Indem wir vom Doriſchen Staate ſprechen, muͤſ - ſen wir gleich vornweg die Begriffe der Neuern uͤber Urſprung, Weſen und Zweck des Staats bei Seite ſetzen, nach denen derſelbe, wenn man den Meiſten folgt, eine Sicherungsanſtalt der Exiſtenz und Rechte der in ihm enthaltenen Individuen iſt. Der alten Vor - ſtellung davon kommen wir naͤher, wenn wir uns be - gnuͤgen, den Staat als eine im Bewußtſein der Indi - viduen anerkannte und durch Thaͤtigkeiten, die auf das Ganze Bezug haben, ausgeſprochene Einheit zu faſſen. Dieſe Einheit kann aus keiner andern hervorgegangen ſein als einer durch Natur gegebenen, alſo der des Volkes oder eines Stammes oder eines noch geringern Gliedes deſſelben: wenn auch durch geſchichtliche Um - bildung die Begriffe Staat und Volk mehr auseinan - der treten. Je ſtrenger die Einheit iſt, um deſto mehr Thaͤtigkeit wird gemeinſam, um deſto praͤgnanter der Begriff des Staates. Wie er dieſes bei den Griechen[i]m Allgemeinen weit mehr war als bei den Neuern, ſo6 war er es vielleicht nirgends ſo ſehr als bei den Doriern, deren nationale Anſicht vom Staatsleben in der Ver - faſſung Sparta’s am ſchaͤrfſten ausgeſprochen iſt. Hier beſtimmt die Einheit die Vielheit der Perſoͤnlichkeiten am durchgreifendſten, und darum iſt hier das Leben in ſeinen meiſten Kreiſen ein oͤffentliches und gemeinſa - mes. Die hohe Freiheit des Spartiaten wie des Hel - lenen uͤberhaupt war eben nichts als ein lebendiges Glied des Ganzen zu ſein, waͤhrend was man in neuerer Zeit gewoͤhnlich Freiheit nennt, darin beſteht, vom ge - meinen Weſen moͤglichſt wenig in Anſpruch genommen zu werden; oder mit andern Worten: den Staat nach ſeinem Theile moͤglichſt aufzuloͤſen. Der Dorier ſuchte im Staate den κόσμος, die Einigung des Mannig - faltigen. Es iſt ein Grundgedanke dieſes Volkſtammes, den Koͤnig Archidamos bei Thukydides ausſpricht12, 11.: “Das iſt das ſchoͤnſte und das beſtaͤndigſte, daß die Vielheit einem Κόσμος dienend ſich zeige.” Und dar - um feiern die Spartiaten den Lykurgos ſo ſehr, weil er den beſtehenden Kosmos eingerichtet2Herod, 1, 65., und nannten ehrend den Sohn deſſelben Eukosmos3Pauſ. 3, 16, 5. Vgl. oben Bd. 2. S. 63, 1.. Auch hieß deswegen bei den Kretern der hoͤchſte Magiſtrat Kos - mos, bei den Epizephyriſchen Lokrern Kosmopolis. So bezeichnet dieſes praͤgnante Wort wie der Doriſchen Muſik und Philoſophie (des Pythagoreismus), ſo des Doriſchen Staats innerſten Geiſt.
Mit dieſem Streben nach ſtrenger Einheit iſt noth - wendig das nach Beſtaͤndigkeit verbunden. Denn iſt eine ſolche Einheit einmal Zuſtand geworden, ſo ſucht man das ſie ſtoͤrende zu entfernen, und erſtickt dadurch den Samen zu Umwaͤlzungen: obgleich freilich7 das Beſtreben, allen Wechſel auszuſchließen, nie voͤllig ſein Ziel erreicht, da theils die Nationalitaͤt ſelbſt nach innern Geſetzen allerlei verſchiedene Bildungen durch - geht, theils die von außen zudraͤngenden Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe Modiſicationen veranlaſſen. Andere Staa - ten dagegen, die der Vielheit vornweg mehr Raum laſſen, ſtellen auch, wenn jene ein unverruͤcktes Sein, ſo mehr ein mannigfach bewegtes Leben dar, nehmen von Zeit und Ort Dargebotenes bereitwillig auf, ja haſchen leidenſchaftlich nach Anlaͤſſen von Veraͤnderung. Dieſe vielbewegten Staaten werden allerdings bald alle Feſtigkeit und allen Charakter verlieren und ſich innerlich aufloͤſen; aber auch jene ſtetigen muͤſſen end - lich, nachdem ſie lange als Ruinen in fremdartiger Umgebung geſtanden haben, dem allgemeinen Fluß der Dinge weichen, und es pflegt ihrem Untergange die voͤlligſte Zerruͤttung vorauszugehn.
Dieſer Gegenſatz bezeichnet, wenn auch etwas zu ſtark, den des Doriſchen und Joniſchen Stammes. Jene hatten unter allen Hellenen am meiſten Ehrfurcht vor der alten Zeit, und nicht ſchlechter zu ſein als die Vaͤter, war fuͤr Spartiaten die hoͤchſte Ermahnung1Thuk. 2, 11. vgl. 1, 70. 71. Athen. 14, 624 c. Ag.; dieſe dagegen waren neoteriſtiſch in jeglichem Thun und fuͤr fremde Mittheilung ausnehmend empfaͤnglich, daher ſie auch ihre Staͤdte uͤberall ſeelaͤndiſch, die Dorier lieber binnenlaͤndiſch anlegten. Mit welcher Sorge dieſe, namentlich die Spartiaten, den reinen Dorismus, der Vaͤter Sitte, zu erhalten ſuchten, zeigt am meiſten das ihnen mit den Kretern gemeinſame Reiſeverbot2Platon Protag. 342 c. Xenoph. Laked. Staat 14. Plut. Inst. Lac. p. 252., beſonders Iſokr. Buſiris 8. Die Spart. ἐνδημότα - τοι, Thuk. 1, 70. Genaueres unten K. 12. und die Xenelaſia, obgleich davon ſchon8 die Alten ſehr fabelhafte Vorſtellungen hegten1Aus Th. 1, 144. vgl. mit Plut. Agis ſieht man, daß die ξενηλασὶα blos gegen Staͤmme von fremdartigen Sitten, fremder δὶαιτα, galt, z. B. meiſt gegen Athener. Doch war Sparta an den Gymnopaͤdien (Plut. Ageſ. 29. vgl. Kimon 10. Xenoph. Denkw. Sokr. 1, 2, 61.) und andern Feſten voll von Fremden. Cragius de rep. 3. p. 213. Dichter, wie Thaletas, Terpandros, Nym - phaͤos von Kydonia, Theognis (der die freundliche Aufnahme in dem ἀγλαὸν ἄοτυ ruͤhmt, V. 785.), Philoſophen, wie Pherekydes und Anaximandros und der Skythe Anacharſis, wurden gern aufgenom - men; andere Claſſen von Geſchaͤften ausgeſchloſſen. So gab es uͤber Perſonen und Zeit Beſtimmungen. Vgl. noch Plut. Lyk. 27. der ſich auf Th. 2, 44. bezieht. Ariſt. Voͤgel 1013. und Schol. (aus Theopomp. ) und zu Frieden 622. Suid. διειϱωνόξενοι, ξενη - λατεῖν. Theophil. Instit. l. 1. tit. 2. vgl. de la Nauze Mem. de l’Ac. d. I. T. 12. p. 159.. Es mag zur Schaͤrfung dieſer Maaßregeln wohl leicht, wie Plutarch meint, der aus dem entgegengeſetzten Verfah - ren hervorgegangene Verfall aller Zucht und Sitte un - ter den Joniern beigetragen haben; bei denen ſchon in den fruͤheſten Zeiten Verkehr mit den aſiatiſchen Nach - barn die groͤßte Verweichlichung und Erſchlaffung her - beigefuͤhrt hatte. Denn in wie alten Zeiten war hier ſchon das Helleniſche Familienverhaͤltniß zur Sklaverei des Weibes herabgeſunken; wie feig, weichlich und luxu - rioͤs ſtellen ſie ſchon ihre alten Poëten, Kallinos2p. 100. bei Franck. und Aſios3S. Naͤke’s Choerilus p. 74., dar; und wenn die Sage ſchon die Tochter des Kolonieenfuͤhrers Neleus ſo uͤberaus ſittenlos ſchildert4Archiloch. p. 226 Liebel. Lykophr. 1385 u. Tzetz. Etym. s. v. ἀσελγαὶνειν. Ἐλεγηΐς. Ueber die Weichlichkeit der Kodriden, Herakl. Pont. 1., wie mochte es ſein, da die Frauen der Jonier unter Lydiſchen Dirnen gebuhlt hatten! Solcher Beiſpiele warnende Stimme konnte die alten Geſetzgeber wohl anmahnen, das eherne Band der Sitte nur deſto feſter anzuziehen.
Aber bei allem Unterſchiede der Staͤmme, aus denen das Griechiſche Volk beſtand, gab es doch in der Entwickelungsgeſchichte der Griechiſchen Verfaſſungen einen gemeinſamen Gang, der auch auf ſolche, wel - che fruͤhere Momente mit Anhaͤnglichkeit zum Alten feſt - hielten, einen gewiſſen Einfluß aͤußerte. Indem wir hier verſuchen wollen, dieſen Gang im Allgemeinen nachzu - weiſen, beginnen wir bei der durch Homer ſo anſchau - lich dargeſtellten Verfaſſung heroiſcher Zeit. Dieſe koͤnnen wir kaum anders als Ariſtokratie nennen, weil darin fuͤr das Staatsleben nichts bedeutender iſt, als die genaue Trennung der Edeln (ἂϱιστοι, ἀριστεῖς, ἂνακτες, βασιλεῖς, ἐπικρατέοντες, κατακοιϱανέοντες) und des Volks. Aus jenen werden die Rathsverſamm - lungen und die Gerichte beſetzt1S. uͤber die Geronten unten K. 6., und wenn mit bei - den eine Gemeindeverſammlung (ἀγορὰ) verbunden zu ſein pflegt, ſo treten doch darin nur ſtets Edle als vorſchlagend, berathend, ſtimmengebend auf, und das verſammelte Volk iſt nur da, um zu hoͤren und ſeine Stimmung etwa im Ganzen zu aͤußern, auf welche Aeußerungen alsdann Fuͤrſten von milder Geſinnung achten moͤgen2Beſonders muß man auf die Verſammlung Odyſſ. 2. achten, wo indeß Men - tor V. 239. eine eigentlich nicht verfaſſungsmaͤßige Erklaͤrung des Volkes veranlaſſen will. Daß die Homer. Ἀγοϱὰ aber fuͤr ſich Regierungsrechte ausuͤbe, kann ich Platnern de notione juris ap. Hom. p. 108. und Tittmann Griech. Staatsverf. S. 63. nicht zu - geben. Sondern ſie iſt eine Art Wittenagemote, wo nur die Thane Stimmrecht haben, wie bei den Sachſen in England. Das Volk darin bildet eine concio, aber keine comitia. Mehr kann ich mit Wachsmuth Jus gent. ap. Graecos p. 18 sq. hierin uͤberein - ſtimmen.. Der Herrſcher ſelbſt iſt eigentlich von gleichem Stande mit den uͤbrigen Edlen, und nur durch die ihm verliehene Auktoritaͤt, Anſehn im Rathe und10 Gewalt im Kriege, uͤber ſie erhoben. — Dieſe Ver - faſſung dauerte in Joniſchen, Achaͤiſchen, Aeoliſchen Staaten noch eine geraume Zeit fort, wie ſich an man - chen Spuren nachweiſen laͤßt, nur daß die Macht der Herrſcher allmaͤlig ſank und dann ganz hinweggethan wurde. Bei den Doriern aber fand das Eigene ſtatt, daß ſie wenig eigentlichen Adel hatten, denn die Hera - kliden koͤnnen bei ihnen ziemlich allein als ſolcher be - trachtet werden: dagegen trat durch die Eroberung ein ganzes Volk — Waffenehre mit Unabhaͤngigkeit durch Grundbeſitz vereinigend — an die Stelle deſſelben. —
Als aber um die dreißigſte Olympiade Handel und Verkehr mit dem Auslande gewoͤhnlicher, und dadurch ein geſteigerter Lebensgenuß Beduͤrfniß wurde, ſtieg das Vermoͤgen im Werth gegen die Ehre des Ge - ſchlechts. Zwar blieb der groͤßte Grundbeſitz noch fort - waͤhrend in den Haͤnden des Adels: da aber jetzt Ver - ſchwendung des Ererbten leichter moͤglich, und auch dem Unbeguͤterten Ausſicht auf Erwerb geoͤffnet war, war das Vermoͤgen mehr ploͤtzlichen Veraͤnderungen ausgeſetzt. Daß die Geomoren der Joniſchen Samos, wie die Hippoboten der ebenfalls Joniſchen Chalkis, deren Anſehn ſich auf Adel und Landbeſitz gruͤndete, auch den bedeutenden Handel beider Staͤdte getrieben, iſt wahrſcheinlich: ſonſt haͤtte wohl bald der Reichthum des Kaufmanns den des Grundbeſitzers uͤberwachſen. Auch in den Doriſchen Staaten, die am Handel lebhaften Antheil nahmen, zu Korinth, Aegina u. ſ. w., ſuchte man Plutokratie und Ariſtokratie zu vereinigen1Aeginet. p. 133.. Aber daß man auf das Vermoͤgen groͤßern Werth zu legen anfing, veranlaßte ſchon zur Zeit der Sieben Weiſen den Argeier Ariſtodem zu ſagen: χρήματα χρήματ᾿11 ἀνὴρ1Pindar J. 2, 11. vgl. Diſſen Expl. p. 493. Alkaͤos bei den Schol. und Zenob. Prov. , und ſpaͤter klagt Theognis der Megarer, daß das Streben nach Reichthum niederes und hoͤheres Ge - ſchlecht vermiſche, und die Achtung der Menſchen da - von abhange2V. 190.. Griechenlands alte Geſetzgeber achte - ten die Gewalt des Geldes — das bewegliche Mo - ment in dem Staatshaushalte, wie der Grundbeſitz das feſte iſt — hoͤchſt gefaͤhrlich fuͤr die Ordnung der Staa - ten, und ſuchten mannigfach, durch Unterdruͤckung des Handelsſtandes wie durch gebotene Unveraͤußerlichkeit des Grundbeſitzes, der Gefahr zu ſteuern, der ſie doch nicht ganz ausweichen konnten. Nur Sparta blieb durch die eherne Conſequenz ſeiner Einrichtungen von dieſen Veraͤnderungen unberuͤhrt. Dagegen wollte So - lons Geſetzgebung einen Moment fixiren, der an ſich voruͤbergehend war, indem ſie die Reſte der Ariſtokra - tie, namentlich den politiſchen Verband der Geſchlech - ter, ſtehen ließ, aber die Timokratie, in der das Maaß des Vermoͤgens den Antheil an der Regierung beſtimmt, zum Princip ſetzte, und zugleich in dem geringen An - ſatz des dazu erforderlichen Vermoͤgens einen demokra - tiſchen Sinn bewies. Denn Solon preist auch als Dichter den Mittelſtand vor allen, wie Phokylides, und ſuchte ihn ebenſo politiſch zu heben3bei Ariſtot. Pol. 4, 8, 7. 10.. Aber die gewaͤhlte Temperatur war zu fein, um zu dauern, und die Soloniſche Verfaſſung hat in der Hauptſache nur wenige Jahre beſtanden. Auch in andern Joniſchen Staͤdten waren aͤhnliche Ausgleichungen verſucht ohne Feſtigkeit zu gewinnen4vgl. Huͤllmann Staatsrecht S. 103.. Die Zeit wollte unverkennbar auf Demokratie hinaus, und wenn in Athen Solon als Mann des Volks einen allmaͤligen Uebergang eingelei -12 tet hatte: ſo traten ſich anderwaͤrts die Richtungen ſchaͤrfer gegenuͤber, wie dies in Milet der Kampf der Partheien Πλοῦτις und Χειρομάχα recht deutlich ausſpricht1Plut. Qu. Gr. 32. Die Emd. Πλοῦτις wird durch Ver - gleichung von Athen. 12, 524. noch wahrſcheinlicher..
Aber in Athen wie faſt uͤberall gohr aus die - ſen demokratiſchen Bewegungen zuerſt die Tyrannis hervor, welche man als einen heftigen Krampf betrach - ten kann, der einer gaͤnzlichen Umwaͤlzung vorhergehen ſollte. Es iſt oben nachgewieſen, wie die Tyrannen von Korinth, Sikyon, Megara und Epidauros anfaͤng - lich dem Doriſchen Adel feindliche Anfuͤhrer einer Volks - parthei waren, Demagogen nach Ariſtoteles Ausdruck: daher auch Sparta als Schirmerin der Ariſtokratie ſie insgeſammt, ſo weit ſein Arm reichte, vernichtete. In Jonien und Sicilien fanden die Tyrannen eine oli - garchiſche Timokratie vor, die aber gewoͤhnlich mit der Demokratie im Streit lag2Haupt - ſtelle Ariſt. 5, 8, 1. ἐκ τῶν τιμῶν, e censu. vgl. 5, 10, 4. Pa - naͤtios von Leontini war Demagog in einem vorher oligarchiſchen Staate, deſſen Verfaſſung der der Hippoboten aͤhnlich. Vgl. Polyaͤn 5, 47.; Einzelne, wie Gelon, er - griffen wohl auch Parthei gegen die letztere. Um die Zeit der Perſerkriege hatte bei den Joniern die Demo - kratie ſchon tiefe Wurzel geſchlagen, und Mardonios, der Perſer, ſtellte ſie in ihren Staͤdten, nach Vertrei - bung der Tyrannen, als die gewuͤnſchte Regierungsform her3Herod. 6, 43. — Pind. P. 2, 87. kennt drei Ver - faſſungen, Thrannis, Herrſchaft der ſtuͤrmiſchen Gemeinde und Re - giment der Weiſen.. In Athen hatte Kleiſthenes die Verbindung der Geſchlechter, die letzte Stuͤtze der Ariſtokratie, ihrer politiſchen Bedeutung beraubt, aber erſt Ariſteides mußte, durch die Umſtaͤnde gezwungen, die Timokratie13 ganz in Demokratie verwandeln. Denn in der Perſer - noth hatten die gemeinen Leute beſonders auf den Schiffen einſehn gelernt, wie auf ihren Faͤuſten das Heil des Geſammten beruhe, und ließen ſich nun auch den Antheil an der hoͤchſten Gewalt nicht mehr vor - enthalten. Die Demokratie bluͤhte, ſo lange große Maͤnner durch eine impoſante Perſoͤnlichkeit ſie zu len - ken verſtanden, und die Beſſeren zu handeln wagten; ſie ſank, als, durch ſchmaͤhlichen Lohn angelockt, der gierige und muͤſſige Poͤbel ſich uͤberall vordraͤngte. Wir wollen das Bild der Ochlokratie nicht weiter ausfuͤh - ren, in welcher eigentlich aller innere Organismus aufgeloͤst, und der Staat ganz der ſchnoͤdeſten Will - kuͤhr preis gegeben wird.
Wir haben die letzten dieſer Veraͤnderungen, welche der ſogenannte Geiſt der Zeit herbeifuͤhrte, an der Geſchichte Athens nachgewieſen, obgleich derſelbe Gang auch an andern, ſelbſt urſpruͤnglich Doriſchen Staaten dargeſtellt werden kann. So fand in Am - brakia, ziemlich zur ſelben Zeit wie in Athen, ein all - maͤliger Uebergang von der Timokratie zur Demokratie ſtatt1Ariſt. 5, 2, 9. 3, 6. mit Schneiders Anm., und auch in Argos kam damals die Demo - kratie auf. In den Doriſchen Staaten Kreta’s herrſchte zur Zeit des Polybios die Volksgemeinde ſo unum - ſchraͤnkt, daß dieſer Schriftſteller ſich ſelbſt verwundert, wie ſeine Beſchreibung derſelben mit allen fruͤhern ſo ganz im Widerſpruche ſtehe26, 46.. Indeſſen koͤnnen dieſe Veraͤnderungen, zumal da ſie gewoͤhnlich die Doriſchen Familien vom Ruder draͤngten, und den Dorismus auf - hoben, unſere Aufmerkſamkeit nicht ſo in Anſpruch neh - men, als das eigentliche Weſen des Doriſchen Staa - tes, welches in der altkretiſchen und Lakedaͤmoniſchen14 Verfaſſung am beſtimmteſten ausgedruͤckt iſt, von de - nen die letztere, wenn auch in vielen Punkten den For - derungen der Zeit weichend und ſich anpaſſend, doch im - mer fuͤnf ganze Jahrhunderte im Weſen fortbeſtand1Plut. Vrgl. Lykurgs 4. Nach Liv. 38, 34. 700 Jahre bis 190 v. C. Ganz anders rechnet ebenfalls 700 Jahre Cie. pro Flacco 26. und durch ihre Feſtigkeit Sparta allein unter allen Staͤdten von Hellas vor Revolutionen und Revolu - tionsgraͤueln bewahrte2Iſokr. Panath. 100..
Aber, werden immer noch Einige fragen, wel - ches Recht haben wir uͤberhaupt, von einer Doriſchen Verfaſſung zu ſprechen, und dieſe in Sparta mehr als in andern Staͤdten dieſes Stammes verwirklicht zu glauben. Kann nicht Lykurg aus Reflexionen uͤber den Zuſtand ſeines Volkes und deſſen Beduͤrfniſſe, oder auch aus reinem Eigenſinne ſeine Geſetzgebung erſchaf - fen, und dadurch Sparta erſt den Charakter aufge - druͤckt haben, den es von nun an als innerſten Geiſt bewahrte3So iſt beſonders Schiller, Thalia Heft 10, voll von Erbitterung[gegen] den Geſetzgeber, daß er ſein Volk ſo eigenwillig fuͤr immer dazu beſtimmt habe, was ſeinem einſeitigen und beſchraͤnkten Geiſte als das Hoͤchſte erſchien, und weiter geht in voͤlliger ἀνιστοϱησία nur etwa noch Schloͤzer: Lykurg ſchuf 12000 Bauern zu ſo viel Don Quixoten um u. ſ. w.? Wir wollen gegen dieſe gar nicht ſelten ausgeſprochene Meinung ſtatt allgemeiner Gruͤnde lie - ber gleich die wahre Anſicht aus dem Munde des Pin - dar4P. 1, 61. vgl. Boͤckhs Expl. hoͤren, der von Grund und Urſprung alter Ver - faſſungen doch ſicherlich eine weit tiefere Anſchauung hatte, als Ephoros oder Plutarch. Er ſpricht davon, daß Hieron, der Syrakuſier, die neue Stadt Aetna, in welcher außer 5000 Syrakuſiern eben ſo viel Pelo - ponneſier wohnten, ganz nach aͤchtdoriſchen Formen15 conſtituiren wollte: ſo wie ſpaͤter Dion in Syrakus ſelbſt eine Lakoniſche oder Kretiſche Conſtitution wuͤnſch - te1Plut. Vergl. Timol. 2. Dion 53. Λακωνικὸν σχῆμα — κοσμεῖν. Er war ſelbſt Buͤrger von Sparta, Plut. Dion. 17. 49.. Er gruͤndete ſie “mit gottgebaueter Freiheit nach den Geſetzen der Hylliſchen Richtſchnur” naͤmlich nach dem Muſter der Verfaſſung Sparta’s. “Denn es wollen die Nachkommen des Pamphylos und der He - rakliden ſelbſt, ſo am Abhange des Taygetos wohnen, ſtets auf den Doriſchen Satzungen des Aegimios be - harren.” Dieſe Stelle enthuͤllt um deſto mehr, je ge - nauer man ſie entwickelt. Sie zeigt, daß erſtens Sparta’s Geſetzordnung als die wahrhaft Doriſche an - geſehen, und zweitens, daß deren Urſprung mit dem des Volkes uͤberhaupt fuͤr identiſch gehalten wurde. Sie zeigt, daß die Spartaniſchen Νόμοι die wahren Doriſchen Νόμιμα waren, wie denn bei keinem Volke der Unterſchied zwiſchen Herkommen und Geſetz unbe - deutender war; woraus von ſelbſt erhellt, wie wenig der Geſetzgeber hier neu zu ſchaffen Gelegenheit hatte, da Herkommen nie eines Einzelnen Werk ſein koͤnnen. Aus dieſer Anſicht erklaͤrt es ſich auch, wie Hellanikos, der aͤlteſte Schriftſteller uͤber Sparta’s Verfaſſung2Doch muß ihn Herodot noch nicht gekannt haben, da er zu - erſt daruͤber zu ſchreiben glaubt. Herod. 6, 55., des Lykurg dabei mit keinem Worte gedachte, woruͤber ihn Ephoros mit einſeitiger Kritik tadelt3Str. 8, 366. Den Ephoros dagegen meint wohl beſonders Herakl. Pont. 2. τὴν Λακεδαιμονίων πολιτείαν τινὲς Λυκούϱγῳ πϱοσἀπτονσ - πᾶσαν., und den erſten Koͤnigen, Prokles und Euryſthenes, alle ſog. Lykurgi - ſchen Einrichtungen beilegen konnte. Daraus folgt aber wieder, daß, wenn Herodot die Spartiaten vor Lykurg als hoͤchſt anarchiſch (κακονομωτάτους) ſchil -16 ſchildert11, 65. So nennt auch Ariſtot. Pol. 5, 10, 3. die Koͤnige von Sp. vor Lyk. Tyrannen. Dagegen Str. 8, 365. “Die Dorier von Sp. καὶ κατ’ ἀϱχὰς μὲν ἐσωφϱόνουν” u. ſ. w. Auch Iſokr. Συμμαχ. 32. widerſpricht indirekt. Aber Panath. 73. folgt er dem Thuk. 1, 18.: στασιάσαι φασὶν αὐτοὑς οἱ τὰ ἐκείνων ἀκϱιβοῦντες ὡς οὐδένας ἄλλους τῶν Ἑλλἠνων., dies fuͤr uns nur ſo viel heißen kann, daß die urſpruͤngliche Verfaſſung (die τεϑμοὶ Αἰγιμίου) durch aͤußere Verhaͤltniſſe und Umſtaͤnde geſtoͤrt und verwirrt war, bis ſie Lykurgos wieder erneuerte und herſtellte. Lykurgos, uͤber deſſen geſchichtliche oder un - geſchichtliche Exiſtenz oben geſprochen iſt2S. 132. 137., mußte ſchon darum eine mythiſche Perſon ſein, weil er einen Tempel, jaͤhrliche Opfer, uͤberhaupt einen Cultus hat - te3Her. 1, 65. Ephoros bei Str. 8, 366. Plut. 31.. Nun iſt es aber Geſetz der mythiſchen Erzaͤh - lungsart, eine geſammte geiſtige Richtung in einer Perſon darzuſtellen. Somit iſt mit dem Namen einer Lykurgiſchen Einrichtung eigentlich uͤber Urſprung und Urheber derſelben ſehr wenig Geſchichtliches ausgeſagt.
Zur Unterſtuͤtzung der Lykurgiſchen Geſetzgebung boten aber, nach alten Erzaͤhlungen, Kreta und Del - phi die Hand, deren Cultusconnex hier ſonach auch in die politiſche Geſchichte hineinwirkt. Die in Kreta uͤberall herrſchende Verfaſſung hat ihren Grund, nach allgemeinem Zeugniß der Alten, in Minoiſcher Zeit; und daß in dieſer die Herrſchaft der Dorier ſchon durchgedrungen und die Inſel doriſirt war, dafuͤr ge - ben die vorigen Buͤcher die Beweiſe4S. 31. vgl. 216.. Hier alſo hatte ſich die in dem Geiſte des Stammes begruͤndete Ver - faſſung zuerſt zu innerer Feſtigkeit und Conſequenz aus - gebildet, aber noch einfacher und alterthuͤmlicher als ſpaͤter in Sparta5nach Ariſt. Pol. 2, 7, 1. Wenn dieſer Schriftſteller zu meinen ſcheint, daß die Dorier dieſe Geſetze von den fruͤhern. So konnte denn Lykurg, ohne17 ſeinem Staate etwas Fremdartiges aufzudraͤngen, die fruͤher entwickelten Inſtitute von Kreta zum Muſter nehmen, ſo daß nun Kreta’s und Svarta’s Verfaſſun - gen wie Geſchwiſter waren1Platon Ge - ſetze 3, p. 685.. Und wenn ein Kreti - ſcher Paͤanenſaͤnger und Suͤhnprieſter, Thaletas von Elyros2Dieſe Angabe ſcheint richtiger, als die von Gorthna od. Knoſſos. Vgl. Meurſ. Creta 4. c. 12., auf Pythiſchen Befehl herbeigeholt, durch die Kraft ſeiner Muſik Unruhen und Streitigkeiten in Sparta geſchlichtet haben ſoll, und darum ſelbſt Ly - kurgs Lehrer genannt wird3S. bei Ariſtot. Pol. 2, 3, 5. Aelian V. G. 12, 50. Diog. Laert. 1, 38. Plut. Lyk. 3. philos. cum princ. 4. p. 88. Pauſ. 1, 14, 3. Philodem. de mus. col. 18. 19. Boeth. de mus. 1, 1. p. 174. Sext. Empir. adv. math. p. 68 b. Suid. 2. p. 163. vgl. oben S. 344.: ſo iſt das letztere zwar offenbar eine unchronologiſche Zuthat, aber die Ein - wirkung Kretiſcher Muſik auf die Anordnung politiſcher Verhaͤltniſſe ganz im Geiſte einer Zeit und eines Stam - mes, in der und bei dem Religion, Kunſt und Geſetz noch weit mehr als ſonſt zu einem Ziele arbeiteten, und in einem geiſtigen Sein ihre Wurzel hatten.
Auf der andern Seite war es der Stolz der Spartiaten, daß ihre Geſetze von dem Orakel des Gottes zu Pytho ausgegangen, πυϑόχϱηστοι, waren4Xenoph. Laked. Staat 10., nach welchem Lykurg den Gott gefragt haͤtte: εἰ λῷον καὶ ἄμεινον εἴη τῇ Σπάϱτῃ — ohne Zweifel ein solemnis formula. Damit gehoͤrt der Ausſpruch der Pythia zuſammen bei Plut. Quaest. Rom. 28. p. 329., wie Tyrtaͤos in der Eunomia5bei Plut Lyk. 6. Frank Tyrtaͤus p. 173. ſagt: Phoͤ - bos Stimme vernehmend von Pytho brachten zur Hei - mat Sie die vollkommenen Wort’ und das Orakel des5Einw. erhalten haͤtten, weil die Perioͤken ſie damals noch am mei - ſten beibehalten hatten, ſo muͤſſen wir nach dem Zuſammenhange unſerer Darſtellung dieſe Meinung verwerfen.III. 218Gotts. Pflegen gebeut er des Rathes den goͤtterbe - gnadeten Fuͤrſten u. ſ. w. Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſe Geſetze wirklich ſo abgefaßt waren, als wenn ſie vom Pythiſchen Gotte an Lykurg oder das Volk gerich - tet waͤren1ſ. Bd. 2, 134. — Spaͤtere Hiſtoriker hielten aus einſeitiger Auf - klaͤrung den ganzen Verkehr fuͤr eine Luͤge oder einen Betrug Ly - kurgs. Polyaͤn 1, 16, 1. Juſtin 3, 3.. Aber das Orakel behielt auch fortwaͤh - rend die Oberaufſicht uͤber die Verfaſſung, namentlich durch die Pythier (lakon. Ποίϑιοι)2Photios Lex. p. 322.: vier von den Koͤ - nigen ſelbſt erwaͤhlte Abgeordnete nach Pytho, die die Orakel treu und redlich an die Koͤnige bringen3Daß dies die ϑεοπϱόποι nicht immer thaten, ſieht man aus Theognis V. 783., und mit ihnen darum wiſſen ſollten. Darum waren ſie Beiſitzer der Koͤnige und der Geruſia4Dies ſchließe ich mit Cragius ziemlich uͤbereinſtimmend aus Cic. de div. 1, 13. Vgl. Herod. 6, 57. Xenoph. a. O. 15., und ſonſt der erſtern beſtaͤndige Tafel - und Zeltgenoſſen. Vermuth - lich hatten einſt die drei Ἐξηγηταὶ πυθόχρηστοι von Athen, die außer der Erklaͤrung der Orakel oͤffentliche und haͤusliche Suͤhnungen beſorgten5S. beſonders Timaͤos Lex. Plat. s. v. , in gleichem An - ſehn geſtanden, ob ſie gleich fruͤh ihre Bedeutung ver - loren. Auch die Theoren von Aegina, Mantineia, Meſ - ſenien, Troͤzen, Thaſos, welche eigene Collegien bilde - ten, zuſammen ſpeiſeten und nicht wie die Atheniſchen fuͤr einzelne Theorieen erwaͤhlt wurden, ſondern ſtehende Magiſtrate waren, muͤſſen mit dieſen Pythiern ver - glichen werden6S. Aeginet. p. 135. vgl. Diſſen Expl. Pind. N. 3. p. 376. Beim Theation von Troͤzen waren Suͤhnun - gen, oben S. 228, 4. In Thaſos heißen ſie Θεῦϱοι, Inſchr. bei Choiſeul Gouff. Voy. pitt. 1, 2. p. 156. Sie ſtanden auch da in Verbindung mit dem T. des Ap. Pythios..
Dieſe Verbindung fuͤhrt wieder auf den Satz zuruͤck, daß in der aͤchtdoriſchen Verfaſſung Ideen an der Spitze ſtanden, die dem Volkſtamme national, und im Apolliniſchen Cultus nach einer andern Seite hin ausgedruͤckt waren: die der harmoniſchen Ordnung (τὸ εὔκοσμον), der innern Regelung und Maaßhal - tung (σωφϱοσύνη) und der ſtets geruͤſteten Mannhaf - tigkeit (ἀρετή)1Vgl. indeß Thuk. 1, 84. Platon Alkib. I c. 38.. Dazu iſt die Verfaſſung eine Er - ziehung des Alters wie der Jugend, wie denn uͤber - haupt die Erziehung ein wichtigeres Kapitel im Dori - ſchen Staate iſt, als die Regierung. Daher mußten denn auch alle Verſuche, den Lykurgiſchen Staat aus partiellen Zwecken und Abſichten zu erklaͤren, miß - gluͤcken. Daß aͤußeres Gluͤck und Genuß nicht das Ziel dieſer Einrichtungen war, ſah man leicht. Aber man glaubte Alles mit Ariſtoteles27, 2, 5. Engel de rep. milit. Spart. Goͤttinger Preisſchr. 1790., wo Koſacken, Spartiaten und Kreter zuſammengeſtellt werden. Vgl. Heyne de Spartan. rep. Commentat. Gotting. T. IX. p. 8. aus dem Endzweck herleiten zu koͤnnen, die Spartiaten zu tapfern Krie - gern und den Staat zu einem herrſchenden und er - obernden zu machen: da doch Sparta faſt niemals Kriege ſuchte, ſelten Siege verfolgte, und in der gan - zen Zeit ſeiner Bluͤthe keine eigentliche Eroberung machte. — Sondern der Doriſche Staat iſt ein Kunſtwerk, wie es menſchliches Handeln ſtets wird, wo es, von einem Prinzip beſeelt, ſich zu einem Organismus geſtaltet, ein Kunſtwerk, welches die geſammte Nation in ihrer Einheit fortwaͤhrend ſchafft und darſtellt.
2*20Ehe wir aber zur weitern Betrachtung dieſes Or - ganismus kommen, muͤſſen wir ein Verhaͤltniß aus - einander ſetzen, das gewiſſermaßen deſſen Baſis bildet, ein Verhaͤltniß, das er in aͤlteren Zeiten gebieteriſch zu ſeiner Exiſtenz erheiſchte, das der Unterthaͤnig - keit gewiſſer Staͤnde.
Am buͤndigſten redet von der Unterthaͤnigkeit nach Doriſchen Grundſaͤtzen Braſidas, der Spartiat, in der Rede an die Peloponneſier bei Thukydides14, 126.: “Ihr kommt von ſolchen Staaten, in denen Wenige uͤber Viele herrſchen, die auf keine andere Weiſe die Herrſchaft erlangt haben, als durch Sieg in der Schlacht. ” — Es war das ſchlimme Recht der Erobe - rer, nach welchem die Dorier die Achaͤer — die indeß ſelbſt in den Peloponnes mit Gewalt eingedrungen wa - ren — verdraͤngten, und gleichſam eine Fortſetzung der heroiſchen Zeit, die ohne Herrſchaft von Krieger - ſtaͤmmen uͤber Landbauer gar nicht beſtehen konnte. Indeſſen ſcheinen Vertraͤge das Verhaͤltniß zwiſchen Doriern und Achaͤern genauer beſtimmt zu haben, da jene, nur langſam die Oberhand gewinnend, den Bei - tritt jeder Stadt gewiß gern mit billigen Verwilligun - gen erkauften, was vielleicht noch mehr in Meſſenien der Fall geweſen war2Pauſ. 4, 3, 3. συγχωϱοῦσιν ἀναδάσα - σϑαι πϱὸς τοὺς Λωϱιέας τὴν γῆν. Indeß bedient ſich Pauſ. die - ſes Ausdrucks ſehr oft, und oft auch wohl ohne hiſtoriſchen Grund.. Dieſe ſo in Abhaͤngigkeit ge - kommenen fruͤhern Einwohner ſind die Περίοικοι3Daß ich hier auf Ephoros Darſtellung keine weitere Ruͤck - ſicht nehme, habe ich Bd. 2. S. 94 ff. gerechtfertigt. Tittmann a.. 22Der Stammunterſchied wurde feſt gehalten, da die Scheidewand nicht wie anderswo einſank. Die Perioͤ - ken wurden fortwaͤhrend als Achaͤer angeſehn, weil dieſe der fruͤher herrſchende Theil dieſer Volksmaſſe geweſen waren. So hießen die Einwohner der Seeſtadt Aſopos noch ſpaͤter Ἀχαιοὶ οἱ παρακυπαϱίσσιοι1Pauſ. 3, 22, 7.. Spaͤter, als Sparta’s Macht laͤngſt gebrochen, und ſeine Frei - heit dem Tyrannen Nabis erlegen war, loͤste Titus Quinctius die fruͤher πόλεις, jetzt κῶμαι, vici, genann - ten Ortſchaften von allem Verbande mit Sparta, und ſtellte ſie unter den Schutz des Achaͤiſchen Bundes. Auguſtus beſtaͤtigte 24. Lakoniſchen Staͤdten unter dem Namen Eleutherolakonen ihre Unabhaͤngigkeit, ſo daß ſie nun auch von den Geſetzen Sparta’s ganz losgebun - den ihren eigenen folgten3αὐτόνομοι Pauſ. 3, 21, 6., und einen kleinen Bun - desſtaat fuͤr ſich bildeten. Alles dies beweist, daß ſie auch vorher eine gewiſſe Selbſtſtaͤndigkeit bewahrt und geſchloſſene Gemeinden gebildet hatten. Von jenen 24 Staͤdten werden 18 genannt: Gerenia, Alagonia, Tha - lamaͤ, Leuktra, Oetylos, Kainepolis, Pyrrhichos, Las, Teuthrone, Gytheion, Aſopos, Akriaͤ, Boͤaͤ, Zarax, Epidauros Limera, Praſiaͤ, Geronthraͤ, Marios43, 21, 6. vgl. 26, 6. Die fehlenden ſechs waren naͤmlich zu Pauſ. Zeit entweder wieder zu Meſſenien geſchlagen, wie Pharaͤ, das Auguſt zu Lakonien gefuͤgt hatte, Pauſ. 4, 30, 2., nachdem es ſich mit Thuria und Abea ſchon fruͤher von Meſſenien abgeſondert, Polyb. 25, 1, 1, oder eingegangen und nun unbewohnt, wie Peph - nos, Helos, Kyphanta, Leukaͤ. Ob Abea, von dem noch aus der Zeit Hadrians ein ſog. Dekret da iſt, Aug. auch zu Lakonien ſchlug, iſt zweifelhaft, aber der Lage des Ortes nach wahrſcheinlich. Dann; nur3O. S. 589. gruͤndet auf ſie ſeine Anſicht, der am Ende — Bra - ſidas und allen Spartiaten zum Trotz — den Perioͤken gleichen Rang mit ihnen geſtattet.2Polyb. 20, 12, 2. mit Schweigh. Anm. Liv. 34, 29. 38, 30.23 ein kleiner Theil der Kuͤſte um Kardamyle blieb da - mals Spartiatiſch1Pauſ. 3, 26, 5. Wohl damit Sp. doch irgend einen Aus - weg nach der See habe.. Allein die Orte der Perioͤken la - gen nicht bloß an der Kuͤſte, ſondern auch im innern Lande, z. B. Thuria u. Aethaͤa im ehemaligen Meſſe - nien2Thuk. 1, 101. Die Θουϱιᾶτα - von Thuria bei Kalamaͤ. Αἰϑαία will Welcker (Alkman p. 67.) bei Theognis 1216 Bekk. fuͤr Ληϑαίῳ hineinbringen.. Dieſes Aethaͤa wird aber zu den Hundert - Staͤdten Lakoniens gerechnet3An - drotion bei Steph. B. s. v. , welche Androtion in der Atthis und daraus wohl noch der Byzantier Ste - phanos4S. noch s. v. Αἰτωλία. Auch Str. 8, 362. (Euſt. Il. 2. p. 293, 19. zu Dion. P. 418.) erwaͤhnt ſie. Aber die Hekatomboia haͤngen damit gewiß nicht zuſammen; da auch Argos das Feſt hatte. vollſtaͤndig genannt hatte, jetzt finden ſich in dem Auszuge ſeines Werks nur noch Aethaͤa, Amy - klaͤ, Krokeaͤ, Epidauros Limera, Dyrrhachion, Te - nos, Aulon, Anthana. Da nun zwei von dieſen uns ſonſt als Perioͤkenſtaͤdte bekannt ſind: ſo koͤnnen wir vielleicht ſchließen, daß alle hundert zu dieſen gehoͤrten. Die runde Zahl der Hundert kann aber nicht fruͤher feſtgeſetzt worden ſein, als da erſtens ganz Meſſenien bis zur Neda, an welcher Aulon liegt, und dann auch Kynuria, wozu Anthana (Athene) gehoͤrt, unter die dauernde Botmaͤßigkeit Sparta’s gekommen war, alſo nach Olymp. 585S. oben S. 158. Auch Lyſias bei Harpokr. nennt Anthana als Lakon. Stadt. vgl. Aegin. p. 46 q. 185 v. Siebelis zu Pauſ. 2, 38, 6.. Nach dieſer Epoche alſo muß Sparta die Zahl ſeiner Perioͤkenſtaͤdte genauer beſtimmt und mit einiger Willkuͤhr auf hundert geſetzt haben, wie ja auch Kleiſthenes in Athen die Anzahl der De -2iſt die Zahl 24 voll. Dies Dekret und ein Ehrendenkmal von Gy - theion fuͤr T. Quinctius ſ. bei Paciaudi Mon. Pelop. 2. p. 77. 145.24 men Attika’s — durch welche Mittel iſt freilich unbe - kannt — ebenfalls auf hundert zu bringen wußte.
Von einer andern Eintheilung Lakoniens als der in Gemeinen haben wir oben ſchon1S. 94 f. Rechenſchaft gege - ben, und nachgewieſen, daß die Perioͤken in dieſem Lande ehemals in fuͤnf Diſtrikten gewohnt haben, deren Hauptorte Amyklaͤ, Las, Epidauros Limera (oder Gy - theion), Aegys und Pharis waren; wie Meſſenien, außer dem von Doriern bewohnten Weichbild der Stadt, vier Landſchaften, Pylos, Rhion, Meſola und Hya - mia, enthielt. Wie lange aber dieſe Abtheilungen ſich erhielten, und wie ſie ſich zu der Eintheilung in hun - dert Ortſchaften verhalten, iſt nicht mehr zu beſtimmen.
Wir fragen nun weiter nach den politiſchen Rechten und Verhaͤltniſſen der Perioͤken. Der Haupt - ſache nach giebt dieſe Ephoros gewiß richtig an. Sie waren Sparta tributaͤr, (συντελεῖς) und hatten kein gleiches Buͤrgerrecht, (ἰσοτιμία, ἰσονομία). Nimmt man dieſe Worte genau, ſo muß man es auch laͤug - nen, daß die Perioͤken zu der groͤßern geſetzgebenden Verſammlung der Buͤrgerſchaft gehoͤrt haͤtten. Und in Wahrheit beſagen die Stellen, welche neuere Schrift - ſteller, um einen Antheil derſelben daran zu beweiſen, angezogen haben, Nichts2S. Manſo Sparta 1. S. 93. Titt - mann Bd. 1. S. 89. Daß ſelbſt das Lakedaͤmoniſche πλῆϑος die Perioͤken nicht enthaͤlt, zeigt unter andern Polyb. 4, 34, 7., wo es den Bund der Aetoler ausſchlaͤgt, beſonders wegen der Zumu - thung des ἐξανδϱαποδίζεσϑαι τοὺς Πεϱιοίκους. Der Name Λα - κεδαιμόνιοι, der alle, Perioͤken u. Spart., und oft auch jene, als die aͤltern Einw., im Gegenſatz dieſer bezeichnet, beweist fuͤr poli - tiſche Gleichheit ſo wenig als Θεσσαλοὶ fuͤr Freiheit der Peneſten.. Vielleicht uͤberzeugt man ſich auch bald von der Unſtatthaftigkeit ſolcher allgemei - nen Verſammlungen durch folgende Betrachtungen. 25Haͤtte die Spartaniſche Verfaſſung große und zwar entſcheidende Verſammlungen des geſammten Volks zu - gelaſſen: ſo waͤre ſie im Grunde ſchon durchaus demo - kratiſch geweſen, und haͤtte es immer mehr werden muͤſſen, nach dem nothwendigen Gange der Dinge. Aber man denke ſich die Perioͤken in die Naͤhe Spar - ta’s zwiſchen die Babyka und den Knakion zuſammen - ſtroͤmend. Wo ſollten die, welche mehrere Tage brauch - ten, um von Kyphanta, Pylos, Taͤnaron anzulangen, Wohnung und Unterkommen finden; und wie konnten ſie uͤberhaupt bereit ſtehn, Heimat und Gewerbe bei ſolchem Aufgebote zu verlaſſen. Es hielt ja ſelbſt ſchwer, ein bewaffnetes Heer der Perioͤken in der Schnelle zuſammenzubringen. Gewiß gehoͤrt uͤberall zur Volksverſammlung eine Stadtgemeine, daher in der Atheniſchen und jeder aͤhnlichen Demokratie je - der Buͤrger auch in der Stadt auf irgend eine Weiſe anſaͤſſig und ſo zu ſagen eingepfarrt ſein mußte1Mit πεϱίοικος iſt wohl χωϱίτης einerlei, wie oͤfter auch Laked. heißen, Aelian V. G. 9, 27. Val. χωϱίτιδες Βάκχαι oben Bd. 2. S. 374, 1. aus Heſych. Οἱ ἀπὸ τῆς χώϱας werden bei Athen. 15, 674 a. aus Soſibios τοῖς ἐκ τῆς ἀγωγῆς παισὶν (den in Sparta erzogenen) entgegengeſetzt. Vgl. Caſaub. Die Perioͤken - erziehung war alſo von der Spartiatiſchen ganz verſchieden..
Hat man ſich aber einmal uͤberzeugt, daß die Lage und Stellung der Perioͤken einen Antheil an der Geſammtregierung nicht wohl zuließ: ſo wird man das Verhaͤltniß derſelben zu den Spartiaten nicht allzudruͤ - ckend finden. Sie theilten mit ihnen das ehrenvolleſte Geſchaͤft der Kriegfuͤhrung, und zwar auch als Schwer - bewaffnete oder Linientruppen2Iſokrates, Panath. 73. nachdem die Laked. die Perioͤken κατ̕ ἄνδϱα ἠνάγκαζον συμπαϱατάττεσϑαι σφίσιν αὐτοῖς, verwechſelt ſchmaͤhlig die Perioͤken und Heloten, wie auch im Folgenden.. Bei Plataͤaͤ ſtanden26 5000 Hopliten der Dorier und gleich viel der Perioͤken; auf Sphakteria wurden 172 vor jenen, von dieſen 120 gefangen1Spaͤter kommen oft andere Verhaͤltniſſe vor, z. B. ſehr wenig Spartiaten beim Heere, wenn die Stadt ihre eigentlichen Buͤr - ger brauchte, und nicht in die Ferne ſenden wollte, oder aus an - dern Gruͤnden.. Wie haͤtte es Sparta wagen koͤnnen, ſo große Heere eines unterdruͤckten Volks zuſammen - zurufen, und warum haͤtten die Perioͤken den bewun - dernswuͤrdigen Heldenmuth jener kleinen Schaar ge - theilt, wenn ihnen nicht der Sieg und die Ehre Spar - ta’s faſt eben ſo am Herzen gelegen haͤtte wie jenen. So ſagte der Koͤnig Demarat2nach Herod. 7, 234.: Sparta hat achttau - ſend Spartiaten zu Einwohnern, welche alle gleich ſind an Tapferkeit; die andern Lakedaͤmonier in vielen Staͤd - ten umher ſtehen ihnen zwar nach, aber ſind auch brav.” Auch hoͤren wir von keinem Aufſtande der Perioͤken, wenn man den Abfall zwei Meſſeniſcher Staͤdte Ol. 78. ausnimmt, bis in die Zeit des Verfalls der Verfaſ - ſung3Aus Thukyd. 4, 8. geht kein Ungehorſam der Perioͤken hervor. Dem Epa - meinondas fielen einige Perioͤken zu Xen. 6, 5, 25. 32.. Wie moͤchte man ferner bei Annahme einer druͤckenden Unterthaͤnigkeit erklaͤren, daß die Aſinaͤer und Nauplier, als ſie von den Argeiern der Autono - mie beraubt waren, nach Lakonien flohen, um hier die Seeſtaͤdte Mothone und Aſine, verſteht ſich als Perioͤ - ken, zu bewohnen. In den Haͤnden der Seeſtaͤdte war aller Handel, deſſen Lakonien nie entbehren konnte. Bei den Perioͤken von Kythera landeten Kauffahrer aus Libyen und Aegypten4Thuk. 4, 53. Vgl. 7, 57.; u. fuͤr dieſe war auch die Purpur - fiſcherei eine reiche Quelle von Erwerb5S. Plin. 9, 36, 60. 21, 8. 36, 5. vgl. Meurſ. Misc. Lac. 2, 19. Mitſcherlich ad Hor. Carm. 2, 18, 7.. Alle Hand -27 werke, welche nicht von Sklaven in Sparta betrieben wurden, waren in den Haͤnden dieſes Standes, da kein Spartiat, bis die Achaͤiſche Verfaſſung eingefuͤhrt wurde, irgend einem Gewerbe obliegen durfte1Plut. Lyk. 4. Aelian V. G. 6, 6. Nikol. Damaſc. u. Aa.. Denn eine geringe Achtung des Erwerbs lag uͤberhaupt in alt - helleniſcher Sitte und Denkart begruͤndet, von der unter den Doriern ziemlich allein die Korinthier abwichen, wel - chen die Eintraͤglichkeit der Gewerbe auch hoͤhere Schaͤtzung derſelben gelehrt hatte2Herod. 2, 167. Vgl. Cic. de rep. 2, 4. Corinthum per - vertit aliquando — hic error ac dissipatio civium, quod mercandi cupiditate et navigandi, et agrorum et armorum cultum reliquerant. Vgl. Huͤllmann Staatsr. S. 128.. Und doch waren in ihrer Colonie Epidamnos wieder blos oͤffentliche Knechte Handwerker3Ari - ſtot. 2, 4, 13., was Diophant in Athen umkehren, und alle Handwer - ker zu Knechten machen wollte. Auch ſcheinen die Spartiaten nur landbauende Perioͤken zu Hopliten genommen zu haben, gewerbtreibende zu leichtbewaffne - ten4Dies folgt aus Xenoph. Laked. Staat 11. καὶ ἱππεῦσι καὶ ὁπλίταις, ἔπειτα καὶ τοῖς χειϱοτέχναις., wie ehemals in Athen die Theten, zu denen die Handwerker gehoͤrten, auch nur als ſolche dienten. So waͤren denn die 5000 Perioͤken, welche bei Plataͤaͤ eben - ſoviel Hopliten als ψιλοὶ beigeordnet waren, zum Theil Handwerker geweſen. Indeß hatte die Gering - achtung der Gewerbe nicht ſo nachtheilige Folgen fuͤr deren fleißigen Betrieb, als man denken ſollte. Denn ebenſo, wie mehrere Naturprodukte in Lakonien in vor - zuͤglicher Guͤte gewonnen wurden, ſo brauchte und ſuchte man viele Lakoniſche Fabrikate auch im uͤbrigen Griechenlande. Der Kothon Lakonikos, ein Trinkge - ſchirr zum Gebrauche des Lagers und Marſches5Kritias Λακεδ. πολιτ. b. Athen. 11, 483 b. und Plut. Lyk. 9. Pollux 6, 46, 97. Heſych. Suid. Xenoph. Kyrop. 1, 2, 8., der28 Krater1Athen. 5, 198 d. 199 e. , die Becher2κὐλιξ Λάκαινα, He - ſych Χῖον., die Tiſche, Seſſel, Lehn - ſtuͤhle3Plut. Lyk. a. O., Thuͤren4Meurſ. 2, 17. und Wagen5Theophr. H. Pl. 3, 17, 3., der Lakoniſche Stahl6Daimachos bei Steph. B. Λακεδ., daraus Euſt. Il. 294, 5 Rom. , die Schluͤſſel7Salmaſ. Exerc. Plin. p. 653 b. Moſer in Creuzers Init. philos. 2. p. 152. vgl. noch Liban. Or. p. 87 e cod. August. Reiske., Schwerdter, Helme, Aexte und andere Eiſenwaaren8Xenoph. Hell. 3, 3, 7. Plin. H. N. 7, 56. ξυήλη Λακ. Pollux, 1, 10, 137. ἐγχειϱίδιον 1, 10, 149. ferrei annuli Plin. 33, 4. μάστι - γες Steph. Euſt. a. O., die Schuhe von Amyklaͤ9Theokr. 10, 35. Schol. Athen. 11, 483 b. 5, 215 c. Stevh. a. O. Heſych Ἀμυκλαΐδες, Λακω - νικὰ ύποδήματα. vgl. ἐννήυσκλοι. Vgl. die Schuhe der Amykl. Prieſterinnen auf dem Monument von Amyklaͤ bei Walpole Me - moirs p. 454. Sonſt oͤſter Lakoniſche Mannsſchuhe (ἄπλαῖ) er - waͤhnt, Ariſtoph. Thesmoph. u. Weſpen. Schol. u. Suidas, Kri - tias a. O. Pollux 7, 22, 80. vgl. Meurſ. 1, 18., die Lakoniſchen Maͤntel10Λά - κωνες ἐΰπεπλοι Epigr. bei Suid. Λακωνικαί. Athen. 5, 198. 11, 483 b. vgl. unten B. 4, 2., und die mit einheimiſchem Purpur gefaͤrbten Gewaͤnder, die den ausziehenden Krieger und den blutigen Todten gleich ſchoͤn bedeckten, ſprechen fuͤr einen regen Kunſtfleiß und zugleich einen eigenthuͤmlichen Sinn von Zweckmaͤßigkeit und Ange - meſſenheit, der mehrere dieſer Waaren und Geraͤthe in beſtaͤndigen Gebrauch brachte. Beſonders beſchaͤf - tigten[wohl] Eiſenbergwerke und Haͤmmer viele Men - ſchen11Dieſe Bergwerke ſind zwar nirgends erwaͤhnt, aber man muß ſolche aus der Menge der Eiſen - fabrikate und aus der Wohlfeilheit des Eiſens (ſ. Kap. 10.) ſchließen.; auch die Steingruben von Taͤnaron waren ſeit alter Zeit benutzt12Die Steingruben auf dem Taygetos hatten nach Str. 8, 367. dagegen erſt die Roͤmer eroͤffnet. vgl. Xenoph. a. O. Pollux 7, 23, 100. Intpp. Juven. 11, 173. Meurſ. 2, 18. Plin. erwaͤhnt auch Lakon. cotes und smaragdi. . Daß ſich dieſer Gewerbfleiß auch29 zur eigentlichen edlen Kunſt erhob, bezeugt die Schule Lakoniſcher Toreuten und Erzgießer, welche ſich wahr - ſcheinlich an die Kretiſche als ein Zweig derſelben an - ſchloß, und zu der Chartas, Syadras, Dontas, Do - rykleidas und Medon, Theokles, Gitiadas, Kratinos gehoͤren1Vgl. Thierſch uͤber die Kunſtepochen Abh. 2. S. 51., die wahrſcheinlich alle fuͤr Perioͤken zu hal - ten ſind, wenn ſie auch Pauſanias, den genaueren Un - terſchied vernachlaͤſſigend, Spartiaten nennt. Ueber - haupt duͤrfen wir annehmen, daß die Doriſche Herr - ſchaft das geiſtige Leben der abhaͤngigen Voͤlkerſchaften nicht eben laͤhmte und ertoͤdtete, ſondern es in ſich fort - beſtehen und ſich entwickeln ließ. Myſon, den Manche den ſieben Weiſen beizaͤhlten, war nach einigen, viel - leicht den glaubwuͤrdigſten, Nachrichten ein Ackersmann aus der Lakoniſchen Stadt Etia und zu Chen im ſelben Lande wohnend. Selbſt die hoͤchſte Ehre der Helle - nen, der Olympiſche Sieg, wurde den Lakedaͤmoniern nicht verweigert; man fand einen Akriaten in den Li - ſten der Olympioniken3Pauſ. 3, 22, 4., worin ein Beweis gegeben iſt, daß man die Perioͤken von Sparta auch ſonſt uͤber - all in Hellas als buͤrgerlich Freie gelten ließ. — Auch muͤſſen allerdings die Perioͤken buͤrgerliche Rechte aus - geuͤbt haben, aber das nur in den Gemeinen, zu de - nen ſie zunaͤchſt gehoͤrten, und die gar nicht Πόλεις heißen konnten, wenn ſie nicht in vieler Art fuͤr ſich beſtehende Ganze waren. Freilich ſagt Iſokrates4in einer ganz rhetoriſchen Stelle Panathen. 73.,2Ich glaube naͤmlich, daß in dem Orakel (Diog. Laërt. 1, 106. vgl. Caſaub. u. Menag.) Ἠτεῖος die richtige alte Lesart war, wo - fuͤr aber zeitig aus Unkunde Οἰταῖος geſetzt wurde. Die Sache war im Alterthum ſchon fruͤhzeitig ſtreitig; ſchon Platon Protag. 343. ſcheint den Myſon nicht fuͤr einen Lakedaͤmonier zu halten. Sonſt ſ. Diod. de virt. et vit. p. 551. Pauſ. 10, 24, 1. Klem. Al. Str. 1. p. 299 Sylb. Steph. B. Χὴν, Ἠτία.30 daß ſie mindere Freiheit und Macht beſaͤßen, als die einzelnen Demen Attika’s, aber mit dieſen koͤnnen ſie uͤberhaupt nicht wohl verglichen werden. Ihre unmit - telbaren Obrigkeiten mochten ſie indeß wohl durch Wahl beſetzen; doch wurde nach Kythera ein Spartiat als Oberrichter (Κυϑηροδίκης) geſandt1Thuk. 4, 53. 54. Heſ. Κυϑηϱοδ.. So war es wohl auch im Felde. Wir finden das Amt eines Be - fehlshabers zur See einem Perioͤken uͤbertragen2Th. 8, 22. Manſo Sp. 2. S. 576., ohne Zweifel, weil die Spartiaten dies minder achteten, und der Bewohner der Kuͤſtenſtaͤdte im Seeweſen ge - uͤbter und erfahrener ſein mochte, als der binnenlaͤn - diſche Dorier. — Ueber den Tribut der Perioͤkenſtaͤdte fehlen uns alle genauern Angaben.
Wenn auch im Ganzen die fruͤhern Einwoh - ner durch die Doriſche Eroberung auf das Land ge - draͤngt waren, ſo gab es doch Geſchlechter derſelben, welche mit den Spartiaten die Stadt bewohnten, und den Doriern gleich ſtanden, wie auch in Athen manche Geſchlechter der Ureinwohner die Ehre der Eupatriden genoſſen zu haben ſcheinen. So die Talthybiaden. Das Heroldsamt war in Sparta, wie in der mythi - ſchen Zeit, erblich, und wurde nicht wie ſonſt in Grie - chenland durch Wetteifer errungen3Herod. 6, 60. οὐ κατὰ λαμπϱο - φωνὶην (in den ἀγῶνες κηϱὑκων, vgl. Faber Agoniſt. 2, 15. Boͤckh Staatshaush. 2. S. 359.) ἐπιτιϑέμενοι ἄλλοι σφέας παϱακληΐουοι ἀλλὰ κατὰ τὰ πάτϱια ἐπιτελέονσι.. Die angeblichen Nachkommen des Mykenaͤiſchen Herolds Talthybios, der auch bei den Achaͤern zu Aegion beſondere Verehrung genoß4Pauf. 3, 12, 6. 7, 23, 7., welche doch, abgeſehen von der Richtigkeit ih - res Stammbaums, wahrſcheinlich zum Achaͤiſchen Stamme gehoͤrten, hatten alle Botſchaften außerhalb31 Sparta zu verwalten1Herod. 7, 134. τοῖσι αἱ κηϱυκηΐαι αἱ ἐκ Σπάϱτης πᾶσαι γέϱας δέδονται., und nahmen auch an heiligen Sendungen Theil2Θεοκήϱυκες γένος τὸ αἰπὸ Ταλϑυβίου πα - ϱὰ Ἐλευθεϱίοις. Heſych. Viell. Ἐλευθεϱολάκωσι. Hemſterh. denkt an Eleutherna in Kreta. Der allgemeine Name des Herolds in Sp. Μούσαξ. S. Valck. Adoniaz. p. 379.. Die Ehre ihres Amtes war ohne Zweifel ſehr groß, beſonders wenn Sparta auch hierin die Homeriſche Sitte feſthielt, nach der die Herolde die Fuͤrſten mit: liebe Soͤhne, anreden. An Vermoͤ - gen und Guͤtern gehoͤrten ſie zu den erſten Spar - tiaten3Herod. a. O.: wenn Sperthias und Bulis, welche ſich dem Perſerkoͤnige zur Suͤhne fuͤr den Mord der Geſandten darboten4Herod. 137., Talthybiaden waren, wie es ſcheint.
Wie das Amt der Herolde, ſo waren zu Sparta faſt alle Gewerbe und Beſchaͤftigungen erblich. So das der Fleiſchkoͤche (ὀψοποιοὶ), Baͤcker, Weinmiſcher, Floͤtenſpieler56, 60. Ueber die ὀψοποιοὶ Agatharch. bei Athen. 12, 550 c. Perizon zu Aelian V. G. 14, 7.. Jene hatten ihre eigenen Heroen Daͤ - ton, Matton, Keraon, deren Statuen in der Hyakin - thiſchen Straße ſtanden6Vgl. Athen. 2, 39 c. mit 4, 173 f. . Wie ſehr dieſe Forterbung jeder Thaͤtigkeit die Feſthaltung alter Sitte beguͤnſtigte, iſt leicht einzuſehen. In der That, Sparta haͤtte nicht ſo viele Jahrhunderte mit der ſchwarzen Blutſuppe vorlieb genommen, wenn ſeine Koͤche nicht die Berei - tung derſelben von Jugend auf gelernt und nach Weiſe der Vaͤter fortgeuͤbt haͤtten, oder wenn man dies Amt denjenigen willkuͤhrlich haͤtte ertheilen koͤnnen, welche den Sinn auf das angenehmſte reizten. — Es iſt aber wahrſcheinlich, daß alle dieſe Geſchlechter undoriſch und aus der Zahl der Perioͤken genommen waren; auch32 koͤnnen ſie nicht wohl, wie die Talthybiaden, Spartia - tiſches Buͤrgerrecht erhalten haben1Auch an Kolonien Sparta’s, z. B. der von Herakleia Trachinia, nahmen Perioͤken Theil, wo ſie hernach wohl zu den πολλοῖς gehoͤrten. Th. 3, 92. 93..
Wir trennen von dem Stande der Perioͤken aufs genaueſte das ganz verſchiedene Verhaͤltniß der Helo - tie; fuͤr welches wir keinen andern Ausdruck haben, als Leibeigenſchaft, mit der das der Perioͤken nicht die geringſte Verwandtſchaft hat1Ueber die Helotie vgl. außer den bekannteren Schr. Ca - peronnier Mem. de l’Ac. d. J. 23. p. 271. Schlaͤger Dissert. Helmſt. 1730.. Ueber die Entſtehung dieſes Verhaͤltniſſes ſagt die gewoͤhnliche Nachricht: die Einwohner der Seeſtadt Helos ſeien nach einem Aufſtande gegen die ſchon herrſchenden Dorier zu Sparta in dieſe Erniedrigung gerathen2Ephor. bei Str. 8. S. 365. nach Valkenaers Aenderung. Theopomp bei Athen. 6, 272. Schon Hellanikos bei Harpokr. εἱλωτεύειν 15 S. 54 St.; indeß iſt es zweifelhaft, ob die Etymol. dort aus Hellan. iſt. vgl. Steph. Byz.. Allein dieſe beruht blos auf einer Etymologie, und einer we - nig probabeln, da man von Ἕλος auf keine Weiſe einen Gentilnamen Εἵλως ableiten kann. Dieſes Wort iſt vielmehr deutlich ein altes Perfectparticip von ΕΛΩ in paſſiver Bedeutung, und bezeichnet alſo die Gefan - genen3Man kannte dieſe Ableitung im Alterthum z. B. Schol. Plat. Alkib. I. p. 78 R. Apoſtol. 7, 62. Εἵλωτες οἱ ἐξ αἰχμαλώτων δοῦλοι. So kommt auch Δμῶς von δαμάω (ΔΕΜΩ). Denn die δμῶες, die in großer Anzahl (μύϱιοι, Od. 17, 422. 19, 78.) zu dem οἶκος jedes ἄναξ gehoͤren (1, 397. 7,. Vielleicht die mit dem Schwerdt in der HandIII. 334unterjochten, da die Perioͤken ſich durch Vertraͤge uͤber - geben hatten, wenigſtens nennt ſie Theopomp1bei Athen. 6, 265. Achaͤer, wie die andern. Doch iſt mir wahrſcheinli - cher, daß ſie ein alter, ureinwohnender und ſchon ſehr fruͤh unterjochter Stamm waren, welche ſchon als Knechte auf die Doriſchen Eroberer uͤbergingen.
