gemeint bei Procop de ae - dif. 4, 2., endlich die Thermopylen nebſt dem durch die Perſerſchlacht bekannteu Nebenpfade. Dieſen Paß bildet der ſteile Ab - fall des Gebirgs auf der einen Seite mit dem tiefen und unzugaͤnglichen Seemarſch nach der andern, welche an den engſten Stellen bis zur Naͤhe von 60 Schritt zuſam - mentreten2Liv. 36, 15. Beſchreibung der Thermop. Bd. 1. S. 486. Clarke ch. 8. S. 240. Holland ch. 18. S. 375. Gell Itin. S. 239.; in der Mitte entſpringen die heißen Quellen von ſulphuriſchem Geruch, die der Schlucht den Namen gegeben haben; bei ihnen liegt die kleine Ebne von Anthela, zwei engere Stellen des Paſſes unterbrechend. Am noͤrdlichen Eingange der Enge ſtehn noch die Truͤmmer des Walles, durch welchen Theſſa - ler, Perſer, Roͤmer abgehalten werden ſollten; nahe dabei kommt das Fluͤßchen Aſopos aus den Klippen des Gebirgs hervor. Am ſuͤdlichen Schluſſe des Paſſes lag das Staͤdtchen Alpenos, die ganze Laͤnge deſſelben betraͤgt gegen eine geographiſche Meile. Von den Thermopylen leitet die gepflaſterte und erhoͤhete Heerſtraße noͤrdlich uͤber den Spercheios nach Theſſalien, ſuͤdlich uͤber Alpenos, Skarpheia, Thro - nion, und von da nach Elateia und weiter im Phoki - ſchen Lande.

So unwirthlich auch durch die zerriſſene und klip - penvolle Geſtalt der Thaͤler und Hoͤhen der Bergzug des Oeta iſt: ſo gab es doch eine nicht geringe Anzahl alter Orte, welche ſich von der Doriſchen Tetrapolis nach dem Meere hinzogen. Amphanaea muß auf dem Oeta, aber gegen Trachinien hin, gelegen haben, ſo39 daß man es auch zu Theſſalien im weiteren Sinne rech - nen konnte1S. Steph. Byz. Ἀμφαναὶ aus Theopomp. Eurip. Raſ. Herakles 386.. Rhoduntia und Teichius waren befeſtigte Bergſpitzen an dem Wege uͤber den Oeta2Str. 9, 428. Liv. 36, 16.. Phri - kion lag an den Thermopylen auf der Lokriſchen Seite; es ſandte Einwohner nach dem Aeoliſchen Kyme und Lariſſa Phrikonis3)Steph. Byz. Kallim. auf Artemis. 159. Φϱικίῃ ὑπὸ δϱυϊ γυῖα ϑεωϑείς.. Jenſeits lag Trachis auf dem Gebirgsabhang uͤber der Ebne der kleinen Fluͤſſe Me - las und Dyras; Herakleia war 6 Stadien von der al - ten Rauhburg angelegt4Str. a. O.. In der Naͤhe wahrſchein - lich Aegoneia5S. Lykophron, Hekataeos, Rhianos bei Steph..

3.

Nachdem ſo die Lokalitaͤt wenn nicht mit an - ſchaulichen, doch moͤglichſt beſtimmten Zuͤgen bezeichnet iſt, fragen wir nach den kleinen Volkskoͤrpern, welche hier fruͤher und ſpaͤter Platz genommen, beſonders nach den Doriern ſelbſt. Doris, im engern Sinne, heißt das Thal des Fluͤßchens Pindos. Wer von einer Drei - ſtadt ſpricht, meint Boeon, Kytinion und Erineos6So Andron bei Str. 10, 476 a. Thuk. 1, 107., welcher Ort, als der bedeutendſte, auch Dorion ge - heißen zu haben ſcheint7Aeſchin. π. παϱαπϱ. 286, 2. τὸν ἥκοντα ἐκ Δωϱίου καὶ Κυτινίου. (43, 24.): wer eine Tetrapolis kennt, nimmt als vierte Stadt Akyphas (Pindos) hinzu8Theop. bei Steph. Ἀκύφας. Skymn. Ch. a. O.. Das iſt die Gegend, wo Doros Hellens Sohn gewohnt und ſein Volk am Parnaß verſammelt haben ſoll9Str. 8, 383. Konon. 27. Skymnos. Darauf geht auch die Angabe bei Apolld. 1, 7, 3., daß Doros Hellens τὴν πέϱαν χώϱαν Πε - λοποννήσου ἔλαβεν. Anders wieder Vitruv. 4, 1. Achaia Pe - loponnesoque tota Dorus Hellenis et Orseidos (der Bergbe - wohnerin) nymphae filius regnavit. , eine Sage, die die aͤltern Wohnſitze bes Stammes ganz ver -40 gißt. Allein es ſcheint nicht, daß in der Zeit, als der geſammte Volkſtamm hier beſchraͤnkt war, er ſich mit dieſem engen Thale begnuͤgt habe; vielmehr hatte er noch mehrere Orte am Oeta inne, zu welchen das genannte Amphanaͤa gehoͤrt1Hekataeos bei Steph.. Ein unbekannter Schriftſteller2Bei den Schol. Pind. P. 1, 121., in denen indeß einige Verwechſelung und Verwirrung iſt. (Eine Stadt Pindos in Perrhaͤbien iſt ſonſt nicht nachweisbar). Bei Pindar geht Πινδόϑεν allgemein auf die fruͤheren Wohnſitze; denn Heſtiaeotis und auch Doris lehnen ſich an Pindos. Vgl. Boeckh. Expl. S. 235. Aus dieſen Schol. ſchoͤpfen wahrſcheinlich die zu Ariſtoph. Plut. 385 und Tzetz. Lyk. V. 980. vergl. 741., daher ſie auch die Fehler derſelben uͤbertragen haben. nannte ſechs Doriſche Staͤdte: Erineos, Kytinion, Boeon, Lilaeon, Karphaea, Dryope: von denen Lilaeon die Stadt Lilaea, Karphaea ohne Zweifel Skarpheia an den Thermopylen, Dryope das vormals Dryopiſche Land bezeichnet. Es war alſo wohl einmal auch das Hoch - land an den Quellen des Kephiß, und ein Strich laͤngs des Oeta bis ans Meer im Beſitze dieſes Volks. Ja dies war ſelbſt noch zum Theil im Perſerkriege der Fall. Denn auch damals erſtreckte ſich Doris in ei - nem dreißig Stadien breiten Zipfel zwiſchen dem Ma - liſchen und Phokiſchen Lande hindurch bis an die Ther - mopylen3Herodot 8, 31. Vgl. Plut. Themiſt. 9.; auch Skylax nennt die Dorier als Anwoh - ner des Meeres4S. 24. Λιμοδωϱιεῖς.. Dieſer Strich am Oeta hin iſt es aber, den ehemals das Dryopiſche Voͤlkchen bewohnte, wie aus einer Stelle des Herodot hervorgeht5He - rod. 8, 31. und 43. ἐόντες οὗτοι Δωϱικὸν καὶ Μακεδνὸν ἔϑνος ἑξ Ἐϱινεοῦ τε καὶ Πίνδου καὶ τῆς Δϱυοπίδος ϋστατα ὁϱμηϑέν - τες. Es koͤnnen alſo nach dieſer Stelle auch Kytinion und Boeon Dryopiſch geweſen ſein., ehe es von den Doriern, ſeinen Nachbarn in der Tetrapo - lis, ganz verdraͤngt wurde. So ſind wir durch41 dieſe geographiſche Eroͤrterung auf ein geſchichtliches Ergebniß gekommen. Wir werden bewogen anzuneh - men, daß die Dorier allmaͤlig von Heſtiaeotis nach dem Oeta hinuͤberwanderten, hier zuerſt den aͤußerſten Winkel des Bergthals beſetzten, und von da ſich allmaͤlig weiter gegen die Kuͤſte auch uͤber Dryo - pis ausdehnten. So pflegte es wohl zu geſchehen, daß der Stamm nicht auf einmal, ſondern allgemach nach den Gegenden vorruͤckte, welche einzelne Theile deſſelben ſchon fruͤher eingenommen hatten1Nach Str. 9, 434. gab es eine Dryopiſche Tetrapolis, wie eine Doriſche..

4.

Die Dryoper, deren Geſchichtsfragmente wir hier einweben, ſind ein ureinwohnendes Volk, welches man Pelasgiſch nennen kann, Ariſtoteles und Andre geben ihm einen Arkadiſchen Urſprung2bei Str. 373. Die Schol. Apoll. 1, 1283. haben eine Genealogie: Lykaon Dia Dryops. Daraus Tzetz. Lyk. 480. und Etymol. M. 288, 32. Anders indeß Pherekydes bei den Schol.. Die Ver - wandtſchaft mit den Arkadern wird durch den Dryopi - ſchen Dienſt der Demeter Chthonia, Kora Meliboea und des Hades Klymenos beſtaͤtigt, welcher dem von Phigalia, Thelpuſa und andern in Arkadien ſehr nahe ſteht3S. Buch 2. K. 11.. Sie wohnten als Nachbarn der Malier, ſo daß ſie in die Ebene des Spercheios hineinreichten, uͤber den Oeta hinuͤber, und auf der andern Seite bis an den Parnaß hinan4Nachbarn der Malier u. der Myrmidoniſchen Achaeer, Pherekyd. bei Schol. Ap. 1, 1283. S 93. 107. Sturz. Ariſtot. a. O. An dem Parnaß, Ariſtot. und Pauſ. 4, 34, 6. Λυκωϱείταις ὅμοϱοι. Die μετοίκησις vom Spercheios nach Trachis iſt blos eine Verwirrung in den Schol. Apoll. Kallimachos hatte nur von der Wanderung nach dem Pelo - ponnes geredet, Schol. Paris. Claviers (zu Apollod. S. 323.) Critik iſt ſehr unkritiſch. Dryops, Spercheios Sohn, am Oeta, nach Antonin. Lib. 32.; nach Oſten erſtreckten ſich42 ihre Wohnſitze bis an die Thermopylen1Ebd. 4. Κϱαγαλεὺς Δϱύοπος ᾤκει γῆς τῆς Δϱυοπίδος παϱὰ τὰ λουτϱὰ τὰ Ἡϱακλέους. In dieſer wunderlichen Erzaͤh - lung nimmt Melaneus, Sohn Apolls, Koͤnig der Dryoper, Epei - ros nebſt Ambrakia ein. Sie gehoͤrt zuſammen mit der Wanderung der Aenianen und des Neoptolemos nach Moloſſis. Aeginet. S. 18.. Ihre Ver - treibung wird darum ganz mythiſch erzaͤhlt, weil die mit den Wanderungen der Dorier verbundene Verbrei - tung des Apollodienſtes, und zugleich der Mythus von Herakles hineintritt: aber wenn nur einmal das Ver - ſtaͤndniß dieſer Erzaͤhlungsart gefunden iſt, ſo wird ſie beinahe lehrreicher und bedeutungsvoller als die ge - meine hiſtoriſche. Der Pythiſche Apollon iſt es, dem die uͤberwundenen Dryoper als Frohnen zugeſandt wer - den, und der ſie nach dem Peloponnes ſchickt2Buch 2. K. 3.; He - rakles, der, in Verbindung mit den Trachiniern, ſie un - terwirft und dem Apollon weihet, oder ihnen Wohn - ſitze in Argolis anweiſt, ihr Land aber den Doriern oder Maliern zutheilt3Ariſtot. bei Str. a. O. Apolld. 2, 7, 7. Diod. 4, 37. Pauſ. 4, 34, 6. Serv. zur Aen. 4, 146. Πϱάξ. Ἡϱακλ. S. 152. Marini ville Albani. vgl. Aeginet. p. 33. Heyne Exc. ad Aen. 4, 2. p. 610. Raoul-Roch. 1. p. 434. Herod. 8, 43. οἱ δὲ Ἑϱμιονέες εἰσὶ Δϱύοπες ὑπὸ Ἡϱακλέος τε καὶ Μηλιέων ἐκ τῆς νῦν Δωϱίδος καλεομένης χώϱης ἐξαναστάν - τες. Eine eigne Wendung der Sage bei Suides Δϱύοπες, Κά - πϱος. Der Vers des Kallimachos bei Etymol. M. 154, 7. ſcheint zu ſchreiben: Δειλαίοις Αοινεῦσιν ἐπιτϱιπτῆϱας ὀπόσσας; die Erklaͤrung giebt das Etym. ſelbſt. vgl. S. 41. N. 4..

Wir koͤnnten aus dieſer Sage vielleicht den Schluß entnehmen, daß die Dryoper bei der Dori - ſchen Wanderung in den Peloponnes mitgenommen und hier angeſiedelt worden. Indeſſen macht die Lage der Dryopiſchen Orte ſelbſt eine andre Anſicht noͤthig. Denn dieſe liegen auf mehreren Kuͤſten und Inſeln ſo43 zerſtreut, daß ſie nicht durch eine Landwanderung, ſon - dern nur durch einzelne Sendungen zur See dahin ge - kommen ſein koͤnnen. Denn in Argolis haben ſie auf auslaufenden Landzungen und Vorgebirgen die Orte Hermione, Aſine und Eion (Halieis) erbaut; auf Eu - boea gehoͤren ihnen Styra und Karyſtos1Herodot 8, 46. Diodor 4, 57. Thukyd. 7, 57. nimmt die Styreer indeß fuͤr Jonier.; unter den Inſeln Niederlaſſungen auf Kythnos2Herod. a. O. Diod. a. O. Der mythiſche Krieg des Amphitryon gegen Kythnos haͤngt wohl damit zuſammen. (und vielleicht Mykonos), auch nach Jonien und Kypros waren ſie verſprengt3Herod. 7, 90. Diod. a. O. Aſine auf Kypros. Steph. Byz. Auch in Kyzikos nach St. 13, 586.. Das aber iſt hiſtoriſch gewiß, daß ſie dem Pythiſchen Apollon als Unterthanen geweiht waren und lange Zeit als ſolche dienten, denn wir fin - den noch in der dunkeln Geſchichte der Zerſtoͤrung Kriſ - ſa’s (Olymp. 47) neben den Kriſſaeern Kraugalli - den genannt4S. Band 1. S. 496. Bei Aeſchines g. Kteſiphon 68, 40. iſt nach Di - dymos und Xenagoras bei Harpokration Κϱαυγαλλίδαι zu emendiren.; ſo hießen aber die Dryoper von einem mythiſchen Stammvater. Von dem Verhaͤltniſſe der Tempelunterthanen, und ſo auch dieſer Kraugalliden wird im zweiten Buche ausfuͤhrlich gehandelt werden.

5.

So feindlich die Verhaͤltniſſe der Dorier zu den Dryopern waren, ſo befreundet waren ſie mit den Maliern. Dieſe wohnen am Flußthale des Sper - cheios, von allen Seiten durch Felsgebirge eingeſchloſſen und nur gegen die See offen, ſie theilen ſich in die Meeranwohner, die heiligen, und die Trachiniſchen5Παϱάλιοι, Ἱεϱῆς, Τϱαχίνιοι Thuk. 3, 92. vgl. Dodwell 2. S. 71. Ich bemerke noch, daß Skylax und Diodor 18, 11. Melier und Malier zu unterſcheiden ſcheinen, allein bei beiden iſt ΛΑΜΙΕΙΣ fuͤr Μαλιεῖς, Μαλεῖς zu ſchreiben. Weſſelings Meinung uͤber die. 44Die zweiten wohnten vermuthlich dem amphiktroniſchen Tempel in den Thermopylen zunaͤchſt, die dritten an den Felſenhaͤngen des Oeta. Dieſe ſind es beſonders, welche mit den Doriern in enge Verbindung traten, ſo daß Diodor ſogar Trachis als Metropole von Lakedae - mon nennt1Diod. 12, 59.. Die Freundſchaft zwiſchen Keyx und Herakles nebſt ſeinen Soͤhnen iſt der mythiſche Aus - druck dieſer Verbindung. Die Malier waren fortdau - ernd ein kriegeriſches Volk, wo nur die, welche als Hopliten gedient, Antheil an der Staatsverwaltung hatten2Ariſt. Polit. 4, 13.. Beſonders waren aber Schleuderer und Wurf - ſpießwerfer in ihrem Lande vorzuͤglich3Thukyd. 4, 100..

6.

Hernach draͤngte ſich in dieſe Sitze ein Volk ein, welches die alten Sagen der Gegend nicht ken - nen, die Helleniſchen Aenianen oder Oetaeer. Denn der letzte Name iſt Ortsbezeichnung deſſelben Volks, deſſen Stamm der erſte anzeigt4S. Tittmann vom Amphiktyonenbund S. 41., obgleich ich nicht behaupte, daß die 14 Oetaeiſchen Gemeinden5Str. 9, 434. das ganze Aenianiſche Volk conſtituirten. Denn ſie wohnten auch am Inachos, und am obern Laufe des Spercheios, wo Hypata liegt6Aeginetica p. 17.. Fruͤher ſaßen ſie im innern Theſ - ſalien, und erſt am Ende der mythiſchen Zeit ließen ſie ſich in den Wohnſitzen nieder, aus denen ſie ſpaͤter wieder von den Illyriſchen Athamanen vertrieben wur - den7Bd. 1. S. 253.. Obgleich ſie eine gewiſſe Abhaͤngigkeit vom Delphiſchen Orakel nicht abwieſen, und die vor ihnen in der Gegend ſeßhaften Mythen von Herakles zu ihren Volkſagen machten8Buch 2. K. 3. 12.: traten ſie doch ſchon5letztre Stelle iſt unhaltbar, da eine Stadt Malea gar nicht exiſtirt. Diodor ſpricht nicht ganz genau.45 durch die aͤußere Lage, in Gegenſatz und Feindſchaft mit den Maliern und Doriern1Thukyd. 3, 92.. Ja es iſt wahr - ſcheinlich, daß mit der Einwanderung der Aenianen in dieſe Gegend der Auszug der Doriſchen Voͤlker, die den Peloponnes eroberten, irgend wie zuſammenhing. Zwiſchen den Lakedaͤmoniern und Oetaͤern war alter Haß28, 3. Ueber die Gruͤndung von Herakleia ſpricht auch Steph. Byz. ſ. v. Δώϱιον nach der Luͤcke.. Darum gruͤndete beſonders Sparta im Tra - chiniſchen Lande die Stadt Herakleia, welche ſicher eine bedeutende Doriſche Macht auf dieſem Punkte Grie - chenlands neu gegruͤndet haͤtte, wenn nicht die Eifer - ſucht der Theſſalier und Doloper und ſelbſt der Ma - lier gleich bei ihrem Entſtehen rege geworden waͤre.

So viel uͤber die Voͤlkerſtellung der Dorier in den Wohnſitzen am Oeta. Es iſt aber das Thema damit noch nicht erſchoͤpft, denn es bleibt noch einerſeits der große Einfluß auseinanderzuſetzen uͤbrig, welchen die Niederlaſſung der Dorier auf dem Parnaß zu Ly - koreia auf die Religion von Delphi gehabt hat, denn daß Lykoreia Doriſch war, wird uns unten hoͤchſt wahrſcheinlich werden; andrerſeits waͤre hier vom Am - phiktyoniſchen Bunde zu reden, bei deſſen Gruͤndung den Doriern gewiß ein großer Antheil gebuͤhrt: aber beides verſchieben wir wieder auf das zweite Buch.

Von den Doriſchen Staͤdten am Parnaſſos aus iſt Bulis an der Graͤnze von Phokis und Boeotien, am Kriſſaeiſchen Meerbuſen, wahrſcheinlich in der Zeit der Wanderung gegruͤndet worden3Bd. 1. S. 238. Vgl. im Ganzen zu[dieſem] Kapitel die Behandlung von Raoul-Roch. 2. S. 249..

46

3.

1.

Die bedeutendſte und folgereichſte unter allen Wanderungen Helleniſcher Staͤmme, die durch die ganze Geſchichte fortwirkende Urſache vieler Ereigniſſe, der Zug der Dorier in den Peloponnes, iſt ſo durchaus in Mythen gekleidet; und dieſe ſind ſchon fruͤh mit ſolcher Conſequenz ausgebildet, daß es nichts hilft ſie einzeln zu pruͤfen, wenn man nicht vorher den Verband des Ganzen aufgeloͤst hat. Der ſagenhafte Name dieſes Zuges iſt die Ruͤckkehr der Enkel des Herakles1 τῶν Ἡϱακλειδῶν κἀλοδος. Thuk. 1, 12. ſagt: Δω - ϱιεῖς ξὺν Ἡϱακλείδαις. Iſokr. Archidam 6. ſpricht von einem Orakel: ἐπὶ τὴν πατϱῴαι ἰέναι χώϱαν.. Herakles, der Sohn des Zeus, iſt (ſchon in der Ilias) durch Geburt und Beſtimmung Erbfuͤrſt von Tiryns und Mykenaͤ und Herr der umwohnenden Voͤlker219, 105.. Aber durch eine boͤſe Verwirrung erhaͤlt Euryſtheus den Vorrang, und der Zeusſohn muß ihm dienſtbar werden. Doch erbt er die Anſpruͤche auf die Herr - ſchaft des Peloponnes auf ſeine Nachkommen fort, die ſie hernach mit den Doriern vereint geltend machen: indem Herakles auch fuͤr dieſe ſolche Thaten vollbracht hat, daß ſeine Nachkommen ſtets das Drittel ihres Landes beſitzen muͤſſen. So iſt nun Herakles Helden - leben die mythiſche Rechtfertigung, wodurch die Do -47 rier nicht als ungerechte Eroberer, ſondern blos als Wiedereroberer des ihren Fuͤrſten von Vaͤter-Zeiten her Gehoͤrenden erſcheinen: ungefaͤhr ſo wie die Israeliten durch die blutige Unterjochung Canaans nur das ge - lobte Land, wo Abrahams Grabſtaͤtte war, wieder gewannen. Die Hauptlaͤnder des Doriſchen Stam - mes, außer Argos, Lakedaemon und das Meſſeniſche Pylos, ſoll daher Herakles einſt mit einem gewiſſen Rechte bekriegt und unterworfen, das Nationalfeſt der Olympien geſtiftet, ſelbſt zu den entfernteſten Colonien ſoll er den Grund gelegt haben. Dieſe Eroberungen und Stiftungen, dieſe mythiſche Vorgeſchichte der wirk - lichen Geſchichte fuͤr faktiſch zu halten, iſt einer hellern Anſicht dieſer Dinge unmoͤglich: und nur ſehr glaͤubi - gen Leuten koͤnnen wir halb im Scherze die Frage vor - legen, wie es in jener Zeit, wo Belagerungen ſo hoͤchſt langwierig waren, dem einen Herakles gelang, ſo viele mit unverwuͤſtlichen Mauern umgebene Feſten zu erſtuͤrmen.

Eine ſtrengere Critik befiehlt, das Mythiſche in ſeinen Mittelpunkt zu verfolgen, und die Frage nicht ohne Antwort zu laſſen: War wirklich der Herrſcher - ſtamm der Dorier von den fruͤhern Herrſchern zu My - kenaͤ entſpungen? wie nicht blos die epiſche Erzaͤhlung, ſondern auch die in Sparta ſelbſt ſanktionirte Sage behauptet. Tyrtaeos ſang in der Eunomia:

Denn Kronion ſelbſt, der Gemahl der erhabenen Hera,
Zeus hat dieſes Gebiet Herakles Stamme verliehn,
Weichem geeint wir die Feſte des Sturmes, Erineos, laſſend
Dieſes Pelopiſchen Lands breite Gefilde erreicht
1Τόνδε πόλιν iſt Lakonien; wir die Dorier; Erineos bezeich - net die Tetrapolis. Strabo 8. p. 362. hat dieſe Verſe ganz miß - verſtanden; richtiger Brunk Lectt. ad Anal. T. 3. p. 8. Manſo
1.
48

Und ein noch wichtigerer Zeuge dafuͤr iſt der Koͤnig Kleomenes bei Herodot, der von der Prieſterin auf der Burg von Athen vom Eingang in den Tempel zuruͤck - gewieſen, weil er ein Dorier ſei, auf die Abkunft von Herakles ſich beziehend antwortete: ich bin kein Do - rier, ſondern ein Achaeer1Herod. 5, 72. Nach 6, 53. haͤtte er auch ſagen koͤnnen: ich bin ein Aegypter.. Sonach haͤtte es alſo eine Achaeiſche Phratria unter den Doriern gege - ben, zu der die Koͤnige von Argos, Sparta und Meſ - ſenien, und die Gruͤnder und Regenten von Korinth, Sikyon, Epidauros, Aegina, Rhodos, Kos u. ſ. w. gehoͤrt haͤtten; und dieſe haͤtte mit den Doriern vereint nur angeſtammte Rechte wiedererkaͤmpft2Aehnlich denkt es ſich auch Platon Geſetze 3. p. 682. Die Dorier ſeien eigentlich Achaeer, nach dem trojaniſchen Kriege aus ihrer Heimath vertrieben, und hernach von einem Do - rieus geſammelt und zuruͤckgefuͤhrt..

2.

Es iſt allerdings verwegen, ein ſo weitlaͤuftig zuſammenhaͤngendes Syſtem der heroiſchen Sage um - ſtoßen und eine Muthmaßung an die Stelle ſetzen zu wollen, welche etwas ſchon von vorhiſtoriſchen Jahr - hunderten anerkanntes und den aͤlteſten Dichtern beſun - genes einer hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeitstheorie auf - opfert. Indeſſen muͤſſen wir dagegen zu bedenken ge - ben, daß Sagen faſt immer nur das Denken uͤber vor - handene Zuſtaͤnde geben, deren wahrer Urſprung in ihnen nur verſteckt und angedeutet liegt. Folgende Bemerkungen, zum Theil Lehnſaͤtze aus unten gegebenen Auseinanderſetzungen, werden auf den Gegenſatz des faktiſchen und mythiſchen Verhaͤltniſſes fuͤhren.

1Sparta 1, 2. p. 284. Clavier hist. 2. p. 236. Neue Verwirrun - gen macht mit vielen Worten Frank Callinus p. 147. Conſt nennt er die Dorier im Ganzen Ἡϱακλῆος γένος, woraus Plutarch de nobil. 2. S. 388.

49

Erſiens: Will man, die Sage unmittelbar als Hi - ſtorie benutzend, die Herakliden fuͤr zugewanderte Achaͤer halten: ſo muß man daſſelbe bei der ganzen erſten Phyle der Hylleer thun. Denn Hyllos, der Repraͤ - ſentant dieſer Phyle, heißt Sohn des Herakles; und auf die Phyle bezieht es ſich, wenn Herakles Nach - kommen der dritte Theil des Landbeſitzes gewaͤhrleiſtet wird; daher auch Pindar die geſammten Dorier Nach - kommen des Herakles und Aegimios nennt1Pindar P. 5, 70. P. 1, 61. nennt er ſie Abkoͤmmlinge des Pamphylos und der Herakliden mit Auslaſſung Domans. Vgl. Skol. auf Aegina, ῞ϒλλου στϱατὸς Δωϱιεύς.. Dann bleiben alſo nur Pamphylen und Dymanen eigentliche Dorier. Es iſt aber nicht wahrſcheinlich, daß in die - ſem Falle, wenn der vornehmſte Theil der Doriſchen Voͤlkerſchaft Achaeiſch geweſen waͤre, Sprache, Cultus, Sitten ſo ſcharf und beſtimmt geſchieden ſein koͤnnten.

Zweitens: Alles, was von Herakles Thaten in dem Norden Griechenlands erzaͤhlt wird, bezieht ſich auf aͤußere und geiſtige Geſchichte der Dorier; und um - gekehrt: alle Begebenheiten des Doriſchen Stammes in den fruͤhern Wohnſitzen werden mythiſch unter der Perſon des Herakles dargeſtellt: dies laͤßt ſich aber aus einer momentanen Vereinigung des Helden mit dem Stamme nicht erklaͤren.

Ferner: Man vergleiche nun die unten aufgeſtellten Heraklesmythen, ſo viele ſich auf die Dorier beziehen, mit den altargiviſchen, und wenn man in Gedanken das Band, wodurch die epiſchen Saͤnger beide ſchein - bar geſchichtlich verknuͤpft, loͤſet: ſo wird man zwi - ſchen dieſem und jenem keine innere reale Aehnlichkeit finden. Der Cultus des Apollon, der faſt uͤberall als inneres Motiv der Thaten des erſtern nachgewieſenII. 450werden kann, ſteht in gar keiner Beziehung auf den letztern. Wenn alſo ein Achaͤiſcher Stamm mit der Heraklesſage oder einem ſo benannten Helden zu den Doriern gekommen iſt: ſo muͤßte ſich doch der Mythos von ihm bei dieſen ganz anders gewandt und entwickelt haben. Aber dann wuͤrde man immer annehmen muͤſ - ſen, daß ſchon lange vor dem Einfall in den Pelopon - nes jene Herakliden mit den Doriern ſo verwachſen geweſen ſeien, daß deren Sagen ganz nach der Sin - nesart der letztern gebildet worden waͤren, weil wirklich Herakles in Theſſalien ganz und gar Do - rier iſt. Dann kommt man aber doch wieder in Streit mit der Mythe, welche die Herakliden kurze Zeit vor dem Einfall in den Peloponnes zu den Doriern fluͤch - ten laͤßt.

So wird man ſich immer in Widerſpruͤchen dre - hen und keine klare Anſicht erhalten, wenn man nicht dem Satze beipflichtet: Herakles iſt ſeit alter Zeit eben ſo wohl Doriſcher, wie Altpeloponneſiſcher Held, be - ſonders Held der Hylliſchen Phyle, die ſich wahr - ſcheinlich ſchon in den Urſitzen an den Akrokeraunien mit zwei andern kleinen Voͤlkerſchaften vereint hatte; die Herakliden ſind die angeſtammten Fuͤrſten des Stammes; daß ſie Nachkoͤmmlinge des Argiviſchen Hel - den ſeien, der die Befehle des Euryſtheus vollbrachte, bildete ſich erſt nach der Einnahme des Peloponnes in der Sage aus.

3.

Es iſt kaum ein Punkt der griechiſchen Sagen - geſchichte, deſſen eigentliche Quellen uns ſo unbe - kannt waͤren, als der Heraklidenzug. Niemand kann in ihm einen noch eben ſo mythiſchen Charakter verken - nen als im Troerkrieg, und doch entbehren wir, was die Behandlung des Mythus ſo lehrreich macht, den durch alte Epopoeen reichlich zufließenden Sagenſtoff. 51Es lag dieſe Geſchichte doch ſchon außer dem Bereiche der epiſchen Poeſie, ſo daß davon abhaͤngende Ereig - niſſe, wenn ſie in ihr vorkamen, anders motivirt und verflochten werden mußten. Keine Hauptklaſſe des Epos behandelte dieſe Begebenheit ausfuͤhrlich, nicht die Kykliker, nicht die Noſtoi; in den Heſiodiſchen Eoͤen ſcheinen nur einige kuͤrzere Stellen geſtanden zu haben1S. Pauſ. 4, 2, 1. Es ſind noch zwei Stellen des Heſiod, die zum Heraklidenzug gehoͤren, Schol. Apoll. 1, 824. Θεσσάμενος γενεὴν Κλεαδαίου κυδαλίμοιο. deren Zuſammenhang ſehr dunkel iſt, und bei Schol. Pind. O. 11, 79 e cod. Vratisl. Τιμάνδϱην Ἔχεμος ϑαλεϱὴν ποιήσατ̕ ἄκοιτιν. Aus dieſer ſchoͤpfen Apollod. 3, 10, 6. Pauſ. 8, 5, 1. Indeſſen konnte das auch bei Herakles Thaten, namentlich bei der erſten Olympien-Feier vorkommen, wie man aus Pindar ſieht.. Indeſſen kannte Herodot26, 52. doch Dichter, welche von der Einwanderung der Herakliden und Dorier in Lakonien erzaͤhlten. Es koͤnnen dies erſtens ſolche Epiker gewe - ſen ſein, welche die Mythen genealogiſch herabfuͤhrten, wie Kinaethon der Lakone3Beil. 2. und Aſios, der von He - rakles Geſchlechte ſprach und nach dem Charakter ſeiner Gedichte auch von ſeinen Nachkommen ſprechen konnte4Vgl. Pauſ. 4, 2, 1. mit 5, 17, 4. und Valcken. Diatr. Eurip. p. 58 sqq. . Oder es koͤnnen dies ποιηταὶ ἱστορικοὶ geweſen ſein, nach Art des Korinthier Eumelos, obgleich die von He - rodot gemeinten wenigſtens nicht wie dieſer Korinthiaka ſchrieb, eigne Lakonika gedichtet haben koͤnnen, worin ſie ſonſt der Spartaniſchen Stadtſage haͤtten folgen muͤſſen; es wich aber dieſe in Betreff der erſten Hera - klidenfuͤrſten von allen dieſem Schriftſteller bekannten Dichtern ab, und war nicht die allgemein Helleniſche4 *52Sage1Her. a. O. nnd 53. Die erſte Stelle mißdeutet Weſſel. Sie heißt: die Lakedaemonier erzaͤhlen abweichend von allen Dich - tern, welche naͤmlich Prokles und Euryſthenes erſt nach Sparta kommen ließen. Die zweite ſaßt Schweigh. nicht ganz genau. Der Sinn iſt: So weit iſt es Specialſage ber Lakedaemonier, das Fol - gende berichte ich nach der Griechiſchen Gemeinſage.. Es hatten ſich aber ohne Zweifel viel ſolche Lokal - ſagen uͤber eine Begebenheit, die den Zuſtand des Pelo - ponnes fuͤr lange Zeit beſtimmte, bei den einzelnen Voͤl - kerſchaften erhalten. So erzaͤhlten die Tegeaten2Herod. 9, 26. ruͤh - mend von dem Kampfe ihres Heerfuͤhrers Echemos mit Hyllos. Ob die Logographen dieſe Sagen unmittelbar ſammelten, oder ob ſie von jenen Dichtern abhingen, koͤn - nen wir nicht ſagen, (doch iſt das Letztre mehr in ihrer Art) weil wir uͤberhaupt nur zwei Fragmente, eines von Hekataeos, das andre von Pherekydes uͤber die Herakliden haben, welche ſich noch dazu unmittelbar an Herakles Tod anſchließen, und darum keine fortgeſetzte Erzaͤhlung des Zuges beweiſen. Eine reichere Ausfuͤh - rung der aͤlteren Sage fuͤhrte das Attiſche Drama her - bei, aber unvermeidlich unter ſehr einſeitigen Geſichts - punkten. Aeſchylos Herakliden und Sophokles Jolaos mochten wie Euripides Herakliden im Ganzen die Tendenz haben, welche die Athener ſchon vor der Plataͤiſchen Schlacht bei Herodot ausſprechen39, 26.: die Verdienſte ihrer Stadt um die Beherrſcher des Peloponnes zu erheben. Der letzte der genannten Tragiker ging in ſeinen Temeniden, im Archelaos und Kresphontes weiter in die Geſchichte der Doriſchen Staaten ein und in hiſtoriſche Zeitraͤume herab als ein Tragiker vor ihm, wozu ihn die Erſchoͤ - pfung des aͤcht mythiſchen Stoffes bewegen mochte4Die Tragiker ſteigen uͤberhaupt im My - thus immer mehr herunter.. 53Dieſe Attiſchen Tragiker liegen nun offenbar der Erzaͤh - lung zu Grunde, welche Apollodor der Athener giebt, was ſich im Einzelnen nachweiſen laſſen wird. Mehr hielt ſich vielleicht Ephoros an die fruͤheren Dichter und Logographen, ſo viel ihm davon zur Hand war, in - deſſen koͤnnte ſeine Darſtellung, wenn wir ſie haͤtten, eben ſo wenig als hervorgegangen aus kritiſcher Pruͤfung gelten, weil er erſtens mit Verkennung des Sagencha - rakters uͤberall hiſtoriſchen Zuſammenhang hineinzwaͤngte, und dann die Luͤcken der Tradition durch Raͤſonnement zu erſetzen ſtrebte, von deſſen Gehaltloſigkeit wir Be - weiſe geben werden.

4.

Nach dem Geſagten erſparen wir die Rechtferti - gung, daß wir keine Hiſtorie der Doriſchen Wanderung zu geben verſuchen, ſondern nichts als Erwaͤgungen des Urſprungs und der Bedeutung der dieſelbe betreffenden Sagen. Und zwar moͤgen wir gleich einige recht wun - derliche aber um deſto geeignetere vorausſtellen, Jeden zu uͤberzeugen, auf was fuͤr Boden wir uns hier be - finden.

In den Eoeen ſtand, daß Polykaon, Butes Sohn, deſſen Name die aͤltere (Lelegiſche) Bevoͤlkerung von Meſſene vorſtellt, geehlicht habe die Euaͤchme (Wohl - lanze) Tochter des Hyllos, Enkelin des Herakles. So einfach und anſpruchslos druͤckte die aͤltere Sage den Gedanken aus, daß die Hylleer und Dorier durch die Kraft der Lanze ſich Meſſeniens bemaͤchtigten und mit den Ureinwohnern verbanden.

In dem Lakoniſchen Staͤdtchen Abia war ein Hera - klestempel, deſſen Erbauung man der Abia Amme des Hyllos zuſchrieb. Man ließ alſo Hyllos ſelbſt nach Lakonien kommen. Pauſanias verſucht die lokale Tra - dition mit der angenommenen Erzaͤhlungsweiſe in Ein - klang zu bringen, und nimmt an, daß Abia nach Hyl -54 los Tode hieher geflohen ſei, woraus eine hoͤchſt ver - worrne Geſchichte entſteht. Wir kommen jetzt zu der herkoͤmmlichen Erzaͤhlung des Verfolgs der Dinge.

5.

Nach dieſer befinden ſich die Herakliden nach dem Tode ihres Vaters in Trachis bei dem biedern Gaſt - freunde Keyx, den indeß Euryſtheus Drohungen noͤthi - gen, ihnen laͤngeres Bleiben zu verſagen; Keyx muß ihnen, wie Hekataeos erzaͤhlte1Bei Longin 27. Creuzer Fragm. S. 54. Apolld. 2, 8, 1. erzaͤhlt faſt ſo, als waͤren die Herakliden bei Euryſtheus geweſen, was doch mit dem vorhergehenden nicht ſtimmt. Eurip. Herakl. V. 13. 195. laͤßt ſie von Argos nach Trachis und dem Theſſ. Achaja fliehen, dann nach Athen., ſagen: Ich bin nicht im Stande euch zu helfen, darum zieht zu anderm Volke: ſo wenden ſie ſich nach Attika. Davon erzaͤhl - ten indeß die Logographen, welche Herakles als Koͤnig in Myken ſterben ließen, ganz anders. Naͤmlich, daß nach des Helden Tode Euryſtheus ſeine Soͤhne vertrie - ben und ſich die Herrſchaft wieder angemaßt habe2So Pherekydes bei Antonin. Lib. 33. Sturz Fragm. 50. S. 196. verſteht die Stelle nicht voͤllig.; worauf ſie denn nach Attika geflohen waͤren.

In Athen ſetzen ſie ſich an den Altar des Mitleids, erhalten Theſeus oder Demophons Schutz, wohnen in der Tetrapolis3Zu Marathon nach den Meiſten, Trikorythos nennt Diod. 4, 57. Vgl 12, 45., und kaͤmpfen mit den Athenern ver - eint unter Hyllos und Jolaos, welchem die von ihm an - gerufenen Goͤtter friſche Jugendkraft gegeben, am Ski - roniſchen Paſſe gegen Euryſtheus, nachdem Makaria ein wahrſcheinlich ganz ſymboliſches Weſen, aber hier Tochter des Herakles ſich vorher als Suͤhnopfer hin - gegeben hatte, und uͤberwinden in der Schlacht den Ar - giviſchen Koͤnig, den Alkmene mit weibiſcher Rache toͤdtet, und deſſen Grab die Athener vor dem Tempel55 der Palleniſchen Athena zeigten1Die Grundzuͤge geben Pherekyd. und Herod. 9, 27. die Ausfuͤhrung Eurip. Herakliden, auf deſſen Behandlung auch die Zeitumſtaͤnde wirkten. (Boeckh. trag. Gr. princ. p. 190.) Pamphilos Herakliden (Ariſtoph. Plut. 385. Schol. S. 112. Hemſt. ) waren wohl auch eine Tragoedie, da an den beruͤhm - ten Mahler zu denken, wie auch ein Schol. bemerkt, die Chrono - logie ſchwerlich erlaubt. Auch Winkelmann iſt darnach zu berichti - gen. Vgl. uͤber die Schlacht Elmsley zu Herakl. 860. uͤber Eu - ryſtheus Tod Weſſel. zu Diod. 4, 57. Staveren Misc. Obss. Vol. 10. T. 3. p. 383. Pallene liegt zwiſchen Marathon und Athen; nach Str. 8. S. 377. war das Grab bei Gargettos an der Weſt - kuͤſte, nach Pauſ. 1, 40. in Megaris. Ueber die Makaria, Pauſ. 1, 32. Schol. Ariſtoph. Ritter 1148. Zenob. 2, 61; und andre Proverbienſammler und Lexicogr. u. βάλλ᾿ εἰς Μακαϱίαν. Eine ganz andere Sage hat Duris bei Schol. Plat. S. 134. Ruhnk. Ob bei Str. a. O. etwa zu ſchreiben iſt τὴν δὲ κεφαλὴν χωϱὶς ἐν ΤΡΙ - ΚΟΡϒΘΩΙ, ἀποκόψαντος αὐτὴν Ἰολάου πεϱὶ τὴν κϱήνην τὴν Μακαϱίαν?. Das iſt die von Tra - gikern und Rednern ſo viel gefeierte Fabel, ein locus communis, welchen die Athener ſelbſt in Pſephismen2Demoſth. vom Kranze 147. nicht zu erwaͤhnen vergeſſen, noch irgendwo, wo es zu zeigen gilt, wie ſchnoͤde ihnen die Peloponneſier alte Wohl - thaten vergelten. Wir wiſſen freilich nicht, wie un - glaͤubig ein Lakedaͤmonier zuhoͤren mochte; auch der Thebaͤer Pindar weiß nichts von dieſen Thaten der Athe - ner, bei dem Jolaos zu Theben fuͤr einen Augen - blick Jugendkraft wiedergewinnt, um Euryſtheus zu toͤdten, und darauf ſogleich ſelbſt ſtirbt, und von den Thebaͤern in der Familiengruft des Amphitryon beigeſetzt wird3Es folgt aus der Stelle P. 9, 12. nicht, daß Jolaos vom Tode wieder aufgelebt habe, was doch irgendwie haͤtte angedeutet werden muͤſſen. Ich folge dem zweiten Scholion. ηὔξατο δὲ τῷ Διῒ ἐπὶ μίαν ὥϱαν ἡβῆσαι κ. τ. λ. vgl. Ovid. Met. 9, 408.. Denn hier wird Euryſtheus in der Umgegend von Theben und alſo auch von einen Thebaͤiſchen Heer56 uͤberwunden. Doch wollen wir darum nicht die Athe - niſche Sage fuͤr voͤllig leer und abſichtlich erſonnen hal - ten; auch ſie gruͤndete ſich vielmehr auf ein reales Ver - haͤltniß, und bildete ſich daran aus. Der Anknuͤpfungs - punkt waren unſtreitig die Heraklestempel in Attika, es war natuͤrlich daß wenn die Athener den Heros verehr - ten, ſie ſich auch um ſeine Nachkommen Verdienſte er - worben haben wollten. Daher kommt es auch, daß zu Marathon in der Tetrapolis die Soͤhne Herakles ge - wohnt haben ſollten, wo das angeſehenſte Herakleion im Lande war; in deſſen Naͤhe die Quelle Makaria fließt, welche als Tochter des Helden mitſpielt. Die ganze Tetrapolis wurde deswegen, ſagt man, von den Lake - daͤmoniern im Kriege geſchont. Mehrere unten darzu - legenden Umſtaͤnde laſſen wahrnehmen, daß zwiſchen den Doriern des Peloponnes und einigen noͤrdlichen Ort - ſchaften Attika’s eine Verwandtſchaft und ein Verkehr beſtand, deſſen Grund in den Zeiten der Wanderung gelegt zu ſein ſcheint. Allein dieſer Grund iſt wahr - ſcheinlich ganz verloren, und die Fabeln, die wir haben, ſind in entgegengeſetzter Richtung aus den beſtehenden Verbindungen heraus entwickelt.

6.

Nach dieſer mit Huͤlfe der Athener gewonnenen Schlacht ſollen denn die Herakliden und wie ſollten ſie nicht, da ihnen ja die Athener beiſtanden den ge - ſammten Peloponnes eingenommen und ein Jahr oder eine Periode ungeſtoͤrt beherrſcht haben, nach Ver - lauf deren eine Peſt als tragiſches Hilfsmittel ſie wieder nach Attika zuruͤck treibt. Die Mythogra - phen benutzen dieſe Zeit, um Tlepolemos den Herakli - den nach Rhodos gehn zu laſſen, damit er noch in vor - trojaniſcher Zeit ankomme. Von alle dem konnte aber Pherekydes noch nichts wiſſen, der den Hyllos nach Ueberwindung des Euryſtheus, ohne den Peloponnes57 einzunehmen, nach Theben ziehen ließ1Bei Antonin. Lib. 33. Auch eine Spur andrer Sa - genform bei Apoſtol. Spruͤchw. 18, 7., wo er mit den uͤbrigen Herakliden eine Ortſchaft am Elektriſchen Thore gruͤndet, von der ſpaͤter die Rede[ſein] wird. Im Peloponnes ſuccedirten indeß nach der ſynchroniſtiſch an - geordneten Sage dem Euryſtheus die Pelopiden, welche darnach ganz als Verdraͤnger der rechtmaͤßigen Herr - ſcher vom Stamme des Perſeus erſcheinen2So auch Thuk. 1, 9. Platon Geſetze 3. S. 686. Bei Schol. Eurip. Oreſt. 5. ſchreibe αὐτοὺς μὲν (die Atriden) ἀποστῆναι Λακεδαίμονος, τοὺς δὲ Πεϱ - σείδας βασιλεῦσαι. Nur Polyaen 1, 10. nennt Euryſthiden in Sparta zur Zeit der Einwanderung.; aber ob den aͤlteren Dichtern ein ſolches Verhaͤltniß bekannt war, iſt ſehr zu zweifeln; ſoviel iſt deutlich, daß wir es hier nicht mit der Tradition, ſondern mit wiſſenſchaftlichen Combinationen derſelben zu thun haben. Gegen dieſe neuen Herrſcher richten ſich alsdann die Zuͤge der Hera - kliden, deren gemeiniglich drei angegeben werden. Die Erzaͤhlung von denſelben folgt dem Hauptgedanken einer gaͤnzlichen Abhaͤngigkeit der Dorier vom Delphiſchen Ora - kel3Vgl. beſonders Platon a. O.: aber die Mißverſtaͤndniſſe dieſer Verkuͤndigungen, welche hemmend und aufhaltend wirken, halten wir wieder fuͤr Attiſche Erfindung. Das Orakel nennt naͤmlich die dritte Frucht und die Waſſerenge als Zeit und Weg der verheißenen Ruͤckkehr, welches jene falſch fuͤr das dritte Jahr und den Iſthmos nehmen. Aber bei Apollodor machen es noch die nicht ganz aufgeloͤſten jambiſchen Rhythmen gewiß, daß er dieſe Orakelge - ſchichte aus Tragoedien genommen4Apolld. 2, 8, 2. vgl. Ocnomaos bei Euſeb. Praep. Ev. 5, 20. Man muß naͤmlich ſo anordnen:γενεὰς γὰϱ, οὐ γῆς καϱπὸν ἐξεῖπον τϱίτον καὶ τὴν στενυγϱὰν αὖ τὸν εὐϱυγάστοϱα ἔχοντα κατὰ τὸν Ἰσϑμὸν δεξιάν. , wie oben im all -58 gemeinen bemerkt wurde. So getaͤuſcht dringt nun Hyllos im dritten Jahre in den Peloponnes ein, und findet am Iſthmos die Arkader, Joner, Achaeer der Halbinſel ſchon verſammelt. Ein Zweikampf zwiſchen ihm und Echemos, Aëropos Sohn, dem Fuͤrſten von Tegea, entſcheidet gegen ihn; Hyllos bleibt und wird in Megara beerdigt, die Herakliden verſprechen, 100 oder 50 Jahre hindurch den Verſuch nicht zu erneu - ern1S. Herod. 9, 26. Pauſ. 1, 41, 3. 44. 8, 5, 1. 45, 2. Diod. 4, 58. Schol. Pind. O. 10, 80. Van Staveren Misc. Obs. 10, 3. p. 385.. Hier wird Jeder den Kampf des Tegeaten mit dem Hylleer als alte Sage erkennen, in der An - ordnung dagegen, durch welche man erreichte, daß die Heraklidenzuͤge waͤhrend des Troerkriegs und der Ju - gend Oreſts nicht ſtoͤrend eintraten, duͤrfen wir ſchon die Hand alter Mythenordner argwohnen.

7.

Da man einmal Herakliden und Dorier als verſchiednen Stammes geſondert hatte, und Hyllos nur Adoptivſohn des Doriſchen Koͤnigs ſein ſollte: ſo mußte man daruͤber ſchwanken, wenn man die letztern da - zu kommen laſſen wollte. Bald vor dem erſten, bald vor dem zweiten, bald vor dem dritten Zuge, bald von Heſtiaeotis, bald vom Parnaß aus2Pauſ. 8, 5. Apolld. 2, 7, 7. Diod. 4, 58. Str. 4, 427. c. Iſokr. an Archidam. 6. τελευτήσαντος Εὐϱυσϑέως. Ge - wiß hatte man zu keinem rechten Sagengrund: eben - ſowenig wie dazu, die Namen Hyllos und ſinnver - wandte an eine beſtimmte Epoche zu binden. Daher iſt auch der Genannte bald Atreus, bald Oreſtes Zeit - genoß3Manſo 1. S. 61., Pamphylos und Dymas leben von Herakles4τὴν ϑάλασσαν iſt blos Gloſſem zum Breitbauch. Ueber den τϱίτος καϱπὸς vgl. Schol. Thuk. 1, 12. Schol. Ariſtid. Th. 2. S. 214. Jebb.59 Zeit bis zur Eroberung des Peloponnes1Apolld. 2, 8, 3. Ja bei Pauſ. 2, 28, 3. iſt eine Tochter des Deiphontes von Epidauros, Orſobia, Frau des Pamphylos.. Und haben das vollſte Recht dazu, da ſie Collectivnamen der Staͤmme ſind, die alle dieſe Zeit hindurch exiſtirten. Als Hyllos Nachkommen aber werden nicht mehr Staͤmme, ſondern wirklich, wie es ſcheint, Individuen genannt, nemlich ſein Sohn Kleodaeos2Ihn kennt ſchon Heſiod. S. 51. N. 1. Eine abweichende Genealo - gie hat Tzetzes zu Lyk. 804., wonach Kleodaeus Sohn des Hyllos, Bruder des Lichas und Keyx, Gemahl einer Peridea, Vater des Temenos iſt., und Enkel Ariſtoma - chos. Dieſe Namen ſtanden an der Spitze der Herakli - diſchen Genealogie, z. B. der Koͤnige von Sparta; aus der Luft gegriffen ſind ſie ſchwerlich. Aus ihrer Folge iſt wahrſcheinlich die beruͤhmte Epoche des Hera - klidenzugs ausgerechnet, 80 Jahr nach Troja, welche ohne Zweifel ſchon von den Logographen fixirt worden war, da ſie Thukydides kennt. Die Alexandriner nah - men ſie allgemein an, was wir von Eratoſthenes, Krates und Apollodor ausdruͤcklich wiſſen3Vgl. Krates bei Tatian c. Graec. p. 107. Oxf. Intpp. ad Vellej. 1, 1.. Aber was von den Zuͤgen dieſer beiden Fuͤrſten erzaͤhlt wird, ſo mager es eben auch iſt4S. beſ. Oenomaos bei Euſeb. Praep. Ev. 5, 20. und uͤber den zweiten Apolld. 2, 8, 2. Pauſ. 2, 7., konnten die wieder nicht anerken - nen, die die Waffenruhe nach Hyllos Tode, auf 100 Jahre angaben, wie Herodotos und wohl die Aelte - ren alle5Iſokr. an Archid. 6. kennt nur einen Zug..

8.

Endlich oͤffnet Apollon ſelbſt den Herakliden die Augen uͤber den Sinn jenes Orakels. Nicht uͤber den Iſthmos, ſondern die Meerenge von Rhion ſollen ſie gehn, und zwar jetzt nach verfloſſenem dritten Ge - ſchlechte. So ſeegeln ſie denn von Naupaktos zuerſt60 nach dem Molykriſchen Vorgebirge (Antirrhion) und dann auf dem kuͤrzeſten Wege nach dem 5 Stadien entlegenen Rhion des Peloponneſes1Pauf. 5, 3. Euſeb. a. O. Polyaen 1, 9. vgl. Heyne zu Apollod. S. 208.. Daß die Dorier wirklich von jener Seite in den Peloponnes ge - kommen, iſt Thatſache: es ſtimmt damit uͤberein, daß die Laͤnder am Iſthmos grade die letzten waren, die ſie erreichten. Der Name Naupaktos deutet auf alten Schiffbau2Vgl. Str. 9, 427. Ephor. Marx. S. 105. vgl. Stephan. Suid. u. Ναύπακτος., und die Tradition meldet, daß die Hera - kliden in Floͤßen uͤberſetzten, dergleichen man hernach bei einem Feſte oͤffentlich aufſtellte, und Στεμματιαῖα, mit Binden umwundne, nannte. Das Feſt war ohne Zweifel das Karneiſche, da man bei Sparta den Apollon Kar - neios unter dem Namen Stemmatias verehrte3Anecd. Graeca Bekker 1. p. 305. vgl. Heſych. στεμματιαῖον. δίκηλόν τι ἐν ἑοϱτῇ πομπέων δαίμονος (die letzten Worte ſind dunkel).. Nun ſoll auch der Akarnaniſche Weiſſager Karnos, von dem eine Sage dieſen Cultus ableitet, grade auf derſelben Ueber - fahrt von Hippotes, Phylas Sohne, getoͤdtet worden ſein, worauf ihm die Herakliden feierliche Suͤhnopfer brach - ten4Pauſ. 3, 20, 9.. Man ſieht daraus, daß Gebraͤuche eines ſpe - ciellen Apollocultus auf dieſer Ueberfahrt beobachtet wurden, die meiſt zur Gattung der Suͤhnungen gehoͤ - ren mochten. Nun haben wir aber im erſten Theile dieſer Geſchichten gezeigt, und werden es unten von Apollon handelnd noch befeſtigen, daß der Karneiſche oder Hyakinthiſche Kult der Aegiden aus Theben ſtammt, und vor den Doriern im Peloponnes, beſonders in5)S. Orchomenos S. 333. Fuͤge hinzu Etymol. ſ. v. Ἀλήτης· εἴϱηται, ὅτι Ἱππότης διὰ τὸν Κάϱνιδος (Κάϱνου) θάνατον ὑπὸ τῶν Ἡϱακλειδῶν ἐκβληϑεὶς καὶ λη - στεύων ἔσχεν αὐτόν.61 Amyklaͤ, beſtand. Was ſich daher um die Naupakti - ſche Ueberfahrt dreht, moͤchte ein andrer, vermuthlich Akarnaniſcher1Akarnaniſche Weiſſager waren noch ſpaͤter bei Thermopylaͤ, Herod. 8, 221. bei Peiſiſtratos, und ſonſt., Zweig der Apolloreligion ſein, der ſich aber hernach mit den Karneen amalgamirte, woraus ſich denn mehrere Ausſagen der Alten erkiaͤren wuͤrden. Die alten Goͤtterdienſte und Feſte ſind oft in der That ſo kombinirt und verſchlungen, daß man zu ihrer Her - leitung mehrfache Anfaͤnge zuſammennehmen muß.

9.

Eine hoͤchſt ſeltſame, aber um deſto ſicherer alte Einkleidung hat die Mythe der Verbindung der Dorier mit den Aetolern gegeben. Dieſe Einigung, welche zum Uebergange von Naupaktos durchaus noͤ - thig war, da die hier ſich Einſchiffenden nahe an Ka - lydon vorbeigezogen ſein mußten, liegt auch in andern Sagen: wie es denn uͤberhaupt Charakter der Sage iſt, daſſelbe auf mancherlei Weiſe zu ſagen. Dahin gehoͤrt die Vermaͤhlung des Herakles mit der Deianei - ra, der Tochter des Kalydonier Oeneus2Und des Pleuron mit der Xanthippe des Doros, Apolld. 1, 7, 7., obgleich auch Aetolos den Apolloſohn Doros toͤdtet, 1, 7, 6.. Jetzt wird den Dorien vom Orakel geboten, den Dreiaͤugigen als Fuͤhrer zu ſuchen. Sie erkennen ihn in dem Aetoler Oxylos, der entweder ſelbſt einaͤugig auf einem Pferde ſitzt, oder nur auf einem einaͤugigen Mauleſel reitet. So ſchwer es iſt, ſich bei dieſer Aufloͤſung des Orakels zu beruhigen, weil ein ſo zufaͤlliger Umſtand ohne Be - deutung fuͤr das Ganze iſt: ſo ſcheint es doch unmoͤg - lich, die wahre Meinung des τριόφϑαλμος aufzufin - den3Verehrten etwa die Aetoler ſeit alten Zeiten den Ζεὺς τϱιόφϑαλμος, den Sthenelos der Aetoler von Ilion brachte nach Pauſ. 2, 24, 5.?. Es war dieſe Bezeichnung des Aetolerſtamms62 vermuthlich allein im Mythus uͤberliefert, ſo daß man die leidige Deutung erſt ſpaͤter zufuͤgte1Daß in Sphakteria die Herakliden mit Oxylos ein Freund - ſchaftsbuͤndniß geſchloſſen haͤtten (Steph. Byz.), iſt wohl blos aus dem Namen abgeleitet.. Oxylos Ge - ſchlecht wird von Kalydon hergeleitet, ſo daß von dort - her beſonders die Aetoler gekommen zu ſein ſcheinen, die ſpaͤter zu Elis herrſchten2wie auch Pauſ. 5, 1. ſagt.. Zwiſchen den Einwoh - nern von Elis aber, den Epeiern, und den Aetolern jen - ſeits des Meerbuſens war alte Verwandtſchaft und Stammeinheit, Oxylos ſelbſt war nach der Sage aus Elis urſpruͤnglich gebuͤrtig3Pauf. Str. 10, 463. vgl. Il. 23, 630.; daher auch kein eigentli - cher Krieg zwiſchen beiden Statt gefunden zu haben ſcheint, ſondern nur eine Einbuͤrgerung und Aufnahme der letztern4So ſtellt er Pauſ. vor, 5, 4, 1. ἐπὶ ἀναδασμῷ τῆς χώϱας.; bei welcher auch den Heroen und Heroi - nen der Aetoler gleicher Cultus geſtattet wurde als den eingebornen5Pauſ. 5, 15, 7. Ueber die begleitenden Tyrrhener ſ. Band 1. S. 443. N. 3. nebſt Pauſ. 2, 31, 3. Von den Thebaͤern, die ſich unter Aute - ſion ſollen hinzugeſellt haben, iſt eben da ausfuͤhrlich geredet..

10.

Darauf erzaͤhlt die ſyſtematiſirte Sage weiter von einer Schlacht der unter dem Agamemnoniden Tiſa - menos vereinigten Macht des Peloponnes gegen die Soͤhne des Ariſtomachos, worin dieſe ſiegen und der Peloponnes ihnen zufaͤllt. Je nachdem es paßt, laͤßt man die Schlacht zu Lande und Waſſer bei der Ueber - fahrt6wie Apollodor offenbar., oder nach dem Durchgange durch Arkadien ge - ſchehen. Es iſt wahrſcheinlich, daß ſie blos nach Pro - babilitaͤt angenommen war, Tiſamenos mußte ſie lie - fern, den man als Fuͤrſt der Achaeer bei der Einnahme63 Aegialeias durch die Sage kannte1Tiſamenos Name, als Epitheton ſeines Vaters, (τισάμενος) entſpricht dem Euryſakes, Sohn von Ajax, Telemachos und Ptoli - porthos von Odyſſeus, Aſtyanax von Hektor, Gorgophone Tochter des Perfeus, Archanders Sohn Metanaſtes, Aletes des Hippotes, aber man kann nicht daraus auf bloße Dichtung ſchlie - ßen, da dieſe Namengebung auch hiſtoriſch ſtatt fand (Polyaͤn 6, 1, 6.) ſelbſt noch in den Makedoniſchen Koͤnigsgenealogieen.. Darin ſtimmen mehrere Traditionen uͤberein, daß die Herakliden damals durch Arkadien ihren Weg genommen; Oxylos ſoll ſie ſo gefuͤhrt haben, um ſie nicht durch ſein fettes Land Elis neidiſch zu machen2Pauſ. 5, 4, 1.; Kresphontes ſoll dabei des Arka - diſchen Koͤnigs, Kypſelos, Eidam geworden ſein, der in Baſilis am Alpheios im Parrhaſiſchen Lande herrſchte3Pauſ. 8, 29, 4. Als Stratagem des Kypſelos Polyaͤn 1, 7. Vielleicht iſt Kypſela mit Baſilis einer - lei, ein Caſtell in Parrhaſien gegen die Lakoniſche Skiritis, Thuk. 5, 33. Doch kann man von Baſilis nur ungenau ſagen, daß es ἐπὶ τῇ Σκιϱίτιδι liege..

11.

Weiter folgt die Theilung des Peloponnes un - ter die drei Bruͤder Temenos, Kresphontes und Ariſto - damos oder deſſen Soͤhne. Die Ausbildung dieſer Fabel verdanken wir ganz den Tragikern4Vgl. Aeginet. p. 39 r. dazu Eurip. bei Str. 8, 366. Sophokles Ajax 1287. (vgl. Suid. u. δϱαπέτης). Heſych s. v. ἀνανομὴν, καταβολή. Platon Geſetze 3, 68 e. Apolld. Polyaͤn 1, 6. Das Vaſengemaͤlde bei Tiſchbein 1, 7. ſtellt einen ἀγὼν ὑδϱοφοϱικὸς dar, nicht dieſe Loſung, wie Italinsky will.: daß ſie wenig oder keine Geſchichte enthaͤlt, iſt ſehr klar; nur Thoren thei - len, was ſich nicht im Ganzen haben: es dauerte aber noch lange, ehe die Dorier die Hauptmaſſe des Pelopon - nes beſaßen. Dabei wird erzaͤhlt, wie auf den Al - taͤren, worauf die Bruͤder dem Ahnherrn Zeus geopfert, fuͤr Argos eine Kroͤte, fuͤr Sparta eine Schlange, fuͤr Meſſenien ein Fuchs ſich fand. Es iſt wahrſcheinlich, daß dies nichts als Bilder ſind, wodurch vielleicht64 nicht einmal die Peloponneſier ſondern etwa die Athe - ner faſt gehaͤſſig den Charakter der Voͤlker zn be - zeichnen ſuchten. Denn daß man ſich darunter etwa Stadtwappen zu denken habe, laͤßt ſonſt nichts vermu - then. Man muͤßte denn auf Fourmonts angebliche Ent - deckung bauen wollen, der im Tempel des Amyklaͤiſchen Apoll einen Schild mit der Inſchrift des Taleklos als βαγος mit einer Schlange in der Mitte, und einen an - dern des Anaxidamos mit einer Schlange und zwei Fuͤchſen gefunden haben will1Unter ſeinen Inſchriften auf der bibliotheque du Roi in Paris. vgl. Hist. de l’Acad. des I. T. 16. p. 105.. Allein ſo abentheuerlich er die Form jener Schilde mit ſpitzen Enden und an den Seiten eingeſchnitten vorſtellt: ſo offenbar liegt hier der Betrug zu Tage, deſſen Vorausſetzung, daß die Schlange Spartaniſches Schildzeichen geweſen, ganz unbegruͤndet bleibt2Bei Plut. de Pyth. orac. 24. p. 289. ein Orakel, wo die Spartaner ὀφιοβόϱοι heißen. Im Orakel ſtand ſicher ὀφιόδειϱοι (ὀπφιοδ. ) wie Ariſtot. Mirab. Ausc. 23. hat, was man aber ſo erklaͤren konnte. Zeichen der Spartanifchen Koͤnige war ſonſt der Loͤwe (Herod. 7, 225), daher ihn ruͤckwaͤrts auch Menelaos in ei - nem Vaſengemaͤlde auf dem Schilde fuͤhrt. Die Kroͤte bezeich - net die Argeier als niemals aus dem Loche kriechend. Vgl. Kap. 8..

12.

Obgleich wir die großen Veraͤnderungen, wel - che das Eindringen der Dorier in allen Verhaͤltniſſen der Peloponneſiſchen und aller Griechiſchen Staͤmme her - vorbrachte3Iſokr. Panath. 99. ſagt viel zu allgemein: μάχῃ δὲ νικήσαντες τοὺς μὲν ἡττηϑέντας ἔκ τε τῶν πόλεων καὶ τῆς χώϱας ἐξέβαλον, hernach modificirt er es ſehr., hier nicht vollſtaͤndig darſtellen koͤnnen, muß doch bemerkt werden, daß eine Hauptmaſſe der Achaeer, die urſpruͤnglich aus Phthia ſtammten, ſich nun die auf Nordkuͤſte wirft, und die Jonier zwingt, nach Attika hinuͤberzugehen. Die Eroberung der Hauptfeſte65 dieſes Landes, der Poſeidoniſchen Helike, wird ſelbſt dem Tiſamenos beigeſchrieben; und daß wirklich Helike Sitz der angeſehenſten Geſchlechter des Achaeiſchen Volkes wurde, zeigt die Tradition, nach welcher der Aetoler Oxy - los auf Befehl des Orakels die Herrſchaft mit einem Pelo - piden Agorios theilte, der von Penthilos Oreſtes Sohne ſtammte u. zu Helike wohnte15, 4, 2. Ein Achaͤer aus Helike kommt als Herakles Zeitgenoß in Theokr. 25, 165. vor: ein groͤßerer Verſtoß gegen die angenommene Zeitordnung als ſich ſonſt Dichter erlauben.. Die chronologiſche Schwie - rigkeit, daß Oxylos Zeitgenoß eines Enkels von Penthilos heißt, bedeutet nicht viel. Auch hatte man zu Helike das Grab des Tiſamenos, deſſen vorgebliche Aſche die Sparta - ner, ohne Zweifel in der kindlichen Idee, dadurch das Un - recht der Vertreibung gut zu machen, nachmals nach ihrer Stadt brachten, wie ſie daſſelbe mit dem Leich - name des Oreſtes zu Tegea thaten2Pauſ 7, 1.. Aber außerdem folgt eine Reihe Auswanderungen nach der ſpaͤtern Aeo - lis in Aſien, bei denen Achaͤer den Hauptſtamm bildeten. Wenn Oreſtes als Fuͤhrer der erſten genannt wird3Orchom. S. 398. 477., ſo ſteht er wohl nur fuͤr ſeine Nachkommen; auch Penthilos kann ſchwerlich ſelbſt gezogen ſein, da er ſonſt nicht Nach - kommen in der Heimat hinterlaſſen haben wuͤrde, Pen - thiliden aber gab es auf Lesbos, ſo wie Nachkommen eines Lakoniſchen Achaͤers Peiſandros auf Tenedos.

II. 566

4.

1.

Griechenland iſt auf eine wunderbare Weiſe von der Natur phyſiſch ſo organiſirt, daß jeder ſeiner Theile eine eigenthuͤmliche Beſtimmung und einen beſondern Charakter erhalten hat, es iſt wie ein Koͤrper mit ver - ſchiedenartigen aber nothwendig verbundenen Gliedern. Die noͤrdlichen Gegenden bis nach Theſſalien hinein ſind die naͤhrenden Organe, welche von Zeit zu Zeit neue kraͤftige Subſtanzen herbeifuͤhrten; das Leben wird ausgebildeter, individueller geſtaltet, je weiter nach Suͤden; Attika und die Inſeln ſind die beweglichen nach außen wirkenden Extremitaͤten; der Peloponnes da - gegen iſt fuͤr ein in ſich beſchloſſenes, abgerundetes, con - centrirtes Leben gemacht, mehr intenſiv und geſammelt, als ſich ausdehnend und verbreitend. Weil nichts mehr vor ihm liegt, hat gewiſſermaßen das Streben hier ſein Ziel, und es tritt in ihm ein ſtetiger, feſter, ab - ſchließender Zuſtand an die Stelle. Mit Recht galt er den Griechen als das Innerſte, und als die Akropole Griechenlands, und die ihn beſitzen, waren nach alter Uebereinſtimmung die anerkannten Erſten Griechenlands.

2.

Dieſes Weſen des Peloponnes wird beſonders deutlich, wenn man die Gebirgszuͤge betrachtet. Denn obgleich der Iſthmos die Halbinſel mit dem FeſtlandeDie Groͤße des Peloponnes betraͤgt nach meiner Karte 385 Meilen, ohne die Inſeln.67 durch eine Landſtrecke verbindet, ſo geht doch kein fortgeſetzter Gebirgszug hinuͤber, ſondern die Oeneiſchen Berge ſind von den Peloponneſiſchen ganz getrennt1Wie Pouquev. mehrmals bemerkt. Mehr haͤngen die Berg - ketten durch das Oeneiſche Vorgeb. und das weſtlich von Sikyon ſtark hervortretende und von Kyllene abhaͤngende Gebirge zuſammen.. Es bilden aber die Hauptberge des Peloponnes einen faſt geſchloſſenen Kreis, deſſen Linie man uͤber die Hoͤ - he des Berges Pholoe, Lampe, Aroanios, Kyllene, Artemiſion, Parthenion, Parnon, dann uͤber Boreion und von da nach dem noͤrdlichen Anfang des Taygetos hinuͤber, und dann am Lykaͤon laͤngs des Alpheios hin - leiten muß. Am hoͤchſteu ſcheint der Theil von Kyllene nach dem Parnon; Kyllene maß nach der genaueſten Angabe 9 Stadien weniger 80 Fuß2Apollod. (S. 400 Heyne) bei Steph. Byz. Euſt. Hom. S. 1951, 15., 5320 helleniſche Fuß: eine ſehr bedeutende Hoͤhe in Betracht, daß das Meer ſo nahe, und der Peloponnes der letzte Schlnß der Kette iſt. Aber auch die oͤſtlichen Ebenen, wie die von Tegea, liegen ſehr hoch uͤber dem Meere, und haben oft lange im Fruͤhlinge noch Schnee3Holland bei Walpole Trav. p. 426.. Von der bezeichneten Linie entſpringen alle irgend bedeuten - den Fluͤſſe, und gehen alle Gebirge aus, die die Ecken und Spitzen des Peloponnes bilden. Das innere Land aber hat nur eine Oeffnung gegen das weſtliche Meer hin, durch welche alle ſeine im Alpheios vereinigten Gewaͤſſer ausſtroͤmen. Dies Land erhaͤlt aber ſeine beſondere Natur noch dadurch, daß einige niedrigere und ſecundaͤre Hoͤhenzuͤge ſich mitten hindurchſtrecken, welche die Gewaͤſſer der Thaͤler zunaͤchſt an jenem Hauptgebirge noͤthigen, Seen zu bilden, oder unterir - diſche Abzuͤge zu ſuchen. Daher das im oͤſtlichen hoͤ -5 *68heren Theile des Landes haͤufige Verſchwinden und Wiederauftauchen von Fluͤſſen. Dies iſt Arkadien, ein Land, aus Gebirgsruͤcken und Hochebenen, aus verſchloſſenen tiefen Thaͤlern, und zwiſchen Felſen zu - ſammengedraͤngten Flußufern beſtehend, und von der Natur ſo deutlich von dem uͤbrigen Peloponnes ge - ſchieden, daß, obgleich ohne politiſche Einheit, es durch die ganze Geſchichte als ein Ganzes fuͤr ſich be - ſtehend anerkannt wird. Das Klima des Landes war vorzuͤglich kalt, die Luft dick, namentlich an der noͤrd - lichen Gebirgskette1S. Polyb. 4, 21, 1., der beſonders Kynaͤtha nennt. Un - mittelbar dabei lag die kalte Quelle Λοῦσοι oder Λοῦσσα, und Sprengel (Theophr. uͤberſ. 2. S. 383) corrigirt trefflich bei Th. 9, 15, 8. τὸ δὲ κώνειον ἄϱιστον πεϱὶ Λοῦσα καὶ ἐν τοῖς ψυχϱοτά - τοις τόποις.; wie dies auf die Sinne und das Gemuͤth des Volkes wirkte, hat ein Arkadier, Poly - bios, meiſterhaft beſchrieben.

3.

Lakonika iſt durch zwei von Arkadien gradaus - laufende Gebirgszuͤge gebildet, die den Eurotas einfaſ - ſen, deſſen Quelle von der eines Arkadiſchen Fluſſes nur durch eine geringe Abdachung geſchieden iſt. Eu - rotas iſt bis unterhalb Sparta ein ſchnellſtroͤmender Gebirgsfluß, dann wird er nach einer Kaskade auf einer Ebene verſumpfend, weiter hin auf wenig ge - ſenktem Boden ruhig und grade hinſtroͤmend2Aus des juͤngern Fourmont Reiſejournal.. In der Gegend Sparta’s ſtehen Felſen und Huͤgel von beiden Seiten nah zuſammen, und ſchließen ſowohl oberhalb als unterhalb faſt zu3Polyb. 5, 22., dieſe eingeſchloſſene Ebene iſt ohne Zweifel die hohle Lakedaͤmon Ho - mers4Nach der Erklaͤrung des Schol. Ven. und Aa.. Hier bewirkte die Enge des Thales und die Hoͤhe des wie hohe Mauerzinnen ragenden Taygetos,69 daß die Hitze des Sommers durch die wie in einen Fokus zuſammenfallenden Sonnenſtrahlen ſehr erhoͤht, und durch kuͤhlende Seewinde nie gemildert1Abaris ſoll eine Peſt geſtillt haben, die durch dieſe erſtik - kende Hitze entſtanden war. Jamblich Leben Pythag. 19. vgl. Apollon. Dysk. hist. mirab. c. 4. p. 9. ed. Meurs. , im Win - ter dagegen die Kaͤlte doppelt heftig war. Dieſelben Umſtaͤnde veranlaſſen ſtarke Regenguͤſſe, und die Menge der Gebirgswaͤſſer bringt in den engen Thaͤlern leicht Ueberſchwemmungen hervor2Theo - phraſt nennt Lakonika ῥοώδηϛ, ἔπομβϱος καὶ ἕλειος (de caus. pl. 3, 3, 4.). Die Gebirge, obgleich in zuſammenhaͤngenden Ketten, ſind doch viel durchbrochen, ihre zerkluͤftete und geborſtene Geſtalt leitete man von Erdbeben ab3ῥωχμοὺς ἀπὸ σεισμῶν ἔχουσα Euſt. Homer. 294, 10. 1478, 43. Rom. , deren eins Sparta vor dem Helotenkriege ſo ſchrecklich verheerte. Aber auch die Ebenen des Landes ſind nicht unbetraͤchtlich, zu den ſchoͤnſten Griechenlands gehoͤrt die am untern Laufe des Eurotas, welche ſich gegen Suͤden auseinan - der zieht und vor den Nordwinden durch Gebirge ge - ſchuͤtzt iſt; auch der von Felſen umzaͤunte Kuͤſtenſtrich von Malea nach Epidauros Limera (Malvaſia) iſt ungemein fruchtbar4S. Des Mouceaux bei Corneille le Bruyn Vog. T. 5. p. 465., nicht minder die Thaͤler an der Graͤnze Meſſeniens; nur gegen das Vorgebirge Taͤ - naron hin wird das Land immer duͤrrer, haͤrter und ferruginoͤſer. Wie ſehr man aber irrt,[wenn] man ſich dies Land als eine halbe Wuͤſte denkt, zeigt die ſehr große Menge Lakoniſcher Fruͤchte, welche Theophraſt und Andere erwaͤhnen; die edlen Weinarten preiſen Alkman und Theognis; bis zu den Gipfeln des Tay - getos hinan wurden Reben gepflanzt, und aus Quel - len in Platanenwaͤldern muͤhſam bewaͤſſert5Theogn. 859.; das70 Land war auch darin ſich ſelbſt genug. Aber das werth - vollſte Erzeugniß war in der Schaͤtzung der neuen Ein - wohner gewiß das Eiſen der Gebirge1Buch 3, 2.. Noch gluͤcklicher war die Lage des Landes fuͤr die Vertheidigung, da das innere Lakonien von Arkadien, Argolis und Meſ - ſenien her nur durch Paͤſſe und Gebirgswege zugaͤng - lich iſt, und grade der beſte Theil deſſelben den Ein - faͤllen der Feinde aus dieſen Gegenden abliegt. Wohl richtig im Ganzen faßte Eurivides2Str. 8, 366. die Eigenthuͤm - lichkeit des Landes auf:

Zwar reich an Fruchtfeld, doch zu ackern muͤhevoll,
Ein Keſſel rings von rauhen Bergen eingefaßt,
Unnahbar faſt dem Feinde,

und ſtellt Meſſenien gegenuͤber als ein Land

voll ſchoͤner Frucht,
Aus tauſend Quellenbrunnen uͤberall getraͤnkt,
Fuͤr Rind - und Schaafheerd eine ſtets willkommne Trift,
Nicht allzuſehr durchſtuͤrmet von des Winters Wehn,
Noch auch zuſehr durchgluͤht vom Sommerſonnenſtrahl.

Denn eine ausnehmend ſchoͤne Ebene ſtreckt ſich am Pamiſos, der, obgleich von kurzem Laufe, doch einer der breiteſten Fluͤſſe des Peloponnes iſt, nach dem Meſ - ſeniſchen Buſen hinab, mit Recht Makaria genannt und der Liſt werth, durch welche ſie Kresphontes ſich zugeeignet haben ſoll. Noͤrdlicher, mehr gegen Arka - dien, oͤffnet ſich die von Huͤgeln und Bergen umgebene Ebene von Stenyklaros. Der Weſten des Landes iſt mehr gebirgig, doch ohne ſo ſteile Gipfel, wie Tay - getos; gegen die Neda hin, an der Graͤnze Arkadiens, nimmt die Gegend den hoͤchſten Charakter wilder und romantiſcher Scenerie an.

4.

Argolis wird gebildet durch einen Gebirgs - zug, der vom Arkadiſchen Kyllene und Parthenion ab -71 haͤngt, und damit durch einen vielfach durchbrochenen und deswegen an Schluchten und Hoͤhlen reichen Bergſtrich (daher Τρητὸν)1Sehr ſchoͤn ſagt der Grieche von dieſer Gegend: ὀφϱυᾷ τε καὶ κοιλαίνεται. Str. 8, p. 381. verbunden iſt, durch welchen die beruͤhmte wie zwiſchen Felſenmauern ge - bahnte Straße Kontoporia geht2Polyb. 16, 16, 4. ſetzt ſie etwa WSW. von Korinth. vgl. Athen. 2, 43 e. Pind. O. 11, 30. meint dieſelbe., die Argos mit Ko - rinth verbindet. Durch aͤhnliche Paͤſſe haͤngen Kleonaͤ, Nemea, Phlius, ſuͤdlicher Mykenaͤ und Tiryns, oͤſtlich Epidauros unter einander zuſammen; und dieſe natuͤr - liche Trennung vieler kleinen Landſchaften hat Argolis politiſche Geſchichte vornweg zum Theil beſtimmt. Gegen Mittag von jenem Gebirgszuge oͤffnet ſich die Ebene, an deren Anfange jenem Paſſe zunaͤchſt My - kenaͤ und in deren Ausbreitung Argos liegt. Hoͤchſt merkwuͤrdig iſt die Natur dieſer alten Kulturebene, wel - che offenbar erſt nach und nach von den Gebirgsfluͤſſen gebildet worden iſt, die den Buſen zwiſchen den Bergen mehr und mehr ausfuͤllten; daher ſie urſpruͤnglich ſum - pfig und moraſtig war3Ariſtot. Meteor. 1, 14. S. 755. c. und Ariſteid. Aegypt. Th. 2, S. 351. Jebb.. Inachos, der Strom, und Melia, die feuchte Niederung, ſind die Eltern der alten Argiver. Und wenn Argos in alten Sagen das durſtige heißt: ſo bezog ſich dies nur auf den Mangel des Quell - waſſers in der Naͤhe. So gebirgig das uͤbrige Ar - golis iſt, ſo oͤffnen ſich doch hie und da im Innern und an Meerbuſen kleine Ebenen, welche durch die Guͤte des Bo - dens den Ackerbau beguͤnſtigen und anregen; die Suͤdoſt - kuͤſte ſenkt ſich niedrig und flach dem Meere zu. Beſonders erſtreckt ſich noͤrdlich von jenem Bergſtriche vom Iſthmos bis an einen engen Paß an den Grenzen Achaias eine ſchoͤne72 und im Alterthum viel geprieſene Ebene, in der Ko - rinth und Sikyon liegen1Athen. 5, p. 219. a. Lukian. Ikaromenipp. 18. Schiff 20. Liv. 27, 31. Schol. Ariſt. Voͤg. 969. Zenob. 3, 57.. Fuͤr den Gang der Ar - giviſchen Cultur iſt es noch wichtig zu wiſſen, daß die Berge zwiſchen Argos und Korinth Kupfer enthalten2Nach Fourmonts Journal, und Gells Argolis., daher auch in jener Stadt ſehr fruͤh Erzbereitung ſtatt gefunden zu haben ſcheint, daher der alte Ruhm der Argiviſchen Schilde. Dagegen haben ſich nirgend im Peloponnes edle Metalle gezeigt, und auch dieſer Mangel war eine Vorſchrift der Natur fuͤr die Thaͤtig - keit der Menſchen.

5.

Das ſpaͤtere Achaia iſt nur der ſchmale Kuͤſten - ſtrich laͤngs der Abdachung des noͤrdlichen Bergzugs von Arkadien. Die meiſten Staͤdte des Landes liegen daher auf Huͤgeln uͤber dem Meer, wenige in eingeſchloſſenen Thaͤlern. Die Quellen der zahlreichen Fluͤſſe, die das Land bewaͤſſern, gehoͤren faſt alle noch zu Arkadien, welches hier uͤber die Waſſerſcheide hinausreicht.

Aber die niedrigſte Abdachung des Peloponnes und die allmaͤligſte Senkung zum Meere iſt gegen Weſten, daher auch hier ſich die groͤßte Flaͤche der Halbinſel ausbreitet, welche von den vorlaufenden Gebirgszuͤgen Skollis und Pholoe eingefaßt, darum die Hohle Elis heißt. Es war eine guͤnſtige Fuͤgung, daß grade dieſe weite Ebene das Vorrecht eines ſelten geſtoͤrten Friedens genoß. Ge - gen die Kuͤſte hin wird das Land ſandig; eine breite Sandſtrecke zieht ſich laͤngs des Meeres bis nahe dem Triphyliſchen Pylos herab, welches darum ſo oft bei Homer das ſandige heißt3Elis uͤber - haupt iſt eine χώϱα ῦπαμμος nach Theophr. Pflanzeng. 1, 6.. Und weil das Land ſich wenig uͤber das Meer erhebt, fuͤllt dieſes eine Anzahl Seen oder Lagunen, die an dem groͤßten Theile des Ge -73 ſtades fortlaufen, und theils unter ſich, theils mit dem Meere in Verbindung ſtehn. Der Strom Alpheios fließt bei dieſer Beſchaffenheit des Landes ziemlich lang - ſam zwiſchen Huͤgelketten und kleinen Ebenen ins Meer. Gegen Suͤden wird das Land gebirgiger, und ſchließt ſich in ſeiner Natur naͤher an Arkadien an.

6.

Wenn man ſich nun dies eigenthuͤmliche Land vor der Urbarmachung und Cultur vorſtellen will: ſo giebt es einen ſonderbaren Anblick. Die Waͤſſer Arka - diens ſind offenbar mehr geeignet, die hohlen Niederun - gen zu fuͤllen, oder unregelmaͤßig zu uͤberſchwemmen, als im ruhigen Laufe zu befruchten. Die Thaͤler von Stymphalos, Pheneos, Orchomenos, Kaphyaͤ in Arka - dien bedurften Canaͤle, Daͤmme u. dgl., um nur dem Ackerbaue dienen zu koͤnnen. Einen Theil der Argivi - ſchen Ebene mußte man durch Sorgfalt trocken erhalten, damit er nicht zum Lernaͤiſchen Sumpfe wuͤrde. Der untere Lauf des Eurotas forderte eine kuͤnſtliche Rege - lung; daß ſie ihm im Laufe der Zeit zu Theil geworden, zeigen noch1Ich traue hier dem ſonſt glaubwuͤrdigen Journal des juͤn - gern Fourmont, der auch eiſerne Ringe an den Steinquadern ge - ſehen haben will. die Reſte von Kay’s, die den Fluß zu ei - nem Canal machen. Das alte Neſtoriſche Pylos lag an einem Fluͤßchen (Anigros), welches jetzt, da es ver - ſumpft, die Gegend zu einem ſehr ungeſunden Aufent - halte macht; bei Lerna darf kein Reiſender ohne Gefahr eine Nacht zubringen. So war es nicht blos, um den Boden zu benutzen, ſondern um die Exiſtenz zu ſichern, an vielen Stellen des Peloponnes von Anfang an noͤthig, die Natur durch Kunſt zu regeln. Jetzt ſind bei der Traͤgheit, die die unmittelbare Folge der Unterdruͤckung74 iſt, Gegenden von ſolcher Luftbeſchaffenheit, daß ein ſieches Geſchlecht in ihnen beſtaͤndig hinſtirbt: die ehe - mals die Muͤtter der kraͤftigſten und geſuͤndeſten Staͤm - me waren. Und daß eine ſolche Urbarmachung von den aͤlteſten Zeiten anfing, geht daraus hervor, daß wir grade in den Thaͤlern, die ihrer am meiſten bedurften, die Spuren primitiver Staͤdte entdecken1Vgl. hiemit Band 1. K. 2.. Die Tradi - tionen unterſtuͤtzen dieſe Induktion. Die ſparſamen Nachrichten uͤber Lakonika’s fruͤheſte Zeiten ſagen, daß Myles, der Sohn des Erdgebornen Lelex, Muͤhlen baute, und in Aleſiaͤ Korn mahlte. Sein Sohn aber ſei Eurotas, der das im Blach-Felde ſtockende Waſſer durch einen Canal ins Meer gefuͤhrt, den man hernach Eurotas genannt habe2S. Eurip. Schol. Oreſt. 626. vgl. Manſo’s Sparta 1. S. 11.. Selbſt die Anlage Sparta’s ſetzt wohl Ableitung des ſtehenden Waſſers voraus3Str. 8, 363 a. . Ja man konnte noch ſpaͤter, indem man den Lauf des Fluſſes hemmte, die Gegend zwiſchen Sparta und den gegenuͤberliegenden Hoͤhen einigermaßen unter Waſſer ſetzen4Polyb. 5, 22, 6..

7.

Die Erwaͤgung dieſer natuͤrlichen Umſtaͤnde und Traditionen noͤthigt zur Annahme, daß die Staͤmme, welche als die Urbewohner des Peloponnes galten, die Pelasger im Oſten und Norden, die Leleger im Suͤden und Weſten, zugleich die Landescultur, welche nachmals durch ganz Griechenland herrſchte, begruͤndet haben. Und eigentlich ſind es auch nur dieſe ureinwohnenden Staͤmme, welchen fortwaͤhrend Ackerbau, Viehzucht und Alles, was die Benutzung der Natur betrifft, ob - lag. Denn theils waren die Einwanderungen der Achaͤer, Joner, ſo wie nachmals der Dorier, an Zahl gering in75 Vergleich mit der Volksmenge des ganzen Peloponnes; und dann eroberten dieſe Staͤmme mit dem Lande auch die Leute, und gruͤndeten auf den Beſitz beider eine un - abhaͤngige Exiſtenz: ſo daß eigentlich bei allem Wechſel der Beherrſcher die Maſſe des Volks im Alterthum die - ſelbe geblieben iſt. Durch dieſe Uſurpationen aber trat der ackerbauende und viehzuchttreibende Stand in eine beſtaͤndige Abhaͤngigkeit und darum in Dunkelheit zuruͤck, ſo daß auch von dem, was ſein Geſchaͤft war, der Landescultur, nur ſelten die Rede iſt. Indeſſen wurde der Ackerbau ſtets mit großem Eifer betrieben. Denn ſo bevoͤlkert der Peloponnes auch in der Zeit des Pelo - ponneſiſchen Krieges war, ſo brachte er doch mehr Korn hervor als er bedurfte, und es ging von Lakonien und Arkadien eine beſtaͤndige Ausfuhr nach der Kuͤſte von Korinth hinab1Thuk. 1, 120. κατακομιδὴ τῶν ὡϱαίων..

8.

Wie groß eigentlich die Anzahl der Dorier war, welche in den Peloponnes einwanderte, iſt etwa ſo zu beſtimmen. In der bluͤhenden Zeit der Doriſchen Macht gegen die Zeit des Perſerkriegs hatte Sparta, welches Meſſenien ſich angeeignet, 8000 Familien, Argos uͤber 6000, in Sikyon, Korinth, Phlius, Epidauros, Aegi - na waren die Dorier ſparſamer, bei mehr oligarchiſchen Verhaͤltniſſen; und wenn in den Colonieen bei hinlaͤng - lichem Raum zur Ausbreitung und durch die Strenge der Geſetze minder beſchraͤnkt, die Zahl der Einwohner ſich ſchnell vermehrte, ſo war doch die Zahl der urſpruͤngli - chen Coloniegruͤnder, ſo viel davon Dorier, ſehr klein. Da nun aber auch wieder in den ſchon geordneten Staa - ten des Peloponnes die Zahl der Einwohner, beſonders der Doriſchen, aus manchen Gruͤuden nie bedeutend zu - nahm, ſo duͤrfen wir auch ſchon zur Zeit der Einwan -76 derung die geſammte Zahl des Volkes auf etwa 20,000 Maͤnner ſchaͤtzen1Iſokr. Panathen. 100. ſagt: daſt in den aͤlteſten Zeiten nur 2000 Dorier zu Sparta geweſen ſein, aber ich moͤchte darauf[keine] Rechnung bauen.. Auch die fruͤheren Einwanderungen der Achaͤer und Jonier waren nicht bedeutender. Denn die Jonier erſcheinen ja, wie aus den Stammſagen klar iſt, als Kriegerſtamm in Attika, und bildeten wahrſchein - lich, noch dazu mit vielen fremden Geſchlechtern ge - miſcht, nur eine und ſicher die kleinſte von vier Phylen. Die Ankunft der Achaͤer ſtellt die alte Sage hoͤchſt ein - fach ſo dar: Achaͤos Soͤhne, Archander und Architeles, kamen, aus Phthiotis vertrieben, nach Argos und La - kedaͤmon. Die Namen beſagen den herrſchenden Mann und den Verwalter der Obrigkeitſtellen. Sicher kamen die Achaͤer nicht, um das Land zu bauen, wie auch daraus hervorgeht, daß, als ſie, von den Doriern ver - trieben und auf die Nordkuͤſte geworfen, Patraͤ einnah - men, ſie auch hier nur die Stadt bewohnten und ſich nicht in die kleineren Ortſchaften zerſtreuten2Pauſ. 7, 18, 3. Buch 3, 4..

Daß die Dorier mit Frau und Kind wanderten, iſt wohl gewiß. Frauen aus fremden Staͤmmen haͤtte der Spartiat nicht ſo ungemeine Achtung erwieſen, wie er that, und es muͤßte ſich dann das ganze Doriſche Fami - lienverhaͤltniß anders geſtaltet haben, als es ſich geſtal - tete. Das unterſcheidet dieſe Wanderung ſehr von der der Jonier, welche, nach Herodot, ohne Frauen aus Attika auswandernd, eingeborne Karerinnen zu Frauen oder vielmehr zu Sklavinnen nahmen, die den helleni - ſchen Mann nicht bei ſeinem Namen, ſondern nur Herrn nennen durften, und wohl von allen aͤltern Niederlaſſungen uͤber Meer, da die Geſtalt der altgriechiſchen Ruderſchiffe ſchwerlich irgend das Mitnehmen der Frauen geſtattete.

77

9.

Wie aber, durch welche Ueberlegenheit, die Do - rier den Peloponnes eroberten, waͤre minder ſchwer zu erklaͤren, wenn es blos auf offne Feldſchlacht an - kaͤme. Denn da anzunehmen iſt, daß uns Homer die Kampfweiſe darſtellt, welche die alten Achaͤer geuͤbt und vermuthlich noch als Aeoler in Aſien beibehalten hatten, ſo muß der Kampf ganzer vollgeruͤſteter Linien in geſchloſſener Ordnung erſt durch die Dorier in den Peloponnes gekommen ſein, bei welchen ihn ſchon Tyr - taͤos ſchildert. Nun aber mußten die Wagen und Wurf - lanzen Homeriſcher Helden der ſtetig vordringenden Ge - walt hochgeſtellter Glieder mit Stoßlanzen gegenuͤber auf jeden Fall ſieglos werden. Allein ſchwerer kann man begreifen, wie die Dorier jene unerſteiglichen Mauerwerke ſtuͤrmten, mit denen der Peloponnes an - gefuͤllt war, beſonders, da Belagerungen nie Sache dieſes Volkes, und offne Kraft dagegen nichts half. Wie erſtuͤrmten ſie Akrokorinth, dies Gibraltar des Peloponnes1Clarke Trav. 2, 2. S. 646 u. Aa., wie die Argiviſche Lariſſa und aͤhnliche Feſten? Hieruͤber haben ſich einige Nachrichten erhal - ten, auf die Eroberung von Argos und Korinth be - zuͤglich, die in ihrer Uebereinſtimmung untereinander und mit den Lokalumſtaͤnden als gute hiſtoriſche Erin - nerungen gelten muͤſſen. Sie lehren uns, daß die Dorier ſich bemuͤhten, einen Punkt in ziemlicher Naͤhe der alten Feſtung zu befeſtigen, und von da aus in beſtaͤndigen Streifzuͤgen das Land verwuͤſteten und die Vertheidiger ſo lange umlauerten, bis ſie ſich zum Kampfe ſtellten oder[nachgaben]. So zeigte man noch ſpaͤter die Punkte, von denen aus Temenos und Aletes einen ſolchen Kampf mit Erfolg gefuͤhrt.

78

5.

1.

Vor den Doriern war ohne Zweifel Mykenaͤ, im hoͤhern Theile der Ebene am Ausgange des Gebirgs gelegen, der bedeutendſte und angeſehenſte Ort in Ar - golis, und Argos, obgleich der Sitz der aͤlteſten Lan - descultur, war davon abhaͤngig und untergeordnet. Zu Mykenaͤ war Euryſtheus kyklopiſche Vorhalle1Εὐϱυσϑέος Κυκλώπια πϱόϑυϱα Pind. Fragin. Inc. 48. Boͤckh.; Agamemnons goldreiches Haus; und wenn die befeſtigte Stadt auch klein war, wie Thukydides mit Recht ſagt, ſo war ſie doch wie wir jetzt belehrt ſind voll von großartigen und reichgeſchmuͤckten Monumenten, die in ihrer halbbarbariſchen aber doch kunſtreichen Pracht von der Einfachheit und Ungeſchmuͤcktheit deſ - ſen, was nachmals die Doriſche Zeit hervorbrachte, ungemein abſtachen2Buch 4.. Die Doriſche Eroberung fing da - gegen nicht bei jenen durch Natur und Menſchenhand gleich geſicherten Burgen an, ſondern ſchritt auf dem umgekehrten Wege von der Seekuͤſte aus vorwaͤrts. Denn am Meere zwiſchen Lerna und Nauplia, an der Muͤndung des Phrixos3Fourmont glaubt, Temenion in einer Burg ſuͤdlich von Lerna zu erkennen, aber es muß noͤrdlich liegen., lag ein befeſtigter Ort, Te - menion, von welchem aus Temenos, Ariſtomachos Sohn, mit den Doriern den Tiſamenos und die Achaͤer be -79 kriegte, und wahrſcheinlich durch beſtaͤndige Streifzuͤge ſo lange ermuͤdete, bis ſie eine offene Schlacht annah - men. Von da bemaͤchtigten ſich die Dorier nach muͤhevollem Kampfe der Stadt Argos 1)1S. Kallimach. Fragm. 108. Bentl. aus Schol. Pind. N. 10, 1. τοῖς μὲν ἀϱισκυδὴς εὐνις ἀνῆκε Διὸς Ἄϱγος ἔχειν ἴδιόν πεϱ ἐὸν λάχος. ἀλλὰ γενέθλῃ Ζηνὸς ὅπως σκοτίῃ τϱηχὺς ἄεϑλος ἔοι. Vgl. uͤber die Einnahme von Argos Polyaͤn 2, 12.. Eine ver - bindungsloſe Sage erzaͤhlt, daß ein Nachkomme des Diomed Ergiaͤos das Palladion, welches ſein Vorfahr von Ilion nach Argos gebracht, entwendet und dem Temenos uͤberliefert habe: worauf die Eroberung der Stadt erfolgt ſei2Plut. Qu. Gr. 48. p. 404 H.. Dieſe ſchrieb die Sage alſo dem Temenos ſelbſt zu.

2.

Aber die weitere Verbreitung der Doriſchen Herrſchaft wird erſt ſeinen Soͤhnen beigemeſſen, als welche die Doriſche Sage Keiſos, Kerynes, Phalkes, Agraͤos nennt3Die Namen, die ihnen Apollodor giebt: Agelaos, Eurypylos, Kallias, ſind wahrſcheinlich aus Euri - pides Temenidaͤ, wie ich Aeginet. p. 40. vermuthet. Manche dort gegebene Nachweiſung laſſe ich hier aus. Von Keiſos ſpricht noch Hygin Fb. 124. (wo Cisus Temeni f. zu leſen) aber ſehr ver - wirrt.. Von dieſen laͤßt ſie Keiſos zu Argos herrſchen, und Phalkes nach Sikyon gehen. Die uralte Mekone oder Sikyon war fruͤher in den Haͤnden der Jonier geweſen, und hernach den Achaͤern von Ar - gos unterthan geworden. Die ſehr reiche Mythe der alten Stadt enthaͤlt die verſchiedenſten, ſymboliſchen und hiſtoriſchen, Elemente: wir beruͤhren nur das naͤchſt vorhergehende. Schon vorher ſoll ein Herakles - Sohn, Phaͤſtos, hier geherrſcht haben, und als die - ſer nach Kreta geht und dort die Stadt ſeines Na - mens gruͤndet4Pauſ. 2, 6, 3. Euſt. zu Il. 5. S. 520. Steph. Byz. ſagt: Φαῖστος Ῥοπάλου, Ἡϱακλέους παιδός., ſeine Nachkommen Rhopalos, Hippo -80 lytos, Lakeſtades ihm gefolgt ſein, von denen der letzte ſich mit Phalkes vertraͤgt. Zwiſchen ihnen wird aber ein Sohn Apollons und der Nymphe Hyllis1νύμφης Συλλίδος, ich vermuthe ῾ϒλλίδος., Zeu - xippos, eingeſchoben. Man erkennt hier Erinnerungen einer Verbindung mit dem Kretiſchen Phaͤſtos und der Einfuͤhrung des Apollon - und Heraklesdienſtes; aber zu chronologiſchen Schluͤſſen kann dieſe Tradition nicht be - rechtigen.

3.

Ob Phlius in einem ſchoͤnen Hochthale, aus dem die vier Quellen des Aſopos ſtroͤmen2Four - monts Journal enthaͤlt eine ausfuͤhrliche und genaue Beſchreibung deſſelben., an der Ecke Arkadiens gelegen, von Sikyon oder Argos gegruͤndet ſei, ſtritten die Bewohner der beiden Staͤdte. Dieſe nannten hoͤchſt einfach Phlias Sohn des Keiſos3Pauſ. 2, 11, 2.. Aber Phlias iſt nichts als der zur Perſon geſtempelte Name der Gegend, die von φλέω, φλιδάω die von Feuch - tigkeit uͤberſchwellende heißt, welchen Namen die Ge - ſtalt derſelben noch rechtfertigt. Daher Phlias weit beſſer Sohn des Dionyſos (Φλεὺς, Φλεὼν) heißt, der in ſolchen Thaͤlern mit Vorliebe wohnt. Sonach wer - den wir den Sikyoniern lieber Recht geben, die den Sohn des Phalkes, Rhegnidas, als Gruͤnder der Dori - ſchen Herrſchaft angaben4Pauſ. 2, 13, 1. ἐπ̛ ἀνα - δασμῷ γῆς., da man noch dazu nach Phlia - ſia leichter von Sikyon aus laͤngs des Aſopos, als von Argos her vordringt. Wenn Pythagoras, der Samier, ſein Geſchlecht von einem Hippaſos ableitete, der da - mals Phlius verlaſſen habe, und ferner Klazomenaͤ, die Ioniſche Stadt, zum Theil von Kleonaͤern und Phlia - ſiern, die von den Doriern vertrieben, gegruͤndet ſein ſoll5Pauſ. a. O. und 7, 3, 5., ſo geht daraus wohl die Verwandtſchaft der fruͤhern Einwohner dieſer Orte mit den Joniern hervor. 81Kleonaͤ, in einem engen Thale, wo die Berge ſich ge - gen Korinth oͤffnen, gelegen, und an Phlius graͤnzend, ſcheint nach dieſer Nachricht mit der genannten Stadt zugleich, doch wahrſcheinlich von Argos aus, bevoͤlkert worden zu ſein. Denn wir finden dort (doch blos nach einer Conjectur)1Pauſ. 3, 16, 5. Θεϱσάνδϱου τοῦ Ἀγαμηδίδα, βασι - λεύοντος μὲν Κλεεστωναίων, τετάϱτου δὲ ἀπογόνου Κτη - σίππου τοῦ Ἡϱακλέους. Da eine Doriſche Stadt hier genannt ſein muß, ſo ſcheint ΚΛΕΩΝΑΙΩΝ das probabelſte. daſſelbe Heraklidiſche Haus herr - ſchend, von dem ein Zweig von Argos nach Epidauros ging.

4.

Die Akte, wie man vorzugsweiſe die Nord - kuͤſte von Argolis, Attika gegenuͤber, nannte2So - phokles Akriſios bei Heſych. ἀκτίης. Skymn. Ch. 526. aus Epho - ros, Polyb. 5, 91, 8. Konon 7. Diod. 12, 43. 15, 32. 18, 11. Str. 8, 389. Aelian 6, 1. Plutarch Demetr. 25. Pauſ. 2, 8, 4. Ἐπιδαύϱιοι καὶ Τϱοιζήνιοι, οἱ τὴν Ἀϱγολίδα ἀκτὴν ἔχοντες. Unterſchieden davon wird der Ἀϱγολικὸς κόλπος, die Suͤdkuͤſte., nahmen nach Ephoros Erzaͤhlung Deiphontes und Agaͤos3Ueber dieſen unſichern Namen (Ἀγαῖος, Αγϱαῖος) ſ. Aegin. p. 40. Der Name kommt ſpaͤter in Makedonien vor. ſ. Harpokr. Ἀϱγαῖος. ein. Der erſte, welcher ein Nachkomme des Kteſippos nnd Schwiegerſohn des Temenos genannt wird, und deſſen Schickſale eine tragiſche Behandlung geſtatteten, bemaͤchtigte ſich der Stadt Epidauros, und ver - draͤngte von da die Jonier, die unter einem Koͤnige, Pityreus, nach Attika hinuͤber zogen, von wo deſſen Sohn, Prokles, alsdann bei der allgemeinen Wanderung nach Samos ging4So Pauſan. Vgl. auch Jamblich Pythag. 2. uͤber die Epidauriſche Colonie in Samos. Ariſtot. bei Str. 8, 374. laͤßt die Jonier erſt mit den Herakliden von der Attiſchen Tetrapolis nach Epidauros kommen. Jenes iſt unbedenklich vorzuziehn.. Von den Epidauriſchen Doriern aber zog ein Theil unter der Anfuͤhrung Triakon’s nachII. 682Aegina hinuͤber1Aegin. p. 43. Die dort gegebene Darſtellung wird wohl die Vergleichung mit Raoul-Roch 2. S. 218. aushalten., woſelbſt fruͤher Theſſaliſche Helle - nen geherrſcht hatten, und verband die Inſel zu einem Gemeinweſen mit der Mutterſtadt, mit gleichen Rech - ten und unter denſelben Obrigkeiten. Da nun außer Epidauros nur noch Troezen zur Akte gehoͤrt, und außer Deiphontes noch Agaͤos als Doriſcher Be - voͤlkerer dieſes Kuͤſtenlandes genannt wird: ſo muß es wohl Agaͤos geweſen ſein, der Troezen zur Doriſchen Stadt machte2Pauſ. 2, 30, 9.. Er muß auch hier Jonier angetroffen haben, da die mythiſchen Genealogieen ſowohl als die Goͤtterdienſte des alten Troezen eine nahe Verwandt - ſchaft der fruͤheren Einwohner zu den Athenern bewei - ſen. Denn Troezen theilte ſogar mit den Joniſchen Staͤdten den eigenthuͤmlichen Cultus der Athena Apa - turias als Goͤttinn der Phratrien und Geſchlechter3Pauſ. 2, 33, 1. Die Jungfrauen legten ihr den Guͤrtel nieder, wenn ſie heiratheten, d. i. in eine andere πάτϱα uͤbergingen. Ein raͤſonnabler Mytholog kann nicht zweifeln, daß Απατούϱια von (σὺν) und πάτοϱες i. q. γεννῆται herkommt. Vom Tempel der Athena vgl. Hygin fab. 37., und den des Poſeidon und ſeines Sohnes Theſeus.

5.

Die gegebenen Nachrichten zeigen, daß Sikyon, Phlius, Kleonaͤ, Epidauros, Troezen, Aegina von Ar - gos aus unmittelbar oder mittelbar ihren Antheil an Doriſcher Bevoͤlkerung erhielten. Wir muͤſſen bedauern, daß uns von Mykenaͤ und Tiryns beſtimmte Nachrich - ten fehlen, deren Eroberung beſonders ſchwierig aber auch fuͤr den Sieg der Dorier entſcheidend ſein mußte. Pindar4Pauſ. 4, 49. betrachtet die Vertreibung der Achaͤiſchen Danaer aus dem Argiviſchen Buſen und Mykenaͤ als identiſch mit dem Heraklidenzug; und Strabon5Str. 8, 372. 377. giebt83 an, daß es die Argiver mit ſich vereinigt haͤtten. In - daß finden wir doch im Perſiſchen Kriege Mykenaͤ und Tiryns als fuͤr ſich beſtehende Staͤdte, und es wird zweifelhaft, ob ſie je Argos vorher dauernd angehoͤrt. Daß wenigſtens in den Gebirgen oberhalb Argos noch alte Einwohner ſich erhielten, zeigen die Ornea - ten. Die Einwohner von Orneaͤ in den Graͤnzgebir - gen von Mantinea, lange den Doriern feindlich und mit denen von Sikyon im Kriege1Plut. de def. or. S. 620. Pauſ. 10, 18, 4. wurden endlich von Argos uͤberwunden und zu einer Art Perioͤken herab - geſetzt2S. Buch 3, 4.. Dies konnte doch wohl nach Doriſchem Voͤl - kerrechte nur gegen Leute eines fremden Stammes ge - ſchehen; ſo erhellt, daß die Orneaten bis dahin Achaͤer oder Arkader waren.

3.

Obgleich es nach den gegebenen Nachrichten ſcheint, daß Argos die von da aus den Doriern unter - worfenen Staͤdte meiſt ganz aus ſeiner Gewalt verlo - ren habe, beſtanden doch in fruͤhern Zeiten gewiß Ver - bindlichkeiten dieſer gegen jenes, die aber ſpaͤter mehr bloße Formen wurden. Es gab in Argos auf der La - riſſa einen Tempel des Apollon Pythaeus, welcher wahr - ſcheinlich bald nach der Einwanderung von den Doriern als ein Heiligthum des Nationalgottes, der ſie in das Land gefuͤhrt, errichtet worden war. Es war ein gemeinſames Heiligthum der Umgegend, doch den Ar - geiern beſonders eigen3Dies geht hervor aus Thukyd. 5, 53. κυϱιώ - τατοι τοῦ ἱεϱοῦ ἠσαν Ἀϱγεῖοι.. Die Epidaurier waren ver - pflichtet, zu beſtimmten Zeiten Opfer dahin zu ſen - den4Ebd. Nach Diod. 12, 18. waren die Lakedaͤmonier zu Opferſendungen an Apollon Pythaeus (Πύϑιος) verpflichtet: aber Diod. iſt confus.. Die Dryoper, ehemals, und noch ſpaͤter als Kraugalliden, Unterthanen des Delphiſchen Gottes, hat -6 *84ten in Aſine und Hermione Tempel des Apollon Py - thaeus errichtet, zum Bekenntniß einer aͤhnlichen Ab - haͤngigkeit; jenen ließen die Argiver bei der Zerſtoͤrung der Stadt allein ſtehen1Pauſ. 2, 35, 2. 36, 5. vgl. Buch 2, 3..

7.

Die erhaltenen Bruchſtuͤcke aus der aͤltern Ge - ſchichte der Dryoper ſind oben zuſammengeſtellt; hier bemerken wir nur, daß ſie einen bedeutenden Strich, den ſuͤdlichſten, in Argolis beſaßen, deſſen Graͤnzen, ſo lange ſie ihnen ungeſchmaͤlert blieben, durch zwei Punkte, den Tempel der Demeter Thermeſia an der Graͤnze zwiſchen Hermione und Troezen, 80 Stadien vom Kap Skyllaͤon, und einen Huͤgel zwiſchen Aſine, Epidauros und Troezen2Pauſ. 2, 28, 2. 34, 6., beſtimmt waren und ſich noch ziemlich genau beſtimmen laſſen. Herakles, der nach Doriſcher Sage das Volk hieher gefuͤhrt, hatte ihnen auch genau dieſe Graͤnzen angewieſen. Indeſſen wird berichtet, daß ſie ſich auch außer dieſen Graͤnzen in Nemea, dem Argoliſchen, niedergelaſſen hatten3Steph. Byz. Νέμεα, wo fuͤr τῆς Ἤλιδος nach dem Zuſammenhange Ἀϱγολίδος zu ſchreiben iſt., welches indeß, ſo wenig wie Olympia, ein fuͤr ſich beſtehender Ort, ſondern nur der Name eines Thals und beſonders des Heiligthums des Zeus darin war.

8.

Korinthos Gruͤndungsgeſchichte iſt ſehr wun - derbar und dunkel: indeſſen enthaͤlt ſie merkwuͤrdige hi - ſtoriſche Andeutungen. Erſtens wird gemeldet, daß dieſe Stadt nicht von Argos aus ihre Bewohner er - hielt. Die Sage lautet ſo: Als Hippotes bei dem Ue - bergange von Naupaktos den Weiſſager erſchlagen, wurde er, nach Apollodor42, 8. auf 10 Jahre, vertrieben, waͤhrend deren er ein herumziehendes, ja raͤuberiſches Leben fuͤhrte5Konon 26. Etymol. M. ſ. v. Ἀλήτης.: wovon ſein Sohn Ἀλήτης, der Unſtaͤtſchwei -85 fende, heißt1Vgl. S. 63. N. 1.. Eine halb verlorne Tradition erzaͤhlt2Ariſtoteles bei Proverb. Vatic. 4, 4. Μηλιακὸν πλοῖον. vgl. Apoſtol. 19, 89. und Suid. 10, 2. Dio - genian. 7, 31. erklaͤrt anders., daß Hippotes, uͤber den Meliſchen Meerbuſen ſchiffend, gegen die, welche zuruͤckbleiben wollten, die Verwuͤn - ſchung ausſprach: ihre Fahrzeuge ſollten durchloͤchert ſein, und ſie Sklaven ihrer Frauen. So ſchweift Aletes auch im Gebiet der damaligen Ephyra umher, wo er aus Hohn eine Erdſcholle empfaͤngt3δέχεται καὶ βῶλον Ἀλήτης. S. Duris bei Plut. Prov. 48. S. 593. Zenob. 3, 22. Heſych. δέχεται, Schol. Pind. N. 7, 155. Vielleicht gehoͤrt die Stelle Suid. ἀδηλώσας zu dieſer Erzaͤhlung., die in alter Ora - kelſprache Symbol der Landesherrſchaft war4Orchom. S. 352. vgl. noch die Geſchichte bei Plut. Qu. Gr. 13.. Wir koͤnnen faſt ſchon aus dieſen Sagen errathen, daß die Doriſchen Krieger die fruͤheren Ephyraͤer durch Verwuͤ - ſtung der Aecker und beſtaͤndiges Beunruhigen ermuͤde - ten und zuletzt unterwarfen. Dies wird durch die ſehr geſchichtliche Nachricht des Thukydides beſtaͤtigt5Thuk. 4, 42. vgl. Polyaͤn 1, 39.. Es gab im Gebirge, etwa 60 Stadien von Korinth und 12 vom Saroniſchen Meer, einen Huͤgel, Solygios, den die Dorier einſt in Beſitz genommen hatten, um die Aeo - liſchen Einwohner von Korinth zu bekriegen. Der Huͤ - gel war indeß, wenigſtens zu Thukydides Zeit, ohne Befeſtigungswerke. Wir erkennen hierin ganz dieſelbe Art Krieg zu fuͤhren, wie in jener Geſchichte von Teme - nos, eine Weiſe, die im Peloponneſiſchen Kriege durch die Beſetzung Dekeleias von den Spartanern wieder er - neuert wurde. Weiter erzaͤhlt eine Sage, die ſich an das Hellotiſche Feſt anſchließt, daß die Dorier bei der Eroberung Korinths die Stadt angezuͤndet, und ſelbſt an den Tempel der Athena, worin ſich die Frauen ge -86 fluͤchtet, Feuer angelegt haͤtten1Schol. Pind. Ol. 13, 56.. Eine andere giebt an, daß Aletes, da ihm das Orakel geweiſſagt: er ſolle am kranzreichen Tage die Stadt angreifen, ſie waͤhrend eines großen Leichenfeſtes durch Verrath der juͤngſten Tochter des Kreon eingenommen: doch ſind dies zum Theil nur ſcheinbar hiſtoriſche Deutungen von alten Feſt - gebraͤuchen. Weil Aletes, der Genealogie zufolge, ein Menſchenalter nach den Eroberern des Peloponnes lebt: ſetzte man die Einnahme von Korinth 30 Jahre nach dem Heraklidenzuge2Didymos Schol. Pind. O. 13, 17. Konon a. O. vgl. Diodor bei Euſeb. Chron. p. 35. (Fragm. 6. S. 635 Weſſ.) Ephoros bei Str. 8, 389 d. und Skymn. 526., und verfiel dann auch wohl in den Irrthum, fruͤhere Dorier in Korinth anzunehmen, weil ja doch die Herakliden den Peloponnes mit einem Schla - ge eingenommen haben ſollten. Jetzt erſt ſcheint die Stadt den Namen Korinth erhalten zu haben, da ſie bis dahin Ephyra hieß3Nach Vellej. Paterc. 1, 3. 3.; und zwar ſcheint es, daß ſie die Dorier mit einer gewiſſen Vorliebe des Zeus Ko - rinth nannten, ohne daß es den Bemuͤhungen alter Erklaͤrer gelungen iſt, den Namen befriedigend zu er - klaͤren.

9.

Die fruͤheren Bewohner Korinths waren nach Thukydides Ausdruck Aeoler geweſen, und ihre Sa - gen und Culte zeigen, daß ſie in naher Verwandtſchaft mit den Minyern von Jolkos und Orchomenos ſtanden4Orchom. S. 140. Nach Konon a. O. fand Aletes Siſyphiden und mit ih - nen Jonier.. Ihre Koͤnige ſind die Siſyphiden, deren Genealogie mit Hyantidas und Doridas ſchließt. Wir finden in dem letzten Namen dieſelbe Verwirrung, die ich unter andern in der Sage von Theſſalos, Jaſons Sohn, nachgewieſen habe5S. 257.; wodurch ein neu eintretender Volkſtamm genea -87 logiſch an die Heroen des fruͤher herrſchenden angeknuͤpft wird. So wird Doridas, d. i. der Dorer in patrony - miſcher Form, Nachkomme des Siſyphos. Von nun an herrſchen die Dorier; ohne indeſſen doch, wie Pau - ſanias vorgiebt12, 4, 3., die fruͤhere Bevoͤlkerung ganz zu ver - treiben, da die Zahl der Einwanderer nur den Adel des neuen Staates bildete. Nur poetiſch nennen Pindar und Kallimachos das geſammte Korinthiſche Volk Aleti - den2Pind. O. 13, 11. vgl. Boͤckhs Commen - tar S. 213. Kallim. bei Plut. Symp. Qu. 5, 3. p. 213. Ἀλη - τιάδαι παϱ̕ Αἰγαιῶνι ϑεῷ Θήσουσιν νίκης σύμβολον Ἰσϑμιάδος Ζή - λῳ τῶν Νεμέηϑε.; genealogiſch leitete ſich von Aletes nur die Herr - ſcherfamilie, die Bakchiaden ab, die lange der Stadt Koͤ - nige und Prytanen, und allen Kolonien Korinths An - fuͤhrer gab. Doch gab es auch angeſehene Familien an - derer Abkunft. Die Familie des Kypſelos, welche ſpaͤ, ter ſich der Tyrannis bemaͤchtigte, war nach Herodot Lapithiſch und ſtammte von Kaͤneus3Herod. 5, 92, 2. Daraus erklaͤrt ſich vielleicht die alte Verwandtſchaft der Kypſeliden und Philaiden, (nach Herod. 6, 128.) mit Vergleichung der Tafel, Orchom. S. 465.. Sie kam nach Pauſanias42, 4, 4. vgl. 5, 18, 2. von Gonuſa bei Sikyon den Doriern gegen Korinth zu Huͤlfe; indeß nahm ſie Aletes, durch ein Orakel gewarnt, zuerſt nicht auf; ſpaͤter aber zog er ſie, daſſelbe vernachlaͤſſigend, in die Stadt, wo ſie nach - mals ſeine eigenen Nachkommen ſtuͤrzte. Wir laſſen die aus der Tyrannis ruͤckwaͤrts gebildete Erzaͤhlung auf ſich beruhen, blos bemerkend, daß jene Kaͤniden mehr Anlaß hatten, den alten Aeolern als den Doriern zu hel - fen, und entnehmen daraus nur die Exiſtenz nichtdori - ſcher Familien von Anſehn in Korinth.

10.

Indem wir mehr einer lokalen Anordnung, als der genauen Chronologie folgen, ſchließen wir die Gruͤn -88 dung von Megara an1Vgl. Blanchard recherches sur la ville de Megare, Mem. de l’Ac. des Inscr. T. 16. p. 121.. Die alte Tradition knuͤpft dieſelbe ganz an den Zug des Peloponnes gegen Athen2Herod. 5, 76. Lykurg. g. Leokr. S. 196. Str. 9, 293. 14, 653. Konon 26. Stymn. Ch. 503., und zwar mit Recht, da Megara vor dieſer Epoche mit Attika eng verbunden und in Jonien inbegriffen war. An dieſem Zuge nahmen, nach den meiſten Erzaͤhlern, die ſaͤmmtlichen Peloponneſier Theil; doch nennen Andere die Korinthier als die eigentlichen Unternehmer und Ale - tes als den Anfuͤhrer, dem man indeß Althaͤmenes, Kei - ſos Sohn, von Argos beigeſellt. Wie der Doriſche Ein - fall durch den freiwilligen Heldentod des Kodros abge - wehrt worden, haben Dichter und Redner vielfach aus - geſchmuͤckt3Vgl. Raoul-Roch 3, S. 56., wo die merkwuͤrdige Stelle Pauſ. 7, 25, 1. zuzufuͤgen iſt, wonach die La - kedaͤmonier ſchon zum Theil Athen eingenommen hatten. Es gab ein Delphiſches Geſchlecht Kleomantiden in Athen, deren Ahnherr den Athenern den Spruch uͤber den Tod des Koͤnigs mitgetheilt haben ſollte. Lykurg gegen Leokr. 196.. Uns genuͤgt hier, der vielgefeierten Sage die ſehr dunkle entgegenzuſtellen, nach der Athener, die Lykophron Kodroi nennt, Antheil nehmen an dem Zuge der Herakliden4Lykophr. 1388. nebſt Tzetzes.. Wie nun immer auch hier an der Graͤnze Jonier und Dorier ſich begegnet ſein moͤgen: ſo iſt doch gewiß, daß Megara durch dieſe Unternehmung eine Doriſche Stadt, und zwar zunaͤchſt eine Korinthiſche Colonie wurde5S. beſ. Schol. Pind. N. 7, 155. zu Ariſtoph. Froͤſchen V. 440. Pauſ. 1, 39, 4.. Lange blieb es auch noch ganz in der - ſelben Abhaͤngigkeit, wie Aegina von Epidauros; als Zeugniß derſelben wird angefuͤhrt, daß die Einwohner des Landes gehalten waren, jeden Todten aus der Familie der Bakchiaden zu Korinth zu betrauern6Schol. zu Pind. und Ariſt. a. O.. Als es aber im89 Innern erſtarkt war, wagte er ſich loszureißen, und Zeus Korinthos zum Trotz, die Korinther aus dem Felde zu ſchla - gen1Die Geſchichte wird immer bei Gelegenheit des Spruͤch - worts erzaͤhlt. S. Schol. Pind. a. O. Schol. Plat. Euthyd. S. 97. R. S. 24. Siebenk. und zu Ariſtoph. Froͤſchen 440. (aus De - mon. ) vgl. Ekkleſiaz. 823. Zenob. 3, 21. Vatic. Prov. 3, 13. Apoſtol. 7, 17. 14, 97. Suid. Heſych. Diſſen zu Pind. a. O.. Wahrſcheinlich iſt es dies Ereigniß, von dem Pauſanias geleſen hatte, daß es vor Anfang der Olympiaden, da in Athen Phorbas lebenslaͤnglicher Archont war, vorgefallen; aber ich glaube, daß er es unrecht auf einen Theſauros zu Olympia anwand - te, der mit Bildern des Lakedaͤmonier Dontas (Ol. 60) ausgeſchmuͤckt war, und deſſen Inſchrift ganz un - beſtimmt von einem Siege der Megarer und Argeier uͤber die Korinthier ſprach2Pauſ. 6, 19, 9. Phorbas war Archont 173 148. vor Olymp. 1. nach Euſeb.. Graͤnzkriege der Megarer und Korinthier dauerten immerfort3Thuk. 1, 103. Diod. 11, 79. Plut. Kimon 17. Vermuthlich war es in einem ſolchen, wo Orſippos von Megara, Sieger von Olymp. 32. nach Etym. S. 242. (die Schol. Ven. Il. 23, 683. ſind darnach zu corrig. ), das Gebiet ſeiner Vaterſtadt vergroͤßerte. Pauſ. 1, 44, 1. und das Epigramm Anthol. Pal. 2. App. 272. Vgl. Siebelis zu Pauf.. Erſt nach der Befreiung ſcheint ſich Megara als herrſchende Stadt er - hoben zu haben, da es fruͤher zu einer von den fuͤnf Orten (κῶμαι) gezaͤhlt wird, in die das Land getheilt war: Heraͤer, Piraͤer, Megarer, Kynoſurer, Tripo - diskier4S. die Nachricht bei Plutarch Qu. Gr. 17. S. 387.. Dieſe fuͤhrten untereinander auch Krieg, aber mit ungemeiner Milde, wovon uns faſt maͤhrchenhafte Erzaͤhlungen erhalten ſind; der Sieger fuͤhrte ſeinen6Anders Zenob. 5, 8., daß die Megarer eine Tochter ihres eigenen Koͤnigs Klytios und des Korinther Bakchios dort betrauern mußten.90 Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im Gegenſatz von δορυάλωτοι.

11.

Wir wenden uns nach Lakonika, welches nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge - meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf - genommen war1S. oben S. 51., waren es die Zwillingsbruͤder Eury - ſthenes und Prokles (Πϱοκλέας doriſch)2Kuhn zu Pauſ. 3, 1. Nach Po - lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ - mon., die nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero - dot berichtet, Ariſtodemos ſelbſt einziehn3In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umſchreibt, ſtand wohl μᾶλλον δὲ γεϱαίτεϱον ἔστι γεϱαίϱειν., und erſt nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an - geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ - ſer Vorzuͤge genießen ſollte4Dieſer folgt Plutarch Ageſ. 19.. Dem widerſpraͤche zwar wieder Thukydides55, 16. Auch bei Platon Geſetze 3, 683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶ βασιλεὺς μὲν Λακεδαίμονος Πϱοκλῆς καὶ Εὐϱυσϑένης; πῶς γὰϱ οὐ; gegen ſeine Landesſage., der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt, daß die Koͤnige, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen, er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op - fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del - phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab - weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ - ſigkeit des Schriftſtellers.

12.

Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande - rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie91 Ephoros angeordnet hat, und wie ſie daraus in andere Schriftſteller uͤbergegangen iſt, im Widerſpruche mit vielen abgeſonderten aber um deſto bedeutendern Tradi - tionen ſteht, halten wir fuͤr deutlich. Wir faſſen kurz zuſammen, was wir im erſten Theile dieſer Unterſu - chungen (v. S. 313 an) bemerkt haben. Die Stadt Amyklaͤ, eine der aͤlteſten und bedeutendſten des Pelo - ponnes, von der noch jetzt eine Burg auf einem Felſen an der Lehne des Taygetos exiſtirt, war nichts weniger als von den Spartiaten ſogleich unterworfen, ſondern erſt unter Taleklos, kurz vor dem erſten Meſſeniſchen Kriege, nach langwierigem Kampfe, der bei der Naͤhe der Staͤdte um ſo gefaͤhrlicher ſein mußte, erobert worden1Vgl. noch Soſibios bei Zenob. Spruͤchw. 1, 54.: nicht als wenn die Jahrhunderte vorher, Amyklaͤ und Spar - ta, die nur 20 Stadien von einander entfernt, ſich nie Ruhe gelaſſen, denn wie haͤtten ſie dann nebeneinander beſtehn moͤgen; indeſſen mochte doch auch Friede und Waffenruhe oft durch ploͤtzliche Ueberfaͤlle unterbrochen werden. Zum Gebiete Amyklaͤ’s aber gehoͤrte damals die bedeutende Gegend am Taygetos hin, und alles dies Land war noch im Beſitz der Achaͤer, mit denen ſich Mi - nyer, von Lemnos her, und Kadmeiſche Griechen, Ae - giden genannt, vereinigt hatten. Dieſe Gegend iſt es, wie ich dort gezeigt habe, von der die Colonien von Thera, Melos, Gortyna ausgingen; ſo wie Pindar zu - folge Amyklaͤ auch der Ausgangspunkt der erſten Aeoli - ſchen Colonie nach Lesbos und Tenedos, und nach an - dern Anzeigen zu ſchließen, ebenſo der Achaͤer, welche Patraͤ einnahmen, war2Pauſ. 7, 6, 2. wo Preugenes, der Anfuͤhrer derſelben, von Amyklas her - geleitet wird..

Sparta dagegen muß vor der Doriſchen Einwan - derung minder bedeutend geweſen ſein; und ſich erſt92 durch dieſelbe zur Herrin aller Umwohner erhoben ha - ben. Denn erſtens iſt die Anlage dieſer Stadt gar nicht in der Art und Weiſe, wie Mykenaͤ, Tiryns und andere vordoriſche Fuͤrſtenſtaͤdte gebaut waren; die Akropolis iſt ein ziemlich niedriger und leicht zu erſteigender Huͤgel, ohne Spur alter Befeſtigungswerke und Mauern. Dann iſt Sparta auffallend arm an Monumenten und Lokal - erinnerungen aus den Zeiten der Pelopiden und anderer mythiſcher Fuͤrſten, ſo ſehr auch die Spartiaten ſonſt an Traditionen und Denkmalen der Art hingen. Dagegen ſind Amyklaͤ und Therapne an ſolchen um deſto reicher. Amyklaͤ, in einer ſehr ſchoͤnen und baumreichen Ge - gend1Polyb. 5, 19, 2., war Sitz des Tyndareus und ſeines Geſchlechts; hier waren Denkmale der Caſſandra und des Agamemnon, der nach einheimiſcher Sage, welche Steſichoros und Simonides aufgenommen, hier geherrſcht hatte2Bei den Schol. Eur. Oreſt. 46. Simon. Fr. 177. Gaisf., da - her ging von hier Oreſtes Zug aus3Ob Karnia, wo Oreſt gewohnt ha - ben und geſuͤhnt worden ſein ſoll, Amyklaͤ iſt in Bezug auf Kar - neen? Schol. Soph. Koͤn. Oed. 40.. Therapne lag nicht weit davon. Das wohlumthuͤrmte The - rapne nennt es Alkman4Fragm. 1. Welck.; den hoch gelegenen Sitz Therapnas Pindar5Pind. J. 1, 31.; beide deuten dadurch eine Tiryn - thiſche Anlage und Bauart an. Der letztere nennt es als alten Hauptſitz der Achaͤer, unter denen die Dios - kuren lebten; hier waren unterirdiſche vielleicht nach alter Weiſe gewoͤlbte Graͤber des Kaſtor und Polydeu - kes6ἐν γυάλοις Θεϱάπνας Pind. N. 10, 55. Die δόκανα waren nach Einigen ſolche Graͤber., hier auch Tempel der Bruͤder und der Helena im Phoͤbaͤon und viele Reſte alten ſymboliſchen Cultus7S. Diſſens Commentar zu Pind. a. O. S. 471. vgl. uͤber Helena zu The - rapne Eurip. Helena 211. und Tryphiod. V. 520. Schol.. 93Wie merkwuͤrdig iſt es endlich, daß am Eurotas, in der Gegend zwiſchen Therapne und Amyklaͤ, ein Gebaͤude entdeckt worden iſt1Zuerſt von Gropius., welches dem bekannten Mykenaͤi - ſchen Theſauros aͤhnlich und ein ſicheres Denkmal iſt, daß in dieſer Gegend die Herrſchaft der Pelopiden ihren Sitz hatte.

Aber auf die Frage: welche Stadt denn Homer Lakedaͤmon heiße, iſt nicht leicht zu antworten. Denn bald ſcheint er es von Sparta genau zu tren - nen2Od. 4, 1. 10., bald fuͤr einerlei zu halten3Od. 11, 459. 13, 412. 414.. Auch muß man geſtehen, daß das Beiwort die hohle Lakedaͤmon das oben beſchriebene Thal von Sparta vortrefflich be - zeichnet, nicht ſo die Gegend von Amyklaͤ, welche ſich breiter gegen das Meer oͤffnet4Polyb. a. O.. Ich meine, wir wer - den uns dabei beruhigen muͤſſen, daß Homer nur eine unbeſtimmte und dunkle Kunde dieſer damals dem Frem - den ſehr unzugaͤnglichen Gegend hatte5Hiernach iſt das anderswo daruͤber Geſagte zu modificiren..

13.

Wie von Amyklaͤ’s, ſo haben ſich auch von an - drer Achaͤiſcher Orte ſpaͤterer Eroberung Zeugniſſe erhal - ten. Aegys an der Arkadiſchen Graͤnze ſollen Arche - laos und Charilaos kurz vor Lykurg, Pharis nebſt Geronthraͤ, erſt der genannte Taleklos6Pauſ. 3, 2, 6., Helos end - lich in den Niederungen am untern Eurotas Taleklos Sohn, Alkamenes, von den Achaͤern erobert haben7Pauſ. 3, 2, 7. Aber nach Str. 8, 365. a. ſchon Agis. Von. So7Lykophr. 143. Iſokr. Enkom. Helen. 17. ἔτι γὰϱ καὶ νῦν ἐν Θεϱάπναις (Μενελάῳ καὶ Ἑλένῃ) ϑυσίας ἁγίους καὶ πατϱίους ἐπιτελοῦσιν οὐχ ὡς ἥϱωσιν ἀλλ̕ ὡς ϑεοῖς. Von den Menelaien vgl. Athenag. Leg. 14. a. Θεϱαπναῖος Απόλλων Apoll. Rh. 2, 162. Therapne nach Ein. ἐν Σπάϱτῃ Sch. Apoll. a. O. zu Pind. J. a. O., nach Aa. bei Steph. Byz. Sparta ſelbſt. Beide irren.94 lange aber dieſe Orte Achaͤiſch, war Sparta vom Meere ausgeſchloſſen, und von allen Seiten von Beſitzungen eines fremden Volkſtammes umringt. Es ſcheint indeß, daß auch die Dorier außer Sparta noch andre Punkte beſetzten, um die Beſitznahme des Ganzen vorzubereiten, wie Boͤaͤ in der Naͤhe von Malea1Pauſ. 3, 22, 9., und vielleicht auch Abia an der Meſſeniſchen Graͤnze2S. 53.. Aber von allen den Kaͤmpfen, an denen dieſe Zeit gewiß vorzuͤglich reich war, iſt uns, weil ſie dieſſeits der Mythologie, jenſeits der Geſchichte liegen, wenig Kunde geblieben.

Soviel aber duͤrfen wir ſagen, daß Ephoros offen - bar irrt, wenn er von einer Eintheilung Lakoniens er - zaͤhlt, die die Dorier gleich nach der Einnahme zu be - quemerer Beherrſchung des Landes gemacht3Dieſe tritt erſt ans Licht dadurch, daß es gelungen, das Fragment des Ephoros bei Str. 8, 364. d. zu ergaͤnzen und anzuordnen: Χϱῆσϑαι δε ΛΑΙ ΜΕΝ [χυϱώματι, Ἐπιδαύϱῳ (od. Γυϑείῳ) δὲ ἐμποϱίῳ διὰ τὸ] εὐλίμενον, ΑΙΓϒΙ δε πϱὸς τοὺς πολεμίους [ἐπιτειχισμῷ, ταύτην] γὰϱ ὁμοϱεῖν τοῖς κύκλῳ [πολεμίοις] ΦΑΡΙΔΙ δὲ [εἰς συνόδους] ἀπὸ τῶν ἐντὸς ἀσφάλειαν ἐχούσῃ. Αἰγῦτις nennt als Graͤnzdiſtrikt von Sparta Polyb. 2, 54, 3., wo nichts zu corrigi - ren iſt.. Sparta haͤtten ſie als Sitz der Herrſchaft fuͤr ſich behalten; Amyklaͤ4Den νομὸς Αμυκλαῖος nach Nikol. von Damask. dem Philonomos, der ihnen das Land durch Verrath in die Haͤnde gegeben, uͤberlaſſen, und in die andern vier Theile Unterkoͤnige geſandt. Die Hauptorte dieſer vier Theile ſeien Las, Epidauros Limera (oder Gytheion), Aegys und Pharis geweſen, von denen das erſte als die feſte Burg Lakonikas5S. Steph. Byz. Pauſ. Die Dioskuren Λαπέϱσαι werden da - von abgeleitet., das andre als ein guter Hafen, das dritte als gelegener Waf -7einem Kriege Sparta’s mit den Perioͤken in Lykurgs Zeit, Nikol. Damaſe. Fragm.95 fenplatz fuͤr die Arkadiſchen Kriege, das vierte als ein innerer Vereinigungspunkt gedient habe. In dieſen haͤt - ten die Perioͤken gewohnt und den Spartiaten ohne Ver - luſt der Freiheit gehorcht. Dieſe Erzaͤhlung paßte ohne Zweifel ſehr wohl in die pragmatiſirte Geſchichte des Ephoros, aber ſie ſtimmt wenig mit jenen vereinzelten aber aͤchteren Traditionen uͤberein. Die[Eintheilung] in ſechs Provinzen halten wir zwar fuͤr faktiſch, nur daß ſie weit ſpaͤter erſt ins Werk geſetzt wurde. Von dieſen umfaßte etwa die erſte das Weichbild der Stadt, die zweite das Gebirge Taygetos nebſt der Weſtkuͤſte, die dritte den Lakoniſchen Golf, die vierte vielleicht das jetzige Zakonia jenſeits des Eurotas, die fuͤnfte den noͤrdlicheren Theil des Landes, die ſechste den untern Lauf des Eurotas. Das Faktiſche einer ſolchen Einthei - lung wird auch dadurch beſtaͤtigt, daß wir eine ent - ſprechende in Meſſenien finden, von welcher außer Ephoros auch Andere reden1̔ϒαμεία πόλις Μεσσηνίων τῶν πέντε. Steph. vergl. Pauſ. 4, 14, 3. Μεσόλα πόλις Μεσσήνης μία τῶν πέντε. Νικόλαος τετάϱτῳ. Steph. Darnach ergaͤnzen wir nun Ephoros bei Str. 8, 361 c. ſo: ὥστε τὴν Στενύκλαϱον μὲν ἐν τῷ μέσῳ τῆς χώϱας ταύτης κειμένην ἀποδεῖξαι βασίλειον αὑτῷ τῆς βασι - λείας, πέμψαι δὲ ἐς Πύλον τε καὶ ῾Ρίον [καὶ Μεσόλαν καὶ] ϒϒαμῖτιν ποιήσοντας ἰσονόμους πάντας τοῖς Δωϱιεῦσι τοὺς Μεσ - σηνίους. In dem Texte ſteht jetzt eine von Cafaubonus gemachte Lesart, nach der R. Rochette 3. p. 13. bona fide von einem Ge - ſandten des Kresphontes, Jamites, ſpricht. Vgl. Μεσόλα καθή - κουσα εἰς τὸν μεταξὺ κόλπον τοῦ Ταϋγέτου καὶ τῆς Μεσσηνίας. Str. 8, 360. ῾Ρίον ἀπεναντίον Ταινάϱου. Ebd.. Denn auch hier ſoll Kresphones das Land ſo eingetheilt haben, daß Ste - nyklaros der Sitz der Dorier und ihres Koͤnigs wurde, und dieſen die Meſſeniſchen Orte Pylos, Rhion, Meſola und Hyamia untergeordnet wur - den. Pylos ſcheint wahrſcheinlich die ganze Weſtkuͤſte96 zu begreifen, Rhion iſt das Vorgebirge von Methone und die benachbarte Suͤdkuͤſte, Hyamia moͤchte ich fuͤr das Geſtade des Meſſeniſchen Buſens zunaͤchſt an der Graͤnze Lakoniens halten, Meſola bedeutet das Mit - telland1Vgl. den Namen der alten Lakoniſchen Stadt Ἱππό-λα. Pauſ. 3, 25, 6. Steph. Byz. und das alte Ethnikon von Argos Αϱγό-λας. am Pamiſos, Stenyklaros die noͤrdlichere Ebene Meſſeniens.

14.

Ganz nahe liegt ein anderes Beiſpiel, auf welche willkuͤhrliche Weiſe ſich Ephoros die Geſchichte zuſammenraͤſonnirte. Er geht davon aus, daß Eury - ſthenes und Prokles, obgleich Gruͤnder Sparta’s, doch nicht als ſolche (als ἀϱχηγέται) verehrt wuͤrden, keiner goͤttlichen Ehre genoͤſſen, keinem Stamme den Namen gegeben haͤtten u. ſ. w. Hier iſt nun ſchon der Anfang falſch, da Euryſthenes und Prokles nach aͤchter Landesſage gar nicht die Gruͤnder waren, wie eben gezeigt wurde. Daraus ſchließt nun aber der Hiſtoriker, daß ſie die Dorier muͤſſen beleidigt haben, und findet dieſe Beleidigung in der Aufnahme fremder Buͤrger, durch deren Huͤlfe ſie ihre Herrſchaft ausge - dehnt haͤtten. Solches Verfahren entſchuldigt hin - laͤnglich, wenn wir auf allen Wegen Ephoros Behand - lung aufheben und ſeine Reſultate umſtoßen muͤſſen.

Uebrigens muß es im Alterthum uͤber Prokles und Euryſthenes viele Sagen gegeben haben, die uns nicht zugekommen ſind. Allgemein verbreitet war die Sage von ihrer beſtaͤndigen Uneinigkeit, und wir wiſſen, daß man viel von Prokles, wenig von Euryſthenes Helden - thaten erzaͤhlte2Bei Herodot, Pauſanias, Cicero de divin. 2, 43.. Merkwuͤrdig aber iſt beſonders, was Cicero gelegentlich anfuͤhrt, daß Prokles ein Jahr vor97 Euryſthenes geſtorben ſei. Gab es Aufzeichnungen aus ſo fruͤher Zeit; oder konnte die Tradition ſo genaue Data enthalten? Auch das iſt eine ſehr beachtungs - werthe Notiz, daß die Frauen der beiden Koͤnige eben - falls Zwillingsſchweſtern waren, Lathria und Anaxan - dra mit Namen, Toͤchter des Therſandros, Koͤnigs der Kleonaͤer, wie wir oben vermutheten1S. 81. V.. Auch von Prokles Sohne, Soos2Vgl. uͤber ihn Valcken. zu den Adonkaz. S. 266., (dem Stuͤrmiſchen), ruͤhmte man in Sparta große Heldenthaten3Plut. Lyk. 2, 3.. Ja man ließ ihn ſchon mit den Kleitoriern Krieg fuͤhren und erzaͤhl - te: wie in dem engen Thale von Kleitor, rings von Feinden umgeben und von Durſt uͤbermaͤßig gequaͤlt, er alle Eroberungen aufzugeben verſprochen, wenn man ihm mit ſeinem Heere vergoͤnne, aus der Quelle zu trinken. Darauf habe er dem die Krone angeboten, der nicht trinken wuͤrde, da aber keiner ſie um den Preis gewollt, habe er ſich mit Waſſer aus der Quelle benetzt, aber ſei, ohne zu trinken, davon gegangen4Plut. Lyk. 2. Lak. Apopht. S. 234.. Aber noch weit ſpaͤter wuͤrde ſchwerlich ein Spar - taniſcher Koͤnig gewagt haben, durch das feindliche Arkadien nach dem verhaͤltnißmaͤßig weit entlegenen Kleitor zu ziehen, und ſo viel Hohlwege, Schluchten und Berge hinter ſich zu laſſen.

15.

In der Gegend, welche von dieſer Zeit an, wir wiſſen eigentlich nicht woher, den Namen Meſſe - nien erhielt5Wahrſcheinlich von dem Μἐσση des Homeriſchen Katalogs, deſſen Lage aber ganz unbeſtimmt, da die Stadt Meſſene damit nicht zuſammen haͤngt., war vor der Doriſchen Einwanderung Pylos die bedeutendſte Stadt, wohin ſich die FamilieII. 798der Neliden aus dem Triphyliſchen gezogen hatte1Orchomenos S. 366. Das Gebiet von Pylos hatte ſich nach der Sage Pauſ. 4, 15, 4. bis nach Kapruſema bei Stenykla - ros erſtreckt.. Die Dorier unter Kresphontes2Kresphontes, wie Ariſtomenes, Name noch ſpaͤter in Meſſenien. Inscr. Reines. cl. 5. n. 52. Walpole 2. p. 555. ſchlugen nun zwar im entgegengeſetzten Theile des Landes, zu Stenyklaros im innern Lande, ihren Sitz auf; indeſſen mußten ſie doch ſchon bald ſo auf Pylos draͤngen, daß ein Theil der Einwohner zur Auswanderung bewogen wurde. Denn daß mehrere der adligen Geſchlechter in Athen ſowohl als dem Joniſchen Aſien von Pylos ſtammten, iſt durch[ein] Zuſammenſtimmen vieler Stadt - und Fa - milientraditionen uͤber allen Zweifel erhoben; und eben ſo gewiß iſt, daß ſie nicht lange vor der Joniſchen Wanderung den Peloponnes verließen. Der aͤlteſte Zeuge, Mimnermos, ſagt, daß die Gruͤnder ſeiner Va - terſtadt Kolophon vom Neleiſchen Pylos gekommen3bei Str. 634 b. Er gehoͤrte zu den Kolophoniern, die ſich in Smyrna niedergelaſſen hatten., wo es faſt ſcheint, als denke ſich der Dichter eine un - mittelbare Wanderung dahin. Indeſſen blieb Pylos obgleich man es ſich gewoͤhnlich als Doriſch von dieſem Zeitpunkte an denkt wohl noch lange als unabhaͤn - gige Stadt, wenn auch in beſchraͤnktem Gebiete, ſte - hen, ja noch uͤber die Meſſeniſchen Kriege hinaus, da es noch im zweiten hier Neſtoriden als Bundesgenoſſen der Meſſenier gab4Str. 355 d. Pauſ. 4, 3, 3. u. Aa ſprechen dann zu allgemein von der Vertreibung der Neſtoriden., und nach der Ueberwindung letzterer die Pylier und die Methonaͤer ſie eine Zeit - lang bei ſich aufnehmen konnten5Pauſ. 4, 18, 1. 23, 1. Pindar P. 5, 70. nimmt es nicht ſo genau Λακεδαίμονι ἐν Ἄϱγει τε καὶ ζαϑἐᾳ Πὐλῳ ἔνασσεν ἀλϰᾶντας Ἡϱακλέος ἐκγόνους Αἰγιμιοῦ τε (Ἀπόλ - λων)..

99

16.

Von Meſſeniens innern Verhaͤltniſſen koͤnnen wir noch weniger wiſſen, als von denen Lakonikas, da nach dem Aufhoͤren der politiſchen Exiſtenz auch die Monumente, ja ſelbſt die Menſchen untergingen, an denen und durch die ſich die Kunde haͤtte fortpflanzen koͤnnen. Indeſſen geben doch, Ephoros Nachrichten bei Seite geſetzt, einige ſehr einfache Umſtaͤnde einen Be - griff von dem Zuſtande des Landes. Man erzaͤhlt, daß als Kresphontes durch Verrath umgekommen, die Ar - kader, vereinigt mit den Koͤnigen Sparta’s und Keiſos von Argos, ſeinen Sohn Aepytos wieder eingeſetzt haͤtten1Apollod. 2, 8, 5. Pauſ. 4, 3. 8, 5, 5. Der ſophiſtiſche Iſokrates Archidam c. 7. laͤßt von der Zeit an die Lakedaͤmonier Meſſenien beherrſchen, das ihnen die Soͤhne des Kresphontes gege - ben. Euripides in der Merope erzaͤhlte ſo: Polyphontes hatte den Kresphontes getoͤdtet und ſich ſeiner Gemahlin Merope und der Herrſchaft bemaͤchtigt. Der Sohn Telephon, den Merope zu einem Gaſtfreund in Aetolien geſandt, kommt zuruͤck, und toͤdtet durch Liſt und nach allerlei tragiſchen Scenen den Thronraͤuber. S. Fragmente und Hygin f. 137. die Fortſ. in 184. Apollodors Erzaͤhlung iſt mehr mit der Landesſage in Uebereinſtimmung ge - bracht., der bei dem Vater ſeiner Mutter Merope, dem Arkader Kypſelos, erzogen worden war2Der Stammbaum iſt der: Aepytos Kypſelos Merope Aepytos Aepytidaͤ., und durch ſeine Thaten ſo viel Ruhm erwarb, daß alle ſeine Nachfolger Aepytiden genannt wurden. Aepy - tos Name haͤngt offenbar zuſammen mit Aepytis, wel - che Gegend auf den Graͤnzen von Arkadien und Meſ - ſenien beim uralten Andania, dem aͤlteſten Culturſitze des Landes, lag. Die Namen ſeiner Nachfolger, Glaukos, Iſthmios, Dotadas, Sybotas (Sauhirt), Phintas (der Liebreiche) ſtehn im merkwuͤrdigen Ge - genſatze gegen die der Lakoniſchen Koͤnige, wie Eury - ſthenes (Weitſtark), Prokleas (Vorruhm), Agis (Heer -7 *100zog), Soos (Kriegsſturm), Echeſtratos (Diet-reich), Eurypon (Weitreich), Labotas (Volkshirt), und ſo fort. Waͤhrend dieſe von gewaltigen Kriegsfuͤrſten reden; toͤnt in jenen etwas friedliches, idylliſches, arkadi - ſches. Was Panſanias von ihnen angiebt, betrifft faſt einzig die Einſetzung von Feſten, und auch die Goͤtter, denen ſie geweiht werden, ſtimmen mit jenem allgemeinen Character uͤberein. Glaukos und Iſthmios gruͤnden oder befoͤrdern den Asklepiadencultus in Gere - nia und Pharae, Sybotas fuͤgt an den alten Cult der großen Goͤtter zu Andania die Leichenopfer des von dem Theſſaliſchen nach dem Meſſeniſchen Oechalia uͤbergetragenen Heros Eurytos u. a. dgl. Ueberhaupt war es dieſer Kabiriſche Demeter-Cult von An - dania, mit dem in Attika zu Eleuſis und Phlya herrſchenden verwandt, einer der aͤlteſten des Pelopon - nes, der damals in Meſſenien bluͤhte1Nach vielen Stellen bei Pauſan. 4., da doch nach Herodot die Doriſche Herrſchaft der alten Feier der Goͤttin ſonſt uͤberall feindlich war22, 171.. Daher auch die myſtiſche Weihe von Andania, ſo lange die Spar - tiaten Meſſenien beherrſchten, unterblieb und in Ver - geſſenheit gerieth, bis Jahrhunderte ſpaͤter Epameinon - das ſie, ob nach bloßer Erinnerung der Landeseinwoh - ner oder haͤtte man wirklich auf Ithome eine alte Zinnplatte in eherner Urne mit dunkeln Worten aus alter Religion gefunden? wieder feierlich in ihre Ehre einſetzte.

Jene Einſetzung des Aepytos aber laͤßt ſich ablei - ten aus dem dreifachen Buͤndniſſe, ſowohl der Fuͤrſten als der Voͤlker von Argos, Sparta und Meſſe - ne, wodurch ſie ihre gegenſeitigen Rechte gewaͤhrleiſteten,101 von welchem Buͤndniſſe Platon eine zweifelsohne vor - handene, wenn auch ſchwache Sagenſpur, im Geiſte politiſcher Philoſophie ausgebildet hat1Geſetze 3. S. 684..

Von den Anlagen der Dorier im Peloponnes wenden wir uns zu denen außerhalb der Halb - inſel.

102

6.

1.

Der Reichthum des Stoffes noͤthigt uns hier ganz beſonders mit Vorausſetzung andrer Unterſuchungen und Nachweiſungen das Ganze kuͤrzer zuſammen zu faſſen, außer wo etwa die Hoffnung, neue Bahn zu oͤffnen, weitlaͤuftigere Vorkehrung veranlaßt.

Wir ordnen die Colonien nach den Metropolen zuſammen, weil dieſe mit groͤßerer Sicherheit gegeben ſind, als die Zeit der Gruͤndung; und werden dabei zugleich die zuſammenliegenden und unter ſich verbun - denen Niederlaſſungen zuſammenzuſtellen ſuchen. Zu - erſt die Kolonien von Argos, Epidauros, Troͤzen. Wir behandeln dieſe verbunden, weil ſie alle in einer Richtung gehen, und oft auch, indem die andern Staͤdte mehr oder minder die Suprematie von Argos anerkannten, gemeinſam gefuͤhrt wurden. Sie gehen nach dem ſuͤdlichen Ende Kleinaſiens hin - uͤber.

Die Dorier an der Suͤdweſtkuͤſte Klein - aſiens ſtammten nach Herodot vom Peloponnes1In der folgenden Beweisfuͤhrung, obgleich von vorn an - fangend, ſetze ich doch voraus, was Aeginetica p. 42 ſteht. Auf dieſe Wanderung bezog man den alten Ausdruck Λιμοδωϱιεῖς. S. Heſych, Plut. Prov. 34. S. 590. Doch Didymos bei Heſ. nennt Λιμοδ. die am Oeta. Vgl. S. 40. N. 4.. Und zwar betrachtete man ſie im Allgemeinen als eine103 Argiviſche Colonie1Rhodier von Argos nach Thukyd. 7, 57., von der Strabon Rhodos, Ha - likarnaſſos, Knidos, Kos ableitet, gefuͤhrt von Hera - klidiſchen Fuͤrſten, von denen die edlen Familien auf Rhodos, namentlich die Eratiden oder Diagoriden zu Jalyſos, ihr Geſchlecht herleiteten2Die Erati - den deuten auf Argos, nach der Bemerkung von Boͤckh. Explic. ad. Pind. O. 7. p. 165.. Man hielt dieſe Wanderung fuͤr gleichzeitig und ſetzte ſie in Verbindung mit dem Zuge des Althaͤmenes, Sohnes des Keiſos, von Argos nach Kreta3Es gab verſchiedene Λὐσεις, um die 100 Staͤdte Kreta’s in der Ilias mit den 90 der Odyſſee zu vereinigen, wie man aus Schol. Ven. Catal. 156. ſicht. Ephoros laͤßt den Althaͤmenes flugs 10 Staͤdte in Kreta gruͤnden, ſo daß deren zur Zeit des Odyſſeus noch 90, zu Homers Zeit 100 geweſen waͤren. Str. 10, 479. So ſchrieb Ephoros Geſchichte. Wohl nur eine Corruption des Namens iſt Pylaͤmenes der Lakedaͤmonier Schol. Ven. Von Althaͤmenes leitet die Tripolis ab Konon 47.. Nun wiſſen wir aber durch Herodot47, 99., daß die Koer, Kalydnier und Niſyrier von Epidauros gekommen waren, wo - durch aber aus ſchon angedeuteten Gruͤnden keine von jener verſchiedene Coloniſation[angegeben] wird. Eben - ſo hieß Aegina Colonie von Argos wie von Epidauros. Beſtaͤtigt wird die Angabe des Geſchichtſchreibers durch die Uebereinſtimmung des Koiſchen und des Epidauri - ſchen Asklepiosdienſtes, die ſo groß war, daß ſie Co - lonialverbindung erweiſt5In beiden Schlangendienſt, Incubation, Gebrauch der Votivtafeln u. ſ. w.. Auch haben wir eine Sage von heiligen Sendungen zwiſchen Kos und Epidauros; ein Schiff von der letztern Stadt will eine Asklepios - Schlange der erſtern zufuͤhren6bei Pauſ. 3, 23, 4.. Aus dieſem Verhaͤlt - niſſe muͤſſen wir freilich, ſobald wir es als faktiſch be - trachten, mehr folgern als gewoͤhnlich geſchieht. Naͤm - lich daß die Doriſche Colonie von Kos u. ſ. w. erſt104 eine Zeitlang in Epidauros gewohnt, und den dort fruͤher beſtehenden Asklepiosdienſt ſich angeeignet hatte, ehe ſie nach Aſien uͤberging. Und da wir ferner in Knidos und in Rhodos den Asklepiosdienſt ebenfalls herrſchend finden1Sprengels Geſch. der Med. 1. S. 343. 356. neue Ausg., ſo werden wir auch von dieſen vorausſetzen, daß ihre Bevoͤlkerung zum Theil uͤber Epidauros ge - kommen. Welches von Rhodos noch dazu der Redner Ariſteides aus der Landestradition angiebt, von Alters ſeid ihr Dorier und habt Herakliden und Asklepiaden zu Fuͤrſten gehabt2An die Rhodier 2, 396. Von den Asklepiaden in Knidos ſ. beſonders Theopomp. bei Phot. 176.. So exiſtirten auch in Kos Asklepiadiſche und Heraklidiſche Familien, und Hippo - krates gehoͤrte von Vaterſeite zu den erſten, von muͤt - terlichem Geſchlecht zu den andern3Sprengel S. 554.. Gleichzeitig mit dieſer Argiviſch-Epidauriſchen Wanderung war die Argiviſch-Troezeniſche4Vitruv. 2, 8, 12. cum Melas et Areuanius ab Argis et Troezene coloniam communem eo loco induxerunt, barba - ros Caras et Lelegas ejecerunt. Tacitus 1200 Jahre von der Gruͤndung bis Tiberius Zeit, muß man als runde Zahl nehmen., die Halikarnaſ - ſos, die Meerburg (ἁλι-κάρηνον), gruͤndete, welches auch hier die Verwandtſchaft der Religionen beſtaͤtigt5Halikarnaß Religionen, wie ſie die Muͤnztypen zeigen, laſſen ſich vollſtaͤndig ableiten. Georgoneion, Pallaskopf, Trident, Poſeidonsk. gehn auf Troͤzeniſch-Attiſchen Pallas - und Poſeidonkult; Dreifuß, Lyra, Apollon - und Demeterkopf auf die sacsa Triopia. In Kos herrſchen Inſignien des Asklepios, daneben des Herakles als Va - ters des Pheidippos.. Und zwar ſcheint es, daß es nur eine Doriſche Phyle, die Dymanen, war, welche dieſe Stadt bevoͤlkerte6Kallimach. bei Steph. s. v. Ἁλικαϱν. vgl. Aegin. p. 140., die erſt durch Anſichziehn der fruͤheren Einwohner, Le - leger und Karer, bedeutend wurde7Vitruv. a. O..

105

2.

Es waren es aber nur die genannten Orte, naͤm - lich die Doriſche Tripolis von Rhodos, die wahrſchein - lich auch aus der Phyleneintheilung hervorgegangen war, nebſt Knidos, Kos und Halikarnaſſos, welche den ei - gentlichen Doriſchen Bund bildeten, der vor der Ausſchließung von Halikarnaß die Hexapolis, nachmals die Pentapolis hieß, auf dem Triopiſchen Vorgebirge einen mit uralter Demeterreligion verbundenen Apollo - kult in gemeinſamen nationalen Feſten feierte1S. B. 2, 3., aber ſeinen Einfluß wohl wenig auf politiſche Verhaͤltniſſe erſtreckte2Dion. Hal. Roͤm. Geſch. 4, 25. ſchreibt ihm wahrſcheinlich davon zu viel zu.. Aber außer den genannten waren noch mehrere Orte und Inſeln der Gegend Doriſch3Herod. 1, 144.. Das Inſelchen Telos vor Triopion war vermuthlich von Lindos abhaͤngig4Nach der Erzaͤhlung von Gelons Vorfahren bei Herod. 7, 153.; Niſyros und Kalydna ſind ſchon genannt; die Einwohner waren Epidauriſche Do - rier, die zur Koiſchen Colonie gehoͤrten5Vgl. Herod. mit Diod. 5, 54., auch Kar - pathos und Kaſos hatten Argiviſche Coloniſten inne, die letztre ſoll Joklos, Demoleons Sohn, ein Argeier von Herkunft, eingenommen haben6Diod. a. O. Tac. Ann. 12, 91.; Syme iſt von Knidos aus beſetzt worden, von welcher Stadt noch unter den Lakoniſchen Anlagen die Rede ſein wird; Aſtypalaͤas Bewohner waren zum Theil von Mega - ra gekommen7Skymn. Ch. 549. Wohl mit der Kolonie des Al - thaͤmenes.; den Doriſchen Urſprung beurkundet der Dialekt noch uͤbriger Dekrete8Z. B. ε [δοξε] ται βουλαι και τωι δαμωι φιλ [οκλης φιλ] θενευς επεστατει γνωμα πϱυ [τανιων] u. ſ. w. aus Villoiſons Papieren., derſelbe Grund laͤßt uns Anaphe als Doriſche Colonie erkennen9S. die Anfuͤhrungen Villoiſons in den Mem. de l’Ac. des Inscr. T. 47. p. 287. Eine Inſchrift unter ſeinen Pa -,106 welches ſich weiter an die ebenfalls Doriſchen Eilande Thera, Pholegandros1Von Pholegandros ſ. Mem. de l’Ac. p. 307. 339. und Melos anſchließt, die alle zuſammen eine Kette uͤber den ſuͤdlichen Theil des Ae - gaͤiſchen Meers bilden, und durch ihre Lage ſchon Zu - ſammenhang und Conſequenz in der Anlegung erweiſen. Auf dem feſten Lande aber hatte Myndos gleiche Einwohner mit Halikarnaß erhalten2Pauſ. 2, 30, 8. Daß Karyanda Doriſch geweſen, ſagt Skylax nicht, wie Raoul-Roch. angiebt., vielleicht hat auch Mylaſa einige Verbindung mit Doriern gehabt3Herod. 5, 121. Ἡϱακλείδης Ἰβανώλιος, ἀνὴϱ Μυλασεὺς als Anfuͤhrer von Karern.. Kryaſſa in Karien war von Meliern, von der Dori - ſchen Inſel, coloniſirt4Plu - tarch Ἀϱ. γυν. S. 271. 4. Polyaͤn. 8, 56. Nach Lykophron V. 1388. beſetzte die Doriſche Kolonie auch Thingros und Satnion, Orte in Karien nach Tzetz., bei dem zweimal Καϱίας fuͤr Ἰκαϱίας zu corrigiren iſt.. Selbſt im innern Lande, in Phrygien, waren Synnada und Norikon Doriſch5Von Norikon §. 11. Von Synnada die Muͤnzen ΣϒΝΝΑΔΕΩΝ ΔΩΡΙΕΩΝ, aber auch ΣϒΝΝ. ΙΩΝΩΝ und beides zuſammen. Vgl. noch Καστολοῦ πεδίον Δωϱιέων. Die Dorier bei den Lydern alle Καστωλοὶ genannt. Stephan. Byz., von denen freilich bei dieſem ſelbſt die Lage, bei jenem wenigſtens die Weiſe, wie Dorier hingelangen konnten, gaͤnzlich unbekannt iſt. Ich habe hier, zum Theil dem Gange dieſer Auseinanderſetzung vorgreifend, ziem - lich alle bekannten Staͤdte dieſer Gegend, die von Do - riern des Peloponnes gegruͤndet, aufgezaͤhlt; fuͤgt man noch dazu die Kolonien von Rhodos auf der gegenuͤber liegenden Kuͤſte, und die von Kreta angelegten, ohne Zweifel Doriſch redenden, Staͤdte Lykiens: ſo erhaͤlt man den Ueberblick einer ſehr ausgedehnten Reihe von Kolonien dieſes Stammes. Einige derſelben waren9pieren betrifft den Bau des Apollon - und Aphroditentempels da - ſelbſt. Der letzte Cult ſcheint Lakoniſche Anlage zu beweiſen.107 wohl von den groͤßern adhaͤngig; viele dagegen ſtan - den ganz allein; fruͤhere Uneinigkeiten ſcheinen ſie von jenem Bunde der Sechsſtaͤdte getrennt und entfremdet zu haben1Vgl. Steph. Byz. Αϱαὶ, Ιωνίας (falſch. Sie liegen zwi - ſchen Sywe und Knidos Athen. 6, 262 f.) νῆσοι τϱεῖς οὕτω λε - γομένασ διὰ τὰς ἀϱὰς, ἃς Δωϱιεῖς ἐποιήσαντο πϱὸς τοὺς Πεντα - πολίτας, ὡς Αϱιστείδης. Nach Dieuchidas bei Athen. iſt der Fluch aus Triopas und Phorbas Zeit.. Die Kalymnier wandten ſich daher auch ſpaͤter, bei Gelegenheit ſchwieriger Proceſſe, nicht an die groͤßern ſtammverwandten Staͤdte, ſondern an die zwar fruͤher auch von Argos her Doriſchen, aber her - nach durch die Mileſier ganz ioniſirten2Polyb. 16, 12, 1. Jaſier, die ihnen fuͤnf Richter ſandten: welches indeſſen auch in der temporaͤren Aehnlichkeit der Verfaſſungen ſeinen Grund haben konnte3S. das Dekret der Jaſier, welches das doriſchgeſchriebene der Kalym - nier einſchließt, bei Chandler Inscr. P. 1, 58..

3.

Nachdem ich uͤber die Anlegung dieſer Doriſchen Staͤdte die einfachſten hiſtoriſchen Nachrichten und faktiſchen Relationen zuſammengeſtellt habe, iſt noch uͤbrig, die mythiſchen Erzaͤhlungen zu pruͤfen, die ſich daran angeſponnen haben, indem man dieſelben Colonien nur durch andere Namen darſtellte, und in entferntere Zeiten zuruͤckſchob. Daß es ſich ſo verhalte, iſt ſehr klar von dem Mythiſchen, was ſich an die Troezeniſche Colonie anknuͤpft. Uralte Fuͤrſten der Troͤ - zenier, Anthes und ſein Sohn Aëtios, haͤtten in Vor - zeiten Halikarnaß gegruͤndet4Strabo 8, 374. ſucht der Sage noch dadurch hiſtoriſches Colorit zu geben, daß Pelops den Anthes verjagt habe. vgl. 14, 656. Apollodor bei Steph. Ἁλικ.. Die Sage widerlegt ſich gleich ſelbſt durch den Beiſatz bei Kallimachos5bei Steph. Dies ſieht auch Raoul-Ro - chette 3. S. 31 ein.: Anthes habe Dymanen mit ſich gefuͤhrt, welche eine108 durchaus nur Doriſche Volksabtheilung waren. Und ſo werden wir Pauſanias Erzaͤhlungsweiſe bei weitem vorziehn12, 30, 8., nach welcher die Nachkommen des Aetios lange nach ihm nach Halikarnaß und Myndos uͤber - gingen. Darum darf man indeß dieſe nicht eben als Fuͤh - rer der Colonie anſehn, welches nothwendig Doriſche Herakliden waren. Sondern es war vermuthlich ein Geſchlecht, welches den Poſeidonsdienſt mit Vorzuͤglich - keit uͤbte, (daher Anthes Sohn des Gottes,) und ihn nun auch nach der Colonie mitbrachte. Daß aber ein ſolches Geſchlecht und mit ihm Sage und Name des Anthes wirklich in Halikarnaß bluͤhte: erſieht man auch aus dem dichteriſchen Namen der Halikarnaſſier: An - theaden2Steph. Byz. Ἀϑῆναι. Es iſt be - kannt, daß auch Poſidonia in Unteritalien von einer Troͤzeni - ſchen Colonie dieſen Cultus, und mit demſelben den Namen er - hielt..

Aehnlich iſt ferner das Verhaͤltniß des Tlepole - mos zu der Rhodiſchen Coloniegeſchichte. Auch hier kommt der mythiſche Held von Argos3Und zwar, nach Pindar, gewiß in der Zeit, da Hera - kles ſelbſt da wohnte; daß er waͤhrend der erſten Heraklidenwande - rung ausgezogen, iſt erſt Meinung ſpaͤterer Mythographen., wie die ge - ſchichtliche Colonie, nur fruͤher. Allein, kann man einwenden, letztere koͤmmt zunaͤchſt von Epidauros; der Held keinesweges. Dagegen iſt noch eine deutliche Spur, daß man in den Rhodiſchen Genealogieen Tle - polemos zunaͤchſt mit den Epidauriſchen Herakliden fuͤr verwandt hielt. Pindar preiſ’t naͤmlich die Diagoriden als von Vaterſeite von Zeus, muͤtterlich von Amyntor abſtammend, weil dieſe beiden die Großaͤltern des Tle - polemos ſeien4O. 7, 24. vgl. uͤber Tlepolemos Mutter noch das 24. Ariſtotel. Epigram.. Nun war aber auch Deiphontes zu109 Epidauros nach der muͤtterlichen Abſtammung Amyn - toride, und daher beſonders nah dem Tlepolemos ver - wandt. Wahrſcheinlich iſt auch hier anzunehmen, daß es ein Geſchlecht bei jener Argiviſch-Epidauriſchen Colo - nie gab, welches ſich von einem Heraklesſohn Tlepole - mos herleitete, und hernach die Sagen von demſelben in Verbindung mit dem Zuge brachte1In Ilias E. iſt man gar nicht genoͤthigt anzunehmen, daß Tlepolemos von Rhodos komme, (da ſonſt in der Ilias gar kein Held der Achaͤer aus einer Kolonie ſtammt); der ſpaͤter gedichtete Catalog der Rhodier giebt keinen Grund dazu.. Man be - merkt uͤbrigens dieſelbe Inconſequenz, die wir eben beobachteten, in der Angabe, daß Tlepolemos Colonie ſich dreifach ſondert nach den Staͤmmen des Volks22, 668. Wenn Strabon 14, 653. auseinander ſetzt: Tlepolemos habe nicht Dorier, ſondern Aeolier und Boͤoter (als Heraklide von Theben) gefuͤhrt, ſo that er dies nicht nach einer Tradition, ſondern nach dem chronol. Syſtem. Die Vorfahren des Theron auf Rhodos (Schol. Pind. O. 2, 14.) haben damit nichts zu thun: und Raoul - Roch. 2. S. 272. vermengt Verſchiedenes., woraus ſehr deutlich hervorgeht, daß man ihn ſich immer als Doriſchen Fuͤrſten dachte.

Drittens hat auch die Colonie von Kos, Niſyros, Karpathos und Kaſos Archegeten oder Gruͤndungshe - roen, die von der Zeit der Colonie getrennt und ruͤck - waͤrts geſchoben ſind, naͤmlich Pheidippos und An - tiphos, Soͤhne des Herakliden Theſſalos oder des Herakles ſelbſt. Deren Urſprung leitet die Fabel von dem Einfalle des Herakles in Kos her, wobei er die Tochter des Eurypylos geſchwaͤngert habe, und laͤßt beide alsdann nach Ephyra in Thesprotien zuruͤckwan - dern, und ihre Nachkommen von da nach Theſſalien ziehn, wo ſich die Aleuaden von ihnen herleiteten3S. Buch 2. K. 12.. Wir geben hier wieder zu, daß Heraklidiſche Geſchlech - ter zu Kos ſich von den genannten beiden Heroen ab -110 leiteten; ſo kam auch der Name des Theſſalos in die Asklepiadenfamilie des Hippokrates aber da nun beide Heroen auch in Ephyra gelebt haben ſollten, und die Heraklesfabel, die ſich um Ephyra dreht, auf den aͤlteſten und aͤchteſten Erinnerungen des Stammes be - ruht, wie ſich unten zeigen wird: ſo verſchwindet da - gegen ihre Anweſenheit in Kos. In den Fabeln und Dichtwerken uͤber die Ruͤckfahrten der Helden von Troja ſuchte man freilich beides zu vereinigen; aber wer fin - det Schifffahrten von Kos nach Ephyra hinauf in dieſer Zeit in der Ordnung?

4.

Die guͤnſtige Lage dieſer Doriſchen Staͤdte auf Inſeln und Landzungen, die bequeme Rheden und Ha - fen fuͤr Schifffahrt und Seeverkehr boten, zog bald eine bedeutende Anzahl Colonien nach ſich. Von den Rhodiern mag man ſich wundern, daß ſie faſt we - niger und minder bedeutende Colonien an der Kuͤſte Kleinaſiens gruͤndeten, als in den Weſtlaͤndern; denn die von der Inſel ſpaͤter abhaͤngige Peraͤa ausgenom - men finden wir hier nur Gagaͤ1S. beſonders Etymol. M. 219, 8.; ſonſt R. Roch. 3. p. 157. und Korydal - la2Hekataͤos bei Steph. in Lykien, Phaſelis3wie R. Roch. 3. p. 251 gut aus Herod. und Ariſtaͤnetos πεϱὶ Φασηλίδος bei Steph. Byz. Γέλα u. Aa. zeigt. an der Graͤnze Lykiens und Pamphyliens, und Soloi in Kilikien4Eckhel D. N. 3. p. 68. Nach Str. 14 p. 671 d. Ροδίων καὶ Αχαιῶν, welches R. Roch. 3. p. 379. auf Achaͤa in Rhodos beziehn und καὶ auslaſſen moͤchte, aber davon kann das Ethnikon ſchwerlich Αχαῖος, ſondern muß etwa Ἀχαιείς heißen. als Rho - diſche Staͤdte. Dagegen gruͤndeten ſie, Ol. 22, 2. nach Thukyd., zur ſelben Zeit da ſie Phaſelis bauten, in Sicilien die herrliche Stadt Gela, die Mutterſtadt von Akragas. Dieſe Niederlaſſung ging von Lindos111 aus, welches den Aufuͤhrer Antiphemos (oder Deino - menes) gab1Beide Namen Etymol. M. Γέλα.. Es geſellten ſich Einwohner der kleinen Inſel Telos2Herod. 7, 153. Die Muͤnzen von Telos haben das Jupitershaupt und die Krabbe, wie die von Akragas; das letzte Symbol iſt auch auf denen von Kos und Lindos. hinzu; zugleich verbanden ſich Kretiſche Auswanderer damit; daß indeſſen die erſten vorherrſch - ten, zeigt der anfaͤngliche Name der Gruͤndung Λίνδιοι und die Goͤtterdienſte der Stadt. Dori - ſche Inſtitute (νόμιμα Δωρικὰ) waren allen genannten Gruͤndern gemein, und wurden daher auch in der Nie - derlaſſung feſtgeſtellt3Thuk. 6, 4.. Der Zuſammenhang und Ver - kehr mit jenen Inſeln dauerte fort; darum fand auch ſpaͤter Phalaris Geſchlecht, von Aſtypalaͤa kommend, in Agrigent Aufnahme4Nach den falſchen Brie - fen, woruͤber Bentlei an mehrern Stellen der Phalaridea richtig (doch ohne den hiſtoriſchen Zufammenhang zu merken) und Lennep in den Anm. hanbelt.; und die Emmenidenfamilie, welche Phalaris ſtuͤrzte, war aus derſelben Gegend, von Thera gekommen5Nach Hippoſtratos, B. 1. S. 338.. Ferner ſind Parthenope unter[den] Oskern und Elpiaͤ oder Salapiaͤ im Lande der Daunier, an deſſen Stiftung die Koer Antheil hatten, unbeſtrittene Anlagen der Rhodier; ja ſie kamen auch nach Iberien in ziemlich fruͤhen Zeiten, und gruͤndeten daſelbſt Rhode, ſo wie man auch an der Rhone-Muͤn - dung Spuren ihres Daſeins hatte6Vgl. außer Meurſius Heyne N. Commtr. Soc. Gotting. 2. cl. philol. p. 40 sqq. Daß Lyon eine Rhodiſche Colonie ſei, hat nach dem Pater Colonia kuͤrzlich wieder der Graf Wlgrin de Tail - lefer Antiquités dp Vesone behauptet, aber ganz ohne Grund.. Daher mag auch, was von Tlepolemos Fahrt nach den Baleari - ſchen Inſeln erzaͤhlt wird, und wenn man ihm die Gruͤndung von Sybaris zuſchreibt, nur als mythiſcher112 Ausdruck der Schifffahrten unternehmender Rhodier im weſtlichen Meere zu verſtehen ſein.

5.

Aber faſt noch ſchwieriger iſt es, das wahre geſchichtliche Verhaͤltniß einer Anzahl kleinaſiatiſcher Staͤdte zu beſtimmen, welche die Sage Colonieen von Argos, und zwar meiſt uralte Colonien nennt. Aber nur hiſtoriſcher Aberglaube kann es glaublich finden, daß Tarſos von der Jo oder Perſeus dem Argeier geſtiftet ſei1S. R. Roch. 2. S. 124. der auch an den Sieg des Per - ſeus uͤber Sardanapal glaubt., den man dort nebſt ſeinem Nachkommen Herakles als Tutelargottheit verehrte2S. beſonders Dio Chryſoſt. Tarſiſche Rede 33. S. 394. 406. 408. Herakles hieß ἀϱχηγὸς, und ihm wurde an ſeinem Feſte ein Rogus gebaut. vgl. Athen. 5, 215 b. von dem Stephanephoros des Herakles zu Tarſos., daß Mallos, Mopſueſtia, Mopſukrene, Phaſelis Argiviſche Weiſſager um die Zeit des Troerkrieges gegruͤndet haͤt - ten32. S. 403 ff.. Dazu kommen noch Aspendos bei Pamphylien, Kurion in Kypros, ja ſelbſt Jone bei Antiochia in Syrien4Steph. Byz. Ἰώνη., deren Anlegung den Argeiern beigemeſſen wird. Abgeſehen von der Zeit, in der die alten Peloponneſier ſo ausgedehnte damals unmoͤgliche Schifffahrten um die Chelidonien unternommen haben ſollen, ſo iſt es uͤberhaupt hoͤchſt ſeltſam, daß Argos, welches in keiner Periode unter den ſeefahrenden Voͤlkern Griechen - lands erwaͤhnt wird, grade an jenem Kuͤſtenſtriche eine ſo zuſammenhaͤngende und doch fuͤr Argos voͤllig nutzloſe Reihe von Colonien angepflanzt habe. Wir wagen, eine Anſicht anzuſprechen, zu der vielleicht keine vollſtaͤndigen Beweiſe, aber doch genug leitende Spuren vorhanden: daß alle dieſe Staͤdte Colonien der Rhodier, aber nach einer haͤufig vorkommenden Form der Colonienfuͤhrung, im Namen der Metropolis Ar -113 gos, und unter den Auſpicien Argiviſcher Goͤtter und Heroen gefuͤhrt ſeien1Auch mag ſich Diomedes des Argeiers Ankunft bei den Dau - niern auf die Anlage von Elpiaͤ beziehen. Er kommt mit Do - riern. Antonin. Lib. 37.. Erſtens werden Argeier und Rhodier als Gruͤnder zuſammen genannt, wie bei Soloi, welches die letztern doch ſelbſt vor dem Roͤmiſchen Se - nate nur als Schweſterſtadt vertheidigten2Polyb. Exc. Leg. 22, 7, 11. Liv. 37, 56.. Wie man aber Heroen zu Gruͤndern nahm, davon iſt gleich die genannte Stadt ein klares Beiſpiel. Denn hier ſollte der Argeiiſche Weiſſager Amphilochos hingekommen ſein, und ſchon in Heſiodiſchen Gedichten war von ihm er - zaͤhlt, daß ihn Apollon zu Soloi getoͤdtet habe3bei Str. 14. S. 676 b. . Wei - ter fuͤhrt folgendes Beiſpiel. Phaſelis bauten die Rho - dier zu derſelben Zeit wie Gela; der Gruͤnder wird Lakios genannt, den das Delphiſche Orakel nach Mor - gen, wie den Antiphemos nach Abend, geſandt habe4Steph. Byz. Γέλα. vgl. Athen. 7, 297. aus Heropythos Ὦϱοι Κολοφωνίων und Philoſtephanos π. τῶν ἐν Ἀσίᾳ πόλεων.. Nun iſt aber in einem andern Abſchnitte bemerkt5Buch 2, 2., daß Lakios eine kretiſche Form iſt fuͤr Rhakios, und ſo der Mann der Manto, Vater des Mopſos, der alte mythiſche Prophet des Klariſchen Tempels, heißt. Damit wir nicht zweifeln, daß dieſer gemeint iſt, ſagt die Sage auch, daß Mopſos, der Sohn des Rhakios, Phaſelis gegruͤndet6Pompon. Mela 1, 14. Die Sage iſt ſehr alt. Aus Kallinos Str. 14, 668. τοὺς λαοὺς μετὰ Μόψου τὸν Ταῦϱον ὑπεϱϑέντας τοὺς μἑν ἐν Παμφυλίᾳ μεῖναι, τοὺς δ̛ἐν Κιλικίᾳ μεϱισϑῆναι καὶ Συϱίᾳ, μέχϱι καὶ Φοινίκης. Vgl. noch uͤber Mopſos in Pamphy - lien Klem. Strom. 1. S. 334.; ſie nennt Pamphylia ſelbſt Toch - ter des Rhakios und der Manto7Str. 14. p. 675 u. Aa.; ſie behandelt end - lich Lakios voͤllig conſequent als Zeitgenoſſen und Mit - gruͤnder des Mopſos, den mit dieſem zugleich dieII. 8114Manto ausgeſandt1Philoſteph. a. O.. Was folgt daraus? Daß es kein Lakios war, der perſoͤnlich die Lindier nach Pha - ſelis fuͤhrte, ſondern ein ideales Weſen, und wahr - ſcheinlich eine Perſonificirung des Klariſchen Orakels, welches dabei mitwirken mochte2Auch Rhodia unweit Phaſelis iſt ſicher eine Rhodiſche Colonie, und Mopſos (Theopomp bei Photios cod. 176.) nur Gruͤnder im obigen Sinn. Eben ſo wohl Lyrneſ - ſos. vgl. Raoul-Roch. 2. S. 404 ff., der indeß von Alledem nichts entdeckt hat.. Daß auch der ge - genuͤberſtehende Αντιόφημος nichts anders ſei, werden gewandte Mythenerklaͤrer daraus leicht abnehmen. Um nun aber auch der Mutterſtadt Argos an den Pam - phyliſchen Colonien mythiſchen Antheil zu geben, muß Amphilochos, der zur Amythaonidenfamilie gehoͤrt, nebſt Kalchas an ihnen uͤberall Antheil nehmen; und vielleicht, daß wirklich auch Argiviſche Weiſſager, die ſich zur Familie dieſes Weiſſager-Heros rechneten, von den Rhodiern zugezogen wurden.

6.

Nun werden wir etwas tiefer in die dunkeln Sagen der Kilikiſchen Staͤdte Mallos, Mopſueſtia, Mopſukrene blicken koͤnnen. In deren Gruͤndungsfabeln ſtehn immer Amphilochos und Mopſos zuſammen; zu - gleich wird der Argiviſche Urſprung ſehr hervorgehoben; Cicero nennt beide Weiſſager Koͤnige von Argos3de div. 1, 40.. Auch hier duͤrfen wir alſo annehmen, daß Weiſſager der Metropolis herbeigeholt wurden, man kann die Propheten des Amphilochiſchen Orakels von Mallos ſich wirklich von da entſproſſen denken, obgleich auch im - mer wieder, wie unten gezeigt werden wird4Buch 2. K. 2., Klariſcher Dienſt hineinwirkt, aber die Vermittler, die eigentli - chen Anpflanzer, konnten nur ein ſeefahrendes Volk, die Rhodier, ſein. Weil aber dieſe Anpflanzungen in eine verhaͤltnißmaͤßig fruͤhe Zeit trafen, in der die Co -115 lonien noch gaͤnzlich von den Orakeln abhingen, und der Propheten nicht entbehren konnten, und zugleich noch eine ſchoͤpferiſche Mythendichtung lebendig war: ſo hat ſich ein dichtes Gewebe von Mythologie um die Geſchichte derſelben gezogen, welches wir aufzuziehen wenigſtens angefangen haben.

7.

Wir gehen ſogleich zu den Korinthiſchen Colonieen uͤber, deren geographiſche Lage ſchon ein bemerkenswerthes Reſultat uͤber die Geſchichte der See - fahrten ihrer Metropole giebt. Denn obgleich dieſelbe zwei Haͤfen, Lechaͤon nach dem Kriſſaͤiſchen, Kenchreaͤ nach dem Saroniſchen Buſen, hatte, ſo muͤſſen doch alle Colonieſendungen nur aus jenem ausgefahren ſein. Faſt alle ſiedelten ſich an den Kuͤſten des Joniſchen Meers an, an deſſen Ausfahrt die Korinther vielleicht ſchon fruͤhzeitig Molykreion beſetzt hatten1Thuk. 3, 102.. Indeſſen wagte es doch ſchon grade die aͤlteſte Korinthiſche Co - lonie, deren Zeit wir ziemlich beſtimmt kennen (Olymp. V.)2S. §. 10., uͤber das Joniſche Meer hinaus im ſchoͤnſten Theile Siciliens die weltberuͤhmte Stadt Syrakuſaͤ zu gruͤnden. Der Gruͤnder war Archias, ein Heraklide, und wahrſcheinlich ein Bakchiade3Denn was Plutarch Erotik. und Diod. Exc. 2, 228. p. 548 Weſſ. von der Vertreibung des Archias erzaͤhlen, giebt der Schol. Apoll. 4, 1211. von der Fa - milie der Bakchiaden an. Jene leiten von dem unvorſaͤtzlichen Morde des Sohnes des Meliſſos die Gruͤndung von Syrakus, dieſer von Korkyra her. Doch widerſpricht Marm. Par. L. 47. Archias δεκατος απο Τημενου, da die Bakchiaden ſich von Aletes, nicht Temenos ab - leiteten. Heraklide iſt er auf jeden Fall. S. Boeckh. Explic. Pind. O. 6. p. 153. Vgl. Goͤller de situ Syracusarum p. 5 sq. , ihm folgten Ko - rinther, beſonders aus dem Demos Tenea4Str. 7. S. 380 d. ; unter - wegs ſchloſſen ſich Dorier von Megara an ihn an5Str. 6, 269. vgl. Skymn. Ch. 274.,8 *116und als Weiſſager begleitete den Zug einer aus dem Prophetengeſchlechte von Olympia den Jamiden deſſen Familie zu Pindars Zeit in Syrakus bluͤhete1S. Boeckhs Einl. zu Ol. 6.. Es ſcheint aber, daß Syrakus manche religioͤſen In - ſtitute gleich damals von Olympia entlehnte, auf wel - ches der Dienſt der Arethuſa, der Artemis Ortygia, des Olympiſchen Zeus hinweiſt. Dieſe urſpruͤngli - chen Gruͤnder baueten nun eine Stadt auf der Inſel Ortygia, deren Name nur aus dem Cultus der ge - nannten Goͤttin erklaͤrt werden kann; das den einhei - miſchen Sikulern abgenommene Land theilten ſie in Looſe, κλῆϱοι, nach der Zahl der Theilnehmer an der Colonie. Denn dies war uͤberall die Weiſe der Anlage dieſer Colonien, daß die Theilnehmer gleich im voraus das Verſprechen eines Landantheils erhielten; und auch dies heißt κλῆρος. Einen ſolchen ſoll bei dieſer Nie - derlaſſung Aethiops, ein Korinthiſcher Schlemmer, um einen Honigkuchen an einen Tiſchgenoſſen verkauft ha - ben2Athen. 4. p. 167. aus Demetr. Skepſ. Archilochos erwaͤhnte dieſen Aethiops; (Liebel Fragm. p. 233). Auch der Bakchiade Eumelos, der beruͤhmte Dichter Korinths, war bei dieſer Colonie3Klem. Alex. Strom. 1. p. 298. Sein πϱοσόδιον war vor den Meſſeniſchen Kriegen gedichtet, um dieſelbe Zeit; wornach Band 1. S. 274 zu berichtigen, doch ſind die Κο - ϱινϑιακὰ vermuthlich juͤnger.. Ob nun gleich der Demos meiſt aus mannigfachem Volke, was ſich zu dieſer Colonie gewendet, beſtanden haben mag, und zugleich Siciliſche Leibeigene das Land um - her fuͤllten: ſo blieb Syrakus doch an Sprache und lange wohl auch an Sitten eine aͤcht-doriſche Stadt, wie die Frauen bei Theokrit fagen4Adon. 53. vgl. Thuk. 6, 77. ὅτι οὐκ Ἴωνες τάδε εἰσὶν, ἀλλὰ Δωϱιεῖς, ἐλεύθεϱοι ἀπ̕ αὺ - τονόμου τῆς Πελοποννήσου τὴν Σικελίαν οἰκοῦντες.:

117
Korinthiſch ſind wir von Urſprung
Wie auch der Bellerophon, und reden drum Peloponnafiſch.
Steht es doch frei, ſo dent ich, den Doriern Doriſch zu reden.

daher ſie ſpaͤter noch ein Lukaniſcher Geſandter ſonder - lich erfreute, der Doriſch zu reden gelernt hatte, um vor ihnen aufzutreten1Dio Chryſoſt. R. 38, 4.. Syrakus nahm ſo ſchnell an Bevoͤlkerung und Macht zu, daß es ſchon 70 Jahre nach der Gruͤndung Kasmenaͤ und zugleich Enna im Mittelpunkt der Inſel, 90 Jahre Akraͤ, 135 Ka - marina coloniſiren konnte. Auch ſollen2Nach Thuk. 6, 5. Dage - gen Raoul-Roch. 3. S. 319. Syrakuſiſche Fluͤchtlinge, Myletidaͤ genannt, mit Chalkidiern von Zankle Himera gegruͤndet haben, daher daſelbſt die Sprache aus Doriſch und Chalkidiſch gemiſcht war; die Sitten (νόμιμα) jedoch ganz Chalkidiſch.

8.

Die andern Korinthiſchen Kolonien liegen, wie ſchon bemerkt, alle diesſeits des Joniſchen Meers. Zu - naͤchft Solion in Akarnanien3Roch. S. 290. Die Muͤnzen von Alyzia moͤchte ich nicht als genuͤgendes Zeugniß des Korinthi - ſchen Urſprungs gelten laſſen, da oft auch Barbarenſtaͤdte die Typen benachbarter Helleniſcher annahmen. Pale als Korinthiſch anzuneh - men, giebt Herod. 9, 31. keinen Grund.; weiterhin war Am - brakia ſchon fruͤhe von Korinth beſetzt4Dies glaube ich, weil Herakliden, d. h. Bakchiaden, nach Anton. Lib. 4. es gruͤnde - ten, daher auch Herakleskult daſelbſt. Vgl. noch zu andern Stellen uͤber Ambrakia’s Doriſche Einw. das Epigr. von Damagetos in der Palat. Anthol. 7, 231., und her - nach unter der Herrſchaft eines Bruders von Perian - ger5Γόϱγος iſt wohl die richtigſte der Formen, bei Plut. Conv. 7. [Sap. p. 160. Str. 10. S. 452. 7. S. 325. Skymn. Ch. 427. Antonin. Lib. 1, 4. S. 23. Teuch. der ihn allein als Bruder des Kypſelos betrachtet.; von da wurde Argos Amphilochikon helle - niſirt6Thuk. 2, 68.. Anaktorion gruͤndeten die Korinther unter Periander gemeinſam mit den Korkyraͤern. Leukas118 nahmen ſie zur ſelben Zeit und mit denſelben verbun - den ein1Petrizzopulo Saggio storico sulle prime eta dell isola di Leucadia theilt eine angeblich fehr alte Inſchrift mit, die Boeckh ſo liest: παιϱ του Μενεσικϱατους του Κοϱειτιου (Κο - ϱινϑίου) και ουκ Ακαϱειν (Ἀκαϱνάν) ἱεϱον τ̕ Απολλωνος και πολειν ομωνοματειν ματηϱος κειτισα ταν εν τῳ Λευκατῳ, aber auch zugleich den groͤßten Zweifel an der Aechtheit des ſeltſamen Monuments aͤußert.; worauf aber, da Korkyra damals Korinth unterworfen war, kein Anrecht der letztern Stadt auf die Kolonie begruͤndet werden konnte; Themiſtokles hatte Unrecht, ihr ein ſolches beizulegen2Plut. Them. 24. aber die ganze Ge - ſchichte iſt ſchief dargeſtellt., und die Leuka - dier hielten ſich mit Recht fortwaͤhrend an die eigent - liche Metropolis. Weiter folgt Korkyra ſelbſt, deſ - ſen Pflanzung durch den Bakchiaden3So Schol. Apoll. 4, 1212. und aus Timaͤos zu V. 1216. Cherſikrates als ein Nebenzweig der Kolonie nach Syrakus vorgeſtellt wird4Doch ſetzte Timaͤos a. O. den Cherſikrates 600 Jahr nach dem Troerkriege, dieſen aber nach Cen - ſorin de d. nat. 21. 417 Jahre vor Ol. 1. folglich jenen Ol. 46, 3. in die Kypſelidenzeit. vgl. Muſtoxidi Illustrazioni Corciresi 1, 5. S. 65.: aber ſehr fruͤhzeitig hatte es ſich ſchon der Mutterſtadt als Nebenbuhlerin im Joniſchen Meere ent - gegengeſtellt; ja wahrſcheinlich ſchon vor den Perſerkrie - gen deren alte Macht gebrochen. Noch jenſeits liegt Epidamnos, das zwar meiſt von Korkyraͤern, aber unter Anfuͤhrung eines Korinthiſchen Herakliden, Pha - lios, Eratokleides Sohn, den jene mit einigen ſeiner Landsleute nach altem Kolonialrechte zugezogen hatten, (Ol. 38, 2. nach Euſeb. ) gegruͤndet, und nachmals noch durch Einwohner von Dyspontion in Piſatis ver - ſtaͤrkt worden war. Apollonia endlich legte ein Ko - rinther, Gylax, noch unter Periander mit 200 ſeiner Landsleute und einer groͤßeren Anzahl Korkyraͤer an. 119Dann hoͤrt die Reihe der Korinthiſchen Kolonien auf, welche indeß auch ſo ein feſtes und anſchließendes Band um die Laͤnder zog, durch welches ſelbſt die Barbaren des Binnenlandes, namentlich die Epeiroten Thespro - tiens, in dauernde Verbindung mit Korinth traten1Thuk. 1, 47.; daher auch die Koͤnige der Lynkeſten in Makedonien eine Ehre darin fanden, ſich vom Bakchiadenſtamme herzuleiten2Str. 7, 326. Skymn. Ch. 620.. Hoͤher hinauf war noch die Inſel Iſſa Syrakuſiſch3Skymn. Ch. 412. Nach Raoul-Roch. 4. p. 86. zur ſelben Zeit, da Dionys Liſſos gruͤndete, angelegt.; Korkyra aber beſaß vielleicht noch Orte bis in den Flanatiſchen Meerbuſen4Orchom. S. 297.. So viel er - hellt, daß es eine Zeit gegeben hat, wo die Stadt Korinth in dieſen Meeren mit der Macht eines ausge - dehnten Staates herrſchte, und vermittelſt Korkyra’s, Ambrakia’s und andrer Staͤdte Voͤlker von Barbaren leitete. Aber die gewaltſame Losreißung Korkyra’s, welches ſchon vor Periander, Olymp. 27.5Thuk. 1, 13., mit der Mutterſtadt Krieg gefuͤhrt hatte, aber hernach durch die entſchiedenen Kypſeliden wieder zum Gehor - ſam gebracht war, worauf es ſich zum zweitenmal losriß, war eine unheilbare Wunde fuͤr die Mutter - ſtadt. Indeſſen zeigten die andern Colonien dafuͤr eine beſondere Anhaͤnglichkeit an dieſelbe6μάλιστα ὑπὸ ἀποίκων στεϱγόμεϑα die Ko - rinther bei Thuk. 1, 38. vgl. 1, 26.,. Erſt nach Verluſt der Seeherrſchaft in dieſen Gegenden doch ſchon vor den Perſerkriegen ſcheint Korinth nach der entgegengeſetzten Seite hin in Chalkidike Potidaͤa gegruͤndet zu haben, welches es durch ſtaͤrkeres Ein - greifen in deſſen innere Verwaltung es ſandte jaͤhr - lich Epidemiurgen71, 56. in ſeiner Gewalt zu halten ſuchte.

120

9.

Dagegen war Megara durch ſeine Lage ver - anlaßt, ſeine Colonien von Anfang an nach der entge - gengeſetzten Seite, an die Thrakiſche Kuͤſte, zu ſenden. So ſchon Ol. 17, 3. Aſtakos in Bithynien1Nach Euſeb. Chron. S. Raoul-Roch. 3. p. 233.; dann Chalkedon am Eingange des Boſporos2Nach Heſych Mileſ. de Constant. p. 48. hieß der κτίστης Dineos. im zweiten Jahre der 26. Olympiade nach Euſeb. ; und 17 Jahre ſpaͤter (30, 3.) gegenuͤber an einer vortheilhaftern Stelle3Byzanz Lage von politiſchen und Handels-Geſichtspunkten uͤber - aus trefflich geſchildert bei Polyb. 4, 44. Byzanz. An der Gruͤndung dieſer Stadt nahmen auch Argeier Antheil, in welchem Punkte wir der allgemeinen Verſicherung des Heſychius Mileſius trauen duͤrfen, daß ſeine weitlaͤuftige und fabelhafte Urgeſchichte der Stadt aus alten Dichtern und Ge - ſchichtſchreibern geſchoͤpft ſei. Denn die Uebertragung des Cultus der Hera, der auch hier die Burg occu - pirte, und der Sagen von Jo, der Argiviſchen Hera Dienerin, beſtaͤtigen auf eine ſehr unzweideutige Weiſe die Annahme Argiviſcher Koloniſten. Jo ſoll hier von Zeus eine Tochter, Keroeſſa, geboren haben, (das iſt ſie aber wieder ſelbſt), die, von der Landesnymphe Se - meſtra geſaͤugt, hernach den Byzas gebar5Ebendaſ.. Daher auch hier die Fabel von der meerſchwimmenden Kuh lokal wurde6S. außer andern Palat. Anthol. 7, 169. Warum nimmt Raoul - Roch. nicht auch hier, wie ſonſt, eine uralte Colonie unter An - fuͤhrung der Argiviſchen Princeß Jo an?. Sonſt entſpricht die Verbindung von Goͤtterdienſten, wie ſie in Byzanz ſtatt fand, faſt ganz der in Megara gegebenen. Ja ſo ſehr hingen die von der Mutterſtadt weit getrennten Byzantier an den hei - mathlichen Erinnerungen, daß ſie auch die Namen der4)Dionys. Byzant. de Thracio Bosdoro bei Hudſon Geogr. min. T. 3. Man opferte ihr am erſten Tage des Jahres.121 Gegenden mit uͤbertrugen. Wir finden an der Kuͤſte hin einen Tempel Poſeidons, deſſen Sohn Byzas ſelbſt hieß, dann der Demeter und Kora, weiter die Skiro - niſchen Felſen, ein Iſthmiſches Vorgebirge mit dem Grabe eines Megariſchen Heros Hippoſthenes, auf dem hohen Vorgebirge Metopon den Tempel Apollons, dann einen Altar eines angeblichen Heros Saron, der ſich auf den Saroniſchen Meerbuſen bezog1S. Dionyf. Einiges davon auch bei Heſych. Sonſt noch Athena Ekbaſia Artemis Diktynna (auch Lucifera in piscinis) Ajax Telamonios nebſt Achill Rhea Hekate u. Tyche Dios - kuren Amphiaraos ἐν συκαῖς, Aphrodite die Ruhige und Pande - mos.. So ent - fremdete ſich uͤberhaupt Byzanz nie ſeinen Peloponneſi - ſchen Vorfahren, wenn es auch eine große Anzahl Nach - coloniſten (ἐποίκους) aufnahm2mit denen auch Kriege vorfielen. Ariſtot. 5, 2, 10., und uͤber Thrakiſche Unterthanen gebot. Auch der herrſchende Dialekt, der in Volksbeſchluͤſſen ſich noch findet, blieb ſehr lange der Doriſche3S. außer den Beſchluͤſſen bei Demoſth. Conſtantin. Porph. Them. 1. S. 1452. in Meursii Opp. . Die Byzantier gruͤndeten mit Chalke - don zuſammen, in der Zeit der Expedition des Dareios gegen die Skythen, oder des Xerxes gegen Griechen - land, Meſambria am Pontos4Μεταμβϱιανων und Μεσαμβϱιανων auf Muͤnzen., welches Andere als eine Colonie der Megarer ſelbſt betrachten; die auch ſchon vor der Anlegung von Byzanz Selym - bria gegruͤndet hatten5nach Skymn. Ch. 714., und wahrſcheinlich von dort aus mit den Samiern zu Perinthos Krieg fuͤhrten6Plut. Qu. Gr. 57. Aeginet. p. 67. Es iſt wahrſcheinlich, daß Perinth damals auch Doriſche Einw. erhielt, weil es von den Byzantiern (Demoſth. vom Kranze S. 255.) eine verwandte Stadt genannt wird, und Herakleskultus dort herrſchte. Vgl. Panofka res Samiorum S. 22., wo indeß mehrere Stellen falſch bezogen ſind., als122 dieſe Inſel noch von den Geomoren regiert wurde, vor den Zeiten des Polykrates. Noch hatte Megara in dieſen Meeren bedeutenden Antheil an der Gruͤn - dung von Herakleia Pontike, an welcher ſonſt auch Tanagraͤer aus Boͤotien Theil nahmen; doch herrſchten die erſteren in der Miſchung ſo vor, daß die Stadt im allgemeinen fuͤr eine Doriſche galt1Arrian Peripl. des Pont. Eux. S. 14. Hudſ. vgl. Orelli Heracleot. p. 115. R. Rochette ſetzt ſie bis Ol. 30. hinauf, aber ſie trifft in Kyros Zeit nach Skymnos Chios V. 231..

10.

Aber Megara gruͤndete zugleich ſehr bedeuten - de Colonien nach Weſten, in Sicilien. Wir begnuͤgen uns hier mit der allgemeinen Angabe, daß die Sicili - ſche Hybla um Olymp. 13. eine Megariſche Colonie, und ſelbſt Megara genannt ward2Me - gara gegruͤndet im ſelben Jahre mit Naxos, Ol. XI, 3. nach Ephoros (bei Strab. und Skymnos), nach dem genaueren Thukyd. 6, 4. in einiger Zeit nachher, 245 vor der Zerſtoͤrung durch Gelon. Gelon herrſchte von Ol. 72, 2. in Gela, von 73, 4. bis 75, 3. zu Syrakus (Boeckh ad Pind. O. 1. Explic. p. 100). Nach Herod. 7, 156. ſcheint es, daß er Megara etwa LXXIV, 2. eroberte, dann traͤfe die Erbauung XIII, 1. Dann muß aber die Ankunſt des Megarer Lamis nach Thuk. Erzaͤhlung eine Reihe Jahre vorausgehn; dieſe iſt der Gruͤndung von Leontini gleichzeitig, die 5 Jahre auf die von Syrakus folgte; damit iſt alſo Euſebios unver - traͤglich, der deſſen Erbauung Ol. XI, 4. (Hieron. Scal. ) ſetzt; und beſſer ſtimmt die Angabe des Marm. Par. V, 3. R. Rochette 3. S. 214. rechnet nach falſchen Annahmen. Vgl. Heyne Opuscc. Acc. T. 2. p 259 sq. . Sie blieb wahr - ſcheinlich in ſtetem Verkehr mit der Mutterſtadt, da Theognis, in Sicilien geboren, doch lange in der Nachbarſtadt Athens wohnte, auf die ſich viele ſeiner Gedichte beziehn3S. Paſſov zu Theogn. 773., wozu Welcker zu Alkm. S. 85. noch die Schol. Platon. S. 220. Ruhnk. fuͤgt. In der Litteraturgeſchichte ſind Beiſpiele ſehr haͤufig, daß dieſelben Perſonen Buͤrger der Metropolis und Colonie hießen. Ar - chilochos ein Parier und Thaſier, Protagoras und der juͤngere Heka -. Die Gruͤndung der kleinen123 Stadt Trogilos, der bedeutenderen Thapſos, gin - gen der Erbauung von Megara voraus; Einwohner Megara’s gruͤndeten 100 Jahre ſpaͤter Selinus, in der Naͤhe des Theils der Inſel, den fruͤher Phoͤnikier, ſpaͤter Karthager beſetzt hielten.

11.

Noch ſind die Colonien Sparta’s uͤbrig, zahlreicher, als man von einer vom Meere ſo abge - kehrten Stadt erwarten ſollte. In die Geſchichte der Herakliden-Wanderung ſelbſt ſind die Colonien von Thera, Melos, Gortyna, Kyrene verflochten, welche, wenn auch Sparta Ehrenthalber als Metropole aner - kennend, doch eigentlich von Achaͤern, Minyern und Aegiden, die damals in einem Diſtrikt Lakoniens ziem - lich unabhaͤngig wohnten, gegruͤndet worden ſind1wie im erſten Theil erwieſen ſcheint. Vgl. jetzt noch Thri - ge’s Historia Cyrenes 1. p. 36., wo indeß der Sinn der mythi - ſchen Erzaͤhlungen nicht entziffert iſt. Ueber eine Heraklidenfamilie ſ. die intereſſanten Stellen Syneſios Καταστ. (S. 10. Morell.) Theodor. Metochita bei dem Supplem. ad Nicol. Damasc. Orelli. Die Nachrichten des letztern ſind ſehr verworren.. Indeſſen hielten doch alle dieſe Staͤdte am Doriſchen Namen, und Kyrene, wenn auch die Gruͤnder ſelbſt einheimiſche Libyerinnen geheirathet2Pind. P. 9. Boeckh Explic. p. 325., bewahrte doch moͤglichſt Einrichtungen, Sitten, Sprache des Mut - terlandes3Δωϱικοὶ τάφοι. Syneſ. a. O.. Auch die Gruͤndung von Knidos liegt in fruͤher Zeit zuruͤck; ſie wurde allgemein den Lakedaͤmoniern beigeſchrieben4Herod. 1, 174. Diodor 5, 53. redet von einer Argiviſch-Lake - daͤmoniſchen Colonie in dieſer Gegend.. Der Anfuͤhrer derſel -3taͤos ſind Teier und Abderiten, Terpandros war von Arne in Boͤo - tien und zugleich Lesbier, Mimnermos Kolophonier und Smyr - naͤer, u. a. m.124 ben war nach Diodor ein Hippotes15, 9. 53. Tzetz. zu Lyk. 1388 nennt ihn Ἱππότης Ἀλή - της, aber ich glaube kaum, daß er mit dem Ahnherrn der Korin - thiſchen Herakliden derſelbe iſt.. Von Knidos wurde damals auch Syme bevoͤlkert2Diod. 53.. Der Haupt - kultus der Stadt, der der Aphrodite3Auch in Niſyros nach den Muͤnzen., die hier drei - fach verehrt wurde, iſt ohne Zweifel der Kytheriſche, den die Lakedaͤmoniſche Niederlaſſung mit ſich brachte. Die herrliche Stadt Knidos, nach Oſten von einer Akropole gedeckt, deren kyklopiſches Bauwerk4Ich ſpreche nach Anſicht der ſchoͤnen Zeichnungen von Herrn Huyot, unter denen ein Plan von Knidos; einen genauen Plan des Hafens ſah ich bei Capitaln Beaufort. Vgl. indeſſen Clarke P. 2. sct. 1. Tf. 13. außer den Mythen eine vor-doriſche Exiſtenz darthut, liegt um eine Landenge von zwei Haͤfen umgeben, von de - nen einer zu den groͤßten in Griechenland gehoͤrt. So zum Handel von Natur geeignet gruͤndete auch Knidos wieder Colonieen, unter denen Lipara auf einer der vulcaniſchen Inſeln des Aeolos unter Anfuͤhrung von Hippotaden5Da - durch klaͤrt ſich auf, warum Aeolos ſelbſt Sohn des Hippotes heißt. (Olymp. 50.) erbaut, von dieſer Inſel - gruppe aus die Etrusker in mehreren Kriegen uͤber - wand und Delphi mit Siegesgeſchenken ſchmuͤckte6S. beſonders Pauſ. 10, 11, 3. aus Antiochos und wohl aus demſelben Diod. 5, 9.. Eine andere Colonie von Knidos, mehr durch ihre Entfernung vom Mutterlande als andere Umſtaͤnde merkwuͤrdig, iſt Schwarz-Korkyra an der Illyri - ſchen Kuͤſte. Lakedaͤmon aber ſoll ſelbſt Colonien nach Phrygien, Piſidien und Kypros gefuͤhrt haben. Dort gruͤndete ein Spartiat, Peiſiſtratos, Norikon bei Kelaͤnaͤ am Marſyasfluß7Pſ. Plut. de fluv. Marſyas, Euſt. Dion. P. 321.. In Piſidien wird Selge125 von den Alten allgemein als Lakoniſche Colonie aner - kannt, auf Kaiſermuͤnzen liest man oͤfter ΣΕΛΓΕΩΝ ΛΑΚΕΔΑΙΜΟΝΙΩΝ ΟΜΟΝΟΙΑ; der Repraͤſentant der Stadt iſt Herakles der Doriſche Held; auch der Freiſinn, die Tapferkeit, die guten Geſetze der Selgaͤer obgleich man ihnen auch das umgekehrte beilegt werden von der Mutterſtadt hergeleitet1S. Str. 12, 570. vgl. Mionnet Descr. 3. p. 525. Raoul - Roch. 2. p. 427. mit dem ich nicht durchaus uͤbereinſtimme. Adde Nikeph. Blemmidas ed. Spohn. S. 13.. Die rin - genden Juͤnglinge, im Begriff ſich zu faſſen (ἀκϱο - χειϱιζόμενοι), auf ihren Muͤnzen vorgeſtellt, bezeugen die Liebe zur Gymnaſtik. Indeſſen iſt hier zu erwaͤ - gen, daß die Gruͤnder dieſer Colonie nach genauerer Angabe Amyklaͤer waren2Dionyſ. P. 860. vgl. Euſtath., bedraͤngte Perioͤken, welche vielleicht uͤber Knidos in dieſe Gegenden kamen. Es ſcheint, daß Selge Sagalaſſos gruͤndete, welche Stadt auf ihren Muͤnzen ſich eben ſo die Lakedaͤmoni - ſche nennt. Vielleicht zur ſelben Zeit ging Praxandros aus dem Lakoniſchen Therapne mit Kephas aus Ole - nos, beide von Urſprung Achaͤer, nach Kypros, wo ſie Lapathos und Keronia gruͤndeten4Lykophr. V. 452. 593. Str. 14. S. 682. Λακε - δαίμων ἐν Κύπϱῳ Euſt. Homer 293, 45. Rom. Golgoi in Ky - pros war von Sikyoniern gegruͤndet (Steph. Byz. Γόλγσι), die ſonſt keine Colonie haben..

12.

Aber die beruͤhmteſte aller Lakedaͤmoniſchen Colonieen, welche auch wirklich von Sparta ausging, war Taras. Die Geſchichte des Urſprungs liegt fa - belhaft eingekleidet in den Erzaͤhlungen vom erſten Meſſeniſchen Kriege darin, die begleitenden Umſtaͤnde wer - den wir unten erwaͤhnen. Der Fuͤhrer derſelben war Phalanth, Aratos Sohn, ein Heraklide5Ut fertur, octa - vus ab Hercule. Schol. vetus Hor. Carm. 2, 6, 12. vgl., Taras da -3)S. Raoul-Rochette’s Beweisfuͤhrung 2. S. 428.126 gegen heißt Sohn Poſeidons, weil dieſe Colonie den Taͤnariſchen Cultus mit nach Italien nahm. So tru - gen ſie auch andere Goͤtterdienſte uͤber, wie den des Hyakinth1῾ϒακίνϑου oder auch Ἀπόλλοινος ῾ϒακίνϑου τάφος Polyb. 8, 30, 2.; auch viele Namen der vaterlaͤndiſchen Ge - gend, wie den des Eurotas auf den Galaͤſos28, 35, 8.. Aber der fruchtbare und uͤppige Landſtrich der neuen Be - ſitzung, das weiche wolluͤſtige Klima, der Handel end - lich, fuͤr den Tarent wohl gelegen3Skymn. Ch. 330. und ſtets geoͤffnet war wenn es ihn auch nicht aktiv fuͤhrte halfen die Weichlichkeit der Sitten erzeugen, deren Ruf ruͤck - waͤrts zur Entſtehung der Fabel von den Jungfernſoͤhnen mitwirkte. Doch blieb Tarent, bei aller Entartung, der Mntterſtadt anhaͤnglich; zur Gruͤndung von He - rakleia holte es einen Spartiaten, Kleandridas, herbei4Str. 6, 264. aus Antiochos.; auch die Freundſchaft der Knidier mit den Tarentinern5Herod. 3, 138. 4, 164. wie mit den Kyrenaͤern beruht auf der Anerkennung gemeinſamen Urſprungs. Die Co - lonie von Kroton (Ol. 19, 2. nach Euſeb. ) beſtand zwar aus Achaͤern, die zum Theil aus Rhypaͤ der Kuͤſtenſtadt6Str. 8, 387 c. , zum Theil aus Lakonien7Pauſ. 3, 3, 1. Raoul-Roch. 3. S. 187. kamen, aber ſie muß unter der Auktoritaͤt des Doriſchen Staates Sparta gegruͤndet ſein, weil Apollon und Herakles, der Doriſche Gott und Heros, darin aus - gezeichnete Ehre genoſſen8S. Buch 2, 3., auch die aͤltere Ver - faſſung Doriſch war; ſo wenig Treue ſonſt von Ovid3)uͤber die Phalantiadaͤ Steph. Byz. Ἀϑῆναι. In Beziehung auf dieſe Kallimachos in Schol. ined. ad Dionys. Perieg. (Spohn Opuscc. Niceph. Blemm. 29.) πάντες ἀφ̛ Ἡϱακλῆος ἐτήτυμον ἔστε Λάκωνες (nach Goͤttlings Conjectur).127 zu erwarten ſteht, ſo iſt ihm doch zu glauben, daß der Gruͤnder, Myskellos, ein Heraklide war1Metam. 15, 15.. Eben ſo muͤſſen die Lokrer, welche (Ol. 24, 2.) Lokri gruͤn - deten, Spartiaten zu Fuͤhrern genommen haben2S. Pauſ. a. O., da ſie, wie ihre Muͤnzen zeigen, vorzuͤglich die Dioskuren verehrten, deren Bilder ihnen auch Sparte, als Ver - wandten, in Kriegsnoth ſandte3Ju - ſtin. 20, 2.; auch noch im Pelo - ponneſiſchen Kriege zeigten ſie Anhaͤnglichkeit an dieſe Stadt4Thuk. 6, 44. Raoul-Roch. S. 194. leitet ſie von Doriern her, die am Cap Zephyrion ſchon fruͤher ſaßen: allein wenn deren noch da waren, ſo waren es Megarer.. Von anderer Art waren die fluͤchtigen und voruͤbergehenden Niederlaſſungen des Dorieus, Sohnes des Koͤnigs Anaxandrides von Sparta, die dieſer rit - terliche Abentheurer in Sicilien und Libyen gruͤndete, als er, einem unwuͤrdigen Bruder zu gehorchen ver - ſchmaͤhend, auf die Kraft und das Angedenken alter Heldenzeit vertrauend, ſich in fernem Lande ein Reich erkaͤmpfen wollte5Die Sage von den angeblichen Lakedaͤmoniern bei den Sabinern und Samniten zu erklaͤren, wuͤrde uns zu ſehr abfuͤhren. Merkwuͤrdig, daß auch dieſe nach Silius Ital. von Amyklaͤ und Therapne, den alten Achaͤerſitzen, kommen. Auch die Kretiſchen Kolonien uͤber - gehe ich hier, aus mancherlei Gruͤnden.. Endlich nannten ſich die Kreti - ſchen Lyktier und andere Orte der Inſel Coloniſten Sparta’s; wahrſcheinlich wurden mehrere der altdori - ſchen Staͤdte des Landes von Sparta erneuert, welches auf Kreta’s innere Angelegenheiten unter Alkamenes, um Anfang der Olympiaden6Pauſ. 3, 2, 7. und ſchon zu Lykurgos Zeit, den groͤßten Einfluß uͤbte7Ein Krieg mit Knoſſos iſt durchaus unwahrſcheinlich, faſt un - moͤglich. (Pauſ. 2, 21. 3, 11.) Vellej. Paterc. 1, 4., Lace -.

128

Wir kehren von dieſer Ueberſicht der Doriſchen Gruͤndungen außer dem Peloponnes zu der Geſchichte der Halbinſel zuruͤck, die wir in zwei Perioden, vor und nach Olymp. 40., theilen.

7daemonii in Asia Magnesiam, hatte wahrſcheinlich eine No - tiz uͤber die Theilnahme von Spartiaten an dieſer Kretiſchen Colo - nie, uͤber die Buch 2, 3. gehandelt wird.

129

7.

1.

Ehe wir die Erinnerungen und Nachrichten aus der fruͤhern Periode zuſammenſtellen, iſt die Beantwor - tung der ſchon oben angeregten Frage unumgaͤnglich: woher, aus welchen Quellen, durch welche Mittel wir uͤberhaupt erfahren haben, was wir uͤber dieſe Zeit zu wiſſen ſcheinen. Denn wenn uͤber die mythi - ſchen Jahrhunderte die epiſche Poeſie die Sage durch lange Zeiteu ohne Unterbrechung fortgeleitet und da - durch einen Schimmer verbreitet hat, der an vielen Stellen zu einem erfreulichen und milden Lichte con - denſirt werden mag: ſo beruͤhrt dagegen dieſelbige nur wenige Punkte der angegebenen Periode. Andererſeits kam zwar in dieſer die Schrift durch Aſiatiſchen Ver - kehr zu den Griechen, aber wie ſpaͤt und langſam ſie ſich unter ihnen entwickelte, zeigt die bei ſonſt ſchon ſo hoch geſtiegener Kunſtbildung faſt befremdende Un - vollkommenheit der ſchriftlichen Aufzeichnungen, die uns etwa noch aus der Zeit vor der 6oſten Olympiade uͤbrig ſein moͤgen. Daher auch die Schrift als etwas Griechenland Fremdes noch lange, wie in den Teiſchen Fluͤchen, als Phoͤnikiſche Zeichen bezeichnet werden konnte. Deſſen ungeachtet ſind dieſe wenigen und wort - kargen Aufzeichnungen doch die erſten stamina der ei - gentlichen Geſchichte und der Chronologie. Bekannt geworden ſind uns aus dem Peloponnes als ſolche folgende.

II. 9130

2.

Der Diskos des Iphitos, auf welchem im Kreiſe herum die Ankuͤndigungsformel des Eleiſchen Gottesfriedens geſchrieben, und Iphitos und Lykurgos als die Gruͤnder genannt waren1Pauſ. 5, 20, 1. nach Clavier. Plutarch Lykurg 1.. Man hat keinen Grund, an der von Ariſtoteles anerkannten Aechtheit zu zweifeln, und das Alterthum betrachtete darum die Begebenheit ſelbſt als Thatſache2Λυ - κοῦϱγος ὑπὸ πάντων συμφώνως ἱστοϱεῖται μετὰ τοῦ Ἰφί - του τοῦ Ἠλείου τὴν πϱώτην ἀϱιϑμηϑεῖσαν τῶν Ολυμπίων ϑέ - σιν διαϑεῖναι. Athen. 14, 635 f.. Zweitens die von Koroͤbos anfangenden ununterbrochenen3Pauſ. 5, 8, 3. ἐξ οὑ γὰϱ τὸ συνεχὲς ταῖς μνήμαις ἐπὶ ταῖς Ολυμπιάσιν ἐστὶ Aufzeichnun - gen der Olympiſchen Sieger, welche immer we - nigſtens den Sieger im Lauf, aber wohl meiſt auch die andern nannten4γϱάμματα Ἠλείων ἐς τοὺς Ὀλυμπιονίκας. Pauſ. 5, 21, 5. 6, 2, 1.. Urſpruͤnglich waren ſie wohl auf einzelne Saͤulen geſchrieben, dann aber unter Auf - ſicht der Hellanodiken geſammelt worden5S. Ariſtodem bei Synkell Chron. S. 196 c. vgl. Goͤller de situ Syrac. S. 198.. Solche Aufzeichnungen von Siegern in Spielen waren wohl ziemlich haͤufig, auch außer den vier großen, meiſt aber nur auf abgeſonderte Stelen, die dem Geſchichts - forſcher wenig Licht gewaͤhren konnten6Pind. O. 7, 86. ἐν Μεγά - ϱοισίν τ̛ οὐχ ἕτεϱον λιϑίνα ψᾶφος ἔχει λόγον. vgl. Boͤckh. Explic. . Zuſammen - haͤngend waren die Namen der Sieger in den Kar - neen zu Sparta verzeichnet, ſo daß Hellanikos dar - aus ein Werk Καρνεονῖκαι zuſammenſetzen konnte. Die ἀναγϱαφὴ zu Sikyon nannte die Prieſterin - nen der Hera zu Argos, und die Dichter und Muſiker der Spiele7Plutarch von der Muſik 3. 8.. Nur war auch fabelhaftes darin auf - genommen, wie von Amphions Erfindung der Kitha -131 rodie. Auch die Kataloge der Hera-Prieſterinnen, die man wahrſcheinlich in Argos ſelbſt hatte, ſchloſſen die Fabel nicht aus.

3.

Es gab Lakoniſche oͤffentlich verfaßte ἀναγρα - φαὶ, in denen Plutarch die Toͤchter des Ageſilaos1Ageſil. 19., und in den aͤlteſten auch das Pythiſche Orakel uͤber Lykurg fand2gegen Kolotes 17. S. 268. Λακεδαι - μόνιοι τὸν πεϱὶ Λυκούϱγου χϱησμὸν ἐν ταῖς παλαιοτάταις ἀνα - γϱαφαῖς ἔχοντες. Ueber dies Orakel vgl. Theodoret Graec. affect. 9. 10. Max. Tyr. diss. 13, 1. Das Orakel bei Oenomaos (Eu - ſeb. Praep. Ev. 5. p. 113.) iſt ſicher ſpaͤtere Erfindung. daſſelbe, welches Herodot im erſten Buche anfuͤhrt. In dieſen ſtanden ohne Zweifel die Namen aller Koͤnige, und wahrſcheinlich auch die Jahre und zwar bis Prokles hinauf angegeben, der nach einer oben gegebenen Notiz ein Jahr juͤnger als ſein Bruder Euryſthenes3Die - fer regierte nach Euſeb 42 Jahre. ſtarb, was ſchwerlich aus einer andern Quelle fließen konnte, als einheimiſcher, wenn es auch in die ſchriftlichen Aufzeichnungen ſelbſt erſt wieder aus der Sage kam; wobei es freilich ſehr raͤthſelhaft bleibt, wie die Sage gegen ihren ſonſtigen Charakter Jahreszahlen aufbewahrte. Aus dieſen Auf - zeichnungen bildete ohne Zweifel Charon von Lampſakos vor Herodot ſein Werk: die Prytanen oder Herrſcher von Lakedaͤmon4Suidas Χάϱων., woſelbſt er auch Weihgeſchenke und Denkmaͤler alter Zeiten bemerkte5Athen. 11, 475. uͤber das καϱχήσιον.. Von Timaͤos chronologiſcher Arbeit aber ſagt Polybios612, 12, 1.: Dieſer Schriftſteller verglich von Anfang an die Ephoren mit den Koͤnigen in Lakedaͤmon, und die Archonten in Athen und Prieſterinnen in Argos mit den Olympioni - ken, und bemerkte die Irrthuͤmer der Staͤdte in den Aufzeichnungen derſelben, wenn ſie auch nur um drei9 *132Monate abwichen. Eratoſthenes und Apollodoros bauten die Zeitrechnung, beſonders vor den Olympia - den, auf dieſelben Liſten der Koͤnige1Plut. Lyk. 1. Diod. 1, 5., der die ἀναγϱαφὴ der Koͤnige ein παϱάπηγμα nennt. Euſebios ſagt, daß mit Anfang der Olymp. Lacedaemoniorum reges defecerunt, welcher Irrthum daher entſtanden, daß die Liſten hier endeten, die zur Berechnung der vorhergehenden Periode gemacht waren.; beide rechneten faſt uͤbereinſtimmend von dem Heraklidenzuge bis Olymp. I. 327 oder 328 Jahre2Apollod. bei Diod. a. O. Eratoſth. bei Klem. Alex. Strom. 1. S. 336. ed. Colon. vgl. Tatian adv. Graecos p. 174. Cenſorin de die nat. 21. Euſeb. Skal. S. 23., welche Rechnung ohne An - gaben der Regierungslaͤnge aller Koͤnige nicht moͤglich war3Nach Menſchenaltern rechnete indeß wahrſcheinlich Dieuchidas den Lykurg (ἕκτον ἀπὸ Πϱοκλέους bei Plut. Lyk. 2. vgl. Solin 16. Str. 10, 481.) 290 Jahre nach Troja, nemlich 8 x 33 1 3 + 24 (dies fuͤr Lykurgs ἀκμή). Klem. a. O.. Den Lykurg aber ſetzte Erotoſthenes 108 Jahre vor die erſte Olympiade4bei Klem. vgl. Diodor de virt. et vit. p. 547. Vales. , wobei er ſicher auf den Diskos des Iphitos baut; damit ſtimmt ziemlich Apol - lodors Angabe, daß Homer, 148 Jahre vor der 1ſten Olymp. bluͤhend, des jungen Lykurgs Zeitgenoß gewe - ſey5S. 411. Fragm. ed. Heyne, aus Tatian und Klem. 1. S. 327. vgl. S. 309. Pauſ. 3, 2, 4. Euſebios Citat des Apollodor beim 18ten Jahre des Alkamenes iſt falſch, wie man auch aus Plut. Lyk. 1. ſieht.. Es ſcheint indeſſen Lykurg in keiner ἀναγϱαφὴ der Koͤnige geſtanden zu haben, weil es dann unmoͤg - lich haͤtte geſchehen koͤnnen, daß ihn Herodot den Vor - mund ſeines Neffen Labotas, des Euryſtheniden nennt61, 65. Pauſ. 3, 2, 3., Simonides der doch viel mit dem Koͤnige Pauſa - nias umgegangen war7Aelian V. G. 9, 41. Sohn des Prokliden Pry - tanis, Andre des Eunomos und Vormund ſeines Nef - fen Charilaos8bei Plut. Lyk. 2. Das letzte auch Ariſtot. Polit. 2, 7, 1., wenn es eine hinlaͤnglich beglau -133 bigte Genealogie des Mannes gegeben haͤtte. Dage - gen ſind die Abweichungen in der Aufzaͤhlung der Koͤ - nige ſelbſt unbedeutend; ſie beſchraͤnken ſich darauf, daß in der Reihe der Prokliden Herodot (oder die Abſchrei - ber) den allgemein anerkannten Soos auslaͤßt, und Eunomos und Polydektes gegen Pauſanias umſtellt. Wie von dieſen Koͤnigen, ſo muͤſſen auch von den Re - genten Korinths und der Bakchiadenfamilie Aufzeich - nungen der Namen und Jahre exiſtirt haben, da auch dieſe Niemand zu erdichten verwegen genug ſein konn - te1Die Berechnung derſelben giebt, ohne Zweifel aus Alexan - driniſchen Chronologen, Diodor Fragm. 6. S. 635., wo man mit Weſſel. nach Didymos 30 Jahre von der κάθοδος bis zur Herr - ſchaft des Aletes annehmen muß, damit die Rechnung herauskom - me. Euſebios hat dies verſehen, da er Aletes dem Euryſthenes gleichzeitig ſetzt.. Ueberhaupt gab es viele, namentlich Heraklidi - ſche Stammbaͤume, wie bei Kyrenaͤiſchen Familien2S. 123. N. 1., bei den Ptolemaͤern3Aeginet. p. 62. vgl. Theokr. 17, 27., denen aber oft wenig Auktori - taͤt zukommen konnte; in den letztgenannten iſt die fre - che Hand Alexandriniſchen Schmeichler unverkennbar. Die Eleiſchen γράμματα ἀρχαῖα, die Pauſanias ſah, ſcheinen vollſtaͤndige Geſchlechtsregiſter von Oxylos bis Iphitos herab gegeben zu haben45, 4, 3. laͤßt dies wohl ſchließen., obgleich die Nach - kommen des erſtern nicht mehr Koͤnige waren. Sie nannten den Vater des Iphitos auch Iphitos im Wi - derſpruche mit der allgemeinen Annahme55, 4, 4. Eine Inſchrift in Olympia (vgl. Brunk Anal. 2. p. 193.) (nannte ihn des Haͤmon, die gemeine Sage Praxonides Sohn. Schreibe bei Euſeb. (Hieronym.) Iphitus Praxonidis vel Aemonis f. .

8Ephor. bei Str. 10, 482. vgl. Dieuchidas. Thuk. 1, 18. ſetzt Lykurg nicht viel vor 800 a. C. Timaͤos wußte ſich nicht zu helfen, als durch Annahme von zwei Lykurgen. Am meiſten weicht Xenophon ab (Staat der Laked. 10, citirt Plut. 1.), wo Lyk. κατὰ τοὺς Ἠϱακλείδας lebte, d. h. κ. τὴν Ἡϱ. κάϑοδον.

134

3.

Alle dieſe Aufzeichnungen gaben ſchwerlich et - was mehr als Namen von Siegern die nur ſelten in Beziehung auf Geſchichte und Fuͤrſten nebſt den Jahren ihrer Regierung; daneben allenfalls dies und jenes Orakel, wie die aus der Lakoniſchen Geſchichte bei Herodot, welche auch ohne Zweifel ſchon fruͤh in Schrift von den Pythiern nach Sparta gebracht wurden. Dazu kann man vielleicht noch manche alte Rhetra fuͤgen, wohin das Doriſche Alterthum alle politiſche Urkunden, Geſetze und Buͤndniſſe rechnete1Vgl. uͤber das Wort Boiſſonade Classical Journ. V. 20. p. 289.. Von der letzten Art iſt die Ϝρατρα τοιρ Ϝαλειοις, die Gell gefunden, das aͤlteſte Beiſpiel, deren Schrift ſo ungemein unfoͤrmlich, daß man uͤber die niedrige Stufe der Schreibkunſt, auf der ſie verfaßt, erſtaunen muß. Wie aber die Spartaniſchen ῥῆτραι des Lykurg abge - faßt waren, iſt ſehr zweifelhaft. Es wird oft ange - nommen, daß ſie von Anfang an metriſch verfaßt und von der Jugend geſungen worden ſeien2z. B. von Wolf Prolegg. Homeri p. 67.; allein dem widerſpricht das unverwerfliche Zeugniß3des Klem. Alex. Strom. 1. S. 308., daß erſt Terpandros von Antiſſa, den die Spartaner ſo hoch ſchaͤtzten, dieſe Geſetze in lyriſche Maaßen geſetzt habe (ἐμελοποίησε); Terpandros aber lebte nach der Pari - ſchen Chronik (die vielleicht hierin auf die Cataloge der Karneoniken baſirt) erſt gegen Olymp. 26. Die Rhe - tra aber, die Plutarch als die eigentliche Verfaſſungs - urkunde erhalten, traͤgt einerſeits einen wahrhaft alter - thuͤmlichen Charakter, indem ſie ein Gebot des Pythi - ſchen Apoll an den Geſetzgeber im Infinitiv enthaͤlt grade ſo wie die Geſetze der Israeliten als von Jeho - va zu Moſe geſprochen gedacht werden und laͤßt135 ſich doch nicht in Verſe faſſen. Ich ſehe nicht ein, warum ſie nicht eben ſo wohl als jene gleichzeitige Ekecheiria und jenes alte Orakel aufgeſchrieben ſein konnte, da ſich ſonſt die Fortpflanzung der Worte nicht wohl denken laͤßt. Indeſſen waren der urſpruͤnglichen Rhetren ſehr wenige; nur der Kern der Geſetzge - bung wurde gegeben, mehr als ein Denkmal der Er - innerung, denn als ein vollſtaͤndiges Ganze: darum konnten die Alten mit Recht ſagen, daß Lykurgos keine, und Zaleukos zuerſt Geſetze geſchrieben. Die drei Rhe - tren, die man außer jener noch hatte, ſind faſt nur Symbola einer Geſetzgebung, und nichts weniger als Geſetze, ſie hatten die Form der Orakel, wie ebenfalls vom Pythiſchen Gotte gekommen1Plutarch Lykurg 13., welchex ſo zu faſſen: Geſchriebene Geſetze gab Lykurg nicht, ſondern ſanktionirte blos die Sitten. Aber die ϱ῾ῆτϱαι ſind offenbar nicht bloße ἤϑη, ſondern in be - ſtimmte Worte gefaßte orakelaͤhnliche Spruͤche, die ſich aus alter Zeit erhalten. Plut. Ageſil. 26. nennt die hier angedeuteten αἱ καλούμεναι τϱεῖς ϱ῾ῆτϱαι, eben ſo de esu carn. 2, 1. ϑεῖος Λυ - κοῦϱγος ἐν ταῖς τϱισὶ ϱ῾ήτϱαις; alſo waren dieſe gewiſſermaßen eine geſchloſſene Anzahl. Das μὴ χϱῆσϑαι νόμοις ἐγγϱάφοις war ſelbſt darunter., aber waren durch - aus in Proſa abgefaßt2Plut. de Pyth. orac. 19. αἱ ϱ῾ῆτϱαι, δι̕ ὧν ἐκόσμησε τὴν Λακεδαιμονίων πολιτείαν Λυκοῦϱγος, ἐδό - θησαν αὐτῷ καταλογάδην.. Daran ſchließt ſich eine andere Art oͤffentlicher Urkunden, die ὄροι oder Ab - markungen der Gebiete. Es iſt bekannt, daß wir aus ſpaͤtern Zeiten ſolche von dem heiligen Gebiete, wo fruͤhere determinationes hieromnemonum und alte In - ſchriften auf Bruͤcken angefuͤhrt werden, von Kretiſchen Staͤdten, von Samos und Priene (in denen die Prie - neer alte im Tempel der Athena aufbewahrte Beſtim - mungen aus Bias Zeit anfuͤhren) haben; auch wurden hiſtoriſche Werke daraus gemacht: dergleichen muß es136 auch im Peloponnes gegeben haben; nur ſind freilich die monumenta saxis sculpta et aere prisco, durch die die Meſſenier den Roͤmern die urſpruͤnglichen Graͤnzen ge - gen Lakonien nachweiſen wollten, ſicher erſt nach der Ruͤckkehr gemacht1bei Tacit. Ann. 4, 44..

4.

Dieſe Monumente wuͤrden, wenn wir ſie haͤt - ten, eine unveraͤchtliche Grundlage der Geſchichte in den drei Jahrhunderten vor dem Anfange der Hiſtorie geben, aber immer nur ein Gerippe. Alles Fleiſch und Leben der Geſchichte muͤßten wir doch noch immer von andern Quellen entnehmen. Und zwar theils von den lyriſchen Dichtern, die damals gebluͤht, und die Zeit mehr als die Epiker mit in ihre Geſaͤnge auf - genommen, wie Eumelos, wie Thaletas, Tyrtaͤos, Alk - man, Terpandros2Eumelos nenne ich hier, als Lyriker im modernen Sinne, wegen ſeines ᾆσμα πϱοσόδιον fuͤr die Meſſeniſche Theorie nach Delos. Pauſ. 4, 4, 1., deren Leben ſich groͤßtentheils um Sparta drehte; und die beiden mittlern lehren in der That in ihren Bruchſtuͤcken noch am Meiſten von dem, was wir vorzuͤglich zu wiſſen wuͤnſchen; dann die muͤndliche Tradition, die zwar in Namen und Zahlen rechts und links irrend, doch immer etwas Weſentliches ausſagt: endlich die in ſpaͤtern Zeiten fortbeſtehenden, politiſchen, Inſtitute, die ihren Ur - ſprung in dieſer Periode genommen.

Dieſe und keine andere Mittel konnten diejenigen benutzen, welche in dem Jahrhundert der erwachenden Geſchichte auch uͤber Lakonien ſchrieben, wie Hellani - kos, Charon und Herodot, und auf dieſelben mittelbar oder unmittelbar mußten auch die bauen, die in den Zeiten der Griechiſchen Gelehrſamkeit Lykurgos Zeiten behandelten. Aber wie wenig erkennt man doch137 die alterthuͤmliche Einfachheit und Naivetaͤt, die der Reflexion unbeduͤrftige Sicherheit und Nothwendigkeit des Thuns, welche alle aͤchten Ueberlieferungen aus jener Zeit darſtellen, in Ephoros, Hermippos1πεϱὶ νομοϑετῶν. Er erfand auch offenbar oder nahm Erfundenes auf, wenn er 20 Helfer und Freunde des Lykurg ein - zeln nannte. Plutarch Lyk. 5. und ihrer Nachfolger Darſtellungsweiſe. Dieſe hatten die Tendenz, das Andenken des Alterthums moͤglichſt der Zeitgeſchichte zu aſſimiliren, und das Beſtreben, jede Thatſache aus irgend einer einzelnen Ueberlegung, aus einem Raͤſonnement, wie es ihrer Zeit gemaͤß war, hervorgehen zu laſſen; ſie haben wahrhaft ſchonungs - los den edlen Roſt der alten Tradition abgerieben, und, die bewegenden Grundideen jener Zeit verkennend, die erhaltenen Thatſachen in einen modern-pragmatiſchen Zuſammenhang hineingezwungen. Es iſt nicht zu ſa - gen, mit wie ungluͤcklichem Eifer auch Plutarch dem altem Geſetzgeber uͤberall, wo er eben nur den politi - ſchen Sinn ſeines Stammes und Volkes ausſprach, beſondere, meiſt ungenuͤgende, oft alberne Abſichten und Plaͤne unterlegt.

5.

Wenn man nach ſolchen Grundſaͤtzen Lykurgs Geſchichte pruͤft, ſo wird man finden, daß eigentlich uͤber ihn, als Einzelperſon, ſo gut wie gar keine Nachrichten exiſtiren. Die Sagen ſetzten ihn ganz richtig in innige Verbindung mit Delphi, von wo da - mals der Doriſche Stamm, beſonders Sparta, noch ganz und gar geleitet wurde, und mit Kreta, dem zu - erſt ausgebildeten Theile des Doriſchen Volks. Dieſe Verbindung geſtaltete ſich gewoͤhnlich als Reiſe nach beiden Orten; auch zeigte man ſein Grab zu Kirrha,138 und zu Pergamia in Kreta. Es ließ ſich leicht anneh - men, daß Lykurgs Reformationen Widerſtand fanden und Unruhen erregten. Aber die von Alkandros er - zaͤhlte Geſchichte, wie er dem Lykurg ein Auge aus - ſtoͤßt, (wohl eine Volksſage) beruht auf einer falſchen Erklaͤrung des Beinamens der Pallas Optiletis1S. Buch 2. K. 11.. Daß er Vormund (πρόδικος) eines Spartaniſchen Koͤnigs geweſen, lag in alter Sage; aber es hat, wie bemerkt, nicht viel Grund, daß man dieſen gewoͤhnlich Chari - laos nennt, deſſen Milde in alter Tradition gefeiert wurde2Plut. Lykurg und de adul. 16. Dagegen Herakl. Pont. 2. καὶ τὸν Χάϱιλλον (ΧΑΡΙΛΑΟΝ) τυ - ϱαννικῶς ἄϱχοντα μετέστησε.: um mit der Vormundſchaft die Reiſen zu verbinden, ließ man ihn jene, um Argwohn zu ent - gehn, aufgeben. Nimmt man hinweg, was auf dieſe Weiſe faſt im Geiſte eines pſychologiſchen Romans zu - gedichtet iſt, ſo behaͤlt man nur geringen Sagenſtoff; von der Geſetzgebung werden wir unten handeln3Die Namen des Eunomos als Vater und des Eukosmos ols Sohn Lykurgs (Pauſ. 3, 16, 5.) ge - hoͤren in die S. 68. N. 1. angefuͤhrte Claſſe..

6.

Sehr auffallend iſt es, daß die Hiſtoriker grade von der Thaͤtigkeit Lykurgs, die naͤchſt der genannten die wichtigſte iſt, ſehr wenig geſprochen4Nur Plu - tarch Lyk. 23. und Herakl. Pont. 2. καὶ κοινὸν ἀγαϑὸν τὰς ἐκε - χειϱίας, (wohl auch die Pythiſche gemeint) κατέστησε. Was Hermipp erzaͤhlt, iſt zum Theil ſicher erſunden.. Ich meine die ſchon beruͤhrte Theilnahme an der Gruͤndung des Olympiſchen Gottesfriedens und der Spiele, welche ohne Zweifel der Anfang eines ruhigeren Zuſtandes der Dinge im Peloponnes war. Lykurg, als der Repraͤſentant des Doriſchen Stammes, Iphitos fuͤr den Aetoliſch-Eleiſchen, und vielleicht noch mehrere Andere ſtellten das Grundgeſetz der Peloponneſiſchen139 ἐκεχειρία auf. Dieſe enthielt Zweierley. Er - ſtens, daß das ganze Gebiet der Eleer (als Agonothe - ten nach Verdraͤngung der Piſaten) beſtaͤndig von Ein - faͤllen und Verwuͤſtungen frei bleiben ſolle, ſo daß auch gewaffnete Heere nur nach Abgabe der Waffen durch - ziehen durften1συγχώϱημα Ἑλλήνων ἱεϱὰν καὶ ἀπόϱϑητον εἶναι Ἠλείαν. Polyb. 4, 73., der das ruhige Leben der Eleer in fruͤherer Zeit ei - nen ἱεϱὸς βίος nennt. Str. 8, 357. Diod. Exc. p. 547. Weſ - ſel., wo den Lakedaͤmoniern laͤcherliche Triebfedern untergelegt wer - den.; zweitens, daß waͤhrend der Feſtzeit die Waffen auch im uͤbrigen Peloponnes ruhen ſollten. Weil aber in den Kalendern der einzelnen Voͤlkerſchaf - ten geringe Uebereinſtimmung ſtatt fand, und nur eben die Eleer die Regel, nach der das vierjaͤhrige Feſt wiederkehren mußte, kannten, auch vielleicht, um das Gebot des Gottes um deſto eindruͤcklicher zu machen, ſandten die Eleer jedesmal Fetialen, der Zeiten He - rolde, des Zeus Kronides Eleiſche Friedensbringer (σπονδοφόροι)2Iſthm. 2, 23. Boͤckh Expl. p. 494. Schneider Lexi - kon und zu Xen. Hell. 4, 7, 2., welche zufoͤrderſt ihnen ſelbſt, dann den uͤbrigen Peloponneſiern die Ολυμπιακὰς σπονδὰς anſagten, von welchem Zeitpunkte an kein Heer in fremdes Land fallen durfte3Die Beſtimmung war etwas zweideutig. S. Thuk. 5, 49. ἐπαγγέλλειν iſt das voc. proprium davon.. Die Strafe, welche im Peloponneſiſchen Kriege die Spartiaten treffen ſollte, weil ſie nachher noch Krieger ausgeſandt, war fuͤr jeden Hopliten 2 Minen, gerade ſo viel, als nach Ueberein - kunft der Peloponneſier fuͤr Ausloͤſung von Kriegsge - fangenen bezahlt wurde, woraus erhellt, daß eigentlich die Uebertreter des Friedens dem Gotte als Knechte zufielen und von ihm ausgeloͤst werden mußten. Den Ausſpruch that ein Eleiſches Tempelgericht nach dem140 Olympiſchen Geſetze. Das Strafgeld kam dort zum Theil an die Eleer, zum Theil an den Olympiſchen Tempelſchatz. Dieſem wurden auch ſonſt Bußen in Buͤndniſſen verſprochen1wie in der bekannten ϜΡΑΤΡΑ ΤΟΙΡ ϜΑΛΕΙΟΙΣ ΚΑΙ ΤΟΙΣ ΕϒϜΑΟΙΟΙΣ αι δε μα συνεαν ταλαντον κ̛ αϱγυϱω αποτινοιαν τωι Λι Ολυνπιωι τοι κα δαλεμενοι λατϱειομενον., ja es waren ſelbſt bisweilen Staͤdte dem Gotte einen beſtimmten jaͤhrlichen Tribut ſchuldig. Durch dieſe und aͤhnliche Geſetze war die Ekecheiria geſichert, welche ohne Zweifel in der Idee nicht blos die heitere Feier der Spiele vor Stoͤrung bewahren, ſondern uͤberhaupt eine friedliche Vereini - gung der Peloponneſier bewirken, und zur Ausgleichung von Streitigkeiten, Schließung von Buͤndniſſen Veran - laſſung geben ſollte. Es iſt bekannt, daß noch im Pe - loponneſiſchen Kriege oͤffentliche Angelegenheiten hier ver - handelt wurden33, 8. 14.. Beſonders aber und zunaͤchſt ſcheint eine freundſchaftlichere Naͤherung zwiſchen dem Aetoliſchen und Doriſchen Stamme durch die Olympi - ſche Feſtfeier bewirkt worden zu ſein. Denn dies lehrt ſehr deutlich die Tradition, daß Iphitos in Elis den Dienſt des Herakles eingefuͤhrt, der alſo vorher nur bei den Doriern ſtatt fand4Pauſ. 4, 4.; auch wurde jetzt der Doriſche Apollon als Schuͤtzer des Olympiſchen Got - tesfriedens angeſehen, wie wir unten zeigen werden.

7.

Wir gehen unmittelbar zu den Meſſeniſchen Kriegen uͤber, weil zwiſchen dem Beginn derſelben und Iphitos Zeit kaum irgend eine ſelbſtſtaͤndige That - ſache aufzufinden iſt. Dieſe aber ſind geſchichtlich, weil wir von dem einen beinahe, von dem andern durch Tyrtaͤos wirklich gleichzeitige Nachrichten haben. 2)Thuk. 5, 31.141Die Bruchſtuͤcke und Anfuͤhrungen aus ſeinen Liedern koͤnnen uns allein zu einer richtigen Kunde helfen. Und ſchon in dieſen allein erſcheint mancher Umſtand in ei - nem andern Lichte, als in dem Roman des Pauſanias. In dieſem ſind nur die Spartiaten die Angreifenden, nur die Meſſenier die Angegriffenen, aber auch jene fuͤhrten den Krieg fuͤr den Beſitz der eigenen Heimat:

Muthvoll ſtehet im Kampf fuͤr die heimiſchen Fluren und ſinket
Niemals kargend mit Blut hin fuͤr die Kinder zum Tod
1Frank Callinus S. 153. leugnet die Aechtheit dieſes Frag - ments bei Lykurg, aber hoͤchſt grundlos.
1.

Aber da auch das Alterthum nicht ſehr viel von Tyr - taͤos beſaß, und des Geſchichtlichen darin kaum viel mehr geweſen zu ſein ſcheint, als wir noch daraus haben: woher nun die ganze Fuͤlle der Erzaͤhlung,[ die] Pauſanias vor uns ausſchuͤttet? Aus alten epiſchen Gedichten? Allein von dieſen iſt keine Meldung; und uͤberhaupt lag der geſchichtliche Stoff, wenn man ihn nicht ganz mythiſch umbilden konnte, wie manche Gruͤn - dungsgeſchichten, durchaus außer dem Bereich der aͤl - teren Poëſie. Wir moͤgen wohl zugeben, daß in den Naupaktien, die fuͤr die Mythengeſchichte des Landes erwaͤhnt werden2Pauſ. 4, 2, 1., auch beilaͤufig geſchichtliche Andeu - tungen gegeben ſein konnten; vielleicht auch in Kinaͤthon, Eumelos: aber die Alten, die ſehr aus ganzem Holz zu ſchneiden liebten, muͤhten ſich wohl kaum derglei - chen heraus zu finden. Dagegen gab es eine Reihe tra - ditioneller Sagen, deren Charakter ein hohes Alter verbuͤrgt. So die Meſſeniſche, daß Ariſtomenes drei Hekatomphonien oder Opfer fuͤr hundert erſchlagene Feinde dargebracht3Plutarch Romul. 25. Sympos. Qu. 4, 1, 1. VII Sap. Conv. 16. Polyaͤn 2, 31, 2. Plinius H. N. 11, 70.; ob dabei Menſchenopfer verrich -142 tet, iſt dunkel1vgl. Fulgent. in Staveren Mythogr. lat. p. 770. si quis enim centum hostes interfecisset, Marti de homine sacrifi - cabat apud insulam Lemnum, quod sacrificatum est a duo - bus, Aristomene Gortynensi et Theoclo Eleo, sicut Sosicra - tes scribit. Apollod. bei Porphyr. de abst. 2, 55. p. 396. H. (vgl. Meurſ. Misc. Lac. 2, 14.) ſagt, daß auch die Lakedaͤmonier dem Ares einen Menſchen geopfert.. Mit ihm opferte Theoklos, der ein Eleer heißt, weil er zu einer, zwar in Meſſenien[anſaͤſſigen], Jamidenfamilie gehoͤrte, die Jamiden aber, wenn auch uͤberall zerſtreuet, doch ſtets ihre Rechte in Olympia behielten2Pauſ. 4, 15, 5.. Dem entſpricht ſehr ſchoͤn die Sage von einer dreimaligen Todesgefahr. Das er - ſtemal, da er in den Keadas geworfen, rettete ihn der Fuchs das Symbol Meſſeniens : das andere - mal ſchliefen ſeine Waͤchter, der Held waͤlzte ſich ans Feuer, und brannte ſich die Riemen am Leibe ent - zwei3Polyaͤn 2, 31, 3. Plin. 11, 70. Valer. Max. 1, 8. ext. 10. eine Geſchichte, die unendlich aͤchtere Sage darſtellt, als das Liebesabentheuer, wodurch ſie bei Pauſanias erſetzt wird; als ihn aber die Feinde zum drittenmal fingen, ſchnitten ſie ihm die Bruſt auf, und fanden ein zottiges Herz (λάσιον κῆρ)4Steph. Byz., der Herodotos, Rhianos und Plutarch citirt. Aber im Herodot ſteht nichts davon. Steph. aber nimmt es aus Plut. de Herod. mal. 2. S. 291. wo aber fuͤr φησὶν αὐτὸς wohl φασὶν αὐτὸν zu ſchreiben..

8.

Solche Traditionen mochten verſchiedener Art theils bei den ſiegreichen Lakonen5Iſokrates knuͤpft den Meſſenerkrieg an den Mord des Kresphontes an, und erzaͤhlt, daß das Orakel die Spartaner darin mannigfach ſekundirt habe (Archidam. 11.); offenbar hatte die Erzaͤhlung damals noch gar nicht die ſpaͤtere Ge - ſtalt. Doch kennt er, aus Tyrtaͤos, die 20jaͤhrige Belagerung. c. 24., theils bei den ver - triebenen Meſſeniern in Italien und Naupaktos, theils143 bei den unterworfenen an Ort und Stelle, theils bei den uͤbrigen Peloponneſiern umgehn, als ſie durch die von Epameinondas veranſtaltete Wiedereinſetzung neues Leben erhielten. Die Boͤoter hatten ſchon vor der Leuktriſchen Schlacht nach einem Orakel den Schild des Ariſtomenes (auf dem ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen war)1Vgl. dazu Antip. Sidon. 7, 161. Anthol. Palatinae. zur Trophaͤe ausgeſchmuͤckt2Pauſ. 4, 16, 4. 32, 5. 9, 39, 5.: und als Epameinondas die Meſſeniſchen Fluͤchtlinge aus Ita - lien, Sicilien, ja ſelbſt Libyen zuruͤckberufen, und ſammt vielen Heloten und zuſammen gelaufenem Volke zu einem neuen Staate verbunden hatte3Lyk. gegen Leokr. 15. S. 155. vgl. Iſokr. a. O. 10.: wurde vor der Gruͤndung der Stadt beſonders Ariſtomenes haͤufig angerufen44, 27, 4.. So konnten nun die alten Volksſagen von neuem feſten Fuß faſſen und ſich zuſammenhaͤngend ausbilden. Mehrere Schriftſteller ergriffen bald den intereſſant gewordenen Stoff, unter denen Rhianos der Dichter, und Myron der Proſaiker uns bekannt gewor - den5Auch Aeſchy - los von Alexandreia dichtete Meſſeniaka. Athen. 13, 599 e. . Myron erzaͤhlte den erſten Krieg bis zu Ariſto - demos Tode, nach Pauſanias Urtheil unbeſorgt, ob er Luͤge und Unglaubliches erzaͤhle wie er denn ge - gen alle Sage auch Ariſtomenes, den Helden des zwei - ten Krieges, ſchon im erſten hatte auftreten laſſen und mit unverkennbarer Tendenz gegen Sparta6S. Athen. 14. S. 857 d. Diodor folgt ihm wohl, da er Kleon - nis, aus dem erſten Kriege, und Ariſtomenes zuſammen kaͤmpfen laͤßt. Fragm. 10. p. 637. Weſſel. 15, 66. meint er ihn unter den ἔνιοι. Boivin und Weſſeling muͤhen ſich umſonſt, die Widerſpruͤ - che wegzuſchaffen.. Rhianos aber, aus Benna in Kreta, pries Ariſtome - nes Thaten im zweiten Kriege von der Schlacht am144 Ebergrabe bis zum Auszuge, wie Homer die des Achil - leus, und obgleich Pauſanias ihn in einzelnen Angaben aus Thrtaͤos widerlegt14, 15, 4.: ſo iſt er ihm doch ſehr viel, beſonders in der poetiſchen Ausſchmuͤckung der Gemaͤlde, gefolgt2Vgl. uͤber Rhianos Jakobs im Index auctorum der Anthologie.. Hiſtoriker, wie Ephoros, Theopompos, An - tiochos, Kalliſthenes3Vgl. Str. 8, 362. nennt er nicht. Rhianos aber, wenn er auch nicht uͤberall einſeitig der Meſſeniſchen Sage folgte4Z. B. war es Meſſeniſche Erzaͤhlung, der Myron folgte (Pauſ. 4, 6, 2.), daß Ariſtomenes den Koͤnig Theopomp getoͤdtet, (gegen Tyrtaͤos) wie man erſieht aus Plutarch Agis 21., hat um deſto mehr, ſo viel wir nach Pauſanias urtheilen koͤnnen, einer freien Dichtung Raum gelaſſen, und viele Verhaͤltniſſe und Dinge der ſpaͤtern Zeit in die alte Sage gemiſcht5Ich will hier gleich einige Punkte moderner Dichtung in Pauſanias Erzaͤh - lung bezeichnen. Die Geſchichte von Polychares und Euaͤphnes ſetzt eine Gewalt des Areopagos voraus, die nie exiſtirte; auch die Argiviſche Amphiktyonie ging die Streitigkeit nichts an. Außer Pauſ. ſ. Diodor Exc. p. 547. der meiſt dieſelben Quellen hat. Die Kretiſchen Bogenſchuͤtzen hat Rhianos aus ſeiner Heimat hineinge - bracht; es gab gewiß da ſo fruͤh keine Soͤldlinge. Wie kamen Korin - ther nach Lakonien, ohne durch feindliches Gebiet zu gehen, nnd wer haͤtte ſie durchgelaſſen? Die Flucht der Eingeweihten nach Eleuſis iſt ganz ungeſchichtlich gedacht; noch mehr, daß ſie im zweiten Kriege ruhig zuſehen. Pauſ. 4, 16, 1. Kaͤmpften doch in Athen ſelbſt Daduchen in Reihe und Glied! Das Streiten der ψιλοὶ in abgeſonderten Haufen (4, 7, 2.) iſt gegen Tyrtaͤos und alten Gebrauch. vgl. 4, 8, 4. Οἱ Μεσσήνιοι δϱόμῳ ἐς τοὺς Λακεδαιμονίους ἐχϱῶντο (4, 18, 1.) iſt gegen Herodot (6, 112.). Vieles iſt ſehr ſchlecht motivirt, z. B. das Verlaſſen der feſten Staͤdte (4, 9, 1.) aus Geldmangel. Die Unterwerfung iſt gar nicht motivirt. Daß die Argiver privatim und nicht vom Staate geſendet kommen, ſcheint aus Herodot 6, 92. Das Orakel 4, 9, 2. in Jamben iſt aus ſpaͤter Zeit, aber doch aͤlter als das entſprechende hexametriſche bei Euſeb. Praep. Ev. 5, 27. p. 130. ed. Steph. . Wir wollen den145 Leſer daher weder durch fortlaufende Erzaͤhlung dieſer Dichtungen auf Koſten der Wahrheit ergoͤtzen noch durch eine ins Einzelne gefuͤhrte Critik ermuͤden, ſon - dern nur die wirklich geſchichtlichen Hauptpunkte her - vorheben.