Fuͤr die Betrachtung der Helotie wollen wir das ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß indeß von der moraliſchen Be - handlung des Standes ſcheiden, obgleich beides ſehr nahe zuſammenhaͤngt. Das erſtere war durch Geſetz und Herkommen gewiß ſehr genau beſtimmt, wenn auch die Ausdruͤcke der Schriftſteller zum Theil ziemlich unbe - ſtimmt ſind. Sie waren in gewiſſer Hinſicht Staats - knechte, ſagt Ephoros2bei Str. 8, 365. Eben ſo nennt Pauſ. 3, 20, 6. alle Heloten δούλους τοῦ κοινοῦ. vgl. Herod. 6, 70., wo die ϑεϱάποντες Heloten ſind.; der Beſitzer konnte ſie weder befreien, noch uͤber die Graͤnzen verkaufen. Darnach galt offenbar der Grundſatz, daß ſie eigent - lich dem Staate angehoͤrten, der ihren Beſitz den Ein - zelnen gewiſſermaßen geſtattete und zutheilte, und ſie allein freilaſſen konnte. Aber ſie außer Landes zu ver - kaufen, ſtand auch dem Staate nicht zu, und kam, ſo viel wir wiſſen, nie vor. Dem Einzelnen war aller Wahr - ſcheinlichkeit nach uͤberhaupt nicht geſtattet, ſie zu verkau - fen, weil ſie groͤßtentheils zu liegenden Gruͤnden gehoͤrten,3225. Il. 19, 333.) und zum groͤßten Theile das Land bauen, koͤn - nen auf keinen Fall im Ganzen gekaufte Sklaven ſein (denn die einzelnen Beiſpiele davon ſind mehr Ausnahmen), weil dies einen ſehr lebhaften Sklavenhandel vorausſetzen wuͤrde; auch koͤnnen es nicht blos einzeln Geraubte oder Gefangene ſein, weil ſich ſo ſchwer - lich die Menge derſelben in jedem οἶκος erklaͤren wuͤrde, ſondern es ſind wahrſcheinlich mit dem Grund und Boden ſelbſt eroberte Leute. Die Stelle 1, 298. οὕς μοι ληΐσσατο, laͤßt ſich verſchieden benutzen. — Ueber die Etymologie von Εἵλως vgl. Lenneps Ety - mol. p. 257.35 und dieſe als unveraͤußerlich galten. Sie hatten hier ihre eigenen Wohnungen, und ihre Dienſte und Leiſtun - gen waren feſtgeſetzt1Epheros a. O. Ilotae sunt jam inde antiquitus ca - stellani, agreste genus. Liv. 34, 27.. Sie zinsten ein beſtimmtes Maaß von Getraide, aber nicht wie die Perioͤken an den Staat, ſondern an ihre Herren. Weil jenes Maaß ſeit alter Zeit ein fuͤr allemal feſtgeſetzt war, denn den Zins zu erhoͤhen, war mit ſchweren Verwuͤn - ſchungen belegt2Plut. Instit. Lac. p. 255., wo μισϑῶσαι ungenau geſagt iſt., es betrug aber von jedem Kleros jaͤhrlich 82 Medimnen Gerſte3Plut. Lyk. 8. 70 an den Mann, 12 an die Hausfrau. vgl. K. 24. und eine entſprechende Quantitaͤt Oel und Wein: ſo kam ihnen eben ſo wohl der groͤßere Gewinn bei guter, als der Verluſt bei ſchlechter Erndte zu, wodurch, wie Lakedaͤmons Acker - kultur beweist4S. Bd. 2. S. 69. vgl. deſ. Polyb. 5, 19. — Heſiod Poet der Helo - ten nach dem Apophthegma des Spartiaten., ein lebhafter Antheil am Ackerbau und ein fleißiger Betrieb erhalten wurde. Theils durch einen reichlichen Ertrag des Landes, theils im Kriege5Herod. 9, 80. ſammelten ſie mitunter ein nicht unbedeutendes Ver - moͤgen6Plut. Kleomenes 23. Manſo 1. S. 134., wozu dem Spartiaten faſt jeder Weg ver - ſchloſſen war. Man moͤchte fragen, wie viel den He - lotenfamilien ungefaͤhr blieb, wenn ſie 82 Medimnen von einem Kleros abgegeben hatten. Tyrtaͤos ſcheint einige Auskunft zu geben, wo er das Schickſal der Meſſeniſchen Leibeigenen ſchildert7Frgm. p. 168. Franck. Die Stelle giebt in Proſa wieder Aelian V. G. 6, 1.:
Darnach wuͤrden die Helotenfamilien, deren mehrere zu einem Kleros gehoͤrten, nur 82 Medimnen im Durch - ſchnitt behalten haben, und der ganze haͤtte 164 ge - tragen. Allein dies kann nicht die Einrichtung ſein, von der Plutarch redet, und Tyrtaͤos beſchreibt einen durch die Umſtaͤnde vergroͤßerten Druck. Denn wenn man annimmt, wie ſich unten als wahrſcheinlich zeigen wird, daß die Guͤter der Spartiaten zwei Drittel des Lakoniſchen Gebiets betrugen, welches man auf 180 Quadratmeilen anſchlagen kann, und davon fuͤr Berg, Wald, Viehweiden, Weinland und Baumpflanzungen ſelbſt drei Viertel abrechnen mag: ſo erhaͤlt man doch 30 Quadratmeilen fuͤr die 9000 Ackerlooſe der Spar - tiaten, von welchen alſo jedes 1 / 300 Meile, oder 192 Plethren betraͤgt, welche leicht 400 Medimnen Ertrag geben2vgl. Boͤckh Staatshaush. 1. S. 87. — Von 400 iſt 82 etwa das Fuͤnſtel. In Athen zinsten die ϑῆτȣς, πελάται an die Eupatriden ein Sechstel des Ertrags. (Gewiß die richtige Annahme.) S. Plut. Sol. 13. vgl. Hemſterh. zu Heſych ἐπὶμοϱτος., von denen nach Abzug der 82 noch 21 Men - ſchen mit dem taͤglichen Brodte, einem Choͤnix, dop - pelt verſorgt werden koͤnnen. Wenigſtens ſieht man ein, daß jeder Kleros ſechs oder ſieben Helotenfamilien recht wohl ernaͤhren konnte. Indeſſen muß man ſich nicht uͤberreden, daß jene Abgabe fuͤr alle Portionen des Spartiatiſchen Landes ganz dieſelbe geweſen ſei. Eine ſo ſtreng durchgefuͤhrte Gleichheit — die uͤberdies alles Intereſſe des Beſitzes aufgehoben haͤtte — machte ſchon die verſchiedene Beſchaffenheit des Landes unmoͤg - lich. Wir wiſſen ja, daß viele Spartiaten Heerden37 hatten, und davon junge Thiere zu den Gemeinmahlen gaben1Athen. 4, 141 d. aus Molpis Δακεδ. πολιτ.. Auch von den Aeckern erhielten die Beſitzer außer dem Antheil der Erndte zu gewiſſen Zeiten Fruͤchte des Jahres2Sphaͤ - ros ebd. 141 c. Vgl. noch Myron bei Athen. 14, 657. παϱαὰόν - τες αὐτοῖς τὴν χώϱαν ἔταξαν μοῖϱαν ἣν αὐτοῖς ἀνοίσουσιν αἰεί, und Heſych: γαβεϱγός (i. e. ΓΑϜΕΡΓΟΣ γεωϱγὀς) ἔϱγου μισϑωτός (zu verſtehn wie in der Stelle oben S. 35, 2.) Αἀκωνες..
Im Ganzen konnte indeſſen nicht viel Verkehr und Verbindung zwiſchen den Spartiaten als Beſitzern der Landguͤter und ihren Leibeigenen auf dem Acker ſtatt finden. Denn wie wenig mochte ſich der Spar - tiat, welcher die Stadt ſelten und nur auf Tage ver - ließ3Daß indeſſen zu Xenophons Zeit auch Spartia - ten auf den κλήϱοις lebten, ſ. Hell. 3, 3, 5. Zu Ariſtoteles Zeit, Pol. 2, 2, 11., gaben ſich Einzelne ſchon mit Ackerbau ab; zu Maxim. Tyr. diss. 13. p. 139. waren Spartiaten und Kreter im Ganzen γεωϱγοὶ., um den Heloten kuͤmmern, der vielleicht bei Mothone wohnte. Indeſſen lag den Heloten nicht blos die Bebauung des Ackers, ſondern auch die Bedienung der Herren z. B. beim Mahle ob4Plut. Vgl. Numa’s 2. Nepos Pauſ. 3., welche dieſe nachdem Lakoniſchen Grundſatze einer gewiſſen Guͤtergemeinſchaft ſich auch unter einander uͤberließen5Xen. Laked. Staat 6, 3. Ariſtot. Pol. 2, 2, 5. Plut. Inst. Lac. p. 252.. Auch zu oͤffent - lichen Verrichtungen brauchte der Staat gewiß eine große Anzahl derſelben.
Im Felde dienten die Heloten nur in außer - ordentlichen Faͤllen als Hopliten, und hoͤrten dann ge - meiniglich auf es zu ſein6vgl. Thuk. 7, 19. mit 4, 30. u. 5, 34.. Sonſt zogen ſie als Leicht - bewaffnete (ψιλοὶ) aus; in wie großer Anzahl, ſieht man aus der Schlacht bei Plataͤaͤ, wo 5000 Spar -38 tiaten 35,000 Heloten bei ſich hatten1Herod. 9, 10. 28.. So wenig ſie nun die Ehre der ſchwerbewaffneten Krieger theilten, ſo wenig traf ſie dieſelbe Gefahr. Denn wenn jene den Anfall der Feinde mit Lanze und Schild in feſtge - ſchloſſener Reihe aufnahmen, ſo waren dieſe mit Schleu - der und Wurfgeſchoß eben ſo ſchnell hinter als vor der Reihe: wie Tyrtaͤos ſehr anſchaulich das Verhaͤltniß des Leichtbewaffneten (γύμνης) zum Hopliten beſchreibt. Daß Sparta ſeine Heloten leichtſinnig aufgeopfert ha - be, laͤßt ſich von der beſſern Zeit gar nicht nachweiſen. Sie waren den einzelnen Spartiaten beigeordnet2Herod. 9, 28. Thuk. 3, 8.; bei Plataͤaͤ waren um jeden ſieben von ihnen. Die ihrem Herrn beigeordneten hießen wahrſcheinlich ὰμπίτ - ταρες3i. q. ἀμφιστάντες. Heſych s. v. vgl. Voſſ. Valcken. Adoniaz. p. 289.. Von dieſen war aber einer vorzugsweiſe der ϑεράπων ſeines Herrn, wie in der Geſchichte, wo der erblindete Spartiat ſich von ſeinem Heloten in das Gewuͤhl des Kampfes von Thermopylaͤ fuͤhren laͤßt, und, waͤhrend dieſer flieht, mit den uͤbrigen Helden faͤllt4Her. 7, 229. vgl. die Stellen bei Sturz Lex. Xenoph. ϑεϱάπων.. Θεϱάπων iſt der eigentliche, und zwar ſehr ehrenvolle, Ausdruck, mit dem die Dorier, namentlich in Kreta, den waffentragenden Knappen bezeichneten5Θεϱάπων δοῦλον ὁπλοφόϱον δηλοῖ κατὰ τὴν Κϱητῶν γλῶτταν. Euſt. zur Il. p. 1240, 32. Bas. zu Dion. Perieg. 533.; in Sparta hießen ſolche ſonſt noch wahrſcheinlich ἐρυ - κτῆρες, in ſo fern ſie den Verwundeten aus der Kampf - reihe zu ziehen (ἐϱύκειν) verpflichtet waren6Athen. p. 271 f. aus Myron. Sie ſind es, von denen Xen. Hell. 4, 5, 14. τούτους ἐκέλευον τοὺς ὑπασπιστὰς ἀϱαμένους ἀποφέϱειν.. Sonſt ſcheint es, daß die Heloten im Felde unter naͤherem und unmittelbarerem Befehl des Koͤnigs ſtanden, als39 das uͤbrige Heer1Herod. 6, 80. 81. vgl. 75.. — Auf der Flotte verſahen wohl die Heloten beſonders den Matroſendienſt, wozu man in Athen die niedern Buͤrger und Sklaven nahm; als ſolche hießen ſie, ſcheint es, δεσποσιοναῦται.
Dieſe Angaben bezeichnen ziemlich das Verhaͤltniß der Heloten zum Doriſchen Staate von Sparta: wel - ches Verhaͤltniſſes ethiſche oder politiſche Critik hier gar nicht in unſerm Zwecke liegt. Nur ſo viel: die Griechiſchen Staaten hatten entweder Leibeigene, wel - che wir ziemlich bei allen Doriern nachweiſen koͤnnen, oder Sklaven, welche durch Raub oder Handel aus den Laͤndern der Barbaren herbeigeholt waren, oder keins von beiden. Das letztere fand bei den Phokeern, Lokrern und andern Griechen ſtatt2Bd. 1. S. 242., allein dieſe Volk - ſtaͤmme entwickelten ſich auch, vom Beduͤrfniß eingeengt, nie ſo frei und kraͤftig, als Sparta und Athen. Die Sklaverei war die Baſis aller Handelsſtaaten, und haͤngt mit dem Verkehr mit dem Auslande zuſammen; aber abgeſehn davon, daß ſie ein ſtets fortgeſetztes und erneuertes Unrecht iſt, bringt ſie dem Staate im Gan - zen, namentlich im Kriege, wenig Vortheil, und der Sitte und Ordnung in den Staaten, nach der Lehre alter Politiker, Gefahr und Nachtheil. Auch muß man wohl bedenken, daß unter den Sklaven Athens wenig Familienverhaͤltniß exiſtiren konnte, dem die Leibeigenſchaft dagegen keinen Eintrag thut, und daß in dieſer mehr die allgemeine Sitte, in jener die Will - kuͤhr Einzelner herrſcht. — Indeſſen hatte auch Sparta fremde Sklaven, aber nur in geringer Anzahl. So war Alkman, Knecht des Ageſidas3nach Herakl. Pont., Sohn eines Skla - ven aus Sardis4Welcker Alcm. frgm. p. 6., welchen vielleicht der Kretiſche Han - del an die Kuͤſten Lakonikas gebracht hatte.
Schwieriger iſt es, ſich von der Behandlung und Lebensweiſe der Heloten einen deutlichen Begriff zu machen, weil der rhetoriſche Geiſt der ſpaͤtern Ge - ſchichtsſchreibung, ſich beſonders in Deklamationen fuͤr die Humanitaͤt gefallend, und die Unkenntniß eigen - thuͤmlicher Verhaͤltniſſe Vieles verwirrt und entſtellt hat. Myron von Priene mahlte in ſeinem Roman uͤber den Meſſeniſchen Krieg Sparta ſehr ſchwarz, und ſuchte durch Schilderung des Schickſals, welches die Ueber - wundenen traf, am Ende zu ruͤhren. “Den Heloten befehlen die Spartiaten, ſagt er1bei Athen. 14, 657 d. Die κυνῆ wird wohl auch als zur Helotentracht gehoͤrig bezeichnet in der Geſchichte des Antiochos von Phalanths Signal zur Verſchwoͤrung (Str. 6, 278.), obgleich An - dere (Aeneas Poliore. 11.) einen πῖλος an die Stelle ſetzen., jedes ſchimpfliche Geſchaͤft. Sie zwingen ſie eine Hundsfellmuͤtze (κυνῆ) zu tragen, einen Schaafpelz (διφϑέρα) umzuhaͤngen, und Jahr fuͤr Jahr ſchuldios Schlaͤge zu empfangen, damit ſie nie verlernen Sklaven zu ſein. Dazu haben ſie denen, welche durch Groͤße und Schoͤnheit ſich uͤber die Gebuͤhr eines Knechtes erheben, Todesſtrafe be - ſtimmt, und ſtrafen den Beſitzer, welcher nicht die mannhafteſten unter ihnen ſchlaͤgt.” Die gaͤnzliche Ver - faͤlſchung alles ruhigen Urtheils liegt gleich in der erſten Angabe offen da. Denn jene Ledermuͤtze mit breitem Rande und den Schaafpelz trugen die Heloten aus kei - nem andern Grunde, als weil es die alteinheimiſche Landtracht war, welche auch die Arkader aus alter Sitte beibehalten hatten2Κυνᾔ ̓ Αϱκάς, Sophokl. Inachos bei Schol. Ariſt. Voͤg. 1203. Valcken. zu Theokr. Adoniaz. S. 345, einerlei mit πῖλος Αϱκ. Polyaͤn 4, 14. galerus Arcad. Stat. Theb. 4, 299. 7, 39. Κυνῆ Βοιωτἱα als Tracht des Landlebens, Heſych. Arkader in Ziegen - und Schaaffellen zu Felde ziehend. Pauſ. 4, 11, 1.; wie auch Laertes, Odyſ -41 ſeus Vater, als Landmann eine ſolche Muͤtze aus Zie - genfellen traͤgt1Od. 24, 230.. Die Alten unterſchieden naͤmlich ge - nau zwiſchen der Landtracht und ſtaͤdtiſchen Kleidung. Als daher die Sikyoniſchen Tyrannen das muͤſſige Volk, deſſen Menge ſie fuͤrchteten, an das Landleben gewoͤh - nen wollten, zogen ſie ihnen die κατωνάκη an, welche unten einen Vorſtoß von Fellen hatte2Pollux 7, 4, 68. vgl. Heſych, Suid. s. v. κατωνάκη. Theopomp und Menaͤchmos ἐν τοῖς Σικυωνιακοῖς bei Athen. 6, 271 d. (vgl. Schweigh. ) kennen die Κατωνακο - φόϱοι als Sikyoniſche Leibeigene. Vgl. Ruhnken. ad Tim. p. 212.. Auch die Pei - ſiſtratiden3Ariſtoph. Lyſiſtr. 1157. vgl. Palmer. Exercit. p. 506. nahmen genau dieſelbe Maaßregel. So be - ſchreibt auch Theognis die Landbauer von Megara — uͤber deren Aufnahme unter die Buͤrgerſchaft er ſich beklagt — als die Seite mit abgeriebenen Ziegenfellen deckend, und ſcheuen Hirſchen gleich um die Stadt wohnend4V. 53 Bekk.. Und ſo bezeichnete denn alſo auch die Diphthera der Heloten nichts Schmaͤhlicheres und Schimpflicheres als die Beſtimmung zur Landarbeit. Da aber Myron dieſe ſo augenfaͤllig mißdeutete, ſo mag es ſich eben ſo mit ſeinen uͤbrigen Vorwuͤrfen und aͤhnlichen Anklagen an - derer Schriftſteller verhalten. Wenn Plutarch erzaͤhlt, daß die Heloten zur Warnung der Spartiatiſchen Ju - gend ſich betrinken und unanſtaͤndige Taͤnze tanzen mußten5Lykurg 28. u. ſonſt.: ſo ſtraͤubt ſich der natuͤrliche Sinn gegen eine ſo wahnwitzige Erziehungsmethode. Wie konnte man denn Menſchen ſo entwuͤrdigen, die man als Paͤ - dagogen uͤber die juͤngeren Knaben ſetzte; Helotinnen waren auch im koͤniglichen Hauſe die Ammen6Duris bei Plut. Ageſ. 3., und genoſſen ſicher aller Pietaͤt, mit der das Alterthum die Waͤrterinnen der fruͤheſten Jugend ehret. Daß aber42 die Doriſchen Geſetze der ſtrengen Maͤßigkeit die Knechte nicht banden, iſt gewiß1Theopomp bei Athen. 14, 657 c. , und ſo konnten Beiſpiele der Trunkenheit unter ihnen zur Empfehlung der Nuͤch - ternheit dienen. Auch war es in der Ordnung, daß die Spartiatiſchen Nationallieder und Nationaltaͤnze den Heloten unterſagt waren2Plut. a. O., dagegen hatten ſie eigene mehr ausgelaſſene und poſſenhafte, welche zu jener Erzaͤhlung Veranlaſſung gaben3μόθων φοϱτικὸν ὄϱχημα Pollux 4, 14, 101.. Man muß dabei immer bedenken, daß die meiſten Fremden, wel - che Sparta beſuchten und uͤber deſſen Einrichtungen Nachricht gaben, Einzelnes, was ſie fluͤchtig geſehn, aufgriffen und, ohne den Zuſammenhang zu kennen, nach falſchen Vorausſetzungen combinirten.
Aber muͤhen wir uns nicht umſonſt, den ſchlim - men Eindruck der Darſtellung Myrons zu mindern, da das einzige fuͤrchterliche Wort “Kryptie” das un - gluͤckliche Schickſal der Heloten und die Grauſamkeit ihrer Herren genugſam bezeichnet? Man verſteht dar - unter eine jaͤhrlich zu beſtimmter Zeit von der Jugend Sparta’s angeſtellte Jagd der Heloten, welche bei Nacht meuchelmoͤrderiſch angefallen oder auch bei Tage foͤrmlich gehetzt werden, um ihre Anzahl zu vermin - dern und ihre Kraft zu ſchwaͤchen4Plutarch c. 28. Vgl. Numas 1. Ueber die Kryptie Manſo 1, 2. S. 141. Heyne in den Commentat. Gotting. T. 9. p. 30.. Von ihr ſpricht Iſokrates ſehr verwirrt und nach bleßem Geruͤcht5Pana - then. 73. vgl. oben S. 25, 2.; aber Ariſtoteles, wie Heraklides vom Pontos6bei Plut. Lyk. 28. Heraklid. Polit. 2., legen ſie geradezu dem Lykurg bei, und ſtellen ſie als einen Krieg vor, welchen die Ephoren ſelbſt bei dem Antritt ihres jaͤhrlichen Amtes den Heloten ankuͤndigen. Alſo43 eine foͤrmlich geſetzliche Niedermetzelung, um ſo grauen - voller, da ſie von den ungluͤcklichen Schlachtopfern vor - aus geſehen werden konnte. Und doch haͤtte dieſe, die in manchen Gegenden ganz fuͤr ſich lebten, die Verzweifelung nicht zu gemeinſamer Abwehr vereinigt, und nicht alle Jahre einen blutigen Vernichtungskrieg durch ganz Lakonika entzuͤndet? In ſo unbegreifliche Schwierigkeiten verwirren wir uns bei der gewoͤhnlichen Vorſtellungsweiſe: deren Loͤſung nach meiner Meinung die Rede des Spartiaten Megillos in Platons Geſetzen giebt11, 633 c. Von derſelben Sache Juſtin 3, 3.: pueros puberes non in forum, sed in agrum dednci praecepit, ut primos annos non in luxuria, sed in opere et laboribus age - rent, — neque prius in urbem redire quam viri facti es - sent. Faſt daſſelbe, nur mit einigen Abweichungen, Schol. Plat. Geſ. 1, 225 Ruhnk., welcher dort die Abhaͤrtung ſeiner Landsleute ruͤhmt. “Auch giebt es eine ſogenannte Κρυπτεία bei uns, welche wunderbar muͤhſelig zu ertragen iſt, Unbe - ſchuhtheit im Sturm, und Lagersentbehrung und Selbſt - bedienung ohne Knecht, wenn ſie des Nachts und bei Tage durch das ganze Land herumſchweifen.” Noch deutlicher eine andere Stelle26, 763 b. vgl. Barthelemy Anach. T. 4. S. 461., wo der Philoſoph an - ordnet: in ſeinem Staate ſollten ſechzig Agronomen oder Phylarchen jeder zwoͤlf Juͤnglinge von 25 bis 30 Jah - ren waͤhlen, und dieſe als Waͤchter alle einzelnen Di - ſtrikte nach der Reihe durchziehen, um fuͤr die Befeſti - gung, den Wegbau, die oͤffentlichen Gebaͤude im Lande zu ſorgen, wozu ſie ſich der Sklaven frei bedienen duͤrften. Dabei ſollten ſie ſelbſt hart und kaͤrglich le - ben, keine Dienſtleiſtung der Knechte und Ackerbauer fuͤr ſich begehren, aber ohne Raſt das ganze Land Win - ter und Sommer in Waffen durchſtreifen. Man koͤnne44 dieſelben Κρυπτοὶ oder Ἀγϱονόμοι nennen. — Wie haͤtte Plato den Namen der Kryptie hier brauchen moͤ - gen, wenn ſie einen heimlichen Helotenmord bezeichnete, und wenn nicht vielmehr zwiſchen ſeiner und dieſer Ein - richtung, ſei auch die letztere haͤrter und roher gewe - ſen, im Weſen eine Uebereinſtimmung ſtatt fand? Auch Sparta’s Juͤnglinge wurden theils zu eigener Uebung und Abhaͤrtung, theils zur Aufſicht des ziemlich aus - gedehnten Landes unter eigenen Obrigkeiten1Damoteles ein Spartiate ἐπὶ τῆς κϱυπτεὶας τεταγμὲνος, Plut. Kleom. 28. ausge - ſchickt, und hatten vermuthlich ein beſonderes Augen - merk auf die Heloten, welche Sparta ſchon deswegen fuͤrchten mußte, weil ſie meiſt fuͤr ſich allein und ab - geſondert wohnten. Daß Willkuͤhr und Haͤrte davon nicht genugſam ausgeſchloſſen waren, wird man zugeben muͤſſen; nur war der Zweck des Inſtituts ein anderer: das Thukydides24, 80. indeſſen auch ſo mit zu den Einrich - tungen rechnen mag, welche die Spartiaten zur Bewa - chung ihrer Helotie getroffen.
Es bedarf kaum einer Nachbemerkung, daß dieſe ſtehende Einrichtung der Krypteia nicht mit einzelnen Maaßregeln zuſammenhaͤngt, zu welchen ſich Sparta in verzweifelten Umſtaͤnden genoͤthigt glaubte. Thuky - dides laͤßt das Schickſal der 2000 Heloten errathen, welche, zum Kriege geweihet, ploͤtzlich verſchwanden. Es war dies der Fluch der Leibeigenſchaft, welche auch Plato die haͤrteſte in Hellas nennt3Geſetze 6, 776. eitirt von Plut. Lyk. 28. Athen. 6, 164. Auch Kritias der Athener ſagt, aber mehr witzig als wahr, in Sparta ſeien die Freien am meiſten Freie (vgl. Diogen. Prov. 4, 87. Apoſtol. 8, 12.), die Sklaven am mei - ſten Sklaven, bei Liban. or. 24. T. 2. p. 85 R., daß ſie ihre Her - ren gerade da verließ, wo ſie ihrer Huͤlfe am meiſten bedurften, und ſie ſelbſt noͤthigte, ſich fremden Bei -45 ſtand gegen die eigenen Unterthanen in Buͤndniſſen zu bedingen1Thuk. 1, 118. 5, 14, 23. vgl. Ariſtot. Pol. 2, 6, 2..
Eine beſſere Seite dieſes Inſtituts dagegen iſt, daß den Heloten ein geſetzlicher Weg zur Freiheit, ſelbſt zum Buͤrgerrecht offen ſtand2Obgleich es Dio Chryſ. Or. 36. p. 448 b. laͤugnet. Vergl. Manſo 1, 2. S. 153. und 1, 1. S. 234.. Die vielen Mittelſtu - fen uͤberzeugen uns von einem kuͤnſtlich organiſirten Uebergangsverhaͤltniß. ’Αργεῖοι hießen die Heloten, die man eines beſondern Vertrauens wuͤrdigte3Heſych s. v. ; wie es im Kriege die ἐρυκτῆρες genoſſen; die ἀφέται waren wohl aus aller Pflicht entlaſſen. Die δεσποσιοναῦται, die auf der Flotte dienten, aͤhnelten wahrſcheinlich den Attiſchen Freigelaſſenen, die χωϱὶς οἰκοῦντες hießen4Boͤckh Staatsh. 1. S. 281.. Mit der voͤlligen Freiheit wurde auch die Erlaubniß gegeben, “zu wohnen wo jeder wolle”5Th. 5, 34. vgl. 4, 80., und da - mit wohl auch ein Stuͤck Land außer dem Kleros ihrer vorigen Herren. Nachdem ſie die Freiheit einige Zeit beſeſſen, ſcheint man ſie Neodamoden genannt zu haben67, 58. δὺναται δὲ τὸ νεοδαμῶδες ἐλεύθεϱον ἤδη εἶναι. Der Gegenſatz iſt δαμὠσεις (Steph. ΔΑΜΩΛΕΙΣ) δημόται ἢ οἱ ἐντελεῖς παϱὰ Λακ. Heſych., deren Zahl bald der der Buͤrger nahe kam7vgl. Plut. Ageſ. 6.. Auch die Mothonen oder Mothaken waren nicht Perioͤken — von deren Uebergang in Spartiaten uͤber - haupt nichts berichtet wird — ſondern Heloten, die durch gemeinſame und gleiche Erziehung mit jungen Spartiaten (wie die des Eumaͤos im Hauſe des Odyſ - ſeus) Freiheit ohne Buͤrgerrecht erhielten8Athen. 6, 271 e. Schol. Ariſt. Plut. 279. Harpokr. Heſych. Die Ableitung von der Stadt Mothone iſt wie die der Heloten von Helos. Die Τϱόφιμοι ſind aus ξένοις durch Erziehung Spartiaten geworden, Xenoph.. Denn Μό -46 θων bezeichnet einen Hausſklaven, verna, und nie koͤn - nen Perioͤken ſo heißen, die in keiner Abhaͤngigkeit von einzelnen Spartiaten ſtanden1Bei Athen. heißen ſie Freie in Bezug auf das, was ſie werden, nicht was ſie waren. — Vgl. Hemſterhuis bei Lennep Etymol. 1. p. 575.. Die Abkoͤmmlinge der Mothaken muͤſſen auch das Buͤrgerrecht erhalten haben, wenn Lyſandros, Kallikratidas, Gylippos Mo - thakiſcher Abkunft waren2Athen. Aelian V. G. 12, 43. Zwei σύντϱοφοι oder μόϑακες Kleomenes des III. bei Plut. Kleom. 8. Dieſe wie Lyſandros waren Heraklidiſche Mothaken.. Epeunakten heißen, der Etymologie nach, ſolche Buͤrger, die die Wittwe eines Geſtorbenen aus einer Pflicht des alten Erbrechts eheligten; daß man dazu einmal Knechte genommen habe, beſagt Theopomp3bei Athen. 6, 271 d., wo die Vergleichung mit den Katonakophoren (ſ. oben S. 41, 2.) nicht hinlaͤnglich begruͤndet ſcheint. Vgl. Caſaub. ad Athen. 6, 20. Intpp. Hes. s. v. ἐνευν..
Die Zahl der Heloten koͤnnen wir ziemlich aus der Angabe des Plataͤiſchen Heeres abnehmen. Hier ſtanden 5000 Spartiaten, 35,000 Heloten, 10,000 Pe - rioͤken4Bei Thermo - pylaͤ lagen, nach dem Epitaph Herod. 7, 228. vgl. 8, 25., 4000 Streiter begraben, naͤmlich 300 Spartiat., 700 Thespiſche Hopli - ten, und 3000 ψιλοὶ, wovon 2100 Heloten geweſen ſein moͤgen.. Wenn vun ſonſt die Zahl ſtreitbarer Spar - tiaten 8000 betrug: ſo muͤſſen wir in demſelben Ver - haͤltniſſe 56,000 waffenfaͤhige Heloten rechnen, und die geſammte Volksmenge derſelben gegen 224,000. Wenn alſo die Stadt Sparta 9000 Ackerlooſe beſaß: ſo ka - men auf jedes 20 Menſchen, deren es, wie wir oben ſa - hen, wohl mehr ernaͤhren konnte5, und es blieben noch 44,000 fuͤr den Dienſt des Staats und der Ein - zelnen. Die Nachricht des Thukydides, daß die Chier8Hell. 5, 3, 9. Auf dieſe geht wohl die verwirrte Nachricht Plut. Lacon. Inst. p. 252.47 fuͤr eine Stadt die meiſten Sklaven haͤtten nach den Lakedaͤmoniern18, 40., noͤthigt nicht hoͤher hinaufzugehen, weil die groͤßere Sklavenmenge ſich von Aegina mit der Freiheit verloren hatte, und Athen waͤhrend des Krie - ges auch gewiß nicht 200,000 beſaß. Die Anzahl der waffenfaͤhigen Perioͤken wuͤrde nach der angegebenen Proportion nur 16,000 betragen, aber man wird hier annehmen muͤſſen, daß eine groͤßere Anzahl derſelben im Peloponnes zuruͤckgeblieben war: denn da ihnen 30,000, freilich weit kleinere, Looſe zugetheilt waren: ſo muͤſſen doch auch ziemlich eben ſo viel Familien gewe - ſen ſein, und wir erhalten wenigſtens gegen 120,000 Menſchen, im Ganzen aber fuͤr die 170 oder 180 Quadratmeilen Lakoniens eine angemeſſene Bevoͤlkerung von 380,000 Seelen.
Aus dieſer Berechnung folgt aber zugleich, daß nach der zu ernaͤhrenden Volksmenge die Guͤter der Spartiaten (πολιτικὴ χώϱα)2Polyb. 6, 45. gegen zwei Drittel des geſammten Ackerlandes betragen mußten. Dies konn - ten ſie ſeit der Eroberung des fruchtbaren Meſſeniens ſehr wohl, nach welcher die Anzahl der κλῆροι ver - doppelt3nach der wahr - ſcheinlichſien Angabe bei Plut. Lyk. 8. nach der Lykurg 4500 Looſe macht, und Polydoros eben ſo viel., der Umfang vielleicht verhaͤltnißmaͤßig noch mehr ausgedehnt wurde. Denn als die Spartiaten die Doriſchen Meſſenier, wie es ſcheint, vertrieben und das Land erobert hatten: traten zwar einige See - und Landſtaͤdte (Aſine, Mothone, Thuria, Aethaͤa) in das Perioͤken-Verhaͤltniß, aber der ſchoͤnſte Theil des an Aeckern, Baumpflanzungen und Viehweiden ſo rei - chen Landes4Platon Alkib. I. 122 d. Tyrtaͤos bei dem Schol. p. 78 Ruhnk. und zu Geſetz. 1. p. 220. vgl. Bd. 2. S. 70. Die Ebene am Pamiſos giebt an manchen Stel - wurde Spartiatiſch; und die zuruͤckge -48 bliebenen Landbauer Heloten1Pauſ. 4, 24, 2. τὴν μὲν ἄλλην πλὴν τῆς Ασιναίων αὐτοὶ διελὰγχανον. vgl. 3, 20, 6. Zenob. 5, 39. Apoſtol. 7, 33. δου - λότεϱος Μεσσηνίων. vgl. Etymol. Εἵλωτες. Etym. Gudian. 167, 32.. Dieſe waren es vor - zugsweiſe, welche Ol. 78, 4. bei dem großen Erdbeben nebſt den zwei letztgenannten Perioͤkenſtaͤdten ſich erho - ben, die alte Feſte Ithome verſchanzten, und hernach zum Theil auswanderten2Thuk. 1, 100. πλεῖστοι δὲ τῶν Εἱλώτων ἐγένοντο οἱ τῶν παλαιῶν Μεσσηνίων τότε (ſchr. ποτὲ) δουλωϑέντων ἀπόγο - νοι. Plut. Kimon 16. Lyk. 28. Diodor 11, 53 sq. unterſcheiden dabei die Heloten faͤlſchlich von den Meſſeniern, vgl. Bd. 2. S. 189.. Waͤre aber dieſer Aufſtand allen Heloten allgemein geweſen, wie Diodor vorgiebt: wie haͤtten dann die Spartiaten die Empoͤrer aus dem Lande ziehen laſſen koͤnnen, ohne es der Bebauer gaͤnzlich zu berauben? Auch nach der Schlacht von Leuktra fielen nicht die Lakoniſchen, nur die Meſſeniſchen Heloten ab3vgl. Xen. Hell. 7, 2, 2. mit 6, 5, 27., und waren ohne Zweifel die hauptſaͤch - lichſten Erneuerer Meſſeniens, welche in der neuen Stadt ein demokratiſches Buͤrgerrecht erhielten4Po - lob. 7, 10, 1. vgl. 4, 32, 1. und Manſos 3, 2. S. 80. Exeurs uͤber Meſſeniens Erneuerung..
In Lakonien ſelbſt gehoͤrte den Spartiaten nach Agis Rhetra, die wahrſcheinlich nur den fruͤheren Zu - ſtand erneuern ſollte, das Mittelland, welches vom Taygetos gegen Weſten, dem Fluͤßchen von Pellene und Sellaſia gegen Norden begraͤnzt war, und ſich gegen Oſten auf Malea hin erſtreckte5Plut. Agis 8. Μαλἐαν iſt vielleicht verdorben., und dies bebauten alſo damals die Heloten. Hiebei entſteht die Frage: wer denn die in dieſem Diſtrikt gelegenen Ortſchaften, wie z. B. Amyklaͤ, Therapne, Pharis, bewohnte. Die He -4len die Erndte 30 mal wieder, und wird zweimal des Jabrs beſaͤt. Sibthorp in Walpole’s Memoirs p. 60.49 loten gewiß nicht allein, da es z. B. eine bedeutende Anzahl Hopliten von Amyklaͤ im Lakedaͤmoniſchen Heere gab1Xen. Hell. 4, 5, 11., die alſo entweder Spartiaten oder Perioͤken waren. Ob nun die Letztern hier mitten im Weichbilde der Stadt kleine Diſtrikte bewohnten, oder Spartiaten auch außerhalb der Stadt auf den Landſtaͤdten wohn - ten, iſt nicht voͤllig zu entſcheiden. Jenes iſt wahr - ſcheinlicher, da es doch auch Perioͤken ganz in der Naͤhe der Stadt gab2Thuk. 4, 8. οἱ ἐγγύτατα τῶν πεϱιοίκων.; und von den Andern zwar erwaͤhnt wird, daß ſie auf dem Lande3ἐπ̕ ἀγϱῷ, ἐν τοῖς χωϱίοις. vgl. oben S. 37, 3. Wohnungen, nie aber daß ſie in andern Staͤdten Haͤuſer hatten außer Spar - ta und einigen umliegenden Komen.
Dies fuͤhrt uns wieder darauf, die Loͤſung der ſchwierigen Aufgabe zu verſuchen: was denn eigentlich jene Phylen, wie ſie die Grammatiker bisweilen nen - nen4Steph. V. Μεσόα τόπος Λακωνικῆς. φυλὴ Λα - κωνική. Heſych Κυνόσουϱα φυλὴ Λακωνική. vgl. Schol. Kallim. auf Art. 94. Heſych ἡ Πιτάνη φυλή., Pitana, Limnae od. Limnaͤon, Meſoa und Kynoſura, bedeuten, die auch Pauſanias auf dieſe Weiſe als Abtheilungen des Volkes verbindet53, 16, 6.. Pauſanias nun nennt ſie als Abtheilungen der Spartiaten, und es ſcheint, daß man ihm folgen muͤſſe. Denn wenn in einer Amyklaͤiſchen Inſchrift6aus Fourwonts Nachlaß mitgetheilt von Raoul-Roch. sur l’authent, des inscr. de Fourmont p. 131. ein Epimelet fuͤr die Fremden zu Amyklaͤ Damatrios ein Meſoat genannt, und in einer andern ein Gymna - ſiarch aus Roͤmiſcher Zeit als aus der Phyle der Ky - noſureer bezeichnet wird7Auch aus Fourmonts Papieren, wo eigentlich ſteht: ΑΙΙΟ ΦϒΛΗΣ ΚϒΝΟΟϒΡΕΩΝ. Ebd. kommt ein διαβετης Λιμναιων (ob διοικητης Λιμνατων) vor.: ſo kann man ſich dieſe Per -III. 450ſonen gewiß nicht als Perioͤken denken1Auch wird Thraſybulos (Epigr. Plut. Apophth. Lac. p. 242. Anthol. Palat. 7, 229.), offenbar ein Spartiat, nach Pitana zuruͤckgebracht, und ſo iſt auch Archias, der Pitanat, bei Herod. 3, 55., ſicher ein Spartiat. Vgl. noch Str. 5, 250.. Und wenn Alkman nach glaublicher Nachricht ein Meſoat war2Suid. Frgm. 2 Welcker.: ſo kann man auch darunter einen Buͤrger Sparta’s (wenn auch von einem niedern Grade) verſtehen, ohne mit Herodot in Widerſpruch zu kommen, der nur laͤug - net, daß irgend ein Fremder außer Tiſamenos u. He - gias Spartiat geworden ſei39, 35. Indeß ſagt auch Heraklid. Pont. von Alkman blos: ἠλευθεϱώθη.. — Ferner iſt klar, daß Pitana, Limnaͤ, Meſoa und Kynoſura Namen von Or - ten waren, wie aus der Zuſammenſtellung der Nach - richten uͤber ſelbige hervorgeht. Am meiſten wiſſen wir von Pitana, einem alten ohne Zweifel vordoriſchen Orte4Pindar O. 6, 28. Eurip. Troad. 1116. Μενέλαος Πιτανάτης bei Heſych., der ſo bedeutend war, daß er eigene gymni - ſche Agonen hatte5Heſych Πι - τανάτης., und einen eigenen Lochos Pitana - tes ſtellte6Her. 9, 53. Thuk. 1, 20. kannte ihn nicht mehr. Aber noch Caracalla bildete ſich aus Nachaͤffung des Alterthums aus Spart. einen λόχος Πιτανάτης. Herodian 4, 8.. Herodot, der ſelbſt da war, nennt ihn einen Demos73, 55., und zwar wiſſen wir, daß er in der Naͤhe des Tempels und feſten Ortes Iſſorion8Polyaͤn 2, 1, 14. vgl. Plut. Ageſ. 32. lag, der nach Pauſanias Topographie Sparta’s am weſtli - lichſten Ende der Stadt gelegen haben muß9Pauſ. 3, 14, 2. — In der Naͤhe lag Oenus nach Athen. 1, 31 c. und auch dies nahe bei der Stadt. Plut. Lyk. 6. Vgl. die Karte.. Auch erwaͤhnt dieſer Schriftſteller in dieſer Gegend die Halle (λέσχη) der Krotanen, welche eine Abtheilung der Pitanaten waren. So wiſſen wir denn, daß Pitana weſtlich von Sparta lag, außerhalb der Stadt nach51 Herodot1Auch nach Plut. de exil. 6., innerhalb, wie es ſcheint, bei Pauſanias. So war auch Limnaͤ nach Strabon eine Vorſtadt von Sparta28, 363 a. Ohne Zweifel die Sumpfgegend am Eurotas, der hier oͤfter uͤbertritt. Vgl. oben Bd. 2. S. 74., aber zugleich ein Theil der Stadt, wie auch nach demſelben Meſoa3364 a. vgl. Tzſchucke p. 184., wohin doch nach Pauſ. der Achaͤer Preugenes das den Doriern zu Sparta entriſſene Bild der Artemis brachte47, 20, 4.. — Aus allen dem ſich blos ſcheinbar widerſprechenden folgt, daß dieſe Orte nichts anders als die Komaͤ waren, aus welchen nach Thukydides51, 10. die Stadt Sparta beſtand, und die um die eigentliche πόλις nach allen Seiten herum la - gen, aber von einander durch Zwiſchenraͤume getrennt waren, bis man ſie ſpaͤter, wohl zur Zeit, da Sparta in Makedoniſcher Periode ummauert wurde, zuſammen - zog und vereinigte.
Nachdem wir ſo die beiden Staͤnde der Unterthaͤ - nigkeit in dem Doriſchen Normalſtaate Sparta auseinan - der geſtellt haben, werden wir die Spuren derſelben oder aͤhnlicher Verhaͤltniſſe in vielen der uͤbrigen Staa - ten dieſes Volksſtammes nachweiſen. Da nun in Kreta das Doriſche Leben zuerſt feſt gegruͤndet wurde, indem hier gluͤckliche Umſtaͤnde dem Stamme einen reichlichen Landbeſitz und eine ungefaͤhrdete Herrſchaft verſchafft hatten: ſo muͤſſen auch die Verhaͤltniſſe zu den Landes - einwohnern hier am fruͤheſten zu einer ſtetigen Ordnung geregelt worden ſein, fuͤr die es ein guͤnſtiges Vorur - theil erwecken muß, wenn Ariſtoteles von keiner Em - poͤrung der Knechte gegen die Herren erfuhr12, 6, 3. Ueber die Sklaven Kreta’s Manſo Sparta 1, 2. S. 105. Ste Croix sur la legisl. de Crète p. 373. hat Alles verwirrt.. Der Doriſche Sinn forderte hier wie anderswo Freiheit von jedem Nahrungsgeſchaͤft, welchen Hybrias, der Kreter, in ſeinem Skolion offen und keck ſo ausſpricht, “daß er mit Lanze, Schwerdt und Tartſche ackere, erndte und winzere und darum Herr der Mnoia heiße”2Aehnlich ſagten die Lakedaͤmonier nach Cic. de rep. 3, 9. (vgl. Plut. Lak. Apopht. p. 179. 201. ) ſpruͤchwoͤrtlich suos omnes agros, quos spiculo possent attingere. . Aber auch hier mußten verſchiedene Claſſen von Unter -53 thanen ſtatt finden. Soſikrates und Doſiadas, glaub - wuͤrdige Schriftſteller uͤber Kreta, nennen drei Claſſen, die Staatsknechtſchaft, (κοινὴ δουλεία) von den Kretern Μνοἆα genannt, die Knechte der einzelnen Buͤrger, Ἀφα - μιώτας, u. die Perioͤken, Ὑπηκόους. Nun wiſſen wir im Einzelnen, daß die Aphamioten ihren Namen von der Beſtellung der Aecker der Privaten (kretiſch ἀφαμίαι) hatten, und ſonach landbauende Leibeigene waren1Athen. 6, 263 e. Heſych. Euſt. Il. 15, 1024 R. Ruhnken ad Tim. p. 283.. Mit ihnen treffen zuſammen die von jenen Schriftſtel - lern eben darum nicht ſpeciell erwaͤhnten Klaroten, denn wenn auch die gewoͤhnliche Namenserklaͤrung ſie von dem uͤber die Kriegsgefangenen geworfenen Looſe benennen laͤßt, leitet man den Namen doch gewiß na - tuͤrlicher von den einzelnen Ackerlooſen oder Guͤtern der Buͤrger, den κλήροις, ab. Aber nach jeder dieſer Erklaͤrungen ſind ſie immer den einzelnen Buͤrgern an - gehoͤrige Leibeigene; und Klaroten wie Aphamioten werden daher ganz richtig mit den Heloten verglichen2Strabo 15, 701. Etym. M. πενέσται. Photios p. 124 und 300. Lex. Seguer. 1. p. 292. emd. von Meineke Eupher. p. 142., und wie von dieſen die Lakoniſchen, ſo waren von jenen die Kretiſchen Perioͤken grundverſchieden: ob - gleich Ariſtoteles den von den Kretiſchen Schriftſtellern genau beobachteten Unterſchied vernachlaͤſſigt3Pol. 2, 7, 3. vgl. 2, 2, 13. Schneider.. Zwei - tens wird die Μνοῖα (μνῷα) von denen, welche genauer reden, eben ſo von dem Stande der Perioͤken als der Eigenknechte unterſchieden, und als eine Staatsfrohne bezeichnet; wornach anzunehmen iſt, daß jeder Staat in Kreta ein Gemeinland beſaß, welches die Mnoten in denſelben Verhaͤltniſſen bebauten, wie die Aphamio - ten die abgetheilten Grundſtuͤcke. Indeſſen wird ſehr54 oft dieſer Name auf alle Frohnknechte ausgedehnt, wie ſchon in dem Liede des Hybrias1So auch bei Str. 12, 542 c.: die Knechte der Hera - kleoten dienen nach denſelben Bedingungen wie ἡ Μνῷα σύνοδος ἐϑήτευεν. Vgl. Hermon bei Athen. 6, 267 b., wo Euſt. Il. 15, 1024 Rom. μνῷται οἱ ἐγγενεῖς οἰκέται, (die Eingebornen im Gegenſatze der Gekauften) die richtige Lesart bewahrt zu haben ſcheint. vgl. zur Il. 13, 954. Heſych 2. S. 611. Pollux 3, 8, 83. κλαϱῶται και μνωΐται. Steph. Χίος: (aus derſelben Quelle, wo Pollux) οὗτοι δὲ πϱῶτοι ἐχϱήσαντο ϑεϱάπουσιν ὡς Λακεδαιμόνιοι τοῖς εἵλωσι καὶ Ἀϱγεῖοι τοῖς γυμνησίοις καὶ Σικυώνιοι τοῖς κοϱυνηφόϱοις καὶ Ἰταλιῶται τοῖς Πελασγοῖς (daraus erklaͤrt ſich Cicero de fin. 2, 4. wie ſchon Victor. Varr. lectt. 1, 10. geſehn,) καὶ Κϱῆτες δμωΐ - ταις. Schreibe μνωΐταις, in der weitern Bedeutung des Wortes. Eben ſo Euſt. zu Dion. P. 5, 33., den ſchon Meineke a. O. corri - girt hat.. Die Perioͤken end - lich bildeten wohl in Kreta, wie in Lakonien, abhaͤngige und tributaͤre Gemeinden: ihre Abgabe wurde ſo wie der Ertrag des Gemeinlandes zum Theil auf die oͤffentli - chen Mahlzeiten gewandt2Ariſtot. a. O. ἐκ τῶν δημοσίων καὶ φόϱων οὓς φέϱουσιν οἱ πεϱίοικοι.; zu denen auch noch nach Doſiadas3bei Athen. 4, 143 a. in Lyktos jeder Knecht einen Aeginetiſchen Stater beiſteuerte: wobei man an Perioͤken nicht den - ken darf, weil dieſe der genaue Schriftſteller nicht Knechte nennen konnte, auch nicht an die vom Aus - lande gekauften und in den Staͤdten dienenden Sklaven, (χρυσώνητοι in Kreta), weil bei dieſen auf ein eige - nes Vermoͤgen nicht mit Sicherheit gerechnet werden konnte; endlich auch an die Mnoten nicht, weil dieſe als Staatsknechte außer Zuſammenhang mit den Ein - zelnen, und alſo auch mit dieſen Speiſegeſellſchaften ſtanden. Alſo ſind es die Klaroten (Aphamioten), wel - che ihren Herren außer der Abgabe in Naturalien auch noch dieſen Geldbeitrag ſchuldig waren, mit welchem wahrſcheinlich das noͤthige Geraͤth beſtritten wurde. 55Uebrigens iſt nicht wohl daran zu denken, daß die Leibeigenen an der taͤglichen Mahlzeit Theil genommen haͤtten1An den Hermden indeß ſpeisten die Sklaven oͤffentlich, und ihre Herren bedienten ſie ſogar, wie zu Troͤzen im Mon. Ge - raͤſtion, Karyſtios bei Athen. 14, 639 b. vgl. 6, 263 f. In Sparta luden die Herren die Knechte an den Hyakinthien zu Gaſte, Poly - krates bei Ath. 4, 139 b. .
Vielleicht war aber in keinem griechiſchen Staate der unfreie Stand minder gedruͤckt als in Kreta. Es war ihnen im Allgemeinen jede Thaͤtigkeit und jedes Geſchaͤft geſtattet, mit Ausnahme der Eymnaſien und des Waffenfuͤhrens2Ariſtot. Pol. 2, 2, 1. Daher hielten auch die Perioͤken ſo feſt an der alten Minoiſchen Geſetzgebung, daß ſie dieſelbe auch dann noch beobachteten, als die Dorier der Stadt Lyktos davon abgewichen waren3Pol. 2, 8, 5.. Ueber - haupt war Kreta unter allen Doriſchen Staaten darin am gluͤcklichſten, daß es ſeine Inſtitute ohne bedeutenden Widerſtand mit Kraft und Ruhe durchſetzen konnte, obgleich durch das gefahrloſe Gluͤck und den weitver - breiteten Verkehr auch zeitiger Verfall der alten Sitte herbeigefuͤhrt wurde. Das Umgekehrte fand in Argos ſtatt, deſſen Doriſche Einwohner von allen Seiten bedraͤngt, ſich darum am Ende des Dorismus entaͤu - ßern und mit den alten Landeseinwohnern verſchmelzen mußten. Daher wir zwar auch hier anfangs Unter - thanen und Leibeigene geſchieden, aber ſchon fruͤh das Verhaͤltniß verwirrt und eine ganz veraͤnderte Stellung eingeleitet finden.
Argos hatte Leibeigene, die mit den Heloten verglichen und Gymneſioi genannt werden4Heſych a. O. Pollux u. Steph. B. a. O.. Der Name buͤrgt fuͤr die Richtigkeit der Vergleichung. Denn er bezeichnet dieſe Knechte als leichtbewaffnete Beglei -56 ter ihrer Herren (γύμνητες). Daher hieß auch dieſelbe Klaſſe Dienſtleute in Sikyon Korynephoren, weil ſie nur Keule und Knittel, nicht Schwerdt und Lanze tru - gen, wie die geharniſchten Dorier. Auf dieſe Gymne - ſier bezieht ſich die Erzaͤhlung Herodots16, 83.: Als durch Kleomenes, Koͤnig Sparta’s, in der Schlacht am Siebenten ſechstauſend27, 148. Dort wird die Schlacht gegen die obige, Bd. 2. S. 172, auf Pauſ. gegruͤndete Rechnung, ganz nah vor Anfang des Perſerkrieges geruͤckt, wie nicht blos aus dem νεωστὶ, ſondern ſchon daraus hervorgeht, daß die Arg, einen 30jaͤh - rigen Frieden verlangen, damit die Kinder der Erſchlagenen heran - wachſen koͤnnen. Darnach muͤßten die Gymneſier ſich erſt nach dem Perſerkriege, von Argos vertrieben, der Stadt Tiryns bemaͤch - tigt haben, (denn daß ſie waͤhrend deſſelben nicht da waren, kann man aus Herod. 9, 28. ſchließen,) und die endliche Beſiegung der - ſelben traͤfe dann wohl mit der Eroberung von Tiryns (Bd. 2. S. 174.) zuſammen. — Waͤre das Orakel 6, 19. genau (καὶ τότε) in Erfuͤllung gegangen: ſo muͤßte die Schlacht Ol. 70, 3. treffen, aber darauf wird man keine Rechnung gruͤnden wollen. Buͤrger von Argos gefallen waren: bemaͤchtigten ſich die Knechte des Staats, und verwalteten und beherrſchten ihn ſo lange, bis die Soͤhne der Erſchlagenen herangewachſen waren. Wir ſehen, daß die Zahl der Argeiiſchen Dorier durch den Fall von 6000 ziemlich erſchoͤpft war, und daß zunaͤchſt um die Stadt nur Leibeigene wohnten, weil die Herr - ſchaft ſonſt nicht haͤtte in deren Hand fallen koͤnnen. An gekaufte Sklaven aus Barbarenlaͤndern darf man hier gar nicht denken, weil dieſe einen Hellenen-Staat wohl ſo wenig regieren konnten, als die Affen in der Fabel das Schiff3Es gilt derſelbe Schluß wie von den Sklaven, die ſich Volſinii’s be - maͤchtigten, ſ. Niebuhrs R. G. 1. S. 82.. Hernach wurden die Knechte von der herangewachſenen Jugend nach Tiryns vertrieben,57 dann nach langem Kriege, wie es ſcheint, auch von da verjagt, oder von neuem unterworfen1Von der Freilaſſung Argeiiſcher Knechte ſpricht die Stelle Heſych s. v. ἐλείθεϱον ὕδωϱ: ἐν Ἄϱγει ἀπὸ τῆς Συναγεέας (ob ΦϒΣΑΔΕΙΛΣ, vgl. Kallim. Bad der Pall. 47. Euphorion Fr. 19 Meineke) πίνουσι κϱήνης ἐλευθεϱούμενοι τῶν οἰκετῶν..
Aber auch Perioͤken hatten die Argeier2Ariſt. Pol. 5, 2, 8., welche mit einem beſondern Namen Orneaten genannt wurden. So hießen eigentlich die Einwohner einer Stadt Orneaͤ in den Graͤnzgebirgen gegen Mantinea, welche, lange unabhaͤngig, doch endlich, etwa gegen Olymp 50.3Bd. 2. S. 159., von den Argeiern unterworfen wurde; und dann von dieſem Orte die ganze Claſſe von Perioͤken. Dieſe Or - neaten oder Perioͤken bildeten alſo Gemeinden fuͤr ſich, wie die Lakoniſchen, und zwar bis gegen den Perſi - ſchen Krieg. Denn zu dieſer Zeit zogen die Argeier, wie oben nachgewieſen, die umliegenden Perioͤkiſchen Gemeinden4nicht die Gymne - ſier ſ. Bd. 2. S. 174, 1. zur Ergaͤnzung und Vermehrung ihrer eigenen Zahl an ſich, und machten ſie zu Stadtbuͤr - gern: womit eine ganz neue Periode in der Argeiiſchen Verfaſſungsgeſchichte anhebt, deren Verhaͤltniſſe als bekannter oͤfter mit Unrecht auf die fruͤhern Zeiten uͤbergetragen worden ſind. So ſagt Iſokrates5Panathen. 73. vgl. 99. So glaube ich auch, daß ſich Pauſ. taͤuſchen laſſen, wenn er 2, 19. den Arg. ſeit der aͤlteſten Zeit Liebe zur Iſegorie und Volksfreiheit bei - ſchreibt., daß die Dorier von Argos, wie von Meſſene, die fruͤhern Landeseinwohner (als συνοίκους) mit in die Stadt aufgenommen, und ihnen mit Ausnahme der Ehren - ſtellen gleiches Buͤrgerrecht gegeben haͤtten, und ſtellt damit das Verfahren der Spartiaten in einen Gegen - ſatz, der, wie nunmehro Jeder ſieht, durchaus nichtig58 iſt. — Die nun eingeleitete Umwaͤlzung der Verfaſſung in Argos war etwa eben ſo groß, als wenn in Lako - nika die geſammte Volksmenge der Perioͤken ſich zur ſouve - raͤnen Gemeinde erklaͤrt haͤtte. Denn dieſe in die Stadt aufgenommenen Neubuͤrger ſcheinen bald das voͤllige Buͤrgerrecht der alten verlangt und erhalten zu haben, daher ſeit der angegebenen Epoche in Argos die De - mokratie maͤchtig uͤberhand nimmt. Sie konnte nicht ohne das Verſchwinden des eigentlichen Dorismus ein - treten, das ſich auch durch verringerte Waffenkunde bekundet; daher die Volksgemeinde hernach ſelbſt dar - auf verfiel, ein ſtehendes Heer von tauſend Buͤrgern edler Familien unter Heerfuͤhrern von großer Civilge - walt zu bilden, welches aber ſogleich wieder eine druͤ - ckende Oligarchie einzufuͤhren ſtrebte, bis es der zu maͤchtig gewordenen Demokratie erlag. Doch davon unten weiter2Zur Vergleichung dient auch die Eleiſche Πεϱιοι - κἱς. So hieß alles Land, welches die Eleer zu ihrem eigentlichen Beſitz, der ΚοιλὴἨλις, hinzuerobert hatten (Thuk. 2, 25. Xen. Hell. 3, 2, 23.); aber auch dieſes war in Land-Phylen getheilt, die durch Landgewinn oder Verluſt zu - oder abnahmen. Pauſ. 5, 9, 5. Die Zahl der Hellanodiken, obgleich dieſe vom herrſchenden Stamme waren, (Pind. O. 3, 21.) richtete ſich nach der der Phylen. Pauſ. vgl. Ariſtodem von Elis bei Harpokr. Ἑλλαν. Etym. M. 331, 20..
Es iſt nicht bekannt, wie lange die Evidaurier den Unterſchied zwiſchen Stadtbewohnern und Acker - bauern feſthielten. Der Name Κονίποδες, Staubfuͤße, mit welchem das niedere Volk ehemals belegt wurde, bezeichnet ſein Landleben3Plut. Qu. Gr. 1. Heſych., und iſt wohl nicht blos1S. Thukyd. 5, 67. 72. Diod. 12, 80. Plut. Alkib. 15. Pauſ. 2, 20, 1., wo der Anfuͤhrer der 1000 λογἀδες Bryas heißt, beſonders Ariſt. Pol. 5, 4. vgl. Manſo 2. S. 432. “Ein Beitrag zur Kenntniß der Verfaſſung von Argos” mit den Gegenbemerkungen von Tittmann S. 602.59 Spottname. Daß es aber auch hier, wie in Argos, Buͤrger gab, die von Urſprung Nicht-Dorier waren, erweist das Vorkommen einer vierten Phyle außer den drei Doriſchen1K. 5..
In Korinth und Sikyon ſcheint keine voll - kommene Scheidung der Dorier und Nicht-Dorier durchgeſetzt worden zu ſein. Beſonders in der erſtge - nannten Stadt mußten ſich die Einwohner mit den aͤltern Beſitzern vergleichen, und wurden wohl nur zum Mitbeſitz des Landes durch neue Vertheilung (ἐπ̕ ἀνα - δασμῷ) aufgenommen. Daher kommt es, daß in Ko - rinth nicht bloß die drei Doriſchen Phylen, von denen bald die Rede ſein wird, ſondern im Ganzen acht wa - ren, welche alle die Stadt bewohnten2Πάντα ὀκτώ. Suidas (in Schotts Prov. 11, 64.) Apoſtol. 15, 67.. Auch waren ſelbſt die Kypſeliden keine Dorier, und doch ſchon, ehe ſie Tyrannen wurden, angeſehene Buͤrger. Einen Ko - rinthiſchen Helotenſtand kann man in den Kynophaloi finden3Heſych. Nach Iſ. Voſſ. Κυνό - φυλοι., denen die Hundsmuͤtze der Peloponneſiſchen Ureinwohner wieder den Namen gegeben hatte. In - deß uͤberwog hier, als in einem Handelsſtaate, ſehr bald die eigentliche Sklaverei, deren Verhaͤltniſſe wir uns nach den Atheniſchen denken duͤrfen4So kommt der Hafen Lechaͤon als Zufluchtsort ge - plagter Sklaven eben ſo wie Munychia vor. Heſych Λέχαιον.. In Si - kyon gab es Leibeigene, von denen uns die Namen Korynephoren5Steph. B. Χίος. Pollux a. O. Etym. Gud. 165, 53., wo ϑῆτες, γυμνῆτες, (fuͤr γυμνήσιοι) πενέσται, πελάται, (durch Irr - thum fuͤr κλαϱόται) κοϱυνηφόϱοι, καλλικύϱιοι zuſammengeſtellt werden. und Katonakophoren erhalten ſind6S. oben S. 42, 2.. Der erſte bezeichnet ſie als leichtbewaffnete Knappen, der zweite als beſtaͤndige Landbewohner. Die Buͤrger -60 ſchaft war hier in vier Phylen getheilt, von denen drei die reindoriſchen ſind, naͤmlich die Hylleer, Dy - manen und Pamphylen, die vierte aber, die Aegialeer, von dem Lande den Namen hat, welches ſie ſchon vor der Doriſchen Eroberung bewohnte1Herod. 5, 68., wo aber ſchwer zu glauben iſt, daß die vierte Phyle erſt nach Kleiſthenes aufgekommen ſei. — Was in Sikyon Αἰγιαλεῖς, hieß vielleicht in Phlius Χϑονοφύλη, welche mythiſch Tochter des Sikyon, und Mutter oder Gattin des Phlias genannt wird. Pauſ. 2, 6, 3. 12, 6. Schol. Apoll. 1, 115.. Daß auch dieſe vierte nicht blos buͤrgerliche Rechte, ſondern auch voͤl - liges Buͤrgerrecht genoß, iſt ſicher, da ſich aus ihr Kleiſthenes Haus zur Herrſcherwuͤrde emporſchwang, welches nicht wohl moͤglich geweſen waͤre bei Verhaͤlt - niſſen, die denen der Perioͤken oder gar der Heloten Sparta’s geglichen haͤtten. Dieſer Kleiſthenes nannte in tyranniſchem Uebermuthe ſeine eigene Phyle Arche - laoi, die drei Doriſchen von der Sau, dem Schwein und dem Eſel Hyaten, Oneaten, Choͤreaten. Aber waren dies wirklich bloße Spottnamen, wie der gute Herodotos erzaͤhlt, der bei aller Ungeſchminktheit ſeiner Erzaͤhlung doch Politiſches ſelten vom rechten Stand - punkte betrachtet? Wohl nicht: ſondern Kleiſthenes wollte auch die Dorier zwingen, auf das Land hinaus - zugehn, und Viehzucht und Ackerbau zu treiben, indem er ganz und gar ihren Lebensgrundſaͤtzen Trotz bot. Indeſſen konnten ſo willkuͤhrliche Umkehrungen aller Sitte und Gewohnheit des Lebens keinen Beſtand ha - ben, und es ſtellte ſich nach dem Untergange der Dy - naſtie die alte Verfaſſung in den Hauptzuͤgen wieder her.
In den Kolonieen der Dorier nahmen die Verhaͤltniſſe zu unterworfenen Ackerbauern und Leib - eigenen oft noch mehr Schaͤrfe und Haͤrte an, da jene61 es hier nicht mit Griechen ſondern Barbaren zu thun hatten. Gewoͤhnlich ergaben ſich geſchichtlich folgende Staͤnde. Ein Doriſcher Staat hatte die Colonie ge - fuͤhrt, und deſſen Buͤrger conſtituirten nun den Adel in der neuen Stadt, ſie theilten das gewonnene Land in κλήρους unter ſich1S. z. B. von der κληϱοδοσία von Knidos Diod. 5, 53. Daß die Looſe ſchon im Mutterlande ausgetheilt wurden, ſieht man bei der Gruͤndung von Syrakus Bd. 2. S. 116. Vgl. die Ge - ſchichte der Colonienſendung nach Epidamnos. Thuk. 1, 27., und bildeten das eigentliche πολίτευμα2So war es z. B. im Korinthiſchen Apollonia. Herod. 9, 93. Ariſtot. Pol. 4, 3, 8. Eben ſo in Thera. vgl. Bd. 1. S. 337.. Nun waren aber dergleichen Colonien darauf bedacht, ſich durch Volksmenge zu verſtaͤrken, und oͤffneten ihre Haͤfen allerlei Heimatloſen und Un - zufriedenen. Dieſes Volk von bunter Zuſammenſetzung3Thuk. 6, 17. von den Staͤdten Siciliens: ὄχλοις τε γὰϱ ξυμμίκτοις πο - λυανδϱοῦσιν κ. τ. λ., gemeiniglich Demos genannt, ſtand gewoͤhnlich außer - halb des Politeuma, bis es ſich durch Gewalt ein - draͤngte, und drang zugleich beſtaͤndig auf neue Ver - theilung der Feldmark, auf ἀναδασμός4Das klarſte Beiſpiel, obgleich von keiner Doriſchen Stadt, iſt bei Thuk. 5, 4. Die Leontiner hatten viel neue Buͤrger gemacht, und dieſe, nun den Demos zum Theil bildend, drangen auf ἀναδασμός. Daruͤber vertrieb der Adel den Demos ganz. Vgl. unten K. 9.. Dazu ka - men nun drittens die Ureinwohner, welche jetzt als Leibeigene oder Staatsknechte dienen mußten. So un - terſcheidet man in Syrakus: erſtens die Gamoren. Dies ſind die altkorinthiſchen Coloniſten, welche die großen Kleroi in Beſitz genommen und das Land ge - theilt haben5Herod. 7, 155. Ariſtot. πολ. Συϱακ. bei Phot. S. 96. Dionyſ. Hal. 6, 62. p. 388, 35. Mar - mor. Par. l. 52. Heſych: γάμοϱοι — ἢ οἱ ἀπὸ τῶν ἐγγείων τι - μημάτων (a censu agrorum) τὰ κο〈…〉〈…〉 νὰ διέποντες. Platner. Zweitens einen Demos; drittens62 Knechte auf den Guͤtern des Adels, deren Unzahl ſpruͤch - woͤrtlich geworden. Dies waren ohne Zweifel ureinwoh - nende Sikuler, wie auch die mannigfachen Namensfor - men derſelben, Κυλλύϱιοι, Καλλικύριοι, Κιλλικύϱιοι, ſich nicht aus dem Griechiſchen erklaͤren laſſen1Heſych (c. Intpp. T. 2. p. 260.) Photios, Suid. Phavo - rin. Καλλικ. Etym. Gud. p. 165. Zenob. 4, 54. Καλλικύϱιοι ἐν Συϱακούσαις ἐκλήθησαν οἱ ὑπεισελϑόντες γεωμόϱοις, wie zu ſchreiben (S. K. 9.), Plut. Prov. Alex. 10. p. 588. Bei Euſt. Il. p. 295 Rom. Κιλλικύϱιοι δὲ ἐν Κϱήτῃ, Μαϱιανδυνοὶ δὲ ἐν Ἡϱακλείᾳ τῇ Ποντικῇ καὶ Αϱοτται ἐν Συϱακούσαις iſt zu ſchr. Κιλλ. δὲ ἐν Συϱακούσαις — ΚΛΑΡΟΤΑΙ ΛΕ ἐν Κϱήτῃ. Dio - nyſ. a. O. nennt ſie πελάτας.. Das Verhaͤltniß hatte ſich hier weſentlich verſchieden von dem Peloponneſiſchen gebildet, beſonders dadurch, daß der Demos, ein ſchlimmer Mitbewohner nach Gelons Ausdruck, gleich mit in die Stadt aufgenommen wor - den war. Daher auch die ungeheure Groͤße der Sici - liſchen und Italiſchen Staͤdte in Vergleich mit den Pe - loponneſiſchen. Die Gamoren mit ihren Kyllyriern ver - hielten ſich nun zu dem Demos ungefaͤhr eben ſo, wie die Patricier mit den Klienten zu den Plebejern in Rom. Auch nahm die Umbildung der Verfaſſung ziem - lich denſelben Gang wie in Rom, indem zuerſt beide Staͤnde ihre Anſpruͤche in einer (Ariſtoteliſchen) Πολι - τεία auszugleichen ſuchten, die indeſſen ſpaͤter zur voͤlligen Demokratie uͤberging, wie wir unten ſehen werden.