9.

Die Dauer des erſten Krieges ſteht durch Tyr - taͤos feſt1S. das Fragment, wie es Frank S. 168. concinnirt..

Neunzehn Jahr um den Preis kaͤmpfender Lanze bemuͤht
Stritten ſie nie ausruhend mit unverwuͤſtlichem Muthe,
Unſerer Vaͤter den Speer ſchwingendes Heldengeſchlecht.
Aber im zwanzigſten Jahr entwichen die Feinde der Heimat,
Und Ithome’s Gebirg ließen ſie fluͤchtig zuruͤck.

Auch die Entfernung des erſten Krieges vom zweiten giebt er an, ſo daß den erſten die Großvaͤter, den zweiten die Enkel fuͤhrten2Bei Strab. 8, 362.; die Zeit des erſten wird dadurch geſichert, daß Polychares, der als Urheber genannt wird3Von Pauſ. und Diod. de virt. et vit. p. 540., Sieger der vierten Olympiade im Lauf war4Pauſ. 4, 4, 4., womit ſehr wohl uͤbereinſtimmt, daß Eumelos, der Olymp. 5. nach Syrakus gieng, noch ein Lied fuͤr das freie Meſſenien dichtete. Pauſanias ſetzt den Anfang, wir wiſſen nicht nach welcher Berechnung, Olymp. 9, 2, das Ende, neunzehn Jahr ſpaͤter, 14, 1. Als Zwiſchenraum giebt er, wir wiſſen wieder nicht woher, und nicht eben mit Tyrtaͤos ſtimmend, 39 Jahr an5Juſtin. 4, 5. auf 80 Jahre.; ſo daß der zweite von 23, 4 bis 28, 1. dau -5Der Vers 4, 12, 1. ἀἀλλ̕ ἀπάτῃ μὲν ἔχει γαῖαν Μεσσηνίδα λαὸς geht auf die Liſt des Kresphontes bei der Theilung. In dem Orakel 4, 12, 3. Euſeb. a. O. iſt zu ſchreiben: γὰϱ ῎Αϱης κείνων εὐήϱεα τείχη, Καὶ τειχέων στεφάνωμα πικϱοὺς οἰκήτοϱας ἕξει. Woher die Orakel ſind, iſt dunkel, auch das Urtheil uͤber das Alter ſolcher einzelnen Stuͤcke ſchwer.II. 10146ert1Dieſelbe Rechnung hat das Marm. Par. ep. 34. Aber Pauſ. 4, 15, 1. beweiſt blos aus Tyrtaͤos, daß Rhianos ſich geirrt hatte, wenn er Leotychides als Zeitgenoſſen des zweiten Krieges nannte; folglich mußten die Zahlen nicht viel Auktoritaͤt haben. Pauſ. hatte indeß allerlei Mittel zu urtheilen; ſo fand ſich nach der Vertreibung und Unterjochung kein Meſſenier mehr in den Olympioniken. Pauſ. 6, 2, 5. Die Schriftſteller va - riiren indeß merkwuͤrdig. Dinarch g. Demoſth. 99, 29. fetzt die Unterwerfung 400 Jahre vor der Befreiung, Lykurg g. Leokr. 155. gar 500, Iſokr. Archidam 9. nur 300 (und doch ſchiebt er die Un - terwerfung ſo hoch hinauf), Plut. reg. apophth. S. 126. 230 Jahre vor Leonidas Tod, alſo 17, 2. Euſebios 12, 1. Den Be - ginn des zweiten Krieges ſetzt Euſeb. 35, 3. den Tyrtaͤos 36, 3.. Wir werden aber unten finden, daß dieſer einige Olympiaden herabgeruͤckt werden kann. Auch iſt uns der Spartaniſche Koͤnig bekannt, der die Unterwerfung Meſſeniens vollbracht, durch Tyrtaͤos:

Unſerer Stadt Herzog, der Unſterblichen Freund, Theopompos,
Der des Meſſeniſchen Lands breite Gefilde gewann,
Welche fuͤr Saatkorn trefflich und trefflich um Baͤume zu pflanzen
2Pauſ. 4, 6, 2. vgl. Frank S. 172. 196., welcher hoͤchſt will - kuͤhrlich Πολυδώϱῳ vorſtellt. vgl. Polyaͤn 1, 15.
2.

Was nun den Urſprung des Krieges betrifft: ſo iſt er erſtens darin zu ſuchen, daß Sparta durch Taleklos vor Anfang der Olympiaden bedeutend erſtarkt war, indem es dieſem Koͤnige gelang, endlich das Tropaͤon des Sieges uͤber das nahe Amyklaͤ aufzuſtellen, und mehrere andere Achaͤiſche Staͤdte des Landes zu Peri - oͤken Spartas zu machen. Ja, wenn einer einzelnen, halbverlornen Nachricht zu trauen3Str. 8, 360., zerſtoͤrte Taleklos ſchon Nedon, welches an der Eraͤnze Meſſeniens und Lakoniens lag4in Auguſts Zeit in Meſſenien. Der Name war nur noch in den ̕Ἀϑηνᾶ Νεδουσία uͤbergeblieben., und verſetzte die Einwohner nach Poͤ - eſſa, Echeiaͤ und Tragis. Hierdurch entſtanden Eraͤnz - ſtreitigkeiten der Dorier zu Sparta und zu Stenyklaros. 147Das Heiligthum der Limnatiſchen Artemis14, 4, 2., deſſen Feſt beiden Voͤlkern gemein, aber deſſen Beſitz zwiſchen ih - nen ſtreitig war indem noch unter Tiber die Lake - daͤmonier es nach alten Annalen und Orakeln (annali - um memoria vatumque carminibus) als ihr Eigen - thum vindicirten, die Meſſenier dagegen eine ſchon an - gefuͤhrte Urkunde vorbrachten, nach der es ihnen mit dem ganzen Dentheleatiſchen Gebiete, in dem es lag, gehoͤre2Tac. Ann. 4, 43., gab auf die eine oder die andere Weiſe, wie aus dem Roman des Pauſanias entnommen wer - den kann3Strabon 5, 257 hat ungefaͤhr dieſelbe Erzaͤhlung, wie die Lakedaͤmonier bei Pauf., und ſo auch ſchon Herakl. Pont. eben ſo Juſtin. 3, 4., den naͤheren Anlaß zum Streite. Spal - tungen in Meſſenien muͤſſen den Ausbruch des Kriegs beſchleunigt haben, da es als geſchichtliche Thatſache gelten muß, daß Hyamia, eine der fuͤnf Landſchaf - ten Meſſeniens, den Androkliden, einem Zweige der Aepytiden, von den Spartiaten gegeben wurde4Pauſ. 4, 14, 2. S. oben.. Die Geſchichte des erſten Krieges ſelbſt enthaͤlt Zuͤge großartiger Sage: wie Ariſtodamos, obgleich bereit, den Zorn der Goͤtter5Wahrſcheinlich ſprach die Sage von einem Opfer an Artemis Orthia (Iphigeneia), uͤber die B. 2, 10. nachzuſehen. durch das Blut ſeiner Tochter zu verſoͤhnen, doch es nicht zu Ende bringen kann, die Tochter umſonſt mordet, und darauf der Goͤtter Wil - len erkennend, daß Meſſenien fallen ſolle, und durch duͤſtre Zeichen erſchrekt, ſich uͤber dem Grabe der Ge - ſchlachteten ſelbſt opfert6Auch Plutarch hat denſelben Zug, vom Aberglau - ben 7, p.71 H.. Der Kampf dreht ſich aber meiſtentheils um Ithome, welche Feſte in der Mitte des Landes gelegen zugleich die Stenyklariſche Ebne und die am Pamiſos beherrſchte. Mit der Er -10 *148oberung derſelben war die Unterwerfung des Landes ge - geben, und die Meſſenier verlaſſen zum Theil ihre Hei - mat. Daran knuͤpft ſich die Doriſche Colonie von Rhe - gion. Heraklides Pontikos1Fragm. 25. erzaͤhlt ganz unbeſtimmt davon, daß den (von Delphi ausgeſandten) Chalkidi - ſchen Gruͤndern dieſer Stadt ſich Meſſenier anſchloſſen, die damals grade zu Makiſtos in Triphylien waren wegen der Schaͤndung der Spartiatiſchen Jungfraun; er verſteht wahrſcheinlich die darunter, welche den Spar - tiaten dafuͤr Genugthuung geben wollten, und deswe - gen von ihren Landsleuten vertrieben wurden2So Str. 6, 257.. Aber nach Pauſanias34, 23. erhielten eben dieſe, wie angegeben iſt, Hyamia, und die Meſſenier zogen erſt nach der Einnahme Ithome’s unter Alkidamidas, und dann wie - der nach dem zweiten Kriege unter Gorgos und Man - tiklos, Theoklos Sohn, dem Jamiden4Da - her Cult des Herakles Mantiklos zu Meſſana, Pauſ. 4, 23, 5. 26, 3., nach Rhegion. Von ihnen leitete nachmals der Tyrann Anaxilas (nach Olymp. 70.) ſein Geſchlecht ab5S. beſonders Thuk. 6, 5.: ſie bildeten uͤber - haupt den erſten Adel der Stadt6Str. a. O. Die Rheginer betrachteten die ſog. Meſſenier zu Naupaktos als Ver - wandte, P. 4, 26. Den ſo oft (zuletzt von Jakobs, Amalthea 1. S. 199. wo Bentlei vergeſſen iſt) geruͤgten Irrthum des Pauſ. in Bezug auf Anarilas uͤbergehn wir..

Auch die Gruͤndung Tarents iſt bekanntlich mit der Geſchichte des erſten Meſſeniſchen Kriegs ver - webt, aber in ſo wunderliche Fabeln gekleidet, an de - nen beſonders die Unkunde Lakoniſcher Einrichtungen ſchuld ſein mochte, daß wir kaum etwas daraus ab - nehmen koͤnnen, als daß Tarent von Sparta aus in damaliger Zeit gegruͤndet wurde7Sehr abweichend Nikeph. Blemm. S. 7. Spohn. Τάϱας, ἥντινα ἐπόϱϑησαν Ἀμυκλαῖοι..

149

10.

Vom Zuſtand der unterworfenen Meſſenier nach dem erſten Kriege giebt ein Fragment des Tyrtaͤos einige ſehr deutliche und ſprechende Zuͤge, welche wir unten einzeln in Betracht ziehen wollen. Was aber die Entſtehung des zweiten Krieges anbetrifft: ſo gieng dieſer ſehr deutlich von dem nordoͤſtlichſten Punkte des Landes, den Graͤnzgebirgen gegen Arkadien (Aepytis) aus, wo die alten Staͤdte Andania und Oechalia lagen. Vermuthlich war dieſe Gegend vorher nie von den Spar - tiaten unterworfen. Von Andania war der Held die - ſes Krieges, Ariſtomenes1᾽Ανδανία. ἐκ ταύτης ᾽Αϱιστομἐνης ἐγἐνετο. Steph. B. Die Worte οὕτω γὰϱ καὶ Μεσσήνη ᾽Ανδανία ἐκαλεῖτο, ἣν οἰκί - σαι φασί τινας τῶν μετὰ Κϱεσφόντου καὶ οὕτω καλέσαι etc. ent - halten zwei Irrthuͤmer. vgl. Pauſ. 4, 26, 5., gebuͤrtig, und befehdete von da die Spartiaten durch Ueberfaͤlle und Streifzuͤge. Er dringt im erſten Zuge bis in das Gefilde von Ste - nyklaros, wovon der alte Vers ſagte:

Held Ariſtomenes folgte den Lakedaͤmoniſchen Schaaren
Bis Stenyklaros Gefild, bis an die Hoͤhn des Gebirgs,

aber kehrt nach dem Siege bei dem Ebergrabe nach Andania zuruͤck. Aber ſehr bedeutend wurde dieſer Ver - ſuch die Freiheit wieder zu erobern durch die Theilnah - me der meiſten Peloponneſiſchen Staaten. Denn den Tyrtaͤos anfuͤhrend berichtet Strabon2Es iſt deutlich, daß dies alles aus Tyrtaͤos iſt 8, 362. τὴν μὲν πϱώτην κατακτ. φησὶ Τυϱταῖος γενέσϑαι. τὴν δὲ δευτέϱαν, καθ᾽ ἣν ἑλόμενοι συμμάχους ᾽Ηλείους καὶ ᾽Αϱγείους [καὶ ᾽Αϱκάδας adden - dum] καὶ Πισάτας ἀπέστησαν, ᾽Αϱκάδων μὴν ᾽Αϱιστοκϱάτην τὸν ᾽Οϱχομενοῦ βασιλέα παϱεχομένων στϱατηγὸν, Πισατῶν δἐ Πανταλέοντα τὸν ᾽Ομφαλίωνος. Str. 355 c. ſteht, daß bei der ἐσχάτη κατάλυσις τῶν Μεσσηνίων die Eleer den Spartiaten hal - fen. Sie muͤßten dann zu dieſen aus Haß gegen Piſa uͤbergeſprun - gen ſein. Daß Sparta nach Ol. 34. Pantaleons Anſpruͤche auf die, daß an die - ſem Kriege fuͤr Meſſenien Theil genommen die Eleer,150 Argeier, Arkader und Piſaten1nach Pauſ. noch die Sikyonier.. Die Piſaten fuͤhrte Pantaleon, Omphalions Sohn, von dem wir wiſſen, daß er die 34ſte Olympiade anſtatt der Eleer feierte2P. 6, 22, 2.; wodurch wir eine genaue Zeitangabe gewin - nen; die Arkader aber Ariſtokrates, den Pauſanias Sohn des Hiketas, einen Trapezuntier nennt, und von ſeinem Verrath in der Schlacht am Graben erzaͤhlt, nach deſſen weit ſpaͤterer Entdeckung die Arkader ſei - nem Geſchlechte die Herrſchaft Arkadiens genommen3Wie Pauſ. erzaͤhlt Plutarch de sera num. 2. p. 216., der dem Kriege uͤber 20 Jahre Laͤnge giebt.. So erzaͤhlt auch Kalliſthenes4Bei Polyb. 4, 33, 2., und Beide fuͤhren die Inſchrift einer Stele an, welche beim Bergaltare des Lykaͤiſchen Zeus aufgerichtet war:

Wohl hat die Zeit die gerechte gerochen des Koͤnigs Unrecht,
Und Meſſene mit Zeus Gunſt den Verraͤther entdeckt
4Bei Polyb. 4, 33, 2.
4,
Sonder Bemuͤhn. Schwer aber entgehet dem Gotte der Meineid.
Preis dir, waltender Zeus. Schirme Arkadien ſtets!

Dagegen wiſſen wir nun aus guten Zeugniſſen5S. Aeginet. p. 65., daß Ariſtokrates eigentlich nur Koͤnig von Orchomenos in Arkadien war6welches noch im Peloponneſiſchen Kriege Koͤnige hatte, Plutarch Parallel 32. S. 430. H., und keineswegs ſein Geſchlecht die Herrſchaft verlor, indem noch ſein Sohn Ariſtodamos von da uͤber einen großen Theil Arkadiens herrſchte. Die Zeit des Ariſtokrates aber werden wir nach einer unten aufzuſtellenden Genealogie bis etwa uͤber Olymp. 30 hinaufſchieben koͤnnen. So waren alſo die Lakedaͤmonier in dieſem Kriege wirklich von einem2Agonotheſie zuruͤckwies, liegt auch in dem, was bei Phavorin Λὐγείας p.134. ſteht: daß den Piſaten, weil ſie fuͤr Meſſene ge - fochten, die Laked. die Agonotheſie genommen, und den Eleern, die ihnen beigeſtanden, gegeben haͤtten.151 uͤbermuͤthigen Feinde bedraͤngt, und Tyrtaͤos konnte mit Recht ſagen:

Nie euch bange der Muth vor der Feinde gewaltiger Anzahl,
Grad aus im vorderen Reihn halte der Kaͤmpfer den Schild.

Indeſſen hatte auch Sparta die Korinthier1nach Pauſ., viel - leicht die Lepreaten2nach Pauſ. 4, 15, 4. Doch ſtimmt damit nicht wohl, was 4, 24, 1., ja ſelbſt Samiſche Schiffe3Herod. 3, 47. Daß die Laked. bei Beginn des zweiten Krieges ein 12 Fuß hohes Zeus - bild nach Olympia weihten, mit der Inſchr. bei Pauſ. 5, 24, 1., beruht wohl blos auf[Vermuthung] der Exegeten., zu Bundesgenoſſen; vor allen den Aphidnaͤer Tyrtaͤos, den eine laͤcherlich entſtellte Fabel zu einem lahmen Athe - niſchen Schulmeiſter gemacht hat. Daß es nicht ohne Grund war, daß Sparta einen Kriegsſaͤnger grade von Aphidnaͤ holte, iſt oben ſchon angedeutet, ob Aphi - dnaͤ damals ſchon zu Athen gehoͤrte, laſſen wir unge - wiß. Es iſt zu bedauern, daß uns ſehr Wenig uͤber den Krieg Sparta’s mit dem uͤbrigen Peloponnes be - kannt geworden4Nur von einer Niederlage der Spartaner durch Argiver, § 13.; die Meſſenier zogen ſich ſpaͤter von Andania gegen Eira, welche Bergfeſte an dem Arkadi - ſchen Graͤnzfluſſe Neda, in der Naͤhe des Meeres, liegt. Und als ſie auch von da weichen mußten, nah - men ſie zuerſt die Arkader, ihre alten und treuen Bunds - genoſſen, auf und gaben ihnen nach der Sage ihre Toͤchter zur Ehe5Kalli - ſthenes bei Polyb. 4, 33, 2. Ariſtomenes ſoll, nach Pauſ. 4, 24, ſeine Schweſter und Toͤchter nach Phigaleia, Lepreon, Heraͤa ver - heirathet haben. Davon iſt der Vers aus B. 5. des Rhianos uͤber, bei Steph. Φιγαλ. Τὴν μὲν ἀνήγετ᾽ ἄκοιτιν ὲπὶ κϱαναὴν Φιγάλειαν, nemlich Tharyx.; weiter wandten ſich die Vertrie - henen zu ihren Verwandten nach Rhegion; Ariſtomenes ſelbſt ſoll in Rhodos im Hauſe der edlen Familie der152 Diagoriden geſtorben ſein1Davon Rhian im 6. (wohl dem letzten) Buche, wo Ata - byron in Rhodos vorkam. Steph. Byz. ᾽Αταβ., wenn ihn die Spar - tiaten nicht getoͤdtet hatten.

11.

Außer Meſſeniens Beſitz war fuͤr die Macht der Spartiaten nichts von ſolcher Wichtigkeit als der Ein - fluß, welchen ſie auf die Orte Arkadiens uͤbten. Wie ſie dieſen indeß gewonnen, iſt ſehr wenig bekannt2Ariſtot. Pol. 2, 6, 8. ſpricht von Kriegen gegen Argos, Arkadien, Meſſenien vor Lykurg; aber wohl irrig. Nach Polyaͤn 8, 34. nahmen die Tegea - ten ſchon den Koͤnig Theopomp, (wenn dort der Koͤnig gemeint iſt,) gefangen. Nach demſ. 2, 13. haͤtte ſchon Eurypon Mantineia eingenommen.. Im Meſſeniſchen Kriege ſtand Arkadien ganz auf der andern Seite. Daher auch die Spartiaten im zwei - ten Jahre der 30 Olymp. die Stadt Phigalia im Win - kel Meſſeniens und Triphyliens ploͤtzlich uͤberfielen, ein - nahmen, aber bald von den benachbarten Oreſthaſiern genoͤthigt ſie wieder verlaſſen mußten3Pauſ. 8, 39, 2.. Aber Sparta beſonders furchtbar, theils als einer der bedeutendſten Cantons Arkadiens, dann beſonders weil es am Haupt - eingange zu Lakonien lag, war Tegea. Die Tegea - ten ſollen ſchon Charilaos durch den Maͤnnermuth ihrer Frauen zu einem ſchimpflichen Vertrage genoͤthigt ha - ben4P. 8, 48, 3. uͤber den Ἄϱης Γυναικοθοίας, vgl. 3, 7, 3.. Auch ſpaͤter noch bis unter die Euryſtheniden Eurykrates und Leon litt Lakedaͤmon durch dieſelben5Her. 1, 67. P. 3, 3, 5. vgl. Dio Chryſoſt. Rede 17. S. 251 c. die Rede der Tegea - ten Herod. 9, 26. Polyaͤn 1, 11., in welche Zeit wohl das Orakel gehoͤrt, das den Spar - tiaten truͤgeriſch verhieß:

Tegea goͤnn ich um Reihen zu ziehn auf geſtampfetem Boden,
Und mit der Schnur ausmeſſend das ſchoͤne Gefild zu umhegen
6Die Amphibolie entſteht
6;

153bis ſie endlich unter deren Nachfolger Anaxandridas das Uebergewicht gewannen. Es war es aber nicht etwa blos die Geſchicklichkeit eines Bergvolks in Ver - theidigung und Deckung ſeiner Schluchten, welche den Spartiaten den Sieg ſo erſchwerte; obgleich auch der Paß, welcher Tegea von Lakonien trennt, und noch Spuren von Vertheidigungsmauern zeigt, mannigfach zur Abwehr des Feindes benutzt wurde1S. Das Strategen des Koͤnigs ῎Αλνης (῎Αλεος Caſaub. ) bei Polyaͤn 1, 8.: ſondern Tegea war auch im offenen Kampfe durch ein geordnetes Hopli - tenheer ſtark, welches nachmals ſtets die zweite Stelle im Peloponneſiſchen Bundesheere behauptete.

12.

Argos hat nie zu einer ſolchen Herrſchaft in Argolis gelangen koͤnnen, als Sparta in Lakonien, weil dort von Anfang an mehrere alte und bedeutende Staͤdte die Dorier einluden ſich zu theilen, Dorier aber der Autonomie zu berauben, gegen die Grundſaͤtze des Stam - mes war. Argos mußte alſo ſich begnuͤgen einen Bund zu gruͤnden und zu leiten, der die Kraͤfte des Landes zu gemeinſamer Abwehr vereinigen, und die inneren Verhaͤltniſſe regeln ſollte. Eine ſolche Verbindung be - ſtand, wenn ſie auch nie ihren Zweck ganz erreichte. Sie knuͤpfte ſich vermuthlich an das Heiligthum des Apollon Pythaeus, das, wie oben bemerkt wurde, als ein gemeinſames auch von Epidauriern und Dryopern angeſehen wurde. Eine Argiviſche Amphiktyonie wird in der Erzaͤhlung des Meſſeniſchen Krieges erwaͤhnt2Pauſ. 4, 5, 1. Die Amphiktyonen uͤber Thyrea richtnd, Plut. Parallel. hist. Gr. et Rom. 3., und iſt ſicher nicht erfunden, wenn auch falſch ange - bracht. Daß ſie noch Olymp. 66 beſtand, erhellet dar -6nur dann, wenn ὀϱχήσασϑαι auch von ὄϱχος abgeleitet wird. Διαμετϱήσοσϑαι aber bezeichnet den Zuſtand eines Heloten, Klaro - ten, der en abgemeſſenes Stuͤck Land zur Bebauung empfaͤngt.154 aus, daß als[die] Sikyonier und Aegineten dem Koͤnig Kleomenes Schiffe gegen Argos gegeben, jede Stadt in eine Geldſtrafe von 500 Talenten verurtheilt wurde1Herod. 6, 76 sqq.. Dies konnten die Argeier nicht als einzelne Stadt, ſondern nur im Namen einer Verbindung, die dadurch gekraͤnkt und verletzt war. Sonſt finden wir nur, daß die Eleer fuͤr den Olympiſchen Zeus dergleichen Bußen auflegen konnten[2vgl. uͤber dieſe Amph. Ste Croix Gouvern. feder. S. 100., der indeß mit gewohntem Leichtſinn davon handelt, und z. B. in der Inſchr. bei Fourmont von Plata - niſtus bei Argos και αγωνοϑετησαντα πϱωτον Πυϑιων μετα το ανασωσαι αυτον το δικαιον της αμφικτυονειας τῃ τατϱιδι και αγωνοϑετην ἡϱαιων dieſe gemeint wiſſen will. Bgl. die In - ſchrift aus Maffei bei Murat. 561]. Aber der angefuͤhrte Fall ſelbſt zeigt, wie widerſpenſtig die Mitglieder dieſes Bundes ſich den Verfuͤgungen des Hauptes erwieſen.

13.

Zu dieſer innern Uneinigkeit kam der beſtaͤn - dige Zwiſt mit Lakedaͤmon. Herodot giebt an, daß den Argeiern in alter Zeit, (d. h. vor Olymp. 50 etwa,) die ganze Weſtkuͤſte des Peloponnes bis Malea (welche die Orte Praſiaͤ, Kyphanta, Epidauros Limera, Epi - delion enthielt) ſamt der Inſel Kythera und den uͤbri - gen Inſeln gehoͤrte[3Ich wage jetzt nicht ſo beſtimmte Behauptungen, wie Aegin. p.54.]. Nach Pauſanias Nachrichten war die Landſchaft Kynuria, ein Gebirgsthal zwiſchen auslaufenden Bergreihen an der Graͤnze von Lakonien und Argos, von einem einheimiſchen altpeloponneſiſchen Volke bewohnt, ſchon ſeit uralter Zeit Zankapfel bei - der Staaten. Schon unter Echeſtratos und Eurypon unterwarfen die Lakedaͤmonier dies Laͤndchen[43, 2, 2. 7, 1.], unter Labotas und Prytanis beſchweren ſie ſich uͤber Verſuche der Argeier, ihnen ihre Perioͤken in Kynuria ab -155 wendig zu machen; Angaben, die wir, ungewiß, wo - her ſie entnommen ſind, auf ſich beruhen laſſen. Un - ter Charilaos verwuͤſten ſchon die Lakedaͤmonier das Gebiet von Argos13, 7, 3. vielleicht davon Oenom. bei Eufeb. Praep. Ev. p. 133. Steph.. Deſſen Sohn Nikandros verbin - det ſich mit den Dryopern von Aſine gegen Argos. Darum vertreibt dieſe wieder der Argiviſche Koͤnig Era - tos aus ihrer Stadt22, 36, 5. 3, 7, 5. 4, 8, 1. 14, 2. 44, 6.; ſie fliehen zu ihren Verbuͤn - deten in Lakonien, und erhalten von dieſen, nach Ende des erſten Meſſeniſchen Krieges, einen Kuͤſtenſtrich, wo ſie ein neues Aſine bauen, und noch lange fuͤr ſich in ihrer nationalen Weiſe3So ſind bei Herodot Dryopiſch Hermione und Aſine πϱὸς Καϱδαμύλῃ τῇ Λακωνικῇ, welches damals wohl die naͤchſte bedeutende Stadt war. vgl. Theopomp bei Str. 373., und in Zuſammenhang und in Verbindung mit den alten Goͤtterdienſten ihrer Ver - wandten zu Hermione blieben4S. das Monument bei Donius Cl. 4. p. 137. Caſtelli p. 89 Aa..

14.

Ein hellerer Punkt der Argiviſchen und Pelo - ponneſiſchen Geſchichte uͤberhaupt iſt die Herrſchaft des Pheidon. Da ich die Nachrichten uͤber ihn ander - waͤrts geſammelt und gepruͤft habe, iſt es hier nur noͤthig, das Ergebniß zu wiederholen5Aeginet. p. 51-63.. Pheidon, Ari - ſtodamidas Sohn, der Argeier, war aus dem Koͤnigs - hauſe des Temenos, welches zwar ſeit Medon, Keiſos Sohn, in ſeiner Macht ſehr geſchmaͤlert und einge - ſchraͤnkt war, aber doch noch lange fortbeſtand. Die hemmenden Schranken durchbrach Pheidon und heißt darum, aber gegen den alten Sprachgebrauch, Ty - rannos. Seine Abſichten waren zuvoͤrderſt darauf ge - richtet, die unabhaͤngigen Staͤdte von Argolis zu Un - terthanen von Argos zu machen. Er unternahm einen Krieg gegen Korinth, und eroberte es ſpaͤter wirklich;156 ihm gehoͤrte wahrſcheinlich Epidauros, gewiß Aegina; keine der andern Staͤdte der Umgegend wird dem kuͤh - nen und entſchloſſenen Eroberer haben widerſtehen koͤn - nen1Was die Herrſchaft ſeines Bruders in Makedonien betrifft: ſo ſcheint mir das Verhaͤltniß dieſer Erzaͤhlung zu der bei Herod. 8, 137. diefes. Beide bezeichnen daſſelbe Ereigniß, aber die letztere iſt rohe Makedoniſche Landesſage, unter einem Volke gebildet, das wenig geſchichtliche Erinnerung hatte; die erſte beruht auf Argivi - ſcher Sage, und iſt, wenn auch ebenfalls nicht ganz hiſtoriſch, doch auf eine weit wahrſcheinlichere[Weiſe] verknuͤpft. Κάϱανος iſt viel - leicht nur eine andere Form von Κοίϱανος. vgl. Heſych Κόϱαννος Eurip. Erzaͤhlung, daß Archelaos, Temenos Sohn, Aegaͤ in Ma - kedonien[eingenommen], wohin er als Ziegenhirt in großer Armuth kam, (Hygin Fb. 219. Dio Chryſ. S. 70. die Fragmente) iſt die un - begruͤndetſte. Ob Iſokrates an Philipp 45. S. 152 L. die Sage von Karanos kennt, oder der Herodotiſchen folgt, iſt nicht klar. Abweichend auch Konſtant. Porphyr. Them. 1. S. 1453.. Die Vollendung ſeiner Thaten iſt offenbar die Feier der Olympiſchen Spiele, die er nach Verdraͤn - gung der Aetoliſch-Eleiſchen Hellanodiken, als Nach - komme und Nachfolger des Herakles, des erſten Olym - pioniken wie damals ſchon die Sage ihn nannte. mit den Einwohnern der Pelopiſchen Piſa anordnete. Dieſe giebt zugleich ein unzweideutiges Zeugniß uͤber die Zeit ſeiner Herrſchaft, da in den Eleiſchen Ver - zeichniſſen die achte Olympias als von ihm gefeiert bemerkt war. Aber eben dieſe Anmaßung war es, die die Eleer und Lakedaͤmoaier gegen ihu vereinte, und dadurch ſeinen Sturz herbei fuͤhrte. Dieweil Pheidons Unternehmungen auf dieſe Weiſe fuͤr die Nachkommen er - folglos blieben, hat ihn die Stimme darauf folgender Geſchlechter fuͤr den uͤbermuͤthigſten der Tyrannen in Griechenland erklaͤrt; man wuͤrde ihn neben Lykurgos ehren, wenn es ihm gelungen waͤre, einen bleibenden Zuſtand zu begruͤnden. Indeſſen ſind doch auch ſo In -157 ſtitute von ihm auf die Folgezeit gekommen, die ſein Andenken zieren. Er gab dem Peloponnes gleiches Maaß und Gewicht, welches vor ihm bei der verſchiedenen Abkunft der Peloponneſiſchen Voͤlkerſchaften nicht ſtatt fand; er ſchlug zuerſt Muͤnzen. Beides konnte er mit groͤßerem Erfolge unternehmen, da die beiden einzigen Handelsſtaͤdte des Peloponnes in damaliger Zeit in ſei - ner Herrſchaft lagen, naͤmlich Korinth (darum heißt er auch Korinthier) und Aegina. Genauere Nachrichten beſagen, daß er zuerſt in Aegina, wo damals ohne Zweifel ſchon Metallarbeit gemacht wurde, Silbermuͤn - zen1Aegin. p. 57. vgl. Add. p. 199. praͤgen ließ, und nach Einfuͤhrung derſelben die alten, jetzt abgeſchafften Staͤbe (ὀβελίσκους) der Hera von Argos weihte, wo man deren vermuthlich ſpaͤter noch dem Fremden zeigte2und zwar blos Silber, (nicht τό τε ἄλλο καὶ τὸ ἀϱγυϱοῦν wie Strabon) da Kupfer bedeutend ſpaͤter, und Gold zuerſt in Aſien gepraͤgt wurde. Sehr verkehrt ſagt das Etym. Gud. 549, 58., Pheidon habe die Maaße verkleinert.. Manche von den uraͤlte - ſten der Aeginetiſchen Schildkroͤten-Drachmen koͤnnen wohl bis in dieſe Zeit hinaufreichen, da die griechiſchen Muͤnzen, welche vor den Zeiten des Peloponeſiſchen Krieges geſchlagen ſind, Fortſchritte von mehrern Jahr - hunderten in der Kunſt des Stempelſchneidens und Praͤ - gens darzulegen ſcheinen. Das aber beweiſen auch noch die vorhandenen, daß im alten Peloponnes gleicher Muͤnzfuß herrſchte3S. davon Buch 4. Auch die alten Makedoniſchen Muͤnzen ſind nach demſelben Fuß geſchlagen., und erſt nach dem Peloponneſi - ſchen Kriege in Maaß, Gewicht und Muͤnzfuß Ver - ſchiedenheit hinein kam, die dann zum zweitenmal auf einige Zeit durch die allgemeine Herrſchaft des Achaͤi - ſchen Bundes aufgehoben, und Gleichmaͤßigkeit herge - ſtellt wurde4Polyb. 2, 37, 10..

158

15.

Nach Pheidons Falle dauerte der alte Zwiſt mit Lakedaͤmon fort1S. im allgemeinen Julian. Brief an die Arg. 35. S. 407.. Olymp. 15. begann der Krieg um das Kynuriſche Graͤnzland aufs neue2nach Euſeb. 1297. Pont. Pauſ. 3, 7, 5. ſetzt τὸν πεϱὶ τῆς Θυ - ϱεἀτιδος ἀγῶνα ans Ende der Regierung Theopomps, in dieſelbe Zeit; Solin K. 13. in das 17. Jahr des Romulus.; die Argeier behaupteten es jetzt lange Zeit3Sonſt koͤnnte Herodot nicht von den Kynuriern ſagen: ἐκδεδωϱίευνταε ὑπό τε Ἀϱγείων ἀϱχόμενοι καὶ τοῦ χϱόνου. vgl. Aegin. p. 47., und ſicherten den Beſitz der Landſchaft beſonders durch den Sieg bei Hyſiaͤ in derſelben, Ol. 27, 4.4Pauſ. 2, 24, 8.: ſie verloren ihn erſt in der Zeit des Kroͤſos (Ol. 58.) durch die beruͤhmte Helden - ſchlacht der Dreihunderte, in der der wundenmatte Othry - adas die Trophaͤe des Sieges fuͤr Sparta aufrichtete5vgl. zu den Stellen Aegin. l. l. die Epigr. des Simonides 7, 431. Dioskorides 7, 430. Damaget 432. Nikandros 526. Chaͤremon 720. Gaͤtulikus 244. Anthol. Palat. Nach Iſokr. Archid. 42. ſchlugen 300 Spart. alle Argeier. Eine merkwuͤrdige Fortſetzung der Sage iſt, daß Perilaos, Sohn des zu zeitig fortgegangenen Alkenor (Her. 1, 82.), ein Nemeonike, den Othryadas toͤdtete. Pauſ. 2, 20, 6. Die Weihgeſchenke der Ar - geier fuͤr den Kampf bei Thyrea, wie die der Tegeaten wegen eines Sieges uͤber Sparta, zu Delphi, (Pauſ. 10, 9, 3. 6. ) koͤnnen, wegen der dabei genannten Kuͤnſtler, erſt gegen Ol. 100. gearbeitet ſein.: eine um ſo fabelhaftere Geſchichte, da ſie ſelbſt durch Feſtgeſaͤnge an den Gymnopaͤdien verherrlicht wurde6Daher deren Einfuͤhrung (nach Euſeb Ol. 27, 3.) da - von abgeleitet wird. S. Athen. 14, 631. Ruhnken zu Timaͤos S. 54. Heſych Θυϱεατικοὶ στέφανοι. Apoſtol. 6, 56. vgl. Manſo 1, 2. S. 211.. So unbedeutend die Landſchaft, die ein Alter eine Linſe nannte, an Umfang war, fuͤr die ſo ta - pferes Blut floß; ſo entſcheidend war ihr Beſitz fuͤr die Herrſchaft in Peloponnes. Nur ſeitdem konnte Kleomenes zu deſſen Zeit der Eraſinos die Graͤnze159 machte mit ſolchen Gluͤcke Argos angreifen, wie er wirklich that.

Die Ausdehnung der Argiviſchen Macht in der Umgegend war ſehr unſicher und ſchwankend. Gegen Ende des zweiten Meſſeniſchen Krieges hatten ſie das nahe Nauplia uͤberwunden; den vertriebenen Ein - wohnern gaben die Lakedaͤmonier Methone in Meſſe - nien1Pauf. 4, 24, 1. 35, 2.. Das Heiligthum von Nemea in den Gebuͤr - gen gegen Korinth gelegen gehoͤrte ſeiner Lage nach der unabhaͤngigen Doriſchen Stadt Kleonaͤ an; indeſſen entriſſen es dieſer die Argiver vor Ol. 53, 1.2Euſeb. 51, 1. ed. Pontac. vgl. Corſini Dissert. Agon. p. 51., und feierten von dieſem Zeitpunkte die Spiele des Zeus. Doch verloren ſie es wieder, und einige Zeit vor Ol. 80, aber wohl nicht lange uͤber dieſen Zeitpunkt hin - aus, verwalteten die Kleonaͤer wieder die Feier3wie Diſſen zeigt, zu Pind. Nem. 4. S. 381.. Es iſt wahrſcheinlich, daß um dieſelbe Zeit, um Ol. 50, Orneaͤ zwiſchen Argos und Sikyon, welches fruͤ - her mit der letzteren Stadt Kriege gefuͤhrt hatte, der erſteren unterthan wurde, wovon die Argiviſchen Pe - rioͤken den allgemeinen Namen Orneaten erhielten, zu deren Claſſe auch die Kynurier vor der Schlacht von Thyrea gehoͤrten4Darnach habe ich Herod. 8, 73. er - klaͤrt Aegin. p. 47., wo indeß die σύνοικοι nach dem Perſerkriege von den fruͤhern Perioͤken nicht unterſchieden ſind.. Doch dieſe Ereigniſſe gehoͤren eigentlich ſchon in die Periode, zu deren Darſtellung wir jetzt kommen, und die wir im Allgemeinen als die Zeit der Tyrannen bezeichnen.

160

8.

1.

Das Thema dieſes Kapitels finden wir am beſten in Thukydides Worten ausgedruͤckt11, 18. vgl. Herod. 5, 92, 1. ἄπειϱοι τυϱάννων καὶ φυ - λάσσοντες δεινότατα τοῦτο ἐν τῇ Σπάϱτῃ μὴ γενέσϑαι. Der Korinther Soſikles ſagt zu den Spart. : Erde und Himmel wird ſich umdrehen, wenn ihr, die ἰσοκϱατίας aufhebend, τυϱαννίδας einfuͤhren wollt. Vgl. Dionys Hal. uͤber Lyſias 30. S. 523. Au - ßer den Laked. ſtuͤrzten auch die Syrakuſer viele Tyrannen, ehe ſie ſelbſt deren hatten. Ariſt. Pol. 5, 3, 18.: die Tyrannen des geſammten Hellas, die in Sikelien ausgenommen, wurden durch die Lakedaͤmonier geſtuͤrzt, deren Stadt niemals Tyrannen litt, und durch die fruͤh geordnete Verfaſſung maͤchtig, auch die Verhaͤltniſſe in andern Staaten regelte. Es iſt ein merkwuͤrdiges Ereigniß in der Griechiſchen Geſchichte, daß zur ſelben Zeit uͤberall in Doriſchen, Joniſchen, Aeoliſchen Staͤdten ſich Tyrannen der hoͤchſten Gewalt bemaͤchtigen, ein Beweis, daß bei verſchiedener Volksthuͤmlichkeit der Staͤmme doch zugleich ein gemeinſamer Entwickelungs - gang des politiſchen Lebens auf derſelben Stufe uͤberall dieſelbe Erſcheinung hervorbrachte. Nur die Staͤdte des reinen Dorismus, Sparta und Argos, widerſte - hen dem Einfluß; uͤberhaupt werden wir das Grund - geſetz finden, daß es ſtets eine Verdraͤngung des Do - riſchen Princips war, durch welches ſich die Tyrannen161 hoben. Dies wird durch eine Betrachtung der Gewalt - herrſchaften in den Doriſchen Staͤdten des Peloponnes deutlich werden.

2.

Sikyon ſcheint ſchon in alter Zeit durch eine gewiſſe Lebendigkeit und Regſamkeit des Geiſtes ſich von anderen Doriern unterſchieden, und durch eine Gewandtheit des Lebens ausgezeichnet zu haben, die die Sikyonier fruͤhzeitig ſelbſt auf ihren mythiſchen He - ros Adraſtos deſſen Zunge ſanftuͤberredend1Tyrtaͤos Fragm. 3. Br. uͤber - trugen. Aber eben dieſe oͤffnete der Tyrannis in da - maligen Verhaͤltniſſen das Feld. Der Tyrann war auch hier der Kopf der unteren aufſtrebenden Staͤnde im Kampf gegen den Adel. Als ſolcher trat ohne Zwei - fel Orthagoras auf, welchen die Ariſtokratie, weil er nicht aus alter Familie ſtammte, einen Koch nannte2Liban in Sever. Th. 3. S. 251. Reiske.. Nichtsdeſtoweniger behielt ſein Haus die Herrſchaft laͤnger als irgend ein anderes, ein Jahrhundert nach Ariſtoteles3Polit. 5, 9, 21., weil ſie die Buͤrger nicht mißhandelten, und die Geſetze im Ganzen achteten. Ihre Reihe iſt: Orthagoras Andreus Myron Ariſtonymos Kleiſthenes4Die Reihe iſt indeß nicht voͤllig ſicher, da Herod. 6, 126. blos bis Andreus hinaufgeht, Ariſtot. unbeſtimmt Ὀϱϑαγόϱου παῖδες καὶ ἀυτὸς Ὀϱϑαγόϱας ſagt, und Plutarch de sera num. vind. 7. (vgl. Wyttenb. S. 44.) Ὀϱϑαγόϱας καὶ μετ̕ ἐκεῖνον οἱ πεϱὶ Μὐϱωνα καὶ Κλεισϑένην., von denen aber der zweite und vierte gar nicht oder nur kurze Zeit herrſchten. Myron hatte Olymp. 33 mit dem Wagen zu Olympia geſiegt, und erbaute darauf ein Schatzhaus, in dem zwei Gemaͤ - cher mit Tarteſſiſchen Erz ausgelegt, und mit Joni - ſchen und Doriſchen Saͤulen geſchmuͤckt waren5Pauf. 6, 19, 2. 2, 8, 1., wo fuͤr Πύϱ̓ϱ̔ων Μύϱων zu ſchreiben.. So - wohl die angewandte Saͤulenordnung, als das Tarteſ -II. 11162ſiſche Erz, welches damals eben die Phokaͤer vom gaſtlichen Koͤnige Arganthonios in reichem Maaße nach Griechenland gebracht hatten, bezeugen den lebhaften Verkehr des Myron mit den Aſiaten; wir werden den - ſelben bei mehreren andern Tyrannen als nicht unwich - tig fuͤr ihre Plaͤne wiederfinden. Kleiſthenes ſcheint nicht ohne Gewalt die Herrſchaft gewonnen zu haben1Ariſtot. Pol. 5, 10, 3.; er hielt ſie feſt, indem er einerſeits durch Kriegsruhm und Waffenglanz die Scheu, andrerſeits durch Demo - kratiſirung der Verfaſſung den Beifall des Volks er - warb. Was das letztere betrift: werden die wunder - lichen Veraͤnderungen, die er mit den Sikyoniſchen Staͤmmen vornahm, im dritten Buch erlaͤutert werden. Hieher gehoͤrt, daß Kleiſthenes, der Orthagoride, ſelbſt dem unterworfenen, undoriſchen Stamme angehoͤrte, und indem er dieſen zu erheben, zugleich die Doriſchen herabzuwuͤrdigen, ja zu beſchimpfen ſuchte, ſo daß er alle Verhaͤltniſſe fruͤherer Zeit gradezu umkehrte und auf den Kopf ſtellte. Darum lag auch Kleiſthenes mit Argos, der Doriſchen Hauptſtadt in dieſer Gegend, in Streit und Krieg2Herod. 5, 67. ̓ Αϱγείοισι πο - λεμήσας. Vielleicht iſt aus dieſem Kriege der von den Argeiern nach Olympia geweihte, von Morrit im Alpheios gefundene Helm (mitgetheilt Classic. Journ. T. 1. p. 328. und Walpole Trav. S. 588. n. 53. vgl. Boͤckh zu Pind. Explic. p. 226.) ΤΑΡΓ (ει) ΟΙ ΑΝΕΘΕΝ ΤΟΙ ΔΙϜΙ ΤΟΝ ΦΟDΙΝΘΟΘΕΝ., aus demſelben Grunde verbann - te er den Heroendienſt des Argiviſchen Adraſtos, und beguͤnſtigte dafuͤr den Cultus des Dionyſos, welcher dem Dorismus fremd und minder zutraͤglich war; end - lich unterſagte er den Homeriſchen Rhapſoden den Zu - tritt, weil Homer Argos feiert und die Ariſtokratie. Dieſe in ſich wohl zuſammenhaͤngenden Zuͤge eines kek - ken, durchgreifenden Sinnes treten aus der naiven Er -163 zaͤhlung Herodots hervor. Dieſelbe politiſche Tendenz vererbte ſich auf ſeinen Schwiegerſohn Megakles, den Gemahl der ſchoͤnen Agariſte, um deren Hand in der heitern Fuͤrſtenhalle des Kleiſthenes, wie weiland um Helena, viel aufſtrebende Juͤnglinge von allen Enden von Hellas geworben hatten1S. außer Her. Diod. Exc.. 2. p. 550. mit Weſſel. Noten., und trat alsdann be - ſonders im Attiſchen Kleiſthenes hervor, um die Um - waͤlzung der Atheniſchen Verfaſſung durch Aufhebung der letzten Spuren geſonderter Staͤnde herbeizufuͤhren. Was nun aber die kriegeriſche Thaͤtigkeit des Sikyo - niers betrifft: ſo mußte dieſe ſchon ſehr beruͤhmt ſein, als er im Kriege der Amphiktyonen gegen Kirrha ob - gleich ihn die Pythia einen Raͤuber geſcholten hatte2Her. daraus Dio Chryſoſt. 3, 43 b. den Oberbefehl uͤber die Armee mit den Theſſaliſchen Herakliden Eurylochos theilte, und die belagerte Stadt beſonders von der Seeſeite angriff und erobern half3Pauſ. 2, 9, 6. 10, 37, 4. Schol. Pind. N. 9, 2. Polyaͤn 3, 5. Merkwuͤrdig, daß Sparta in dieſem Kriege ganz unthaͤtig blieb.. Dies geſchah im dritten Jahre der 47ſten Olymp.4S. jetzt Boͤckh Explic. Pind. O. 12, S. 206.. Von der Beute des Kriegs baute Kleiſthenes eine Saͤu - lenhalle zur Verſchoͤnerung Sikyons5Pauſ. 2, 9, 6.; auch ſiegte er in der zweiten Pythiade, Ol. 49, 3. mit dem Vierge - ſpann610, 7, 3.. Ich weiß nicht, ob man wagen darf aus den einzelnen Nachrichten uͤber den Mann einen Be - griff von ſeinem Charakter zu bilden. Sicher war Kleiſthenes ein ſolcher, der das damals in reicherer Entfaltung aufbluͤhende Helleniſche Leben der ruhi - gen Geſchloſſenheit des Dorismus gegenuͤber mit empfaͤnglichem Sinne auffaßte, und mit der Liebe zum Glanz und Pomp Muth und Klugheit verbindend Vie -11 *164les bisher mit Scheu Verehrte als altes Vorurtheil verlachte, und ſeinem Umwaͤlzungs-Geiſte keine Schran - ken geſteckt glaubte. Indeſſen muß er doch gegen ſei - ne Erwartung, nach Thukydides allgemeinem Zeugniſſe, von Sparta geſtuͤrzt worden ſein, wohl bald nach Ol. 50.1Denn die Tyrannis dauerte nach Ariſtoteles 100 Jahre, etwa von Ol. 26 51., der alte Zuſtand der Dinge trat indeſſen in Sikyon erſt 60 Jahre ſpaͤter wieder ein2Herod. 5, 68., in welchem Zeitraume noch ein Tyrann Aeſchines, aber einer an - dern Familie angehoͤrig herrſchte.

3.

Sehr befreundet mit den Sikyoniſchen Tyrannen waren die Korinthiſchen3nach der Stelle Herod. 6, 128., da auch dieſe zum Do - riſchen Adel nicht gehoͤrend ſich in derſelben Stellung gegen ihn befanden. Hier herrſchte vor dieſen das aus - gedehnte4S. Str. 378. gegen 200 Maͤnner nach Dio - dor bei Synkell. Chronogr. S. 178. Par. Heraklidiſche Geſchlecht der Bakchiaden, welche die urſpruͤngliche Verfaſſung zur Oligarchie um - gewandelt hatten, indem ſie ſich kaſtenmaͤßig von den uͤbrigen Geſchlechtern geſondert hielten, und allein der Stadt die leitenden Magiſtrate jaͤhrliche Prytanen gaben. Aber Kypſelos, Aetions Sohn, Echekrates Enkel aus einem Korinthiſchen Demos Petra5Her. 5, 92, 2., undo - riſcher Abkunft, doch zugleich durch ſeine Mutter mit den Bakchiaden verknuͤpft, verdraͤngte, wieder mit Huͤlfe der unteren Staͤnde6Ariſt. 5, 8, 4. 9, 22., die durch Luxus7Aelian V. H. 1, 19. und Uebermuth verhaßten Oligarchen, welche, ungewiß ob gezwungen oder freiwillig, zum groͤßten Theil Korinth verließen8Von einem Strategem des Kypſelos dabei ſ. Polyaͤn 5, 31, 1. Daß dabei ein Bakchiade, Demarat, nach Italien ging, iſt ſehr glaub - lich; aber die Abſtammung der Tarquinier von dieſem erfunden. Niebuhr R. G. 1. S. 215., und ward nun gegen Ol. 30.9nach Euſeb., womit die 447 Jahre, bei der165 Ungeſchicklichkeit des Volkskoͤrpers ſich ſelbſtſtaͤndig zu leiten, Tyrannos. Wie leidenſchaftlich ihn auch als ſolchen der Korinthiſche Redner bei Herodot anklagt: urtheilt doch das Alterthum im Ganzen anders. Er war friedlich geſinnt, herrſchte ohne Leibwache1Ariſt. a. O., und eingedenk, woher ſeine Gewalt gekommen, als Dema - gog. Auch unternahm er ſchon Bauwerke, aus Kunſt - ſinn, oder um das Volk zu beſchaͤftigen. Das Schatz - haus zu Delphi mit der Platane war ſein Werk2Plut. Sieben W. 21. vgl. Sympos. Qu. 8, 4, 4. p. 361.. Ihm folgte ſein Sohn Periandros, zuerſt mit glei - cher oder groͤßerer Milde als der Vater3Her. 92, 6. πϱῶτον δημοτικὸς (zu ſchr.) Apoſtol. 20, 47.. Bald ward er zuſehens gewaltthaͤtiger, nach Herodot durch den Umgang mit dem Mileſiſchen Tyrannen Thraſybulos an - geſpornt, der ihm rieth, den Adel der Stadt auf alle Weiſe zu ſchwaͤchen, ja zu vertilgen4Herod. Ariſt. Pol. 3, 8, 3. 5, 8, 7. 9, 2.. Vielen ſeiner Beſtrebungen lag die deutliche Abſicht zu Grunde, die Doriſche Eigenthuͤmlichkeit in der Wurzel auszurotten. Darum hob er die Gemeinmahle auf, darum verbot er die alte Erziehung55, 9, 2.. Dem Volke imponirte er durch kriegeriſchen Glanz, in beiden Meeren hatte er Trie - ren ſtehn6Nlkol. Damaſc.. Seine Perſon ſchuͤtzte er durch dreihun - dert Leibwaͤchter7Ariſt. 5, 9, 22. Herakl. Pont. 5. Nik. Dam.. Die Stadt in Ruhe zu erhalten, heftige Bewegungen zu vermeiden, war ein Grundſatz, auf deſſen Befolgung die Sicherheit ſeiner eignen Herr - ſchaft beruhte; und aus dem ſich ein ganzes Syſtem9bei Diod. Fragm. 6. S. 635. Weſſel. von der κάθ. Ηϱακλ. bis auf Kypſelos ſtimmen. Es iſt nicht deutlich, wie Str. rechnet, der 8, 378. die Herrſchaft der Bakchiaden auf 200 Jahre angiebt; Prytanen waren ſie nach Diod. nur 90 J.166 von Anordnungen ergab. Er ſetzte darum ein peinli - ches Gericht1βουλἡν ἐπ̕ ἐσχάτων Herakl. gegen Vergeuder des vaͤterlichen Ver - moͤgens nieder, weil dieſe leicht zu Neuerern umſchla - gen; er unterſagte maaßloſen Luxus und zu große Sklavenmenge. Muͤſſiggang daͤuchte ihm beſonders ge - faͤhrlich. So wenig blieb er den demokratiſchen Grund - ſaͤtzen ſeines Vater treu, daß er das Volk aus der Stadt trieb2Ebend., und um es feſter an Land - und Hand - Arbeit zu gewoͤhnen, ihm nur Bauerntracht geſtattete3Buch 3, 3.. Er ſelbſt verſchwendete nicht, daher er keine andere Steuern bedurfte, als Hafenzoͤlle und Marktabgaben. Auch vermied er wo ſeine Abſichten es nicht heiſch - ten Gewaltthaͤtigkeit und offenbares Unrecht; ja mitunter machte er einen ſo ſtrengen Sittenrichter, daß er die zahlreichen Kupplerinnen der uͤppigen Korin - thos die gaſtfreundlichen Maͤdchen der Aphrodite ſelbſt ſchuͤtzte Religion erſaͤufen ließ4Herakl. Oder iſt ſtatt πϱοαγωγοὶ etwa πϱοςαγωγοὶ (die πο - ταγωγὶδες Siciliens) zu ſchreiben?. Wie ſeinem Vater, war auch ihm Aufſtellung glaͤnzender Kunſt - denkmaͤler5Ueber die Koloſſe und Anatheme der Kypſeliden ſ. Ariſt. 5, 9, 2. Theophr. bei Phot. Ler. S. 143. Ephor. bei Diog. L. 1, 74. Pauſ. 5, 2, 4. ein Mittel, das Vermoͤgen der Reichen zu beſchatzen, und die Maſſe zu beſchaͤftigen, wiewohl ſich auch ſein eigner gebildeter Sinn daran erfreute. Aber im Allgemeinen enthaͤlt, vom Standpunkte der Geſchmacks - und Geiſtesbildung, der Landeskultur und des Verkehrs betrachtet, die Zeit der Tyrannen einen ungemeinen Fortſchritt fuͤr Hellas. Der ſtarre Sinn, alter Sitte und alten Brauchs ſtrenger Bewahrer, wurde hier zuerſt gebeugt, und eine freiere, weitere Weltanſicht herrſchend. Die Tyrannen ſtehen haͤufig in enger Verbindung mit den Kleinaſiaten, die Sparta167 ihrer Ueppigkeit und Unmaͤnnlichkeit wegen verachtete; vom Lydiſchen Sultan im Harem zu Sarden wand ſich nun durch die Fuͤrſtenhaͤuſer von Milet und Samos eine mannigfachen Einfluß leitende Kette bis in die Naͤhe Sparta’s. Periandros verkehrte nicht blos mit Thra - ſybul, ſondern mit dem Lyderfuͤrſten Halyattes, und ſandte dieſem noch vor ſeinem Tode Korkyraͤiſche Kna - ben, um ſie nach orientaliſcher Weiſe zu verſchneiden1Herod. vgl. Antenor und Dionyſ. v. Chalk. bei Plutarch de malign. Herod. 22. p. 302.. Die Namen ſeiner Verwandten Pſammetichos und Eor - dias, dieſer Phrygiſch, jener Aegyptiſch, zeugen fuͤr gaſtfreundliche Verbindung mit dieſen Laͤndern. Auf der andern Seite fuhr die Politik der Kypſeliden fort, die Kuͤſten des Joniſchen Meer’s bis Illyrien zu be - ſetzen, und befreundete ſich mit den barbariſchen Voͤl - kern des Binnenlandes2S. oben S. 117. Außer Gor - gos herſchte in Ambrakia auch ein Periandros, Ariſtot. Pol. 5, 8, 9. Plutarch Erotik. 23. S. 60.; vielleicht Sohn des Gorgos.. Ein hochſtrebender und weitausſehender Geiſt war Periandros in der That, wie wohl wenige ſeiner Zeitgenoſſen, tapfer im Kriege, klug im Staate, obgleich durch beſtaͤndiges Mißtrauen zu niedrigen Maaßregeln verleitet, und die eigne Ty - rannis zu ſehr dem Wohle des Staates uͤberordnend, der Kuͤnſte Freund, von aufgeklaͤrtem Sinne, aber derſelbe durch Leidenſchaft in ſich und ſeinem Hauſe zer - ruͤttet, ohne innere Ruhe des Gewiſſens, und ohne Scheu vor dem Heiligen doch bisweilen duͤſterem Aber - glauben unterthan. Nach Perianders Tode herrſchte Pſammetichos3Dieſem oder dem Periandros oder dem Kypſelos wurde, nach Steſichoros, (Str. 8, 347.) die ſchoͤne Rhadina von Samos als Braut zugeſandt, aber aus Eiferſucht getoͤdtet. Daß es das Jo - niſche Samos ſei, beweiſt gegen Strabo die Stelle Pauſ. 7, 5, 6., Gordias Sohn, aus demſelben168 Hauſe, doch nur drei Jahre; ohne Zweifel ſtuͤrzten ihn Ol. 49, 3. die Spartiaten1Die Chronologie des Hauſes hat einige Schwierigkeit, ich gebe zuerſt eine Stammtafel. wozu noch Gordias Pſammetichos kommen, deren Verhaͤltniß unbeſtimmt iſt. S. Aeginet. p. 64 sqq. Periandros herrſchte Ol. 38, 1. (Euſeb. ) 48, 4. (Soſikr. bei Diog. L. 1, 74.) 44 Jahre (Ariſtot.) Dem widerſpricht nicht, daß er nach Herod. 5, 95. und Apollod. (S. 411. H. Diog. L.) vgl. Timaͤos bei Str. 13, 896 a. zwiſchen Athen und Mitylene uͤber Sigeion entſchied, da ſchon Phrynon von Athen (Sieger Ol. 36. Afric. ) daruͤber gegen Pittakos geſtritten hatte, Ol. 43, 1. Euſeb. vor Peiſiſtr. Zeit. vgl. Polyaͤn 1, 25. Schol. Aeſch. Eum. 401. Herodots Erzaͤhlung iſt nicht ganz chronologiſch geordnet. Per. regierte aber auch nach Her. 1, 20. ſchon im 5ten J. des Halyattes (Ol. 41.) und ſandte noch vor ſeinem Tode Korkyr. Knaben an ihn im 3ten Geſchlecht (d. h. 16. Olymp.) vor der Lakedaͤm. Belagerung von Samos (Ol. 63.), wie nach Plut. de malign. Her. 22. Panofka res Samior. p. 30. in Herod. 3, 48. (γ γενεῇ πϱότεϱον) richtig emen - dirt hat. Kypſelos herrſchte 30 Jahr nach Herodot, und begann alſo 30, 3.; die Kypſeliden im Ganzen 76 J. 6 Mon. (nach mei - ner Verbeſſerung bei Ariſt. 5, 9, 22.); Prokles herrſchte etwa von Ol. 35 49. Ariſtokrates kommt bis 25 hinauf..

4.

Periandros hatte zur Frau die ſchoͤne Meliſſa, die ihm gefallen hatte, als er ſie im Hauſe ihres Va - ters, des Tyrannen Prokles, in leichtem Doriſchen Ge - wande den Arbeitern Wein ſchenken ſah2Aeginet. p. 64.. Prokles169 herrſchte uͤber Epidauros und die damit noch innig ver - bundene Inſel Aegina; er ſelbſt war mit den Orchome - niſchen Fuͤrſten verſchwaͤgert, und ſcheint demnach und nach ſeiner Verbindung mit Kypſelos Hauſe ebenfalls in die Reihe der Tyrannen zu gehoͤren, welche, der Doriſchen Ariſtokratie feindlich, durch die untern Staͤnde herrſchten.

Und wenn nun auch noch Theagenes zu Me - gara, der Schwager des Atheniſchen Kylon1Thukyd. 1, 126. Heinrich Epim. S. 83., (der ſchon Ol. 42. nach der Tyrannis ſtrebte,) in ſeiner Hand - lungsweiſe ganz den vorhergehenden glich, indem er ebenfalls dadurch zur Herrſchaft gelangt war, daß er die reichen Grundbeſitzer angegriffen, und ihre Heerden auf den Weiden des Fluſſes abgeſchlachtet hatte2Ariſt. Rhe - tor. 1, 2, 19. Pol. 5, 4, 4., und wie die andern dem Volke durch Verſchoͤnerung der Stadt, z. B. durch Anlegung einer Waſſerleitung und ſchoͤnen Fontaͤne (der Enneakrunos der Peiſiſtratiden aͤhnlich) zu gefallen ſuchte3Pauſ. 1, 40, 1. 41, 2. Theogn. 894. ὠς κυψελλῖζον Ζεὺς ὀλέσειε γένος kann wohl nicht auf eine factio Cypselidarum gehen, befonders wenn das vorige, den Perſiſchen Krieg betreffende, dazu gehoͤrt; ſondern κυψελλίζειν heißt verſtopft, taub ſein.: ſo ſehen wir in den Ty - rannenhaͤuſern von Sikyon, Korinth, Epidauros, Me - gara eine furchtbare Coalition gegen das Principat der Dorier, und die alten Grundſaͤtze des Stammes, eine um ſo furchtbarere, je mehr ſie ſich einer neuen An - ſicht und Bildung zu bemeiſtern und zu ihren Zwecken zu bedienen wußte. Und ſchon dann erſtaunen wir, wie es Sparta gelang, dieſer Verbindung obzuſiegen.

5.

Wenn man aber dazu nimmt, daß zugleich die Joniſchen und nicht minder die Aeoliſchen und Dori -170 ſchen1Ich fuͤhre nur die Tyrannen in Doriſchen Staaten an. Kleobulos zu Lindos, der dem Periandros aͤhnlich war, Plut. EI 3. S. 118. vgl. Klem. Strom. 4. S. 523 b. (die Diagoriden beſtanden indeß zu Jalyſos fort). Kadmos zu Kos, deſſen Ge - ſchichte nach Herodot 6, 23. 7, 173. die ſein muß. Skythes, Tyrann von Zankle, ging, von den Samiern vertrieben, (Ol. 70, 4) zum Großkoͤnig und blieb meiſt bei ihm. Deſſen Sohne, Kadmos, gab wahrſcheinlich der Großk. Kos. Spaͤter aber vor Ol. 75. kehrte er, nach einem Vertrage mit den Samiern, in ſein altes Vatex - land zuruͤck. Ihm folgte Epicharmos, der komiſche Dichter. Suid. Επίχαϱμος. Von Kos abgehend gab er der Stadt die Freiheit, und richtete eine βουλὴ ein. Er war Zeitgenoß des Asklepiaden Hippolochos, und muͤtterlicher Ahn des Theſſalos, S. den 7. Hip, pokrat. Brief. In Sicilien herrſchen Kleandros und das Haus des Hippokrates, Gelon, Hieron zu Gela und dann zu Syrakus; Phalaris, dann Theron, Thraſydaͤos zu Akragas; Anaxilas zu Rhegion und Zankle, Panaͤtios (Ol. 41, 3. Euſeb. ) zu Leontini. S. Ariſt. Pol. 5, 8, 1. 10, 4. Viel - leicht war auch Ariſtophilidas von Tarent (Herod. 3, 136.) Tyrann. Inſeln und Staͤdte in Aſien, hernach auch das Attiſche Athen, dann Phokis, Theſſalien, die Colonien in Sikelien und Italien alle ebenfalls in den Haͤn - den von Tyrannen waren, die ſich ohne Zweifel wech - ſelſeitig beiſtanden, und ihr gemeinſames Intereſſe er - kannten, und daß Sparta allein allen dieſen, meiſten - theils vom Delphiſchen Orakel aufgefordert, einen be - ſtaͤndigen Krieg erklaͤrte, und ſie auch wirklich, mit Ausnahme der Sikeliſchen, entſetzte: ſo geſtehen wir, daß es in jener Periode der griechiſchen Geſchichte kei - nen großartigeren, und durch ſeine Ausdehnung ſowohl als durch ſeine innere Bedeutung fuͤr politiſches und ſittliches Leben wichtigeren Kampf gegeben hat. Alte Hiſtoriker geben an2Bei Plut. Herod. mal. 21. S. 308. vgl. Manſo 1, 2. S. 308., daß die Spartiaten folgende Ty - rannen entſetzten: Die Kypſeliden von Korinth und171 Ambrakia, jene Olymp. 49, 3., dieſe vermuthlich we - nig ſpaͤter; die mit den Theſſalern verbuͤndeten Peiſi - ſtratiden von Athen Ol. 67, 2.1obgleich ſie Sparta’s Gaſtfreunde waren, τὰ γὰϱ τοῦ ϑεοῦ πϱεσβύτεϱα ἐποιοῦντο τὰ τῶν ἀνδϱῶν. Herod. 5, 63, 90. Thuk. 6, 53. Ariſtoph. Lyſ. 1150 Aa.; deren Anhaͤnger, Lyg - damis von Naxos2vgl. uͤber ihn Ariſt. 5, 5, 1. und πολ. Ναξίων bei Athen. 8. S. 348. Nach Herod. 1, 61. 64. hatte ihn Peiſiſtr. etwa Ol. 60. eingeſetzt. vgl. Heyne Nov. Comtr. Gotting. 2. cl. phil. p. 65., wohl um dieſelbe Zeit; den Aeſchi - nes von Sikyon, gegen Ol. 65.3S. §. 2. Geg. Ol. 65. gab Sikyon dem Kleomenes Schiffe.; den Symmachos aus Thaſos; den Aulis aus Phokis; den Ariſtogenes aus Mi - let4vor Hiſtiaͤos Zeit. die meiſten unter den Koͤnigen Anaxandridas und Ariſton, Kleomenes und Demarat. Zum Theil vertrieben ſie dieſelben mit Heeresmacht, wie die Peiſiſtratiden oft aber ſtuͤrzten ſie, wie Plutarch ſagt, die Gewalt - herrſchaft, ohne einen Schild zu ruͤhren, durch Sen - dung eines Herolds, dem alle augenblicklich Folge leiſte - ten, wie die Bienen, wenn die Koͤnigin erſcheint, ſich ordnen und anſchaaren5Lyk. 30.. Auch gegen den Polykrates von Samos ſandte Sparta (gegen Ol. 63.) mit Korinth und andern Bundesgenoſſen einen großen Zug, die erſte Doriſche Unternehmung gegen Aſien wohl eben nicht aus den Gruͤnden, die der gute Herodot an - gegeben: ſondern jenem allgemeinen Grundſatze auch hierin Folge leiſtend6Herod. 3, 54. Plut. de malign. 21.; aber die Belagerung der feſten und am Meere gelegenen Stadt in ſolcher Ferne war uͤber die Kraͤfte des Peloponnes. Der letzte Zug Sparta’s gegen die Zwingherren trifft nach dem Per - ſerkriege, als die Stadt den Koͤnig Leutychidas, den Sieger bei Mykale, ausſandte, um die Aleuaden Theſ - ſaliens, die das Land den Perſern uͤberantwortet hat -172 ten, zu vertreiben, Ol. 77, 3. oder wenig ſpaͤter. Ariſtomedes und Angelos wurden wirklich entſetzt, aber von Andern ließ ſich der Koͤnig beſtechen, und die Un - ternehmung gelang nicht vollkommen1Dies folgt aus Plutarch a. O. u. Kimon 16. Herod. 6, 72. Pauſ. 3, 7, 8..

Wir moͤgen nun denken, mit welchem Stolze der Geſandte Sparta’s dem Syrakuſiſchen Tyrannen Gelon, ſo glaͤnzend und buͤrgerfreundlich im Ganzen ſeine Herr - ſchaft immer war, als er die Hegemonie im Meder - kriege forderte, antwortete: Wahrlich, Wehe ſchreien wuͤrde ja der Pelopide Agamemnon, wenn er hoͤrte, daß den Spartiaten die Hegemonie genommen ſei von Gelon und den Syrakuſiern!

6.

An dieſe Hauptbeſtrebungen in der politiſchen Geſchichte jener Zeit reihen wir nun die nebengeordne - ten Begebenheiten im Innern des Peloponnes. Ge - gen Argos hatte Sparta durch Kynuria’s Eroberung den Schluͤſſel in die Hand bekommen. Bald darauf gelangte Kleomenes zur Herrſchaft, der aͤlteſte Sohn des Euryſtheniden Anaxandridas, ein Mann von un - gemeiner Kuͤhnheit und ungebaͤndigter Kraft des Gei - ſtes, muthig, unternehmend, klug, nach der Weiſe ſei - nes Zeitalters und Landes gewandt in kurzer nach - druͤcklicher Rede, doch viel zu ſehr von Stolz, theils der Familie, theils eigenem erfuͤllt, und in Geiſtesrich - tung ſeinen Zeitgenoſſen, den Tyrannen, aͤhnlicher, als einem Koͤnige Sparta’s geziemte. Die erſte Un - ternehmung dieſes Fuͤrſten2Nach Pauſ. 3, 4, 1. Dann vor Ol. 65, 1. denn damals herrſchte Kleomenes ſchon, wie aus Vergl. von Herod. 6, 108. Thuk. 3, 68. hervorgeht. Er war in dem Jahre in der Naͤhe von Plataͤaͤ. Nach Plut. Lacon. Apophth. p. 212. war Kleomenes ſchon Ol. 63. Regent, da ſich die Samier an Sp. wand - ten; dann wuͤrde aber die, nach Her. kurze, Herrſchaft deſſelben gar zu lang von Ol. 63 72, 2. ausgedehnt werden. war der Heereszug gegen173 Argos. Er landete auf Sikyoniſchen und Aeginetiſchen Schiffen an der Kuͤſte von Tiryns, ſchlug die Argeier beim Hain des Argos1Es ſcheint, daß dieſer nahe bei Sepeia im Tirynth. Gebiete lag. Apoſtol. 4, 27. ſetzt die Schlacht an den ῎Αϱγους λόφος. Die Kriegsliſt des Kleomenes erzaͤhlt nach Herod. Polyaͤn 1, 14. aufs Haupt, toͤdtete den groͤß - ten Theil der waffenfaͤhigen Mannſchaft von Argos, und haͤtte Argos einnehmen koͤnnen wenn er nicht aus unbegreiflichem Aberglauben, ohne den Sieg wei - ter zu benutzen, das Bundesheer entlaſſen und ſich be - gnuͤgt haͤtte, im Heraͤon zu opfern2Herodots wunderliche Erzaͤhlung, 6, 77 ff., iſt auch dadurch un - zuſammenhaͤngend, daß ſie die beiden erſten Verſe des Orakels ἀλλ̕ ὅταν ϑήλεια nicht erklaͤrt, die doch ſich auf eine Begebenheit be - ziehen mußten. Oder bezieht Herod. die ϑήλεια auf die Hera? Pauſ. 2, 20. zweifelt, ob Herodot es verſteht. Aber die Geſchichte der Teleſilla bei Pauſ., Plut. Ἀϱεταὶ γυν. 5. p. 269. und Polyaͤn 8, 33. iſt ſehr fabelhaft. Das Feſt ῾ϒβϱιστικὰ hat gewiß nicht dieſe hiſtoriſche[Entſtehung], ſondern gehoͤrt einem Naturcultus an. Die angebliche Bildſaͤule der Teleſilla bei Pauſ. 2, 20, 7. war eine ſich bewaffnende auf den Helm ſchauende Aphrodite. Die Zahl der erſchlagenen Argeier geben Plutarch und Polyaͤn 8, 33. nach einer Sage auf 7777 an; Aa. 6000. Es iſt dies die Schlacht ἐν τῇ ἑβδόμῃ ἱσταμένου, wir wiſſen nicht welches Monats. Ariſtot. Pol. 5, 2, 8. Plut. Qu. Gr. a. O. Andere ſetzten ſie an die νουμηνία des 4ten Monats, ehemals Hermaͤos, aber blos, weil dann die Hybriſtika gefeiert wurden. Vgl. Klem. Alex. Strom. 4. S. 522. Sylb. Suidas Τελέσιλλα.. Indeſſen blieb Argos durch dieſe Niederlage auf lange Zeit wie ge - laͤhmt, ja es mußte eine gaͤnzliche Veraͤnderung der Verhaͤltniſſe im Innern des Staates eintreten, um das Siechthum und die Ermattung, in der die Stadt zu verſinken ſchien, durch neues und friſches Leben aufzu - heben.

7.

Denn nachdem eine Zeitlang die Leibeigenen oder Gymneſier3S. von dieſen Buch 3, 3. von Argos die der Freien entbloͤßte174 Stadt beherrſcht und verwaltet hatten, bis die indeß herangewachſene Jugend ſie vertrieb und uͤberwand: ſahen ſich die Argeier, wie Ariſtoteles erzaͤhlt1Polit. 5, 2, 8. Plut. verwechſelt Leibeigene und Perioͤken., genoͤ - thigt, um die zuſammengeſchmolzene Buͤrgerſchaft zu ergaͤnzen, die umwohnenden Unterthanen der Stadt, die Perioͤken, an ſich zu ziehn, und in die naͤchſte Um - gegend zu vertheilen2vgl. Schol. Villoiſ. Il. 2, 108. uͤber die 9 Doͤrfer (Inſeln) bei Argos.. Es faͤllt die Ausfuͤhrung die - ſes Plans ein Menſchenalter nach jener Mordſchlacht, in die Zeiten der Perſiſchen Kriege, an denen Argos, einzig auf innere Verſtaͤrkung bedacht, keinen Antheil nahm. Damals hoben die Argeier uͤberhaupt, um ihre Volksmenge zu vermehren, nach Pauſanias38, 27, 1., faſt alle bedeutenden Staͤdte in der Umgegend auf, und ver - pflanzten die Einwohner nach Argos, namentlich Ti - ryns, Mykenaͤ, Hyſiaͤ, Orneaͤ, Midea4Str. unterſcheidet 8, 376. Or - ned κώμη τῆς Ἀϱγείας von der Stadt gegen Sikyon, ſo wie ebenda eine κώμη Aſine. 373 b. . Tiryns und Mykenaͤ waren noch zur Zeit der Perſerkriege freie, ja unabhaͤngige Gemeinden, die ſich ohne die Beiſtimmung von Argos der Hegemonie Sparta’s an - ſchloſſen; die letztere ſtritt ſogar mit Argos uͤber die Rechte beim Tempel der Hera, und die Agonotheſie der Nemeiſchen Spiele5Diodor 11, 65.; die Zerſtoͤrung derſelben, welche die Argeier mit den Kleonaͤern und Tegeaten vereint unternahmen6Str. 377. Doch kommt Kleonaͤ aleich wieder als Freundesſtadt vor., gelang dieſen Olymp. 79, 1.: aber es folgten von den Mykenaͤern nur wenige den Ar - givern, da ſich die Meiſten lieber nach Kleonaͤ wel - ches damals unabhaͤngig war, und den Nemeiſchen Agon verwaltete7K. 7. §. 15. Kleonaͤ fuͤhrte damals auch Krieg mit Korinth. Plut. Kimon 17. nach Keryneia in Achaia, ſelbſt175 nach Makedonien zerſtreuten1Pauſ. 7, 25, 3. vgl. Diod. 11, 65. Merkwuͤrdig, wie ſchnell Myken den Athenern in Vergeſſenheit gerieth. Aeſchylos nennt es nie; die folgenden verwechſeln es ſtets mit Argos. In Sophokles Elektra herrſcht von vorn herein das konfuſeſte Bild der Lokalitaͤt. vgl. Elmsley zu Eurip. Herakl. V. 188. uͤber die Zerſtoͤrung Brunk Anal. T. 2. p. 105. n. 248.. Auch die Tirynthier flohen zum Theil nach Epidauros, zum Theil nach dem Dryopiſchen Orte Halieis, wohin auch die bedraͤngten Hermioneer ſich fluͤchteten2Pauſ. 2, 25, 7. vgl. 2, 17, 5. 8, 46, 2. uͤber die Auswanderung Str. 8. S. 373 b. und Epboros 6. bei Steph. s. v. Ἁλιεῖς. ὅτι οὗτοι Τι - ϱύνϑιοί εἰσιν κ. τ. λ. Bei Steph. s. v. Τίϱυνς iſt, wie bei Str. a. O., von Hermioneern in Halieis die Rede. Das Orakel: ποῖ τὺ λαβὼν καὶ ποῖ τὺ καθίξω καὶ ποῖ τὺ οἴκησιν ἔχων ἀλιέα τε κεκλῆσϑαι, hat viel ſeltſames.. Denn auch Hermione, wel - ches Herodot im Perſerkriege noch als Dryoper-Stadt betrachtet3Herod. 8, 43. Aber auch noch ſpaͤter ſetzten die Hermioneer die alten Verbindungen fort. S. 155., wurde nachher von Argeiern eingenom - men4Pauſ. 2, 34, 5. Str. verbindet damit noch die Zerſtoͤ - rung von Aſine, die ja aber weit fruͤher trifft. Die Angabe Str. 373 d., daß die Mykenaͤer Eiones zu ihrem ναύσταϑμον gemacht haͤtten, muß ſich, wenn ſie richtig iſt, auf die Zeit vor Ol. 75. beziehn.. Die andern genannten Staͤdte dagegen waren, wie wir von Orneaͤ und auch Hyſiaͤ wiſſen, vorher ſchon Perioͤken, Unterthanen von Argos, geweſen, und wurden jetzt nur zur Vergroͤßerung der Hauptſtadt her - angezogen (σύνοικοι)5P. 2, 25, 1.. Die Argeier gewannen durch dieſe gewaltſamen Verpflanzungen erſtens Sicherung ſowohl gegen auswaͤrtige Feinde, als auch gegen die vorher ſo uͤbermuͤthigen Leibeigenen, und zugleich eine große Anzahl arbeitſamer und induſtrioͤſer Einwoh - ner, welche bei fortdauerndem Frieden bald Wohl - ſtand und Reichthum in Argos einfuͤhrte6Diod. 12, 75.. Sehr176 treffend bezeichnete das Orakel die Grundſaͤtze, welche damals Argos befolgen mußte1Her. 7, 148.:

Feind umwohnender Voͤlker, doch Freund der unſterblichen Goͤtter,
Ziehe die Waffe zuruͤck, und ſinne nur ſtets dich zu wahren,
Schirme das Haupt inſonders; das Haupt wird retten die Glieder.

Zugleich aber wurde durch dieſe Umſtaͤnde eine voͤllige Umwaͤlzung der Verfaſſung herbeigefuͤhrt, und Argos verlor uͤberhaupt allgemach den eigentlich Doriſchen Charakter, wie wir unten ſehen werden.

Die andern Thaten des Kleomenes, von denen wir wiſſen, beziehen ſich auf die politiſchen Umwaͤlzun - gen Athens, und koͤnnen nur in der Attiſchen Staatsge - ſchichte im Zuſammenhange dargeſtellt werden, oder auf die Begebniſſe Aegina’s, die wir anderswo erzaͤhlt haben.

8.

Auffallend iſt es, daß in dieſer ganzen Zeit, in welcher Sparta ſein Principat gruͤndet, von keinem ernſthaften Kampfe zwiſchen Doriern und Joniern die Rede iſt. Denn wenn auch die Graͤnzvoͤlker, Megara und Aegina, dies ſeit ſeinem Abfall von Epidauros, fortgeſetzte Kriege mit Athen fuͤhrten: ſo nahm ſich doch deren nichtsweniger als der ganze Stamm an, und Sparta ſelbſt gab einen unpartheiiſchen Richter zwiſchen Athen und Megara ab. Schon vor Solons Zeit kaͤmpften Athener und Megarer im Gebiet von Eleuſis2Herod. 1, 30., wo die ἀστυγείτο - νες die Megarer, nicht die Eleuſinier ſind, wie Lobeck Progr. de bello Eleusinio verſteht.. Beſonders drehte ſich der Krieg um Sa - lamis, das Solon durch die bekannte Kriegsliſt gewon - nen haben ſoll3Pauſ. 1, 40. 45. Str. 9, 271. Herod. L. Homers 23. Polyaͤn Strateg. 1, 20, 1. 2. Diog. L. 1. 48. Quinctil. 5, 11., welche Geſchichte indeß Daimachos von Plataͤaͤ laͤugnete4Plut. Compar. Solon. et Publ. 4.. Nach Megariſcher Erzaͤhlung177 verriethen Vertriebene aus ihrer eigenen Stadt, Δορύ - κλειοι genannt, die Inſel den Athenern1Pauſ. 1, 40, 4.. Das iſt gewiß, daß fuͤnf Spartiaten (Kritolaidas, Amompha - retos, Hypſechidas, Anaxilas, Kleomenes) als Schieds - richter, alten Traditionen und Mythen folgend, den Beſitz der Inſel den Athenern zuerkannten. Doch ver - loren dieſe wiederum in den Unruhen nach der Ver - bannung des Megakles die Inſel, wie den ſchon er - oberten Hafen Niſaͤa2Plut. Solon 10. 12. uͤbereinſtimmend Aelian 7, 19. In Delphi war ein lanzenbewaffneter Apoll als Anathem der Megarer nach einem Siege uͤber Athen. Plut. Pyth. or. 16. S. 273.. Die erſtere gewannen ſie in - deß bald wieder, und Megara ſcheint ſie von da an ganz aufgegeben zu haben, indem in dieſen Zeiten Athen ſo reißend ſchnell heranwuchs, daß Megara an die Erneuerung alter Kaͤmpfe nicht mehr denken konnte.

Da es unſere Abſicht nicht iſt, eine fortlaufende und ſich gleichmaͤßig verbreitende Geſchichtserzaͤhlung zu geben, ſondern nur das hervorzuheben, was fuͤr den Zuſtand des Doriſchen Stammes Aufſchluß ver - ſpricht die Geſchichte der außerpeloponneſiſchen Do - rier fortzufuͤhreu unterlaſſen wir ganz, weil deren lo - kale Verflechtung uns ſehr weit in andere Gegenden abfuͤhren wuͤrde : ſo werden wir aus den Begeben - heiten der Perſerkriege kaum einen und den anderen Moment beruͤhren, und nur von den inneren Verhaͤlt - niſſen des Peloponnes in damaliger Zeit handeln, un - ter denen die Hegemonie Sparta’s am meiſten und auffallendſten hervortritt.

II. 12178

9.

1.

Sparta hatte durch die Ueberwindung Meſſeniens und Tegea’s das erſte Anſehn im Peloponnes gewonnen, und durch die Vertreibung der Tyrannen und den Sturz von Argos befeſtigt. Es handelte ungefaͤhr ſeit Ol. 50 als anerkannter Hegemon des Peloponnes nicht allein, ſondern des geſammten Griechiſchen Namens. Die eigentliche Bundesgenoſſenſchaft bildeten indeſſen nur die Bewohner der Halbinſel nach feſtgeſetzten und geregelten Verhaͤltniſſen, die Griechen außerhalb ſchloſ - ſen ſich nur zufaͤllig an. Die Ordnung der Bundes - glieder moͤgen wir ungefaͤhr aus der Inſchrift von dem Fußgeſtelle des nach dem Perſerkriege nach Olympia geweihten Zeus bildesentnehmen, nach Auslaſſung der nur temporaͤr verbundenen Jonier1Pauſ. 5, 23, 1. vgl. Aeginet. p. 126.: Lakedaͤmon, Korinth, Sikyon, Aegina, Megara, Epidauros2Die Ordnung: Korinth, Sikyon, Megara, Epidauros findet ſich noch ſpaͤter, nach Aegina’s Zerſtoͤrung., Tegea, Orchome - nos, Phlius, Troͤzen, Hermione, Tiryns, Mykenaͤ, Le - preon, Elis, welches ſich mit der letzten Stelle be - gnuͤgt wegen des geringen Antheils, den es am Kriege genommen. Die Vertheidiger des Iſthmos werden in dieſer Folge[aufgezaͤhlt]3Herod. 8, 72.: Lakedaͤmonier, Arkader, Ele - er, Korinthier, Sikyonier, Epidaurier, Phliaſier,179 Troͤzenier, Hermioneer in ziemlicher Uebereinſtim - mung mit jener Reihenfolge, nur daß die Arkader als Ganzes und eben ſo die Eleer weiter vorantreten, und die Megarer und Aegineten als antheillos ausgelaſſen ſind. Schon dieſe genau beſtimmte Ordnung beweiſt einen feſten Verband. Die Tegeaten hatten, ſeit ſie Lakedaͤmon beigetreten waren, mehrere Ehrenrechte, und beſonders den Ehrenplatz am linken Fluͤgel der Schlachtordnung1καὶ ἄλλα γέϱεα μεγάλα καὶ 9, 26. Thuk. 5, 67. Ueber die Treue von Phlius gegen Sp. vgl. Theodor. Graec. aff. 9, 16.. Ausgeſchloſſen blieb von Pelopon - neſiſchen Voͤlkern Argos, welches ſich nie unter Spar - ta’s Fahnen ſtellen mochte; die voͤllig indifferenten Achaͤer hielten ſich nur momentan zum Bunde22, 9.; die Manti - neer aber folgten meiſt der Argiviſchen Politik35, 29., und ruhten daher auch waͤhrend der Schlacht von Plataͤaͤ, obgleich ſie unter den geſammten Arkadern den Iſthmos hatten vertheidigen helfen4Her. 8, 72..

2.

Die Oberleitung Sparta’s5 - γεῖσϑαι, ἡγεμονεύειν. Thuk. 1, 71. die Korinther an Sp. τὴν Πελοπόννησον πειϱᾶσϑε μὴ ἐλάσσω ἐξηγεῖσϑαι (ad finem) οἱ πατέϱες ὑμῖν παϱέδοσαν. aͤußerte ſich theils bei gemeinſamen Kriegszuͤgen, (κοιναῖς ἐξόδοις) theils bei Verhandlungen derſelben Art. In den erſtern war ein Spartaniſcher Koͤnig ſeit man es fuͤr gut gefun - den nie beide zuſammen zu ſenden der geborne Heer - fuͤhrer, in deſſen Vollmacht noch mancher Ueberreſt war von alter, Homeriſcher Fuͤrſtengewalt. Indeß durfte Sparta auch andern Feldherrn Bundesheere an - vertrauen, beſonders zur See, wie dem Eurybiadas die Salaminiſche Flotte. Stand nun ein Auszug bevor, ſo ſandte der Vorort in den Bundesſtaͤdten umher6Thuk. 2, 10. πεϱιήγγελλον κατὰ τὴν Πελοπόννησον.:12 *180man ſolle Mannſchaft und Vorraͤthe bereit halten1auch Schiffe, Belagerungszeug u. dgl. Th. 3, 16. 7, 18.. Das Contingent war ſchon im voraus beſtimmt, naͤm - lich das hoͤchſte Maaß, und es durfte nur die Quote angeſagt werden, die davon diesmal noͤthig war2bei Th. 2, 10. iſt ἔξω ξυμμαχὶς στϱατιὰ das Contingent fuͤr Expeditionen außerhalb des Pelop. τὰ δύο μέϱη, 2 3 des Ganzen, ſcheint das gewoͤhnliche Maaß dafuͤr. 3, 15.. Gleicherweiſe waren die Leiſtungen an Geld und Zu - fuhr im Allgemeinen feſtgeſetzt3ἀϱγύϱιον ῥητόν Th. 2, 7., ſo daß ein Heer mit allem Zubehoͤr durch einfaches Aufgebot haͤtte zuſam - mengebracht werden koͤnnen. Aber Landarbeiten, Feſte, auch die natuͤrliche Bedaͤchtigkeit des Doriſchen Stam - mes, verzoͤgerten oft die Verſammlung dieſes Reichs - heers uͤber die Maaßen. Die Beitraͤge, beſonders wohl freiwillige, von Staͤdten ſowohl als Einzelnen, wurden aufgezeichnet; wir beſitzen noch zu Tegea ge - fundene Urkunden, in denen die Kriegsbeitraͤge der Epheſier, Melier u. Aa. theils in Geld theils Getreide, bemerkt ſind4Wahrſcheinlich aus Lyſandros Zeit. Einiges daraus: εδον τοι μαλιοι τοις λακεδαιμονιοις αϱγυϱιω Ϝικα - τι μνας. εδωκε μολοκϱος (ob κεν λοκϱος) τοις λακεδαιμο - νιοις .. ταλαντα αϱγυϱιω. In andern Stellen ausdruͤcklich ποτ - τον πολεμον. Aus Fourmonts Papieren.. Dagegen ſetzten die Lakedaͤmonier nie - mals der Peloponneſiſchen Symmachie einen fortlaufen - den jaͤhrlichen von den Umſtaͤnden unabhaͤngigen Bei - trag, der nicht anders als zum Zins werden konnte; als Jemand dem Koͤnige Archidamos5ὡς οὐ τεταγμέ - να σιτεῖται πόλεμος. Plut. Kleom. 27., wo der erſte Archidam genannt wird; beſſer paßt der zweite. Reg. Apophth. p. 126 H. vgl. Pl. Demoſth. 17. einen ſolchen vorſchlug, antwortete er mit Grund: der Krieg ver - zehre nicht nach der Regel. Perikles aber rechnet es den Peloponneſiern mit eben ſolchem Recht zum Nach -181 theil, daß ſie keine Soldtruppen halten koͤnnen, und weder im Ganzen noch in den einzelnen Staͤdten einen Schatz geſammelt haben1Th. 1, 141.. Das Ziel einer Unter - nehmung wurde gemeiniglich angegeben; bisweilen in - deß, wo Heimlichkeit noͤthig war, wußten es weder die Staͤdte noch auch das Heer2Th. 5, 54. Auch verſchweigt es Kleome - nes, Her. 5, 74. aber das Heer trennt ſich bald.. Auch konnten die einzelnen Bundesſtaͤdte, wenn es Noth that, das Heer der andern unmittelbar herbeirufen3Th. a. O., doch iſt es nicht deutlich, wie ſtreng alsdann die Verpflichtung zu er - ſcheinen war. Die Spartaniſche Kriegsverfaſſung, die wir unten auseinanderſetzen werden, galt auch im Ganzen fuͤr das Bundesheer, doch war ſie wohl auf mannigfache Art mit der Kriegsweiſe der einzelnen Voͤl - ker combinirt4Das Heer der 10,000, obgleich ganz aus Miethtruppen beſte - hend, verhaͤlt ſich doch in mancher Hinſicht wie ein Bundesheer, und wird durch Spartaniſche Kriegszucht geleitet.. Zum Kriegsrath, der indeß nur be - rieth und nicht entſchied, wurden vom Spartaniſchen Koͤnige die Anfuͤhrer aus den einzelnen Staͤdten, auch andere Befehlshaber und uͤberhaupt die Angeſehenſten zuſammenberufen5Th. 2, 10..

3.

Was aber die berathenden Verſammlungen des Bundes betrifft: ſo mußten dieſe von Rechtswegen je - der gemeinſamen Thaͤtigkeit, Kriegserklaͤrungen, Frie - densſchluͤſſen, Buͤndniſſen, vorhergehen. Da es aber keine regelmaͤßigen und ſtehenden gab, ſo mußten dazu Geſandte der Staͤdte (ἄγγελοι), den Repraͤſentanten (προβούλοις) der Jonier aͤhnlich, zuſammenkommen, die meiſt nur kurze Zeit bei einander blieben61, 141.. Die ſaͤmmtlichen Glieder hatten rechtlich gleiche Stimme (ἰσόψηφοι)7Ebd., die Mehrzahl entſchied[nach] gegen be -182 deutenden Widerſpruch1Th. 1, 125. καὶ τὸ πλῆϑος ἐψηφίσαντο. 5, 30. κύϱιον εῖναι ὅτι ἂν τὸ πλῆϑος τῶν ξυμμάχων ψηφίσηται ἠν μή τι ϑεῶν ἡϱώων κώλυμα . 5, 17. werden Megarer, Eleer, Ko - rinther, Boͤoter uͤberſtimmt. Aber 1, 40. 41. hindert die Stimme der Korinthier allein (wenn der Redner nicht luͤgt) die Pelop. den Samiern zu helfen., oft wurde Sparta uͤberſtimmt, beſonders bildete Korinth gern Oppoſition2vgl. zu Herod. Dio Chryſ. Rede 37. S. 459, 15.. Indeſſen ſind uns die Verhaͤltniſſe doch ſehr unklar, im Gan - zen galt wohl nach dem ariſtokratiſchen Sinne der Pe - loponneſier Auktoritaͤt mehr als Zahl, und zu großen Unternehmungen, wie zum Peloponneſiſchen Kriege, ge - hoͤrte bei uͤbereinſtimmendem Willen der andern Bun - desglieder nothwendig des Hauptes Beitritt3Th. 1, 67.. Wenn die Verſammlung nach Sparta berufen war, ſo ver - handelten die entbotenen Vertreter oft mit einer Spar - taniſchen Volksverſammlung (ἔκκλητοι)4Th. a. O. Xenoph. 5, 2, 11. 20., obgleich ſie beim Abſtimmen natuͤrlich geſchieden werden mußten. Von einzelnen Geſandten iſt uns außer dem Korinther Soſikles noch Chileos von Tegea bekannt, der die Ephoren vermochte, nach langem Zoͤgern das Heer nach Plataͤaͤ auszuſenden, und der Viel zur Ausgleichung der Zwiſtigkeiten unter den Staͤdten des damals aus - gedehnteren Bundes that5Her. 9, 9., wo er indeß von den ἀγγέλοις un - terſchieden wird. vgl. Plut. de malign. Her. 41. Polyaͤn. 5, 30, 1. Plut. Themiſt. 6..

4.

Aber auf die innern Verhaͤltniſſe, Verfaſſungen, Geſetze, Inſtitute der Bundesſtaͤdte hatte der Bund von Rechtswegen keinen Einfluß. Es war Grundgeſetz, daß jeder Staat (πόλις) nach altem Herkommen (καττὰ πάτρια) unabhaͤngig und ſouveraͤn ſein ſollte (αὐτόνο - μος καὶ αὐτόπολις)6S. die Urkunde bei Th. 5, 77. 79.: und man muß es Sparta zum183 Ruhme rechnen, daß es, ſo lange der Bund beſtand, nie, auch bei guͤnſtigen Anlaͤſſen nicht, einen Pelopon - neſiſchen Staat dieſer Autonomie beraubt hat. Auch Streitigkeiten der Staͤdte kamen nicht vor die Bun - desverſammlung, weil dies ſehr leicht bei Sparta’s Anſehn die Freiheit gefaͤhrdet haͤtte, ſondern eher vor das Delphiſche Orakel oder gemeinſchaftlich erwaͤhlte Schiedsrichter1Th. 1, 28. vgl. 5, 79.. Als Elis von Lepreon einen alten Tribut forderte, machten beide Sparta nur durch Zu - wendung (ἐπιτϱοπὴ) zum entſcheidenden Schiedsrichter. Als ſolcher loͤste es Lepreon als autonomes Bundes - glied von dem Zins, und Elis that Unrecht, daß es vom Vertrage abſpringen wollte, weil es das Urtel nicht erwartet hatte25, 31.. Fuͤr Streitigkeiten der Buͤrger von verſchiedenen Staͤdten fand voͤllig gleicher Rechts - verkehr ſtatt (commercium iuris dandi repetendique)35, 79. καττὰ πἀτϱια δίκας διδόναι τὰς ἴσας καὶ ὁμοίας. Die Redens - art καττὰ π. bezieht ſich keineswegs auf alte Vertraͤge der Dorier. Die πατϱῷοι σπονδαὶ Pauſ. 3, 5, 8. gehen wohl auf die S. 100. angefuͤhrte Sage.. Die Rechtsverfaſſung der Staͤdte ſelbſt hing vom Her - kommen in denſelben ab; ſie waren auch darin voͤllig frei (αὐτόδικοι)4Th. a. O. τοῖς δὲ ἔταις καττὰ πἀτϱια δικἀζεσϑαι.. Dies ſind die Grundzuͤge der Peloponneſiſchen Bundesverfaſſung, der einzigen in den Zeiten der Bluͤthe Griechenlands, die mit Recht - lichkeit und Freiheit eine freilich nicht ungehemmte Thatkraft vereinigte.

5.

Als Haupt dieſer Verbindung war Sparta nicht durch Vertrag, noch weniger durch Anmaßung, ſondern durch ſtillſchweigende Anerkennung, auch der Hege - mon der geſammten Nation geworden, und trat als ſolcher ſeit Ol. 50. in allen aͤußern Verhaͤltniſſen auf. 184Schon Kroͤſos bewarb ſich um ſeine Bundesgenoſſen - ſchaft; die Jonier wandten ſich, von Kyros bedraͤngt, an denſelben Staat, und dieſer, mit einer naiven Un - kunde der Dinge jenſeits des Meers, glaubte den Perſermonarchen durch Androhung einer Fehde zu ſchrecken. Am merkwuͤrdigſten iſt, daß ſich damals ſelbſt Skythiſche Geſandten in Sparta aufhielten, mit denen ein großer Operationsplan gegen den Perſer ver - abredet worden ſein ſoll1Her. 6, 84. was ſchwer zu glauben. Ol. 65, 1. gaben ſich die Plataͤer in Kleomenes Schutz26, 108. ἐδίδοσαν σφέας αὐτούς., der ſie an Athen wies; ein Herold von Sparta trieb die Alkmaͤoniden aus ihrer Stadt35, 70.; darauf ſuchte Ariſtagoras beim Vorſtande von Hellas45, 49. 70. Hilfe gegen den Nationalfeind; als dieſem die Aegineten Erde und Waſſer gegeben, klagten ſie die Athener bei demſelben des Landesverraths an im Perſerkriege endlich fand das freiſinnige Griechenland blos in dem Anſehn dieſes Staats den Mittelpunkt der nothwendigſten Vereini - gung5Nach Juſtin 29, 1. baten auch die Sieiliſchen Staͤdte bei Leonidas um Huͤlfe gegen Karthago. Wie allgemein die Verehrung Sparta’s damals in Griechenland geweſen ſei, bezeugen mehrere Stellen Pindars, die dadurch erſt das rechte Licht bekommen, z. B. P. 5, 73..

6.

In dieſem Kriege bildete ſich eine neue, uͤber den Peloponnes hinaus erweiterte Symmachie, indem Gemeinſchaft der Gefahr und des Sieges außer einem momentanen Aneinanderſchließen auch einen zur Dauer beſtimmten Verein hervorbrachte. Die Verſammlung deſſelben ein ſtehendes Synedrion zu Korinth waͤh - rend und zu Sparta nach dem Kriege6Her. 7, 145. war es, die jene inneren Fehden beilegte, die Argos, Korkyra,185 den Gelon zum Beitritt einlud17, 57. heißen ſie Αακεδαιμόνιοι [καὶ Ἀϑηναῖοι] καὶ οἱ τοὐτων σύμμαχοι., und hernach den Themiſtokles zur Verantwortung zog2Diod. 11, 55.. Soviel wirkte ſie fuͤr die Gegenwart. Zugleich aber vermochte Pau - ſanias, der Regent von Sparta, nach dem großen Siege von Plataͤaͤ, wo nach Aeſchylos Perſiens Macht vor Doriſcher Lanze ſank3Perſ. 819., die Verbuͤndeten zur Ab - ſchließung eines weiteren Vertrags (αἱ παλαιαὶ Παυσα - νίου μετὰ τὸν Μῆδον σπονδαί). Unter dem Walten der Bundesgoͤtter, namentlich des Eleutheriſchen (Hel - leniſchen) Zeus, gelobten ſie ſich damals wechſelſeitige Erhaltung der Autonomie aller Staͤdte, und manches Andere, wovon die Kunde verloren gegangen. Den Plataͤern wurde insbeſondere Sicherheit von Gefaͤhrde zugeſagt4Th. 1, 67. 3, 58. 68.. In die Symmachie wurden, nach der Schlacht von Mykale, auch die Jonier mit aufgenommen5Her. 9, 106. Dieſe σπ. ſind wohl auch die ξυνϑῆκαι, nach denen die Athener bei Beginn des Krie - ges δίκας δοῦναι wollten. Th. 1, 144. 145..

7.

Die wundervollen Siege uͤber den Orient hat - ten Sparta, welches ſeiner Lage und Natur nach zu einem intenſiven, geſammelten und in ſich beruhigten Leben ſtrebte, fuͤr einige Zeit aus ſeinem Kreiſe geriſſen, und der Koͤnig Pauſanias hatte um Aſiatiſchen Fuͤr - ſtenglanz das Vaterland verrathen wollen. Da er - kannte dieſe Stadt ihr wahres Heil, und ſandte keinen Heerfuͤhrer mehr nach Aſien, damit ihre Feldherren nicht ſchlechter wuͤrden, auch um den weitern Krieg mit dem Meder zu vermeiden, und weil ſie Athen fuͤr tauglicher zur Fortſetzung hielt6Th. 1, 95.. Haͤtten wir die Rede, in der der Heraklide Hetoemaridas den Geron - ten zeigte, wie es Sparta nicht angemeſſen ſei, nach186 der Seeherrſchaft zu ſtreben1Diod. 11, 50., ſo wuͤrden wir gewiß eine ſehr tiefbegruͤndete Anſicht der Dinge von Spartani - ſcher Seite erhalten, die wir jetzt gewohnt ſind, ganz mit Atheniſchem Auge anzuſehn. So exiſtirte auch der der Begriff eines Ueberganges der Hegenomie an Athen nur fuͤr Athen. Denn Sparta behielt ja fortwaͤhrend ſein Anſehen und Recht im Peloponnes, fortwaͤhrend ſchloſſen ſich die meiſten Voͤlker des Mutterlandes an daſſelbe an; nur die vorher den Perſern unterthaͤnigen, jetzt theilweiſe befreiten Griechen Aſiens und der Inſeln, die Sparta faſt zuſehr verachtete, folgten Athen2Sehr deutlich Th. 6, 82..

8.

Eine voͤllige Befreiung aber des Griechiſchen Vorlandes vom Perſiſchen Joch, die man meiſt auf die Liſte der Großthaten Athens ſetzt, hat nie ſtatt gefun - den. Ohne die Unterſuchung uͤber den problematiſchen Friedensſchluß des Kimon aufnehmen zu wollen3Ueber dieſen hat nach Eichſtaͤdt zu Midfort und Moſche de eo quod in Cornelii vit. faciendum restat. Francof. 1802. zuletzt mit gro - ßer Klarheit und Gruͤndlichkeit Dahlmann gehandelt: Forſchungen auf dem Gebiet der Geſch. 1, 1 148. Einige Momente habe ich hier noch beigefuͤgt., moͤ - gen wir nur durch einige Zuͤge den faktiſchen Zu - ſtand dieſer Gegend bezeichnen. Herodot erzaͤhlt, daß Artaphernes, Satrap zu Sarden unter Dareios, den Joniern die Tribute ſetzte, welche von da an bis auf die Zeit des Schriftſtellers, d. h. bis gegen Ende des Peloponneſiſchen Krieges, ſo fortbeſtanden haͤtten4Her. 6, 42. Vgl. meine Rec. einer Schrift von Fr. Kortuͤm, Goͤtting. Anz. 1822. S. 117.. Daß hier nur Tribute an den Großkoͤnig verſtanden werden koͤnnen, zweifelt kein Verſtaͤndiger; die Atheni - ſchen Eintreibungen richteten ſich wahrhaftig nach kei - nem Perſiſchen Kadaſter. Weiter: im neunzehnten187 Jahre dieſes Krieges ſuchte der Satrap deswegen Hilfe gegen Athen, weil er dem Koͤnige den Tribut der Hel - leniſchen Kuͤſtenſtaͤdte einliefern ſollte, den er doch we - gen dieſer Stadt nicht hatte eintreiben koͤnnen1Th. 8, 5. vgl. 46. ὄσοι ἐν τῇ βασιλέως Ἕλληνες οἰκοῦσι, eine oͤfter vorkommende officielle Redensart.. Man ſieht daraus, wie es der Schah von Suſa in voͤlliger Ruhe ignorirte, daß die Mehrzahl jener Orte nun ſchon uͤber ſechzig Jahre den Athenern zahlte und nicht ihm, und die Ruͤckſtaͤnde nur auf Nachlaͤſſigkeit der Statt - halter ſchob. Die Mehrzahl, ſage ich, keinesweges alle: da die Athener des großen Kimon ruhmvolles Werk nichts weniger als vollendet hatten, und ſeit die Kriegsbeiſteuer zum druͤckendſten Tribut geworden war, die Staͤdte ſelbſt ſich nicht eben ſehnen mochten, den Tyrannen zu vertauſchen. Daher beſaß Themiſtokles, als Perſiſcher Vaſall, noch beim Regierungsantritt des Artaxerxes ungeſtoͤrt die ſchoͤnen Orte: Magneſia am Maͤandros, Lampſakos, Myus, Perkote und Alt - Skepſis2Plut. Them. 29. Th. 1, 138. Diod. 11, 57. Auch noch ſeine Soͤhne, ſcheint es nach Pauſ. 1, 26, 4.. Noch ſpaͤter herrſchten die Nachkommen des Koͤnigs Demarat, Euryſthenes und Prokles, in dem - ſelben Verhaͤltniſſe uͤber Haliſarna in Myſien3Xenoph. Hell. 3, 1, 6. Zu die - ſem Geſchlechte gehoͤrt auch Prokles, der die Tochter des Ariſtoteles heirathete (da dieſer zu Atarneus war), und mit ihr Prokles und Demarat zeugte. Sext. Empir. adv. mathem. 51 b. ed. Col. . Die benachbarten Orte Gambrion, Palaͤgambrion, Myrina und Grynion hatte Dareios dem Gongylos geſchenkt, und ſeine Nachkommen wohnten noch da nach dem Pe - loponneſiſchen Kriege4Xen. a. O.. Als Athen ungerechter Weiſe die Delier aus ihrer Inſel vertrieb, fanden ſie eine Zuflucht zu Adramytteion an der Kuͤſte von Aeolis, die188 ihnen der Satrap Pharnakes bewilligte1Th. 5, 1.. So wohl vertrug ſich hier die Atheniſche Herrſchaft mit den Un - terthanen und Vaſallen des Koͤnigs. Wir brauchen nicht tiefer einzugehen, um die gewoͤhnliche Darſtellung Attiſcher Prunkredner gaͤnzlich ſchief zu finden.

9.

Der Peloponnes kuͤmmerte ſich um dieſe Ange - legenheiten um deſto weniger, da er ſelbſt in ſich, wir wiſſen nicht wodurch, in ungluͤckſeligen Zwieſpalt ge - rathen war, der zum offenen Kriege zwiſchen Sparta und Arkadien fuͤhrte. Uns iſt nur bekannt geworden, daß zwiſchen der Schlacht von Plataͤaͤ, wo Tegea, wie auch noch ſpaͤter, große Treue und Anhaͤnglichkeit an das Bundeshaupt zeigte, und dem Helotenkriege (zw. Ol. 75, 2. und 78, 4.), die Lakedaͤmonier zwei große Schlachten, die eine gegen die Tegeaten und Argeier zu Tegea, die andere gegen alle Arkader mit Ausnah - me Mantineas zu Dipaͤa (ἐν Διπαιεῦσιν) im Lande der Maͤnalier ſchlugen. Beim Spartaniſchen Heere war in beiden Tiſamenos, der Eleiſche Jamide; in beiden ſiegte Sparta2Herod. 9, 35. Pauſ. 3, 11. Darum ging auch Leotychides Ol. 78, 1. nach Tegea ins Exil. Her. 6, 72. Derſ. 9, 37. ſpricht von einem Zwiſt mit Tegea vor den Perſerkrie - gen.. Doch ruͤhmt ein Sinngedicht des Simonides des Heldenmuth der Tegeaten, die fal - lend ihre Stadt vor Verwuͤſtung bewahrt31, 130. Brunk., wahr - ſcheinlich nach dem Verluſt der erſten Schlacht. Dar - aus, daß wir Argos an dieſem Kriege Theil nehmen ſehn4Tegea ſtand auch damals Ar - gos gegen Mykend bei. K. 8., moͤgen wir abnehmen, daß die Abſicht deſſelben gegen Sparta’s Hegemonie gerichtet war, vielleicht auch, daß die Unabhaͤngigkeit der Maenalier, Parrhaſier u. Aa., wie oͤfter, von den groͤßern[Staͤdten] Arkadiens189 gefaͤhrdet und von dem Bundeshaupte vertheidiget wurde.

10.

Noch war dieſer Krieg nicht beendigt, als Ol. 78, 4., unter Archidamos1Polyaͤn 1, 41, 5. verwechſelt Archidam III. und II. Pla - ton Geſetze 3. S. 692. hat eine falſche Vorſtellung von der Zeit des Krieges, den Diod. 11, 64. uͤberhaupt ganz ſchief und falſch darſtellt. und Pleiſtonax, ein furchtbares Erdbeben von Anaximandros vorherge - ſagt2Plin. H. N. 2, 79, 81. Sparta zerſtoͤrte, und eine ploͤtzliche Nacht am heitern und glanzvollen Tage das Haupt des Hel - leniſchen Namens zu vernichten drohte. Denn von der Hoffnung, die herrſchende Macht vollends aufzureiben, aufgeweckt, fielen viele Heloten, (vielleicht durch den eben vorhergegangenen Frevel gegen die Fluͤchtlinge zum Taͤnariſchen Gotte doppelt gereizt3Das ἄγος Ταινά - ϱιον. S. Th. 1, 128. Aelian 6, 7. Suid. Ταιν. κακόν. Apo - ſtol. 18, 92. Prov. Vat. 4, 12.), beſonders die alten Einwohner Meſſeniens, und von den Perioͤken zwei Staͤdte ab, welche man alle zuſammen Meſſenier, den Krieg den dritten Meſſeniſchen nannte4Th. 1, 101. καὶ Μεσ - σήνιοι ἐκλήϑησαν οἱ πάντες.. Die Er - eigniſſe dieſes furchtbaren Krieges ſind uns faſt unbe - kannt, wir ſtellen nur die wenigen Bruchſtuͤcke von Nachrichten zuſammen. Der Spartiat Aeimneſtos, der den Mardonios erſchlagen, ein Heros wie aus fabel - hafter Zeit, kaͤmpfte mit dreihundert Maͤnnern bei Stenyklaros gegen alle Meſſenier, und fiel mit ſeiner ganzen Heerſchaar5Her. 9, 64.. Darauf folgte eine große Schlacht gegen die Meſſenier bei Ithome6Wenn man bei Her. 9, 35. die Aenderung πϱὸς Ἰϑώμῃ wagen darf. Pauſ. Ausdruck, 3, 11. πϱὸς τοὺς ἐξ Ἰσϑμοῦ Ἰϑώμην ἀποστήσαντας iſt zuſammen gegoſſen aus der ſchon damals corrupten Stelle Here - dots, und Th. 1, 101. οἱ Είλωτες ἐς Ἰϑώμην ἀπέστησαν., in der die Spar - tiaten ſiegten. Die Mehrzahl der Ueberwundenen ver -190 ſchanzte ſich nun auf dieſer ſteilen Bergſpitze, die auch damals noch dem Zeus Ithomatas heilig war; wahr - ſcheinlich ſtellten ſie die vor alter Zeit gebrochene Feſte wie - der her. Nun erſt riefen die Lakedaͤmonier, eine lang - wierige Belagerung vorausſehend, ein Bundesheer zu - ſammen, bei dem unter Andern die Aegineten1Th. 2, 27. 4, 56., die Plataͤer23, 54., und viertauſend Atheniſche Hopliten waren, die der Geſandte Perikleidas erbeten3Ariſtoph. Ly - ſiſtr. 1138., und Kimon, Sparta’s edler Freund, ihnen zugefuͤhrt hatte, ſie aber noch vor der Eroberung der Feſtung, in der die er - fahrneren Athener ihnen beiſtehn ſollten, nicht ohne den Verdacht vor Attiſchem Neuerungsgeiſte merken zu laſ - ſen, heimſandten4Th. vgl. Manſo 1. S. 377. Auch mußten ſie ihnen damals ſchon wegen Thaſos zuͤrnen.. Erſt im zehnten Jahre, Ol. 81, 2., wurde Ithome durch Vertrag uͤbergeben; und die Meſſenier verließen mit Weib und Kind den Pelopon - nes, mit dem Verſprechen, ihn nie wieder zu betreten. Es ſcheint, daß zur ſelben Zeit der Krieg der Arkader mit den Lakedaͤmoniern durch Vertraͤge zur Ruhe ge - bracht wurde, in denen unter andern bedungen war: daß um der Lakoniſchen Parthei in Tegea willen Nie - mand getoͤdtet werden ſolle, und ferner: daß Sparta die Meſſenier zwar aus dem Lande treiben, aber nicht umbringen duͤrfe: woruͤber eine Stele am Alpheios ſtand5Ich glaube, dieſe συνϑήκας auf dieſe Zeit mit Sicherheit beziehn zu koͤnnen, aus denen Ariſtet. bei Plut. Qu. Rom. 52. S. 343. und Gr. 5. S. 380. die obigen Stellen citirt, um des Ausdrucks χϱηστὸν ποιεῖν fuͤr toͤdten willen. Daß die Arkader fuͤr die Heloten ge - wiſſermaßen Krieg fuͤhrten, liegt auch in Zenob. Prov. 1, 59.. Den Fluͤchtigen aber gaben die Athener die kurz vorher eroberte Stadt Naupaktos, recht gelegen, um ſie zu Verwuͤſtungen des Peloponnes gegen ihr Wort191 zu verleiten. Noch im Peloponneſiſchen Kriege zeich - neten ſie ſich von den Umwohnern durch Doriſche Spra - che aus1Th. 3, 112. 4, 3. vgl. 7, 57. οἱ Μεσσήνιοι νῦν καλού - μενοι..

11,

Gleich nach jener Zuruͤckſendung des Heers von Ithome hatte der beleidigte Demos von Athen die Verbindung mit Sparta vom Mederkriege her aufge - hoben2Th. 1, 102. Doch blieben die σπονδαὶ Παυσανίου noch guͤltig, (die ξυνϑῆκαι K. 144.), mit den Feinden deſſelben, den Argeiern, auch mit den Theſſalern einen Bund geſchloſſen, und ſelbſt das merkantiliſch-abhaͤngige Megara an ſich gezogen. Darauf folgte der Krieg mit den Argoliſchen Seeſtaͤd - ten, in welchem es Athen nach mehreren Unfaͤllen zu - letzt gelang, Aegina’s Flotte zu vernichten, und die Inſel zu unterwerfen (Ol. 80, 4.)3Aegin. p. 179. vgl. jetzt Boͤckh zu Pind. P. 8. Diſſen zu N. 8, 15.. Sparta mußte der ſchnoͤden Unterjochung eines wichtigen Bundesglie - des zuſehen, da ihm noch immer die Belagerung von Ithome auf den Haͤnden lag, und zugleich die Pietaͤt des Stammes es im ſelben Jahre vermocht hatte, ei - nen Zug zur Befreiung der Doriſchen Metropolis vom Joche der Phokeer zu unternehmen. Als ſie aber nach deſſen Vollendung in den Peloponnes zuruͤckeilten, muß - ten ſie ſich erſt durch den Sieg von Tanagra, den ſie, mit den Thebaͤern verbuͤndet, uͤber ein Atheniſch-Joniſch - Argiviſch-Theſſaliſches Heer davon trugen, freien Durchgang verſchaffen. Mit dieſer Bundesgenoſſen - ſchaft war ein Vertrag verbunden, daß Sparta den Thebaͤern das verlorene Principat Boͤotiens wieder zu gewinnen helfen ſollte4S. jetzt daruͤber Boͤckhs treffliche Auseinanderſetzung zu Pind. J. 6. S. 532.. Indeſſen ſchloß doch Sparta nach einem ſo entſcheidenden Siege fuͤrs erſte einen viermonatlichen Waffenſtillſtand mit Athen, waͤhrend192 deſſen dieſer Staat die Thebaͤer bei Oenophyta ſchlug, die Belagerung von Aegina beendete, Boͤotien, mit Ausnahme Thebens, und Phokis einnahm, und ſeine demokratiſche Verfaſſung, der nach der Schlacht von Tanagra faſt der Untergang drohete1Von den oligarchiſchen Umtrieben Ol. 80, 4. und der wahrſcheinlichen Theilnahme Kimons handelt gruͤndlich Meier hist. iuris Attici de bonis damn. p. 4. n. 11., ſelbſt uͤber Theben ausdehnte. Die antheilloſe Ruhe Sparta’s bei ſolchen Fortſchritten des Feindes denn als ſie den Waffenſtillſtand ſchloſſen, mußten ſie dies vorausſehen ſcheint ein Beweis, daß Sparta ganz damit be - ſchaͤftigt war, Ithome endlich einzunehmen und die Ar - kadiſchen Verhaͤltniſſe zu ordnen2Th. 1, 118. τὸ δέ τι καὶ πολέμοις οἰκείοις ἐξειϱγόμενοι,. Daß aber der erneuerte Krieg dem ganzen Bunde galt, zeigen Tolmides zuſam - menhaͤngende Angriffe auf Gytheion, Sikyon, Korinth, auch der Zug des Perikles. Der fuͤnfjaͤhrige Friede Ol. 81, 3. war nur ein Waffenſtillſtand zwiſchen Athen und der Peloponneſiſchen Symmachie, die es Boͤotien ſelbſt uͤberließ, durch eigene Anſtrengung das Joch Athens abzuſchuͤtteln. In dieſe Jahre trifft aber der ſog. hei - lige Krieg, in welchem ein Spartaniſches und ein Athe - niſches Heer, dies hinter jenem kommend, das erſte die Verwaltung des Heiligthums den Delphern, das zweite gegen alles alte Recht3S. beſonders Boͤckh Staatsh. 2. S. 146. den Phokeern uͤbergab. Am Ende der fuͤnf Jahre erfolgte der Abfall Megara’s von dem Nachbarſtaate, und ein Einfall der Peloponne - ſier in Attika, der zwar kein unmittelbares Reſultat, aber doch bald den dreißigjaͤhrigen Frieden nach ſich zog, in welchem Athen ſeine Eroberungen in Megaris u. dem Pelo - ponnes4Th. 1, 115. Νίσαιαν καὶ Ἀχαΐαν καὶ Πηγὰς καὶ Τϱοιζῆνα. Achaia ſcheint nach der Stel - zuruͤckgab, und auf dem Feſtlande in ſeine alten193 Graͤnzen zuruͤckkehrte, aber innerhalb ſeiner Symmachie freie Hand behielt. Denn als die Athener bald dar - auf das abgefallene Samos bekriegten, fragten ſich zwar die Peloponneſier, ob ſie es ſchuͤtzen ſollten, aber Korinths Vortrag bewirkte, daß man Athen mit ſei - nen Bundesgenoſſen nach Gutduͤnken ſchalten ließ1Th. 1, 40..

12.

Faßt man die eilig angedeuteten Ereigniſſe zu - ſammen, ſo findet man voͤllig durchherrſchend bei den Lakedaͤmoniern ein durchaus nur abwehrendes, herſtel - lendes, erhaltendes, bei den Athenern dagegen ein ſtets angreifendes, umwerfendes, neugeſtaltendes Ver - fahren. Wenn jene in dieſer Periode auch nach den groͤßten Siegen keinen Fußbreit Land eroberten, keine autonome Stadt unterwarfen, kein beſtehendes Ver - haͤltniß loͤsten, unterwarfen ſich jene, fuͤr kurze oder laͤngere Zeit, bedeutende Laͤnderſtrecken, dehnten ihre ſog. Symmachie nach allen Seiten aus, und achteten keine durch Natur, Stammeinheit, Alterthum gegebene Ver - bindung im Conflikt mit ihren Herrſchaftsplaͤnen. Aber durch die ſtaunenswerthe Energie des Attiſchen Volkes, welches auf eine fruͤher unerhoͤrte Weiſe von einem Punkte aus das ganze Griechenland in ſteter Vibra - tion erhielt, war Sparta wie paralyſirt; ſeine natuͤr - liche Schwerfaͤlligkeit trat durch die paſſive Stellung noch mehr ans Licht; wie in eine ganz fremdartige Umgebung mit Gewalt verſetzt, lernte es erſt nach und nach Athens Plaͤne verſtehen.

4lung ein Ort in Megaris. Vgl. die freilich ſehr verwirrte Darſtel - lung des Andok. vom Frieden und die daraus entlehnte des Aeſchi - nes. In dieſen σπονδαῖς ſtanden die beiderſeitigen Bundesge - noſſen; die Symmachieen waren als Corpora conſtituirt, denen außerhalb Anſchiießung geſtattet, wo ſie wollten. Th. 1, 31. 35.

II. 13194

Als aber Athen den Peloponneſiſchen Bund nun wieder hergeſtellt ſah, und des Friedens wegen nicht gradezu angreifen konnte, mußte das ſchwankende mehr auf angeerbtem Gefuͤhl als Satzung beruhende Coloni - alrecht ihm Gelegenheit zu indirektem Angriffe geben. Ein ſolcher lag offenbar in dem Schutzbuͤndniſſe (ἐπι - μαχία) mit Korkyra, welche Stadt mit der Mutter - ſtadt Korinth in einem nach altgriechiſchen Grundſaͤtzen durchaus ungerechten Kriege lag. Aber auch abgeſe - hen davon war es immer ein Bruch des dreißigjaͤhri - gen Friedens1Der Sinn der Klauſel der σπονδαὶ τϱιακοντούτεις, Th. 1, 35. kann nur der ſein: Staͤdte außerhalb der Symmachieen koͤnnen ſich anſchließen, wo ſie wollen, dadurch treten ſie den σπονδαῖς bei, und die Symmachie garantirt fuͤr ſie. Aber wenn eine Stadt, die ſchon gegen eine ἔνσπονδος im Kriege iſt, auf - genommen wird, ſo gilt ein ſolcher Krieg einem gleich, den die aufnehmende Symmachie unternommen.. Und dieſelben Grundſaͤtze ſprachen ſich aus in der Forderung, daß Potidaͤa um der Athe - niſchen Symmachie willen das urſpruͤngliche Colonial - verhaͤltniß mit Korinth aufgeben ſolle. So ward in beidem der direkte Gegenſatz offenbar, in welchem ſich die Maximen der Politik Athens mit dem allgemeinen Rechtsgefuͤhle der Hellenen, inſonderheit mit der Ehr - furcht vor alten Pietaͤtsverhaͤltniſſen befand, und die - ſer innerliche Gegenſatz iſt die wahre Quelle des Pelo - ponneſiſchen Kriegs.

13.

Da uns hier nicht erlaubt iſt, die geſchicht - liche Bedeutung dieſes Krieges fuͤr das buͤrgerliche und ſittliche Leben Griechenlands in voller Breite zu ent - wickeln: ſo muͤſſen wir uns begnuͤgen, auf ſie durch folgende leicht aufgefaßte Gegenſaͤtze hinzudeuten. Es ſtehen gegenuͤber Dorier gegen Jonier, daher das Orakel den Krieg auch den Doriſchen nannte2Th. 2, 54.. Die195 einzelnen Ausnahmen ſind faſt nur ſcheinbar1Die Aſiatiſchen Staͤdte machen keine; auch trat zu Rho - dos in der Perſon des edlen Dorieus Dorismus gegen Athen auf.; auch als die Athener Sicilien angriffen, ſtanden hier alle Doriſchen Staͤdte gegen ſie2Th. 3, 86. außer Kamarina.. Bei Athen ſind alle Jonier, Europa’s, der Inſeln, Aſiens, zwar nicht eben freiwillig, aber auch nicht widerſpenſtig. Die Uebereinſtimmung der freien Griechen ge - gen den kekken Willen einer Stadt. Beim Anfange des Kriegs hatte Sparta die allgemeine Stim - me fuͤr ſich3Th. 2, 8. vgl. 11., (deren Mund auch der Delphiſche Gott war, als er ihm ſeinen Beiſtand verhieß4Th. 1, 118. 123. Plut. Pyth. Orak. 19. S. 276.), auch zwang es keine Stadt zur Theilnahme. Athens Bun - desgenoſſen, vormals ſaͤmmtlich Perſiſche Unterthanen, waren an Folgeleiſtung gewoͤhnt, und jetzt dazu ge - zwungen; die Volksverſammlung der Pnyx war der einzige Willen in einer ſo umfaſſenden Verbindung. Die Landmacht gegen die Seemacht. Denn im Hoplitenkampf mochte der Peloponnes nach Perikles Rede das ganze uͤbrige Griechenland beſtehen, und Athen wich ihm darin mit ungemeiner Vorſicht aus. Die Flotte der Peloponneſier dagegen war im Anfange des Krieges ſehr unbedeutend5Die Spart. waren im Seekriege anfangs wirklich erbaͤrmlich, beſonders mangelte es Alkidas an allem Talent. Th. 3, 30. 31. sq. . So dauerte es lange, ehe die Schlaͤge der Partheien nur auf einander fielen. Das Land war der Zuſammenhang der einen, die See die Straße des andern, daher die Freunde Athens auch ſogleich Hafenmauern (μακρὰ τείχη) bauen muß - ten, wie Megara vor, und Argos und Patraͤ im Kriege61, 103. 5, 82.. Reichthum an kampfgeuͤbten Maͤn -13 *196nern gegen Geldreichthum. Denn der Pelopon - nes fuͤhrte den Krieg nur mit eignem Blute, Athen dagegen ſchlug ſeine Ruder, die Hebel ſeiner Macht großentheils mit geworbenem Volke (ξένοις ναυβάταις); ſo daß der Korinther nicht mit Unrecht ſagen konnte: Athens Macht iſt mehr gekauft als einheimiſch11, 121. vgl. Iſokr. συμμαχ. 28. οί συνάγοντες ἐξ ἁπάσης τῆς Ἑλλάδος τοὺς ἀϱγοτάτους πληϱοῦντες τούτων τὰς τϱιήϱεις.. Langſame und zaudernde Ueberlegung gegen entſchloſſene Verwegenheit. Dieſer Gegenſatz ergiebt ſich theils aus der verſchiedenen Einrichtung der Symmachieen, zugleich aber auch aus dem Stamm - charakter beider Partheien. Wohl mit Grund forderte das Orakel Sparta zu entſchiedener, nachdruͤcklicher Kriegsfuͤhrung auf, denn es war ſtets vor dem Kriege beſorgt, und zum Frieden uͤberall bereit2S. beſonders 2, 11. 5, 60.. An - haͤnglichkeit an das Alte dem Streben zum Neuen gegenuͤber. Jene iſt Hauptzug des Dori - ſchen Sinnes, des Joniſchen Neoterismus. Jene woll - ten alte Ehre und Macht wie Sitte und religioͤſes Herkommen bewahren, dieſe meiſtentheils etwas Neues, oft wie in der Siciliſchen Expedition nur dunkel ge - dachtes, erjagen. National-Stamm-Ge - ſchlechterverbindung gegen willkuͤrlich ge - ſchloſſene. Wie gezeigt, gab dieſer Widerſpruch den Anlaß des Krieges, auch im Verlauf deſſelben erkannte Athen faſt nie eine Verpflichtung zur Pietaͤt unter Verwandten an. Wie haͤtte es ſonſt Melos ſo grauſam ſtrafen koͤnnen, weil es ſich mehr erinnerte, ein Kind Sparta’s als ein Eiland zu ſein? So gal - ten auch im Innern der Staaten den Athenern politi - ſche Vereine (ἑταιρίαι) mehr, den Spartiaten Verwandt -197 ſchaft1Thuk. hat auf eine ſehr ſinnreiche Weiſe, aber mit bit - terer Kaͤlte, die Grundſaͤtze der Atheniſchen Politik in dem Dialog mit den Meliern dargeſtellt.. Ariſtokratie gegen Demokratie2Nach Th. 3, 82. ſind πλήϑουϛ ἰσονομία πολιτικὴ und ἀϱιστοκϱατἰα σὠφϱων ὀνόματα εὐπϱεπῆ wie ſie es auch damals wirklich waren, nicht aber τὸ καττὰ πά - τϱια πολιτεύεσϑαι. Dieſer Gegenſatz aͤußerte ſich indeß in der erſten Haͤlfte des Krieges nur ſo, daß Athen umſchuf, Sparta her - ſtellte, denn eigentlich blieb es auch hier wieder auf eine erhaltende Thaͤtigkeit beſchraͤnkt, da ein Adel ſich zwar ausrotten aber nicht eben augenblicklich bilden laͤßt.

14.

Wir bleiben bei dieſen, freilich mehr aͤußer - lich als innerlich gefaßten, Bezeichnungen des Gegen - ſatzes ſtehen, da ſie das Reſultat abzuleiten genuͤgen, auf das wir hinaus wollen. Es iſt naͤmlich ſehr klar, daß bei den Verhaͤltniſſen, der Richtung, dem Geiſte der Zeit in dieſem Gegenſatze das zweite Moment uͤber - all das erſte aͤußerlich uͤberwinden mußte. Der ſchwer - faͤllige, ungeſchickte, langſame Koͤrper der Spartani - ſchen Symmachie mußte unter den Schlaͤgen der ge - wandten, vordringenden, raſchen Kriegsgymnaſtik des Gegners das Doppelte leiden. Die, nach Thukydides, damals herrſchenden Maximen3a. O., wonach Verwegen - heit Muth in der Sache der Freunde, vorſichtiges Zau - dern eine verſtellte Feigheit, Maͤßigung Vorwand der Unmaͤnnlichkeit hieß, und Alles zu uͤberlegen dem Nichts - thun gleich galt u. ſ. w. mußten die gute Wirkung der Handlungen der erſten Parthei laͤhmen und ſchwaͤ - chen. Jenes Aufrichtige und Edelgeartete der Dori - ſchen Natur, jene ſchoͤne Einfalt der altgriechiſchen Zeit mußte in dieſem Kriegsdrange verſchwinden. Wir ſehen daher Sparta und die Peloponneſier wie umge - wandelt aus dem Kampfe hervorgehen, und ſchon zur198 Beendigung deſſelben eine Handlungsweiſe und einen Charakter entwickeln, von dem vorher vermuthlich nur der Keim in ihnen gelegen hatte.

Wie in der zweiten Haͤlfte dieſes Krieges die Spar - tiaten die großen Heereszuͤge zu Lande aufgeben, und dagegen Flotten mit gedungenem Volke auszuruͤſten ſich angelegen ſein laſſen; wie ſie nun das Geld als den Nerv der Kriegsfuͤhrung kennen lernen und es vor den Thuͤren der Perſer ſuchen; wie ſie minder ihre Stamm - und Bundesgenoſſen zu ſchuͤtzen als Athens Symmachie aufzuloͤſen ſuchen; wie ſie auch ihrerſeits uͤberwundene Staͤdte durch aufgedrungene Oligarchen und eigene Harmoſten ſich zu ſichern lernen, und geheime Leitung der Hetaͤrieen zweckdienlicher finden als offne Verhand - lung mit den Staͤdten: entwickelt ſich einerſeits eine große Thatkraft und Gewandheit, die bei ihnen zuerſt in den Unternehmungen des großen Braſidas hervor - trat, auf der andern eine Weltklugheit, wie ſie ſchon Gylippos und dann beſonders Lyſandros darſtellen, als die Enkel des Herakles das Loͤwenfell abzulegen und das Fuchsfell umzunehmen raͤthlich fanden1Plut. reg. apophth. p. 127.. Und da die im fruͤheren Sinne ausgefuͤhrten Unternehmun - gen mißgluͤckten oder unfruchtbar blieben, ſo fuͤhrte dieſe neue Zeit nach der Ironie des Schickſals bei innerem Verfall zuerſt aͤußeren Erfolg und Sieg mit ſich2Schließlich bemerke ich, daß den Beſitzſtand der Peloponn. Staͤdte in dieſem Kriege, den ſie ſich bei Anfang deſſelben garantirt hatten und Lakedaͤmon aufrechthielt, Th. 5, 31., vgl. 5, 29., die beigegebene Karte dar - ſtellen ſoll..

199

Zweites Buch. Religion und Mythus des Doriſchen Stammes.

Apollon.

1.

1.

Indem wir uns von der Darſtellung der aͤußeren Begegniſſe, Verhaͤltniſſe, Bezuͤge zur Geſchichte des mehr innerlichen Lebens und Seins wenden, haben wir als erſte Seite deſſelben die Religion zu betrachten, die wir da das im Mittelpunkt lebende religioͤſe Gefuͤhl nur allzuſehr unſern Blikken entflieht in die einzel - nen geſchichtlich entſtandenen und gegebenen Culte auf - loͤſen muͤſſen. Als den Hauptcultus der Dorier nennen wir den des Apollon und der Artemis, weil in allen Niederlaſſungen des Volksſtammes die Verehrung die - ſer Goͤtter vorherrſchend gefunden wird, und umge - kehrt bei allen bedeutenden Inſtituten des Apol - locultus der Doriſche Urſprung naͤher oder entfernter nachgewieſen werden kann; ſo daß eine mit der Ver -200 breitung jenes Stamms zugleich fortſchreitende Ver - pflanzung dieſer Religion aus den aͤlteſten Zeugniſſen der Mythen dargethan werden kann. Doch moͤge man das Zuſammentreffen des Stammes und Cultus nicht ſo verſtehn, als ſetzte das Daſein des letztern an einem Orte ſtets die ehemalige oder fortdauernde materielle Exiſtenz des erſtern an demſelben voraus. Vielmehr muß gleich zugegeben werden, daß die Goͤtterdienſte auch im Alterthum nicht immer blos koͤrperlich durch Wanderung der Staͤmme, ſondern auch geiſtig durch die Macht der in ihnen lebenden Idee ſich ausgebreitet und Verehrer gewonnen haben. Um den Apollocult dem Doriſchen Stamm mit groͤßerer Sicherheit zu vin - diciren, iſt noͤthig, Meinungen hier gleich direkt zu widerſprechen, die ihn andern Volksſtaͤmmen zueignen. Erſtens: Apollon war kein einheimiſcher Gott der in Griechenland ureinwohnenden Pelasgiſchen Natio - nen1Gegen Myrſilos bei Dionyſ. Halikarn. 1, 23., welcher ſich wahrſcheinlich taͤuſchen ließ durch eine bloße Ausdeutung eines Ka - biren als Apollon (Bd. 1. S. 455.).. Denn waͤre er es, ſo muͤßte er ſicher in de - nen Laͤndern, welche dieſen ungeſchmaͤlert bleiben, z. B. in Arkadien, beſonders haͤufige und ausgezeichnete Verehrung genießen. Nun findet ſich aber, daß Apollon wenig Tempel in Arkadien hat, und die Gruͤndung des groͤßten Theils derſelben uͤberdies mit auslaͤndiſchen Heroen in Beziehung gebracht oder ſonſt von fremder Einwirkung abgeleitet wird2Die Tempel ſind der des Apollon Onkaͤos bei Thelpuſa, in Verbindung mit Herakles. Pauſ. 8, 25, 3. Antimach. S. 65. Schellenb. Die einheimiſchen Goͤtter ſind hier Demeter Erinnys und Poſeidon. Noͤrdlich von Pheneos Ap. Pythios und Artemis: die Tempel ſoll Herakles nach der Eroberung von Elis erbaut ha - ben. Pauſ. 8, 15, 2. vgl. Ariſtot. mirab. ausc. 59. und unten §. 19. In Tegea Ap. Agyieus, im Zuſammenhange mit Kreta.. Was aber zweitens die201 Ableitung aus dem Orient betrifft, die ſich beſonders auf den Lykiſchen Wohnſitz des Cultus gruͤndet: ſo wird ſich dieſer ſelbſt ſehr bald als ſecundaͤr und abge - leitet ergeben. Wir fuͤgen hinzu, daß auch bei den halbgriechiſchen Voͤlkerſchaften der Leleger, Karer, Ae - toler, der Phryger und Thraker die Verehrung dieſes Gottes nicht als urſpruͤnglich-einheimiſch nachgewie - ſen werden kann. Daſſelbe behaupten wir von den Italiſchen Voͤlkern. Apollon kommt nirgends in alt - etruskiſcher Religion vor; Rom wußte lange nichts von ihm, bis die Sibylliniſchen Orakel ſeinen Cultus nach - zogen; da erhielt er einen Platz auf den Flaminiſchen Wieſen, und der dort (im Jahr 324) gebaute Tempel war noch zu Cicero’s Zeiten der einzige in Rom1Liv. 3, 63. 4, 25, 29. Asconius in Orat. in toga cand. S. 150. Cren. Die Sacra der Falisker auf Soracte ſind, wie an - dere dieſer Stadt, halbgriechiſch. Virg. 11, 785. Plin. H. N. 7, 2. vgl. Spangenberg de rel. Lat. p. 38. Die Saliaren nannten Apollo nicht. Arnob. adv. gent. 2, 73. Aplu auf Etruskiſchen Pa - teren (Demſter Etr. reg. tb. 3. 4. Gori 2. p. 93.) iſt der Theſſa - liſche Name.. Ja, daß ihn die Italier ganz als fremden Gott annahmen, geht auch daraus hervor, daß ſie ihn nicht, wie den grie - chiſchen Zeus, Hermes u. ſ. w., mit einem einheimi - ſchen Jupiter, Mercurius etc. verbanden, ſondern ganz fuͤr ſich ſtehn ließen. Und ſo fuͤhren uns ſchon dieſe negativen Behauptungen zur Poſition, daß Apollon eine aͤchthelleniſche eine urſpruͤnglich Doriſche Gottheit ſei, zu deren naͤherem Erweis wir nun ver -2Pauſ. 8, 53, 1. Der Tempel des Ap. Epikurios zu Phigalia, am Anfange des Peloponneſiſchen Krieges gebaut. 8, 41, 5. Der Py - thios oder Parrhaſios am Lykaͤon, 38, 6., (der T. Pythion Pauſ. 38, 6. Πύτιον in einer Arkad. Inſchrift bei Fourmont) iſt wohl eigentlich Ariſtaͤos. Ap. Kereatas in Aepytis bei Karnion wol aus Meſſenien. 34, 3.202 pflichtet ſind. Vorlaͤufig bemerken wir nur, daß da - von die mythiſche Genealogie, welche Doros Sohn Apollons neunt1Apollod. 1, 7, 6., ein einfacher Ausdruck iſt.

2.

Als die aͤlteſten Sitze des Doriſchen Volks, deren geſchichtliche Erinnerung erwaͤhnt, beſtimmten wir oben die Gegenden am Olymp und Oſſa um das Thal Tempe. In derſelben Gegend tragen zwei Hei - ligthuͤmer den Charakter des hoͤchſten Alterthums, das Pythion auf der Hoͤhe des Olymp, mehr als 6000 Fuß uͤber der Meeresflaͤche, am ſteilen Gebirgsweg nach Makedonien; und der Altar in der Schlucht des Peneios2Tempe vom Gotte geliebt, Kal - lim. auf Del. 152. Horaz C. 1, 21, 9. Von Makedoniens Graͤnzen ſcheint auch Meliſſeus in dem Geſchichtswerke Delphika den Cult hergeleitet zu haben, wie das Fragment bei Tzetz. zu Heſiod Ἔϱγα 1. p. 29. Gaisf. vermuthen laͤßt. Durch die Naͤhe dieſes Hauptheiligthums iſt der Cult des Apollon ſehr in Makedonien verbreitet worden, wo die Muͤnzen ſeine Inſignien ſehr haͤufig zeigen., von der der Gott ſelbſt Τεμπείτας heißt, wie auf einer Inſchrift, die nicht fern davon zwiſchen Tempe und Lariſſa am Fluſſe gefunden iſt ΑΠΛΟϒΝΙ ΤΕΜΠΕΙΤΑ geleſen wird3Walpole Trav. p. 505. Die andere, beim alten Atrax (Turnowo) geſundene, heißt im gewoͤhnl. Dialekt. (vgl. Boͤckh Expl. Pind. p. 336. Ἀπόλλωνι Κεϱδ. Σωσί - πατϱος Πολεμαϱχιδαῖος ϑύτης ἀνέϑηκε ἱεϱομνημονήσας καὶ ἀϱχιδαφνηφοϱήσας.. Aus einem andern in die - ſer Gegend gefundenen Denkmal entnehmen wir einhei - miſche Feſte Theſſaliens mit Umtragung von Lorbeer - zweigen, die ohne Zweifel aus den Hainen des Tem - pethals gebrochen waren, zu denen auch die Delpher alle acht Jahre nach Umlauf der heiligen Periode die Pythiſche Theorie ſandten, welche, nach einem Opfer, von dem heiligen Lorbeerbaume4Λυαϱεία ἐν τοῖς Τέμπεσι δάφνη. τὸ δὲ αὐτὸ καὶ Δηλία. Heſych p. 1040. Alb. Laurus Penei f. Fulgent. 13. den ſuͤhnenden Zweig203 brach. Man wird darin das Zeugniß der Delpher ſelbſt achten muͤſſen, daß von hier aus der Dienſt zu ihnen gekommen, und das Bekenntniß implicirt finden, daß den Lorbeerbaͤumen von Tempe groͤßere Heiligkeit und Suͤhnkraft zukomme als ihren eigenen. Nach der al - ten Sage, daß Apollon ſelbſt nach Toͤdtung des Py - thon zum Altar von Tempe geflohen ſei, um gereinigt und geſuͤhnt zu werden, zog nun beim Wiederkehren des Zeitpunkts der heilige Knabe als Ebenhild des Gottes auf einem beſtimmten Wege1κατὰ τὴν ὁδὸν ἣν νῦν ἱεϱὰν καλοῦμεν. Plut. Qu. Gr. 12. ebendahin, um unter den Freudengeſaͤngen des Jungfraunchors als Daph - nephoros heimzukehren. Die religioͤſen Gedanken die - ſes Feſtgebrauches verfolgen wir weiter unten: hier wollen wir den Weg der Theorie genauer beachten. Er fuͤhrte durch Theſſalia und Pelasgia (d. h. durch die Ebene des Peneios, die ſich ſuͤdlich bis Pheraͤ erſtreckt), dann durch das Land der Malier und Aenianen, uͤber den Oeta, durch Doris und das weſtliche Lokris2Aelian. V. G. 3, 1. verſtellt aus Unkunde die Folge der Ge - genden., und vermied ſonach merkwuͤrdiger Weiſe die ſowohl kuͤrzere als gebahntere Straße, welche aus Theſſalien durch die Thermopylen uͤber Phokis und durch die En - gen von Panopeus und Daulis nach Delphi fuͤhrt. Der Grund davon kann einerſeits in einem Widerſtand liegen, den ehemals feindliche Voͤlkerhaufen von der Oſtſeite Delphis dem ruhigen Anlangen heiliger Sen - dungen entgegenſetzten; andererſeits darin, daß die Theorie auf ihrem Wege die zweiten Wohnſitze der Do - rier zwiſchen Oeta und Parnaß beruͤhren ſollte, wo ohne Zweifel ebenfalls der Apolliniſche Cultus herrſchte3Tempel des Apoll und der Artemis zu Lilaͤa. Pau 10, 33, 2..

204

3.

Aber die erſte Haͤlfte dieſer Pythiſchen Straße, welche durch Theſſalien geht, wird durch ein Zuſam - mentreffen von Zeugniſſen ſehr genau beſtimmt. Zuerſt gieng ſie von Tempe nach Lariſſa. In der Naͤhe war ein Dorf Deipnias, wo der Knabe, der den Lorbeer - zweig einbrachte, wie einſt nach der Sage Apollon, nach langem Bußfaſten ein Mahl nahm1Steph. Byz. Λειπνιάς, mit einem Fragment aus Kallima - chos. Von der Verbindung Lariſſa’s mit Delphi zeugt das aͤlteſte Anathem bei Pauſ. 10, 16, 4. Es iſt unbekannt, ob Phyllos mit dem Tempel des Ap. Phyllaͤos, und Ichne mit dem Heilig - thume der Themis, beide in Theſſaliotis, an der Straße lagen. Str. 9, 435.. Daß der Ort den Namen davon traͤgt, beweist fuͤr das Alter dieſer Gewohnheit. Weiter nahm die Theorie ihren Weg auf Pheraͤ, wo der Knabe auf dem Hinwege vor der Reinigung die Dienſtbarkeit des fluͤchtigen Gottes bei Admetos darſtellte. Dieſe Knechtſchaft als Vorbe - reitung der Suͤhnung iſt ohne Zweifel eine uralte Sa - ge, wie ſie denn ſehr zeitig in das Bereich der epiſchen Poeſie hineingezogen wurde, wo die Roſſe des Eume - los, Sohnes von Admet, aus der Pheraͤiſchen Zucht des Apollon ihre Trefflichkeit ableiten2Ilias 2, 766. Als Weideort wird Πηϱείη genannt, was die Scholien, Stephan. Byz. und Heſych als einen Ort Theſſaliens anfuͤhren, aber wohl nur aus dieſer Stelle. Die Orph. Argon. ſetzen die Weiden an den Amphryſſ., der bei Pheraͤ.. Der Ha - fen von Pheraͤ was Pagaſaͤ am inneren Winkel des Meerbuſens mit einem beruͤhmten Altar des Apollon Pagaſites in einem ausgedehnten Haine3Heſiod. Schild v. 17. 58. Παγασίτης Ἀπόλλων παϱὰ Αχαιοῖς ἐν Παγασαῖς καὶ παϱὰ Θεσσαλοῖς, Heſych. Bei Apollon. Rh. 1, 404. 411. bauen die Argonauten in Pagaſaͤ einen Tempel des Ap. Aktios und Embaſios.. Dies Hei - ligthum iſt der merkwuͤrdige Schauplatz der Heſiodiſchen Rhapſodie vom Schilde des Herakles; in der Naͤhe205 fließt das Fluͤßchen Anauros ins Meer1Schild 477. Eurip. Herc. fur. 389. vgl. Band 1. S. 251. ̓Εν παϱόδῳ τῆς ϑαλασσίας wohnt Kyknos nach Steſichoros Schol. Pind. O. 10, 19. (p. 36. Suchf. ) Schol. Il. ψ, 346. aus den Kyklikern: ἐν τῷ τοῦ Παγασαίου Ἀπόλλωνος ἱεϱῷ, ἐστι πϱὸς Τϱοιζῆνι (corr. mit Heinrich Τϱαχῖνι, vgl. Schild 469.) Pauſanias verſetzt den Kampf an den Peneios, 1, 27, 7. Vgl. ſonſt Schellenb. Antim. p. 67., welches den Grabhuͤgel des erſchlagenen Marsſohnes Kyknos von Regenguͤſſen uͤberſtroͤmend aufwuͤhlt und zerſtoͤrt, denn ſo wollte es Apollon der Letoide, weil Kyknos die ruhmvollen Hekatomben, die die Voͤlker nach Pytho fuͤhrten, raubte. Hieraus iſt deutlich, daß das Paga - ſaͤiſche Heiligthum an jener durch die Theorieen von und nach Delphi geweihten Straße lag, und wir ha - ben zugleich in dieſen Worten die Andeutung eines in aͤltern Geſaͤngen wahrſcheinlich ausgefuͤhrteren Mythus, nach welchem die Entheiligung des Tempels die Urſache von Kyknos Untergang war2Es mag der freiern Dichtung des Steſichoros geſtattet werden, den Mythus ſo zu ver - aͤndern, das Kyknos dem Apollon einen Tempel von Leichenſchaͤdeln baut, und es iſt nicht noͤthig, mit Heyne a. O. τῷ Ἄϱει fuͤr τῷ Ἀπόλλωνι zu ſchreiben. Vgl. noch Sturz zu Hellanik. 121. S. 137..

4.

So gelangen wir nach Delphi, zum zweiten Mittelpunkt des Apolliniſchen Dienſtes, und ſo zu ſa - gen, einem Hauptknoten, in dem viele Faͤden des Gewe - bes ſeiner Coloniſirung zuſammen und davon auslau - fen. Mag hier auch vielleicht ſeit uralten Zeiten die eigenthuͤmliche Natur der Kluͤfte und Thaͤler Erde, Waſſer und Nacht als die alten Inhaber des Orakels das Gefuͤhl exſtaſirt und im Schauer dunkle Ahnung erzeugt haben; ſo haͤngt doch die Gruͤndung eines fe - ſten Inſtituts mit ſeinen heiligen Ordnungen und Rech - ten mit der Einfuͤhrung des Apollodienſtes zuſammen. 206 Wann aber derſelbe hier Fuß gefaßt? Wahrſchein - lich als der Doriſche Stamm von Heſtiaͤotis an den Parnaß kam, und ſich oberhalb Delphi niederließ, welches Ereigniß in ſehr fruͤhe Zeiten zuruͤckfaͤllt. Dieſe Annahme, auf die die bisherige Unterſuchung hinfuͤhrt, ſtreitet nicht mit der herrſchenden Tradition, daß Kre - tiſche Schiffer in Minoiſcher Zeit an dieſer Kuͤſte ge - landet ſeien und den Cultus des Gottes eingeſetzt haͤt - ten. Um beide zu vereinigen, muͤſſen wir fuͤrs erſte auf den Kretiſchen Apollodienſt zuruͤckgehen.

5.

Wie Kreta ſchon in fruͤhen Zeiten eine ſehr gemiſchte Bevoͤlkerung hatte: ſo fanden ſich auch hier mannigfaltige Goͤtterdienſte beiſammen, die ſich zum Theil noch dem Volkſtamme, von dem ſie einzeln aus - gingen, zuweiſen laſſen. Unter dieſen brachten die Dorier, deren Hauptſitz an der Nordoſtkuͤſte um Knoſos war, von wo ſie ſich aber fruͤhe ſchon uͤber andere Theile der Inſel ausdehnten, aus ihrer Heimat am Olymp die Verehrung des Apollon mit. Von dem Minoiſchen Knoſos ging ja nach der Tradition des Homeriſchen Hymnus das Schiff aus, welches Apollon als Delphin nach Delphi leitete; der Haupttempel der Stadt ge - hoͤrte dem Apollon Delphinios1Chiſhull Antt. As. p. 134. Aegin. p. 154, Apollokopf auf Knoſiſchen Muͤnzen. Das Omphaliſche Gefild bei Knoſos (Kallim. auf Z. 45.) haͤngt zwar mit dem Omphalos-Stein von Delphi zuſammen, aber Beides gehoͤrt in den Zeuscult.; im Gebiete derſelben lag ein Apollonia, und der merkwuͤrdige Ort Amniſos mit dem Gekluͤft der Eileithyia, wo die einheimiſche Sage dieſe Geburtshelferin des Deliſchen Gottes ſelbſt geboren werden ließ2Odyſ - ſee 19, 138. Pauſ. 1, 18, 5. Str. 10, 476. vgl. Boͤttigers Ilithyia S. 18. Einatos, wovon Ilithyia Einatine, iſt wohl in der Naͤhe. Steph. Byz.. An derſelben Nordkuͤſte hin207 liegen Miletos, deſſen Apollokult unten erwaͤhnt wird, und Lato (Kamara), deſſen Name an die Goͤttin er - innert. In der altdoriſchen Stadt Lyktos, im innern Lande, darf man mit Gewißheit denſelben Dieuſt vor - ausſetzen1Kallim. auf Ap. 33. Die geographiſche Anſetzung der Orte beruht zum Theil auf den Unterſuchungen in Hoͤck’s Kreta.. Der Suͤdkuͤſte naͤher lag Gortyna, wel - ches, wenn auch von anderer Gruͤndung, doch nach - mals die Herrſchaft und den Dienſt deſſelben Volkſtam - mes, wie Knoſſos, anerkannte. Der mittelſte Platz der Stadt hieß Pythion2Steph. Πύθιον. Auf Muͤnzen Apollokopf.. Unmittelbar graͤnzt Phaͤſtos, Epi - menides Vaterſtadt, welches in der Sage von einem Si - kyoniſchen Herakliden Urſprung und Namen ableitet3S. oben S. 79.; hier wurden nebſt Herakles beſonders Apollon und Leto verehrt4Dieſe als Φυτία mit einem Feſt Ἐκδύσια. Anto - nin. Lib. 17. Auch der Wolf auf den Muͤnzen bezieht ſich auf Apoll.. Weiter gegen Weſten in den Bergen Tar - rha, ſicher eins der aͤlteſten und bedeutendſten Heilig - thuͤmer des Gottes5Steph. B. s. v. Τά᾽ϱ῾ϱα. vgl. Theophr. H. Pl. 2, 2. Ein Orakel (bei Oenomaos, Euſeb. Praep. Ev. p. 133. Steph.) fordert die Einw. von Phaͤſtos, Tarrha und Polyrrhon auf, dem Pythiſchen Phoͤbos καϑαϱμοὺς darzubringen.. Denn hier laͤßt die Kretiſche Sage den Karmanor wohnen, den Vater des Saͤngers Chryſothemis, einen Suͤhnprieſter, der den Gott ſelbſt vom Blute des Python gereinigt haben ſoll: welche Tradition, verglichen mit der Nachricht von der Suͤh - nung am Altar in Tempe, zeigt, wie mit dem Cultus vom Olymp nach Kreta auch die daran haͤngenden Sa - gen wanderten und ſich neu anſiedelten. An den Auf - enthalt des fluͤchtigen Gottes im Hauſe Karmanors knuͤpft ſich eine Erzaͤhlung von der Liebe deſſelben zur6)P. 2, 7, 7, 10, 16, 3. vgl. Tibull. 4, 1, 8.208 Akakallis, mit der er den Naxos zeugte1Alexander Kretika 1. bei Schol. Apoll. 4, 1492. vergl. Pauſ. 8, 53, 2., oder den Miletos2Antonin. Lib. 30. vgl. Verheyk., oder den Phylandros und die Phylakis, die ein Weihgeſchenk der Elyrier zu Delphen an den Zitzen einer Ziege ſaugend vorſtellte3P. 10, 16, 3. Daher auf Muͤnzen von Elyros die Ziege. Auch auf den Muͤnzen von Kydonia eine Woͤlfin, die den kleinen Kydon ſaͤugt.. Dieſes Elyros liegt, wie die aͤlteren Staͤdte Kreta’s meiſt, im innern Ge - birgslande, und wahrſcheinlich in der Naͤhe Tarrhas4Tarrha iſt die Mutterſtadt von Lappa, deſſen Muͤn - zen darum den Apollon oder eine Kithar haben; vielleicht gab der Cultus dem Orte das Jus asyli. Spanheim de praest. num. p. 342. Andere Spuren des Dienſtes auf Kreta: Der Tem - pel von Allaria, Chiſhull p. 137. Oaxos, Sohn Apollons, Serv. zu Virg. Ecl. 1, 66. Eleutherna hat auf alten Muͤnzen den Gott in der R. eine Kugel (einen Apfel, μῆλα ἰεϱὰ τοῦ ϑεοῦ Lukian Anach. 9.) in der L. einen Bogen haltend. Eben ſo die von Rhi - tymna. Auf denen von Tyliſſos iſt der Juͤngling mit dem Ziegen - kopf in der R. Bogen in der L. gewiß auch Apoll. Auch die von Praͤſos, Aptera, Cherſoneſos, Rhaukos haben ihn..

Wenn uns auch freilich nicht Angaben genug er - halten ſind zu einem vollſtaͤndigen Schluſſe, ſo fuͤhren doch auch ſchon die angefuͤhrten auf das Reſultat, daß nicht etwa die Ureinwohner des Idaͤiſchen Gebirges, oder ſupponirte Ankoͤmmlinge von Phoͤnizien, ſondern die Doriſchen Anlander Kreta zu einer Metropole der Apolliniſchen Religion machten. Sonach werden wir behaupten, daß dieſelbe urſpruͤnglich auf Kreta in kei - ner Verbindung ſteht mit dem enthuſiaſtiſchen, wahr - ſcheinlich Phrygiſchen, Dienſte des Idaͤiſchen Zeus, der Korybanten u. ſ. w. Indeſſen entſtanden doch leicht durch die gemeinſame oder benachbarte Lokalitaͤt Vermiſchungen, die z. B. veranlaßten, daß Epimeni - des der juͤngſte der Kureten heißt, deſſen religioͤſe Thaͤ -209 tigkeit ſich ſonſt zunaͤchſt um den Dienſt des Kretiſch - Deliſchen Apollon dreht, daß man ſpaͤter die Kureten Soͤhne des Apoll nannte1nach Apollod. 1, 3, 4. von der Thaleia; nach Strabon 10. S. 473. von der Rhytia (geht auf die Stadt Rhytion am Ida). (wobei der Begriff mu - ſikaliſcher Goͤtter mitwirkte) oder dem Apollon Ko - rybas zum Vater gab, und ihn mit Zeus um die Ober - herrſchaft des Landes ſtreiten ließ2So die Theologi bei Cicero N. D. 3, 23. p. 616. Creuzer..

6.

Von Kreta aus werfen wir zunaͤchſt einen Blick auf Delos, deſſen Verbindung mit dem groͤßern Ei - lande ſchon die Grotte der Eileithyia bei Amniſos an - zeigte. Kreter nennt Virgil aus alter Tradition als Diener an den Deliſchen Altaͤren3Aen. 1, 736. 4, 146. vgl. Heyne.. Theſeus Fahrt von Knoſſos nach Delos hat in demſelben Connex ih - ren Grund, wie ſich weiter unten noch mehr aufklaͤ, ren wird. Indeſſen muß man nicht zu ſchnell zu dem Schluſſe eilen, daß Delos etwa in Minoiſcher Zeit durch eine Colonie4Anios, Sohn und Prieſter Apolls, iſt angeblicher Statthalter des Rhadamanth auf De - los. Diod. 5, 62. 79. Vgl. Pherekyd. 74. S. 223. St. von Kreta aus den Apollodienſt erhalten habe. Es iſt wahrſcheinlicher, daß jener alt - doriſche Zug nach Kreta, der doch ſchwerlich ſeine weite Bahn durchlaufen konnte, ohne Spuren ſeiner Exiſtenz zuruͤckzulaſſen, unmittelbar das Heiligthum auf Delos gegruͤndet habe: weil ſich die ohne Zweifel alten Sa - gen von der Ueberſendung heiliger Gaben aus dem Hyperboreerlande nach Delos dann am einfachſten als Erinnerung einer lange unterhaltenen Theorieen-Ver - bindung mit der noͤrdlichen Heimat faſſen laſſen.

7.

Was nun aber die Ankunft von Kretern zu Delphi anbetrifft, ſo finden wir darin das Streben der ans Ende der Eriechiſchen Welt hinausgeworfenenII. 14210Inſulaner nach reciproker Einwirkung auf die aͤltern Sitze des Stammes und Cultus. Der Homeriſche Hymnus erzaͤhlt davon, daß Apoll, vom Olymp her - abkommend, ſich ſelbſt ſein heiliges Haus zu Pytho gruͤndet, und darauf kundige Prieſter, Saͤnger und Propheten1ὀϱγὶονας, Οἳ ϑεϱαπεύσονται Πυϑοῖ ἐνὶ πετϱηέσσῃ; Ἱεϱά τε ῥέξουσι καὶ ἀγγελέουσι ϑέμιστας. aus Knoſos holt, indem er ein Kretiſches Schiff in der Geſtalt eines Delphins nach Kriſſa fuͤhrt. Kriſſa oder Kirrha, denn daß beide Namen denſelben Ort bezeichnen, halte ich fuͤr evident2S. Bd. 1. S. 493., eine feſte Stadt am innerſten Winkel des Meerbuſens gelegen, hatte weiland außer dem Uferaltar des Delphinios einen Haupttempel des Gottes3Auf dieſen geht wohl V. 265. des Hymnus. Von dem Tripus im Adyton zu Kriſa ſ. den 8. Brief des Hippokratiker. vgl. Hym - nus auf Apoll. P. 443., in dem noch Pauſanias die großen Standbilder der Leto, Artemis und Apolls und eine kleine Statue der Adraſteia ſah4Pauſ. 10, 37, 6.. Hier waren nach dem Hymnus die Kreter angeſiedelt, welche den Dienſt uͤbten, und dem Gotte den Jepaian auffuͤhrten: daher im Homeriſchen Voͤlkerverzeichniſſe neben dem ſteinigen Pytho das hochheilige Kriſſa erwaͤhnt wird, und Roͤmiſche Dichter aus alter Tradition das Pythi - ſche Heiligthum Crissaea templa nennen. Sie muͤſſen dies aus Dichtern geſchoͤpft haben, die vor dem Unter - gange Kirrha’s Ol. 47. dichteten, als dieſe Stadt noch nicht durch Erpreſſungen und Bedruͤckungen der Pilger den Zorn des amphiktyoniſchen Griechenlands verdient, und vermuthlich zuerſt allen Antheil an der Verwal - tung des Heiligthums, dann ſelbſt Boden und Freiheit verloren hatte, welche Begebenheit fuͤr uns faſt die Kunde fruͤherer Verhaͤltniſſe vertilat hat. Der offene Ort Delphi, welcher ſeit jenem Kriege nebſt den Am -211 phiktyonen allein die Beſorgung und Aufſicht des Hei - ligthums hat, war vielleicht fruͤher nicht bedeutend, wenigſtens wird er nicht eher genannt, als in einem der juͤngſten Homeriſchen Hymnen und von Herakleitos von Epheſos127, 14. Plut. Pyth. Orac. p. 404..

8.

Wenn nun alſo in alten Zeiten Kreter wie in Delos ſo in Delphi den Dienſt des Heiligthums verſa - hen: ſo machten dieſe doch nicht die ganze Bevoͤlkerung des Landes aus. Denn erſtens mußte das ausgedehnte Gebiet des Tempels von einem ihm angehoͤrigen Volke bebaut werden von deſſen Zuſammenſetzung und Ver - haͤltniſſe ich unten reden werde und dann gab es einen einheimiſchen Adel von großer Gewalt und Macht uͤber das Heiligthum. Auf dieſen deutet der Homeri - ſche Hymnus in den dunkeln Worten, die Apollon an die Kretiſchen Ankoͤmmlinge richtet:

Andere Maͤnner alsdann ſind euch zu Gebietern beſtellet,
Deren Geſetz mit Gewalt euch binden ſoll ewige Tage
2V. 220. Ilgen erklaͤrt die Verſe von den Amphiktyonen: allein deren Ver - haͤltniß iſt nicht das bezeichnete.
2.

Das ſind offenbar dieſelben, welche nach Euripides dem Dreifuß nahe ſitzen, der Delpher Edle, (Δελ - φῶν ἀριστεῖς) die das Loos erwaͤhlt3Jon 428., auch die Del - phiſchen Herren und Fuͤrſten (Πυϑικοὶ κοίρανοι, Δελ - φῶν τ̕ ἄνακτες) genannt, und einen peinlichen Gerichts - hof bildend, der allen Frevel gegen den Tempel durch Pythiſchen Spruch (Πυϑίῳ ψήφῳ) mit Sturz vom Felſen beſtrafte41233. 1236. 1265. vgl. 1126. ἀϱχαὶ αἱ ᾽πιχώϱιοι.. Dieſelben hatten ohne Zweifel auch die alten Rechte der Suͤhnung in ihren Haͤnden, und ihnen ſtand, wie dem Samothrakiſchen Prieſtergerichts - hof, die Erkenntniß zu, ob ein Mord ſuͤhnbar oder nicht. Ihre Einwirkung auf das Orakel war ſo be -14 *212deutend, daß ſie als Leitung betrachtet werden kann: ihren ariſtokratiſchen Sinn moͤgen wir daraus abneh - men, daß Timaſitheos der Delpher ſich unter der Adels - parthei des Iſagoras zu Athen durch Kuͤhnheit und Entſchloſſenheit auszeichnete1Her. 5, 72. Vgl. 6, 66. Κόβωνα τὸν Ἀϱιστοφάντου, ἂνδϱα ἐν Δελφοῖσι δυναστεύοντα μέγιστον. Δυναστεύειν ſagt der Schriftſteller auch von den Attiſchen Eupatriden (6, 35.) vgl. 7, 141.. Wir duͤrfen annehmen, daß dies beſonders Doriſche Geſchlechter waren, wie auch die Sprache in Delphi ein Doriſcher Dialekt war2Der Name des Monats Βύσιος, der offenbar Πύϑιος bedeutet, zeigt, daß die Delpher mit den Lakonen die Veraͤnderung von ϑ in σ gemein, und fuͤr ſich beſonders, wie auch ſonſt erwaͤhnt wird, den Gebrauch des β fuͤr π hatten. S. Maittaire p. 140. Weiter ſ. Beil. 2.. Die Hauptprieſter des Gottes, die fuͤnf Ὅσιοι, wur - den durch das Loos aus einer Anzahl Familien gewaͤhlt, die ſich von Deukalion ableiteten3Plut. Qu. Gr. 9. S. 380. H.: ſie wollten dadurch wahrſcheinlich ihre Herkunft von Lykoreia auf der Hoͤhe des Parnaß beurkunden, der angeblichen Gruͤn - dung des Hellenenvaters Deukalion4Pauſ. 10, 6, 2., von wo wir wiſſen daß ein großer Theil der Bevoͤlkerung von Delphi herabgekommen war5Str. 9, 418. Schol. Apoll. 2, 711. vgl. Kallim. bei Steph. B.. Dieſer Ort, deſſen Spur noch in einem Dorfe Liacura beſteht, welches indeſſen jetzt nur noch im Sommer von Berghirten bewohnt wird6Dodwell Trav. 1. p. 189., war aber nach aller Wahrſcheinlichkeit Doriſch, da er den Uebergang von der Tetrapolis nach Delphi bil - det; die Verehrung Apollons als Lykios (Lykoreus)7Kallim. Apoll. 19. oͤſter in der Anthologie, Suidas. ſcheint ihm den Namen gegeben zu haben.

Alſo Bergdorier von den Hoͤhen des Parnaß und Kretiſche Ankoͤmmlinge an der Kaͤſte des Meerbuſens treffen nach einer ganz unſichern Schaͤtzung etwa213 zwei Jahrhunderte vor der Wanderung in den Pelo - ponnes hier zuſammen, um den Delphiſchen Cultus zu gruͤnden. Die durch die letzteren gegruͤndete Ver - bindung muß nach vielen Sagen und geſchichtlichen Spuren lange fortbeſtanden haben1S. uͤber dieſe Verbindung Zoëga Bassiril. 1. zu tv. 81. Aegin. p. 154. Raoul-Roch. T. 2. p. 164. Auch Koretas, der angebliche Entdecker des Orakels, traͤgt einen Kretiſchen Namen (κώϱης fuͤr κούϱης dor.) Plut. de def. or. 21. 46.. Die alte Zelt - huͤtte aus Fluͤgeln; eine uralte aus einem Stamm ge - wachſene Bildſaͤule des Gottes vielleicht eines der aͤlteſten Werke roher Schnitzarbeit waren nach Sage und Ueberlieferung von Kreta gekommen. Die fabelhaf - te Reihe der Delphiſchen Hymnoden beginnt mit Chry - ſothemis, dem Sohne des obengenannten Suͤhnprieſters Karmanor zu Tarrha2Pauſ. 10, 7, 2.. Und nicht blos Daͤdaliſche Schnitzwerke und Hymnen, auch Menſchen ſandte Kreta von Zeit zu Zeit zum Dienſte des Pythiſchen Gottes (ἀνϑρώπων ἀπαϱχήν)3Plut. Theſ. 16..

9.

Ich weiß nicht, ob dieſe Data genuͤgen, ein bedeutſames Bild einer Zeit zu geben, da der Cultus des Apollon am Olymp, Parnaß und in dem fernen Eiland Kreta feſtgegruͤndet und einen gewiſſen Verkehr dieſer Punkte vermittelnd doch noch vom ſuͤdlichen Grie - chenland, jenſeits des Oeta - und Parnaſſosgebirgs, aus - geſchloſſen war. Es iſt unverkennbar, daß der weitere Fortſchritt deſſelben dahin lange Widerſtand fand; Apol - lon ſelbſt tritt als Schuͤtzer ſeines Heiligthums in alten Sagen auf, worauf ſich das poëtiſche Orakel bezieht4Pauſ. 10, 6, 6.:

Bald wird gegen den Mann, der die Flur Parnaſſos gefaͤhrdet,
Phoͤbos den Pfeil entſenden. Des Bluts entſuͤhnen die Haͤnde
Kretiſche Maͤnner alsdann: doch nie liſcht goͤttlicher Ruhm aus.
214

Beſonders abgeneigt finden wir dem Dienſte von Delphi die Minyeiſchen Phlegyer gegen Oſten, die Pleuroniſchen Aetoler gegen Weſten. Es beweiſt ein nationales Wi - derſtreben gegen dieſen: wie die Phlegyer die feſte Burg Panopeus im Engpaſſe nach Boͤotien beſetzen, ihr Fuͤh - rer Phorbas dort mit Apollon ringt, Phlegyas den Tem - pel niederbrennt, der Gott endlich das ganze Geſchlecht durch Blitz und Donner vertilgt1Nach kykliſchen Gedichten. S. Bd. 1. S. 188 ff.. Derſelbe Stamm befehdet hier den Doriſchen Gott, der als Lapithen in Theſſalien die Dorier ſelbſt zuruͤckhaͤlt. Nach der ande - ren Himmelsgegend hin kaͤmpft Apollon mit den Lokriſchen Kureten vereint gegen die Aetoler und toͤdtet ihren Fuͤr - ſten Meleagros; wie die Eoͤen und die Minyas erzaͤhl - ten2Bei Pauſ. 10, 31, 2.; zu deſſen Geſchlechte gehoͤrte Marpeſſa, welche von Apollon geraubt ihm doch den Geliebten Idas vor - zieht, der ſie mit den Waffen aus dem Tempel zu be - freien kommt3Ilias 9, 560. Kaſten des Kypſelos mit zwei alten Verſen bei Pauſ. 5, 18, 1. Eine Sage wie vom Ritter und der Nonne..

215

2.

1.

Dagegen geſtatteten von Kreta aus das Meer und die nahen Kuͤſten und Inſeln der Verpflanzung des Cultus den freieſten Spielraum: wodurch die merkwuͤr - dige Thatſache motivirt wird, daß im ſuͤdlichen Grie - chenland die aͤlteſten Apollotempel an Kuͤſtenſtrichen, auf Vorgebirgen und Landesenden zu finden ſind. Dieſe Ver - pflanzung gewaͤhrt in der That einen merkwuͤrdigen An - blick. Wie Radien aus einem Mittelpuncte, gehen Apolliniſche Kolonieen von der Nordkuͤſte Kretas nach allen Richtungen aus, und bringen uͤberallhin die Suͤhn - gebraͤuche und Orakel des Cultus (Κρητίδαι μάντεις)1Photios s. v. . Die wunderbare Regelmaͤßigkeit in dieſen Anlagen moͤge man indeſſen ja nicht etwa als Werk eines ſyſtematiſchen Miſſionenſyſtems, und vielleicht zugleich der Politik des Minos2Wie Raoul-Rochette meint, deſſen Werk indeß fuͤr dieſe Unterſuchung Treffliches darbietet. (Hist. de l’etabl. 2. p. 137 173. anſehen: ſie erklaͤrt ſich aus dem inſtinktmaͤßi - gen Beduͤrfniſſe des alten Volkes, auf ſeinen Zuͤgen an den Kuͤſten des Aegaͤiſchen Meeres uͤberall Altaͤre des Gottes aufzubauen, deſſen Verehrung ihm geiſtige Natur war. Wir betrachten hier zuerſt die Radien, die auf die Kuͤſte Kreta’s treffen, nach Lykien, Mi - let, Klaros und Troas, von welchen Niederlaſ.216 ſungen die erſte und letzte die aͤlteren, die anderen vielleicht ein Jahrhundert juͤnger ſein moͤchten1Ueber die Verbindung Kreta’s mit Aſien Heyne Exc. ad Aen. 3, 102,.

2.

Wenn Herodot den Sarpedon von Kreta nach Lykien oder Milyas mit barbariſchen Voͤl - kern ziehen laͤßt21, 173. vgl. 7, 92. Nach Herodot kam auch Europa nach Lykien (4, 45.) naͤmlich die Sage.: ſo beruht dieſe eigne und beſon - dere Meinung des Hiſtorikers wahrſcheinlich nicht auf der Tradition: denn dieſe nannte ihn Bruder des Knoſiſchen Minos, den ſie als Doriſchen Herrſcher karakteriſirt. Und wie durch dieſe Coloniſirung die Kre - tiſchen Geſetze, d. h. die Doriſchen Herkommen, die in Kreta zuerſt ausgebildet worden waren, uͤber Lykien verbreitet wurden31, 173. vgl. Boͤckh ad Platon. Min. p. 55. Herakl. Pont. 15.: eben ſo der Gottesdienſt dieſes Stammes, der des Apollon. Denn daß derſelbe in Lykien nicht etwa aus den Binnenlaͤndern des inneren Aſiens, ſondern uͤber das Meer nach der Kuͤſte gekom - men iſt, zeigt die Lage der Haupttempel ſelbſt. Eine Kretiſche Niederlaſſung iſt Xanthos am gleichnami - gen Fluſſe, durch alten Ruhm und beiſpielloſen Hel - denmuth beruͤhmt4He - rod. 1, 176. Steph. Byz. aus Hekataͤos.; hier war ein Sarpedoneion5Appian Buͤr - gerkr. 4, 78., wie es ſcheint, dem juͤngern, Homeriſchen, Sarpedon geweiht, deſſen Stammgott Apollon ihn als Todten den Griechen entriſſen und zur Heimat gebracht hatte6Il. 16, 666.. Auch wurde ein Sarpedoniſcher Apollon verehrt7Nach Kilikien verpflanzt, Zoſimos 1, 57.. Sechzig Stadien unterhalb der Stadt und zehen von der Muͤndung des Fluſſes Xanthos lag ein Hain der Leto, nahe ein uralter Tempel des Lykiſchen Apollon8Von jenem Str. 14, 666. vgl. 651. von dieſem Diod. 5, 56.;217 Woͤlfe hatten die irrende Goͤttin hieher gefuͤhrt, und ſie hatte die Kinder nach der Geburt im Fluſſe geba - det1Menekrates Lykiaka bei Anton. Lib. c. 35.; eine alte Frau hatte ſie in die aͤrmliche Huͤtte aufgenommen2Σὐεσ - σα καλύβη τις ἐν Λυκίᾳ ἀπὸ Συέσσης γϱαός τινος ὑποδεξαμένης τὴν Λητώ. Steph. Byz.. Dies ſind die wenigen erhaltenen Worte der einheimiſchen Sage, die im Ganzen nur ein anderer Zweig der Deliſchen geweſen ſein mag. Aber der Haupttempel war der zu Patara an der Suͤdſpitze des Landes3Beide Ableitungen des Namens, von einem S. Apollons (Hekataͤos bei Steph. B. vgl. Euſt. zu Dion. Per. V. 129. Tzetz. Lyk. 920.) und von πατάϱα κιστίς wei - ſen auf den Cultus hin,, des Gottes Winter-Wohnung, da er auch durch den Mund einer Promantis Orakel gab4Kallim. Del. 1. und Spanheim. Herodot unbeſtimmt: ἐπεὰν γένηται 1, 182. vgl. Serv. zur Aen. 4, 143.. Die Pataraͤiſchen Oblationen von Kuchen in der Form von Leier, Bogen und Pfeil erinnern an aͤhnliche Gebraͤuche zu Delos, und beſtaͤtigen das ver - ſchwiſterte Verhaͤltniß dieſer Cultuslaͤnder5Alexander bei Steph. s. v. Euſt. a. O. vgl. uͤber den Tempel die Inſchr. Walpole Travels p. 541. Beau - forts Karamania.. Weiter oͤſtlich lag das Orakel des Apollon Thyrxeus bei den Kyaneen6Pauſ. 7, 21, 3., weſtlich Telmiſſos mit ſeinen Traumdeu - tern, die von dem Gotte abzuſtammen meinten7Herod. 1, 78. Apoſtol. 18, 25. aus Dionyſios ἐν κτίσεσιν. Herodian bei Euſt. ad Dion. 860.; aber nicht blos die genannten, ſondern faſt jede Lykiſche Kuͤſtenſtadt huldigte dem Gotte, der dem Lande ſelbſt den Namen gegeben hatte8Die Muͤnzen von Patara, Phaſelis, Xanthos, Kydna, Kragos, Apollonia, Korydalla, Limyra, Olympos haben Apollos Haupt, Dreifuß, Lyra, den Hirſch und aͤhnl. Zeichen. vgl. Steph. Byz. Δάφνη ἐν Λυκίᾳ. Heſych: Εϱεθύμιος Apoll bei den Lykiern.. Zur Reihe dieſer Anla -218 gen gehoͤrt aber wahrſcheinlich noch in Kilikien das Korykiſche Vorgebirge, da wir unmittelbar dabei den Tempel des Zeus Sarpedon finden. Den Apollon - dienſt daſelbſt bezeugt ſchon der Name des Orts; noch mehr die Sage, daß von da Hirſche nach dem Kypri - ſchen Orte Kurion hinuͤbergeſchwommen; hier aber war ein ſehr heiliger Altar des Gottes, Niemand durfte ihn beruͤhren, that es wer, wurde er vom Felſen des nahen Vorgebirgs geſtoßen. Wir werden ſpaͤter hierin eine Form der den Cultus uͤberall begleitenden Suͤhn - opfer erkennen1S. Str. 14, 683. aus Hedylos oder einem andern Dich - ter. Von den heil. Hirſchen des Ap. zu Kurion Ael. N. A. 11, 7..

3.

Nirgends finden wir der Heiligthuͤmer Apol - lons ſo viele auf ſo kleinem Raume zuſammen, als auf der Troiſchen Kuͤſte: Killa in der Bucht des Adra - mytteniſchen Buſens, Chryſe im Gebiete des Hypo - plakiſchen Theben2Str. 13, 611. Skylax S. 26. vgl. die dunkle Glyſſe bei He - ſych Πυϑίων ἀνακτόϱων., das nahgelegene Smintheion3Ueber dies Heyne ad. Il. 1, 39. Es gab nach Str. 13, 604. Smintheia bei Hamaxitos in Aeolis, bei Parion, zu Lindos auf Rhodos und ſonſt., die Inſel Tenedos, deren Dienſt durch wunderbare Ver - pflanzung nach Korinth und Syrakus kam4Die Teneaten bei Korinth ſollten von Agamemnon aus Tenedos verpflanzt ſein. Daß ſie Apollon wirklich auf dieſelbe Weiſe verehrten, bezeugt Ariſtot. bei Str. 380. Pauſ. 2, 5, 3. Von Tenea aber kam der Dienſt durch Archias nach Syrakus. Str. ebenda., nen - nen wenige Verſe der Ilias zuſammen. Nicht minder bekannt iſt Thymbra am Zuſammenfluſſe des Thym - brios und Skamandros, wo Kaſſandra im Tempel des Gottes erzogen die Weiſſagung erlernt haben ſollte5Str. 13, 591. Heſych s. v. Θύμβϱα Schol. Il. 10, 430. Serv. Aen. 3, 85. vgl. Choiſeul Gouff. Voy. pitt. T. 3. zu pl. 25. Walpole. 219Auf der Iliſchen Burg Pergamos ſelbſt ſtand ein Tem - pel des Apollon mit Schweſter und Mutter, daher bei Homer alle drei die ſinkende Stadt beſchuͤtzen1Ilias 5, 446. 7, 83.. Be - ſonderes Gewicht aber muß auf den Umſtand gelegt werden, daß Zeleia am noͤrdlichen Fuße des Ida, die Vaterſtadt des Bogenſchuͤtzen Pandaros, Sohnes von Lykaon, die Verehrung des Apollon Lykios oder Lyke - genes hatte, und darum auch Lykia hieß. Denn hier - aus geht doch wohl aufs deutlichſte hervor, daß es der Cultus war, der dieſer Trojaniſchen Gegend, wie dem Lande der Solymer, den Namen gab. Auch in Chryſe hieß Apollon Lykaͤos3Heſych Λυκαῖον. Sonſt iſt Apollon an dieſer Kuͤſte noch ſehr haͤuflg, Str. 13, 618; in Pria - pos Schol. Lyk. 29.; der Πασπάϱιος in Parion und Pergamon (He - ſych), auf den Muͤnzen von Gargara, Germe, Lampſakos, Atar - neus, Neandria, Abydos, Neu-Ilion.. Den Urſprung dieſes Cultus nun wird man weder dem einheimiſchen Teukrer - und Dardanerſtamme, noch auch den ſpaͤtern Aeolern zuſchreiben, obgleich dieſe ihn meiſt aufnahmen4Die Aeoler bauten einen Tempel des Killaͤiſchen Apollon in Kolonaͤ. Str. 13, 613. aus Daes von Kolonaͤ.. Sondern auch hier iſt eine Kretiſche Coloniſation durch alte Ueberlieferung voͤllig gewiß; von der der alte Ele - giker Kallinos geſprochen hatte, obgleich wir nicht genau wiſſen, was er von ihr erzaͤhlte5Str. 13, 604. τοῖς γὰϱ ἐκ τῆς Κϱήτης ἀφιγμένοις Τεύκϱοις, οὓς πϱῶτος παϱέδωκε Καλλῖνος etc. Ich glaube nicht, daß man dies, wie Frank Kallinus S. 31., blos von der Erwaͤhnung des Namens der Teukrer verſtehen koͤnne.. Die herr - ſchende Tradition leitet von Kretern den Apollon Smin - theios, und auch wohl ſelbſt, obwohl widerſinnig, die5Memoirs p. 609. Die Fabel von Pan, Sohn der Thymbris und Lehrer Apollons in der Weiſſagung (Apollod. 1, 4, 1.) gehoͤrt hieher.2)Il. 2, 827. 4, 119. 5, 105. mit den Schol. min. 220 ganze Teukriſche Nation her. Fuͤr das letztere koͤnnte der alte Schriftſteller Kephalon aus der Teukriſchen Stadt Gergis angefuͤhrt werden1bei Steph. Ἀϱίσβη. Euſtath. Il. 12. S. 894. Lyko - phron V. 1302. nennt Teukros, Skamandros und Arisbe Kreter., wenn ſeine Troika nicht das Werk eines Alexandriner Hegeſianax geweſen waͤren2Athen. 9, 393 b. . Aber die Kreter in der Gegend von Troja kamen oft genug in alten Sagen vor, ſo daß ſelbſt von ihrer ſtrengen Rechtspflege daſelbſt eine ſeltſame Ge - ſchichte uͤbrig iſt3In den Fragm. Nikol. Damask.. Wenn wir mehr von den lokalen Cultus-Sagen wuͤßten, als durch den taͤuſchenden Spiegel der Dichter: wuͤrden wir auch darin manche Uebertragungen entdecken, die jene hiſtoriſche Spuren beſtaͤtigten. Auch ſo iſt einzuſehen, daß Apollons Dienſtbarkeit bei Laomedon4Wovon[ſchon] Il. 1, 452. 21, 442., welche Stellen nicht im Einklang. Heſiod in den Her. Geneal. bei Schol. Lyk. 393. Ety - mol. Gud. 277, 40. vgl. Ruhnken epist. crit. Hellanikos bei Schol. Il. 20, 145. S. 145. St. Koluthos V. 309. derſelbe Mythos iſt, nur anders lokaliſirt, der ſonſt in Pheraͤ bei Admetos ſpielt.

4.

Man entdeckt eine uͤberraſchende Conſequenz der alten Tradition, wenn man auf Homers Erwaͤh - nungen des Apollocultus in den Trojaniſchen Familien merkt. Erſtens eignet er ihn beſonders den Panthoi - den zn. Panthus (nach dem eine Phyle in Neu-Ilion den Namen Πανϑωΐς fuͤhrte)5Inſchr. in Walpole Memoirs p. 104., iſt Prieſter des Got - tes6Virgil. Aen. 2, 430., und ſeine Soͤhne werden daher im Kampfe von Apollon auf alle Weiſe behuͤtet7Il. 15, 522.. Das iſt nun auch der Grund, warum der Panthoide Euphorbos gewaͤhlt wird um Patroklos zu toͤdten, der ſo wie alle Aeaki - den in der heroiſchen Mythologie dem Apollon feindlich221 und verhaßt iſt1Auch den Achill toͤdtet Apoll nach Homer, Arktinos und Aeſchy - los in der Pſychoſtaſia (vgl. Heyne zu Il. 22, 359. Tychſen zu Qu. Comment. p. 61.); Neoptolem wird zu Pytho erſchlagen. Achill toͤdtet deswegen auch den Apolloſohn (Tzetz. Lyk. 232.) Tennes, in deſſen Tempel der Name des Phthiers nicht ausgeſprochen werden durfte. Plut. Qu. Gr. 28. S. 933.. Auch gewinnen wir dadurch Licht uͤber die wunderliche und raͤthſelhafte Geſchichte, wie Pythagoras im Heraͤon zu Argos den Schild des Eu - phorbos als ſeinen erkennt und ſich dadurch als dieſen Heros in fruͤherem Leben erweiſt. Denn den Euphor - bos waͤhlte er aus keinem andern Grunde, als weil er ihn, wie ſich ſelbſt, als Apolloprieſter betrachtete. Wir koͤnnen uns wohl uͤberzeugt halten, daß die alte Pythagoriſche Schule noch Epopoͤen kannte, in denen mancher bedeutende Zug alter Mythen erhalten war, der im Homer faſt gaͤnzlich verwiſcht iſt2S. Herakl. Pont. bei Diog. L. 8, 4. u. Aa. Aus demſelben Grunde wollte Pythagoras Aethalides geweſen ſein; und ein Kreter Pytrhos (Schol. Apoll. 1, 644.).. Das an - dere Haus, welches die Homeriſche Poëſie in eigene Verbindung mit Apollon ſetzt, iſt das des Aeneas, welchen der Gott ſelbſt, als ihn Achilleus verwundet hat, in ſeinen Tempel auf der Burg Pergamos traͤgt und der aͤrzlichen Pflege der Leto und Artemis uͤber - giebt3Il. 5, 446.. Auch fahren dieſen Helden ja Roſſe aus der Zucht Apollons. Daß der Dichter aber dies Verhaͤlt - niß nicht willkuͤhrlich erfunden hat: laͤßt ſich beſtimmt erweiſen. Wir wiſſen, daß als Trojas Zinnen laͤngſt gefallen, ſich noch ein Reſt von Teukrern in den Ge - buͤrgen der Gegend hielt, und zu Herodots Zeit als ein abgeſonderter Staat in den Schluchten des Ida in der feſten Stadt Gergis beſtand4Herod. 6, 122. 7, 43. Es lag in Lampſakos Gebiet (Str. 13, 589.) im Ida (Athen. 6, 256 c.) Dardanos gegenuͤber (Herod.);, ja noch nach222 dem Peloponneſiſchen Kriege hier und in Skepſis Dar - daniſche Dynaſten herrſchten1Xenoph. Hell. 3, 1, 10.. Wir glauben bewei - ſen zu koͤnnen, daß ſich die Homeriſche Weiſſagung2Il. 20, 307. vgl. A. W. Schlegels geiſtreiche Gedanken in der bekannten Recenſion Niebuhr’s S. 874. von der kuͤnftigen Herrſchaft der Aeneaden uͤber die Ueberreſte des Troiſchen Volks auf dieſes Gergis be - zieht und auf nichts weiter Entlegenes. Nun war aber der Haupttempel von Gergis dem Apollon geweiht3Steph. B. Γέϱγις aus Phlegon., und ein altes Sibyllen-Orakel dabei, welches unter dem Namen des Helleſpontiſchen oder auch Mermeſſi - ſchen bekannt iſt. Jeder ſieht nun leicht, wie der Saͤnger, der von den Aeneaden zu Gergis und ihren Feſten und Opfern ſehr wohl wußte, im Geiſte des Mythus Apollon als Schuͤtzer dieſer Familie ſeit alter Zeit darzuſtellen ſich gedrungen fuͤhlte.

Wir koͤnnen nicht umhin, mit einigen Worten die Folgerungen anzudeuten, die ſich aus den angegebenen Umſtaͤnden zur Erklaͤrung des Mythus von Aeneas zie - hen laſſen. Es iſt naͤmlich vornweg anzunehmen, daß jene Orakel der Teukriſchen Gergithier von einem Wie - deraufbluͤhen der Nation unter der Herrſchaft der Ae - neaden verkuͤndeten. Nun wohnten Gergithier im Ge - biet der Aeoliſchen Kyme4Dies nimmt man aus dem verwirrten Bericht des Klearch von Soli ἐν Γεϱγιϑίῳ ab, bei Athen. 6, 256. vgl. 12, 524 a. Str. 13, 589 d. , wo Apollon auch einen angeſehenen Tempel hatte5Plin. H. N. 34, 8., und wenn jene Orakel den Kymaͤern bekannt geworden waren, ſo kamen ſie nun mit Leichtigkeit zu deren nahen Verwandten, den Kumaͤern Campaniens, hinuͤber. Hier war auf der4der Flecken Mermeſſos 240 Stadien von Alexandria Troas (Pauſ. 10, 12, 2.) war eine κώμη Γεϱγιϑία. Suidas.223 Hoͤhe des Felſens der Tempel des Gottes, einer der aͤlteſten der Niederlaſſung, angeblich Daͤdaliſcher Bau1Heyne Exc. Aen. 6, 3. Der Fels heißt Ζωστηϱία κλιτὺς (Lykophr. 1278.) wie das Vorgeb. in Attika mit dem Apollotempel.; unten die Grotte der Sibylle; auch hier ſollte Aeneas gelandet ſein (und Steſichoros ließ ihn vermuthlich nur in dieſe Gegend gehen2S. tabula Iliaca ΜΙΣΗΝΟΣ.). Es war ja nichts natuͤrli - cher, als daß jene Orakel uͤberall lokal angewandt, und ſomit das neue Troja hier und dort gefunden wurde. So geſchah es denn nun auch, als die Griechiſchen Sibyllinenorakel in Verbindung mit Apollocultus in Rom Staatsorakel wurden, daß was darin fuͤr die Gegenden am Helleſpont und benachbarte geweiſſagt war, ohne viel Umſtaͤnde, obgleich nicht ohne Kunſt - griffe der Dollmetſcher und Ausleger, auf Rom ge - deutet wurde. Es iſt deutlich, wie ſich auf dieſe ein - fache Weiſe der Urſprung der ſeltſamen Fabel von Ae - neas, Romulus Vater, und was man weiter hinzu - erfand, faſt von ſelbſt erklaͤrt.

5.

Auch der aͤlteſte Tempel Apollons in Thrakien gehoͤrt zu den Kretiſchen Anlagen, das Heiligthum zu Iſmaros oder Maroneia, deſſen Prieſter bei Homer dem Odyſſeus den trefflichen Wein ſchenkt3Od. 9, 197.; Maron aber iſt der Tradition zufolge ein Kretiſcher Ankoͤmmling4Diod. 5, 79. vgl. Raoul-Rochette 2. p. 160.. Da - mit haͤngt wohl der alte Orakeltempel Apollons zu De - raͤa bei Abdera zuſammen5Pindar Paͤanen bei Tzetz. Lyk. 445., auf den ſich der Muͤnz - typus der Abderiten bezieht: Apollon mit dem Pfeil auf der Hand auf einer, der Greif auf der andern Seite, welchen wieder die Teier, da ſie eine Zeitlang in ihrer Colonie Abdera wohnten, daher angenommen zu haben ſcheinen.

224

6.

Bedeutendere Inſtitute ließ das Schickſal die Kretiſchen Apollodiener an der Ioniſchen Kuͤſte gruͤn - den. Vor allen das Mileſiſche Didymaͤon. Wir wiſſen, daß vor dem Ioniſchen Volkszuge, in damals Kariſchem Lande, eine Kretiſche Burg, Milet, unmit - telbar an der Kuͤſte ſtand1Ephor. bei Str. 14. p. 634 d. . Die Divergenz der Sa - gen von Sarpedon oder Miletos dem Kreter als Gruͤn - dern beſtaͤtigt mehr als ſie zweifelhaft macht; beide Traditionen ſagen wieder auf verſchiedene Weiſe daſ - ſelbe. Mit der Gruͤndung dieſer Burg war die An - lage eines Heiligthums verbunden, die einem Delphi - ſchen Suͤhnprieſter (καϑαρτὴς) Branchos, dem Heiſe - ren, beigeſchrieben wird2S. Kallim. Jamb. bei Clem. Alex. Strom. 5. p. 570. Str. 9, 421. Konon 33. 44. Lutat. Stat. Theb. 8, 198 e. Gesner Comment. Soc. Gott. 4. p. 121. Ionian antiquities T. 2. (beſonders in der neuen Ausg.), deſſen Name patronymiſch geformt die Prieſterreihe3Auch gab es ein Prophetengeſchlecht Εὐαγγελίδαι da, Konon 44., das Inſtitut, ſelbſt den Ort bezeichnet, der ſonſt auch Didyma heißt. So tref - fen auch hier wieder Delpher und Kreter zuſammen, die eigentlich fuͤr damals faſt identiſch, wo die ver - ſchiedenen Niederlaſſungen des Stammes ſich noch we - nig geſondert hatten. Der Cultus von Didyma iſt ganz der Delphiſch-Kretiſche; Suͤhngebraͤuche und Weiſ - ſagung vereinigt, dieſe auch ziemlich mit denſelben Ge - braͤuchen, wie beim Pythiſchen Orakel; Apollon hieß hier Phileſios und Delphinios, welchen Namen von hier andere Jonier annahmen4Str. 4, 179 b. Aeginet. p. 151.; neben ihm ſtand Zeus, beide zuſammen Didyma’s Ahnherren, wie Kalli - machos ſagt, auch Artemis, mit der zuſammen den Apollon ein alter Hymnus, den man dem mythiſchen Branchos beiſchrieb, als Hekaergos und Hekaerga an -225 rief1Klem. Strom. 5, 8.. Den Ruhm und Glanz dieſes in Aſien hoch - geehrten Tempels verkuͤnden noch die Ruinen. Vom Tempelorte zum Hafen2S. uͤber dieſen d’Orville ad Chariton. p. 349. und Qu. Smyrn. 1, 283., der den Namen Panormos nicht ohne Grund fuͤhrte, geht eine breite Straße, ein heiliger Weg, auf beiden Seiten mit mehr als ſechzig Statuen ſehr alten Styls geſchmuͤckt, unter denen ein ganz Aegyptiſcher Loͤwe fuͤr ein Denkmal der Verbin - dung des Koͤnigs Necho mit dem Orakel gelten kann3S. Herod. 2, 159.. Die Jonier von Milet aber, wie dieſer Stamm uͤber - haupt gern ſich Apolliniſche Inſtitute aneignete, erkann - ten den Branchidiſchen Gott als den vorzuͤglichſten ih - rer Stadt an, und fuͤhrten ihn ſo auch mit Vorliebe in ihre unzaͤhligen Colonien, von Naukratis4Pythios und Komaͤos, Athen. 4, 149 e. Ammian Marc. 23, 6. bis nach Kyzikos5Schol. Apoll. 1, 966. Daher Weihgeſchenke der Kyzik. im Didymaͤon. Chishull. A. As. p. 67. Als Ekbaſios hat er auf Muͤnzen den Fuß auf einem Fiſche., Parion6Eine Muͤnze von Parion bei Mr. Allier de Hauteroche zeigt die Bildſaͤule des Got - tes am Meere, Umſchr. ΑΠΟΑΛΩΝΟΣ ΑΚΤΑΙΟϒ ΠΑΡΙΑ - ΝΩΝ, uͤbereinſtimmend mit Str. 13, 588., Apollonia Pontike7Str. 7. 319 b. Auch Apollon Eoos auf der Inſel Thynias (Apollonia, Daphnu - ſa) Apoll. Rh. 2, 686. Schol. Plin. 6, 12. iſt wohl Mileſiſch; eben ſo Φιλήσιος zu Trapezus am P. Euxin. Arrian. Peripl. S. 2., und dem entfernten Taurien, wo die Inſchriften und Muͤnzen einſtimmend ihn als Vorſteher (προστάτης) darſtellen8Zuſammen bei Raoul-Rochette Antiquités Grecques du Bos - phore Cimérien. pl. 5. 7. 8.; wenn man auch auf dem Monument der Koͤnigin Ko - moſarya die, wie es ſcheint, Syriſchen Goͤtternamen, Anerges und Aſtara, die leicht durch Kappadokien heruͤberkommen konnten, nicht mit einem franzoͤſiſchenII. 15226Gelehrten in Beinamen des Apollon und der Artemis umzuaͤndern ſuchen muß.

7.

Der wahre Zwillingsbruder des Didymaͤiſchen iſt der Klariſche Gott, an Urſprung ſowohl als an Charakter des Cultus. Die einzelnen Umſtaͤnde der Gruͤndungsſage moͤgen ſo ſehr in der Fabel darinſtehn, als man will: ſo war es doch in alten Zeiten unmoͤg - lich, ein religioͤſes Colonialverhaͤltniß zu erfinden, wo es nicht ſtatt fand, weil bei der Wichtigkeit dieſes Verbandes das wahre eben ſo wenig aus der Erinne - rung ſchwinden, als ein falſches untergeſchoben werden konnte. Hier druͤcken offenbar die Sagen eine doppelte Abhaͤngigkeit und Pietaͤt aus, die das Inſtitut von Klaros gegen Delphi und Kreta bekannte. Die Toch - ter des Thebaͤiſchen Weiſſagers Teireſias, Manto, wird, nach der epiſchen Fabel, von den Epigonen nach der Eroberung Thebens dem Delphiſchen Gotte ge - weiht1Kykliſche Thebais bei Schol. Apoll. 1, 308. Apollod. 3, 7, 4. Diod. 4, 66. Pauſ. 7, 3. 9, 33., und von dieſem als Colonie ausgeſandt wird ſie in der Gegend, wo hernach die Jonier Kolophon bauten, Frau des Kreter Rhakios, der, als Gegenſtuͤck des Heiſern, der Zerlumpte heißt2Denn er heißt ſowohl Ῥάκιος als Αάκιος, weil im Kretiſchen die ῥάκη λάκη. Schneider zu Nik. Alexiph. V. 11. S. 83.: uralte und ſeltſame Prophetennamen. Das Grab ihres Vaters Teireſias, welches man ſonſt auch in Boͤotien zeigte, erwaͤhnt der Kykliſche Dichter Augias zu Kolophon3Chrestomathia Procli. . Der Sohn jener Ehe iſt Mopſos, von dem ſich wahr - ſcheinlich die Familie ableitete, aus welcher noch in Roͤmiſcher Zeit die Prieſter des Orakels genommen wurden4Strabo 14, 675. Konon 6. Tacit. Ann. 2, 54.. Die Formen der Weiſſagung ſind auch hier den Delphiſchen analog.

227

Die uͤbrigen Apollotempel an der Kleinaſiatiſchen Kuͤſte haͤngen meiſt nachweislich mit einem der vier gegebenen Punkte zuſammen. Den heiligen Tempel von Leukaͤ, zwiſchen Smyrna und Phokaͤa, wo die Ky - maͤer ein Feſt feierten1)Diod. 15, 18. Str., muß man zur Troiſchen Fa - milie rechnen; zu derſelben ſcheint der Gryneiſche Apollon zu gehoͤren, im Gebiet von Myrina neben Kyme, der auch ein Orakel beſaß2Hekataͤos bei Steph. Byz. Γϱῦνοι. Str. 13, 622. Hermeias von Methymna ſchrieb uͤber Apollon Gryneios. Athen. 4, 149 e. Daher der Apollotempel, die Sibylla und der Apollon Daphnephoros auf Muͤnzen von Myrina, welche Stadt auch χϱυσᾶ ϑέϱη nach Delphi ſandte. Plut. de Pyth. orac. 16. p. 273.; der Apollon Mal - loeis, im Gebiete der Mitylenaͤer auf Lesbos iſt ein Abſenker des Klariſchen3Malos Sohn der Manto, Hella - nikos Λεσβικὰ bei Steph. Μαλλόεις, p. 90. St. Thuk. 3, 3. Sonſt in Lesbos Ap. Ναπαῖος (Hellanik. bei Steph. Νάπη, vgl. Str. 9, 426. Suid. Ναπαῖος, Makrob. Sat. 1, 17. ; Muͤnze von Nape mit Ap. bei Mionnet) Λεπετύμνιος Antig. Kar. 17. Γοννο - παῖος Sch. Ariſt. Wolk. 144. und Εϱέσιος Ἀπ. Heſych.; auf denſelben Zweig wird das Apolliniſche Orakel von Mallos in Kilikien zu - ruͤckgefuͤhrt4Str. 14, 675 c. Arrian 2, 5. Von da vielleicht der Dienſt in Tarſos (Inſchr[.]des Britt. Muſ.). Denn Mopſos, der Manto Sohn, ſoll es gegruͤndet haben, mit dem nach einer Sage Lakios kam, der, wie oben ſchon bemerkt, Rhakios, ein Col - lektiv des Klariſchen Orakels, iſt. Und wie man in Klaros von einem Wettſtreit des Mopſos und Kalchas erzaͤhlte5Str. 14. S. 642. aus Heſiod. vgl. Kallinos bei Str. 14, 668. Konon 6.; ſo zeigte man in Mallos die einander wun - derbar feindlichen Graͤber der Weiſſager Mopſos und Amphiloches, welchen letztern, weil er als Melampo -4 Vgl. uͤber den Tempel außer Andern Locella zu Xenoph. Epheſ. S. 128. Peerlkamp.15 *228dide eigentlich dem Apollondienſte fremd war, der Gott Apoll, nach Heſiodeiſchen Gedichten, ſelbſt in Soloi getoͤdtet haben ſollte1bei Str. 14, 676 b. .

8.

Andere Strahlen treffen auf mehrere Punkte des Europaͤiſchen Griechenlands; Kretiſche Anlander pflanzten auch hier auf Vorgebirge und Landesenden den Zweig des Lorbeers, namentlich in Troͤzen, Taͤ - naron, Megara und Thorikos.

Troͤzen theilt, wie oben bemerkt2S. 82., mit Athen zum Theil die aͤltere Geſchichte und die Goͤtterdienſte; ſo auch die Verbindungen, die zwiſchen Athen und Kreta eintraten, und deren Bedeutung wir unten zeigen wer - den3Vgl. Pauſ. 2, 32, 2. Artemis Soteira von Kreta nach Troͤzen gebracht, Pauſ. 2, 31, 1.. Daher man kaum an der Kretiſchen Abſtam - mung der neun Familien zweifeln kann, welche noch ſpaͤter zu Troͤzen beſtanden, und in fruͤheren Zei - ten Suͤhnungen und Reinigungen, nach der Sage zuerſt am Oreſtes, verwaltet und geuͤbt hatten bei einem Lorbeerbaume hinter dem Tempel Apollons42, 31, 7. 11. Der Tempel des Ap. Thearios zu Troͤzen nach Pauſ. 31, 9. der aͤlteſte in Griechenland. Ap. mit Leukothea zuſammen, Aelian V. G. 1, 18..

Auch die Suͤhnungsanſtalt auf dem Vorgeb. Taͤ - naron5ψυχοπομπεῖον genannt, wie die Inſtitute in Thesprotien, zu Phigalia und Hera - kleia Pontike. nannte einen Kreter Tettix als Gruͤnder6Plutarch de sera num. vind. 17. p. 256. Heſych. Τέττιγος ἕδϱανον., der nichts als ein perſonificirtes Symbol iſt, wie Ly - kos, Korax, Kyknos anderer Orten: Kallondas ſoll des ermordeten Archilochos Seele an dieſer Pforte der Unterwelt verſoͤhnt haben. Nimmt man zuſammen, daß ſehr nahe das Lakoniſche Delion7So Str. 8, 368. Sonſt Ἐπι - δήλιον., und dies un -229 weit der kleinen Inſel Minoa liegt: ſo gewinnt die Tradition uͤber den Urſprung des genannten Inſtituts noch an Zuſammenhange.

Auch vor dem Hafen von Megara liegt eine Inſel Minoa; und hier hat ſich dazu ein reicher Sa - genkreis erhalten, in dem freilich die Kreter des Minos doch wohl nur durch Entſtellung der urſpruͤnglichen Sage als Feinde und Verwuͤſter auftreten. Mega - ra hatte zwei Akropolen, eine Kariſche mit dem Me - garon der Demeter, nach oben, und eine juͤngere, ge - gen das Meer, mit Tempeln des Apollon. Dieſe ſoll Alkathoos, Pelops Sohn, gebaut haben, der Gott ſpielte zur Kithar dabei; wo er ſie aufgeſtellt, zeigte man einen klingenden Stein1Pauſ. 1, 42, 1. 2. vgl. Epigr. adespot. 3. p. 193. An. Br. Meziriac Ov. Ep. T. 1. p. 448. Auch Megareus S. Apol - lons bei Steph. Byz. vgl. Dieuchidas von Megara Schol. Apoll. 1, 517.. Theognis der Mega - rer ſingt2V. 752.:

Um dem Pelopiſchen Sohn Alkathoos Huld zu erweiſen,
Haſt du, Koͤnig Apoll, hoch uns gethuͤrmet die Burg.

Hier ſind Dienſt und Heiligthuͤmer offenbar aͤlter als die Doriſche Einwanderung, und ſicher aus Kreta. Es ſtand naͤmlich auf jener Burg eine Bildſaͤule des Apollon Dekatephoros3Δεκατήφοϱος nicht φόϱος. Pauſ. 1, 42, 1. 5. vgl. eine Fourmontſche Inſch. von Argos ΔΕΞΙ - ΣΤΡΑΤΟΣ ΑΡΧΙΠΠ .. ΑΠΟΛΛΩΝΙ. ΔΕΚΑΤ Sonſt Ap. zu Megara Pythios (Pythia, Schol. Pind. N. 5, 84. Philoſtr. V. Soph. 1, 24, 3.) Archagetas, Proſtaterios, Karnios, Agraͤos. Auf den Muͤnzen der Tripus und die Delphine. vgl. Pouquev. T. 4. p. 131. gegen Clarke Tr. p. 2. sct. 2. p. 768., des Zehntenempfaͤngers, deſſen Name durch die Sage erlaͤutert wird, daß einſt - mals Alkathoos Tochter, gleich den Attiſchen Maͤdchen und Juͤnglingen, als Tribut nach Kreta geſchickt wor -230 den ſei. Es gilt alſo auch fuͤr Megara, was bald bei Athen nachgewieſen werden wird, daß dieſe Sendun - gen einen heiligen Zehnten bedeuteten1Von Megara hat Kalchedon (ſ. die Muͤnzen) den Dienſt und das Orakel (Dionyſ. Byz. S. 23.); nahe dabei Demoneſos, ein Ap. von Demoneſiſchem Erz b. Ariſtot. Mirab. 59. Jungerm. zu Pollux. 5, 5, 39 Eben daher Byzanz, wo ein Apollotempel auf dem Vorgeb. Metopon nach Dionyſius de Bosp. Thracio. .

9.

Wir ſind indeß den Attiſchen Mythen nahe ge - kommen, und ſehen uns bald genoͤthigt, die Entwicke - lung des verworrenen Sagenconvoluts zu unternehmen, welches vor allen hier die Goͤtterdienſte und ſo auch den des Apollon umgiebt. Wir machen mit den My - then den Anfang, die ſich an das Heiligthum von Thorikos anſchließen.

Thorikos, an der Suͤdoſtkuͤſte Attika’s gelegen, war unter den alten Zwoͤlfſtaͤdten des Landes, und blieb ſtets eine der erſten Ortſchaften deſſelben. Noch jetzt ſtehen in der Ringmauer Truͤmmer eines Apollontem - pels von bedeutendem Alter2Attika Encykl. von Erſch und Gruber S. 221. vgl. Erato - ſthenes ἐν Ἠϱιγόνῃ bei Steph. ἄστυ, wo wohl zu ſchr. : ἄστυ τε δὴ Θοϱικοῦ καλὸν ἵκανεν ἕδος.. Die guͤnſtige Lage be - wirkte fruͤhzeitigen Seeverkehr, und Kretiſche Schiffer pflegten in alter Zeit hier anzulegen3Hom. Hymn. Homer an Dem. 126.. Es wohnte aber hier, nach Erzaͤhlung alter Dichter4welche Pherekydes wiedergiebt, Schol. Od. 11. 320. S. 122. St. Apollod. 2, 4, 7., Kephalos, Sohn Deions, ein Phthiotiſcher Achaͤer. Aber die Fa - bel von ihm unb ſeiner Gattin Prokris ſpielt groͤßten - theils in Kreta bei Minos5Heyne Obss. ad Apol - lod. S. 333.; die Verbindung mit dieſem Lande iſt unter mancher dichteriſchen Erfindung ohne Zweifel ein aͤchter Zug der Sage. Auf dieſem Wege kamen die Sacra Apollinaria heruͤber und Sym -231 bole des Apollon und der Artemis blicken auch in der Geſchichte des Heros, in dem nie fehlenden Speer und dem alles ereilenden Hunde, durch1Warum der Hund aus Demoneſiſchem Erze iſt, (Pollux 5, 5, 39.) S. 230. N. 1. Nach Etymol. 359, 1. fuͤhrt Apoll die Kreter als Delphin nach Attika.. Wir wiſ - ſen aber geſchichtlich, daß die Kephaliden, deren Geſchlecht noch ſpaͤter in Attika beſtand2Κεφαλίδαι γένος Αϑή - νῃσιν Heſych., erbliche Gentilſakra des Apollon hatten. Denn als im zehnten Geſchlecht die Nachkommen des Heros, Chalkinos und Daͤtos, in das Land heimkehrten, welches ihr Vorfahr wegen Blutſchuld verlaſſen hatte: bauen auch dieſe ſo - gleich demſelbigen Gotte einen Tempel am Eleuſiniſchen Wege3Pauſ. 1, 37, 4..

10.

Aber die Mythen von Kephalos drehen ſich noch um ein anderes Heiligthum Apollons, welches am Weſtende Griechenlands von den Kalkfelſen des Vorgebirges Leukatas herab das Joniſche Meer uͤber - ſchaute. Auch von dieſem Hauptheiligthume ſind noch Truͤmmer4S. Str. 10, 452. Thuk. 3, 94. Properz. 3, 9 fin. Serv. Aen. 3, 271. vgl. Dod - well 1. S. 53. Hughes 1. S. 402. hat eine Leukadiſche Inſchrift Απολλωνιαται ωικιδομησαν. S. oben die Inſchr. S. 118. N. 1. Ap. hieß hier Aktios, Ael. N. A. 11, 8. Der Aktiſche Apoll von Akarnanien ſtammt gewiß daher, vgl. uͤber ihn was Boiſ - ſonade citirt Class. Journ. 17. p. 371.. Kephalos, als Streitgenoß des Amphi - tryon im Teleboerkriege, ſoll es gegruͤndet haben5Ariſtot. Staat von Ithaka b. Etym. M. Ἀϱκείσιος, Herakl. Pont. 27. Koͤhler. Heyne zu Apolld. 2, 4, 7.. Dieſe Angabe fuͤr ſich koͤnnte erfunden ſcheinen, zur Erklaͤrung des Namens der benachbarten Kephallenia: allein die nachgewieſene Verbindung der Kephaliden mit dem Apolloncult, und noch andere Umſtaͤnde ſchuͤtzen ſie gegen dieſen Verdacht. Es iſt naͤmlich klar, daß232 die Sacra der Kephaliden zum Theil auch aus Suͤhn - gebraͤuchen beſtanden, die den Attiſchen Thargelien aͤhnlich oder damit identiſch waren. Denn wie man an dieſem Feſte Verbrecher als Opfer bekraͤnzt auf ei - nen Felſen fuͤhrte und davon herabſtieß: ſo that man daſſelbe zu beſtimmten Zeiten auf Leukatas1κατ᾽ ἐνιαυτὸν Str. 10, 452.. Hier er - leichterte man dem Herabgeſtuͤrzten den Fall, indem man Federn und ganze Voͤgel ihm unterband, unten wurde er aufgefangen und alsdann weit hinweggefuͤhrt, um alle Schuld mit ſich zu nehmen. Zuerſt ſoll Ke - phalos den Sprung ſelbſt gemacht haben, ganz der aͤchten Religionsſage gemaͤß. Mit dem Blute der ge - toͤdteten Prokris befleckt und fluͤchtig, bietet er ſich dem erzuͤrnten Familiengotte als das erſte Opfer dar2Apollod. 3, 15, 1. Nach dem alten Charon von Lampſakos bei Plut. virt. mul. p. 289. machte Phobos von Phokaͤa zuerſt den Sprung..

Spaͤter erhielt dieſer Sprung freilich eine ganz andere Anwendung und Deutung. Gemuͤther, welche die Liebe aufrieb, hofften von der Lebensgefahr und dem Seebade ſtaͤrkende Kuͤhlung; wie Sappho und die Kalyke und Harpalyke des Steſichoros3bei Athen. 14. S. 619. Steſich. p. 36. Suchf. Hardion sur le sault de Leucade. Mem. de l’Ac. d. I. 7. p. 245.. Dieſe eigne Anwendung des alten Gebrauches gab nun ruͤckwaͤrts auch dem daran haͤngenden Mythus einen romanhafte - ren Anſtrich. Auch Kephalos und Prokris wurden nun von Liebe und Eiferſucht gequaͤlt. Daß die Fabel noch verwickelter wurde, bewirkte ihre Aufnahme in den Kypriſchen Sagenkreis (was vermuthlich von den Atti - ſchen Salaminiern ausging, wo vielleicht erſt die Rolle der Eos hinzukam)4Indeſſen wurde auch Eosphoros vielleicht in Thorikos verehrt. Konon 7. Zuerſt kommt Eos dabei auf ziemlich alten Vaſengemaͤlden vor. (Tiſchbein 4, 12. Millin 2. pl. 34. Millingen Div. pl. 14.. Ohne Alles aufloͤſen zu wollen,233 kehren wir nur auf die Behauptung zuruͤck: daß Ke - phalos Sprung vom Leukadiſchen Felſen dem Apollini - ſchen Suͤhn-Cultus angehoͤrt1Ganz anders freilich Creuzer 2. S. 755.: Freilich ſinkt die Sonne den Griechen hinter den Bergen der weſtlichen Inſel Leukadia nieder..

Dieſe Betrachtungen knuͤpften ſich an den Kreti - ſchen Dienſt von Thorikos. In Athen ſelbſt fließen Einwirkungen von Kreta und Delphi zuſammen, die es noͤthig machen, zuerſt auf das letztere zuruͤckzugehn, u. den Pythiſchen Dienſt durch Boͤotien durchzufuͤhren.

11.

Hier iſt freilich weder die Zeit noch die Art und Weiſe, wie der Pythiſche Dienſt, ungeachtet des Widerſtrebens feindlicher Staͤmme, durch die Paͤſſe des Parnaß die Wege der Theorien gebahnt, geſchicht - lich beſtimmbar, aber das Ergebniß ſolcher Begeben - heiten liegt vor Augen: eine faſt ununterbrochne Kette von Heiligthuͤmern, Tempeln und Orakeln, deren Glie - der Thurion, Tilphoſſion, das Heiligthum des Ga - laxios, das Orakel von Eutreſis, das Ismenion, Te - nerion, Ptoon, Tegyra alle einzeln durch Sagen und Gebraͤuche auf Delphi hinweiſen. Nur Delion an der Oſtkuͤſte iſt wohl von Delos aus gegruͤndet. Pin - dar ſtellte in einem wahrſcheinlich daphnephoriſchen Liede die Gruͤndung mehrerer dieſer Tempel unter der Form einer Wanderung des Gottes ſelbſt dar2S. wie Boͤckh die Fragmente verbunden. Παϱϑένικ S. 595.:

Raſchwandelnd ging er
Auf Meer und Feſtland; jetzt auf die weitſchauenden Warten der
Berge ſich ſtellend,
Seine Hainaltaͤre zu gruͤnden und rings erbebten Kluͤſte.

Unter den einzelnen Punkten begnuͤge ich mich wenige hervorzuheben3S. uͤbrigens Bd. 1. S. 146. Nachzutragen Inſchr. v. Chaͤronea, Walpole Trav. p. 565. n. 33. Απολλωνος Δαφνα -.

234

Erſtens, das Orakel an der Quelle Tilphoſſa am Helikon, mit dem Grabe des Teireſias und Denk - male des Rhadamanthys, der hier mit Herakles Mut - ter, Alkmena, zuſammengewohnt haben ſoll. Merk - wuͤrdig die auch hier einheimiſche Sage von Kretiſchen Verbreitern des Cultus, die gleichſam einen Neben - zweig der Kirrhaͤiſchen Anpflanzung bilden. Offenbar haͤngt damit die Tradition zuſammen, die gelegentlich Homer erwaͤhnt1Od. 7, 322., wonach Phaͤaken den Rhadamanth zur Schau des Tityos nach Euboͤa bringen: gewiß nicht des Lebenden, ſondern des von Apollons Pfeilen erlegten Ungethuͤms, weil der Minoiſche Kreter ſich uͤber den Sieg dieſes Gottes vor andern zu freuen hat. So kennt alſo Homer Sagen, die ſich auf dieſes Cul - tusverhaͤltniß beziehn, wenn er auch Tityos von Del - phi nach Euboͤa zu verſetzen ſcheint.

Alsdann iſt fuͤr die Boͤotiſche Sage beſonders Te - gyra wichtig als Geburtsort Apollon’s, daher auch alle Cultusnamen hier an Huͤgel und Quellen geknuͤpft vorkommen. Das Delphiſche Orakel war dieſer Sage guͤnſtiger als der Deliſchen; auch Pindar ließ den ju - gendlichen Gott aus Tegyra zur Beſitznahme von Py - tho kommen3Nach der Emend. ἐκ Τεγύϱας fuͤr Τανάγϱας. Fragm. inc. 14 Boͤckh., nicht aus Delos, wie die Attiſchen Dichter.

12.

Die Einheit des Cultus mit dem Delphiſchen tritt vorzuͤglich deutlich hervor bei dem Ismenion zu3φοϱιω Αϱταμιδος Σοιοδινας. Ungewiß iſt es, wo eigentlich der Koropaͤiſche Apoll verehrt wurde. Nikand. Ther. 614. Stephanos von Byzanz bringt ungehoͤrig Oropos und Orobiaͤ dazu. vgl. Plut. Komment. Nik. Fragm. 2. S. 326 H. mit Wyttenb. Note. Hiero - dulen des Apollon Neſiotes zu Chalia in der Inſchr. Chandler Marm. Oxon. 2, 29, 2.2)Vgl. Bd. 1. S. 190.235 Theben. Wie dort alle acht Jahre der Python von neuem getoͤdtet und der Lorbeer von neuem gebrochen wur - de; daher die alten Feſte und Agonen ennaëteriſch wa - ren: ſo wurde auch hier in denſelben Perioden eine daphnephoriſche Proceſſion angeſtellt, deren Beziehung auf Zeitmeſſung am Tage liegt1Was Bd. 1. S. 220. ſteht, iſt gebilligt und erweitert von Boͤckh im Anhange zur Abhandlung uͤber die Midiana. Adhandl. der Berliner Akad. 1818. S. 39.. Auch iſt hier, wie in Delphi, Athena die Pronaos2Pauſ. 9, 10. Ueber dieſe vgl. Stanley zu Aeſch. Eum. 21.. Die Heiligkeit der Dreifuͤße iſt beiden Tempeln gemein, wenn ſie auch in dem letztern nicht zum Weiſſagen gebraucht wurden. Spaͤter begnuͤgte man ſich hier mit Deutungen aus der Opferflamme und Opferaſche3Herod. 8, 134. Soph. Oed. T. 21. μαντείᾳ σποδῷ, Philochor. bei Schol. (S. 101. Sieb.); wie ſie ebenfalls die Πυρκόοι von Delphi gaben4Heſych πυϱκόοι. Auch in heiligem Feuer gebrannte Looſe nach demſelben, φϱυκτὸς Δελφοῖς κλῆϱος. Vgl. Boͤckh Explic. Pind. O. 8, 2. und Plut. de frat. am. 21. Darauf gehen Φοίβου ἐσχά - ϱαι Eurip. Phoͤn. 292.: obgleich in fruͤherer Zeit auch hier die aus dem Gemuͤth ſtammende Weiſſagung vorherrſchte. So erſcheint wenigſtens Teireſias, den wir als Propheten des Ismenions betrachten duͤrfen5Stein der Manto vor dem Tem - pel. Pauſ. 9, 10. μαντίων ϑῶκος Pind. P. 11, 6., bei Homer und den Tragikern nicht als Empyro - mantis.

Daß aber der geſammte Cultus des Apollon zu Theben fuͤr dieſe Stadt unter die juͤngern gehoͤrt, iſt daraus deutlich. In den alt-kadmeiſchen Mythen, in welchen Demeter, Kora, Kadmos, dann Bakchos re - gieren, iſt Apollon nicht thaͤtig. Denn einzelne Zuſaͤtze der Poëten ſcheiden ſich leicht als ſpaͤter aus. Als eine dichteriſche Uebertragung iſt es auch zu betrachten, daß Kadmos nach der Toͤdtung des Drachen acht236 Jahre als Knecht dienen muß, wie Apollon1Auch wird der Drache des Kadmos von Spaͤtern Caſtalius, Δελφίνιος genannt. S. Creuzer ad Nonni narr. in Meletemm. T. 1. p. 93.; denn urſpruͤnglich haben Kadmos und Apollon nichts Entſpre - chendes. Am beſten zeigt das Lokal die gaͤnzliche Dif - ferenz dieſer Culte in Theben. Denn jene uralten Stadtgoͤtter haben ihre Tempel auf der Burg Kadmeia, Apollon aber wird nicht nur nicht in der Burg, ſon - dern ſogar außerhalb der Thore im Ismeniſchen Heilig - thume verehrt2Auch Ap. Polios iſt zu Theben vor dem Thore. Pauſ. 9, 12, 1. Ob auch Ap. Boedromios, weiß man nicht recht. Auch in dem Dorfe Kalydna bei Theben genoß er Verehrung. Androtion bei Steph. Κάλυδνα., welchem nach Pauſanias das Hera - kleion nebſt dem Hauſe des Amphitryon gegenuͤber ge - legen haben muß. Wir werden dieſe Nachbarſchaft des Heros und Gottes, wie alle andere Beziehung, die in Theben zwiſchen beiden eintritt, bei der Eroͤrterung der Herakleiſchen Mythen zu weitern Schluͤſſen be - nutzen.

Wann die Boͤotiſchen Heiligthuͤmer Apollons ge - gruͤndet ſind, kann man aus den Sagen von Teireſias und Herakles ſchwerlich beſtimmen, da jene vollkom - men zeitlos ſind3Bd. 1. S. 224., dieſe einen von der uͤbrigen Thebaͤi - ſchen Mythologie ganz abgeſonderten Cyklus bilden. Eine Tradition von der Gruͤndung des daphnephoriſchen Feſtes ſetzt dieſelbe in die Zeit der Aeoliſchen Wanderung4Bd. 1. S. 393., und man koͤnnte auf dieſe die Meinung bauen, daß erſt dieſer Voͤlkerzug die Doriſche Gottheit in Boͤotien verbreitet habe. Indeß wuͤrde dieſe in mannigfache Widerſpruͤche verwickeln, und es bleibt wahrſcheinlich, daß ſolches bald nach der Kirrhaͤiſchen Niederlaſſung, in allmaͤligem237 Fortſchritte, geſchah: um dieſelbe Zeit, in welcher in Athen der Apolliniſche Cultus zu Anſehn gelangte.

13.

In Attika faͤllt naͤmlich die Einfuͤhrung die - ſes Cultus mit der Einwanderung der Jonier zuſam - men. Denn wenn in den Sagen der alt-attiſchen He - roen, Kekrovs, Erichthonios, Erechtheus, nur Athena als Ackergoͤttin mit den verwandten Burg goͤttern auf - tritt: ſo ſchreitet mit Jon ſogleich ein neuer Charakter in Cultus und Mythen ein1De Minerva Poliade. p. 2. wo manche Beweiſe zu dem folgenden gegeben ſind.. Dieſe Divergenz duͤnkt mir eine hinlaͤngliche Widerlegung derer, welche nach Herodot die Jonier fuͤr einerlei mit dem ureinwohnen - den Volkſtamme der Pelasger halten. Vielmehr iſt es deutlich, daß eben ſo, wie die Jonier als Kriegervolk (Xuthos und Jon πολέμαρχοι) ſich von dem acker - bauenden und viehzuchttreibenden Urvolke ſonderten, ſo ſie auch ihren Helleniſchen Kultus gradezu dem alt - einheimiſchen entgegenſtellten. Es redet zwar Ariſtote - les von dem vaͤterlichen Apollon (Απ. πατρῷος) der Athener als einem Sohne der Athena und des He - phaͤſtos2bei Cic. N. D. 3, 22. 23. p. 595. 599. 614. Creuzer. Lydus de menss. p. 105. Darauf baut Baͤhr de Apolline Patricio et Minerva Primigenia. : aber wir koͤnnen darin wieder nur das my - thologiſche Streben[finden], die Goͤtter einer Stadt in Familienzuſammenhang zu bringen. Denn wo ſind die Tempel, welche Athena und Apollon gemein haben, wo die Gebraͤuche und Opfer, welche ſie theilen, wo die Sagen, in welchen ſie verbunden auftreten? So lange dieſe nicht nachgewieſen werden, muß man Athena als alt-einheimiſche und Apollon als juͤngere Gnttheit genau ſondern. Denn Alles, was von den Joniſchen Fuͤrſten, zu denen auch Aegeus3μη - δὲν πϱοσήκων Ἐϱεχϑείδαις. Plutarch Theſ. 13. und Theſeus gehoͤren,238 in Bezug auf religioͤſe Einrichtungen erzaͤhlt wird, be - trifft niemals die Athena und den Hephaͤſtos, ſondern ſehr conſequent entweder die Feſtſtellung des Poſei - doncults, der in den Staͤdten der Jonier und an ihren Bundesoͤrtern herrſcht, oder die Anknuͤpfung und Unterhaltung eines Verkehrs mit den Apolliniſchen Heiligthuͤmern zu Delos, Delphi und Knoſos. Behal - ten wir dieſen ariadneiſchen Faden an der Hand: ſo lichtet ſich die Attiſche Fabel zu auffallender Klarheit. Erſtens: Theſeus iſt ein Poſeidoniſcher Heros, wie er ſelbſt Sohn Poſeidons heißt von dem wahr - ſcheinlich Aegeus, der menſchliche Vater, urſpruͤnglich nicht verſchieden iſt1Nemlich Poſeidon Αἰγαῖος als Wogengott. Dem Aegeus wurde auch mit Poſeidon zugleich geopfert. S. Plut. Theſ. 36. vgl. 23. gegen Ende, wo wahrſcheinlich zu ſchreiben iſt: ἐξῃϱέϑη δὲ ϰαὶ τεμένη ΑΙΓΕΙ, wenn nichts ausgefallen iſt. vgl. Har - pokr. Αἰγεῖον. Hygin. Fb. 37.: er erhielt mit dem Gotte, ſei - nem Vater, am achten Monatstage, beſonders des Pyanepſion, Opfer (Ὀγδόδιον)2S. Heſych.: er war es darum auch, der die vorher von den Korinthiſchen Aeolern dem myſtiſchen Daͤmon Melikertes begangenen3Bd. 1. S. 176. Iſthmiſchen Feſte dem Poſeidon weihte; und deswegen hatten noch in der Doriſchen Zeit die Athener den erſten Platz in dieſen Agonen, die ſie beſonders fleißig be - ſuchten, ſo viel als ſie mit dem Seegel des heiligen Schiffs bedecken konnten. Und wie geeignet war der Iſthmos zu Joniſchen Nationalfeſten. Denn wenn man die damaligen Wohnſitze der Jonier in Attika, Mega - ris, zu Epidauros und Troͤzen, an der Nordkuͤſte des Peloponnes, und zu Theſpiaͤ in Boͤotien4Ebend. S. 237. uͤberſchaut: ſo ſieht man, daß grade nur hier das rege Kuͤſtenvolk ſich leicht und ſchnell in einem Mittelpunkte vereinigen239 konnte. Und was iſt nun das Heidenleben des The - ſeus zum Theil anders, als eine Sicherung dieſes Mittelpunkts durch die Erlegung des Periphetes, Skiron, Kerkyon, Sinnis, Pityokampes, Prokruſtes1Vgl. Boͤttiger Vaſengemaͤlde N. 3., auf daß nun die Poſeidoniſchen Opferſtiere von Troͤzen wie von Athen frei und ungefaͤhrdet zum Feſtmahle des Iſthmos ziehen moͤgen. Dies iſt der wahre großartige Zuſammenhang der aͤlteſten Theſeiden.

14.

Zweitens aber betreffen die Fabeln der ge - nannten Helden eben ſo den Cultus des Apollon. So liegt in ihnen der Urſprung der Pythiſchen Theo - rieen enthalten. Jon iſt ſelbſt Sohn oder Zoͤgling des Pythiſchen Gottes, und wahrſcheinlich iſt zwiſchen ſeinen beiden Vaͤtern, Apollon und Xuthos, eben ſo wenig urſpruͤngliche Differenz, als zwiſchen Aegeus und Poſeidon2Εουϑὸς iſt der helle, ſtrahlende Gott, eine andere Form von ξανϑός. S. un - ten K. 5.. Theſeus hatte demſelben Gotte ſein Haar geweiht; ein Platz bei Delphi hieß Theſeia3Plut. 5.. Auch wird nicht ohne Abſicht von Aegeus erzaͤhlt, daß deſſen die Ebene von Attika umfaſſende Herrſchaft ſich ſich bis zum Pythion erſtreckte, wo ſie an Megaris graͤnzte4Str. 9, 392. nach Sophokl. und Philoch. (S. 28. Siebel. ) vgl. Schol. Ariſt. Lyſiſtr. 58. Wesp. 1218. zu Eur. Hippolyt. 35.. Dieſes Pythion lag in der heiligen Denoe5Philochoros bei Schol. Soph. Oed. Kol. 1102., einem feſten Demos der Phyle Hippo - thoontis, auf den Marken von Megaris, Boͤotien, Attika6Ehe dies Melaͤnd, Eleutheraͤ und andere Orte eroberte. Vgl. Barbie du Bocage histoire de la bourgade d’Oenoë la sacrée hinter Stanhope’s Plan of Platäa. , oberhalb des Eleuſiniſchen Feldes, in einer beſonders fruchtbaren Gegend7Daher nennt Sophokl. a. O. die Gegend von Eleuſis Πν -. Es war aber dieſer240 Grenztempel offenbar erbaut, um einen Zwiſchenort fuͤr die Theorie abzugeben, welche gegen Fruͤhlingsanfang von Athen nach Pytho abging. Denn wenn man in der Stadt ſelbſt guͤnſtige Zeichen beobachtet hatte, und im Begriff ſtand, die Theorie abzuſenden: ſtellte noch der Mantis im Pythion zu Oenoë alle Tage Opfer - ſchau an, um ihr auch fernerhin gluͤckliche Fahrt zu verſchaffen; eben ſo wie die Theorie nach Delos durch Opferbeobachtungen im Delion zu Marathon geleitet wurde1Die auch von Valkenaer (Animd. ad Ammonium p. 93.) nicht verſtandene Stelle des Philochoros a. O. iſt ſo zu ſchreiben: ὅταν δὲ σημεῖα γένηται παϱαδεδομένα ἐν τοῖς ἱεϱοῖς, τότε ἀπο - στέλλουσι τὴν ϑεωϱίαν οἱ ἐκ τοῦ γένους Πυϑιάδα καὶ Δηλιά - δα, ὁποτέϱα ἂν καϑήκῃ αὐτοῖς, ϑύει δὲ μάντις, ὅταν μὲν τὰ εἰς Δελφοὺς πόμπιμα γένηται (die Zeichen zur Sendung nach Delph) καὶ ϑεωϱία πέμπηται (si in eo est ut mittatur), ἐν Οἰνόῃ καϑ̛ ἑκάστην ἡμέϱαν ἐν τῷ Πυϑίῳ, εἰ δὲ εἰς Δῆλον ἀπο - στέλλοιτο ϑεωϱία, κατὰ τὰ πϱοειϱημένα ϑύει μάντις εἰς τὸ ἐν Μαϱαϑῶνι Δήλιον κ. τ. λ.. Die Geſchlechter, denen die Vorbereitungen zur Abſendung der Pompa aufgetragen waren, wahr - ſcheinlich alt-Joniſchen Stammes, hießen Pythaiſten und Deliaſten2Die Deliaſten kamen in den Soloniſchen Geſetzen vor, Athen. 6, 234 e. Pythaiſten bei Steph. Πυϑώ.. Jene Zeichen waren die Pythiſchen Blitze (Πύϑιαι ἀστραπαί), eine ſonſt in Hellas ſehr ſeltene Art der Weiſſagung. Die Pythaiſten nahmen ihren Platz in der Stadt bei dem Erdaltar des Zeus Aſtrapaͤos, zwiſchen Olympieion und Pythion, welche beide zu den aͤltern Heiligthuͤmern gehoͤren, wenn ſie auch erſt Peiſiſtratos herrlich ausbaute3Strabo 9, 404. c. Eurip. Jon 285. Ueber das Pythion Thuk. 2, 15. 6, 54. Iſaͤos R. 4. S. 113. R. 6. S. 187. Suid. Πύθιον. Suid. Heſych, Prov. ἐν Πυθίῳ.. Von hier aus ſchauten ſie in naͤchtlicher Weile nach einem hoch -7ϑίας ἀκτάς. Der Scholiaſt verwechſelt das Aeantiſche und Hippo - thoontiſche Oenoë. 241 gelegenen und weit ſichtbaren Punkte des Gebirges Parnes1Strabon 9, 404. Steph. Byz. Ἅϱμα, Euſtath. Il. 2, 499. Heſych ἀστϱάπτει. Prov. ὅταν δἰ ῞Αϱματος., Harma genannt, drei Monate hindurch in jedem neun Naͤchte, und nur wenn die erwuͤnſchten Blitze gluͤckverheißend uͤber die Hoͤhe heruͤberleuchteten, durfte die Geſandtſchaft den Pythiſchen Weg antreten. Dieſer Weg geht von Athen aus bei dem Korydalos vorbei, an welchem auch ein Tempel Apollons lag2Pauſ. Dodwell 2. S. 170., durch die Eleuſiniſche Ebene auf Denoë, von da durch den Paß von Dryoskephalaͤ nach Boͤotien, wo er ent - weder Theſpiaͤ oder Theben, dann Lebadeia und Chaͤ - roneia beruͤhrte, und ſich weiter uͤber Panopeus und Daulis durch die Bergſchlucht zwiſchen Parnaß und Kirphis nach Delphi hinzog eine Gebirgſtraße, wel - che die Athener ſelbſt gebahnt und gebaut zu haben behaupteten4Dadurch erklaͤrt ſich Herodot 6, 34. ἰόντες δὲ οἱ Δόλογκοι τὴν ἱϱὴν ὁδὸν διὰ Φωκέων τε καὶ Βοιωτῶν ἤϊσαν. καί σφεας ὡς οὐδεὶς ἐκάλεε, ἐκτ ϱάπονται ἐπ̛ Ἀϑη - νέων.. Es war dies auch die heilige Straße fuͤr die Peloponneſier, wenn man den Theil derſelben ausnimmt, welcher Attika durchſchneidet3S. Aeſchyl. Eum. 12. πέμπουσι δ̛αὐ - τὸν καὶ σεβίζουσιν μέγα κελευθοποιοὶ παῖδες Ἡφαίστοε. vgl. Ephoros bei Str. 9, 422 d. Ariſtid. Panath. Th. 1. S. 329. Vgl. Bd. 1. S. 36. 188..

Noch iſt aber eine Merkwuͤrdigkeit von Oenoë un - erwaͤhnt geblieben, welche uns zugleich auf eine wun - derbare Weiſe zum Verſtaͤndniß der ſo verſchlungenen Fabel von Theſeus Fahrt nach Kreta helfen wird. In Oenoë war naͤmlich auch ein Grab des Androgeos, des Sohnes von Minos, den die Einheimiſchen getoͤd - tet hatten, als er hier auf dem Pythiſchen Wege ein -II. 16242herging1Eine Spur der richtigen Sage iſt bei Diod. 4, 60. vgl. Serv. zur Aen. 6, 14. Die Leichenſpiele des Laïos haben erſt die Dichter der Reiſe als Zweck untergeſchoben.. Alſo auf der heiligen Straße des Kreti - ſchen Cultus lag der Kreter erſchlagen; den verletzten Gottesfrieden zn ahnden, kam Minos, und darum muß Athen nach Knoſos Tribut ſenden. Von welcher Art aber dieſer Tribut geweſen, erkennen wir aus einer von Ariſtoteles2πολιτεία Βοτ - τιαίων bei Plut. Theſ. 16. Vgl. Qu. Gr. 35. Konon 25. aufbewahrten Sage, wonach die Knaben, welche die Athener nach Kreta geſchickt hatten, hier als Frohnknechte lebten, und als die Kre - ter, ein altes Geluͤbde zu loͤſen, einen Zehnten von Menſchen nach Delphi ſandten, die Nachkommen jener mit ihnen hinzogen, und hernach von da weiter ge - ſchickt wurden. Es ſcheint hienach, daß die Athener genoͤthigt waren, heilige Knechte an den Haupttempel zu Knoſos, den des Apollon, zu ſenden. Darum wa - ren die Sendungen auch achtjaͤhrig (δι̛ ἐννέα ἐτῶν)3Plut. Th. 15. Diod. 4, 61. Ovid. 8, 171., naͤmlich zu jeder Ennaeteris der Kretiſch-Delphiſchen Feſte; darum beſtanden ſie aus ſieben Juͤnglingen und Maͤdchen, weil dieſe Zahl dem Gotte beſonders heilig war. Jeder weiß, wie ſehr die Athener, zuerſt vermuth - lich in der Volksſage, dann die Dichter dieſen Mythen - kreis entſtellt, wie gehaͤſſig ſie ihn verdreht, und ganz Fremdartiges eingemiſcht haben, ſo daß man ſich jetzt die Aufgabe zu hoch ſtellen wuͤrde, wenn man Alles bis aufs Einzelne zerlegen wollte. Urſpruͤnglich aber, ſagen wir mit voller Gewißheit, hatte die Fahrt des Theſeus nach Kreta keine andere Bedeutung, als die damit verbundenen Landungen in Naxos und De - los: eine Anknuͤpfung des Kultus. Denn auch die Landung in Naxos bezieht ſich eigentlich auf Uebertra -243 gung dortigen Dionyſos - und Ariadne-Dienſtes, der ſich im Feſte der Oſchophorien, aber mit Apolliniſchen Daphnephorien-Gebraͤuchen vermiſcht, erhalten hatte. Die Landung in Delos aber iſt ein mythiſches Vorbild der Theorien, welche die Athener, wie alle Joniſchen Inſeln, ſeit alten Zeiten nach dieſer Inſel ſandten1Vgl. Boͤckh Staatshaush. Bd. 1. S. 440. 2. S. 227. Eryſichthon ſollte das ξόανον mit Theorien nach Delos geſchickt haben, Plut. Fragm. 10. S. 291 H.; wie auch das Schiff, worin der Held heimgekehrt war, als Theorenſchiff fortbeſtehend gedacht wurde. Man ſandte es am Feſte der Thargelien ab, nachdem der Prieſter am ſechſten Thargelion den Hinterbord deſſel - ben bekraͤnzt hatte; daraus iſt deutlich, was man auch ſonſt weiß, daß der Thargeliengott der Deliſch-Kreti - ſche iſt; es gab daruͤber in dem Daphnephoreion zu Phyle in Attika eine alte Schrift2Theophr. bei Athen. 10, 424 f. . Mit andern De - liſchen Gebraͤuchen kam auch der Dienſt der Eileithyia damals heruͤber, er wird auch auf Kreta zuruͤckbezo - gen3Pauſ. 1, 18, 5. τὰ μὲν δὴ δύο ξόανα εἶναι Κϱητικά., wo bei Amniſos die alte Hoͤhle der Goͤttin ſchon oben erwaͤhnt wurde. Ein Uebergangspunkt von Attika nach der Inſel war der Demos und Hafen Praſiaͤ an der Oſtkuͤſte, wo neben einem Tempel Apol - lons das Grab des Deliſch-Attiſchen Heroen Eryſich - thon, und die Sage war, daß die Geſchenke der Hy - perboreer von hier nach der heiligen Inſel hinuͤberge - bracht worden ſeien4P. 1, 31. vgl. Dodwell Trav. 1. S. 532.. Endlich iſt noch die Her - kunft des Delphiniſchen Suͤhnfeſtes von Delphi und Kreta eben ſo deutlich, wie deſſen Einfuͤhrung durch die Joniſchen Fuͤrſten. Denn Aegeus wohnt im Del - phinion und liegt daſelbſt begraben; auch wird ihm die Errichtung des Delphiniſchen Gerichts zugeſchrie -16 *244ben; Theſeus legt hier vor dem Zuge nach Kreta den mit Wolle umwundenen Oelzweig nieder, am ſechſten Munychion1Plut. Th. 12. 14. 18. vgl. 1, 19, 1. Ruͤckkehrend opfert Theſeus Ap. und Artemis als Οὐλίοις. Pherekyd. bei Macrob, Sat. 1, 17. (59. S. 212 St.) vgl. Spanh. zu Kallim. Apoll. 40. 46., und loͤſet eben da die Blutſchuld des Mordes der Pallantiden2S. unter andern Pollux 8, 10, 119..

15.

In Athen fordert noch die politiſche Stellung des Apollodienſtes unſere Aufmerkſamkeit. Es iſt durch das Geſagte hinlaͤnglich deutlich, daß ihn eigentlich die Jonier angenommen hatten. Daher Jon ſelbſt als Sohn des Pythiſchen Gottes erſcheint: kein anderer als der Pythiſche Apollon war Athens Patroos, wie Demoſthenes ſagt3Demoſth. vom Kranz 274. vgl. Ariſtot. bei Harpokr. Ἀπ. πατϱ. Die Athener hatten πατϱῴους ϑυσίας zu Delphi. Dem. Briefe S. 1481. Vgl. uͤber Ap. Patroos Platner Beitr. S. 88. Baͤhr de Ap. Patricio et Min. Primigenia. Πατϱῷος wird erklaͤrt als πατὴϱ des Jon; moͤglich daß er aber ſo heißt als Gott der πάτϱαι der Jo - nier. Ap. hieß auch Λεσχηνόϱιος (Plut. Εἰ 2. S. 217. Sui - das) vielleicht als Vorſteher der 360 Leſchae der 360 Geſchlechter zu Athen. Prokl. zu Heſiod Tage u. W. S. 116 Heinſ.. Folglich muß man ſtreng behaup - ten, daß eigentlich nur den Joniern der Apollon Ge - ſchlechtergott war, daß nur ſie im vollen Sinn γενῆ - ται Ἀπόλλωνος πατρῴου heißen koͤnnen. Und wenn alſo die Archonten bei der Dokimaſie den Schwur lei - ſteten, daß ſie außer dem Haus-Laren Zeus Herkeios auch den Apollon Patroos verehrten4γεν - νῆται Ἀπ. πατϱ. καὶ Διὸς έϱκείου Dem. g. Eubulid. S. 1315, 15. Pollux 8, 85.: ſo ſtammte dies aus jener Zeit, in welcher blos die Eupatriden, d. h. die Joniſchen und Helleniſchen Adelsgeſchlechter, die Archontenwuͤrde erhielten, und erſt als zunaͤchſt durch die Soloniſche Timokratie und die Ariſtideiſche Demo -245 kratie die Archontenwuͤrde auf alle Reicheren und das ganze Volk uͤbertragen wurde, ſcheint es, daß der Apollon πατρῷος als allen Familien gemeinſam ange - ſehen wurde1So nach Plat. Euthyd. 302 b. vgl. Schol. und Heindorf S. 404.. Auch die demokratiſchen Richter Athens ſchwuren nun jaͤhrlich im Ardettos bei Apollon Patroos2Pollux 8, 122., was urſpruͤnglich wohl nur die ariſtokratiſchen Blutrich - ter, die Epheten, thaten. Es iſt aber klar, daß ur - ſpruͤnglich die Apolloreligion nur fuͤr die Kriegerkaſte, die alten Hopleten, paßt. Iſt er doch kein Handwerker - und Ackerbauer - ſondern ein Kriegsgott. Darum ſetzt ihm auch Jon oder Xuthos als Atheniſcher Kriegsfuͤrſt (πολέμαρχος) das Feſt der Boedromien ein3Kallim. Apoll. 69. mit Schol. und Spanh. Harpokr. Βοηδϱόμια, Suid. Etym. M. βοη - δϱομεῖν. Darum ſprach der Polemarch im Lykeion, dem Hei - ligthume des Ap. Lykeios, bei der Statue eines Wolfes Recht Suid. ἄϱχων. Bekker Anecd. 1. S. 449. Heſych. ἐπιλύκιον (vgl. Hudtwalcker Diaͤteten S. 14. Schoͤmann de sort. p. 42.) Λυ - καμβὶς ἀϱχὴ des Polemarchen nach Kratinos, Heſych. Ueber - haupt aber waren alle Gerichtshoͤfe in Athen unter der Tutel des λύκος, Apollon. Eratoſth. bei Harpkr. δεκάζων; Lexika und Paroͤ - miogr. Λύκου δέκας, Etym. M. δεκάσαι., wel - ches von dem Hervorſtuͤrzen bewaffneter Schaaren zum Kampfe den Namen hat.

Weil nur die Eupatriden urſpruͤnglich die Re - ligion des Apollon haben, ſo haben auch dieſe nur die κάθαϱσις, welche hier wie ſonſt mit den Gebraͤuchen des Kretiſchen Dienſtes verflochten iſt. Jon hatte nach Plutarch4g. Kolot. 31. die Athener in der Religion[unterrichtet], worunter nur die genannte zu verſtehen iſt; und The - ſeus ſetzte nach demſelben5Theſ. 25. Nach Plato Rep. 4, 427. iſt Ap. den Athenern πά - τϱιος ἐξηγητής. die Eupatriden zu Verwal - tern des Staats, Richtern, und Ἐξηγηταῖς ὁσίων246 καὶ ίερῶν ein. D. h. ſie ſollten uͤber alles Auskunft geben, was das Jus sacrum betraͤfe, wozu im Alter - thum beſonders die Suͤhnung und der Blutbann gehoͤrt. Die Gebraͤuche der Reinigung waren alſo gaͤnzlich in den Haͤnden der Eupatriden und gehoͤrten zu ihren erb - lichen Rechten (πατρίοις)1Daher (Athen. 9, 410 a.) Dorotheos ἐν τοῖς τῶν ΕϒΠΑ - ΤΡΙΔΩΝ (ſonſt las man ϑυγατϱιδῶν) πατρίοις von der ἱκετῶν κάθαϱσις handelte., und dies iſt der Grund, warum den Edlen die Gerichte uͤber Todſchlag ehemals alle, und auch ſpaͤter noch die uͤber unvorſaͤtzlichen Mord zuſtanden, deren Zuſammenhang mit der Apol - loreligion ich unten darthun werde.

Ich habe dieſe Saͤtze abſichtlich moͤglichſt ſtark her - vorgehoben, weil ſie durch die ſpaͤtere demokratiſche Tendenz der Attiſchen Dichtung verdunkelt und verdeckt worden ſind, welche alle Spuren der gewaltſamen Be - ſitznahme Attika’s und der fremden Abſtammung der Eupatridengeſchlechter zu verwiſchen ſtrebte. Darum wurde die Luͤcke zwiſchen den Erechthiden und Aegiden durch notoriſche Einſchiebſel ausgefuͤllt, darum der My - thos von Jon ſo mannigfach variirt. Dieſe Tendenz erkennt man auch in Euripides Tragoͤdie Jon, deren kuͤnſtliche und ſinnvolle Anlage nicht genug bewundert werden kann. Die alte Sage nannte Jon Sohn des Helden Xuthos und des Pythiſchen Apoll, ohne darin einen Widerſpruch zu ſehen, und gab ihm auch wohl ſchon eine Landestochter, Kreuſa, zur Mutter, wo - durch ſie recht gut die neugewonnene Heimat bezeich - nete. Euripides loͤst dagegen den Jon ganz von Xu - thos, der immer etwas derb und rauh, ſelbſt tyran - niſch2z. B. V. 679., geſchildert wird, und wendet Alles ſo, daß er nicht als Eindringling, ſondern als einziger Sproß des Erechthidenſtamms weiblicher Linie erſcheint. Da -247 durch wird die Autochthonie der Athener gerettet, auf welche der Demos ſich ſo viel einbildete1Vgl. v. 602., und der widerſtrebende Mythos auf eine erwuͤnſchte Weiſe beſei - tigt. Jon ſelbſt aͤußert ſehr demotiſche und volksge - faͤllige Grundſaͤtze. Und von der ehemals ſo feſt ge - gruͤndeten Adelsherrſchaft verhallt faſt ſchon die letzte dunkle Erinnerung2Einiges uͤber Attiſchen Apollodienſt iſt noch hinzuzufuͤgen. Ein Nikias, S. des Nikeratos, holt den Kretiſchen Epimenides nach Athen (Plut. Sol. 12. Diog. L. 1, 10, 3.), der juͤngere de Namens fuͤhrt die beruͤhmte Proceſſion nach Delos, woraus vielleicht auf sacra patria des Ap. zu ſchließen. Die Kynidaͤ verehrten den Ap. Kynios, Heſ. Etym. vgl. Suid. (auch in Temnos, Polyb. 32, 25, 12. und vielleicht Korinth. Inſchr. bei Pouquev. 4. S. 26. ΑΠΟΛΛΩΝΟΣ ΚϒΝΝΕΙ ....). Auf das Lykeion bezieht ſich Lykos, Bruder des Aegeus, der auch Pro - phet. Pauſ. 1, 19, 4. 10, 12, 6. vgl. Kallim. Fragm. 141. Bentl. Tempel des Ap. auf Vgb. Zoſter (Ζωστὴϱ Απ. Bekk. Anecd. 1. p. 261. vgl. oben S. 223.), zu Acharnd, zu Diomeia Ap. Meta - geitnios (Meurſ. Att. Lect. 1, 10.), Marathon (Suid. Μαϱ. ), zu Phlya Ap. Dionyſodotos, eine wunderliche Compoſition, Ἀπολλώ - νεια zu Kikynna (Sch. Ariſt. Wolk. 134.), zu Phyle gegen Boͤo - tien ein Daphnephorion §. 14. Ap. Daphnephoros zu Athen. Plut. Themiſt. 15..

248

3,

1.

Wir kommen nun ſchon zur dritten Periode der Coloniſirung des Apollodienſtes. Die erſte umfaßte die Urwanderungen des Doriſchen Volks, wodurch von Tempe aus die Hauptheiligthuͤmer zu Delphi, Knoſos, De - los gegruͤndet wurden; die zweite Periode iſt die der ſogenannten Minoiſchen Thalaſſokratie, welche die Kuͤſten Aſiens und Griechenlands mit Hainen und Suͤhnaltaͤ - ren des Gottes bevoͤlkerte; die dritte die der Dori - ſchen und der durch dieſe veranlaßten Wanderungen. Durch dieſe wurde Apollon der herrſchende Gott im Peloponnes, wo man ihn fruͤher nur in wenigen Spu - ren findet. Daß Apollon Karneios und der Nomios der Arkader keine Ausnahmen machen, wird aus dem unten darzulegenden Weſen und Urſprunge dieſer Kulte erhellen.