In der Megariſchen Colonie Byzantion ſtan - den die Ureinwohner, die Bithyner, in demſelben He - loten-Verhaͤltniß2Phylarch bei Athen. 6. p. 271 c. Die μιοϑωτοὶ hießen in Byzanz nach Pollux 7, 29, 132. κϱούνικοι.. Auch hatte gleiches Schickſal erdul -5Beitraͤge S. 56. wendet dieſe Stelle nicht ganz richtig auf den Zu - ſtand der Τελέοντες in Attika an. vgl. Weſſel. ad Diod. 2. p. 549.63 den muͤſſen der Volkſtamm der Mariandynen in der Pontiſchen Herakleia, die ebenfalls Megarer nebſt Boͤotern gruͤndeten. Er unterwarf ſich unter der Be - dingung, daß kein Mariandyne uͤber die Graͤnze ver - kauft werden durfte1Strabo 12, 542 c. — dies iſt Grundgeſetz der alten Leibeigenſchaft — und ſie ein fuͤr allemal beſtimmte Abgaben — mit einem milden Namen δῶϱα genannt — zinſen ſollten2Euphorion (Frgm. 73 Mein. ) und Kalliſtratos ὁ Ἀϱιστοφάνειος bei Athen. 6, 263 d. e. Heſych δωϱοφόϱοι. Die Herren nennt Euphorion Homeriſch ἄνακτας.. Die große Anzahl dieſer unterworfenen Landeseinwohner, die es nie an Matroſen fehlen ließ, war der Schifffahrt und Seemacht Herakleias ſehr guͤnſtig3Ariſt. Pol. 7, 5, 7., wo die zur See dienenden Perioͤken von Herakleia wohl die Mariandynen ſind. Hier iſt von Her. Pontike offenbar die Rede: 5, 4, 2. dagegen (μετὰ τὸν ἀποικισμὸν εὐθὺς) gewiß von Her. Trachinia, vgl. Schloſſer; und von dieſem wohl auch in den uͤbrigen Stellen..
Die Ordnung der Staͤnde in Kyrene folgte der - ſelben Analogie. In der Mutterſtadt Thera hatten nur die Geſchlechter der urſpruͤnglichen Colonie aus La - konika volles Buͤrgerrecht, und verwalteten die Staats - aͤmter4ſ. oben S. 61, 2.. So waren nun auch wieder in Kyrene zu - erſt nur die Theraͤiſchen Geſchlechter im Genuß der Herrſchaftsrechte, und ließen die Nachwanderer nicht zum voͤlligen Mitbeſitz derſelben. Es war der natuͤrliche Gang der Dinge, daß diejenigen, welche dem Helleni - ſchen Namen zuerſt unter den Libyſchen Horden Anſehn verſchafft hatten, ein groͤßeres Anrecht auf Ehre und Beſitz zu haben glaubten, als die, welche in die ſchon gegruͤndete und befeſtigte Stadt zuſammen ſtroͤmten. Aber als die Kyrenaͤer unter Battos II. eine neue Ver - theilung der Aecker — die man freilich erſt den Libyern64 abnehmen wollte — in ganz Griechenland angekuͤndigt hatten1Das Orakel bei Herod. 4, 159. ὃς δέ κεν ἐς Αιβύαν πολυήϱατον ὕστεϱον ἔλθῃ γᾶς ἀναδαιομένας, μετά οἵ ποκά φαμι μελήσειν. Vgl. ὑστεϱεῖν τῆς κληϱοδοσὶας Diod. 5, 53., und viele Neubuͤrger zuſammen gekommen waren: wurde auch mit der Zeit eine neue Verfaſſung noͤthig, welche Demonax von Mantineia nach demokra - tiſchen Grundſaͤtzen anordnete. Er hob die alten Staͤm - me auf, und ſetzte an ihre Stelle neue, in welchen die geſammte Griechiſche Bevoͤlkerung von Kyrene zuſam - mengefaßt war2Ariſt. Pol. 6, 4. vgl. Platner a. O. S. 70.. “Er machte drei Phylen, welche er ſo einrichtete. Den einen Theil des Volkes ließ er aus den Theraͤern und den Perioͤken beſtehn, den andern aus Peloponneſiern und Kretern, den dritten aus allen Inſelbewohnern”3Worte Herodots 4, 161. vgl. Thrige Cyrene p. 166.. Hieraus iſt deutlich, daß auch fortwaͤhrend nur die urſpruͤnglichen Coloniſten Perioͤken hatten, die andern nicht, und jene immer noch eine Art von Bevorrechteten waren, deren Exiſtenz wohl groͤß - tentheils vom eigenen Betrieb des Landbaues unabhaͤn - gig war; ſo ehrte der weiſe Demonax die geſchichtliche Vergangenheit. Von der Zuſammenſetzung und dem Zuſtande jener Perioͤken haben wir keine Nachricht und nicht einmal eine andeutende Spur.
So kommen wir endlich zum Schluß dieſer weitſchichtigen Zuſammenſtellung. Es iſt deutlich ge - worden, daß zur Grundlage des Doriſchen Staates ein Perioͤken - und ein Helotenſtand gehoͤrt, ſo daß die Aufhebung der Dienſtbarkeit auch gewoͤhnlich den Um - ſturz der Doriſchen Inſtitute herbeifuͤhrte. Daher zeichnen ſich die Dorier und namentlich Sparta durch hartnaͤckige Feſthaltung derſelben aus. Aber eigentlich65 exiſtirte in alten Zeiten dieſe Dienſtbarkeit uͤberall, wo kriegeriſche Voͤlker ſich durch Eroberung niedergelaſſen hatten, in Theſſalien, Boͤotien, ſelbſt bei den Joniern von Athen. Die Theſſaliſche Unterthaͤnigkeit und Leib - eigenſchaft hat ſich außer der Doriſchen am laͤngſten erhalten, daher wir ſie hier mit hineinziehen. Man unterſcheide folgende Verhaͤltniſſe in dieſem Lande. Er - ſtens ſtanden unter der Botmaͤßigkeit der Theſſaler eine Anzahl Voͤlkerſchaften, welche einen beſtimmten Tribut zahlten, und auch wohl zum Beiſtande im Kriege ver - pflichtet waren, aber dabei doch nicht die Volkseinheit und eine gewiſſe Selbſtſtaͤndigkeit verloren hatten. In ſolchem Verhaͤltniß muͤſſen wir uns die Perrhaͤber noͤrd - lich von Lariſſa, die Magneten oͤſtlich vom Pelion, die Phthiotiſchen Achaͤer ſuͤdlich vom Othrys und Enipeus denken. Denn alle dieſe waren zwar den Theſſalern unterworfen (ὑπήκοοι)1Von den Achaͤern Thuk. 8, 3. vgl. Liv. 33, 34. von den Magneten u. Aa. Thuk. 2, 101. Demoſth. Philipp. II. p. 71. Olynth. II. p. 20. von den Perrhaͤbern Th. 4, 78. Str. 9, 440. vgl. Bd. 1. S. 252., wo aber nicht Alles ganz genau iſt., aber ſie hatten doch dadurch nicht aufgehoͤrt, abgeſonderte, ja ſelbſt amphiktyoniſche Voͤlkerſchaften zu ſein2Tittmann Amphiktyonen S. 35. vgl. beſonders Herod. 7, 132.. Ihren Tribut hatte Skopas, der Pharſaliſche Dynaſt, genauer feſtgeſetzt. Sie hie - ßen auch Perioͤken3Xen. Hell. 6, 1, 7., wo die πεϱίοικοι nicht mit den Peneſten zu verwechſeln. vgl. Schneider zu Ariſtot. Pol. 5, 5, 9.. Zieht man nun die angegebe - nen Landſtriche ab, ſo behaͤlt man fuͤr das eigentliche Theſſalien das Land zwiſchen den Perrhaͤbern gegen N. und den Achaͤern gegen S., gegen welche der Enipeus die Graͤnze macht4nach Th. 4, 78.; welches die Ebene des Peneios (das alte Ἄϱγος Πελασγικὸν) und dann noch einenIII. 566Strich gegen den Pagaſetiſchen Meerbuſen hin, bei Herodot17, 176. Αἰολὶς genannt, begreift. Dieſe Landſchaft beherrſchten alſo die Theſſaler unmittelbar, und hatten die Staͤdte Lariſſa, Krannon, Pharſalos, Jolkos und andere im eigenen Beſitz; aber den Ackerbau derſelben betrieben ſie durch die Peneſten, welches die fruͤhe - ren Pelasgiſch-Aeoliſchen Einwohner waren2Auch bei den Makedoniern Peneſten nach Euſt. ad Dion P. 533. Aber die Liv. 43, 20 ff. gehen uns hier nichts an.. Denn nach Archemachos3Euboika bei Athen. 6, 264 b. vgl. Euſt. Il. 13, 954, 38 Rom. Photios Lex. p. 300., wo zu ſchreiben: ἀπὸ τῶν ὑπὸ Αἴμονος ἐν ΑΡΝΗι νικηϑέντων Βοιωτῶν (ſ. Bd. 1. S. 378,) wie bei Suid. waren die Aeoliſchen Boͤoter zum Theil zwar ausgewandert, zum Theil aber zuruͤckge - blieben, und hatten ſich als Peneſten vertragsmaͤßig unterworfen; zu denen Theopomp4Athen. 6, 265 c. auch noch die Magne - ſier und Perrhaͤber rechnet, was aber nur etwa von einem Theile der beiden Staͤmme gelten kann, da dieſe im Ganzen, wie gezeigt iſt, zwar abhaͤngig aber nicht hoͤrig waren5Nach Ariſtot. 2. 6, 3. fielen die Pen. von den Theſſalern ab, als dieſe mit Achaͤern, Per - rhdbern, Magneten Krieg fuͤhrten.. Die Grundgeſetze der altgriechiſchen Leibeigenſchaft gelten auch bei den Peneſten. Sie durf - ten weder ohne Urtheil getoͤdtet noch außer Land ver - kauft werden6Archem. a. O. Str. 12, 542 c. Euſt. 954. Photios: ἐπὶ τῷ μήτε παϑεῖν τι ἐϱγαζό - μετοι, μήτε ἐκβληϑῆναι.. So ſtehen ſie in der Mitte zwiſchen Freien und Kaufſklaven7Pollux 3, 83., gleichwie die Herakleotiſchen Mariandynen, die Kretiſchen Klaroten, und die Lako - niſchen Heloten, mit denen ſie am meiſten verglichen werden8Theo - pomp bei Sch. Theokr. 16, 35. Ariſtot. 2, 2, 13. Staphylos πεϱὶ Θετταλῶν bei Harpokr. Ammonios, Photios, Heſych, Etymol. s. v. . Denn gleich dieſen waren ſie durch Erobe - rung und Unterjochung in dieſen Zuſtand gerathen, ob -67 gleich man ſie deswegen nicht Kriegsſklaven nennen ſoll1Herakl. Pont. 2. — Bei Euſt. Il. 2, 295., Phot. a. O. u. Heſych heißen ſie οἱ μὴ γόνῳ δοῦλοι, ſehr unklar ausgedruͤckt. Ganz falſch iſt die Erklaͤrung eines Andern, ἐλεύθεϱοι μισϑῷ δου - λεύοντες.. Sie waren ferner nicht der Gemeinde im Gan - zen unterthaͤnig, ſondern gehoͤrten einzelnen Haͤuſern und Familien an2Eurip. Phrixos bei Athen. 264 c. Λάτϱις πε - νέστης (daher Heſych Πενὲσται λάτϱεις) ἀμὸς ἀϱχαίων δόμων., daher ſie auch Θεσσαλοικέται heißen3Philokrates Theſſalika, εἰ γνήσια, bei Ath. 264 a. Staphylos a. O. Phorios, wo fuͤr Θετταλικὰς ΘΕΤΤΑΑΟΙΚΕΤΑΣ zu corr.. Beſonders in den großen Haͤuſern der Aleua - den und Skopaden waren ſie ſehr zahlreich4Theokr. 16, 35. (vgl. Meineke Comment. Miscell. 1. p. 53.). Aber wenn Theokr. ſagt: “ſie erhielten monatliche Nahrung zuge - meſſen”, ſo verwechſelt er ſie deutlich mit gemeinen Sklaven. — Menon fuͤhrte den Athenen 200 eigene Peneſten zu. Demoſth. π. συνταξ. p. 173.. Ihr Hauptgeſchaͤft war der Ackerbau5Athen. 264 b. Heſych πεν., von deſſen Ertrage ſie den eigentlichen Beſitzern der Guͤter zinſeten6Ti - maͤos s. v. πενεστικὸν. Euſt. Il. 13, 954. Aa.; da - bei erwarben ſie indeß eigenes Vermoͤgen, und waren oft reicher als ihre Herren7Archema - chos a. O. Euſt. a. O. — obgleich der Name offenbar von πένης kommt.. Im Kriege umgaben ſie dieſe ſchuͤtzend und vorkaͤmpfend, wie Knappen ihre Ritter, gemeiniglich aber, gegen die Sitte anderer Hellenen, als Reuter8Demoſth. g. Ariſtokr. p. 687, 1.. Alle dieſe Angaben und Nach - richten uͤber ſie ſtimmen wohl uͤberein, und bezeichnen einen und denſelben Zuſtand; obgleich es gewiß iſt, daß das Streben nach buͤrgerlicher Freiheit um die Zeit des Peloponneſiſchen Krieges unter den Peneſten ſehr zugenommen hatte, und bisweilen, wenn auch nicht conſequent, von Athen unterſtuͤtzt wurde9Ariſt. Weſpen 1263.. Die5 *68uͤbrigen innern Verhaͤltniſſe der Theſſaler liegen hier nicht in unſerem Kreiſe; ſie hatten ſich wenig nach ru - higer Conſequenz gebildet, welche der ſtuͤrmiſche und hochfahrende Sinn des Stammes nicht geſtattete. In jeder einzelnen Stadt traten ſich ein Theſſaliſches Volk, dann eine Anzahl Oligarchiſcher Geſchlechter, endlich Dynaſten, wie die Aleuaden, Skopaden u. ſ. w.1Alle drei zuſammen bei Ariſt. Pol. 5, 5, 9. vgl. Thuk. 4, 78. In der Zeit des Alex. von Pheraͤ hatte Theſſalien wahrſchein - lich demagogiſche Tyrannen, die daher den Aleuaden feindlich. Diod. 16, 1. ge - genuͤber; die Staͤdte ſelbſt lagen untereinander meiſt im Kriege; ſo war in dieſer politiſchen Verfaſſung wie in dem Mangel des Volkscharakters an Beharrlichkeit und leidenſchaftsloſer Seelengroͤße der Hauptgrund gegeben, daß Theſſalien fuͤr Hellas ſo wenig wurde. Die aͤu - ßern Mittel, welche Landbeſitz und Kriegsmacht an die Hand geben, waren hier ſicher in reicherem Maaße vorhanden als irgendwo; auch durch Muth zeichnete ſich der Theſſaler aus; der alte Ruhm der Gegend haͤtte innerlich begruͤndete Anſpruͤche unterſtuͤtzt; wie kam es, daß Theſſalien ſo außerhalb der Griechiſchen Geſchichte lag, und Sparta ſo lange ihre Seele war? Wer mag hierauf anders antworten als: weil die Na - tionalitaͤt des Theſſalers eine andere war, und fuͤr Weisheit nur Schlauheit, fuͤr beſonnenen Heldenmuth nur ſtuͤrmiſche Kampfwuth, fuͤr ſtrenge Selbſtbeherr - ſchung nur wilde Leidenſchaft hatte.
Wenn bei den Theſſalern wie bei den Doriern eine ſtrenge Unterthaͤnigkeit durch Eroberungen veran - laßt war: ſo waͤre es auffallend dieſelbe bei den nie unterjochten Arkadern zu finden2Denn wenn Ariſt. bei Schol. Ariſtoph. Wol - ken 397, von einer uralten Vertreibung der Barbaren aus Arka - dien redet: ſo geſchieht dies blos, um den Namen Πϱοσέληνοι zu erklaͤren.. Und doch er -69 waͤhnt hier Theopomp eine zahlreiche Claſſe von Pros - pelaten (an 300,000), welche er den Heloten gleich ſetzt1bei Athen. 6, 271. Sie ſind verwandt mit den Pelaten, Theten, Teleonten, Hektemoren von Attika, die ich hier uͤbergehen muß, auf Platner Beitr. p. 44. verweiſend. Πελάται heißen auch die Heloten bei Plut. Agis 6.. Indeſſen ſind dieſe Proſpelaten wahrſcheinlich nichts anders, als die Einwohner der Demen, welche ſpaͤter die meiſten Arkadiſchen Staͤdte, z. B. Mantineia, Tegea, Heraͤa, an ſich zogen. Denn wenn davon die Rede iſt, daß dieſe und andere Staͤdte aus einzelnen Gauen zuſammengebaut worden waͤren (συνοικίζεσϑαι): ſo iſt nicht daran zu denken, daß ſie vorher gar nicht als Staͤdte exiſtirt haͤtten. Sondern die Nachricht iſt zu nehmen, wie die von dem Zuſammenfuͤhren des Volks nach Athen, welche auf Theſeus zuruͤck datirt wird. Ziemlich alle Staͤdte Arkadiens haben uralte Burgen, in und bei denen ſeit alter Zeit mehrere fuͤrſt - liche, prieſterliche, kriegeriſche Geſchlechter gewohnt haben muͤſſen. Dieſe bildeten einen Adel in Bezug auf die ackerbauenden Landbewohner oder προςπελάται, welches aber bei weitem die meiſten Arkader waren. Wenn nun aus allen Gauen eine große Stadt gegruͤn - det wurde: ſo wurde damit zugleich die Verfaſſung nothwendig demokratiſcher, wie in Argos durch das Heranziehen der Perioͤken2oben S. 75., und in Megara durch die - ſelbe Maaßregel3oben S. 41. Wie damit die Vereinigung Megara’s mit vier Komen zuſammenhaͤngt (Bd. 2. S. 89.), iſt mir noch nicht voͤllig klar.. Denn ſo lange dort die Leute den einzelnen Gau bewohnten, ſorgten ſie nur etwa fuͤr deſſen Angelegenheiten; und die des Geſammten ver - walteten die in der Polis. Wohnten ſie aber nun zu - ſammen, ſo bekuͤmmerten ſich bald Alle um Alles. Da - her es dem Intereſſe des Peloponneſiſchen Bundes -70 hauptes gemaͤß war, die Einwohnerſchaft der Staͤdte wieder zu vertheilen (διοικίζειν): dem Atheniſchen ſie zuſammen zu halten. In Mantineia bewirkten die Ar - geier zuerſt die Zuſammenziehung der Demen, gewiß erſt, da ſie bei ſich Aehnliches vorgenommen hatten, alſo nach dem Perſiſchen Kriege; ſie vereinigten vier Flecken mit der alten Stadt als dem fuͤnften1So vereinigt man Xen. 5, 2, 7. (vgl. 6, 4, 18. ἐκ τῶν κωμῶν — ἀϱιστοκϱατούμενοι u. 6, 5, 3.) mit Ephoros bei Str. 8, 337. u. Harpokr. s. v. Μαντινέων διοικισμός. Iſokr. πεϱὶ εἰϱήνης bei Harpokr. vgl. Diod. 15, 5. 12. Polyb. 4, 27, 6. Pauſ. 8, 8.; die Lakedaͤmonier ſtellten wieder auf einige Zeit die al - ten Komen und zugleich die Ariſtokratie her. Das Tegeatiſche Gebiet war ſonſt in acht Gaue getheilt, die hernach zur Stadt zuſammentraten, die Gareaten, Phylakeer, Karyaten2Alſo ehe Karyaͤ Lakoniſch wurde, denn daß die Arkadiſche und Lakoniſche Stadt des Namens dieſelbe iſt, iſt klar. S. Photios Lex. p. 101. τὰς Καϱύας ᾽ Αϱκάδων οὔσας ἀπετέμνοντο Λακεδαιμόνιοι. vgl. Meineke Euphor. p. 96. Daß dies ſchon vor dem zweiten Meſſeniſchen Kriege geſchehen, glaube ich Pauſ. 4, 16, 5. Erzaͤh - lung kaum., Korytheer, Botachiden, Man - thyreer, Echeuetheer, Apheidanten, dazu als die neun - ten die ſchon vorhandenen Tegeaten der Altſtadt3S. Pauſ. 8, 45, 1. vgl. Str. 8, 337., nebſt Ariſt. Pol. 2, 1, 5.; dies waren vorher die eigentlichen Buͤrger, jenes Pros - pelaten geweſen, ein Unterſchied, der durch das Zu - ſammentreten ſogleich oder ſehr bald verſchwinden mußte.
Da uns in dieſen Unterſuchungen der Unter - ſchied von πόλις und δῆμος, Stadt und Land, als fuͤr die Verfaſſung ſo wichtig, entgegengetreten iſt: ſo moͤgen wir mit einigen Bemerkungen daruͤber dieſes Capitel ſchließen.
71Demos iſt urſpruͤnglich Bezeichnung des Gebiets einer Gemeinde, und dann auch der daſſelbe bewohnen - den Geſammtheit; Πόλις dagegen die Stadt, die man ſich in Homeriſcher Zeit wohl nie unbefeſtigt denken darf. An dieſe aber knuͤpft ſich alles Staatsleben des Ganzen an, und es wohnen hier beſonders die von eigenem Betrieb des Landbaues Befreiten, die Krieger - geſchlechter, die Edlen1Od. 24, 414. κατἀ πτὸλιν.; darum wird es auch bei Homer fuͤr eine Schmach oder ein Ungluͤck angeſehen, wenn ein Edler unter den Leibeigenen auf dem Lande lebt2Od. 11, 187.. So iſt es bei dem aͤlteſten Dichter, und das - ſelbe Verhaͤltniß geben auch einzelne Nachrichten ge - ſchichtlicher Art an. Als ſich die Achaͤer auf die Kuͤſte Aegialeia warfen, ſetzten ſie ſich hier in den Staͤdten und Burgen feſt; und trennten ſich gaͤnzlich von den Landbewohnern; wenigſtens wiſſen wir dies von Pa - traͤ3Pauſ. 7, 18, 3.; ſo daß hier derſelbe Volkſtamm als Eroberer die Hauptſtadt bewohnte, der als Unterworfener in Lakonika in die Landorte zerſtreut war; erſt ſpaͤter zo - gen die Achaͤiſchen Staͤdte, Patraͤ, Dyme, Aegion ihre Demen in ſich hinein4Str. a. O. vgl. 8, 386. οἱ μὲν οὐν Ἴωνες κωμηδὸν ὤκουν, (ohne Mauern der Staͤdte Th. 3, 33.) οἱ δ̛ ᾽ Α - χαιοὶ πόλεις ἔκτισαν. Ueber den συνοικισμὸς von Patraͤ, Dyme, Aegion 8. p. 337. . In Athen hatten einſt die Eupatriden die Stadt ſelbſt inne5Εὐπατϱίδαι οἱ αὐτὸ τὸ ἄστυ οἰκοῦν - τες, Bekk. Anecd. p. 257. , welche Nachricht auffallend dadurch beſtaͤtigt wird, daß einer der De - men Kydathenaͤon in der Stadt lag6Κυδαθήναιον δῆμος ἐν ἄστει Heſych. Schol. Platon Symp. p. 43. R.: und was iſt Kydathenaͤos anders als ein edler nnd ruhmvoller Athe - ner7Κυδα - θηναἵος ἔνδοξος Αϑηναῖος Heſych.? Daraus erklaͤrt ſich der Unterſchied zwiſchen72 Athenaͤer und Attiker, welchen die Sprache auch da noch behielt, als die Demokratie ihn factiſch ganz auf - gehoben hatte. So braucht Platon erſteres als eine edlere Benennung denn das letztere1Geſetze 1, 626 c. , und wenn Dikaͤarch im Leben von Hellas die Attiker als geſchwaͤtzig, ſyko - phantiſch, unzuverlaͤßlich, den großherzigen, einfachen und treuen Athenern entgegenſetzt: ſo ſind dies wohl die aͤchten alten Geſchlechter, und jenes der ſeit Klei - ſthenes Zeit aus fremdartigen Beſtandtheilen gemiſchte Demos. — Eben ſo war πόλις und δῆμος zwar in Athen eins geworden, und das letztere Wort wurde mit Vorliebe zur Bezeichnung des Staatsganzen ge - braucht, aber in andern Staaten ſteht πόλις als die regierende, ariſtokratiſche Macht dem Demos gegen - uͤber2Bei Homer iſt noch keine Spur von δῆμος als politiſcher Gewalt im Gegenſatze einer andern. Die Stelle Il. 2, 546, wo der Demos von Athen hervorgehoben wird, iſt ſicher erſt aus Soloniſcher Zeit.. So ſagt der Megarer Theognis in Beziehung auf ſeine Vaterſtadt in ariſtokratiſchem Sinne:
Daher nichtdemokratiſche Staaten auch in oͤffentlichen Urkunden zur Bezeichnung der regierenden Gewalt das Wort Πόλις gebrauchen, wie die Kretiſchen Staͤdte noch im zweiten Jahrhundert4S. beſonders Stellen wie Chishull Antt. Asiatt. p. 113. Συβϱιτιων ἁ πολις και οἱ κοσμοι Τηιων τᾳ βουλᾳ και τῳ δαμῳ χαιϱειν. p. 137. Αλλαϱιωταν οἱ κοσμοι και ἁ πολις Παϱιων τᾳ πολει και τῳ δαμῳ. Doch bisweilen, beſon - ders in ſpaͤtern Inſchr., auch δῆμος, wie bei Pococke 4, 2. p. 43, n. 2., wo etwa zu ergaͤnzen iſt: αγαθᾳ τυχᾳ. εδοξε τᾳ βουλᾳ και; obgleich die Spartia -73 tiſche Gemeinde, von dieſem Sprachgebrauche abwei - chend, ſich ſelbſt in alten Geſetzen δᾶμος nennt1S. die Rhetra K. 5. Die Buͤrger Sparta’s δαμὡδεις (oben S. 45, 6.; νεοδαμὡδεις entſpricht dem Syrakuſiſchen νεοπο - λῖται Diod. 14, 7.), δαμοσία die Umgebung des Koͤnigs im Kriege, unten K. 12., weil ſie naͤmlich gar nicht an die Gegenuͤberſtellung der Pe - rioͤken dachte.
Demokratieen entſtehen nun, wie wir ſahen, ſehr oft durch Hineinziehen der ſaͤmmtlichen Landbewohner in die Stadt, ſo daß δῆμος und πόλις zuſammenfaͤllt, durch Zuſammenbauen der einzelnen Flecken, durch Auf - nahme der Perioͤken zu Stadtbuͤrgern. In Athen wird dieſe Begebenheit, aber gewiß ungeſchichtlich, in ferne Urzeit geſetzt; im Peloponnes begannen darauf abzie - lende Bewegungen vielleicht ſchon vor der Zeit der Ty - rannen. Dieſe ſelbſt, obgleich aus Volksfuͤhrern er - wachſen, ſuchten doch zur Befeſtigung ruhiger Herr - ſchaft das gemeine Volk wieder von der Stadt zu ent - fernen, und an das Land zu binden; ſie zogen ihnen ſtatt des ſtaͤdtiſchen Himations wieder den alten Schaaf - pelz an, wie von den Sikyoniſchen Tyrannen oben be - merkt wurde2S. 41. S. von Periandros Diog. L. 1, 98. aus Ephoros und Ariſtot. Nikol. Damasc. Herakl. Pont. 5.; von den Peiſiſtratiden oben S. 41, 4. Meurſ. Pisistr. 7. vgl. Maxim. Tyr. 13, 140. Dav.; von Gelon Plut. Apophth. Reg. p. 89.; den Dreißig, Xenoph. Hell. 2, 4, 1.; einen Kephalleniſchen Tyr. He - rakl. 31. im allgemeinen Ariſtot. Pol. 5, 8, 7. und die treffliche Note von Meier de bonis damnat. p. 185. ; darum foͤrderten ſie auch mit großem politiſchen Verſtande die Agricultur in allen ihren Zwei - gen3Vgl. zu dem Angefuͤhrten Diod. 14, 10.. In oligarchiſchen Staaten, wie in Elis, blieb4τῳ δαμῳ Κλεισθενεα ..... Σινωπεα, Αντιοχον και Αγαθοκλην Σωσιγενεος Ἱεϱοπολιτας πϱοξενος ημεν αυτος και εγγονα, ἱπαϱ - χεν δε αυτοις και ισοπολιτειαν και γας και οικιας εγκτησιν και ατελειαν etc. 74 bis auf ſpaͤtere Zeiten das Volk zum großen Theil be - ſtaͤndig auf dem Lande; hier hatten oft Großvater und Enkel nicht die Stadt geſehn; auch gab es Landgerichte und andere Anſtalten, um die Vortheile des Stadt - lebens zu erſetzen1Polyb. 4, 73, 6. οἱ πολιτευὁμενοι — οἱ ἐπὶ τῆς χώϱας κατοικοῦντες. Eine Anzahl Komen hatte nach Pauſ. 5, 4. 1. Oxylos mit der Stadt vereinigt.; aber auch in demokratiſchen, wie Athen, fand ein beſtaͤndiger Streit der Empfindung ſtatt zwiſchen dem ruͤhrigen Treiben der Demokratie und der ſtillen Neigung zum alten Landleben.
Rach der Betrachtung des unterthaͤnigen Standes kommen wir nunmehr zu dem eigentlich freien Staats - buͤrger, der nach einem althelleniſchen, in Sparta realiſirten, Grundſatze der Sorge um Nahrung entho - ben war. Die genaue Scheidung dieſer Staͤnde und die vortheilhafte Stellung des letztern, erhoͤhete natuͤr - lich deſſen Achtung und den Preis des Buͤrgerrechts, daher auch Sparta ſich vor allen karg erzeigte, es Fremden zu ertheilen1Gegen Herodot (oben S. 50.) vermoͤgen die zum Theil ſehr unſichern Beiſpiele von Aufnahme Fremder zu Buͤrgern Spar - ta’s bei Tittmann S. 641. nichts. Ephoros bei Str. 8, 364. ſpricht nur von Aufnahme Fremder zu Perioͤken. Ueber die Strenge der Megarer hierin f. Plut. de monarchia 2. p. 204. . Ehe wir nun den aus allen Freien beſtehenden Staatskoͤrper in ſeiner Bewegung und Handlung betrachten, muͤſſen wir vorher auf die Gliederung deſſelben, auf die Eintheilung in kleinere Gemeinden, Staͤmme, Phratrien, Geſchlechter u. ſ. w. einige Aufmerkſamkeit richten.
In jedem Doriſchen Staate fanden ſich die drei Staͤmme: Hylleis, Dymanes (Dymanaten) und Pamphylen. Dieſe Dreitheilung war der Nation ſo eigenthuͤmlich, daß ſchon Homer ſie die dreifachge - theilten (τριχάϊκες) nannte, welchen alten Beinamen ein Heſiodiſcher Vers ganz richtig von der Eintheilung76 des Landes nach den Geſchlechtern erklaͤrt1Bd. 2. S. 29. Andron deutet ihn auf die Tripolis am Parnaß, bei Str. 10, 475.. Der alte Mythus, den dieſer Dichter epiſch ausgefuͤhrt, nannte darum drei Soͤhne des alten Dorierkoͤnigs Aegimios, naͤmlich Dyman, Pamphylos und den adoptirten Hyl - los; ihm zur Seite ſteht Herodots direktes Zeugniß, daß die Nation in dieſe drei Staͤmme aufging25, 68. vgl. Steph. B. s. v. Ὑλλεῖς, Δυμᾶν. Hemſterh. ad Aristoph. Plut. 385.. Da - her auch Pindar unter den Namen der Soͤhne des Ae - gimios und Hyllos das ganze Doriſche Volk begreift3P. 1, 61. und im Skolion auf Aegina: Ὕλλου τε καὶ Αἰγιμιοῦ Δωϱιεὺς στϱατός.. So durften wir wohl den an die Spitze geſtellten Satz in dieſer Allgemeinheit ausſprechen, wenn man auch nicht eben in allen Doriſchen Staaten von allen drei Phylen einzelne Meldung uͤbrig hat. Indeß finden ſich auch ſo Erwaͤhnungen genug. Ihr Daſein in Sparta bezeugt Pindar4a. O. vgl. Schol. P. 1, 121., und ein Wort eines Lexikographen laͤßt vermuthen, daß ſie zugleich Eintheilungen der Stadt waren5Δύμη τόπος ἐν Σπάϱτῃ Heſych.. Daß ſie in Sikyon und Argos ſich vorfanden, ſagt Herodot65, 68. Ὑλλὶς ἀπὸ Ἀϱγείας μιᾶς τῶν νυμφῶν Kallim. bei Steph. s. v. Ὑλλεῖς, wenn nicht Αἰγαίας oder ſo etwas zu ſchr. Vgl. Bd. 2. S. 12.. In Argos war ſicher die Stadt nach ihnen abgetheilt; es kommt ein Παμφυ - λιακὸν als Region derſelben vor7Plut. Ἀϱεταὶ γυν. 5. S. 269.. Von Argos gin - gen die Doriſchen Phylen auf Epidauros und Aegina uͤber8Pindar Skol.. Auch in der Aeginetiſchen Colonie Kydonia finden ſich Hylleer9Heſych. s. v. Ὑλλέες. vgl. Aeginet. p. 140.. Hylleer giebt eine Inſchrift in Korkyra an10Boͤckh Staatshaush. 2. S. 404.; folglich waren ſie auch in Korinth; eine andere zeigt ſie in Akragas11Gruter p. 401. Caſtelli Inscr. Sic. p. 79., folglich muͤſſen ſie77 auch in Rhodos geweſen ſein, wie auch uͤberdies Homer beſagt1Il. 2, 668. oben Bd. 2. S. 109.. In Megara kommen die Pamphyler noch zur Zeit des Hadrian vor2Inſchr. bei Spon. Voy. T. 3. P. 2. P. 223. Miscell. erud. antiq. p. 328. n. 18. vgl. Boͤckh Explic. Pind. P. 1. p. 234. . Auch in Troͤzen waren dieſe Staͤmme3Charax bei Steph. Ὑλλεῖς., aber in die Troͤzeniſche Colonie Hali - karnaß ſcheinen vorzuͤglich nur Dymanen gezogen zu ſein4Bd. 2. S. 104.. Im Ganzen erhellt, daß wo Dorier waren, es auch Hylleer, Pamphyler, Dymanen gab.
Und zwar konnten da, wo blos Dorier das volle Buͤrgerrecht hatten, nur dieſe drei Phylen des gleichberechteten Volkes exiſtiren; wo aber andere Ge - ſchlechter in bedeutender Anzahl zur Theilnahme der Staatsgewalt zugelaſſen waren, mußte es noch eine oder mehrere andere Phylen geben. So iſt uns in Argos und Epidauros eine vierte Hyrnathia be - kannnt5Aeginet. 40, u. 140, x. Der Name iſt dunkel; beſonders wie er mit der Heroine Hyrnetho zuſammenhaͤngt.; auch in Aegina mußte eine ſolche exiſtiren, da es auch hier undoriſche und doch angeſehene Ge - ſchlechter gab6Ebdſ. p. 140. . In Sikyon hieß die vierte Phyle die Aegialeiſche. In Korinth ſollen ſogar im Ganzen acht Phylen beſtanden haben7oben S. 59, 2.. Aber in Sparta, der Stadt des reinen Dorismus, darf man durchaus nicht mehr als die drei aͤchtdoriſchen Staͤmme annehmen. Zwar koͤnnte es ſcheinen, daß das große und angeſehne Aegi - dengeſchlecht von Kadmeiſcher Abkunft außer denſelben ſtehe, aber es muß doch in einen der drei bei der Ein - buͤrgerung aufgenommen worden ſein8Vgl. Bd. 1. S. 329. Indeſſen kommen Phy - len mit patronymiſchen Endungen doch ſonſt vor, naͤmlich in der großen Teniſchen Inſchr. des Brittiſchen Muſeums die Phyle der. Denn die78 Zahlen der Spartiatiſchen Oben, der Geronten, der Rit - ter, der Landguͤter, dreißig, dreihundert, neuntau - ſend u. ſ. f. bieten ſich der Eintheilung durch drei von ſelbſt dar, waͤhrend ſie ſich mit vier gar nicht theilen laſſen.
Die Phylen von Sparta zerfielen wieder in Oben, welche auch Phratrien genannt werden1Athen. 4, 141 f. aus Demetrios Skepſios; vgl. Bd. 1. S. 328. Heſych erklaͤrt ὠβάτης ungenau mit φυλέτης.. Φρατρία nannten die Griechen eine Verbindung von Geſchlechtern, ſie ſei nun natuͤrlich und auf wirkliche Verwandtſchaft gegruͤndet, oder politiſch und nach einer gewiſſen Regel zum Behufe des Staatslebens gebildet. Sie begreift alſo Geſchlechter (πάτρας oder γένη) in ſich, welche ebenfalls entweder wirklich auf gleicher Ab - ſtammung beruhen, oder ſich in alter Zeit buͤrgerlich und religioͤs vereinigt haben, und darauf politiſch nach einem gewiſſen Geſetze geordnet und feſtgeſtellt worden ſind2Die γένη der Handwerker und Ackerbauer in Athen hatten oft vom Ge - ſchaͤft einen patronymiſchen Namen. — Vgl. Buttmann uͤber den Begriff des Wortes φϱατϱία in den Abhandl. der Berlin. Akad. 1318. 19. S. 12.. Die Spartiatiſchen Oben ſcheinen nun noch uͤberdies Lokaleintheilungen geweſen zu ſein, indem der Name ὠβὰ, d. i. οἴα, einzelne Flecken oder Regionen einer Stadt anzeigt, obgleich dann nicht deutlich iſt, wie ſie ſich zu den fuͤnf Abtheilungen der Stadt (κώ - μαις), von denen oben die Rede war, verhielten. Auf keinen Fall hindert dies, daß ſie nicht uͤbrigens, nach der Analogie der Phratrien, die Geſchlechter in ſich8Herakliden, der Theſtiaden, und zwar dieſe nebſt mehreren andern auch als Landesabtheilungen. Der Name der Herakliden auf der Ioniſchen Tenos iſt raͤthſelhaft; von einer Anweſenheit des Heros daſelbſt ſ. indeß beſonders Schol. Apoll. Rh. 1, 1304. aus Aeneſi - demos Τηνιακοῖς.79 begriffen; indem es ſich nach der einfachen und conſe - quenten Regelmaͤßigkeit der Spartiatiſchen Einrichtun - gen mit großer Wahrſcheinlichkeit annehmen laͤßt, daß erſtens die Phylen beſondere Gegenden der Stadt in Beſitz genommen, und dieſe wieder nach den Oben in kleinere Diſtrikte eingetheilt waren: was vielleicht durch die Notiz beſtaͤtigt wird, daß Agiadaͤ ein Ort in Sparta hieß1Heſych und Etym. M. ᾽Αγιάδαι, wo aber fuͤr Sparta Lakonika ſteht. Wahrſcheinlich in Pitana, ſ. Pauſ. 3, 14, 2.; ſo nannte ſich aber die eine koͤnigliche Familie, welche ſonach als Oba einem Diſtrikte der Stadt den Namen gegeben zu haben ſcheint.
Der Oben waren dreißig2Rhetra Lykurgs bei Plut. 6., alſo zehn Hylleiſche, zehn Dymanatiſche, zehn Pamphyliſche. Von den er - ſten muͤſſen zwei den Heraklidiſchen Koͤnigshaͤuſern an - gehoͤrt haben. Denn da die Geronten ſammt den Koͤ - nigen 30 waren, und dieſe Zahl ohne Zweifel von der der Oben abhing und ausging: ſo folgt, daß die bei - den fuͤrſtlichen Geſchlechter, obgleich von einem Stamm - vater ſich ableitend, deſſen ungeachtet in zwei verſchie - dene Oben geſchieden waren, und dieſe gewiſſermaßen durch ſie vertreten oder repraͤſentirt wurden. Und fah - ren wir in dieſer Weiſe zu ſchließen fort: ſo muͤſſen wir, da es noch Herakliden außer den Koͤnigen in der Geruſie gab3Diod. 11, 50. vgl. auch Plut. Lyſ. 24., auch noch mehrere Heraklidiſche Oben in Sparta annehmen: obgleich ich nicht der Meinung bin, daß etwa alle Hylleiſchen Geſchlechter ſich von Herakles ſelbſt abgeleitet u. als Herakliden gegolten haͤtten.
Was die Wirkſamkeit und Bedeutung der Oben in dem Staatsleben anbetrifft: ſo war dieſe ſo groß und groͤßer als die der Phratrien im aͤltern Athen. Denn erſtens wurde die Volksverſammlung einer Ly -80 kurgiſchen Rhetra zufolge nach Phylen und Oben ge - halten, dann der hohe Rath darnach conſtituirt und wohl auch die dreihundert Ritter nach derſelben Ord - nung gewaͤhlt. Indeſſen wurden doch wohl nicht alle oͤffentlichen Stellen und Aemter auf ſolche Weiſe beſetzt, ſondern nur die, wo ausgezeichnete Wuͤrde und Ehre erfordert wurde; es hatte die Wahlordnung, wie ſich un - ten noch zeigen wird, ſtets eine ariſtokratiſche Tendenz. Magiſtrate mehr demokratiſcher Art dagegen, nament - lich die Ephoren, muͤſſen ohne Bezug auf die Phylen - eintheilung ernannt worden ſein, wie die Fuͤnfzahl der - ſelben beweist; es iſt wahrſcheinlich, daß hiebei irgend eine Ruͤckſicht auf die Komen Spartas genommen wurde, deren, wie bewieſen, fuͤnf waren. — Eine auffallende Parallele zu dieſem Zahlenverhaͤltniß bietet das ariſtokratiſche Athen. Die Phyle der Adligen und Ritter zerfiel hier in drei Phratrien, welche man mit den drei Phylen der Doriſchen Spartiaten vergleichen kann. Als nun der Adel (einer Pairskammer aͤhnlich) uͤber die Alkmaͤoniden richtete: ſo conſtituirten 300 Eu - patriden das Gericht, 100 aus jeder der Phratrien1Plut. Solon 12.. Und als der Alkmaͤonide Kleiſthenes von der Adelspar - tei vertrieben und die demokratiſche βουλὴ geſtuͤrzt wor - den war, ſetzte Iſagoras einen hohen Rath von 300 ein2Herod. 5, 72.. Dagegen wurde die βουλὴ, welcher Kleiſthenes Entſtehung und Dauer gab, auf 500 Buͤrger geſetzt, und, von der alten Phratrienabtheilung ganz unabhaͤn - gig, nach den neuen lokalen Phylen erwaͤhlt.
Außer Sparta ſcheint kein Doriſcher Staat einer Volksabtheilung den Namen Oba gegeben zu ha - ben. Aber auch der ſonſt gewoͤhnliche Name der Phra - trien laͤßt ſich nirgends bei den Doriern nachweiſen. 81Dagegen kommen dieſe beſonders in Athen, in den Aſiatiſchen Colonien1S. die Sigeiſche bei Clarke Voy. 2. S. 1. p. 162. vgl. Walpole Memoirs p. 103. Epigr. Hom. 14., und in der Chalkidiſchen Nea - polis, alſo vorzuͤglich in Joniſchen Staaten vor, und, was auffallend iſt, unter beſtimmten Eigennamen (Eu - meliden, Eunoſtiden, Kymaͤer, Ariſtaͤer u. ſ. w.) nur in Neapel2S. Ignarra de phratriis. Vgl. Buttmann S. 36.. Dagegen werden von Pindar in den Doriſchen Staaten Korinth und Aegina πάτραι nam - haft gemacht; ein Ausdruck, der nach genaueren Defi - nitionen ſoviel als Geſchlechter, γένη, bezeichnet. Er war zwar nicht in Athen, aber doch bei den Joniern in Kleinaſien und auf den Inſeln uͤblich, bei denen aber πάτρα oder πατριὰ auch fuͤr Phratrie gebraucht zu ſein ſcheint3Aelius Dionyſ. bei Euſt. Fl. 2, 362. Orus im Etymol. M. Zwar laͤugnet Butt - mann dieſe Bemerkung, aber man darf ſie doch nicht voreilig auf - geben. Denn erſtens iſt das Joniſche Feſt Ἀπατούϱια offenbar eine Vereinigung der πάτϱαι, und wird doch ſonſt ſtets als Feſt der Phratrien vorgeſtellt; und dann wird in dem Thaſiſchen De - cret bei Choiſeul Gouff. 1, 2. p. 156. neu gemachten Buͤrgern er - laubt, daß ſie ſich in eine πάτϱη aufnehmen laſſen ſollen; nie aber findet man, daß neue Buͤrger in alte γένη cooptirt wurden. Auch ſteht dafuͤr in der Teniſchen Inſchrift aus Choiſeuls Sammlung (im Louvre n. 566.): και [εις] φυλην και φϱατϱιαν πϱοςγϱα - [ψαοϑ] αι [ἡν αν βουλωνται] und eben ſo in den N. 1. angefuͤhrten.. In Aegina und Korinth wird man die Patraͤ am beſten fuͤr Geſchlechter halten, da ſie durchaus mit patronymiſchen Namen bezeichnet, auf mythiſche Stammvaͤter zuruͤckgefuͤhrt, und von Pindar ſelbſt auch “Haͤuſer” und “Geſchlechter” genannt wer - den. Da ſie indeſſen auch als politiſche Abtheilung mehrere Geſchlechter an ſich gezogen haben koͤnnen, und zwiſchen ihnen und den Phylen in dieſen Staͤdten ver - muthlich keine Eintheilung in der Mitte ſtand: ſo konn -III. 682ten ſie die alten Erklaͤrer auch mit Phratrien verglei - chen und identificiren1vgl. Schneider Lexikon πάτρα. Boͤckh not. crit. ad Pind. N. 4, 77. und Diſſen Expl. N. 8. p. 450. Aeginet. p. 139..
Wie in Sparta die Geſchlechter als poli - tiſche Abtheilungen hießen, und wie viel deren eine Oba enthielt, laͤßt ſich vielleicht aus einer Stelle Here - dots entnehmen21, 65., wo er als von Lykurg getroffene Kriegseinrichtungen die Enomotien, Triakaden und Syſ - ſitien erwaͤhnt. Andere Folgerungen aus dieſer Stelle verſchiebend bemerken wir nur indeß, daß die Syſſitien den Oben entſprochen zu haben ſcheinen, wornach es wahrſcheinlich wird, daß in dieſen die Triakaden darin lagen. In Attika nun war ehemals die Triakas der dreißigſte Theil einer Phratrie, und ſollte wieder drei - ßig Maͤnner in ſich begreifen, ſo viel als γένος3Pollux 8, 111. Heſych ἀτϱιάκαοτοι. Bei Chandl. Inscr. p. 108. iſt aber τϱιακὰς eine Abtheilung des De - mos. — Ob die τϱιακάδες des Epicharm (Heſych Σκωϱνυφίων) Geſchlechter ſind, iſt ungewiß.. Nach der Analogie — welche uns oft in den aͤltern Staatseinrichtungen begegnet und leitet — war ſonach auch in Sparta Τριακὰς Name des Geſchlechts, das entweder als dreißigſter Theil einer Oba, oder weil es dreißig Haͤuſer enthielt, was mir wahrſcheinlicher duͤnkt, ſo genannt wurde. Die Grundlage der ganzen Berechnung und eine ziemlich unvernderliche bildeten in Sparta auf jeden Fall die mit Grundſtuͤcken (κλήροις) verbundenen Haͤuſer (οἶκ〈…〉〈…〉), gleichviel, ob dieſe mehrere Buͤrger enthalten, der ausgegangen (ἐξηρημω - μένοι) und mit andern vereiniget ſind4Ob die ἀπο γένους, die Leonidas von Thermopylaͤ zuruͤckſchicken wollte (Plut. Herod. mal. 32.) Stammhalter eines Geſchlechts bedeuten ſollen?.
Wir haben hier noch eine andere Eintheilung der Buͤrger Sparta’s zu erwaͤhnen, welche den Unter - ſchied des Ranges betrifft. Zwar ſind in gewiſſer Hin - ſicht alle Dorier an Recht und Wuͤrde gleich, aber es gab doch mannigfache Abſtufungen, die, wenn ſie ſich einmal gebildet hatten, der ariſtokratiſche Sinn der Nation feſthielt. Erſtens das durch die geſammte Na - tion vorherrſchende Anſehn der Heraklidengeſchlechter1Doch hatten ſie in Sp. kein weſentliches Vorrecht, Plut. Lyſ. 24., und damit zuſammenhaͤngend ein gewiſſer Vorzug der Hylliſchen Phyle, der ſich auch bei Pindar ausſpricht. Dann werden in den Zeiten des Peloponneſiſchen Krie - ges oͤfter “Maͤnner vom erſten Range” zu Sparta er - waͤhnt, die auch, ohne Magiſtrate zu ſein, bedeuten - den Einfluß auf den Staat uͤben2οἱ πϱῶτοι ἄνδϱες Thuk. 4, 108. 5, 15. ἄϱιστοτ Plut. Lyſ. 30. Die καλοὶ καγαϑοὶ bei Ariſtot. Pol. 2, 9. ſind uͤberhaupt Leute von Auszeichnung; es kann folche allerdings auch unter den Perioͤken geben, Xen. Hell. 5, 3, 9., die aber doch in jener Stelle des Ariſtot. nicht in Betracht kommen.. Beſonders aber kommt hier der Unterſchied der Gleichen (Ὅμοιοι) und Geringern (̔πομείονες) in Betracht, der den Ausdruͤcken ſelbſt nach nicht ſehr bedeutend war, und nie bei Darſtellung der Lykurgiſchen Verfaſſung ange - geben wird, aber doch ſpaͤter nicht ohne Einwirkung auf die Verfaſſung blieb. Nach Demoſthenes3Leptin. S. 489 R. vgl. Wolf. erlangte, wer zum Geron erwaͤhlt wurde, der Tugend Preis, indem er des Staates Herr wurde mit den Gleichen. Wer eine buͤrgerliche Pflicht verletzte, verlor nach Xe - nophon4Staat der Lak. 10, 7. ſeinen Rang unter den Gleichen. Kinadon wollte den Staat umwaͤlzen, weil er nicht, obgleich von ſtarkem und thaͤtigem Geiſte, zu den Gleichen ge -6 *84hoͤrte1Hell. 3, 3, 5. vgl. Ariſt. Pol. 5, 7. Hernach iſt bei Xen. wohl Σπαϱτιᾶται praͤgnant fuͤr ὅμοιοι geſagt. vgl. Schneider zur Stelle, und zu 5, 3, 9.. Um den Koͤnig waren im Felde ſtets drei von den Gleichen, die ihn in allen Geſchaͤften unterſtuͤtz - ten2Staat 13, 1.. Auch ſcheint es, daß die Erziehung der Glei - chen manches Eigenthuͤmliche hatte3Anab. 4, 6, 14. Der in der Kyropaͤdie ſo vielfaͤltig lakoniſirende Xen. er - waͤhnt auch hier ὁμοίους u. ὁμοτίμους. 1, 5, 5. 2, 1, 2.. Dieſen ſtellt man am natuͤrlichſten die Geringeren gegenuͤber, und wenn dieſe von den Spartiaten unterſchieden werden, ſo ſind unter letztern, in einem engeren Sinne des Worts, wohl eben die Homoͤen verſtanden4S. Note 1.. So viel leuchtet dem Unbefangenen auch bei der Spaͤrlichkeit dieſer Nachrichten ein, daß hier von einem an den Perſonen haftenden Unterſchiede die Rede iſt, der freilich dadurch vermittelt wird, daß jeder Homoͤos ſeinen Rang durch Schlechtigkeit verlieren, und jeder Andere denſelben durch Tuͤchtigkeit verdienen konnte; aber, wenn dies nicht der Fall war, dann doch der Familie blieb und auf die Kinder uͤberging, da er nur in dieſem Falle die Erziehung beſtimmen konnte5Ariſt. ſagt wohl ehne Bezug auf den beſtimmteren Sprachgebrauch, daß die Parthenier ἐκ τῶν ὁμοίων waren. Pol. 5, 6, 1. Vgl. noch Manſo 1, 1. S. 231. 238. 3, 1. S. 217..
Wir gehen nach dieſer Vorbereitung uͤber die Abtheilungen und Claſſen der Buͤrger auf die Eroͤrterung uͤber: wie die Staatsgewalt in Sparta und den andern Doriſchen Staͤdten vertheilt war und gehandhabt wurde.
Als Fundament ſtellen wir voraus eine Rhetra des Lykurg6Plut. Lyk. 6., die, als Spruch des Pythiſchen Gottes abgefaßt7ſ. Bd. 2. S. 134. 3. S. 18., die Grundzuͤge der ganzen Verfaſſung giebt:85 Baue dem Zeus Hellanios und der Athena Hellania ein Heiligthum1Διὸς Ἑλλανίου καὶ Αϑηνᾶς Ἑλλανίας iſt wohl mit Bryan zu leſen., theile die Phy - len und mache dreißig Oben, richte die Ge - ruſie mit ihren Fuͤrſten (ἀρχαγέταις) ein, be - rufe die Verſammlung2ὥϱας ἐξ ὥϱας ἀπελλάζειν i. e. in con - cionem vocare, (vgl. Heſych, Valcken. ad Adon. p. 209. Lennep Etym. 1. p. 152. Plutarch leitet das Wort offenbar von Ἀπέλ - λων, Apoll, her). Die erſten Worte ſind faſt unerklaͤrlich, und Mazochis Aenderung Tab. Heracl. T. 1. p. 149. ὠβὰς (od. ὠβὰν) giebt nicht viel Troſt. zwiſchen Babyka und Knakion, und bringe hier vor und rathe ab; dem Volke (δάμῳ) aber ſoll Entſcheidung ſein und Macht” 3δάμῳ δὲ κυϱἰαν ἦμεν (ein Cod. γυϱιανἠμην) καὶ κϱάτος liest man wohl am beſten. Valckenaer p. 291. δάμῳ δ᾿ ἀνωγὰν ἦμεν .. Dem Volke wird alſo hier unbe - dingte Vollmacht zugeſchrieben, zu billigen oder zu verwerfen, was die Koͤnige vorgetragen. Aber genauer beſtimmt und beſchraͤnkt wurde dieſe Vollmacht durch die Clauſel, deren Hinzufuͤgung man den Koͤnigen Theopomp und Polydoros beimaß: “Wenn aber das Volk eine krumme Meinung ergreifen ſollte (σκολιὰν αἱροῖτο), ſollen die Vaͤter der Stadt (πρεσβυγενέες)4Vgl. Plut. an seni 10. und die Fuͤrſten Abwender ſein. Plutarch erklaͤrt dieſe Worte ſo, daß, im Fall das Volk den Vorſchlag weder geradezu billigt noch verwirft, ſondern daran abaͤndert und verdreht, die Koͤnige und Geronten deſſen Verſammlung aufloͤſen und ihren Beſchluß fuͤr unguͤltig erklaͤren ſollten. Sonach hat dieſelbe freilich in ſofern die hoͤchſte Gewalt, als nichts ohne ihre Einwilligung zum Geſetze werden kann, nicht aber ſo weit, daß aus ihrer Mitte Geſetze und Beſchluͤſſe hervorgehen koͤnnen; welches dem ariſtokrati - ſchen Geiſte der Verfaſſung durchaus zuwider geweſen86 waͤre, der nichts ſo fuͤrchtet, als die leidenſchaftliche und ſtuͤrmiſche Eile der Menge im Beſchließen und Entſcheiden. — Den Sinn der Lykurgiſchen Rhetra giebt auch Tyrtaͤos in den Verſen wieder, deren An - fang wir oben ſchon angefuͤhrt haben: Herrſchen im Rathſchluß ſollen die goͤtterbegnadeten Fuͤrſten, Denen die herrliche Stadt Sparta zur Pflege vertraut; Die ehrwuͤrdigen Alten und dann auch die Maͤnner des Volkes, So entgegnen geziemt graden und einfachen Spruch (εὐθείαις ῥήτραις ἀνταπαμειβομένους)1vgl. Franck p. 173. der εὐθείας γνὠμας corrigirt, ich glaube, ohne Noth.. Tyrtaͤos will damit ſagen, daß die Volksverſammlung auf den Geſetzvorſchlag der Obrigkeiten direkt ant - worten, nicht aber ausweichen und an ihm aͤndern ſolle.
Der gewoͤhnliche Name der Volksverſammlung bei den Doriern war Ἁλία. So heißt die Spartia - tiſche bei Herodot27, 134., ſo in Urkunden die von Byzanz3Demoſth. vom Kranz S. 225., von Gela, Akragas4Caſtelli Inscr. Sic. p. 79. 84. Gruter p. 401., Korkyra5Dodwell Trav. 1. p. 503. Boͤckh Staatsh. a. S. 403 ff., Herakleia6ἀλία κατάκλητος (vgl. Schoͤmann de comit. p. 29.) Tab. Heracl. p. 154. 260. ed. Maz. vgl. Ind. p. 281., ἁλιαῖα die der Tarantiner7Heſych. und Epidamnier8Ariſt. Pol. 5, 1, 6.; der Ort der Verſammlung bei den Siciliſchen Doriern ἁλιακτήρ9Heſych. Die Attiſche ἡλιαία iſt daſſelbe Wort.. In Kreta hieß ſie mit dem alten Homeriſchen Ausdrucke ἀγοϱά10Lex. Rhet. Bekker S. 210. In den Inſchr. bei Chishull ſteht indeß immer ἐκκλησία.. In Sparta ſcheinen beſonders die Namen ἐκκλησία und οἰ ἔκκλητοι gebraͤuchlich geweſen, die an ſich ſo wenig wie zu Athen den Begriff eines Ausſchuſſes anzeigen11Der εἰωϑὼς ξὐλλογος bei Thuk. 1, 67. verhandelt mit den συμμά -, obgleich allerdings in andern87 Doriſchen Staaten Ausſchußverſammlungen unter ver - wandten Namen vorkommen1Ἔσκλητος in Syrakus bei Heſych. Derſelbe: ἀνεκκλητεῖν ἐξαἰϱεσιν ποιεῖσϑαι παϱὰ Ῥοδίοις.. Auch Sparta hatte eine ſolche, aber ausdruͤcklich die “kleine Ekkleſia”2Xen. Hell. 3, 3, 8. genannt, die nach der einen Stelle, wo ſie vorkommt, beſonders fuͤr den Beſtand der Verfaſſung ſorgte, und vielleicht blos aus den Homoͤen beſtand; denn aus Magiſtraten allein kann man ſchwerlich eine Ekkleſia zuſammengeſetzt denken3wie Tittmann S. 100., der zugleich unter ἔκκλητοι〈…〉〈…〉 und ἐκ - κλησία (welches offenbar Synonyma) oft (aber wann?) die kleine verſtanden haben will, weil an deren Stelle auch τέλη genannt wuͤrden. Xen. Hell. 3, 2, 23. — So iſt auch witten in einer ἐκ - κλησἰα Th. 6, 88. blos von einem Vorhaben der Ephoren u. τἐλη die Rede. So fragt bei Xen. 6, 4, 2. Kleombrotos vom Heere die τἐλη in Sp., und es antwortet die ἐκκλησία. Den Frieden nach der Schlacht bei Aegospot. ſchloß die ἐκκλησία und Bundes - verſammlung zu Sp. Xen. 2, 2, 19 ff., und doch ſind in der Ur - kunde, Plut. Lyſ. 14., nur die τἐλη genannt. Unzaͤhligemal thun die τέλη, was ſonſt die πόλις im Ganzen. Xen. 5, 3, 23. 25. vgl. unten K. 7. Die einfache Loͤſung dieſer Schwierigkeit giebt nach unſerer Anſicht der Text S. 89.. Zur gewoͤhnlichen Verſammlung aber war ohne Zweifel jeder Buͤrger, der nicht ſeines Rechtes durch das Geſetz beraubt war, zulaͤſſig, doch nur von dreißig Jahren an4Plut. Lyk. 25. vgl. Liban. Or. Archid. T. 4. p. 420. ἡβῶντες durſten auch keine Aem - ter im Auslande bekleiden, Thuk. 4, 132.. Das Lokal derſelben war bei Sparta zwiſchen dem Fluͤßchen Knakion5vgl. Plut. Pelop. 17. Schol. Lykophr. 550. eigentlich Safranfluß. und der Bruͤcke Babyka, wo hernach ein Ort Oenus, der Pitana be - nachbart, alſo von der Stadt weſtlich lag6oben S. 50., auf jeden11Ζοις, wie die ἐκκλησία oder die ἔκκλητοι Xen. Hell. 5, 2, 11. 6, 3, 3. vgl. Cragius de rep. Lac. 4, 17. Morus Ind. Xenoph. und Sturz Lexic. Xen. ἔκκλ.88 Fall unter freiem Himmel1Erſt ſpaͤter in der Skias, Pauſ. 3, 12, 8.. Die Zeit der regelmaͤßi - gen Verſammlung war jeder Vollmond2Schol. Thuk. 1, 67. wo uͤbrigens εἰωϑότα nicht von der Zeit zu erklaͤren iſt., doch wurden bei dringenden Angelegenheiten auch außerordentliche, oft in kurzer Zeit mehrere hintereinander, zuſammengerufen3Herod. 7, 134.. Die Hauptfrage aber iſt: in welchen Dingen es der unmittelbaren Entſcheidung des Volkes nach dem Her - kommen Sparta’s bedurfte. Was erſtens die genauer bekannten aͤußern Verhaͤltniſſe des Staats betrifft: ſo wiſſen wir, daß nur das geſammte Volk Krieg an - kuͤndigen, Frieden ſchließen, einen laͤngern Waffenſtill - ſtand eingehen u. dgl.4Her. 7, 149. οἱ πλεῦνες. Thuk. 1, 67. 72. ξύλλογος εἰωϑὼς oder τὸ πλῆϑος. 5, 77. δοκεῖ τᾷ ἔκκλησἰᾳ. vgl. 6, 88. Xen. Hell. 4, 6, 3. ἔδοξε τοῖς ἐφόϱοις κα〈…〉〈…〉 τῇ ἐκκλησἰᾳ, ἀναγκαῖον εἱναι στϱατεύεσϑαι. Vgl. 3, 2, 23. und 5, 2, 23. ἔφοϱοι καὶ τὸ πλῆϑος τῆς πόλεως. Die ἔφοϱοι und ἔκ - κλητοι hoͤren Geſandte, 2, 4, 38. wie das πλῆϑος, Polyb. 4, 34, 7. Feldzuͤge beſchloſſen von der ἐκκλησία Xen. 6, 4, 2. vgl. Plut. Ageſ. 6., und alle Unterhandlungen mit fremden Staaten, obgleich gefuͤhrt von den Koͤnigen und Ephoren, doch allein ratificiren konnte: was die in - nern, ſo wurden die angeſehenſten Obrigkeiten, na - mentlich die Geronten, vom Volke beſtimmt5Plut. Lyk. 26. Juſtin. 3, 3. Aa.; Strei - tigkeiten uͤber Thronfolge vor demſelben entſchieden6Es ging meiſt ein Rechtsſtreit vorher (Herod. 6, 65. Plut. Agis 11.), und nach deſſen Ausgang faßte das Volk hernach ſeinen Beſchluß. Plut. vgl. Xen. Hell. 3, 3, 3. auch Polyb. 4, 35, 9.; Veraͤnderungen an der Verfaſſung hier vorgelegt und gerechtfertigt, und alle neuen Geſetze, ſo oft dieſer ſeltene Fall eintrat, nach vorhergegangener Pruͤfung im Rathe hier beſtaͤtigt7Plut. Ag. 9. (vgl. Tittmann S. 94. Anm. 25.) Lyk. 29.. Auch konnte in der Regel nur das verſammelte Volk Heloten in groͤßerer Anzahl89 befreien, als deren Geſammtinhaber1Th. 5, 34.. Kurz, es be - ſaß die Volksverſammlung die hoͤchſte politiſche, legis - lative, conſtitutive Gewalt; welche aber durch den Geiſt der Verfaſſung ſo gezaͤhmt und gebaͤndigt war, daß ſie ſich nur auf vorgeſchriebenen Wegen thaͤtig beweiſen konnte.
Dies zeigte ſich in der Art der Verhandlun - gen ohne Zweifel ganz beſonders. Nur die oͤffentlichen Magiſtrate, beſonders Ephoren und Koͤnige, nebſt den Soͤhnen der letztern2Liban. a. O., redeten das Volk unaufgefordert an, und ließen es ſtimmen3Thuk. 1, 80. Xen. Hell. 3, 3, 8. Plut. Ag. 9. Aa.; auch fremde Geſandte ſprachen vorgelaſſen und geheißen uͤber Krieg und Frie - den4Th. 1, 67. u. ſehr oft.: aber daß Buͤrger auf eigenen Antrieb aus der Mitte hervorgetreten waͤren, um in oͤffentlichen Ange - legenheiten zu reden, iſt weder wahrſcheinlich, noch fin - det ſich ein Beiſpiel davon. Eine ſolche Befugniß konnte nach Spartiatiſcher Anſicht nur ein oͤffentliches Amt geben5Die Geſchichte bei Aeſchin. g. Tim. 25, 33. Plut. praec. reip. 4. p. 144. Gell. N. A. 18, 3. daß, als das Volk der Meinung eines ſittenloſen Menſchen beitreten wollte, ein Geron darauf drang, daß ſie erſt von einem tadelloſen Manne vorgetragen, dann durchgehen ſolle, beweist nichts, da ſie ganz abgeriſſen iſt, und wir nicht wiſſen, mit welchem Fuge jener Erſtere geſpro - chen hatte. Lyſandros (Plut. 25.) ſprach wohl in einer oͤffentlichen Funktion.. So wie alſo nur die Magiſtrate (τέλη, αϱ - χαὶ) die Wortfuͤhrer und Leiter der Verſammlung wa - ren: ſo wird oͤfter, namentlich in auswaͤrtigen Ver - haͤltniſſen, als ein Beſchluß dieſer angegeben6S. 87. N. 3., was vor der ganzen Gemeine verhandelt, und von derſelben gebilligt und beſtaͤtigt (δαμώσικτον)7δεδοκιμασμένον Heſych. worden war. Die allenfalſigen Reden waren kurz und aus dem Steg - reif geſprochen, zuerſt Lyſandros ließ ſich durch Kleon90 von Halikarnaß eine Rede fuͤr das Volk ausarbeiten1Plut. Lyſ. 25. Ageſ. 20.. Die Art zu ſtimmen, durch Zuruf und Geſchrei, hat freilich etwas Rohes, doch den Vortheil, daß ſie nicht blos die Zahl der Billigenden und Verneinenden, ſon - dern auch die Intenſitaͤt des Willens derſelben, nach alter Sitteneinfachheit ziemlich richtig, angiebt.