Dem Apollon wurden nach der Einnahme der Pe - loponneſiſchen Landſchaften uͤberall die Haupttempel ge - weiht. Von dem Argiviſchen Bundesheiligthum des Apollon Pythaeus iſt oben ſchon geſprochen1S. 83. vgl. Pauſ. 2, 24, 1. von der Hoͤhe auch Δειϱαδιώ - της. Auch Mantik dabei. Telefilla bei Pauſ. 2, 35, 2. 36, 5. Πυ - ϑαεὺς und Κϱηταεὺς ſind Doriſche Formen; der Heros Pythaeus iſt vom Gott nicht verſchieden. Stadtgottheiten von Argos wa - ren Zeus, Apollon, Herakles. Liv. 32, 23., eben ſo beruͤhmt war der Tempel des Apollon Lykeios auf dem249 Markt1Thuk. 5, 47. Sophokles Elektra 7. daher Λύκειος ἀγοϱά. Sophokls, Heſych. Die Argiviſchen Muͤnzen mit dem Wolf gehen darauf. vgl. Pauſ. 8, 40, 3. Auch hier ein Orakel, Plut. Pyrrh. 31. scr. τοῦ Λυκείου πϱοφῆτις Ἀπόλλωνος. Zu Argos auch Ζ ωτεάτας Ἀπ. Heſych, Tempel der Leto. Pauſ. 2, 21.. Unter jenem Namen verehrten ihn auch die Spartiaten2Alk - man Fran. 35. 36. Herod. 1, 69. vgl. Baſt zu Gregor. Korinth. S. 187 Zu Laked. nach Heſych Λυκιάδες κόϱαι τὸν ἀϱιϑμὸν τϱιάκονα αἱ τὸ ὕδωϱ κομὶζουσαι εἰς τὸ Λύκειον (eine Art Hy - drophore)., unter dieſem dieſelben und die Sikyo - nier3Pauſ. 2, 9, 7. Ueber den alten Apollontempel daſelbſt und eine Erzſtatue ſ. Pſ. Ariſtot. mirab. auscult. p. 59. Pauſ. 2, 11, 2. Polyb. 17, 16, 2. Die Gruͤndungsſage von Epopas hat nicht viel zu bedeuten. Die Pythien gruͤndete erſt Kleiſtenes, Schol. Pind. N. 9, 49. 76. vgl. Boͤckh und Diſſen Explc. p. 451. Ap. hatte dort eine ἱεϱὰ χώϱα, Polyb. a. O. Liv. 32, 40.. So treffen wir uͤberall die bekannten Namen wieder. Hekatos hieß angeblich ein Weiſſager, der mit den Soͤhnen des Ariſtodem nach Sparta kam, und deſſen Nachkomme im zweiten Meſſeniſchen Kriege4Pauſ. 4, 15, 5. Auch die Meſſenier in Nau - pakts hatten ein Apollonion (Thuk. 2, 91.), und die Muͤnzen der Siei. Meſſenier beweiſen denſelben Cult. Vgl. uͤber den alten Temel zu Aepeia 4, 34, 4.. In Sparta war der Dionſt des Apollon Staatsgottes - dienſt, die Koͤnige opferten ihm alle Erſten und Sie - benten der Monate5Herod. 6, 57.; die Macht der Hauptſtadt hatte ihn auch uͤberall in die Landſtaͤdte verbreitet6Ap. Akreas, P. 3, 12, 7. auf Thornax Pythaeus, 3, 11, 2. Heſych. Θόϱκξ, vgl. Θοϱάτης. Ap. Maleates P. 3, 12, 8. gemeint Thuk. 7, 2. derſelbe Λιθήσιος Steph. Byz. Suid. s. v. vgl. P. 2, 27, 8.. Korinth7Her. 3, 52. Plut. Arat. 40. Pauſ. 2, 5, 4. Heſych Ζωτειστής., Epidauros8P. 2, 26, 3. vgl. Inſchr. vom Hieron des Askl. Chandler Inscr. p. 82. Clarke p. 2. sct. 2. p. 604. Der Tempel des Ap. Aegyptios iſt aus der Zeit des Antonine., Aegina9Hier ein Pythion mit dem Thearion (ſ. Diſſen zu Pind. Nem. 3. S. 376.),, Troͤzen10 ſtanden nicht nach. 250Am innigſten war die Verbindung der Peloponneſiſchen Staaten mit dem Delphiſchen Gotte, deſſen Anſehn jetzt die allgemeine Anerkennung erlangte, die er lange behauptete: er hatte ja die Einwanderung und Erobe - rung der herrlichen Halbinſel ſelbſt geleitet, und hieß den Doriern darum Heerfuͤhrer und Haͤuſerbauer (ἀρ - χηγἐτης, δωματίτης, οἰκιστής1Aeginet. p. 150 k. ); denn ſtets erfreut ſich Apollon ſiehet er Staͤdte erbauen, wie Kallimachos ſagt2Hymn. auf Apoll 56.. Mit dem Deliſchen Heiligthum, das jetzt ſchon ioniſirt wurde, knuͤpften erſt ſpaͤter die Meſſeniſchen Koͤnige eine Verbindung an, welche uͤberhaupt die Do - riſche Art minder ſtreng wie Sparta feſthielten. Gegen Olymp. 5 dichtete Eumelos eine Proſodion, fuͤr einem Meſſeniſchen Chor nach der heiligen Inſel3Pauſ. 4, 4, 1. 33, 3. vgl. 5, 25, 1.. Da - gegen lag den Doriern, namentlich den Spartiaten weſentlich daran, daß das Pythiſche Heiligthun auto - nom, in den Haͤnden der Delpher, bliebe; es darin zu erhalten, gehoͤrte zu ihren πατϱίοις4Thuk. 5, 18. 4, 118., und ſie ſchuͤtzten es mehrmals, beſonders gegen die Athmer.

2.

Mit dem Principat der Dorier im ganzen Pe - loponnes war auch nothwendig ein Ueberwiegen ihrer Religionsinſtitute gegeben; indeſſen finden ſich die Tem - pel des Apollon bei Achaͤern und Arkadern nur enzeln und nicht als die erſten Heiligthuͤmer der Staͤdte5Bei den Achaͤern zu Patraͤ, P. 7, 21, 4. Aegira 7, 26, 3. Vl. die Sage von Bolina 7, 23, 3.. Bedeutend war der Cultus in der durch die Vebin - dung mit Sparta faſt ganz doriſirten Stadt Tgea,10der Cult des Delphinios, Oikiſtes und Domatites, und da Feſt der Hydrophorien, Aeginet. p. 150. vgl. 135. 10) vgl. oben. Die Pythia, nach Pauſ. 2, 32, 2. von Diomed gegruͤndet ſind wahrſcheinlich ſpaͤter.251 wo auch eine Phyle Apolloneatis hieß1Pauſ. 8, 53. 1.. Auch mußte dies Land von den Straßen nach Olympia und Delphi wohin der Peloponnes mit Anbruche des Fruͤhjahrs ſeine Hekatomben ſchickte2ἦϱος ἐπεϱχομἐνου. Theognis von Megara V. 755. mehrfach durchſchnitten, ſchon dadurch Veranlaſſung zur Anlegung von Tempeln erhalten, von denen der Onkaͤiſche des Apollon ein Beiſpiel ſcheint.

Es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Hauptgott des Doriſchen Namens jetzt auch bald eine vorzuͤgliche Stelle in dem Nationalfeſte erhielt, welches allen Pe - loponneſiern gleich heilig war, in den Olympien. Die Gruͤndung dieſes Feſtes iſt wahrſcheinlich fruͤher, und gehoͤrt in die Achaͤiſche Zeit, in welcher die Herr - ſchaft der Pelopiden von Piſa und Olympia ausgehend ſich uͤber die ganze Halbinſel ausbreitete; daher die Eleiſchen Aetoler, als ſie ſich die Agonotheſie dieſer Spiele anmaßten, zugleich auf Befehl des Orakels einen Pelopiden aus der Achaͤiſchen Helike zu ihrem Fuͤrſten machen mußten. Auch kann der alte Streit zwiſchen dem Olympiſchen und Iſthmiſchen Dienſte, welcher das Verbot veranlaßte, daß kein Eleer auf dem Iſthmos kaͤmpfen duͤrfe4Ueber dieſen Gegen - ſatz, auf den ſich viele Mythen beziehn, vgl. P. 5, 2, 4. 6, 16, 2., ſchwerlich in irgend einer andern Zeit entſtanden ſein, als da vor der Do - riſchen Uſurpation der Olympiſche Zeus Hauptgott der Achaͤer5Daß Zeus Hauptgott der Achaͤer, ſieht man aus dem Bundes - tempel zu Aegion und ſonſt., der Iſthmiſche Poſeidon der Joner war.

Aber erſt als die Dorier, um nicht blos unter ſich, ſondern auch mit den uͤbrigen Peloponneſtern we - nigſtens alle vier Jahre in friedlichem Vereine unter dem Schutze des Gottes zuſammen zu treten, das3)P. 5, 4, 2.252 Olympiſche Heiligthum auch zu dem ihrigen gemacht, und Iphitos der Aetoler und Lykurgos der Dorer die Wettkaͤmpfe erneuert oder zu groͤßerem Anſehn gebracht hatten: ſeit dieſer Zeit tritt Apollon neben Zeus, und kaͤmpft ſelbſt mit in den Bahnen von Olympia. Ja da der Olympiſche Gottesfrieden mit einheimiſchem Namen Therma hieß1Heſych (von ϑάϱ̕ϱ̔ος)., ſo erhielt Apollon als Schutz und Hort deſſelben den Beinamen Thermios, und wurde als ſolcher im Haine Altis verehrt2Pauſ. 5, 15, 4. τὸν μὲν δὴ παϱὰ Ἠλεἰοις Θέϱμιον καὶ αὐτῶ μοι παϱίστατο εἰκά - ζειν, ὡς κατὰ Λτϑίδα γλῶσσαν εἴη Θέϱμιον. Ob. σπονδεῖος oder ἐκεχείϱιος hier geſtanden? Auch der Ort der Panaͤtolien, Therma, hat von dieſem, wahrſcheinlich Aetoliſch-Eleiſchen, Worte den Namen. Ap. daſelbſt, Pol. 11, 4, 2.. Jetzt holt auch Herakles, deſſen fruͤher in Elis ganz unbe - kannte Verehrung erſt jener Iphitos einfuͤhrte3P. 4, 4, 4., den wilden Oelbaum von den Hyperboreern nach dem Al - pheios, und bepflanzt damit den heiligen Altis4Ob erſt dadurch die Verbindung mit Kreta entſtand, auf die ſich der Name des Ἰδαῖον ἄντϱον bei Olympia (Pind. O. 5, 42. Demetr. νεῶν διακόσμῳ in den Schol. Boͤckh zu den Schol. und Explic. p. 150.) und die Sage bezieht, daß Klymenos, ein Nachkomme des Idaͤiſchen He - rakles, bald nach der Deukal. Fluth nach Piſa gekommen ſei und dort Tempel gegruͤndet habe, Pauſ. 5, 8, 1. 6, 21, 5. 5, 14, 6.. Durch die, uͤberhaupt bedeutende, Einwirkung des Delphiſchen Orakels auf die Olympiſchen Spiele ge - ſchah es auch, daß deren Feier nach der Pythiſchen Ennaeteris geregelt wurde, wie Boͤckh kuͤrzlich erwie - ſen hat5Zu Ol. 3, 18. p. 138. Expl. Nicht ganz ſo genau wie der Schol. P. O. 3, 39. ſpricht Tzetz. Lykophr. 41. Vgl. auch Wurm de ponderum etc. §. 90. p. 174.. Denn da der ganze achtjaͤhrige Eniautos aus 99 Mondenmonaten beſteht, nach deren Verlauf Mond und Sonne wieder ziemlich in daſſelbe Verhaͤlt -253 niß treten: ſo theilte man zu Olympia dieſe Periode in zwei ungleiche von 50 und 49 Monaten, ſo daß das Feſt auch in verſchiedene Monate, einmal in den Apol - lonios, das anderemal in den Parthenios, traf. Nicht minder mußte der eingefuͤhrte Dienſt des Apollon auf die Weiſſagerfamilien wirken, welche die Opferaltaͤre der Olympiſchen Goͤtter verwalteten. Es waren dies die Klytiaden, Jamiden und Telliaden1S. beſonders Philoſtrat Leb. Apoll. 5, 25. p. 208. Cic. de div. 1, 41. Ueber die Telliaden Herod. 9, 37. 8, 27., von denen uns aber nur die beiden erſten naͤher bekannt ſind. Die Klytiaden betrachteten ſich als Abkoͤmm - linge des Amythaon und Melampus2Pauſ. 6, 17, 4., worauf ſich mehrere Mythen beziehn, z. B. daß Amythaon einſt die Olympiſche Feſtfeier verwaltet, daß Melampus am Alpheios die Weiſſagung von Apollon empfangen habe3P. 5, 8, 1.: daher er auch in den Eoͤen uͤberhaupt Freund Apol - lons hieß4Schol. Apoll. 1, 118.. Sonſt findet man indeß in den zahlrei - chen Mythen, die ſich auf die Opfer - und Voͤgelſchauer des hochberuͤhmten Melampodidengeſchlechts beziehn, das die Eoͤen, die Melampodie und die Odyſſee515, 242. vgl. Pherek. bei den Schol. ſelbſt feier - ten, und das man noch geſchichtlich in den Klytiaden und Akarnaniſchen Weiſſagern6S. oben S. 61. N. 1. vgl. noch Xenoph. Anab. Fabric. Biblioth. ed. Harles p. 137. fortbeſtehend glaubte, keine Spuren der Symbole und Gebraͤuche des Apollo - cults. Was aber die Abſtammung der Jamiden be - trifft, ſo iſt dieſe eben ſo dunkel, als dies Weiſſager - geſchlecht unter den Doriern und andern Peloponneſiern erlaucht und herrlich war. Denn die Pindariſche Fa - bel, welche Apollon als ihren Ahn nennt, ſcheint nicht eben alt; auch giebt ſie außerdem faſt nichts als einen aͤltern Wohnort des Geſchlechts an, der kaum erdich -254 tet ſein kann, naͤmlich Phaͤſana am Alpheios in Aepytis oder Suͤd-Arkadien1Ueber die Jamiden hat Boͤckh Explic. ad Pind. O. 6. Alles aufs ſchoͤnſte zuſammengeſtellt..

3.

Auf die Doriſche Wanderung folgten bald andere durch jene veranlaßte, welche auch den Apollodienſt weiter ausbreiteten: und zwar jetzt nicht mehr als ei - nes Doriſch-kretiſchen Stammgottes, ſondern im wei - term Sinne als Helleniſcher Nationalgottheit. Dies bewirkte beſonders das Anſehn Delphi’s, welches jene Wanderung ungemein gehoben haben muß. Es tritt in der That ſeit dieſer Zeit mit einer wahrhaft imponirenden Kraft auf, wie kaum ein Inſtitut nach ihm. Der Gott ſchaltet mit den Voͤlkern nach ſeinem Willen, ſendet ſie in die Naͤhe und in die Ferne, noͤ - thigt ſie, ungeachtet ihres Widerſtrebens, zu weiten Zuͤgen, weist ihnen mit beſtimmten Worten ihre Wohn - ſitze an. Um dieſe wunderbare Erſcheinung naͤher ken - nen zu lernen, muß hier der fuͤr das aͤltere Voͤlkerrecht ſehr wichtige Zuſtand der unmittelbaren Unterthanen des Pythiſchen Tempels naͤher beleuchtet werden.

Als das Gebiet der Kretiſchen Kirrhaͤer durch den Amphiktyonenkrieg dem Tempel zugefallen war, gehoͤrte ihm eine bedeutende Landſchaft. Zwei Inſchriften be - lehren uns aus den Determinationen der Hieromnemo - nes uͤber die Marken derſelben, die eine uͤber die ge - gen Antikirrha in Oſten, die andere wie es ſcheint gegen Amphiſſa in Weſten2Beide zuſammen bei Dodwell 2. p. 510. n. 5. vgl. Bd. 1. S. 496.: vielleicht daß man ſie einſt bei genauer Lokalvergleichung im Ganzen wieder ausmittelt. Nun ſcheint es freilich, daß fruͤher, als Kirrha ſtand, dem Tempel nichts davon gehoͤrt, und er folglich ſo gut wie ohne Land geweſen ſei. Allein255 obgleich die gewoͤhnlichen Erzaͤhlungen von jenem Amphiktyonenkrieg eine andere Anſicht darlegen: ſo muß doch aus mehreren Gruͤnden behauptet werden, daß fruͤher Kirrha und der Tempel mit ſeinen Angehoͤ - rigen einen Staat bildeten3So noch dem Homeriſchen Hymnus.. Das bezeichnete Gebiet beſtand nun zwar groͤßtentheils aus Fels und Berg, und engen Felsſchluchten1S. Porphyr de abstin. 2, 17. vgl. Apoſtol. 6, 93. vgl. Aeſops Geſchichte und das Spruͤchwort: Δελφὸς ἀνὴϱ στέφανον μὲν ἔχει, δίψει δ᾽ἀπὀλωλεν., indeſſen hatte es doch ge - gen Mittag die bedeutende Kriſſaͤiſche Ebene, und hoͤ - her hinauf gedieh wenigſtens die treffliche Rebe des Parnaß. Wer bebaute es nun? Von den obenge - nannten Staͤmmen der Bevoͤlkerung gewiß keiner, die Doriſchen Herren ſo wenig als die Kretiſchen Anlan - der, welche im Homeriſchen Hymnus der Gott ver - lacht, da ſie an die Arbeiten des Ackerbaus denken, und ſie immer nur mit den Opfermeſſer in der Rechten Schaafe zu ſchlachten auffordert. Es iſt alſo wohl deutlich, daß es Unterthanen des Tempels gab, wel - chen außer dem niedern Dienſt der Anbau des Ackers, die Huͤtung der Tempelheerden u. ſ. w. oblag. Dies ſind die oft vorkommenden Tempelknechte2Der λαὸς οἰκήτωϱ ϑεοῦ Eurip. Andr. 1092.. Auch in Kreta gab es dergleichen, wie wir oben aus der Fa - bel von den Atheniſchen Tributſendungen nachwieſen; und Kreta ſandte nun wieder, wie Eretria, Magneſia3Plut. de Pyth. orac. 16. p. 273. Die Theſſaler verſprachen wenigſtens jedes Jahr dem Ap. Καταιβάτης eine Hekatembe Maͤnner, Schol. Eur. Phoͤn. 1416. Zenob. Θεττα - λῶν σόφισμα., ſolche Erſtlinge von Menſchen zu dem verwandten Heiligthume Pytho. Auch iſt von einer Hierodulen - ſtadt von tauſend Menſchen in Kreta die Rede4Soſikrates bei Suid. 1. S. 621. Heſych S. 1026. Apoſtol. 7, 37. Prov. Vatic. App. 3, 91. und Steph.. Eben256 ſo habe ich in den goldenen Dreifuͤßen, welche die The - bageneis in den Iſmeniſchen Apollotempel zu beſtimm - ter Zeit bringen mußten, ein aͤhnliches Verhaͤltniß ver - muthet1Bd. 1. S. 397. Auch der Apollon Neſiotes zu Chalia in Boͤotien hatte Hierodulen. Marm. Oxon. 29, 2. Eben ſo ſind die Deliſchen Ἑκατηβελέταο ϑεϱάπναι (Hymn. V. 157.) derglei - chen, wie der Chor der Phoͤniſſen. Beim Didymaͤon (Inſchr. in Walpole Trav. p. 582.) kommen vor: οἱ πεϱι το μαντειον παν - τες και οἱ το ἱεϱον κατοικουντες και οἱ πϱοσχωϱοι. Knaben als Beute hingeſandt, Konon 44.. Die Delphiſchen Knechte konnten auf ver - ſchiedene Weiſe erworben werden, durch Schenkung einer Stadt oder eines Einzelnen, oder durch eigene Ueber - gabe, oder durch Verkauf2Eurip. Jon 322. ἀνάϑημα πόλεως τινὸς πϱαϑεὶς ὕπο. 1299. ἱεϱὸν τὸ σῶμα τῷ ϑεῷ δίδωμ᾽ ἔχειν.; das letzte war in aͤlte - rer Zeit wohl ſelten. Es giebt noch jetzt eine bedeu - tende Anzahl von Delphiſchen Urkunden, in welchen Privatleute ihre Sklaven, denen ſie wohlthun wollen, dem Gott ſchenken, oder verkaufen3Boͤckh bei Hirt uͤber die Hierodulen S. 48.. Das Verhaͤlt - niß dieſer Frohne entſpricht dem der Doriſchen Leibei - genſchaft; obwohl vermuthlich gemildert: da bei den heiligen Knechten es ſtets beſonders hervorgehoben wird, daß ſie unverletzlich und ſicher leben unter dem Schutze des Gottes, obgleich ſie wenigſtens fruͤher unbedingt von dem Rathe des Tempels abhaͤngen mochten. In aͤlterer Zeit war ein großer Theil dieſer Unterthanen Kriegsbeute. Es iſt aus alten Thebaiden geſchoͤpft, wenn Manto Teireſias Tochter nach dem Epigonenkrieg dem Pythiſchen Gott als Beuteantheil (ἀκροϑίνιον) zugeſchickt wird4Diodor 4, 66. Pauſ. 7, 3, 1. vgl. K. 2. §. 7.: eine Perſon ſteht nach mythiſcher4B. Δοὐλων πόλις, wo gleich dabei von ἱεϱοδούλοις die Re - de iſt.257 Redeweiſe fuͤr viele. Auch die Gephyraͤer ſollen da - mals, gezehntet, von Theben nach Delphi geſchickt und ſo nach Athen gekommen ſein1Apoſt. 7, 34. wo Ἀϱγεὶων fuͤr Ἀϑηναἰων zu ſchr. vgl. Suidas δόϱυ κηϱυκεῖον. Bd. 1. S. 118.. Nach den Per - ſiſchen Kriegen war lebhaft die Rede davon, dieſen mythiſchen Proceß mit den Thebaͤern zn wiederholen, und ihre Feinde ſahen ſie noch ſpaͤter als gleichſam dem Gotte ſchon gezehntet und geknechtet an2Herod. 7, 132. Xenoph. Hell. 6, 3. u. 5. ἐλπὶς δεκατευϑῆναι τὸ πάλαι λεγόμε - νον Θηβαίους. Nicht etwa die Guͤter, ſondern ſie ſelbſt..

Wollte nun aber oder konnte auch der Pythiſche Gott die Menſchenmenge, welche er auf dieſe Weiſe bekommen hatte, nicht mehr in ſeinem Gebiete behal - ten: ſo ſandte er ſie als Coloniſten aus, ohne doch ſeine Rechte auf ſie dadurch ganz zu verlieren. Die Anfaͤnge der Griechiſchen Geſchichte geben mehrere Bei - ſpiele davon; das erſte eine Doriſche Sage von den Dryopern; (ſie ſelbſt erzaͤhlten etwas verſchieden): Herakles, welcher hier als Doriſcher Heros erſcheint, habe das Dryopervolk uͤberwunden, und als Anathem dem Apollon nach Delphi gefuͤhrt, der ihm geboten habe, ihnen die Suͤdkuͤſte von Argolis zu Wohnſitzen einzuraͤumen3S. oben S. 42. N. 2. Etym. M. 154, 7.. Daß dies, wahrſcheinlich Pelasgiſche, Volk fruͤher den Doriſchen Gott nicht verehrte, iſt aus der Sage klar, nach welcher Leogoras der Dryoper das Heiligthum deſſelben entehrte und ſchmaͤhte4Apolld. 2, 7, 7. vgl. Diod. 4, 37.: aber eben ſo klar iſt, daß ſie ihm jetzt vor allen andern Goͤttern dienen mußten, beſonders dem Pythaeus von Argos5Pauſ. 2, 35, 2. Ebd. Ap. Ὅϱιος und Πλατανίστιος. Vgl. uͤber Dryoper als Apollsdiener Pauſ. 4, 34, 6. Tz. Lyk. 480. Proh. Virg. G. 3, 7. Anton. Lih. 32. Etym. M.. Ein Theil derſelben aber blieb bei DelphiII. 17258zuruͤck, und kommt viel ſpaͤter noch unter dem Namen Kraugalliden in Verbindung mit den Kirrhaͤern als dem Heiligthum feindlich vor1S. oben S. 43.: woraus wohl hervor - geht, daß die Hauptmaſſe dieſer Kirrhaͤer aus Tem - pelunterthanen, die ſich losgeriſſen und empoͤrt hatten, beſtand.

4.

Der geſchichtlichen Zeit etwas naͤher ſteht die Wanderung der Magneten. Dieſer am Pelion woh - nende Volkſtamm ſah ſich um die Zeit der Theſſaliſchen Einwanderung ſo gedruͤckt und beſchraͤnkt, daß er ſich an das Orakel wandte und nach deſſen Vorſchrift zehnten, d. h. den zehnten Theil der jungen Mann - ſchaft ausheben ließ, welcher nun, wie ein ver sacrum in Italien im aͤltern Sinne, der Heimat entſagte2Nach der merkwuͤrdigen Erzaͤh - lung des Parthen. Erot. 5. ſind dieſe δεκατευϑέντες ἐκ Φεϱῶν ὑπ̕ Ἀδμήτου, und haben zum Anfuͤhrer einen Lykier Leukippos. Str. 14, 647. dreht die Sache um: Δελφῶν ἀπόγονοι, τῶν ἐποικησάν - των τὰ Δίδυμα ὄϱη (bei Pheraͤ, Orchom. S. 192.) ἐν Θετταλίᾳ.. Dieſe jungen Coloniſten ſandte der Gott zuvoͤrderſt zu ſeinen Freunden und Verwandten in Kreta: wo ſie eine Stadt Magneſia gruͤndeten, die Platon als einen un - tergegangenen Ort kennt, und als eine Vorkolonie ſeines idealen Staates betrachtet, weil auch dieſe den Gott zum alleinigen Geſetzgeber hatte3Geſetze 11, 919 d. vgl. Boͤckh in Minoem et legg. p. 68. Das nach Platons Dichtung erneuerte Magneſia weihet dem Ap. und Helios κατὰ τὸν παλαιὸν νόμον drei Maͤnner als ἀκϱοϑί - νιον. 12, 945. S. ſonſt Apollod. Fragm. S. 386. Konon 29. Varro 3. rer. hum. bei Prob. zu Virg. Ecl. 6. Kreter im Aſiat. Magneſia Str. 14, 636. Sch. Apollon. 1, 584.. Aber bald brachte der Verkehr der Inſel mit der Kleinaſiatiſchen Kuͤſte5288, 32. Heyne zu Aen. 1, 736. Sie behielten den Dienſt auch in den Meſſeniſchen Wohnſitzen nach Pauſ. Nach Konon 29 ſandten ſie nach der Ruͤckkehr von Troja eine δεκάτη.259 die Fremdlinge an den Maͤandros und Lethaͤos hinuͤber, an deren Zuſammenfluß ſie ſich einige Zeit vor der Jo - niſchen Wanderung anſiedelten1Parthen. nennt Κϱητιναῖον und Leukophryne ſtatt Magne - ſia.: die erſten Hellenen in Kleinaſien, wie es ihnen ſpaͤter ein amphiktyoniſches Dekret beſtaͤtigte2bei Fourmont: ψηφισμα γενομενον ὑπο των Πανελ - ληνων ὁτι οἱ πϱος τῳ Μαιανδϱῳ ποταμῳ αποικοι απο των εν Θεσσαλιᾳ πϱωτοι Ἑλληνων εκπεμφϑεντες εις την Ασιαν και κα - τοικησαντες συν αγαϑῃ τυχῃ και πολλακις Ιωσι και Δωϱιευσι και τοις .... Αιολευσι τιμηϑεντες κ. τ. λ. vgl. beſonders Konon a. O.. So weit vom Mutterlande abge - trennt blieben ſie als heilige Coloniſten (ἱεροὶ ἄποικοι) in ſteter Verbindung mit Delphi; auch waren ſie in alter Zeit verpflichtet, allen Reiſenden Dach und Fach und die erſten Lebensbeduͤrfniſſe zu gewaͤhren3Ariſtot. und Theophr. bei Athen. 173 f.. Glei - che Aufnahme hatten wenigſtens die Delpher in Delos zu erwarten4Semos Deliaka ebd., und die Knuͤpfung gaſtlicher Verbin - dungen gehoͤrte uͤberhaupt zu den Abſichten und Ideen dieſes Cultus. Von dem ſehr angeſehenen Dienſte des Apollon zu Magneſia5Auf ihn bezieht ſich Hymn. Hom. auf d. Pyth. Ap. 1., auch die Muͤnztypen (Apollo supra Maeandrum stans). Apollonia bei Magneſia. erzaͤhlt Pauſanias610, 32, 4.: Bei[einem] Orte Hylaͤ7Davon Hyla - tes Lykophr. 447. wo Tzetz. verworren. Ap. Hylates zu Amamaſſos auf Cypern. Steph. B. s. v. Bei Athen. 15, 672 e. muß man fuͤr ῞ϒβλα ῞ϒΛΑΙ corrigiren. Iſt Hiera Kome, Liv. 38, 12. 13., derſelbe Ort? Auch Magneſia am Sipylos verehrte den Apoll, τὸν ἐν Πάνδοις Marm. Oxon. 26. 85. im Lande der Magneſier iſt dem Gotte eine Hoͤle geweiht nicht eben von auffallender Groͤße, aber das Bild darin iſt von hohem Alter, und druͤckt in der ganzen Geſtalt Staͤrke aus. Und ihm zu Ehren ſpringen heilige Maͤnner von ſteilen Abhaͤn - gen und Felſen, und reißen uͤbergroße Baumſtaͤmme aus17 *260den Wurzeln, und gehen auf den ſteilſten Fußſteigen mit dieſen Laſten. In dem Felſenſprunge erkennt man leicht die Feſtgebraͤuche der Thargelien und des Apollon Leukatas wieder; das Andre bezieht ſich auf den Be - griff des ſtarken Gottes, den ich unten ausfuͤhren werde. Wir wuͤrden die Verbindung Magneſiens mit Kreta und Delphi noch genauer verfolgen koͤnnen, wenn nicht die Ueberwindung der gluͤcklichen und uͤbermuͤthigen Stadt durch die Epheſier und ihre voͤllige Zerſtoͤrung durch die Kimmeriſchen Treres zu Gyges Zeit nothwendig den Faden zum Theil abgeriſſen haͤtte1S. indeß Frank zu Callinus S. 89. Liebel Archil. S. 202. Ueber die Gruͤndung von Magneſia noch Ruhnk. zu Vel - lej. 1, 4. Kanne zu Konon 29. Raoul-Roch. 2. S. 387..

Einige andre gleichartige Begebenheiten kann ich hier nur andeuten. So die Schickſale der Aenianen, welche um dieſelbe Zeit und aus aͤhnlichen Gruͤnden, wie die Magneten, zum Orakel kamen, eine zeitlang in der Kirrhaͤa wohnten, und dann an den Inachos in Suͤdtheſſalien geſchickt wurden2Plut. Qu. Gr. 13. 26.. Ein hiſtoriſches Beiſpiel geben die Chalkidier in Euboͤa, deren aus - gehobene Jugend Apollon nach Rhegion in Italien ſandte3Ein Rheginer bei Timaͤos (Str. 260 c. Antig. Karyſt. 1): ἱεϱοὺς εἶναι τοῦ ϑεοῦ τοὺς πϱογό - νους αὐτοῦ, καὶ τὴν ἀποικίαν ἐνϑένδε ἐστάλθαι. vgl. 6, 257 d. Creuzer Frgm. Xanth. S. 373. cf. p. 178.; daher auch dieſe Stadt den Dienſt deſſelben auf eine vorzuͤgliche Weiſe mit Suͤhngebraͤuchen4Von den Ab - lutionen in den 7 Fluͤſſen, dem heil. Lorbeer u. ſ. w. Varro bei Prob. Praef. ad Virg. Ecl. vgl. Hermanns inhaltreiches Pro - gramm de Aeschyli Glaucis. und feierlichen Feſten beging, zu denen auch die Meſſanier Siciliens Choͤre von 35 Knaben uͤber die Meerenge ſchickten5Pauſ. 5, 25, 1. Die Muͤnzen von Rhegion haben Apollok., Lyra, Tripus, Cortina..

261

5.

Dieſe Ereigniſſe, deren Zuſammenhang den Ge - danken von Erdichtung ausſchließt, geben einen Begriff von der ausgedehnten und voͤlkergebietenden Gewalt des Delphiſchen Inſtituts, welche Macht wahrſcheinlich ſchon im Zeitalter der auf die Doriſche folgenden Wan - derungen ihren hoͤchſten Grad erreicht hatte. In der - ſelben Zeit war daher auch die Thaͤtigkeit der Pylaͤi - ſchen Amphiktyonie am regſten und bedeutendſten1)S. beſonders Tac. Ann. 4, 44., welche Verbindung Theſſaliſcher und aus Theſſalien ab - ſtammender Voͤlker die Sorge um das Doriſche Heilig - thum von Pytho mit der Pflege des Demetertempels in den Thermopylen verband, ſo daß zu einem rein - helleniſchen Heiligthum ein altpelasgiſches2Nach Kallim. Epigr. 41, 2. gegruͤndet von Akriſios dem Pelasger, von dem darum auch die Amphiktyonie ſelbſt abgeleitet wird. gefuͤgt war wahrſcheinlich nicht ohne die Abſicht innigerer Verknuͤ - pfung der verſchiedenen Griechenſtaͤmme. Die Fruͤh - lingsverſammlung in Delphi hatte vielleicht ein Vor - bild an den Zuſammenkuͤnften der umwohnenden Staͤdte bei dem Fruͤhlingsfeſte in Tempe; auch an dieſe knuͤpf - ten ſich bisweilen Berathſchlagungen politiſcher Art3Aelian V. G. 3, 1. Liv. 39, 24. vgl. Plut. def. orac. 14.. Politiſch im eigentlichen Sinne war indeß die Thaͤtig - keit der Pylaͤiſchen Amphiktyonen zu keiner Zeit; alle ihre Anordnungen und Unternehmungen, mit wenigen Ausnahmen, bezogen ſich auf den Schutz der beiden Heiligthuͤmer in ihren Rechten und Beſitzungen, auch auf die Verhaͤltniſſe anderer Tempel in Griechenland, und auf die Aufrechthaltung einiger aus religioͤſen Ideen hervorgegangenen voͤlkerrechtlichen Grundſaͤtze (νόμοι Ἀμφικτυονικοί).

6.

Unter den Colonien erkor erſtens die Dori - ſche nach Kleinaſien den Stammgott Apollon zum262 Vorſtand ihrer National - und Bundesfeſte auf dem Triopiſchen Vorgebirge1Ueber die theilnehmenden Staͤdte ſ. oben S. 105. Ueber die Agonen dabei Herod. 1, 144., wo ſie ſeinen Cultus wahr - ſcheinlich erſt anpflanzte, ohne jedoch den aͤltern, ur - griechiſchen, der Demeter und der unterirdiſchen Goͤt - ter darum von da auszuſchließen, der vielmehr nun mit dem Apolliniſchen, obgleich heterogen, zuſammen die Triopiſchen Sakra bildet2Auch Poſeidon und die Nymphen gehoͤren zu den Triopiſchen Goͤttern. Schol. Theokr. 17, 69. Vgl. Boͤckh zu Schol. Pind. P. 2, 27. S. 314. Ueber Ap. Cult zu Halikarnaß ſ. die Inſchr. bei L. Guilford (Walpole Trav. p. 576.) Ap. Telchinios zu Lindos (ſ. Meurs. Rhod.) zu Kamei - ros ἀειγεννήτης und ἐπιμήλιος, Macr. Sat. 1, 17., auf Anaphe Ap. Aegletes, Aeginet. p. 170 n. a. vgl. oben S. 105, 9.. Eben ſo feierten die Zwoͤlf - ſtaͤdte der Aeoler, denen Apollon nicht auf gleiche Weiſe angeſtammt war, ihm doch wegen des allgemei - nen Anſehns des Cultus, ihre Bundesfeſte im Haine Gryneion bei Myrina. Und als die Jonier von Athen nach Aſien hinuͤberzogen, blieben ſie zwar auf dem Feſtlande dem ihnen eigenthuͤmlichen Cultus des Poſeidon treu, indem ſie ihm die nationale Feier auf Mykale weihten, und bauten auch auf den Inſeln zu Tenos ein ſehr angeſehenes Heiligthum des Poſeidon und der Amphitrite, wo ebenfalls panegyriſche Feſte waren, zu denen die Jonier umher heilige Geſandſchaf - ten ſchickten3Nach Str. 10, 487. waren hier ἑστιατόϱια, wie zu Delos, fuͤr die Panegyris, und in einer Teniſchen Inſchr. (Britt. Muſ. 15, 231. Dodwell 2. S. 518.) wird ein Buͤrger geruͤhmt, daß er eine θεαϱοδοκία fuͤr die Delier hatte hauen laſſen.. Indeſſen uͤberwog zur Zeit der Joni - ſchen Beſitznahme der Kretiſche Dienſt auf Delos ſchon in ſolchem Grade, und hatte auch in der Stadt, von deren Prytaneion ſie ausgingen, bereits ſolches An - ſehn erlangt, daß dies Eiland von ſelbſt zum religioͤſen263 Mittelpunkt aller Kykladen (ἱστίη Κυκλάδων)1Spanh. zu Kallim. auf Delos 325. wur - de, zu deſſen Feſten und Kampfſpielen das heitere Volk der Inſulaner ſich ſchon in alten Zeiten mit Weib und Kind alle Fruͤhjahre zuſammen fand2vgl. Boͤttiger Ilithyia S. 29.: woraus natuͤr - lich wieder Heiligthuͤmer der herrſchenden Gottheit auf andern Kykladen hervorgingen, wie zu Kythnos3Hymn. auf Ap. Del. 141. Die Muͤnzen wie von Delos; auch der Name erinnert an den B. Kynthos (Hemſterh. zu Ariſt. Plut. p. 311.)., auf Siphnos4Apollonia daſelbſt. Steph. B. Vgl. die Muͤnzen., Keos5Beſonders zu Karthaͤa, Pind. J. 1, 6. Athen. 10, 456 e. Wahrſcheinlich ein Δήλιον nach Diſſen Explic. p. 484. Πύθια daſelbſt, Anton. Lib. 1. Von den Feſt - choͤren dieſes Cultus wird Broͤndſtedts Keos durch Inſchr. Auſſchluß geben (Ἐϱμῆς λόγιος 1819. p. 48.). Smintheion bei Koreſſia, und Poͤeſſa, Str. 10, 486., Naxos6Ap. Tragios Steph. s. v. Τϱαγαία. Ποίμνιος Makr. S. 1, 17. Δήλιον auf Naxos. Ariſtot. bei Plut. Virt. mul. p. 289. H. Parthen. Erot. 9. vgl. Obss. Misc. Bat. V. 7. p. 24. Andere Joniſche Tempel des Ap. Der Pythaeus auf Samos, Pauſ. 2, 31. Athenag. leg. 15. Diod. 1, 98. Jambl. Pyth. 2., ſtammt von Argos, wie andere Samiſche Sacra. Vgl. Phanaͤ auf Chios Str. 14, 645. Steph. Byz. Achaͤos Om - phale bei Heſych. Plut. de Ei 2, 21. vgl. Cic. Verr. 5, 72. Auf Euboͤa: der T. zu Tamynaͤ bei Eretria angeblich von dem Phe - raͤer Admetos gegruͤndet, Str. 10, 447. Simonides der Lyriker bei Harpkr. Ταμ. Photios S. 418. aus Euboicis. Ap. Salganeus Steph. B. s. v. Μαντεῖον des Ap. Selinuntios zu Orobiaͤ, Thuk. 3, 89. Str. 445. Μαϱμάϱινος bei Karyſtos, Str. 446. zu Chal - kis Delphinios, Plut. Flamin. 16. die Muͤnzen. u. aa.

7.

In Italien ſind außer Rhegion beſonders Kro - ton und Metapont zu nennen. Jenes war eine Achaͤiſch-Lakoniſche Kolonie, an deren Anlegung das Orakel nach der Sage einen bedeutenden Antheil nahm7S. oben S. 126. und Jambl. Pythag. 10., der durch die Tempel des Apollon Pythios,264 Hyperboreios1Aelian V. G. 2, 26. vgl. Heyne Opusc. Ac. Vol. 2. p. 178. mit Creuzer Symb. 2. S. 200. Der Vogel auf den Muͤnzen iſt kein Adler, ſondern ein Rabe, (Mionnet Descr. pl. 60.) den comes tripodum. und Halios2120 St. von Kroton, Ariſtot. Mirab. Ausc. 1098 e. Juſtin. 20, 1. Etymol. M. Ἀλαῖος. in und bei der Stadt verewigt wurde; uͤberhaupt war Kroton eine ganz Apol - liniſche Stadt, und die Einfluͤſſe dieſes Cultus trugen zur Ausbildung des Charakters und der individuellen Sinnesart der Krotoniaten ungemein viel bei. Meta - ponts Gruͤndungsgeſchichte iſt ſehr dunkel; es rechnete ſich im Allgemeinen zur Achaͤiſchen Nation, doch hat ſich durch Ephoros eine merkwuͤrdige, ob zwar verwor - rene Tradition erhalten: Daulios, Tyrann von Kriſſa, ſei der Gruͤnder des Ortes3bei Str. 6, 265 c. . Alſo Einwohner von Daulis im Engthal des Parnaß, und Kriſſaͤer von der Kuͤſte kamen in fruͤher Zeit heruͤber. Als ehemalige Unterthanen des Gottes ſandten ihm die Metapontiner das χρυσοῦν ϑέρος, goldne Aehren fuͤr den Zehnten der wirklichen Erndte; auf ihren Muͤnzen ſieht man noch die volle Gerſten-Aehre des Tributs, und auf der andern Seite den Gott ſelbſt mit Helm, Pfeil und Bogen als Sieger, und mit einem Lorbeerzweige als Daphnephoros nach Delphiſcher Tempelſymbolik4Vgl. noch uͤber die Statue des Ariſteas auf dem Markt von Metap. neben dem Bilde Apollons Herod. 4, 15. einen ehernen Lorbeer ebend. Athen. 13, 605 c. T. Apolls, Plut. de Ei 8.. So ſtimmen Traditionen und fortdauernde Gebraͤuche zu einem Reſultat zuſammen5In Italien iſt noch Kaulonia fuͤr dieſen Dienſt merkwuͤrdig, deſſen alte Muͤnzen (vgl. S. 6. N. 1.) den Ap. Daphnephoros, oder als Bogenſchuͤtz, nebſt dem Hirſch zeigen..

In dieſen Zeiten war es beſonders die Leitung der Colonien durch das Delphiſche Orakel, welche den Dienſt an die Kuͤſten des Mittelmeers verbreitete. Ihm zu265 danken bauten die Chalkidiſchen Naxier, die erſten An - lander in Sicilien (Ol. V, 2.), an der Kuͤſte einen Altar des Apollon Archagetas, auf dem die Sici - liſchen Theoren jedesmal vor der Abfahrt opferten1Thuk. 6, 3. ΑΡΧΑΓΕΤΑ ΑΠΟΛΛΩΝΟΣ auf Muͤnzen von Tauromenium u. Enna. (Vgl. uͤber Ap. Archag. Aegin. p. 150. Auch zu Hierapolis in Kleinaſien in einer Inſchr. des Cod. Sherard.) Sonſt in Sicilien: T. des Ap. Temenites Pythios zu Syrakus, Cic. Verr. 4, 53. Steph. Συϱακ. vgl. Ael. V. G. 1, 18. Letronne Topogr. de Syrac. p. 26. Goͤller de Syrac. p. 59. zu Gela Coloß des Ap. vor der Stadt, Timaͤos bei Diod. 13, 107. Sacra der Erbitaͤer und ihrer Colonie Alaͤſa, Diod. 14, 16. Auf Lilybaͤon nach Muͤnzen, Ap. Libyſtios bei Pachy - num, Macr. Sat. 1, 17. Monat Dalios in Sicil. Caſtelli Proll. 73.. Eben ſo wurde Apollonia, die Koriathiſche Niederlaſ - ſung am Joniſchen Meere, als eine Gruͤndung des Phoͤbos betrachtet2Inſchr. in Olympia bei Pauſ. 5, 22, 2.; daher auch hier die ebenerwaͤhnte Sitte, den goldnen Sommer nach Delphi zu ſchik - ken3Plut. de Pyth. or. 6. p. 273. Auch in Myrina in Aeolis.. Von dem Cultus in Thera und Kyrene iſt im erſten Theile ausfuͤhrlich gezeigt worden, daß er dem Gott der Thebaͤiſchen Aegiden, dem Karneios gehoͤrte, der aber ſchon zur Zeit der Colonie, Ol. 37., fuͤr identiſch mit dem Doriſchen Gotte galt, daher die Quelle Apollons bei Kyrene, die Tochtercolonie Apollo - nia u. a. m. Der Antheil des Orakels an dieſer Nie - derlaſſung veranlaßte den ſchoͤnen Mythus: wie Apoll die loͤwenkraͤftige Jungfrau aus der aͤlteſten Heimat, Theſſalien, raubt, und mit ſeinen Schwaͤnen nach Li - byen hinuͤberfuͤhrt: welches Liebesabentheuer der Gott auch mit einer andern Colonie, Sinope, ſpielt4Philo - ſteph. Schol. Apoll. 2, 953. Diod. 4, 71..

266

Weiter wollen wir die Coloniſirung dieſer Religion nicht hinabfuͤhren, da mit der folgenden Zeit das le - bendige Princip der Geſtaltung ſeine Kraft verliert und ſtatt einer gewiſſen Nothwendigkeit auch hierin Abſicht und Willkuͤhr eintritt.

267

4.

1.

Wenn es einigermaßen zerſtreut und ermuͤdet, dem weitverbreiteten Geaͤſte und Gezweige der Verbreitung Apolliniſcher Heiligthuͤmer bis in die Spitzen uͤberall nachzufolgen: ſo iſt der Mythus von den Hyperbo - reern ganz geeignet, durch Ruͤckfuͤhrung aller Einzel - heiten auf eine Wurzel den Blick zu beruhigen und zu fixiren.

Zu dem Ende vindiciren wir ihn erſtens dem Cul - tus, kaum befuͤrchtend, daß ihn Jemand fuͤr eine poë - tiſche Ausgeburt nachhomeriſcher Zeit halten koͤnne, weil ihn Ilias und Odyſſee nicht erwaͤhnen; denn wo ſollten ſie es: auch war ſchon in dem Epigonengedicht und bei Heſiod die Rede von ihnen1Herod. 4, 32. S. auch den 7. Homer. Hymn. 29.. Und mag auch da - mals die Sage erſt in das Bereich der poëtiſchen My - thologie gezogen worden ſein: als lokale Tradition muß ſie ſich in einer Zeit gebildet haben, da die primitive, aber ſpaͤter zerriſſene Verbindung der Heiligthuͤmer von Tempe, Delphi und Delos noch voͤllig beſtand.

2.

Nach einem Doriſchen Hymnus einer Delpherin Boeo, welchen Pauſanias anfuͤhrt210, 5, 4., errichteten Pa - gaſos und der goͤttliche Agyieus, die Soͤhne der Hy -268 perboreer, das beruͤhmte Orakel. Agyieus iſt nur der Name des Gottes ſelbſt; Pagaſos ſpielt auf den Pa - gaſaͤiſchen Tempel an der heiligen Straße an. Mit ihnen kam jener Dichterin zufolge Olen, der als der erſte Prophet des Phoͤbos zuerſt alter Worte Geſang zimmerte. Zwei andere Hyperboreiſche Heroen halfen in den Thalſchlachten von Delphi die Gallier ſchlagen, Hyperochos und Laodikos1So ſchreibe ich fuͤr ̓Αμάδοκος Pauſ. 1, 4, 4. und Λαο - δόκος, 10, 23, 3. wegen Herodots Λαοδίκη. Her. 8, 39. nennt bei einem aͤhnlichen Kampfe die einheimiſchen Heroen Phylakosund Autonoos., Hort und Volkrecht; und aͤhnlichen Sagen folgend nannte Mnaſeas von Patara gar die geſammten Delpher Hyperboreer von Urſprung.

Alkaͤos ſchilderte in einem Paͤan auf Apollon2S. das ſchoͤne Bruchſtuͤck in Proſa bei Himerios Or. 14, 10. damit ſtimmt Cicero N. D. 3, 23. vgl. Heindorf. Auf daſſelbe Gedicht bezieht ſich vielleicht Plut. de mus. 14. δῆλον ἐκ τῶν χοϱῶν καὶ τῶν ϑυσιῶν, ἃς πϱοσῆγον μετ̕ αὐλῶν τῷ ϑεῷ, καϑάπεϱ ἄλλοι τε καὶ Ἀλκαῖος ἔν τινι τῶν ὕμνων ἱστοϱεῖ., wie den neugebornen Gott Zeus mit goldner Mitra und Lyra ſchmuͤckt, und ihn auf einem Geſpann Schwaͤne nach Delphi ſendet, um Recht und Geſetz den Hel - lenen zu verkuͤnden. Apollon aber gebietet den Schwaͤ - nen, vorerſt zu den Hyperboreern zu fliegen. Als es die Delpher vernehmen, ordnen ſie einen Paͤan und Ge - ſang, ſtellen Choͤre von Juͤnglingen um den Dreifuß, und rufen den Gott von den Hyperboreern zu kom - men. Der Gott waltet ein ganzes Jahr bei jenen, und als die beſtimmte Zeit kam, daß auch die Delphiſchen Dreifuͤße toͤnen ſollten, gebot er wiederum den Schwaͤ - nen, von den Hyperboreern hinwegzufliegen. Es iſt gerade Sommermitte, in welcher Apollon ankoͤmmt; es ſingen Nachtigallen, Schwalben, Cicaden zur Ehre269 des Gottes, und ſelbſt Kaſtalia und Kephiſſos1Hier kam vor, was Pauſ. 10, 8, 5. aus Alkaͤos πϱοοίμιον ἐς Ἀπόλλωνα citirt, daß Kaſtalia ein Geſchenk des Kephiſſos ſei. heben die Wogen ihn zu begruͤßen.

Wenn Alkaͤos dieſen Paͤan, wie Pindar den ſei - nigen, dem Delphiſchen Gotte zur Darſtellung weihte: ſo durfte er ſchwerlich mehr als die oͤrtlichen Sagen ſchmuͤcken und ausbilden; war dies aber auch nicht der Fall, ſo hat er doch die Hauptſache, Apollons Ankunft von den Hyperboreern, nicht aus freier Dichtung, ſon - dern aus anerkanntem Mythus entnommen. Alles dar - in iſt bedeutſam und aus der Tiefe des Cultus ge - ſchoͤpft, auch die Zeit. Denn nach Delphiſcher Sage beſuchte der Gott jedesmal nach Umlauf der großen Periode ſein geliebtes Hyperboreervolk, um mit ihnen von der Fruͤhlingsnachtgleiche bis zum Fruͤhaufgange der Pleiaden zu tanzen und zu ſpielen; dann, wenn in Griechenland das erſte Korn geſchnitten wird, kehrt er mit der vollen reifen Aehre nach Delphi zuruͤck2Diod. 2, 47., wo nur die Periode falſch angegeben wird.. Nicht einmal das Schwanengeſpann hat er hinzuge - than. Denn was hier der Lesbier zur Aeoliſchen Lyra, das ſtellen am entgegengeſetzten Ende Griechiſcher Welt unteritaliſche Vaſengemaͤlde ſo dar, daß man zwar nicht den Alkaͤos, aber die zum Grunde liegende Sage darin erkennt, wie ſie in Kuma3Ein Kumaͤer Melanopos beſang die Ankunft der Opis und He - kaërge von den Hyperboreern in Achaia und Delos, P. 5, 7, 4., Metapont, Kroton erzaͤhlt werden mochte. Der Knabe Apollon, den Scepter nebſt einer Schale in der einen, und volle Gerſtenaͤhren in der andern Hand, welche die Opfergaben der Hyperboreer und den goldnen Sommer andeu - ten, ſitzt in ruhiger Stellung und mit milder Geberde auf einem Wagen, deſſen Achſen mit Schwanfluͤgeln270 beſchwingt ſind; Hyperboreiſche Jungfrauen mit Fackeln und Kannen zur Opferſpende geleiten ihn1Tiſchbein 1, 8, 9. mit Italinsky’s richtiger Erklaͤrung; denn Boͤttigers ſinnreiche Deutung auf Triptolemos, unterſtuͤtzt durch Vergleichung der Poniatowskyfchen Vaſe, wird widerlegt durch Tiſchb. 4, 8. vgl. 9. und Hancarville T. 3. pl. 128. Die Vaſe bei Millin 1, 46. zeigt Ap. Daphnephoros von einem Hyperboreer im Arimaspen-Coſtuͤm begleitet.. Es mag wahr ſein2Wie in den mythologi - ſchen Briefen B. 2. Br. 11. 12. 13. gelehrt wird, auf welche im Folgenden manche Bezuͤge vorkommen., daß die Schwaͤne erſt zwiſchen Homer und Heſiod zur Ehre der Singvoͤgel aufſtiegen, aber eben das geſchah ihnen als langjaͤhrigen Begleitern des Apolls. Den Schwan ſetzt ſchon die Sage von dem weißen Kyknos, Vater des Tennes, in Verbindung mit Apollon zu Tenedos; und wenn ein anderer Kyknos von Herakles im Heiligthum Apolls erſchlagen wird, ſo ſehen wir darin eine ſehr alte Verwirrung des My - thus3Ein Aetoliſcher S. Apollons Kyknos bei Anton. Lib. 12.. Beſonders gehoͤren ſie nothwendig zur Hyper - boreiſchen Sage. Der aͤlteſte Tempel von Delphi, ſo erzaͤhlten die Kuͤſter und Diener des Heiligthums, war eine niedere Huͤtte von den Zweigen des heiligen Lor - beers zu Tempe; der zweite ein Zelt, das die Hyper - boreer oder Pteras von Kreta aus Schwanenfedern und Wachs gebildet410, 5, 5.. Am Altar von Tempe fließt Peneios vorbei, deſſen ſingende Schwaͤne ein kleiner Homeriden-Hymnus erwaͤhnt521, 3.: und wenn zu glauben iſt, daß hier dies Gefluͤgel beſonders haͤufig, ſo ſieht ein Jeder leicht, wie es fruͤh in dem Cultus und der Bildnerei von Delphi eine Bedeutung erlangen konnte: da es ſich durch glaͤnzende Farbe und ruhige Haltung ſo ſchoͤn eignete zum Symbol des Apolliniſchen Weſens.

271

3.

In Delos finden wir mit lokalen Veraͤnderun - gen denſelben Grundzug der Sage1Oenomaos bei Euſeb. Praep. Ev. p. 133. Steph. eitirt aus einem angeblichen Orakel einer Weiſſagerin Aſteria, daß von den Hyperboreern die Bewohner und Prieſter von Delos gekommen ſeien.. Hieher ſollte erſtens Leto von den Hyperboreern als Woͤlfin gekom - men ſein, nachdem ſie, von der Hera verfolgt, den Weg in 12 Tagen und Naͤchten vollendet hatte2Ariſt. Hist. An. 6, 35. (29. S. 312. Schn.) Antig. Karyſt. 61. S. 111. Veckm. Schol. Apoll. 2, 124.. Dann kamen die Jungfrauen Arge und Opis mit den goͤttlichen Geſchwiſtern ſelbſt; ſie hatten zu Delos ein hohes Grab aus Opferaſche; ihre Erſcheinung feierte ein alter Oleniſcher Hymnus3Herod. 4, 35. Opis und Hekaergos nach Pſ. Platon Axioch. 371 a. Serv. Aen. 11, 858. Daß die ϑήκη dieſer Jungfrauen πϱὸς ἠῶ τε - τϱαμμένη war, zeigt daß ſie aus Kretiſcher Zeit iſt, da die Dorier ihre Todten gegen O., die Jonier gegen W. legten.. Darauf ſandten die Hyperboreer zwei andere Jungfrauen, Hyperoche und Laodike, (dieſelben Namen hatten wir ſchon oben) und mit ihnen fuͤnf Muͤnner, welche Perpherees, auch Amallophoroi, Ulophoroi4S. Porphyr. de abstin. 2, 19. vgl. Rhoer zur Stelle und Spanh. Kallim. Del. 283., heißen, weil ſie in Wai - zenſtroh gewickelte Heiligthuͤmer brachten, die im We - ſentlichen nichts anders bedeuten, als das χυσοῦν ϑέ - ρος der Delpher. Die Perpherees hatten in Delos große Ehren, und auf die Graͤber der geſtorbenen Jungfrauen legten die Deliſchen Maͤdchen vor der Hei - rath eine Spindel, die Juͤnglinge einen jungen Zweig, beide mit Haarlocken umflochten. Was aber die Hy - perboreerinnen brachten, war eigentlich ein Tribut zur Loͤſung eines Geluͤbdes fuͤr die Geburt der Goͤtter an Eleithyia. Dieſe Sendungen dauerten nun nach Deli - ſcher Sage fort. Die Hyperboreer uͤbergaͤben ſie den272 naͤchſtanwohnenden Skythen, und von dieſen wanderten ſie durch eine Kette benachbarter Voͤlker an das adria - tiſche Meer, uͤber Dodona1Dodona Hyperboreiſch nach Etym. M. Δωδωναῖος., durch Theſſalien, Euboͤa, uͤber Tenos und kaͤmen mit Floͤten, Syringen, Kitharn begleitet2Plut. de mus. 14. nach Delos3Nach Herod. Kallim. Del. 281. vgl. Plin. H. N. 4, 26. Mela 3, 5. Salmaſ. haͤlt die Gaben fuͤr ϑυμάτων ἀπαϱχαὶ, prosiciae hostiarum, nach Mela, aber es ſind ohne Zweifel primitiae frugum, Excerc. Plin. p. 147.. Unmoͤglich iſt alles dies bodenloſe Dichtung; ohne Zweifel liegt ein ehemals wohl durch Opferſendungen bethaͤtigter Zuſammenhang mit den Urſitzen des Cultus im Norden Theſſaliens zum Grunde4Auf den Weg kann man kein Gewicht legen, da Pauſ. 1, 31, 2. einen ganz andern nennt, der Attika beruͤhrt, wo auch Ge - braͤuche oder Heiligthuͤmer, τὰ ἐξ ᾽ϒπεϱβοϱέων waren. Chryſoſt. Epist. ad Tit. Rom. 3. T. XI. p. 744 e. Montfaucon. S. unten §. 6.. Wie in Delphi, erzaͤhlte man auch hier wohl von Beſuchen des Gottes bei den Hyperbo - reern, an deren Stelle indeß gemeinhin Lykien geſetzt wurde5Heyne Exc. ad Aen. 4, 2. Auch nach Delos kommt er im Fruͤhjahr.. Auf einem Vaſengemaͤlde ſieht man den Gott mit der Kithar in der Hand neben der beruͤhmten Palme herabſchweben; eine Jungfrau als Darſtel - lung eines ganzen Chors empfaͤngt ihn mit Geſang zum Saitenſpiel6Tiſchb. 2, 12. vgl. die Muͤnzen von Chalkedon bei Vaillant und Theupoli. Den Commentar giebt Kallim. Apoll v. Auf..

Als das Peloponneſiſche Heiligthum zu Olympia in Verbindung mit Delphi trat: fanden ſich auch hier Sagen von dem Hyperboreerlande, als der Heimat des wilden Oelbaums im Haine des Zeus ein, deren Zuſammenhang wir unten beſſer bei Herakles eroͤrtern.

273

4.

Soviel uͤber das Lokal, wo die Hyperboreerfabel wirklich exiſtirte und ſich erhalten hat; wir kommen nun zu dem, in welches Sage und Dichtung das hei - lige Volk ſelbſt hinaufſchiebt. Der Name an ſich iſt die Hauptquelle. Er bezeichnet erſtens ein noͤrdli - ches Volk: weil vom Norden der Dienſt des Gottes herabkam. Man kann dabei an die Gegend von Tempe denken, was der alten einfachen Beſchraͤnktheit der Sage am angemeſſenſten: will man kuͤhnerer Vermu - thung Raum geben, ſo erinnere ich an die Illyriſchen Hylleer, deren Verwandtſchaft mit den Doriern und dem Apollodienſt ich oben nachgewieſen1So der treffliche Bayer de Hyperboreis. Commentr. Petrop. T. 11. p. 334., der uͤberhaupt die noͤrdlichen Griechen am Pontos und Adriat. Meer darunter verſteht; die Etrusker von Spi - na Voß mit Beziehung auf Dion. Hal. Arch. 1, 18.. Sonſt laſſe man ſich das ideale Bild genuͤgen, womit Sophokles2bei Str. 7, 204. uns

Jenſeits des Pontos zu dem fernſten Erdenland,
Thorweg des Uranos und Quellenborn der Nacht,
Und Phoͤbos alten Garten

entfuͤhrt. Aber die Hyperboreer wohnen zweitens uͤber dem Boreas, damit das gluͤckſelige Volk der kalte Nordwind nicht treffe, ſo wie nach Homer das Haupt des Olympos, weil es uͤber den Schneewolken ſich erhebt, nie Schnee umſtoͤbert, ſondern ewig milde Heitre umgiebt.

5.

Mehr gehoͤrt kaum zur urſpruͤnglichen Vorſtellung des Fabelvolks; aber damit unbegnuͤgt wetteiferten Dich - ter und Erdbeſchreiber, dem ideellen Volke in der Reihen - folge der Nationen ein beſtimmteres Lokal auszumitteln. Und dies zwar auf doppelte Weiſe, entweder in den Weſtgegenden oder am Nordrande der Erde.

Pindaros, der doch weder zu Schiffe noch zu Fuße den wunderbaren Weg zu ihnen aufzufinden moͤg -II. 18274lich haͤlt1P. 10, 29., laͤßt indeß den Perſeus ihnen auf dem We - ge von Griechenland nach Libyen im Abend Europa’s begegnen2P. 10, 47. vgl. Heyne S. 168. O. 8, 47. ſcheint die Vorſtellung etwas anders., und den Herakles dieſelben an den ſchat - tigen Quellen des Iſtros beſuchen, der nach alter Vor - ſtellung ganz Europa von Abend nach Morgen durch - ſtroͤmt. Wie kamen ſie, muß man fragen, in eine Gegend, die dem Namen und folglich der urſpruͤngli - chen Idee derſelben widerſpricht? Hatten etwa Phokaͤi - ſche Schiffer in Suͤd-Spanien Voͤlker gefunden, wel - che Hyperboreiſcher Gluͤckſeligkeit und Apolliniſcher Hei - terkeit theilhaft ſchienen? wie wirklich Skymnos die Gaſtlichkeit und Muſikliebe der Kelten mit ſonſt von den Hyperboreern geltenden Ausdruͤcken preist3V. 182.. Oder zogen die Schwaͤne, deren Trauer - und Todesgeſang am Heſperiſchen Eridanos und in Ligyen vielleicht ſchon ein Heſiodiſches Gedicht erwaͤhnte4bei Hygin 154. Vielleicht aber auch erſt Pherekydes., auch die verwand - ten Verehrer des Gottes in dieſelben Gegenden nach ſich?5S. Voß zu Virg. Landbau 2. S. 381. Weltkunde (Jenaer LZ. Quartal 2. S. 20. 29 ff. ); uͤber die Greiſe (ebd. Qu. 4.), deſſen Meinungen Uckert Geogr. 2. S. 237. gaͤnzlich beitritt..

Vielleicht, oder vielmehr wahrſcheinlich nicht. Denn haͤtte ein Schiffer ein Geruͤcht nach Griechenland zuruͤckgebracht, daß er das heilige und fromme Volk des Nordens geſehn, der Eindruck davon waͤre uns ohne Zweifel zugekommen. Auch ſetzt es ja Niemand in befahrne und bereiste Gegend; die eben angefuͤhrten Stellen ſprechen deutlich gegen eine ſolche Vorſtellung. Vielmehr ſcheint die Veranlaſſung dieſer Lokaliſirung in Weſten einzig in den Herakleen zu liegen. Dieſe ver - banden die Olympiſche Sage von der Wanderung des275 Herakles in die Heimat des Apollon und des Oleaſter mit deſſen Abentheuern in Erytheia und bei den Heſpe - riden, die ſchon in Abend fixirt waren, Herakles ſollte alles zuſammen auf einem Wege vollenden, ſo kamen die Hyperboreer in dieſelbe Himmelsgegend1Ein Fragm. von Steſichor. Geryonis erwaͤhnt einen Lor - beerwald der Inſel Erytheia gegenuͤber, wahrſcheinlich traf He - takles da die Hyperb. vgl. Apollod. 2, 5, 11.. Und ſo geſchah es, daß man ſie auch nach Italien oder in die Umgegend verſetzte2S. Voß mythol. Br. 2. S. 151. Die heilige Alpenſtraße bei Ariſtot. Mi - rab. Ausc. p. 706. Caſaub. iſt eine daraus abgeleitete Dichtung..

6.

Aber aͤlter iſt gewiß die andere Lokaliſirung der Hyperboreer oberhalb Skythien. Herodot fand ſie in dem Gedichte Arimaspeia des Prokonneſier Ariſteas, in welchem Ideen des Cultus mit dunkeln Nachrichten vom Norden der Erde vermiſcht waren3Herod. 4, 13.. Er kam vom Anhauch des Apollon gefuͤhrt (φοιβόλαμπτος) durch Skythien zu den Iſſedonen4Dieſe nennt zuerſt Alkman, aber Ἀσσέ - δονες. Steph. B. s. v. Ἰσσηδ. Er erwaͤhnt auch ſchon die Rhi - paͤen, Schol. Soph. Oed. Kol. 1312., den einaͤugigen Arimaſpen, den goldbewachenden Greifen, und ſo zu - letzt zu den Hyperboreern, die ans jenſeitige Meer, den alten Okeanos, reichten. Die Sagen von jenen Wanderungen hatte der Dichter auf keinem andern Wege erhalten koͤnnen, als woher ſie Herodot hat; nemlich von den Hellenen am Pontos und Boryſthenes und durch dieſe von den Skythen; was haͤtten wir fuͤr Grund, das Skythiſche Etymon von ἂριμα σποῦ, Einauge, zu laͤugnen; die Delier in Cherſoneſos Tau - rike5Skymn. Ch. Fragm. 78. p. 47. Hudſ. und die Mileſiſchen Colonieen, denen der Didy - maͤiſche Dienſt vaͤterlich war, die Phanagorier, Bory -18 *276ſtheniten, Pantikapaͤer1Muͤnze von Pantikapaͤon: ein Greif auf eine Aehre tre - tend (χϱυσ. ϑέϱος) mit einem Pfeil im Schnabel (vgl. die Fabel von Abaris)., moͤgen ſie zuerſt ausgebildet haben; von ihnen kamen ſie zu den ebenfalls Mileſi - ſchen Prokonneſiern in der Propontis. Die Greifen wurden als wunderbare Fabelweſen ſchon in Heſiodi - ſchen Gedichten genannt2Schol. Aeſch. Prom. 803. Greife kamen zuerſt, ſo viel wir wiſſen, in der Kunſt vor, an dem Keſſel, den die Samier Ol. 38. in ihr Heraͤon weihten; dann in dem Hofe des Skythiſchen Koͤnigs, Her. 4, 79. Vgl. uͤber die Kunſtdarſtellungen beſon - ders Millin Mon. ined. T. 2. p. 129. Boͤttiger im N. Teutſchen Merkur 1792. T. 2. N. 6. S. 143. Rhode’s Anſicht: die heil. Sage der Perſer, S. 226. ſcheint mir nicht ganz vom rechten Standpunkte gefaßt., aber ihre aus Adler und Loͤwen zuſammengeſetzte Geſtalt moͤgen ſie doch erſt durch die ſpaͤter eintretende Bekanntſchaft mit dem innern Orient erhalten haben. Wir ſehen an den Sei - tenpfoſten der Pforten von Perſepolis den alten Achaͤ - menes, wenn man will, im Kampfe mit einem Loͤwen - adler, der dem Greife ſehr nahe kommt: Perſiſche und Babyloniſche Tapeten mit dieſer und aͤhnlichen Arabes - ken kamen uͤber Milet fruͤh in alle Gegenden Griechen - lands; ſo verſchmolz das Orientaliſche Gebilde mit der nordiſchen Phantaſie. Mit den Arimaspeen ſtimmt in der Anordnung der fabelhaften Nordvoͤlker der alte Damaſtes uͤberein3bei Steph. B. ῾ϒπεϱβόϱεοι, Uckert Damaſtes S. 48.: Ueber den Skythen die Iſſedo - nen, dann die Arimaspen, dann die Rhipaͤengebirge, von denen Boreas blaͤſt, und jenſeits am andern Meere die Hyperboreer4Die beiden letzten Punkte nennt auch Hellanikos bei Klem. Al. Str. 1. S. 305. Sturz S. 132. Spaͤtere Zeugen fuͤr daſſelbe uͤbergehe ich.. Ohne Zweifel dachte er ſich die Iſſedonen mit den daran haͤngenden Gegenden noͤrdlich vom Pont Euxin, und eher etwas oͤſtlich von Griechen -277 land1Her. 4, 25.. Und zwar konnten weder Iſſedonen noch Ari - maſpen noch Greife nach Weſten verſetzt werden, weil ſie durch die Skythiſche Sage im Norden feſtgehalten wurden2Die von Voß ſelbſt aufgefuͤhrten Stel - len geben den Beweis. Des Antimachos S. 111. Schellenb. und vielleicht des Pherenikos von Herakleia (Sch. Pind. O. 3, 28. vgl. Sch. Kall. Del. 291.) Identificirung der Hyperboreer und Arimas - pen iſt kein Gegenbeweis.. Ganz etwas anderes iſt es mit den Hy - perboreern und den Rhipaͤen. Von jenen wußten die Skythen nichts zu ſagen3Her. 4, 32. ᾽ϒπεϱβοϱέων δὲ πέϱι ἀνϑϱώπων οὔτέ τι Σκύϑαι λέγουσι ὡς πεϱὶ μουνοφϑάλ - μων λέγουσι., und auch dieſe ſind reingriechiſche Dichtung, da ſie von den aus einer Hoͤle hervorſtroͤmenden Orkanen (ῥιπαῖς) den Namen haben, die ſie den Hyperboreern abwehren, den ſuͤdli - cheren Anwohnern zuſenden. Daher konnten die Rhi - paͤen ſehr gut, von den Arimaspen losgeriſſen, mit den Hyperboreern nach Weſten wandern, wohin ſie zwar ſchwerlich ſchon eine alte Heraklee, aber doch Poſidonios, Protarchos4Athen. 6, 233 d. Steph. ῾ϒπδϱβ. und die Orphiſche Argonau - tik ſetzen, ſo daß ſie bald mit Alpen, bald Pyrenaͤen in ein Bild zuſammenfließen. Was zuletzt noch die Frage betrifft, wo die irrende Jo in Aeſchylos Prome - theus

Kronions ſcharfgezahnte, ſtumme Hunde trifft,
Graunhafte Greifen, auch der Arimaspen Heer,
Einaͤug’ge Roßheſchreiter, ſo goldrollende
Plutonsgewaͤſſer rings umwohnen:

ſo kann hier, da eine Analyſe der Stelle dem Gegen - ſtande zu fern abliegt5Nur bemerke ich, daß Voß, auch von Uckert angenommene, Conjectur, Κυνήτης fuͤr Κισϑήνης, genugſam widerlegt wird durch den Vers des Kratinos bei Harpokr. Κισϑήνη, bloß die Ueberzeugung geaͤu - ßert werden, daß in dieſer Stelle nur an den entfern -278 ten Oſten gedacht werden kann: vielleicht daß der Dich - ter hierin ſchon Ruͤckſicht nahm auf Perſiſche Fabeln, wie ſie ſpaͤter Kteſias aufzeichnete, von aͤhnlichen Un - geheuern, die in den Gebirgen Hochaſiens das Gold der Kluͤfte bewachen und vertheidigen.

7.

So willkuͤhrlich hierin der Dichtung zu ſpielen ver - goͤnnt war: mit ſolcher Uebereinſtimmung wird allge - mein der ethiſch religioͤſe Begriff der Hyperboreer feſt - gehalten. Sie werden vorgeſtellt als ein gerechtes Volk, das ſich der Thierſpeiſe enthaͤlt, und in ſteter Heiterkeit dem Dienſte des Gottes ein tauſendjaͤhriges Leben lebt1Hellanik. a. O. Simonides und Pindar bei Str. 15. p. 1038 b. Aeſchyl. Choeph. 371..

Nimmer weilet die Muſe
Von ihren Weiſen entfernt. Umher ſchwebet der Jungfrauentanz,
Und Lyra ertoͤnt und der Floͤt aufjauchzender Laut.
Mit goldprangendem Lorbeer lockiges Haar flechtend feiern ſie
Feſtmahl in Heiterkeit.
Nicht Siechthum noch Greiſenalter, das kraftloſe, naht
Dem geliebteſten Volk. Von Muͤhn wie von Fehden fern
Leben all und entgehen
Der ſtrengen Nemeſis Zorn
2Pind. P. 10, 37.
2.

Von ihren Feſten, die man ſich unter freiem Himmel dachte3Vgl. die αἴϑϱια στέφη. Suid. s. v. στέφος τὰ ἐξ ῾ϒπεϱβο - ϱέων κομιζόμενα, ὡς ἀεὶ ἐν ὑπαίθϱῳ τιϑέμενα. vgl. Kratinos bei Heſych. Lex. Bekk. p. 355. vgl. Classical Journ. N. 12. p. 369., erzaͤhlte Hekataͤos von Abdera, daß dieſelben drei rieſengroße Boreaden feierten, in deren Saiten - ſpiel und Chorgeſang unendliche Zuͤge von Schwaͤnen einſtimmten4bei Aelian N. A. 11, 1. vgl. Creuzer Hist. frgm. p. 85. Dieſer Hekataͤos glaubte noch an die geographiſche Exiſtenz der Hyperboreer, Sch. Apoll. 2, 675. Steph. B. Καϱαμ - βύκαι.. Aber das ſeltſamſte davon berichtet279 Pindar, daß dem Gotte dabei ganze Hekatomben von Eſeln geopfert wurden1Vgl. Kallim. Fragm. Bentl. 187. Boͤos und Simmias ̓ν Ἀπόλλωνο bei Anton. Lib. 20. Tzetz. Chil. 7, 144. V. 677. (vgl. Brunk Anal. T. 2. p. 525.) Gesner Comt. Soc. Gotting. T. 2. p. 33.; es iſt wahrſcheinlich, daß hiebei die oͤfter vorkommende Anſicht des Opfers zu Grunde liegt, wonach feindliche, den Goͤttern verhaßte Thiere an ihren Altaͤren bluten muͤſſen. Sehr lebhaft erinnert endlich an die Thargelien-Gebraͤuche und den Leukadiſchen Sprung, was von dem Lebensende der Hyperboreer erzaͤhlt wird: wie ſie, von langem Leben geſaͤttigt, mit Kraͤnzen umwunden ſich von einem Fel - ſen in das Meer ſtuͤrzen2Mela und Plin. a. O. vgl. Hellanik. a. O..

280

5.

1.

Dieſe Sagen leiten uns durch ſich ſelbſt zu dem Verſuch, die Bedeutung und den Charakter des Cultus aufzufaſſen.

Zuvoͤrderſt wiederholen wir ein Reſultat, welches die vorhergehende Unterſuchung mit voͤlliger Evidenz gewaͤhrte. Naͤmlich daß der Apollon von Tempe, Py - tho, Delos, Kreta, Lykien, Troja, Athen, dem Pe - loponnes ein und derſelbe Gott iſt, nicht eine Com - bination mehrerer in einem Namen, wie ſie die Ge - ſchichte des griechiſchen Cultus ſonſt oͤfter darbietet. Wir erkannten dies eben ſo an geſchichtlichen Nachrich - ten von der Gruͤndung der einzelnen Heiligthuͤmer, als an Merkmalen anderer Art, wiederkehrenden Namen, Symbolen, Gebraͤuchen. Ueberall fanden ſich unge - ſucht die Namen Lykios und Lykia, Delphinios und Pythios, die Orakel und Sibyllen, die Reinigungen und Suͤhnungen, der Sprung vom Felſen, die Men - ſchenzehnten, der goldene Sommer und die frommen Oblationen, der Lorbeer, die Hyperboreerſage und die Ennaeteris mit einer einleuchtenden Nothwendigkeit wieder. Darum ſind Cicero’s ſondernde Theologen1de N. D. 3, 23. zu tadeln, welche den Atheniſchen, Kretiſchen und Hyper - boreiſchen Apollon zu ſcheiden ſuchten, wie uͤberhaupt281 die Principe ihres Verfahrens im Ganzen auf Will - kuͤhrlichkeit beruhten.

2.

Dagegen hatten ſie gute Gruͤnde, wenn ſie vier - tens den Arkadiſchen Apollon Nomios abſonderten, obgleich ſie deſſen Namen von den Geſetzen ableitend1So auch Etym. M. νόμοι κιθαϱ. p. 607. Von der Mu - ſik Schol. Pind. N. 5, 42. Prokl. Chreſtom. (p. 382, 13. bei Gaisfords Hephaͤſtion). nicht den aͤlteſten Quellen folgten. Denn die richtige, Anſicht giebt ohne Zweifel Pindar2P. 9, 64. Boͤckh Explic. p. 324. vgl. Schol. Apoll. 2, 500. Athenag. depr. 14. wo fuͤr Χῖοι Κεῖοι zu ſchr., indem er den Ariſtaͤos zugleich Zeus und heiligen Apollon, einen Schirmer der Heerden, Jaͤger und der Weidungen Hort nennt. Von Ariſtaͤos aber habe ich im erſten Bande3S. 348. gelehrt, daß er nebſt ſeinem Sohne Aktaͤon eine alte Gottheit der Urbewohner Griechenlands war, welche, den ſegnenden Kraͤften der Natur vorſtehend, Ackerbau und Weide beguͤnſtigt, ſengender Hitze wehrt, milde Eteſien herbeibeſchwoͤrt, Jagd und Bienenzucht liebt. Seine Hauptſitze ſind die Ebene am Pelion und bei Jolkos, von wo ihn Kyrene empfing, das fruchtbare Thal von Theben, Parrhaſia in Arkadien4Der Ap. Parrhaſios am Lykaͤon (Pauſ. 8, 38, 2.) iſt urſpruͤnglich der Nomios. und die Parrhaſiſche Inſel Keos, wo ſein Cultus mit alten Beobachtungen des Sirius verbunden war, aus denen fuͤr die Temperatur des kommenden Jahrs geſchloſſen wurde5Cic. de div. 1, 57, 130. aus Herakl. Pont. Auf den Muͤnzen von Keos u. der St. Karthaͤa daſ. ſieht man den baͤrtigen Kopf des Ariſtaͤos, und ein großes Geſtirn, entw. allein oder die Protome eines Hun - des umgebend, offenbar den Sirius. Wie kann nun aber Payne Knight Symbol. lang. §. 124. (und mit ihm Creuzer 2. S. 134.) hierin ein Symbol des Ap. Lykios ſehn? Soll etwa Apoll zugleich ein Sirius ſein?. Seine Genealogieen richten ſich nach dem282 Orte der Verehrung1S. Sch. Apoll. 2, 500. zum Theil aus Bakchylides Pherek. Sturz 32. S. 159.. Ein Sohn der Erde vom Ura - nos oder des Paͤon konnte er uͤberall mit Fug heißen, Cheiron nannte man ſeinen Vater am Pelion, Kary - ſtos auf Keos2vgl. Herakl. P. Polit. Keos., Apollon und Kyrene hießen ſeine El - tern in der gleichnamigen Stadt3Auch Agreus heißt S. Ap. und der Kyrene, Etym. M. Juſtin. 13, 7. emd. Orchom. S. 347, 1. Ueber Ap. Agreus ſ. Aeſchyl. bei Plut. Erot. 14. vgl. Pauſ. 1, 41.; er iſt Ariſtaͤos; Apollod. (bei Heſych Ἀγϱεύς) erklaͤrt ihn fuͤr einen Attiſchen Pan. vgl. Liebe Gotha num. p. 309. Ἔναγϱος Ἀπ. ἐν Σίφνῳ Heſych.. Zum Apollon wurde er durch das Ueberwiegen des Helleniſchen Cultus in Arkadien; man erinnerte ſich dabei, daß auch der Del - phiſche Gott bei Admet die Heerden geweidet, wenn nicht ſchon auf die Ausbildung dieſer Mythe die bei Pheraͤ einheimiſche Verehrung des Ariſtaͤos fruͤher ein - gewirkt hatte4Sch. Ap. 2, 514. vgl. Schol. Il. 2, 766. Nach dem Hom. Hymn. auf Hermes weidete einſt Ap. mit dem ῥάβδος τϱιπέτηλος (vgl. Euſt. zu Il. 24, 343.) die Goͤtterheerden, aber gab die βουκολίας an Hermes ab. Wie dieſer epiſche Hymnus ſich zu dem μέλος des Alkaͤos uͤber Hermes Geburt und Rinderraub (Pauſ. 7, 20, 2. Me - nand. de encom. 7. p. 48. Horaz Carm. 1, 10.) verhaͤlt, iſt noch nicht deutlich. Den letztern erzaͤhlten auch die Eoͤen (Anton. Lib. 23.).. Solche Goͤtter, welche fruͤhe in den Schatten getreten und zuruͤckgedraͤngt waren, ſchmie - gen ſich den herrſchenden Dynaſtieen auf mannigfaltige Weiſe an; und das zertruͤmmerte Ganze ſucht ein neues Leben zu gewinnen, indem es auf verſchiedenen Wegen in bluͤhende Staͤmme uͤbergeht. So machte man auch den alten Naturgott, den man Apollon Nomios ge - nannt hatte, wenig auf Conſequenz bedacht, zum Sohne des alten Silen5Klem. Alex. Protr. S. 8. vgl. Porphyr. L. Py - thag. §. 16. Cyrill gegen Julian S. 342. Creuzer in den Studien Bd. 2, S. 277., weil er den Bakchiſchen Weſen ver -283 wandt ſchien. Pythagoras Familie hatte nach einer nicht unwahrſcheinlichen Nachricht Sakra des Apollon Nomios; welchen der Philoſoph ſelbſt, mit Umdeutung der urſpruͤnglichen Bedeutung, zu Kroton als den groͤß - ten Philanthropen, den Geſetzgeber von Hellas, den Gott der Humanitaͤt empfahl1Jamblich 52.: daß er aber zu Del - phi eine Inſchrift auf ein Grab Apollons, Sohnes des Silen, geſetzt habe, iſt eine verwirrte und fabel - hafte Erzaͤhlung Spaͤterer2Porphyr. a. O. Dem Ap. No - mios iſt nach dem Theokr. Gedichte 25, 20. der Oleaſter heilig, und man hielt ihn fuͤr Urheber einer Art Epilepſie. Hippokr. de morbo sacro p. 303..

Von dem Verhaͤltniß des Karneiſchen Apoll werde ich weiter unten zu reden Gelegenheit nehmen.

3.

Noch darf nicht unbemerkt bleiben, daß auch in die Mythenreihe des Asklepios Apollon eingetra - gen wurde, aber wohl nur durch die Dichtung, die auf die Congruenz der Begriffe beider Gottheiten ge - ſtuͤtzt, ſie mit einander ziemlich fruͤhzeitig, denn ſchon die Eoͤen nannten Asklepios einen Sohn Apollons nahe zu verbinden ſuchte. Aber der Cultus zeigt nir - gends, weder in Trikka, noch Lebadeia, noch Epi - dauros, noch Kos, Apollon Paͤan und Asklepios in ſolcher Naͤhe. Nirgends finden wir beiden zuſam - men geweihte Altaͤre, Feſte, Opfer, außer etwa in einem Tempel des neuen Megalopolis. Auch folgte dies nothwendig aus der Geſchichte beider Culte. Denn der Stammvater des Asklepios, Phlegyas, und die Soͤhne des Heros bei Homer gehoͤren Volksſtaͤmmen an, die den Doriern ſowohl als dem Pythiſchen Tempel feindlich waren, und die Verbreitung der Asklepiaden - ſchulen durch Griechenland hat nichts gemein mit der Verpflanzung der Apolliniſchen Heiligthuͤmer.

284

4.

Nach dieſen Abſonderungen kehren wir wieder auf den gewonnenen Hauptſatz zuruͤck, daß es der Doriſche Stamm war, bei dem die Apolliniſche Religion die aͤl - teſte, angeſehenſte, eigentlich nationale war. Schon dieſer Punkt erlaubt uͤber den Charakter derſelben von vorn herein zu muthmaßen.

Wenn die Dorier ein thatkraͤftiger, heroiſch geſinnter Hellenenſtamm waren, ſo mußte wohl die ihnen eigen - thuͤmliche religioͤſe Empfindung eine aͤhnliche Farbe tragen. Wie ihr Leben ſtets eine gewiſſe Abneigung vor Ackerbau und harmloſer Naturbeſchaͤftigung uͤber - haupt, und dagegen ein Hinneigen zur Darſtellung eigener Kraft zeigt, ſo wird auch ihr Gott im Gegen - ſatze ſtehn gegen die Naturgottheiten ackerbauender Staͤmme, in denen die innige Beziehung des menſchli - chen Lebens zum ſegenſprießenden Acker auf eine tiefe und ergreifende Weiſe gefaßt iſt.

So wuͤrden wir ſchon von dieſem Geſichtspunkte aus der Meinung widerſprechen, daß Apoll ein Natur - gott, und zwar beſtimmter ein Sonnengott ſei. Widerlegen aber koͤnnen wir dieſelbe nicht, ohne die allerdings nicht unveraͤchtlichen Gruͤnde dafuͤr was noch nirgends geſchehen iſt mit moͤglichſter Unbe - fangenheit darzulegen. Doch uͤbergehen wir mit weni - gen Worten die Deutung der Pfeile auf Strahlen1Am meiſten ſpraͤche dafuͤr, was Apollod. 1, 9, 26. u. Aa. von Ap. Aegletes ſagen.; denn wie toͤdtet der Gott mit ſolchen den Python und Tityos? und wie waͤre die erwaͤrmende und belebende Kraft durch ein ſo einſeitiges Bild zu bezeichnen? Aber wenn wir uns das oben ausfuͤhrlich dargeſtellte Bild des von den Hyperboreern mit der reifen Kornaͤhre zu - ruͤckkehrenden Gottes vergegenwaͤrtigen, dem auch gol -285 dene Aehren als Tribut geſandt wurden: ſo fuͤhrt uns dies allerdings auf den Begriff eines Schuͤtzers des Ackerbaues1Ap. mit einem Aehrenkranze um den Kopf bei Lippert Daktyliothek 1. S. 62. N. 145. Bisweilen findet ſich auf Muͤnzen auch nur ein Getreidekorn bei Apolliniſchen Inſignien. S. Hephaͤſtia, Abdera.. Auf den Muͤnzen von Metapont ſehen wir dieſe Aehre ſehr haͤufig zuſammen mit einer Heu - ſchrecke, bisweilen mit einer Maus, die beide auf dem Nebenblatte wie herankriechend erſcheinen. Fuͤr beide iſt dieſelbe Deutung anzuwenden. Sowohl Maus als Heuſchrecke denn an die ſangreiche Cicade iſt dabei nicht zu denken ſind dem Korne ſchaͤdliche Thiere, um deren Abwehrung und Verminderung der Gott ge - beten wird. Die letztere vertrieb er nach Sage und Glauben aus Attika und aus Seleukia in Kilikien2Pauſ. 1, 24, 8. Str. 13, 613. Zoſim. 1, 57., er hieß davon bei den Aeolern Πορνόπιος, die ſogar darnach einen Monat Πορνοπίων nannten. Gleicher - weiſe war der Kretiſche Apollon Smintheios ohne Zweifel ein Vertilger der Feldmaͤuſe (σμίνθοι)3σμίνθοι ἀϱουϱαῖοι, Aeſchyl. bei Aelian H. A. 12, 15., wie ihn denn auch ſein Standbild den Fuß auf eine Maus ſetzend zeigte4Str. 13, 604. Schol. Il. 1, 89. vgl. Aelian. a. O. Tzetz. Lyk. V. 1302. Auf der Hand traͤgt Ap. die Maus auf einer Muͤnze Hadrians von Alex. Troas, Mionn. 2. p. 644. Das Vaſengemaͤlde Tiſchb. 2, 17. bezieht ſich wohl auf die heiligen Maͤuſe eines Smintheions, von denen Heraklid. Pont. bei Str. Nach Pollux 9, 6, 84. hatten die Argeier eine Maus auf den Muͤnzen (als Inſigne Apolls); Eckhel hat keine der Art, aber das Kabinet Payne Knights eine ſehr kleine alte Goldmuͤnze mit dem Typus. In Allier de Hauteroche’s Cabinet zeigt ein Nicolo transparent den auf einer Kithar ſitzenden Raben des Apoll, der im Schnabel eine Maus beim Schwanze haͤlt.; auch vor dieſen ſchuͤtzt er die frucht - ſtrotzende Kornaͤhre. Noch mehr: in Rhodos hieß er Ἐρυϑίβιος, der Abwender des Kornbrandes5Str. 13, 613., in wel -286 cher Qualitaͤt er beſonders gut in den Kreis der Trio - piſchen Gottheiten des Landes paßte, unter denen die den Eryſichthon vernichtende Deo iſt. Dies erklaͤrt ge - nugſam, warum Apollon um den Fruͤhaufgang der Pleia - den, wenn ſchon die Erndte in Griechenland beginnt, die von ihm bewahrte Aehre bringend gedacht wurde1S. oben S. 269.; dann feierte man in Griechenland das Feſt der Thar - gelien, deſſen Namen vielleicht ſelbſt die Sonnenhitze bezeichnet2Nach Welcker Nachtrag zu Schwencks etym. mythol. Andeutungen S. 341.; wenigſtens hatte auch Helios daran An - theil3Schol. Ariſt. ̔ππ. 725. vgl. oben S. 258.. Gleichzeitig mit dieſen ſind die Daphnepho - rien, die beſonders zu Theben eine offenbar aſtronomi - ſche Bedeutung hatten; ſie erinnerten an das genaue Maaß des Jahrs und den Umlauf des achtjaͤhrigen Cyclus, den wir als mit allen Apolliniſchen Hauptin - ſtituten verbunden denken duͤrfen. Gewiß aller Auf - merkſamkeit werthe Gruͤnde fuͤr eine urſpruͤngliche Iden - titaͤt des Φοῖβος Ἀπόλλων und des leuchtenden Son - nengottes.

5.

Deſſen ungeachtet ſind auch dieſe Gruͤnde nur Scheingruͤnde. Denn was erſtens den Bezug des Got - tes zum Ackerbau betrifft: ſo iſt dieſer kein anderer als zu andern Kreiſen des Natur - und Menſchenlebens, naͤmlich ein abwehrender und ſchuͤtzender. Ganz etwas anderes waͤre es, wenn Apollon als die Saat aus der Erde hervorrufend, zeitigend u. ſ. w. gedacht wuͤrde, aber davon keine Spur. So ſubſumirt ſich jener Bezug unter einen allgemeinern Begriff, wodurch der Schluß auf die Sonne aufgehoben wird. Was aber ferner die großen Feſtperioden angeht, ſo iſt de - ren Entſtehung aus dem Streben nach feſter und ſteti - ger Ordnung erklaͤrlich; ſie ergaben ſich durch Verglei -287 chung des Wiederkehrens der Mondphaſen mit den Auf - und Untergaͤngen einiger Hauptſterne, namentlich der Pleiaden; der Sonnenſtand konnte ohne mathematiſche Vorkenntniſſe dabei nicht einmal zur Berechnung die - nen. Auch ſind die Feſte des Cultus gar nicht an be - ſtimmte auffallende Epochen des Sonnenlaufs geknuͤpft; weit mehr an die Phaſen des Mondes. Denn erſtens iſt der Neumond dem Apollon heilig, und er hieß da - von ſelbſt Νεομήνιος1Philochor. bei den schol. vulg. Od. 20, 155. vgl. zu 21, 258.; dann wieder das erſte Viertel oder der ſiebente Tag, endlich auch der Vollmond (διχομηνία), dieſer namentlich in Zakynthos2Plutarch Dion 23.. Dar - um wird aber Niemand behaupten wollen: Apollon ſei ein Mondgott. Bei alledem laͤugnen wir indeß nicht, daß die Begriffe Apollons und des Sonnengottes in einzelnen Verzweigungen eine Vergleichung und Pa - rallele zulaſſen; die Quelle des aͤußern Lichts konnte Symbol des hellen Gottes ſein, deſſen Mutter Lato, die Verborgene, aͤußerlich als Nacht gefaßt werden mochte3wie bei Plut. von den Daͤdalen Fragm. 4. 5. S. 288. 89. H., etwa wie Neuplatoniker, nur zu ſublim ſagten: wie ſich die Sonne zum Auge verhalte, in welchem ſie die Kraft zu ſehen zur Wirkſamkeit bringe, ſo Apollon zum Geiſte des Menſchen und der an - ſchaubare Helios habe die Menſchen von der Erkennt - niß Apollons entfernt4Plut. de def. or. 7. 12. de Pyth. or. 12. Symp. Qu. 3, 10.. Doch iſt auch ein ſolches Verhaͤltniß durchaus ungeſchichtlich. Ein Symbol des Cultus muß aͤußerlich hervortreten, und wo waͤre dies hier der Fall? Der Sonnendienſt beſtand in Griechen - land fortwaͤhrend auf der Korinthiſchen Akropole, zu Rhodos, in Athen, wie fruͤher auch zu Kalauria und288 auf Taͤnaron, allein die Geſchichte deſſelben iſt von der des Apollocultus durchaus geſondert und ohne Zuſam - menhang mit dieſer1Aeginet. p. 27. Der Ἀπ. Ἠλεῖος zu Argos (Pauſ. 8, 46, 2.) iſt ſchwerlich ein Ἥλιος..

6.

Wie waͤre es uͤberhaupt aber erklaͤrlich, daß eine urſpruͤngliche Verbindung der Begriffe von Apollon und Sonne, wenn ſie beſtand, lange Jahrhunderte ſo ganz vergeſſen wurde? war denn das leuchtende Geſtirn des Tages ein der Betrachtung ſo leicht entſchwindender Gegenſtand? Und wie kommt es, daß die Meinung der Identitaͤt beider erſt in Zeiten aufkam, da die Griechiſche Mythologie in Glauben und Gefuͤhl fortzu - leben aufgehoͤrt hatte? Selbſt noch, als die Aegypti - ſchen Dollmetſcher den Horus zum Apollon deuteten, folgten ſie wahrſcheinlich nur der Aehnlichkeit des Er - legers des Python mit dem Baͤndiger des Baby (Ty - phon in griechiſcher Umnamung)2Der Troͤzeniſche Ὦϱος (Pauſ. 2, 30, 6.) iſt wohl ein Jahresgott und dann die Sonne, aber ὥϱα und der Aegyptiſche Horus ſind wohl ſchwerlich von dem - ſelben Sprachſtamme!. Wenn aber die Perſiſchen Mager im Apolliniſchen Dienſte Verwandtes mit ihrer Religion fanden, und Xerxes darum dem Eilande, wo die zwei Goͤtter geboren waren, Aſylie zuſicherte3Herod. 6, 97. Pſ. Platon. Axioch. 371 a. vgl. Aeſchyl. Perſ. 206.: ſo iſt dies allerdings als ein Reſultat einer nicht oberflaͤchlichen Vergleichung zu ſchaͤtzen, das wir weiter unten auch in mancher Hinſicht zu beſtaͤti - gen Anlaß finden werden; doch dachten ſie wahrſchein - lich bei Φοῖβος an Ormuzd, nicht eben an die Sonne. Erſt als die phyſiſchen Philoſophen die Goͤtter des Glau - bens zu Praͤdicaten des Νοῦς oder zu materiellen Kraͤften und Gegenſtaͤnden deuteten, ſprach man den Satz aus: Apollon ſei die Sonne. Euripides nahm289 es von ihnen auf, derſelbe, der den Zeus als Aether, Heſtia als Erde betrachtete. Im Phaethon dieſes Dich - ters klagte die Mutter des Ungluͤcklichen gegen deſſen Vater Helios: mit Recht nennt dich Apollon (Verder - ber), wer die geheimen Namen der Goͤtter kennt1Die durch Makrob. Sat. 1, 23. bekannte Stelle findet ſich jetzt in ihrem Zuſammenhange in dem aus dem Pariſer Mſpt. her - ausgegebenen Fragment., ohne Zweifel nicht etwa auf Myſterientradition, ſondern auf philoſophiſche Deutung ſich beziehend. Allgemeiner war die Meinung unter Alexandriniſchen Gelehrten ge - worden, und Kallimachos tadelt die mit Heftigkeit:

Welche Apollon noch von der allumſtrahlenden Sonne
Sondern und Artemis von ſanftſchreitender Deione
2Fragm. 48. Bentl. Derſelben Lehre folgten Apollodor (Makr. 1, 17.) und Philochoros, nach dem unter den Tritopatoren ein Helios-Apollon war. Fragm. S. 11, auch Strab. 14, 655.
2.

Bald legte man dieſe Meinung auch fruͤheren Zeiten bei, und der Verfaſſer der ſog. Eratoſtheniſchen Kata - ſterismen324. Aus Aeſchylos Baſſariden iſt blos die folgende Erzaͤhlung. vgl. Timotheos π. κοσμοποιίας bei Euſeb. Scalig. S. 4. erzaͤhlt: daß Orpheus der Thraker bei Ta - gesanbruch von den Gebirgshoͤhen die Sonne als den groͤßten der Goͤtter, den er auch Apollon genannt, an - gebetet habe4Zum Theil bezieht ſich dies auf den wirklich vorhandenen Sonnendienſt der Thraker. Sophokles Tereus bei Schol. Il. 15, 705.; was doch nicht zu dem Schluſſe be - rechtigt, daß die alten Orphiker vor Herodot Apollon und Helios ſchon identificirt haͤtten. Denn deren Sy - ſtem religioͤſer Spekulation drehte ſich hauptſaͤchlich um Bakchos, und in allen einigermaßen alten Orphiſchen Fragmenten iſt von Apollon uͤberhaupt ſo gut wie gar nicht die Rede5Die Stellen, die ihn als Son - nengott behandeln, ein Fragm. bei Jo. Diaconus und ein Hymnus, gehoͤren zum Spaͤteſten. Das Sihylliniſche Orakel bei Zoſim. 2,.

II. 19290

7.

Und ſo war Apollon wohl in keiner Ruͤckſicht eine Naturgottheit, in welcher die ſchoͤpferiſche Kraft der Natur als Weſen der Gottheit dargeſtellt wird. Alle charakteriſtiſchen Kennzeichen des Naturdienſtes laſſen ſich bei ihm nicht nachweiſen. Weit entfernt als zeu - gender und producirender Gott zu erſcheinen1Der Deliſche Ap. Ι̛ενέτωϱ hieß wohl ſo in beſtimmtem uns dunkelen Bezuge, wie der πατϱῷος, den die Orphiker bei Macr. 1, 17. auch progenitor im Allgemeinen deuteten., bleibt er unvermaͤhlt und Juͤngling, denn daß die dichteriſchen Liebſchaften mit der Nymphe des Lorbeerbaums und ſeine poetiſchen und prophetiſchen Soͤhne die Cultus - idee nichts angehen, iſt leicht einzuſehn2Merk - wuͤrdig iſt Sophokles Ausdruck, Oedip. Tyr. 1103., τις ϑυγάτηϱ Αοξίου.. In den Gebraͤuchen und Symbolen deſſelben iſt dagegen keine Spur von jener Verehrung der zeugenden Kraͤfte, wie ſie auf eine naive Weiſe im altarkadiſchen Cultus des Hermes, den Argiviſchen Mythen von Hera, den At - tiſchen von Hephaͤſtos und Athena hervortritt. Noch weiter bleibt von ihm der gluͤhende und ſich ſelbſt ver - zehrende Orgiasmus, in welchem choleriſche Voͤlker von einer Naturanſicht bewegt, die den Naturgott bald leidend und zerfleiſcht, bald ſiegend und ſtrahlend er - blickte, in taumelnder Luſt und ausgelaſſenem Toben den Jubel auszuſprechen und die Wehmuth zu erſticken ſtrebten: welche Geſtalt religioͤſer Empfindung fuͤr Griechenland die Thrakiſche Verehrung des Dionyſos darſtellt. Obgleich dieſe am Helikon und Parnaß ganz in der Naͤhe des Pythiſchen Heiligthums bluͤhte, und56., wo Ap. Helios heißt, iſt auch erſt aus Alexandrin. Zeit; ganz ſpaͤt der ſeltſame Hymnus, Brunk Anal. 2. p. 518. Auch ſind die Muͤnzen, wo Ap. Radien um das Haupt hat, ſo viel ich finde, alle erſt aus der Kaiſerzeit.291 das Lokal beider Religionen mannigfach ineinander greift1S. Bd. 1. S. 383. vgl. Schwarz Miscell. polit. hu - man. p. 89. Creuzer Symb. 3. S. 166.: ſo blieben die Culte ſelbſt in genauer Sonde - rung, wenn auch wieder auf der andern Seite die An - nahme von Religionskriegen durchaus unbegruͤndet ſcheint.

Dieſe Saͤtze haben blos den Zweck, den Leſer un - befangen und empfaͤnglich zu ſtimmen fuͤr die nachfol - gende Unterſuchung: in der wir, mit voͤlliger Anerken - nung der Prioritaͤt des Cultus, deſſen ungeachtet von der anſchaulichern und verſtaͤndlichern Darſtellung des Dichters ausgehen wollen.

19 *292

6.

1.

Homer kennt, wie wir geſehen haben, theils durch Anſchauung, theils von Hoͤrenſagen, recht genau den Kretiſchen Dienſt in Smintheion, Pergamon, in Ly - kien am Ida und Kragos, das reiche Pytho und den Deliſchen Palmbaum. Aber ſeine Darſtellung wird dadurch nicht wenig bedingt, daß der Gott als Freund der Troer und Feind der Achaͤer auftritt, obgleich auch dieſe ihn darum nicht minder mit Opfern und Paͤanen verehren. Doch zeigt er ſich ihnen mehr von der fin - ſtern als hellen Seite. Scheuet den Sohn des Zeus, ruft der Prieſter von Chryſe den Griechen zu. Wie Nachtgrauen wandelt er her, von den Schultern raſſeln die ſicher und toͤdtlich treffenden Pfeile. Er ſtraft durch ploͤtzliche Krankheit und ſchnellhinraffende Seuche und uͤberhaupt ſolchen Tod, deſſen Urſache und Anlaß nicht deutlich am Tage liegt: doch ſendet er auch bisweilen den Tod als Segnung1Od. 15, 402. vgl. 3, 280. 11, 171. Il. 24, 759. Frauen toͤdtet Artemis fuͤr ihn, wie bei Pind. P. 3, 10. Vgl. uͤber Ap. und Art. als Todesgoͤtter Naſt Opuscc. lat. P. 2. 11. 12. p. 293 sqq. . Seine Pfeile treffen aus der Ferne, weil unvorhergeſehn und unerwartet: er iſt der Ferne, Fernwirkende, Ferntreffende (Ἕκατος, Ἑκάερ - γος, Ἑκηβόλος, Ἑκατηβελέτης, Ἀφήτωρ); ſeiner goͤtt -293 lichen Rache iſt nichts unerreichbar. Er iſt ein furcht - barer Gott, wie er von den Zinnen der Burg herab die Troer mit lautem Schlachtgeſchrei zum Kampfe treibt1Il. 4, 508. 7, 21., und ihnen als λαοσσόος, eine Wolke um die Schultern und die Aegis in der Hand, vorſchreitet215, 308. 16, 703., an Kriegsgewalt Ares3vgl. Pind. P. 4, 86., obgleich uͤber deſſen ſtuͤrmi - ſchen Trotz hoch erhaben. Den verderblichſten Gott nennt ihn Achilleus, dem er freilich beſonders feindlich iſt. Selbſt wenn er unter den Goͤttern erſcheint, zit - tern Alle im Hauſe des Zeus vor ihm und fah - ren von den Sitzen; nur Leto freut ſich, daß ſie einen ſtarken und bogentragenden Gott geboren hat4Hom. H. auf Ap. Del. 13..

Es iſt auffallend, mit welchem ſtrengen Ernſt Ho - mer, der doch ſonſt die Gottheiten und beſonders die Freunde der Troer mit parodiſcher Leichtfertigkeit dar - ſtellt, den Charakter des Apollon auffaßt. Nie zeigt er ihn von blinder Leidenſchaft ergriffen. Auch die Griechen feindet er nicht grundlos und nach Willkuͤhr an, ſondern nur, wenn ſie das heilige Recht des Prie - ſters und Flehenden verletzen, oder in ſchrankenloſem Uebermuth uͤber alles Maaß hinausgehn. Aber als die Goͤtter ſich ſelbſt entzweien und in Kampf treten: vermeidet er, von Leidenſchaft unbewegt, den Streit, und redet von der Vergaͤnglichkeit der ſchnell aufbluͤ - henden und bald hinwelkenden Menſchengeſchlechter in einem Tone, der den Pythiſchen Orakelgott bezeichnet5Il. 21, 464. vgl. 24, 40. οὕτ̕ ἄϱ φϱένες εἰσὶν ἐναίσιμοι.. Ein aͤhnlicher Geiſt wehet in den Worten, mit denen er den tollkuͤhnen Diomedes zuruͤckſcheucht, nicht gleich ſei der unſterblichen Goͤtter Geſchlecht und der niedrig wandelnden Menſchen. So verwaltet Apollon hier294 den Dienſt der den Uebermuth niederbeugenden Neme - ſis. In demſelben Sinne verderbt er die ſtolze Mutter Niobe1Il. 24, 606., die unbaͤndigen Aloiden2Od. 11, 517., die Goͤtterfeinde Python und Tityos. Beſondere Gruͤnde hiſtoriſcher Art veranlaſſen ſeinen Kampf mit Eurytos von Oecha - lia, und mit Phorbas dem Phlegyer, dort naͤmlich die Feindſchaft der Dorier und Oechalier, hier des Pythi - ſchen Heiligthums und der Phlegyer. Den letztern uͤber - windet er im Fauſtkampfe, den erſtern im Bogenſchuſſe, zu dem Eurytos alle Goͤtter herausgefordert hatte3, 227.. So verleihet er uͤberhaupt den Fauſtkaͤmpfern Gluͤck4Il. 23, 660. daher wohl mit Hermes auf einem Altar zu Olym - pia. Auch zu Delphi als πύκτης, zu Sparta und in Kreta δϱο - μαῖος. Plut. Qu. Symp. 8, 4. p. 362., und iſt beſonders bei den jagdliebenden Doriern ein Vor - ſtand der Bogenſchuͤtzen und Jaͤger (Ἀγϱεὺς, Ἀγραῖος, Ἀγρεύτας, Θηρείτας)5Il. 23, 872. Sophokl. Oed. Kol. 1091. Daher zaͤhmt Ap. die Kaſtoriſchen Hunde, Pollux 5, 5, 39. Daß Ap. Agreus auch mit Ariſtaͤos zuſammenfaͤllt, ſ. S. 282., weil der kaͤmpfende Gott auch gymnaſtiſch und kriegeriſch ausgebildet ſein muß nicht etwa umgekehrt.

2.

Wir wollen die Idee des raͤchenden und ſtrafenden Apollon, wie ſie Homer anregt, noch bei andern Dichtern und in Cultusmythen nachweiſen. Sehr ausdrucksvoll ſagt Archilochos:

O Fuͤrſt Apollon, ſchaͤd’ge du die Schuldigen,
Vernichte ſie, ſo wie du zu vernichten pflegſt.
6Fragm. 4. bei Macr. S. 1, 17.
6

und mit einer deutenden Anſpielung auf den Namen Aeſchylos: Ἀπόλλων ἀπώλεσας7Agam. 1091. Auf dieſelbe Ableitung deutet Platon Kratyl. 405. und Eurip. Phaeth. a. O., die indeß ſchwerlich zur Meinung berechtigen kann, der Name Apollon295 komme wirklich von ἀπολεῖν her1Hermann uͤber das Weſen der Mythol. S. 107.. Denn dann wuͤrde, in einem Falle, die Hauptſache, das was er vernich - tet, fehlen: oder wollte man, im andern, den Begriff des Vernichters abſolut faſſen: ſo iſt dieſer voͤllig un - geeignet, die Natur eines goͤttlichen Weſens, von wel - cher Art immer, zu bezeichnen. Apollon toͤdtet und ſchlaͤgt, indem er ſtraft. Zu Megara ſah man das Grabmal des Koroͤbos, welcher die Poine getoͤdtet hatte, die der Gott nach dieſer Stadt geſandt, um eine Schuld der Eltern durch Tod der Kinder zu ſtra - fen2Pauſ. 1, 43, 7. Anthol. Palat. 7, 154. Auf einer Muͤnze von Pruſia hat Ap. eine[Peitſche] in der Hand, (Mionnet Descr. 2. p. 482.). Nach dieſer That mußte Koroͤbos einen Drei - fuß von Pytho holen, und ihn ſo lange tragen, bis er nieder fiel; da ſtand Tripodiskos mit einem Tempel des Gottes. Aus dieſer Idee erklaͤrt ſich der Gebrauch, daß manche Strafgelder (ἱεραὶ ϛημίαι) zu Korinth, Patara, Amphipolis3Herod. 3, 52. Walpole Trav. p. 541. In einer aſiat. Inſchr. des Cod. Sherard. heißen dieſe Strafgelder ἱεϱαὶ δϱαχμαί. in die Tempel Apollons einge - liefert werden mußten, welcher dadurch gewiſſermaßen ſelbſt als Vollſtrecker des Urtheils erſcheint. Auf ſein Amt der Blutrache deutet Aeſchylos4Agam. 55., wo er Apollon, Pan und Zeus als Goͤtter nennt, die die Erinnys ſen - den: Zeus als Weltherrſcher, Pan als geiſtesverwir - reuden Daͤmon, Apollon als Strafgott. Darum hat - ten die Roͤmer nicht ganz Unrecht, die in einem Bilde des Gottes Vejovis, das mit Pfeilen ausgeruͤſtet war, den Apollon dargeſtellt glaubten5Gellius 5, 12.; verwandt iſt wenig - ſtens der Apollon καταιβάσιος der im Blitze nie - derſteigende dem die Theſſaler alljaͤhrlich eine Heka -296 tombe Maͤnner gelobten1Schol. Eurip. Phoͤn. 1446.. Bei den Doriern zu Argos opferten nach jedem Todesfalle die Verwandten ſogleich dem Apollon als einem Todesgotte; der Prieſter des - ſelben (Amphipolos) brachte es dar, zur Verbrennung der Opferſtuͤcke mußte neues Feuer angezuͤndet werden. Dreißig Tage darauf wurde dem Hermes geopfert als Seelenfuͤhrer2Plut. Qu. Gr. 24..

3.

Wenn wir ſo unſere Aufmerkſamkeit eine Zeit - lang der finſtern Natur des Apollon zugewandt haben: ſo wollten wir doch, wie geſagt, keineswegs auf die Idee eines vernichtenden Weſens hinleiten. Dieſe ab - zuwehren, erinnern wir nur an Pindars Ausſage: Beſtimmt iſt er den Menſchen zum freundlichſten Gotte3bei Plut. EI 21. p. 246. de def. or. 7. p. 309. non posse suav. 23. p. 124. Vielleicht gehoͤrt auch der Phileſios hieher., und an die im Cultus haͤufigen Namen, Akeſios zu Elis4Pauſ. 6, 24, 5. Ἀκὲστωϱ Eurip. Androm. 900., Epikurios zu Phigalia5P. 8, 30, 2. 41, 5., Alexikakos61, 3, 3. Ariſtoph. Frieden 420. vgl. Vis - conti Pio-Clement. 1. p. 27., Proſtaterios, Apotropaͤos in Athen und Ora - keln7Demoſth. Mid. 15. In - ſchr. bei Walpole Trav. p. 547. n. 38. Stuart Antiq. of Ath. T. 1. p. 25. Πϱοστάτης in den Pont. Colonieen, oben S. 225. Vgl. Soph. Trach. 208. und Hermanns Anm. S. 45. Als πϱο - στατήϱιος wird er um Abwendung naͤchtlicher δείματα gebeten, Elektra 638. Im Ajax 187. wendet er Geiſtesverwirrung, bei Eu - rip. Herc. fur. 821. die Furie ab. Πύϑιοι καὶ Σωτήϱιοι ϑεοί Delph. Inſchr. Cyriac. 196. p. 27. Murat. p. 589.. Wenn auch ein und der andere Name erſt im Peloponneſiſchen Kriege aufkam, und uͤberhaupt der beſtimmte Bezug auf koͤrperliche Uebel ſich erſt bei Pin - dar und den Tragikern findet8S. Pind. P. 5, 63. vgl. 4, 270. Ariſtoph. Plut. 8. Soph. Oed. Tyr. 149. Kallim. Apoll. 72. vgl. indeß Il. 16, 527. Λοίμιος: ſo muß doch die Grund -297 idee, die abwehrende und dadurch heilbringende Kraft des Gottes, als weit aͤlter vorausgeſetzt werden. In allen dieſen Namen wird er nicht ſowohl als Geber eines poſitiven Guts, ſondern als Schuͤtzer und Ab - wehrer gefaßt, und in dieſer Beziehung auch nach dem Orakel um Geſundheit und gutes Gluͤck angefleht1Demoſth. a. O.. An dieſe Reihe ſchließt ſich der Dienſt des Apollon Ulios und der Artemis Ulia, denen Theſeus von Kreta kommend opferte, und die ſonſt in Delos und Milet verehrt wurden2Pherekydes und Leandrios von Milet bei Macr. 1, 17. vgl. Spanh. zu Call. Apoll. 40. 46. Str. 14, 635,. Ohne Zweifel heißen ſie ſo als Heilgoͤtter, vom dem alten Stammworte, das im Gruße οὖλε uͤbrig geblieben3Buttmann Lexilog. S. 190.. Doch lag auch merk - wuͤrdiger Weiſe der entgegengeſetzte Sinn die Ver - derblichen ſehr nah, und daß man dieſen Doppelſinn nicht vermied, ſcheint mir ein Beweis, daß man ihn wollte und ſuchte.

4.

Ob es ſich nicht vielleicht gerade eben ſo mit Paean (Homer. Παιήων) verhaͤlt? Denn einerſeits bezeichnet dieſer Name offenbar einen Heilgott, und wenn dieſen Homer auch als eine beſondere, freilich ziemlich charakterloſe, Perſon, als den Arzt in der Olympiſchen Haushaltung, behandelt4S. Il. 5, 401. 899. mit Schol. Villoiſ. vgl. Od. 4, 232. Ariſtarch hielt Ap. und Paͤon auch bei Homer fuͤr identiſch, doch unterſcheidet noch Heſiod in dem Frgm. bei Euſt. Od. 4, 282. p. 1493. Schol. min. ad l. l. vgl. Hemſterh. bei Gaisf. Poëtae Gr. min. p. 551., und vielleicht noch Solon bei Brunk Anal. 1. p. 67. Paͤon wuchs ſo mit Asklepios zuſammen, vgl. die Sage Bd. 1. S. 201. N. 3.: ſo ging dieſe Abſonderung wahrſcheinlich blos von den Dichtern,8zu Lindos, Macrob. Sat. 1, 17. Medicus zu Rom ſeit 416 a. C. ̓ Ιατϱὸς Tz. Lyk. 1206. S. uͤber dies Thema beſonders Millin Mon. ined. T. 2. p. 90. auch Sprengel Seſch. der Medicin 1, 164.298 nicht vom Cultus aus, da in dieſem, beſonders beim Pythiſchen Heiligthume1Hom. Hymn. auf Ap. Pyth. Eurip. Jon 128. 140. Pin - dars Paͤan in den Frgm., ſeit uralten Zeiten der Paͤan als Geſang zur Ehre Apollons fixirt war2Prokl. bei Photios: ἰδίως ἀπέκειτο τῷ Ἀπ. κ. τῇ Ἀϱτέμιδι.. Der Geſang hat aber ſeinen Namen vom Gotte, wie an - dre Arten von Hymnen; Paͤon oder Jepaͤon heißt der Gott, dann der Geſang, endlich auch die denſelben darſtellenden und auffuͤhrenden Saͤnger3Hom. Hymn. 272. 320.. Nun wiſſen wir, daß der Paͤan urſpruͤnglich bei Nachlaß einer Seuche, ſo wie bei gluͤcklichem Ende eines Kampfes, uͤberhaupt wenn irgend ein Unheil abgewandt war, gleichſam als Reinigung von der Befleckung damit ge - ſungen wurde4Prokl. a. O. Heſych. Bei Sophokles Oed. T. 152. wird ein dem Paͤan verwandtes Chorlied angekuͤndigt: Φοῖβος σωτήϱ ϑ̕ἵκοιτο καὶ νόσου παυστήϱιος. vgl. Schol. zu V. 174. und Suid. ἰηΐων.: ein helles freudiges Lied, vor dem alle Klagtoͤne (αἴλινα) verſtummen mußten5Kallim. Ap. 21. Naͤnien und Paͤanen im Gegenſatze, Eurip. Iph. T. 183. Der Thanatos erhaͤlt keinen Paͤan, Aeſchyl. Niobe Frgm. 5. Paͤanen des Hades, der Erinnyen u. f. w. ſind ein Oxymoron. S. Monk zu Eur. Alkeſtis 436., weil es den Sieg des rettenden, heilenden Apollon feierte. Doch ſang man im Kriege außer den Paͤanen nach der Schlacht an Apollon6Vgl. die Paͤanen der Spartiaten an den Gymnopaͤdien fuͤr die Thermopylen-Schlacht. Etym. M. 243, 4. Ap. und Artemis Sie - gesgottheiten, Sophokl. Trach. 207. auch andere waͤhrend derſelben an Ares7Schol. Cantabr. ad Iliad. 10, 391.; und dem Apollon ſelbſt ſoll nach der Sage beim Kampfe mit dem Python der Chor der Delphi - ſchen Jungfrauen das Je ie Paͤan zugerufen haben8Kallim. Ap. 103. Apoll. Rh. 2, 710. vgl. Athen. 14, 701 c. Duris bei Erym. M. Ἰήἳε. Ἰἡ iſt uͤbrigens gewiß nur ὀλολυγμὸς; (Schol. Soph. Oed. T. 154.) Ap. heißt. 299Der Schlachtpaͤonismus war bei den Griechen nach den Staͤmmen verſchieden; alle Dorier, Spartiaten, Argeier, Korinther, Syrakuſer hatten denſelben1Thuk. 7, 44. vgl. 4, 43. ἐλελεῦ kam im Paͤonismus und bei der Sponde vor, Plut. Theſ. 22. wo σπένδοντες zu ſchr.. So leuchtet ein, wie auch der Begriff des Paͤan ſich nach zwei verſchiedenen Seiten kehrt, und eben ſo den ſchlagenden Gott (nach der Etymologie von παίω) als den ſchuͤtzenden und heilenden anzeigt, der von jeder Sorge und allem Leid loͤſet2Aeſchyl. Agam. 99.: ſo daß die Tragiker durch eine ſentimentale Anwendung des Begriffs auch den Tod, von dem beides gilt, Paͤan nannten3Eurip. Hippol. 1373. Aeſch. bei Stob. Serm. 121. vgl. Hermann uͤber das Weſen d. M. S. 108.. Und gerade dieſes doppelte Weſen des Gottes, vermoͤge deſſen er gleich furchtbar als Feind und heilbringend als Kampfgenoß iſt4Aeſch. Agam. 518., ſollte der Name mit erwuͤnſch - ter Ambiguitaͤt ausdruͤcken.

5.

Von einfacher Bedeutung dagegen iſt der Name des Agyieus, Agyiates (Θυραῖος)5Tzetz. Lyk. 352.. Dieſe Geſtalt des Gottes iſt den Doriern eigenthuͤmlich6Dieuchi - das Megarika bei Schol. Ariſt. Wesp. 810. Harpokr. In Tegea von Sparta aus, Pauſ. 8, 53, 1. 2., und daher in Delphi uralt7S. oben S. 268., von wo ſie indeß fruͤhzeitig, zum Theil durch beſtimmte Orakelgebote, nach Athen uͤbergetra - gen wurde8S. Demoſth. g. Mid. 15. Spald. vgl. Varro bei Porphyr. zu Hor. Carm. 4, 6, 28. ex responso sui (Pythii) oraculi in viis publicis urbis suae Athenienses statutis altaribus sacrificare. Er ſteht in Vorhoͤfen und an Thuͤren,8davon, nach der Analogie von Εὔἵος, Ἰήἵος (vom Gehen der Sonne Apollodor bei Macr. Sat. 1, 17., nach Aa. vom Heilen oder Sen - den,) wovon ἤϊος (Il. 15, 365. 20, 152. Hymn. 1, 120.) vielleicht nuv eine Synekphoneſis iſt, da auch ἰή beim Kallim. und Theokr. einſilbig vorkommt. Vgl. uͤbrigens Ilgen ad Hymn. Hom. p. 230.300 wo das Oeffentliche an das Privateigenthum graͤnzt, um Gutes einzulaſſen und Boͤſes abzuwehren; man betet zu ihm um gutes Gluͤck (περὶ τύχας ἀγαϑᾶς). Sein Zeichen oder Bild war hoͤchſt einfach; ein koni - ſcher Cippus (κίων κωνοειδής); die Alten wiſſen nicht, ob ſie es als Altar oder als Bildſaͤule betrachten ſol - len1S. Schol. Ariſt. Weſp. 870 Thesm. 496. Ritter 1317. zu Eurip. Phoͤn. 634. Harpokr. Heſych. Helladios bei Phot. C. 279. p. 1596. Plaut. Mercat. 4, 1, 9. Steph. B. s. v. ἀγυιά. ſonſt Everh. Otto de diis vialibus und Zoëga de obeliscis p. 210. Der Agyieus kommt ſehr oft auf Muͤnzen anſtatt anderer Apollin. Inſignien vor, ohne daß ihn die Numismatiker bis jetzt erkannt haben; ich finde ihn auf denen von Apollonia in Epeiros, Aptera in Kreta, Megara, Byzanz, Orikos, Ambrakia, wo er mit Taͤnien umwunden iſt.. Der Dienſt beſtand aus einer fortdauernden Beſorgung (Ἀγυιάτιδες ϑεραπεῖαι)2Eurip. Jon a. O.; man zuͤndete vor dieſen Spitzſaͤulen Weihrauch an3κνισσᾷν Ἀγυιᾶς, Demoſth. a. O. und den Engliſchen Stephanus 1, 6. p. 1048., ſchmuͤckte ſie mit Myrthenkraͤnzen, hing Taͤnien daran u. ſ. w. Dies genuͤgte den alten Doriern, und ſie beſtaͤndig an die ſchuͤtzende Gegenwart der Eottheit zu erinnern und derſelben zu verſichern. Die Athener wandten auf eine aͤhnliche Weiſe den Hermes an, der, obgleich vom Apol - lon grundverſchieden, doch hier gleiches Amt mit ihm verſieht: denn wenn der Cultus des erſtern in der That idealiſtiſch genannt werden kann, ſo iſt dage - gen im letztern die Zeugkraft der Natur auf derbſinn - liche Weiſe gefaßt. Aber der Ausdruck derſelben ſchien gleicherweiſe geeignet, an Hallen und auf Straßen, an Thuͤren und Thoren als allgemeines Zeichen des goͤttlichen Segens aufgeſtellt zu werden. Und erſt da - durch wurde Hermes allmaͤlig Gott der Herolde.

8Apollini instituerunt et Agyeum appellare. Dazu Eurip. Jon 186. (worauf ſich Euſt. Il. p. 166. Rom. bezieht).

301

6.

An denſelben Faden reihet ſich vielleicht der Name Apollon ſelbſt. Daß er einzig in der Griechi - ſchen Sprache ſeine Erlaͤuterung finden koͤnne, ergiebt ſich aus dem Vorigen als ſichere Ueberzeugung. Doch werden wir ihn nicht von dem Namen der Sonne, ΑϜΕΛΙΟΣ1Ἀβέλιος, die Kreter und Pamphylier, Heſych. Vgl. Hem - ſterh. zu Heſych. Θάβακον. Koen zu Gregor. Korinth. S. 354. Sch. βέλα ἥλιος καὶ αὐγή bei den Lakonen nach Heſych., herleiten koͤnnen, da das Digamma wohl ſchwerlich irgend in den ΠLaut uͤbergeht. Die Ablei - tung von ΟΛΩ haben wir als eine einſeitige Beziehung zu ſtark hervorhebend verworfen2Die ſcherzhafte Etymologie Platons von πολεῖν, und die alberne von - πολύς bei Cic. N. D. 2, 27. Plut. Ei 9. S. 228. (weil Ap. τὸ ἓν ſei, de Iside 76. p. 207.) vgl. Macr. Sat. 1, 17. und andere beim Etym. M. erlaͤßt man uns zu wuͤrdigen.. Wir bemerken da - gegen, daß die alte, doriſch-aͤoliſche Form des Na - mens Ἀπέλλων war3Maittaire S. 152. 264., die auch die alten Lateiner angenommen4Feſtus, vgl. Schneider Lat. Gramm. 1, 1. S. 12., und wovon der Makedoniſche und Do - riſche Monat Apellaͤos vielleicht den Namen hat. Das Theſſaliſche Ἀπλοῦν und etruskiſche Aplu ſind Zuſam - menziehungen davon. Ἀπέλλων iſt nun aber ganz ein - fach der hinwegtreibende, abwendende Gott5ἴλλω, ἔλλω, εἴλλω. Der Umlaut wie in ἐξοὐλη.; ſo ſchließt ſich der Name an die Reihe von Alexikakos, Apotropaͤos u. ſ. w.

7.

Alle dieſe Cultusbenennungen bezeichnen indeſſen nur die Thaͤtigkeit und Wirkung der Gottheit; ihrem innern Weſen dagegen fuͤhrt der Name Φοῖβος naͤ - her. Von der Grundbedeutung hell, klar, ſtrahlend (ΦΟϜΩΣ, Φοῖβος) leitet ſich die andere rein, unbe - fleckt von ſelbſt ab6Vgl. Apollon. Lex. Hom. p. 833. Vill. Schol. Apoll. 2, 301., daher φοιβάζειν, verwandt mit dem Lateiniſchen februare, ſuͤhnen. Phoͤbos iſt alſo302 der reine, fleckenloſe Gott, der oft auch mit Nachdruck ἁγνὸς ϑεός genannt wird1Aeſchyl. Ἱκετ. 222. Pind. P. 9, 66. Plut. Ei 20. S. 243. de exilio 17. S. 386. Apollo sanctus, Cic. Tusc. 4, 34. Montfaucon. T. 1. pl. 52. 11. 10. Φοιβονομεῖσϑαι ſagte man von den Theſſal. Weiſſagern, wenn ſie an den ἀποφϱάδες ἡμέϱαι einzeln lebten, Plut. Ei 20. S. 243.. Beſonders heißt er ſo, wenn er geſuͤhnt von Tempe zuruͤckkehrt2Plut. de def. or. 21.. In derſel - ben Beziehung iſt er ξανϑός, das auch rein, hell be - deutet3Theophr. v. d. Steinen 37., daher die Fluͤſſe bei Heiligthuͤmern des Got - tes in Troia und Lykien Xanthos heißen4Vgl. φοῖβον ὕδωϱ Apollon. Lex. Lykophr. 1009., und bei den Makedoniern das Suͤhnfeſt des Heeres Ξανϑικά5Sturz de lingua Ma - ced. . Der von ewiger Klarheit umgebene Gott iſt frei von Verdunkelung durch irdiſches Leid; darum verbietet Aeſchylos mehrmals ihn bei der Trauer zu nennen6Agam. 1084. 88. vgl. Eurip. Alkeſt. 22.. Die Wogen des Kokytos ſind ihm ein Graͤuel7VII, V. 696., und der Nachen Charons heißt bei dem Dichter, mit ſinn - reicher Anſpielung auf die Deliſche Theoris, ein

Schmuckloſes ſchwarz beſeegeltes Theorenſchiff,
Das nie Apollons Fuß beruͤhrt noch Sonnenſtrahl.
8V. 865. vgl. Eurip. bei Plut. Ei 20. S. 246. λοιβαὶ νεκύων φϑιμένων ἀοιδαὶ ἃς χϱυσοκόμας Ἀπόλλων οὐκ ἐνδέχεται, was Hermann in Eurip. Suppl. 999. aufgenommen.
8

Daher auch die Erklaͤrung einiger Grammatiker Apol - lon trage deswegen langes Haar (ἀκερσεκόμης), weil er von Trauer frei ſei, nicht geradezu verworfen wer - den kann9Heſych ἀκεϱσ. vgl. Creuzer Meletemm. 1. S. 31..

8.

Wir kommen jetzt zu dem raͤthſelhaften Namen des Gottes Lykeios. Es gehoͤrt zu den unbeſtreit - baren Verdienſten Creuzers, dieſen Namen zuerſt zum Gegenſtande eindringender Unterſuchungen gemacht zu303 haben. Wir trafen ihn oben zu Lykoreia auf dem Par - naß, in Lykien am Kragos, in Lykia am Ida, zu Athen, Argos, Sparta, Sikyon; er muß aͤlter ſein als die Kretiſchen Colonien in Kleinaſien, da er ſich mit dieſen verpflanzte, Homer kennt ihn wohl. Ueber - all finden wir Sagen von Woͤlfen zur Erlaͤuterung. Dem Wolfsgebruͤll folgend bauen die den Regenguͤſſen entronnenen Deukalioniden Lykoreia auf der Hoͤhe des Parnaß; als Woͤlfin kommt Leto von den Hyperboreern nach Delos, Woͤlfe fuͤhren ſie an den Strom Xanthos, Woͤlfe vertheidigen des Gottes Schaͤtze, ein Wolf von Erz lag mit alten Inſchriften bei dem großen Altare zu Delphi1Pauſ. 10, 14, 4. Die Promanteia hier angeſchrieben, Plut. Perikl. 21., und daß ein Wolf in eine Stierheerde faͤllt, veranlaßt die Verehrung des Apollon Lykeios in Argos, wo man auf dem Markte die Gruppe in Erz dargeſtellt ſah2Plut. Pyrrh. 32. Von Athen ſ. oben S. 245, 3. Ueber die Heiligkeit des Wolfs daſelbſt Schol. Apoll. 2, 124.. Minder alt iſt ſicher die Sikyoniſche Sage von dem die Woͤlfe abhaltenden Apollon, und das Epitheton Λυκοκτόνος (Lupercus) bei Sophokles und Andern3Elektra 6. vgl. Schol. und zu Aeſch. 7, 147. Plut. de sol. 9. p. 155 H. Heſych λυκοκτόνος. Pauſ. 2, 9, 7..

Nun koͤnnte man ſich an den Begriff des reiſſenden Thieres halten, mit welchem eine naive und kindliche Anſicht den ſchrecklichen Gott verglichen haͤtte, und eine treffliche Parallele wuͤrde es geben, daß bei Homer Phoͤbos die Geſtalt des taubenwuͤrgenden Habichts (ἴρηξ) annimmt, des ſchnellſten Gefluͤgels4Il. 15, 239. vgl. Anton. Lib. 28. Aelian H. A. 10, 14., und eine im Fluge kreiſende Falkenart, κίρκος, ſein ſchneller Bote heißt5Od. 15, 525. Bei Epheſos auf einer Bergſpitze verehrte man Ap. Ἱυπαιεύς, Geiergott, Konon 35.; ja die Parallele iſt um ſo vollſtaͤndiger,304 da auch eine Gattung des Wolfs den letztern Namen fuͤhrt1Oppian Kyneg. 3, 304.. Und ſo brauchen denn auch wirklich die Tra - giker oͤfter den Namen Lykeios, um an die furchtbare und verderbliche Seite des Apollon zu erinnern, wie Aeſchylos ſagt: o Koͤnig Wolfgott, ſei ein Wolfgott fuͤr der Feinde Heer2VII. V. 147. aͤhnlich Agam. 1266. und Sophokl. Oed. T. 203. Λύκει̕ ἄναξ τὰ σὰ βέλεα. In milderem Sinne Aeſch. Ἰκετ. 694. Soph. Oed. T. 920. u. Elektra 656., in welcher Tragoͤdie er uͤberhaupt als der durchweg waltende Gott auf die erhabenſte und ergreifendſte Weiſe erſcheint. S. be - ſonders V. 1379. Nun iſt aber doch nicht zu glauben, daß man eben dieſe Seite im Cultus ſo ſehr hervorgehoben habe, daß man nicht bloß unzaͤhlige Heiligthuͤmer, ſondern ganze Laͤnder darnach benannte; man muͤßte denn gegen alle Geſchichte und Analo - gie einen Zuſtand großer Roheit und furchtſamen Aberglaubens als den primitiven dieſer Religion ſetzen. Dagegen iſt wahrſcheinlich, daß der Name Lykeios zu - gleich zuſammenhaͤngt mit der alten Sprachwurzel lux, Licht, λευκὸς. Das Griechiſche Λύκη, Licht, iſt am klarſten in Λυκάβας3Vgl. Voß zu Virg. Landbau S. 408. Creuzer Comment. Herodot. 1, 417 ff. erhalten, dem Laufe des Lichts; und wenn Homer den Apollon, mit einem alten Hym - nennamen wahrſcheinlich, Λυκηγενής nennt4Il. 4, 101. 119. vgl. Heyne., werden wir ſprachrichtiger einen Lichtgebornen, als einen Gott aus Lykien, darunter verſtehn. Daß Licht und Glanz in Cultusſymbolen und Dichterbildern mannigfach zur Bezeichnung des Weſens von Apollon gebraucht wird, kann niemand laͤugnen5S. Hymn. auf Ap. Pyth. 460.; hier werden wir ſpeciell dar - an erinnert, dadurch, daß man auf dem Altar des Lykeios zu Argos Feuer brennend glaubte von dem, was urſpruͤnglich vom Himmel gefallen6Schol. Soph. El. 6.; und ſo reiht ſich305 denn Lykeios in dieſem Sinne ſehr natuͤrlich an Aegle - tes, Phoͤbos und Xanthos an1Vielleicht gehoͤrt Ap. ἔναυϱος hieher bei Heſych s. v. vgl. die Erkl. Auch, daß mehrere Tempel des Ap. auf Vorgeb. Leukaͤ, Leukatas liegen.. Was nun den Wolf betrifft, ſo iſt nicht glaublich, daß er ſeine Stelle als Symbol des Apollon blos einer zufaͤlligen Namens - gleichheit zu verdanken hat, und etwa als ein Beiſpiel der ſogenannten Paronomaſie in der Griechiſchen Sym - bolik zu betrachten iſt; ſondern es muß der lebhaft auffaſſende und combinirende Sinn des alten Volkes wirklich irgend eine Beziehung und Analogie zwiſchen Wolf und Licht gefunden haben. Spaͤter ſuchte man das Symbol dadurch zu erklaͤren, daß alle Woͤlfe in 12 Tagen des Jahrs gebaͤren, ſo viele Leto als Woͤlfin von den Hyperboreern nach Delos gewandert2S. Ariſtot. H. A. 6, 29. Anders Aelian H. A. 4, 4. Apoſtol. 12, 18. vgl. oben S. 271, 2.; ſicherlich brachte aber erſt der Mythus dies phyſiſche Dogma hervor, nicht umgekehrt. Eher kann das ſcharfe Geſicht des Wolfs zur Erklaͤrung dienen, wenn die Alten davon Wahres erzaͤhlen3Apoſtol. 12, 21., oder die helle Farbe4Vgl. noch unter den Neuern Payne Knight Symbo - lic. lang. §. 124. Gail Philologue T. 1. p. 300. (vgl. Boiſſonade in Millins Magazin encyclop. T. 118. p. 346.), wo Λοξίας mit Λυκεῖος in Verbindung gebracht iſt. Ich glaube, daß Λοξίας zu - erſt die ſchraͤge Stellung des Bogenſchuͤtzen, der ſtets λοξὰ ὄμμα - τα hat, bezeichnet..

9.

Fuͤr die Verbindung aber von Licht und Wolf bietet ſich im altgriechiſchen Cultus noch ein anderes, hoͤchſt merkwuͤrdiges Beiſpiel. Auf der hohen Koppe des Arkadiſchen Lykaͤon, uͤber der alten Lykoſura, ſtand der hochaufſteigende, herrſchende Altar (wie Pindar ſagt) des Zeus Lykaͤos, an den ſich alle SagenII. 20306von Lykaon knuͤpfen, der dem Gotte ſein Kind opfern will, und daruͤber zum Wolfe wird. Alſo auch hier dies Wolfsſymbol1Vgl. Pauſ. 6, 8, 2. Lykaon heißt auch der Vater des Pandaros im Idaͤiſchen Lykien.. Aber eben ſo wenig fehlt der Be - zug auf Licht. Ebenda war ein Abaton des Gottes, das als unzugaͤnglich gedacht wurde; wer hineintrete, werfe keinen Schatten, war einheimiſche Volksſage; dann flieht er, um nicht geopfert zu werden, als Ἔλα - φος oder Hirſch, wobei der verfolgende Gott natuͤrlich als Wolf der Phantaſie vorſchwebte2S. Theopomp. bei Polyb. 16, 12, 7. Plut. Qu. Gr. 39. S. 398. H. Pauſ. 8, 38, 5 Ueber das Abaton vergl. Amphis bei Hygin Poet. Astr. 2, 1. p. 35. vgl. 4. p. 362 M. Auf Sonnendienſt deuten die beiden Saͤu - len nach Aufgang bei Pauſ. Den Lykaͤiſchen Zeus nennt Achaͤos in den Azanen (Schol. Eurip. Or. 383.) ἀστεϱωπός.. Man ſieht, daß man dem Abaton das Licht inwohnend glaubte. So finden wir hier in dieſem uraͤlteſten Cultus der Arka - diſchen Parrhaſier, der uͤbrigens mit dem Doriſchen des Apollon wenig Gemeinſames hat, doch ganz die - ſelbe Combination von Idee und Symbol wie in die - ſem, und muͤſſen dieſe als ein Fragment einer uralten den Griechen eigenthuͤmlichen und gemeinſamen Sym - bolik betrachten.

10.

Bis zu dieſem Punkte gelangt wollen wir ver - ſuchen, das bereits Dargelegte im Begriffe zu vereini - gen und zuſammenzufaſſen. Von der ganz perſoͤnlichen Darſtellung Apollons bei Homer ausgehend, fanden wir ihn als ein verderbendes, raͤchendes und zugleich als ein rettendes, ſchuͤtzendes Weſen. Daß beide in verſchiedenen Richtungen wirkende Thaͤtigkeiten in der Natur und dem Weſen der Gottheit ihr Princip und ihre Einheit haben muͤſſen, liegt am Tage. Aber wie jene Thaͤtigkeiten ſtets einen Gegenſatz vorausſetzen,307 eben ſo wird das innere Weſen der Gottheit im Ge - genſatze beſtimmt, als Reinheit, Helle, Klarheit, wo - bei ſtets ein Theil der Weſenwelt als dunkel und un - rein zuruͤckgeſtellt wird. Wir werden, um dieſes Ge - genſatzes willen, den Cultus des Apollon einen dua - liſtiſchen nennen, der die Gottheit nicht als das ganze Sein erfuͤllend, ſondern als im Widerſtreit wir - kend vorſtellt. Zugleich nennen wir das in ihm ſich ausſprechende Gefuͤhl des goͤttlichen Weſens im Gegen - ſatze der Naturreligionen ein ſupranaturaliſtiſches, indem es ihm eine vom Leben der Natur verſchiedene und außerhalb ſtehende Thaͤtigkeit zuſchreibt, aͤhnlich dem, aus welchem die Religion Abrahams hervorge - gangen iſt. Wir werden dieſe Idee, welche nach un - ſerer Meinung in den aͤlteſten Epitheten und Symbolen ſo wie in den Dichterbildern bis gegen die Zeiten des Euripides hinab mit ziemlicher Beſtimmtheit ausge - ſprochen iſt, von hier an erſtens in der mythiſchen Geſchichte des Gottes verfolgen, und zweitens nach - zuweiſen ſuchen, wie ſie den Cultus bedingt und be - ſtimmt.

20 *308

7.

1.

Zu dem Zwecke werden wir von vorn herein auf - gefordert, uns in eine Zeit zuruͤckzuverſetzen, in welcher die Stammreligion der Dorier noch nicht mit andern Culten vermiſcht, ſondern in ſich geſchloſſen in urſpruͤng - licher Energie und eigenem Zuſammenhange beſtand. Damals hatte dies Volk nur zwei maͤnnliche Haupt - goͤtter, Zeus und Apollon. Denn der letztere ſetzt den erſtern uͤberall voraus, und in Kreta, Delphi und ſonſt waren beide eng verbunden, nur daß dieſer Do - riſche Zeus wenig im Cultus hervortrat. Zu Delphi waren im Tempel Zeus und Apollon als Moͤragetaͤ mit zwei Moͤren vorgeſtellt1Pauſ. 10, 24, 4. vgl. Pind. p. 4, 4. Ζεὺς Βασιλεὺς in Delphi, Xenoph. Anab. 5, 9, 22. Ζ. εὔυπνος daſelbſt, Heſych.. Vielleicht moͤchte auch der Eloos (Ἐλωός), den Heſych als Doriſchen Hephaͤ - ſtos nennt2Heſ. Ἐλωός., der wahre Zeus ſein, welches dadurch be - ſtaͤtigt wird, daß das Heiligthum des Zeus in Dodona und bei den Lakonen Ἑλλά hieß3Heſych Ἑλλά. vgl. Ἔλα. Wir laͤugnen nicht die Moͤglichkeit, daß dieſer Eloos mit dem El oder Eloha des Volkes Iſraël urſpruͤnglich eins ſei, aber wir verlieren uns da - durch in ein Gebiet der dunkelſten Ahnung.. Dieſer hoͤchſte Gott wurde aber in dieſem Zuſammenhange weder auf Erden geboren, noch erſcheinend, und vielleicht uͤber -309 haupt nicht unmittelbar auf die Welt einwirkend ge - dacht. Sondern fuͤr das Menſchenleben iſt Apollon, der oft mit Nachdruck Zeus Sohn genannt wird1Ἕκατος Διὸς υἱός Alkman bei Hephaͤſt. S. 66. Gaisf., ſein Stellvertreter, Geſandter und Prophet2Aeſch. Eum. 19. vgl. Ἱἐϱειαι bei Macr. S. 5, 22. Schol. Soph. Oed. K. 791. Sophokl. El. 660.. Waͤh - rend jener als im Aether wohnend nur unbeſtimmt und in weiter Ferne erſchien; mußte Apollon in beſtimmter Darſtellung mit klarer Perſoͤnlichkeit als goͤttlicher He - ros auftreten, um dem Boͤſen und Ungeheuren zu weh - ren, Suͤhnungen einzuſetzen, und die Ordnungen des Geſchicks zu verkuͤnden. Wir wollen dieſe Gedanken einzeln im Deliſchen und Delphiſchen Mythus nach - weiſen.

2.

Freilich wurde die Sage von der Geburt Apol - lons auf Delos zwar von den Joniern und Athenern, aber weder von den Delphern noch den Boͤotern noch auch den Peloponneſiern anerkannt. Denn wie waͤren dieſe dann ſo gleichguͤltig gegen das Heiligthum gewe - ſen, als ſie ſich wirklich zeigen. Indeß hatten die Delier doch nur die urſpruͤnglich Kretiſchen Sagen bei ſich lokaliſirt und ausgebildet, die wieder aus Grund - gedanken des Cultus hervorgegangen waren.

Mit der Zeit wurde Apollon geboren, ſagt Pin - dar4bei Klem. Al. Str. 1. p. 383. Potter., auf die vielen Hinderniſſe und Verzoͤge - rungen der Geburt deutend. Ein feindliches Weſen ſtellte ſich ihr entgegen: daſſelbe, welches aus den Tie - fen des Tartaros heraus den Typhaon erzeugt und der3)Ueber die Aus - nahme der Meſſenier ſ. oben S. 136, 2. Von der Geburtsſtaͤtte zu Te - gyra S. 234. Auch zu Amphigeneia in Triphylien ſollte Ap. ge - beren ſein, Steph. B. Tempel der Leto daſelbſt. Str. 8, 349. Antimach. 78. S. 111. Schell.310 Pythiſchen Delphyne zur Erziehung uͤbergiebt1Hom. H. auf Ap. P. 125. vgl. Hyg. f. 54., eine naͤchtliche Herrſcherin der wuͤſten und ungeordneten Na - tur, welche der dichteriſche Mythus Hera nannte. Dieſe verſagt ihr weites Reich der Geburtsſtaͤtte des Apollon, und zwingt Leto, in peinigender Geburtsangſt lange uͤber Erd und Meer zu irren, bis ſie auf der ſteinigen Inſel Delos anlangt.

Was nun Leto ſelbſt betrifft: ſo iſt wohl nicht zu zweifeln, daß ſie die Dunkele und Verborgene ſei, nicht eben als phyſiſche Nacht, wie Manche erklaͤren2Plu - tarch bei Euſeb. Pr. Ev. 3, 1. Euſt. zu Il. 1. S. 22. Od. 20. S. 722. Baſ. Aber Sophokl. Trach. 95. beweist nichts., ſon - dern als noch ruhende und unſichtbare Gottheit, aus welcher die ſichtbare mit energiſcher Klarheit hervor - tritt. Davon uͤberzeugt ſowohl die Etymologie (von λαϑεῖν, latere) als die Heſiodiſche Theogonie, welche beſonders im Reiche der Titanen zwar Vieles erſt durch freie Dichtung ergaͤnzt und verbunden, aber An - deres auch wieder aus ſchon vorhandenen Cultus-Sa - gen geſchoͤpft hat, namentlich die Genealogie der Ti - tanen Koͤos und Phoͤbe ſicher aus Delphiſchen und Deliſchen Lokalmythen. Phoͤbe und Koͤos zeugen die Leto im dunkeln Peplos (κυανόπεπλον). die ſtets milde, den Menſchen und den unſterblichen Goͤttern ſanfte Goͤttin, die Mutter der lieblichſten Kinder un - ter allen Uranionen, und alsdann die wohlnamige Aſterie, die der Titan Perſes in ſein Gemach fuͤhrt, und mit ihr die Hekate zeugt. Phoͤbe iſt die helle und reine, Koͤos der brennende und leuchtende3Von κείω Kanne Mythol. (Κοῖος und Ἠλέκτϱα Fluͤſſe nebeneinander, Pauſ. 4, 33, 6.). Die Ableitungen von κοέω ſ. v. a. νοέω, und κοῖος, Makedon. Zahl, paſſen weniger. Latona Poli f. Hygin. 1. 140., Aſteria311 ein Geſtirn1Von dem Apolliniſchen Tenedos Heſych: Ἁστέϱιοι οἱ πϱῶ - τοι τὴν Τένεδον κατοικἠσαντες., und auch Perſes kann nichts als der Strahlende heißen. Alle dieſe Weſen ſtehen alſo der Leto entgegen, und ihr Verhaͤltniß kann nichts an - deres als ein Heraustreten aus Finſterniß in Licht und ein Zuruͤckgehen aus dieſem in jene bedeuten, welches die genealogiſche Sage mit einer gewiſſen Breite aus - fuͤhrte. Wie endlich durch die Geburt des Apollon und der Artemis die perſoͤnliche Gottheit eintritt: ſo bleibt auf der andern Seite Hekate, die Tochter der Aſteria von Perſes oder Zeus, als ein Reſt der titaniſchen Na - turwelt, ſtehn, welche ebenfalls im Deliſchen Cultus vorkam, da ein Inſelchen in der Naͤhe Hekatesneſos hieß2Semos bei Athen. 15, 645. Hrpkr..

3.

Das Eiland Delos ſelbſt ward in den Kreis ſymboliſcher Darſtellung gezogen. Pindar nannte in einem Proſodion auf Delos die Inſel des Meeres Tochter, des breiten Landes unerſchuͤttertes Wunder, welche die Sterblichen Dalos nennen, die Seligen aber im Olymp das weitberuͤhmte Geſtirn der dunkeln Erde, und ſang ausfuͤhrlich, wie das von Wogen und Win - den getriebene Eiland, als Lato es betrat, durch vier erzfuͤßige Saͤulen an die Wurzeln der Erde feſtgebun - den wurde. Der Mythus von dem Umherſchwimmen der Inſel der indeß juͤnger iſt als der Hymnus des blinden Saͤngers von Chios3vgl. Spanh. zu Kall. Del. 36. 273. ſoll wohl nur den unruhigen und unſteten Zuſtand bezeichnen, welcher der Ordnung und Klarheit zuvorging, die das Erſcheinen des Gottes bewirkte. Von da an ſteht Delos feſt und unerſchuͤttert, und kein Erdbeben kann ſie bewegen, da - her ganz Griechenland erſchrak, als ſie vor dem Per -312 ſiſchen Kriege wirklich erbebte1Frgm. Proſod. 1. Boͤckh. Dies Proſodion muß alſo vor dem Erdbeben Ol. 72, 3. (Herod. 6, 98.) geſchrieben ſein: dadurch beſtaͤtigt ſich die Behauptung Diſſens, daß es Iſthm. 1, 4. nicht gemeint ſei, da dies Gedicht, wie derſelbe Kritiker zeigt, nach Ol. 80, 3. geſchrieben iſt. Herodot aber hat wieder von dem Erdbeben bei Ausbruch des Pelop. Krieges (Thuk. 2, 8.) keine Kunde mehr; und Thuk. a. O. hatte von dem erſtern, aͤlteren als er ſelbſt, nichts gehoͤrt, und den Herodot nicht geleſen. Sonſt vgl. Mucian bei Plin. 4, 12. Ariſtid. Or. 6. p. 77, 78. Spanheim a. O. zu V. 11. u. Aa.. Alles dies be - ruhte indeß keineswegs auf Naturbeobachtungen, ſon - dern wurde durch religioͤſe Ideen als nothwendig po - ſtulirt. Durch das Geſtirn der dunkeln Erde aber deutet Pindar trefflich auf die Ideenreihe, in welcher Delos, (das ſelbſt davon den Namen traͤgt,) die reine, helle, ſtrahlende Inſel iſt, die darum ja auch von aller Befleckung gereinigt, und von allen Leichen frei - gehalten werden muß, deren Anblick dem Gotte durch - aus verhaßt iſt. Dieſer Gedanke brachte auch die Sage hervor, daß Aſteria, die Titanin, ſich ins Meer geſtuͤrzt habe und zur Inſel verſteinert ſei.

4.

Die Geburt des Apollon war als der Wende - punkt des idealen Mythenkreiſes ohne Zweifel ſchon in alten Hymnen beſungen, die durch ernſte Einfachheit ſich von der heiteren Blume des Homeridiſchen Geſan - ges ſehr unterſcheiden mochten. Ein ſolcher Hymnus, den man dem Olen beiſchrieb, war an Eileithyia ge - richtet, deren Verehrung ſammt dem uͤbrigen Cult, als integrirender Theil deſſelben, von Knoſſos, wie oben bemerkt, nach Delos und von da weiter nach Athen heruͤberkam2Pauſ. 1, 18, 5. 8, 21, 2. 9, 27. 2. vgl. Herod. 4, 2. Daß Olen die Eileithyia zur Pepromene machen, iſt nur Schluß des Pauſ.. Olen nannte ſie die Wohlſpin - nende (εὔλινος), womit er wahrſcheinlich, denn ein bloß313 ſchmuͤckendes Beiwort fand ſicherlich in ſo alten Hym - nen keine Stelle, auf Wachsthum des embryoniſchen Menſchen zielte: wie die alten Orphiker in ihren Do - riſchen Hymnen den Menſchenſamen μίτος nannten, und die Entſtehung des Kindes dem Knuͤpfen eines Netzes verglichen1S. Valckenaer de Aristobulo p. 76. und Ariſtot. de gener. anim. 2, 1. aus Orphikern: ὁμοίως τὸ ζῶον τῆ τοῦ δικτύου πλοκῆ γίγνεται.. Wenn aber Olen die Eileithyia auch Mutter des Eros nannte: ſo trat ſeine Dichtung einen Schritt uͤber den eigentlichen Kreis des Apollon - dienſtes hinaus, und identificirte wahrſcheinlich die Ἀφϱοδίτη ἀρχαία, deren Altar Theſeus auf Delos ge - baut haben ſoll2Spanh. zu Kall, auf Delos 308., mit jener Geburtsgoͤttin. Auf jeden Fall erklaͤrt die Verpflanzung dieſes altattiſchen Cultus auf die heilige Inſel und der Connex, in welchen er mit dem Deliſchen Dienſte trat, die Erwaͤhnung des Eros in jenem alten Hymnus.

Neun Tage und neun Naͤchte rang Leto in hoff - nungsloſen Geburtswehen; es umſtanden ſie huͤlfreich die Titaniden Dione, Rhea, Themis und Amphitrite, die endlich auch nach dem Homeridenhymnus die Eilei - thyia durch das Verſprechen einer neunellenlangen, an goldne Faden gereihten Halsſchnur herbeiziehen. Da faſſen Leto die Wehen, ſie wirft die Arme um die Palme und geneſet des goͤttlichen Sohnes. So ſcherzhaft der Dichter das Motiv der Huͤlfe behandelt, die Eileithyia leiſtet: ſo ſind doch die davon verſuch - ten kosmiſchen Erklaͤrungen allzu kuͤnſtlich und ge - ſchraubt. Wahrſcheinlich weihten in Delos ſchwangere Frauen der Eileithyia Halsbaͤnder (die fuͤr dieſen Zu - ſtand einige Bedeutung hatten); wie die Woͤchnerinnen in Athen ihre Bilder (ſo ſcheint es nach Pauſanias) von oben bis unten mit Binden umwickelten.

314

5.

Die Lokalitaͤten dieſer Geburt waren in Delos ſehr genau beſtimmt, da man von einem ſo wichtigen Ereigniß gern die kleinſten Umſtaͤnde wiſſen mochte. Man muß ſie an der Stelle ſuchen, wo das im Som - mer anſchwellende Fluͤßchen Inopos aus dem Berge Kynthos hervorſtroͤmt1Hymn. Hom. Anf. Kallim. auf Del. 206. vgl. die Karte der Inſel bei Choiſeul Gouff. Voy. pittor. T. 1. pl. 31.. Hier lag ein kreisfoͤrmiger baſſinartiger Teich (die λίμνη τροχόεσσα), deſſen Ge - ſtalt oft mit Bedeutſamkeit erwaͤhnt wird2S. Aeſchylos Eum. 9. vgl. Schuͤtz. Theognis V. 7. Herod. 2, 170. Eurip. Jon. 169. Iphig. T. 1105. Kallim. auf Ap. 59. auf Delos 261.. Dabei wuchſen zwei heilige Baͤume, die Palme und die Olive, welche ſonſt eben nicht zu den heiligen Baͤumen Apol - lons gezaͤhlt werden, da die erſtere faſt gar nicht, und die zweite nur durch Pflege im eigentlichen Griechen - lande gedeiht. Es konnte ſich auch nur das Deliſche Heiligthum der Palme ruͤhmen, und die Tegyraͤer in Boͤotien mußten, um ein aͤhnliches Andenken bei ſich zu haben, ſehr willkuͤhrlich eine Quelle Phoͤnix nennen: dagegen von Delos der Gebrauch des Palmzweiges bei Agonen ausging3Pauſ. 8, 48, 2. vgl. Odyſſee 6, 167. Schol. Eurip. Jon 932. Aelian V. H. 5, 4. Hygin. f. 53. 140. Ca - tull 34, 8. Die Palme zur Bezeichnung des Lokals von Delos auf Vaſengemaͤlden. S. Tiſchbein 1, 24. 2, 12..

Durch des Gottes Geburt ſah ſich das Eiland fuͤr ſo geheiligt an, daß auch ferner kein lebendes Weſen daſelbſt ſo wenig geboren werden als ſterben durfte4Str. 10, 486 u. Aa.. Jede ſchwangere Mutter mußte nach dem nahen Rhe - neia hinuͤbergeſchafft werden. So zeigt der Gott ſeine Abneigung vor der gebaͤrenden Fuͤlle der Natur, die mit gleicher Luſt am Produciren Wuͤſtes und Unreines, wie Reines und Schoͤnes ſchafft, und wendet ſich vor315 ihr als etwas Befleckendem ab. Das Verbot, Hunde zu halten, hat denſelben Grund1Einen fabelhaften giebt Kallim. Αἴτια. Frgm. 9. Bentl. Hygin fb. 247..

Im Ganzen iſt ſchon bemerkt, daß wir die Deli - ſchen Sagen keineswegs alle fuͤr beſonders alt und treubewahrt halten, und zur Hauptquelle fuͤr die Er - kenntniß der Idee des Apollon kaum machen moͤchten. Es ſind in ihnen wenige Begriffe faſt zu ſtark ausge - fuͤhrt, das Meiſte dreht ſich in engem Kreiſe um die Verherrlichung der Inſel ſelbſt, manche Erfindungen, wie die der ſchwimmenden Inſel, ſcheinen aus Joniſchem Leichtſinne hervorgegangen zu ſein, ſintemal dieſer Volkſtamm auch in der Sage das Ueberlieferte minder ſtreng feſt hielt als der Doriſche. Doch ſind ſie die einzigen uͤber die Geburt des Gottes uͤbrigen; den wir nun weiter geleiten wollen.

6.

Nach Delphi gelangt Apollon, der Attiſchen Sage zufolge, von Delos uͤber Attika und Boͤotien, im Homeriſchen Hymnus aber von den noͤrdlichen Ge - genden, doch ebenfalls uͤber Boͤotien; in andern Sa - genkreiſen von den Hyperboreern aus. Bald trug Leto die beiden Kinder, Apoll und Artemis, noch auf dem Arme, als ſie der Drache Python anfiel2Vier Tage alt nach Hygin f. 140. vgl. Eurip. Iph. Taur. 1252. Macrob. Sat. 1, 17., und die Mutter rettet ſich auf einen heiligen Stein bei der Platane zu Delphi3Kleitarch von Soli bei Athen. 15, 701 c. Duris beim Etym. M. Ἰήϊε, wo ἥλιον fuͤr Ἀπόλλωνα durch Abbreviatur verſchrieben iſt, vgl. Baſt zu Gregor. Kor. S. 834. und die Anfuͤhrungen von Weichert uͤber Apollon. S. 50. Dieſer Sage folgt das Vaſengemaͤlde Tiſchbein 3, 4. Die Platane kommt noch b. Theophr. H. Pl. 4, 13. Plin. H. N. 16, 44. und in einem Relief der Villa Albani (Zoëga de Obeliscis p. 212.) vor.; bald iſt Apollon bei dieſer That ein Knabe,

316

Noch im leichten Gewand, noch geringelter Locken ſich freuend1Apoll. Rh. 2, 707. vgl. Jambl. Pyth. 10.; und dem gemaͤß ſtellte ein Delphiſcher Knabe, deſſen Vater und Mutter lebten, die Begebenheiten des Got - tes am großen Feſte deſſelben dar. Immer aber war die Erlegung des Python das Hauptereigniß des hei - ligen Mythus, der entſcheidende Moment, wenn auch der Ferntreffer an ihm zuerſt die Bogenkunſt uͤbte2Heſych ἑκατηβόλος.. Der Gott bemaͤchtigte ſich dadurch der Orakelkluft, aus welcher fruͤher Gaͤa ſelbſt in dunkeln Toͤnen ge - ſprochen hatte. Nicht gutwillig aber weicht ſie den An - ſpruͤchen des jungen Gottes, den ſie nach Pindar ſelbſt in den Tartaros zu ſtoßen ſuchte3Schol. Aeſch. Eumen. 2.. Der Waͤchter des alten Erdorakels4vgl. Hygin. fb. 140. und ein Kind der Erde ſelbſt, ent - ſtanden aus dem erwaͤrmten Schlamme, der von der allgemeinen Fluth zuruͤckgeblieben, iſt die Schlange Py - thon, in einer dunkeln Thalſchlucht bei dem Born Ka - ſtalia hauſend5Hom. Hymn. auf Ap. P. 120. Vergl. Heſych Τοξὶου βοῦνος, ein Grabhuͤgel des Python in einer Schlucht bei Delphi, der auch nach Sikyon verſetzt wurde. Pauſ. 2, 7, 7., wo ſie auch ein anderes Ungeheuer ernaͤhrt hatte, den Sohn der zornigen Hera, Typhaon. Der Gegenſatz, welcher den Kampf hervorbringt, iſt wohl deutlich. Die Schlange gilt hier wie oft als tel - luriſches Weſen, und repraͤſentirt jede rohe und maaß - loſe Ausgeburt der Natur; deren prolifike Kraft auch im Namen des Python, Delphyne6Apoll. Rh. 2, 706. Schol. (wo auch Δελφύνης msc.) Dion. P. 441. Tz. Lok. 208. Eine ἡμίϑηϱ κόϱη nach Spaͤtern bei Apolld. 1, 6, 3., bezeichnet ſcheint, den man am natuͤrlichſten von δελφὺς, δελφύα, Baͤr - mutter, ableitet. Davon hat auch das fruchtbare und ſich ſchnell vermehrende Schwein den Namen δέλφαξ;317 deſſen ſaftvolle und erdwuͤhlende Natur in dem agra - riſchen Dienſte von Eleuſis geeignet ſchien, bei myſte - rioͤſen Feierlichkeiten und namentlich beim Kathodos die Perſephone vorzuſtellen. Gleicherweiſe wird von δελ - φὺς auch δελφὶν hergeleitet, den die deutſche Sprache nach derſelben Analogie Meerſchwein nennt1[Aeoliſch] hieß δελφὶν βελφὶν, Etym. M. 200, 27., wie auch Delphi Βέλφοι, Etym. 196, 54., wahrſcheinlich alſo auch δελφὺς βελφύς. (Anders Lennep Etymol. p. 172)., darnach ſollte auch dieſes Thier zu denjenigen gehoͤren, welche Apollon verabſcheut. Es muß daher befremden, wenn wir das Entgegengeſetzte finden, wenn der Gott ſelbſt, um ſeine Kreter nach Kriſſa zu geleiten, die Geſtalt eines Delphins annimmt, wenn Delphine den Saͤn - gern ihren Ruͤcken als Nachen bieten, und, modern ge - ſagt2Creu - zer 2. S. 602., uͤberhaupt als Symbole der Humanitaͤt im Ab - grunde des Meers erſcheinen3Ueber Ap. Delphinios Aeginet. p. 150. In Bezug auf ihn ſind auch Delphine auf Muͤnzen von Delphi. Boſſet Essai sur les medailles de Cephal. et d’Ithaque pl. 5.. Vielleicht loͤst ſich dieſe ſcheinbare Inconſequenz der alten Symbolik die die Delphyne dem Apollon feindlich, den Delphin befreun - det ſetzt, ſo. Auch die Delphine wurden urſpruͤng - lich ihrer Geſtalt wegen als die ſeltſamſten Ungethuͤme und Scheuſale angeſehn, die aus dem Abgrund der Feuchte hervorgequollen (πέλωρ μέγα τε δεινόν τε im Homer. Hymnus). Doch auch ſolche muͤſſen der Kraft u. Ruhe des ordnenden Gottes weichen, u. gezaͤhmt ſei - nen Winken folgen, zu deren Ausfuͤhrung ſie als die ſchnellſten Thiere des Meers nach der Meinung der Alten beſonders geeignet ſchienen4Ariſtot. H. An. 9, 48.. Nun ſpielen die Graͤuel der Tiefe harmlos auf der beruhigten und hei - tern Oberflaͤche, und bilden um den Gott ſelbſt oder ſeine Saͤnger einen Chorreigen; auch ſchoͤnen Knaben318 ſind ſie freundlich zugethan, wie in der Kunſt gern dem Lieblichen und Zarten das Groteske und Ungefuͤge bei - geordnet wird. So blieb ja auch ſelbſt der orakel - bewachende Drache, obgleich bezwungen, doch noch als eine Erinnerung des alten Streits und des Sieges des Gottes uͤber, und lag bei dem Erdſpalte an den Fuͤ - ßen des Dreifußes im innern Adyton1Lukian de astrol. 23. Mit dem Python zuſammenhaͤn - gend iſt das Symbol des Bocks oder der Ziege, da Αἲξ ein Kind des Python heißt (Plutarch Qu. Gr. 12.) womit wieder ein Fl. Αἰγᾶς und das πεδίον Αἰγαῖον bei Delph (Heſiod. bei Steph. B.) und der Ὀμφαλὸς Αἰγαῖος, Heſych, in Verbindung ſtehn. vgl. Pauſ. 10, 11, 4. und Diod. S. 15, 26. Auch auf Kreta zu Elyros (ſ. oben S. 208.) und Tyliſſos (wo Ap. mit einem Ziegenkopf in der Hand auf Muͤnzen) war daſſelbe Thier dem Gotte heilig. In Delos war der Altar Κεϱατὼν oder Κεϱάτινος aus rechten Hoͤrnern eines Bocks vom Knaben Apoll geflochten, vgl. Plut. Theſ. 21. de sol. an. 35. p. 201. Kall. Ap. 51. Daſſelbe wird von dem Κεϱαιστὴς τόπος zu Milet erzaͤhlt (Kallim. bei Etym. M. 584, 10.), wo ſeltſamer Weiſe eine Sage von einem gemelkten Bocke war. Urſpruͤnglich gehoͤrt gewiß auch der Bock zu den unreinen Thieren dieſer Religion..

7.

Nach Vollendung des Kampfes mit dem Py - thon2Den Ap. nach Si - monides (bei Euſt. Il. 1. p. 52, 39.) mit hundert Pfeilen erlegt (Deutung des Ἑκατηβελέτης). Dargeſtellt ſieht man den Kampf auf einer Muͤnze von Kroton, z. B. Eckhel Num. Anecd. Tb. I. n. 13. bricht Apollon den Lorbeer ſich ſelbſt zum Sie - gerkranze3Kallim. bei Tertull. de cor. 7.: auch ſtimmt er wohl nach alter Sage hier zuerſt den Paͤan als Triumphlied an. In der dramatiſchen Weiſe, wie die Delpher die Schickſale des Gottes darſtellten, trat hier der Νόμος Πύϑιος ein, der ſich aus alten und einfachen Anfaͤngen zu hoher Kuͤnſtlichkeit entwickelte und durch Timoſthenes zu einer großen muſikaliſchen Compoſition wurde4S. beſonders Boͤckh de metr. Pind. 3, 4. p. 182. Pollux 4, 10, 81. nennt die Dar - ſtellung ἄχοϱον αὔλημα Πύϑιον., die man,319 dem alten Brauch entgegen, ohne Geſang mit Floͤten, Kitharn, Trompeten ausfuͤhrte. Damals war die Dar - ſtellung deſſelben ein Meiſterſtuͤck von Virtuoſen und ein Kunſtwerk fuͤr ſich: ehemals wohl nur ein noth - wendiger Theil des Ganzen, ſo daß der Delphiſche Knabe, welchem die Rolle des Apollon bei dem Kampfe mit Python uͤbertragen war, auch den einheimiſchen Chor beim Paͤan und Triumphtanze anfuͤhrte. Von dieſen Feſtdarſtellungen haben wir ziemlich ausfuͤhrliche Nachrichten, aber leider zu ſpaͤte, als daß ſie uns die aͤltere und aͤchtere Weiſe derſelben uͤberliefern koͤnn - ten. Zu Plutarchs1Qu. Gr. 12. p. 383. de def. or. 14. 21. p. 323. 333. H. Zeit wurde bei jeder achtjaͤhri - gen cycliſchen Feier2Orchomenos S. 220., wozu ich aber bemerke, daß die τϱεῖς ἐνναετηϱὶδες κατὰ τὸ ἑξῆς nicht 24 Jahre bedeuten ſollen, ſon - dern drei alle acht Jahr unmittelbar hintereinander gefeierte Feſte, wie die Stellen ſelbſt beweiſen. auf einem Hofe (ἅλως) nicht ein hoͤhlenartiges Schlangenlager, ſondern eine Nachbildung eines fuͤrſtlichen Hauſes errichtet (καλιάς). Durch ei - nen heimlichen Weg (Δολωνεία) fuͤhrten darauf Frauen eines Delphiſchen Geſchlechts3Schreibe bei Plut. de def. 14. ἔφοδος ΗΙ ΑΙ ΟΛΕΙΛΙ (und eben ſo bei Heſych αἰόδα) τὸν ἀμφιϑαλῆ κόϱον ἄγουσι; ſo daß dann die Frauen denſelben Namen hatten wie die Orchomeniſchen, Bd. 1. S. 166. einen Knaben, dem weder Vater noch Mutter geſtorben, mit angezuͤndeten Fackeln hinein, und flohen dann, den Tiſch umwerfend und das Haus anſteckend, durch die Thuͤre davon.

8.

Obgleich nun die Erlegung des Python als Triumph der hoͤhern und goͤttlichen Kraft erſcheint: ſo wird doch der erlegende Gott als befleckt von dem Blute des Ungethuͤms gedacht, und muß eine Reihe von Truͤbſalen und Leiden durchwandern. Die Cultusſage ließ ihn gleich nach der That den heiligen Weg nach320 Tempe ziehn, auf dem fortwaͤhrend der den Apollon darſtellende Knabe als Fuͤhrer einer Theorie einherzog; die Richtung deſſelben haben wir oben moͤglichſt genau angegeben1S. 203. und uͤber die abweichende Sage von Tarrha S. 207.. Die Hauptbegebenheit auf dieſer Wan - derung war die Knechtſchaft (ϑήτευσις) bei Admetos dem Pheraͤer, der ſich der Gott, um die Schuld abzu - buͤßen, unterzog; auch dieſe ſtellte der Knabe mimiſch dar, und ahmte wahrſcheinlich nach, wie der Gott als Hirt und Sklave in den niedrigſten Geſchaͤften ge - dient2bei Sophokles (Plut. de def. or. 14.) ſagte Alkeſtis: οὑμός δ̛ἀλέκτωϱ αὐτὸν ἦγε πϱὸς μύλην.. Admetos kann der Froͤmmigkeit wegen, die die Sage an ihm ruͤhmte, zur Ehre gekommen ſein, einen ſolchen Knecht zu beſitzen; doch muͤſſen wir zwei - feln, ob uͤberhaupt unter dieſem Namen urſpruͤnglich irgend ein menſchlicher Heros, und nicht vielmehr, dem Geiſte des alten Mythus gemaͤß, ein ideelles Weſen zu verſtehen ſei. Ἄδμητος iſt ein gebraͤuchlicher Bei - name des Gottes der Unterwelt; ein ſolcher mochte wie Hekate (ϑεὰ Φεραία) zu Pheraͤ in Theſſalien ſeit alten Zeiten verehrt werden, dieſem wurde, nach ur - ſpruͤnglicher Idee, Apollon dienſtbar. Liegt nicht noch in dem Mythos von der Errettung der Alkeſtis aus der Unterwelt durch Apollon3S. beſonders Aeſchyl. Eumen. 726. Eurip. Alk. 10. Apolld. 1, 9. und Herakles die Hin - weiſung, daß die Fabel von Admet ſich auf einen Cul - tus unterirdiſcher Goͤtter bezieht? Man ſang in Grie - chenland eine alte Naͤnie, Admetos-Geſang genannt, angeblich zuerſt von Admet beim Tode ſeiner Gattin geſungen, urſpruͤnglich vielleicht an Ἅδης ἄδμητος ge - richtet4S. Schol. Ariſt. Weſp. 1231. (aber das Skolion, Ἀδμήτου λόγον, hat damit nichts zu thun) und Zenob Spruͤchw. Ἀδμήτου μέλος.. Wie wohl es in den großartigen Zuſammen -321 hang der religioͤſen Dichtung, die wir hier behandeln, paßt, daß der Gott, deſſen innere Klarheit durch den Kampf mit der unreinen Natur ſelbſt befleckt und ge - truͤbt iſt, zur Erfuͤllung ſeiner Leiden in das ihm verhaßte Dunkel der Unterwelt hinabſteigen muß, ſieht Jeder ein. Nachdem aber die beſtimmte Zeit der Dienſtbarkeit, die achtjaͤhrige Periode, voruͤber: wandert der Gott zu dem uralten Altar von Tempe, wo Beſprengungen mit Lorbeerzweigen und andere Suͤhngebraͤuche die Reinheit ſymboliſch herſtellen1Mehrere Muͤnzen ſcheinen dieſe Luſtration darzuſtellen, eine Chalkedoniſche bei Mionnet n. 88., eine Perinthiſche (Perinth hat das Neokorat fuͤr ſeine Pythien) bei Mionn. n. 329. vgl. auch die von Alexandria Troas bei Mionn. 11. 109. 115. 116.. Noch fortwaͤhrend faſtend kehrt der Geſuͤhnte denſelben Weg zuruͤck bis Deipnias bei Lariſſa, wo ihn das erſte Mahl erquickt.

9.

Wenig Mythen haben bei ſo vielfachen Um - wandlungen der Helleniſchen Mythologie die urſpruͤng - liche Hoheit der Idee und die entſprechende Kraft des Ausdrucks in ſo unverkennbaren Zuͤgen bewahrt, als dieſer ſehr alte. Es bedarf keines Scharfſinns zum Verſtaͤndniß, er ſpricht ſich ſelbſt offen aus, ſobald wir Sinn fuͤr eigenthuͤmliche, obſchon fremdartige, Geiſtes - entwickelung genug hinzubringen. Was wir oben aus alten Beinamen und dem fortwaͤhrend im Helleniſchen Geiſte lebenden Begriffe als Charakter Apollons ent - nahmen: iſt hier in energiſche That zuſammengedraͤngt, die in wenigen großen Momenten, wie Akten eines er - habenen Drama’s, ſich entwickelt und vollendet.

Schon in fruͤhen Zeiten ging dieſe Delphiſche Cul - tusſage in die epiſche Poëſie uͤber, wo aber Apollons Dienſtbarkeit anders motivirt, und als von Zeus uͤber ihn verhaͤngte Strafe betrachtet wurde, weil er dieII. 21322Kyklopen erſchoſſen, die die Blitze geſchmiedet, mit de - nen Zeus ſeinen Sohn Asklepios erſchlagen, als dieſer ſich nicht begnuͤgte, Kranken die Geſundheit wiederzugeben, ſondern ſelbſt Todte ins Leben zuruͤckrief1So Pherekydes bei Schol. Eurip. Alk. 2. (S. 88. St. vgl. denſelben bei Schol. Pind. P. 3, 96.), der aus Heſiod (bei Athenag. Leg. p. 134. und Schol. Eur. a. O.) ſchoͤpfte. Vergl. Apolld. 3, 10, 4. und 1, 9, 15. Diod. 4, 71. Eclog. p. 546. Weſſ. Orph. Argon. 176. auch Eurip. Alkeſtis, und Asklepiades bei den Schol. Die Cultusſage geben Anaxandridas der Delpher bei Schol. Eur. a. O. (πεϱὶ τῶν συληϑέντων ἐν Δελφοῖς ἀναϑη - μάτων. Vatic. Prov. 1, 5.) und Plutarch, vielleicht aus demſelben. Von einer Empoͤrung gegen Zeus leiteten die die Verbannung ab, welche Il. 1, 399. καὶ Φοῖβος Ἀπόλλων ſchrieben. Vgl. noch Aeſchyl. bei Plut. de ex. 17. p. 386.. Doch nen - nen auch die Dichter zum Theil Pheraͤ als Ort der Frohne, und deuten dadurch auf die Pythiſche Straße und einen großen Eniautos als Zeit derſelben2Il. 21, 443. ϑη - τεύσαμεν εἰς ἐνιαυτόν. So auch Pherek. und die Aa. Klem. Alex. Str. 1. S. 323. μέγαν εἰς ἐνιαυτόν, aus einem Epiker., womit ſie die Delphiſche Periode bezeichnen. Spaͤtere ſcherzten mit den Ueberlieferungen der ernſthaften Vor - welt ſo frei, daß ſie den Gott aus bloßer Liebe zum ſchoͤnen Knaben Admet den Hirtenſtab ergreifen ließen. Dagegen es vielleicht eine Spur aͤlterer Tradition iſt, wenn der Bernſtein als eine verſteinerte Thraͤne be - trachtet wird, die Apoll in der Zeit ſeiner Dienſtbar - keit in ſeiner alten Heimat bei den Hyperboreern, im Keltenlande, geweint habe3Schol. Apoll. Rh. 4, 611. vgl. die ſehr verworrene Erzaͤh - ung, Eratoſth. Kataft. 29. mit Schaubachs Anm. S. 110..

Dem Kampfe mit Python in der Idee verwandt iſt der mit Tityos. Dies erdentſproſſene Ungeheuer, in der den Delphern feindlichen Stadt Panopeus am heiligen Wege gelagert, taſtet die voruͤbergehende Leto323 an: aber ihre Kinder werfen es bald zu Boden und in den Tartaros hinab, wo ein Geier ihm die ſtets von neuem wachſende Leber1Od. 11, 580. (vgl. Bd. 1. S. 190.) Pauſ. 3, 18, 7. (vom Amyklaͤiſchen Throne) 10, 11, 1. Pind. P. 4, 90. u. Aa., den Sitz gieriger Luſt, unaufhoͤrlich abfrißt.

10.

Da nun auf dieſe Weiſe die feindliche Seite der Natur gebaͤndigt liegt, und geordnete Ruhe den Sieg davon getragen: beginnt Apollon das andere Amt zu verwalten, um deſſentwillen er auf der Erde gebo - ren. Er beſteigt den Dreifuß des Pythiſchen Orakels, um nicht mehr die dunkeln Ahnungen der geheimniß - vollen Erde, ſondern Zeus fehlloſen Rathſchluß2Διὸς νημεϱτέα βουλήν, Hom. Hymn. an Ap. Del. 132. vgl. an Hermes 471. 533. und die Geſetze einer hoͤhern Weltordnung den Men - ſchen zu verkuͤnden. Denn es iſt klar, daß in dieſem Kreiſe religioͤſer Ideen das Schickſal als Zeus Wille (Διὸς νόος, Διὸς αἶσα) erſchien, der darum Μοιραγέ - της hieß: waͤhrend die Epiſche Poëſie, weil ſie die Goͤtter voͤllig individualiſirte, in den meiſten Stellen denn bisweilen ſchimmert jene hoͤhere Anſicht durch Zeus dem Schickſal eben ſo unterordnet, wie alle anderen Einzelweſen. Ueber die Apolliniſche Mantik aber kann erſt weiter unten geſprochen werden.

21 *324

8.

1.

Vorher wollen wir zeigen, wie mit den Grund - gedanken dieſer Religion außer dem Mythus auch die Cultushandlungen in jener Uebereinſtimmung und Har - monie ſtehen, die das beſte Zeugniß einer organiſchen Entwickelung und Ausbildung abgiebt; wir wollen ver - ſuchen, dieſe Uebereinſtimmung moͤglichſt in Begriffen darzulegen, obgleich freilich anerkannt werden muß, daß wir eigentlich nur dann, wenn wir ein religioͤſes Gefuͤhl in uns zu reproduciren im Stande ſind, deſſen Aeußerungen voͤllig verſtehen koͤnnen.

Was den Opfercult des Apollon betrifft: ſo iſt zu bemerken, daß in vielen Haupttempeln deſſelben un - blutigen Darbringungen eine beſondere Heiligkeit und Wichtigkeit beigelegt wurde. In Delphi weihete man Kuchen und Weihrauch in heiligen Koͤrben1Aelian V. G. 11, 5. Kuchenopfer auch zu Athen Harpokr. und Heſych ἔνϑϱυπτα. Suid. ἔνϑϱυπτος Ἀπόλλων. vgl. Hemſterh. zu Lukian 2. S. 411. Bip., zu Pa - tara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, (um zugleich an den zuͤrnenden wie an den beſaͤnftigenden Gott zu erinnern)2oben S. 217.; auf Delos ſtand hinter dem Hornaltare der ſog. Altar der Frommen, dem Apollon Genetor heilig, auf den man nur Waizen - und Ger - ſtenkuchen legte: der einzige nach der Sage, an wel -325 chem Pythagoras opferte1Ariſtot. Δηλίων πολιτ. bei Diog. L. 8, 13. Timaͤos bei Cenſorin de die nat. 2. (Goͤller 62.) vgl. Macr. S. 3, 6. Klem. Alex. Str. 7. p. 717. Porphyr. de abstin. 2, 28. vgl. Rhoer p. 153. Jambl. Pyth. 5. 7. Kyrill g. Jul. 9. S. 307 b. . Hier war es auch, wo man an Feſten Malven und Aehren, die einfachſten Nahrungsmittel, in den Tempel trug2Plut. VII. Sap. 14. Auch in den Attiſchen Thargelien trug man die Erſtlinge des Jahrs umher. Heſych Θαϱγήλια.: zur Erinne - rung an primitive Einfachheit und Nuͤchternheit, wie ſie Epimenides von Phaͤſtos, der Apolliniſche καϑαρτής, erſtrebte. In Delphi ſollen die Parnaſſiſchen Jung - frauen dem Apollon, gleich nach der Erlegung des Python, Erſtlinge der Jahresfrucht dargebracht ha - ben3Schol. Pind. P. Argum. p. 298. Bh.; nichts anders ſind die frommen Gaben der Hy - perboreer, wie oben bemerkt wurde. Und vielleicht koͤnnte man den Gebrauch des Attiſchen Herbſtfeſtes der Pyanepſien damit in Verbindung bringen, einen mit Wolle umwundenen Oliven - oder Lorbeerſtab, Eire - ſione genannt, mit Trauben, Fruͤchten und kleinen Ge - faͤßen voll Honig und Oel zu behaͤngen, und an die Thuͤre eines Tempels des Apollon zu tragen4S. beſonders Krates bei Schol. Ariſt. Ritt. 725. Suid. εἰϱεσιώνη. Menekles bei demſ. διακόνιον. (wo auch Leierkuchen an der Eireſione vorkommen). Vgl. s. v. πϱοηϱόσια. Plut. Theſ. 22. Apoſtol. 21, 24., wenn nicht hier die Beziehung auf Bakchos, Helios und die Horen naͤher laͤge5Auch die χύτϱα ἀϑάϱης καὶ ἔτνους, die an dieſem Feſte des Bohnenkochens hingeſetzt wurde, betrifft mehr die eigentlichen Ackergoͤtter., die die Ehre dieſes Feſtes mit Apollon theilten.

2.

Jene Gaben bezeichnen ohne Zweifel den Zu - ſtand eines reinen und kindlichen Verhaͤltniſſes, wie das, in welchem die Hyperboreer zum Gotte gedacht werden, wo es nur eines beſtaͤndigen Anerkennens be -326 darf, wie milde und huldvoll uns die Gottheit beſchuͤtzt und ſchirmet. Wie aber der reine Gott ſelbſt ſich mit Blut beflecken muß: ſo fuͤhrt es auch das menſch - liche Leben theils durch die Einwirkung der Natur, theils durch den Ausbruch unbewachter Leidenſchaft gar oft - mals herbei, daß die innere Ruhe und Klarheit getruͤbt und verdunkelt wird. Wenn eine daͤmoniſche und ſinn - verwirrende Gewalt (Ἄτη) das Gemuͤth zu wilder That fortreißt, und aus der Bahn des ſichern und ge - ordneten Thuns auf wuͤſte Abwege treibt: ſo ſehnt ſich der Menſch, durch einen beſtimmten einzelnen Akt die - ſem Zuſtande ein Ende gemacht, und ſich von der ſchmerzlichen Zerriſſenheit des Gemuͤths befreit zu ſehn. Dies wirkt die feierliche Suͤhne und Reinigung in die - ſer Religion. Dieſe tritt theils nach einzelnen Hand - lungen jener Art ein, und gehoͤrt ſo ganz zum alten Jus sacrum. Dann bedarf ihrer aber auch das gewoͤhn - liche Leben von Zeit zu Zeit, und darum ſind mit dem oͤffentlichen Cultus des Gottes Suͤhnfeſte verbunden, in denen nicht blos der Einzelne, ſondern die ganze Stadt gereinigt und geſuͤhnt wird. Am paſſendſten werden dieſe Feſte in den Fruͤhling gelegt, wenn die Schauer des Winters verſchwunden ſind, und das Leben von neuem begonnen. Hier aber genuͤgen nicht mehr jene frommen Oblationen, auch Thieropfer nicht, das Be - duͤrfniß der Suͤhne ſcheint dem ſchmerzlich bewegten Gemuͤthe ein groͤßeres Opfer zu fordern. In Athen wurden an den Thargelien zwei Maͤnner (oder ein Mann und eine Frau,) mit Blumen und Fruͤchten ge - ſchmuͤckt, mit duftenden Kraͤutern eingerieben, feier - lichſt wie Opferthiere vor das Thor gefuͤhrt, unter Ver - wuͤnſchungen vom Felſen geſtuͤrzt, unten aber wahrſcheinlich aufgefangen und uͤber die Eraͤnze gebracht. Man nahm zu dieſen Suͤhnopfern (φαϱμακοί) uͤberwieſene Verbre -327 cher, die die Stadt beſonders dazu aufbewahrte und naͤhrte1Meurſii Graecia fer. Θαϱγήλια. vgl. Bd. 1. S. 106. Eine hiſtoriſche Sage uͤber den erſten φαϱμακὸς aus Iſtros πεϱὶ τῶν Ἀπ. ἐπιφανειῶν bei Harpokr. u. Etym. M. s. v. . Das Feſt war allen Joniern gemein, es kommt ſpeciell in Milet2Par - then. Erot. 9. Heſych Θαϱγήλια am Ende, wo Hemſterh. Aende - rung gemißbilligt wird von Welcker zu Schwencks Etymol. myth. And. S. 341. und in Paros3Archiloch. ebda. (bei Liebel p. 257.) vor; die beſchriebenen Suͤhngebraͤuche beſtanden nach alter Weiſe auch in der Phokaͤiſchen Colonie Maſſalia4Ser - vius zu Aen. 3, 57, aus Petronius. Ap. Delphinios daſ. Str. 4, 179 b. . Man ſchlug in Jonien die Suͤhnopfer mit Feigenſtaͤben und Meerzwiebeln, und ſpielte dazu einen aulodiſchen No - mos, der von jenen Κραδίης hieß, u. nach Hipponax Zeugniß von Mimnermos in elegiſchem Maaße behan - delt wurde5S. die Verſe des Hipponax bei Tzetz. Chil. 5, 743. und deſſen Zeugniß bei Plut. de mus. 8. vgl. Heſych u. κϱαδίης.. Auch in Athen behing man ſie mit Fei - genſchnuͤren; wahrſcheinlich ſind Feigen und Feigenſtoͤcke hier Symbol der Untauglichkeit und Nichtswuͤrdigkeit (σύκινος ἀνήρ). Wie uralt aber dies ganze Ver - fahren der Suͤhnung in Griechenland war, haben wir oben durch die Bemerkungen uͤber den Leukadiſchen und Magneſiſchen Cult dargethan.

3.

Von den Καϑαρμοῖς, in denen Apollon die Reinheit und Ruhe wiederherſtellend gedacht wird, ſind die Ἱλασμοὶ wohl zu unterſcheiden, durch die er ſelbſt erſt beſaͤnftigt und ſein Zorn abgewandt werden ſoll. In Sikyon, wo der Dienſt ſehr fruͤh bluͤhte, erzaͤhlte man, daß Apollon und Artemis nach Pythons Toͤdtung hier gereinigt zu werden verlangt haͤtten. Aber ein Schreckbild habe ſie vertrieben, wovon noch ſpaͤter ein Platz Φόβος hieß, und ſie zogen weiter. Nun befiel328 die Einwohner eine Seuche, und die Weiſſager geboten die Goͤtter zu verſoͤhnen. Sieben Knaben und ſieben Maͤdchen gehen nun an den Fluß Sythas, mit deſſen Waſſer ſie ſich benetzen, und fuͤhren darauf die Bild - ſaͤulen der Goͤtter in den Tempel der Peitho, und dann in das Heiligthum des Apoll zuruͤck1Pauſ. 2, 7, 7. Vielleicht war nach einer Lokalſage der Python in Sikyon ſelbſt getoͤdtet. S. oben S. 316, 5.. Dieſelbe Bedeutung hat offenbar das Attiſche Feſt der Del - phinien (6 Munychion), an welchem ſieben Knaben und Maͤdchen die ἱκετηρία, den Olivenſtab mit weißen Wollenbinden, mit demuͤthiger Geberde in das Delphi - nion trugen2Plut. Theſ. 18. Die Zahl folgt aus dem Zuſammenhange.. Dies geſchah gerade einen Monat vor den Thargelien: und wahrſcheinlich war dies ka - lendariſche Verhaͤltniß der Ἱλασμοὶ und Καϑαρμοὶ dem ganzen alten Griechenlande gemein.

4.

Vereinigen wir naͤmlich die zerſtreuten Notizen uͤber die Zeit der Feſte, welche unter dieſe beiden Claſſen gehoͤren, zu einem Ganzen: ſo erhalten wir folgenden ſehr klaren und einfachen Ueberblick. Voraus iſt zu bemerken, daß zu Delphi die neun Monate des Fruͤhlings, Sommers und Herbſtes im Ganzen dem Apollon heilig waren, und ſo lange der Paͤan die Opfer begleitete: dagegen die drei Wintermonde der Bakchi - ſchen Religion geweiht waren, daher in ihnen der Di - thyramb zu allen Opfern ertoͤnte3Plut. Ei 9. p. 229., und daß uͤberein - ſtimmend damit auch in Athen die Dionyſosfeſte vom Poſeideon bis Elaphebolion, die Apolliniſchen in andern Monaten des Jahres lagen.

Im Anfang des Apolliniſchen Jahres alſo, im erſten Fruͤhlingsmonate, Byſios (d. i. Πύϑιος) zu Delphi, Munychion zu Athen, kommt Apollon durch die Schlucht329 des Parnaß nach Delphi, und beginnt den Kampf mit der Delphyne. Dann iſt er ein zorniger Gott, und muß verſoͤhnt werden, daher am 6ten des Monats das Suͤhnfeſt Delphinia zu Athen, und wahrſcheinlich auch zu Milet und Maſſalia; auch iſt wahrſcheinlich, daß es derſelbe Monat war, der in Knoſſos, Aegina und Tlera Delphinios hieß1S. Aeginet. p. 152. Nach Thera aber gehoͤrt das testa - mentum Ejctetae, wie Boͤckh erweiſen wird, vgl. indeß Cata - logue de la Collection de Choiseul par Dubois p. 80.. Den ſiebenten erlegt Apoll den Feind2Schol. Pind. P. Atum.. Der Paͤan wird geſungen. An dieſem Tage ſprach das Orakel ſeit alter Zeit; ſpaͤter hielt man ihn auch in Delphi fuͤr den Geburtstag des Gottes3S. beſonders Kalliſthenes und Anaxan - dridas (den oben angefuͤhrten) bei Plut. Qu. Gr. 9. Die Amphik - tyon. Πυλα war ſchon fruͤher, gegen den 25 Elaphebolion, zu - ſammengekomen, wie Thuk. 5, 1., vgl. 18. 24., beweist. Die erſte Stellevird oft mißverſtanden (Manſo Sp. 3, 2. S. 193.), ſie heißt: der jaͤhrige Waffenſtillſtand blieb aufgehoben, es war wie - der Krieg, bis zu den Pythien.. Von dieſem Tage an wandert die Delphi - ſche Theorie auf Tempe zu; zugleich wurden an ihm ehemals die Menſchenzehnten nach Kreta abgeſandt4Dies ſieht man aus der Fabel von Teſeus, oben S. 244..

Im zweiten Fruͤhlingsmonate, der Joniſch Thar - gelion heßt, wird Phoͤbos am Altare zu Tempe ge - reinigt, und zwar wahrſcheinlich am ſiebenten. Denn den ſechsten und ſiebenten wird in Athen das große Reinigung feſt der beiden Goͤtter gefeiert, und zu glei - cher Zeit Delos luſtrirt, worauf dort ein Freudenfeſt des Lichtgttes folgt. Nach Deliſcher Sage wurden Artemis ud Apollon (ἑβδομαγέτης)5Plut. Sympoſ. 8, 1, 2. p. 342. E 17. p. 238. Proklos zu Heſ. Ἔϱγα 767. Dionyſ. Hal. ars rlt. 3. p. 243 R. vgl. Valcken. de Aristob. Jud. §. 37. p. 13. den 6ten und 7ten330 dieſes Monats geboren1Diog. L. 3, 2. 2, 44. Apolld. Frgm. p. 41. 415 Heyne. Es iſt wohl nur Dichtung, daß an jenem Tage er maieutiſche Sokrates, an dieſem Platon geboren ſei.. An demſelben Tage aber, an welchem der Delphiſche Knabe den Lorbeer bricht, und ſich zur Heimkehr wendet, trug man aller Wahr - ſcheinlichkeit nach auch in Boͤotien und wohl ſonſt in Griechenland2De Athener eh - ren nach Prokl. a. O. die ἑβδόμη als Ἀπολλωνιακὴ αφνηφοϱοῦν - τες καὶ τὸ κανοῦν ἀποστϱέφοντες (ἐπιστέφοντες Scalig. ) καὶ ὑμνοῦντες τὸν ϑεόν. die luſtrirenden Lorbeerbaͤume umher, die dem Feſte der Daphnephorien den Namen gaben3Die κωπὼ der Daphnephorien (Prokl. bei Phot. p. 987.) hat einige Aehnlichkeit mit der ireſione, die auch an den Thargelien umgetragen wurde, Suid., und auch eine ἱκετηϱία genannt wird. Schol. Ariſt. Ritt. 725.. Bald darauf trifft der Fruͤhaufgang der Pleiaden (pr. id. Maias nach Eudoxos Angabe)4Ponte - dera Antiqq. p. 208. Nach Scaliger Emend. tempp. 1. p. 54. war dies ein alter Jahresanfang; dagegen Petav Doctr. tempp. 1, 34. p. 42. vgl. Dodwell de cycl. 5, 12. p. 256, wor - auf nach Heſiod die Erndte beginnt; dann verlaͤßt Apoll, wie oben nach Diodor und Bildwerken bemerkt wurde5oben S. 269., mit den erſten Aehren beſchenkt, die Hy - perboreer, und erſcheint in milder und heiterer Geſtalt zu Delphi.

Sollte der Tag des Fruͤhaufgangs der Pleiaden in ein regelmaͤßiges Verhaͤltniß treten zu den vorher - gegangenen Feſte: ſo konnte dies nur durch Cyclen be - werkſtelligt werden, die Monden - und Stenenjahr in Uebereinſtimmung brachten. Nun lag die Benerkung nah, daß immer nach 99 Mondenmonaten jener Fuͤhaufgang ziemlich genau mit derſelben Phaſe des Mondes coin - cidire; darnath bildete man die ennaeteiſche Pe -331 riode, und ordnete nach ihr die großen Apollo-Feſte von Delphi, Kreta, Theben ſeit uralter Zeit an1Ueber dieſe ſ. oben S. 202. 235. 242. 252. Vgl. uͤber die alten ennaëteriſchen Pythiſchen Spiele Demetr. von Phaleron bei Euſt. Od. 3. p. 1466. Rom. Schol. Od. 3, 267. Mai..

5.

Die bis hieher gegebenen Data uͤberzeugen von einem ungemein conſequenten Zuſammenhange und einer ſinnvollen Ordnung der Apolliniſchen Suͤhnfeſte, ſie ge - ben Fragmente eines Feſtkalenders, der ehemals gewiß noch in ſich geſchloſſener war, aber durch die mannig - fache Combination des Griechiſchen Cultus auseinander geriſſen und zerſtuͤckelt wurde. Beſonders iſt in den Attiſchen Feſten Alles ſehr durcheinander geworfen, auch iſt oft daſſelbe Feſt gleichſam verdoppelt, und fin - det ſich in verſchiedenen Abſchnitten des Jahres. Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel bietet ſich gleich hier dar. Wie Munychion und Thargelion in der zweiten Jahreshaͤlfte nebeneinander ſtehen, ſo Boedromion und Pyanepſion in der erſten. Der ſechste Boedromion iſt nun der Ar - temis Agrotera, der ſiebente ohne Zweifel dem Apollon Boedromios heilig, dem ſtreitbaren, kampfruͤſtigen Gotte, der alſo in der Idee dem Delphinios, das Feſt den Delphinien entſpricht. Die Pyanepſien aber ſind den Thargelien ſehr aͤhnlich; die an ihnen umgetragene Ei - reſione2Auch dieſe trug ſtets ein παῖς ἀμφιϑαλὴς, wie den Lorbeer. Auch das Kochen von Frchten iſt den Thargellen und Pyanepſien gemein. erinnert an Daphnephorien, nur dae, wie oben ſchon bemerkt, Dionyſos-Religion von Naxos her - uͤber denn Theſeus ſoll ſie nach der Heimkehr von den Inſeln geſtiftet haben hineingemiſcht iſt, die fuͤr ſich in den damit verbundenen Oſchophorien hervortritt. So entſprechen ſich denn alſo dieſe vier ἑβδόμαι des Jahrs auf dieſe Weiſe:

332
  • 7 Munychion 7 Boedromion.
  • 7 Thargelion 7 Pyanepſion.

6.

Wir wenden uns von dieſen allgemeinen Suͤhn - feſten zu den Suͤhnungen, welche der Apolliniſche Cul - tus jedem Blutbefleckten beſonders bot1Ein Vers aus einem Epiker bei Plut. reip. ger. 19. p. 178. ῞Ηκομεν οἱ κτείναντες, ἀπότϱεπε λοιγὸν, ῎Απολλον.. Wir be - merkten ſchon oben ſolche Anſtalten mit den Heiligthuͤ - mern Taͤnaron, Troͤzen, der Branchiden verbunden; und eine gleiche war auch zu Deiphi, von der uns beſon - ders der Mythus des Oreſtes Nachricht giebt, wie ihn Aeſchylos behandelt, wo Apoll als Leiter der Blut - rache und als Suͤhner derſelben zugleich erſcheint. Der Muttermoͤrder nimmt unmittelbar nach der That einen Oelzweig mit Wollenbinden (ἱκετηϱία)2Choeph. 1035. Eumen. 43. στέμματα Δελφικά, Suid. ᾽Εμπε - δοκλῆς., und flieht wie ein geſcheuchtes Wild3Eum. 326. nach Delphi, wo der Gott ſelbſt ſeine mit Blut befleckten Haͤnde durch Schweine - opfer und Ablutionen reinigt4238. 280. 446. 581. Dieſe Expiation kommt auf mehrern Vaſengemaͤlden vor, bei Tiſchb. 2, 16. ausgefuͤhrter bei Millin Vases 2, 68. Monum. ined. 1, 29., wo die genaue Erklaͤrung zu vgl. Oreſt ſitzt auf den untergelegten Fuͤßen uͤber einer mit dem Netze, das ſonſt oft auf der Cortina liegt, be - deckten Eſtrade; zur Seite Pallas, die Furien; neben dem Dreifuß der heilige Lorbeer mit Taͤnien und Votivtafeln; dabei Ap. ſtehend mit Lorbeerkranz und zuruͤckgeſchlagenem Prachtgewand; Klytaͤmne - ſtras Geiſt und Pylades im Hintergrunde. Auf einer Vaſe des Britt. Muſeums (n. 102.) kniet Oreſt, das Schwert in der Hand, den Reiſehut vom Kopf zuruͤckgeſchlagen, auf einem Altare, von einem Arm fallen ihm kettenfoͤrmig geflochtene Wollenbinden; Ap. mit Lorbeerzweige und Patere in der Hand, ſteht bei ihm, und haͤlt in der andern, wie es ſcheint, eine Scheere, womit er ihm ein Buͤſchel Haare abzuſchneiden im Begriff iſt. (vgl. noch Pio Clem. 5. pl. 22.), und dadurch die Erin - nyen von ihm entfernt; zu deren Abwehr er ihm auch,333 nach Steſichoros, Bogen und Pfeil gegeben hatte1bei Schol. Eur. Oreſt 268.. Die Reinigung wird auch nach dem uralten Tempel des Apollon bei Troͤzen verlegt2Pauſ. 2, 31, 11. vgl. 1, 22, 2. oben S. 228. Auch nach Rhegion. S. die Stellen S. 260, 4. Der ἐνιαυτισμὺς in Parrhaſien nach Schol. Eurip. Oreſt 1678., hinter dem man ein Haus zeigte, σκηνὴ Ὀρέστου genannt, wo er, von aller Welt abgeſondert, einem Miſelſuͤchtigen zu ver - gleichen, lange Zeit gelebt habe (ἐνιαυτίζειν), bis ihn die Kretiſchen Prieſter endlich ſuͤhnten (ἀφαγνίζειν). Aus den in der Naͤhe vergrabenen Mitteln der Reini - gung (λύματα) wuchs nach der Sage des Orts ein Lorbeer auf. Dann erſt laſſen die Attiſchen Dichter ihn nach Athen gehen, und ſich unter Anwald - ſchaft des Gottes vor den Areopag ſtellen, vor dem auch Kephalos in aͤhnlicher Lage geſtanden3Hellanikos Fr. 98. Sturz.. In Athen waren, wie oben angedeutet, ebenfalls Suͤhn - gebraͤuche des Apolliniſchen Cultus mit den Blutge - richten verknuͤpft, und die ariſtokratiſchen Epheten hat - ten beides, die Gebraͤuche der Katharſis und das Richt - amt, in Haͤnden. Es waren 51 Maͤnner aus edlen Familien4Demoſth. g. Makart. 1069, 7. ἀϱιστίνδην αἱϱεϑέντες Pollux 8, 125. Phi - lochoros (bei Maximus Prooem. ad S. Dionys. Areop., p. 19. Sieb. ) giebt die naͤmliche Zahl der (vorſoloniſchen) Areopagiten an., welche ehemals in fuͤnf Gerichtshoͤfen, alſo auch ἐν Ἀρειοπάγῳ, uͤber alle Art von Todtſchlag rich - teten5So Pollux a. O. Daraus erklaͤrt ſich, wie der Areopag ſehr alt ſein, (Ariſtot. Pol. 2, 8, 2. u. Aa. ) und doch von Drakon nie erwaͤhnt werden konnte, der immer nur von Epheten ſprach. Plut. Solon 19.; Solon trennte wahrſcheinlich erſt den Areopag davon, als timokratiſches Gericht uͤber beabſichtigten Mord, und gab ihm große politiſche Macht, aber ohne religioͤſe Bedeutung, die er nicht geben konnte: die334 Epheten behielten nun blos noch das Richtamt uͤber unvorſaͤtzlichen oder rechtmaͤßigen Todtſchlag, und andere unbedeutendere Faͤlle; ſo blieben ſie als ein Ueberreſt alter Rechtsformen in veraͤnderten Umgebungen ſtehn. In Betreff der Suͤhnung aber iſt der Vorgang der Sache kuͤrzlich der. Gleich vornweg muß man voͤllig den vorſaͤtzlichen Moͤrder, der entweder auf immer das Vaterland meidet und Recht und Habe darin verliert, oder den Geſetzen anheim faͤllt, ſondern von dem, der ohne Vorſatz oder mit irgend einem Rechte getoͤdtet, was durch ein Urtheil der Epheten ausgeſprochen wer - den muß. Ein ſolcher verließ darauf auf einem be - ſtimmten Wege und fuͤr eine beſtimmte Zeit das Vater - land, in welcher er auch von oͤffentlichen Nationalorten fern bleibt (ἀπενιαυτισμός)1Suid. ἀπενιαυτίσαι. Heſych ἀπενιαυτισμός. Schol. Eurip. Hippol. 35. vgl. Barneſ. Die Periode der Flucht heißt immer ἐνιαυτός (Apolld. 2, 8, 3. vgl. 3, 4, 2.) und war ehemals meiſt eine Ennaeteris (S. unten bei Herakles), in Athen wohl unbe - ſtimmt.. Nachher fand Verſoͤh - nung mit den Verwandten oder gewaͤhlten Phratoren ſtatt, doch nur dann wenn dieſe wollten2ἐὰν ϑέλωσι Demoſth. a. O., und immer nur bei Todtſchlag der zweiten Art3ἐὰν γνῶσιν οἰ πεντήκοντα καὶ είς ἄκοντα κτεῖναι. vgl. geg. Pantaͤnet. 983, 15. Nauſim. 991, 3., wo Reiske mit Unrecht aͤndert. Sonſt ſ. be - ſonders die ϑεσμοὺς bei Dem. g. Ariſtokr. Auch Plato ſtatuirt Verſoͤhnung und Reinigung nur beim φόνος ἀκούσιος, Geſetze 9. S. 869. Daß man ſich in der Stille mit einem vorſaͤtzlichen Moͤr - der abfand (g. Theokr. 1330.), war gegen allen Grundſatz; ſo wie auch, was Il. 9, 632. ſteht, als Ausnahme angegeben wird, wo - gegen Apolld. 2, 7, 6. zu vergl.; der Ausdruck dafuͤr iſt αἰδέσασϑαι, weil ein ſolcher Moͤrder ein Un - gluͤcklicher und darum nach althelleniſcher Anſicht Ehr - wuͤrdiger iſt. Dann loͤsten Opfer und Suͤhngebraͤuche den Thaͤter von allem Flecken; er iſt ἁγνισϑείς, und335 das μῦσος abgewandt. In aͤlterer Zeit fand die Rei - nigung wohl immer außerhalb der Heimat, oft in den aͤlteren Sitzen des Geſchlechts ſtatt; in Athen nach der Ruͤckkehr. Hier waren natuͤrlich die Faͤlle ſuͤhnbaren Mordes weit ſeltener als in altheroiſcher Zeit, da bei weniger geordneten Staatsverhaͤltniſſen und engeren Familienbanden weit mehr Veranlaſſungen und Ent - ſchuldigungen des Todtſchlages waren. Damals muß - ten daher Inſtitute von doppelter Wichtigkeit ſein, wel - che die furchtbaren Wirkungen einer ungluͤcklichen That zu hemmen, den innerlich Zerruͤtteten ſelbſt zu beruhi - gen, und der nie raſtenden Blutrache Graͤnzen zu ſetzen beſtimmt waren1Wir werden dies Thema noch bei Herakles weiter fortfuͤh - ren. Hier bemerken wir nur gegen Lobecks (de praec. myst. 2. p. 6.) Behauptung: alle Expiationen in der heroiſchen Mytholo - gie ſeien ab historicis ficta, daß ſchon nach Arktinos Erzaͤhlung (Aethiopis bei Procl. Chreſt. vgl. Tychſen de Quinto p. 61.) Achill nach Therſites Mord nach Lesbos flieht, u. dort nach Opfern an Ap. u. Artemis von Odyſſeus expiirt wird..

Durch dieſe alte Verbindung der religioͤſen Expia - tionen und der Eriminal-Gerichtsbarkeit erklaͤrt ſich, wie Apoll in Athen allgemeiner Gerichtsvorſtand ſein konnte, daher vor jedem Gerichtshofe die Statue eines Wolfes2S. oben S. 245, 3.. Und eben deswegen ſtellte man ihn in Te - nedos mit dem Doppelbeil bewaffnet dar, mit dem auf dieſer Inſel Ehebrecher gerichtet wurden3S. unten..

7.

Ich beruͤhre eine dritte Claſſe von Reinigungen mit wenig Worten, die ganz lokalen von Haͤuſern, Or - ten oder Gegenden, denen ebenfalls Apollon vorſtehend geglaubt wurde4Aeſchyl. Eum. 62., daher ſie auch Teireſias, der Pro - phet des Ismenions zu Theben, verſieht5Theokrit 24., wie ſpaͤter336 noch Epimenides als Kretiſcher Apollodiener Athen (nach Ol. 46, 1.) und Delos (noch fruͤher)1Plut. VII. Sap. 14. reinigen mußte. Von Delos iſt dies die erſte bekannte Reinigung, die zweite iſt die von Peiſiſtratos veranſtaltete (gegen Ol. 60.), die dritte die von Athen fuͤr die ganze Inſel vorgenommene (Ol. 88, 3.), bei dieſer wurde die In - ſel ganz von den dem Gotte verhaßten Leichen be - freit2Vgl. noch das Faktum in den unaͤchten Briefen d. Aeſchines 1. S. 658 R..

Bei allen dieſen Gebraͤuchen kommt haͤufige An - wendung des Lorbeers (der δάφνη Ἀπολλωνιάς)3Heſych s. v. vor, dem bei Beſprengungen ſowohl als Umtragungen eine averruncirende Kraft beigemeſſen wurde4S. beſonders Caſaub. zu Theophr. Char. 16.. Zu - gleich aber diente dieſer Baum[nach] mannigfach bei der Weiſſagung; ein Zweig davon bezeichnete in alter Zeit den Propheten5Da - her die Manto auch Daphne heißt, und einer der Priamiden, ein Weiſſager, αἴσακος, Lorbeerſtab. Apolld. 3, 12, 5. vgl. Heſych s. v. und den Gott ſelbſt als ſolchen6Tiſchbein 1, 33. Millin Vas. 1. pl. 6., dem daher auch von Einigen die Κορυϑάλεια7Plut. Symp. 3, 9, 2. p. 148 H. Schol. Od. 19, 86. διὰ τὸ κουϱοτϱόφον τοῦ Απ. vgl. Euſt. p. 683, 40, Baſ. Heſych s. v. κοϱυϑαλία, wo auch die Eireſione ſo heißt. Vgl. Creuzer Symb. 2. S. 161., der Lor - beer ſelbſt, nebſt der Ἀλήϑεια, der Erfuͤllung8Ἀλήϑεια heißt bei Orakeln oft die Beſtaͤtigung durch den Aus - gang; wie Antiphon πεϱὶ τῆς Ἀληϑείας ſchrieb, d. i. uͤber die Erfuͤllung von Orakeln. Ap. ἀληϑής, Tryphiodor V. 641. mit der Note von Wernicke. Die Weiſſager ſpartaniſch καταλαϑισταί, Hem - ſterhuis zu Timaͤos p. 113., zu Ammen gegeben werden. Warum dem Lorbeer dieſe Kraft und Wirkung zugetheilt wurde, iſt ſo dunkel als die Urſpruͤnge der alten Symbolik uͤberhaupt. Ob es der Anblick des immergruͤnen Baums in ſeiner ſchlan -337 ken gradaufſtrebenden Geſtalt mit den metallglaͤnzenden Blaͤttern allein war, der an den Gott heiterer Kraft erinnerte? Das Lokal von Tempe, wo auch jetzt die Pflanze noch reichlich wuchert, trug gewiß viel zur religioͤſen Sanction des Symbols bei1S. 202. dazu Nikander Alexiph. 198. Theophr. H. Pl. 4, 5, 3. und Schneider T. 5. p. 341.: daher auch die Liebe des Gottes zur Daphne oft an den Peneios geſetzt wird2Bei Ovid u. Hygin fb. 203. vgl. Muncker. Sonſt nach Amyklaͤ, Klaros, auch an den Ladon verſetzt, dies wegen Ap. Onkaͤos. Auf mehrern Muͤnzen von Metapont, z. B. auf zwei des Pariſ. Cabinets, ſtellt oder pflanzt Ap. den Lorbeer auf einen niedrigen Altar; den Lorbeer in der Hand haltend, auch mit Wollenbinden, ſieht man ihn oft auf Muͤnzen.. Ueberhaupt aber liebt Apollon Haine, beſonders aus wildwachſenden Baͤumen, Lorbeer, Olea - ſter u. aa. ; die friſche Kuͤhle und das heilige Schwei - gen ſchien eine paſſende Vorbereitung zum Eintritt in das Heiligthum3S. Od. 9, 200. 20, 278. Pauſ. 1, 21, 9..

8.

Warum Apollon Weiſſagegott iſt, und wie dies Amt mit ſeinen uͤbrigen zuſammenhaͤngt, iſt Vielen raͤthſelhaft geweſen, und man hat ſich oft begnuͤgt, eine zufaͤllige Vereinigung der Kithariſtik, Mantik, Bogenkunde anzunehmen, ſtatt daß man das Princip derſelben nachgewieſen haͤtte. Dies verheißen wir zwar auch nicht zu leiſten, aber denken doch, durch Entfer - nung ſtoͤrender und verwirrender Begriffe, der urſpruͤng - lichen Idee Apolliniſcher Weiſſagung naͤher zu kommen. Weiſſagung iſt Angabe des Geſchicks, welches nach der religioͤſen Anſicht Zeus verhaͤngt. Das Geſchick aber iſt die Gewalt, welche jeglichem Dinge ſeine Natur, ſeinen Stand, ſein beſtimmtes und umſchriebenes Sein anweist. Eine Thaͤtigkeit, welche dieſer Natur, die - ſem Daſein angemeſſen iſt, nennt der alte Grieche eineII. 22338gute, die umgekehrte eine boͤſe. Dies laͤßt ſich am ſicherſten aus dem Sprachgebrauche von Μοῖρα und Αἶσα ſelbſt erkennen. Nach Homer iſt es ſelbſt moͤg - lich, daß Jemand gegen das Geſchick handle: da fuͤr das einfache Gefuͤhl allerdings der rechte Lauf der Dinge durch Willkuͤhr unterbrochen werden zu koͤnnen ſcheint. Dieſen rechten Lauf der Dinge nun, nach dem erfuͤllet wird, was in der Natur der Sache liegt, ver - kuͤnden die alten Orakel, und nur ſo erklaͤrt ſich der Sprachgebrauch, warum die Spruͤche Apollons Θέμι - στες, Ordnungen, heißen1S. beſonders Od. 16, 403. Hymn. Ap. P. 210. vgl. Aelian V. G. 3, 43. 44. Diod. 5, 67. Harpokr. θεμιστεύειν Aa. Themis mit Apollon verehrt zu Delphi (wie auch die verdorbene Gloſſe des Heſych s. v. θέμις zu ſagen ſcheint) und im Didymaͤon, Chis - dull Antt. Ass. p. 67.. Apollon giebt an, was in jeglichem Bezuge ϑέμις ſei. Nun muß es frei - lich wunderbar ſcheinen, daß man nicht zu ſolchem Endzwecke eine ruhige Ueberlegung fuͤr das beſte Mit - tel befand, und das Orakel von einer Frau im Zu - ſtande der Ekſtaſe ausgeſprochen werden mußte. Aber erſcheint nicht auch in den aͤlteren Zeiten der Griechi - ſchen Philoſophie jede neue und tiefe Erkenntniß als ein Werk ploͤtzlicher Erleuchtung und Ekſtaſe; oft von wunderbaren Umſtaͤnden begleitet? und mußte nicht das Gemuͤth jener Zeitalter von ſelbſt in dieſen Zuſtand verſetzt werden, wenn es ſich der individuellen Be - ſchraͤnkung zu entziehn, und in dem Geſchehenen das Walten der Goͤtter zu erkennen ſtrebte? Die Mittel, um dieſe Begeiſterung zu befoͤrdern, der Hauch der Kluft, das Kaͤuen des Lorbeers, das Trinken des Quellwaſſers, ſind von hoͤchſt unſchuldiger Art. Indeſ - ſen ſtehn wir nicht in Abrede, daß fruͤh die aͤußere Form ein bedeutungloſes Spiel wurde, waͤhrend poli -339 tiſcher Verſtand das Orakel zu leiten fortfuhr. Daß eine Frau der Mund des Gottes werden mußte, hat erſtens in der den Doriern eigenthuͤmlichen Schaͤtzung der Frauen, dann in der von den Alten oͤfter bemerk - ten Neigung des weiblichen Geſchlechts zu ekſtatiſchen Zuſtaͤnden ſeinen Grund. Auch ſonſt ſind mit Apollon - tempeln haͤufig Prophetinnen verbunden, wie ſchon in mythiſcher Zeit Manto bei dem Ismeniſchen und Kla - riſchen, und Kaſſandra bei dem Thymbraͤiſchen Heilig - thume, mit denen die Sibyllen zunaͤchſt verwandt ſind, in deren Spruͤchen nach einzelnen Andeutungen zu ſchließen ein ſtrenger Geiſt geweht zu haben ſcheint, der das Ueberwallen des freudigen Muthes durch An - kuͤndigung der goͤttlichen Gerichte baͤndigte und be - ſchraͤnkte. Sehr bezeichnend ſagt der alte Herakleitos von Epheſos: mit raſendem Munde kuͤndet die Sibylla freudeloſe, ungezierte und ungeſalbte Reden, aber des Gottes voll1Bei Plut. Pyth. or. 6. p. 257. vgl. Schleiermacher Heraklit im Muſeum der Alterthumsw. S. 332.. Derſelbe ſagt von der Weiſſagung zu Pytho: der Gott, daß das Orakel iſt zu Delphen, ſagt weder noch verbirgt er, ſondern er zeigt an2bei Plut. 21. S. 282. S. 333. Schleierm. Einfachheit ſcheint auch Herod. 7, 111. an den Delphiſchen Orakeln einigermaßen zu ruͤhmen, wie Philoſtr. V. Apoll. 6, 11., wo - mit wenigſtens der haͤufigen Vorſtellung von einer ge - ſuchten Ambiguitaͤt dieſer Orakel widerſprochen wird.

Ueberhaupt aber mußte dieſes Inſtitut ſehr an Wuͤrde des Charakters verlieren, als es ſich herabließ, die verfaͤnglichen Fragen, mit denen Kroͤſos die Grie - chiſchen Orakel verſuchte, auf Schleichwegen zu loͤſen, um der reichen Geſchenke und Spenden willen, mit de - nen der Lydermonarch Tempel und Stadt bedachte. Ein Grieche haͤtte es in fruͤherer Zeit nicht gewagt,22 *340dem Heiligthume anders als mit dem groͤßten Zutrauen zu nahen, das faſt den ganzen politiſchen Zuſtand des Landes geordnet, die Colonien geleitet, die Gottesfrie - den geſtiftet, Lykurgs Geſetzordnung eingefuͤhrt u. ſ. w. Da hatte der Gott meiſtentheils nicht zu ſagen, was geſchehen wuͤrde, ſondern was geſchehen ſollte, und verkuͤndete oft ein nicht von ihm unabhaͤngiges, ſondern durch ſeine Spruͤche ſelbſt herbeigezogenes Schickſal. Inſonderheit waren alle Dorier in einem gewiſſen Un - terthanenverhaͤltniß zum Pythiſchen Tempel; und ſo lange dieſer Stamm das Principat von Hellas hatte, galt die μεσόμϕαλος ἑστία mit dem ewigen Feuer1S. Hom. Hymn. 24. Aeſch. Choeph. 1037. Curip. Jon 474. Plut. Numa 9. zu Pytho in der That fuͤr das Prytaneion und den religioͤſen Mittelpunkt des ganzen Hellenenvolkes2vgl. Platon Rep. 4. p. 179, 7. Geſetze 6. p. 428, 12. Bekk..

9.

Uebrigens wurde im alten Griechenlande keines - wegs alle Weiſſagung von Apollon abgeleitet, ſondern nur ſolche, die aus einer Seelenerleuchtung und See - lenerhebung hervorgeht, welche das in hohem Sinn Ge - dachte auch aͤußerlich als nothwendig poſtulirt. Jener ſchwaͤrmeriſche Seelenzuſtand, in den kuͤhle Grotten mit ihren rinnenden Waͤſſern, toͤnendem Wiederhall, rau - ſchendem Luftzuge das empfindſame Gemuͤth der Vor - welt verſetzten, wurde dagegen von den Nymphen ab - geleitet, und die Bakiden, welche als ντμϕόληπτοι erſcheinen, haben ſo wenig mit Apollon gemein, als die Σεληνιακοί, unter denen Muſaͤos genannt wird3Auch die Traumweiſſagung ſetzt Eurip. (Iphig. T. 1264.) der Weiſſagung Ap. entgegen, und deutet dar - auf den Kampf von Gaͤa und Phoͤbos.. Von der Divination aus Beobachtung werden nur hie und da einzelne Zweige, mehr zufaͤllig als nach341 einer beſtimmten Regel, auf ihn bezogen1Dagegen alle eigentliche Mantik aͤlterer Zeit, nach Pauſ. 1, 43, 3., wie die Blitzdeutung2S. oben S. 240., die Vogelſchau3Hymn. Hom. 3, 213. 544. Sophokl. Oed. T. 965. Alexander Δελφικὰ bei Steph. B. Παϱν. Pauſ. 10, 6, 1. vgl. Plin. 7, 57., die Opferweiſſa - gung4μάντεις Πυϑικοἰ beim Opfer, Eurip. Andr. 1107. 1116. vgl. oben S. 235. 253., die Deutung aus Looſen, die indeß als eine untergeordnete Gattung auch wieder von ihm verſchmaͤht und zuruͤckgeſetzt, oder dem Hermes verliehen wird5Hom. Hymn. 3, 552. Kallim. Ap. 45. Schol. Etym. M. 455, 51. Anecd. Bekker p. 265. Zenob. 5, 75. Steph. B. Θϱία, vgl. Heſych in der dunkeln Gloſſe Θϱιώ, und das Vaſenge - maͤlde bei Millingen Div. peint. 29. Κλήϱους zu Delphi erwaͤhnt auch Plut. Εἰ 16. Von Lobecks Abhandl. de thriis Delph. kenne ich nur den Titel. Auch ἀλευϱόμαντις Ἀπ. Heſych. Nur als Curioſitaͤt iſt die Genealogie anzufuͤhren, wonach The - miſto, Tochter des Hyperboreer-K. Zabios, von Ap. den Galeos gebiert, bei Steph. B. Γαλεῶται. Die Galeoten ſind Doriſche Zeichendeuter Siciliens (Philiſtos bei Cic. de div. 1, 20. Aelian V. G. 12, 46. Klem. Alex. Str. 1. p. 334. Sylb. Heſych), die von den Eidechſen den Namen haben, die auch die Jamiden bei der Weiſſagung anwandten. Pauſ. 6, 7, 14..

Verbinden wir den gewonnenen Begriff von Apol - lons Weiſſagung mit dem Vorigen: ſo finden wir aller - dings eine leichte und einfache Anreihung deſſelben. Apollon unterwirft als goͤttlicher Heros jegliches Wi - derſtrebende einer goͤttlichen Ordnung und einem hoͤhern Geſetze; hoͤhere Ordnungen und Geſetze ſind es auch, die er als Prophet des Zeus ausſpricht. Auch durch dieſe ſoll uͤberall Ruhe, Klarheit, Harmonie bewirkt und hergeſtellt, und das Hindernde und Stoͤrende ent - fernt werden. Der Elaube an eine Geſetzmaͤßigkeit, deren Vollſtrecker Apollon ſei, lag aller Weiſſagung bei dieſem Cult zu Grunde.

342

10.

Hieran knuͤpft ſich eine verwandte Frage: warum und inwieweit auch die Muſik zu den Ehren - aͤmtern (τιμαῖς) des Apollon gehoͤre. Aus den Dich - tern muß man nicht zu viel ſchließen. Bei den Aeltern bildet er auf der Kithar (Phorminx) ſpielend oft den Mittelpunkt eines ſingenden und tanzenden Muſen - Chors1Il. 1, 602. Heſiod Schild 200. vgl. Heinrich. So auch auf dem Kaſten des Kypſelos mit den Verſen bei Pauſ. 5, 18, 1. und bei Pind. N. 5, 24., an deren Stelle im Hymnus auf den Pythi - ſchen Gott zehn Goͤtterfrauen geſetzt ſind, unter denen Ares und Hermes wie die Kretiſchen κυβιστητῆρες um - herſpringen, waͤhrend Phoͤbos in ſchoͤngewebtem Ge - wande zugleich ſpielt und mit ſchnellem Schwunge der Fuͤße tanzt: denn auch als Taͤnzer wird der Gott ge - dacht, wie bei Pindar:

Tanzgott, Koͤnig der Mahlesfreude, bogenbewehrter Phoͤbos
2Fragm. Boͤckh 115. Man ſieht den Knaben Ap. ſelbſt um den Dreifuß tanzend auf einer Muͤnze von Kos (Mionnet 3. S. 401.)
2.

Aber aus dieſer dichteriſchen Zuſammenſtellung darf man keinesweges auf Einheit oder Verbindung der Muſen und des Apollon im Cultus ſchließen, welche durchaus nicht nachweisbar iſt: vielmehr hat der Dienſt der erſtern eine ganz andere Geſchichte3Bd. 1. S. 381. und andere Lokale als der letztere. Auch iſt der Gott bei den aͤl - teren gar nicht, wie es die Muſen ſind, Vorſtand der Dichter, und wird nie angerufen, um dichteriſche Be - geiſterung zu verleihn: nur die Kithariſten ſind unter ſeiner Obhut. Die Kithar war ſein Attribut auf vie - len alten Standbildern4S. z. B. Athen. 14. S. 636 e. Daher Κίθαϱος Fiſch des Ap. Apolld. Fr. S. 395. H., wie auch auf Delphiſchen Muͤnzen, ſie iſt ſein altes Eigenthum; die dumpfer toͤ - nende Lyra mit dem gewoͤlbten Schallboden hat er erſt343 von dem erfinderiſchen Hermes erhalten1Hom. Hymn., wo aber die Lyra ſchon mit der Kithar (die ſiebenſaitig V. 64. alſo nach Terpandros) oͤfter verwechſelt wird. Vgl. Apolld. 3, 10, 2. wo Ap. von Hermes auch die Syrinx er - haͤlt, Eratoſth. Kataſt. 24. Die Aeoliſchen Λυϱικοὶ liebten den Mythus, daher oͤfter bei Horaz., und ſie iſt ein minder gewoͤhnliches Inſtrument in ſeinen Haͤnden.

11.

Warum aber Apollon die Kithar ſchlaͤgt? Sicher aus keinem andern Grunde, als weil Kitharmuſik ſeit uralter Zeit mit ſeinem Dienſte verbunden war: und dies war ſie wieder, weil ſie ruhige und einfache Har - monie auszudruͤcken am geeignetſten ſchien; denn eine feierliche Ruhe und Stille der Seele ſucht, wie wir vielfach bemerken, der Apolliniſche Cultus uͤberall her - vorzubringen. Am ſchoͤnſten redet Pindar von dem Gotte, der die Kitharis erfand, und die Muſe ertheilt wem er will, um friedliches Geſetz in das Herz einzufuͤhren2P. 5, 63.. Darauf deuten auch die goldenen Keledonen, die nach deſſelben Dichters3Frgm. Paͤan. 2. Boͤckh. Er - zaͤhlung vom Dache des ehernen Tempels zu Delphi herabhingen; ſie ſollen ohne Zweifel die den Sinn be - zaͤhmende und beſaͤnftigende Gewalt des Gottes anzei - gen. Beſonders mußte dies die Abſicht der Muſik ſein, wenn ſie bei καθαϱμοῖς und wenn ſie als ἐπῳδὴ ge - braucht wurde, wo Leidenſchaften zu beſchwichtigen und Schmerzen zu ſtillen waren; und grade dies war eine der wichtigſten Anwendungen derſelben in alter Zeit4Der vielfache Gebrauch der Muſik in der Medicin der aͤlteſten Zeit iſt gewiß nicht blos Aberglaube; ſo hat Ap. als Kithariſt und als ἰατϱόμαντις (Aeſch. Ἱκετ. 261. Eumen. 62.) nah verwandte Aemter.. Chryſothemis, ein alter Pythiſcher Saͤnger im My - thus, heißt darum Sohn des Tarrhaͤiſchen Suͤhnprie - ſters Karmanor5Pauſ. 10, 7, 2. Nach Schol. Pind. P. Argum. 3. iſt er ſelbſt der καϑαϱτής.; wie auch der Kretiſche Dichter Tha -344 letas durch Muſik das von Krankheit heimgeſuchte Sparta reinigte und beruhigte1Plut. de mus. 42.. So wandten ferner die Pythagoreer, die den Apollon mit beſonderer Vor - liebe verehrten, die Muſik an: als ἐπῳδὴ zur Beſaͤnf - tigung der Leidenſchaft, als Stimmung des Geiſtes zur Harmonie, als Arznei des Koͤrpers und Gemuͤths. Darum zogen ſie die Kithar bei weitem der Floͤte vor2Diog. L. 8, 24. Jamblich Pyth. 26 Ua., in deren Ton nach griechiſchen Begriffen etwas Aufre - gendes, Wildes und zugleich Duͤſteres lag, und eben dies iſt der Grund, warum Apoll die Floͤtenmuſik ſeit alten Zeiten haßt und verſchmaͤht3Darum durfte auch wohl in den Tempel des Ap. Sohns Tennes kein Floͤtenſpieler eintreten, Diod. 5, 83.: worauf ſich ſein Streit mit Marſyas, dem Phrygiſchen Silen und Floͤ - tenſpieler bezieht, deſſen ſchlauchaͤhnliche Haut, die ihm der ſtrenge Sieger abgezogen, ſich immer noch zu Ke - laͤnaͤ nach Sage der Einwohner beim Floͤtentone ſanft und freundlich bewegte4Der reiche Mythus und die vielen Bildwerke, die ſich darauf beziehn, ſind bekannt. S. beſonders Boͤttiger in Wielands Att. Muſeum 1. S. 285. Visconti Mus. Pio Cl. 5, 4. Millin Vases 1. pl. 6. Die Darſtellung bei Tiſchb. 4, 6. zeigt Phrygiſches, die 1, 33. und bei Millingen 6. Delphiſches Lokal.. Die Floͤte iſt aber uͤber - haupt kein altes Inſtrument unter den Hellenen; Ho - mer kennt ſie blos bei den Troern5Il. 10, 13. Die Stelle 18, 495. kann nicht fuͤr gleich alt gelten. Vgl. Euſt. und Schol. Villoiſ.; hernach begleitete ſie in Griechenland zwar den Komos, den ſchwaͤrmen - den Feſtzug6Heſiod. Schild 281., aber die Kithar behielt lange allein die Leitung des Chors; noch im Jahrhundert des Alkman kamen die Floͤtenſpieler meiſt aus Kleinaſien, und ihre Namen (Sambas, Adon, Telos)7Athen. 14. S. 624. b. Welcker zu Alkman S. 6. fr. 86. Die Troͤzenier nannten die Muſen Ἀϱδαλίδες und einen Hephaͤſtos - Sohn hatten daher oft345 etwas Barbariſches und Sklaviſches. Am meiſten ge - fiel dieſe Muſik in den Orten der Dionyſos-Verehrung, daher beſonders in Boͤotien; noch weſentlicher gehoͤrt ſie zum Cultus der großen Goͤttin und des Phrygiſchen Pan1S. beſonders Marm. Par. ep. 10. und die Erkl., daher Pindar, der das Floͤtenſpiel erblich uͤbte, ein Sacellum der Goͤttermutter und des Pan weihte2Boͤckh zu Pind. Fr. p. 292.. Als ſie nun aber in Griechenland allgemein gewor - den war, konnte ſie doch auch von einem ſo beruͤhmten Sitze der Muſik, als Delphi war, nicht ausgeſchloſſen bleiben, und Apollons Ohren wurden minder faſtidios gegen ſie. Zwar Alkman und Korinna ſind fuͤr die Kunſt zu eingenommen, jener als Lyder, dieſe als Boͤoterin, wenn ſie den Gott ſelbſt Floͤte blaſen laſſen3Alkm. Frgm. 38. Wlck. Plut. de mus. 14.. Indeß war doch damals wirklich das Floͤtenſpiel ſelbſt in heilige Darſtellungen des Delphiſchen Dienſtes auf - genommen; man hatte unter dem Namen des Olympos, eines Phrygiſchen Tonkuͤnſtlers (zur Zeit Terpanders), eine Trauermuſik auf Pythons Tod zur Floͤte in Lydi - ſcher Tonart4Ariſtoxenos bei Plut. 15. Derſelbe Muſiker com - ponirte auch den νόμος πολυκέφαλος zu Ehren des Ap. Plut. 7. Boͤckh Expl. ad. Pind. P. 12. p. 345., die wahrſcheinlich einen Theil jener dramatiſchen Auffuͤhrung bildete; auch bei dem Zuge nach Tempe, zu Proſodien, und zum Pentathlon bei den gymniſchen Spielen ertoͤnte dies Inſtrument5Plut. de mus. 14. Pauſ. 5, 7, 4. 17, 4. τὸ Πύθιον, Athen. 12, 538 f. ; eine eigne Gattung der Floͤte erhielt von dem Gebrauch7Ardalos als Floͤtenerfinder und erſten Prieſter deſſelben (Pauſ. 2, 31, 4. Plut. de mus. 5. VII. Sap. 4. Steph. Byz. Ἁϱδαλ. He - ſych s. v.): dies iſt wahrſcheinlich der Gott der Solymer Ἄϱσαλος (Plut. def. or. 21.) der aus der Troͤzen. Colonie Halikarnaß (S. 104.) mit andern Dienſten (Pauſ. 2, 32, 6.) heruͤber kam.346 bei Paͤanen den Namen der Pythiſchen1oder voͤlligen (τέλειοι αὐλοὶ), Ariſtid. de mus. 2. p. 101 Meih.. Doch wur - den wieder aulodiſche Auffuͤhrungen in lyriſchen und elegiſchen Maaßen, nachdem man ſie ein einziges mal angehoͤrt hatte, von den Pythien ausgeſchloſſen, weil ſie einen zu duͤſtern Eindruck gemacht2Pauſ. 2, 22, 9.. Denn uͤber - haupt iſt das Duͤſtere, Traurige, weichlich Klagende, wie dem Dienſte des Gottes uͤberhaupt, ſo ſeiner Tem - pelmuſik fremd und zuwider, die in ernſten und maͤnn - lichen Toͤnen eine heitere Ruhe und Ordnung uͤber den Geiſt auszubreiten ſtrebt.

12.

Aus dieſem Geſichtspunkte werden wir auch die wunderliche Nachricht von dem Wettſtreite Apollons mit Linos, und wie er dieſen als Ueberwinder toͤdtet3Pauſ. 9, 29, 3. Philochor. bei Euſt. Il. S. 1163, 57 Rom. , verſtehen lernen. Was Linos eigentlich ſei: muß ich mir erlauben mit wenig Worten anzudeuten, ohne den Gang der Forſchung ausfuͤhrlich darzulegen. Der Ge - genſtand des Geſanges Λίνος iſt urſpruͤnglich ein Gott jener Naturreligionen, die den ſteten Tod alles bluͤ - henden Lebens ſo ergreifend darſtellen, dem Narkiſſos (dem Erſtarrten) nahe verwandt: man zeigte zu The - ben und zu Argos ſein Grab, und an letzterem Orte beklagten ihn Frauen und Jungfrauen im Monat Ar - neios als einen unter Laͤmmern erzogenen und von Hun - den zerriſſenen Knaben4Konon 19. Pauſ. 2, 19, 1. (ſein Grab im Tempel Ap.) vgl. Properz 2, 10, 8. ϑϱῆνος Ἀϱγεῖος. Ariſtid. Eleuſ. S. 259. Apoll iſt nur ſein poëtiſcher Bater (Apolld. 1, 3, 2. Theokrit, Euſt. ), aber die Mutter Pſamathe und der Bruder Pſamathos muͤſſen etwas bedeuten., womit ein Feſt Arnis oder Kynophontis zuſammenhing, an dem man eine Menge von Hunden oͤffentlich todt ſchlug5Konon a. O. Athen. 3, 99 f. ; offenbar bedeutet347 der Hund, wie oͤfter in alter Mythologie, den Sirius, und uͤberhaupt die Gluthitze des Sommers, die aller Vege - tation u. allem zarteren Leben der Natur ein Ende macht. Der Geſang aber, der den fruͤhen Tod des vielgelieb - ten1Heſiod bei Euſt. a. O. Kindes beklagte, wurde mit leiſer gedaͤmpfter Stimme zur Kithar geſungen, und in Homeriſcher und Heſiodiſcher Zeit gern gehoͤrt2Il. 18, 569. Eurip. bei Athen. 14, 619 c. , obgleich damals ſchon mit ermaͤßigter Trauer und vielleicht blos als ein ſanf - tes Adagio; doch muß er auch nachher noch einen vor - herrſchend traurigen Charakter gehabt haben, wie die Namen Αἴλινος und Οἰτόλινος beweiſen3vgl. Stanley zu Aeſch. Agam. 123. Der eigentliche Name war vielleicht οἶτος Λίνου, der Anfang αἲ Λίνε.; beſonders ſangen ihn die Landbauer (gewoͤhnlich Ureinwohner) gern und oft4Pollux 1, 1, 38. vgl. Il. a. O.. Das alte Griechenland kam in dieſer Hin - ſicht mit dem Kleinaſiatiſchen Orient uͤberein, wo ſolche religioͤſe Klaglieder nach den Landſchaften ver - ſchieden, aber uͤberall mit demſelben Grundtone ſich wiederfinden5Barbari - ſche Αἴλινοι bei Eurip. Or. 1402.: der Klageſang der Dolionen6Sch. Apoll. 1, 1133.; der Hylas an den Quellen im Lande der Myſer und Bi - thyner7Bd. 1. S. 293., (ziemlich einerlei mit dem Myſion)8Aeſch. Perſ. 1059., (wo es eine eigne Trauermelodie zu einem klaͤglichen Chorgeſange iſt) Schol. Euſt. zu Dion. P. 791.; der ſchoͤne Bormos, deſſen Waſſertod die Landleute der Mariandynen um Sommersmitte zur einheimiſchen Lan - desfloͤte ſangen9Aeſch. Perſ. 941. Schol. Euſt. a. O. Pollux 4, 7, 54.; der Lityerſes, den die Phryger zu Kelaͤnaͤ, in Marſyas Heimat, jaͤhrlich zur Erndtezeit beklagten10Schol. Theokr. 10, 41. Apoſtol. 12, 7. Heſych, der s. v. Μαϱιανδ. ϑϱῆνος den Lityerſes mit dieſem ver -; das ſchwermuͤthige Karikon auf Phrygi -348 ſchen Floͤten geſpielt1Poll. 4, 10, 76.; weiterhin der Gingras oder Adonisgeſang, und das Peluſiotiſche Ackerlied Mane - ros, das ſchon Herodot mit dem Linos verglichen hat22, 79. vgl. Klearch bei Heſych. Pollux a. O.. Ja in Kypros erneuert ſich gewiſſermaßen der Kampf der entgegengeſetzten Sangweiſen, nach der Sage, daß Kinyras, der Aphroditenprieſter und Erfinder klagen - der Adoniasmen, gleich Marſyas und Linos, im Wett - ſtreit von Apoll uͤberwunden und erſchlagen worden ſei3Euſt. Il. 1. V. 20. Der Name Kinyras iſt griechiſch zur Aehnlichkeit von κινυϱὸς umgemodelt. Daß ihn Ap. liebt, (Pind. P. 2, 16. vgl. Schol. Theokr. 1, 109.) bezeichnet ihn blos als muſikliebend..

So ſehen wir alſo den Gott, der ein Vorſtand iſt einer ſtrengen, einfachen, ruhigen Helleniſchen Muſik, im Kampfe mit dem leidenſchaftlichen, bald unruhig bewegten, bald erſchlafften Geiſte, den eine entgegen - geſetzte Naturreligion, die das menſchliche Gemuͤth vom Schwindel orgiaſtiſcher Freude in die Tiefen aufgeloͤsten Schmerzes zu ſtuͤrzen liebt, auch in den Anfaͤngen der Muſik darlegt, und finden auch hier eine voͤllige Har - monie aller einzelnen Erſcheinungen mit den Haupt - prinzipien. Wenn wir dadurch ſchon auf den Cha - rakter des muſiſchen Cultus in den Tempeln Apollons im Allgemeinen hingewieſen haben, ſo werden wir eine genauere Kenntniß davon durch Unterſcheidung der ein - zelnen Arten deſſelben gewinnen.

13.

Eine uralte Art des Geſanges, mit der nach der Sage ſchon Chryſothemis der Kreter und Philam - mon wettſtreitend zu Delphi auftraten, war ein10gleicht, daher bei den Schol. Aeſch. Hyagnis Schuͤler des Marian - dynos.349 Hymnus an Apollon1Pauſ. 10, 7, 2. Vom Alter der muſiſchen Kaͤmpfe zu Delphi Plut. Sympoſ. 2, 4, 1. p. 83. Demetr. Phaler. (oben S. 331, 1.) Philoſtr. Ap. Tyan. 6, 10., den man fich in altdoriſchem Dialekt abgefaßt und einfach zur Kithar geſungen den - ken muß. In Betreff der muſiſchen Auffuͤhrung heißt derſelbe zugleich Kitharodiſcher Nomos2Proklos bei Phot. Χϱυσόϑεμις Κϱὴς πϱῶτος στολῇ χϱησάμενος ἐκπϱεπεῖ καὶ κι - θάϱαν ἀναλαβὼν εἰς μίμησιν τοῦ Ἀπόλλωνος μόνος ᾖσε νόμον., deſſen Er - findung, weil er dem Cultus beſonders eigenthuͤmlich war, auf den Gott ſelbſt zuruͤckgefuͤhrt wurde3Suid. νομ. κιθαϱ.. Auch in Delos hatte man Nomen, die man von einem an - dern Repraͤſentanten alter Hymnendichtung, dem Olen, ableitete, die zum kykliſchen Chortanze geſungen wur - den4Kallim. Del. 304. vgl. Apoll. Rhod. 1, 537.. Der gemeinſame Charakter aller war Ruhe und Gemeſſenheit5Prokl. a. O., das Versmaaß ehemals nach be - ſtimmtem Zeugniſſe durchaus hexametriſch6Plut. de mus. 4. aus Timotheos.; womit ſehr wohl uͤbereinſtimmt, daß man den Urſprung des Hexameters uͤberhaupt von Pytho ableitete7S. die Stellen bei Fabrie. 1. S. 207. 210 Harl. Auch versus Deliacus, wenn bei Atil. Fortunat. p. 2690. Putſch nicht zu corrigiren. Auch zu Milet hatte man alte hexametriſche Hymnen, angeblich von Branchos, auf Ap. und Zeus, Terent. de metr. 5. 165. vgl. Klem. Alex. Strom. p. 674.. In der Nachricht, daß der alte Hymnod Philammon Jungfrauen - Choͤre um den Altar geſtellt habe, die die Geburt der Leto und ihrer Kinder in lyriſchen Maaßen (ἐν μέλεσι) beſangen8Herakl. Pont. bei Plut. 3. vgl. Schol. Od. 16, 432. Synkell. Chronogr. S. 162. Fabric. 1. S. 214 Harl., ſcheinen die von Terpandros, dem Lesbi - ſchen Lyriker, ausgebildeten und variirten Philammo - niſchen Nomen9Plut. 5. mit den urſpruͤnglichen verwechſelt, da jene wahrſcheinlich nach der Weiſe der aͤlteſten Me -350 lopoͤen mit kuͤrzeren Verſen gemiſchte Hexameter ent - hielten1Plut. 3, 4. Doch gab es nach Proklos a. O. auch Ter - pandriſche Nomen in Hexametern., dieſe aber nichts als Hexameter. Die in dieſen Nachrichten genannten alten Cultusdichter, Chryſothemis, Philammon und Olen, ſind uͤbrigens mit eben der Gewißheit fuͤr Dorier zu achten, wie es die Gruͤnder der Heiligthuͤmer von Tarrha, Delphi und Patara waren, denen ſie beſonders angehoͤren2Wenn Thamyris der Thraker Sohn des Philammon heißt, Pauſ. 4, 33.: ſo iſt wohl der Grund davon nur die lokale Nachbarſchaft der Delpher und Par - naſſiſchen Thraker.; und ſo wird auch der Dialekt der ihnen zugeſchriebenen Geſaͤnge kein anderer als der Doriſche geweſen ſein wenn auch freilich eine vorhiſtoriſche Ausbildung deſſel - ben zur Poeſie mit den eben herrſchenden aber nicht ſonderlich tief begruͤndeten Begriffen von der Ent - wickelung der Helleniſchen Dichtkunſt nicht uͤbereinſtim - men will.

14.

Von der Bedeutung des Paͤan als eines Dankliedes fuͤr Rettung und Befreiung iſt oben das Hauptſaͤchlichſte bemerkt. Was aber die Art der Auf - fuͤhrung deſſelben betrifft: ſo iſt erſtens aus Homer ſchon bekannt, daß er nach dem Opfermahl geſungen wird3Il. 1, 473. vgl. 22, 391., wenn die Becher nach der feierlichen Libation herumgegeben werden, und ſo geſchah es eben auch in Sparta und in Athen4Pla - ton Symp. 4. Philochor. bei Athen. 14, 630 f. vgl. 4, 179. 11, 503 e. aus Antiphanes. Xenoph. Symp. 2, 1. Darum τελεσίε - ϱος Heſych.. Meiſt fand man es bequem, ihn ſitzend zu ſingen, doch fuͤhrt ihn im Pythiſchen Hymnus Apollon mit den Kretern im Taktſchritte wan - delnd auf5Auch in Delos ſang man Paͤanen um die Altaͤre gehend, Eurip. Herc. fur. 690.; in Sparta wurde er auch in Choͤren ge -351 tanzt1Xenoph. Ageſ. 2, 17. Die Stelle Athen. 14, 631 c. ge - hoͤrt nach der richtigen Lesart nicht hierher. Immer kommt ein ἐξάϱχων dabei vor, der das Lied mit dem Inſtrumente an - ſtimmte u. leitete. So Archiloch. 44. S. 128. Liebel. αὐτὸς ἐξάϱχων πϱὸς αὐλὸν Λἐσβιον παιήονα (nach Terpander), V. Sophocl. μετὰ λύϱας τοῖς παιανίζουσιν ἐξῆϱχε. Vgl. die Verſe von der Lade des Kypſelos. S. 342. N. 1.. Im Ganzen erforderte auch er immer eine gemaͤßigte und wohlgeordnete Muſik2Plut. Ei 9., wenn ſie auch lebhafter ſein durfte als bei dem Nomos, und dem zur Libation geſungenen, hoͤchſt feierlichen, Σπονδεια - κόν3Jambl. Pythag. 25..

Aber die lebhafteſte und leichteſte Bewegung fand unter allen Geſaͤngen des Apolliniſchen Cultus im Hyp - orchem ſtatt4vgl. Menander de eneom. p. 27 Heeren., deſſen Begriff kuͤrzlich der iſt, daß außer dem ſingenden Chor, der ſich im gewoͤhnlichen Reigentanz um das brennende Opfer auf dem Altare dreht, mehrere Perſonen dazu beſtellt waren, die Hand - lung des Gedichts mit darſtellenden Bewegungen und naiver Mimik zu begleiten (ὑπορχεῖσϑαι). Von dem Urſprunge dieſer Tanzweiſe aus Kreta zeugt uns ſelbſt Homer, indem jener Knoſiſche Tanz, den Daͤdalos fuͤr die Ariadne in Bildwerk nachgeahmt, der Be - ſchreibung nach nichts als eine Art Hyporchem iſt5Il. 18, 590. vgl. Od. 4, 18.; und eben darum hießen alle hyporchematiſchen Geſaͤnge zugleich Kretiſche6Soſib. bei Schol. Pind. P. 2, 127. und Simonides bei Athen. 5, 181 b. Plut. Sympof. 9, 15, behandelt von Boͤckh zu Pind. Fragm. S. 597.. Von da kamen ſie in alter Zeit nach Delos, wo noch zu Lukians Zeit das Umherirren der Goͤttin und Inſel, und das endliche Raſten und Feſtſtehn beider hyporchematiſch dargeſtellt wurde7de salt. 16.. 352Ich meine auch, daß dabei vorkam, was im Hymnus auf den Deliſchen Apoll zur Bezeichnung eines Jung - frauengeſangs der Inſel angefuͤhrt wird, daß ſie aller Menſchen Stimmen und Taktſchlagen (κρεμβαλιαστὺν) vorſtellten; man flocht vermuthlich eigenthuͤmliche Tanz - weiſen mannigfaltiger Voͤlker ein, zu denen die krei - ßende Leto auf ihrer Wanderung gekommen. Auch je - ner poſſenhafte und zugleich verwickelte Tanz Γέρανος, den Theſeus zuerſt mit ſeinen Schiffern um den Horn - altar zu Delos getanzt haben ſoll1Vgl. Plut. Theſ. 21. Kallim. Del. 317. mit Spanh. Der Anführer γεϱανουλκὸς Heſych; es kamen dabei Schlaͤge vor, daher der Δήλου κακὸς βωμὸς Heſych; παϱαλλάξεις καὶ ἀνελίξεις, Dikaͤarch bei Plut.; in einfacher Stellung war es ein Halbkreis mit Hegemonen an beiden Fluͤgeln, Pollux 4, 4, 101., hatte vermuthlich einiges Hyporchematiſche. Was den Rhythmus dieſer Darſtellungen betrifft: ſo kann nur ſoviel mit Gewißheit geſagt werden, daß der Hexameter von je - her gaͤnzlich ungeeignet war, ihren leichten und froͤhli - chen Charakter2Athen. 14, 630. vgl. die erhaltenen Fragmente Pindariſcher. zu bezeichnen. Aber die beſtimmtere und kunſtgemaͤßere Ausbildung verdanken Hyporchem und Paͤan wohl erſt den Doriſchen Muſikern, Xenodam von Sparta und Thaletas von Elyros in Kreta3Plut. de mus. 9. 10. Schol. Pind. P. 2, 127. Daß Hyporchemen in Sparta einheimiſch waren, ſieht man aus Pind. Frgm. 8. p. 603 Bh.; und durch dieſe kam auch das Metrum Creticum sive Paeonicum bei dieſen Gattungen in allgemeineu Ge - brauch, deſſen Name das Ausgehn von Kreta und die Anwendung beim Paͤan unwiderſprechlich bezeugt4Plut. 10., wo fuͤr ΜΑΡΩΝΑ καὶ Κϱητικὸν ῥυϑμὸν wohl ΠΑΙΩΝΑ zu ſchr. Ich folge uͤbrigens hier der von Boͤckh aufgeſtellten, auch geſchichtlich ſich beſtaͤtigenden, Theorie uͤber das Genus Paeonicum.. Die Kretiker ſind ein incitates, kraͤftiges, feuriges353 und dabei doch gefaͤlliges und keinesweges arrhythmiſches Maaß (ἁβρόν τι μέλος bei Bakchylides), welches ſich fuͤr raſche Bewegung beſonders eignet. So ließ man alſo an Apolliniſchen Feſten neben jener ernſten und feierlichen Muſa auch eine froͤhliche und ſpielende zu: obgleich man ohne Zweifel das Weichliche und Matte mancher Joniſchen und Aſiatiſchen Rhythmen und Sang - weiſen ſtandhaft verſchmaͤhte.

So umſpielte die Apolliniſchen Feſte uͤberhaupt, abgeſehn von jenen Beſaͤnftigungs-Caͤremonien, ein hei - terer Glanz und eine geſellige Freude, und es uͤberwog die Idee des ſiegreichen, verſoͤhnten und huldreichen Gottes jede andere. Darum trug der Gott auch in alten Standbildern zu Delphi1Pind. O. 14, 12. Schol. und Delos2Hier war ein uraltes Bild nach Plut. de mus. 14., welches Tektaͤos und Angelion nach - gebildet zu haben ſcheinen, (Pauſ. 9, 35, 1. zu emendiren aus Philoſtr. ) von deren Werk vielleicht die Gemme bei Millin Galérie mythol. p. 33, 474. ein Bild giebt. Vgl. Marrob. Sat. 1, 17. Die Chariten hatten Kithar, Floͤte und Syrinx in Haͤnden. Ein andres altes ξόανον zu Delos leitete man von Eryſichthon ab. Plut. Frgm. 10. p. 291. H. die Cha - riten auf der Hand, die ja beſonders oͤffentlichen Fe - ſten durch Tanz, Muſik und Mahlesfreuden Glanz und Reiz verleihn3Bd. 1. S. 182. wo zur Bemerkung, daß die T. der Chariten oft auf Maͤrkten ſtehn, noch Ariſtot. Eth. Nic. 5, 5. mit der Anm. von Zell zuzufuͤgen iſt. Vgl. auch Panyaſis Frgm. 1, 14. 18. bei Brunck..

15.

Wir haben bis jetzt die Erwaͤhnung zweier großen Nationalfeſte vermieden, die Sparta dem Hauptgotte des Stammes zu Amyklaͤ feierte4Auch die Hyakinthien im Amyklaͤon, Str. 6, 278. Hyak. S. des Amyklas und der Diomede T. des Lapithas (vom nahen Lapithaͤon genannt), Apolld. 3, 10, 2. Den Amyklas nennt ſtatt des Hyakinth Sim - mias v. d. Monaten bei Steph. Ἀμυκλ., derII. 23354Hyakinthien und Karneen: aus dem Grunde, weil ſie uns nicht eigentlich Apolliniſch ſcheinen. Daß der Cult des Apollon Karneios, an den ſich beide anſchlie - ßen, aus Theben ſtammt, von wo er durch die Aegi - den nach Amyklaͤ verpflanzt wurde, haben wir ſchon fruͤher aus hiſtoriſchen Nachrichten dargethan1Bd. 1. S. 327. Durch die Aegiden kam auch der Monat Hyakinthios (Caſtelli Proll. 12. p. 74.) nach Sicilien.: hier wollen wir aus den Symbolen und Gebraͤuchen deſſel - ben deutlich zu machen ſuchen, wie er auch ſeinem Cha - rakter nach mehr in altgriechiſcher Demeterreligion als in der Apolliniſchen wurzelt. Der Juͤngling Hyakin - thos, den Apollon Karneios2Hyak. ſelbſt Καϱνεῖος bei Koluth. V. 237. unvorſichtiger Weiſe mit dem Diskus auf das Haupt trifft, hat ſeinen Namen ohne Zweifel von der Blume, (einer dunkelfarbigen Iris - art), die auf mannigfache Weiſe in alter Symbolik zur Andeutung von Tod und Untergang dient; und der Mythus von ſeinem Tode giebt ſich ſonach deutlich als ein Fragment alter Naturreligion. Nun iſt es aber beſonders der Demetercult, in dem die Blume Hya - kinthos in dieſem Sinne vorkommt; wie ſie z. B. unter dem Namen Κοσμοσάνδαλος der Chthonia zu Hermione heilig war3Pauſ. 2, 35, 4.. Weiter fuͤhren die alten Bildwerke, mit denen das zugleich als Altar betrachtete Grab des Hyakinth geſchmuͤckt war, und deren Verfertiger noch die voͤllige Kenntniß der Cultusidee inne gehabt zu haben ſcheinen. Man ſah hier Demeter, Kora, Ha - des, und die Kadmeer Dionyſos, Semele, Ino; den Hyakinthos ſelbſt aber mit ſeiner Schweſter Polyboͤa als Juͤngling und Jungfrau zuſammen dargeſtellt43, 19. vgl. 4, 33, 5.. Po - lyboͤa iſt ſicher von der Kora wenig oder gar nicht ver -355 ſchieden1vgl. Heſych Πολύβοια., die der Hermioneer Laſos Meliboͤa nannte. Dazu kommen nun noch das Todtenopfer und[ die] Trauer - gebraͤuche des erſten Tages2Ein Todtencult war ja auch den Attiſchen πάϱϑενοι ῾ϒακινϑίδες geweiht., die ſonſt Apolliniſchen Feſten fremd ſind, naͤchtliche Feſtzuͤge3Eurip. Helena 1490. und manche andere vereinzelte Spuren Cerealiſcher und Dionyſi - ſcher Symbole4Epheukraͤnze an den Hyakinthien nach Ariſtot bei Macr. S. 1, 18. Daher vielleicht der Κισσεὺς Ἀπ. des Aeſchyl. bei Macr. 1, 18. vgl. Classic. Journ. 19. p. 111., die ſich bei aufmerkſamer Betrach - tung leicht von den Apolliniſchen unterſcheiden laſſen. Auch die Zeit des Feſtes iſt abweichend. Es trifft nach dem laͤngſten Tage in den Spartaniſchen Hekatombeus, der mit dem Attiſchen Hekatombaͤon gleichzeitig iſt5Hierin iſt Manſo Th. 3, 2. S. 201. mit Recht Dodwell beige - treten, deſſen Gruͤnde auch mich uͤberzeugen., in die Zeit, wenn man auf Bithyniens Bergen den Hylas ruft, und jedes zarte Leben das ſchmachtende Haupt ſenkt.