Die Kretiſche Volksverſammlung ſtand nach einzelnen Spuren der Lakoniſchen gleich; ſie begriff ebenfalls alle (eigentlichen) Buͤrger in ſich, und durfte dem Beſchluſſe der Vorſteher (Kosmen oder Geronten) auch nur mit Ja oder Nein antworten2Ariſtot. Pol. 2, 7, 4. κυϱἰα δ᾿ οὐδενός ἐστιν, ἀλλ᾿ ἢ συνεπιψηφίσαι τὰ δόξαντα τοῖς γέϱουσι καὶ τοῖς κόσμοις, was cum grano salis zu verſtehen iſt. vgl. oben S. 85.. In den uͤbrigen Doriſchen Staaten haͤngt ihre Bedeutung zu ſehr von der geſchichtlichen Epoche ab, in welcher ſich dieſelben gerade befinden, als daß die Zuſammenſtellung der einzelnen Nachrichten an dieſer Stelle ein Ganzes bilden koͤnnte. Volksverſammlungen gab es uͤberall, wenn nicht Tyrannis ſie aufhob, und auch dieſe that es nicht immer: auch waren ſie uͤberall Darſtellungen der hoͤchſten Gewalt und Souveraͤnitaͤt des Volkes, denn was das Volk thun ſollte, mußte nach alter Denk - art ſein Wille ſein: aber daß dieſer Wille wohl gelei - tet, und daß die hoͤchſte Entſcheidung nicht der blin - den Willkuͤhr der unverſtaͤndigen Maſſe hingegeben werde: das war die Aufgabe, die der Doriſche Staat ſich zu loͤſen vorgeſetzt hatte.
Dazu wirkte zuvorderſt das ganz eigentlich ariſto - kratiſche Gegengewicht der Volksverſammlung, die Geruſia, welche in dem aͤchtdoriſchen Staate nicht fehlen konnte, “der Rath der Alten” wie der Name be - ſagt1Die Lakonen und Kreter ſagten nach Heſych γεϱωνία (der - ſelbe hat aber auch γεϱώα) wo Valckenaer wahrſcheinlich mit Recht γεϱωἵα ſchreibt (ad Roever. p. 323. ad Adoniaz. p. 271. Kuſter ad Hes. p. 822.); welches mit verdicktem Hauche bet Ariſtoph. Lyſ. 980. γεϱωΖία lautet, welches wohl das Richtige. Γεϱοντία iſt die Stelle eines Geron, bei Xen. vom Staat 10, 1. 3. vgl. Nikol. Damase.. Sie ſteht in dieſer Hinſicht der βουλὴ als einer demokratiſchen Volksvertretung entgegen, doch ſo, daß auch dieſer Name als der allgemeinere fuͤr jenen gebraucht werden kann; aber nicht wohl umgekehrt. So kommt im Perſiſchen Kriege eine Bule zu Argos vor mit ſolcher Machtvollkommenheit, daß ſie vorzuͤg - lich uͤber Krieg und Frieden entſcheidet2Herod. 7, 148. In den Kretiſchen Staaten brauchte man γεϱουσία (vgl. noch die Inſchr. bei Mont - faucon Diar. Ital. p. 74.) ſo wie βουλὴ (βωλὰ Koen ad Gregor. p. 639.) nach Ariſtot. 2, 7, 3. und ſpaͤtern Inſchr., deren Mitglie - der wieder bei Ariſt. u. Str. 10, 484. γέϱοντες heißen. — In Kos war zu Alexander Severs Zeit γεϱουσία und βόλα identiſch. Villoiſ. Mem. de l’Ac. d. I. 47. p. 318. 328. ; als der Zeit92 angehoͤrig, ehe dieſer Staat ſich demokratiſirte. Die Homeriſche Rathsverſammlung, durchaus ariſtokratiſch, heißt βουλὴ γεϱόντων oder auch γεϱουσία1Dieſe Benennung ſteckt in γεϱούσιον ὅϱκον Il. 22, 119. γέϱοντες βουλευταὶ, Il. 6, 113., ſie be - ſteht aus aͤltern Maͤnnern der herrſchenden Familien, und leitet, ſammt den eigentlich ſo genannten Koͤni - gen2Die ſelbſt zu den Ge - ronten geboͤren, Od. 21, 21. vgl. oben S. 9., doch oft im Beiſein einer ἀγορὰ, ſowohl die oͤffentlichen Geſchaͤfte als die Gerichte. In ihr liegen, aber noch unentwickelt, die politiſchen Elemente der Do - riſchen Geruſia. In Sparta war der Name im ei - gentlichſten Sinne genommen; die nationale Sitte legte auf das Alter auch in politiſchen Verhaͤltniſſen die groͤßte Bedeutung, die Jugend war auf den Krieg angewieſen3Was am ſchoͤnſten Pindar ausſpricht bei Plut. Lyk. 21. an seni 10. (Fragm. p. 663 Boͤckh).; darum hatten blos Maͤnner von ſechzig Jahren Zutritt zu dieſer Wuͤrde4Plut. Lyk. 26. vgl. Xen. vom Staat 10, 1.. — Es war aber das Amt eines Geron, nach Ariſtoteles und Demoſthe - nes uͤbereinſtimmendem Ausdruck5Pol. 2, 6, 15. — Leptin. 489. vgl. Xen. a. O., der Kampfpreis der Tugend und mit allgemeiner Ehre verknuͤpft6auch bezeugt durch die Geſchenke des Koͤnigs, Plut. Ageſ. 4. die doppelte Portion bei den Syſſitien, Plut. Lyk. 26. vgl. von den oͤffentlichen Speiſungen Homeriſcher Geronten, Il. 4, 344. 9, 70.; nur Maͤnner von geachteten Familien, tadelloſem Le - ben, ausgezeichneter Wuͤrde7ὅμοιοι, καλοὶ κἀγαϑοί, oben S. 83, 23. konnten dazu gelangen. Da es lebenslaͤnglich8Ariſt. a. O. Plut. Lyk. 26. Ageſ. 4. Polyb. 6, 45, 5. Wenn in einer ſpaͤtern Inſchr. ein viermaliger Geront vorkommt (Cyriae. 11. 257. 268. ): ſo war damals das ganze Inſtitut ganz veraͤndert worden. war, ſo waren nur immer Ein - zelne an die Stelle Geſtorbener zu waͤhlen, und auf93 die Wahl Eines richtete ſich das Augenmerk des gan - zen Staates. Angeſehene Maͤnner alſo, dem Greiſen - alter nahe, wahrſcheinlich immer aus der Oba, deren Stelle erledigt war1S. oben S. 79., boten ſich dann nach eigenem Willen2Ariſt. 2, 6, 18. dem Gericht der allgemeinen Stimme dar. Das hohe Alter gewaͤhrte den Waͤhlern den Vortheil, ein langes oͤffentliches Leben pruͤfend uͤberſchauen zu koͤnnen, dem Staate den der hoͤchſten Einſicht und Er - fahrung der Gewaͤhlten; Altersſchwaͤche aber, welche Ariſtoteles bei ihnen fuͤrchtet, durfte ein Zeitalter und ein Staat nicht beſorgen, deſſen Menſchengeſchlecht ſich der hoͤchſten koͤrperlichen Geſundheit erfreute. Daß ſie durch Wahl, doch aber vom ganzen Volke34, 5, 11., beſtimmt wurden, forderte der ariſtokratiſche Zweck des Amtes; daß ſie ſelbſt zuſtimmen mußten, der zu dieſem Amt be - ſonders erforderliche gute Wille eines Jeden.
Wenn ſie nun dieſe Wahlpruͤfung beſtanden hatten, ſo waren ſie aller ferneren fuͤr immer erledigt, und auf ihr eigenes Bewußtſein angewieſen4Vgl. zum Folgenden Ariſtot. -Pol. 2, 6, 17. 2, 7, 6. Plut. Lyk. a. O.. Sie hatten keine Rechenſchaft abzulegen, weil ja die Aus - ſicht des Lebensendes ihnen mehr ruhige Maͤßigung5τὴν κατἀ γῆϱας σώφϱονα δύναμιν nennt ſie Plato Geſetze 3, 692 a. ge - ben mußte, als der Gedanke an die Niederlegung des Amtes und das Urtheil der Menge: der doch ſonſt die hoͤchſte Rechenſchaft anvertraut war. Es baute aber einmal der Geiſt dieſer ariſtokratiſchen Einrichtung auf die ethiſche Wuͤrde der Geronten, und wollte ihnen zu dieſer auch vollkommene Furchtloſigkeit verleihen. Das aber ſchien ſpaͤtern Politikern noch gefaͤhrlicher, daß Sparta’s Geronten nach eigenem Dafuͤrhalten, und nicht nach geſchriebenen Geſetzen, ihr Amt verwalteten, aber nur deswegen, weil ſie die Macht des Herkom -94 mens und der alten Gewohnheit (der ἄγραφα νόμιμα, πάτϱιοι νόμοι)1Am beſten unter den Alten redet vielleicht Platon von die - ſen, ebd. 7. S. 793. nicht in Anſchlag brachten, die voll - kommen zwingend, ſo lange die innere Einheit eines Volkes noch nicht zerriſſen und aufgehoben iſt. Auf ungeſchriebenen Geſetzen, die im Herzen der Buͤrger wurzelten, und mit der Erziehung eingepflanzt waren, beruhte ja alles Staats - und Rechtsleben der Spar - tiaten, und dies ſprach ſich durch den Mund der er - fahrenen Greiſe, welche die Geſammtheit frei als die Beſten erleſen hatte, gewiß am richtigſten aus. Tau - ſend geſchriebene Geſetze laſſen immer noch eine Luͤcke, wo die Willkuͤhr eintritt, wenn jene nicht ſelbſt orga - niſch in ſich zuſammenhaͤngend, auch voͤllige Kraft ha - ben, das fehlende zu ergaͤnzen; dieſe Kraft enthaͤlt aber allein das mit der Nation geborene und gewordene Recht, welches durch die, unter Aufſicht der Beſten ge - ſtellte, Sitte ohne Zweifel ſicherer als durch Schrift feſtgehalten wird.
So urtheilen wir denn uͤberhaupt uͤber die Geru - ſia, daß ſie ein ſchoͤnes Denkmal ſei althelleniſcher Sitte, und von edler Offenheit, einfacher Groͤße, rei - nem Vertrauen zeuge, das auf die ſittliche Wuͤrde und auf die vaͤterliche Weisheit derer, die ein langes Leben erprobt hatte, und denen das Volk nun ſein Wohl an - heim ſtellte, bauen mochte.
Die Funktionen der Geruſia ſind doppelt, die einer Regierungsbehoͤrde und eines Gerichts. In erſterem Be - zuge berathſchlagte ſie mit den Koͤnigen uͤber alle groͤßeren Angelegenheiten ſo weit, daß ſie zur Entſcheidung der Volksverſammlung fertig waren, und faßte nach Mehrheit der Stimmen einen Vorbeſchluß ab2Plut. Agis 11. τοὺς γέϱοντας, οἰς τὸ κϱἀτος ἦν ἐν τῷ πϱοβουλεύειν. Vgl. Demoſth. Leptin. a. O. δ〈…〉〈…〉 σπότης ἐστὶ τῶν πολλῶν. vgl. Aeſchin. g. Timarch 25, 35., deſſen Gewicht95 indeß ſicher weit groͤßer war als in Athen; im zweiten hatte ſie in allen Criminalſachen das hoͤchſte Urtheil, und durfte mit Ehrloſigkeit und Tod ſtrafen1Xen. a. O. 10, 2. Ariſtot. 3, 1. 4, 9. Plut. Lyk. 26. Lac. apophth. p. 197. unten K. 7, 11.. Da aber in beiden Richtungen die Auktoritaͤt des Raths allmaͤlig mit der Gewalt der Ephoren in Conflict kam, ſo kann erſt die Unterſuchung uͤber dieſe auch uͤber die Ausdehnung jener in verſchiedenen Zeitaltern Auskunft geben. Was indeß uͤber das Weſen dieſer Obrigkeit noch beſondern Aufſchluß verſpricht, iſt die damit ver - bundene Aufſicht uͤber die Sitten der Buͤrger2arbitri et magistri disciplinae publicae, Gell. N. A. 18, 3. vgl. Aeſchines a. O. Daher σωφϱοσύνη von ihnen ſelbſt beſonders gefordert.; worin ſie beſonders große Aehnlichkeit mit dem altattiſchen Gericht auf dem Areopagos zeigt. Wie jeder Greis das Recht hatte, die Sitten jedes Juͤnglings mit Schaͤrfe zu tadeln; ſo iſt gleichſam jeder Buͤrger ein Junger vor dieſen greiſen Vaͤtern der Stadt. Daher die Scheu und Ehrfurcht, mit der ihnen allgemein zu Sparta begegnet wurde. Wenn aber einem Attiſchen Redner in demokratiſcher Zeit die Geruſie nach alle dem eine Deſpotie zu ſein ſchien: ſo iſt dies in ſo weit wahr, als dieſelbe Einrichtung nach Athen verpflanzt nothwen - dig tyranniſche Willkuͤhr herbeifuͤhren mußte. Aber in Sparta hoͤrt man ſo wenig von irgend einem der Frei - heit gefaͤhrlichen Gewaltbeſchluſſe der Gerouten, daß im Gegentheil die Verfaſſung dadurch ſank, daß die Ge - genbehoͤrde derſelben, naͤmlich die Ephorie, es an Ein - fluß und Macht uͤber ſie gewann. Wirklich war ein - mal die Einrichtung der Geruſie in den Hauptzuͤgen2Dion. Hal. Archaͤol. 2, 14. ἡ γεϱουσία πᾶν εἰχ〈…〉〈…〉 τῶν κοινῶν τὰ ϰϱἀτοε. vgl. Pauſ. 3, 11, 2. Cie. de senect. 6. amplissimus magistratus. 96 nach Athen verpflanzt worden — als Lyſandros die dreißig Maͤnner ernannte, welche ein geſetzgebendes Corps und zugleich das hoͤchſte Gericht Athens ſein ſollten; mit wie wenig Gluͤck iſt bekannt; ſo wahr iſt es, daß jedes Inſtitut nur auf dem Boden, in dem es wurzelt, gedeihlich wirken kann.
Es iſt kein Zweifel, daß eine Geruſie vor Alters in jedem Doriſchen Staate war, aber nur in Kreta haben ſich noch Nachrichten von ihr erhalten, welche ſie ganz auf denſelben Punkt ſtellen, wie die Spartiatiſche. Sie war dort mit hoher politiſcher und legislativer Macht bekleidet, und legte ihre Beſchluͤſſe, ſchon fertig und abgeſchloſſen, der Volksgemeine zur Beſtaͤtigung und Verwerfung vor1Ephor. bei Str. 10, 484. (Marx p. 171.) oben S. 90.. Sie entſchied, ebenfalls durch geſchriebene Geſetze ungebunden, nach eigenem beſten Dafuͤrhalten, und Niemandem darum verantwortlich2Ariſt. 2, 7, 5. Gewiß auch als Gericht.. Die Mitglieder wurden gewaͤhlt aus den Maͤnnern, welche ſchon die hoͤchſten Magiſtrate (der Kosmen) verwaltet hatten, doch erſt nach neuer Pruͤfung ihrer Wuͤrdigkeit3Str. οἱ τῆς τῶν κόσμων ἀϱχῆς ἠξιωμένοι καὶ τὰ ἄλλα δόκιμοι κϱι - νόμενοι. vgl. Ariſt. 2, 7, 5.. Das Amt war lebens - laͤnglich, wie zu Sparta4Ariſt. a. O.; der Princeps Senatus heiß βουλῆς πρείγιστος5bei Montfaucon a. O..
Auch in Elis, deſſen Verfaſſung der Spartiati - ſchen analog, beſtand eine Geruſie als ein ſehr wichti - ges Glied der Verfaſſung. Sie beſtand aus neunzig Maͤnnern, die fuͤr ihre Lebenszeit aus oligarchiſchen Familien6Ariſt. 5, 5, 8., aber ſonſt wie in Sparta, alſo wohl vom geſammten Volke gewaͤhlt wurden. Doch gab es dane - ben noch eine groͤßere Verſammlung von ſechshun -97 dert1Thuk. 5, 47. vgl. Plut. praec. reip. 10. p. 255 H., die ebenfalls auf Geſchlechtsherrſchaft deutet. So viel iſt deutlich, daß hier die Herrſchaft des Ge - ſammtvolkes ſehr eingeſchraͤnkt war, und, wie auch Ariſtoteles ſagt, eine Oligarchie in der andern lag2Die ἱεϱαὶ γεϱουσίαι, z. B. die Eleuſiniſche, ſpaͤterer Zeit gehen uns hier nichts an; doch machen wir auf folgendes Denkmal, als aus dem Peloponnes ſtammend, aufmerkſam, bei Biagi Monum. Gr. p. 200. und Pracloqu. ad Mon. Gr. et Lat. p. XVIII. vgl. Visconti PioCl. T. 2. p. 66. ἡ ἱεϱα ουπησια (Boͤckh vermuthet kuͤhn, aber nach dem Zuſammenhange wahrſcheinlich, γεϱωσια) γ. ιουλιον επαφϱοδειτον αγϱετευσαντα (ſchwierig zu erklaͤren) το Ρx03E5; Δ ἕτος (nach Visc. von der Befreiung Griechenlands durch Flaminin) και δοντι ἑκαστω γεϱοντι νομης δηναϱια δεκα κ. τ. λ. Vielleicht iſt die ἱεϱὰ γεϱωσία dann die Ὀλυμπιακὴ βουλὴ der Elecr. Pauſ. 5, 6, 4. 6, 3, 3. Perizon ad Ael. V. H. 10, 1. vgl. Bd. 2. S. 139..
An die Betrachtung der Geruſie knuͤpfen wir die des Koͤnigthums in Sparta und andern Dori - ſchen Staaten an, als eines ſehr nahe verwandten Elements der Verfaſſung. Das Doriſche Koͤnigthum iſt eine Fortſetzung des heroiſchen oder homeriſchen, und man hat bei dem einen ſo wenig wie bei dem an - dern an die Machtvollkommenheit ſouveraͤner Herr - ſcher zu denken, welche die Griechen erſt in Barbaren - laͤndern kennen lernten. In jener alten Zeit war der Koͤnig mit ſeinem Rathe der hoͤchſte Regent und Rich - ter, aber nicht ohne ihn; er war zugleich erſter Anfuͤh - rer im Kriege, und beſaß als ſolcher eine hoͤhere exe - cutive Gewalt, wie ſie die Umſtaͤnde erforderten. Im Ganzen aber verhielt er ſich zu den Edlen als Glei - cher; und ſein Amt, obgleich gewoͤhnlich forterbend, konnte doch auf eine andere Familie des Adels uͤber - tragen werden; das niedere Volk beherrſchte er mehr nach einer gewiſſen Willkuͤhr, gewaltthaͤtig wie die Freier von Ithaka, oder als milder Vater, wie Odyſ -III. 798ſeus1oben S. 9. Platner not. juris p. 90. . Seine Wuͤrde aber hat er in der Idee von Zeus; ſie erbaͤlt dadurch eine religioͤſe Befeſtigung, daß er unter Beiſtand von Weiſſageprieſtern die großen Staatsopfer leitet und verrichtet.
Dieſe Hauptgrundſaͤtze finden wir im Spar - tiatiſchen Koͤnigthume wieder, welches nach Ariſtoteles, wie das der Moloſſer in Epeiros, eben durch ſeine Beſchraͤnkung dauernd war, und zugleich durch das mythiſche Andenken, daß von ihm die Eroberung des Landes geleitet worden und ausgegangen ſei2Ariſtot. 5, 8, 5. 9, 1. Dionyf. Roͤm. Arch. 5, 74. nennt das Spart. Koͤnig - thum ἐπὶ ϱ̔ητοῖς τισὶν διοικούμενον, wie Thuk. das Homeriſche.. Die Hauptſtuͤtze ſeines Anſehns war ohne Zweifel die durch ganz Hellas verbreitete und in ſo vielen Mythen ausge - ſprochene Ehre des Heraklidengeſchlechts, auf welche ſelbſt der Anſpruch auf die Anfuͤhrung Helleniſcher Bun - desheere zum Theil gegruͤndet wurde. So von dem erſten der Heroen Griechenlands ſtammend galten dieſe Fuͤrſten ſelbſt in mancher Hinſicht als Heroen3Xen. Staat der Lak. 15, 9. vgl. Hell. 3, 3, 1. σεμνοτέϱα ἢ κατὰ ἄνϑϱωπον ταφή., und genoſſen einer gewiſſen Pietaͤt. Daraus erklaͤrt ſich das fuͤr die Einfachheit Doriſcher Sitte ſo glaͤnzende Lei - chenbegaͤngniß derſelben, die zehntaͤgige4Nach Herod. zehn Tage keine ἀγοϱὰ und ἀϱχαιϱεσία, u. ſo viele blieb alſo auch die Ernennung des neuen Koͤnigs ausgeſetzt, wie ich noch dazu aus Xen. Hell. 3, 3, 1. αἱ ἡμἐϱαι entnehme. Indeß hat Herakl. Pont. nur drei Tage. allgemeine Landestrauer, zu der ſich die Spartiaten, Perioͤken und Heloten aus allen Enden des Landes in beſtimmter Anzahl mit ihren Weibern in die Stadt einfanden, dort unter großem Wehklagen ſich die Koͤpfe mit Staub oder Aſche beſtreuten, und den Verſtorbenen jedesmal als den beſten aller Fuͤrſten prieſen5Herod. 6, 58. ἐϰ πάσης δεῖ Ααϰεδαίμονος (i. e. Λαϰωνιϰῆς,, auch die Ausſtellung99 in Schlachten gefallener Fuͤrſten in einem Bilde auf einem Ehrenbette1Die εἴδωλα wurden vermuthlich aufbewahrt, denn blos den Leichnam zu vertreten, konnte nicht ihr Zweck ſein, da dieſer faſt immer auch aus großer Ferne, wie bei Agefilaos, heimgebracht wurde.: Gebraͤuche, die ſehr nahe an heroiſchen Cultus (τιμὰς ἡρωϊκὰϛ) anſtreifen. Auch trat prieſterliche Wuͤrde zur Sanktion des koͤnigli - chen Anſehens hinzu; ſie hatten das Prieſterthum des Zeus Uranios und Zeus Lakedaͤmon, und brachten alle Neumonde und Siebenten dem Apollon (Νεομήνιος und Ἑβδομαγέτης) Staatsopfer2vgl. uͤber Staatsopfer das K. Xen. Hell. 3, 3, 4.; auch erhielten ſie von allem Geopferten die Haͤute als einen Theil ihres Ein - kommens. Daraus, daß ſie im Kriege außer dieſen auch noch die Ruͤckenſtuͤcke von jedem Opferthiere be - kamen, und ſo viel opfern durften als ſie mochten3Herod. 6, 56., folgt, daß ſie dem geſammten Cultus des Heers vor - ſtanden: Kriegsprieſter und Kriegsfuͤrſten zugleich, wie der Agamemnon Homers4Opfer an Zeus Agetor beim Auszuge (Xen. Staat 13, 2. vgl. unten K. 12.); dann an der Graͤnze δια - βατήϱια fuͤr Zeus und Athena (ebd. vgl. Polyaͤn 1, 10.); auch ſonſt διαβατήϱια, Plut. Ageſ. 6., wo die Parallele mit Agamemnon be - ſonders auffallend.. Am unmittelbarſten aber foͤrderte ihre Macht, daß ſie den beſtaͤndigen Verkehr5wie 7, 220. u. aa. ) χωϱὶς Σπαϱτιητέων (noch außer den Sp.) ἀϱιθμῷ τῶν πεϱιοίκων (eine beſtimmte Anzahl von Per.: der Da - tiv von δεῖ abhaͤngend; anders Werfer in Act. Monac. II. p. 241.) ἀναγκαστοὺς ἐς τὸ κῆδος ἰἐναι. τουτἐων ὠν καί τῶν εἱλωτἐων (vgl. oben S. 36, 1.) καὶ αὐτέων Σπαϱτιητέων (mit Recht von Schweigh. wieder aufgenommen) κ. τ. λ. vgl. 7, 220. das Orakel: πενθήσει βασιλῆ φϑίμενον Λακεδαίμονος. Das μιαίνεσϑαι war um deſto auffallender, da es bei Privattrauer ganz unter - ſagt war, Plut. Inst. Lac. p. 252 H. — Auf ehemalige Allge - meinheit dieſer Trauer fuͤr Heraklidiſche Fuͤrſten weist hin, was Bd. 2. S. 88. unten angegeben iſt.7 *100des Staats mit dem Delphiſchen Heiligthum unterhiel - ten, die Pythier ernannten, und mit ihnen zuſammen die Orakel laſen und aufbewahrten1oben S. 18.. Wie hiernach das Anſehn des Koͤnigthums religioͤs begruͤndet war, ſo war es auch durch Religion beſchraͤnkt, obgleich was wir davon wiſſen, uns mehr als eine in der Regel bedeutungsloſe Antiquitaͤt zugekommen iſt, denn als eine Einrichtung von Einfluß und Kraft. Alle acht Jahre (δἰ ἐτῶν ἐννέα) waͤhlten die Ephoren eine reine und mondloſe Nacht, und ſetzten ſich in aller Stille gegen den Himmel ſchauend. Wenn nun eine Stern - ſchnuppe ſich zeigte, glaubte man, daß die Koͤnige ir - gend wie gegen die Gottheit geſuͤndigt, und ſuspendirte ſie, bis ein Orakel aus Delphoi oder von den Opfer - prieſtern zu Olympia ſie von der Schuld reinigte2Plut. Agis 11.. Vergleicht man dieſe im Weſentlichen gewiß uralte Sitte mit der Bedeutſamkeit der ennaeteriſchen Periode fuͤr altes Staatsleben, und beſonders mit der in einem Homeriſchen Verſe aufbewahrten Sage “von dem in neunjaͤhrigen Zeitraͤumen herrſchenden und mit Zeus redenden Minos”3von welchem Hoeck uͤber Kreta genauer handeln wird.: ſo ſieht man ein, daß die Herrſchaft der altdoriſchen Fuͤrſten mit jeder En - naeteris gleichſam von neuem anhub und neuer religioͤ - ſer Beſtaͤtigung bedurfte. So innig verſchmolzen waren in uralter Zeit Religion und Politik.
So iſt aus dem Geſagten klar, daß die Dorier das Koͤnigthum als von der Gottheit ſtammend, und keinesweges als vom Volke ausgehend anſahen, ſo wenig wie ſie ſich auf der andern Seite des Volkes Freiheit als vom Koͤnige abhaͤngig denken konnten. Sondern ſie wußten wohl, daß die Elemente der Ver -101 faſſung von Anfang an mit dem beſtimmten und indi - viduellen Daſein der Nation gegeben waren wie Stamm, Wurzel, Krone im Keime des Baumes. Darum hatte das Volk auch kein Recht, den Koͤnig zu ernennen (wovon Rechtsſtreite uͤber die richtige Erbfolge genau zu unterſcheiden ſind)1Es iſt eine δίκη Plut. Ag. 11. νεἱκος Herod. 6, 66. mit vorhergehender κατωμοσία des Anklágers, 6, 65. worauf ein Be - ſchluß im Namen der Geſammtheit (πόλις Xen. Hell. 3, 3, 3. οἱ Λακεδ. Herod. 5, 42.) folgt. oben S. 88. Auch Kleonymos wurde nicht durch ein freies nur auf innere Qualitaͤt gegruͤndetes Wahlurtheil dem Areus nachgeſetzt (wie es nach Plut. Porrh. 26. ſcheint,) ſondern die Geruſia erklaͤrte blos bei der ἀμφισβήτησις, daß er als juͤngerer Sohn dem Succeſſer des aͤltern Sohnes nach - ſtehe. Pauſ. 3, 6, 2., ſondern die Wuͤrde ging in geordneter Succeſſion uͤber, zunaͤchſt auf die Soͤhne und zwar den aͤlteſten, aber ſo, daß die waͤhrend der Herrſchaft des Vaters geborenen den vorher gebore - nen vorgingen; war der aͤlteſte Sohn ſchon geſtorben, auf deſſen maͤnnliche Nachkommenſchaft, und dann erſt auf die juͤngern Soͤhne der Reihe nach; war uͤberhaupt keine maͤnnliche Deſcendenz des Koͤnigs vorhanden, auf deſſen Bruder2S. unter aa. Herod. 5, 42. 6, 52. 7, 3. Xen. Hell. 3, 3, 2. Nepos Ageſ. 1, 3. (der auch, wenn der Sohn minder - jaͤhrig, der natuͤrliche Vormund deſſelben war)3wie Lykur - gos des Charilaos, Nikomedes des Pleiſtonax. und deſſen Succeſſoren, endlich wenn eine ganze Linie aus - geſtorben war, auf die naͤchſtverwandte4wie als an die Stelle des Demarat Leutychides trat, deſſen Recht zum Thron auf den achten Vorfahr Theopompos zuruͤckging, wenn man Herod. 8, 131. nach Pauſ. Koͤnigsgenealogie mit Palmer. corrigirt.. Auch die uͤberaus aͤngſtliche Sorge fuͤr die Aechtheit der Geburt dient dazu, die Achtung der Nation vor der Legitimi - taͤt zu beweiſen. Bei alle dem glaubte das Volk ſeine Freiheit ſchon geſichert durch den alle Monate von den102 Koͤnigen zu wiederholenden Eid, daß ſie nach den Ge - ſetzen regieren wuͤrden, der auch bei den Moloſſern herkoͤmmlich war1Plut. Pyrrh. 5., wofuͤr die Stadt ihnen wieder durch die Ephoren, wenn ſie den Eid wahrten, die Herr - ſchaft unerſchuͤttert (ἀστυφέλικτος) zu erhalten ver - hieß2Xen. Staat 15, 7..
Was nun aber nach dieſem die verfaſſungs - maͤßige Macht der Koͤnige Sparta’s betrifft: ſo war dieſe eigentlich im Verhaͤltniß zu der Ehre derſelben gering. Erſtens waren die beiden Fuͤrſten Mitglieder der Geruſia, und machten dieſelbe erſt vollzaͤhlig, aber ſie hatten als ſolche nur einfache Stimmen3Thuk. 1, 20. der gegen andere Hiſtoriker aber wohl eher gegen Hellanikos (oben S. 15.) als gegen Herodot polemiſirt, den er der Zeit nach ſchwerlich leſen konnte. Indeſſen ſcheint mir doch auch Herod. 1, 17. der in Grie - chenland herkoͤmmlichen Meinung von den zwei Stimmen jedes Koͤnigs gefolgt, obgleich der Ausdruck nicht voͤllig klar iſt. Spaß - haft iſt die, von Larcher angenommene, Auskunft des Schol. Thuk., jeder Koͤnkg habe nur eine Stimme gehabt, aber ſie habe fuͤr zwei gegolten. Die γεϱουσία ἰσόψηφος δἰς τὰ μέγιστα den Koͤnigen nach Plat. Geſ. 3, 692. Dem Herod. folgt Lukian Harm. 3., welche in ihrer Abweſenheit der naͤchſtverwandte Geront, ein Heraklide alſo4S. oben S. 79., vertrat. Waren ſie zugegen, ſo hat - ten ſie auch vorzugsweiſe den Vortrag und die Leitung der Verhandlungen, daher ſie in jener alten Rhetra in Bezug auf die Geruſia Ἀρχαγέται genannt wer - den: wie ſie auch in der Volksverſammlung aufzu - treten, zu reden, vorzuſchlagen vorzuͤglich befugt wa - ren. Wenn die Geruſia ein Gericht bildete, ſo fuͤhr - ten ſie natuͤrlich auch in dieſem den Vorſitz; aber ſie hatten außerdem einen abgeſonderten Gerichtshof fuͤr ſich5Her. a. O. δικάζειν δὲ μούνους, da in Sparta alle Magiſtrate die Gerichtsbar -103 keit hatten in den Sachen, welche in den ihnen anver - trauten Zweig der Verwaltung einſchlugen; von wel - cher denſelben in Athen durch die Demokratie im Gan - zen nur noch die Einleitung der Proceſſe uͤbrig gelaſſen war. Ein ſolches Zuſammentreffen adminiſtrativer und richterlicher Gewalt fand alſo in Sparta auch bei den Koͤnigen ſtatt. Sie hielten Gericht in Faͤllen, welche die oͤffentlichen Straßen (deren Erhaltung und Siche - rung) betrafen, wohl deswegen, weil ſie als Feldherren des Staats, und im allgemeinen die Verhaͤltniſſe zum Auslande leitend, an deren Inſtandhaltung am meiſten Antheil nehmen mußten. Bemerkenswerther iſt es, daß ſie in den Sachen der Erbtdchter Recht ſprachen, und alle Adoptionen vor ihnen geſchahen1Herod. 6, 57.. Beides betraf die Erhaltung der Familien, die Baſis der altgriechi - ſchen Staaten, deren Sorge hiernach beſonders den Koͤnigen anvertraut war. So war auch in Athen die - ſelbe Pflicht von den alten Koͤnigen auf den Archon Eponymos uͤbergegangen, welcher deswegen die Auf - ſicht und eine Art Vormundſchaft uͤber alle Erbtoͤchter und Waiſen hatte2Lyſias g. Euandros p. 176, 22. Pollux 8, 89..
Aber am meiſten Macht war dem Koͤnige in auswaͤrtigen Angelegenheiten geſtattet. Die Fuͤrſten von Sparta waren zugleich die Anfuͤhrer des Pelopon - neſiſchen Bundes. Auch als Geſandte zogen ſie aus, wo ihnen indeß in Zeiten des Mißtrauens abſichtlich ſolche Maͤnner mitgegeben wurden, die man ihnen ab - geneigt und feindlich wußte3Ariſtot. 2, 6, 20. — Ein Beiſpiel Xen. Hell. 6, 5, 4. Ageſil. 2, 25.. In derſelben Beziehung ernannten ſie auch Buͤrger zu Proxenen, welche die Ge -5τοὺς βασιλῆας τοσάδε μοῦνα. vgl. Plut. Lak. Apophth. Ageſil. S. 187.104 ſandten und Buͤrger fremder Staaten bei ſich aufnah - men1Herod. a. O. und ſonſt fuͤr ſie ſorgten; es ſcheint, daß die Koͤnige ſelbſt im eigentlichen Sinne als Proxenen des Auslandes galten, und jene Gewaͤhlten nur als ihre Stellvertreter zu betrachten ſind.
Sobald dem Koͤnige aber ein Kriegszug aufgetra - gen war, und er die Landesgraͤnze verlaſſen hatte, war er nach altem Herkommen Feldherr mit unbe - dingter Vollmacht (στρατηγὸς αὐτοκϱάτωρ)2Ariſtot. 3, 9, 2. vgl. 3, 9, 8. Iſokr. Nikokl. S. 39 Lang.. Er konnte Heereshaufen ausſchicken nnd verſammeln, Geld nach Beduͤrfniß im Auslande eintreiben, und das Heer nach ſeinem Willen fuͤhren und lagern laſſen. Wer ihn daran zu hindern und ſich ihm zu widerſetzen wagte, war vogelfrei3Herod. 6, 56. den man nicht von der Ankuͤndigung des Krieges verſtehen darf. Xen. Staat 13, 10. Von einem Falle Thuk. 8, 5. ὁ γὰϱ Ἀγις ‒ ἔχων τὴν μεϑ̕ ἑαυτοῦ δύ - ναμιν, κύϱιος ἤν καὶ ἀποστέλλειν, εἴ ποί τινα ἐβούλετο στϱατιὰν καὶ ξυναγεὶϱειν καὶ χϱήματα πϱάσσειν. vgl. 5, 60. διἁ τὸν νόμον.. Er hatte Recht uͤber Leben und Tod, und konnte ohne Gericht (ἐν χειρὸς νόμῳ) toͤdten. Eine ſo ſtrenge Gewalt ſchien noͤthig, um dem Heeres - koͤrper eine kraͤftige Seele zu erhalten. Aber es ver - ſteht ſich von ſelbſt, daß der ruͤckkehrende Koͤnig von jeher ſowohl fuͤr ungeſchickten als gewaltthaͤtigen Ge - brauch der Macht verantwortlich und ſtraffaͤllig war. Auch war die politiſche Thaͤtigkeit von der militaͤriſchen ziemlich genau geſondert, und Vertraͤge zu ſchließen, uͤber das Schickſal eroberter Staͤdte zu beſtimmen, war dem Koͤnige nicht ohne beſondere Bevollmaͤchtigung vom Staate geſtattet4Xen. Hell. 2, 2, 12. 5, 3, 24. vgl. Thuk. 5, 60. Vom Heere aus Ge - ſandte, z. B. zur Vermittelung, zu ſchicken, war indeß dem K. er - laubt nach Xen. Staat 13, 10., wo ich die Noth der Aenderung. Indeſſen ſchien auch ſo dieſe Feld -105 herrngewalt gefaͤhrlich und uͤbermaͤßig, und wurde mehr und mehr gemindert. Nicht zwar durch die Verfuͤgung, welche die Uneinigkeit des Demarat und Kleomenes hervorbrachte, daß nur ein Koͤnig zugleich ins Feld ziehen ſollte1Herod. 5, 75. Selten waren beide K. außerhalb Sp. Xen. Hell. 5, 3, 10., denn dieſe erhoͤhete vielmehr die Ge - walt des Einen ausgeſchickten; aber beſonders durch das Geſetz, daß der Koͤnig nicht ohne zehn Raͤthe ausziehen duͤrfe, zu welchem Agis uͤbereilter Waffen - ſtillſtand Anlaß gab2Th. 5, 63., wo ἐν παϱόντι nicht beſagt, daß ſie das Geſetz blos fuͤr einen Feldzug gaben. vgl. Manſo Sp. 1, 2. S. 231. 2, 378 k. Von den Dreißig beim K. unten K. 12., und durch die aufgedrungene Begleitung der Ephoren3unten K. 7..
Die Unterſuchung uͤber die Einkuͤnfte des Koͤ - nigs iſt an ſich ſelbſt nicht ſo bedeutend, als ſie durch die Parallele mit dem homeriſchen Koͤnigthume inter - eſſant wird. Bei Homer haben die Fuͤrſten dreierlei Einkuͤnfte; erſtens den Ertrag ihres Landguts (τέμε - νος)4Od. 11, 184. Il. 12, 312. vgl. 9, 578. Pind. O. 13, 60. βαϑὺς κλᾶϱος., welches oft Aecker, Viehweiden, Baumpflan - zungen in ſich faßt; zweitens den Lohn fuͤr den einzel - nen Richtſpruch (δῶρα), drittens die oͤffentlichen Mahl - zeiten, welche vom Gute der Gemeine beſtritten wer - den5Dies heißt δήμια πίνειν Il. 17, 250. (vgl. σιτεόμενοι τὰ δημόσια Herod. 6, 57). In Kreta werden die Fremden δημόϑεν geſpeist, Od. 19, 197. vgl. Aeſch. Ἱκετ. 964. und Platner a. O. p. 100. Die Stelle Od. 11, 184. iſt zu uͤberſetzen: Ruhig genießt Telem. den koͤnigl. Landbeſitz und ſpeist die ihm zukommenden Mahlzeiten, die ein richtender Mann genie - ßen ſoll: denn alle laden ihn ein. Ueber die letztern Worte ſ. S. 106. unten.. Dazu kommen noch außerordentliche Gaben, Antheile an der Beute und andere Ehrengeſchenke. Faſt4αὔ in οὐ nicht einſehe; μέντοι zeigt den Gegenſatz gegen die vori - ge reinkriegeriſche Thaͤtigkeit.106 eben ſo war es noch in Sparta, nur daß die Richter - ſpruͤche gewiß nicht bezahlt wurden. Aber der Koͤnig hatte auch hier erſtens ſeine Landbeſitzungen, welche in dem Gebiet mehrerer Perioͤkenſtaͤdte lagen1Xen. Staat 15, 2., und von denſelben wohl den βασιλικὸς φόϱος2Platon Alktb. I. 39. p. 123 a. οἱ Αακεδαιμὁνιο〈…〉〈…〉 = πεϱίοικοι.. Dieſe ſind das Fundament ſeines Privatreichthums, welcher oft ziemlich hoch ſtieg — wie haͤtte man ſonſt den Koͤnig Agis um 100,000 Drachmen ſtrafen wollen3Thuk. 5, 63., welches ohne Zweifel Aeginetiſche, folglich gegen 38,000 Reichs - thaler unſers Geldes ſind; auch der juͤngere Agis, Sohn Eudamidas, beſaß ſechshundert Talente baares Geld4Plut. Ag. 9., und in einem angeblich Platoniſchen Dialog wird der Koͤnig von Sparta fuͤr reicher erklaͤrt, als irgend ein Privatmann in Athen5Alk. I, 38. p. 122 e. . Aber außerdem erhielt der Koͤnig Vieles aus dem Staatsvermoͤgen, die doppelte Portion bei den oͤffentlichen Mahlzeiten6vgl. Herod. 6, 57., wo δεῖπνον auf die συσσίτια geht, mit Xen. 15, 4. citirt bei Schol. Od. 4, 65. In Kreta hatte der anweſende Kosmos (ὁ ἄϱχων) vier Portionen, Herakl. P. 3.; ein vollkom - menes Opferthier, einen Medimnos Weizen, und ein Lakoniſches Viertel Wein an jedem erſten und ſieben - ten des Monats7Her. Nach Xen. H. 4, 3, 14. Plut. Ageſ. 17. ſchickt der K., wem er will, einen Antheil von ſeinen Opfern. Nach Xen. 15, 4. hat er auch ein Ferkel von jedem Wurf zu Opfern.; den ſchon erwaͤhnten Antheil an den Opfern u. dgl. mehr. Ferner pflegten auch Pri - vatleute, welche Gaſtmaͤler gaben, die Koͤnige einzula - den, wie es in Homeriſcher Zeit uͤblich war8oben S. 105, 5.; und ſetzten ihnen dann auch doppelte Portion vor; und wenn ein oͤffentliches Opfer veranſtaltet wurde, hat - ten die Koͤnige dieſelben Rechte und Vorzuͤge9Herod. 6, 57. ἢν ϑυσίην τις (nicht ein. Im107 Kriege fiel dem Koͤnige von der Beute ein Ehrenantheil zu, wie dem Pauſanias bei Plataͤaͤ zehn Weiber, Pferde, Kamele, Talente1Herod. 9, 81.; ſpaͤter ſcheint es, daß ein Drittel des Erbeuteten an den ſiegenden Koͤnig kam2Nach Phylarch bei Polyd. 2, 62, 1. Dies ſind die μέγισται λήφεις im Alk. I, 39, 123 a. . Endlich iſt noch die nach der Sage von Ariſtodemos, dem Stammvater beider Haͤuſer, erbauete3Xen. Ageſ. 8. aus dem Plut. Ageſ. 19. (oben Bd. 2. S. 90, 3.) ſchoͤpft. Hellen. 5, 3, 20. vgl. Nepos Ageſ. 7. Die βοὠνητα bei Pauſ. 3, 12, 3. ſind davon zu unterſcheiden. Amtswohnung beider Koͤnige Sparta’s zu erwaͤhnen, (außer der ſie indeß oft noch Privathaͤuſer hatten,)4wie Manſo zeigt 3, 2. S. 330., bei der Xeno - phon ſelbſt den Waſſerteich nicht uͤbergeht; und daß ihnen außerhalb der Stadt ſtets ein Zelt auf oͤffentliche Koſten gebaut wurde5vom Staate 15, 6. Nach demſ. 13, 2. ſorgen im Kriege 3 ὅμοιοι fuͤr alle Beduͤrſniſſe des K., die Raoul-Roch. Dissert. (1821.) p. 77. fuͤr einen Theil der 6 ἐμπασαντες in einer Fourmont. Inſchr. (ἐμπα〈…〉〈…〉 έντες bei Heſych) haͤlt. Die Sache iſt ſehr unklar..
Alles dies uͤberlegt, erſcheint mir der politiſche Verſtand faſt wunderbar, mit dem die alte Verfaſſung Sparta’s die Kraft, Wuͤrde und Wohlhabenheit des Koͤnigthums ſchuͤtzte, ohne doch daſſelbe nur entfernt der Despotie anzunaͤhern, und in irgend einem Stuͤcke den Koͤnig uͤber das Geſetz oder nur außerhalb deſſel - ben zu ſtellen. Sie konnte ohne Gefahr der Freiheit dem Staate ein Herrſchergeſchlecht erhalten, das den Stolz ſeines eigenen Hauſes von dem Nationalgefuͤhl des Volkes nicht ſcheidend, und die geſammte Kraft deſ - ſelben in ſich mit freudigem Bewußtſein vereinigend, eine edle und großartige Geſinnung fuͤr lange Zeiten9Privatmann, ſondern ein oͤffentlich dazu Beſtellter) ὀημοτελἤ ποιέηται.108 naͤhrte und pflegte. So war es in der That in den beiden Heraklidenhaͤuſern, aus denen Theopompos, Leo - nidas, Archidamos II., Ageſilaos, Kleomenes III., Agis III. hervorgingen, und deſſen meiſte Abkoͤmmlinge eine aͤchtſpartiatiſche Geſinnung, die ſich noch in vielen kraͤftigen und ſinnreichen Apophthegmen ausſpricht, bis auf die letzten Zeiten feſthielten.
Zum Theil wiſſen wir, zum Theil laͤßt ſich annehmen, daß in allen Doriſchen Staaten, ſpaͤtere Colonieen ausgenommen, urſpruͤnglich Fuͤrſten und zwar Heraklidiſche waren. In Argos herrſchten die Nach - kommen des Temenos uͤber Pheidons Zeit hinaus, und das Koͤnigthum ging erſt nach dem Perſiſchen Kriege aus1Herod. 7, 149. Ariſtot. Pol. 5, 3, 4. vgl. Aegin. p. 52. Was Diodor ſagt (Frgm. 5. p. 635.) ἡ βασιλεία ἤτοι τοπαϱχία τῆς Ἀϱγείας ἔτη φμϑ. (vgl. Euſeb, Malelas, Kedrenos) hieher zu be - ziehn, iſt eio kindiſcher Fehler: er rechnet dieſe von Inachos bis Pelops (160 ‒ 705. Euſeb.). — Einige neue Combinationen ver - goͤnnen uns hier, eine ziemliche Reihe Argeiiſcher Fuͤrſten nach ſi - chern Beſtimmungen anzuordnen. I. Herakliden. Temenos, deſſen S. Keiſos, deſſen S. Medon. (Was Pauſ. 2, 19, 2. von der Beſchraͤnkung deſſelben ſagt, iſt nach oben S. 57, 5. zu beurthei - len; nach dem Pſ. Platon Brief 8. p. 485. Bekk. waren gerade die K. von Argos u. Meſſene um Lykurgs Zeit Tyrannen). Darauf feh - len etwa 4 nach dem δέκατος ἀπὸ Τημένου des Ephoros. Aegin. p. 60. Nach Anfang der Olympiaden Eratos (Pauſ. 2, 36, 5. 4, 8, 1), auf den wohl unmittelbar Pheidon, Ariſtodamidas Sohn (nach Satyros und Diodor, Aegin. p. 61.), folgen muß, vor und gegen Olymp. 8. Weiter hinab Damokratidas gegen Ol. 30. (Pauſ. 4, 35, 2. vgl. 24, 2.). Pheidon II. von Herod. 6, 127. mit dem aͤltern verwechſelt (Aegin. p. 60.), Vater des Αα - αήδης (Joniſch Λεωαήδης, wie bei Herod. ) der um die Tochter des Kleiſthenes warb (geg. Ol. 45.), u. als Koͤnig ſich durch Weichlich - keit veraͤchtlich machte (Plut. de cap. ex hoste util. p. 278 H. wo Αακύδης hiernach zu verbeſſern). Deſſen S. Meltas (Μέλ -; in Korinth regierten die Enkel des Aletes und109 weiter hinab des Bakchis bis gegen Olymp. 8. Wie lange die Kteſippiden zu Epidauros und Kleonaͤ herrſch - ten1S. Bd. 2. S. 81. Die dort gegebne Emd. des Pauſ. 3, 16, 5. wird geſichert durch Ael. N. A. 12, 31. wo Therſandros aber S. des Kleonymos, nicht des Agamedidas heißt. Vielleicht iſt bei Pauſ. Ἀγαμηδὶδου zu ſchr. und Agamed war der Großuater., wiſſen wir nicht. In Megara finden wir noch ſehr ſpaͤt den Namen, aber auch wohl nur den Namen eines Koͤniges2επι βασιλεως Πασγαδα bei Chandl. Marm. Oxon. 2, 28. etwa aus Alexanders Zeit.. In Meſſenien waren die Aepytiden Koͤnige bis zur Unterjochung des Landes, und als Ari - ſtomenes es verlaſſen mußte, wandte er ſich an Dama - get, Koͤnig zu Jalyſos auf Rhodos aus der ebenfalls Heraklidiſchen Familie der Eratiden3S. Bd. 2. S. 103. u. 152., wo fuͤr das proleptiſche Diagoriden “Eratiden” zu ſchr.. Auch die Hip - potaden zu Knidos und Lipara4Bd. 2. S. 123. 124., die Bakchiaden zu Syrakus und Korkyra5S. 115. 118. Zu den Koͤnigen von Syrakus gehoͤrt nach Mehreren Pollis, den Andere einen Argeier nennen, von dem dex Πόλιος οἶνος abgeleitet wird. Athen. 1. p. 31 b. Pollux 6, 2, 16. aus Ariſtot. Aelian V. G. 12, 31. Beim Etym. M. iſt auch wohl ὑπὸ Πολλιδος τοῦ ΣϒΡΑΚΟϒΣΙΟϒ τυϱάννου zu ſchr. vgl. Mazochi tab. Heracl. p. 202., die Phalantiaden zu Taras6Bd. 2. S. 124. Ein K. Ariſtophilidas, Herod. 3, 136. herrſchten wohl urſpruͤnglich als Fuͤrſten, wie gewiß die von Pheidippos und Antiphos ſich ableitenden Herakli - den zu Kos7Bd. 2. S. 109. und die Stelle des Ariſteides S. 104. Zu Halikarnaß kommt ein An - theus aus koͤniglichem Geſchlechte vor (Parthen. 14.), wohl ein An - theade. ſ. Bd. 2. S. 108.. Doch nur im Peloponnes und deſſen1ταν τὸν ΛΑΚΗΔΕΩ iſt zu ſchreiben) ſetzte das Volk nach Pauſ. 2, 19, 2. ab; nach Plut. Alex. M. virt. 8. p. 269. ging dagegen das Geſchlecht der Herakliden aus. Darauf folgte nach Plut. a. O. und Pyth. orac. 5. p. 254. II. Aegon, aus einem andern Geſchlechte, etwa gegen Ol. 55., und deſſen Nachkommen waren es wahrſcheinlich, die noch im Perſiſchen Kriege in Argos herrſchten.Statt S. 109. des dritten Bandes.110Colonieen kommen Doriſche Herakliden vor; in Kreta nicht, wenn man etwa Phaͤſtos ausnimmt1Bd. 2. S. 79.; hier herrſchte ſeit uralter Zeit das Geſchlecht des Tektaphos; wie lange aber Koͤnige hier exiſtirten, kann man nur etwa daraus abnehmen, daß zu Oaxos ein Koͤnig Etearch nicht lange vor Kyrenens Erbauung vorkommt2Herod. 4, 154.. Ky - rene war, wie fruͤher gezeigt, unter Herrſchaft eines Minyeiſchen, die Mutterſtadt Thera unter der eines Aegidengeſchlechts3vgl. oben S. 123.. Auch Delphi hatte in fruͤhern Zeiten Koͤnige4Plut. Qu. Gr. 12. p. 383.. Von den ariſtokratiſchen Wuͤrden, welche die koͤnigliche zu erſetzen beſtimmt waren, werde ich unten bei den Kosmen handeln.
Erſt aber muß das Amt behandelt werden, wel - ches fuͤr die Geſchichte der Lakoniſchen Verfaſſung das wichtigſte iſt. Denn wenn Koͤnig, Geruſia, Volk im Ganzen dieſelbe politiſche Bedeutung und gleichen Wirkungskreis behielten: ſo iſt das Amt der Epho - ren das bewegliche Princip, durch welches der Wan - del der Zeit auch die abgeſchloſſenſte Verfaſſung ergriff und allmaͤlig umbildete. Aus dieſer Bemerkung erge - ben ſich drei Fragen: was war die Ephorie urſpruͤng - lich; was wurde ſie mit der Zeit; und welche Ver - haͤltniſſe bewirkten dieſe Umwandelung?
Es war im Alterthum eine oft wiederholte Erzaͤh - lung, daß Theopomp, Charilaos Enkel, der Proklide, die Ephorie eingeſetzt habe, und zwar als eine Be - ſchraͤnkung und Schmaͤlerung der koͤniglichen Macht. “Die Gewalt uͤberliefere er dauerhafter, weil er ſie ermaͤßigt habe”1Ariſt. Pol. 5, 9, 1. Cic. de legg. 3, 7. de rep. 2, 33. Plut. Lyk. 7. 29. ad princ. 1. p. 90. Euſeb. zu Ol. 4, 4. vgl. Manſo 1, 1. S. 243.. Wenn aber ſonach die Ephorie eine beſondere Einrichtung des Theopompos war, iſt es ſchwer zu erklaͤren, wie dieſelbe auch in andern Doriſchen Staͤdten ſich vorfindet. In Kyrene ſtraften112 die Ephoren die Proceßſuͤchtigen und Raͤnkeſchmiede mit Ehrloſigkeit1Herakl. Pont. 4.; daſſelbe Amt war in der Mutterſtadt Thera2Sie ſind ἐπώνυμοι in dem The - raͤiſchen (Bd. 2. S. 329.) Testamentum Epictetae: επι εφοϱων των συν φοιβοτελει., welche lange vor Theopomp aus Lakonika coloniſirt war. Auch die Meſſenier wuͤrden nach ihrer Erneuerung die Ephorie ſchwerlich in ihre Verfaſſung aufgenommen haben3Polyb. 4, 4, 2. 31. Auch die Staͤdte der Eleutherolakonen hatten Ephoren, wie Geronthraͤ in dem De - kert Murat. p. 1049. und in Gordianus Zeit ἡ πόλις τῶν Βειτυ - λέων, d. i. Oetylos, Βὶτυλα Ptolem. j. Vitulo. Denn daß Cyriacus (bei Reineſ. p. 335.) die Inſchrift in Pylo Messeniaca gefunden haben will, iſt wohl ein Irrthum., wenn ſie ihnen nur ein Inſtitut eines Spartiatiſchen Fuͤrſten geſchienen haͤtte. Leichter laſſen ſich von Sparta und aus Theopomps Zeit die Ephoren der Tarantiniſchen Colonie Herakleia ablei - ten4wo in den tab. Hera - cleensibus einer als ἐπώνυμος der πόλις vorgeſetzt iſt.. Doch ſieht man ſchon, daß Herodot51, 65. und Xe - nophon6Staat 8, 3. Ebenſo Plut. Ageſil. 5. Pſ. Platon. Brief 8. p. 354 b. Suid. Λυκοῦϱγος, auch Satyros bei Diog. L. 1, 3, 1. Nach Andern ebenda haͤtte ſie Cheilon eingefuͤhrt, der nach Pam - phila und Soſikrates Ol. 56, 1. (nach Euſeb. 55, 4.) Ephoros ἐπώνυμος war. vgl. Manſo 3, 2. S. 332. die Ephorie nicht mit mehr Ungrund, als jene unter Theopomps, unter die Lykurgiſchen Einrich - tungen ſetzen, und wir uns wohl begnuͤgen muͤſſen, in ihr einen altdoriſchen Magiſtrat zu erkennen.
Aber nichts deſtoweniger iſt die Ephorie in ihrer Bedeutung als Gegenbehoͤrde des Koͤnigthums und der Geruſie eine den Spartiaten durchaus eigenthuͤmliche Anordnung; der ſich in keinem Doriſchen und uͤberhaupt Griechiſchen Staate Etwas genau entſprechendes findet. Das war ſie alſo gewiß erſt allmaͤlig durch die beſondern Verhaͤltniſſe Lakedaͤmons geworden. Sonach muß man113 vermuthen, daß jener angebliche Ausdruck Theopomps auch mehr die ſpaͤtere Beſtimmung der Ephoren, wie ſie ſich nach und nach gebildet, als ihre urſpruͤngliche angebe. Der Koͤnig Kleomenes III. ignorirte wenig - ſtens dieſen Begriff derſelben, da er, nach Aufhebung dieſes Magiſtrats, dem Volke in einer Rede vorſtellte, wie im Anfange die Ephoren — als ſie im erſten Meſ - ſeniſchen Kriege gewaͤhlt worden waͤren — nur Stell - vertreter und Gehuͤlfen des Koͤnigs geweſen ſeien. Worin ſich freilich wieder eine ſehr einſeitige Anſicht ausſpricht: denn ſeinen Stellvertreter waͤhlt ſich wohl im Ganzen ein jeder Magiſtrat ſelbſt: wogegen die demokratiſche Wahl der Ephoren, wie wir bald ſehen werden, zu ihrem Weſen gehoͤrt. Wir nehmen aus dem Beige - brachten indeſſen nicht viel mehr ab, als wie ſchwan - kend die Anſichten, und wie ungeſchichtlich die Anga - ben uͤber den anfaͤnglichen Zweck der Ephorie waren.
In der Lykurgiſchen Verfaſſung, wie ſie bis hieher entwickelt worden iſt, waͤre in der That die ſpaͤtere Ephoria eine nicht uͤberfluͤſſige, ſondern ſtoͤren - de Zugabe geweſen. Denn jene hatte im Koͤnigthume, der Geruſia und dem Volke ſchon die Hauptgewalten des Staates aufgeſtellt, und in ihrem Verhaͤltniſſe zu einander beſtimmt; ſie mußte erwarten, daß das orga - niſch Entſtandene ſich auch organiſch fortbewegen, und jeder Theil des Staats, wenn er einmal ſein eigenthuͤmliches Leben und ſeine ihm zukommende Thaͤ - tigkeit gefunden hatte, ſich derſelben fort und fort er - freuen werde: ſie mußte glauben, daß, wenn das Rechte einmal daſteht, es ſich auch eben durch ſein Daſein erhalten werde. Eine Gegenbehoͤrde, wie die Ephorie, in der das Mißtrauen des Volkes ſich auf tyranniſche Weiſe ausſpricht, lag der naiven Einfach - heit und Unſchuld jener Verfaſſung fern, und konnte erſtIII. 8114ſtatt haben, als jener Organismus geſtoͤrt und ein unſicheres Schwanken eingetreten war. Eine gewiſſe Aehnlichkeit hat allerdings das Roͤmiſche Tribunat in ſeiner Entſtehung mit der Ephorenwuͤrde1Cie. de legg. u. de rep. a. O. Valer. Max. 4, 1., doch war jenes ein weſentlicheres Beduͤrfniß, indem durch das - ſelbe ein ganzes Volk, die Plebs Romana, eine noͤthige und billige Repraͤſentation erhielt: in Sparta dagegen gehoͤrte die Geruſie, obgleich aus den angeſehenſten Buͤrgern erwaͤhlt, doch dem ganzen Spartiatiſchen Volke an, und die Demokratie war in der Volksver - ſammlung ſelbſt als die Grundlage der ganzen Ver - faſſung geſetzt2Vgl. Niebuhr Roͤm. Geſch. 1. S. 420., von deſſen Anſicht uͤber die Ephoren wie Spartas Staatsleben uͤberhaupt die hier darge - legte oͤfter abweicht..
Wenn ſonach die groͤßere politiſche Gewalt der Ephoren nicht Lykurgiſch iſt: ſo behaupte ich auch, daß ſie nicht von Theopompos Zeit herruͤhrt. Denn es verdient Glauben, daß Theopompos und Polydoros zur oben angefuͤhrten Rhetra die Worte hinzufuͤgten: “Wenn aber das Volk eine vom geraden Wege abge - hende Meinung ergreifen ſollte, ſollen die Geronten und Fuͤrſten Abwender ſein.” Hier ſind nun erſtens die Ephoren ganz unerwaͤhnt geblieben, welche doch im Peloponneſiſchen Kriege das Volk ſtimmen ließen und beſonders haͤufig den Vortrag hatten; und zwei - tens iſt die Tendenz dieſer Clauſel offenbar Beſchraͤn - kung der Demokratie; daß die Macht der Ephorie aber auf demokratiſchen Principen beruht, wird weiter un - ten noch klarer werden.
Es iſt deutlich, daß jene angeblich hiſtoriſchen Traditionen uns, ſtatt zu klarer Entwickelung, auf Widerſpruͤche fuͤhren; und wir werden, um zu einer115 ſolchen zu gelangen, mehr nach innern Indicien und Analogien verfahren muͤſſen.
Wir gehen zu dieſem Zwecke von dem Richt - amte der Ephoren aus, in welcher Qualitaͤt uns auch die Kyrenaͤiſchen bekannt geworden ſind. Nun beſtimmt Ariſtoteles1Polit. 3, 1, 7. nach welcher Stelle die Ephoren ſich in die verſchiedenen Zweige dieſer δίκαι theilen. dies Richteramt dahin, daß ſie die δίκας τῶν συμβολαίων richteten, die Geruſia dagegen alle φονικάς2vgl. Plut. Lak. Apophth. p. 196 H. Anaxandridas. ἐϱωτῶντος δέ τινος αὐτὸν, διὰ τί τὰς πεϱὶ τοῦ ϑανάτου δίκας πλείοσιν ἡμέϱαις οἱ γέϱον - τες κϱίνουσι. und p. 207. Eurykratidas — πυθομένου τινὁς, διὰ τί πεϱὶ τὰ τῶν συμβολαίων δίκαια ἑκάστης ἡμέϱας κϱίνουσιν οἱ ἔφοϱοι. Hier aber ſcheint an δίκας ἀπὸ συμβόλων gedacht zu ſein, wie die Antwort zeigt, aber das iſt ſicher ein Mißverſtand.. Es war alſo die letztere ein hohes pein - liches Gericht mit Gewalt uͤber Leben und Tod; die erſtern ein Civilgericht, welches uͤber Obligationen und das Mein und Dein uͤberhaupt Recht ſprach. Der Einfluß deſſelben auf die Spartiaten ſcheint nach den gewoͤhnlichen Begriffen von Guͤtertheilung und Geld - verkehr zu Sparta ſehr gering, vielleicht geringer als er war; aber auf jeden Fall ſtanden auch Perioͤken und Heloten, wenn ſie in Sparta waren, unter dieſer Gerichtsbarkeit. — Nun haben wir aber ſchon oben auf den Grundſatz der Spartiatiſchen Verfaſſung hin - gewieſen: daß die Jurisdiktion unter die verſchiedenen Magiſtrate ſo vertheilt war, daß die Zweige der Ver - waltung und Gerichtsbarkeit zuſammenfielen3Ariſt. 2, 8, 4. 3, 1, 7. ſagt, wie mir duͤnkt, ſehr deutlich: daß, waͤhrend in Karthago eine beſtimmte Vereinigung von ἀϱχαῖ〈…〉〈…〉 alle Proceſſe richtete, in Sparta auch nur ἀϱχαὶ, aber nach ihren Departements in verſchiedenen Sachen, richteten. vgl. Juſtin. 3, 3.. Hier - nach muß als urſpruͤngliches Amt der Ephoren, jenem Richtamte zu Grunde liegend, Aufſicht uͤber den Ver -8 *116kehr, uͤber den Markt geſetzt werden1Der Markt hieß auch in altattiſchen Geſetzen ἐφοϱία. Demoſth. g. Ariſtokr. p. 630. Und nach Etym. Gud. ſind ἔφοϱοι οἱ τὰ τῶν πόλεων ὤνια ἐπισκεπτόμενοι.. Der Markt, als Mittelpunkt des Verkehrs, war kein unbedeuten - der Gegenſtand der Aufſicht2Vgl. Herod. 1, 153.; hier mußte jeder Spartiat den Ertrag ſeines Gutes in Korn zum Theil verkaufen, und in andere Beduͤrfniſſe umſetzen; es gab eine beſondere Ehrloſigkeit, nicht kaufen und verkau - fen zu duͤrfen3Th. 5, 34.; Juͤngeren war auch dies unterſagt; in den Trauertagen fuͤr den Koͤnig war der Markt da - fuͤr geſchloſſen und mit Spreu beſtreut4oben S. 93, 4.. Der Tag, an welchem Kinadon, nach Xenophons5Hell. 3, 3, 5. Beſchreibung, heimlich die Gemuͤther der niedern Staͤnde zu entzuͤn - den ſuchte, war offenbar ein Markt - und, wie ich meine, zugleich großer Gerichtstag. Ein Koͤnig, die Ephoren, die Geronten und gegen vierzig Spartiaten (Homoͤen) befinden ſich auf dem Markte, alle wahr - ſcheinlich in amtlicher Thaͤtigkeit, aber außerdem an viertauſend Menſchen, meiſt Perioͤken und Heloten, groͤſ[t]entheils mit Kauf und Verkauf beſchaͤftigt, wie man daraus erſieht, daß an einer Stelle des Marktes eine große Menge eiſerner Waaren aufgehaͤuft liegt. Daruͤber alſo waren die Ephoren ἔφοροι, und hatten deswegen hier ihre beſtaͤndigen Sitze6Aelian V. G. 2, 15. und ihr ἀρχεῖον.
Die Fuͤnfzahl7S. Tittmann S. 107, 4., wo auch einige abweichende Angaben bemerkt. des Collegiums der Ephoren, wel - che daſſelbe mit einigen andern Magiſtraten Sparta’s gemein hat8Auch ernannte oͤfter Sparta fuͤr außerordentliche Faͤlle fuͤnf Richter, wie uͤber den Beſitz von Salamis, uͤber das Schickſal der Platder, Thuk. 3, 521. So viele auch die Jaſier um die Proceſſe der Kalymnier zu ent - ſcheiden. Chandl. Inscr. p. 21. LVIII. , ſcheint an ſich ſchon, wie wir oben ver -117 mutheten, eine demokratiſche Wahlordnung vorauszu - ſetzen, die auch ſonſt von den Alten angegeben wird. Wir wiſſen aus Ariſtoteles, daß Leute aus dem Volke ohne Anſehn, Vermoͤgen und Auszeichnung (οἰ τυχόν - τες) dazu gelangen konnten1Pol. 2, 3, 10. 2, 6, 14. 15. 2, 8, 2. 4, 7, 4.: auf welche Weiſe in - deß iſt nicht recht deutlich. Denn eigentlich erloost wurde kein Magiſtrat in Sparta2μη - δεμὶαν κληϱωτίν, Ariſtot. 4, 7, 5., aber es ſcheint, daß Wahl und Loos zuſammentrafen3Plat. Geſ. 3, 692. nennt die Macht der Ephoren ἐγγὺς τῆς κληϱωτῆς. — Ohne Wahl haͤtte aber auch Cheilon nicht grade zur Ephorie gelangen, u. ſein Bru - der nicht uͤber Zuruͤckſetzung klagen koͤnnen. Diog. L. a. O. — Die Ernennung durch die Koͤnige (Plut. Lak. Apophth. 197 H.) iſt ein Irrthum.. Hierin ſehen wir einen Grundſatz des Griechiſchen Alterthums, wel - ches die Criminalgerichtsbarkeit zwar gern ariſtokra - tiſch, die buͤrgerliche aber durch die Gemeine oder de - ren Stellvertreter verwaltete. In Athen erhielten durch Solon die Volksgerichte zuerſt nur die Civilproceſſe zur Entſcheidung; uͤber Todſchlag richtete der timokratiſche Areopag und die ariſtokratiſchen Epheten. In Hera - kleia Pontike waren die Obrigkeiten aus einem engern Adel der Buͤrgerſchaft gewaͤhlt; die Dikaſterien aber aus dem uͤbrigen Volke4Ariſtot. 5, 5, 6.. In Sparta waren die Ci - vilrichter gleichſam Stellvertreter der ganzen Verſamm - lung — ἁλιαία — welche in Athen ſelbſt richtete als ἡλιαία.
Von dem genommenen Standpunkte laͤßt ſich nun ferner auch die fortſchreitende Erweiterung der Macht der Ephoren faſſen und erklaͤren. Es iſt Gang der Griechiſchen Geſchichte, daß die Civilgerichte ihr Anſehn und ihren Einfluß ausdehnten, die Criminal - gerichte mehr und mehr verloren. Wie in Athen die118 Heliaͤa gegen den Areopag ſtieg, ſo in Sparta die Ephorie gegen die Geruſie.
Erſtens wurde die Gerichtsbarkeit der Epho - ren ausgedehnt1κϱίσεων μεγάλων κύϱιοι, Ariſt. 2, 6, 16.: beſonders dadurch, daß ſie die Pruͤ - fungen (εὐϑύναι) aller Magiſtrate, mit Ausnahme der Geronten, erhielten22, 6, 17.: was wohl nicht ſo zu verſtehen iſt, als haͤtten ihnen jene jedesmal nach Niederlegung ihres Amtes Rechenſchaft abgelegt, ſondern nur ſo, daß ſie dieſelben, wenn in ihrer Verwaltung irgend etwas Verdacht auf ſich gezogen, noͤthigen konnten, ſich vor ihnen zu verantworten: welches Recht aber, da es die Ephoren des vorigen Jahres mit betraf3Plut. Ag. 12., die Ge - walt, die es verlieh, zugleich auch beſchraͤnkte. Es waren aber die Ephoren nicht gehalten, den Ablauf der Zeit eines Amtes abzuwarten, ſondern ſie konnten die Verwaltung deſſelben durch ihr Gericht unterbre - chen, oder ihr ein Ende machen4Xen. Staat 8, 4.. Nun war in die - ſer Hinſicht der Koͤnig den uͤbrigen Magiſtraten ganz gleich geſtellt, und wurde, wie die andern, vor das Tribunal der Ephoren gezogen. Schon vor den Per - ſerkriegen mußte ſich Kleomenes vor ihnen der Beſte - chung (δωροδοκίας) anklagen laſſen5He - rod. 6, 82.. Der Koͤnig war jederzeit verbunden, ihrer Vorladung zu gehorchen6Xen. Ageſ. 1, 36. Plut. Ag. 4. Kleom. 10. an seni 27. praec. reip. ger. 21. : daß er aber erſt auf das drittemal Folge zu leiſten gezwungen war, brauchte Kleomenes III. als ein Ar - gument dafuͤr, daß dies Recht der Ephoren urſpruͤng - lich eine Anmaßung ſei7Plut. Kleom. 10.. Indeſſen ging deren Macht faktiſch ſo weit, daß ſie den Koͤnig wie die andern Magiſtrate in dringenden Faͤllen ohne Berathung der Ekkleſia in Gewahrſam nehmen, und vor ein Gericht119 uͤber Leben und Tod ſtellen konnten1Xen. Staat 8, 4. ἄϱχοντα κίϱιοι εἱϱξαί τε καὶ πεϱὶ τῆς ψυχῆς εἰς ἀγῶνα καταστῆσαι. vgl. Plut. Lyſ. 30. Daſſelbe in Bezug auf den Koͤnig Thuk. 1, 131. Nepos Pauſ. 3, 5. ſetzt wohl ex suo “cuivis ephoro” hinzu. Liban. Orat. 1. p. 86 R. irrt, wenn er ſagt: die Ephoren haͤtten den Koͤnig δῆσαι καὶ κτα - νεῖν koͤnnen. So nahmen den Pauſanias die Ephoren nur feſt; das Urtheil ſprachen οἱ Σπαϱτιᾶται, naͤmlich der Gerichtshof, von dem N. 2.. Dieſes groͤßere Gericht beſtand aus den ſaͤmmtlichen Geronten, den Ephoren, die alſo vor demſelben als Klaͤger auftreten, aber auch an demſelben als Richter theilnehmen konn - ten, dem andern Koͤnige und wohl noch mehrern Ma - giſtraten, deren aller Stimmen gleich galten2δικαστήϱιον συναγαγὀντες Herod. 6, 85. ſ. beſonders Pauſ. 3, 5, 3. und Plut. Agis 19. Ungenauer Lak. Apophth. p. 195.. Von ihm konnte keinerlei Appellation ſtatt finden; es konnte gegen den Koͤnig auf Tod erkennen3Xen. H. 3, 5, 25., den indeß zu executiren bis auf ſpaͤtere Zeiten eine heilige Scheu verbot4Plut. Agis 19;. Daß es mit großer Ruhe und Bedachtſam - keit zu verfahren pflegte, iſt ein Ruhm, der bei Gele - genheit einer Ausnahme hervorgehoben wird5Thuk. 5, 63.. Dieſes große Magiſtraten-Gericht finden wir oͤfter uͤber Staatsverbrechen mit hoͤchſter Vollmacht erkennend6Xen. Anab. 2, 6, 4. ἐϑανατώϑη ὑπο τῶν ἐν τῇ Σπάϱτῃ τελῶν ὡς ἀπειϑῶν, wo τὰ τέλη dies hohe Gericht bezeichnen muß., und die Ephoren als Anklaͤger dabei thaͤtig7ὑπῆγον ϑανάτου, Xen. H. 5, 4, 24. Den Kinadon ließen die Eph. erſt nach heimlicher Berathung mit der Geruſie feſtnehmen, ſeine Strafe beſtimmte wohl das groͤ - ßere Gericht, ſ. Xen. 3, 3, 5. Polyaͤn 2, 14, 1.: aber daß die Ephoren je fuͤr ſich mit Tod haͤtten ſtrafen koͤnnen, laͤugnen wir entſchieden8Außer Libanies (N. 1.) ſcheint es Plut. Perikl. 22. Lyſ. 19. und Lak. Apophth. p. 209. zu ſagen, aber es kann auch blos Unbeſtimmtheit des Ausdrucks ſein.; ob ſie es mit Ver -120 dannung konnten, zweifeln wir1Plut. Erot. 5. p. 77., wo eine ſehr fabelhafte Geſchichte erzaͤhlt wird, die ſich vor dem Erdbeben Ol. 78. ereignet haben ſoll. Bei Polyb. 5, 91, 2. rufen die Eph. Verwieſene zuruͤck.. Die Ungenauigkeit Spaͤterer verwechſelte die Veranlaſſung des Urtheils mit dem Urtheil: Recht uͤber Leben und Tod in der Hand der Ephoren waͤre mehr als Tyrannei geweſen. Die Ephoren durften, wenn ſie fuͤr ſich richteten, nur Bußen auflegen, aber dieſe auch augenblicklich eintrei - ben2Xen. Staat 8, 4. vgl. Polyaͤn 2, 26, 1.. Ihr Recht, die Koͤnige auf ſolche Weiſe und durch Verweiſe zu ſtrafen, war uͤbrigens ſehr ausge - dehnt, und ſcheint keine beſtimmten Eraͤnzen gekannt zu haben; dem Ageſilaos wurde eine Buße von ihnen auferlegt fuͤr das Beſtreben, ſich beliebt zu machen3Plut. Ageſ. 2. 5. vgl. de am. frat. 9. p. 46. , und Archidam getadelt, weil er eine zu kleine Frau geheirathet4Theophr. bei Plut. Ageſ. 2. de edue. puer. 2. Anders Herakl. Lembos bei Athen. 13, 566 a. : wobei der Gedanke zum Grunde liegt, daß die Gemeinde das Recht habe, von ihren Koͤnigen die Erhaltung eines kraͤftigen Geſchlechts zu fordern5Darum zwangen ja auch die Eph. Anaxandri - das zwei Frauen zu nehmen, Herod. 5, 39-41., und bewachten die Frauen der Koͤnige, Plat. Alkib. I, 36. p. 121 b. oben. S. 101.. Die Koͤnige aber mußten dies ertragen in einem Staate, in dem jeder Magiſtrat das volle Gewicht ſeines Amtes mit einer gewiſſen Haͤrte geltend machte. — Noch finden wir aber die Ephoren richtend in Sachen, die weder zu den συμβολαίοις noch zu den εὐϑύναις ge - hoͤren, ſie ſtraften einen, weil er Geld in den Staat gefuͤhrt6Plut. Lyſ. 19., einen Andern wegen Traͤgheit7Wenigſtens nach dem Schol. Thuk. 1, 84., einen Drit - ten aus dem ſeltſamen Grunde, weil er allgemein be -121 leidigt und verhoͤhnt wurde1Plut. Inst. Lac. p. 254. ; und ihr Antheil an der Aufſicht uͤber Erziehung2Xen. Staat 4, 3. 6. Aelian V. G. 3, 10. 14, 7., ſo wie an der Sorge fuͤr die Feier der oͤffentlichen Spiele3Xen. Hell. 6, 4, 16. Plut. Ageſ. 29. Die Geſchichte von Timotheos. machte ſie auch zu Richtern in dahin einſchlagenden Sachen. Doch wiſſen wir in ſolchen Dingen nicht, was ſie als abgeſonder - tes Collegium, was ſie mit andern Magiſtraten zu - ſammen, z. B. als Beiſitzer der Koͤnige, thaten4Herod. 6, 63.. Sie richteten nach ungeſchriebenem Recht, da Sparta kein anderes kannte; Ariſtoteles nennt dies verkennend nach Willkuͤhr5Pol. 2, 6, 16..
Noch wichtiger war aber zweitens fuͤr die Ausdehnung der Gewalt der Ephoren, daß dieſe ſich, wir wiſſen nicht von welcher Zeit an, in eine Verbin - dung mit der Volksverſammlung geſetzt hatten, ſo daß ſie vor allen andern Magiſtraten mit ihr ver - handelten. Sie konnten das Volk berufen6Plut. Ag. 9. und ſtim - men laſſen7Thuk. 1, 87.. Geſetze vorzuſchlagen8Plut. Ag. 5. ϱ̔ήτϱαν ἔγϱαψε., wenn auch ge - wiß nur nachdem ſie durch die Geruſia gegangen, muͤſſen ſie ſchon in fruͤhen Zeiten befugt geweſen ſein, wenn der Ephoros Cheilon mit Recht als Geſetzgeber genannt wird9Aelian V. G. 3, 17.. Beſonders zeigen ſie große Gewalt in Verhandlungen mit fremden Staaten. Sie ließen Geſandte zu, aber konnten ſie auch gleich von der Graͤnze zuruͤckſenden10Xen. Hell. 2, 2, 13. 19., ſo wie ſie auch gefaͤhrliche Fremde aus der Stadt zu treiben berechtigt11Her. 3, 148. Plut. Lak Apophth. p. 214., und alſo wohl uͤberhaupt die Xenelaſie zu handhaben beauftragt wa - ren; ſie fuͤhrten oft mit großer Vollmacht die Verhand -122 lungen mit den Geſandten1S. z. B. Her. 9, 8. Xen. H. 2, 2, 17. 3, 1, 1. Polyb. 4, 34, 5. Thuk. 1, 90. ſind uͤberhaupt ἀϱχαὶ und τέλη genannt.; und hatten den groͤßten Einfluß, beſonders vorbereitender Art2Xen. Hell. 2, 2, 19., auf Kriegs - erklaͤrungen, wie Friedensſchluͤſſe3S. beſonders Thuk. 5, 36. vgl. Xen. H. 5, 2, 9. Daß ſie dabei beſtaͤndig auf die Ekkleſia rekurrir - ten, verſteht ſich. Xen. H. 3, 2, 23. 4, 6, 3. und Vertraͤge, wel - che ſie vor andern, namentlich der erſte von ihnen, be - ſchworen und unterzeichneten4Thuk. 5, 19. 24.. Auch bei der Sendung von Geſandten waren ſie vorzuͤglich thaͤtig5Th. 6, 88.. In Kriegszeit konnten ſie Heere abſenden (φρουραν φαί - νειν)6Xen. H. 2, 4, 29. Παυσα - νίας πείσας τὧν Εφόϱων τϱεῖς ἐξἁγει φϱουϱάν. vgl. 3, 2, 25. 4, 2, 9. 5, 4, 14. Plut. Lyſ. 20. Thuk. 8, 12. S. auch Anab. 2, 6, 2. Hell. 5, 1, 1., wo ſie Caperbrieſe geben., an welchem Tage es ihnen zweckmaͤßig ſchien7Herod. 9, 7. 10. Plut. Ariſt. 10., und ſcheinen ſelbſt die Vollmacht ausgeuͤbt zu haben, die Groͤße der Mannſchaft zu beſtimmen8πϱοκηϱύττουσι τὰ ἔτη. Xen. Staat 11, 2. φϱουϱὰν ἔφαινον μέχϱι τῶν τετταϱ. Hell. 6, 4, 17.; ſie ver - trauen dieſelbe dem Koͤnige oder einem andern Feld - herrn an9d. h. von der Stadt beauftragt, wie Xen. H. 4, 2, 9. zeigt.; dieſe erhalten von ihnen Verhaltungsbe - fehle10Xen. H. 3, 1, 8. 3, 2, 6.; berichten an ſie zuruͤck11Xen. H. 6, 4, 3. πέμψας πϱὸς τοὺς ἐφόϱους ἠϱὡτα τί χϱὴ ποιεῖν. Dies ſind vorzugsweiſe οἱ οἴκοι, τὰ οἴκοι τέλη, Sturz Lex. Xenoph. 3. p. 254. vgl. Plut. Lyſ. 14. Kleom. 8. und die angeblichen Briefe des Braſidas u. Ly - ſandros Lak. Apophth. p. 203. 227.; werden von ihnen durch beigeordnete Rathgeber oder außerordentliche Be - vollmaͤchtigte beſchraͤnkt12Xen. H. 3, 2, 6. Plut. Perikl. 22.; durch die Skytale heimberu - fen13Thuk. 1, 131. Plut. Lyſ. 19. Den Ageſil. beruſt heim nach Xen. H. 4, 2, 3. ἡ πόλις, Ageſ. 1, 36. τὰ οἴκοι τέλη, Plut. Ageſ. 15. οἱ ἔφοϱοι.; vor Gericht gefordert14Xen. H. 5, 4, 24.; und ihr erſter Gang123 nach der Ruͤckkehr iſt in das Verſammlungshaus der Ephoren1Plut. Lyſ. 20. Xen. Ageſ. 1, 26.. Auch ſenden dieſe an auswaͤrts ſtehende Heere Befeyhle diſciplinariſcher Art2μὴ πεϱ〈…〉〈…〉 πατεῖτε an das Heer von Dekeleia, Aelian V. G. 2, 5.. In allen dieſen Faͤllen nun handelten die Ephoren unmoͤglich aus eige - ner Machtvollkommenheit, ſondern nur als Geſchaͤfts - fuͤhrer der Ekkleſia3Dies ſiebt man beſonders deutlich aus Thuk. 6, 89., wo die Ephoren und τέλη Geſandte ſchicken, d. h. die Ekkleſia dazu vermoͤgen wollen, und Xen. H. 6, 4, 2. 3. Vgl. oben S. 87, 3., ſo daß es ihnen zuſtand, deren Beſchluͤſſe auszufuͤhren, und ihnen zugleich die von den Umſtaͤnden abhaͤngende Art und Weiſe der Aus - fuͤhrung uͤberlaſſen war. Oft wird daher auch die Ek - kleſia neben den Ephoren genannt, in gerade eben ſol - chen Faͤllen, wo wir ſonſt die Ephoren allein handelnd zu ſehen glauben; oft ſind die Ephoren deutlich Mit - telsperſonen zwiſchen den Feldherren und der Ekkleſie. Im Kriege folgten zwei Ephoren dem Koͤnige, die mit zum Kriegsrathe gehoͤren4Her. 9, 76. Xen. Staat 13, 5. Hell. 2, 4, 35. 36. vgl. Thuk. 4, 15.; es lag ihnen wahrſcheinlich beſonders die Sorge fuͤr den Unterhalt des Heers, und ſo auch die Theilung der Beute ob5Her. 9, 76.; die in Sparta zuruͤckgebliebenen nahmen dieſelbe in Empfang und ver - einigten ſie mit dem Schatze6Plut. Lyſ. 16. Diod. 13, 106.. Auch uͤber die An - ordnungen in unterworfenen Staͤdten, inwiefern ſie ab - haͤngig oder autonom ſein ſollten, ſcheinen die Ephoren zu entſcheiden7Xen. H. 3, 4, 2. ἔφοϱοι τὰς πατϱἰους πολιτείας παϱήγγειλαν. So ſichern die τἑλη durch einen Eid den durch Braſidas zu erwerhenden Bundesgenoſſen die Autonomie zu. Thuk. 4, 86. 88.; ſie heben Lyſanders Zehnmaͤnner auf, ernennen Harmoſten8Xen. 4, 8, 32. u. ſ. w.: alles offenbar nur im124 Namen und Auftrage einer Macht, die in das Colle - gium der Ephoren zu ſetzen gegen alle Grundſaͤtze freier Verfaſſungen geweſen waͤre.
Obgleich voͤllig klar hindurch zu ſehen, und namentlich alle Colliſionen der Macht der Ephoren mit anderen Behoͤrden zu heben, die fuͤr den Außenſte - henden verſteckte Natur der Spartiatiſchen Verfaſſung (τὸ κϱτπτὸν τῆς πολιτείας) verhindert: ſo nehmen wir doch ſo viel ab, daß die Macht der Ephorie ſich im Weſen auf die hoͤchſte Gewalt der Volksverſamm - lung gruͤndete, deren Geſchaͤftstraͤger und Bevollmaͤch - tigte ſie waren. Jede Volksverſammlung iſt eigentlich eine ungeſchickte und zugleich mit Nachdruck und Maͤ - ßigung zu handeln wenig faͤhige Maſſe; am wenigſten war die Spartiatiſche vermoͤgend, verwickelte Geſchaͤfte zu handhaben und durchzufuͤhren. Darum verlieh ſie den aus ihrer Mitte demokratiſch gewaͤhlten Ephoren eine derjenigen aͤhnliche Macht, die die Volksvorſteher oder Demagogen auf prekaͤre Meiſe zu Athen behaup - teten. Vergleichen Platon und Ariſtoteles deren Ge - walt mit der tyranniſchen1Geſetze 4, 712 d. Polit. 2, 6, 14.: ſo iſt zu beachten, daß in Griechenland die Tyrannis aus der Demagogie zu entſtehen pflegte. Sonach muß die Ephorie die Haupt - ſtufe ihrer Macht erſtiegen haben, als ſie die Volks - verſammlung zu leiten anfing; es iſt wahrſcheinlich, daß dies Aſteropos der Ephor that, dem vor andern die Erweiterung der Gewalt dieſes Amts beigeſchrieben wird2Plut. Kleom. 10., ich glaube nicht lange vor Cheilons Zeit. Bald trug auch die weiter ausgedehnte politiſche Macht La - kedaͤmons bei, der Ephorie groͤßere Wichtigkeit zu geben. In der fuͤr einfache Verhaͤltniſſe angeordneten Lykurgiſchen Verfaſſung entſtanden Luͤcken, die der Ehr -125 geiz dieſes Magiſtrats ausfuͤllte. Die Verhandlungen mit fremden Staaten erforderten eine nicht große An - zahl gewandter, ſchlauer Maͤnner: die Geruſie war dazu zu unbehuͤlflich, einfach und altvaͤteriſch, und ſcheint daher ihre Einwirkung faſt ganz auf die innern Verhaͤltniſſe beſchraͤnkt zu haben. Endlich mußte noch dadurch, daß die Finanzen nach und nach ein bedeu - tenderer Gegenſtand fuͤr Sparta wurden, der Einfluß der Behoͤrde gehoben werden, die das Aerarium, wie es ſcheint, von jeher unter ihrer Aufſicht hatte.
Noch ſind einige Nachrichten uͤber die Amts - verwaltung der Ephoren nachzutragen. Sie begannen ihr jaͤhriges Amt mit der Herbſtnachtgleiche, dem An - fange des Lakoniſchen Jahres1Dodwell de cycl. diss. 8, 5. p. 320. Manſo 2. S. 379.. Der erſte von ihnen war ἐπώνυμος des Jahrs; es wurde nach ihm in oͤf - fentlichen Verhaͤltniſſen benannt. Sie eroͤffneten ihre Verwaltung durch eine Art Edikt, wodurch die Κρυ - πτοὶ ausgeſandt wurden: es ſcheint hiernach, daß ſie auch uͤber Ordnung und Zucht unter den Heloten und Perioͤken die Aufſicht fuͤhrten2Wodurch ſich auch die Suche mit den Auloniten bei Xen. H. 3, 3, 8. erklaͤrt.. In demſelben Edicte ſtand: Scheeret den Schnurrbart, und achtet auf die Geſetze3Ariſtot. bei Plut. Kleom. 9. de sera num. vind. 4. p. 222. Κείϱεσϑαι τὸν μύστακα καὶ πϱοςέχειν τοῖς νόμοις. Ueber den Lakon. μύτταξ ſ. indeß Heſych u. Valcken. ad Theocr. p. 288.; jenes wohl ein ſymboliſcher, freilich ſeltſamer, Ausdruck fuͤr Unterwerfung und Gehor - ſam. Sie hielten ihre taͤglichen Sitzungen im Epho - reion (ἀρχεῖον), worin ſie zugleich gemeinſam ſpeiſe - ten4Pauſ. 3, 11, 2. Plut. Kleom. 8. Agis 16.. Eben dahin wurden Fremde und Geſandte ge - fuͤhrt, und gaſtlich aufgenommen5S. Plut. Lak. Apophth. p. 237. vgl. Aelian. V. G. 2, 15.. Sonach entſpricht126 dies Gebaͤude dem Prytaneion in Athen, wo die Ci - vilgeſetze (ἄξονες) lagen, und die Geſandten unter ge - ehrten Buͤrgern geſpeiſet wurden; die Attiſchen Pryta - nen ſelbſt haben, als Leiter der Volksverſammlung, große Aehnlichkeit mit den Ephoren. Neben dem Ephoreion ſtand ein Sacellum der Furcht, die aller - dings die diktatoriſche Gewalt dieſer Obrigkeit den Buͤrgern gebot1Plut. Kleom. 8. 9.. Endlich entbehrte auch dieſer Ma - giſtrat nicht einer religioͤſen Baſis ſeines Anſehns. Die Ephoren traͤumten in beſtimmten Zeiten im Tempel der Paſiphaa bei Thalamaͤ, und ihre Geſichte wurden po - litiſch gedeutet; wir wiſſen, daß ein ſoches Traumge - ſicht die Spartiaten zur alten Gleichheit zuruͤckzukeh - ren aufforderte2Plut. Agis 9. Cic. de div. 1, 43, 96. vgl Manſo 3, 1. S. 262. Siebelis ad Paus. 3, 26, 1.. Von der neunjaͤhrigen Himmels - beobachtung derſelben haben wir oben beim Koͤnigthum gehandelt3S. 100. — Die Ephoren hatten auch bei den Opfern der Ath. Chalkioͤkos Funktionen. Polyb. 4, 35, 2.; merkwuͤrdig, daß dieſe gewiß uralte Sitte erſt in ſehr ſpaͤten Zeiten als eine Stuͤtze der Ephorentyran - nei im Verhaͤltniß zu den Koͤnigen vorkommt. — Dieſe ſpaͤtern Zeiten ſind es noch beſonders, welche die beim Eingange dieſes Kapitels aufgeſtellte Behauptung: die Ephorie ſei das bewegliche Element, das Princip des Wandels in der Spartiatiſchen Verfaſſung, beſtaͤtigen. Von ihr ging am Ende die Aufloͤſung derſelben aus. Die Ephoren, durch ihre Gerichtsbarkeit und ihre poli - tiſchen Geſchaͤfte in viel Verkehr mit Auslaͤndern ge - bracht, waren es zuerſt, bei denen die ſtrenge Sitte Alt-Sparta’s, wie die Sehne eines geſpannten Bo - gens, nachließ, und durch welche groͤßere Ueppigkeit uͤberhand nahm. Schon Ariſtoteles tadelt an ihnen die127 erſchlaffte Lebensweiſe1ἀνειμένη δίαιτα 2, 6, 16.. Noch wichtiger iſt es, daß die Sparta’s Verfaſſung untergrabenden Beſchluͤſſe von dieſem Magiſtrat veranlaßt wurden; der Ephor Epi - tadeus war es, der zuerſt die freie Vererbung der Guͤter durchſetzte. Darum war es nothwendig, daß die koͤniglichen Helden, Agis und Kleomenes, als ſie, im fruchtloſen aber ruhmwuͤrdigen Kampfe mit der un - gluͤcklichen Zeit, die Lykurgiſche Verfaſſung wieder her - zuſtellen unternahmen, mit dem Sturze der Ephoren begannen2den auch einſt Pauſa - nias herbeifuͤhren wollte. Ariſt. Pol. 5, 1, 5..
Das Unbeſtimmte und Unbegraͤnzte in dem Wirkungskeiſe der Ephoren3S. den Vergleich Philons de provid. 2. p. 80. Aucher. ſteht ſehr im Gegenſatze mit der genauen Bezeichnung der Amtsgewalt aller uͤbrigen jaͤhrigen Magiſtrate. So viel Sparta deren hatte, ſo wenig hoͤren wir doch im Ganzen von ihnen, da ſie ſelten oder nie aus jener Beſchraͤnkung heraus - traten. Doch mag der Name Τέλη4Vgl. noch Schol. u. Ducker zu Thuk. 1, 58. Sturz Lex. Xen. 4. p. 276. Αἱ ἀϱχαὶ, τὰ ἀϱχεῖα iſt daſſelbe, Plut. Lak. Apophth. p. 800. Beim Heere ſind οἱ ἐν τέλει die Officiere bis zum Pentekoſter. Xen. H. 3, 5, 22. 23., der ſo oft die Leiter der Volksverſammlung und das groͤßere Gericht uͤber Staatsverbrechen bezeichnet, und fuͤr das Aus - land namentlich die innern Verhaͤltniſſe Sparta’s mehr verdeckte als darſtellte, außer Koͤnigen, Geronten und Ephoren auch oft mehrere von dieſen Beamten, nach Umſtaͤnden verſchiedene, bezeichnen. Auf dem Markte hatten ihre Verſammlungshaͤuſer (ἀρχεῖα) außer den Ephoren die Nomophylakes und Bidiaͤer5Pauſ. 3, 11, 2.. Der er - ſtern Amt beſagt ihr Name, ihre Zahl kennen wir128 nicht; der letztern waren fuͤnf, und Aufſicht uͤber die gymnaſtiſche Erziehung ihr Geſchaͤft1Ein πϱέσβυς νομοφυλάκων in einer ſpaͤtern Inſchr. Cy - tiac. p. 30. n. 251. So auch ein πϱέσβυς βιδέων (sic) in der N. 7. citirten Inſchr. (daher βἰδεοι ἐπὶ — und οἱ πεϱὶ τὸν — in Four - montſchen Inſchr. ), es waren aber mit dieſem ſechs, wie die Inſchr. N. 7. und eine andere Fourmontſche beweist. Endlich auch ein πϱέσβυς der Geruſia, Cyriac. p. 10. n. 257, und γέϱοντες ἐπὶ — bei Fourmont. vgl. oben S. 96, 5.. Das Depar - tement der Harmoſynen war Sittenaufſicht der Frauen2Heſych s. v. , der Buagoi ein Theil der Erziehung, der Empeloren Marktpolizei3He - ſych s. v. Spaͤter auch ἀγοϱἀνομοι, in der Inſchr. N. 7. Von den γεϱοἀκταις erklaͤrt Heſychs Ueberſetzung δήμαϱχοι nicht einmal den Namen.. Auch die Polemarchen hatten, außer ihrer kriegeriſchen, eine Civilgewalt nebſt Gerichtsbar - keit. Inſchriften Fourmonts aus Roͤmiſcher Zeit — denn die angeblich alten zu benutzen, iſt auf keinen Fall hier gerathen — nennen viele einzelnen Namen von Nomophylaken, Buagen, und außerdem Tafelgenoſ - ſen (συσσίτους) der Magiſtrate, deren Verhaͤltniß dunkel iſt. Die Erwaͤhlung eigentlicher Nomotheten war etwas Außerordentliches4Plut. Ageſ. 30. Lak. Apophth. S. 189.. Fuͤr ſpaͤtere Zeiten merken wir noch an, daß die durch Kleomenes aufge - hobene Ephorie in Roͤmiſchen Zeiten wieder eintrat5Meurſ. Misc. Lac. 2, 4., und daß derſelbe Koͤnig an die Stelle der Geronten ein Collegium Πατρονόμοι ſetzte6Corſini Not. Graec. diss. 5. p. 95., fuͤr die indeß Pauſa - nias doch wieder Geronten erwaͤhnt, wenn ſie nicht viel - leicht damals neben einander beſtanden. Eine Inſchrift aus dem zweiten Jahrhundert unſerer Zeitrechnung7aus den Fourmontſchen edirt von Corſini a. O. p. 84. nennt129 zu Sparta einen σύνδικος1Auch in einer andern Inſchk. bei Fourmont. Auch ein γϱαμματεὺς kommt in dieſen vor., oͤffentlichen Sachwalter, δαμοςιομάστης, Inquiſitor des Staats, und Exegeten der Lykurgiſchen Geſetze, von dem, wie von andern der hier genannten Magiſtrate, wir weiter unten Einiges bemerken werden.
Mit den Ephoren Sparta’s vergleichen Ariſtote - les, Ephoros, Cicero die Kretiſchen Kosmen1Polit. 2, 7, 3. — bei Str. 10, 482 a. — de rep. 2, 33. Van Dale de Ephoris et Cosmis in ſeinen Dissert. antiquar. . Arg - woͤhniſch indeſſen gegen die Richtigkeit der Vergleichung muß uns zuerſt der Umſtand machen, daß die groͤßere Macht der Ephorie ſich nicht in der Spartiatiſchen Ur - verfaſſung findet, und es alſo auch in der mit dieſer zunaͤchſt verwandten Kretiſchen nicht wohl etwas dieſer Entſprechendes geben konnte. Noch mehr aber ſpricht dagegen, daß die Kosmen aus einzelnen Geſchlech - tern, mehr nach dem Anſehen derſelben als nach per - ſoͤnlicher Wuͤrdigkeit, gewaͤhlt wurden2Ariſt. 2, 7, 5.: denn wenn wir von dem Begriffe der Ephoren die Erwaͤhlung aus dem Demos trennen, geben wir das Weſen derſelben auf. Stehen wir aber von dieſer Vergleichung ab, und muͤſſen wir doch nach der durchherrſchenden Analogie der beiden Verfaſſungen eine andere an die Stelle ſetzen: ſo finden wir den Kosmen unter den Spartiatiſchen Magiſtraten keine andern entſprechend als die Koͤnige, aus denen jene ebenſo hervorgegangen ſcheinen, wie an - derwaͤrts Prytanen, Artynen u. ſ. w., indem man die ausgegangene monarchiſche Wuͤrde durch ein ariſtokrati - ſches Element zu erſetzen ſuchte.
131Dieſe Behauptung beſtaͤtigt, ſo viel wir Einzelnes von dem Wirkungskreiſe der Kosmen wiſſen; was frei - lich groͤßtentheils auswaͤrtige Verhaͤltniſſe betrifft. Sie waren Anfuͤhrer im Kriege, wie die Koͤnige Sparta’s12, 7, 3.. Sie leiteten die Verhandlungen mit fremden Geſand - ten, obgleich dieſe auch vor der Volksverſammlung ſprachen, und ſetzten den Vertraͤgen wie allen Dekre - ten der Stadt ihren Amtsnamen vor2ἔδοξε τοῖς κὀσμοις καὶ τᾷ πόλει.; ſie ſorgten fuͤr die Geſandten waͤhrend ihrer Anweſenheit3Bund der Hierapytnier und Prianſier bei Chishull Antt. Asiatt. p. 130. πϱειγηία (πϱειγεία, legatio) δὲ ὧ κὰ χϱείαν ἔχῃ ποϱηίω, παϱε - χόντων οἱ κόσμοι., und fer - tigten ihnen die Urkunden aus4Knoſſiſches Dekret ebd. p. 121. τὸς δὲ κὁσμος δόμεν ἀντίγϱαφον τῶδε τῶ ψαφίσματος σφϱαγίσαντας τᾷ δαμοσίᾳ σφϱαγίδι ἀποκομίσαι Ἡϱοδότῳ καὶ Μενεκλεῖ.. Sie ſcheinen ſelbſt als Geſandte an benachbarte und hefreundete Staaten gegangen zu ſein5wie es ſcheint nach dem B. der Hierap. p. 130.. Fuͤr die innere Regierung und Verwaltung des Staats theilten ſie die Macht des Rathes, mit dem ſie uͤber alle wichtigeren Angelegen - heiten beriethen6Ephoros bei Str. 484 b. ; die hier gefaßten Beſchluͤſſe wurden dann der Volksverſammlung zur Entſcheidung nach der oben angegebenen Weiſe vorgelegt7Ariſt. 2, 7, 4.. Wenn daher zwei Kretiſche Staͤdte durch ἰσοπολιτεία mit einander ver - bruͤdert waren, gingen die Kosmen der einen, die ſich in der andern aufhielten, mit in das Verſammlungs - haus (ἀϱχεῖον) der Kosmen und des Rathes (wie es ſcheint) der andern, und ſaßen unter jenen auch in der Volksverſammlung8B. der Hierap. p. 130. Eine verſchiedene Beſtimmung in dem der Latier und Olontier p. 134.. Den gewoͤhnlichen Geſchaͤfts - gang ſcheinen ſie groͤßtentheils mit ziemlicher executiver Gewalt geleitet zu haben9S. ebd. p. 130.; ſie muͤſſen Zwangsmittel9 *132z. B. gehabt haben, um einen, der Buͤrger eines fremden Staats, gegen das Recht der Aſylie, beraubte, zur Reſtitution zu zwingen1Dekret der Iſtronier und Sybritier p. 113. 114. οἱ κὸσμοι ‒ ἐπανἀγκαζόντων ἀποδιδόμεν τοὺς ἔχοντας.. Im Gerichtsweſen hat - ten ſie, in den Zeiten nach Alexander wenigſtens, Ge - ſchaͤfte, die mit der Einleitung der Proceſſe durch die Attiſchen Magiſtrate verwandt waren2Ebd. S. 131. Die Hierap. und Prianſier hatten eine Zeitlang kein commercium juris dandi repetendique (κοινοδίκιον) gehabt; nun ſollen die Kosmen des Bundesjahres die διεξαγωγὰ der da - durch aufgehobenen Rechtſtreite haben vor einem Gerichtshofe, den beide Staͤdte niederſetzen; ſie ſollen ſie unter ihrem Kosmat durch - fuͤhren, u. dafuͤr in einem Monat nach dem Bundesbeſchluſſe Buͤr - gen ſtellen. Dann folgen aͤhnliche Beſtimmungen fuͤr die Zukunft.. Sie ſelbſt aber waren nicht blos fuͤr die Vernachlaͤſſigungen ihrer Pflichten beſtimmten Strafen unterworfen, ſondern konnten auch, wie es ſcheint noch waͤhrend der Zeit ihrer Verwaltung, angeklagt werden3Im B. der Hierap. p. 131. wird gegen den Kosmos, der ge - gen den Vertrag handelt, eine γϱαφὴ τιμητὸς nach Attiſchem Be - griff gegeben; im Dekret der Sybritier (p. 114.) aber den Kos - men fuͤr eine beſtimmte Ausuͤbung ihrer Macht zugeſichert: ſie ſoll - ten ἀζάμιοι καὶ ἀνυπόδικοι πάσας ζαμίας ſein.. Im Ganzen hatten ſie doch, ohne das hohe Anſehn der Spartiati - ſchen Koͤnige, mehr Gewalt und einen weitern Wirkungskreis, doch wurde beides durch die bedeu - tende Anzahl des Collegiums — es waren deren zehn — eingeſchraͤnkt. Das Collegium durfte den Einzelnen abſetzen, obgleich die Amtsverwaltung nur auf ein Jahr geſetzt war; auch konnte jeder fuͤr ſich abdanken4Ariſt. 2, 7, 7.. Der erſte derſelben war Eponymos des Jahrs; er hieß Protokosmos5Lyktiſche Inſchr. Gruter p. 194, 15. Οἱ σύν τινι κόσμοι oͤſter. vgl. Polyb. 23, 15, 1., doch wohl ohne beſondere Vorrechte133 zu haben. Aus den geweſenen Kosmen wurde der hohe Rath gewaͤhlt, nicht ſo, daß ein jeder Kosmos ſofort zu demſelben gehoͤrte — wie in Athen ſeit So - lon jeder Archont, wenn nicht Klage gegen ihn erho - ben wurde, zum Areopag einging — ſondern ſo, daß aus der Zahl der geweſenen Kosmen die Geronten nach neuer Pruͤfung ausgeleſen wurden. Denn die Zahl der letztern war ſicher beſtimmt, und nicht groß genug um alle Kosmen aufzunehmen.
Zu Ariſtoteles Zeit hatte die Gewalt der Kos - men ein tyranniſches Anſehn gewonnen. Die Zahl der Geſchlechter, aus welchen ſie gewaͤhlt wurden, hatte ſich mit der Zeit zuſammengezogen; die einzelnen Fa - milien hatten unmittelbaren Einfluß auf die Staats - leitung erhalten, und ihre Zwiſte waren Partheiungen fuͤr das Ganze geworden. Dadurch war die Verfaſ - ſung in eine Geſchlechterdynaſtie ausgeartet, indem das demokratiſche Element, die Volksverſammlung, an ſich zu ſchwach und zu wenig vertreten war, um dieſer Zaum anzulegen. Dazu kam in einer Zeit, welche vor dem alten Rechte nicht mehr die fruͤhere Scheu hatte, der Mangel geſchriebener Geſetze. Wenn maͤchtige Fa - milien den Ausgang eines Rechtsſtreits fuͤrchteten, ſo verhinderten ſie die Wahl der Kosmen, und es trat eine ἀκοσμία ein1Dieſen Sinn fordert der Zuſammenhang von Ariſtot. Pol. 2, 7, 7.; ſo daß zu τῶν δυνατῶν ‒ τινὲς zu ſuppliren oder zu er - gaͤnzen iſt., in welcher die vornehmſten Ge - ſchlechter mit ihren Anhaͤngern ſich feindlich bekriegten. Dieſer Zuſtand war damals wenigſtens in mehreren Hauptſtaͤdten Kreta’s eingeriſſen; zur Zeit indeß, als das noch erhaltene Buͤndniß der Prianſier und Hiera - pytnier abgefaßt wurde, ſcheinen die Verhaͤltniſſe wie -134 der geordnet und die Ariſtokratie bedeutend ermaͤßigt worden zu ſein. Aber vor der des Polybios muß eine vollkommene Umwaͤlzung ſtatt gefunden haben, durch welche die Macht der Geſchlechter aufgehoben, und die Wahl aller Magiſtrate demokratiſch eingerichtet wurde16, 46, 4. Nach dem Zuſammenhange muß auch der Rath damals in Kreta jaͤhrlich gewaͤhlt worden ſein., eine Revolution, welche nach und nach alle alten Inſtitute umſtuͤrzte und einriß; ſo daß der ge - nannte Schriftſteller nicht die geringſte Aehnlichkeit der Spartiatiſchen und Kretiſchen Verfaſſung finden kann, an deren urſpruͤnglichen Uebereinſtimmung wir doch nicht zweifeln duͤrfen. — Bemerkenswerth iſt, daß Kosmen, ſo viel wir wiſſen, in allen Staͤdten Kre - ta’s die erſten Magiſtrate waren, wie uͤberhaupt die Verfaſſung im weſentlichen uͤberall dieſelbe: ein Be - weis, daß dieſe Staͤdte, obgleich urſpruͤnglich Gruͤn - dungen verſchiedener Staͤmme, doch in ihrem politi - ſchen Leben von einem herrſchenden, dem Doriſchen naͤmlich, beſtimmt worden ſind2Aehnlich Tittmann S. 413.. In Platons Zeit wurde Knoſſos noch als der Hauptſitz altkretiſcher In - ſtitute angeſehn; Ephoros dagegen bemerkt, daß ſie ſich dort weniger als bei den Lyktiern, Gortyniern und in andern kleinen Staͤdten erhalten haͤtten3Str. 481 b >. .
Mit den Kretiſchen Kosmen koͤnnen wir die Prytanen vergleichen, wie ſie namentlich in Ko - rinth an die Stelle der Koͤnige traten. Das große ausgebreitete Geſchlecht der Bakchiaden war nicht zu - frieden, eine einzelne Familie die Herrſchaft lebenslaͤnglich verwalten zu ſehn, ſondern wollte dieſelbe naͤher an ſich ziehen, und mehrern den Genuß der hoͤchſten Gewalt geben. Doch war der Prytanis vom Koͤnige wohl nur dadurch135 verſchieden, daß er gewaͤhlt wurde, und die Herrſchaft nur ein Jahr lang behielt, wodurch er freilich ſchon genoͤthigt war, ſie nach dem Willen des Geſchlechts zu verwalten, in das er bald wieder zuruͤcktrat. Ohne Zweifel exiſtirte daneben auch eine Geruſie, aber viel - leicht auch nur aus Bakchiaden beſtehend. Indem dieſe ſich nur untereinander verheiratheten, bildeten ſie einen caſtenmaͤßigen Adel, deſſen neunzig Jahre dauernde Herrſchaft hoͤchſt druͤckend geweſen ſein muß1S. Her. 5, 92. Pauſ. 2, 4. vgl. Bd. 2. S. 164. ſ.. Da Korkyra von Korinth gegruͤndet wurde, ehe hier die Tyrannis der Kypſeliden eintrat: ſo blieben dort jaͤhr - liche, wie es ſcheint ariſtokratiſch gewaͤhlte, Prytanen die hoͤchſte Obrigkeit in einer ſonſt ſchon demokratiſchen Zeit2S. die große vorroͤmiſche Inſchrift bei Boͤckh Staatsh. 2. S. 403., wo der Prytan Ariſtomenes, Ariſtolaidas S., ein Hylleer, erwaͤhnt wird, deſſen Kopf auf einer Muͤnze mit dem des Herakles verbunden iſt. Eine andere Inſchrift ebd. erwaͤhnt 4 Prytanen zu - ſammen. Demokratiſch war aber die Verfaſſung damals, da die ἁλία auch ein Gericht iſt. S. 406..
Der Prytanis ſtand in Gewalt, wie ſchon erin - nert iſt, dem Koͤnige zunaͤchſt, daher der alte Charon von Lampſakos die Spartiatiſchen Fuͤrſten Prytanen nannte3Suid. Χάϱων πϱυτά - νεις ἢ ἄϱχοντες Λακεδαιμονίων. Auch Pindar und Aeſchylos brau - chen es fuͤr Koͤnig., welches auch der Eigenname Eines von ih - nen iſt. Auch die fruͤhern Koͤnige von Delphi hießen, wenigſtens Olymp. 105, Prytanen4Ἡϱακλείδου πϱυτανεύοντος. Pauſ. 10, 2, 2., eben da beſtand lange eine mit der Homeriſchen Regierung der Anakten vergleichbare Geſchlechterherrſchaft5S. Bd. 2. S. 211. 212. vgl. die Geſchichte Ari - ſtot. 5, 3, 3. Plut. praec. rep. ger. 52. p. 200 sq. . Der Prytaneu waren gewoͤhnlich nur einer oder zwei6S. Diſſens Commentar und meine Note zu Pind. N. 11, 4., wo ich. In Rhodos136 waren zwei im Jahre, jeder hatte ſechs Monate lang den Vorrang1Dies ſchließe ich aus Polyb. 27, 6, 2. Στϱατ. πϱυτανεὑ - οντος τὴν δευτέϱαν ἕκμηνον. vgl. Paulſen de Rhodo p. 56. (ſo daß oft von Prytanen, oft von ei - nem Prytanis die Rede iſt); ſie verwalteten die Ge - ſchaͤfte mit großer Vollmacht im Prytaneion, wo das Archiv der Stadt war, und fremde Geſandte aufge - nommen wurden2S. beſonders Polyb. 15, 23, 3. 16, 15, 8. 23, 3, 10. 29, 4, 4. 29, 5, 6. ἀϱχὴ μἁλιστα αὐτοκϱἀτωϱ, Applan B. C. 4, 66. vgl. Plut. praec. reip. ger. 17. p. 173. Liv. 42, 45. Poſeide - nios der Schriftſteller war Prytan zu Rh. Str. 7, 316.. Doch konnte ihre Gewalt nicht uͤbergroß ſein in der freien Verfaſſung, deren ſich Rhodos in ſeiner bluͤhendſten Zeit erfreute. Denn der Rath, welcher voͤllig demokratiſch gewaͤhlt wurde, wie wir unten ſehen werden, theilte die Leitung aller Ver - handlungen des Staats mit den Prytanen; das Volk aber uͤbte in ſeinen Verſammlungen die hoͤchſte Gewalt, ſtimmte durch Cheirokonie3Pol. 29, 4, 1., und ſcheint nicht blos von den Magiſtraten geleitet worden zu ſein4Polyb. und Appian a. O. erwaͤhnen δημαγω - γοὺς; Jener hatte auch den τϱόπον τῆς δημηγοϱίας auseinander geſetzt, aber die Stelle iſt verloren.. Doch war Rhodos Regierung bis zur Roͤmerherrſchaft her - ab nicht ganz Demokratie5Str. 14, 652.; ſie naͤherte ſich viel - leicht, in dieſer Periode der hoͤchſten Macht dieſer Inſulaner, der eigentlichen Politeia des Ariſtoteles6Vgl. Ubbo Emmius de rep. Rhod. . — Aber nicht uͤberall war die Gewalt der Prytanen, welche auch in Joniſchen und beſonders Aeoliſchen7zu Pindar a. O. Staͤdten als die erſten Magiſtrate vorkommen, ſo weiſe beſchraͤnkt; in Milet war ihre Macht faſt tyranniſch8Ariſt. 5, 4, 3. — Die Kyzikeniſchen dagegen waren demokratiſche.. 6jetzt auch Boͤckh beipflichte, daß die ἑταῖϱο〈…〉〈…〉 die βουλὴ bilden, der der πϱυτανις vorſteht.137— Aller Orten haben die Prytanen von den Koͤnigen die Ausuͤbung oͤffentlicher Opfer ererbt, welche ſie meiſt in beſondern Gebaͤuden, auf der Agora, an dem gemein - ſamen Heerde des Staats, verrichteten. So der Tene - diſche, dem Pindar ein Lied zu einem Eingangsopfer (εἰςιτήριον) gedichtet hat. In Kos war mit den Opfern des Prytanen wahrſcheinlich Empyromantie verbunden1Heſych: κέϱκος — ἐχϱῆτο δὲ αὐτῇ μᾶλλον ὁ ἐν Κῷ πϱύ - τανις. Vgl. damit das Opfer in Ariſtoph. Irene. — Der Pry - tane in der Apolliniſchen Stadt Kroton ging jeden Siebenten um die Altaͤre. Athen. 12, 522 c. . Dieſe Opfer, die gemeinſamen Mahl - zeiten, die Aufnahme fremder Geſandten gehoͤrten in Athen eben ſo zum Amt der funfzig Prytanen, wie in Rhodos und Kos: aber die politiſche Bedeutung des Namens war durch die Demokratie eine ganz andere geworden, als in den mehr ariſtokratiſchen Verfaſ - ſungen.
Dieſe auffalkende Verſchiedenheit der Bedeu - tung der Prytanen in der Attiſchen und den aͤltern Verfaſſungen Griechenlands, und die Ueberzeugung, daß die Demokratie Athens, obgleich relativ jung, doch die fruͤheren Verhaͤltniſſe ſo ſehr in Vergeſſenheit gebracht und in Schatten geſtellt, daß man ſie nur noch in einzelnen Spuren und bedeutungslos geworde - nen Namen erkennt, reizt uns zu dem Verſuche, mit mehr Verwegenheit, als ſonſt hier erlaubt ſchien, was urſpruͤnglich die Prytanen Athens geweſen, auszumit - teln. Es gab in Athen einen Gerichtshof ἐπὶ Πϱυτα - νείῳ, der indeß in geſchichtlich bekannter Zeit nur noch Truͤmmer einer ehemals ausgedehnteren Eriminalge - richtsbarkeit beſaß2S. beſ. Andok. von den Myſt. p. 37.. Daß er aber ehemals der erſte Gerichtshof von Athen war, beweist der Name der136[138] Prytaneen, welche von den ſtreitenden Partheien vor jedem Proceß nach Maaßgabe des Gegenſtandes deſſelben erlegt wurden, und zum Unterhalt der Rich - ter dienten1Boͤckh Staatshaush. 1. S. 369.. Der Name beweist, daß dieſe Gelder ehemals der Lohn der richtenden Prytanen waren, wie die δῶϱα bei Homer und Heſiod. Ferner wiſſen wir, daß die uralte Finanzbehoͤrde der Kolakreten ehemals, wie ihr Name beſagt, den Antheil an den Opferthie - ren ſammelte — welchen auch in Sparta die Koͤnige von jedem oͤffentlichen Opfer empfingen — daß ſie fer - ner immerfort die Speiſungen im Prytaneion beſorg - te, und ſpaͤter die Gerichtsgelder, z. B. eben jene Prytaneen, eincaſſirte2Ebd. S. 186., wo zuerſt Licht uͤber die Behoͤrde verbreitet iſt. Die Arcopagiten er - hielten ihr κϱέας auch wohl durch ſie. vgl. Heſych und Photios s. v. κϱέας.. Aus dem noch nicht ganz verwiſchten Zuſammenhange dieſer Funktionen erhellt, daß auch jene aͤltern richtenden Prytanen ein Syſſition bildeten, welches oͤffentlich ſpeiste, und in Hinſicht der Einkuͤnfte in die Gerechtſame der Koͤnige eingetreten war, deren Antheil an Opfern und Gerichtsgeldern ehemals die Kolakreten geſammelt hatten. Obgleich dies nun wohl zuſammen zu haͤngen ſcheint: ſo befrem - det doch, daß hier ein ganzer Gerichtshof den Namen Prytanen fuͤhrt, da doch in andern Staaten die Zahl dieſer Magiſtrate immer ſehr gering gefunden wurde; und es entſteht die Frage, ob nicht die Prytanen, wie anderwaͤrts, blos die Leiter und Vorſitzer dieſes hoͤch - ſten Gerichts waren. Wir wiſſen aber, daß noch ſpaͤ - ter die Phylobaſileis den Vorſitz im Prytaneion hat - ten, vier Eupatriden, welche den vier alten Phylen vorſtanden, und außer den heiligen Funktionen, die ih - nen zugeſchrieben werden, einſt gewiß einen weiteren137[139] Wirkungskreis beſaßen1Daher Solon bei Plut. 19. ἐκ Πϱυτανεἰου καταδικα - σϑἐντες ὑπὸ τῶν βασιλἐων. — Sie ſaßen auch in der koͤniglichen Halle zuſammen, wohl ebenfalls als Gericht. Pollux 8, 111. 120. Heſych φυλοβασ.: den Phylarchen von Epi - damnos aͤhnlich, deren ausgedehnte Geſchaͤfte ſpaͤter einer βουλὴ uͤbertragen wurden2Ariſt. Pol. 5, 1, 6.. Wir werden alſo annehmen muͤſſen, daß dieſe durch Staatsumwandlun - gen fruͤh in Vergeſſenheit gekommenen Phylobaſileis ehe - mals unter dem Namen der Prytanen eine der erſten Staatsbehoͤrden waren. Nun ſaßen aber mit dieſen vier Prytanen oder Phylenkoͤnigen in dieſem Gerichts - hofe die Epheten, von denen ich oben bemerkt habe3Bd. 2. S. 333., was freilich noch eine genauere Eroͤrterung verdiente., daß ſie vor Solon mit dem Gericht des Areopagos voͤllig identiſch waren, und damals die Criminalge - richtsbarkeit nebſt der Sittenaufſicht in ſehr ausge - dehnter Bedeutung uͤbten. Beides ſind auch Aemter der Doriſchen Geruſia, zu der ſich die Koͤnige etwa verhalten, wie jene Prytanen zu den Areopagiten oder Epheten. Deren Zahl war ſpaͤter einundfunfzig, wo vermuthlich der Baſileus eingerechnet iſt; funfzig aber konnten erſt ſeit Kleiſthenes neuer Phyleneintheilung ſein, vorher waren vermuthlich, nach der Vierzahl der Phylen achtundvierzig, die Phylobaſileis eingerechnet oder nicht. — Dies angenommen, findet ſich ein merk - wuͤrdiges Entſprechen des Criminal - und Sittengerichts und der oberſten Verwaltungsbehoͤrde zu Athen. Dieſe letztere waren die Naukraren. Die Naukraren, gleich - falls acht und vierzig an der Zahl, ſeit Kleiſthenes Phylenabtheilung aber funfzig, verwalteten ehemals das Vermoͤgen des Staats, und ruͤſteten daher auch Heere und Flotten aus4Boͤckh an mehreren St. Schoͤmann de comit. p. 364.. Nun erwaͤhnt Herodot eben -140 falls Prytanen der Naukraren, die in aͤlterer Zeit den geſammten Staat verwaltet haͤtten15, 71. vgl. Schoͤmann de comit. p. XII. . Wollen wir nicht doppelte Prytanen ſtatuiren, was der Einfachheit aͤlterer Einrichtungen weniger angemeſſen ſcheint: ſo ſtanden dieſelben Maͤnner beiden Collegien vor, und hatten gleichen Antheil an der hohen Gerichtsbarkeit, wie an der Adminiſtration. — Die Regelmaͤßigkeit dieſer Einrichtungen wuͤrde befremden, wenn wir die - ſelbige nicht auch ſonſt oͤfter gerade in den aͤlteren Staatsordnungen wahrnaͤhmen; manches Verhaͤltniß indeß, namentlich das der Archonten zu den Prytaneu, muͤſſen wir noch ganz unbeſtimmt laſſen.
Dunkler als bei Kosmen und Prytanen iſt Entſtehung und Verhaͤltniß des Amts der Artynen in Argos2Ol. 90, I. genannt von Thuk. 5, 47. vgl. Aegin. p. 134.. Neu entſtanden, etwa nach Abſchaffung des Koͤnigthums in dieſer Stadt, kann es nicht ſein, da es ſich ebenfalls in der alten Colonie derſelben, Epidauros, findet, welche wohl nur in den fruͤheren Perioden dieſelbe Verfaſſungsgeſchichte mit Argos hat. Wenn es aber nicht aus dem Untergange des Koͤnig - thums hervorging, ſo kann es durch eine Theilung der Gewalt deſſelben, vielleicht der buͤrgerlichen und mili - taͤriſchen, entſtanden ſein. In Epidauros ſtanden Ar - tynen einem großen Rathe von 180 Maͤnnern vor3Plut. Qu. Gr. 1.; in Argos wird neben ihnen ein Corps von achtzig und eine (demokratiſche) βουλὴ genannt, deren Verhaͤltniſſe uns ſonſt unbekannt4Ein ſehr zahlreiches Synedrion im Prytaneion in der Zeit Kaſſanders, Diod. 19, 63.. — Wir erwaͤhnen hier auch noch die Demiurgen, weil mehrere Grammatiker ſie als vorzugsweiſe Doriſche Magiſtrate nennen5Ael. Dionyſ. bei Euſt. zur Od. 17, 1825 Rom. Heſych s. v. , viel -141 leicht nur durch die Form δαμιουργοὶ dazu bewogen. Allerdings war dieſer Magiſtrat im Peloponneſe ge - woͤhnlich1Daher der K. Philipp (bei Demoſth. vom Kranz S. 280.) an die Demiurgen und Synedren der Peloponneſier ſchreibt., aber bei den Doriern ſelbſt nur hie und da. Wir finden ihn bei den Eleern und Mantineern2Thuk. a. O., bei den Aſinaͤern3In der Inſchr. bei Donius Cl. 4. p. 137. Murat. 607., beim Achaͤiſchen Bunde4Polyb. 24, 5, 16. Liv. 32. 22. 38, 30. und Drakenb. zur St. Plut. Arat. 43. ΔΑΜΙΟΡΓΟΙ in einer Dy - maͤiſchen Inſchrift zu Cambridge., auch in Argos5Etym. M. 265, 45. Zo - naras., und außerdem bei den Theſſalern6Ebd.; Epide - miurgen ſandten die Korinthier zur Leitung der Ange - legenheiten ihrer Kolonie Potidaͤa7Thuk. 1, 56. mit den Schol., wo verſchiedene Erlaͤuterungen, aber keine probable, gegeben werden. vgl. Suidas 1. p. 540 Alb.. Die Erwaͤhnun - gen und Umſchreibungen von Grammatikern ſind meiſt wenig belehrender Art; mit dem Volke zu verhandeln war wenigſtens bei den Achaͤern ihr Hauptamt, wo - durch wahrſcheinlich wird, daß ſie auch in Argos mit den Volksvorſtehern daſſelbe ſind8wie in Mantineia, Xen. H. 5, 2, 3. 6. Von den eigentlichen τέλη werden ſie unterſchieden, Th. 5, 47. Ehemals waren die δημιουϱγίαι dauernd, Ariſtot 5, 8, 3., von denen, wie von einigen andern Magiſtraten, die noch weniger einzelne Behandlung geſtatten, im naͤchſten Kapitel ge - ſprochen werden wird.
In dieſem Kapitel wollen wir die Nachrichten zu - ſammenſtellen und ordnen von den Umwandlungen der Verfaſſung in ſolchen Doriſchen Staaten, die den ur - ſpruͤnglichen Zuſtand minder ſtreng und treu bewahrten, als es zu Sparta und Kreta geſchah, und dagegen mehr von den allgemeinen Revolutionen griechiſcher Staatsverfaſſungen beruͤhrt, und in deren Strom hin - eingezogen wurden.
Was zuerſt Argos betrifft: ſo hebe ich aus dem ſchon Dargelegten folgende Punkte nur mit wenigen Worten hervor. Ein dreifacher Stand, die Bewohner der Stadt, groͤßtentheils Dorier, in vier Phylen; dann Perioͤken; endlich Leibeigene, Gymneſier genannt1oben S. 55.. Koͤnige, zuerſt Heraklidiſche, darauf aus einer andern Dynaſtie, bis uͤber den Perſerkrieg hinaus2oben S. 103. Die Vorſtellungen der Alten daruͤber ſind durchaus unklar: zu den dort angefuͤhrten St. kommt die des Plut. Lyk. 7. (vgl. Platon Geſ. 3. p. 692.), daß die Gewalt der K. in Argos u. Meſſene zuerſt zu ſtrenge geweſen, u. durch Uebermuth der Herrſcher u. Ungehorſam des Volkes unter - gegangen ſei, ohne Zeitbeſtimmung.; daneben Artynen; hohe Gewalt des Rathes. Alles dies ſind Zuͤge, die auf ziemliche Aehnlichkeit der Argeiiſchen Ver - faſſung mit der Lakedaͤmoniſchen fuͤhren, wenigſtens143 eben auf keine weſentliche Differenz. Dieſe wurde erſt hervorgebracht durch den Untergang eines großen Theils der Buͤrgerſchaft in der Schlacht des Kleomenes, und die darauf folgende Aufnahme vieler Perioͤken zu Stadt - buͤrgern1Bd. 2. S. 174 f.. Bald nach dieſer Zeit finden wir Argos an Volksmenge, Kunſtfleiß, Wohlſtand bluͤhend2Diod. 12, 75., und einer demokratiſchen Verfaſſung genießend3S. be - ſonders Thuk. 5, 29. 41. 44. — τὸ πλῆϑος ἐψηφίσατο (Ol. 94, 1.) Demoſth. von der Rhod. Freiheit p. 197 R., zwiſchen der indeß und der Hegemonie des Peloponnes, nach der Argos nach dem Frieden des Nikias die Hand ausſtreckte, einiger Widerſpruch ſtatt fand. Zur Er - langung derſelben ernannte daher das Volk eine Behoͤrde von zwoͤlf Maͤnnern mit großer Vollmacht, Buͤndniſſe zu ſchließen mit allen Hellenen, die immer wollten; nur wenn Athen oder Sparta in ein ſolches treten wollten, ſollte die Gemeinde erſt befragt werden. Ferner mußte damals der Staat, um einen Kern des Heers zu ha - ben, ein eigenes Corps von tauſend kraͤftigen und wohlbewaffneten Maͤnnern bilden5Die Stelle oben S. 53, 1., und zwar aus den beſſern Staͤnden6Ariſt. 2, 3, 5. nennt ſie τοὺς γνωϱἰμους.. Aber es war natuͤrlich, daß dieſe der Volksherrſchaft gefaͤhrlich wurden, die ſie nach der Schlacht von Mantineia, Ol. 90, 3., im Einverſtaͤndniß mit den Lakedaͤmoniern ſtuͤrzten, nach - dem ſie die Volksfuͤhrer getoͤdtet hatten7Ariſt. Diod. 12, 80. Thuk. 5, 81. τὸν ἐν Ἄϱγει δῆμον κατέλυσαν, καὶ ὀλιγαϱχία κατίοτη. vgl. 76.. Doch be - hielten ſie die Herrſchaft nur acht Monate, ein Auf - ſtand und eine Schlacht innerhalb der Stadt beraubte ſie ihrer Macht, und ſtellte die Demokratie wieder her8im Juli Ol. 90 3ʃ4. Thuk. 5, 82. Diod. 12, 80., die der Athener Alkibiades durch Vertreibung4)Thuk. 5, 27, 28.144 vieler noch uͤbrigen Oligarchen vollendete1Th. 5, 84. Diod. 12, 81.; ſpaͤter aber ſelbſt durch ſeine Gaſtfreunde ſtuͤrzen wollte2Th. 6, 61. Diod. 13, 5., was allen dieſen den Untergang brachte. Indeſſen muͤſſen doch noch immer zwei Partheien im Staate fortbeſtan - den haben. Aeneas der Taktiker erzaͤhlt, daß, da die Reichen das Volk zum zweitenmale angreifen wollten, und auf eine beſtimmte Nacht viele fremde Soldaten in die Stadt geladen, die Volksvorſteher in Eile eine Volksverſammlung beriefen und darin befahlen, daß dieſe Nacht ſich ein jeder Bewaffneter zu ſeiner Phyle einfinden ſollte3c. 11. — πάντας, ὄντας ἑκατὸν. Caſaub. Emd., der ἑκα - τοστὺς hereinbringen will, paßt nicht zum Folgenden. Hatte Argos damals vielleicht 10 Phylen, wie Athen, und ſind die χίλιοι λογά - δες hier noch gemeint? doch waͤre es dann ſchwer, der Geſchichte ihre Zeit anzuweiſen., wodurch jene gehindert wurden, ſich im Ganzen zu vereinigen. Die Volksvorſteher (δήμου προστάται)4vgl. Plut. Alkib. 14. Ein ſolcher war auch wohl Nikoſtratos, πϱοστάτης τἥς πόλεως nach Theopomp bei Athen. 6, 232. zu Artax. Ochos Zeit. — Vgl. was oben von den Demiurgen geſagt iſt. in dieſer Geſchichte ſind ein offenbar ganz demokratiſcher Magiſtrat, in innern Faktions - kaͤmpfen entſtanden, von den Demagogen Athens be - ſonders dadurch verſchieden, daß ihre Macht amtlich. — Als im Frieden des Artaxerxes die Lakedaͤmonier auf die naͤhere Leitung des oͤffentlichen Weſens in den Peloponneſiſchen Staͤdten verzichtet hatten: regte ſich in dieſen vorher oligarchiſch regierten Staaten ein Geiſt unbaͤndiger Licenz und Ochlokratie; uͤberall ſykophanti - ſche Anklagen, Verbannungen, Guͤterconfiscationen, beſonders ſolcher, die unter Lakedaͤmons Leitung oͤffent - liche Aemter verwaltet; doch war damals (Ol. 101, 3.) Argos auch Zufluchtsort vertriebener Demokraten5Diod. 15, 40.. 145Aber nach der Schlacht von Leuktra, da Lakedaͤmons Macht voͤllig gebrochen war, und der Peloponnes fuͤr einige Zeit ſein Haupt verloren hatte, begann in Argos die groͤßte Verwirrung der Dinge. Volksfuͤhrer regten die Menge gegen alle Bevorrechteten oder Ausgezeich - neten ſo heftig auf, daß dieſe ſich zum Sturz der De - mokratie zu verſchwoͤren gezwungen glaubten1Diod. 15, 57. 58.. Der Anſchlag wurde entdeckt, und das Volk wuͤthete mit der groͤßten Grauſamkeit gegen deſſen wahre oder ver - meinte Theilhaber. Damals fielen, zum Theil auf bloßen Verdacht, mehr als tauſend zweihundert der Angeſehenen21500 rechnet Plut. reip. ger. praec. 17. p. 175. im Ganzen. Ihm folgt Helladios Chreſtom. p. 979. in Gronov. Thes. Gr. X. , und zuletzt die Demagogen ſelbſt ins - geſammt, weil ſie, vor der Durchfuͤhrung der von ihnen veranlaßten Maaßregeln ſchaudernd, ſich derſelben zu entziehen geſucht hatten. Der Aufruhr im Ganzen hieß Σκυταλισμὸς, Stockpruͤgelei: es war eine Zeit des Fauſtrechts, wie es ſcheint. Als die Athener da - von erfuhren, ließen ſie ihren eigenen Markt luſtriren: ſo ſehr glaubten ſie ganz Hellas durch dieſe Graͤuel befleckt3Plut. a. O. vgl. auch Dionyſ. Hal. Arch. 7, 66.; auch war es wohl damals, da die Argeier ſelbſt dem Zeus Meilichios Suͤhnopfer fuͤr vergoſſenes Buͤrgerblut brachten4Pauſ. 2, 20, 1.. Nichtsdeſtoweniger wurden noch immerfort Reiche und Angeſehene zu Argos mit groͤßtem Eifer verfolgt5Iſokr. an Philipp 20. S. 132 Lange. Indeſſen kommen immer noch principes vor. Liv. 32, 38., wozu beſonders der Oſtra - kismos diente, den Argos mit andern demokratiſchen Inſtituten6vgl. Ariſtides T. 2. p. 388. von Athen heruͤber bekommen hatte7Ariſtot. 5, 2, 5. Schol. Ariſtoph. Ritter 851. Phauorin. InIII. 10146ſolchen Zeiten mußten wohl von dem Doriſchen Cha - rakter die meiſten und edelſten Zuͤge ſchwinden; der ſchlechte Ausgang faſt aller Kriegsunternehmungen1Iſokr. a. O. beweist den Verfall der Tapferkeit; mit der Ungebun - denheit des politiſchen Lebens nahm Sykophantie und tumultuariſche Hitze2Ἀϱγεία φοϱὰ bei Diogenian 2, 79. Apoſtol. 4, 28. Euſtath. zu Il. 2, 286 Rom. uͤberhand; deſſen ungeachtet hat das lebhafte Intereſſe fuͤr Demegorie keinen Redner hervorgebracht, den ſpaͤtere Jahrhunderte gekannt haͤtten3Cicero Brut. 13. .