Auf die Hyakinthien folgten im naͤchſten Monat, wie es ſcheint, die Karneen, die ebenfalls dem Amy - klaͤiſchen Gotte galten. Allein in dieſen ſcheint gerade Doriſche Religion das Uebergewicht erhalten, und die Naturſymbolik, die im Hyakinthienfeſte am Tage liegt, verdraͤngt zu haben. Die Karneen waren, nach Allem was wir wiſſen, durchaus ein Kriegerfeſt, und in der Bedeutung den Attiſchen Boedromien vergleichbar. Auf Naturleben deutet nichts darin, wenn nicht dunklere Ceremonien des Agetes und der Karneaten6Heſych: Στα - φυλοδϱόμοι τινὲς τῶν Καϱνεατῶν παϱοϱμῶντες τοὺς ἐπὶ τϱύγῃ. Abweichend das Lex. Rhet. p. 205. Bekker. Ob die ἄλυϱοι ὕμνοι auf Alkeſtis (Eurip. Alk. 462.) einen Bezug auf Re - ligion (oben S. 320.) hatten, oder blos muſiſches Agonisma wa - ren, laſſe ich unentſchieden.. Dies23 *356fuͤhrt uns zu der Annahme, daß bei der Vereinigung des Amyklaͤiſchen Aegidencults mit dem Doriſchen Apol - lodienſt zu Sparta die Hyakinthien mehr von dem Ei - genthuͤmlichen des erſtern behalten, die Karneen mehr von dem Charakteriſtiſchen des letztern angenommen haben, obgleich die Gottheit beider voͤllig vereinigt war. Dabei laͤugnen wir nicht, daß gerade Goͤtter - dienſte von ſo verwickelter Bildungsgeſchichte uͤberaus ſchwer auf einfache Grundideen zuruͤckzufuͤhren ſind, und finden nur darin eine Entſchuldigung dafuͤr, daß in den obigen Auseinanderſetzungen von den beiden Feſten ſo wenig Rechenſchaft gegeben worden iſt.

16.

Zuletzt kann auch aus den Darſtellungen des Apollon in der bildenden Kunſt, namentlich den aͤlteren, unſere Kenntniß der dem Cultus zum Grunde liegenden Ideen und Empfindungen ergaͤnzt und begruͤn - det werden; und nur in ſofern, nicht als Produkten kuͤnſtleriſcher Thaͤtigkeit, widmen wir denſelben eine fluͤchtige Betrachtung. Apollon war vornweg recht eigentlich fuͤr bildende Kunſt erſchaffen. Weil er wenig Beziehung auf Naturleben und in ſeinem Weſen nichts Myſtiſches hat: konnte die Kunſt fruͤhzeitig im Aus - druck ſeines Charakters eine gewiſſe Beſtimmtheit er - reichen, und ſich ſelbſt ein Genuͤge thun. Denn nicht blos in der poëtiſchen Ausbildung, ſondern auch in den ſich zunaͤchſt an den Cultus anſchließenden Mythen iſt Apollon ein vorzugsweiſe menſchlicher Gott, und in ſeinem Thun und Leiden mehr als ein anderer mit den Heroen verwandt. So iſt nicht unwahrſcheinlich, daß das Ideal der beiden Letoiden, in denen ſich ruͤſtige Kraft mit muſiſcher Ausbildung zur wahren Kalokaga - thie vereinte, der Doriſchen Erziehung des Juͤnglings und Maͤdchens vor Augen ſchwebte; und ſo konnte der Kuͤnſtler den Gott wieder nach der Aehnlichkeit des im357 Schlachtreigen wie Chortanze gleich gewandten Ephe - ben1Als Epheb bringt Ap. auch den Knaben εἰς ἥβαν, Antip. Sidon. in der Anthol. Palat. 7, 743. vgl. oben S. 336, 7. Daher ihm Epheben oft das Haar weihten. darſtellen. Ehe indeß die Kunſt dies Ideal, wel - ches ſie lange im Innern trug, aͤußerlich darzuſtellen die Mittel fand und das Vermoͤgen errang: halfen ihr zur Aufſtellung charakteriſtiſcher Tempelbilder die vor allen andern klaren, beſtimmten und bedeutſamen Sym - bole und Attribute dieſer Gottheit, die ſich ſchon in in der fruͤheſten Zeit typiſch feſtgeſtellt hatten, wie Bogen, Kithar, Lorbeerzweig u. a. m. Vertrauend auf den offenen Sinn des Volkes, das an der Leiter dieſer Attribute ſchnell zu der energiſchen Idee des Gottes hinanſtieg, konnte auch die noch rohe Kunſt es wagen, in geraden, ſtarren, unregſamen Holz - und Steinbildern doch die Kraft und Eigenthuͤmlichkeit Apollons einigermaßen darzuſtellen.

17.

Der einfache Cippus des Apollon Agyieus bezeichnet noch nichts Beſtimmtes, ſondern erinnert blos an die gegenwaͤrtige Thaͤtigkeit des ſchutzreichen Gottes2Daß man den Ap. auch zu Pytho als einen κίων ὑψηλὸς vorgeſtellt, entnimmt Klem. Alex. Strom 1. p. 349. aus zwei Verſen der alten Europia, die aber gar nichts beweiſen; die hohe Saͤule, an die man Waffen - beute hing, war ſicher nicht der Gott ſelbſt.. Suchte man mehr Individualiſirung, ſo lag der Ausdruck der Kraft und Gewalt am naͤchſten. Gewiß wurde die furchtbare Seite fruͤher dargeſtellt als die huldreiche, wenn auch beide im Mittelpunkte eins waren: aber es mußte lange dauern, ehe die ſchon in der Theogonie geprieſene reizende Schoͤn - heit des Gottes Vorwurf der Bildnerei ſein konnte. Nach Pauſanias zeigte das alte Bild zu Magneſia in ſeiner ganzen Geſtalt Kraft an. Dieſe und zugleich358 die alles vernehmende Kunde wollten auch die alten Lakedaͤmonier in ihrem vierhaͤndigen und vierohrigen Apollon zu Amyklaͤ bezeichnen1Κουϱίδιος genannt, Heſych s. v. Soſibios bei Zenob Spruͤchw. 1, 54. Apoſtol. 2, 54.. Aber das Hauptbild am genannten Orte war ein Saͤulenpfeiler, der außer dem Bogen noch Helm und Lanze trug; und von der - ſelben Art war die Statue auf dem Berge Thornax, der die Lakedaͤmonier das Angeſicht vergoldet hatten2Pauſ. 3, 11. Ob dies die feſtſtehende Geſtalt des Ap. Karneios (Pauſ. 3, 26, 5.) war?. Einen lanzenbewaffneten Apoll weiheten auch die Me - garer nach Delphi3oben S. 177, 2., und zu Tenedos ſah man ihn mit der allergewaltigſten Waffe, dem Doppelbeil, ge - ruͤſtet4Ariſtid. bei Steph. Byz. vgl. Plut. Pyth. or. 12. p. 266. Apoſtol. 18, 28. und die Muͤnzen von Te - nedos, (Mionnet 2. p. 671.) die von Pitana Aeol. (2. p. 627 n. 722.) von Jaſos (3. p. 352.) beſonders die von Thyateira (Buonar. Med. ant. 9, 9.), wo Ap. und Beil mannigfach verbunden vor - kommen., wie den Labrandeniſchen Zeus der Karer. Letzteren nannte man Χρυσαορεύς5Str. 14. p. 660., und ſo wird denn auch das Beiwort χρυσάωρ (χρυσάορος) bei Apoll urſpruͤnglich, und noch in der Ilias6nach dem Zuſammen - hange der Stelle, 5, 509. vgl. Heyne und zu Apolld. p. 274. auf die goldene Bewaffnung gehn, wenn auch Pindar damit die gold - geſchmuͤckte Kithar andeutet; ein Bakidiſches Orakel aber, das der Artemis denſelben Beinamen giebt, wie - derum die wehrhafte Goͤttin7Pind. P. 5, 104. Herod. 8, 77. vgl. Mitſcherlich u. Ilgen zu Hom. Hymn. auf Demet. 4. Boͤckh Expl. Pind. p. 293.. Die Kithar zeigt indeß in der Hand des Gottes auch ſchon ein ſehr altes Re - lief, was Dodwell an einer Brunnenmuͤndung zu Ko - rinth entdeckt hat, und von dem ſpaͤter noch die Rede359 ſein wird1Travels 2. p. 200. pl. 7. Alcuni bassir. della Gre - cia, Roma 1812. Der Ap. auf dem Capitoliniſchen Puteal ſcheint eine, aber weit weniger alterthuͤmliche, Copie deſſelben Originals. Die gedrungenere Geſtalt hat Ap. auch auf den Reliefs des Drei - fußraubes.; Apoll erſcheint hier, wie in allen aͤltern Darſtellungen, ſtaͤmmiger, gedrungener, maͤnnlicher, als man ihn ſich zu denken gewohnt iſt.

18.

Fragen wir nach den einzelnen Kuͤnſtlern, die als Schoͤpfer der fruͤhern typiſchen Apollobildungen zu betrachten ſind: ſo finden wir daß es Kreter waren, die als die aͤlteſten Bildner wie Muſiker fuͤr den Cultus auftraten. Von Kreta kam ein altes Holz - bild des Gottes an dem die Kunſt moͤglichſt wenig gethan nach Delphi2Pind. P. 5, 42. Auch von Cheiriſephos, dem Kreter, zeigte man zu Tegea eineu vergoldeten Apoll. vgl. Thierſch uͤber die Kunſtepochen 2. S. 25.; ebendaher (gegen Ol. 50.) die Daͤdaliden Dipoͤnos und Skyllis, die fuͤr die Si - kyonier Bildſaͤulen des Apoll, der Artemis, des He - rakles und der Athena arbeiteten, von deren Gruppi - rung unten die Rede ſein wird. Das Pythiſche Ora - kel nahm an ihren Beſtrebungen ungemeinen Antheil, denn als ſie die Eiferſucht der einheimiſchen Kuͤnſtler - zunft von Sikyon vertrieben hatte, noͤthigte es die Si - kyonier, ſie zuruͤckzurufen. Ueberhaupt zeigt dies Inſtitut fruͤhzeitig ein großes Gefallen an Werken der bildenden Kunſt, namentlich der Erzarbeit. Der un - terirdiſche Tempel zu Pytho, deſſen Exiſtenz mir ge - ſchichtlich ſcheint, war mit Erz bekleidet, wie mehrere Theſauren der alten Fuͤrſten von Griechenland; eine Menge von Tripoden fuͤllte Tempel und Vorhoͤfe; Keſ - ſel, Schalen, Becken von Erz waren wie eherne Waf - fen aus alter Zeit uͤbereinander geſchichtet; Δελφικὴ μάχαιρα war Name eines eigenthuͤmlichen ſehr kuͤnſt -360 lichen Opfermeſſers1Tryphiod. V. 643. vgl. Hymn. auf Apoll P. 355. Von der Δελφ. μαχ. als Meiſterſtuͤck der χαλκοτύποι, Ariſtot. Pol. 1, 1, 5. und bei Heſych s. v. Auch zu Tarſos hat man eine heil., in Kydnoswaſſer geſtaͤhlte, μάχαιϱα. Plut. def. or. 41. p. 368.; auch die bei Pindar vom Dache ſingenden goldenen Keledonen des Erzhauſes halte ich nicht ganz fuͤr Erdichtung.

Aber aus der Schule jener Sikyoniſchen Marmor - arbeiter gingen Tektaͤos und Angelion hervor, welche die beruͤhmte, wahrſcheinlich coloſſale, Bildſaͤule des Gottes zu Delos aufſtellten, die auf einer Hand, wie oben erwaͤhnt wurde, die Chariten, in der andern einen Bogen trug. Und mit derſelben ſteht auch in einiger, wenn auch entfernteren, Verbindung Kanachos von Sikyon, der einen beruͤhmten Apollokoloß, in Erz gegen Ol. 73. fuͤr das Didymaͤon2Hier ſtand auch ein hoͤlzerner, ein ϑύϊος (wohl ϑύϊνος) Απ. Heſych., in Holz fuͤr das Ismenion arbeitete. Wir koͤnnen uns aus den Nach - richten und mannigfaltigen Nachbildungen dieſes Werks folgenden Begriff davon zuſammenſetzen. Der Gott erſchien in maͤnnlicher Geſtalt, mit breiter und ſtarkge - gewoͤlbter Bruſt, viereckig an Koͤrperbau, von toroͤſen Muskeln, die Beine faſt ſaͤulenaͤhnlich und von feſtem Stande, das linke wenig vorgeſtellt. Die geſcheitelten Haare umwindet ein Band, vorn liegen ſie in kleinen drathfoͤrmigen Loͤckchen uͤber der Stirn; auf jeder Schul - ter drei geflochtene Zoͤpfe; hinten fallen ſie in einem breiten Buſche uͤber den Ruͤcken. Das Geſicht zeigte einen den Aeginetiſchen verwandten Typus. Die rechte, gerade vorgeſtreckte Hand trug ein Hirſchkalb, (ein dunkles Symbol, das wir hier noch uneroͤrtert laſſen), die linke mehr geſenkte einen Bogen. Der Eindruck des Ganzen konnte kaum anders als ernſt und ſtreng ſein, und mußte mehr Hoheit und Wuͤrde als Anmuth361 und Lieblichkeit wiedergeben1Ueber den Ap. des Kanachos Kunſtblatt 1821 n. 16. Hieraus beſtaͤtigt ſich auch Viscontis Conjectur, daß das Basrel. PioCl. 5, 23. den dem Didymaͤiſchen Ap. die Waffen des Euphorb weihenden Menelaos vorſtelle; denn der Gott auf der Saͤule hat faſt ganz die angegebene Geſtalt. Zu den Nachahmungen dieſes Ap. waͤren jetzt noch mehrere hinzuzufuͤgen.. Nicht viel verſchieden dem Style nach duͤrfen wir uns den großen Apollo - koloß denken, den der um mehrere Olympiaden juͤngere Kalamis fuͤr die Pontiſchen Apolloniaten ohne Zweifel in Erz arbeitete, und ſpaͤter Lucull nach Rom brach - te2Str. 7, 319 b. vgl. Plin. 13, 27. 34, 18.; und den Apollon Alexikakos, den derſelbe Meiſter im Anfange des Peloponneſiſchen Kriegs in Athen auf - ſtellte3Pauſ. 1, 4, 3.; auf keinen Fall duͤrfen wir, wie ein namhaf - ter Archaͤolog gethan4Visc. PioCl. T. 1. p. 26. 7. p. 93., bei ſolchen Tempelbildern an lebhafte Bewegung und die ſchlanken Verhaͤltniſſe der ſpaͤtern Kunſt denken. Auch der Apoll, den Kalamis Zeitgenoß, Onatas von Aegina, fuͤr die Pergamener ſchuf, war ein koloſſales Bild, von wunderbarer Schoͤn - heit in der Koͤrperform, und wie es ſcheint, jugendlicher an Wuchs und Geſtalt als nach dem damals herr - ſchenden Typus5Aeginet. p. 106. vgl. noch uͤber aͤltere Apollſtatuen Winckelm. Kunſtgeſch. Th. 1. p. 191. Anm. Th. 3. S. 548.. Aber was wir Apolliniſche Bil - dung zu nennen gewohnt ſind, iſt auch nicht ein Pro - dukt der naͤchſtfolgenden Polykletiſchen oder Myroniſchen Schule6Einen Ap. von dieſem erwaͤhnt Cic. Verr. 2. l. 4, 43., ſondern ſicher erſt ein Geſchoͤpf der ſpaͤtern Zeit, indem ſowohl die Muͤnzen, die den Zeiten vor Alexander angehoͤren7z. B. von Mitylene, Kroton, auch die von Philippos I. , als auch einzelne Koͤpfe, die auf dieſelbe Kunſtepoche zuruͤckgefuͤhrt werden muͤſſen8z. B. im Louvre n. 133. Catal. de Clarac. 362 nicht zwar mehr jene dem Werke des Kanachos zugeſchriebenen Zuͤge, aber doch ganz andere als die beruͤhmteſten der erhaltenen Statuen, breitere Wangen, eine kuͤrzere und ſtaͤrkere Naſe, uͤberhaupt ſolche Formen, die die Alten quadrat nennen, darlegen. Erſt in den Zeiten der Skopas, Leochares, Praxiteles, Timarchi - des, iſt jener Apoll entſtanden, den man einen Zwil - lingsbruder der Venus nennen kann, zu ſo taͤuſchender Naͤhe kommen ſich bisweilen die Zuͤge beider Gotthei - ten; auch der Ausdruck von Begeiſterung und Ekſtaſe, den mehrere der trefflichſten Bilder zeigen, kann wohl erſt aus der Schule des erſtgenannten Meiſters abge - leitet werden, da die fruͤheren mehr ruhige und wan - delloſe Seelenzuſtaͤnde als voruͤbergehende Gemuͤthsbe - wegungen zum Vorwurf ihrer Kunſt machten. Aber der feine Sinn und das richtige Gefuͤhl, womit dieſe Kuͤnſtler den Ausdruck einer Seelenerhebung ohne Be - rauſchung und der Begeiſterung ohne Ueberſpannung auszudruͤcken wußten, iſt der hoͤchſten Bewunderung werth. Ohne in die einzelnen Schoͤpfungen dieſer und der folgenden Kuͤnſtler einzugehn, worauf wir oben ſchon verzichteten, geben wir nur im Allgemeinen an, wie ſich die vorhandenen Werke am beſten in Claſſen ordnen. Fuͤr ſich allein ſteht der Kallinikos von Bel - vedere, in dem Siegerſtolz vorherrſcht1Eine zu Argos gefundene Bronze von derſelben Stellung und Bildung erwaͤhnt Pouquev. Voy. T. 4. p. 161. Koͤpfe von großer Aehnlichkeit mit dem des Belved. Ap. kommen in mehrern Sammlungen vor, einer und der andere zeigt ſelbſt noch großartigere Formen.; dann folgt der vom Kampfe ausruhende, der den rechten Arm uͤber das Haupt ſchmiegt, den linken auf eine Saͤule ſtuͤtzt, und darin den ſo entſcheidend gebrauchten Bogen oder die Kithar haͤlt, alſo ein Anapauomenos, den363 man aber, weil wirklich eine ſolche Statue im Lykeion zu Athen ſtand1Lukian Anach. c. 7. Auf einer Muͤnze von Theſſalonich ſieht man Ap. Pythios in dieſer Stellung, und zugleich dem Lorbeer in der R., Kithar neben ſich, Bogen zu Fuͤßen (Mionn. N. 396.), aͤhnlich auf denen von Germe, Apollonia Myſiaͤ, Chalkedon, Kos., Apollon Lycien zu nennen ge - wohnt iſt; dann der Kitharode, entweder nackt in ver - ſchiedenen Stellungen, oder in der Pythiſchen Stola und einer faſt theatraliſchen Bewegung2Die Statue von dieſer Art PioCl. 1. tv. 13. iſt nach Viscon - tis Hypotheſe Copie des Palatinus von Scopas, Plin. 36, 4, 7. Am meiſten liebte man dieſe Bildung des Muſageten in Nero’s Zeit. Eine merkwuͤrdige Statue iſt die von Raffei ricerche sopra un Apolline della villa Albani beſchriebene und abgebil - dete. Ap. ſitzt, halbbekleidet, auf einem mit einem Fell bedeckten Tripus, und legt die R. auf den Schooß (zum Kuͤſſen, wie bei Tempelbildern oft), in der L. haͤlt er eine Schlange, die Fuͤße ſtellt er auf die ebenfalls mit dem Fell verhuͤllte Cortina; neben dieſer liegt ein Loͤwenkopf; die Haare ſind mit Lorbeer umflochten und fallen in einem breiten Buſch auf den Ruͤcken. Der Styl iſt we - der ſehr alt noch auch vorzuͤglich; aber die Darſtellung ſingulaͤr in Vielem.. Mehr uͤber dieſe Claſſen und einzelne davon abgehende Darſtellun - gen, wie des Sauroktonos, Nomios, gehoͤrt nicht hieher.

19.

Wenn ſich zuletzt unſere Darſtellung noch ſo in die Breite verliert, daß ſie die Einwirkung des beſagten Cultus auf die geiſtige Entwickelung der Hel - lenen uͤberhaupt zum Thema macht: ſo verſteht ſich, daß dieſe eben ſo ſchwere als weitgreifende Aufgabe beſonders weil jene Einwirkung, wie die organiſche Aus - bildung des Cultus ſelbſt, groͤßtentheils jenſeits der Hi - ſtorie liegt hier nichts weniger als eigentlich geloͤst, ſondern blos auf eine aphoriſtiſche Weiſe beruͤhrt wer - den kann. Wir ſummiren nur aus dem bisher Ge - ſagten die mit Apolliniſchen Feſten verbundene Waffen -364 ruhe, den Gottesfrieden heiliger Orte und Straßen den die Blutrache maͤßigenden Einfluß der Suͤhnungen und die Idee des ſtrafenden und raͤchenden Gottes auf der andern Seite die entſcheidende Wirkung der Orakel in der Anordnung der oͤffentlichen Verhaͤltniſſe: um auf den heilſamen Einfluß dieſer Religion auf das politiſche Leben der Hellenen aufmerkſam zu machen1Vgl. Ephoros bei Str. 9, 423. und Julian (bei Kyrillos S. 153) uͤber dies Thema.. Und wie der Cultus durch ſeine Feierlichkeit, durch die Wuͤrde und Strenge der Muſik, durch alle ſeine Sym - bole und Gebraͤuche dem Gemuͤthe des Einzelnen jene der innern Kraft vertrauende Ruhe und Klarheit ein - zufloͤßen ſuchte, mit der indeß ein beſonderer Auf - ſchwung und eine eigene Ekſtaſe ſich wohl vertrug, iſt auch ſchon mehrmals bemerkt worden. Wie dieſe Ek - ſtaſe der Dichtung der Arimaspeen von Ariſteas zu Grunde lag2vgl. oben S. 275. Ariſteas ſtellte ſich offenbar dar als einen von Phoͤbeiſcher Begeiſterung Er - griffenen, und darin die Urſitze ſeines Cultus, die Lieblingswohnung des Gottes, Suchenden., der ſelbſt als ἐκστατικὸς ein Gegen - ſtand mannigfacher Fabeln wurde3die ſchon Pindar erzaͤhlte, Frgm - inc. 91. Bh. Ueber ſeine Statue zu Metapont S. 264, 4., wo - hin er den Gott ſelbſt als Rabe begleitet haben wollte.: ſo druͤcken die Maͤhrchen von dem Hyperboreer Abaris, dem αἰϑρο - βάτης, der auf einem Pfeil die Welt umreitet, dieſelbe auf eine ungemein naive Weiſe aus. Auf welchem Wege uͤbrigens ſich dieſe Maͤhrchen gebildet, und zu - gleich eine ſo hiſtoriſche Geſtalt angenommen, daß ſchon Pindar den Abaris als Zeitgenoſſen des Kroͤſos behan - delt4Fr. inc. 90. In Ol. 53. ſetzt ihn Suidas nach dem Cod. Paris. , iſt unbekannt und ſchwer zu errathen: es ſcheint, man hatte bei mehrern Tempeln des Gottes Orakel - ſpruͤche und Beſaͤnftigungslieder, die man alter Heilig -365 keit wegen einem Hyperboreer, einem Vertrauten des Gottes, der zuerſt ihre Wunderkraft dargethan, zu - ſchrieb1Platon Charmid. 158 b. Lykurg g. Meneſaͤchmos bei Eu - dokia Viol. p. 20. u. Nonnus ad Gregor. in Creuzer Meletem. P. 1. p. 76.; doch loͤst ſich ſo keineswegs der ganze My - thus auf.

20.

Endlich ſteht der Apollodienſt auch mit einem Zweige Griechiſcher Philoſophie in einem ſolchen Ver - haͤltniß, daß dieſe in mancher Hinſicht wiſſenſchaftlich begruͤndet und ausfuͤhrt, was jener nur fuͤr das Gefuͤhl andeutete, naͤmlich mit dem Pythagoreis - mus. Pythagoras hatte erbliche Sacra des Apollon; er zog nach Kroton, wo dieſer Gott ſo vielfach verehrt wurde2S. 264.; er lebte meiſt unter Doriern, die dieſem Dienſte uͤberall anhingen; unter ſeinen Anhaͤngern wird ſelbſt eine Delphiſche Prieſterin, Ariſtokleia, genannt3Fabric. Bibl. 1. S. 881. Harl. vgl. Apoſtol. 17, 86. Manches dahin einſchlagende in Zinſerlings ſeltſamem aber intereſſanten Pythagoras-Apollon.. Man hat die Pythagoriſche Philoſophie in neuern Zei - ten mit Recht als die Doriſche zu betrachten angefan - gen: ſo folgte ſie auch in der Politik Doriſchen Grund - ſaͤtzen, ſo knuͤpfte ſie ſich aͤußerlich wie innerlich an Doriſche Religion an: und eben das Beſtreben, na - tionale Ideen und Prinzipe zu verwirklichen und herr - ſchend zu machen, erklaͤrt vielleicht das wunderbare Phaͤnomen der ſo ſchnell anwachſenden Macht des Pythagoriſchen Bundes. Im Innern dieſer Philoſo - phie ruht immer die Grundanſicht: das Weſen der Dinge liege in dem Maaße, dem Verhaͤltniſſe, der geregelten Form; alles beſtehe einzig durch Harmonie und Sym - metrie; die Welt ſelbſt ſei eine Einheit aller dieſer Verhaͤltniſſe, ein κόσμος; dabei beachtet ſie das die Form erfuͤllende, Stoffartige eigentlich wenig, das366 grade der entgegengeſetzten Schule, der Joniſchen, als das eigentlich Reale erſchien. Dieſe Abſtraktion von dem Materiellen hat aber eben die Apolliniſche Re - ligion auch, auch dieſe hebt den Begriff der Ordnung, Uebereinſtimmung, Geſetzmaͤßigkeit uͤberall hervor, und ſetzt in dieſe das Weſen und Wirken der Gottheit. Die Muſik war darum ein Hauptbeſtandtheil jener Philoſophie, wie ein Hauptelement dieſes Cultus, weil ſie die Harmonie, die allem Sein zum Grunde liegt, am deutlichſten ausſpricht; in beiden wurde durch ſie beſonders Beſaͤnftigung und Beruhigung der Leidenſchaft bezweckt und bewirkt, um dem Gemuͤthe zugleich Ruhe und Staͤrke zu verleihn. Die Produktivitaͤt der Na - tur wie die ins Unendliche hinausſtrebende innere Kraft ſchien in beiden an ſich werthlos und nichtig, und je - des Sein nur durch das richtige Verhaͤltniß zu allen andern ſeine Beſtimmung erfuͤllend u. ſ. w. Denn eine eigentliche Ergruͤndung dieſes Thema’s muͤſſen wir ganz und gar tieferen Kennern der genannten Philoſophie uͤberlaſſen.

367

Artemis.

9.

1.

Es iſt uns hier nicht vergoͤnnt, die Religion und Mythologie der Artemis mit derſelben Ausfuͤhrlichkeit zu behandeln, die wir dem Apollon widmeten. Auch erlaubt unſer Zweck uns hier groͤßere Kuͤrze, da der Cultus der Artemis nicht wie Apollons in einem ei - nigen Zuſammenhange ſteht, noch uͤberall dieſelben Grundideen zeigt, alſo auch nicht in allen ſeinen An - faͤngen von Doriſcher Religion abgeleitet werden kann. Sondern wie die Helleniſche Mythologie uͤberhaupt die mannigfachſten und widerſtreitendſten religioͤſen Anſchau - ungen und Ideen in ſich aufgenommen hat: ſo fließen auch im Namen der einen Artemis faſt entgegengeſetzte Reihen alten Goͤtterdienſtes zuſammen, die wir ſondern muͤſſen. Damit man aber nicht etwa meine, daß ein Mangel des Vermoͤgens der Ideenaſſociation uns hin - dere, die mannigfachen Geſtaltungen jener großen Goͤt - tin, die, vom innern Aſien ſtammend, in Griechenland einwanderte, und als Mond, Waldgoͤttin, Jaͤgerin, Hebamme und Amme der ganzen Natur im Reigen368 Karyatiſcher Jungfrauen wie in den Tempeltaͤnzen zu Epheſos verehrt wurde, in ihrer Einheit zu faſſen: iſt es noͤthig, ein feſtes hiſtoriſch gegebenes Kri - terion aufzuſtellen, wornach ein Artemisdienſt vom an - dern zu ſcheiden ſein wird, und das außer den Sym - bolen und Ideen des Cultus liegen muß, weil deren moͤgliche oder nicht moͤgliche Verknuͤpfung ja eben pro - blematiſch iſt.

2.

Als ein ſolches giebt ſich ſogleich der einfache Satz: Nur die mit Apollon verbundene Arte - mis gehoͤrt demſelben Syſteme religioͤſer Ideen an alſo nicht die Epheſiſche Goͤttin, nicht die Orthiſche Artemis; nicht die Tauropolos, als in deren Dienſten nie Apollon als Brudergott vorkommt. Doch davon ſpaͤter. Hier zuerſt davon, daß in allen Haupttem - peln Apollons Artemis als ſeine Schweſter, als Theil - haberin ſeines Weſens und ſeiner Thaͤtigkeit, als eine andere Seite des Gottes angebetet wurde. So ſind beide Kinder der Lato1Pind. N. 6, 42. 9, 4. vgl. Hymn. Hom. 27, 14. die ἀϱὰ Ἀμφικτυόνων bei Aeſchin. geg. Kteſiph. 70, 36. Απολλωνος του Πυθιου και τας Λατος και τας Αϱταμι [τος] (sic) in der großen Delphiſchen Inſchr. der Choiſeul. Samml. Auch im T. zu Kirrha war die ganze Familie, Pauſ. 10, 36, 7. der hohen Pytho gleichwal - tende Beherrſcher, der Sieg uͤber Python, die Flucht, die Suͤhnung betrifft beide2Oben S. 315.; beide verehrte man auch zu Sikyon in den Pythien nebſt der Mutter3Pind. N. 9, 4. Auch zu Sp. Ap. Pythaeus mit Leto u. Art. zuſammen, Pauſ. 3, 11.; auf Kreta4Chishull Ant. Asiatt. p. 133. Die Art. Knagia zu Sparta aus Kreta nach Pauſ. 3, 18. 3. Amniſiſche Nymphen der Art. Kallim. 15. vgl. oben S. 206., Delos, Lesbos5S. 335, 1., zu Karthaͤa6Antonin. Lib. 1., im Didy - maͤon7Inſchr. bei Walpole Trav. p. 578. ὑδϱοφοϱος αϱτεμιδος πυθιης., auf der Troiſchen Burg8S. 219., im Lykiſchen Dien -369 ſte1Σαϱπηδονἰα in Kilikien, Str. 14, 676. wie in dem von Metapont2Hygin fb. 186. Ob die Art. zu Rhegion (Thuk. 6, 44.) von Pytho ſtammt (S. 260.) oder aus Euboͤa (wo man ſie als Πϱοσηώα auf Artemiſion, als Amarynthia bei Eretria, auf dem B. Kotylaͤon, am ganzen Euripos hin, Kallim 188. verehrte), iſt ungewiß.. Und wie Apollons Verehrung nach der Cultusſage von den Hyperboreern ſtammt, ſo auch die der Artemis3Herod. 4, 33. wo der Cult der Hyperb. Art. auch den Thra - kerinnen und Paͤonerinnen zugeſchrieben wird. vgl. Tz. Lyk. 936. Der Oleniſche Hymnus, Pauſ. 5, 7, 4., ließ die Αχαιΐα aus dem Hyperboreerlande nach Delos kommen, aber Demeter Achaͤa kann nicht gemeint ſein; ich ſchr. ΑΦΑΙΑ, wie Art. auf Aegina hieß. Die ἀποδημίαι der Art. in der Argiviſchen Sage (Menander de encom. 4. p. 38. Heeren) gingen vielleicht dahin zuruͤck.; Hyperboreiſche Jungfrauen bringen ihre Sacra nach Delos, deren Na - men, Arge, Opis, und nach anderen Hekaerge und Loxo4S. Kallim. Del. 292. Melanopos von Kyme bei Pauſ. a. O. vgl. 1, 43, 4. Etym. M. 641, 56. Ueber Upis vgl. den Engl. Stepha - nus 1, 4. S. 551., nur Epitheta der Goͤttin ſind. Arge iſt wohl die Schnelle, Opis (Ὦπις, Joniſch Οὖπις, verlaͤngert von ὄπις) ein ungemein charakteriſtiſcher Ausdruck des Geiſtes dieſer Religion. Es iſt damit die beſtaͤndige Aufſicht und Wacht der Gottheit uͤber das menſchliche Thun bezeichnet5So hieß Ap. Ἐπόψιος. Heſych., die den Menſchen wieder Scheu und Ehrfurcht davor gebietet6So konnte die verwandte Nemeſis auch Οὖπις genannt werden, wie in der Inſchr. des Herodes Attikus., (und zwar heißt auch dieſe als Reciprocum jener ὂπις). So hieß die Goͤt - tin auch bei den Doriern von Sparta7Palaͤphat. 32. Apoſtol. 6, 44., Tempelgeſaͤnge wahrſcheinlich beſaͤnftigende davon Upingen8Geſungen bei den Troͤzeniern, wo Lokeia verehrt wurde, Schol. Ap. 1, 972.. So kommen faſt alle einzelnen Eigenſchaften und Thaͤ - tigkeiten des Gottes auch der Goͤttin zu. Sie iſt auchII. 24370Todesgottheit, ſchnell und unverſehens toͤdtend1Od. 11, 171. vgl. Il. 6, 428. Od. 20, 60. Warum ſie Ariadne toͤdtet, (Od. 11, 324.) erkl. Pherekydes bei den Schol. Αέων γυναιξὶ (Il. 21, 483.) wohl auch nur als Todesgoͤttin, nicht wie es Pauſ. 4, 30, 3. und Euſt. erkl. γυναικῶν μέγ̛ ἔχει κϱάτος im Attiſchen Skolion iſt doppeldeutig.; dar - um bewaffnet, und zwar nicht blos mit Pfeil und Bo - gen, ſondern auch in Doriſchen Landen mit ſchwerer Ruͤſtung2Pauſ. 4, 13, 1.. Ihre Pfeile aber ſendet ſie bei den aͤlteſten Dichtern nicht eben nach wilden Beſtien, ſondern nach Frevlern, wie ihr Bruder3Kallim. auf Art. 124.. So toͤdtet ſie mit ihm den Tityos, und fuͤr ſich allein die unbaͤndigen Aloi - den4Apolld. 1, 7, 4., und den goͤttergleichen Orion, der die Aehren - bringende Upis auf Delos anzutaſten gewagt51, 4, 3. Euphorion bei Schol. Od. 5, 120. Frgm. 108. Meinecke, u. Aa.. Dar - um muß ſie verſoͤhnt und beſaͤnftiget werden, und hat gleichen Antheil an Thargelien und aͤhnlichen Feſten6Etym. M. 443, 20. Zu Melite in Phthia hieß Art. in einem ſpeciellen Cult ̓̍Ασπαλις Ἀμειλήτη Ἑκαέϱγη, Antonin Lib. 13.. Daher war auch der Lorbeer der Artemis heilig7Δαφναία zu Las, Pauſ. 3, 24, 6. δαφνία zu Olympia, Str. 8, 343.. Die Beſaͤnftigungsſtaͤbe (ἱκεσίαι, ἱκετηρίαι) im Cultus der Artemis, waren mit Kraͤnzen (von Oellaub) und friſchen Wollenflocken (μαλλοῖς) umwunden; darum durfte ihr kein Schaaf geopfert werden, weil die Wolle heilig8Etym. 402, 19.. Ihr toͤnt auch der Paͤan9657, 6. Soph. Trach. 210. nach Seidlers Interpunktion, oben S. 298, 2.. Sie iſt Lykeia10in Troͤzen, Pauſ. 2, 31, 6. und zugleich Ulia11oben S. 297. Auch πϱολυϱαία, πϱοπυλαία, Spanh. zu Kallim. Art. 38. Ja der Name Artemis, (Doriſch Ἄρταμις, ιτος)12Etym. M. 356, 10. Gudian. 17, 23. vgl. S. 368, 1., Alkman ſagte Ἀϱ - τέμιτος, Euſt. p. 1618, 29. Monat Ἀϱταμίτιος in Kreta, Chis - hull Ant. Asiatt. p. 126.; in Sicilien, S. Caſtelli Proll. ad entſpricht dem des Abwender Apol -371 lon ſehr deutlich, indem er die Geſunde, Heile und darnach die Heil und Kraft verbreitende bezeichnet1vgl. Platon. Kratyl. 406. Str. 14, 635.. Ob Apollon ſich die Muſik allein vorbehalten, iſt nicht deutlich, wenigſtens feierten die Lakonen der Goͤttin einen Agon ΚαλαϜοίδια, Schoͤngeſang2Heſych Καλαοίδια.; und wenn ſie auch ſelten ſingend und nie kitharſpielend erſcheint, ſo fuͤhrt ſie dafuͤr den Reigen der Goͤttinen im Olymp, und ſterblicher Frauen hier3Il. 16, 183.. Reliefs, welche die Ehre Pythiſcher Sieger in muſiſchen Wettkaͤmpfen dar - ſtellen, zeigen ſtets bei dem Gotte auch Schweſter und Mutter4Welcker bei Diſſen Expl. Pind. p. 453.. Selbſt an der Prophetie hatte Artemis einigen Antheil, wenn es eine alte Sage iſt, wonach ſie als Sibylle auftritt5S. die Verſe bei Klem. Alex. Str. 1. p. 323. vgl. Pauſ. 10, 12, 1.. Wie Apollon unvermaͤhlt, ſo iſt ſie durchaus Jungfrau, und darum nicht Natur - goͤttin: am wenigſten von Anfang an der Mond, ob - gleich wir nicht laͤugnen, daß der Mondcultus andern Reihen des Artemisdienſtes ſehr nahe lag.

Aber, wird man fragen, wenn nun dieſe Artemis durchaus dieſelben Charakterzuͤge zeigt, die am Apol - lon nachgewieſen wurden, und nichts beſonderes und eigenes hat: wozu denn uͤberhaupt zwei Goͤtter, um eine Idee auszudruͤcken? wozu eine maͤnnliche und eine weibliche, wenn ſich beide nicht zu einander verhalten, wie die Geſchlechter? Befriedigend hierauf zu antwor - ten, moͤchte ſchwer fallen. Indeſſen kann die Erwaͤgung dazu beitragen, daß, ſobald einmal Apollon als irdiſcher Gott, als Ideal menſchlicher Kraft gedacht wurde,12Inscr. sic. p. 69. Αϱτεμίτιος in Korkyra nach Inſchr., Αϱτε - μίτια in Kyrene, Thrige hist. Cyr. p. 218.24 *372damit er es fuͤr alle ſein koͤnne, nothwendig ein weib - liches Weſen dazu gehoͤrte. Daß dieſe aber ſo ganz maͤnnerartig neben ihn tritt: davon mag der Grund in dem Verhaͤltniſſe Doriſcher Frauen liegen, die weit mehr als unabhaͤngige und fuͤr ſich beſtehende Weſen gedacht wurden, die zu allem, was den Mann ziert, ebenfalls Ausbildungsfaͤhigkeit beſaͤßen.

3.

Nun bleibt uns der ſchwerere Theil der Auf - gabe zu loͤſen uͤbrig: zu zeigen, welcher Artemisdienſt nicht von gleichem Urſprung und gleicher Natur mit dem Apolliniſchen geweſen. Wir bezeichnen als ſolchen zuvoͤrderſt den Arkadiſchen. Nirgends hat die Goͤt - tin ſo viele Heiligthuͤmer als in Arkadien beſeſſen. Sie iſt hier Nationalgottheit, die beſonders unter dem Na - men Hymnia, Hochzeitliche, ſeit alter Zeit von allen Staͤmmen des Volks geehrt1Pauſ. 8, 5, 8. vgl. 13, 1. 4, der T. auf den Graͤnzen von Mantineia und Orchomenos, 12, 3. Aus Polyaͤn 8, 34. ſieht man, daß die Tegeaten zur Artemis von Pheneos Feſtzuͤge ſandten., und als Kalliſto ſelbſt den Stammgenealogieen eingetragen und Tochter des Ly - kaon2Eumelos bei Apolld. 3, 8, 2. Aſios und Pherekydes weichen ab., d. h. des Lykaͤiſchen Jupiters, und Mutter des Arkas, d. h. des Volkes, genannt wurde. Denn daß Kalliſto nur der wenig umgewandelte Name der Arte - mis Kalliſte iſt, geht daraus hervor, daß der Heroine Grab im Tempel der Goͤttin gezeigt wurde3Pauf. 8, 35, 7. vgl. Sappho bei Pauſ. 1, 29, 2. Aeginet. p. 31. Art. heißt, κατ̕ ἐξοχὴν, καλά. Feder in Aga - memn. Aeschyl. p. 9., und daraus daß Kalliſto in eine Baͤrin verwandelt ſein ſollte, die Symbol der Arkadiſchen Artemis war4Als das Geſtirn der Baͤrin kannte die Kalliſto ſchon Heſiod, Hygin Poët. Astr. 1. S. 356. M. Lactant. 6.. Es iſt leicht zu begreifen, daß, wie man Apollon Lykeios zu373 Delphi in der Geſtalt eines Wolfes darſtellte: ſo Ar - temis unter den Arkadern als Baͤrin ſymboliſirt wurde; hernach aber ſollte es blos durch den Zorn der Goͤttin geſchehen ſein, daß ihre geliebte Nymphe dieſe Geſtalt annehmen mußte. Auch eine andere Darſtellung der Arkadiſchen Goͤttin, die Nymphe Atalante, war in einer Quellengrotte von einer Baͤrin geſaͤugt worden1Anl. V. G. 13. 1.. Daß nun aber dieſe altarkadiſche Gottheit nicht die Doriſche Artemis ſei, entſcheidet ſchon das aufgeſtellte Kriterion, daß ſie ganz außer Verbindung mit Apollon ſteht. Aber noch deutlicher ſpricht ein anderer Umſtand. Denn wenn Apollon und die mit ihm verbundene Schweſ[t]er ſelten ſtehende Beinamen erhalten, die vom Orte der Verehrung herkommen2Der Ausnahmen ſind wenige, wie vielleicht Ap. Kereatas in Aepytis, Pauſ. 8, 34, 3.: ſo geben dagegen dieſer Goͤttin faſt alle Berge, Hoͤhen, Quellen, Waͤſſer Ar - kadiens und des uͤbrigen Peloponneſes ſpecielle Be - nennungen, die faſt unzaͤhlig. Daher ſchon Alkman bemerkt, daß die Goͤttin von zehntauſend Bergen, Staͤdten, Fluͤſſen Namen trage3bei Menander de enc. 3. p. 33.. Sie iſt Lyko - atis auf Maͤnalon4Pauſ. 8, 36, 5., Knateatis553, 5. bei Tegea, zu Orchomenos Kedreatis613, 2. von einer Ceder, auf der das Bild ſteht., zu Stymphalos Stympha - lia722, 5. vgl. Enſt. Il. 2. p. 228. Bas. , Skiaditis zu Skia bei Megalopolis835, 5., Kna - kaleſia und Kondyleatis bei Kaphya923, 3., Nemidia zu Teuthea10Str. 8, 342.. In Lakonika Derrhiatis11Pauſ. 3, 20, 7. Steph. B. Δέῤῥα. Der Hym - nus der Art. Derrhiatis oder Δεϱεᾶτις hieß κάλαβις; auch war dabei ein eigner unanſtaͤndiger Tanz, Eupolis b. Athen. 14, 619. Heſych., Kary -374 atis1Pauſ. 3, 10, 8. Heſych Καϱύαι. Auch dabei eigenthuͤm - liche Taͤnze; ſ. Manſo Sp. 1, 2. p. 220. dazu Caryatides sal - tantes, Plin. 36, 4. Plut. Artax. 18.; ſie ſcheinen (nach Lynkeus bei Athen. 6, 241 d.) die linken Arme dabei emporgehalten zu ha - ben, etwa wie die Taͤnzerinnen des Reliefs, Zoëgg Bassir. 1, 20. Als ſtuͤtzende Bildſaͤulen kennt ſie erſt Vitruv. Vgl. die trefflichen Be - merkungen Meinecke’s zu Euphorion Fr. 42. der ſie (nach Pratinas bei Athen. 10, 392.) mit den Δυμαίναις fuͤr einerlei nimmt, die als laͤndliche Bakchaͤ beſchrieben werden. Vitruvs Geſchichte von der Knechtſchaft der Karyaten halte ich fuͤr rein erfunden, obgleich auch ein Relief mit Inſchr. ſie eben ſo darſtellt im Muſeum des Koͤnigs von Neapel. Mazois Pompejana p. 24., Iſſoria bei Pitana2P. 3, 14, 2. Polyaͤn 2, 1, 14. Kallim. Art. 172. Plut. Ageſ. 32. Heſych. Nach Pauſ. war die Iſſoria oder Limnaͤa eigentlich nicht Art., ſon - dern Britomartis., Oenoatis bei Ar - gos3Steph. B. Οἴνη. Heſ. Οἰνωᾶτις., Saronis bei Troͤzen4P. 2, 30, 7. Achaͤos Trag. bei Heſych Σαϱ., Koryphaͤa zu Epidau - ros5P. 2, 28, 2. Steph. B. Κοϱυφαῖον. Clarke, Trav. 2, 2. p. 603., hat nach einer Inſchr. die wahrſcheinlichen Ruinen des T. auf B. Koryphaͤon gefunden., Alpheiaͤa zu Letrinoi6P. 6, 22, 5., Kokkoka zu Olympia75, 15, 4., Triklaria zu Patraͤ8Pauſ. 7, 19, 1. Verbindungstempel drei alter κῶμαι., Aktaͤa zu Pellene9Plut. Arat 32. u. ſ. w. Es muß darnach etwas im Weſen dieſer Gottheit gegeben ſein, welches dieſe vielfachen Lokalnamen hervorbrachte; man muß ſie ſich ſtets innerlich verbunden und zuſam - menhaͤngend mit der Gegend gedacht haben, die ſie be - wohnte. Dies fuͤhrt auf den Begriff einer Naturgoͤt - tin von aͤhnlichem nur allgemeinerem Weſen, als die Nymphen der Berge, Fluͤſſe, Baͤche, daher ein ein - ſichtsvoller Gelehrter die Idee der Goͤttin von dem Glauben an Nymphen abgeleitet hat10Mitſcherlich de Diana Sospita. Goͤtting. Pro - gr. Sommer 1821.. Vor allem ſteht dieſe altpeloponneſiſche Artemis in innerem Con -375 nex mit Seen, Quellen, Fluͤſſen. Als Limnatis ehrte man ſie zu Tegea1P. 8, 53, 5., Epidauros Limera23, 23, 6., zu Pitana bei Sparta3S. 374. N. 2., zu Korinth4Λι - μναὶα. 2, 7, 6., beſonders in dem be - ruͤhmten Limnaͤon an der Graͤnze Lakoniens und Meſ - ſeniens54, 4, 31. Tac. Ann. 4, 43. Davon ſtammt nach Str. p. 362. das Limnaͤon in Lakonien. Zu Troezen δέ - σποινα λίμνης und der Hippodrome, Eurip. Hippol. 230., als Heleia in Meſſene6He - ſych Ἐλεία, wahrſch. Ἑλεία., und zu Alorion an der Graͤnze Arkadiens7Str. 8, 350. wo fuͤr Ἠλείας wohl Ἑλείας zu ſchr.. Quellen finden ſich haͤufig in Artemistempeln, zu Korinth, Marios, Mothone8P. 2, 3, 5. 3, 22, 6. 4, 35, 6. Darum oͤffnet Atalante (S. 273.) eine Quelle zu Kyphanta. 3, 24, 2., und bei der Derrhiatis in Lakonien93, 29, 7.; ganz beſonderer Verehrung genoß ſie an der Klitoriſchen Quelle Luſoi10Als Hemereſia P. 8, 18. Pherek. Sturz p. 132. Kallim. Art. 235. Polyaͤn 9, 34, 9. Ueber die Quelle Kallim. Frgm. 75, 11. Ariſtot. Mir. ausc. 1102 b. . Unter den Fluͤſſen aber ſind es Kladeos und beſonders Alpheios, mit denen ſie als ποταμία verbunden vor - kommt11P. 5, 15, 4. Auch in Byzanz war in piscina templum Dianae Luciferae et Veneris Placidae, Dionyſ. de Thr. Bos - poro. Auch in Samos iſt Art. Χησιάς, Ἰμβϱασίη, Kallim. Art. 228. amnium domina, Catull. 34. 12. Horaz C. 1, 21, 5. Auch νηοσσόος Apollon 1, 569. λιμένεσσιν ἐπίσκοπος, Kall. 39.. Die feuchte und waſſerreiche Gegend, durch welche dieſer Strom alle Waͤſſer des innern Landes ins Meer fuͤhrt, war angefuͤllt mit Nymphaͤen, Aphro - diſien und Artemiſien, unter denen das Heiligthum der Artemis Alpheionia (Alpheiuſa, Alpheiaͤa)12Str. 8, 343. P. 6, 22, 5. Herodor bei Schol. Pind. O. 5, 10. Diſſen zu N. 1, p. 350. Ein anderes Artemiſion der Ge - gend bei Polyb. 4, 73, 4. beſonders merkwuͤrdig iſt. Man ſah hier Gemaͤlde der Korinther Kleanth und Aregon, die zum Theil in naͤherer Bezie -376 hung auf den Cultus ſtanden, wie die Darſtellung des dem gebaͤrenden Zeus einen Thunfiſch darreichenden Po - ſeidon1Naͤmlich bei der Geburt der Athena, wie Str. a. O. zeigt, vgl. Demetr. Skepſ. bei Athen. 8, 334 b. . Ganz von ſelbſt ſetzt ſich aus allem dieſen die Idee einer aus der Feuchte producirenden und Le - benſchaffenden Naturgoͤttin zuſammen, und wir wollen daher auch den Volksglauben der Phigalier nicht durch - aus verwerfen, nach welchem Eurynome, die Fiſchgoͤt - tin, die ſelbſt als Halbfiſch vorgeſtellt wurde, eine Ar - temis war2P. 8, 41, 4..

4.

Aber Alpheios fuͤhrt unſern Blick nach Sicilien hinuͤber, indem er die behende Quelle Arethuſa zu ha - ſchen, die ihm in Elis entſchluͤpft iſt, ſie unter dem Meere verfolgt, und erſt in der Syrakuſiſchen Inſel Ortygia erreicht3Str. 6, 270. Creuzers Meletemm. 1. p. 48. u. Aa.. Die Fabel iſt nicht ſchwer zu ver - ſtehen, wenn erwogen wird, daß Ortygia Sitz der Flußgoͤttin Artemis war4Pind. P. 2, 7. S. uͤber den T. auf Ortygia D’Orville Sic. p. 196. Boͤckh Expl. Pind. p. 243. Wie in Arkadien Art. Εὑϱίππα, ſo war es wohl auch dieſe Art. vgl. S. 379. N. 6. Die ſchoͤnen Frauenkoͤpfe auf den Syrakuſ. Tetradrachmen mit ſchilfdurchflochtenem Haar, von 4 Fiſchen umgeben, duͤrften Art. Potamia vorſtellen., die auch nach Eleiſcher Sage den Alpheios liebte5P. 6, 22, 5., und der auf Ortygia be - ſonders der Quell Arethuſa heilig war. Man wollte bei der durch Orakel veranlaßten6Diod. 5, 3. Uebertragung dieſes Artemiscults von Olympia nach Syrakus auch das der Goͤttin ſo befreundete Waſſer des Alpheios uͤbertragen; ſo bildete ſich die ſchoͤne Fabel7Zu Hilfe kam, daß die Quelle Fiſche hatte, Diod.. Nun haͤngt aber mit der Frage nach der Herkunft des Arte - misdienſtes auf Ortygia die weitergehende Unterſuchung zuſammen, woher dieſer mit dem Cultus, wie wir wiſ -377 ſen, eng verbundene Name ſtammt und herkommt. Und dieſe koͤnnen wir ſchwerlich loͤſen, ohne von den Ortygien uͤberhaupt zu reden.

In der Odyſſee toͤdtet Artemis den Orion iu Or - tygia1Od. 5, 123. vgl. Apollod. 1, 4, 3. Heſych Ὀϱτυγία. Von den Wachteln, Athen. 9, 392 d. aus Phanodemos; von einer Verwandlung der Leto (Schol. Pind. P. Arg. p. 297. Bh. Ta - tian in Gr. p. 149.) oder der Aſteria. Hygin fb. 53. Aa., dieſe That haͤngt aber genau mit der Deli - ſchen Mythologie zuſammen, alſo iſt hier Ortygia De - los. Ein Vers in demſelben Gedicht nennt Ortygia neben Syros unter den Kykladen, und meint alſo die - ſelbe Inſel215. 402. vgl. Orchom. S. 326.. Dagegen wird im Hymnus auf den Deliſchen Apoll die Geburt dieſes Gottes nach De - los, der Artemis nach Ortygia geſetzt; alſo iſt hier Ortygia nicht Delos. Die Siciliſche Ortygia nun kam bei Heſiodos vor3Str. 1, 23. naͤmlich in einem juͤngern Ge - dicht als Olymp. 5, vor welcher Zeit die Inſel ohne Bedeutung fuͤr die Hellenen war; Pindar nennt die - ſelbe der Artemis Lager, Delos Schweſter4N. 1, 2. weil ſie die Religion der Goͤttin mit Delos theilt. S. Diſſens Auseinan - derſetzung a. O. Daß Delos von Sicilien losgeriſſen, ſagen erſt Spaͤtere, wie Lukian Dial. mar. 10.. Ein an - deres Ortygia lag auf dem Aetoliſchen Berge Chalkis, und von dieſem war, nach Nikandros in ſeinen Aeto - ſchen Geſchichten und nach Phanodikos uͤber Delos, der Name nach Delos und auf alle andern Orty - gien uͤbertragen5Schol. Apoll. 1, 419. vgl. Apollod. 1, 7. 9. Heyne. Dieſe Aetol. Artemis (Αἰτωλη zu Naupaktos, Pauſ. 10, 38, 6. Αἰτωλὶς bei den Henetern, Str - 5, 215.) iſt wohl eins mit der Laphria, deren Cult von Kalydon (Plut. de fluv. Acheloos) auch nach Patraͤ, Pharaͤ, Meſſenien ver - ſetzt wurde. S. Pauſ. 4, 31, 6. 7, 18, 6. Muͤnzen von Patraͤ u Pharaͤ. Auch zu Delphi kommt ſie vor (P. 7, 18, 6. Schol. Eu - rip. Or. 1100.), daher Λαφϱιάδαι φϱατϱία ἐν Δελφοῖς, Heſych.. Jener ſtellte es als eine Wande -378 rung vor, die vom Titeniſchen Ortygia ausgehend Epheſos, Delos und Syrakus erreicht habe. Denn auch bei Epheſos hieß ſo ein vom Fluſſe Kenchrios be - waͤſſerter Hain der Goͤttin1Str. 14, 639. Kallim. auf Del. 37.. So viel iſt klar, daß der Name ſchon zeitig in enge Verbindung mit der Verehrung der Artemis geſetzt, und darum Orten bei - gelegt wurde, die eben ſonſt in keinem nachweislichem Zu - ſammenhange ſtanden: und daß er nicht einen innern Con - nex der Culte bezeichnet, da in der That die Dienſte von Epheſos, Delos und Aetolien wohl nichts gemein haben als den Namen der Goͤttin Artemis. Daher wir jene Annahme einer Wanderung ganz verwerfen, und uns begnuͤgen feſtzuſetzen, daß die Sikeliſche In - ſel erſt dann den Namen Ortygia erhielt, als ſie der Artemis (Alpheioa) als vorzuͤglich heilig geweiht wor - den war. Wir kehren wieder zur Peloponneſiſchen Goͤt - tin zuruͤck, und knuͤpfen an den angegebenen Hauptbe - griff derſelben die davon abhaͤngigen. Sie ſtand zu Megalopolis neben der Demeter, mit der Hirſchhaut bekleidet, den Koͤcher auf dem Ruͤcken, in der einen Hand eine Fackel, in der andern zwei Schlangen; neben ſich einen Hund2Pauſ. 8, 37, 2.. Die Verbindung mit der Arkadi - ſchen Demeter und Deſpoena mit der ſie Aeſchylos identificirte, indem er ſie Tochter der Demeter nannte, iſt wohl aͤlter als das Bild; das heilige Thier, die Hirſchkuh, iſt beiden jugendlichen Goͤttinnen ge -5Bei Kalydon auch Λαφϱαῖος Ἀπ. Str. 10, 459. vgl. Tzſch. S. 115. Suid. s. v. Λαφϱία. Dieſe Aetol. Art. iſt eine Getreidegoͤt - tin, und erſcheint daher im Zorn als im Getreide hauſender Eber. Il. 9, 533. Apolld. 1, 8, 2. Anton. Lib. 2. Ovid. M. 8, 273. Ich bemerke noch, daß Hermann ad Soph. Trach. 212. die Αἰτωλὴ anders als geographiſch erklaͤren will.379 mein1Vgl. Pauſ. 8, 10, 4. Kallim. Art. 107. Ἐλαφιαία in Elis Pauſ. 6, 22, 5. Davon die Ἐλαφηβόλια (Anecd. Bekk. 1. p. 249.) ein ſehr weit verbreitet Feſt (z. B. Plut. Virt. mul. p. 267.). Das Symbol des Hirſches ging aber ziemlich auf alle Artemisculte uͤber; ſo hat Payne Knight eine alte Muͤnze, wo die Goͤttin ſelbſt ein Hirſchgeweih traͤgt, die er Delos zuſchreibt.. Eben ſo ſteht ſie Dionyſos nahe, und wird in feuchten Niederungen haͤufig mit ihm verehrt2Von Menſchenopfern der Artemis am Fl. Ameilichos, die der Dionyſos-Aeſymnetes Cult aufgehoben, zu Patraͤ, Pauſ. 7, 19, 1. Menſchenopfer der Artemis unfern Megalopolis, Tatian adv. Grae - cos 1, 165 a. (Liber et Libera); ja ſie hat, wie dieſer, phalliſche Fe - ſte3Λόμβαι. αἱ τῇ Ἀϱτέμιδι ϑυσιῶν ἄϱχου - σαι ἀπὸ τῆς κατὰ τὴν παιδιὰν σκευῆς. οἱ γὰϱ φάλητες οὕτω καλοῦνται. Heſych.. Dieſe ſegensreiche Quellgoͤttin nun iſt es wohl auch, welche zunaͤchſt die Pflege des ſonſt ungepflegten und doch ſo wohl gedeihenden Wildes uͤbernahm, und darnach Vorſteherin der Jagd wurde obgleich dies letztere im Cultus gar kein ſo wichtiger Punkt war als in der nachhomeriſchen Poëſie. Die Folge von Ideen zeigt die Stelle des Aeſchylos4Agam. 144.: Wohl will die Schoͤne den zarten Sproſſen reißender Leun und aller Thiere im Gefild bruſtliebenden Jungen. Nicht alſo urſpruͤnglich als Feindin und Verheererin, ſondern als Saͤugamme und Naͤhrerin der Wildbrut dachte man die Eoͤttin5vgl. die Bildſaͤule Pauſ. 5, 19, 2. Θϱέμματα der Art. von Luſoi Polyb. 4, 18, 10.. Auch war ihr wohl in gleichem Sinne Pfer - dezucht anvertraut6Heurippa zu Pheneos, P. 8, 14, 4. ἱπποσόα Pind. O. 3, 27. vgl. Boͤckh Expl. P. 2, 8. p. 244. Daher oͤfter Art. (χϱυσήνιος) auf Vaſengemaͤlden zu Wagen mit Pferden; bei Kall. Art. 110. und in den Bsrliefs von Phigalia mit Hirſchen., und endlich die gedeihliche Auf - naͤhrung des jungen Menſchenkindes ſelbſt, in welcher Funktion ſie Korythallia7an der Tiaſſa bei Sparta, neben der Kleta. Athen. 4, p. 139., Kurotrophos, Philomeirax380 heißt1Diod. 5, 73. vgl. Weſſel. Pauſ. 4, 34. Hymn. Orph. 36, 8. vgl. Spanh. zu Kall. Art. 6. Dieſe Namen laſſen ſich indeß auch aus der Religion des Ap. ableiten. Oben S. 336.. Es haͤngt dieſer Fortſchritt noch ganz wohl mit dem altarkadiſcher Naturreligion angehoͤrenden Grundbegriff zuſammen; man kann ſagen, daß er ſei - nen Schluß findet in der Steigerung zum allgemeinen Begriff der Σώτειρα, der aber eben ſo conſequent aus dem Idealismus der Doriſchen Religion abgeleitet wer - den kann: ſo daß ſich beide Ideenreihen hier in einer Spitze beruͤhren.

5.

Wir blicken wieder auf das mythiſche Sym - bol der Artemis Kalliſto, auf die Baͤrin, um den Attiſchen Dienſt daran zu knuͤpfen. Denn in dieſem hießen ja die jungen Maͤdchen zwiſchen 5 und 10 Jah - ren, welche der Munychiſchen und Brauroniſchen Ar - temis geweihet wurden, Baͤrinnen3S. Eurip. Hypſipyle und Ari - ſtoph. Lemnierinnen bei Hrpokr. ἀϱκτεῦσαι. Vgl. Orchomenos p. 309. wo zuzufuͤgen, daß ſowohl das Brauroniſche Dionyſosfeſt (Ariſtoph. Frieden 870.) als das der Artemis pentaëteriſch, und vermuthlich beide verbunden waren. Die alten Culte der Kolaͤnis zu Myrrhinus, u. Amaryſia bei den Athmoneern waren wohl aͤhn - licher Natur, ſicher nicht Doriſch., und die Goͤt - tin ſelbſt tritt in wunderlichen Sagen als eine Men - ſchenblut fordernde Baͤrin auf4Vgl. noch Apoſtol. 8, 19. Sonſt am 16. Munychion mit ἀμφιφῶντες, Kuchen mit Lichtern umher, verſoͤhnt, Apolld. Frgm. p. 402 H. Pollux 6, 11, 75 als Phosphoros, deren Dienſt mit Unrecht erſt vom Zug des Thraſybul abgeleitet wird. Klem. Al. Str. 1. p. 348. Es iſt nicht ganz klar, wie die Munychia Art. ſich zur ebenda verehr - ten Art. Pheraͤa, auch Hekate genannt, verhaͤlt. S. Pauſ. 2, 23, 5. vgl. 10, 6. Orph. Argon. 938. Schol. Theokr. 2, 36. wo Hekate Tochter der Pheraͤa. Μουνυχίη λιμενοσκόπε Φεϱαίη, Kall. Art. 259.. Die Brauroniſche2)Zu Pegaͤ (Pauſ. 1, 44, 7.) Megara 1, 40, 2. Boͤaͤ 3, 22, 9. Pellene 7, 27, 1. Phigalia 8, 39, 3. Syrakus auf Muͤnzen. vgl. D’Orville sicula p. 327 sq. 381 fuͤhrte auch den Namen Brandgeſicht Αἰϑοπἰα1S. Kallimach. (Fram. 417. Bentlei) und Eratoſth. bei Steph. B. Αἰϑοπ. Heſych Αἰϑιοπαῖδα., der aus alter Symbolik zu deuten iſt; Kallimachos zog ihn auf den Mond. Mit der Brauroniſchen Kuͤſte aber ſtanden die Inſeln Lemnos und Samothrake in engem Connex, daher beide Αἰϑιοπία heißen2Heſych Αἰϑιοπία. Plin. 5, 39. Auch in Euboͤa war ein Aethiopion. Steph. B. zu ſchr. χωϱίον Λυδίας παϱὰ ῞ϒλλῳ καὶ πλησίον τοῦ Εὐϱίπου. vergl. Hrpokr. Suid.. Als die Jonier von Athen nach Aſien zogen, brachten ſie die Verehrung der Munychiſchen Goͤttin nach Milet und Kyzikos3Boͤckh not. cr. ad Pind. O. 13, 109. Dort auch ein Artemisfeſt Νηληΐς, Plut. mul. virt. p. 287 H. Sie hatte auch einen Tempel zu Pygela bei Epheſos, den Agamemnon gebaut haben ſollte. Str. 14, 639. Dort auf den Muͤnzen, Mion - net Dscr. T. 3. p. 186., und nach der erſtern Stadt den damit ver - wandten Cult der Artemis Chitone als Geburtsgoͤttin, deren Holzbilder aus fruchtreichen Hoͤlzern beſtanden4Kallim. Art. 225. Schol. Kall. an Z. 77, Χιτώνη Ἀϱτ. Steph. B., Joniſch κιθωνέα (wohl ἐη) Ἀϱτ. Heſych. Χιτωνέα in Syrakus, Athen. 14, 619..

6.

Aber die Betrachtung der Attiſchen Artemi - ſien fuͤhrt uns wieder auf eine andere Variation oder Abart der unter dem Namen Artemis begriffenen Culte, naͤmlich auf die Orthoſia, Orthia oder auch Iphi - geneia genannte Goͤttin. Alles, was dieſe betrifft, iſt in ein ſeltſames Dunkel myſtiſcher Fabeln gehuͤllt, aber um deſto lehrreicher zur Kenntniß der Geneſis der Mythologie uͤberhaupt. Wir geben zuerſt die Sagen und Thatſachen, wie wir ſie finden. In Attika war Iphigeneia, von Taurien kommend, zu Brauron und dem benachbarten Halae Araphenides gelandet, und hatte das alte Schnitzbild der Goͤttin zuruͤckgelaſſen5Pauſ. 1, 23, 9. 33, 1. vgl. 3, 17, 6. Eurip. T. 1462 ff. Kallim. Art. 173. Euphorion ſetzte, und nicht ohne Anlaß, auch das Opfer der Iph. nach Brauron, Frgm. 81. Meinecke.. 382Sie wurde auch hier ohne viele Umſtaͤnde der heroi - ſchen Genealogie eingewebt, und Tochter des Theſeus genannt1Die Argiver, Steſichor. und Euphorion bei Pauſ. 2, 22, 7. Antonin. Lib. 27. Tz. Lyk. 183.. In Sparta war ein Tempel der Artemis Ορϑία im Bruͤhl der Stadt (Limnaͤon), wo man eben - falls ein von Taurien gekommenes Holzbild zeigte2Pauſ. 3, 16, 6. Hygin 261. vgl. Creuzers Comment. Herod. p. 244. Aus dieſem T. Helena geraubt nach Plut. Theſ. 31. vgl. Hygin 79. deren Namen an die Ἐλενηφοϱοῦντας der Art. Brauronia erinnert.. Die Goͤttin hieß auch Λυγοδέσμα, die mit Keuſchlamm gebundene, oder Φακελίτις, die im Reisbunde bewahrte, welches auf eigene bildliche Vorſtellungen zielt. Von der Einfuͤhrung des Dienſtes erzaͤhlte man, daß Aſtra - bakos und Alopekos (Eſel und Fuchs), die Soͤhne des Irbos, Nachkommen des Agis im vierten Geſchlecht, (etwa 900 vor Chr.) das Bild in einem Strauch ge - funden haͤtten, und bei Anſchauung deſſelben wahnſin - nig geworden waͤren. Darauf haͤtten ihr die Limna - ten und andern Komen Spartas geopfert, wobei ſie in Streit gerathen und Mord und Todſchlag entſtan - den. Es fallen viel Menſchen am Altare; die Goͤttin fordert Opfer, wofuͤr ſpaͤter die Geißelung der Kna - ben am Feſte der Orthia, uͤber deren Strenge die Prieſterin wacht3Der Δια - μαστίγωσις geht voraus die Φούαξιϱ, ἐπὶ τῆς χώϱας σωμασκία τῶν μελλόντων μαστιγοῦοϑαι, Heſych. vgl. Hemſterh. und Valck. Adoniaz. p. 277. Auch andere Spiele dabei. S. die Lakon. In - ſchr. Cyriac. p. 40. Murat. p. 654. emd. von Ruhnken. bei Koen ad Gregor. p. 306 Sch. επι Αλκιππου νικαξας το παιδικον κε - λητι Αϱτεμιδι Οϱϑιαι.. Bemerkenswerth, daß gleich darauf eine πομπὴ Λυδῶν, ein Lydiſcher Aufzug, folg - te4Plut. Ariſt. 17.. Es geht aus dieſer Erzaͤhlung hervor, daß man die Geißelung als Entſchaͤdigung fuͤr blutige Opfer betrachtete, und dann auch, daß man den Cultus fuͤr383 fremd und eingebracht hielt. Deſſen ungeachtet iſt er ganz in die Lakoniſchen Mythen eingewachſen. Denn es laͤßt ſich ſehr evident zeigen, daß die angebliche Tochter Agamemnons, Iphigeneia, nichts als jene Tauriſche Goͤttin iſt; wie man dieſe wirklich in mehre - ren Staͤdten Griechenlands unter dem Namen ἸΦιγέ - νεια verehrte. Als Heroine freilich iſt ſie ſtatt der nach Menſchenblut duͤrſtenden Goͤttin erſtens die ihr geopferte Jungfrau, zweitens die ihr opfernde Prieſterin geworden. Schon nach den Kypriſchen Ge - dichten1Proklos Chreſtom., denn Homer weiß nichts von ihr, wurde Iphigeneia der Artemis geſchlachtet, aber von ihr nach den Taurern hinuͤbergefuͤhrt und unſterblich gemacht, und an ihrer Stelle eine Hirſchkuh (nach Phanodem eine Baͤrin, nach Nikandros ein Stier) gelaſſen2bei Etym. M. Ταυϱόπολον.. Als unſterblich fortlebend, als Hekate, ſtellte ſie auch ſchon Heſiodos dar3Pauſ. 1, 43, 1.. Das Opfer wurde nach Aulis geſetzt, weil daſelbſt am Hafen ein Tempel der Artemis, wahrſcheinlich der Orthoſiſchen, ſtand, der beim Uebergange geopfert wurde4Theognis Paraͤn. 11. Dikaͤarch. Anagr. 88. Plut. Ageſ. 6. Etym. M. p. 747. Tz. Lyk. 183. Siebelis zu Phanod. p. 6. u. 9. Andere hier einſchlagende Culte ſind: Tem - pel der Art. von Agam. erbaut zu Megara, P. 1, 43, 1. Dienſt der Ὀϱϑωσία daſelbſt (Inſchr. im Museum Worsleyanum und Mem. de l’Ac. d. I. 47. S. 335.), ebenda Heroon der Iphigeneia. Soph. hatte in der Iphig. die Art. ἀκϱουχής, ἀκϱία von Ar - gos ermaͤhnt, Heſych ἄκϱον ὄϱος. Art. Orthia auf Lykone bei Ar - gos p. 2, 24, 6. Art. Orthoſia in Arkadien, Tz. Lyk. 936. 1331. Schol. Pind. O. 3, 54. Iphig. daſ. P. 1, 43, 1. Zu Aegeira altes Bild der Iphig. im T. der Art. 7, 26, 3. Art. Or - thoſia zu Elis, Sch. Pind. a. O. zu Athen im Kerameikos, ebda. vgl. Heſych Ἰφιγένεια Ἄϱτ. Ὀϱϑία Αϱτ. Palaͤphatos 32. Identificirung der Iphig. und Upis iſt blos Verwirrung, wie wenn Alexand. Aetol. bei Macr. S. 5, 22. Upis fuͤr die Epheſ. Goͤttin braucht.. Nach Lakonien384 aber kam dieſer Cultus wahrſcheinlich von Lemnos1S. die verwirrte Geſchichte Plut. Virt. mul. 7. Qu. Gr. 21. Polyaͤn 7, 49., einem Hauptſitze deſſelben. Ich habe ſchon anderwaͤrts die Vermuthung geaͤußert: daß Lemnos in fruͤherer Sage Taurien war, daß es vom Stierſymbol der Goͤttin dieſen poëtiſchen Namen erhielt, wie Lykien den ſpaͤter geographiſch gewordenen vom Symbol des Wolfes. Auch hier in Lemnos wurde eine große Goͤt - tin mit Jungfrauenopfern ehemals verehrt, hier hatte Thoas geherrſcht, der nach Taurien hinuͤbergeſchwom - men ſein ſoll; nach Lemnos ſoll das Holzbild von Brau - ron gebracht ſein2Bd. 1. S. 311.. Noch evidenter wird dieſe An - ſicht durch die Parallele des Dienſtes der Chryſe. Aga - memnon ſoll mit der Troiſchen Chryſeis außer der Iphigeneia auch die Chryſe erzeugt haben3Stym. M. 815, 59.. Nach andern auch einen Chryſes, der mit Oreſt nach Tau - rien ging4Hygin fb. 121. von den zwei Chryſes.. Nun wiſſen wir aber ſicher, daß Chryſe eine zu Lemnos, wie auch zu Samothrake, ſeit alter Zeit verehrte Gottheit war. Schon die Argonauten unter Herakles und Jaſon ſollen ihr geopfert haben; und man ſieht ihr altvaͤteriſches Holzbild uͤber einem Heerde aus rohen Feldſteinen errichtet noch auf alten Vaſengemaͤlden5Uh - den, Schriften der Berl. Akad. 1815. Phil. Cl. S. 63. Millingen Divers. peint. pl. 51. Welcker bei Diſſen Expl. Pind. p. 512. vgl. Buttmann zum Philokt. ad Arg. metr. p. 57., Philoktetes ſoll bei der Wiederauf - findung dieſes Altars6Das Gemaͤlde bei Philoſtr. Ikon. 17. Dio Chryſoſt. R. 59, 577, 21. von der Schlange gebiſſen wor - den ſein7Millingen pl. 50.. Wahrſcheinlich war dieſe Chryſe, die auch Athena genannt wird, nur eine andere Form ihrer Schweſter Iphigeneia; zur Erklaͤrung des Namens385 liegt der Mond am naͤchſten. Von Lemnos aus ver - breitete ſich der Cult beider Goͤttinnen nach andern Punkten im Norden des Aegaͤiſchen Meers; an der Kuͤſte von Byzanz ſtand der Altar der Artemis Ortho - ſia1Herod. 4, 87., gegenuͤber lag Chryſopolis mit dem Grabe des Chryſes, Sohnes des Agamemnon, der, die Iphigeneia ſuchend, hier geſtorben ſein ſoll2Etym. M. a. O. Dionyſ. de Bosporo Thracio, Hudſ. 3. p. 22. Heſych. Mileſ. de Constan - tinopoli.. Jeder ſieht nun, wie dieſes weitlaͤuftige Cultusgewebe mit allen Namen in die Lakedaͤmoniſche Koͤnigsgenealogie uͤbertragen, und mit den Troiſchen Mythen wunderbar verwebt wurde. Taurien lernten die Griechen erſt durch die Mileſiſchen Fahrten kennen, und gaben ihm ſelbſt den in ihren Mythen ſchon beruͤhmten Namen; ſie fanden hier einen blutigen Dienſt einer Goͤttin, welche ſie, halb und halb den Namen graͤciſirend, Oreiloche nannten3Ammian 22, 8. Anton. Lib. 27. Perizon. ad Ael. V. H. 2, 25. Hemſterh. Poll. 9, 12. p. 982.; ſie fanden Menſchenopfer, von denen ſie muthmaßten, daß ſie der Iphigeneia gebracht wurden4Herod. 4, 103. vgl. Skymn. Ch. 88. Str. 7, 308. 12, 535. Mannert Geogr. 4. p. 279. (1820.); ihr dieſer geweihte Dienſt ſelbſt enthielt ſo viel Erinnerungen alter Barbarei, daß ſie nun gern die Baſchkiren des Nordens als die Ur - heber deſſelben anſehen mochten. Doch hatten ſie geſchichtlich die Stiergoͤttin (Ταυρικὴ) Artemis ſo we - nig von den Taurern, als die mit dem Brandgeſicht (Αἰϑοπία) von den Aethiopiern, als den blutigen (Φοῖνιξ) Kadmilos von den Phoͤnikiern u. ſ. w. Auch in Kleinaſien gab es Culte5Tempel der Orthoſia in Teuthrania am Kaikos, Plut. fluv.; der Taurike in Tmolia am Paktolos, ib.; in Kap - padokien Art. Orthia, P. 3, 16, 6. ; Iphigeneia zu Komana, Dio K. 35, 11. vgl. Steph. B. Ἄμανον. Plut. fluv. Ganges. be - ſonders Str. 12, 537. von der Art. Peraſia zu Kaſtabala., welche die Griechen mitII. 25386der Orthiſchen Artemis verglichen und uͤber deren Ver - wandtſchaft wir bald reden werden.

7.

Bis hieher habe ich die Erzaͤhlungen der Al - ten faſt nur zuſammengeſtellt, und nur die ſich von ſelbſt ergebende Verbindung derſelben angezeigt. Zu einem etwas peremtoriſchen Verfahren genoͤthigt ziehn wir nun kurz die Reſultate. Erſtens fuͤr den Sinn und Charakter des ſicher ſehr myſtiſchen1Aeſchylos hatte in der Iphigeneia einiges Myſtiſche ver - breitet. Euſtrat. ad Aristot. Ethic. Nic. 3, 1. vgl. S. 378. Dienſtes. Wir haben eine mit Orgiasmus, Geiſtesverwirrung, Wuth angebetete Goͤttin; Erſcheinungen, die auf einer gewiſſen Stufe des Naturdienſtes faſt regelmaͤßig her - vortreten, wo der Menſch vom ſinnlichen Leben der Natur ergriffen ſich ſeines Bewußtſeins an dieſelbe zu entaͤußern ſucht. Dazu kommen blutige Opfer, die der helleniſche Sinn nur zu maͤßigen und veredlen ſuchte: welche ebenfalls dieſer Stufe eigen zu ſein pflegen. Jenes berauſchenden Wahnſinns wegen kann man den Dienſt mit dem des Dionyſos zuſammen ſtellen; wie dieſer Orthos hieß, ſo jene Orthia; es iſt nicht un - wahrſcheinlich, daß beides auf phalliſchen Dienſt ſich bezieht2S. oben von den λόμβαι.. Die ὀρϑία ὕβρις der Eſel bei Pindar er - klaͤrt3P. 10, 32. Vgl. den Sinn von ὀϱϑὸς, Lakon. ὀϱσός, bei Ariſtoph. Lyſiſtr. 944., warum Aſtrabakos, der Eſelmann, der auch in der Herodotiſchen Erzaͤhlung als zeugungskraͤftig vorgeſtellt wird, das Bild der Goͤttin gefunden haben ſoll. Es iſt ſicher, daß dieſe Eigenſchaften auch ſonſt am Monddienſte bemerkt werden, und auf den Mond beziehn ſich auch die Namen Αἰϑοπία und Χρύση. Nur iſt wohl der Mond ſelbſt nur Symbol dieſer Na - turgottheit. Wie in Aſien die Maͤdchen ihre Jung - frauſchaft aͤhnlichen Gottheiten opferten: ſo dienten387 dieſer Attika’s Toͤchter in Brauron wenigſtens als Vor - bereitung und Einweihung zur Ehe. Was aber zweitens das Vaterland dieſes Dienſtes betrifft: ſo glaube ich, daß er urſpruͤnglich mit dem Arkadiſchen der Kalliſto einerlei war, aber auf Lemnos durch die Naͤhe Aſiatiſcher Culte eine mehr orgiaſtiſche und aus - ſchweifende Geſtalt gewann, in welcher er nach Attika und Lakonien zuruͤckgebracht wurde. Daß mit der Tauriſchen Goͤttin (Ταυρικὴ, Ταυρὼ, Ταυϱιώνη, Ταυ - ρωπός) die Tauropolos naͤchſtverwandt iſt, darf man wohl nicht bezweifeln. Dieſer Name der Gott - heit hatte ſich feſtgeſetzt auf Samos (wo man ihr an feierlichen Feſten Seſam - und Honigkuchen darbrach - te)1Herod. 3, 48. Steph. B. Ταυϱοπόλιον. Auch Καπϱο - φάγος hieß ſie dort, Heſych s. v. vgl. Panofka res samior. p. 63., auf der nahen Ikaros2Str. 14, 639. Kallim. 187. Das Tauropolion auf der Inſel Ikaria im Perſiſchen Meerbuſen (wo auch Ap. Tauropolos) iſt wohl eine Uebertragung der Zeit nach Alexander. Aelian N. A. 11, 9. Dionyſ. P. 611. und zu Amphipolis3Liv. 44, 44. die Muͤnzen. Auch in der Naͤhe von Magneſia am Sipyl. Marm. Oxon. 26. l. 60.. Die Weiſe der Verehrung war ohne Zweifel orgiaſtiſch, weil man ſich die Gottheit ſelbſt als ſinnverwirrend dachte4Soph. Ajax 174., und blutig, weil man den Dienſt von Aricia damit verwandt fand5S. beſonders Str. 5, 239.. Wie man ſie auf den Muͤn - zen noch auf dem laufenden Stier ſitzend ſieht, erklaͤrte ſie Apollodor fuͤr die allumkreiſende Gottheit mit Beziehung auf den Mond6S. 402 Heyne. vgl. Etym. Ταυϱοπόλον, Apoſtol. 18, 23. vgl. noch Spanh. zu Kall. Art. 174. 187..

8.

Daran ſchließen ſich nun diejenigen Heilig - thuͤmer der Goͤttin, deren Urſprung im eigentlichen Sinne Aſiatiſch und ungriechiſch iſt, und die ſich mit25 *388voͤlliger Entſchiedenheit von der Doriſchen, aber auch der Arkadiſchen Artemis-Verehrung ſondern.

Die Epheſiſche Artemis fanden die Jonier ohne Zweifel ſchon in ihrem Heiligthume1Ueber deſſen Lage ſ. indeſſen Locella ad Xenoph. Ephes. p. 87. vgl. Caylus Mem. de l’Ac. T. 20. p. 428-441. Choi - ſeul Gouff. Voy. pitt. T. 1. p. 191., im ſumpfigen dem Meer entſtiegenen Thale2Herod. 2, 10. Artemis be - ſucht den Sohn des Kayſtros. Kallim. Frgm. 102 Bentl. des Kayſtros vor, als ſie an der Kuͤſte ſich anſiedelten. Sie nannten ſie nach Analogieen mit der Munychiſchen Goͤttin Artemis ſo wie ſie nachmals eine große Anzahl der weibli - chen Naturgottheiten im Pontos, in Galatien, Arme - nien, Kolchis, Medien u. ſ. w. Artemis benamten ohne damit viel uͤber ihr Weſen auszuſagen; unter - ſchieden ſie jedoch, wohin ſie den Cultus ſonſt ver - pflanzten, immer von andern durch den Beiſatz die Epheſiſche3zu Korinth Pauſ. 2, 2, 5. Alea 8, 23, 1. Epheſion zu Maſſilia Str. 4. p. 179. 184. eine Prieſterin Ariſtarche (vgl. das Ariſtarcheion der Art. zu Elis, Plut. Qu. Gr. 47.) bei der Gruͤndung.. Alles was vom Cultus dieſer Gottheit erzaͤhlt wird, iſt ſingulaͤr und dem Helleniſchen fremd. Ihr beſtaͤndiges Symbol iſt die Biene, die ſonſt Arte - mis wohl nirgends hat; die andern Attribute, welche die ſpaͤtern Bildſaͤulen ſchmuͤckten, ſind zu ſehr zuſam - mengeſucht, um Schluͤſſe zu erlauben. Die Biene aber iſt wohl urſpruͤnglich nur Symbol der Nahrung; der Begriff der Reinheit kann hinzugetreten ſein4Ganz eigenthuͤmlich ſind auch die Opfer von Selinon u. Salz in Daͤtis zu Epheſos. Etym. M. Δαιτίς.. Der Oberprieſter ſelbſt hieß Εσσὴν oder Bienenkoͤnig. Andere Prieſternamen ſind ungriechiſch, Megabyzoi hießen die prieſterlichen Caſtraten daſelbſt zu Strabons Zeit; auch Μύξος war ein Prieſtername5Apoſtol. 5, 44.. Der Goͤtterkreis, welcher389 ohne Zweifel dieſe große Goͤttin, dieſe Πρωτοϑρονίη1Pauſ. 10, 38, 3., umgab, muß von einer eigenthuͤmlichen Natur geweſen ſein. Die Mutter war von Anfang ſchwerlich Leto2Leto ſoll ſie bei Koriſſos (Steph. B. s. v.) in der Epheſia geboren haben., Apollon kommt nie neben ihr vor3Die Zuſammen - ſtellungen des Apoll von Kolophon, der Artemis Epheſia, der Ne - meſes von Smyrna unter einander auf Kaiſermuͤnzen der Staͤdte ſind nur wechſelſeitige Complimente. In der Rede der Epheſier bei Tac. Ann. 3, 61. iſt offenbare Windbeutelei. Der Ἀπ. Ἀμαζόνιος bei Pauſ. 3, 25, 2. iſt eine ſingulaͤre Curioſitaͤt., ihre Amme ſcheint Ammas geheißen zu haben4Ἀμμάς, τϱόφος Αϱτέμιδος. καὶ μἠτηϱ καὶ Ῥέα καὶ ἠΔημήτηϱ, Heſ.; Herakles ſoll ihre Ge - burt vom Berge Kerykeion verkuͤndet haben5Etym. M. 511, 56. Gud. 320, 26.. Unter dieſem Herakles wird man ſich einen einheimiſchen Daͤ - mon, vielleicht einen der Idaͤiſchen Daktylen, zu den - ken haben, deren Namen nach Einigen in den Epheſi - ſchen Zauberworten enthalten waren, die, man weiß freilich nicht ſeit wann, an den Fuͤßen der Bildſaͤule angeſchrieben waren6vgl. Lobeck de Jdaeis Dactylis..

9.

So viel genuͤge hier zur Andeutung des Cha - rakters dieſes Cultus, der gleichſam als ein weit vor - geworfener Punkt einer nach Weſten hin iſolirten Reihe erſcheint. Ueber ſeinen Urſprung iſt die allgemeine Sage des Alterthums, daß ihn die Amazonen gegruͤn - det. Schon Pindar hatte dieſe behandelt7Bei Pauſ. 7, 2, 4. Frgm. inc. 56. Boͤckh. vgl. Kallimachos Art. 240 ff. Pauſ. 4, 31, 6. Steph. B. Ἔφεσος cf. Σίσυϱβα. Κύννα. Etym. M. Ἔφ. Plut. Qu. Gr. 56. p. 407. H. Hygin. 223. 225. Das Gegentheil Euſeb. Chr. n. 870. Ἀμαζόνες τὸ ἐν Ἐφέσῳ ἱεϱὸν ἐνέπϱησαν.; vermuth - lich war aber ſchon in aͤlteren Theſeiden und Herakleen5Die Diener der Goͤttin hießen hintereinander μελλιέϱης, ἱέϱης, πα - ϱιέϱης, nach Plut. an seni 24. p. 130 H.390 davon die Rede; wie ſie am Orte ſelbſt lokal war, geht aus dem beruͤhmten Wettkampfe der Kuͤnſtler Pheidias, Polykleitos u. Aa. hervor, in dem ſie fuͤr den Epheſi - ſchen Tempel Amazonen arbeiteten; noch neuerlich hat man einen Sarkophag mit Amazonenkaͤmpfen bei Ephe - ſos gefunden1Moſes Vases pl. 133.. Die Gruͤndungsſagen der Staͤdte Smyrna, Kyme, Myrlea, Myrina Aeolis, Priene, Mitylene, Pitane reden uͤberall auch von Amazonen2Hekataͤos bei Steph. B. Αμαζ. Nach Herakl. Pont. 33. ſaßen ſie von Mykale bis Pitane. Diod. 3, 55. aus Dionys v. Samos. Ephoros bei Str. 12, 550. vgl. 13, 623. u. Aa. Steph. s. v. Ἀναία von einem Orte Anaͤa Samos gegenuͤber, wo eine Amazone des Namens begraben. Die Einw. Αναΐται. Ob hier an Artemis Anaitis zu denken iſt?; und die vielſpringende Myrina nach Goͤtterbenen - nung bei Homer iſt ſicher als Amazone gedacht. Was die Bedeutung der Amazonen betrifft: ſo ſchließe ich mich der3von Toͤlken, uͤber das Basrelief S. 210., angeregten, von Boͤckh, Hierodulen S. 55., gebilligten Anſicht an, daß die Dichtung von denſelben entſtanden ſei durch den Anblick der ungeheuern Heer - den von Tempeldienerinnern, Hierodulen, wie ſie in Aſiatiſchen Tempeln ſich vorfanden. Heilige Taͤnze zur Syrinx fuͤhrten auch nach Kallimachos die Amazonen um das an dem Stamme einer Ulme neuerrichtete Bild auf. Ja es wird als geſchichtliches Faktum ge - geben, daß noch in Joniſcher Zeit Frauen um den Tempel wohnten, vom Geſchlecht der Amazonen4Pauſ. 7, 2, 5.; ob - gleich nur Jungfrauen in den Tempel ſelbſt einzu - gehen geſtattet wurde5Achill. Tat. Klitoph. 7. p. 431.. Um aber zugleich die Mythen von den Kaͤmpfen und Kriegen dieſes Weiber - heers zu erklaͤren, muͤſſen wir als Goͤttin ihres Cultus eine ſolche ſetzen, die nicht blos Fruchtſpendend und391 Nahrungertheilend, ſondern zugleich zerſtoͤrend und verhee rend vorgeſtellt wurde obgleich dieſe letztere Seite im Epheſiſchen Cult verloſchen ſcheint eine Goͤttin, die zu - gleich Naturmutter und Enyo. Fragen wir weiter nach dem Vaterlande der Amazonen als Gruͤnderinnen die - ſes Cultus: ſo kann es Phrygien nicht wohl geweſen ſein, da ſie ſchon bei Homer von jenſeits des Sanga - rios kommend mit den Phrygern ſtreiten1Il. 3, 185.. An dieſen Volkſtamm graͤnzt der Syriſche: und wenn nun Pindar ſagt, daß die Amazonen das Syriſche mit breiten Lan - zen geruͤſtete Heer leiteten2Str. 12. p. 819 c. Frgm. inc. 57. p. 645 Bh., ſo ſtimmt er darin voͤllig uͤberein mit denen, die ihren Urſprung an den Ther - modon, Chadeſios, Lykaſtos laͤngs der Kuͤſte von The - miskyra ſetzten3Aeſchyl. Prometh. 723. Pherekyd. b. Schol. Apoll. 2, 370. Herod. 4, 110. Arrian Peripl. p. 16. Skymn. Ch. 229. Creuzer Vett. hist. p. 80. Nach Pherekyd. bei Schol. Apoll. a. O. (vgl. 990.) gab es im πεδίον Δοίαντος in Phrygien (in der Naͤhe des Thermodon) drei Amazoniſche Staͤdte, nahe lag Alkmonia (Akmonia Steph. Byz.), wo Harmonia mit Ares die Amazonen gebar.. Die auffallende Uebereinſtimmung Mehrerer in dieſer Anſetzung, ſo wie die ungewoͤhn - liche Beſtimmtheit derſelben machen ſie doppelt wichtig. Und welches Lokal duͤrfte eher als Vaterland der Ar - temis Epheſia ſowohl als der kriegeriſchen Hierodulen gelten, als Kappadokien. Wo ſich ausgebreitete Hie - rarchien mit unzaͤhligen maͤnnlichen und weiblichen Hie - rodulen in die geſchichtliche Zeit hinein erhalten hatten, ein ſchamaniſch-orgiaſtiſcher Naturcultus bluͤhte, und die Hauptgottheit zugleich Enyo und Magna mater war. Wenn wir ſo den in Frage ſtehenden Cultus an das naͤchſte Glied angeknuͤpft haben: ſo laͤugnen wir mit392 nichten, daß ſo weit ſich der Syriſch-aramaͤiſche Stamm erſtreckte, faſt alle Erſcheinungen die ſich zu Ephe - ſos nur gemildert zeigen oft ausnehmend grell und widerlich hervortreten1Ueber Art. Epheſia, ſo wie uͤber die Amazonen iſt eine ſo reiche Litteratur da, daß Einzelnes anzufuͤhren wenig hilft..

Es hatte ſich uͤbrigens derſelbe Aſiatiſche Goͤtter - dienſt auch an andern Stellen bei den Griechen des Landes eingedraͤngt, oder war von ihnen vorgefunden, und aus jener Toleranz, die ſich religioͤſe Inſtitute leicht anzueignen weiß, angenommen worden. Dahin gehoͤren: die Leukophryne, die in Phrygien an einem ſuͤßen und warmen Teiche2Xenoph. Hell. 3, 2, 19., und von da beſonders in Magneſien am Maͤandros, daher auch von Themiſto - kles, verehrt3Marm. Oxon. 26. l. 84. Pauſ. 1, 26, 4. 3, 18, 6., und der Epheſiſchen aͤhnlich gebildet wurde4Heyne Antiq. Aufſ. 1. S. 109. vgl. Paclaudi Monum. Pelop. 2. p. 13.. Zum heiligen Thiere hatte ſie den Buͤf - fel5S. die Muͤnzen Mionn. 3. S. 137.. Die Artemis auf Sipylos, gefeiert mit aus - gelaſſenen, unzuͤchtigen Taͤnzen, von denen ſie auch zu Olympia, nach Pauſanias, Kordaka hieß66, 22, 1. Auch die Sikelioten tanz - ten der Art. beſonders das weichliche Jonikon, Poll. 4, 14, 104.. Die Per - gaͤiſche, weit und breit bekannt in Griechenland durch ihre herumwandernden Bettelprieſter7Skylax S. 39. Str. 14, 667. Kallim. auf Art. 187. Cic. Verr. 1, 20. 3, 21. Heſych, Suidas, Photios u. Aa. Πεϱγαία ϑεός. Apoſtol. 9, 91., wo παναγαῖα fuͤr ΠΕΡΓΑΙΑ ſteht. Zu Perge verehrt man auch den Syriſchen Adonis als Aboba. Heſych Αβ., von aͤhnlicher Bildung wie die Leukophryne8Auf Muͤnzen als ein signum informe. , u. a. m.9z. B. die Κινδυὰς von Bargyliaͤ, Polyb. 16, 12, 3., die Ἑστιάς von Jaſſos, ebd. ΑΣΤΙΑΣ die Inſchr. Chandl. p. 19. n. 57., die Goͤttin von ἱεϱὰ κώμη bei Thyateira, Ὀϱεῖτις genannt, Polyb. 32, 25, 11. Inſchr. bei Walpole Trav. p. 575., die Myſiſche, Pauſ.. Ganz im393 Geiſte dieſer Religionen nannte der Muſiker Timotheos die Goͤttin die ſtuͤrmende, ſchaͤumende, wuͤthende, ra - ſende1Θυάδα, φοιβάδα, μαινάδα, λυσσάδα. Plut. de superst. 9. p. 75., und der Tragiker Diogenes2Athen. 14, 636 a. redete in einer ſchoͤnen, obgleich nicht eben geographiſch genauen Stelle ſeiner Semele, von den Lydiſchen und Baktriſchen Jung - frauen, die laͤngs des Halys die Tmoliſche Artemis mit weichlich toſender Muſik feiern.

Soviel ſchien noͤthig zur Rechtfertigung der oben aufgeſtellten Sonderung, aber wir machen kein Hehl daraus, daß in dieſer ſummariſchen Darſtellung manche ſchwierige Aufgabe noch ganz unberuͤhrt geblieben iſt, zu deren Loͤſung weitlaͤuftigere Voranſtalten gehoͤren.

93, 20, 8. vgl. Kallim. 116., die Aſtyrene am Ida, Str. 13, 606. 613. die Boritine Lydiens, Eckhel D. N. 3. S. 121., die Art. Adraſteia in Kleinphrygien, Harp. Ἀδϱαστ. Aa.

394

Andere Gottheiten.

10.

1.

Nachdem wir die Religionen, die ihren Impuls ganz oder zum Theil von den Doriern erhalten, be - trachtet haben: finden wir noͤthig, um vom Zuſtande des Goͤtterdienſtes bei dieſem Stamme voͤllige Rechen - ſchaft zu geben, auch die Culte nachzuweiſen, die ſie, in verſchiedenen Staͤdten verſchiedene, angenommen und geuͤbt haben. Dieſe Forſchung wird, außer dem eigenthuͤmlichen und unmittelbaren Reſultate, welches ſie gewaͤhrt, noch nach zwei Seiten ſchon organiſirten Stoff der Forſchung fuͤhren; naͤmlich zur Coloniſirungs - geſchichte des Stammes, welche daraus Beſtaͤtigung und Ergaͤnzung erhaͤlt, und zur Geſchichte des Doriſchen Lebens, auf welches die geuͤbten Goͤtterdienſte den groͤß - ten Einfluß aͤußerten. Weil aber die Maſſe des Stof - fes hier ganz unendlich denn uͤber Nichts im Al - terthume giebt es ſo reiche Notizen, als uͤber die loka - len Culte muͤſſen wir jedes Streben nach Vollſtaͤn - digkeit aufgeben, das uns viel zu weit abfuͤhren wuͤrde.

Um bei Zeus zu beginnen, ſo iſt auffallender Weiſe kein Hauptinſtitut dieſes Cultus fuͤr ſich in Do - riſchen Landen (außer dem Phrygiſchen Dienſt auf Kreta) namhaft zu machen, ſondern faſt uͤberall, wo er vorkommt, erhaͤlt er erſt durch eine andere mit ihm395 verbundene und aͤußerlich mehr hervortretende Gottheit ſeine naͤhere Beſtimmung. Den Dienſt von Olympia1Daher ſtammt das Olympieion in Syrakus, (ſ. oben S. 116.) deſſen Prieſter, ἀμφίπολος, die erſte Jahreswuͤrde war. Thuk. 7, 65. 70. Diod. 16, 70. Exc. virt. et vit. p. 558. Cic. Verr. 2, 51. halte ich fuͤr eine Stiftung der Achaͤer, die auch ſonſt wie in Aegion dem Gotte allein Haupttempel weihten; den Hellanios auf Aegina haben Theſſaliſche Hellenes (im engern Sinne) dort angepflanzt. Aber ganz Argolis nebſt Korinth ſteht ſeit alten Zeiten unter dem Schutze der Hera, die mit Zeus zuſammenge - dacht, aber im Cultus mehr hervorgehoben wurde, als der Gott. Das Hauptheiligthum lag zwoͤlf Stadien von Mykenaͤ, vierzig von Argos, uͤber der Gegend Proſymna2Creuzer Symb. T. 2. S. 575. ̔̍ Ηϱας Πϱοσυμναίας ἱεϱὸν Pſ. Plut. de fluv. Str. p. 373. unterſcheidet wol mit Unrecht das Heraͤon in Proſymna von dem beruͤhmten. Der Name Proſymna, Proſymnos findet ſich auch bei Lerna und im Arkadiſchen Gortyna. Inſchr. von Gortyna bei Four - mont: ἁπατϱα των πϱοσυμναιων νικομαχην αϱιστοϑεμιτος δᾳ - δουχησασαν.; von den angeſehenſten Prieſterinnen ge - pflegt und durch die erſten Feſte und Agonen gefeiert, wurde es ſelbſt eine der aͤlteſten Wiegen der plaſtiſchen Kunſt. Auch ſcheint es, daß Argos faſt allein die Wurzel des Dienſtes ſei, und er hier ſeine eigenthuͤm - liche Geſtalt und ſein eigenes Gepraͤge erſt erhalten habe. Denn die Dienſte von Samos, ſo wie von Sparta3S. Pauſ. 3, 13. Sturz Pherek. p. 79. Vgl. beſonders Heyne zu Ilias 4, 52. Eurydike, Akriſios Tochter, ſollte den Tempel gebaut haben. Gegen Pauſ. 3, 15, 7. μόνοις δὲ Ἑλλήνων Λακεδαιμονίοις καϑέστηκεν Ἤϱαν ἐπονομάζειν αἰγοφά - γον καὶ αἶγας τῇ ϑεῷ ϑύειν (vgl. Heſych Αἰγοφάγος Χήϱα ἐν Σπάϱτῃ, mit Welcker zu Schwenks etymol. Andeut. S. 294.) iſt einzuwenden, daß daſſelbe in Korinth[geſchehen]. Photios Lex. p. 50. αἲξ τὴν μάχαιϱαν. Zenob. Prov. 1, 27. Diogen. Pr. 1, 52. werden in Sagen, welche die Uebereinſtim -396 mung der Gebraͤuche beglaubigt, von Argos hergeleitet; und daſſelbe gilt von dem Epidauriſchen9Thuk. 5, 75., Aeginetiſchen, Byzantiſchen Cult. Die Goͤttin herrſcht in den aͤltern Mythen von Argos; die Traditionen von Jo, ſoviel davon wirklich einheimiſch, ſind nur mythiſche Darſtellungen der Ideen und Gefuͤhle dieſer Verehrung; ſo wie die Korinthiſchen Mythen von Medeia in ihrem aͤlteſten Theile ſich ebenfalls auf die dort einheimiſche Religion der Hera Akraͤa beziehn1S. Bd. 1. S. 267.. Daher die Korinther nach ihrer Colonie Korkyra mit dem Heradienſt2Herdon zu Korkyra der Haupttempel. Thuk. 1, 24. 3, 75. 79. Auch in Syrakus, Aelian V. G. 6, 11. u. Aa. auch die Mythen und den Cultus der Medeia brachten3Bd. 1. S. 297. Die behauptete Goͤttlichkeit der Medeia wird vollkommen erwieſen durch Athenag. legat. p. 14. Zeugniß, daß Heſiod. und Alkman ſie Goͤttin ge - nannt.. Man wird daher das Eigenthuͤmliche und Beſondere dieſer Religionsart theils aus den ſymboliſchen Tradi - tionen uͤber Jo und Medeia und andern dergleichen, theils aus den Gebraͤuchen, beſonders des Samiſchen Feſtes, zuſammenſtellen muͤſſen. Eine naive Natur - religion lag gewiß zum Grunde; welche die Sage, wie Zeus, auf Berg Thornax in Suͤd-Argolis als Kukkuk (deſſen Ruf in Griechenland die Naͤhe eines gedeihli - chen Saatregens verkuͤndet) die Hera verfuͤhrt, ſehr hehllos ausſpricht; der ἱερὸς γάμος ſpielte eine Haupt - rolle4Sie hieß Εἰλήϑυια und Γαμηλή, Heſych s. v. Εἰλ. Euſtath. ad Hom. p. 1156.. In Samos erzaͤhlte man, daß das Bild einſt mit Ruthen von Keuſchlamm ganz umwunden geweſen ſei, und ſtellte dies, wie es ſcheint, auch in Feſtge - braͤuchen dar5Athen. 15, 672.: daſſelbe bedeutete das Argiviſche Feſt Λέχερνα, Zweigbett6Heſych s. v. Weiter ſehe man Creuzers Symbolik, deren Abſchnitt uͤber Hera.

397

2.

Sehr alt und beinah gleicher Ehre theilhaft war in Argolis der Cultus der Athena, die auf der Hoͤhe der Lariſſa einen Tempel hatte; die Goͤttin, die zu Sparta im ehernen Hauſe angebetet wurde, hatte ſicher denſelben Charakter und Urſprung1In Sparta hatte man auch den Arkadiſchen Cult der Athena Alea. Xenoph. Hell. 6, 5, 27.. An beiden Orten nannte man ſie faſt auf dieſelbe Weiſe, dort Ὀπτιλέ - τις2Pauſ. 3, 18, 1. Plut. Lyk. 11., Augengoͤttin, hier Oxyderkes, Scharfſehende3Pauſ. 2, 24.; und wenn man auch an beiden Orten den Namen von hiſtoriſchen Begebenheiten erklaͤrte: ſo wird er doch richtiger mit dem Cultusnamen zu Athen und Sigeion: Γλαυκῶπις, und aͤhnlichen verglichen. In Argos ſchließt ſich ein großer Theil der heroiſchen Mythologie an die Ideen der Pallas-Verehrung. Denn in ihrem Tempel auf der Burg lag Akriſios nach der Sage be - graben4Klem. Al. Protr. p. 29. Sylb.; und da die Goͤttin ſelbſt Ἀκρία heißt5Ακϱία Αϑηνᾶ ἐν Ἄϱγει. Auch Hera, Artemis, Aphro - dite, Heſych, cf. s. v. Ακϱέα. Ob Creuzer dagegen ſeinen Dunkeln und Hermann den Inseparantius und Schwenck den Goldloſen aufgeben wird, weiß ich nicht., ſo glaube ich auf dieſe Weiſe den Namen Ἀκϱίσιος ſelbſt befriedigend erklaͤren zu koͤnnen: beſonders da eine Ana - lyſe des Mythus von Akriſios, Perſeus, den Gorgo - nen lehrt: daß in ihm alles von Symbolen der Pal - las abhaͤngt. Auch Korinth nahm an dieſem Mythen - kreiſe Antheil, wie die Typen des Pegaſus, des Meduſen - kopfes und der Goͤttin ſelbſt auf den Muͤnzen dieſer Stadt und ihrer Kolonien Leukas, Anaktorion, Argos Amphilochikon deutlich zeigen6Doch mit beſonderer Beziehung auf den Bellerophon. Vom Pegaſos dort Hippia, Pind. O. 13, 97. deren Altar beſonders durch die Incubation merkwuͤrdig..

6Viel im Geiſte alter Religion Gedachtes und Ausgefuͤhrtes enthaͤlt, und beſonders Welcker zu Schwenck von S. 268.

398

Es giebt noch einen andern Zweig des Pallas - dienſtes bei den Doriſchen Voͤlkern, der ſich von Lin - dos auf Rhodos nach dem Siciliſchen Gela und von da nach Akragas und Kamarina verbreitet1Voͤckh Expl. ad Pind. O. 2, 1. p. 123. 5, 9. p. 148. beſonders Polyb. 9, 27, 7. mit Timaͤos bei Steph. Byz. Ἀτάβυϱον. Die Polias von Troͤzen iſt durch die Jonier hingekommen, wie die andern Culte der Stadt zeigen.. In al - len dieſen Orten iſt Pallas die Burgſchirmerin und Stadtgoͤttin, und dem Zeus Polieus (auch Atabyrios) zugeſellt2Sie heißt fortwaͤhrend auch in Stadt Rhodos die Lindiſche. S. Meurſ. Rhod. 1, 6. vgl. Apoſtol. 17, 17.. Von der Eigenthuͤmlichkeit ihrer Vereh - rung wiſſen wir nur aus Pindar, daß man ihr in Rhodos, wie den alten Naturgoͤttern, feuerloſe Opfer brachte, und daß die dort einheimiſche alte Kunſt ſich an ihren Cultus ſchloß. Denſelben von dem Argiviſchen ableiten zu wollen, waͤre willkuͤhrlich, da auch die oben bezeichneten beſonderen Symbole des letztern in Rho - dos und deſſen Colonien nicht vorzukommen ſcheinen. Aehnlicher war ihm der Kretiſche von Hierapytna, (welche Stadt auf ihren Muͤnzen die Attiſchen Sym - bole der Pallas hat,) wenn die Praͤſiſchen Geſandten zu Rhodos mit Recht angaben, daß man die Koryban - ten (zu Hierapytna,) fuͤr Kinder des Helios und der Athena halte3Str. 10, 472. ὡς εἶεν Κοϱύβαντες δαίμονές τινες, Ἀϑηνᾶς καὶ Ἡλἰσυ παῖδες. Anders darf man nach der Stellung der Worte nicht interpungiren..

3.

Mehr als die beiden genannten Goͤtterdienſte, obgleich auch dieſe und beſonders Hera vor der Doriſchen Uſurpation wohl noch allgemeiner herrſchten, wurde die6Die Ἑλλωτία iſt, wie auch die Feſtſagen bei Schol. Pind. lebren. Lichtgoͤttin, wie die Ἀλέα. Auch Syrakus hat Minerven - dienſt. Diod. virt. et vit. p. 549 Weſſ.399 Religion der Demeter in den Schatten gedraͤngt: wie Herodot von einer Weihe der Demeter Thesmopho - ros, welche angeblich die Toͤchter des Danaos geſtiftet hatten, ſagt: daß, als die Peloponneſier von den Do - riern vertrieben wurden, die Weihe unterging, und nur die uͤbriggebliebenen Peloponneſier und die nicht vertriebenen Arkader ſie fortſetzten12, 171.. Daher finden wir wenig Demetercult in den Hauptſtaͤdten Doriſchen Namens2Nur die Meſſenier machen die Demeter von Andania zu einer Hauptgoͤttin des Staats: ſ. davon oben S. 100.. So ſcheint es in Argos, als waͤren die Gebraͤuche zu Ehren der Goͤttin auf der einen Seite in die Lernaͤiſchen Suͤmpfe hinein, auf der andern nach dem von den Dryopern bewohnten Oſtende der Halbinſel hinausgedraͤngt worden. Dort beſtand fort - waͤhrend eine myſtiſche Weihe, die aber lange ſehr ob - ſcur blieb: hier hatte man einen deutungsvollen Cul - tus der Chthoniſchen Goͤtter an die Spitze aller andern geſtellt. Die von Fourmont zu Hermione gefundenen Inſchriften, die unter andern Namen neben Demeter und Kora den Klymenos erwaͤhnen3Ich ſtelle einige aus Fourmonts Papieren von Caſtri zuſammen: α πολις των Εϱμιονεων Νικιαν Ανδϱωνιδα Δαματϱι Κλυμενῳ Κοϱᾳ Θεοδωϱος Ποϱου Αϱγειος εποιησε. Εϱμαιχον Λουκιου τον ιεϱεα του Κλυμενου. Δαματϱι χϑονιᾳ Διι αϱγι - λαπιῳ (ob ΑΣΚΛΑΠΙΩΙ, vgl. Bd. 1. S. 153.). Δημητϱα την κϑονιαν und die δέσποινα erwaͤhnen Andere. Vgl. damit Pauſ. 2, 35, 3. Vielleicht war auch der Name von Hermione aus dem Cultus. Ἑϱμιόνη Demeter und Kora zu Syrakus. Heſych., ſtimmen ſehr wohl mit dem Anfang des Hymnus, den Laſos der Hermioneer auf die Gottheiten ſeiner Vaterſtadt dich - tete: Damater ſinge ich und Kora des Klymenos Ge - mahlin Meliboͤa, der Hymnen Aeoliſche Harmonie, die400 tieftoͤnende, herauffuͤhrend1Athen. 14, 624 e. Vgl. dazu den Hymn. des Philikos von Korkyra, Hephaͤſt. p. 53 Gaisf.. Und wie man das Hei - ligthum der Chthoniſchen Demeter am Eingange zur Unterwelt als das erſte der Stadt anerkannte, er - hellt noch aus der Pietaͤt, mit welcher die in Meſſe - nien wohnenden Aſinaͤer von da der alten Stammgoͤttin zu Hermione Opfer und Theorieen ſenden2Inscr. ap. Donium Cl. 4. p. 137. n. 9..

In alten Zeiten hatte in Argos auch ein Cul - tus gebluͤht, den wir mit dem Namen der Triopi - ſchen Demeter bezeichnen3Pauſ. 2, 22, 2. Δήμητϱός ἐστιν ἱεϱὸν ἐπίκλησιν Πελασγίδος ἀπὸ τοῦ ἱδϱυσαμένου Πελασγοῦ τοῦ Τϱιό - πα.. Es beziehen ſich naͤmlich die Mythen von Triopas und deſſen Sohn Eryſichthon (Kornbrand), wo ſie ſich immer finden, auf eine Acker - religion, die zugleich Cultus der Unterwelt iſt. Die alten Sitze derſelben ſind das Phthiotiſche Feld Dotion, Argos, auch Attika4Hauptquellen Hellanikos bei Athen. 10. S. 416 a. u. bei Steph. s. v. Τϱιόπιον. Kallimach. an Demet. 24. Inscr. Herod. Attici. vgl. die treffliche Auseinanderſetzung von Boͤckh ad Schol. Pind. P. 2, 27. p. 315.; und von dem erſtgenannten Orte iſt ſie durch uralten Voͤlkerzuſammenhang, den die Er - zaͤhlung von einer Dotiſchen Colonie nach Knidos, Rhodos und Syme andeutet5S. Bd. 1. S. 195., an die Suͤdweſtkuͤſte von Kleinaſien gekommen: wo ſie die Grundlage der Trio - piſchen Goͤtterverehrung bildete, an die ſich die Bun - desfeſte der Doriſchen Sechsſtaͤdte knuͤpften. Vor Trio - pion liegt die kleine Inſel Telos, von da folgte eine Familie der Lindiſchen Colonie, die Gela in Sicilien gruͤndete, und brachte die sacra Triopia mit ſich; einer dieſes Geſchlechts, Telines genannt, wußte dieſem Gen - tilcultus der unterirdiſchen Goͤtter ſo viel Anſehn zu verſchaffen, daß er als Hierophant denſelben als oͤf -401 fentlichen verwalten durfte; von dieſem ſtammt Hieron der Syrakuſier1Herod. 7, 153. Schol. Pind. a. O..

4.

Durch dieſe ſehr beglaubigte und in ſich wohl zuſammenhaͤngende Coloniegeſchichte haben wir den Ur - ſprung eines der Zweige Cerealiſcher Religion in Sici - lien gewonnen. Einen andern Zweig brachte wohl die Familie der Emmeniden mit2Bd. 1. S. 337., welche, urſpruͤnglich aus Theben ſtammend, mit der Geloiſchen Colonie nach Sicilien gekommen war. Denn es wird vermuth - lich den dieſer Familie eigenen Sagen verdankt, wenn Akragas, ſo wie das alte Theben, ein Geſchenk des Zeus an Perſephone am Feſte der Schleierluͤftung heißt3Bd. 1. S. 217. hernach auf ganz Sicilien ausgedehnt. Boͤckh Expl. Pind. O. 2. p. 123. Κόϱης παϱὰ Σικελιώταις Θεογάμια καὶ Ἀνϑεςφόϱια, Pollux 1, 37. Die Θεογάμια ſind mit dem Feſte ἀνακαλυπτήϱια (Schol. rec. Ol. 6, 160.) wohl zuſammenhaͤngend; und dies Feſt ſtammt aus Theben. Auch Kyzikos von Tyrrheniſchen Pelasgern (aus Boͤotien) gegruͤndet wurde als ein ἐμπϱοίκιον des Zeus fuͤr Kora betrachtet. Appian. Mithrid. 75. vgl. Steph. B. Βέσβικος.. Allein von keiner von beiden Familien kann der große und vielgefeierte Dienſt der Goͤttin in Sy - rakuſaͤ und deſſen Colonie Enna welcher Sicilien in den Augen der Einwohner und der Roͤmer zum Vater - lande der Ceres gemacht hat abgeleitet werden, da er in ſeiner Eigenthuͤmlichkeit wieder von beiden bezeichneten abweicht4Ein Feſt Θεσμοφόϱια zu Syrakus (Athen. 14, 647 a. Θεσμοφόϱιον ἱεϱὸν, Plut. Dio 56. Monat Thesmophorios, ſ. Caſtelli) Κούϱεια Plut. a. O. vgl. beſonders Diod. 5, 4 ff.. Aus ſeinem Anſehn kann man ſchließen, daß er zu den aͤlteſten, gleich bei der Gruͤn - dung geſtifteten, Culten von Syrakus gehoͤrt; und da dieſe theils von Olympia5Vgl oben S. 136. und 394., meiſt aber von Korinth ſtammen, und ihn aus dem erſteren Orte abzuleitenII. 26402kein Grund da iſt: ſo muß er aus der Gegend der Metropolis gekommen ſein. Hier gab es nun zwar auch einen Tempel der Demeter und Kora, deren Prie - ſterinnen zugleich Prophetinnen durch Traͤume waren1Plut. Timol. 8. Diod. 16, 66. ἐποικιδίη Demeter in Ko - rinth, Heſych.; allein dieſer Dienſt iſt lange nicht ſo bedeutend, wie der Siciliſche wurde: deſſen großes Anſehen man indeß vielleicht durch die Fruchtbarkeit Siciliens erklaͤren koͤnnte des Waizenlandes welche wohl die (Ger - ſte eſſenden) Griechen zu ganz beſonderer Verehrung der Segensgoͤttin auffordern mochte. Ueberlegt man aber, daß außer Korinth auch noch Megara, die Nachbar - ſtadt, an der Gruͤndung von Syrakus ſtarken Antheil nahm: ſo wird man kaum zweifeln, daß die letztre Stadt die wahre Metropolis dieſes Cultus war, da hier De - meter uralte Landesgoͤttin iſt, und in ihrem Megaron auf der alten Burg Karia auch von den erobernden Doriern ungefaͤhrdet blieb2Pauſan. Cerealiſch iſt auch der myſtiſche Cult der Damia und Auxeſia zu Epidauros und Troͤzen, wie auch noch der Schol. msc. bei Mitſcherlich ad H. in Cerer. 122. ſagt. Δημ. Αζησία (Sophokl. bei Heſych s. v. cf. Valcken. Adoniaz. p. 292) und ΛΑμαία (Suid.) ſind mit den genannten Gottheiten nicht zu verwechſeln..

Auch noch in Lakonien hatte ſich von alten Zeiten Demeter behauptet, obgleich ſchwerlich von den Do - riern zu Sparta ſehr geehrt. Denn die dort vorkom - menden Eleuſinien wurden beſonders von den Einwoh - nern der alten Stadt Helos begangen, welche an be - ſtimmten Tagen ein Holzbild der Kora nach dem Eleu - ſinion auf der Hoͤhe des Targetos fuͤhrten3Pauſ. 3, 20, 5. 6. vgl. Heſych: Ελευσίνια ἀγὼν ϑυμελικὸς ἀγόμενος ΔήμητϱΔ παϱὰ Λἁκωσι.. Die Goͤttin als Chthonia zu verehren, hatten die Lakonen nach403 Pauſanias von den Hermioneern, deren Verwandte ſich in Meſſenien angeſiedelt, empfangen13, 14. 5. Vgl. Heſych Ἐπιπολλὰ, Ἐπικϱῆναι..

5.

Poſeidon war urſpruͤnglich kein Gott der Dorier, ſondern mehr der Natur Joniſcher Voͤlker an - gemeſſen, die als Anwohner des Meers auch deſſen unruhige Bewegtheit in ihr Gemuͤth aufgenommen hat - ten. Er findet ſich daher nur hie und da, wie auf Taenaron2Die Prieſter wahrſcheinlich hießen Ταιναϱισταί, ſ. Heſych ſ. v. Ταινα - ϱίας. (von wo er nach Tarent uͤberging), in Kyrene3Ἀμφιβᾶιος i. e. Αμφι-ᾶιος daſelbſt. Boͤckh Expl. Pind. P. 4. p. 268. auch Πελλάνιος Heſych., auf Aegina4Aegin. p. 148. adde Plut. Sympoſ. 9, 6. p. 410 H., beſonders auf dem Iſthmos, und zu Troͤzen nebſt Kalauria, von welchen letztern Orten oben ſchon nachgewieſen iſt, daß ſie zu den alt - ioniſchen Stiftungen um den Saroniſchen Meerbuſen her gehoͤren5Daher auch der heilige Monat Geraͤſtios zu Troͤzen (Athen. 14, 639.) der nach Eu - boͤa hinweist., auf die ſich beſonders die Mythen von Theſeus beziehn6Vgl. was S. 251. uͤber den alten Gegenſatz zwiſchen den Iſthmiſchen und Olympiſchen Agonen geſagt worden iſt.. Von Troͤzen aber wurden die Po - ſeidonien nach Poſeidonia in Großgriechenland, und, beſonders durch eine Familie der Antheaden, nach Ha - likarnaß uͤbertragen.

6.

Der Dienſt des Dionyſos war nicht bei allen Doriern gleich angeſehn. Zwar war der Gott auch nach Sparta gekommen, und hatte auch die Lakedaͤmo - niſchen Frauen mit ſeiner Wuth erfuͤllt7Aelian V. G. 3, 42. Schol. Ariſt. Voͤg. 963. Fried. 1071.; und das Delphiſche Orakel ſelbſt hatte geboten, ihm einen Wett - lauf Dionyſiſcher Jungfrauen zu veranſtalten8Pauſ. 3, 13, 4. Auch hier Διον. ἐν λίμναις Str. 8, 363. Vgl. oben S. 374. von den Dymaͤnen.. Aber von praͤchtigen Feſten oder einer ausgezeichnet ſorgſa -26 *404men Verehrung des Gottes wiſſen wir nichts, und koͤnnen vorausſetzen, daß der ſtrenge und nuͤchterne Sinn Sparta’s ſich ihm im Ganzen abhold zeigte. Wohl ziemlich daſſelbe gilt von Argos, das ſich in alter Zeit lange gegen den Cultus gewehrt, aber her - nach dem Gotte ein Feſt τύρβη (turba) gewidmet hatte12, 23. 24. 37. vgl. Heſych ῾Ταϱγίδες.. Ganz anders verhalten ſich Sikyon und Ko - rinth in dieſem Bezuge. Dort hin war aus Phlius2vgl. oben S. 80. Phlius ward dieſes Dienſtes wegen Vaterſtadt der σατυ - ϱικοὶ ποιηταί Ariſteas und Pratinas. der Dion. Bakcheios, d. i. der zur Raſerei Entzuͤn - dende, der Lyſios oder Beſaͤnftigende und Beruhigende aber von Theben nach der Sage zur Zeit der Do - riſchen Eroberung gekommen3P. 2, 7, 6. Auch Διον. χοιϱοψάλης daſelbſt, Klem. Al. Protr. p. 25., und hatte Feſte erhalten, von deren Auffuͤhrungen und Darſtellungen uns Mancherlei berichtet wird4Ueber den Kranz ἰάκχα Athen. 15, 678. vgl. Heſych s. v. λιακχὰ und ἰάκχα.. Fruͤhzeitig hatten ſich aus den dithyrambiſchen Choͤren5Deren Auffuͤhrung ſcheint das alte Epigr. bei Athen. 14, 629 a. zu betreffen. dabei Anfaͤnge von Tragoͤdien entwickelt, wie die Sage von Epigenes beweiſt, wenn auch darum noch nicht an eigentliche Dramen gedacht werden kann; man hatte auch Heroen, wie Adraſt, ſchon vor der Tyrannis des Kleiſthenes zum Gegenſtande ſolcher Chorgeſaͤnge gemacht6Herod. 5, 67. Daß die τϱαγ. χοϱοὶ urſpruͤnglich dem Dionyſos galten, beweist das ἀπέδωκε. Vielleicht ſchloſſen ſich die Adraſteen an die Dionyſien an.. Eben ſo hatte der Dienſt des Gottes ein einheimiſches Spott - ſpiel, die Phallophoren, hervorgebracht7Athen. 14, 621. 622. Darauf geht das Epigr. Onestae 2. Vgl. Her - mann zu Ariſtot. Poët. 3. p. 104.. Die405 genannte Nachbarſtadt aber theilt ganz denſelben feier - lichen, die Muſik belebenden und zur Darſtellung anre - genden Dienſt1Βακχεῖος und Λύσιος daſelbſt, P. 2, 2, 5.: daher hier nach Pindar der Dithyramb wenn auch unter Leitung eines Auslaͤnders zuerſt aufgeſtellt wurde2O. 13, 18. vgl. Voͤckh. Expl. . In den Doriſchen Colonieen Groß - griechenlands nahm der Cultus, dem Charakter derſel - ben gemaͤß, eine ausſchweifendere und wildere Geſtalt an; ganz Tarent war, wie Platon ſagt, am Feſte des Gottes betrunken; von den ſchwaͤrmenden Zuͤgen und Maskeraden dieſes antiken Carnevals geben uns die Vaſengemaͤlde die trefflichſte Anſchauung.

7.

Korinth aber und Sikyon waren nicht blos des Bakchos ſondern auch der Aphrodite geheiligte Wohnſitze. Von dem Cult dieſer Gottheit hegen wir die Meinung, daß er zwar auch aus einheimiſchen, altgriechiſchen Anfaͤn - gen hervorgegangen, aber durch Phoͤnikiſche Stiftungen in einigen Kuͤſten - und Hafenſtaͤdten Griechenlands er - weitert und umgeſtaltet worden ſei. Das Inſtitut der gaſtlichen Maͤdchen, der Peitho Dienerinnen in der reichen Korinthos, denen die Gottheit, ihre Herrin, ſelbſt gebot dem Fremden zu Willen zu ſein3σὺν δ̛ ἀνάγκᾳ πᾶν καλόν. Pindar Skol. Frgm. 1. Das Meiſte uͤber dieſe Hierodulen iſt bekannt, ich fuͤge hinzu, daß einzelne κατἀκλειστοι hießen (He - ſych s. v. Alberti), in einzelne Zelten eingeſperrt, warum, iſt dunkel., war ſicher Aſiatiſcher Abkunft, und althelleniſcher Sitte fremd4Von Korinth ſtammt Aphr. Εὐδωσώ (Heſ. ) u. Βαιῶ - τις (ebd. ) in Syrakus, vgl. Klem. Al. p. 25.. Sikyon aber ſcheint von da den Cultus uͤber - kommen zu haben; auf ſeinen Muͤnzen ſieht man ge - woͤhnlich die Taube5Naͤmlich auf denen, die man ſonſt faͤlſchlich den Siphniern u. Seriphiern (ΣΕ od. ΣΙ) beimaß, aber in großer Menge auf dem Boden Si - kyons findet., und oft auch einen Venuskopf406 von altvaͤteriſchem Typus; die einheimiſche Dichterin Praxilla (Olymp. 82.) beſang Aphrodite als Mutter des Dionyſos1Heſych Βάκχου Διώνης., und die Leiden und Freuden des Phoͤ - nikiſchen Adonis2Zenob. Prov. 4, 21. Diogen. 5, 21.. Wenn hier wiederum dieſe Dori - ſchen Kuͤſtenſtaͤdte eine gewiſſe Empfaͤnglichkeit, Bieg - ſamkeit und Weichheit des Charakters bewaͤhren: ſo ſpricht Sparta die entgegengeſetzte Sinnesart aus. Auch hier kamen die Dorier in Connex mit einer Phoͤ - nikiſchen Anpflanzung des Cultus auf Kythera; aber ſie bildeten ihn ganz nach ihrer Weiſe um, indem ſie ihre geharniſchte Aphrodite und die gefeſſelte und ver - huͤllte Goͤttin der Ehe daraus ſchufen3Pauſ. 3, 15, 8. 23, 1. Plut. Instit. Lac. p. 253. Tzetz. Lyk. 449. Indeß auch in Korinth bewaffnet, P. 2, 4, 7.. Von Ky - thera heruͤber kam ihnen auch Adonis unter dem Na - men Kiris4Heſych s. v. Nach dem Etym. M. aber iſt Κίϱ̓ϱ̔ις blos Kypriſch. vgl. Meurſ. Misc. Lac. 1, 3.. Zu mehr Anſehen gelangte die Goͤt - tin in der Spartiatiſchen Colonie Knidos, von wo ſie als Akraͤa nach Halikarnaß, und von da nach der Mut - terſtadt Troͤzen zuruͤckkam5Pauſ. 2, 32, 6. vgl. ſonſt uͤber den Troͤzeniſchen Dienſt der Goͤttin Val - cken. ad Eur. Hipp. 32. Von den Sauopfern der Aphr. zu Argos an den Hyſterien Athen. 3, 96 a. Kallim. Fr. 102 B. Aphr. πεϱιβασίη daſelbſt, Klem. Al. Protr. p. 24. Sylb.. Der Dienſt von Se - linus im weſtlichen Sicilien6S. Timaͤos bei Zenob. Prov. 1, 31. ſtammte ohne Zweifel vom nahen Eryx und war ſonach auch Phoͤnikiſch, der Tempel gehoͤrte wahrſcheinlich zu den reichſten der ehe - mals ſo bluͤhenden Stadt7Thuk. 6, 20..