In Epidauros dagegen erhielt ſich die Ari - ſtokratie, und darum war dieſe Stadt den Spartiaten ſo befreundet, wie ihnen Argos abgeneigt war. Von den Artynen daſelbſt und dem Rathe der 180, wie von dem Landbauerſtande und den Phylen iſt ſchon geſpro - chen worden.
So lange Aegina ſtand, erhielt ſich auch hier die Herrſchaft der Geſchlechter, welche zu urſpruͤngli - chem Adel wahrſcheinlich auch einen bedeutenden Geld - reichthum hinzuerworben hatten. Der Aufſtand einer demokratiſchen Parthei blieb nichtig. Aegina und Ko - rinthos ſind entſchiedene Beiſpiele, daß auch bei ari - ſtokratiſchem Regiment ein thaͤtiger, ruͤhriger, erfinde - riſcher, vielgewandter Handelsgeiſt ſich entwickeln und ausbilden kann.
Die Epidauriſche Colonie Kos hatte urſpruͤnglich ohne Zweifel die Verfaſſung der Mutterſtadt. Vor Olymp. 75. (etwa 73 oder 74.) finden wir einen vom Perſiſchen Großkoͤnig geſetzten Tyrannen hier, Kadmos, den Sohn des Zanklaͤer Skythes, der aber um die Zeit Kos verließ, nachdem er einen Rath eingeſetzt und der7ὀστϱακίνδα. vgl. Paradys de ostrac. im Classical Journ. V. 19. p. 348. 147 Stadt die Freiheit wiedergegeben hatte1Wenn man gegen die Bd. 2. S. 170. gemachte Combina - tion einwenden wollte: Kadmos koͤnne nicht der Sohn des Zan - klaͤer Skythes ſein, denn dieſer ſterbe nach Herod. ἐν Πέϱσῃσι, Kadmos aber habe die Tyrannis παϱὰ πατϱὸς empfangen: ſo iſt dem durch die Annahme zu begegnen, daß Skythes, obgleich ihm der K. die Herrſchaft von Kos gegeben, doch nicht dort, ſon - dern am Hoſe lebte, wie wir ja daſſelbe ſonſt auch von Hiſtiaͤos wiſſen.; doch ſcheint die Inſel gleich darauf unter die Herrſchaft der Arte - miſia gefallen zu ſein2Herod. 7, 99.. — Spaͤter bahnte der Athe - niſche Einfluß der Demokratie den Eingang, welche aber von leidenſchaftlichen Demagogen geſtuͤrzt wurde, die die Angeſehenen zur Vereinigung noͤthigten3Ariſtot. 5, 4, 2.. Der βουλὴ od. γερουσία der Koer, ſo wie ihres Prytanen, iſt oben4S. 91. u. 137. Erwaͤhnung geſchehen; die Scheinmagiſtrate unter der Roͤmerherrſchaft uͤbergehen wir.
Auch in der Argeiiſchen Colonie Rhodos wird man ſich urſpruͤnglich eine altdoriſche Verfaſſung zu denken haben; auch hier waren Fuͤrſten aus Herakli - diſchem Stamme, und daneben wahrſcheinlich ein Rath mit aͤhnlichen Rechten wie die Spartiatiſche Geruſia. Das Koͤnigthum war nun zwar nach Ol. 30 ausgegan - gen, aber doch dem alten Geſchlechte der Eratiden zu Jalyſos ein bedeutender Antheil an der Leitung des Staats — etwa das Prytanenamt — gedlieben. Den Ruhm der Gerechtigkeit bezeugt dieſem ehemaligen Fuͤr - ſtenſtamme Pindar5Ol. 7, 89. Kallianax iſt einer der Ahnen des Diagoras aus dem γένος Ἐϱατιδῶν.: Zeus Vater gieb dem Dia - goras Huld bei Buͤrgern und Fremden; denn er wandelt einen dem Uebermuth entgegenſtrebenden Weg grad’ aus; wohl wiſſend, was ihm der gerechte Sinn edler Vaͤter eingepflanzt. Stelle nicht den gemeinſamen Samen des Kallianax ins Dunkel. Bei der Eratiden10 *148Siegesfeier freuet ſich ja die ganze Stadt in Gelagen. Doch ſtuͤrmen in einem Augenblick von andern Seiten andere Winde.” Pindar ahnet (Ol. 79.) ſchon die Ge - fahren, die dem edlen Geſchlechte, welchem Rhodos ſo viel verdankte, durch den damals wachſenden Ein - fluß von Athen1Vgl. was Ol. 75, 4. der Rhodier Timokreon uͤber Themiſtokles Verfahren auf dieſer wie andern Inſeln ſagt, bei Plut. Them. 21. entſtanden; er warnet durch das ganze, Gedicht die Buͤrger vor uͤbereilter Neuerung, und wuͤnſcht der alten wohlbegruͤndeten Verfaſſung Be - ſtand2S. Boͤckhs meiſterhafte Erklaͤrung des Gedichts am Schluſſe.. Seine Ahndung wurde erfuͤllt. Die Soͤhne des Diagoras wurden als Haͤupter der Ariſtokratie von den Athenern zum Tode verurtheilt und landesfluͤchtig; aber der bewunderte Held Dorieus kehrte von Thurioi mit Thuriſchen Schiffen in ſein Vaterland zuruͤck, und kaͤmpfte mit denſelben gegen die Feinde ſeiner Familie als treuer Anhaͤnger der Spartiaten. Als ihn die Athener Olymp. 93. gefangen genommen hatten, und das Todesurtheil an ihm vollziehen wollten, bewog ſie der Anblick des edlen Diagoriden, deſſen dem Geſchlecht eigenthuͤmlicher Koͤrpergroͤße und Schoͤnheit eine kuͤhne Seele entſprach, wie er nun in unwuͤrdigen Ketten vor ihnen ſtand, zur Freilaſſung3S. Thuk. 8, 35. 84. Xen. Hell. 1, 1, 2. 1, 5, 19. Diod. 13, 38. 43. Pauſ. 6, 7, 2. Die Richtigkeit deſſen, was Andro - tion dort erzaͤhlt, iſt wohl ſehr zweifelhaft.. Das alte Gluͤck der Rhodier, welches ſich auf die treue Bewahrung der Doriſchen Sitte, (auf die die Geſetze Kleobuls des Lindiers ohne Zweifel gebaut waren), und auf ungemeine Handelsthaͤtigkeit gruͤndete, wurde durch die Bewegun - gen des Peloponneſiſchen Krieges unterbrochen, in de - nen der Wechſel des Atheniſchen und Spartiatiſchen Ein - fluſſes bald die Demokratie bald die Ariſtokratie hob. Im Siciliſchen Feldzuge war Rhodos Atheniſch4Thuk. 7, 57.. Aber149 da Ol. 92, 1. die Spartiaten hier die Oberhand ge - wannen1Thuk. 8, 44., und Dorieus (92, 2.) unter ihrem Schutze heimkehrte, um innere Unruhen zu unterdruͤcken: kam in dieſer Zeit die Macht wieder an die Angeſehenen, die beſonders dadurch ſich gegen den Demos zu verei - nigen genoͤthigt worden waren, daß die Demagogen, waͤhrend ſie das Volk mit Lohn jeder Art koͤderten, den Trierarchen die gebuͤhrenden Summen nicht erſtattet hatten, und ſie zugleich durch beſtaͤndige Proceſſe quaͤl - ten2Ariſtot. Pol. 5, 2, 5. 6. 5, 4, 2. Dieſe drei Stellen gehen naͤmlich offenbar auf ein Ereigniß, u. zwar in dieſer Zeit, da ἐπανάστασις nicht eine Revolution bedeuten kann (denn dieſe iſt ja πϱὸ τῆς ἐπαναστ. ), ſondern wohl die άνάστασις der drei kleinen Staͤdte ἐπὶ μίαν ̔ Ρόδον.. Bald darauf (Ol. 93, 1.)3Diod. 13, 75. Was Boͤckh ſagt Staatsh. 1. S. 445., bedarf keiner Rechtfertigung gegen unverſtaͤndige Einwaͤnde. wurde durch Zu - ſammenfuͤhrung eines großen Theils der Einwohner aus den drei kleinen Staͤdten der Inſel die große Stadt Rhodos gegruͤndet. Aber Ol. 96, 1. wurde Rhodos wieder durch Konon Atheniſch und demokratiſch4Diod. 14, 79.; doch ſiegte ſchon 97, 2. wieder die Spartiatiſche Parthei5Xen. Hell. 4, 8, 20-22. Diod. 14, 97.; und zum letztenmale ſchlug der Bundesgenoſſenkrieg den Atheniſchen Einfluß zuruͤck. Von dieſem begann die Einwirkung der Kariſchen Regenten, des Mauſolos und der Artemiſia, durch welche die Oligarchie ſehr geho - ben und die demokratiſche Parthei ausgetrieben wurde, welche zuruͤckzufuͤhren, und das Intereſſe der Volksfrei - heit in Griechenland mehr zu beruͤckſichtigen als die von den Rhodiern zugefuͤgten Beleidigungen, Demoſthe - nes den Athenern anraͤth6in der R. von der Rho - dier Freiheit. vgl. π. συντάξεως p. 194. Hegeſilochos Oligarchie (Theopomp 16 bei Athen. 10, 444.) gehoͤrt vielleicht in dieſe Zeit.. Damals lag eine Kari -150 ſche Beſatzung auf der Burg von Rhodos. Aus dieſen Unruhen und Partheiungen keimte eine Verfaſſung fuͤr die Rhodier, in der, ſo viel wir urtheilen koͤnnen, Demokratie vorherrſchte, obgleich die geringe Anzahl und hohe Gewalt der Prytanen auch auf ein ariſtokra - tiſches Element hinweist. Nach der Beſchreibung, die Cicero dem juͤngern Scipio in den Mund legt, gehoͤrten damals alle Mitglieder des Raths auch (in demſelben Jahre) zur Volksverſammlung, und ſaßen nach Mona - ten abwechſelnd (wahrſcheinlich in ſechsmonatlichen Zeit - raͤumen, wie die Prytanen) im Rathe und unter dem Volke; in beiden Funktionen aber empfingen ſie Lohn (conventitium); auch richteten dieſelben bald unter dem Volke im Theater, bald im Rathe uͤber Criminal - und andere Sachen1wenn ich de repub. 3, 35. recht verſtehe. vgl. 1, 31. und die ſpaͤtern Spuren der Verfaſſung bei Ariſtid. Rhod. de conc. 2. p. 385. und Dio Chryſoſt. Or. 31. hie u. da.. Mit dieſen Angaben iſt freilich nicht ohne Schwierigkeit Strabons Anſicht dieſer Ver - faſſung zu vereinigen, und doch ſpricht dieſer Schrift - ſteller ebenfalls gewiß von der Zeit vor Caſſius Erobe - rung von Rhodos, alſo ziemlich derſelben: “die Rho - dier ſorgten, obgleich nicht demokratiſch regiert, doch ſehr fuͤr das Volk, um die Menge der Armen im Staate zu erhalten; ſie verſaͤhen es mit Korn, und die Reichen unterſtuͤtzten die Armen nach einer alten Sitte; auch gaͤbe es Liturgien, die das Volk mit Fleiſch bekoͤſtigten” u. ſ. w.2Str. 14, 653 a. . Es muß, ungeachtet der demokratiſchen Einrichtung der Bule, manches Amt, vielleicht beſonders die adminiſtrativen, wie die Aufſicht uͤber das Schiffsweſen, oligarchiſch verwaltet worden ſein; auch beweist die innere Ruhe zu Rhodos in die - ſem Zeitraume gegen unbedingte Demokratie. Dabei151 erhielten ſich laͤnger als in den meiſten andern Staaten wahrhaft Doriſche Charakterzuͤge: Tapferkeit, Stand - haftigkeit, Vaterlandsliebe, ein ſtolzer Ernſt der Sit - ten, und eine gewiſſe Sophroſyne, die freilich mit der ausſchweifenden Pracht in Mahlzeiten, Bauten und allen Kuͤnſten auf eigene Weiſe contraſtirt1Meurſius Rhod. 20. .
Korinth hatte, von Sparta ſeiner Tyrannen befreit, eine fruͤhere Verfaſſung wieder erhalten, die indeß nicht ſo oligarchiſch war, als die Geſchlechtsherr - ſchaft der Bakchiaden. Zwar hatten edle Geſchlechter, wie die Oligaethiden2Pind. O. 13, 2. οἶκος ἅμε - ϱος ἀστοῖς., einen Vorrang; wahrſcheinlich wurde die Geruſia aus ihnen beſetzt, und die Volksver - ſammlung war auf aͤhnliche Weiſe, wie in Sparta, be - ſchraͤnkt. Aber zugleich preist Pindar Korinth als die Stadt, “in welcher Eunomia wohnt und ihre Schwe - ſtern, der Staͤdte ſichere Stuͤtze, Dike und die gleich - geſinnte Eirene, die Spenderinnen des Reichthums, welche dem Uebermuth zu wehren wiſſen, dem kuͤhnre - denden Vater der Ungenuͤgſamkeit.” Dieſe Worte laſ - ſen freilich auch errathen, daß die Ariſtokratie dem Beſtreben der Volksparthei, ihre Macht auszudehnen, wiederſtehen mußte; indeſſen blieb ſie doch durch den ganzen Peloponneſiſchen Krieg unerſchuͤttert, und Ko - rinth, eine kurze Zeit ausgenommen, ein treuer Sym - machos von Sparta und Feind von Athen3In fruͤhern Zeiten waren Athen und Kor. ſehr befreundet, Herod. 5, 75. 95. Th. 1, 40. 41.. Erſt nachher kam, durch Perſiſches Gold unterſtuͤtzt, eine demokratiſche und ſich an Argos anſchließende Parthei zu Korinth auf, welche ſich zuerſt der hoͤchſten Gewalt bemaͤchtigte, darauf die aus den edlern Familien (βελ - τίστοις) beſtehende Lakoniſche Parthei an dem Feſte152 der Eukleen uͤberfiel, und endlich ſo weit ging, daß ſie den Staat von Korinth als fuͤr ſich beſtehend auf - heben und mit Argos voͤllig vereinigen wollte (Ol. 96, 2. und 3.)1S. Xen. Hell. 4, 4, 3 ff.. Die vertriebenen Ariſtokraten, von den zu Sikyon ſtehenden Lakedaͤmoniern unterſtuͤtzt, hiel - ten indeſſen fortwaͤhrend das Gegengewicht, und be - haupteten ſich zu Lechaͤon24, 4, 6 ff.; ſie muͤſſen hernach zuruͤck - gekehrt ſein, und die alte Verfaſſung wieder eingefuͤhrt haben; denn in der folgenden Zeit finden wir Korinth wieder der Lakedaͤmoniſchen Symmachie treu3ſ. be - ſonders 7, 4, 6. Die Fluͤchtlinge von Korinth zu Argos Ol. 101, 2. bei Diod. 15, 40. ſind alſo Demokraten.. In Dions Zeit (gegen Ol. 106.) war Korinth ziemlich oligarchiſch regiert, und es wurde wenig in der Volks - verſammlung verhandelt4Plut. Dion. 53. Bei Plut. Timol. 5. darf man aus δημοκϱατία nichts ſchließen, denn ſie ſoll dort nur den Gegenſatz von τυϱαννὶς bezeichnen.: und wenn dieſe auch den Timoleon als Feldherrn des Staats nach Sicilien ſandte (108, 4.), ſo beſtand doch damals auch eine Geruſia — ein durchaus ariſtokratiſcher Name — welche nicht blos mit Geſandten verhandelte, ſondern auch, was beſonders merkwuͤrdig, Eriminalgerichtsbarkeit aus - uͤbte5Diod. 16, 65. 66.. Die Tyrannis des Timophanes, den Timoleon ermordete, war eine kurze Unterbrechung der Oligar - chie nach Ariſtoteles6Pol. 5, 5, 9..
Von der gemaͤßigten und wohlgeordneten Ver - faſſung, welche Korinthos im Ganzen zu bewahren das Gluͤck hatte, war die Colonie Korkyra fruͤhzeitig ab - geartet. Unter Anfuͤhrung eines Bakchiaden Cherſikra - tes gegruͤndet, wurde ſie wohl eine Zeitlang von den Korinthiſchen Familien regiert, welche die Colonie zu - erſt in Beſitz genommen hatten. Daneben aber hatte153 ſich ein Demos gebildet, welcher durch die gewaltſame Losreißung und die feindliche Stellung Korkyra’s zum Mutterlande freiere Bewegung erhielt. Hierzu kam, daß die Verbindung der Inſel mit dem Peloponneſi - ſchem Bunde loſe geworden, und an deren Stelle eine engere mit Athen geknuͤpft war: ſo daß alſo die ari - ſtokratiſche Parthei ihres Haltes entbehrte, die demo - kratiſche einen ſehr wichtigen gewonnen hatte. Verband ſich nun noch der Demos mit dem zahlreichen Sklaven - ſtande1Thuk. 3, 73.: ſo mußte die Ariſtokratie unterliegen, deren Ausrottung von ſo blutigen, ſo graͤuelvollen Scenen begleitet wurde, wie kaum in einem andern Staate Griechenlands2vgl. Dion. Hal. Arch. 7, 66. Diod. 13, 48.. Aber ſchon vor dieſem Ereigniſſe war die Verfaſſung demokratiſch3Thuk. 3, 81.. Die Volksverſamm - lung hatte die hoͤchſte Gewalt; und wenn die Auktori - taͤt des Raths vielleicht groͤßer als in Athen war4Da ein βουλευτὴς hoffen kann, als ſolcher das Volk zu einem Buͤndniſſe mit Athen zu be - reden. Thuk. 3, 70.: ſo war doch derſelbe offenbar nur ein Theil des De - mos5Th. 3, 70.; Vorſteher des Demos ſcheint hier wie ander - waͤrts ein foͤrmliches Amt geweſen zu ſein6Th. 3, 70. 4, 46. Aeneas Poliork. 11. Diodor 12, 57. indeſſen blos: τοὺς δη - μαγωγεῖν εἰωϑότας καὶ μάλιστα τοῦ πλήθους πϱοΐστασϑαε.. Von dieſer Zeit an herrſchte die ungebundenſte Freiheit in Korkyra, von welcher das Spruͤchwort zwar derb, aber praͤgnant ſagt: Frei ſind wir in Korkyra, mach’ wohin du willſt7Ελενθέϱα Κόϱκυϱα, χἐξ̓ ὃπου ϑέλεις, Prov. metrica v. 569 Schott.. Die Korkyraͤer waren ruͤhrig, betriebſam, unternehmend, gewandte Matroſen, thaͤtige Kaufleute: aber es war bei ihnen ganz und gar die Feſtigkeit und edle Richtung des Doriſchen Charakters verſchwunden. An Unverſchaͤmtheit uͤbertrafen ſie noch die Athener,154 bei denen doch ſelbſt die Hunde — wie ein Weiſer ſagte — ſchamloſer als irgendwo anders waren; fabel - hafte Geruͤchte gingen in Griechenland um, die den Uebermuth im Luxus der Nachfolger der Phaͤaken be - zeichneten1Von den ἐλεφαντίναις κώπαις der Korkyraͤiſchen Geißeln Ariſt. bei Heſych Κεϱκυϱαία μάστιξ. Schol. Ariſt. Voͤgel 1463. Zenob. 4, 49.. — Doch konnte auch hier eine antide - mokratiſche und lakoniſirende Parthei nie gaͤnzlich aus - gerottet werden, welche mehrmals mit ungluͤcklichem Erfolge2Ol. 92, 3. Diod. 13, 48. u. Ol. 101, 3. Diod. 15, 46., aber in Chares Zeit mit gluͤcklichem3Aeneas Poliork. 11. ſich gegen den Demos erhob. Die vier oder fuͤnf4S. oben S. 135, 2. Fuͤnf Prytanen vielleicht in der Inſchrift bei Muſtoridi Illustr. Corciresi 2. p. 87. [Δαμ] οξενος Μολωτα πϱυτανευσας και οἱ συναϱχοι [Δαμ] ων Μολωτα Ικεταιδας ........ Κ [λεα] ϱχος Λεοντος ............ ϱ .. ϱου ϑεοις. Pry - tanen, welche wir noch ſpaͤter in Korkyra als erſte Magiſtrate finden, ſcheinen ein nicht ganz demokrati - ſches Amt, wenn auch ſonſt damals Demokratie herrſch - te; außer ihnen kommen in einer wichtigen Urkunde5die oben S. 135. citirt. πρόδικοι βουλᾶς vor, die als Klaͤger eines Proceſſes auftreten, der in die Adminiſtration einſchlaͤgt, dann πρόβουλοι6Πϱοδίκους und πϱοβούλους hat auch eine andere, undoriſche Inſchrift, bei Muſtoxidi 2. p. 92. n. 43., wo auch ein ἀμφίπολος (wie in Syrakus) vorkommt. mit einem πϱοστάτης, der einen ſolchen Proceß vor die Dikaſterien bringt; dann erfaͤhrt man, daß von Zeit zu Zeit διορϑώσεις der Geſetze ſtatt fan - den, wozu διορϑωτῆρες ernannt wurden, und daß die Stadt einen διοικητὴς und ταμίας als Verwaltungs - behoͤrden hatte.
Eine andere Colonie von Korinth, Ambra - kia, hatte einen Kypſeliden, Gorgos (Gorgias), zum Tyrannen gehabt, auf den ein anderer, offenbar aus155 derſelben Familie1Wenn Perlandros Sohn des Gorgos war, und dieſer (nach Anton. Lib.) Bruder des Kypſelos: ſo hat Neanthes von Kyzikos (bei Diog. L. 1, 98.) recht, daß die beiden Periander ἀνεψιοὶ wa - ren. Doch hat die Bd. 2. S. 117. angenommene Meinung auch ihre Gruͤnde fuͤr ſich. Nach jener waͤre die Genealogieund dann koͤnnte man auch Pſammetichos als Sohn deſſelben Gor - gias (Gordias) anſehn, ohne das Orakel bei Herod. 5, 92. Luͤgen zu ſtrafen., Periandros folgte, der, da er ſei - nen Buhlknaben beim Trunk ſcheußlicher Weiſe fragte: “ob er noch nicht von ihm ſchwanger ſei?” von deſſen Blutsfreunden erſchlagen wurde2Ariſtot. 5, 8, 9. Plut. Erot. 23. p. 60.: Das Volk hatte an dem Aufſtande Theil genommen, und zog nun die hoͤchſte Gewalt an ſich35, 3, 6. Auch halfen die Spartiaten zur Aufhebung der Ty - rannis. Bd. 2. S. 171.: zuerſt indeß nach einer Cen - ſusverfaſſung, die aber unvermerkt, des niedrigen An - ſatzes des zur Regierung befaͤhigenden Vermoͤgens we - gen, in Demokratie uͤberging4Ariſt. 5, 2, 9. Nach Anton. Lib. 4. herrſchte zu Ambrakia auch ein Tyrann Phalaͤkos, gegen den ein Volksaufſtand durch ein Orakel des Apoll veranlaßt wurde, den die Ambrakloten als Urheber ihrer εὐνομία anſahen..
In dem ebenfalls Korinthiſchen Leukadien wa - ren von Anfang die großen Grundſtuͤcke unveraͤußerlich in Beſitz der Ariſtokraten: als die Unveraͤußerlichkeit aufgehoben wurde, hoͤrte man auch auf, zur Verwal - tung der Magiſtrate einen beſtimmten Cenſus zu for - dern, wodurch die Demokratie uͤberhand nahm52, 4, 4..
Korinthier und Korkyraͤer hatten Epidamnos gegruͤndet, und ein Heraklide, Phalios, aus der Me - tropolis, hatte die Colonie gefuͤhrt. Man darf nicht zweifeln, daß die Gruͤnder von den beſten Laͤndereien156 und den Regierungsrechten Beſitz nahmen, und ſie nur Stammverwandten mittheilten. Ein Magiſtrat, dem Opuntiſchen Kosmopolis aͤhnlich, war die hoͤchſte Ver - waltungsbehoͤrde15, 11, 1. 5, 1, 6.; die Phylarchen bildeten eine Art Rath. Aber in einer zweiten Epoche der Verfaſſung trat an die Stelle der Phylarchen eine demokratiſch gewaͤhlte βουλὴ: dagegen blieben als Reſte der fruͤhern Verfaſſung, daß alle Magiſtrate, die aus den aͤltern Buͤrgern (dem eigentlichen πολίτευμα) gewaͤhlt waren, in der Volksverſammlung zugegen ſein mußten, wenn ein Magiſtrat es forderte2So verſtehe ich Ariſtot. 5, 1, 6, nach Victorius Lesart. ̔ Ηλιαία iſt nur eine andere Form fuͤr ἁλιαία, oben S. 86, 8. — Die Veranlaſſung der Umwaͤlzung wird vielleicht 5, 3, 4. erzaͤhlt.; auch blieb noch der eine oberſte Archont3Ich glaube, daß man 5, 1, 6. ἄϱχων ὁ εἱς ἠν ἐν, das ἠν nach 3, 11, 1. ἐοτὶν und nach dem Zuſammenhange ſtreichen muß.. Den Peloponneſiſchen Krieg ent - zuͤndete ein Kampf der Epidamniſchen Volksparthei und der Machthaber, in welchem die Korinthier aus Eiferſucht gegen Korkyra, in Vergeſſenheit ihres wah - ren Intereſſes, die erſtere unterſtuͤtzten: wie dieſer. Kampf endete, wiſſen wir nicht. Die Zahl der anſaͤſſigen und Gewerbe treibenden Fremden war ſehr groß4Aelian V. G. 13, 15.; außer ihnen trieben dieſelben nur Staatsknechte, kein Buͤrger5Ariſt. 2, 4, 13.. — Am ſtrengſten hat unter allen Korinthiſchen Niederlaſſungen Apollonia die urſpruͤngliche Colonie - verfaſſung6S. oben S. 61. feſtgehalten, worauf ſich wohl der Ruhm vorzuͤglicher Geſetzlichkeit gruͤndet7Str. 7, 316 c. . Die Regierung blieb hier ziemlich ganz in den Haͤnden der edlen Ge - ſchlechter und Nachkommen der erſten Coloniſten, wel - chen zugleich ohne Zweifel die großen Ackerlooſe gehoͤr -157 ten1Ariſt. 4, 3, 8. vgl. Herod. 9, 93.. Vielleicht hatte Apollonia die Feſtigkeit ſeiner Verfaſſung der Xenelaſia zu danken2Aelian a. O.: einem Inſtitute, das zum Feſthalten althelleniſcher Sitte in dieſer Con - tiguitaͤt des Barbarenlandes beſonders nothwendig war.
Um die Reihe der Korinthiſchen Colonien nicht zu trennen, ſchließe ich ſogleich Syrakus an. Die Syrakuſiſche Verfaſſung hatte folgende Hauptperioden. In der aͤlteſten hatten die Gamoren die Regierung in Haͤnden3ὲν Συϱακούσαις τῶν Γεωμόϱων ϰατεχόντων τὴν άϱχὴν ſagt das Marm. Par. Ep. 37. zu Ol. 41. und zwar zuerſt mit einem Koͤnige4oben S. 109, 5., dann ohne einen ſolchen. Dieſe haben wir ſchon oben5S. 61. als die urſpruͤnglichen Coloniſten definirt, die die großen und von leibeigenen Ureinwohnern bebauten Grund - ſtuͤcke in Beſitz genommen hatten, und die meiſten Herr - ſchaftsrechte uͤbten. Es iſt wahrſcheinlich, daß aus ih - nen die Magiſtrate und die Mitglieder des hohen Ra - thes erleſen waren6vgl. auch Plut. praec. reip. 32. p. 201. In der Geſchichte der Guͤterconfiseation des Agathokles (Diod. Exc. 8. p. 549 Weſſ. ) erſcheinen die Geomoren als hoͤchſtes Gericht., die das Volk in der Halia lei - teten; wie auch die Samiſchen Geomoren einen Rath bildeten, der nach dem Sturze des Koͤnigthums dem Staate vorſtand7Plut. Qu. Gr. 57. Gegen dieſe erhob ſich nun der nach und nach anſpruchsvoller gewordene Demos, und ver - trieb ſie, indem er ſich mit den Knechten derſelben, den Kyllyriern, verbuͤndete (vor Ol. 72, 1.)8Herod. 7, 155. Dion. Hal. 6, 62. vgl. Zenob. oben S. 62, 1.: aber die da - mals eingerichtete Demokratie war ſo ungeordnet und geſetzlos, daß ſie keinen Beſtand baben konnte9Dies ſagt Ariſtot. Pol. 5, 2, 6. Anders Tittmann S. 502. der in Syrakus in der erſten Periode Demokratie hat, Demokratie in der zweiten, und in der dritten Demokratie, und damit gut. — Die Geſchichte bei Ariſtot. 5, 3, 1. Plut. praec. reip. a. O.. So158 oͤffnete denn der Demos ſelbſt dem Gelon, als er die Gamoren zuruͤckzufuͤhren kam, die Thore, und gab ſich ihm voͤllig in die Haͤnde1Herod. a. O. Ol. 73, 4. Gelons und ſei - nes Nachfolgers Herrſchaft war, wenn auch monarchiſch, doch nicht unbillig, und der Stadt im Ganzen heilſam; daß der erſtere einer außerordentlichen Volksverſamm - lung das Urtheil uͤber ſeine Staatsverwaltung gleich - ſam anheimſtellte2Diod. 11, 26. Aelian V. G. 13, 36., ſcheint zu beweiſen, daß er als ein Aeſymnet gelten wollte, dem die Stadt in ſchwie - rigen Lagen ſelbſt ihr Wohl mit voller Hingebung an - vertraut. Mit dem Sturze dieſer Dynaſtie beginnt die zweite Periode, in welcher im Ganzen eine ge - maͤßigte Verfaſſung ſtatt fand, welche die Meiſten3auch Thuk. 7, 55. Demoſth. Leptin. 506. Aa. Demokratie nennen, Ariſtoteles aber als Politie im en - gern Sinne von der Demokratie unterſcheidet45, 3, 6. vgl. aber 5, 10, 3.. Gleich nach Thraſybulos Sturze kam eine Volksverſammlung zuſammen, in welcher uͤber die Verfaſſung berathſchlagt wurde. Die Magiſtrate ſollten blos die alten Buͤrger verwalten, die von Gelon in großer Zahl aus andern Staͤdten Zugezogenen und die zu Buͤrgern aufgenom - menen Soͤldner5Herod. 7, 156. Diod. 11, 25. dagegen nicht volles Buͤrgerrecht ge - nießen6Diod. 11, 72. 73.; worauf Krieg innerhalb der Mauern von Syra - kus entſtand: endlich wurde hier wie in andern Staͤd - ten Siciliens durch Wiedereinſetzung der alten Buͤrger, Ausſonderung der Fremden, die man in Meſſana an - ſiedelte, und neue Aeckertheilung (wobei man wahr - ſcheinlich auch die Guͤter des Adels neu vertheilte), Ru - he hergeſtellt7Diod. 11, 76. vgl. Ariſtot. 5, 2, 11. Dies iſt die πολιτογϱα -. Indeß waren durch die Willkuͤhrlich -9betrifft den Untergang der alten Geſchlechterherrſchaft, die Plut. ἀϱίστην πολιτείαν nennt.159 keit des Verfahrens die Staͤdte in einen krankhaften Zuſtand verſetzt, der zahlreiche Verſuche, die Tyrannis zu gewinnen, erzeugte. Als ein Sicherungsmittel da - gegen fuͤhrte der Demos (gegen Ol. 81, 3.) den Pe - talismos ein, eine Nachbildung des Atheniſchen Oſtra - kismos; doch war er klug genug, dieſe neue Tyrannis bald wieder aufzuheben, als er alle ausgezeichneten und gebildeten Maͤnner1οί χαϱιέστατοι Diod. 11, 87. vgl. die χαϱίεντες bei Plut. Dion 28. Ariſt. Eth. 1, 13. Ueber den Petalismos außer Diodor Heſych s. v. Rivinus in Schlaͤgers dissert. 1744. T. 1. p. 107. dadurch von der Staatsver - waltung abgeſchreckt ſah. Syrakus litt damals wie Athen durch Umtriebe der Demagogen und Cabalen der Sykophanten2Was die Sykophanten in der Demokratie, waren die Otakuſten und ποταγωγίδες in der Tyrannis, unter Hieron (Ariſtot. 5, 9, 3. vgl. den vetus Interpres bei Schneider) und unter den Dionyſen (Plut. Dion 28. de euriosit. 16. p. 147., der auch die letztern auf jeden Fall fuͤr Maͤnner genommen, woraus ich aber nicht mit Schneider bei Ariſtot. corrigiren moͤchte. ) vgl. Bd. 2. S. 166, 4.; es hatte ſich hier fruͤhzeitig eine mit der Sophiſtik nah verwandte Beredſamkeit zu bil - den angefangen, Vater derſelben war Korax, der bei Hieron als Einblaͤſer und Vertrauter, beim Volk als gewaltiger Redner und ſchlauer Rathgeber angeſehen war3S. die, freilich ſehr entſtellten, Schol. zu Hermogenes in Reis - ke’s Rednern T. 8. p. 196. außerdem Ariſtot. bei Cic. Brut. 12, 46.; der von Natur feine, gewandte, bewegliche Sinn des Siciliſchen Griechen4Siculi acuti Cic. Verrin. 3, 8. acuta gens et con - troversa natura Brut. 12, 46. dicaces, Verr. 4, 43. faceti Orat. 2, 54. hatte ſchon eine Rich - tung nach dem Verſchmitzten und Doppelzuͤngigen ge - nommen; beſonders trat der Geiſt der Juͤngern nach allem Neuen begierig dem Ernſte und der Strenge al -7φία und der ἀναδασμὸς, Diod. 11, 86. vgl. Goͤller de situ Sy - racus. 3. p. 9.160 ter Sitte und Lebensweiſe entgegen1Diod. 11, 87. wahrſcheinlich aus Philiſtos.. Von der Ver - faſſung gegen den Siciliſchen Krieg hin wiſſen wir, daß alle wichtigeren Angelegenheiten des Staats in der Volksverſammlung entſchieden wurden2Thuk. 6, 32 ff. 72 f. Diod. 15, 19. 95., und daß de - ren Leitung den Volksvorſtehern, δήμον προστάταις, die auch hier foͤrmlich beamtet waren, groͤßtentheils anvertraut war3Th. 6, 35.; — wie ſie das Volk gefuͤhrt, zeigt das Beiſpiel des Athenagoras, der die ſchon heranna - hende Expedition der Athener als ein Hirngeſpinſt oder eine Erfindung der Oligarchen, um das Volk in Schre - cken zu ſetzen, darſtellt. In wiefern voͤllige Freiheit, vor dem Volke zu reden, ſtatt fand, iſt nicht hinlaͤng - lich klar4Th. 6, 32. 41. Diod. 13, 19.. Daß immer noch ariſtokratiſch Geſinnte im Staate waren, geht ſchon aus Athenagoras Rede hervor; und es iſt nach Ariſtoteles auch wahrſcheinlich, daß ſie manche Wuͤrden noch ausſchließlich beſaßen5Hermokrates erſcheint als ein ariſtokratiſch Geſinnter in einer oͤffentlichen Wuͤrde. — Die νεώ - τεϱοι Thuk. 6, 38. koͤnnen nach dem Zuſammenhange unmoͤglich blos Juͤngere; es muͤſſen Veraͤnderungsſuͤchtige ſein.. Die dritte Periode beginnt mit dem Siege uͤber die Attiſche Armee. Da dieſen zuerſt die Flotte der Sy - rakuſier entſchied, hatte dadurch der gemeine Mann, der als Matroſe diente, an Wichtigkeit in ſeinen Au - gen ungemein gewonnen, und verlangte mit Ungeſtuͤm nach dem Genuſſe der hoͤchſten Wuͤrden, ganz wie in Athen nach der Schlacht von Salamis. Jetzt Ol. 92, 1. wurde auf Vorſchlag des Volksvorſtehers Diokles6Diodor 13, 19. 55. nennt ihn Demagogen. eine Commiſſion zur Anordnung einer neuen Verfaſſung niedergeſetzt, in der der Urheber des Plans ſelbſt den erſten Platz hatte. Dieſe ſchuf die Verfaſſung zur161 voͤlligen Demokratie um, als erſten Grundſatz an die Spitze ſtellend, daß die obrigkeitlichen Aemter nicht durch Wahl, ſondern durch Loos zu beſetzen ſeien1Ariſt. 5, 3, 6. Diod. 13, 35. Die δημηγοϱουντες loosten, blos um die Folge des Auftretens. Plut. Reg. apophth. p. 89. 90. Zu Strategen waͤhlte man noch immer die δυνατωτάτους. Diod. 13, 91.. Zugleich gab ſie geſchriebene Geſetze, die beſonders in Beſtimmung der Strafen ſehr genau und ausfuͤhrlich waren, und durch eine gewiſſe bittere Strenge ohne Zweifel den Unordnungen, die die neue Verfaſſung nothwendig nach ſich ziehen mußte, ſteuern wollten. Dieſer Codex, den auch andere Siciliſche Staaten annahmen, war in altem einheimiſchem Dialekt geſchrie - ben, der ſchon ſiebzig Jahre ſpaͤter (unter Timoleon) Exegeten bedurfte. Bei alle dem finden wir anderthalb Olympiaden ſpaͤter die Demokratie ſchon ſo in Miß - achtung3Plut. a. O. p. 92., daß der Demos, die Stadt in den Gefah - ren der Zeit zu ſchuͤtzen rein unfaͤhig, in voͤlliger Rathloſigkeit einen Feldherrn mit unumſchraͤnkter Ge - walt ernannte: was er ſpaͤter, je ungluͤcklicher es aus - ſchlug, um deſto oͤfter wiederholte. Dionyſios, maͤch - tig als ſolcher, und zugleich als Demagog das Volk vor Optimaten in beſtaͤndiger Angſt erhaltend4Ariſt. 5, 4, 5. 5, 8, 4. Diod. 13, 96., ward bald Tyrannos5Diod. 13, 94. vgl. Polyaͤn. 5, 2, 2.; als welcher er nur noch einen Schein der Verfaſſung beſtehen ließ, in Volksverſammlungen, die er berief, leitete und entließ6Diod. 14, 45. 64. 70. vgl. mehrere Stellen des Pſ. Ariſtot. Oekon. 2, 20. Die, von Dion z. B., ge - gen den zweiten Dionys berufenen (Diod. 16, 10. 17. 20. Plut, Dion. 33. 38. ) wird man nicht als zur Tyrannis gehoͤrig anſehen wollen. Cic. de rep. 3, 31. laͤugnet, daß unter Dionyſios Syra - tus uͤberhaupt eine res publica geweſen.. Dion ſtellte die2Diod. 13, 33. 35.III. 11162Demokratie auf kurze Zeit und nur halb und halb her1Plut. Dion 28.; denn eigentlich lag es in ſeinem Sinne, eine Doriſche Ariſtokratie nach dem Muſter Sparta’s und Kreta’s einzufuͤhren2ebd. 53. σχῆμα ‒ ἀϱιστοκϱατίαν ἔχον τὴν ἐπιοτατοῦσαν ϰαὶ βϱαβεύουσαν τὰ μέγιστα. Vgl. oben S. 15.. Mit mehr Entſchiedenheit machte Timo - leon die eigentliche Demokratie wieder zur geſetzlichen Verfaſſung3Diod. 16, 70., wie ſich verſteht nicht ohne Sykophanten und Demagogen, die ihre Waffen auch gegen den Gruͤnder der neuen Freiheit zu kehren nicht traͤge wa - ren4Plut. Tim. 37.. Als eine ariſtokratiſche Beimiſchung kann man das Amt des Amphipolos des Olympiſchen Zeus an - ſehen, welches von Ol. 109, 2. an drei Jahrhunderte fortdauerte, und mit dem hoͤchſten Anſehen — es gab dem Jahre den Namen — wohl auch Einfluß auf den Staat verband. Es wurden aber dazu aus drei Ge - ſchlechtern drei Candidaten durch Stimmen gewaͤhlt, und einer davon durch das Loos beſtimmt5Diod. 16, 31. mit Weſſel. Note. Cic. in Verr. 1. 2, 51.. Uebri - gens ließ Timoleon die Geſetze durch einen Korinthier, Kephalos, revidiren, der ſich aber nur Exegeten des Diokleiſchen Codex nennen ließ, obgleich er das Privat - recht, wie es ſcheint, neu umarbeitete6Diod. 13, 35. 16, 70.. Wir eilen uͤber die ſpaͤtern Zeiten ſchnell hinweg, im allgemeinen bemerkend, daß eine ſchwaͤchliche Demokratie hindurch - geht, oft im Streite mit oligarchiſchen Hetaͤrieen7Diod. 19, 3-5. — Nach einer ſolchen und vor Agathokles leitete den Staat geſetzlich ein Synedrion von 600 der Angeſehenſten (χαϱιεστάτοις). 19, 6., und dann demagogiſchen Tyrannen, wie dem Agatho - kles, der neue Aeckervertheilung und Schuldenbefreiung verhieß, in die Arme fallend8Diod. 19, 4. 6-9. Volksverſammlungen unter ihm, wenn es ihm einfiel, den δημοτι - κὸς zu ſpielen. Diod. 20, 63. 79.. Hieron II. ließ den163 Rath der Stadt beſtehn, den Hieronymos niemals be - fragte; daraus aber, daß er gleich nach deſſen Tode wieder hervortrat, ſcheint hervorzugehn, daß er kein jaͤbrlicher Volksausſchuß, ſondern eine fuͤr laͤngere Zeit gewaͤhlte Behoͤrde war1Sonſt haͤtte er bei Hieronymos Tode neu gewaͤhlt oder er - loost werden muͤſſen, wovon Liv. 24, 22. nichts. Die seniores K. 24. ſind wohl Mitglieder deſſelben; dann beſtand ſchon damals eine Γε - ϱουσία, die in der ſpaͤten Inſchr. bei Caſtelli Inscr. Sic. 5, 5. p. 44. vorkommt.; die Strategen hatten fort - waͤhrend ſehr hohe Gewalt, auch in den Volksverſamm - lungen, in denen indeß auch Leute vom niedrigſten Volke ſprechen konnten2Liv. 24, 27.. Damit haͤngt vielleicht zu - ſammen, daß die Hipparchen eine polizeiliche Aufſicht uͤbten3S. Heſych, Suid., Zenob. ἱππάϱχου πίναξ; es ſtanden darauf τὰ τῶν ἀταϰτούντων ὀνόματα. Bei Diod. 14, 64. ſcheint ἱππεῖς Name des Standes zu ſein..
An die Syrakuſiſche Verfaſſung knuͤpfen wir einige Notizen uͤber die von Gela, und deſſen Colonie Akragas: da dieſe Staͤdte, obgleich von Rhodos ſtammend, doch mehr der Syrakuſier Beiſpiel in der Bildung ihrer Verfaſſung gefolgt ſein moͤgen. In bei - den herrſchte zuerſt Adel und Reichthum, dann eine ge - raume Zeitlang Tyrannen4Zu Gela Kleandros nach einer oligarchi - ſchen Periode (Ariſtot. 5, 10, 4.) von Ol. 68, 4-70, 3. (Her. 7, 154. Dion. H. 7, 1. Pauſ. 6, 9.) dann ſein Bruder Hippokra - tes 70, 3-72, 2. Gelon Ol. 72, 2. Zu Akragas Cenſusver - faſſung (Ariſt. 5, 8, 4.), dann Phalaris von Ol. 53, 4-57, 3. nach Euſeb. und Bentlei, dann Alkmanes und Alkandros (Herakl. Pont. 36.), Theron Ol. 73, 1-76, 4. nach Boͤckd, Thra - ſydaͤos, der in demſelben Jahre vertrieben wurde.. Akragas erhielt nach Thraſydaͤos Sturze Ol. 76, 4. eine demokratiſche Ver - faſſung5Diod. 11, 53. κομισάμενοι τὴν δημοκϱατίαν.; wir wiſſen indeß, daß damals auch eine11 *164Verſammlung von Tauſenden dem Staate, auf drei Jahre niedergeſetzt, vorſtand, die Empedokles, der Philoſoph, abſchaffte1S. Diog. L. 8, 66. Timaͤos Fragm. 2 Goͤller. Sturz Empedoeles p. 108., und dadurch des Volkes Gunſt in ſolchem Grade gewann, daß ihm ſelbſt das Koͤnig - thum angetragen wurde2Ariſtot. bei Diog. 8, 63. Die Worte: ὥστε οὐ μόνον ἦν τῶν πλουσίων ἀλλὰ καὶ τῶν τὰ δημοτικὰ φϱο - νούντων, enthalten keine Sehwierigkeit.. Jene Verſammlung der Tauſend finden wir auch in Rhegion und Kroton, bei welcher Stadt wir auf dieſelbe zuruͤckkommen werden. Weiter fehlen uns alle bezeichnenden Nachrichten. Scipio richtete den Rath von Agrigent von neuem ein, und ſetzte feſt, daß darin die Zahl der neuen Coloniſten des Manlius nie die der Altbuͤrger uͤberſteigen duͤr - fe3Cic. Verr. 1. 2, 50.. Derſelbe Rath heißt in einer Inſchrift roͤmiſcher Zeit4Gruter p. 401. Caſtelli p. 79 Aa. Synkletos, Synedrion und Bule, und ſcheint aus 110 Maͤnnern beſtanden zu haben; der Tag der Verſammlung iſt angegeben; es ſcheint, daß der Rath damals alle zwei Monate gewechſelt5ἁλιασμα ἑκτας διμηνου Καϱνειου εξηκοντος ΠΕΜΠΤΑι. vgl. oben von Rhodos S. 150.; der Vorbeſchluß des Raths geht an die Volksverſammlung (ἁλία); dieſer ſteht ein πϱοάγορος vor6Die βουλὴ hat zum παϱαπϱοστάτας (ΠΑΡΑ - ΠΡΟΣΤΑΤΑ ΤΑΣ iſt zu ſchr. ) den Hierothytes., wie auch in Katana der hoͤchſte Magiſtrat zu Cicero’s Zeiten hieß7Verr. 1. 4, 23. 39.; eine Phyle, die Hylleiſche eben, hat den Vorſitz. Eponymos iſt — dem Syrakuſiſchen Amphipolos entſprechend — ein Hierothytes; an deſſen Stelle in einem aͤhnlichen Dekret Gelas8Maffei Mus. Veron. p. 329. Muratori p. 642, 1. Caſtelli p. 84. vgl. ebd. p. 25. ein Hierapolos9Von den ἱεϱαπό - λοις vgl. Boiſſonade im Classic. Journ. 17. p. 368., und daneben ein κατενιαύ - σιος, ein juͤhrlicher (ob Archont?); genannt wird. Hier165 ſcheint die βουλὴ alle Halbjahre veraͤudert worden zu ſein1βουλας ἁλιασμα (vg. ἁλιασματα) δευτεϱας ἑξαμηνου Καϱ - νειου τϱιακαδι., ihren Beſchluß beſtaͤtigt ebenfalls die ἁλία2εδοξε τᾳ ἁλιᾳ ϰαλα ϰαι τᾳ βουλᾳ, wie mit Caſtello zu leſen wohl der Sinn fordert.; die Verſammlung leitet ein πϱοστάτης, derſelbe Ma - giſtrat, den wir nun ſchon in faſt allen demokratiſirten Staͤdten der Dorier, in Argos, Korkyra, Syrakus, vorgefunden haben3vgl. auch das Kalymniſche Dekret (Chandl. p. 21. u. 85.) εδοξε τᾳ βουλᾳ ϰαι τῳ δαμῳ γνωμα πϱοσταταν..
Wir wenden uns nach dem Peloponnes zuruͤck. In Sikyon waren die Tyrannen wie anderwaͤrts aus den Haͤuptern einer demokratiſchen Parthei hervorge - gangen4Bd. 2. S. 161., ihre Herrſchaft machte einer Zeit der Un - ordnung und Zuchtloſigkeit ein Ende, die die Pythia zu ſagen veranlaßte: Sikyon beduͤrfe der Zuchtmeiſter5Plut - de sera n. v. 7. p. 231.. Durch deren Sturz war eine aͤltere Verfaſſung wieder hergeſtellt, die ſich auch ohne Stuͤrme waͤhrend des Peloponneſiſchen Krieges erhielt. Wir erfahren nur, daß Ol. 90, 3. die Lakedaͤmonier die Verfaſſung noch oligarchiſcher machten6Thuk. 5, 81.; daß ſie im Ganzen nicht de - mokratiſch geweſen, beweist ſchon die Treue, womit Sikyon am Peloponneſiſchen Bundeshaupte hing. Nach der Schlacht von Leuktra finden wir in Sikyon eine Achaͤiſche, das heißt, eine Cenſusverfaſſung, in der die Neichen herrſchten7Xen. Hell. 7, 1, 44.; Euphron verhieß Ol. 102, 4. dieſe zur Demokratie umzubilden, u. machte ſich ſelbſt dabei zum Tyrannen, bis ihn die Parthei der Edlen, die er ver - folgte, wieder ſtuͤrzte87, 1, 45. 7, 3, 4.. Am umfaſſendſten ſtellt Plu - tarch die Umwaͤlzungen der Verfaſſung dar: “nachdem die reine und Doriſche Ariſtokratie9ἄϰϱατος ϰαὶ Δωϱιϰὴ α̛ ϱιστοϰϱατία, Plut. Arat. 2., gleichwie eine166 Harmonie, verwirrt und zerſtoͤrt war, fiel Sikyon aus einer Unruhe, einer Tyrannis in die andere, bis es zur Zeit des Aratos die, damals faſt ganz demokrati - ſchen, Inſtitute der Achaͤer annahm1Vgl. Ubbo Emmius de rep. Sicyonia p. 217..
Daß wir Phlius im Peloponneſiſchen Kriege dem Spartiatiſchen Intereſſe treu und Argos beſtaͤndig feind - lich finden, iſt ein unverwerflicher Beweis fuͤr ariſto - kratiſche Anordnung des Staats2Auch flichen Argeiiſche Oligarchen nach Phlius. Thuk. 5, 83.. Eine Revolution vor Ol. 99, 2. hatte die Lakoniſche Parthei vertrieben, die aber das Volk in demſelben Jahre wieder aufzu - nehmen gezwungen wurde; die Verfaſſung war indeß noch demokratiſch, bis Ageſilaos, von der erſtern Par - thei herbeigezogen, die Stadt eroberte und die Verfaſ - ſung neu anordnete3Xen. H. 5, 2, 8 ff. 5, 3, 10 ff. 5, 3, 21 ff. Funfzig von jeder Par - thei entwerfen eine neue Verfaſſung. 5, 3, 25. — Die in Argos lebenden Vertriebenen, Ol. 101, 2., ſind offenbar Demokraten, dieſelben die bei Xen. H. 7, 2, 5. Ol. 102, 4. (Ol. 100, 2.). Vor dieſem Zeit - punkte beſtand die demokratiſche Volksverſammlung aus mehr als 5000 Maͤnnern, die Lakoniſch Geſinnten ſtell - ten uͤber 1000 wohlgeruͤſtete Streiter. Sehr geordnete Verhaͤltniſſe beweist die Ausdauer und der Heldenmuth, mit dem die Phliaſier, Ol. 102. u. 3., Stadt und Land gegen die Anfaͤlle der Argeier, Arkader, Eleer, The - baͤer vertheidigten, bis ſie, ohne die Treue gegen Sparta zu verletzen, mit Theben und Argos (103, 3.) Frieden ſchloſſen.
In Megara war die demagogiſche Tyran - nis des Theagenes durch Sparta geſtuͤrzt, und eine aͤltere Verfaſſung eingeſetzt worden, die eine Zeitlang mit Weisheit verwaltet wurde4Plut. Qu. Gr. 18. Μεγαϱεῖς Θεαγένη ‒ ἐϰβαλόντες, ὀλίγον χϱόνον ἐσωφϱόνησαν ϰατὰ τὴν πολιτείαν., aber ſchon in der167 Periode des Perſerkrieges durch Aufnahme von Perioͤ - ken demokratiſcher zu werden anfing1oben S. 41. Daß die Stelle auf Megara bei Korinth geht, ſcheint mir ziemlich gewiß.. — Der Ele - giker Theognis zeigt ſich um dieſe Zeit als eifrigen Freund der Ariſtokratie2oben S. 11. 72, er fuͤrchtet insbeſondere Maͤnner, die das gemeine Volk zum Boͤſen aufregen, und als Partheihaͤupter den jetzt noch ruhigen Staat in innern Kampf ſtuͤrzen; er klagt uͤber das Verſchwin - den des Adelſtolzes, uͤber das allgemeine Streben nach Reichthum, uͤber das Zunehmen verſchlagener, ſchlauer Geſinnung3S. V. 43. 66. 847 Bekk.. Bald ging auch wirklich aus dem Stre - ben nach Volksfreiheit, durch Demagogen herbeige - fuͤhrt, die groͤßte Verwirrung hervor; das Volk bezahlte nun keine Zinſen mehr von den geliehenen Capitalen, und forderte ſogar die ſchon bezahlten heraus (παλιν τοϰία); die Haͤuſer der Reichen, auch Tempel wurden gepluͤndert, Viele verbannt, um ihr Vermoͤgen einzie - hen zu koͤnnen4Ariſtot. 5, 2, 6. 5, 4, 3. Plut. a. O. Ich glaube, daß auch Theognis 677 von dieſer Zeit ſpricht: Χϱήματα δ̛ ἁϱπάζουσι βίῃ, ϰόσμος δ̛ ἀπόλωλεν, und in der gan - zen politiſchen Allegorie der Stelle. — In dieſe Zeit trifft der Fre - vel gegen die Peloponneſiſchen Theoren. Plut. a. O. 59.. In dieſer Zeit nahmen die Megarer vielleicht das demotiſche Inſtitut des Oſtrakismos auf5Schol. Ariſtoph. Ritt. 851. Phavorin ὀστϱαϰίνδα.. Doch kehrte der Adel bald zuruͤck, uͤberwand den De - mos in einer Schlacht, und ſtellte nun eine um ſo haͤr - tere Oligarchie her, in der die oͤffentlichen Aemter eine Zeitlang nur aus ſolchen beſetzt wurden, welche gegen das Volk mit gefochten hatten6Ariſtot. 5, 4, 3. 4, 12, 10.. Es iſt wahrſchein - lich, daß dieſe Ruͤckkehr den Abfall Megara’s von Athen, Ol. 83, 3., zur Folge hatte7Thuk. 1, 114. vgl. 103.; im Anfange des168 Peloponneſiſchen Krieges herrſchte die Lakoniſche Par - thei daſelbſt. Aber im achten Kriegsjahre befand ſich die ariſtokratiſche Parthei aus Megara wieder ver - bannt in Pegaͤ; und als ſie zuruͤckgerufen und einge - ſetzt werden ſollte, wollten die Vorſteher des Demos lieber die Athener in der Stadt haben, als die von ihnen Vertriebenen. Braſidas indeß bewirkte, daß ſie unter dem Verſprechen der Amneſtie zuruͤckkehrten, das ſie aber wenig hielten. Denn als ſie erſt wieder zu den obrigkeitlichen Wuͤrden gelangt waren (auf die ſie alſo beſonderen Anſpruch haben mußten), fuͤhrten ſie hun - dert ihrer Hauptfeinde vor das Volk, und zwangen dies, die Angeklagten mit offenen Stimmen zu richten. Das Volk, durch dieſen Terrorismus geſchreckt, ver - urtheilte ſie zum Tode. Zugleich richteten jene eine enge und ſtrenge Oligarchie ein1Thuk. 4, 66. 74., welche ſehr lange Zeit hindurch Beſtand hatte2Th. a. O. u. 5, 31.. Indeß finden wir doch Ol. 101,〈…〉〈…〉. wieder die Demokratie als geſetzliche Ver - faſſung, und oligarchiſche Umtriebe zuruͤckgewieſen3Diod. 15, 40.. Demoſthenes4π. παϱαπϱεσβ. 435. 436. erwaͤhnt ein Gericht der Dreihundert daſelbſt, uͤber Staatsverbrechen richtend; auch war da - mals Adel und Reichthum noch oft in denſelben Per - ſonen vereinigt. Von Megariſchen Magiſtraten haben wir oben einen Koͤnig genannt5S. 109, 2., und fuͤgen hier den Hieromnamon hinzu, welches ſtets der Prieſter des Poſeidon war6Plut. Sympoſ. 8, 8, 4. p. 379., wo freilich der Ausdruck un - beſtimmt iſt., ein Amt von der Bedeu - tung etwa, wie der Amphipolos, Hierapolos, Hiero - thytes in den Siciliſchen Staͤdten. Wie alt das An - ſehn dieſer Wuͤrde war, geht daraus hervor, daß ſie ſich eben ſo in den Kolonien Megaras, in Byzanz169 und Chalkedon, findet. Dort nennt einen Hierom - namon ein Dekret bei Demoſthenes1vom Kranz 255. Eben ſo ein anderes bei Polyb. 4, 52, 4. Auch auf Muͤnzen kommen ſie vor., und zwar als Eponymos des Jahres; hier ein auf unſere Zeiten er - haltenes2bei Caylus Re - cueil 2. pl. 55., in der bibliothèque du Roi zu Paris. Es iſt daſſelbe, welches Corſini F. A. 1, 2, 469 sq. fuͤr Delphiſch gehal - ten. Es wird darin einem Ἁγεμὼν βουλᾶς Bekraͤnzung dekretirt, und die unterſchriebenen acht ſind wohl Buleuten. zuerſt einen Baſileus, dann einen Hierom - namon, dann Prophetas, darauf drei Nomophylakes, alle als in einem beſtimmten Monate den Staat ver - waltend (αἰσυμνῶντες). Die erſten beiden fanden wir eben gerade ſo zuſammen in Megara, der dritte bezieht ſich auf Apollondienſt, von deſſen Verpflanzung aus der Mutterſtadt nach Chalkedon oben gehandelt, und ein Orakel des Gottes daſelbſt nachgewieſen iſt3Bd. 2. S. 230, 1.; bei den Nomophylaken erinnern wir an Sparta. Der Hieromnamon aber war wohl auch in den Colonieen Prieſter des Poſeidon, deſſen vom Iſthmos ſtammender Dienſt in Byzanz wenigſtens vor allen andern bluͤhte4S. außer andern Boͤttiger Amalth. 2. S. 304. — Von den Hieromnemonen hat weitlaͤuftig Letronne gehandelt, Mem. de l’Acad. des I. et B. L. 6, 221., aber ohne zu merken, daß ſie außer Delphi Megara und deſſen Colonieen eigenthuͤmlich ſind..
Byzanz Verfaſſung war zuerſt Koͤnigthum5Dies wenigſtens unter Dineos (Dinaͤos), oben Bd. 2. S. 120. Von den Leibeigenen oben S. 62., dann Ariſtokratie6Nach Heſych. Mileſ. Λέων τις τῶν Βυξαντίων ἀϱιστοκϱατίαν ἐδέξατο., welche in eine Oligarchie umſchlug, die Thraſybul der Athener Ol. 97, 3. abſchaffte, und Demokratie an deren Stelle ſetzte7Xen. Hell. 4, 8, 27. Was die 30 bei Diod. 14, 12. ſind, die Klearch nach den Magiſtraten ermorden ließ, iſt voͤllig dunkel, da die rich - tige Erklaͤrung oder Emendation von Βοιωτοὺς noch deſiderirt wird.. Damit wurde170 wohl auch den Neubuͤrgern gleiches Recht gegeben, die ſonſt einmal von den alten Coloniſten ihrer Anmaßun - gen wegen aus der Stadt gejagt worden waren1Ariſt. Pol. 5, 2, 10.. Darnach ſcheint die Demokratie lange fortbeſtanden zu haben2Theopomp bei Athen. 12, 526 e. vergl. Memnon 23 bei Photios p. 724., aber ſie fuͤhrte nach Theopomp bei dem taͤg - lichen Herumtreiben auf dem Markte allgemach ein verworfenes Leben in Schenken und Luͤderlichkeit her - bei; welches auch auf die Nachbarſtadt Chalkedon uͤber - ging, da dieſe die Byzantiſche Volksherrſchaft ange - nommen, und mit der alten Verfaſſung auch die fruͤher vortreffliche Zucht der Sitten aufgegeben hatte. Auch waren in dieſen Zeiten meiſtentheils die Byzantier in Finanznoth, aus der ſie ſich oft durch ſehr gewaltſame Operationen zu retten ſuchten3Pſ. Ariſtot. Oekon. 2, 3. Die Zolleintreibungen am Boſporos ſind bekannt.. — In dem Dekret bei Demoſthenes uͤbergiebt der Rath (βωλὰ) einen Vorbeſchluß, ῥήτρα genannt4ῥὴτϱα heißt auch in Sparta (oben S. 86.) ein Senatsbeſchluß ſchon ehe ihn das Volk gebilligt hat., einem Einzelnen, um ihn an das Volk in der ἁλία zu bringen, ziemlich auf Attiſche Weiſe; die damalige Verfaſſung heißt darin ἁ πάτριος πολιτεία. Die Archontenwuͤrde war vielleicht mit der Demokratie eingefuͤhrt5Sie kommt auf Muͤn - zen vor. vgl. Heyne Commentat. rec. Gotting. T. 1. p. 8.; die Civilgewalt der Strategen iſt vielen Staaten in ſpaͤtern Zeiten gemein. — Als Abtheilung der Phylen6Pſ. Ariſtot. Oekon. a. O., wie es ſcheint, als eine Art Phratrien alſo, kommen die Hunderte, ἐκα - τοστῦς, vor7Chandl. Inscr. App. 12. p. 94.; die wahrſcheinlich allen Megariſchen Colonieen gemein waren, da wir ſie auch in Herakleia Pontike finden. Hier wiſſen wir notoriſch, daß einſt die Hekatoſtys Glieder der Phylen waren, deren die171 Stadt drei hatte1Dies geht aus dem Zuſammenhange der Erzaͤhlung bei Aeneas Poliork. 11. hervor. Die Zahl vier der Hekatoſtys iſt ſicher falſch; ich glaube, daß entweder εἴκοσι oder πεντὴκοντα ausgefallen iſt. Caſaub. Emd. 40 fuͤr 4 iſt nicht zulaͤſſig. Die Begebenheit trifft wohl vor Ol. 104., ſo daß die Reichen (die alten Kle - renbeſitzer naͤmlich) ſich in denſelben Hekatoſtys zuſam - men befanden; die Volksvorſteher aber, die Ariſtokra - tie gaͤnzlich zu vernichten geſonnen, theilten das Volk in ſechzig neue, von den Phylen unabhaͤngige, in die Reiche und Arme durch einander eingetragen wurden: ungefaͤhr dieſelbe Operation, durch die Kleiſthenes zu Athen die Demokratie ſo ſehr gehoben hatte.
Dieſes Herakleia Pontike, eine zum Theil Boͤotiſche aber hauptſaͤchlich Megariſche Gruͤndung2S. Bd. 2. S. 122., hatte im Anfange gewiß die Verfaſſung anderer Dori - ſchen Colonieen, und als Staͤnde erſtens die Beſitzer der großen Kleren urſpruͤnglicher Theilung, dann einen Demos, der ſich zugleich oder nachher angeſiedelt, drittens die leibeigenen Mariandynen3S. oben S. 63.. Ohne die Epochen der Verfaſſung weiter verfolgen zu koͤnnen, bemerken wir nur, daß eine Zeitlang eine Buͤrgerſchaft im engern Sinne (ein πολίτευμα) beſtand, aber das Volk im weitern doch die Gerichte (die Civilgerichte, meine ich) hatte, was die Umwaͤlzung der Verfaſſung herbeifuͤhrte4Ariſtot. 5, 5, 6.. Vor Olymp. 104, 1. verlangte der Demos ſehr heftig Schuldenaufhebung und neue Thei - lung der Feldmark; der Rath, welcher damals noch kein Volksausſchuß, ſondern ein ariſtokratiſch gewaͤhlter war5Dies geht aus dem Zuſammenhange der Hauptſtelle bei Juſtin. 16, 4. hervor., wußte zuletzt in Rathloſigkeit kein Mittel, als einen Vertriebenen, Klearch, zu Hilfe zu rufen, der auch ſogleich mit geworbenen Truppen in die Stadt kam,172 aber bald, ſtatt das Anſehn derer, die ihn gerufen, zu ſchuͤtzen, Fuͤhrer des Demos, und — was eigentlich der ſchon iſt, der die blinde Gewalt und phyſiſche Kraft der Maſſe gegen Recht und Ordnung in Bewegung ſetzt — Tyrannos wurde1Mit Juſtin vgl. vor andern Aeneas Poliork. 12.. Klearch toͤdtete von den Mit - gliedern des Raths, die er habhaft wurde, ſechzig an der Zahl2Nach Polyaͤn 2, 30, 2. ließ Klearch den geſammten Rath der 300 ermorden, der nach der Stelle ein ſtehendes Collegium war.; ließ ihre Knechte, die Mariandynen alſo, frei, und zwang ihre Frauen und Toͤchter, ſolche zu heirathen — ſicher das ſchnellſte Mittel, um alle Ge - ſchlechterherrſchaft auszurotten; aber der Stolz edler Abkunft war in den weiblichen Seelen ſo maͤchtig, daß ſich die meiſten durch Selbſtmord der Schmach entzo - gen. Es iſt anzunehmen, daß eine in ſolchem Sinne verwaltete, durch viele Succeſſionen fortdauernde Ty - rannis jede Spur der alten Verfaſſung vernichtete3Von der Megariſchen Colonie Aſtypalaͤa haben wir ziemlich wohlerhaltene Volksbeſchluͤſſe, aber erſt aus den letzten Zeiten der Freiheit, wo die Verfaſſung der Attiſchen gleich erſcheint. Eine Inſchrift, ſchon citirt Bd. 2. S. 151, 8., beginnt: εδοξε τᾳ βου - λᾳ και τῳ δαμῳ φιλ — — ενευς επεστατει γνωμα πϱυ [τανιων επει [δη Αϱκεσιλας Μοιϱαγενευς αἱ [ϱελεις] αγοϱανομος επεμελη - θη του δαμου μετα πασας φιλοτιμιας u. ſ. w. Eine an - dere aus denſelben Papieren enthaͤlt συνϑήκας des δῆμος τῶν Αστυπαλαιέων und des δῆμος τῶν Ρωμαὶων; auch hier ſteht: εδοξε τω δημω Ευχωνιδας Ευκλευς επεστατει πϱυτανιων [γνωμα]..
In der Spartiatiſchen Colonie Knidos herrſchte eine ſtrenge Ariſtokratie. Der Regierung ſtand ein Rath aus 60 Maͤnnern vor, die aus den Edlen er - waͤhlt. Deſſen Amtsverwaltung war ganz die der Spartaniſchen Geruſia, welcher er auch in der Zahl nachgebildet iſt. Er berieth uͤber alle Angelegenheiten, ehe ſie der Volksverſammlung vorgelegt wurden, und173 hatte die hoͤchſte Sittenaufſicht. Das Amt war lebens - laͤnglich, und keine Verpflichtung zur Rechenſchaft1Alles dies ſteht in Plut. Qu. Gr. 4.. Die Mitglieder hießen ἀμνήμονες; ἀφεστὴρ der Vor - ſteher, der einen jeden Geronten um ſeine Meinung befragte. Dabei war aber aus jeder Familie nur Ei - ner zum Senat und den oͤffentlichen Aemtern wahlfaͤ - hig; juͤngere Bruͤder waren ausgeſchloſſen. Dies er - regte Zwietracht unter den Familiengliedern ſelbſt; die Zuruͤckgeſetzten traten auf die Seite des Volks, und die Oligarchie wurde geſtuͤrzt2Ariſtot. 5, 5, 3. 11.. Es geſchah dies ver - muthlich wenige Zeit vor Ariſtoteles; der Philoſoph Eudoxos und ein wenig bekannter Archias werden als Geſetzgeber der Knidier genannt3Jener von Hermipp bei Diog. L. 8, 88. u. Plut. g. Kolotes 32. p. 194 H. Dieſer v. Theodoret Graec. aff. 9, 16..
Auf der Spartiatiſchen Inſel Melos finden wir nichts bemerkenswerth, als daß die Vollmacht der Ma - giſtrate wenigſtens groͤßer als in Athen zu ſein pflegte4Thuk. 5, 84.. Von Thera’s alter Verfaſſung und den Ephoren da - ſelbſt iſt ſchon oben das noͤthige bemerkt5S. 61, 2. u. 112..
Auch die Umwandlungen der Kyrenaͤiſchen Verfaſſung ſind ſchon bei den Perioͤken angedeutet wor - den. Anfaͤnglich mag die Verfaſſung der Spartiati - ſchen ziemlich analog geweſen ſein. Hernach kamen die alten Rechte der urſpruͤnglichen Coloniſten mit den An - ſpruͤchen der hinzugekommenen in mannigfachen Streit, und zugleich gewannen die Koͤnige eine verfaſſungswi - drige und faſt tyranniſche Macht. Es ſcheint, daß ſie beſonders durch Bekanntſchaft und Verſchwaͤgerung mit Aegyptens Herren auf den Gedanken gebracht wurden, das althelleniſche Koͤnigthum in orientaliſche Deſpotie zu verwandeln. Daher mußte unter Battos III. der174 Mantineer Demonax, als Geſetzgeber herbeigerufen, die Souveraͤnetaͤt der Gemeinde wieder herſtellen; der - ſelbe gab den neuen Coloniſten mit den Altbuͤrgern im Ganzen gleiches Buͤrgerrecht, wenn dieſen auch noch manche Vorzuͤge gelaſſen wurden. Die Koͤnige wurden außerordentlich beſchraͤnkt, und allein auf die Einkuͤnfte von prieſterlichen Funktionen und ihren Guͤtern ange - wieſen1τεμένεα im homeriſchen Sinne, Herod. 4, 161. vgl. Diod. Exc. 8. Bd. 2. S. 551 Weſſ. Τὰ τῶν πϱογόνων γέϱεα K. 162. geht auf die genommenen Einkuͤnfte, und auch Rechte., da ſie ſich vorher das Vermoͤgen des Staats im Ganzen angemaßt2Diod. 2. S. 550 Weſſ.; ſie hatten, wie die Spartia - tiſchen, Sitz und Stimme im Rathe und auch wohl die Leitung deſſelben, welches Amt Pheretime, die Mut - ter Arkeſilaos III., waͤhrend Abweſenheit ihres Soh - nes verſah3Her. 4, 165.. Dieſen Beſchraͤnkungen widerſtritten aber die eben genannten Regenten, wie ihre Nachfolger, mit Heftigkeit, und zogen ſo ihren Untergang ſelbſt herbei. Auch der Arkeſilaos, dem Pindar dichtete, der vierte des Namens, herrſchte ohne Milde, und durch Soͤld - ner ſeine Macht ſchuͤtzend4Boͤckh Expl. ad Pind. P. 4. p. 266.: und gewiß nicht ohne be - ſondern Grund, aber ſchwerlich mit Erfolg, raͤth ihm der edle Dichter, “nicht doch mit ſcharfem Beile die Zweige der großen Eiche (die Edlen des Staats) zu vertilgen, und ihr die ſchauenswerthe Geſtalt zu ver - ſchaͤnden; denn auch der Bluͤthe beraubt gebe ſie Zeug - niß ihrer Kraft, wenn winterlich verderbliches Feuer (der Empoͤrung) ſie erfaſſe; oder diene in fremden Mauern einen ſchmaͤhlichen Dienſt unter Saͤulen des Herrenhauſes zur Stuͤtze aufgeſtellt” (wenn das Volk ſich aus Verzweiflung einem auslaͤndiſchen Koͤnige un - terwirft)5P. 4, 263. nach Boͤckhs Erkl.. Aber die ſanftheilende Hand, mit der der175 Dichter dagegen die Wunden der Staats zu behan - deln anraͤth, war nicht die des, nur durch Kriegs - muth und Kuͤhnheit ausgezeichneten Arkeſilaos. Darum ſchloß mit ihm die Reihe der Kyrenaͤiſchen Fuͤrſten (nach Ol. 80.), und Demokratie trat an deren Stelle; ſein Sohn Battos floh nach den Heſperiden und ſtarb hier; den Kopf des Leichnams verſenkten die Republikaner auf den Meeresboden1Herakl. Pont. 4.. Die neue Regierungsform gewann durch eine gaͤnzliche Umſchmelzung Beſtand und Dauer; die Phylen und Phratrien wurden vermehrt, der politiſche Verband der Geſchlechter aufgehoben, die Familienſacra zu gemeinſamen gemacht u. ſ. w.2Ariſtot. Pol. 6, 2, 11. vgl. Schneider Add. p. 502. Dieſe oben (S. 64, 2.) beilaͤufig citirte Stelle gehoͤrt genauer hieher; denn daß die τὸν δῆμον καϑιστάντες nicht Demonax ſind: folgt daraus, daß dieſer nur 3 Phylen einrich - tete, und ihre Zahl alſo wohl ſchwerlich vermehrte. Ich weiche in mehreren Stuͤcken abſichtlich ab von Thrige Historia Cyrenes P. 1. p. 171 sq. . Doch muß in der Verfaſſung ein Keim von Unruhen und Umwaͤlzungen geblieben ſein3S. auch uͤber den Streit einer demokr. und ariſtokr. Faktion. Ol. 95, 1. Diod. 14, 34., wenn die Kyrenaͤer den Platon baten, ihnen eine gemaͤßigte und wohlge - ordnete Politie einzurichten, was der Philoſoph abge - lehnt haben ſoll: weil ſie ſich gar zu gluͤcklich duͤnkten; in ſpaͤterer Zeit ſoll Lukull, der Roͤmer, den Staat nach vielfacher Tyrannis wieder zur Ruhe gebracht haben4Plut. Luk. 2. — Ueber die Ephoren von Kyrene oben S. 112..
Die Verfaſſung der Lakoniſchen Colonie Ta - ras hat zwei Hauptperioden. In der erſten noͤthigt die Analogie ein aͤhnliches Verhaͤltniß der Staͤnde vor - auszuſetzen, wie in andern Doriſchen Colonieen: adlige Altbuͤrger, unter einem Koͤnige5oben S. 109. den Staat leitend;176 dem Volke geringe und beſchraͤnkte Regierungsrechte eingeraͤumt; leibeigene Ureinwohner beſonders auf den Aeckern des erſten Standes1Ueber dieſe ſ. oben S. 54, 1. Aus dieſen Pelasgiſchen Leibeigenen gingen nach Platon Geſetze 6, 777. Raͤuberbanden, πε - ϱίδινοι genannt, hervor. vgl. Athen. 6, 267.. Dieſe Verfaſſung muß aber allmaͤlig gemildert worden ſein, Ariſtoteles nennt ſie ſo Politie im engern Sinne, die nach ihm bis uͤber den Mederkrieg hinaus beſtand, und erſt in Demokra - tie uͤberging, da in einer blutigen Schlacht gegen die Japyger (Ol. 76, 3.) ein großer Theil des Adels ge - fallen war25, 2, 8. vgl. Heyne Opusc. Acad. 2. p. 221.. Der Uebergang wurde ohne heftige Be - wegung durch einige Inſtitute eingeleitet, in denen die Ariſtokratie ſich den Forderungen des Demos nachgiebig erzeigte3Ariſt. 6, 3, 5. Man kann dieſe Inſtitute nur hieher ſetzen, da das Praͤſens παϱασκευά - ζουσι deren Fortdauer beweist, ἐποίηααν hernach geht blos auf die Zeit der Einrichtung, ἵνα μετέχῃ beweist wieder den Beſtand.. Erſtens gab ſie nach Ariſtoteles dem Volke freie Benutzung der Guͤter, worunter wohl nur ein ager publicus verſtanden werden kann; und dann wur - den alle obrigkeitlichen Stellen zweimal beſetzt, einmal durch Wahl, zugleich aber durchs Loos, um auch den gemeinen Mann dazu gelangen zu laſſen. Dieſe De - mokratie befoͤrderte zuerſt ungemein die Bluͤthe und Macht des Staats4Str. 6, 280., als noch Maͤnner von Wuͤrde und Anſehn, als namentlich einer der Edelſten der Zeit, Archytas der Pythagoreer, ein Mann von ungemeiner Seelenkraft und Weisheit, und dabei wie alle Anhaͤnger des Bundes, (deſſen Theilnehmer er indeß nicht mehr geweſen ſein kann,) ariſtokratiſch geſinnt5was auch das Fragment des Archytas uͤber die Lakoniſche Verfaſſung (Stobaͤos Serm. 41., Orelli Opp. moral. 2. p. 254.) beweiſen wuͤrde, wenn es aͤcht waͤre., dem Staate vorſtand. Er war ſiebenmal Strateg, obgleich das177 Geſetz ſonſt unterſagte, derſelben Perſon dieſe Gewalt oͤfter zu verleihen1Diog. L. 8, 79. ſechsmal nach Aelian V. G. 7, 14. vgl. 3, 17., und wurde als ſolcher niemals geſchlagen2Ariſtoxenos bei Diog. 8, 82.; das Volk uͤberließ ihm lange mit ſchoͤnem Vertrauen die Oberleitung des geſammten Staats3Str. a. O. Demoſth. Εϱωτ. p. 1415 R. Plut. de educ. lib. 10. p. 28. reip. ger. praec. 28. p. 191. vgl. Fabric. Bibl. Gr. ed. Harles. 2. p. 30.. Wie aber hernach, als ſolche Maͤnner zur Leitung der Menge fehlten, und das fruͤh keimende Sittenverderb - niß, durch den Luxus der Natur hervorgerufen, durch keine ſtrengen Inſtitute gezaͤhmt, immer weiter um ſich griff, der Staat von Tarent ſo entartete, daß von dem alten Dorismus, und namentlich von dem Cha - rakter der Mutterſtadt jede Spur verſchwand, daher er, wenn immer noch aͤußerlich maͤchtig und reich, doch durch innere Ohnmacht, beſonders wenn frecher Poͤbel - uͤbermuth hinzukam4Ueber die ἀσέλγεια und ὕβϱις der Tarentiner ſ. beſonders Dion. Hal. Ex. ed. Mai 17, 5. 7. — Eine βουλὴ zu Tarent, deren πϱοβούλευμα zur Kriegserklaͤrung noͤthig, bei Liv. 8, 27. Volksverſammlung uͤber Krieg u. Frieden entſcheidend, Diod. 19, 70. Plut. Pyrrh. 13. Cheirotonie derſelben, Plut. Qu. Gr. 42. aus Theophraſt., untergehn mußte, iſt hinlaͤnglich bekannt.
Von der Verfaſſung der Tarantiniſchen Colo - nie Herakleia (Ol. 86, 4.) lehren die erhaltenen, ſonſt ſo wichtigen, Urkunden im Ganzen wenig. Ein Ephoros iſt ἐπώνυμος, fuͤnf erwaͤhlte ὁρισταὶ ſollen das heilige Land des Dionyſos ſchaͤtzen und nach den Regeln Etruskiſcher Agrimenſoren vermeſſen auf Beſchluß der Volksverſammlung5vgl. oben S. 86, 6., um, was davon im Laufe der Zeit verloren gegangen, auszumitteln, und das Uebrige zu ſichern. Der Staat, zwei Polia -III. 12178nomoi und die Horiſten verpachten darauf das heilige Land nach Beſchluß der Herakleer, und geben die Be - dingungen an, bei denen auch Sitagerten als Aufſeher des oͤffentlichen Kornmagazins erwaͤhnt werden. Die jaͤhr - lichen Polianomoi haben die beſtaͤndige Aufſicht uͤber die Erfuͤllung der Pachtkontrakte, ſie fuͤhren Unterſu - chungen mit zehn Geſchwornen, die ſie ſich vom Volke zuerwaͤhlen, treiben bei Verletzungen derſelben die darin beſtimmten Bußen ein, und referiren in andern Faͤllen an die Volksverſammlung; ſie ſelbſt ſind der Verant - wortung ausgeſetzt.
Wir knuͤpfen Kroton an, da auch dieſe Stadt, unter Spartas Auktoritaͤt von einem Herakli - den gegruͤndet und daher den Herakles ſelbſt als Stif - ter verehrend1S. Bd. 2. S. 126. 448., wo noch Diod. 4, 24. zuzufuͤ - gen iſt., als an Doriſchem Stamme Antheil habend betrachtet werden muß, wenn auch ſpaͤter der zahlreichere Achaͤiſche Theil der Bevoͤlkerung uͤberwie - gend erſcheint. Kroton war der Boden, auf welchem Pytyagoras ſein Ideal einer wahren Ariſtokratie ver - wirklichen wollte, und verwirklichte: was wir indeß nur dann als moͤglich begreifen, wenn wir dies Ideal als kein luftiges Theorem und Hirngeſpinſt, ſondern vielmehr in nationaler Denkweiſe begruͤndet, und den Verfaſſungen Sparta’s, Kreta’s und der Unteritali - ſchen Staͤdte, in denen Pythagoras auftrat, ſelbſt zum Grunde liegend erkennen; daher denn auch ein Theil ſeiner Wirkſamkeit als blos herſtellender und zuruͤck - fuͤhrender Art, als Tyrannis zerſtoͤrend, Volksanma - ßungen abweiſend, alte Rechte neu gruͤndend, beſchrie - ben wird2Jamblich. Pyth. 7, 33. vgl. Porphyr. Pyth. 21. 22.. Kroton aber waͤhlte er zum Mittelpunkte179 ſeiner Thaͤtigkeit erſtens als eine Anlage ſeines Fami - liengottes Apollon1Bd. 2. S. 263., zweitens als “die Stadt der Geſunden”, was es durch Klima, Gymnaſtik und rei - nere Sitten war, als wenigſtens die Nachbarſtaͤdte, Tarent und Sybaris, damals kannten. Die Regie - rung der Stadt war, als der Philoſoph auftrat, in den Haͤnden eines Rathes von Tauſend, welcher ein Synedrion bildete2Jambl. Pyth. 9, 45. und Di - kaͤarch bei Porphyr. 18. der die Mitglieder γέϱοντας nennt. Vie - leicht iſt die σὐγχλητος bei Diod. 12, 9. daſſelbe.; dieſem vorzuſtehn, als Prytanis wahrſcheinlich3S. oben S. 137, 1., ſollen die Krotoniaten ſelbſt den Py - thagoras gebeten haben4Valer. Max. 8, 15. ext. 1.. Einen ſolchen Rath von Tauſend fanden wir ſchon oben in Akragas zur Zeit des Empedokles; dieſelbe Zahl verwaltete, nach dem Cenſus gewaͤhlt, in Rhegion den ganzen Staat5Herakl. Pont. 25.. Hiernach koͤnnen wir annehmen, daß auch die Tauſend von Kroton die Reichſten waren: was indeß in Staͤd - ten, deren Macht auf Landbeſitz beruht, ehe Revolu - tionen die Verhaͤltniſſe verwirrt, im Ganzen zugleich die adligen Familien zu ſein pflegen. Sie konnten zu Kroton in den meiſten Angelegenheiten ohne Volksver - ſammlung entſcheiden6Jamblich 35, 260., und beſaßen auch richterliche Gewalt7S. 27, 126.. Der von Pythagoras gegruͤndete Rath da - gegen, der nicht timokratiſcher, ſondern rein ariſtokra - tiſcher Art geweſen zu ſein ſcheint, enthielt nur drei - hundert Mitglieder8Diog. L. 8, 3. vgl. Apollon. bei Jamblich. 35, 254. 261. Ju - ſtin 20, 4., eine in aͤhnlichen Verhaͤltniſſen oͤfter vorkommende Zahl9oben S. 80.; an ſeiner Spitze ſtand Py - thagoras ſelbſt. Es iſt eine der groͤßten Erſcheinungen in der Geſchichte des oͤffentlichen Lebens der Hellenen,13 *180daß die Philoſophie des Maaßes, der Einheit, des χόσμος das unbewußte Streben der Beſſern der Zeit ausſprechend, und daher an ſich anſchließend, die Lei - tung des gemeinſamen Handelns uͤbernahm und auf eine geraume Zeit in Haͤnden behielt; ſo daß die vor - handenen Elemente jegliches in ſeinem Weſen erkannt, und jedem der gebuͤhrende Platz angewieſen, die durch aͤußeres und inneres Recht Befaͤhigten an die Spitze geſtellt, aber ihnen, wie den Platoniſchen φύλαχες, zuerſt ſtrenge Selbſterziehung zur Hauptpflicht gemacht wurde, um ſo auch die Erziehung der Uebrigen allge - mach vorzubereiten. Jetzt zweifelt Niemand mehr, daß der Pythagoriſche Bund großentheils politiſcher Natur, daß ſein Zweck foͤrmliche Leitung der Staaten, und daß ſein heilſamer Einfluß auf dieſelben von der tiefgrei - fendſten Art und auch nach der Zerſtoͤrung des Ganzen in Groß-Griechenland durch mehrere Geſchlechter fort - dauernd war1Die Auseinanderſetzung dieſer Thatſache iſt ohne Zweiſe ein Verdienſt von Meiners Geſch. der Wiſſenſch. B. 3. K. 3.. Dieſe Zerſtoͤrung ging aus von der natuͤrlichen Gegenkraft einer ſolchen Ariſtokratie, von dem Demos und deſſen Fuͤhrern, denn nur als ſolcher konnte Kylon die Kataſtrophe herbeifuͤhren, die er her - beifuͤhrte; es wird berichtet, daß der Widerſtand des Ordens gegen ein agrariſches Geſetz, das die Verthei - lung des Gebiets des eroberten Sybaris unter das Volk betraf, die Gemuͤther zu entzuͤnden diente2Apollon. bei Jambl. 35, 255.. Das geſammte Volk ſolle zu den Volksverſammlungen und obrigkeitlichen Stellen zugelaſſen, und allen abgehenden Magiſtraten Rechenſchaft von einer durch das Loos aus dem Volke erwaͤhlten Behoͤrde abgenommen wer - den3Apollon. bei Jambl. 35, 257. vgl. 260., dabei Schuldenerlaß und neue Aeckerverthei -181 lung1Jambl. 35, 262., forderte die Gegenparthei: woraus wir ſchlie - ßen duͤrfen, daß die Pythagoreer nach Spartiatiſch - Kretiſchem Grundſatze nichtverantwortliche Oberbehoͤrden hatten, und Wahl zu allen Staatsaͤmtern noͤthig hiel - ten. Wie furchtbar couvulſiviſche Bewegungen der Sturz des Bundes (gegen Ol. 69.) in den unteritali - ſchen Staaten verurſachte, bezeugt der beſorgte Antheil des geſammten Griechenlandes an der Beruhigung, wel - che endlich dadurch erreicht wurde, daß die Italiſchen Staͤdte den Dorismus aufgebend, allgemein Achaͤiſche Verfaſſung und Inſtitute annahmen2Polyb. 2, 39. Jambl. 35, 263. vgl. hiezu wie zu dem Vorigen Heyne Opusc. Acad. II. p. 178., von denen ſie erſt unter der Herrſchaft des Syrakuſier Dionyſios und dann unter der Obmacht der umwohnenden Barbaren laſſen mußten. Die Achaͤiſche Verfaſſung nun war nach Polybios32, 41, 5. und oͤfter. Pauſ. 7, 7, 1. gleich nach dem Sturze des letzten Koͤnigs Ogyges Volksherrſchaft geworden, und blieb es im Allgemeinen bei mannigfachem Wechſel im Einzelnen; wir wiſſen auch, daß ſie der Spartiatiſchen ſehr unaͤhn - lich war4Thuk. 5, 80.: indeſſen zweifeln wir doch, ob ſie in da - maliger Zeit ſchon eigentliche Demokratie genannt wer - den konnte, da Xenophon angiebt, daß in Sikyon Ol. 103. Timokratie herrſchte, nach den Geſetzen der Achaͤer”5Hell. 7, 1, 44., welche Worte unmoͤglich auf einen blos voruͤbergehenden Zuſtand dieſes Volkes gehen koͤnnen. So fand auch in Kroton im Jahre der Stadt 637. kei - nesweges vollſtaͤndige Demokratie ſtatt, ſondern, wie bei allen Italiſchen Griechen zur Zeit, ein Senat aus den Optimaten, der mit dem Volke oft ſelbſt in offe - nem Kampfe lag6Liv. 24, 2. 3..
Zuletzt endlich gehoͤrt auch die Verfaſſung Delphi’s hieher, wenn wir oben mit Recht ange - nommen haben, daß die angeſehenſten Geſchlechter Del - phi’s Dorier waren1Bd. 2. S. 211. oben S. 135.. Eben da iſt gezeigt, daß dieſe Geſchlechter in aͤlterer Zeit eine ſtrenge Ariſtokratie ver - walteten; aus den Edlen wurden die Prieſter gewaͤhlt, denen die Leitung des Orakels oblag; aus ihnen der Pythiſche Gerichtshof, einer Spartiatiſchen Geruſia und dem altattiſchen Ephetengerichtshofe vergleichbar; aus ihnen die bedeutendſten Magiſtrate, unter denen ehemals ein Koͤnig2oben S. 110. Aus der angef. Stelle ſieht man, daß auch zu Plut. Zeit noch ein βασιλεἰς, dem Namen nach, exiſtirte., hernach ein Prytanis der angeſe - hendſte war3oben S. 135.. Spaͤter kommen Archonten als ἐπώνυ - μοι vor4ἐπ〈…〉〈…〉 αϱισταγοϱα αϱχοντος δελφοις, αιτωλων πολεμαϱχου αλεξ - ανδϱου. Dodwell Tour 1. S. 182. u. ſehr haͤufig ſonſt. Die Delphiſchen Archonten Gylidas und Diodoros Ol. 47, 3. u. 49, 3. (Hypoth. Schol. Pind. P.) moͤchte ich aber fuͤr Prytanen halten.. Daneben bildete ſich ein Demos aus den umwohnenden, vielleicht auch aus den dem Tempel unterworfenen Voͤlkern, der auch wenigſtens ſpaͤter in einer ἐχχλησία handelnd auftritt5Oeſter in Inſchr. Cyriac. 196. p. 27. Murat. p. 589.. Die Bule wurde in dieſen Zeiten hier wie zu Gela und Rhodos (nach der oben aufgeſtellten Meinung) halbjaͤhrig erneuert, aber ſie ſcheint nur aus wenigen Mitgliedern beſtanden zu haben, da neben dem Archonten immer nur einer oder wenige βουλεύοντες in den Schenkungsurkunden an den Delphiſchen Tempel genannt werden6S. mehrere zuſammen bei Chandler 2, p. 83. 150 ff. und ſonſt oͤſter.. Wir uͤbergehen manche Einzelheiten aus ſpaͤterer Zeit, da es uns nur daran lag, auf jene Grundzuͤge fruͤherer Verfaſſung aufmerkſam zu machen.
Es erhellt aus dem bisher Zuſammengeſtell - ten, daß, ſo wenig man auch von einer dem Doriſchen Stamme gemeinſamen Verfaſſung, als in hiſtoriſcher Zeit beſtehend, ſprechen kann, doch eine ſolche in vielen Staaten deſſelben noch deutlich als den ſpaͤtern Ent - wickelungen voraus und zum Grunde liegend erkannt, und in dem einen laͤngere, in dem andern kuͤrzere Zeit ſich erhaltend gefunden wird. Dieſe Verfaſſung, die wir mit Pindar in der Spartiatiſchen Staatsform am beſtimmteſten ausgepraͤgt ſehen, iſt durchaus ari - ſtokratiſcher Art1αὐστηϱὰ καὶ ἀϱιστοκϱατικὴ πολιτεία. Plut. Vergl. Lyk. u. Numa’s 2. Nach Plut. de monarchia 2. p. 205. hat Sp. ἀϱιστοκϱατικὴν ὀλιγαϱχίαν καὶ αὐϑέχαστον. Iſokr. Nikokles S. 39. Lange, von den Lakedaͤmoniern: οἴχοι μὲν ὀλιγαϱχοὐμενοι, πεϱὶ δὲ τὸν πόλεμον βασιλευόμενοι. vgl. Cragius 1, 4.; Sparta war daher der Helleniſchen Ariſtokratie Grundſtein und Angelpunkt; und hier allein ſtand dieſe durch alle Perioden faſt unverruͤckt (daher auch Sparta unter allen Staaten einzig ohne heftige Revolutionen blieb)2Ohne Tyrannis auch Kreta nach Platon Geſ. 4, 711., bis die Zahl der aͤchten Spartiaten faſt ausgeſtorben, und die Bedingungen des Beſtandes der alten Verfaſſung zum Theil hinwegge - nommen waren. — Ariſtokratie aber nennen wir die Spartiatiſche Verfaſſung mit Entſchiedenheit1Der Koͤnig ſoll im Doriſchen Staate δᾶμον γεϱαὶϱειν, Pind. P. 1, 61. der durchgehenden und herrſchenden Tendenz wegen, die Menge ſtets durch Wenige aber als beſſer vorausge - ſetzte zu leiten, und den Buͤrgern weit weniger ſelbſt - vertrauende Freiheit einzupraͤgen, als Gehorſam und Scheu vor denen, fuͤr deren Wuͤrdigkeit ihr Geſchlecht, ihre Erziehung und ihre eigene vom Staate anerkannte Tuͤchtigkeit buͤrgt. Indeſſen bemerken die Alten3Vgl. hiezu und zum Folgenden Platon Geſ. 4, 712 d. Ariſt. Pol. 2, 3, 10. 4, 5, 11. 4, 6, 4. 5., womit Cic. de rep. 2, 23. zu vgl., die respubli -, daß184 man ſie auch eine Demokratie nennen koͤnne, indem die hoͤchſte Macht doch immer als im Volke ruhend be - trachtet wurde, und in der Lebensſitte voͤllige Gleich - heit herrſchte; und eben ſo wohl eine Monarchie wegen der Koͤnige; ja es draͤngten ſich auch in der Gewalt der Ephoren Anfaͤnge der Tyrannis ein: ſo daß in die - ſer einen, wie eigentlich in jeder ausgebildeten, alle Verfaſſungsformen darin lagen2Auch die Kretiſche Verfaſſung war nach Platon a. O. Alles zugleich.. Aber die Seele aller dieſer Formen war der Doriſche Geiſt der Scham und Furcht vor den Geſetzen der Vorfahren, und dem Urtheil Aelterer (das Anſehen des Geſchlechts iſt aber gleichſam eine Fortſetzung des perſoͤnlichen Alters); der der Geiſt des aufopfernden Gehorſams gegen den Staat und die Vorgeſetzten (πειϑαρχία)3Darauf, nicht auf Eroberun - gen, geht Simonides Ausdruck: δαμασὶμβϱοτος Σπὰϱτα, bei Plut - Ageſil. 1. vgl. Polyb. 4, 22, 4. Plut. Lyk. 30. reip. ger. praec. 20. 21. p. 181. 182. Lak. Apophth. p. 246., die Verſe des Tra - giker Ion bei Sext. Empir. adv. math. 69 a., u. eine Fourmont - ſche Inſchr. von Sparta: ἡ πολις Μ. Αυϱ. Αφϱοδεισιον — της εν τοις πατϱιοις Λνϰουϱγειοις εϑεσιν ευψυχιας και πειϑαϱχιας χαϱιν.; die Erkenntniß endlich, daß ein ſtrenges Maaß und eine weiſe Be - ſchraͤnkung im Handeln ſicherer zum Heile fuͤhre, als eine ins Ungewiſſe hinausſtrebende Fuͤlle von Kraft und Leben.
Wie ſich nach dieſen Doriſchen Grundſaͤtzen in Sparta ſelbſt der Niedere gegen den Hoͤheren, der Pri - vat gegen den Magiſtrat verhielt: ſo galten wieder eine lange Zeit hindurch die Spartiaten im Verhaͤlt - niß zum uͤbrigen Griechenlande als Ariſtokraten, und3ca Laced. ſei zwar mixta, aber nicht temperata geweſen; dage - gen der angebl. Archytas bei Strab Serm. 41.185 zwar nicht ſowohl durch aͤußere Uebermacht und Zwang, ſondern durch die innere Anerkenntniß, daß von ihnen aus vor allen das ſtrengwaltende Geſetz und die heil - bringende Ordnung komme. Was ein Lakoniſcher Man - tel und Stock unter den uͤbrigen Griechenſtaͤmmen ver - mochte, iſt oft wunderbar zu ſchauen1Vgl. Plut. Lyk. 29. 30.; wie durch ei - nen Zauber bringt der eine Gylipp, obgleich keiner von den Beſten ſeiner Nation, Einheit und Feſtigkeit in den Syrakuſiſchen Demos, und giebt allen Unterneh - mungen deſſelben erſt Kraft und Nachdruck; mehr als einmal war ein Spartiat genug, um Schaaren von Aeolern und Ionern Aſiens zur Vereinigung und ge - meinſamen That zu fuͤhren; noch in den Zeiten der Aufloͤſung Griechiſcher Gemeinweſen ſehen wir Spar - tiaten als die geborenen Feldherren durch kein anderes Geſetz verbundener Miethsheere, als den feſten und entſchiedenen Willen der Fuͤhrer. — Unter den Athe - nern haben, bei aller Befangenheit des Urtheils der Menge, und bei aller Schwierigkeit, ſich eine davon freie Anſicht zu bilden, viele der Edelſten und Beſten den Spartiatiſchen Staat ſtets fuͤr ein verwirklichtes Ideal gehalten, und, wie Kimon und Xenophon, (deſ - ſen entſchiedener Lakonismus doch ſicher keine Thorheit war) ſelbſt mit Aufopferung eigenen Vortheils, ſich an ihn mit Waͤrme und Eifer angeſchloſſen. Die Vorliebe aller Sokratiker fuͤr Sparta iſt bekannt2vgl. den Platoniſchen Sokrates, Kriton 14. Protag. p. 342 c. Staat 8, p. 544 c. mit dem Xenophontiſchen, Denkw. Sokr. 3, 5, 15, und was Antiſthe - nes ſagt bei Plut. Lyk. 30.; und der rechtlichſte der Finanziers, Lykurgos, vereinigte mit ariſtokratiſcher Geſinnung Bewunderung der Geſetze La - kedaͤmons3S. g. Leokr. p. 166, 5. Aeſchi -. Es iſt wunderbar, wie Maͤnner von ſo186 ausgezeichnetem Geiſte, Praktiker und Theoretiker, ihre Achtung einem Staate zuwandten1Auch Polyb. 4, 81, 12. nennt die Spartiatiſche Verf. gra - dezu καλλίστη πολιτεία., den uns neuere Schriftſteller2wie der unverſtaͤndige de Pauw, dem in dem Beſtreben, Sp. zu verunglimpfen, unter den Alten Polykrates (der Rhetor wahrſcheinlich) vorausgegangen iſt. Heyne de Spart. rep. Commentat. Gotting. T. IX. p. 2. oft als eine Horde von Halbwilden vor - geſtellt haben. Gewiß duͤrfen wir das Urtheil der Ge - nannten, die ſicherlich den Gegenſtand deſſelben genug - ſam kannten, nicht aus einer kraͤnklichen Sehnſucht nach einem fuͤr die Athener verlornen Naturzuſtande abzu - leiten ſuchen. — Uns Neuern dagegen wollen nur gar zu oft vorgefaßte Anſichten von dem Bildungsgange des Menſchengeſchlechts nicht geſtatten, den Eindruck der Geſchichte unbefangen aufzunehmen; wir weigern uns in einem Jahrhundert, das wir mit rohen Verſuchen einen Staat zu organiſiren beſchaͤftigt glauben, die tiefſte politiſche Weisheit zu erkennen. Anders die ſpe - kulativen Politiker des Alterthums, wie die Pythago - reer und Platon, denen faſt nur der Spartiatiſch-Kre - tiſche, das heißt, der altdoriſche Staat, uͤberhaupt als Staat galt; und in der That kommt die in Sparta verwirklichte Staatsidee der am naͤchſten, die Pytha - goras in Unteritalien zu verwirklichen ſtrebte, und Platon als verwirklicht zu werden moͤgliche aufſtellte: eine feſtgeſchloſſene der Familie verwandte Gemeinſchaft mit dem Zwecke wechſelſeitiger Erziehung. Denn Py - thagoras Orden hat mit dem Spartiatiſchen Staate außer dem ariſtokratiſchen Geiſte noch ſehr viel ande - res Uebereinſtimmendes, die Syſſitien und das gemein - ſchaftliche Leben uͤberhaupt, die Menge und Strenge3nes: ἀλλ’ οὐ Λακεδαιμὁνιοι (g. Timarch 25, 32.) iſt blos eine laͤ - cherliche Nachahmung Kimons.187 diſciplinariſcher Geſetze; auch iſt die hier executirte Guͤ - tergemeinſchaft der Doriſchen Guͤtergleichheit in der Idee nahe verwandt. Und Platon, wenn er auch den Spartiatiſchen und Kretiſchen Staat einer nicht immer billigen Critik unterzieht, hat doch offenbar ſeine poli - tiſchen Ideen, wenn auch nicht durchaus unmittelbar, von der Betrachtung dieſer Staaten abgezogen1Ueber die Aehnlichkeit des Platoniſchen und Lakoniſchen Staats Morgenſtern de Platon. rep. p. 305., da ganz ohne hiſtoriſch gegebene Baſis, ſo verſteckt ſie auch immer ſein mag, Spekulation uͤber den Staat ſich ſchwerlich denken laͤßt: die Attiſch-Ioniſche Demokra - tie aber verſchmaͤht er gaͤnzlich in Betracht zu ziehn, weil ſie ihm auf ſeinem Standpunkte minder ein Staat, als eine Vernichtung des Staats ſcheinen mußte, wo Jeder fuͤr ſich Alles zu ſein ſtrebend, den Organismus, in dem Jeder nur als Theil des Ganzen exiſtirt, auf - zuloͤſen trachtete.
Es waͤre intereſſant zu wiſſen, wie Spartiaten der beſſern Zeit dieſe aufgeloͤsten Verfaſſungen anſa - hen und beurtheilten. Schwerlich, moͤgen wir anneh - men, mit guͤnſtiger Meinung. Vielmehr erſchien ihnen der Demos von Athen gewiß im Ganzen, wie ein La - kone bei Ariſtophanes2Lyſiſtr. 170. vgl. den λάβϱος στϱατὸς des Pindar oben S. 12, 3. ſich ausdruͤckt, als ein ῥυά - χετος, als ein verworrener ſtuͤrmiſcher Volkshaufen. Daher ſie ſich auch im Pelop. Kriege ſcheuten, mit der ganzen Gemeine zu verkehren, und nur mit einzel - nen Ausgewaͤhlten unterhandeln wollten3Thuk. 4, 22. Vgl. die Entſchuldigungen des Alkibiades, 6, 89.. Ueberhaupt aber war Sparta, weil es in Vergleich mit der allge - meinen Beweglichkeit des Griechiſchen Weſens ſeit den Perſerkriegen dem ſtarren Magnete glich, der noch im -188 mer nach dem Pole der alten Nationalidee zeigte, dem uͤbrigen Griechenlande an politiſchen und Lebensſitten unaͤhnlich und fremd geworden1Thuk. 1, 77., daher die ins Aus - land geſandten Spartiaten entweder durch das Abwei - chende und Auffallende derſelben abſtießen, oder durch Schwanken und Inconſequenz leicht das entgegenkom - mende Zutrauen verloren.
Nachdem wir bis hieher die Verhaͤltniſſe der Per - ſonen des Staats unter einander in Beziehung auf die Regierung und Leitung des Ganzen in Betracht ge - zogen: kommen wir zu denjenigen, die ſich aus der Beziehung der Perſonen zu den Guͤtern ergeben: zu der Lehre von der Haushaltung. Wie einfach dieſe im Doriſchen Staate ſein muͤſſe, geht daraus hervor, daß es eben dieſes Staates Zweck iſt, aus den be - zeichneten Verhaͤltniſſen alles Willkuͤhrliche und Zufaͤlli - ge zu entfernen, und die Guͤter dadurch, daß ſie kein Objekt freier Thaͤtigkeit ſind, dem, nur fuͤr ethiſche Tuͤchtigkeit auszubildenden, Gemuͤthe gleichguͤltig zu ma - chen: daher wenigſtens den Herrſchern des Staats, den eigentlichen Spartiaten, alle Erwerbthaͤtigkeit mit ihrer Freude wie mit ihrer Noth entzogen werden mußte1S. 27.. Da alſo auch nach dieſem Grundſatze den Ein - zelnen moͤglichſt wenig Freiheit in der Benutzung der Guͤter zu geſtatten, und dagegen dem Staate eine ſehr große Einwirkung darauf einzuraͤumen war: ſo iſt ſchon einzuſehen, wie in einem ſolchen Staate oͤffent - liche und Privatoͤkonomie nicht ſtreng geſondert ſein konnten, ſondern beide durcheinander laufen mußten: daher wir ſie auch bei dieſer Betrachtung nicht zu ſchei - den verſuchen wollen.
190Alles Land in Lakonien war entweder unmittelba - rer Beſitz des Staats, oder freies Gut der Spartia - ten, oder tributaͤres der Perioͤken. Daß der Staat von Sparta Heerden und Aecker hatte, iſt aus ſchon oben angefuͤhrten Thatſachen klar1Her. 6, 57. vgl. oben S. 106., wenn ſie auch nicht ſo bedeutend waren, wie in Kreta2S. 53. von der μνοῖα Vgl. die τεμένη δημόσια von Byzanz bei Pſ. Ariſt. Oekon. 2, 2. 3.; auch die großen Waͤlder, in denen jeder Spartiat jagen konnte, mußten dem Ganzen gehoͤren. Es iſt ebenfalls nicht zu zweifeln, daß dieſes Staatsgut verſchieden war von dem koͤniglichen3wie auch in Kyrene. Oben S. 174., in den Perioͤkenſtaͤdten gelegenen; ich glaube, daß dies die Perioͤken bewirthſchafteten, wie ihr uͤbriges Land, und dem Koͤnige nur den Tribut zahlten. Das uͤbrige Perioͤkenland war zwar in zahl - reiche, aber gewiß ziemlich kleine Portionen eingetheilt; wie oben ſchon bemerkt, waren deren 30,0004oben S. 47., eine Zahl, die mit der der hundert πόλεις wohl zugleich feſtgeſtellt war5S. 23.: aber jeder κλῆρος hatte im Gan - zen nur eine Familie, die er naͤhrte und die ihn be - baute, ſo viel wir erfahren, ohne Heloten. Daher muͤſſen die 9000 Kleren der Spartiaten, die noch ein - mal ſoviel Menſchen ernaͤhrten, als jene der Perioͤken6S. 47., an Umfang im Ganzen auch wohl noch einmal ſo groß ge - weſen ſein, der einzelne dann an ſiebenmal groͤßer. Die Guͤter der Spartiaten nun waren, nach allgemeinem Zeugniß, untereinander gleich geſetzt, wahrſcheinlich nach einer allgemeinen Schaͤtzung des Ertrags7Vgl. Lykurgs angebl. Apophthegma uͤber die gleichen Kornſchober, Plut. Lyk. 9., denn den Umfang konnte man bei ſo verſchiedenartigem Bo - den nicht als beſtimmend anſehn; doch auch ſo mochte bald von Anfang mannigfache Ungleichheit ſtatt finden,191 die im Verlaufe der Zeit, bei natuͤrlichen Veraͤnderun - gen des Bodens, noch bedeutender werden mußte, be - ſonders in Betreff der mit den Guͤtern, wie wir oben annahmen, eng verbundenen Sklaven. Indeſſen war doch das Princip der Gleichheit vorhanden, welches ohne Zweifel ethiſch im Volke begruͤndet lag; wir be - merkten ſchon oben, daß dieſe eigentlich nur eine un - tere Stufe der Guͤtergemeinſchaft iſt, die der Pythago - reiſche Orden nach dem Grundſatze: κοινὰ τὰ τῶν φίλων durchzufuͤhren ſuchte1S. außer andern Timaͤos bei Schol. Plat. Phaͤdr. p. 68 R. und bei Diog. L. 8, 10. Meiners Geſch. der Wiſſ. 3, 3. — Pla - tons communitas bonorum vergleicht mit Lykurgs Einrichtung Cicero de Rep. 4. (p. 281 Mai. ) bei Nonius s. v. proprium p. 689 Gothofr., und die bei den Spartiaten in der freien Benutzung der Jagdhunde, Pferde, Knech - te, ſelbſt der Vorraͤthe Anderer wirklich ſtatt fand2Xen. Staat 6, 3. 4. Ariſt. 2, 2, 5. Plut. Lac. Inst. p. 252.: und was war endlich die ganze Syſſitieneinrichtung Sparta’s und Kreta’s, als eine Gemeinmachung des Vermoͤgens im[Gebrauch]? 3Ariſt. 2, 2, 10.
Obgleich Eintheilungen des Landes nach ſolchen Principen ſchon ſeit der erſten Beſetzung Lakonika’s durch die Dorier bewerkſtelligt ſein moͤgen: ſo kann doch die ſpaͤter beſtehende in 9000 Looſe nicht vor dem Ende des erſten Meſſeniſchen Krieges gemacht worden ſein4In dem Apophth. des Polydor bei Plut. p. 223. liegt, daß dieſer Koͤnig eine κλἠϱωσις von Meſſenien veranſtaltete.. Sehr merkwuͤrdig iſt die geſchichtliche Nachricht, daß Tyrtaͤos durch ſeine Eunomia das Verlangen vieler Buͤrger nach einer neuen Theilung (ἀναδασμὸς) be - ſchwichtigt habe5Ariſt. 5, 6, 1.. Sie erklaͤrt ſich ſo, daß die Spar - tiaten, welche damals ſchon Kleren in Meſſenien hat - ten, und nun von dieſen keine Erndten heimbringen192 konnten, von neuem auf Lakonika angewieſen ſein woll - ten. — Als aber jene Eintheilung gemacht wurde, muß Sparta wirklich ungefaͤhr 9000 Familienvaͤter gehabt haben, oder, nach altem Ausdrucke, ſo viel οἴκους, von denen nun jeder einen κλῆρος erhielt; denn οἶκοι und κλῆϱοι gehoͤrten nothwendig zuſammen1Plut. Agis 5. καὶ τῶν οἴκων ὃν ὁ Λυκοῦϱγος ὥϱισȣ φυλαττόντοω ἀϱιϑμὸν ἐν ταῖς διαδοχαῖς, καὶ πατϱὸς παιδὶ τὸν κλῆϱον ἀπολιπόντος. — vgl. Heyne a. O. p. 15.. Setzen wir alſo jeden οἶκος eines Spartiaten mit ei - nem κλῆρος verſehen: ſo bleibt die Hauptaufgabe uͤbrig, beide in dieſer Vereinigung durch dazu geeignete In - ſtitute fuͤr die Folgezeit zu erhalten; und wie dies ei - gentlich geſchehen, denn geſchehen iſt es im Ganzen, iſt auch fuͤr die neuere Forſchung ein noch immer nicht befriedigend geloͤstes Problem2Wohl erkannt hat die Schwierigkeiten Fr. v. Raumer Vorleſ. uͤber alte Geſch. 1. S. 236.. Der erſte Theil deſ - ſelben iſt die Erhaltung der Haͤuſer fuͤr ſich: uͤber die im Alterthum außer der politiſchen Oekonomie auch ſchon die Religion zu wachen gebot. Nichts fuͤrchterli - cher fuͤr Griechen aͤlterer Zeit, als das Ausſterben der Familie, die Veroͤdung des Hauſes3So Herod. 6, 86. von dem Spartiaten Glaukos: οὔτα τι ἀπόγονον, οὐτ̛ ἱστίη οὐδ〈…〉〈…〉 μίη νομιζομένη εἶνατ Γλαύκου., durch die der Todte ſeine religioͤſe Ehre, die Goͤtter des Geſchlechts ihre Opfer, der Heerd ſeine Flamme, die Vorfahren ihren Namen unter den Lebenden verlieren. Dieſer konnte man in Sparta durch Verfuͤgungen uͤber die Erbtoͤchter, Adoptionen, Einfuͤhrungen von Mothaken in Familien ohne Deſcendenz und andere, unten zu be - ruͤhrende, Mittel wehren; auch ſchonte man im Kriege die, welche noch keine Soͤhne hatten4Herod. 7, 205.. Dazu kam nun zweitens die durch Sitte und Herkommen gebotene193 Unveraͤußerlichkeit und Untheilbarkeit des Familien-Kle - ros1Herakl. Pont. 2. πωλεῖν δὲ γῆν Λακεδαιμονίοις αἰσχϱὸν νενόμισται (vgl. Ariſt. 2, 6, 10.), τῆς ἀϱχαίας μοίϱας ἀνανέ - μεσϑαι οὐδὲν ἔξεστι. vgl. Plut. Inst. Lac. p. 252.; welche nothwendig forderte, daß nur ein eigent - licher Erbe hinterlaſſen werde2Dies fuͤhrt als Lakoniſches Geſetz an Prokl. zu Heſiods Ἔϱγ. 374. p. 198 Gaisf., wahrſcheinlich immer der aͤlteſte Sohn3Juͤngere Bruͤder erbten aber ſogleich, wenn der aͤltere ohne aͤchte Deſcendenz abging, Plut. Ageſ. 4.. Was indeß vernuͤnftiger Weiſe nur ſo verſtanden werden kann, daß dieſer zwar allein als Herr des Hauſes und Gutes galt, aber auch die uͤbrigen Familienglieder mit gleichem Fuge Antheil am Genuſſe forderten. Jener hieß Doriſch ἑστιοπάμων, der Herr des Heerdes4Pollux 1, 8, 75. 10, 3, 20. mit Hemſterh. Note. Ueber die Ableitungen von πάω vgl. Valckenaer ad Ammon. 3, 7.; die ſaͤmmtlichen Glieder des Hauſes nannte der Kreter Epimenides ὁμοκάπους, die Zuſammenſpeiſenden, Charondas ὁμοσιπύοτς, die von einem Vorrath Zehrenden5Ariſt. 1, 1, 6., die Spartiaten vielleicht παώτας6Heſych: παῶται συγγενεῖς, οἰκεῖοι.. Fuͤr dieſe mußte alſo der Herr des Heer - des den Beitrag zu den Syſſitien zahlen, ohne den Niemand zugelaſſen wurde7Ariſt. 2, 6, 21.; wir werden unten ſehen, daß er dies fuͤr drei Maͤnner und Frauen allenfalls noch konnte: die andern Beduͤrfniſſe waren unbedeu - tender8Die μικϱὰ ἔχοντες bei Xen. Staat 7, 4. muͤſſen ſolche ſein, die keinen κλῆϱος fuͤr ſich beſitzen, wie die μικϱὰν οὐσίαν κεκτη - μένοε bei Ariſt. 2, 6, 10.. Waren aber noch mehr Maͤnner im Hauſe, und man ſollte denken, daß dies bei beſonderer Frucht - barkeit einzelner Geſchlechter oͤfter ſtatt finden mußte: ſo war, außer der Verheirathung mit Erbtoͤchtern, die Ausſendung in Colonien ein fruͤher wenigſtens haͤufig gebrauchtes Auskunftsmittel, oder der Staat mußte,III. 13194um der bitterſten Armuth zu ſteuern, auf irgend eine andere Weiſe ins Mittel treten. Dies waͤre mit we - nig Umſtaͤnden geſchehen, wenn es wahr waͤre, was Plutarch erzaͤhlt, daß jedem Spartiatiſchen Knaben gleich nach der Geburt die Stammaͤlteſten, in einer Leſche zuſammenſitzend, einen Kleros der Neuntauſend gegeben haͤtten1Lyk. 16.. Dann muͤßte man aber annehmen, daß der Staat oder die Phylen im Beſitz von Kleren, etwa ſolchen, deren Haͤuſer ausgegangen, geweſen ſeien: wo - gegen wir wiſſen, daß dieſe dann in ordentlicher Succeſ - ſion an andere Familien kamen2wenn ein οἶκος ganz ausgeſtorben war, vermuthlich an den in der τϱιακὰς zunaͤchſt ſtehenden., wodurch manche aus - nehmend reich wurden. Jene angeblichen Phylenaͤlte - ſten werden alſo wohl nur die Aelteſten des Geſchlechts geweſen ſein, die etwa daruͤber wachen konnten, daß, wenn in einer Familie mehrere Soͤhne, und auch zu - gleich mehrere Kleren zuſammengefallen waren, auch die Juͤngeren, ſo weit es thunlich, Landbeſitzer wur - den, ohne indeß die untheilbare Einheit eines Fundus zu zerſchlagen.
Große Verwirrung brachte in alle dieſe Ver - haͤltniſſe erſt das Geſetz des Ephoren Epitadeus, daß ein Jeder waͤhrend ſeines Lebens ſowohl, als durch Teſtament Haus und Kleros wem er wolle geben koͤnne3Plut. Ag. 5.: wodurch natuͤrlich gar bald eine allgemeine Erbſchlei - cherei entſtand, in der es die Reichen jedesmal uͤber die Armen gewannen. Dies, die Verfaſſung in der tiefſten Wurzel zerſtoͤrende, Geſetz wurde nach Lyſan - dros, aber ſchon bedeutende Zeit vor Ariſtoteles ge - geben, indem dieſer Schriftſteller, den Zuſtand ſeiner Tage ganz offenbar mit der alten Geſetzgebung ver - wechſelnd4Anders faſſen die Sache Manſo 1, 2. S. 133. Tittmann S. 660., es der Verfaſſung Sparta’s als Inconſe -195 quenz anrechnet: daß darin Guͤter zu kaufen und zu verkaufen zwar mit Unehre belegt1Spaͤter kommt auch dies vor, Plut. Agis 13. Aelian 14, 44., aber dieſelbigen zu verſchenken und zu hinterlaſſen erlaubt ſei22, 6, 10. Χϱὴματα, κειμήλια zu verſchenken, war auch fruͤher erlaubt. Herod. 6, 62. Plut. Ageſ. 4.. Von jener Zeit an finden wir, wie uͤberhaupt die Anzahl der Spartiaten immer mehr ſchmelzen, ſo noch viel mehr die der Guͤterbeſitzer. Die erſte Erſcheinung iſt ſehr auffallend, und erklaͤrt ſich kaum hinlaͤnglich durch die Kriege, in denen doch die Spartiaten ſehr geſchont wurden, mehr vielleicht durch die ſpaͤten Ehen, die noch dazu ſehr oft innerhalb der Familie blieben; am Ende muß man auch eingeſtehen, daß in der Verfaſ - ſung von Sparta ein die Natur zu ſehr einengendes Princip lag, durch welches das Volk faſt eher phyſiſch unterging, als es ethiſch entarten konnte; zu Ariſtote - les Zeit ſuchte man der Bevoͤlkerung dadurch aufzuhel - fen, daß man den Vater dreier Soͤhne vom Dienſt, den von vieren von allen buͤrgerlichen Abgaben befrei - te3ἀτελῆ πήντων z. B. dem Beitrage zu den Syſſitien, Ariſt. 2, 6, 13. Aelian V. G. 6, 6. nennt fuͤnf ſtatt vier. Daß das Geſetz ſchwerlich Lykurgiſch, bemerkt Manſo 1, 1. S. 128.. Aber ſchon Herodot rechnet — in den neuntauſend Haͤuſern — nur achttauſend Spartiaten; in der Mitte des Peloponneſiſchen Krieges ſtellte Sparta fuͤr ſich nicht viel uͤber ſechstauſend Schwerbewaffnete4unten K. 12.; Ari - ſtoteles behauptet, daß zu ſeiner Zeit ganz Lakonika kaum tauſend Hopliten aufbringen koͤnne52, 6, 11.; zur Zeit Agis des Dritten endlich waren nur noch ſiebenhundert eigentliche Spartiaten6Plut. Ag. 5. Nach Macrob. Sat. 1, 11. gab es zu Kleomenes Zeit blos mille et quingenti Lacedaemonii, qui arma ferre possent. . Dabei waren ſchon Ol. 95. 13 *196der Klerenbeſitzenden Spartiaten1Solche nennt Xen. H. 3, 3, 5. nur Σπαϱτιάτας, wie man aus den Worten ſieht: ὅσοι ἐν τοῖς χωϱίοις Σπαϱτιατῶν τύχοιεν ὄντες, ἕνα μὲν πολέμιον τὸν δεσπότην. im Verhaͤltniſſe zum ganzen Volke eine nicht große Anzahl, zu der man namentlich die zahlreichen Neodamoden nicht rechnen kann; die, ſo viel ich einſehe, auf keine andere Weiſe Kleren erhalten konnten, als durch Adoption in einen Spartiatiſchen οῖκος; bis dahin ſorgte wohl der Staat fuͤr ſie. Voͤllig raͤthſelhaft iſt, wie der Verluſt Meſſe - nieus von Sparta ausgetragen wurde; daß ganze Haͤu - ſer ihren Landbeſitz durchaus verloren haͤtten, iſt nicht anzunehmen, ſie waͤren dem Hungertode preis gegeben worden: aber wie damals innere Anordnungen dieſer Noth ſteuerten, davon hat uns kein Schriftſteller eine Spur aufbewahrt. Zur Zeit des dritten Agis, wiſſen wir, waren unter den ſiebenhundert Spartiaten nur gegen hundert, in deren Haͤnden das Gebiet der Stadt war2Plut. Agis 5..
Von dieſem Hinblick auf die Zeit der Aufloͤ - ſung wenden wir uns wieder zur urſpruͤnglichen An - ordnung, die wir freilich bei ſchwachen und raͤthſelhaf - ten Andeutungen oft kaum zu errathen vermoͤgen. Das wiſſen wir indeß ſicher, daß die Toͤchter urſpruͤnglich ganz ohne Mitgift (doriſch δωτίνη)3Dionyſ. Byz. de Bosp. Thrac. p. 17 Hudſ. und mit einer geringen Ausſtattung verehelicht wurden4Plut. Lak. Apophth. p. 223. Aelian V. G. 6, 6. Juſtin 3, 3. vgl. die verdorbene Gloſſe bei Heſych ἀγϱετήματα.; hernach gab man ihnen wenigſtens Geld und Mobilien mit5Plut. Lyſand. 30. Apophth. p. 229. Aelian V. G. 6, 4. Zu der Ge - ſchichte von Lyſandros Toͤchtern iſt zu bemerken, daß ihre Freier daruͤber ſich nicht taͤuſchen konnten, ob ſie Grundbeſitz haͤtten; aber ſie glaubten, der Vater habe viel bewegliches Gut, und dies waͤre unter ſie getheilt worden.; zu197 Ariſtoteles Zeit — nach der Epoche des Epitadeus — konnten ſie auch mit Landbeſitz dotirt werden1S. 2, 6, 10. Bel Plut. Agis 6. kommt eine ſehr reiche Schweſter eines armen und verſchuldeten Bruders vor. S. noch Plut. Kleom. 1. uͤber den Reichthum der Frauen in Sp. Aber die reiche Frau Archidam II. (Athen. 13. p. 566 d.) Eupolia, Mele - ſippidas Tochter, muß ἐπίκληϱος geweſen ſein.. Dies, wenn ein Sohn im Hauſe war; war keiner: ſo war die Tochter (unter mehreren wohl immer die aͤlteſte,) ἐπίκληρος, doriſch ἐπιπαματίς2vgl. Bun - ſen de jure hered. Attico 1, 1. p. 18., d. h. ihr Beſitz mit dem der Erbſchaft nothwendig verbunden. Verfuͤgun - gen uͤber dieſe waren bei der Sorge fuͤr die Erhaltung der Haͤuſer ein Hauptpunkt alter Geſetzgebungen, wie in der des Rheginer Androdamas fuͤr die Thrakiſchen Chalkidier3Ariſt. 2, 8, 9., und in der Attiſchen des Solon4vgl. außer Bunſen a. O. Platner Beitraͤge S. 117 ff. Sluiter Lectt. Andocid. 5. p. 80 sq. , mit der die Chalkidiſche des Charondas im Weſentlichen uͤbereingeſtimmt zu haben ſcheint5Diod. 12, 18. Heyne Opuscc. Ac. 2. p. 119.. Wir heben das Noͤthigſte daraus hervor. Die Erbtochter gehoͤrt mit dem Erbe den Verwandten des Hauſes (ἀγχιστεῖς) an, und wie der Vater nicht ohne deren Einwilligung uͤber ſie teſtiren kann: ſo wird dieſelbe, bei Mangel eines Teſtaments, von dieſen Verwandten gerichtlich als ihnen angehoͤrig gefordert, und das Recht, ſie zu ehe - lichen, geht in ordentlicher Succeſſion weiter6Iſaͤos Erbſch. des Pyrrhos p. 54. — Auffallend aͤhnlich war das Juͤdiſche Recht. S. Moſes 4, 27. v. Anf. Die Toͤchter haben das Loos ihres Vaters, aber ſie duͤr - fen nicht aus dem Geſchlechte heirathen; der naͤchſte Verwandte hat das erſte Anrecht auf ſie, tritt er ſie ab, folgt alsdann der naͤchſte u. ſ. w. Ruth 4.. Aber nicht blos das Recht, ſondern auch die Pflicht, ſie zu ehelichen, hat der ledige Mann, welchem ſie im Kreiſe198 der Verwandten zuerkannt wird1S. das Geſetz bei Dem. g. Steph. p. 1134, 15., welches ich ſo auslege: Eine Ehefrau iſt die, welche ihr Vater, ihr Bru - der von demſelben Vater, ihr vaͤterlicher Großvater verlobt; lebt keiner von dieſen, und das Maͤdchen iſt ἐπίκληϱος, ſo ſoll ſie der naͤchſte Verwandte, der κύϱιος, zur Ehe haben: iſt ſie aber keine ἐπίκλ. (wenn z. B. noch Enkel des Verſtorbenen in maͤnnlicher De - ſcendenz exiſtiren), ſo ſoll jener Verwandte ſie, wem er will, zur Ehe geben — wobei er die Pflicht hat, ſie nach ſeinem Cenſus aus - zuſtatten. — Auch Charondas Geſetze noͤthigten den Verwandten, die ἐπίκλ. zu heirathen, und die Arme auszuſtatten. Diod. 12, 18.; ja die Geſetze fuͤhr - ten noch eine beſondere Aufſicht uͤber ihn, daß er auch mit der Frau Kinder zeuge2Plut. Solon 20.: welche dann nicht in ſeinen οἶκος, ſondern den der Frau uͤbergingen, und Succeſſoren ihres muͤtterlichen Großvaters wurden. Nun iſt kein Zweifel, daß auch in Sparta durch die Epi - kleren der οἶκος fortgeſetzt werden ſollte, aber außer - dem iſt wahrſcheinlich, daß man zu Maͤnnern derſel - ben ſtets ſolche, welche fuͤr ſich keine Kleren hatten, alſo Deſcendenten nachgeborner Soͤhne, zunaͤchſt inner - halb des οἶκος3So heirathete Leonidas die Gorgo, die ἐπίκληϱος des Kleomenes, als naͤchſter ἀγχιστεύς. Es war aber in Sp. haͤufig, im οἶκος zu heirathen. So Archidam ſeine Baſe Lampito, Herod. 6, 71.; ſo Anaxandridas die Tochter ſeiner Schweſter, 5, 39. So war Kleonymos Gemahlin (Plut. Pyrrh. 26.) aus demſelben Geſchlecht; eben ſo Archidamos des V. Polyb. 4, 35, 15. Plut. Ag. 6., dann des Geſchlechts u. ſ. w. nahm. Hatte der Vater nicht ſelbſt ſchon uͤber die Tochter beſtimmt, was er aber auch auf keinen Fall willkuͤhr - lich konnte: ſo wurde darnach vor dem Gericht des Koͤnigs ausgemacht, wer ſie haben ſolle4Herod. 6, 57.. Erſt nach Epitadeus konnte der Vater ſowohl die Tochter, wem er wollte, verloben, und wenn er ſeinen Willen dar - uͤber nicht ausgeſprochen, hatte ſein Erbe uͤber ſie zu199 verfuͤgen gleiche Freiheit1Ariſt. 2, 6, 11. vgl. Manſo 1, 2. S. 131.. — War aber der οἶκος auch ohne weibliche Deſcendenz, und die Erbfolge nicht ſchon durch Adoption vor dem Koͤnige geſichert: ſo glau - be ich, daß dem Erblaſſer die Vaͤter des Geſchlechts aus den Ihrigen einen Sohn gaben, der dann als Succeſſor ſeines Hauſes angeſehen wurde: ein in Athen2S. Demoſth. g. Makart. p. 1077. vgl. Platner Beitr. S. 139. und ſonach wohl auch in Sparta angewand - tes Mittel die Veroͤdung des Hauſes zu verhuͤten. Eigenthuͤmlich dagegen war dem Lakoniſchen Staate, daß erſtens ein Ehemann, der ſich an der Kinderloſig - keit der Ehe Schuld glaubte, (hielt er die Frau fuͤr unfruchtbar: ſo ſandte er ſie ohne Weiteres fort)3Herod. 5, 39. 6, 61. einem Juͤngern und Kraͤftigern ſein Ehebett uͤberließ; deſſen Kind alsdann in das Haus des Ehemannes trat, obſchon es zugleich mit dem Geſchlecht des Vaters auch oͤffentlich als verwandt galt4Xen. Staat 1, 7-9. Daraus Plut. Lyk. 15. Vergl. Numa’s 3.: und daß zweitens zu den Frauen von Maͤnnern, die z. B. im Kriege gefallen, ehe ſie Kinder erzeugt, andere, auch wohl Knechte, gelegt wurden, nicht um ſich, ſondern dem Geſtorbenen Succeſſoren und Erben zu verſchaffen5Die oben S. 46. erwaͤhn - ten ἐπεύνακτοι.. Beide Sitten, die uns ſo ſeltſam erſcheinen (das So - loniſche Athen zeigt indeß noch Analoges), wurzeln in jener religioſen Furcht vor dem Untergange des Hau - ſes; als dieſe nach und nach ihre Kraft auf die Ge - muͤther verlor, kamen wohl auch jene ab, und die Zahl der Haͤuſer ſchmolz immer mehr.
Sparta war auf jeden Fall der Staat, in welchem das Princip der Guͤtergleichheit noch am voll - kommenſten ins Leben trat: obgleich es auch vielen an -200 dern Geſetzgebungen Griechenlands zum Grunde lag. Der Chalkedonier Phalkes hatte es an die Spitze ſei - ner Geſetzgebung geſtellt1Ariſt. 2, 4, 1.. Daß Solon ein Maaß vorſchrieb, uͤber welches hinaus kein Buͤrger Land er - werben duͤrfte, ſcheint ein Reſt ehemaliger Gleichheit der Kleren des Adels22, 4, 4.. Wo aber Gleichheit nicht mehr hergeſtellt oder eingefuͤhrt werden konnte, dran - gen die Geſetzgeber doch auf Unveraͤußerlichkeit des Grundbeſitzes. Darum durfte in Elis Niemand ein Grundſtuͤck verpfaͤnden36, 2, 5., und bei den Lokrern nicht ohne Beweis unverſchuldeter Noth veraͤußern42, 4, 4.; von der Unveraͤußerlichkeit der Kleren auf Leukas iſt oben ſchon geſprochen5S. 155.. Der uralte Korinthiſche Geſetzge - ber Pheidon ließ zwar die verſchiedene Groͤße der Grundſtuͤcke beſtehn, aber wollte bewirken, daß ebenſo der Umfang derſelben, wie die Zahl der Grundbeſitzer, die allein Buͤrger waren, ſtets dieſelbe bliebe6Ariſt. 2, 3, 7.. Phi - lolaos aber, der Korinthiſche Bakchiade, den Theben gegen Ol. 13. als Geſetzgeber anerkannte7Orchom. S. 407. 408., wo aber Ariſt. Rhet. 2, 23. falſch angewandt (die St. geht auf Epaminondas)., war noch weiter gegangen, indem er nicht blos dieſelbe Anzahl von Kleren durch Geſetze uͤber Kinderzeugung und Adoption beſtaͤndig zu erhalten8Ariſt. 2, 9, 7., ſondern auch von Zeit zu Zeit, vielleicht auf eine dem Hebraͤiſchen Halljahre aͤhnliche Weiſe, die urſpruͤngliche Gleichheit wieder her - zuſtellen ſuchte9Ariſt. 2, 9, 8., wo ἀνομάλωσις eine neue Gleichmachung zu bedeuten ſcheint, wie ἀναδασμὸς eine neue Vertheilung.. Am einfachſten bewerkſtelligten dies in der That die Illyriſchen Dalmater, welche alle ſie - ben Jahre das Ackerland neu theilten10Str. 7, 315.. — Wenn die Doriſche Geſetzgebung von Kreta urſpruͤnglich201 eine aͤhnliche Tendenz hatte, ſo muͤſſen doch Umſtaͤnde die Durchfuͤhrung derſelben verhindert haben. Poly - bios16, 46, 1. wenigſtens kannte keine Geſetze der Kretev, die dem Ankaufe von Land und uͤberhaupt dem Gewinne eine Graͤnze geſetzt2Dies widerſpricht indeß nicht der zu Ariſtot. Zeit (Pol. 7, 9, 1.) noch beſtehenden genauen Sonderung der Herrſcher von den Ackerbauern.; die Landguͤter wurden unter Bruͤder getheilt, wobei eine Schweſter jedesmal halb ſo viel als ein Bruder erhielt3Str. 10, 482. So theilen ſchon in Odyſſeus Erzaͤhlung4Ob. 14, 206. die Soͤhne des Hylakiden Ka - ſtor auf Kreta die hinterlaſſene Habe; der uneheliche Sohn erhaͤlt nur einen geringen Antheil (νοϑεῖα). Aber auch der Arme gelangt bei perſoͤnlichem Anſehn durch Heirath mit Beguͤterten leicht zu Reichthum. Ueber - dies geben Raubzuͤge, wozu einzelne Abentheurer ganze Flotillen ausruͤſten, bis Aegypten hin, Gelegenheit zu ſchneller Bereicherung. — Aber eben dies Leben auf der See und zugleich die ſchwankenden Verhaͤltniſſe der einzelnen Staaten mußten einen haͤufigen Wechſel des Beſitzes hervorbringen, und jene Stetigkeit und Gleich - heit, wenn ſie je ausgefuͤhrt worden war, bald auf - heben.