Hermes genoß keiner vorzuͤglichen Verehrung in Doriſchen Staͤdten; in einer Hinſicht vertrat ihn Apol - lon Agyieus. Auch Hephaͤſtos und Ares kommen hier nicht ſonderlich in Betracht; den letztern ehrten die407 Spartiaten als Theritas und Enyalios. Von dem Dienſt des Asklepios iſt ſchon oben bemerkt1S. 103., daß ihn Kos, Knidos und Rhodos von Epidauros her er - hielten, welche Stadt ihn vor alter Zeit durch die Phlegyer, von Trikka her, empfangen hatte2Bd. 1. S. 199.. Von Epidauros ſtammte nach Pauſanias auch der Sikyoni - ſche Cult3Pauſ. 2, 10, 3.; und der Kyrenaͤiſche zu Balagraͤ42, 26, 7. Tac. Ann. 14, 18. vgl. Kallim. Epigr. 58. Von da kommt nach Pauſ. wieder der T. des Askl. zu Leben in Kreta., an den ſich, wie zu Kos, eine alte Schule von Aerzten anſchloß5Vgl. die etwas abweichende Meinung Boͤckhs Expl. Pind. p. 288..

8.

Mit wenigen Worten beruͤhren wir den in Kreta und Sparta einheimiſchen Dienſt der Chariten, erſtens als einen neuen Beweis der alten Cultusverbin - dung beider Laͤnder6vgl. Heyne ad Apolld. 3, 15, 7., und als ein Zeichen jener edlen Heiterkeit, die der Helleniſchen Religion ſchoͤnſte Seite iſt. Die Spartaniſchen hießen Kleta und Phaenna, ihr Tempel ſtand am Wege von der Stadt nach Amyklaͤ, am Fluſſe Tiaſa7Pauſ. 3, 18, 4. 9, 35. vgl. oben S. 379, 7.. Verwandter Art iſt der Dienſt des Eros, wie ihn die Spartiaten und Kreter nah - men, bei denen vor jeder Schlacht die Schoͤnſten zu - ſammentretend dem Eros opferten8Athen. 13, 361. nicht als dem großen Einiger Himmels und der Erde, ſondern als dem Erwecker wechſelſeitiger Zuneigung, aus der Scham vor den Freunden und aus dieſer als der edelſten Trieb - feder die Tapferkeit hervorgeht9In einer Fourm. Inſchr. kommen Eleutheria, Poſeidἁa, Ero - tidaͤa (sic) als Feſte Sparta’s vor..

Am ſchwierigſten unter allen iſt vielleicht der Dienſt der Dioskuren zu entwickeln, und je mehr es408 einer nach irgend einer Anſicht oder Hypotheſe verſucht, um deſto deutlicher wird ihm nur die Schwierigkeit des Unternehmens. Zweierlei ſcheint verſchmolzen die heroiſche Ehre menſchlicher Tyndariden1Obgleich auch als ſolche ſie unter lauter Perſonen mitten inne ſtehn, die nicht blos Heroen, wie die beim Phoͤbaͤon (oben S. 92.) goͤttlich verehrte Helena, wie Phoͤbe u. Hilaira, die Leukippiden, die vielleicht in den Cult des Amyklaͤiſchen Apoll gehoͤren (wie man aus Pauſ. 3, 16, 1. ſchließen koͤnnte)., und der altpeloponneſiſche Cultus der großen Goͤtter, und zwar ſo, daß durch Sage und Dichtung ſucceſſiv immer mehr von dieſen auf jene uͤbertragen wurde der Name der Zeusſoͤhne die Eigeburt und Eihuͤte der Wechſel von Leben und Tod die Herrſchaft uͤber Fluth und Wind. Aus der Spartaniſchen Religion erwaͤhne ich jene uralten Bilder, δόκανα genannt, zwei aufgerichtete Balken mit zwei queruͤbergelegten2Plut. de amore frat. 1. p. 36. vgl. Zoëga de Obel. p. 225. vgl. oben S. 92, 6. In Argos hatte man alte Dioskurenbilder von Dipoͤnos u. Skyllis, Pauſ. Klem. Al. Protr. p. 31 a. , welche doch das hohe Alter einer mehr als heroiſchen Verehrung zu be - weiſen ſcheinen die Sitte, bei Kriegsauszuͤgen ſtets die Bildſaͤule eines derſelben oder beider, wenn beide Koͤnige auszogen, mitzunehmen3Als ἐπικλήτους Herod. 5, 75. So ſchickten wohl auch die Laked. den Lokrern die Tyndariden (τἀ ἐπἰ Σάγϱᾳ), wie die Aegineten nach Salamis die Aeakiden. Aegin. p. 163. Der Κάστωϱ Μιξαϱχαγέτας der Argeier (Plut. Qu. Gr. 23. p. 391.) iſt ſehr dunkel., welche die Tyndari - den als eigentliche Kriegshelden darſtellt den Glau - ben, daß ſie oft als hilfreiche Horte oder auch ohne beſondere Noth blos als freundliche Gaͤſte erſchienen4So bei dem Spartiaten Phormion, Pauſ. 3, 16, 3. bei einem Azanen von Pagupolis, He - rod. 6, 127. Daher auch die Θεοξένια der Diosk. zu Akragas, Boͤckh Expl. Pind. O. 3. p. 135. Woher der Dioskurendienſt von Kyrene und Akragas ſtammt, ſ. Bd. 1. S. 339.,409 die ſie wieder von den meiſten Heroen unterſchei - det. Im Ganzen wiſſen wir ſo viel: Die Dorier fanden Religion und Mythus der Tyndariden ſchon in Amyklaͤ, Therapne, Pephnos und andern Orten an - ſaͤſſig vor; ſie eigneten ſie ſich an, Manches in ihrem Sinne ummodelnd und wenig um den Zuſammenhang und die Einheit der Idee bekuͤmmert, immer blieb die - ſen ein gewiſſer Schimmer einer wunderbaren und goͤtt - lichen Natur, der die Veranlaſſung gab, die Religion der Großen Goͤtter an ſie anzuknuͤpfen.

9.

Ehe wir von hier zur eigentlichen heroiſchen My - thologie der Dorier, die ſich ganz um Herakles dreht, fortſchreiten: verſuchen wir vorher, den allgemeinen Charakter Doriſcher Religioſitaͤt, hauptſaͤchlich aus den gegebenen einzelnen Culten, zuſammenzufaſſen. Sowohl in der Ausbildung der dieſem Volke eigen - thuͤmlichen, als in der Annahme und Umbildung an - derer Goͤtterdienſte zeigt ſich durchgehends eine ideali - ſtiſche Geiſtesrichtung, die die Gottheit weniger in Be - zug auf das Leben der Natur, als auf menſchliche freie Thaͤtigkeit faßt, und ihr Weſen und Sein ſich mehr nach der Analogie der letztern als des erſtern vorſtellt. Dar - um wird alles Myſtiſche in den Hintergrund gedraͤngt, welches im religioͤſen Gefuͤhl aus der Erkenntniß der abſoluten Differenz des Goͤttlichen hervorgeht, und da - her in Naturculten vorwiegt; dagegen wird die Gott - heit menſchlicher, heroiſcher gedacht, wenn auch dies noch nicht ſo ſehr als in der epiſchen Poëſie. Sonach hatte die Froͤmmigkeit bei dieſem Stamme etwas be - ſonders Energiſches, weil die Vorſtellung von den Goͤt - tern klar, beſtimmt, perſoͤnlich war, und beſtand wohl mit einer gewiſſen heitern Freiſinnigkeit zuſammen, weil das Niederdruͤckende uͤberſchwenglicher, ſo wie das Duͤſtre aufloͤſender Gefuͤhle ziemlich entfernt blieb. 410Denn Trauerfeſte mit Todtengebraͤuchen und zerfließen - der Wehmuth, wie das Naturſchwelgen des Orgias - mus, ſind eigentlich nicht im Charakter der Dorier, wenn auch die Ehrfurcht vor altherkoͤmmlichen und an einem Orte anſaͤſſigen Culten ſie oftmals zur Annahme auch ſolcher bewog. Dagegen zeigt ſich in ihren Feſten und Religionsgebraͤuchen im Ganzen eine Heiterkeit, die es fuͤr den ſchoͤnſten Dienſt der Goͤtter achtet, ſich zu freuen vor ihrem Angeſicht, und Darſtellung des zu wuͤrdiger Schoͤnheit ausgebildeten Volkes fuͤr die wohlgefaͤlligſte Schau. Zugleich traͤgt ihr Gottesdienſt das Gepraͤge der ſchlichten Einfachheit bei großer Waͤrme des Herzens. Die Spartiaten beteten: die Goͤtter moͤchten ihnen das Schoͤne zu dem Guten ge - ben1Der Platon. Alkib. II, 148. Plut. Inst. Lac. p. 253., und obgleich ſie keine prunkvollen Pompen auf - fuͤhrten, und ſelbſt mangelhafte Opferthiere darzubrin - gen beſchuldigt wurden: erklaͤrte doch Zeus Ammon: die Euphemia der Spartiaten ſei ihm lieber als alle Opfer der Hellenen2Plat. ebd. vgl. Plut. Lyk. 19. Vgl. die uͤbereinſtimmende An - ſicht des Delph. Orakels, Porphyr. de abstin. 2, 15.. Dazu hatten ſie die treueſte Anhaͤnglichkeit an die von den Vaͤtern ererbten Gebraͤu - che und Sitten, und deswegen auch geringe Empfaͤng - lichkeit fuͤr Aufnahme auslaͤndiſcher Sacra3Eine Ausnahme macht Ammon, der beſonders durch Lyſandros in Sp. in Anſehen kam, Bd. 1. S. 359., die da - gegen in Handelsſtaͤdten, aus Ruͤckſicht fuͤr die Frem - den anderer Staͤmme und Nationen, ziemlich willkom - menen Empfang fanden, z. B. in Korinth4Daher hier die Thraki - ſche Kotytto, Eupolis bei Heſych s. v. Suid. Θιασώτης, Κότυς..

411

Herakles.

11.

1.

Bei dieſem Verſuche, die combinirte Mythologie des Herakles zu entwickeln, beginnen wir mit denjeni - gen Mythen, in welchen der Held deutlich als Stamm - vater der Doriſchen Herakliden1῾Ηϱ. γεναϱχας in einer Spartan. Inſchr. bei Fourmont., als Repraͤſentant der Helden Hylleiſchen Stammes, erſcheint. Wir richten zu dem Zwecke unſern Blick zuerſt wieder auf das im erſten Kap. des erſten Buchs beſchriebene Lokal, das alte Vaterland der Dorier im gebirgigſten Theile Theſ - ſaliens, wo dieſelben in beſtaͤndigem Kriege lagen mit ihren naͤchſten Nachbarn den Lapithen. In dieſem Kriege tritt Herakles als Held des Hylleiſchen Stam - mes auf, nach der Sage des Heſiodiſchen Epos Aegi - mios, und erwirbt fuͤr dieſen ein Drittel des er - oberten Landes; und mit demſelben haͤngt nach mei - ner Meinung auch die beruͤhmte Eroberung Oe - chalia’s zuſammen, der Gegenſtand eines eige - nen Epos Οἰχαλίας ἅλωσις, welches man dem Ho - mer oder Kreophylos beiſchrieb2S. uͤber dies Bentlei epist. ad Millium p. 503. Jakobs Ani - madv. ad Anthol. Gr. 1, 2. p. 286. Weichert uͤber Apollon. S. 246. ῾Ηϱακλεία heißt das Gedicht bei Pauſ. 4, 2, 2.. Hier wurde erzaͤhlt, wie Eurytos von Oechalia, der treffliche Bogenſchuͤtz,412 der nach alten Sagen den Herakles ſelbſt darin unter - wies, und mit Apollon den Kampf wagte1Od. 8, 228. Theokr. 24, 105. Apolld. 2, 4, 9, vgl. 2, 4, 11., ſeine Tochter Jole dem als Preis verſprochen, der ihn und ſeine Soͤhne im Bogenſchießen uͤberwinden wuͤrde; als aber Herakles der Forderung Genuͤge geleiſtet, ihm das Verſprechen nicht halten gewollt, worauf Herakles ein Heer ſammelt, Oechalia erobert, Eurytos nebſt ſeinen Soͤhnen erſchlaͤgt, Jole gefangen hinwegfuͤhrt, und ſie ſeinem Sohne Hyllos zur Ehe giebt2Den Inhalt des Gedichts, die traurigen Schickſale der Jole, giebt im Allgemeinen Kallimachos Epigr. (Str. 14, 638.). Die Ausfuͤhrung Apolld. 2, 6, 1. 7, 7., der mit Herodor uͤberein - ſtimmt bei Sch. Eur. Hippol. 550., wo auch Lyſimachos Θηβ. πα - ϱάδοξα citirt wird, Sophokl. Trach. 205. Schol. 358., die aus Pherekydes (vgl. Beil. 2.) und Menekrates ſchoͤpfen, Diod. 4, 31. 37. Schol. Il. 5, 392., wo fuͤr Βοιωτίας Εὐβοίας zu ſchr. iſt. vgl. Skythinos bei Athen. 11, 461 f. Hygin. fb. 29. 35. Plut. def. or. 13. p. 322.. Jole’s Mutter iſt bei Heſiodos Antiope Tochter des Nauboli - ſchen Pylon; ihre Bruͤder Deion, Klytios, Toxeus und Iphitos der Zoͤgling des Ares3bei Schol. Trach. 266. nach Bent - lei’s Emdt. Kreophylos, ebd. citirt, kannte nur zwei. Bei Diodor Toxeus, Molion und (nach Weſſel.) Κλύτιος..

Wo dieſes hochumthuͤrmte4Soph. Trach. 354. 858. vgl. Hermann zu 326. Oechalia liege, iſt ein alter Streit. Es gab drei Oechalien. Das eine am Theſſaliſchen Peneios im alten Lande der Lapithen, zwiſchen Pelinna in Oſten und Trikka und Ithome in Weſten5oben S. 23.. Das andere in Euboͤa in der Eretriſchen Landſchaft6Hekataͤos bei Pauſ. 4, 2, 2. vgl. Creuzers Hekat. S. 53. Str. 10, 448.. Das dritte das ſpaͤtere Karnaſion in Meſſenien, an den Graͤnzen Arkadiens7Daher es Pherek. bei Schol. Trach. 354. nach Arkadien ſetzt. ἐν Θοὑλῃ Αϱκαδίας; ob ἐν ΘΩΜΗΙ i. q. Ἰϑώμῃ? Demetr. Skepſ. bei Str. 8, 339. identificirt Oechalia; in welcher413 Gegend auch ein Ithome und nach alten Angaben ein Trikka lag, ſo daß eine Urverwandtſchaft der Einwoh - ner mit Staͤmmen am obern Peneios angenommen wer - den zu muͤſſen ſcheint. Nun laͤßt ſich vorausſetzen, daß jede dieſer drei Oechalien von den Umwohnern als die ſagenberuͤhmte Stadt des großen Eurytos geprieſen wurde: wodurch in die Poëſie fruͤhzeitig ein Schwanken uͤber dieſen Gegenſtand hineinkam. Denn die Meſſeni - ſche wird als ſolche anerkannt in einer Stelle des Ho - meriſchen Voͤlkerverzeichniſſes12, 594., und der Odyſſee221, 13., denen der Logograph Pherekydes folgte3a. O. Auch Pauſ. der der Landesſage folgt. 4, 33, 5. vgl. 27, 4.; die Euboͤi - ſche in dem Epos, die Eroberung von Oechalia4Sch. Soph. a. O., und nach einer obigen Vermuthung auch im Aegi - mios5oben S. 29., darnach von Hekataͤos dem Mileſier6a. O. Auch Skythinos a. O., Sophokles, Apolld. Nach Schol. Apoll. 1, 87. und Ven. ad Cat. 103. die νεώτεϱοι uͤberhaupt. Dieſe ſetzten vermuthlich die That alle nach den Abentheuern in Trachinien und unmittelbar vor den Tod. vgl. Tz. Lyk. 50.; die Theſſaliſche in einer andern, wie es ſcheint ziemlich al - ten, Stelle des Verzeichniſſes7V. 730. woruͤber Bd. 1. S. 368, 3. vgl. Steph. B. Οἰχαλία, Euſt. zu Il. p. 330. Od. 1899 Rom. und die N. 6. angefuͤhrten. vgl. die Landesſage bei Pauſ. 4, 2, 2.. So wenig alſo dieſe Frage nach Auktoritaͤten entſchieden werden kann: ſo entſchieden, glauben wir, beweist der innere Connex der Sage dafuͤr, daß nur die letztgenannte Oechalia in der urſpruͤnglichen Ausbildung derſelben gemeint ſein konnte. Der Kampf um dieſe Stadt iſt offenbar mit dem Lapithenkriege zunaͤchſt verwandt; Eurytos iſt dem Apollon verhaßt, wie dieſes Volk; wenn Oechalia am7mit Andania. vgl. 10, 448. Str. an dieſer Stelle nennt noch ein Oechalia in Trachinien, ein anderes in Aetolien. vgl. Euſt. Il. p. 298 Rom.414 Peneios liegt, ſchließt ſich die Eroberung an jene Hel - denſage ſehr natuͤrlich an; wenn nicht, ſteht ſie ganz einſam und fuͤr ſich. Ferner: Herakles erobert nach allen Sagen die Jole fuͤr ſeinen Sohn Hyllos; Hyllos kommt aber in der Mythologie nie außer Verbin - dung mit den Doriern vor; folglich muß das Lokal des Kampfes in die Nachbarſchaft der Doriſchen Stammſitze treffen.

Schon vor der Zeit dieſes Krieges (nach der ge - woͤhnlichen Erzaͤhlung) war Herakles in Beruͤhrung mit den Oechaliern gekommen; indem er den Sohn des Eu - rytos, Iphitos, erſchlagen hatte, der ihm geraubte Rinder oder Roſſe abforderte. Hier uͤberwog in der gewoͤhnlichen Erzaͤhlung ganz das Peloponneſiſche Lokal: von den Tirynthiſchen Felſenmauern ſollte er ihn ge - ſtuͤrzt haben1Od. und Pherek. a. O. vgl. Soph. Trach. 38. Die Odyſſee hat aber uͤberhaupt eine ganz veraͤnderte Sage, wonach der Tod des Eurytos (und zwar ein friedlicher, ἐν δώμασιν 21, 33., aber durch Apoll, 8, 227.) dem Morde des Iphitos vorausgeht.. Aber dieſer Mord und die Verletzung des Gaſtrechts zog die Dienſtbarkeit des Heros nach ſich, der, um ſich von der Blutſchuld zu loͤſen, dem Vater den Kaufpreis ſeiner ſelbſt zahlen mußte.

2.

Dieſe Dienſtbarkeit gewinnt ihre rechte Be - deutung erſt dann, wenn wir auf das merkwuͤrdige Uebereintreffen der Sagen von Herakles mit dem Dien - ſte des Apollon achten, das wir gleich hier, wenn auch nur in einigen aͤußern Umſtaͤnden, darlegen wollen, weil Manches in der folgenden Erzaͤhlung dadurch in ein neues Licht geſetzt wird. Wie den Eurytos bald Apollon, bald Herakles erſchlaͤgt, ſo ſtraft der Letztere in der oben erklaͤrten Sage des Heſiodiſchen Schildes den Kyknos als Entheiliger des Pagaſaͤiſchen Heilig -415 thums; ſo erſchlaͤgt er in einer andern die Dryoper - fuͤrſten Phylas und Laogoras, weil ſie gegen Delphi oder andere Heiligthuͤmer des Gottes freveln1Apolld. 2, 7, 7. Diod. 4, 37., und weiht das geſammte Volk dem Pythiſchen Gotte2S. 257.. Auch glaube ich nicht, daß Euripides die Sage von der Errettung der Pheraͤiſchen Alkeſtis und Bekaͤmpfung des Todes durch Herakles erfunden habe; und wenn er es that, ſo hat er ſicher ſehr paſſend den Herakles zum Vollfuͤhrer des Willens des Apollon gewaͤhlt3Viel - leicht war ſchon der Ἡϱακλῆς Ἠπιάλητα (den Alp) πνίγων des Sophron (Euſt. Il. 5. S. 571 Rom.) eine Parodie dieſes Mythus.. Ohne indeß darauf beſonderes Gewicht zu legen, be - weiſen jene epiſchen Sagen, daß Herakles in alten Mythen als Vertheidiger nicht blos des Doriſchen Stammes, ſondern auch des Doriſchen Cultus gedacht wurde, als ein erzgewappneter Held, der mit dem Schwerdte die heiligen Straßen ſchirmt, und die in Engpaͤſſen und Bergſchluchten den Opferzuͤgen auflauern - den Marsſoͤhne, wilder und ſtoͤrriſcher Art, danieder - wirft.

Dieſer Gedankenreihe ſchließt ſich nun unmittelbar das Verkaufen und Dienen der Helden an, ein Haupt - moment in allen Variationen der Herakleiſchen Sage, hier motivirt durch den Mord des Iphitos. Denn auch hierin iſt die Parallele mit Apollons Knechtes - dienſt zu Pheraͤ unverkennbar. Gott und Heros muß - ten beide als Beiſpiele aufgeſtellt werden, um die Hei - ligkeit und Nothwendigkeit der Mordſuͤhne dem Gemuͤ - the des alten Volkes recht tief einzupraͤgen4S. Aeſchylos Agam. 1038. Auch Alkmenens Sohn ſoll ver - kauft das Joch ſelbſt getragen haben. Vgl. unten §. 8.. Zu weſ - ſen Dienſt Herakles verkauft wurde, davon iſt uns die416 einheimiſche nordtheſſaliſche Sage wohl verloren; ſpaͤter wurde Omphale ſeine Herrin, die ihn (nach Pherek. )1Schol. Od. 21, 23. vgl. Apolld. 2. 6, 2. fuͤr drei Talente in ihre Gewalt bekam.

3.

Wir gehen unmittelbar nach dem zweiten Stammſitze der Dorier uͤber, wozu die Staͤdte zwiſchen Parnaß und Oeta, Erineos, Kytinion, Boͤon und Pin - dos gehoͤren. Nach Erineos ſetzt eine durch eine ſelt - ſame Inſchrift2Pou - quev. Voy. T. 3. p. 249. zu Arotina (vgl. oben S. 36.) gefunden: Καλχαντα Μοψον Αλκαιος Ηϱακλης χλευμενος (χολουμενος) πεϱι εϱινεου πληξας αυτον τῳ κολαφῳ και αποκτεινας εθαψεν εν Εϱινεῳ (mit einigen nothw. Verbeſſerungen). Nach Tz. Lyk. 980. zankt Herakles mit Kalchas auch wegen eines Feigenbaums, und erſchlaͤgt ihn (wie ſonſt den Mundſchenken Eunomos) κονδύ - λῳ, und begraͤbt ihn πεϱὶ τὸν Εϱινεόν. Nach Heſiod war der Streit zwiſchen den zwei Weiſſagern, Kalchas und Mopſos. Str. 14, 642. bezeugte Sage den Kampf des He - rakles und Kalchas-Mopſos, den er mit der Fauſt erſchlaͤgt; vielleicht erhaͤlt dieſe einiges Licht durch die Bemerkung, daß auch Mopſos nach alter Sage ein Lapith war von Titaron oder Oechalia.

Aber die Nachbarn der Dorier in dieſen Wohn - ſitzen waren, wie oben angegeben, die Dryoper, die Trachiniſchen Melier, und außerdem die Aetoler. Er - ſtere waren den Doriern feindlich, die andern beiden meiſtentheils befreundet. Dies druͤcken nun wieder die Mythen von Herakles mit viel Deutlichkeit aus. Von dem Verhaͤltniſſe zu den Dryopern, und wie ſich dies in den Mythen von Herakles ausſpricht, iſt ſchon oben Rechenſchaft gegeben3S. 42. vgl. 257.. Keyx, der Trachi - nier, iſt ein warmer Freund des Helden und ſeiner Nachkommen; eine Nachricht nennt ihn ſelbſt Bruder - ſohn des Herakles4Schol. Soph. Trach. 40., der ihm ſein Trachis gegruͤndet417 haben ſollte1Steph. B. Τϱαχίς. Marm. Farnes. 1. 66. emd. von Heyne ad Apollod. p. 191. . Hier zeigte man ein Grab der Deia - neira2Pauſ. 2, 23, 5., Oeneus Tochter, deren Vermaͤhlung mit dem Helden offenbar den Bund anzeigt, in den die Aeto - liſche und Doriſche Voͤlkerſchaft vor dem Einfalle in den Peloponnes traten3S. 61.. Denn Deianeira iſt eine Kalydonierin4Nach Apolld. Diod. Aa. Nur Sophokl. Trach. 7. nennt ſie eine Pleuronierin.; Kalydonier aber waren die Theilneh - mer dieſes Zugs. Vielleicht iſt auch in der Kuͤhnheit dieſer Frau, die als Kampfgenoſſin des Helden auch Wunden nicht ſcheut5Schol. Apoll. 1, 1213. wahrſch. aus Pherekydes., und ihrer Leidenſchaftlichkeit, die ſich ſo furchtbar gegen das Liebſte richtet, mit Abſicht ein Aetoliſcher Charakter ausgedruͤckt. An dieſe Vermaͤhlung aber reiht ſich eine Anzahl zuſammenhaͤn - gender und in der Behandlung wohl von jeher verbun - dener, Aetoliſcher, Heraklesmythen. Denn das iſt eine Eigenthuͤmlichkeit dieſer Sagen, daß ſie ziemlich leicht von einem Volkſtamme zum andern uͤbergingen, und uͤberall, wo ſie Wurzel faßten, auch zu einer ganzen Mythologie aufwucherten. Zu dieſen gehoͤrt die Ueberwin - dung des Stieres Acheloos6Schon beſchrieben von Archilochos Schol. Ven. Il. 21, 237. , und das Abentheuer an der Furth des Euenos7Derſelbe bei Schol. Apoll. 1, 1213. Die Scene iſt, ungemein roh auf einem alten Vaſengemaͤlde (Han - carv. 4, 31.) vorgeſtellt mit der Umſchr. ΔΑΙΑΝΕΙΡΑ ΝΕΜΜΟΣ wie man leſen muß., das hernach den Tod des Helden herbeifuͤhrt. Auch iſt wahrſcheinlich, daß mit den Aetoliſchen Abentheuern Herakles Aufenthalt in Olenos bei Dexamenos in Verbindung ſtand, wenn auch ſchon Heſiod nicht die Aetoliſche, ſondern die Achaͤiſche Stadt des Namens am breitſtroͤmenden Peiros darun -II. 27418ter verſtand1S. den Vers bei Str. 8, 342. Steph. Ὤλενος, der in - deß wahrſcheinlich in den Zuſammenhang der Erzaͤhlung bei Apolld. 1, 8, 4. gehoͤrt.. Aber Dexamenos wird mit der Kaly - doniſchen Familie des Oeneus in mannigfache Verbin - dung geſetzt2Nach Hygin fb. 31. 33. iſt Deianeira T. des Dexamenos. Die Schol. Kall. auf Del. 102. nennen Dexame - nos ſelbſt als Kentauren, und ſo ſieht man auf einem Vaſengem. der beſten Zeit Herakles mit ihm um die Deianeira ringen, mit den Umſchr. : ΟΙΝΕϒΣ ΔΕΞΑΜΕΝΟΣ ΔΑΙΑΝΕΙΡΑ von der L. zur R. Millingen Div. peint. 33. , Oeneus Frau iſt von Olenos und aus demſelben Geſchlecht. Die alte Sage pries ihn als gaſtfreundlichen Wirth, was auch ſein Name beſagt; dafuͤr befreit ihn Herakles von den ſchlimmen Gaͤſten, den beſtialen Kentauren3Bakchylides bei Schol. Od. 21, 295. mit Buttmanns Anm.: woran ſich wohl die aͤlteſte Kentauromachie der Herakleiſchen Mythologie an - knuͤpfte. Endlich ſoll Herakles mit den Aetolern gegen die Thesproter von Ephyra gezogen ſein. Dieſer Zug mag in alten Liedern eben ſo gefeiert wor - den ſein, wie der Krieg von Oechalia. Das Ephyra, von dem hier die Rede iſt, iſt eine uralte Hauptſtadt Thesprotiens4Raoul-Roch. 1. S. 219., gelegen wo durch den Fluß Selleeis (Acheron) der Acheruſiſche See ins Meer ausſtroͤmt. Spaͤter hieß die Stadt Kichyros; aber noch ſtehn, aller Wahrſcheinlichkeit nach, Truͤmmer der urſpruͤnglichen Bauart5Hughes Trav. 2. p. 313. Pouquev. 1, S. 471.. Die ganze Gegend iſt mythiſch als Aidoneus Wohnung beruͤhmt; als Sitz eines Todtenorakels ſchau - ten die Umwohnenden nur mit Grauen dahin, das durch die Meinung dort einheimiſcher Giftbereitung erhoͤht wur - de6Heyne zur Il. 2, 659. Strabons Meinung, daß in Homer und der Sage von Herakles Ephyra in Elis zu verſtehen ſei (7, 328. 8, 338.) wird durch die Stellen des Dichters ſelbſt widerlegt.. Alſo gegen dieſe Stadt ſoll Herakles zu Felde gezogen419 ſein als Bundesgenoß der Aetoler: woraus mir die Wahrſcheinlichkeit hervor geht, daß wir hier auf den Punkt gekommen ſind, an den ſich zuerſt der Kampf mit Ha - des und die Abentheuer des Helden in der Unterwelt, die Heraufholung des Kerberos, die Befreiung ande - rer Heroen u. ſ. w. anſchließen, welche auch hernach zum Theil in den Krieg mit Pylos hineingenommen, zum Theil, wie das Heraufholen des Kerberos, nach Taͤnaron und Herakleia Pontike uͤbertragen wurden1Letzteres zuerſt von Herodor von Herakleia. Beil. 2, 1. vgl. die Muͤnze der Stadt N. 160. bei Mionnet, wo Her. den Kerberos zur Statue der Dem. bringt. Den heraufkommenden He - rakles nannten die Boͤoter tiefſinnig Charops, den Freudigen, Pauſ. 9, 34, 4. Vielleicht hatte Eugammon von Kyrene (61, 1. nach Euſeb) in den Thesprotien von dem Kampfe mit Hades gehandelt, da er nach Klem. Alex. Str. 6. p. 628. Sylb. (vgl. Euſeb. Praep. Evg. 10, 1.) Anſchuldigung dabei den Muſaͤos beſtahl, fuͤr welchen poëtiſchen Charakter ganz Εὐβούλου τε καὶ Ἡϱακλέος πεϱίφημος ἄμυξις (Orph. Argon. 24. nach Hermanns Emdt.) als Gegenſtand paßt. Die Thesprotia waren wohl nur eine Epiſode der Telegonie, wie Prokl. Chreſtom. vermuthen laͤßt.. Nicht daß wir nach der Erklaͤrungsweiſe des Euheme - ros meinten, hier habe weiland wirklich ein Koͤnig Aidoneus regiert, der einen Hund, oder etwa gar ei - nen Feldmarſchall Kerberos beſeſſen, und dieſem habe Herakles eine Schlacht abgewonnen u. ſ. w. Sondern etwa ſo denken wir uns die Geneſis des Mythus. Die duͤſteren Religionsgebraͤuche am Acheron, die von jeher die Blicke der benachbarten Voͤlker mehr abgeſchreckt als angezogen, traten fruͤh in Ge - genſatz mit dem freien, thatkraͤftigen Leben heroiſch geſinnter Volkſtaͤmme; die ſcheue und bleiche Anbetung der untern Welt mit der kuͤhnen Freude an der gegen - waͤrtigen Fuͤlle des Daſeins. Kamen nun noch die Staͤmme ſelbſt in feindſelige Beruͤhrung, ſo mußten es27 *420nothwendig auch die Goͤtter: woraus aber nichts we - niger als ein eigentlicher Religionskrieg folgt. Auf der andern Seite iſt der Mythus auch nicht rein ſymbo - liſch zu faſſen, ſo daß Herakles etwa blos als Tod - bezwinger, als ein die Schrecken der Unterwelt mil - dernder und loͤſender Daͤmon im Cultus neben Hades geſtanden haͤtte. Dann muͤßte wirkliche Rebeneinander - ſtellung, gemeinſame Verehrung nachgewieſen werden: und wie kommt dann die Eroberung von Ephyra da - mit zuſammen? Sondern dieſer Mythus hat, wie faſt alle aͤlteſten, nicht blos ein geiſtiges Weſen, ſondern auch Fleiſch und Bein, Beziehung auf wirklich vorhan - dene Gegenſtaͤnde, eine warme Lokalfarbe, ein vollſtaͤn - diges Leben. Als ein Zeichen jenes Sieges, das Herakles vom Acheron oder aus der Unterwelt zuruͤck - gebracht, ſah man den Kranz der weißen Pappel an1Pauſ. 5, 14, 3. Etym. M. Ἀχεϱωΐς 180, 50. Schol. Theokr. 2, 121. Aa. die auch Homer als am Acheron einheimiſch und in den Hainen der Perſephone wachſend erwaͤhnt2Il. 13, 389. 16, 482. vgl. Schol. zur erſtern Stelle. Daß in Homers Nekyia mehrmals Epirotiſches Lokal hineinſpielt, iſt keinem Zweifel unterworfen., und Herakles verpflanzte nach Sage der Aetoliſchen Eleer den Baum von da auch nach Olympia, wo die Sieger einen Zweig davon zu tragen pflegten.

4.

Dieſen halbſymboliſchen Charakter verliert die Mythe gaͤnzlich, indem ſie von der Eroberung von Ephy - ra die Geburt mehrerer Doriſchen Helden ableitet, die, wenn auch außerhalb der Geſchichte, doch nichts weni - ger als Symbole oder Ideen ſind. Erſtens zeugt He - rakles den Tlepolemos mit der Aſtyocheia, die er nach Homer von Ephyra am Selleeis gefuͤhrt, nach - dem er viele Staͤdte gottgenaͤhrter Maͤnner verwuͤſtet3Il. 2, 657.. 421Dagegen nannten freilich ſchon Heſiodos, Pindar und ein alter Genealog1Pind. O. 7, 24. Schol. und Boͤckh p. 166. Pherek. bei d. Schol. nennt als Vater Phylas, einen Dryoper K., die Tochter Aſtygeneia. Apolld. 2, 7, 6. folgt zum Theil der Ilias, zum Theil dem Pherek. die Mutter des Tlepolemos Aſty - dameia und Tochter des Amyntor von Ormenion in Magneſten, welche Stadt Herakles ebenfalls mit dem Schwerdt erobert: denn es wollte die alte Heldenpoëſie uͤberhaupt oft nur die Doriſchen Herakkidengeſchlechter von Soͤhnen des Heros mit Jungfrauen bezwungener Staͤdte (Ἀστυδαμεία) ableiten, und dadurch das Gedaͤchtniß jener alten Heldenthaten verewigen, aber ſie ſcheute nicht ſonderlich eine Verwechſelung der einen mit der andern. Ferner ließ man auch von Ephyra in Thes - protien ausgehn die Soͤhne des Theſſalos, Enkel des Herakles, Antiphos und Pheidippos, von denen die angeſehenſten Geſchlechter Theſſaliens ſowohl als auch die Herakliden zu Kos ihren Urſprung herleiteten2Str. 9, 443. Polyaͤn Strat. 7, 44. Vellej. 1, 3, 2. Schol. Ap. Rh. 3, 1089. vgl. beſonders Boͤckh Expl. Pind. P. 10. p. 332. Auch die Koͤnige der Moloſſer leiteten ihr Geſchlecht von einer Lanaſſa, T. des Kleodaͤos Hylliſchen Stammes, her. Plut. Pyrrh. 1. Juſtin 17, 3.; obgleich die letztern nach einer andern aber gewiß ſpaͤ - tern (wenn auch fruͤher bezeugten) Sagenwendung aus einer von Herakles auf Kos ſelbſt geſchloſſenen Verbin - dung abſtammten3Il. 2, 678. vgl. oben S. 109.. So viel ich durch dieſe Verwir - rung der Mythen ſehe, war die Bildung der Fabel die. Schon im aͤltern Vaterlande der Dorier gab es edle Geſchlechter, die ihren Urſprung an die Eroberung Ephyra’s anknuͤpften, bezeichnet durch Tlepolemos und Antiphos nebſt Pheidippos; dieſe zogen mit den uͤbri - gen in den Peloponnes hinab, und kamen uͤber Argos422 und Epidauros nach Rhodos und Kos, wo ſie ihre Stammſagen zum Theil neu lokaliſirten und umbilde - ten. Ferner war anerkanntermaßen der Theſſaliſche Volkſtamm ebenfalls von Ephyra in Thesprotien ge - kommen; indem er ſich nun unter die Hellenen einbuͤr - gerte, und Antheil an der Helleniſchen Sage ſuchte; mußte es ganz von ſelbſt kommen, daß er Herakles, den Eroberer von Ephyra, an die Spitze auch ſeiner Genealogieen ſtellte.

5.

Nun knuͤpfen wir aber auch noch einen andern bedeutenden Sagenkreis, die Geryonie, an den Kampf des Herakles mit dem Hades zu Ephyra an, indem wir uns auf folgende Spuren ſtuͤtzen. Die Rin - der des Geryoneus weiden zuſammen mit denen des Hades; beide auf der Inſel Erytheia1Apollod. 2, 5, 10.; ſie gehoͤren aber der Sonne21, 6, 4. wo es beilaͤufig aus fruͤherer Sage ſteht. und ſind darum von ſtrahlendrother Farbe. Es lag aber wirklich Erytheia in der aͤltern Sage in der Naͤhe jenes Reichs des Hades. Denn daß Hekataͤos Erytheia und den Geryoneus nach Epeiros und der Gegend von Ambrakien ſetzt3Bei Arrian 2, 16. Hekat. S. 50 Cr.: iſt gewiß nicht aus dem kluͤgelnden Beſtreben, die Mythen wahrſchein - licher zu machen, hervorgegangen wenigſtens wuͤrde ſich daraus nicht erklaͤren, warum er gerade Epeiros gewaͤhlt ſondern er benutzte eine wirklich vorhandene Sagenſpur. Auf keinen Fall haͤtte Skylax das Ge - fild von Erytheia, aus der Erfindung eines Logographen, als geographiſchen Punkt in ſeine Kuͤſtenbeſchreibung eintragen koͤnnen4S. 23. Gron. Der Berg Abas und der Fluß Anthemoeis in Erytheia bei Apollod. ſind wahrſcheinlich auch aus dieſem Lokal. Wenigſtens wohnten Abanten gerade wo Erytheia geſetzt wird, am Aoos bei Orikon. Nach Ariſtot. Mirab. 145. lag Erytheia. Bei ihm liegt es zwiſchen den423 Atintanen und Kerauniſchen Gebirgen im Norden von Epeiros, an der Graͤnze der griechiſchen Welt, nahe dem uraͤlteſten Vaterlande der Dorier. Wie merkwuͤr - dig nun, daß fortwaͤhrend auch in hiſtoriſcher Zeit in derſelben Gegend, naͤmlich am Aoosfluß, der vom Ge - birge Lakmon ſtroͤmt, Sonnenheerden weideten, die des Tages uͤber am Strome gehuͤtet wurden, Nachts aber in einer Hoͤle im Gebirge, unter dem Schutze von Maͤnnern, welchen die Einwohner der Griechiſchen Stadt Apollonia dies Amt als eine vorzuͤgliche Ehre uͤberga - ben1Herod. 9, 93. Konon 30. Sehr merkwuͤrdig iſt auch die Strafe des Blendens, weil jemand den Sonnencult vernachlaͤſ - ſigt; ferner, daß die Griechiſchen Goͤtter ſelbſt die Woͤlfe gegen die Heerden geſchickt hatten. Homers Sonnenheerden ſind keine an - dern, als die von Taͤnaron und Epeiros in groͤßere Ferne verſetzt; er giebt auch einen mythiſchen Grund der νηφάλιοι ϑυσίαι des Helios an, wie ſie in mehreren Staͤdten Griechenlands uͤblich waren. Odyſſ. 12, 363.. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß erſt die Ko - rinthiſchen Griechen, Gruͤnder von Apollonia, dieſen Cultus dahin verpflanzten; obgleich in ihrer Heimat auch Spuren alter Sonnenverehrung vorkommen: ſon - dern ſie ſcheinen, was ſie vorfanden, beibehalten und nach alter Weiſe fortgeuͤbt zu haben. Unter dieſer Vor - ausſetzung wird alles klar. Es graͤnzte zunaͤchſt an jenes Schattenreich auf der Erdoberflaͤche eine Gegend des Sonnencultus, von zahlloſen Stierheerden ange - fuͤllt, die unter der Obhut des Gottes ſtanden: aber4im Lande der Aenianen. Her. raubt die Stiere dort fuͤr Kythera Per - ſephaſſa. Vgl. Antonin. Lib. 4. πολεμήσαντας γὰϱ αὐτῷ Κελτοὺς (dicſe ſind aus einer Geryonis, vgl. Diod. 5, 24. Etym. M. 502, 50. hereingekommen, und nicht zu aͤndern) καὶ Χάονας καὶ Θε - σπϱώτους καὶ σύμπαντας Ἠπειϱώτας ὑπ᾽ αὐτοῦ κϱατηϑῆναι, ὅτι τὰς Γηϱυόνου βοῦς συνελϑόντες (ἤϑελον) ἀφελέσϑαι. vgl. Ap - pian Buͤrgerkr. 2, 29.424 der Helleniſche Heros hatte wenig bekuͤmmert um ihre Heiligkeit ſie davon getrieben und ſeinen Goͤttern ge - weiht. Fortwaͤhrend zeichnete ſich Epeiros durch eine Race trefflicher Stiere (λαϱινοὶ βόες) aus, die man von den Heerden des Geryoneus herleitete, welche He - rakles dem Dodonaͤiſchen Zeus dargebracht1Proxenos Epeirotika bei Suidas und Apoſtol. Λαϱινοὶ β. Vgl. Lykos von ʹRhegion ebenda. Aelian N. A. 12, 11. 3, 33..

Urſpruͤnglich alſo moͤchte dieſe Fabel ſich an die große Dichtung des Kampfes um Ephyra angeknuͤpft haben. Nach und nach aber wurde ſie davon getrennt2Als einen ἀϑλος fuͤr Euryſtheus betrachtete ſie ſchon Pindar, der den Herakles durch den Zwang fuͤr den Raub entſchuldigte. Frgm. inc. 48 Boͤckh., und in einem eignen, wunderbaren Charakter ausgebil - det: in einer Zeit, in der die ſtreitbare Kuͤhnheit im engeren Kreiſe die Zuhoͤrer nicht mehr ſo anzog und feſſelte, als weite Wunderfahrten in die Eldorado’s der Weſtwelt.

6.

Schon in Heſiods Theogonie3287. vgl. 979. wird der drei - koͤpfige Geryoneus, Sohn Goldſchwerdts (Χρυσάωρ) und der Schoͤnſtroͤmenden (Καλλιϱόη) nach der umſtroͤm - ten Erytheia jenſeits des Okeanos geſetzt, und ihm Or - thos zum Hund und Eurytion zum Waͤchter des dun - keln Weideplatzes beigegeben. Peiſandros4Athen. 11, 469 d. um Olymp. 40. ließ demgemaͤß den Helden in einem Be - cher uͤber den Okeanos ſchiffen, welcher Helios gehoͤrte, aber ihm von Okeanos gegeben wurde. Steſichoros folgte dieſer Sage, und nahm noch mehr fabelhafte Kunde von jenen Weſtlaͤndern hinein. Er erwaͤhnte die Quellen des Fluſſes Tarteſſos in der Schlucht der Silberberge Erytheia gegenuͤber5Frgm. S. 17. Suchf. S. Hermanns Conſti - tution bei Friedemann Comment. in Strab. p. 638.. Er erzaͤhlte, wie425 nachdem Herakles mit dem Tage die Fahrt voll - bracht, und den beſagten Becher abgegeben, Aelios der Hyperionide hinein ſtieg, um uͤber den Okeanos zu ſchiffen und zu den Tiefen der heiligen dunkeln Nacht zu gelangen zur Mutter und Ehegemahlin und den lie - ben Kindern. Zeus Sohn aber wandelte in den von Lorbeern beſchatteten Hain1S. 14. Suchf. Hermann eoͤd.. Herakles iſt hier naͤm - lich zuruͤckgekehrt, und wieder auf dem Feſtlande, wo er, wie ich glaube, in den Hain der Hyperboreer tritt2vgl. Herodot 4, 8.; Helios ſchifft nun auf gewohnte Weiſe zu den jenſeits liegenden Geſtaden der Nacht, dagegen die In - ſel Erytheia nur als vom Okeanos rings umſtroͤmt ge - dacht wurde3Voß mythol. Br. 2. S. 156. thut der Stelle offenbare Gewalt an, wenn er Helios nicht uͤber den Okeanes gehen, ſondern erſt bis zum Oſtrande herumſchiffen laͤßt. Dies findet nur bei Mimner - mos ſtatt, wo Helios in der Nacht ſchlafend nach Oſten herum - ſchifft, wo er dann aufgeht, (nicht blos ein vorlaͤufiges Schluͤmmer - chen genießend, denn dies widerſpricht wieder dem klaren Sinn der Stelle,) nnd bei Pherekydes (Athen. 470): δέπας, αὐτὸν ἐφόϱει σὺν ταῖς ἵπποις, ἐπὴν δύνῃ, διὰ τοῦ ὠκεανοῦ τὴν νύκτα πϱὸς ἕω, ἵνα ἀνίσχει ἥλιος. Aeſchylos (Ἡλιάδες) bei Athen. a. O. folgt dagegen wohl der Weiſe des Steſichoros, da διαβἁλλων πόϱον blos eine Ueberfahrt bedeuten kann. Euſt. Od. 9, 1632, 21.. Panyaſis ſchmuͤckte die Fabel noch bunter aus; Nereus giebt dem Heros die Sonnenſchale, nachdem dieſer nach der Sonne gezielt4S. Klem. Al. Str. p. 31 Pott. verbeſſert von Heyne ad Apolld. p. 161.; die Rinder nannte er noch Sonnenrinder5Schol. Od. 12, 301. S. 413 Buttm. : Μεμψόδωϱος τὴν Σικελίαν πεϱιηγησἁμενος καὶ Πολύαινος καὶ Πανύασις φύλακα τῶν Ἡλίου βοῶν Φυλάκιόν φησι γενέσϑαι, ὃν Φιλοστέφανος Αἰολιδοὗν εἶναί φησι, καὶ ἔχειν ἐν Μύλαις ἡϱῷον.. Der Logograph Pherekydes band in ſeiner Erzaͤhlung die ſchon426 vorhandenen Zuͤge, beſonders vermuthlich aus Steſi - choros, zuſammen, ihm folgt Apollodor.

Ueber den Urſprung der Idee dieſes Bechers wei - ter zu forſchen, iſt hier unſre Sache nicht; Herakles hat ihn ja blos erborgt, und er gehoͤrt der Sonne an. Die Meinung Heynes, daß die Anſicht Aegyptiſcher Sculpturen das Bild nach Griechenland gebracht habe, hat viel Empfehlendes; indeß iſt die Fabel wohl aͤlter, als eine ſolche moͤglich war. Zuerſt kam dieſer Son - nenkahn als Keſſel in einer Titanomachie (des Arktinos oder Eumelos) vor1Athen. 470 b. ob aus Theolytos ῞Ωϱοις, iſt nicht deutlich.; erſt von da wurde er in die Herakleen aufgenommen.

Da man aber einmal in der Wanderung nach Erytheia, Tarteſſos gegenuͤber, einen Faden hatte, an den ſich mehrere Abentheuer des Helden bequem anrei - hen ließen: ſo verband man viele auf einzelnen Punkten und durch ganz verſchiedene Anlaͤſſe entſtandene Sagen oder Umdeutungen von Sagen2S. unter andern Niebuhr Roͤm. Geſch. 1. S. 122 damit, deren Lokal Sizilien, Italien, Ligyen, nach Herodot3a. O. auch Sky - thien war; und wie man Erytheia ſelbſt bei Gadeira in Iberien fixirte4So Herod. Ephoros und Philiſtides bei Plin. 4, 36. vergl. Uckert Geogr. 2. S. 240 u. ſonſt., ſo ſuchte man dem Ganzen geo - graphiſchen Zuſammenhang zu geben. Wo Phoͤnikiſche Sagen eingewirkt, wollen wir ſpaͤter noch genauer zu beſtimmen ſuchen.

7.

Auf dieſe Betrachtungen fuͤhrte uns die Aeto - liſche Heraklesſage, von der wir jetzt wieder auf die Dorier zuruͤckkehren, die den Bergſtrich laͤngs des Oeta bis gegen die Thermopylen inne hatten. Vielleicht war in ganz Griechenland keine Landſchaft reicher an lokalen Heraklesmythen, wie die bezeichnete. In dem Paſſe427 der Pylen fing er die ſeltſamen Unholde, die Kerko - pen1Herod. 7, 216.; hier ließ ihm Athena die heißen Quellen aus dem Boden ſprudeln2S. Peiſandros bei Schol. Ariſt. Wolken 1047. τῷ δ̛ ἐν Θεϱμοπύλῃσι ϑεὰ γλαυκῶπις Ἀϑήνη Ποίει ϑεϱμὰ λοετϱὰ παϱὰ ϱ̔ηγμῖνι ϑαλάσσης, welche Verſe Ze - nob Prov. 6, 49. (vgl. Ruhnken bei Heyne ad Aen. 2. Exc. 1. p. 287.) beruͤckſichtigt. Val. Weſſel. zu Diod. 4, 23. Herod. 7, 176. Phileas bei Harpokr. Θεϱμ. Die Sage wurde auf die Thermen bei Himera in Sicilien uͤbergetragen. S. Boͤckh Expl. Pind. O. 12. p. 210.; auf der Hoͤhe des Gebirgs, auf dem Phrygiſchen Felſen3Kallim. Art. 159. Schol. Arrian bei Euſt. zu Dion. P. p. 107. Zu unterſcheiden iſt das Φϱίκιον - ϱος der Gegend, wo Her. einen Kentauren erſchlug. Steph. B. Φϱίκιον., wurde der verhaͤngniß - volle Scheiterhaufen errichtet, den der Bach Dyras umſonſt zu loͤſchen ſuchte4Str. 9, 428., und viele umliegende Staͤdte ſetzten ſich irgend wie durch Namendeutung oder ſonſt mit den Thaten des Heros in Verbindung5S. Steph. s. v. Τύφϱη - στος. Die ἀσέληνα ὄϱη von Trachis kamen im 14. B. von Rhia - nos Heraklee vor.; auch die ſpaͤter eingedrungenen Aenianen ſuchten ſich die Sage auf alle Weiſe anzueignen6Str. 13, 613. Diod. 12, 59. die Muͤn - zen bei Eckhel N. Anecd. fb. 6. p. 89. Dodw. Trav. p. 76. Clarke Tr. 4. p. 197., wie ſelbſt das nachmals gegruͤndete Herakleia Trachinia und die umwohnenden Kylikranen mythiſch von Herakles hergeleitet wurden7Skythinos und Polemon bei Athen. 11, 461.. Es verſteht ſich, daß ſo lokale Sagen auch von dem Volkſtamme des Orts ausgingen. Was haͤtten wohl die Einwohner von Argos fuͤr Intereſſe gehabt, den Tod des vergoͤttlichten Helden in eine ihnen fremde Umgebung zu ſetzen, wenn ſie die Bildner dieſer Dich - tung uͤberhaupt waren? Es ſchloß alſo ohne Zweifel der Lebenslauf des Doriſchen Helden damit; es voll -428 endete ſich ſo ein nationales Sagenepos, wovon wir nur einzelne Fragmente haben. Denn es iſt kein Zwei - fel, daß die in u. um Theſſalien lokalen Abentheuer des Heros, welche auch noch in der gewoͤhnlichen Erzaͤhlung faſt ganz zuſammengeblieben ſind, einen eignen Cyclus bildeten, der in ſich abgeſchloſſener und gerundeter war, als die Heraklesfabel jetzt erſcheint. Wenigſtens muß man aber noch annehmen, daß die Wanderung zu den Hyperboreern, die jetzt durch die Anlegung des Haines von Olympia motivirt wird, einſt in dieſem Sagen - kreiſe ihre Wurzel hatte, in dem ſo viel Beziehung auf Apollodienſt iſt. So geben dann die bis hieher eroͤr - terten Mythen, ohne alle fremdartige Zuthat, den kla - ren und beſtimmten Sinn: Der nationale Held bahnt dem Volkſtamme und deſſen Cultus uͤberall den Weg, und ſchuͤtzt und verficht den letztern gegen fremde Staͤm - me. Er bahnt die Straßen der Verbindung zwiſchen Tempe und Delphi, zwiſchen den mythiſchen Uranbe - tern des Gottes, den Hyperboreern, und ſeinen zeitigen Verehrern. Zugleich iſt ſeine Perſon ſelbſt eine Dar - ſtellung dieſes Cultus nach außen hin; er genuͤgt den Forderungen deſſelben in Hinſicht auf Blutſuͤhne, er iſt Vollfuͤhrer und Vollbringer zugleich. Er iſt ſeines Volkes Alexikakos, wie Apollon, und macht deſſen Ei - genthuͤmlichkeit gegen fremdartiges Weſen und Leben geltend. Sein muͤhevoll durchgerungenes Heldenleben ſchließt er ruͤckkehrend zum Olympiſchen Zeus, das ir - diſche Truͤbſal auslaͤuternd und die ſtarke Seele zu ewig unverduͤſterter Heiterkeit verklaͤrend. So fuͤhrt er gleichſam die heroiſche Menſchenkraft, die er darſtellte, in den Kreis der Gottheit ein; und in ihm apotheo - ſirt ſich die alte Menſchheit ſelbſt.

429

An die bisher dargeſtellten Mythen ſchließen ſich dem Inhalt und Charakter nach zunaͤchſt die Boͤoti - ſchen an.

8.

Zur leichten Ueberſicht der nachfolgenden Er - oͤrterung ſtellen wir das Reſultat, auf das wir hinaus wollen, ſogleich voraus.

Herakles in Theben iſt nicht als Kadme - one anzuſehen, da er nichts mit den alten Goͤttern und Sagen der Kadmeer zu thun hat; er iſt theils durch Doriſche Herakliden, theils von Delphi aus mit dem Cultus des Apollon nach Boͤotien gekommen, und ſeine Mythen beziehen ſich zum großen Theil auf dieſen Cultus; die darin ausgedruͤckten Ideen ſind mit einzelnen Modificationen dieſelben, wel - che dem Doriſchen Heraklesmythus unterliegen.

Zum Beweis, daß Herakles mit den Kadmeiſchen Goͤttern, Tempeln, Fuͤrſten in keiner Verbindung ſteht, duͤrfte man nur eine Geſchlechtstafel der Thebaͤiſchen Mythologie und einen nach Pauſanias entworfenen Plan von Theben vor ſich legen. Aus jener ſaͤhe man dann, daß die Mythe den Herakles, deſſen Vater ſie als Fluͤchtling von Mykenaͤ dort ankommen laͤßt, in gar keine Verwandtſchaft und Verſchwaͤgerung mit den Kadmeern treten laͤßt; denn Kreon, der angebliche Schwiegervater des Helden, iſt eine blos Luͤcken aus - fuͤllende Perſon der Dichtung1Auch Heyne ad Apolld. 2, 4, 6. bemerkt einſichtig: Her - culis Thebani facta et fata ad Thebanas historias accommo - dare difficile est.: aus dieſem, daß Herakles Heiligthuͤmer nicht blos nicht auf der Burg, wie die des Kadmos, der Harmonia, Semele, ſondern auch nicht in den Ringmauern der Stadt, daß ſie ſelbſt außerhalb der Thore ſtanden. Dieſe Betrachtung iſt ohne430 Zweifel oft fuͤr das Alter von Goͤtterdienſten in einer Stadt ſehr entſcheidend. Die uralteinheimiſchen Goͤt - ter und Gruͤnder der Stadt beſaßen die Burg als erb - liches und vaͤterliches Eigenthum; erſt ſpaͤter eingebuͤr - gerte mußten ſich in den unten liegenden Gegenden an - ſiedeln. Nun wiſſen wir aber genauer, daß Amphi - tryons Haus (Ἡϱακλέος ὀλβία αὐλὰ nach Pindar) und das Herakleiſche Gymnaſion vor dem Elektriſchen Thore dem Ismenion gegen uͤber[lagen]1Ebenda wurde jaͤhrlich den acht Kindern des Her. geopfert. S. Pauſ. Pind. J. 3, 79. und Chryſipp bei den Schol. Amphi - tryons, Jolaos u. Alkmenas Grab und das Gymnaſion fuͤr die Jo - laiſchen oder Herakleiſchen Wettſpiele war vor dem Proetidenthore. Pind. P. 9, 82. N. 4, 20. Schol. u. Diſſen Expl. p. 382., wo der Gegenſtand ſehr lichtvoll auseinandergeſetzt iſt.: und damit ver - binden wir die Nachricht des Pherekydes2bei An - ton. Lib. 33. von einer Ortſchaft an eben dem Elektriſchen Thore, die die He - rakliden vor dem Einfalle in den Peloponnes angelegt, und wo auch Herakles auf dem Markte ſtand. Was kann klarer ſein, als daß es dieſe Herakliden waren, die den Dienſt des Heros wenigſtens zum Theil in Theben angepflanzt? Daß aber zugleich in derſelben Gegend das Ismeniſche Heiligthum des Apollon lag, iſt ein weſentlicher Umſtand fuͤr die Entwickelung des Mythus. Dem Tempel des Gottes gegenuͤber war der Knabe Herakles erzogen worden; er hatte, nach der Sage beim Feſte des Gottes, als Daphnephoros, dem Jungfrauenchore den Lorbeer vorausgetragen, und dar - auf einen Dreifuß in den Tempel geweiht, wie es auch ſpaͤter allgemeine Sitte war. Dieſen Dreifuß ſieht man auf dem bekannten Relief, welches die Argiviſche Apotheoſe des Herakles darſtellt3Marini Ville Alban. p. 150. vgl. Boͤtti - gers Amalthea Bd. 1. S. 130., mit der Inſchrift:431 ΑΜΦΙΤΡϒΟΝ ϒΠΕΡ ΑΛΚΑΙΟϒ ΤΡΙΠΟΔ ΑΠΟΛ - ΛΩΝΙ1Die folgenden Worte ſind zum Theil ſo zu ergaͤnzen: υπεϱ Ηϱακλ] εους [δαφνη] φοϱησαντος.. Hiermit haͤngt offenbar die Geſchichte von dem Raube des Delphiſchen Dreifußes zuſam - men, wovon die gewoͤhnliche Dichterfabel ſo erzaͤhlt: Herakles ſei zur Strafe fuͤr den Mord des Iphi - tos von einer ſchweren Krankheit heimgeſucht wor - den, und habe ſich darum nach Delphi gewandt, und da die Pythia dem Blutbeſudelten nicht antworten wollen, den Tempel zu pluͤndern gedroht und den Drei - fuß weggetragen. Apollon verfolgt ihn, bis Zeus den Kampf ſeiner beiden Soͤhne durch den Blitz trennt2Abweichende Nachrichten geben Cic. N. D. 3, 16., wo Creuzer zu vgl. u. Pauſ. 10, 13, 4. Sonſt ſ. man Visconti Mus. PioCl. 2, 5. Zoëga Bas - sir. 2. p. 98.. Eine weitere Ausfuͤhrung des Mythus erzaͤhlte von der erneuerten Conſecration des Delphiſchen Tripus, und von der Verſoͤhnung des Gottes und Heros; aber von beidem ſind nur Kunſtdarſtellungen auf uns gekommen, obgleich von ziemlich hohem Alter3Die Reconſecration auf dem Dresdner Can - delaberſuße. Die Verſoͤhnung auf dem Korinthiſchen Puteal aͤcht - alten Styls, das Dodwell in der Reiſe und: Alcuni bassirilievi. Roma 1820. herausgegeben hat (jetzt bei L. Guilſord). Hier kom - men ſich entgegen Apollon, Artemis, Leto Pallas, Herakles, Alk - mena oder eine andere Frau; es folgen die Chariten. Ich ver - muthe hier eine Copie der Sikyoniſchen Gruppe von Dipoͤnos und Skyllis (Plin. 36, 4.), wenn dieſe nicht etwa auch den Streit dar - ſtellte, wie die bei Pauſ. a. O. Aehnlich iſt das Vaſengemaͤlde bei Millingen, Vases de Coghill pl. 11. Ap. Daphnephoros beim Tripus ſitzend nebſt Artemis und Leto empfaͤngt Herakles; eine Goͤttin mit Scepter (Veſta nach Zoëga a. O.) und Hermes ſtehn dabei. Herakles iſt auch dabei immer als Juͤngling dargeſtellt.. Aber es iſt wohl leicht einzuſehen, daß wir hier nicht die aͤchte, alte, religioſe Sage vor uns haben. Wie ſollte der Held ploͤtzlich Tempelraͤuber werden, der ſonſt ganz von432 den Geboten des Orakels abhaͤngt, und ſo vielfach Apolliniſchen Cultus ſchuͤtzt und foͤrdert1Daher ſeine Arbeiten auch in den Metopen des Delph. Tem - pels, Eurip. Jon 196. 239.? Dies Tra - gen des Tripus bedeutet nach andern ſichern Sagen nichts als eine Verpflanzung des Apollodienſtes2S. die Sage von Tripodiskos Pauſ. 1, 43, 7. vgl. oben S. 12. Amalthea S. 131.. Wo - hin traͤgt aber Herakles den Dreifuß? Nach Erzaͤh - lung der Arkader brachte er ihn nach Pheneos, wurde aber genoͤthigt, ihn dem Gotte bald wieder zuzuſtellen3Plut. de sera num. vind. 12. p. 245.. Da ſollte nemlich der Heros auf dem Zuge nach Elis dem Apollon Pythios einen Tempel erbaut haben4Er ſetzt dort Bildſaͤulen von Demoneſiſchem Orichalk. S. die Stellen oben S. 200, 2. 230, 1. vgl. Kallim. Frgm. 75, 5 B., der indeß ſchwerlich aͤlter war als die Doriſche Wanderung. Die Gruͤndung dieſes Heiligthums, als von Pytho ab - haͤngig, druͤckte alſo die Sage unter dem Bilde eines uͤberbrachten Tripus aus; der Ueberbringer war He - rakles. Aber wichtiger iſt es hier, daß nach Boͤo - tiſcher Erzaͤhlung die man freilich nur aus Muͤnzen erraͤth5S. Visc. PioCl. T. 7. iv. b. n. 11. Mionnet Descr. T. 2. p. 109. n. 94. und Planches 53, 4. Pouquev. Voy. T. 4. p. 208. Auch bei Lord Northwick ſah ich eine ſolche Muͤnze. Herakles den Dreifuß nach Theben und wohin ſonſt als in das Ismenion? brachte. An das Ismenion ſchließen ſich ja ſo viele Dreifuß-Sagen und Gebraͤuche an, indem die Ureinwohner des Lan - des, die Thebageneis, deren als Tribut ſandten, von Zeit zu Zeit einer von da nach Dodona gebracht wer - den mußte u. ſ. w. So wird denn auch dieſe Mythe urſpruͤnglich das Verwandtſchaftsverhaͤltniß des Is - menions zum Tempel von Pytho bezeichnen: und als dieſes Verhaͤltniſſes Vermittler Herakles aufſtellen.

433

9.

An die ſo gedeutete Sage knuͤpfen ſich von ſelbſt mehrere andere Traditionen des Landes an. Die Kre - tiſche Niederlaſſung, die von Kirrha aus das Tilphoſ - ſiſche Heiligthum bei Okalea in Boͤotien gruͤndete, ſtellte die Sage unter der Perſon des Rhadamanthys vor1S. 234. Daher ſpielte Eurip. Rhadamanth in Boͤotien, Fragm. 1.. Rhadamanthys ſoll hier mit der Alkmene zuſammenge - wohnt; er ſoll den jungen Helden die in Kreta einhei - miſche Bogenkunſt gelehrt haben2S. Bd. 1. S. 148, 6. 7. vgl. Pherek. bei Anton. Lib. 32. (50. p. 196 St.), Viseonti ad Her. Att. Inscr. Triop. fin. . Darum entzog auch Zeus die geſtorbene Alkmene dem Begraͤbniſſe, und fuͤhrte ſie nach den ſeligen Inſeln als Gattin des Rha - damanth. Ein Stein war an ihrer Stelle zuruͤckge - blieben, und wurde in ihrem Hain zu Theben aufge - ſtellt3Pherek. a. O. Pauſ. 9, 16. 4.. Wie ganz andere Gedankenreihen draͤngen ſich uns auf, wenn wir Herakles als Zoͤgling des Rha - damanth denken, als wenn wir den gewoͤhnlichen Er - zaͤhlungen folgen von dem derbkraͤftigen Boͤotiſchen Athleten. Aber auf demſelben Tilphoſſion, welchem Rhadamanth anwohnte, war auch das Grab des Tei - reſias, der ebenfalls auf Herakles Schickſale bedeu - tenden Einfluß uͤbte4Pind. N. 1, 61. Theokr. 24, 64. Pauſ. 9, 11, 2., und ſchon zu ſeiner Geburt be - hilflich war. Teireſias iſt aber der alte (ſieben Men - ſchenalter lebende) Prophet des Ismeniſchen Tempels. Noch mit einem dritten Weiſſagergeſchlechte brachte die alte Sage den Heros in nahe Relation, wenn wir als ſolche die Darſtellung des Epiker Aſios anneh - men duͤrfen, nach der Alkmene Tochter des Amphiaraos und der Eriphyle war5Pauſ. 5, 17, 4. Auch iſt merkwuͤrdig, was derſ. 5, 13, 6. ſagt: daß ein Altar im Mi - leſiſchen Didymaͤon vom Thebaͤiſchen Herakles gebaut ſei.. Dadurch wird ſie SchweſterII. 28434des Alkmaͤon, womit ihr Name Alkmana ſehr vortreff - lich uͤbereinſtimmt. Auf jeden Fall wird durch die Beachtung dieſer Sagen der Zuſammenhang der ge - woͤhnlichen Fabel zerriſſen, und auf einen tiefern, groß - artigern aufmerkſam gemacht, den wir freilich nicht mehr in ſeiner Integritaͤt herſtellen koͤnnen.

Wenn nun darnach Herakles als Vermittler zwi - ſchen dem Heiligthume zu Delphi und dem Thebaͤiſchen Ismenion erſcheint: ſo folgt, daß auch die Lokaliſirung ſeiner Sage mit der Stiftung dieſer Heiligthuͤmer von Delphi aus zuſammenhaͤngt, alſo dieſe zum Theile we - nigſtens von da gekommen iſt.

10.

Die Thebaͤiſchen Heraklesſagen ſind nicht alle gleich bedeutungsvoll; ſie haben zum Theil, wie die angegebenen, religioͤſe Beziehung, zum Theil politi - ſche1S. Bd. 1. S. 84. 208. vgl. zu Her. Ἰπποδέτης die Sage Plut. Parall. p. 416 H. Ich bemerke beilaͤufig, daß ſich auch Boͤotiſche Familien, wie es ſcheint, die Αυκοϱμαῖοι u. Σατι - λαῖοι, von Her. herleiteten. Plut. de sera num. 13. p. 248., zum Theil bezeichnen ſie auch nur die Koͤr - perkraft des Heros der Athletik. Sie bilden einen eigenen Zuſammenhang, und wurden wohl auch ein - mal in beſondern Liedern dargeſtellt. Die Erzie - hung des Helden wird mythiſchen Perſonen anver - traut, die meiſt in Boͤotien lokal ſind2Die lukulenteſte Stelle iſt in dem zwf. Gedichte Theokr. 24, 100., wo aber manche Alexandrin. Erfindung bemerkt wird.. Sein merkwuͤrdigſter Lehrmeiſter iſt der traurige Saͤnger Li - nos, den er wie ich glaube, auch hierin Vollſtrecker des Willens von Apollon, nach der gewoͤhnlichen Er - zaͤhlung von ihm geſchlagen erſchlaͤgt, und ſich durch das Geſetz des Rhadamanth rechtfertigt3Außer Aa. ſ. Alkidamas Rhetor auf Palamedes S. 75, 33 R., wo fuͤr Τέννος ΛΙΝΟΣ zu ſchr.. Die435 Erlegung des Kithaͤroniſchen Loͤwen iſt ein Nachbild der unten zu behandelnden Sage von Nemea. Bei dieſem Abentheuer kommt er nach Thespiaͤ zu Theſtios, und befruchtet hier in einer oder ſieben oder funfzig Naͤch - ten die funfzig Toͤchter ſeines Wirths. Ob man blos darin die Zeugkraft des gewaltigen Recken darſtellen wollte? Boͤckh hat gezeigt1Expl. Pind. O. 3, 18. p. 138. vgl. oben S. 252., daß zu Elis Selene mit Endymion funfzig Soͤhne zeugt, deswegen, weil die Olympiade funfzig Mondenmonate enthaͤlt. So liegt denn ſicher derſelbe Sinn in der angefuͤhrten Fabel, die ſich entweder auf die Periode der Thespiſchen Ero - tidien oder lieber auf die Nemeen bezieht und dann nur uͤbergetragen iſt. Hier gebe ich ſcheinbar denen freies Feld, die den Herakles fuͤr die Sonne erklaͤren, welche nun den Mond gleichſam funfzigmal beſchlaͤft, und darnach funfzig cykliſche Mondenmonate zeugt. Doch ſcheint es mir rathſamer, zu erklaͤren: Sobald man Herakles einmal als Gruͤnder des Feſtes anſah, maß man ihm auch die Einrichtung der alten Jahres - periode bei, und ſtellte dieſe in Redensarten alter Symbolik vielleicht ſchon halb ſcherzend dar2Zu Nemea verehrte man 360 angebliche Genoſſen des Herakles, Aelian V. G. 4, 5.; offenbar auf das Jahr von 360 Tagen be - bezuͤglich.. Was den wunderbaren Mythus anlangt von den Kindern der Megara, die ihr wahnſinniger Vater in das Feuer geworfen haben ſoll3vgl. außer Heyne ad Apolld. Diſſen Expl. Pind. p. 509.: ſo ſcheint allerdings ein myſtiſcher Sinn darin zu liegen, und es iſt wahr - ſcheinlich, daß aus alter Kadmeerſage etwas hineinge - tragen worden iſt. Aber abgeſehn von der Art, wie Herakles ſeine Wuth auslaͤßt, ſo gehoͤrt dieſe Wuth ſelbſt zu den Grundzuͤgen, die die Thebaͤer aus dem28 *436Doriſchen Cyklus mit heruͤber erhielten, und iſt durch - aus ethiſch zu faſſen1Die μανία kam auch in den Κυπϱίοις ἔπεσι vor nach Proklos Auszug, aber wurde dort, wenn ich den Zuſammenhang recht faſſe, durch eine Liebe und Entfuͤhrung des Heros motivirt.. Wen ergreift nicht der Gedanke, wie der edle Zeusſohn, der die inwohnende Fuͤlle der Kraft mit ſo unverwuͤſtlicher Ausdauer zum Edlen, Großen, Schoͤnen lenkt, ſo unendliche Muͤhſale fuͤr das Wohl Anderer durchringt, doch unter der Gewalt einer ihm von der Gottheit verhaͤngten Ate ſteht, die im unbewachten Augenblicke das Kraftgefuͤhl zum Ueber - muthe, den edlen Zorn zur Wuth anfacht; worauf der Held dann, das innere Herz niederbaͤndigend, und den Stolz der Natur zum Staube beugend, ſelbſt jegliches Leid und Truͤbſal uͤber ſich nehmen muß. In der Boͤo - tiſchen Sage nun war es ein duͤſterer Wahnſinn, in dem Herakles, ſelbſt das Liebſte nicht kennend, ſeine Kinder mordete und ſogar ſeinen Vater toͤdten wollte2Eurip. Raſend. Her. Pauſ. 9, 11, 1., der die lange Kuechtſchaft nach ſich zog. Der von tie - fer Schwermuth niedergedruͤckte Held wendet ſich nun an den ſuͤhnenden Gott Apollon, und zwar entweder an den einheimiſchen des Ismenions, (wo man unter dem Altar einen Beſaͤnftigungsſtein, λίϑος σωφρονι - στὴρ, zeigte, der ihm die Beſinnung wiedergegeben)3P. 9, 11, 5. oder an den Pythiſchen4Darauf gehen die Verſe des Panyaſis bei Pauſ. 10, 8, 1., wo Her. uͤber den Parnaß zur Kaſtalia kommt.. Der Gott befiehlt ihm als Knecht zu dienen, wie er ſelbſt nach Pythons Ermor - dung gedient hatte. Hieran knuͤpften nun die Dichter, die einen Zuſammenhang in die verſchiedenen Sagen - kreiſe zu bringen ſuchten, die Knechtſchaft bei Eury - ſtheus, wie ſie auf den Mord des Iphitos eine Lydi -437 ſche Heraklee folgen ließen. Aber davon weiß z. B. Homer nichts, welcher die Dienſtbarkeit des Herakles aus dem uͤbereilten Verſprechen des Zeus vor der Ge - burt deſſelben ableitet, daß der Erſtgeborene Herr des Nachgeborenen ſein ſolle. Aus einer genauern Ueberle - gung ergiebt ſich auch leicht die Inconſequenz, mit der ein Verhaͤltniß, das nur in Argiviſchen Mythen be - gruͤndet ſein kann, aus einem in Theben begangenen Verbrechen abgeleitet wird. Merkwuͤrdiger Weiſe hat ſich aber doch in Apollodors abgeriſſener Erzaͤhlung eine Spur erhalten, wie lange die Knechtſchaft in der Boͤotiſchen Sage dauerte, nemlich acht Jahre und einen Monat12, 5, 11. vgl. Heyne; nach Herodor (sic scrib. ) bei Schol. Soph. Trach. 257. dient Her. ſpaͤter einen ἐνιαυτὸν von drei Jah - ren; und ſo auch Apollod. 2, 6, 2. vgl. oben S. 416, 1.. Doch wahrlich keine zufaͤllig entſtandene Zahl. Sondern es ſoll damit wieder die Ennaëteris bezeichnet werden, welche acht Jahre und drei Schalt - monate faßt, wovon hier nur der letzte Schlußmonat erwaͤhnt wird, weil die beiden in der Mitte eingeſcho - benen minder in die Augen fallen. Alſo einen ἀΐδιος ἐνιαυτὸς dient Herakles, wie Apollon zu Pheraͤ2S. oben S. 322., was die Thebaͤer auch auf ihren Kadmos uͤbertrugen der - ſelbe Held, der am Daphnephorienfeſte, welches ganz in demſelben Cyklus wiederkehrt, den Aufzug angefuͤhrt hatte. Ich ſchließe dieſe Betrachtung mit vier Verſen aus der Heraklee des Panyaſis, die ich mir dem Hel - den als Troſt fuͤr den Zwang der Dienſtbarkeit zuge - ſprochen denke:

Auch Demeter ertrug’s, es ertrug der ſtarke Hephaͤſtos,
Poſeidaon ertrug’s, es ertrug Ferntreffer Apollon
Frohnen ein ewiges Jahr in dem Dienſte des irdiſchen Mannes
3ϑητεύσαμεν εἰς ἐνιαυτόν, wie zu
3.
Ares ſelber ertrug es, der trotzige, weil es gebot Zeus.
438

11.

Hieran knuͤpfen wir einige Bemerkungen uͤber den Attiſchen Heraklesdienſt, der beſonders zu Ma - rathon in der Tetrapolis1Herod. 6, 116. Pauſ. 1, 15, 4. 32, 4. Hrpkr. Ἠϱακλ. Schol. Pind. O. 9, 92. 13, 184. vgl. Boͤckh Expl. p. 193. Elmsley ad Eurip. Heracl. 32. p. 51., in den drei Ortſchaften Melite, Diomeia und Kollytos2Ariſtoph. Froͤſche 504. Schol. zur Stelle u. zu 664. Schol. Apoll. Rh. 1, 1209. Hrpokr. Μελίτη, Heſych ἐκ Μελίτης, Μήλων, Διομεία. Suid. Διομεία. Tzetz. Chil. 8, 192. Vgl. Corſini F. A. 2. p. 335., wo indeß nicht Alles richtig iſt., die benachbart und wohl im Norden von Attika lagen, in Acharnaͤ3Pauſ. 1, 31. und Hephaͤſtia4Diog. Laert. 3, 41.; dann bei Athen im Kynoſarges5mit Hebe, Alkmene, Jolaos zuſammen, Pauſ. 1, 19, 3. Die Erwaͤhnungen dieſes Heiligthums ſind ſehr zahlreich., in der Stadt ſelbſt, und von da gegen das Meer hin in den ſog. Vierflecken oder Tetrakomen geuͤbt und gefeiert wurde6Steph. B. Εχελίδαι. Davon hat nach Einigen ein eigener Tanz Tetrakomos den Namen. Pollux 4, 14, 99. 105. Athen. 14, 618. Heſych Τετϱἁκωμος. Ein Herakleion, auch nicht weit davon, an der Faͤhre nach Salamis. Plut. Themiſt. 13.. Daß die unter dieſen Tempeln, welche nicht in der Naͤhe der Stadt liegen, ſich ſaͤmmtlich im noͤrd - lichen Theile Aitika’s finden, beweist wohl eine Her - kunft des Dienſtes von den noͤrdlichen Graͤnzen, die die Mythe durch die Anweſenheit der Herakliden in Attika motivirt, welche aber, wie oben bemerkt7S. 55., nur in der Specialſage der Athener exiſtirte. Es iſt indeß wahrſcheinlich, daß irgend einmal in Vorzeiten ein Hau - fen des Doriſchen Volks Attika durchzogen, und dieſen Cult gegruͤndet habe, der durch das Principat des Do - riſchen Stammes und allerlei Verbindungen mit dem -3ſchreiben iſt. vgl. Il. 21, 443. Die Verſe ſtehn bei Klem. Alex. Protr. p. 22 Sylb. Heyne ad Apollod. 2, 7, 3. p. 188. ſcheint ſie nicht richtig anzuwenden.439 ſelben an Anſehn und Bedeutung gewann. Wenn die Lakedaͤmonier wirklich im Peloponneſiſchen Kriege die Tetrapolis verſchonten1Diod. 12, 45. Schol. Soph. Oed. K. 701., ſo muß dies ihnen als Re - ſpekt fuͤr ihren Heros ausgelegt werden. Merkwuͤrdig iſt die Sage: Theſeus habe alle ihm ſelbſt fruͤher ge - weihten Tempel, vier ausgenommen, dem Herakles ge - heiligt2Plut. Theſ. 35. Eurip. Raſender Her. 1333.; woraus man wohl die Uebertragung des Cul - tus in irgend einer Zeit (nur nicht der des Theſeus ſelbſt) als hiſtoriſch entnehmen darf; und daß man fortwaͤhrend dem Dienſte nur gleichſam halbes Buͤrger - recht zugeſtand, ſcheint in der Sitte zu liegen, die Pa - raſiten des Heros zu Kynoſarges ſtets aus halbbuͤrti - gen Athenern zu waͤhlen.

Verwandter Art und zur Erlaͤuterung anzufuͤhren ſind die ebenfalls im Norden Attika’s in den zuſam - menliegenden Demen Aphidna, Dekeleia, Titakidaͤ loka - len Sagen von dem Zuge der Tyndariden, auf dem ſie den erſtgenannten feſten Ort mit Hilfe des Dekelos und Titakos erobert haben ſollen3S. die Κυκλικοἱ bei Schol. Il. 3, 242. u. Ven. p. 98. Herod. 9, 73. Pauſ. 1, 41, 4. 3, 18, 3. Iſokr. Enkom. Helen. 10. Plut. Theſ. 32. Steph. u. Harpkr. Τιτακίδαι. Darauf geht auch der Vers des Kallim. Fr. 234. ἄνδϱ̕ ελαιοι (ſchr. ἜΛΑΟΝ) Δεκελειόϑεν ἁμπϱεύοντες, naͤmlich als Wegweiſer gegen Aphidna. Nach Alkman (Frgm. 3 Welck. und dem Epigr. des Kaſtens des Kypſelos (Pauſ. 5, 19, 1.) eroberten ſie ſelbſt Athen. Wie damit die wahrſcheinlich Alkmani - ſche Gloſſe: Ασαναίων πόλιν τὰς Αφίδνας, bei Heſych zuſammen - haͤngt, iſt dunkel.. Von der Beute ſollte, nach der Spartaniſchen Sage, der (aͤlteſte) Tempel der Chalkioͤkos zu Sparta erbaut ſein. Auch hier nimmt die Geſchichte auf die Sage Ruͤckſicht; die Lakedaͤmonier waren fortwaͤhrend in einer gewiſſen freundſchaftlichen Verbindung mit Dekeleia; und es440 war ſicher nicht ohne beſondern Grund, daß ſie im Meſſeniſchen Kriege auf Orakelgebot den Mann von Aphidna, Tyrtaͤos, kommen ließen. Da aber die Tyndariden, d. h. ihre Bilder, wie oben erwaͤhnt, ein jedes Spartaniſche Heer auf Auszuͤgen begleiteten: ſo wird man auch hier vielleicht irgend einen Doriſchen Zug nach den noͤrdlichen Theilen Attika’s annehmen duͤr - fen, der dieſe bleibenden Folgen hinterlaſſen.

441

12.

1.

Ruhige und unbefangene Leſer, die der bisher ge - gebenen Entwickelung vielleicht mit ziemlicher Beiſtim - mung gefolgt ſind, werden von hier an, wo wir die Peloponneſiſche Heraklesfabel behandeln, Anſtand neh - men ſo fortzufahren, entweder weil ſie ſich zuſehr allen hiſtoriſchen Boden unter den Fuͤßen weggezogen glau - ben, oder weil ſie eine ſo durchgreifende Critik uͤber Entſtehung und Bildung der Mythen, wie eben darge - boten wird, zu kuͤhn und anmaßlich finden. Und doch zwingt der Connex der Unterſuchung uns unumgaͤnglich zu der Behauptung: der Peloponneſiſche Heraklesmy - thus habe ſich zum großen Theil erſt nach der Ein - wanderung der Dorier in dieſe Halbinſel durch das Beſtreben derſelben gebildet, das Anrecht ihrer Fuͤrſten auf den Beſitz dieſer Landſchaft in der Sage darzu - thun, und in Herakles Thaten ihre eigenen Eroberun - gen vorzubilden und zu rechtfertigen1S. oben S. 49 f.. Sie muͤſſen allerdings in der Argiviſchen Fabel unter den Perſiden ſchon einen, vielleicht ſelbſt gleichnamigen, Helden, vorge - funden haben, der ſich eignete, mit dem Vater des Doriſchen Hyllos in eine Perſon zuſammenzuwachſen, und wir werden den Toͤdter des Nemeiſchen Loͤwen als442 einen wirklich altargiviſchen Heros bezeichnen; aber ſchon das Verhaͤltniß des Helden als unrechtmaͤßig zuruͤckgeſetzt gegen Euryſtheus, und darum zu Muͤhe und Noth verdammt, gehoͤrt augenſcheinlich der Dori - ſchen Sagenbildung an, und was damit zuſammen - haͤngt, die Feindſchaft der Hera gegen den Helden, die theils aus Apolliniſchen Mythen uͤbertragen ſein, theils den Gegenſatz des alten Landcultus und des eindrin - genden Stammes bezeichnen kann.

Nach dieſer Vorerinnerung moͤgen wir uͤber die einzelnen Heraklesſagen dieſes Cyklus zu urtheilen wa - gen, die gleich fuͤr den erſten Anblick in zwei ganz verſchiedene Claſſen zerfallen, in Waffenthaten und Thierkaͤmpfe. Wir wollen von den letztern zuerſt han - deln1Den allerdings auffallenden Unterſchied beider hebt u. Aa. Dio Chryſoſt. Or. 47, 523 b. c. hervor. Ueber die Alexandriniſche Erfindung der zwoͤlf Kaͤmpfe hat ſchon Zoëga (Bassiril. 2. p. 46.) genuͤgend gehandelt; hernach Ouwaroff Exam. critique de la fable d’Hercule..

Nemea lag nur durch einen Bergruͤcken und eine lange Felſenſchlucht von dem Argiviſchen Heraͤon, dem alten Haupttempel der Gegend, getrennt. Daß in die - ſem Cultus der Mond ſehr bedeutend vorkam, iſt un - laͤugbar, wenn auch Hera als eigentliche Mondgoͤttin zu betrachten voreilig waͤre. So heißt nun auch Nemea Tochter des Mondes2Schol. zu Pind. N. Arg. p. 425 Bh. Auch weidete dort Argos nach der Sage die heiligen Hera-Kuͤhe., und der Loͤwe daſelbſt gleicher - weiſe eine Geburt der Selene: eine Fabel, fuͤr deren Alter daraus geſchloſſen werden kann, daß Anaxagoras ſie als allgemein beglaubigt fuͤr das phyſiſche Dogma der Antichthon benutzte3bei den Schol. Apoll. Rh. 1, 498. vgl. Orph. Fragm. 9, Auch ein Epimenideiſches Fragment bei Aelian N. A. 12, 7. erwaͤhnt dieſen Mythus, dann Herodor bei Tatian 1. p. 164. (bei Juſtin.. Ohne Zweifel haͤngt damit443 die Heſiodiſche Sage zuſammen, daß die Gottheit Hera ſelbſt den Loͤwen erzogen: was ſie dort zwar nur als Feindin des Herakles, fruͤher aber wohl in einem an - dern Sinne that. Hiedurch zeigt ſich allerdings ein ſymboliſches Colorit der Sage, und ſie naͤhert ſich im Charakter der von Perſeus und der Gorgo u. ſ. w.: obgleich wir freilich eine vollſtaͤndige Deutung derſelben in dieſem Sinne kaum mehr verſuchen koͤnnen. Auch der Kampf mit der Lernaͤiſchen Hyder moͤchte auf aͤhn - liche Weiſe zu faſſen ſein; Herakles braucht dabei nach alten Kunſtdarſtellungen1Vgl. das alte Vaſengemaͤlde bei Millin 2. pl. 75. mit der Beſchreibung der Delphiſchen Tempelmetopen bei Eurip. Jon 196. Mit Pfeilen toͤdtet er ſie indeß auf dem Kaſten des Kypſelos. die Harpe, mit der Perſeus die Gorgo enthauptete. Wie man aber dieſe Kaͤmpfe auch faſſe, ob ſymboliſch oder als Erinnerungen aus einer Urzeit, in der Griechenland von Lindwuͤrmern und wilden Beſtien zu reinigen des Helden erſtes Ge - ſchaͤft war, ſo iſt doch klar, daß ſie eben ſo wenig hineinpaſſen in ihre angebliche Zeit, kurz vor den Pe - lopiden, als in den Charakter der uͤbrigen Fabel. Man beachte nur das Coſtuͤm. Es iſt ausgemacht, daß der Herakles der aͤltern Dichter ein entweder mit Speer und Schild, wie im Heſiodiſchen Gedichte, oder mit Bogen und Wehrgehenk, wie in der Homeriſchen Ne - kyia211, 600. vgl. 8, 224. Il. 5, 393., ausgeruͤſteter Held war3Heinrich Proll. in Scut. p. 69. Diſſen Expl. Pind. I. 5. p. 525. Buttmann zu Soph. Philokt. 726. Auf dem angef. K. des Kypſ. ſah man Her. mit Pfeilen u. auch mit dem Schwerdt. αἰχματὰς in Archilochos μέλος.; die letztere Dar - ſtellung kam beſonders in den verhaͤltnißmaͤßig ſpaͤ -3Martyr. ed. Col.), denn ſo iſt fuͤr Ἠϱοδότου zu ſchreiben, ferner Eu - phorion Fr. 47. p. 111 Meinecke. Zu den dort geſammelten Stel - len fuͤge noch Plut. de facie Lunae 24. de fluv. 18, 4. Steph. B. Ἀπέσας. vgl. Hygin fb. 30.444 ten Gigantomachieen in Anwendung; die erſte liegt in allen den Sagen, wo Herakles als Vorkaͤmpfer und Eroberer gefaßt wird. Aber den halbnakten Wilden, mit dem Loͤwenfell um die Lenden und deſſen Rachen als Helm uͤber den Kopf, und nichts als die Keule in der Fauſt, brachten erſt Peiſandros und Steſichoros auf1Athen. 12, 512 f. Str. 15, 688. Eratoſth. Kataſt. 12. Suid. Πείσανδϱος. vgl. Schol. Apoll. 3, 1197. uͤber die eherne Keule des Her. bei Peiſandros., und Strabon ſah noch alte Holzbilder, die dieſe Tracht nicht zeigten. Peiſandros war es aber zugleich, der die Thierkaͤmpfe des Herakles, ſo viel wir wiſſen, nach den abgeriſſenen Erwaͤhnungen der Theogonie, zu - erſt ausfuͤhrlich darſtellte, und uͤberhaupt die ἂϑλους componirte, wozu er denn allerlei Peloponneſiſche Ein - zelſagen benutzt haben mag.

2.

Wir kommen zweitens zu den Kriegsthaten des Helden, von denen wir behauptet haben, daß ſie die Eroberungen der Dorier ſelbſt im Peloponneſe vor - bilden. Man darf nur uͤberſchauen: wie Herakles, ſelbſt am Ende ſeines Lebens Fuͤrſt von Myken2S. oben S. 54., zu - gleich Sparta den Hippokontiden entreißt und dem Tyn - dareos anvertraut, und Pylos von Neleus erobert und dem Neſtor uͤberlaͤßt3Vgl. Iſokr. Archidam. 6. Marm. Farnes. p. 152. bei Marini, u. Aa., um das entſprechende der Sa - ge und Geſchichte einzuſehen. Welche Momente zur Ausbildung dieſer Sagen mitgewirkt, laͤßt ſich am deut - lichſten bei dem Kampfe um Pylos nachweiſen. Denn Hades Antheil daran, wobei der Gott ſelbſt von dem kuͤhnen Zeusſohne verwundet wird4ἐν Πύλῳ ἐν νεκύεσσι Il. 3, 395. verſtehe ich eben ſo wie Pauſ. 6, 25, 3. Apolld. 2, 7, 3. Die Verwundung des Hades erzaͤhlte auch Panyaſis, Arnob. adv. gent. 4, 25. Nach demſelben (bei Klem. Protr. p. 23 Sylb. ) wurde auch Hera bei Pylos (die Il. 5,, iſt nach dem oben445 dargelegten Zuſammenhange als von Ephyra uͤbertra - gen anzuſehen, wo der Gott groͤßere Veranlaſſung zum Schutze der bedraͤngten Stadt hatte, als bei Pylos1Indeß war bei Pylos Triphyliakos auch ein Heiligthum des Hades auf B. Minthe.. Pylos aber ſoll Herakles zerſtoͤrt haben, weil Neleus ihn fuͤr Iphitos Mord nicht reinigen und ſuͤhnen ge - wollt2Schol. Il. 5, 392. Ven. 2, 336. p. 65. aus Heſiods Καταλόγοις. Diod. 4, 31. was hernach Deiphobos beim Apollontem - pel zu Amyklaͤ gethan3Apolld. 2, 6, 2. Schol. Ven. Il. 2, 88. Marm. Farnes. p. 151. wobei vorausgeſetzt wird, daß Oechalia, Iphitos Vaterſtadt, in Meſſenien liege, was, wie oben gezeigt, nicht die urſpruͤngliche Sa - ge iſt.

3.

Am deutlichſten iſt die Ruͤckwirkung des hi - ſtoriſch Geſchehenen auf die Mythe in der Sage zu er - kennen: wie Herakles die Olympiſchen Spiele geſtiftet, da er als Sieger (Καλλίνικος) vom Heereszuge gegen Augeas von Elis zuruͤckkehrte. Die ausfuͤhrlichſte Er - zaͤhlung davon giebt Pindar, und ſeinen Ausdruͤcken nach die ſichere Kunde hat der weiterſchreitende Kro - nos verkuͤndet auch eine beſonders authentiſche; viel - leicht ſchoͤpft er, da er das Anſehn epiſcher Dichter nicht ſo hoch anzuſchlagen pflegt, aus Liedern, die zu Olympia lokal waren4O. 11, 57. Die Namen der Sieger vielleicht aus oͤffentl. ἀνα - γϱαφαῖς, die auch auf das Mythiſche zuruͤckzugehen pflegten, wie die der Heraprieſterinnen zu Argos. Mit V. 59. vgl. Etym. M. Δαιτήϱιον ἐν Ἰλιάδι, corr. ΗΛΕΙΑΙ, der Ort, wo Her. die Beute des Eleiſchen Krieges vertheilt.. Darnach feiert Herakles dieſe erſte Olympiade gleich als ein panegyriſches Feſt des4392. laͤßt dies unbeſtimmt) verwundet. vgl. Schol. Il. a. O. Ven. 11, 689. Lykophr. 39. mit Tzetz. Die Verwundung des Ares knuͤpft ſchon der Heſiod. Schild V. 368. daran, den Kampf mit Phoͤhos und Poſeidon Pindar O. 9, 33. Boͤckh Expl. p. 189.446 ganzen Peloponnes mit vielfachen Preiskaͤmpfen, in de - nen Helden aus Tiryns, Tegea, Mantineia, Spar - ta1Wenn Doryklos der Δοϱυκλεὺς des Apolld. 3, 10, 5. iſt. ſiegen; auch iſt er es, der die fuͤnfjaͤhrige Periode fixirt und den Gottesfrieden einrichtet2Polyb. 12, 26, 2. Vgl. oben S. 252., Thaͤtigkeiten, an die er ſich ſchon im nordhelleniſchen Mythus ge - woͤhnt hatte. Auch daß er den wilden Oelbaum, mit dem ſpaͤter die Altis bepflanzt war, von den Hyper - boreern holt: iſt wohl aus dieſen noͤrdlichen Sagen uͤbergetragen3S. Pindar O. 3, 14. Den Zuſammenhang der Erzaͤhlung daſelbſt faſſe ich ſo. Her., die Hindin der Artemis jagend, kommt dabei bis zu den Hy - perboreern, an den Quellen des Iſtros, und erblickt dort die herr - lichen Oelbaͤume. Nachher, da er die Olympien gruͤnden will, er - innert er ſich deſſen, und holt zur Bepflanzung der kahlen und ſonnigen Ebene junge Staͤmme von da herbei. Ueber den κό - τινος von Olympia iſt jetzt Schneider Index Theophr. T. 5. P. 424. zu vgl., in denen Herakles zum Apollon in weit naͤherem Verhaͤltniſſe ſtand, als in der Pelopon - neſiſchen Gemeinſage. Doch iſt zu bemerken, daß He - rakles auch auf dem Zuge gegen Elis mehrere Apollo - heiligthuͤmer, zu Pheneos und bei Thelpuſa, gegruͤndet oder beſucht haben ſoll4Pauſ. 8, 25, 5. 15, 2. vgl. oben S. 200, 2.; beide an der Straße, die den Iſthmos und das noͤrdliche Griechenland mit Olympia verband5S. die Karte.. Nun wuͤrde man aber auf bedeutende Schwierigkeiten ſtoßen, wenn man die Aus - bildung der Sage von Herakles, als Gruͤnder der Olympien, erſt in die Zeit nach der Olympiade des Iphitos ſetzte; denn da ſeit dieſer Zeit die Eleer die Feier leiteten, und deswegen auch dem Herakles be - ſondere Verehrung erwieſen: ſo konnte ſchwerlich ein Krieg gegen Elis als Veranlaſſung der Stiftung an -447 geſehen werden, wenn dies nicht ſchon in fruͤherer Sa - ge feſt ſtand. Aber es iſt auch ſonſt wahrſcheinlich, daß ſchon vor dieſer Zeit Piſa die Leitung des freilich noch nicht ſo angeſehenen Feſtes hatte weil die Pi - ſaten ſpaͤter ſie beſtaͤndig als ein altes Recht zuruͤck fordern und daß damals ſchon dem Herakles, der zu Piſa ein uraltes Schnitzbild hatte1Apolld. 2, 6, 3., die Gruͤndung beigemeſſen wurde, die ſich dann freilich ſehr vortreff - lich an einen Krieg gegen Elis anſchloß. In den Kampf mit Augeas dem Sonnenſohne um die Rinder ſcheint mir viel aus einer Epirotiſchen Geryonis jener aͤltern, oben angedeuteten, Form heruͤber genommen worden zu ſein.

4.

Wenn wir ſo einige der Momente bemerklich gemacht haben, unter denen ſich die Peloponneſiſche Heraklesfabel bildete, ſo vermeinen wir doch keines - weges, damit eine voͤllige Entwickelung derſelben zu geben, die theils unmoͤglich iſt ohne Eingehen in man - nigfache anderweitige Verhaͤltniſſe, theils an ſich ſchwer. Denn da die Sagenbildung ſtets eine unbewußte Thaͤtigkeit iſt, weil abſichtliche und vorſaͤtzliche Erfin - dung das religioͤſe Gemuͤth des alten Volks auf das aͤrgſte empoͤrt haͤtte: ſo wird in ihr immer mit einem ſchon Vorhandenen ein Neuhinzutretendes ſo allmaͤlig verſchmolzen, und Jenes mit Dieſem ſo nach und nach durchdrungen, daß die Fugen und Suturen der Ver - bindung faſt nicht mehr nachweisbar, ſondern die Ver - ſchiedenartigkeit nur an den entgegengeſetzten Ecken und Enden bemerkbar zu machen iſt. Aber auch durch den dargelegten Verſuch ſchon wird deutlich, wie Grundge - danken und Hauptfakta jener altdoriſchen Sage hier unter andern lokalen Verhaͤltniſſen, und vermiſcht mit448 einheimiſchen Sagenkreiſen ſich wiederfinden, ſo daß man an der Einwirkung der einen Sagenreihe auf die an - dere nicht zweifeln kann. Wollte jemand aber vielleicht die Peloponneſiſche Sage jederzeit fuͤr die vorhergehende, die noͤrdliche fuͤr die abgeleitete, z. B. die Thaten des Herakles am Epeirotiſchen Acheron fuͤr juͤnger als den Kampf um Pylos, erklaͤren, weil wirklich die letztere von epiſchen Dichtern theilweiſe fruͤher und ausfuͤhrli - cher erwaͤhnt wird: ſo iſt dagegen ein fuͤr allemal zu ſagen, daß wenn es irgend eine wiſſenſchaftliche Mythenkritik geben ſoll dieſe einem hoͤhern Geſetze als dem Alter der zufaͤllig erhaltenen Dichterſtellen folgen muͤſſe, und dann gewiß keinem andern, als dem auszumittelnden organiſchen und ſonach urſpruͤng - lichen Zuſammenhange eines Mythenkreiſes, aus deſſen Bildungsprinzip erſt Geneſis und Geſchichte der einzel - nen Mythen begriffen und beſtimmt werden kann.

Weit leichter iſt die Aufgabe ſolcher Deduktionen bei Mythen, welche in Colonien oder denen Laͤndern ſpielen, mit welchen die Griechen erſt ſpaͤter bekannt geworden ſind, weil die auf die Mythenbildung einwir - kenden Umſtaͤnde hier mehr innerhalb des Geſichtskrei - ſes unſerer geſchichtlichen Kenntniſſe liegen. Zugleich aber erlaubt die hier beſtimmt nachweisliche Art der Entſtehung durch Analogie ruͤckwaͤrts zu ſchließen auf die Geneſis ſolcher, die außerhalb dieſes Kreiſes liegen.

5.

Von Sparta, wo Herakles ganz vorzuͤglich verehrt wurde, hatte ſich das Anſehn des Dienſtes nach den Kolonien, namentlich Tarent1S. Heyne ad Aen. 3. Exc. 14. Daher die Kolonie He - rakleia. und Kroton verbreitet. In der letztern Stadt genoß Herakles ſelbſt die Ehren eines Gruͤnders2ΟΙΚΙΣΤΑΜ auf Muͤnzen.; es ſcheint, daß man ihn auf449 dem Ruͤckwege von Erytheia den erſten Grund derſel - ben legen ließ1Jamblich Pyth. 10.. Dann trug man auch die im Lakoni - ſchen Amyklaͤ ſchon lokaliſirte Sage von der Reinigung und Suͤhnung des Heros auf Kroton uͤber, wozu der hier ſo angeſehene Apolloncult mitwirkte. Daher ſieht man auf Muͤnzen der Stadt den noch jugendlichen Hel - den, Bogen, Koͤcher, Keule neben ſich, vor einem Al - tar mit brennendem Feuer ſitzen, und einen Lorbeer daruͤber ſengen2Mus. Pembrock. P. 2. tb. 16. Eckhel N. Anecd. tb. 1. n. 13., von deſſen Erklaͤrung die meinige einiges abweicht.. Es haͤngt damit irgendwie zuſam - men, daß Philoktet die Herakleiſchen Geſchoſſe im Tem - pel des Apollon Alaͤos bei Kroton niedergelegt haben ſollte, und die Krotoniaten ſie in das Apolloneion in - nerhalb der Stadt brachten3Ariſt. Mirab. Ausc. 115.. Auf jenen Muͤnzen ſieht man ſonſt auch noch den Helden oͤfter mit einem Weinbecher in der Hand entweder liegend oder ſtehend und ſich vorbeugend; dazu giebt die Legende die Er - klaͤrung: Herakles, der immer durſtige, habe vor ei - nem Hauſe in Kroton nach Wein verlangt, aber die Frau haͤtte dem Manne abgerathen, das Faß des Fremdlings wegen zu oͤffnen, darum traͤnken die Wei - ber der Gegend niemals Wein4Athen. 10, 441. aus Alkimos Italike..

6.

Den Koiſchen Heraklesmythus, wie ihn ſchon Homer erzaͤhlt, ſetzen wir als bekannt voraus. Ein - wirkende Momente auf die Entſtehung deſſelben ſind, erſtens das Vorhandenſein Heraklidiſcher Herrſcherfa - milien auf Kos, die in primitiver Sage, wie aus dem innern Connex nachgewieſen, ihren Urſprung an die Er - oberung von Ephyra knuͤpften, in abgeleiteter aber an einen angeblichen Aufenthalt des Heros auf der InſelII. 29450ſelbſt, wo er mit der Tochter des Meroperkoͤnigs den Stammvater jener Haͤuſer gezeugt. Die Sage von dieſem Aufenthalt aber iſt wieder veranlaßt worden durch einen ſeit alten Zeiten auf Kos einheimiſchen Cultus, deſſen Gegenſtand nach Helleniſcher Anſicht Herakles war, nach geſchichtlicher indeß ſchwerlich. Denn die Eigenthuͤmlichkeit dieſes Cult der Prieſter zog bei dem Feſte deſſelben, Ἀντιμαχία, im Fruͤhjahre ein Weiberkleid an, weil der Held bei einem Kampfe ſich ſelbſt in die Kleider eines Weibes verſteckt habe1Plut. Qu. Gr. 58. p. 409. Nikomachos bei Lydus de menss. p. 93. weist auf Urſprung aus dem nahen Aſien; welches auch ſchon Mythologen des Alterthums veranlaßte, den Koiſchen Herakles fuͤr den Idaͤiſchen Daktylen zu er - klaͤren2Diſſen Expl. Pind. I. 5. p. 525.. Die Frauen ſcheinen bei demſelben Feſte Kuͤhe vorgeſtellt zu haben3wie man aus Ovid M. 7, 364. erraͤth. Vielleicht hing das Feſt des Her. mit dem der Hera zuſammen, uͤber das Athen. 6, 262.. Jene Verkleidung aber kam wahrſcheinlich auch vor im Lydiſchen Cultus des (von den Griechen Herakles genannten Heros) San - don4Jo. Laur. Lydus de magistr. 3, 64. p. 268.: denn Omphale ſoll dem weibiſchen Helden ein durchſichtiges und mit Sandyx hellroth gefaͤrbtes Ge - wand umgethan haben; eine Mythe, der augenſchein - lich ein Feſtgebrauch die Entſtehung gab. Der Mann in der Knechtſchaft des wolluͤſtigen Weibes war hier ſymboliſcher Ausdruck einer weichlichen Naturreligion; die Griechen dachten dabei an den Heros im Dienſte des Faineant Euryſtheus; die Sagen von Herakles Dienſtbarkeit gaben bequeme Anknuͤpfung: oder auch die Alles vermittelnde und vereinigende Argonautenfahrt. Dieſer Mythus kommt zuerſt bei Pherekydes, bei Hella - nikos dem Lesbier, der ſich auf Sagen der Stadt Ake -451 le bezieht1Steph. Byz. Ἀκέλη., und bei Herodot vor, deſſen Genealogie der aͤltern Lydiſchen Koͤnige: Herakles Alkaͤos (aus Hel - leniſchem Mythus) Belos (Babylon) Ninos (Ni - nive) Agron u. ſ. w. eine recht treffende Parallele iſt zu Danaos Geſchlechtsfolge und andern der Art.

7.

Sehr verwandten Urſprungs iſt die Fabel von Hylas. Hylas wurde lange ſchon von den Ureinwoh - nern Bithyniens an den Quellen um Sommersmitte ge - rufen2S. Bd. 1. S. 293., ehe die Griechen dort ihr Kios gruͤndeten; dieſe aber eigneten ſich den Mythus von dem ins Waſ - ſer gefallenen Knaben an, und verwebten ihn, da ſie Herakles als κτίστης verehrten3S. die Muͤnzen., mit der Fabel dieſes Heros, die ſchon wenigſtens einen ſolchen geliebten Knaben des Helden kannte, den Hellanikos Theiomenes, Sohn Theiodamas des Dryoperkoͤnigs, nennt4bei Schol. Apoll. 1, 131, Die Genealogie iſt hernach auch auf Hylas uͤbergetragen worden. In der Sparta - niſchen Fabel war Elakatos (Soſibios bei Heſych Ἠλακάτια) Her. παιδικά.. In Phrygien war Lityerſes Tod Gegenſtand eines alten Geſanges, und wer hatte ihn nun nach Griechi - ſcher Sage erſchlagen, als der, der uͤberall im Barba - renlande ſo furchtbar gehaust5Vgl. beſonders die Fragmente von Soſitheos Ly - tierſes mit Eichſtaͤdts Anmerkungen, und oben S. 347.? So Fremdartiges arbeiteten die Griechen ohne ſonderliche Muͤhe in ihre Mythologie hinein. Herakles war ſchon in den Ur - ſitzen ſeines Mythus ein nach außen thaͤtiger Held, ein Grenzwart und Markgraf ſo zu ſagen; jetzt als Eigen - thum aller Helleniſchen Staͤmme uͤbernahm er den Schutz fuͤr jede Erweiterung des Helleniſchen Namens, und je kuͤhner ein einzelner Punkt der Nation in das Barbarenland vorgeworfen war, um deſto mehr be - durfte er dieſes Hortes, und um deſto mehr Dichtun -29 *452gen feierten ihn. So kaͤmpfte er um den Beſitz des Lan - des, das die Boͤotiſch-Megariſche Herakleia am Pontos gewonnen, gegen die ureinwohnenden Bebryker, ſo fuͤr Kyrene gegen die einheimiſchen Libyer. Denn es iſt mir nicht zweifelhaft, daß der Ringkampf mit dem durch die Beruͤhrung der Erde ſtets neuerkraͤf - tigten Erdenſohn Antaͤos1Unter den Stellen bei Creuzer Symb. 1. S. 326. ſind die des Pherekyd. Pindar u. Apolld. vorzugsweiſe zu beruͤckſichtigen. nichts anders als den Streit Helleniſcher Anſiedler mit den oft uͤberwundenen aber aus der Wuͤſte immer in vermehrter Anzahl hervor - ſtuͤrmenden Horden Libyens bedeutet. So verdankt die Fabel von Herakles und Buſiris ihre Entſtehung den Zeiten, wo die Griechen eben erſt in Aegypten bekannt wurden, und noch ſehr dunkle und duͤſtere Vorſtellun - gen von dem Lande hatten; daher ſie Herodot ſchon als thoͤrigte Erfindung der Jonier darſtellt. Buſiris duͤnkt mir der mit dem Artikel verſehene Name des Haupt - gottes, der hier als grimmiger Tyrann gefaßt wird; er laͤßt den Helden zum Menſchenopfer abfuͤhren, bis dieſer ſich ploͤtzlich ermannt, und den Tyrannen ſammt der feigen Rotte erſchlaͤgt.

8.

Bei dieſem Beſtreben der Ausbreitung und Verarbeitung des Mannigfaltigſten zu einer großen Maſſe, war es natuͤrlich, daß, als die Griechen beim Phoͤnikiſchen Gott Melkart, Sohn des Bal und der Aſtarte (Ἀστερία), einige verwandte Zuͤge fanden, ſie auch dieſe hineinzogen. Der Tempel dieſes Gottes zu Gadeira bewirkte, daß das Endziel der Geryoni - ſchen Fahrt, die in ihrem Urſprunge uns freilich ganz Griechiſch ſcheint, hier feſtgeſtellt wurde; und die be - nachbarten Herakles - oder Briareos-Saͤulen2Ariſtot. bei Aelian V. G. 3, 5. vgl. Schwarz de co - lumnis Herc. Opusc. 2. p. 205. Peringer de templo Herc. ſind453 auch wohl urſpruͤnglich als Werke des Melkart gedacht. Der Herakles der Karthager1Der Afrikan. Her. Makeris nach Pauſ. 10, 17, 2.; der Phoͤnikiſche Διωδᾶς nach Euſeb. Scal. p. 26. im Griech. Text. In - ſeln des Her. bei Neu-Karthago in Spanien, Athen. 3, 121 a. Neben dem Her. zu Karthago auch ein Jolaos, Polyb. 7, 9, 2. Eudoxos bei Athen. 9, 392 d. war auch wandernd, erobernd, unterwerfend gefaßt, ſeine Provinz war die Inſel Sardo2Pauſ. a. O., die ebenfalls in den Griechiſchen My - thus hineingezogen wurde; er hatte auch Hispanien durchzogen3Sal - luſt. Jug. 21. wo auch von ſeinem Tode in Hiſpanien geſprochen wird. vgl. Str. 17, 828.. Derſelbige iſt der Purpurerfinder in Ty - riſcher Sage4Pollux 1, 4, 45.; ihm war die Wachtel heilig, deren Geruch ihn einſt vom Tode aufgeweckt haben ſollte5Eu - doxos a. O. Euſt. zur Il. 1702, 50. Zenob. ὄϱτυξ ἔσωσεν. vgl. zu alle dem die geiſtreiche Behandlung dieſes Mythus in Hee - rens Ideen Bd. 1, 2. S. 129.. Doch greift das Phoͤnikiſche Element nirgends ſo tief in den Kern des Herakleiſchen Mythus ein, daß es nicht mit Leichtigkeit geſchieden und abgeſondert werden koͤnnte, ohne im Geringſten die Integritaͤt des Mythus dadurch zu verletzen; denn wenn auch der Dienſt von Thaſos und Jalyſos Phoͤnikiſch, wie der zu Erythraͤ etwa Aegyptiſch iſt6Vielleicht ſeit Kyros. Vgl. Bd. 1, S. 121.: ſo iſt doch die Eigenthuͤmlichkeit beider ſo fruͤh verdraͤngt und vom Helleniſchen Mythus verſchlungen worden, daß wir keinen einzelnen Zug der - ſelben dort nachweiſen koͤnnen. Die erſte nachweisliche Vermiſchung des Doriſchen und Phoͤnikiſchen Heros liegt vielleicht darin, daß der Spartaniſche Koͤnigſohn Dorieus (Ol. 65.) ſich deswegen am Berge Eryx ein Reich gruͤnden wollte, weil Herakles dieſe Gegend wei -2Gaditani. Ueber Her. -Briareos vgl. noch Zenob. Prov. οὗτος ἄλλος Ἡϱ.454 land erobert1Herod. 5, 43. Pauſ. 3, 16, 4.; auf Eryx aber lebte Dienſt und Name der Phoͤnikiſchen Aphrodite (Aſtarte) und ſo wohl auch ihres Sohnes des Melkart.

Unter den Idaͤiſchen Daktylen, uralten Daͤmonen Phrygiſch-Kretiſcher Religion, nannte wenigſtens ſchon der Orphiker Onomakritos2bei Pauſ. 8, 31, 1. umdeutend einen Herakles; auf den auch hie und da im ausgebildeten Mythus Bezug genommen wird3Die Uebertragung des Idaͤiſchen Daktylen nach Olympia bezeugt Pauſ. 6, 21, 5. vgl. 23, 1., der den Phoͤnikiſchen damit verwech - ſelt, 9, 27, 5. Vielleicht iſt auch der die Kinder ins Feuer wer - fende der Idaͤos, weil ein S. deſſelben Klymenos heißt (Pherek. Sch. Pind. J. 4, 104.), und Klymenos auch Nachkomme des Her. Idaͤos, Pauſ. 6, 21, 5..

9.

So peremtoriſch der Zweck dieſer Auseinan - derſetzung und der fuͤr dieſelbe beſtimmte Raum uns zwang die uͤber die urſpruͤnglichen Graͤnzen hinausge - hende Erweiterung des Herakles-Mythus zu behandeln: ſo wenig machen die folgenden Saͤtze uͤber das Weſen und die Grundidee deſſelben Anſpruch auf Allſeitigkeit, Ergruͤndung und allgemeine Befriedigung. Doch koͤn - nen wir uns darauf als ziemlich geſichert beziehn, daß, was in dieſer Heldenfabel aus Naturreligionen ſtammt, erſt von außen hinzugetreten iſt und nicht den Lebens - kern ausmacht. Dieſer iſt vielmehr der Grundgedanke aller heroiſchen Mythologie: ein ſtolzes Bewußtſein der dem Menſchen inwohnenden eigenen Kraft, durch die er ſich, nicht durch Vergunſt eines milden huldreichen Geſchicks, ſondern grade durch Muͤhen, Drangſale und Kaͤmpfe, ſelbſt den Goͤttern gleichzuſtellen vermag. Dem Herakles wird das hoͤchſte Maas menſchlicher Kraft im Wagen und Ertragen gegeben, und dabei ein ſo edles Streben als es jene Zeit kannte; aber er wird455 keineswegs als ein von den Schlacken der Menſchheit freies Weſen vorgeſtellt; vielmehr geht jene Kraft oft ins Schrankenloſe, und wird convulſiviſch durch Ueber - fuͤlle1Daher auch die Sage, daß Her. der fallenden Sucht un - terworfen geweſen., und der edle Zorn und Unmuth des Vieldulden - den ſchlaͤgt in furchtbare Wuth aus. Aber fuͤr jegli - chen Frevel buͤßt er durch neues Leid, und keines beugt den unverwuͤſtlichen Muth, bis er verklaͤrt und gelaͤu - tert zum Olymp aufſteigt, und die ewige Jugend in die Arme ſchließt, waͤhrend ſein Eidolon im Hades noch immer mit ausgeſpanntem Bogen droht. Wie in Apol - lon die Gottheit in die Kreiſe menſchlichen Lebens her - abtritt, ſo ſtrebt in Herakles eine rein menſchliche Kraft zu den Eoͤttern empor. Dieſem entſpricht Herakles auch in ſeiner goͤttlichen Funktion als Ἀλεξίκακος und Σωτὴρ2Dieſer Cult ging ſicher von Delphi aus, da das Delph. Orakel bei Demoſth. Mid. 15. den Athenern gebeut πεϱὶ ὑγιείας dem hoͤchſten Zeus, Herakles und Ap. Proſtaterios zu opfern. Ueber Her. Alexikakos Libanios Ep. 12. Dio Chryſoſt. Or. 1. p. 17. Schol. Ariſt. Wolken 1375. und zu Apoll. Rh. 1, 1218. vgl. Marini Ville Alb. p. 141. n. 152. An dieſen iſt gewoͤhnlich bei dem Ausruf Ἥϱακλες, me Hercules, zu denken. Als ſol - cher erhielt er Schafe aber nur nachgemachte zum Opfer (ſonſt hat Her. Schweine) und hieß Μήλων zu Theben, Pollux 1, 1, 27. 30. und zu Melite in Attika. S. Apollod. bei Zenob. 5, 12. Heſych s. v. Μήλων. Schol. Ariſt. Frieden 421. vgl. 740. Suid. Μή - λιος., welche die Oetaͤer ſo weit ausdehnten, daß ſie ihn als Heuſchreckenvertilger (Κορνοπίων), wie die Erythraͤer als Rebenwurmtoͤdter (Ἰποκτόνος) ver - ehrten3Str. 13, 613. Doch iſt dieſer urſpruͤnglich nicht der Helleniſche. Oben S. 453. Auch Ἡϱ. ἀπόμυιος zu Rom nach Klem. Alex. Protr. 1. p. 24. Sylb. wie Zeus zu Olympia.. Was aber uͤberhaupt die Gottheit des Heros anbetrifft, ſo kann dieſe wohl nicht, wie ſchon Herodotos wollte, aus einer Vermiſchung des Phoͤniki -456 ſchen oder Idaͤiſchen Gottes und des Helden von Theben abgeleitet werden, da Herakles auch an ſolchen Orten goͤtt - liche Ehre genießt (z. B. zu Meſſene u. Marathon)1Nach Pauſ. bei dem auch mehrere Daͤdaliſche ξόανα des Her. vorkommen. Der goͤttliche Dienſt zu Sikyon (2, 10, 1.) kann indeß vielleicht dem Idaͤos Daktylos gelten, da dieſe Stadt in alter Verbindung mit Phaͤſtos ſtand., wo an eine ſolche Vermiſchung ſchwerlich zu denken. Son - dern er iſt Gott als das Ziel menſchlicher Kraft dar - ſtellend, wo ſie nach Griechiſchen Begriffen an die Gott - heit anſtreift, als hoͤchſte Potenz des heroiſchen Weſens. Sein Leben und Wirken hienieden aber iſt in den aͤltern Mythen ganz menſchlich, da diejenigen Fabeln, die ihn daruͤber hinausheben, wie z. B. alle ſich um die Gi - gantomachie drehenden2Pindar N. 1, 67. vgl. 7, 90. laͤßt Her. dieſen Kampf mit den Goͤttern u. wohl kurz vor ſeiner Vergoͤtterung kaͤmpfen. Zuerſt kommt Her. Γιγαντοφόνος auf dem Throne des Amykl. Ap. Pauſ. 3, 18, 7. und einigen recht alten Vafengemaͤlden vor., durch ſich ſelbſt ſpaͤtern Ur - ſprung verrathen. In dieſem Beſtreben gingen beſon - ders die Alexandriner und Spaͤteren, z. B. die Erfin - der Orphiſcher Kosmogonieen3Der juͤngern naͤmlich, woruͤber Zoëga nachzuſehen uͤber den uranfaͤnglichen Gott der Orphiker., ſehr weit, welche letz - tern ihn ganz als Symbol kosmiſcher Schoͤpfungskraft brauchten.

10.

Wie wenig die alte Mythe den Herakles von irgend einer Menſchlichkeit entkleiden wollte, ſieht man aus manchen gemuͤthlichen, mitunter derben Zuͤ - gen ſeines Bildes. Herakles iſt geladen oder ungela - den ein jovialer Gaſt, und im Genuſſe nicht eben karg; woran ſich manche Fabel vom Stierfreſſer (Βουθοίνας) und Saͤufer Herakles, von Herakleiſchen Bechern und Ruhebetten, anknuͤpfte. Aber der Grundgedanke liegt ſchon in den alten und fruͤhbearbeiteten Fabeln, von457 ſeinem Aufenthalte bey Keyx1Die ſchoͤnen Verſe des Bakchylides bei Athen. 4. p. 178 b. (Frgm. 32. bei Neue) wo Her., auf die Schwelle des Hauſes von Keyx tretend, wo eben ein großes Mahl geruͤſtet wird, ſagt: Ge - rechte Maͤnner kommen auch ungeladen zum Gaſtgelage Edler, ſind vermuthlich dem Stoffe nach aus Heſiods γάμος Κήϋκος (vgl. Beil. 2.) und Dexamenos; und ſelbſt in Gebraͤuchen ſeines Cultus und ſeiner Feſte2Wenn man dem Her. libirte, ließ man nichts im Be - cher, Athen. 12, 512 e. Die μέλλοντες ἐφηβεύειν brachten ihm ein Maaß Wein. Heſych Οἰνιστήϱια.; die Doriſchen3wie Epicharm im Buſiris und Ἥβας γάμος (oͤfter b. Athen. ) und Rhinton im He - rakles, ſ. Athen. 11, 500 f., wo wenigſten Oſanns (Anal. poesis scaen. p. 71.) Aenderung das Metrum nicht beſſert. wie die Attiſchen Komiker und Satyr - dichter haben den Stoff nur aufgenommen und mit hei - terer Luſt ausgefuͤhrt: die letztern auch noch Spott uͤber die Vieleſſerei ihrer Boͤotiſchen Nachbarn damit verbunden4ſ. z. B. Eubulos bei Athen. 10, 417.. Vor allen Heroen iſt es ferner auch Herakles, den die Mythe in komiſche Situationen zu bringen ſuchte, und gewiſſermaßen ſelbſt neckte. So in der ſchon in einem Homeriſchen Scherzepos5Fabrie. Bibl. 1. p. 378 Harl. wo das Lokal Oechalia in Euboͤa geweſen zu ſein ſcheint, nach der Zuſammenſtellung Οἰχαλίαν, Κέϱκωπας in den Verſen des Jo. Tzetz. bei Bentlei ad Mill. p. 505 Lips. Darnach nannte die Kerk. Diotimos ἄϑλοις Ἡϱακλ. Oechalieer, naͤmlich in Eu - boͤa, von wo ſie Boͤotien verwuͤſteten, (Suid. Ευϱύβατος, Apo - ſtol. 9, 33. Schol. Lukian Alex. 4. 71. ); nach Lydien verſetzte ſie wahrſcheinlich zuerſt Aeſchrion von Sardis in der Epheſis (ſ. Lo - becks treffliche Abhandlung de Cercop. et Cobalis p. 7.); nach den Pithekuſen Xenagoras (πεϱὶ νήσων wie es ſcheint, bei Har - pokr. Laktant. fb. 14, 3. Zenob. Apoſtol. 11, 24.). Unter den At - tiſchen Komikern haben Hermippos und Platon die Fabel behandelt, aber eine unteritaliſche Farce von Skurren dargeſtellt ſehe ich bei Hancarville 3, 88. wo Her. zwei affenartige Kerk. in Netzen oder Gebauern dem auf einem Throne ſitzenden Euryſiheus uͤberbringt. behan - delten Fabel von den Kerkopen, jenen ſchlauen und poſ - ſierlichen Kobolden, die durch Spaͤße und Muthwillen458 den Helden bald erfreuen bald belaͤſtigen, bis er ſie uͤber ſeinen Ruͤcken ſchwingt und mit ſich forttraͤgt, aber ſie doch hernach um des Witzes willen uͤber den Melampygos wieder laufen laͤßt1Das aͤlteſte Lokal der Fabel iſt in den Thermopylen (oben S. 427.); das Spruͤchwort ΜΗ ΤΕϒ μελαμπύγου τύχῃς hatte ſchon Archilochos, wo es aber die Schol. Ven. Il. 24, 315. p. 524. anders zu faſſen ſuchen.. In Kunſtdarſtel - lungen ſind ſie oͤfter als Satyrn behandelt, die dem Helden Koͤcher, Bogen, Keule wegnehmen2Millingen Div. peint. 35. Tiſchbein 3, 37. vgl. Tz. Lyk. 691.; wie auch der ſchon apotheoſirte Herakles ſich beſonders im Thia - ſos der niedern und laͤndlichen Goͤtter gefaͤllt. Auch ſcheint es, daß Spaßhaftigkeit und Skurrilitaͤt oͤfter mit Herakleiſchen Feſtgebraͤuchen verbunden war; ſo gab es in Athen eine Genoſſenſchaft von 60 Maͤnnern, die an den Diomeiſchen Heraklesfeſten ſich ein Ge - ſchaͤft daraus machten, ſich und Andere durch Witz zu necken und zu ergoͤtzen3Athen. 6, 260. aus Hegeſandros, 14, 614 d. aus Telephanes. Vielleicht hatte Her. Paraſiten hier wie in Kynoſarges.. Es wird vielleicht in der Folge klar werden, wie dieſe in Mythe und Cultus nachgewieſenen Vorſtellungen aus der Neigung des Do - riſchen Stammes zu burlesker Komik hervorgingen.

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TextDie Dorier
Author Karl Otfried Müller
Extent492 images; 129172 tokens; 22409 types; 896655 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie Dorier Vier Bücher Erste Abtheilung. Erstes und zweites Buch Karl Otfried Müller. . XXIV, 458 S. MaxBreslau1824. Geschichten Hellenischer Stämme und Städte 2.

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BBAW BBAW, 1994 B 238 - 2,1/2

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LanguageGerman
ClassificationFachtext; Historiographie; Wissenschaft; Historiographie; core; ready; china

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ShelfmarkBBAW, 1994 B 238 - 2,1/2
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