Dagegen war in Kreta die Einrichtung der Syſſitien, wenigſtens nach Ariſtoteles Urtheil, mehr nach dem Prinzip einer gewiſſen Guͤtergemeinſchaft an - geordnet, als in Sparta, indem daſelbſt die Koſten derſelben vom Staate, und nicht durch Beitraͤge der Buͤrger, aufgebracht wurden52, 6, 21. 2, 7, 4.. Dieſes altdoriſche, oder uͤberhaupt althelleniſche Inſtitut haben wir unten vom Standpunkte der Sitte, der ſchoͤnen Gemeinſchaft des Lebens, zu betrachten; hier von dem der nationa -202 len Oekonomie. In Sparta trug zu den Phiditien, wie geſagt, jeder Theilnehmer aus ſeinem Hausvor - rath1κατὰ κεφαλὴν, Ar. 2, 7, 4., und zwar gegen anderthalb Attiſche Medimnen Gerſtengraupe, Choen Wein elf bis zwoͤlf28 Choen nach Plut. Lyk. 12., fuͤnf Mi - nen Kaͤſe, halb ſoviel Feigen, auch Datteln3Nach Schol. zu Plat. Geſ. 1. p. 223 R., und zehn Aeginetiſche Obolen fuͤr Fleiſchgerichte bei4Di - kaͤarch dei Athen. 4, 141 d.. Die ungefaͤhre Angabe von anderthalb Att. Medimnen ſoll wahrſcheinlich einen Aeginetiſchen ausdruͤcken5vgl. Aeginet. p. 90. Daher Plut. a. O. einen Medimnos nennt.; die zehn Obolen gleichen einem Korinthiſchen Stater oder Syrakuſiſchen Dekalitron; das Ganze iſt ohne Zweifel der monatliche Beitrag6vergl. die angef. Schol., und es iſt damit die Nah - rung einer Perſon reichlich beſtritten. Denn da die Portion ſonſt auf 2 Choeniken und eine Kotyle Wein (doch iſt das letztere auffallend wenig) gerechnet wird7Herod. 6, 57.: ſo kommen hier etwas mehr als ſo viel Choͤniken, und an fuͤnf Kotylen auf den Tag. Freilich ſcheint wenig fuͤr Fleiſch geſorgt, aber dieſen Mangel erſetzten erſtens die haͤufigen Opfer, und dann die treffliche Einrich - tung der ἐπάϊκλα, welches Zugaben zum eigentlichen Mahle oder αἶχλον waren; aͤrmere Theilnehmer des Syſſitions gaben ſolche von ihrer Jagdbeute, waͤhrend Reichere Waizenbrodt herbeiſchafften, (da ſonſt nur Ger - ſtenkuchen, μᾶζαι, die gewoͤhnliche Koſt bildeten), und junges Vieh von ihren Heerden, Gefluͤgel als ματτύα zubereitet, von ihren Aeckern Fruͤchte der Jahrszeit ſpendeten8S. Sphaͤros (den Bory - ſtheniten und Stoiker, der Sp. vor Kleomenes geſehn, Plut. Kleom. 2.) Λακ. πολ. bei Athen. 4, 141 b. Molpis 141 d. vgl. 14, 664 e. Nikokles der Lakone 4. 140 e. Perſeus Λακ. πολ. ebend. Xen. Staat 5, 3.. Solche freiwillige Gaben fehlten wohl203 ſelten, ſo lange eine Gemeinſchaft auch in der Geſin - nung beſtand; ſie mußten bedeutend beitragen, dem ſonſt einfoͤrmigen Mahle Reiz und Abwechſelung zu geben.
In der Kretiſchen Einrichtung dagegen iſt es der Staat, der alle Buͤrger und ihre Frauen taͤglich bewirthet1Ariſt. 7, 4. ἐκ κοινοῦ (i. e. e publicis vectigalibus) τϱἐφεσϑαι πάντας καὶ γυναῖκας καὶ παῖδας καὶ ἂνδϱας.. Was die Gemeine von dem Gemeinlande ſowohl als den Tributen der Perioͤken einnahm, ward nach den Monaten des Jahres in zwoͤlf Theile2nach dem Κϱητικὸς νόμος bei Platon Geſ. 8, 847., in zwei nach der Verwendung getheilt, ſo daß die Haͤlfte fuͤr Opfer und die Koſten der Staatsverwaltung, die andere fuͤr die Speiſungen beſtimmt wurde3Ariſt. 2, 7, 4.. Nun wurde aber dieſe Haͤlfte unter die einzelnen Haͤuſer vertheilt, u. Jeder gab ſeinen Antheil der Syſſitiengeſell - ſchaft (ἑταιρία) der er angehoͤrte4Doſiadas bei Athen. 4, 143 b., welche Stelle mit der Ariſtoteliſchen wohl uͤbereinſtimmt.. Man fragt: warum der Staat nicht gleich dieſe Summe unter die Syſſi - tien vertheilte, an die ſie durch die einzelnen Buͤrger kommen ſollte: aber wahrſcheinlich waren dies von den einzelnen Theilnehmern frei gebildete Geſellſchafften. Das Vertheilen der Staatseinkuͤnfte erinnert an das Verfahren der Athener mit dem Ertrage der Lauriſchen Silberminen. Außerdem gab indeß noch jeder Buͤrger ein Zehntel des Ertrags der Erndte, und jeder Klarot fuͤr ſeinen Herrn einen Aeginetiſchen Stater5S. oben S. 54..
So wohl begreiflich und zweckdienlich dieſe Ein - richtung iſt: ſo wenig kommen wir mit der Lakoniſchen voͤllig ins Klare. Der Ertrag eines κλῆρος betrug, nach einer obigen Stelle, fuͤr den Spartiaten 82 Medimnen. Nehmen wir dieſe fuͤr Attiſche, wie wir204 dort bei einer ganz allgemeinen hypothetiſchen Berech - nung gethan: ſo koͤnnen davon freilich drei Maͤnner zu den Syſſitien ſteuern (54 Medimnen), und etwa auch noch 3 Frauen daheim ein ſpaͤrliches Brodt haben; aber es fehlen außer dem, vielleicht erlaßlichen, Geld - beitrage zu den Syſſitien alle andern Koſten der Haus - haltung, die freilich bei Aermern ſehr gering ſein moch - ten, da die juͤngern Knaben mit zu den Syſſitien gehn, die aͤltern der Staat erzieht, manches die Jagd liefert, und dabei die Vorraͤthe Anderer benutzt werden koͤn - nen; indeſſen bleibt doch immer noch die Sorge fuͤr Wohnung, Kleidung, Geraͤth, Speiſe außerhalb der Syſſitien zuruͤck. Indeß ſieht man auch, daß dieß allenfalls geleiſtet werden kann, wenn wir jene 82 Me - dimnen nicht als Attiſche, ſondern als Aeginetiſche, die bedeutend groͤßer, nehmen1Dann hat Plut. Lyk. ſowohl K. 12. als 8. Aeginet. Me - dimnen gemeint; und beide Stellen ſtammen wahrſcheinlich aus ei - nem lakoniſchen Schriftſteller, wie Nikokles, Hippaſos, Soſiblos, Ariſtokrates.. Aber mehr als ſechs Perſonen moͤchten wir auch ſo einem Kleros, wenn die Abgabe der Heloten nicht erhoͤht werden darf, nicht aufbuͤrden; und auch dann ſchon konnte es kommen, was doch nach Ariſtoteles ſelten geweſen ſcheint, daß ſie den Beitrag zu zahlen nicht im Stande waren.
Von der Lakoniſchen Hauswirthſchaft ha - ben wir wenig Kunde, obgleich Ariſtoteles dieſelbe als eine beſondere Art der Oekonomie aufſtellt. Jeder Hausherr, wenn er ſeinen Antheil von der Erndte er - hielt, bewahrte auf, was er davon im Jahre zu brau - chen gedachte, das Uebrige aber ſetzte er auf dem Markte von Sparta2vgl. oben S. 116. um, u. zwar im Ganzen nicht in Geld, ſon -205 dern ſogleich in andere Gegenſtaͤnde des Beduͤrfniſſes1Polyb. 6, 49, 8. ἡ τῶν ἐπετείων καϱπῶν ἀλλαγὴ πϱὸς τὰ λείποντα τῆς χϱείας — κατὰ τὴν Λυκούϱγου νομοϑεσίαν. Aehnlich wohl bei den Lokrern Italiens. Herakl. Pont. 29. καπη - λεῖον οὐκ ἔστι μεταβολικὸν ἐν αὐτοῖς, ἀλλ’ ὁ γεωϱγὸς πωλεῖ τὰ ἴδια.. Uebrigens hatte die Weiſe, die Vorraͤthe aufzubewah - ren, etwas Beſonderes2Ariſtot. Oekon. 1, 6., und namentlich wird die Ord - nung geruͤhmt, durch die Jegliches ſchnell zu finden und zu gebrauchen war3ebd. am Ende. vgl. Schneider ad Anon. Oecon. Praef. p. 16.. Wir wiſſen auch, daß die Spartiaten auf dem Lande bei ihren Guͤtern Vorraths - kammern (ταμεῖα) hatten, die ſie nach alter Weiſe unter Siegel hielten; aber es war jedem Aermern, der auf der Jagd z. B. ſich verſpaͤtet hatte, vergoͤnnt, dieſelben zu eroͤffnen, herauszunehmen was er wollte, und dann ſein Siegel, ſeinen Eiſenring, darauf zu druͤcken4S. die Stel - len S. 191, 2..
In dieſem Haushalt diente demnach das Geld wohl bei weitem ſeltener als Tauſch - denn als Aus - gleichungsmittel; man bedurfte deſſelben als Scheide - muͤnze, ohne auf den Beſitz groͤßerer Maſſen Werth zu legen. Dieſen Zweck hatte Lykurgos dadurch erreicht, daß er im Staate nur eiſernes Geld erlaubte, wel - ches noch dazu durch Abkuͤhlung in Eſſig oder wie ſonſt fuͤr anderweitigen Gebrauch unnuͤtz gemacht worden war6Plut. Lyk. 9. Lyſ. 17. Vergl. Ariſt. und Kato’s 3. Pollux 9, 6, 79. Pſ. Aeſchin. Eryx. 100. vgl. Fiſcher zu K. 24.. Ehemals hatte man wirklich eiſerne Staͤbe oder Barren als Muͤnze gebraucht7Plut. Lyſ. 17. vgl. Poll. 7, 105., an deren Stelle nach Pheidon gepraͤgtes Geld trat. Die Hauptmuͤnze5Das lederne Geld iſt wohl ganz Fabel. Nikol. Damaſc. Seneca de benef. 5, 14. — Vgl. uͤber Sparta’s Geld Oudinet in den Mem. de l’Ac. d. B. L. T. 1. p. 227.206 hieß von der Geſtalt, vielleicht auch von der Groͤße, Πέλανοϱ, Opferkuchen; ſie galt vier Chalkus, d. i. einen halben Obolos oder ein Zwoͤlftel Drachme1Heſych s. v. πἑλανοϱ. Die Schol. zu Nik. Alexiph. 488. er - klaͤren πελάνου βάϱος falſch mit Obolosgewicht., of - fenbar nach Aeginetiſchem Fuße, weil ſie nach dieſem eingerichtet ſein mußte, und wog eine Aeginetiſche Mine2Plut. Lak. Apophth. p. 220. τὁ σιδηϱοῦν ὅ ἐοτι μνᾶ ὁλκῇ Αἰγιναία, δυνά - μει δὲ χαλκοὶ τέσσαϱες.; da nun eine Silbermine an Werth 1200 halbe Obolen enthielt: ſo muß ſich der Preis des Silbers zum Eiſen wie 1200: 1 verhalten haben; eine erſtau - nende Wohlfeilheit des letztern, die ſich nur durch die Menge des in Lakonien ſelbſt vorhandenen Metalls und den hohen Preis des Silbers in aͤlterer Zeit erklaͤrt. Zehn Aeginetiſche Minen Geldeswerth waren hiernach 1200 an Gewicht, gleich 1833 Pfund; und man glaubt gern, daß ſie einen Laſtwagen beim Transport, und einen bedeutenden Raum zur Aufbewahrung forderten3Xenoph. Staat 7, 5. Plut. Lyk. 9..
Daß aber der Beſitz von Gold - und Sil - bergeld ausdruͤcklich den einzelnen Buͤrgern unterſagt war, beweist zum Ueberfluß das durch Skiraphidas oder Phlogidas zu Lyſandros Zeit erneuerte Verbot4Ephor. und Theopomp bei Plut. Lyſ. 17. Xenoph. Staat 7, 6. χϱυσίον γε μὴν καὶ ἀϱγύϱιον ἐϱευνᾶται καὶ ἄν τί που φανῇ, ὁ ἔχοω ζημιοῦται. vgl. Nikol. Dam. Aelian V. G. 14, 29.; und wie tief noch die alte Sitte wurzelte, ſieht man aus der heimlichen Uebertretern deſſelben angedroheten Todesſtrafe: indeſſen ſcheint man damals den Beſitz von verarbeiteten edlen Metallen nicht mehr verpoͤnt zu haben. Dem Staate aber wurde in jenem Be - ſchluſſe ausdruͤcklich der Beſitz von Gold - und Silber - geld geſtattet5δημοσίᾳ μὲν ἔδοξεν εἰςάγεσϑαι νόμισμα τοιοῖτον, ἂν δέ, und auch dies war gewiß nur Erneue -207 rung alter Sitte. Denn wie haͤtte Sparta jemals Ge - ſandte nach dem Auslande ſchicken, Truppen in frem - dem Lande unterhalten, Kretiſche Soͤldner in Lohn nehmen koͤnnen, ohne allgemein guͤltiges Courant zu beſitzen. Wir wiſſen ja auch, daß die Lakedaͤmonier Weihgeſchenke nach Delphi ſchickten, wie Lyſandros goldene Dioskurenſterne; auch war ein Theſauros des Braſidas daſelbſt1Plut. Lyſ. 18. vgl. Herod. 1, 51. Poſeidonios bei Athen. 6, 233 f.; und Lakedaͤmoniſche Toreuten arbeiteten gewiß auch fuͤr den Staat Standbilder aus Gold und Elfenbein2oben S. 29.. Dies ſchon um die Zeit des Per - ſerkriegs: ein Jahrhundert fruͤher freilich hatte Sparta nicht Gold genug, um dem Apoll auf Thornax das Geſicht zu vergolden, und wollte es in Lydien kaufen, wahrſcheinlich doch fuͤr Silber3Herod. 1, 69. vgl. Bd. 2. S. 249. 358. Die Geſchichte bei Herod. 3, 56. wollen wir nicht benutzen, da Her. ſelbſt ſie verwirft.. Es folgt hieraus, daß der Staat in Sparta alleiniger Beſitzer des edlen Metalls, wenigſtens des gemuͤnzten, war, (wenn er auch ſelbſt vor Alexander nicht muͤnzte)4Zuerſt ſcheint der K. Areus Silbergeld geſchlagen zu haben, und zwar ganz nach der Weiſe Maked. Koͤnige. Eckhel D. N. 1, 2. p. 278. 281. um im Verkehr mit dem Auslande ſich deſſen zu bedienen; die einzelnen Buͤrger aber außerhalb dieſes Verkehrs geſtellt nur jene eiſerne Scheidemuͤnze bedurften und beſaßen5So weit hat Boͤckh die Unterſuchung gefuͤhrt, Staatshaush. 2. S. 137. vgl. 1, 32. Heeren Ideen 3, 1. p. 294. zw. Ausg.: gerade ſo, wie es Platon in den Geſetzen will: das allgemein guͤltige Geld ſolle unter dem Beſchluſſe des Staates ſein, und von den Magiſtraten fuͤr die Kriegfuͤhrung und die Reiſen außer Landes ausgegeben werden; im5τις ἁλῷ κεκτημἐνος ἰδίᾳ, ζημίαν ᾤϱισαν ϑανάτον. vgl. Polyb. 6, 49, 8.208 Lande ſelbſt dagegen eine an ſich werthloſe Muͤnze cur - ſiren, welcher nur der Staat die Geltung giebt1Nur das letztere paßt beſſer auf die Byzantiniſchen σιδάϱεοι, die ein Scheingeld, als auf die Lakoniſchen, die wirklich werth waren, was ſie galten..
Noch bleiben indeß einige ſchwierige Punkte zu erwaͤgen. Erſtens iſt es klar, daß der nicht ſo ganz unbedeutende Handel Lakoniens2S. oben S. 26. und uͤber den Kornhandel nach Korinth hinab V. 2. S. 75. nicht ohne allgemein guͤltige Muͤnze betrieben werden konnte. Nun konnte dieſen unmoͤglich der Staat betreiben, da er dazu einer unverhaͤltnißmaͤßigen Menge Officianten bedurft haͤtte, ſondern er war in den Haͤnden der Perioͤken. Dieſen werden wir alſo den Beſitz von Silbergeld zugeſtehen muͤſſen, wie denn uͤberhaupt die Spartiatiſchen Sitten nicht in allen Stuͤcken fuͤr die Perioͤken bindend waren. Auch konnte dies auf die Spartiaten kaum Einfluß haben, da der einzelne Buͤrger von Sparta mit dem einzelnen Perioͤken in gar keinem Verhaͤltniß ſtand, ſon - dern dieſe nur dem Staate zinsflichtig waren. Auf dem Markte von Sparta, wo die Spartiaten und Heloten ihr Korn verkauften, und die Erzeugniſſe des einhei - miſchen Handwerks ausgeſtellt wurden, aber Fremde wohl ganz ausgeſchloſſen waren3Auch die Epidamnier, bei denen Viel von alter Sitte, beaufſichtigten den Verkehr ſehr. Sie hielten einmal jaͤhrlich unter Vorſtand eines πωλητὴς einen großen oͤffentlichen Markt mit den benachbarten Illyriern. Plut. Qu. Gr. 29. p. 393., galt ſicher nur Ei - ſengeld; und ſo hatte dies auch in ganz Lakonien ſeinen einmal beſtimmten Werth; aber die nichtdoriſchen Lako - nen beſaßen, wahrſcheinlich mit gewiſſen Einſchraͤnkun - gen, auch Courant. Und wahrſcheinlich waren die Tri - bute derſelben fuͤr den Staat die Hauptquelle, aus welcher ihm allgemein guͤltiges Geld zufloß. Zweitens209 muͤſſen auch die Koͤnige zum Beſitz von Gold und Sil - bergeld autoriſirt geweſen ſein. Sonſt konnte ja Pau - ſanias (der uͤberdies eigentlich nur Prodikos war) von der Siegesbeute von Plataͤaͤ nicht unter andern 10 Ta - lente bekommen1Herod. 9, 81., und Pleiſtonax und Agis I. nicht um die, freilich unerſchwinglichen, Summen von 15 Talenten und 100,000 Drachmen geſtraft werden2oben S. 106. und Plut. Perikl. 22. Schol. Ariſt. Wolken 855. aus Ephoros.; ſpaͤter beſaß, wie oben ſchon bemerkt, Agis III. 600 Talente baar3Reichthum, wenn auch nicht an baarem Gelde, beweist auch die ἱπποτϱοφία und Unterhaltung Olympiſcher Renner. Dewarat der K. hatte ἅϱματι geſiegt, und Sp. als Siegerin ausrufen laſſen, Herod. 6, 70. Drei Olymp. Siege hatten die Pferde des Euagoras gewonnen. Her. 6, 103. vor Olymp. 66. nach Pauſ. 6, 10, 2. Nach Pauſ. 6, 2, 1. machten die Lakedaͤmonier nach dem Perſerkriege viel Aufwand fuͤr Pferde, er nennt als Sieger Xenarges, Lykinos, Arkeſilaos und deſſen S. Lichas, u. K. 1. Anaxandros, Polykles. Ueber die Sie - gerinnen ſ. B. 4, 2.. Auch lagen ja die Guͤter des Koͤnigs im Perioͤkenlande, wo Silbergeld im Kurs war, und der Ertrag derſelben konnte ihm wenigſtens in ſolchem zukommen. Herodot ſagt, daß jeder Koͤnig bei dem Antritte ſeiner Regierung alle Schulden der Buͤrger, ſowohl an die Staatscaſſe als an die koͤnigliche, er - laſſe46, 59.; man tilgte alſo alle Schuldſcheine, zu Sparta κλάρια genannt, vermuthlich weil die Guͤter (in fruͤ - heren Zeiten verſteht ſich nur deren Fruͤchte) als Hy - pothek darin angegeben waren5Plut. Agis 13.. Dies war ein weiſer Gebrauch, wodurch beſonders diejenigen erleichtert wurden, die vom Staate oder Koͤnige zu beſtimmten Zwecken Gold oder Silber erhalten hatten, und es nun wegen des niedrigen Werthes der Scheidemuͤnze wieder zu bezahlen wohl ſelten im Stande waren. Gold oder Silber bedurften aber z. B. alle, die eine Reiſe außer -III. 14210halb Lakonien zu machen hatten; ſie konnten es nicht anders als von den Magiſtraten oder dem Koͤnige be - kommen1Herod. 6, 70. καὶ ἐπόδια λαβὼν ἐποϱεύετο ἐς Ἠλιν.; eine Maaßregel, die das Reiſen ſelbſt er - ſtaunend erſchweren mußte.
Daß aber auch hierin die alte Strenge der Sitten mehr und mehr von dem Wandel der Zeit er - ſchuͤttert und unterhoͤhlt wurde, iſt bekannt. Schon im dritten Geſchlecht vor dem Perſiſchen Kriege verſuchte es den gerechten Glaukos, die bei ihm niedergelegten Schaͤtze eines Mileſiers fuͤr ſich zu behalten. Der Perſerkrieg erhoͤhte indeß nur den Staatsreichthum, und auch die Perſiſchen Subſidien ſollten nur oͤffentli - chem Beduͤrfniſſe abhelfen. Als endlich Lyſandros viele Millionen nach Sparta fuͤhrte, und dieſe Stadt die reichſte Griechenlands wurde2was der Platon. Alkib. I. (vgl. Hippias mai. 283 d.) ſchon von fruͤhern Zeiten ſagt. vgl. Bitsé sur la richesse de Spar - te, Memoires de Berlin T. 12. p. 559. Manſo 2. S. 372. Boͤckh 1. S. 32.: ſollte das Leben der Buͤrger nach wie vor dieſelbe ſtolze Arwuth behalten. Aber wie konnte der Einzelne verſchmaͤhen, was der Staat ſo hoch achtete, und wie mochte der Einzelne nicht ſein Anſehn darauf zu gruͤnden ſuchen, worauf faſt ſchon die Macht des Ganzen beruhte? Lyſandros ſelbſt, ein Mann, bei aller Verſchlagenheit des Cha - rakters, von heroiſcher Kraft der Seele, verſchmaͤhte noch ſich ſelbſt zu bereichern3Vergl. oben S. 196, 5.; ein glaubwuͤrdiger Zeu - ge4Anaxandridas (πεϱὶ τῶν ἐν Δελφοῖς συληϑἐντων χϱημάτων) bei Plut. Lyſ. 18. berichtet zwar, daß er zu Delphi ein Talent, 52 Minen Silbers und dazu 11 Stateren niedergelegt habe, vermuthlich um ſie außer Landes zu brauchen: aber wie ſehr wenig iſt dies gegen die Erwerbungen Anderer in aͤhnlichen Lagen. Es ſcheint aber damals211 gewoͤhnlich geweſen zu ſein, Geld außerhalb der Gren - zen, namentlich in Arkadien, niederzulegen, und da - durch fing man an, die Geſetze zu taͤuſchen1Poſidon. bei Athen. 6, 232 f.. Weit weniger aber als Lyſandros, wiſſen wir, konnte dem Reiz des Geldes Gylippos widerſtehn, in deſſen Fa - milie Habſucht erblich geweſen ſcheint, denn auch ſein Vater, Kleandridas, war verurtheilt worden, weil er ſich hatte beſtechen laſſen2von Perikles naͤmlich als Rathgeber des Pleiſtonax. S. Plut. Perikl. 22. Nik. 28. de educ. puer. 14. Timaͤos bei Plut. Vergl. Timol. 2. Ephoros bei Schol. Ariſt. Wolk. 855. Diod. 13, 106. nennt ihn Klearchos. Als Exulant ging er darauf nach Thurii (Thuk. 6, 104. vgl. Weſ - ſel. zu Diod. 12, 23.), kaͤmpfte von da mit den Tarentinern, aber nahm nachher an der Gruͤndung ihrer Colonie Herakleia Antheil (Antiochos bei Str. 6, 264. Mazochi Tab. Heracl. p. 75., wo - nach der ungenaue Ausdruck oben Bd. 2. S. 12. Z. 13. zu berich - tigen iſt).. In den Zeiten nach Ly - ſandros endlich muß doch auch Privaten, unter uns un - bekannten Bedingungen, der Beſitz edlen Metalls ge - ſtattet worden ſein; wenigſtens begreife ich ſonſt nicht, wie man Phoͤbidas wegen der Einnahme der Kadmeia um 100,000 Drachmen, und den Lyſanoridas wegen der ſchlechten Vertheidigung um eine ebenfalls ſehr be - deutende Summe haͤtte ſtrafen koͤnnen3Plut. Pelop. 6. 13. Aa..
Eine regelmaͤßige Beſteurung der Buͤrger fand in Sparta unter keinem Namen ſtatt4Plut. Lak. Apophth. p. 197. πυνϑανομἐνου τινὸς, διὰ τί χϱήματα οὐ συνά - γουσιν εἰς τὸ δημόσιον., doch wurden zum Kriege außerordentliche Beitraͤge und Steuern erhoben, die man aber, eben weil ſie unge - wohnt, nur mit Muͤhe zuſammenbrachte5Ariſtot. Pol. 2, 6, 23. εἰσφέϱουσι κακῶς. Die Reichſten mußten Pferde fuͤr den Kriegsdienſt halten (Xen. Hell. 6, 4, 11.), welche Laſt in Korinth nach einer alten Einrichtung den Haͤuſern der Waiſen und Epikleren aufgelegt war; bisweilen14 *212vorkommende ἀτέλεια laͤßt ſich daraus erklaͤren1S. oben 195, 3. und von dem Geſchlecht des Antikrates Plut. Ageſ. 35.. Wenn in Agis III. Zeit der Ephor Ageſilaos das Jahr ſeiner Amtsverwaltung um einen Monat verlaͤngerte, um ſeine Einkuͤnfte zu vermehren2Plut. Ag. 16.: ſo rechnete er vermuth - lich noch auf bedeutende Strafgelder3S. oben S. 120., von denen ein Theil an ihn kommen mochte. Einen Staatsſchatz be - ſaß Sparta bis zum Peloponneſiſchen Kriege nicht4Thuk. 1, 80. χϱήματα οὔτε ἐν κοινῷ ἔχομεν οὔτε ἑτοίμως ἐκ τῶν ἰδίων φέϱομεν. Ariſtot. a. O.; Einkuͤnfte und Ausgaben glichen ſich alſo ziemlich aus, und von den Bundesgenoſſen forderte man redlicher Weiſe nur ſo viel ein als man verbrauchen wollte5S. oben S. 108., wo zu N. 5. zu bemerken, daß das Apophth. ὡς οὐ τεταγμένα von Plut. a. O. und S. 202. ganz richtig Archidam II. beigeſchrieben wird, und Ἀϱχ. ὁ παλαιὸς kein anderer ſein ſoll.. Wie anders ſich aber auch hierin ſpaͤter die Verhaͤlt - niſſe geſtellt: liegt außerhalb dem Kreiſe dieſer Unter - ſuchungen.
Eben ſo wenig kann uns hier obliegen, die Nachrichten uͤber Finanzen und Geldverkehr in andern Doriſchen Staaten zu ſammeln, da die mehr binnen - laͤndiſchen, bei denen allerdings manches Eigenthuͤmliche ſtatt gefunden haben mag, wenig bekaunt ſind, und die Handelsſtaͤdte, wie Aegina, Korinth, Rhodos, Kyrene, um des Handels willen von nationalem Herkommen das Meiſte aufopfern mußten. Es waren aber im Peloponnes die Staͤdte der Argoliſchen Kuͤſte von der Natur beſtimmt, die Produkte des ackerbauenden Bin - nenlandes gegen auslaͤndiſche Waaren umzuſetzen6Thuk. 1, 120., und5(Cic. de rep. 2, 20. zum Verſtaͤndniß vgl. Niebuhr R. G. 1. S. 265), nicht ſo unbillig als es ſcheint, da dieſe ja indeß keinen bewaffneten Mann ſtellten, und bei rechtlicher Verwaltung gewin - nen mußten.213 durch ſie blieben auch Lakonika und Arkadien in Ver - kehr und Zuſammenhang mit der uͤbrigen Welt1Der Arkadiſche Handel Aegina’s (Aegin. p. 74.) war die Baſis ihres uͤbrigen.; auch waren hier haͤufig Werkſtaͤtten der Handwerke, die nicht blos fuͤr das innere Land arbeiteten2V. Aegina Aegin. p. 79. Megara verſertigte beſonders ἐξωμίδας, Xen. Denkw. Sokr. 7, 7, 6.. Zu Korinth waren die Gefaͤlle vom Hafen und Markte ſchon unter Periandros ſo bedeutend, daß der Tyrann darauf ſeine Einnahme beſchraͤnkte3Herakl. Pont. 5. Von den Gewerben Korinths oben S. 27, 2., obgleich nach einer freilich ſehr fabelhaften Tradition der goldene Koloß des Kyp - ſelos zu Olympia aus einem zehn Jahre hindurch ein - geforderten Zehnten von allen Guͤtern geweiht wurde4Pſ. Ariſtot. Oekon. 2, 2. Suid. Κυψ. ἀνάϑημα. Vergl. uͤber - dies zu oben Bd. 2. S. 166, 5. Schneider Epimetr. ad Xen. Anab. p. 473. Der Zehnte der Syrakuſier zum Tempelbau war etwas Außerordentliches. Prov. Vatic. 4, 20. aus Demon.. — Der bedeutendſte Beweis fuͤr den alten Handel des Peloponnes und deſſen Wichtigkeit bleibt das Aegine - tiſche Geld, deſſen Muͤnzfuß ehemals in der Halb - inſel, in Kreta, in Italien5Aeginet. p. 89. Nach Lukian π. πἐνθους 10. war der Aegi - netiſche Obol damals noch in Kurs, und ſo auch bei den Achaͤern nach Heſych παχείᾳ (Aegin. p. 90.); indeß ſcheint doch von der Gruͤndung von Megalopolis und Meſſene an im Peloponnes Atti - ſcher Muͤnzfuß uͤberwogen zu haben., ſelbſt im noͤrdlichen Griechenlande herrſchend war, da die aͤltern Boͤoti - ſchen, Theſſaliſchen und Makedoniſchen Muͤnzen vor Philipp darnach geſchlagen ſind6Romé de l’Isle Eva - luationen Griechiſcher Muͤnzen hier zu benutzen faͤllt ſchwer, da es ſeiner Metrologie ganz an hiſtoriſchem Geiſt und Kenntniß fehlt. Daß ſeine 14 Drachmenarten Unſinn ſind, iſt leicht einzuſehn: gleich die erſte zu 60 Gran, die er drachme d’Aegium ou du Peloponnèse nennt, iſt faſt durchaus nichts als 1 ∫ 2 Aeginetiſche, die eigentlich nach dem Verhaͤltniß zur Attiſchen (von 82.) 137. In Italien ward214 es auf eine eigene Weiſe fuͤr den Verkehr mit den ein - heimiſchen Voͤlkern eingerichtet, die wir, der hiſtoriſchen Bedeutung des Gegenſtandes wegen, hier einer, wenn auch keinesweges ergruͤndenden, Betrachtung unterzie - hen wollen. Betrachtet man naͤmlich auch nur die Namen der bei den Doriern in Italien und Sicilien, z. B. zu Syrakus, zu Tarent, uͤblichen Muͤnzen, wie ſie Ariſtoteles in der Republik der Himeraͤer aus den Doriſchen Dichtern zuſammengeſtellt hatte1Daraus Pollux 4, 24, 173. 9, 6, 80. Die Namen kamen haͤufig bei Sophron und Epicharm als Muͤnzen und Gewichte vor, wie man aus Pollux, vgl. Phot. Lex. s. v. λίτϱα und ὀγκία, ſieht., naͤm - lich λίτϱα fuͤr einen Obol, ήμίλιτϱον fuͤr ſechs, πεντούγκιον fuͤr fuͤnf, τετϱᾶς fuͤr vier, τριᾶς fuͤr drei2Ich glaube gegen Bentlei Phalarid. p. 419. dem Zeugniß des Pollux folgen zu muͤſſen. Auch bei Heſych s. v. τϱιᾶντος πόϱνη wird ein τϱιᾶς gleich 20 λεπτοῖς geſchaͤtzt; nun wird aber die οὐγκία ge - woͤhnlich dem χαλκοῦς Ἀττικὸς gleich geſetzt (Ariſtot. bei Pollux), und ein τϱιᾶς betraͤgt dann 21 λεπτὰ, wofuͤr dort die runde Zahl ſteht. Diodors Schaͤtzung des πεντηκοντάλιτϱον auf 10 Drachmen, die ſonſt ſehr ungenau, erklaͤrt Boͤckh Staatsh. 1. S. 27. aus dem verſchiedenen Preiſe des Goldes in Attika u. Sicilien., ἑξᾶς fuͤr zwei, οὐγκία fuͤr ein Zwoͤlftel: ſo entdeckt man gleich, daß dieſe Griechen das Italiſche, Roͤmiſche Duodecim alſyſtem angenommen hatten, deſſen Einheit die Libra, das Pfund Erz war: eine den Griechen urſpruͤnglich ganz fremde Norm, ſo wie das Wort λίτϱα in ihrer Sprache keine Wurzel hat. Nun kommt aber auch in derſelben Reihe bei den Griechen6Gran haben ſoll, aber meiſt des Alters wegen ſehr abgerieben iſt. Es gehoͤren dazu die alten χελῶναι, dann auch die Boͤotiſchen Schilde des aͤltern Styls, die Korinthiſchen Koppa - und Pe - gaſusmuͤnzen, auch die aͤltern Theſſaliſchen, beſonders die in Thra - kien gefundenen gewoͤhnlich unter Lete ſtehenden; auch die der Makedoniſchen Koͤnige vor Philipp. Der drachme d’Egine weist er nur 3 Muͤnzen zu.215 der νόμος1Daß νόμος, nicht νοῦμμος, die eigentlich Griechiſche Form ſei, daruͤber ſ. Blomfield Sophronis Frgm. im Classic. Journ. V. 4. p. 384., bei den Lateinern numus, vor, offen - bar, wie auch Varro ſagt, ein den erſtern eigenthuͤm - liches Wort, und Muͤnze, wie ſie gaͤng und gaͤbe iſt, bezeichnend: wodurch bewieſen wird, daß die Italer bei der Regelung des Muͤnzweſens den Italioten nicht blos gaben, ſondern auch von ihnen annahmen, und zwiſchen beiden ein Muͤnzfuß feſtgeſtellt wurde. Achtet man weiter auf den Gehalt und Werth dieſer Muͤnzen, ſo findet man, daß die Griechiſchen Colonien ihr aus dem Peloponnes mitgebrachtes Syſtem der Muͤnze bei - behielten, und darauf erſt dieſes Italiſche auftrugen und damit verglichen. Denn ſie ſetzten die Litra dem Obolos gleich, d. h. dem Aeginetiſchen, der auch der Korinthiſche war2Ariſtot. im Staat der Akragant. bei Poll. 9, 6, 80. Aegin. p. 91. Daß Bentlei dieſes Zeugniß nicht zum Grunde gelegt, hat beſonders ſeinen Beſtimmungen eine falſche Richtung gegeben.; ſo daß ein Korinthiſcher Stater von 10 Obolen in Syrakus δεκάλιτρον hieß. Es muß alſo damals, als dies Syſtem ſich bildete, das Pfund Kupfer wirklich einem Silberobol gleich gegolten haben. Da jenes nun 60483nach Romé de l’Isle p. 40., dieſer faſt 23 Pariſer Gran wog4nach Romé ſogar 23 1 ∫ 3. aber ſ. oben S. 213, 6.: ſo liegt bei dieſer Ausgleichung ein Verhaͤltniß des Silbers zum Kupfer wie 1: 263 zum Grunde, das alſo in die - ſen Gegenden durch den Handel in fruͤhen Zeiten ſich feſtgeſtellt hatte. Wenn man dagegen in Rom im Jahre der St. 485 das Silber, zum erſtenmal, im Verhaͤlt - niß von 1: 960 zum Kupfer auspraͤgte5S. beſonders Lami Tav. Alimentaria Velejate p. 69.: ſo geſchah dies, weil eben hier das erſtre noch ſehr theuer, das zweite ſehr wohlfeil war; fortgeſetzt wuͤrde dies Ver -216 haͤltniß eine gaͤnzliche Exportation des Kupfers nach Unteritalien herbeigefuͤhrt haben; daher man ſchon im Jahre 490 ein ganz anderes, das Verhaͤltniß von 1 zu 160, an die Stelle ſetzte. Wie viel der νόμος der Siciliſchen Griechen betrug, daruͤber fehlt es an einem entſchiedenen Zeugniſſe; der Name ſelbſt beſagt, daß es eine gangbare und nicht ganz unbedeutende Muͤnze geweſen. Eben deswegen moͤchte ich nicht, daß er der Litra gleich geweſen1wie Boͤckh meint, Staatsh. 1. S. 18.: auch ſagt Ariſtoteles2bei Poll. 9, 6, 80., daß zu Tarent gewoͤhnlich der Taras auf dem Delphin darauf gepraͤgt geweſen ſei; dieſes Gepraͤge aber findet ſich erſtens nicht auf Litren oder Obolen von Tarent, und hat zweitens auch kaum darauf Platz: wie denn die Griechen, wenn ſie ſo kleines Silbergeld praͤgten, ſich immer der einfachſten Typen bedienten. Stand aber dagegen der Tarantiniſche Numus in demſelben Ver - haͤltniß zur Litra, wie der Roͤmiſche numus sestertius zum As3wie Bentlei meint, a. O. S. 410.: ſo gewinnen wir fuͤrs erſte ein groͤßeres Geldſtuͤck, und dann die Erklaͤrung, wie es kam, daß in Sicilien der Werth von 24, hernachmals von 12 Numen Talent hieß4S. Ariſtot. b. Poll. 9, 6, 87. Apolld. ἐν τοῖς πεϱὶ Σὠφϱονος bei Schol. min. und Villois. zu Il. 5, 576. und Schol. Gregor. Na - zianz. in Montf. Diar. It. p. 214. nach der Verbeſſerung von ΜΝΩΝ in ΝΟΜΩΝ, auch Suid. τάλαντον nach Scaliger, ſonſt Bentl. p. 409. Die Schol. Villoiſ. Il. 23, 269. nennen noch mehrere andere Talente, aber ohne Angabe der Gegend.: 24 Numen ſind naͤmlich dann 60 Pfunde Kupfer, gerade ſo viel, als das Aegineti - ſche Talent Minen Sibers enthielt. Auch paßt dazu, daß nach Feſtus dies Talent fruͤher 6, dann 3 Denare betrug; Feſtus meint naͤmlich darunter Dekalitren5Ariſtot. wie Apollodor ſollen nach den angef. Stellen ſagen, der νὀμος be - trage τϱία ἡμιοβόλια, was aber nach Salmaſ. und Gronov’s mir. 217Und ſo werden wir uns, wenn auch andere Umſtaͤnde die Sicherheit dieſer Beſtimmung zweifelhaft machen1Dieſe ſind, 1, daß jene Muͤnzen mit dem Taras gewoͤhn - lich 72 und 140-155 Grane wiegen, und alſo gewiß keine Sefterze, ſondern etwa Quinare und Denare, nach herabgeſetztem Werth der Litra — ſo daß ſie dem Attiſchen Obol-nahe kommt —, ſind. 2, daß die große Inſchrift von Tauromenium bei D’Orville u. Caſtello beſtaͤndig Talente von 120 Litren enthaͤlt (wornach der νόμος wieder 5 oder 10 Litren haͤtte), wie man gleich aus einem Poſten der Be - rechnung ſehen kann: ἔςοδος 56404 Talente 88 Litren, ἔξοδος 30452 T. 42 L. λοιπὸν 4935 T. 112 L. und χϱἠματα δανειζόμενα 20016 T. 54 L. (χἰλια fehlt), alſo 56404 T. 88 L. = 56403 T. 208 L., d. i. 1 Tal. u. 88 Litren. Auch das bekannte Epigramm des Simonides auf Gelons Dreifuß hat Talente von mehr als 100 Litren., doch bei dem Uebereintreffen der angegebenen damit begnuͤgen.
5nicht unwahrſcheinlicher Meinung ein Mißverſtand von τϱἰτον ἡμιο - βόλιον iſt.
Wie die Doriſche Haushaltung: ſo traͤgt auch das Doriſche Recht, ſo viel wir davon bei dem Man - gel an Quellen erfahren, einen ſehr alterthuͤmlichen Charakter. Es ſpricht die Geſinnung der Zeit, in der es entſtanden, mit viel Beſtimmtheit aus, und eine gewiſſe Hoheit und Strenge des Charakters iſt darin nicht zu verkennen. Aber eben deswegen war es den Verhaͤltniſſen des freiern und bewegtern Lebens ſpaͤte - rer Zeit unangemeſſen, und beſtand in dieſen nur durch Sparta’s Iſolirung. — So mußte gleich in dem ge - nannten Staate noch mehr, als im aͤltern Griechen - lande ſonſt der Fall war, das Privatrecht aller genauern Beſtimmungen entbehren, da das Mein und Dein nach der Grundidee deſſelben eine geringfuͤgige Sache ſein ſollte; in den Spruͤchen und Saͤtzen, die man als Lykurgiſch anſah, war keine Verfuͤgung dar - uͤber; und die Ephoren als Richter waren an ihren eigenen Sinn der Billigkeit gewieſen. Ja es hatten die alten Geſetzgeber einen offenbaren Widerwillen ge - gen ſtrengere Rechtsformen hierin; wie Zaleukos, der ſonſt zuerſt einige Beſtimmungen uͤber Sachen - und Ob - ligationenrecht gab1Str. 6, 393., doch ausdruͤcklich Schuldſcheine unterſagte2Zenob. Prov. 5, 4.. Dagegen hatte das Recht jener Zeit eine noch viel mehr perſoͤnliche Tendenz, und war in219 weit hoͤherem Grade Beſtimmung des Handelns jedes Einzelnen durch die nationale Sitte. Es war faſt gleichguͤltig, ob dieſes Handeln unmittelbar Andere be - ruͤhre oder nicht; man achtete den ganzen Staat be - nachtheiligt und angegriffen, wenn einer durch ſein Thun die allgemeinen Grundſaͤtze fuͤr ſich aufhob. Da - her die Sittenaufſicht der alten Gerichte, wie des Areiopagos in Athen, ſo der Geruſia zu Sparta; da - her das tiefe Eingreifen des oͤffentlichen Rechts in die individuelleſten Verhaͤltniſſe, wie die Ehe. Aber die Geſchichte der Voͤlker iſt eine fortſchreitende Freiwer - dung der Individuen; auch bei den Griechen mußte in ſpaͤtern Epochen das Recht dieſe bindende Kraft ver - lieren, und einen negativen Charakter erhalten, durch den es das Handeln eines Jeden nur in ſo weit be - ſchraͤnkt, als es die Coexiſtenz anderer Staatsglieder noͤthig macht. Fuͤr Sparta indeß blieb Recht und Sitte faſt gleichbedeutend: wir werden daher auch hier von jenem nicht abgeſondert handeln koͤnnen, und uns mit einigen Bemerkungen uͤber das Gerichtsweſen in Sparta und bei andern Doriern begnuͤgen muͤſſen.
Die Gerichtshoͤfe Sparta’s ſind oben ſchon einzeln vorgekommen1S. 95. 103. 115. 118 ff. 128.. Die Geruſia richtete alle pein - lichen Klagen, wie auch die meiſten, die den Lebens - wandel der Buͤrger betrafen; die uͤbrige Jurisdiktion war unter die Magiſtrate nach den Zweigen ihrer Ver - waltung vertheilt2wie es auch Pla - ton will, Geſ. 6, 767.. Die Ephoren richteten Streitig - keiten uͤber Geld und Gut, wie auch bei Anklagen ver - antwortlicher Obrigkeiten, ſo lange dieſe nicht peinlich waren; die Koͤnige beſonders in Sachen der Erbtoͤchter und Adoptionen; die Bidiaͤer Zwiſte der Gymnaſien. 220Staatsverbrechen, namentlich der Koͤnige und anderer Obrigkeiten richtete ein hohes Magiſtratengericht1Nach Plut. von Sokr. Daͤmon. 33. S. 365. ſtraften die Geronten den Lyſanoridas (ſ. oben S. 211.), aber es war wohl auch das große Magiſtratengericht.. Die Volksverſammlung war wohl nie Gericht; uͤber die Erbfolge des Throns wurde bei Streitigkeiten wahr - ſcheinlich nur an ſie referirt, und ſie faßte dann einen Beſchluß2oben S. 85. 101, 1.; die Sache der Treſanten von Leuktra ent - zog ſie dadurch dem gewoͤhnlichen Gerichte, daß ſie einen außerordentlichen Nomothetes fuͤr den einzelnen Fall ernannte, und deſſen Vorſchlag hernach beſtaͤtigte3Plut. Ageſ. 30.. Oſtrakismos kommt in Doriſchen Staaten nur nach Aufloͤſung der aͤltern Verfaſſung vor4oben S. 145. 159. 167. Aber in Kreta (oben S. 277, 7.) und vielleicht in Aegina (Aegin. p. 133.) waren aͤhnliche oligarchiſche Einrichtungen.. Natuͤrlich gab es in Privatſachen auch in Sparta Schiedsrichter, wie in der Homeriſchen Zeit; auch compromiſſariſche5Plut. Lak. Apophth. p. 200. — Von den Argiviſchen Gerichtshoͤfen kennen wir den auf dem Pron (Deinias bei Schol. Eurip. Oreſt. 869, aus welchen Schol. man auch ſieht, daß dabei der Platz der Volksver - ſammlung, ἁλιδιὰς, hernach ἡλιαἰα, lag; vgl. oben S. 86.) vielleicht dem Attiſchen Areopag aͤhnlich, und das Gericht ἐν Χα - ϱἀδϱφ außer der Stadt uͤber ruͤckkehrende Feldherren (Thuk. 5, 60.).: ob aber oͤffentlich dazu beſtellte, wie in Athen, iſt unbe - kannt. — Befugt zu klagen waren zu Sparta wie zu Athen in Privatſachen, wie ſich von ſelbſt verſteht, die Betheiligten, in Criminalfaͤllen die naͤchſten Ver - wandten oder eigentlichen Blutraͤcher; die oͤffentlichen Anklagen aber konnte dort wohl ſchwerlich, wie hier, ein jeder Buͤrger des Staats erheben, indem ein ſol - ches Verfahren mit der Demokratie im genaueſten Zu - ſammenhange zu ſtehen ſcheint. Der Privat konnte ſo - nach nicht mehr als eine Anzeige bei der Obrigkeit ma -221 chen, auch den Heloten waren μηνύσεις geſtattet1Thuk. 1, 132., aber die Klage fuͤhrte, wie wir es von den Ephoren ſo haͤu - fig finden, ein Magiſtrat. In dem gerichtlichen Verfahren Sparta’s hatte ſich wahrſcheinlich ſehr viel von jener althelleniſchen Einfalt erhalten, die Ari - ſtoteles z. B. an den Kriminalunterſuchungen in dem Aeoliſchen Kyme bemerkt, wo bei Klagen auf Mord Zeugen aus dem Geſchlechte des Ermordeten zum Er - weis der Beſchuldigung genuͤgten2Ariſt. Pol. 2, 5, 12. Denſelben Charakter zeigt das Kymaͤiſche Geſetz, nach dem die Nachbarn eines Beſtohlenen den Verluſt erſetzen mußten (Herakl. Pont. 11. vgl. Heſiod T. u. W. 348.), vgl. auch Str. 13, 622. Doch ruͤhmt Ephoros (bei Steph. Βοιωτἰα) die νόμων εὐταξία ſeiner Landsloute.. In dem altkreti - ſchen Rechte des Rhadamanth wurden Streitigkeiten gewoͤhnlich auf eine ſehr kurze Weiſe durch den Schwur entſchieden3Platon Geſ. 12, 948.; und Charondas Geſetzgebung der Chal - kidiſchen Colonieen war die erſte, die Unterſuchungen uͤber falſch Zeugniß anordnete4Ariſt. 2, 9, 8.. — Das Recht, wo - nach gerichtet wurde, glaubte man in den Perſonen der Magiſtrate ſelbſt vorhanden, und ein aͤußerlich feſt - geſtelltes Recht gab es wenigſtens, ſo lange Sparta bluͤhete, nicht; die ſpaͤter vorkommenden Exegeten der Lykurgiſchen Geſetze5ἐξηγη - τὴς τῶν Λυκουϱγείων in der Fourmont. Inſchr. bei Corſini N. Gr. diss. 5. p. 84. ſcheinen ein geſchriebenes Recht vorauszuſetzen, wenn man ſie mit den Syrakuſiſchen Exegeten des Diokleiſchen Codex vergleicht6S. oben S. 161. vgl. Ruhnken zu Timaͤos p. 111.: doch koͤn - nen ſie auch blos aus einer innern Kenntniß des tra - ditionellen Rechts responsa gegeben haben, wie die ἐξηγηταὶ τῶν πατρίων zu Athen7Meier de bonis damn. Praef. p. 7.. So war es denn auch den Richtern anheim geſtellt, nach ihrem Ermeſ -222 ſen die Strafen anzugeben; die Geſetze Sparta’s ent - hielten keine ſpeciellen Beſtimmungen daruͤber, derglei - chen wieder Zaleukos zuerſt den ſeinigen beifuͤgte1Str. 6, 260 a. vgl. Heyne Opuscc. 2. p. 37..
Unter den vorkommenden Strafen haͤtten die am Vermoͤgen anderswo als in Sparta laͤcherlich geſchienen, weil ſie ſo gar unbedeutend. Perſeus uͤber die Lakoniſche Politie ſagt: “Alsbald ſtraft der Rich - ter den Reichen um ein Nachmahl (ἐπάϊκλον); dem Armen gebeut er Rohr oder Binſen oder Lorbeerblaͤtter zum Mahl herbeizuſchaffen.” Nikokles, der Lakone, uͤber denſelben Gegenſtand: “Wenn der Ephoros alle gehoͤrt hat, ſo ſpricht er den Angeklagten entweder los oder verurtheilt ihn; der Sieger ſtraft den Andern alsdann leicht um ein Gebaͤck oder Lorbeerblaͤtter dazu”2bei Athen. 4, 140 e. 141 a. . Woraus erhellt, daß es auch vor den Ephoren und wohl in Privatſachen Klagen gab, bei denen der Klaͤ - ger die Buße ſchaͤtzte (ἀγῶνες τιμητοὶ), wahrſcheinlich Injurienklagen. Groͤßere und eigentliche Geldſtrafen finden wir fruͤher nur bei Koͤnigen, hernach auch bei auswaͤrtigen Feldherren, Harmoſten u. dgl3oben S. 211. vgl. Meier a. O. p. 198.; ſie noͤ - thigten den Verurtheilten oft zur Flucht4wie auch den Thimbren, ſcheint es nach Xen. Hell. 3, 1, 8.. Voͤllige Guͤtereinziehung, die auch die liegenden Gruͤnde betrof - fen haͤtte, konnte in Sparta ſchwerlich zugelaſſen wer - den5Ueber die Geſchichte in Plut. Ἐϱωτικὸς 5. ſ. oben S. 120, 1. vgl. Meier a. O. p. 199.; obgleich ſie in Argos und Phlius erwaͤhnt wird. — Einkerkerung kommt in Sparta nicht als Strafe des freien Mannes vor, ſondern nur als Maaßregel, den Angeklagten feſt zu halten; koͤrperliche Mißhand - lungen gehen, wie bei Kinadon, der Todesſtrafe vor -223 aus, aber ſind keine Strafe fuͤr ſich1Nach Polyaͤn 2, 21. wurden Angeklagte in Sp. gebunden verhoͤrt, was in dieſer Allgemeinheit gewiß nicht wahr iſt.. Dagegen war die Ehrloſigkeit, ἀτιμία, eine um ſo haͤufigere Strafe, je tiefern Eindruck ſie auf das Gemuͤth des Spartia - ten machte2Iſokr. Archidam. K. 39 ff.. Der hoͤchſte Grad derſelben, ſcheint es, traf den Treſas, der aus der Schlacht mit Aufloͤſung oder Verlaſſung der Reihe davongegangen, oder uͤber - haupt ohne ſein Heer zuruͤckgekehrt iſt, wie Ariſtodemos von Thermopylaͤ3Von der ἀτιμία deſſelben Herod. 7, 231. Plut. Ageſ. 30. Xenoph. Staat 9, 4, 5., welcher unter dem κακὸς beſonders den τϱέσας verſteht. Ῥιψάσπιδες wurden nach Tzetz. Chil. 12, 386. getoͤdtet.. Er hat zu keinem Amte Zutritt; in den Choͤren den ſchlechteſten Platz; beim Ballſpiel will ihn keine Parthei auf ihrer Seite haben; er fin - det in den Gymnaſien keinen Kampfgenoſſen, wie im Felde keinen Zeltbruder. Die Flamme ſeines Heerds erliſcht, weil er bei Niemand Feuer anzuͤnden darf. Er muß ſeine Toͤchter im Hauſe ernaͤhren, oder, wenn er unverehlicht, ein leeres Haus huͤten, weil Jeder Familienverbindung mit ihm ſcheut. Auf der Straße tritt er Jedem aus dem Wege, und weicht auch dem Juͤngeren vom Sitze; in einem geflickten Rocke ſoll ſeine geflickte Ehre, in dem halbgeſchornen Kopfe ſeine halbe Knechtſchaft Jedem beim erſten Anblick deutlich werden. Wobei wohl Manche gefragt haben, welches Verdienſt dann dem einzelnen Spartiaten zukomme, wenn er lieber faͤllt als flieht, da dem Fluͤchtigen ein Zuſtand bevorſteht viel ſchlimmer als Tod? Worauf zu antworten, daß uͤberall, je vollkommener Staat und Recht, deſto weniger Verdienſt des Einzelnen ſtatt fin - det, welches dagegen in aufgeloͤsten Zuſtaͤnden, wo Jeder an ſich gewieſen, am freiſten und ſtaͤrkſten her -224 vortritt. Je groͤßer die nationale Ehre, um ſo groͤßer auch die Schmach, welche denjenigen trifft, welcher ſie verletzt; und mit deſto feſteren Banden iſt alsdann das Thun des Einzelnen an die allgemeine Geſinnung gebunden. — Eine geringe Art der Atimie traf die Kriegsgefangenen, welche nicht die Schuld der Feigheit trugen, z. B. die von Sphakteria: ſie durften kein oͤffentliches Amt bekleiden, und weder kaufen noch ver - kaufen. Jene Beſchimpfungen aber fanden nicht ſtatt, und die Zeit der Strafe war begraͤnzt1Thuk. 5, 34.. Auch kann man zur Claſſe der Atimieen noch die Strafe des Ehe - loſen rechnen, dem die Ehre des Greiſenalters verſagt war. Auf ſich ſelbſt Spottlieder abſingen zu muͤſſen, traf außer ihnen auch noch Juͤnglinge bei allerlei Ver - gehen: ein Gebrauch, der der Neigung des Doriſchen Stammes zu Spott und Spaß entſpricht, in welchem oft ein ſehr ernſthaftes Beſtreben verborgen lag. Auch in Charondas Geſetzgebung war oͤffentlicher Spott die Strafe des Ehebrechers und des Πολυπράγμων2Plut. de curios. 8. p. 139. Heyne Opusc. 2. p. 94. , und die der Sykophanten und Feigen trug einen aͤhnlichen Charakter3Diod. 12, 12..
Exil war in Sparta wahrſcheinlich niemals ordentliche Strafe, da der Staat ſchwerlich Jemanden dazu geſetzlich noͤthigte, was er, wenn es freiwillig geſchah, mit Todesſtrafe belegte4Plut. Agis 11.. Die Flucht, wel - cher ſich der Moͤrder, namentlich der unvorſaͤtzliche, un - terziehen mußte5Auch der Knabe Xenoph. Anab. 4, 8, 25., kann man nicht dazu rechnen; ſie iſt nur eine Ausweichung vor der Rache der Verwand - ten. Dagegen rettet das Exil vor allen, auch den225 ſchwerſten Strafen1Die Polemarchen, welche nach Thuk. 5, 72. wegen Un - gehorſam in der Schlacht und Traͤgheit (δόξαντες μαλαϰισϑῆναι) flohen, entgingen dadurch wohl dem Tode. vgl. Plut. Perikl. 22., und ſchuͤtzt nach Helleniſchen Grundſaͤtzen gegen jede Verfolgung; ſo daß ſelbſt, wer von den Amphiktyonen fuͤr vogelfrei erklaͤrt war, außer dem Vaterlande ſicher ſchien2S. Herod. 7, 213.. Ein Beiſpiel von Exu - lanten, die politiſche Partheiungen vertrieben, kennt die Geſchichte Sparta’s, ſo lange die Verfaſſung be - ſtand, nicht. — Die Todesſtrafe wurde entweder durch Strangulation in einem Gemache des Staatsgefaͤng - niſſes, Δεκὰς genannt3Plut. Agis 19. In Korinth hieß das oͤffentl. Gefaͤngniß κῶς. Steph. Byz., oder durch Hinabſtuͤrzung in den Kaͤadas vollzogen, ſiets zur Nachtzeit4Herod. 4, 146. Valer. Max. 6, 6.. Auch in Athen war von alten Zeiten das Geſetz, Niemanden bei Tage hinzurichten5Platon Phaͤd. 116. Olympiodor zur Stelle.. So richtete auch der Senat der Aeoliſchen Kyme, deſſen alterthuͤmliche Einrichtun - gen ſchon oben charakteriſirt wurden, in Kriminalfaͤllen bei Nacht und mit verdeckten Stimmſteinen6Plut. Qu. Gr. 2. Daß der δημόσιος zu Rhodos nicht in die Stadt kommen durfte, beruht auf aͤhnlichem Grund - ſatze. Dio Chryſoſt. Or. 31. p. 632 R. vgl. Weſſel. zu Diod. 1. p. 624. Ariſtid. 2, 44, 5., unge - faͤhr ſo, wie die Koͤnige des Atlantiſchen Volks in Pla - tons Kritias7p. 120. (171 Bkk.). — Man ſehe darin nicht etwa oligar - chiſche Veranſtaltungen zu ungeſtoͤrter Vollziehung ſtren - ger Urtheile, ſondern die tief eingewurzelte Scheu Bluturtheile auszuſprechen und zu vollziehen, welche das Schreckliche vor den Augen des Tages zu vollbrin - gen vermeidet. Eine aͤhnliche Scheu ſpricht ſich in dem Verfahren der Spartiatiſchen Geruſia aus, die nie ein Todesurtheil ſprach, ohne Deliberationen mehrerer Ta -III 15226ge, und nie ohne die evidenteſten Beweiſe; dagegen konnte auch der Losgeſprochene ſtets wieder von neuem zur Unterſuchung gezogen werden1Plut. Lak. Apophth. p. 197. vgl. Thuk. 1, 132.. — Ungeachtet dieſer Scheu waren doch die Strafen der altgriechi - ſchen Staaten ſtrenger und haͤrter als in der Attiſchen Zeit. Drakons Schaͤrfe, die, vom Objecte einer Hand - lung abſehend, die Handlung an ſich uͤberall mit glei - cher Schwere ahndete, ſchreibt der Redner Lykurg den alten Geſetzgebern uͤberhaupt zu2g. Leokr. 183.. — Sie entſprang zum Theil eben daraus, daß man keinen privatrechtli - chen, ſondern den[Geſichtspunkt] des oͤffentlichen Rechts nahm, und nicht die Verletzung des Eigenthums oder der Ruhe eines Einzelnen, ſondern der allgemeinen Sitte ſtrafte. So richtete das alte Tenediſche Recht, wel - ches ich mit der Apolloreligion daſelbſt fuͤr Kretiſch halte, den Ehebrecher mit dem Beil3Herakl. Pont. 7. Miscell. Lips. nova T. 10, 3. p. 392. de Tenedia securi. Vgl. auch die Geſchichte bei Nikol. Damaſc. (Bd. 2. S. 220, 3.) und was von der[Strafe] des μοιχὸς zu Gortyna Aelian V. G. 12, 12. Kretiſch von Urſprung, gewiß nicht Joniſch, ſind nach meiner Meinung auch die wunderbar ſtren - gen Sittengeſetze von Keos. S. Aeginet. p. 132. u. Jacobs ad Meleag. Anthol. Palat. 1. p. 449. Meineke ad Menandr. frgm. 135. p. 237., Zaleukos ſtrafte ihn mit Verluſt eines Auges4Aelian V. G. 13, 24. Val. Max. 6, 5, 3., auch in Sparta wurde dies Verbrechen ungemein hart geahndet5S. unten B. 4, 3. Vgl. auch die ſchimpßi - chen Strafen des Ehebruchs zu Kyme, Plut. Qu. Gr. 2. p. 378 H. und zu Lepreon, Herakl. Pont. 14..
Ueber die Beſtrafung des Todſchlags hatten die Griechen, und wahrſcheinlich beſonders die Dorier, ihre Geſetze von Delphi erhalten: indem dieſe gaͤnzlich auf dem alten Inſtitut der Suͤhne beruhten, das zu - erſt die unerſaͤttlich wuͤthende Blutrache ermaͤßigte, ihr227 Graͤnze und Ziel ſetzte, und eine ſtetige Ordnung hier - in einfuͤhrte1Hieruͤber ſ. Bd. 2. S. 332 ff.. Wer im gymnaſtiſchen Agon und oͤf - fentlichen Kaͤmpfen unvorſaͤtzlich getoͤdtet hatte, war nach dem von Delphi gekommenen Geſetz, wie Platon ſagt2Geſ. 9, 865. Die Schol. (p. 235 Ruhnk. 454 Bekk. ) bringen dazu ein Orakel bei, welches indeß Platon nicht eigentlich meinen kann., wenn er gereinigt worden war, ohne weiteres rein; es iſt aber wahrſcheinlich, daß von dem, was der Philoſoph weiterhin fuͤr andere Faͤlle verordnet, wie auch von den Drakontiſchen Thesmen, ſehr viel aus eben dem Delphiſchen Geſetze abſtammt, das am Orte ſelbſt durch den Pythiſchen Gerichtshof executirt wurde3Bd. 2. S. 211.. Wie weit darin Verſoͤhnung mit den Ver - wandten durch Erlegung von Bußen geſtattet war, und wann der Staat nothwendig die Todesſtrafe verhaͤngte, laͤßt ſich ſchwerlich mehr beſtimmen: der Delphiſche Gerichtshof ſelbſt, als er Aeſopos ungerechter Weiſe zum Tode verurtheilt hatte, erkannte ſich ſchuldig eine Buße zu zahlen, und forderte etwaige Nachkommen oder Anverwandte des Hingerichteten auf, ſich zum Empfange derſelben zu melden4Plut. de sera 12. p. 244..
Wir haben im Vorigen mehreremal gelegentlich der Geſetzgebung des Zaleukos gedacht — der aͤlte - ſten geſchriebenen, die Griechenland kannte5Strabo 6. p. 397 d. Skymnos 313. Beide haben den Ephoros vor ſich. — von der Anſicht geleitet, daß ſie im Urſprunge Doriſch ſei. Die Epizephyriſchen Lokrer, denen dieſe Geſetze galten, waren freilich groͤßtentheils Nachkommen der Ozoliſchen und Opuntiſchen Lokrer6Heyne Opuscc. Acc. 2. p. 46. Fuͤr die letztern ſpricht noch die Tradition von den Suͤhnjungfrauen fuͤr Ajas Oileus S. Schand - that. S. ehd. p. 53. Orchom. S. 167. (wenn Ariſtoteles ſie als ein15 *228zuſammengelaufenes Geſindel darſtellt, ſo iſt dies ganz im Geiſte des Mythus, der den Gegenſatz ſpaͤterer Geſetzlichkeit und fruͤherer Verwirrung gern zum Ex - trem treibt): aber dieſe Lokrer wurden gleich bei der Gruͤndung der Stadt doriſirt, indem Korinthiſche Sy - rakuſier zur Anlegung der Stadt bedeutend beitrugen1Von dieſen ſtammt auch die Pallas nebſt Pegaſos (dieſe Goͤttin ſoll dem Zaleukos auch die Geſetze gegeben haben, ſ. beſen - ders Klem. Alex. Str. 1. p. 352 a.) und die Perſephone auf den Muͤnzen. vergl. Liv. 29, 18. Die[Korkyraͤiſche] Colonie iſt ſehr zweifelhaft. vgl. Heyne p. 52.; uͤberdies ſollen Spartiaten ſchon waͤhrend des erſten Meſſeniſchen Krieges Lokri coloniſirt haben; ſo unge - wiß die Zeit ſein mag, wird das Faktum doch dadurch beſtaͤtigt, daß bei einem alten Kriege der Lokrer mit den Krotoniaten jene die Hilfe der Spartiaten erbaten, die ihnen den Beiſtand ihrer Kriegsgoͤtter, der Tyndari - den (τῶν ἐπὶ Σάγρᾳ), verſprachen. So galt denn Lo - kri im Ganzen fuͤr einen Doriſchen Staat, als wel - chen er ſich auch durch den Dialekt bekundete. — Auch war hier Ariſtokratie die durchherrſchende Verfaſſung2Ariſtot. 5, 6, 7., verwaltet von einer Anzahl theils Doriſcher theils Lo - kriſcher Geſchlechter, wie es ſcheint; wir finden hier, wie in der Mutterſtadt Opus, die hundert Geſchlechter, die ihr Adel auch wohl zu beſonderm Antheil an der Regierung berechtigte3S. Polyb. 12, 5, 7. vgl. Heyne p. 53. Boͤckh ad Pind. O. 9, 15. Daß Ajas Geſchlecht dazu gehoͤrte, ſieht man, wenn man Serv. ad Aen. 1, 41. mit Polyb. vergleicht.. Daß aber mit der Ariſto - kratie eine Cenſusverfaſſung vereinigt geweſen, ſcheint mir der Rath der Tauſend zu beweiſen, der unter Vor - ſitz des Kosmopolis als hohes Gericht vorkommt4Polyb. 12, 16. vgl. uͤber die Gerichte Diod. 12, 20. Stobaͤos Serm. 42. p. 280., und nach der Analogie des Rheginiſchen und Akragantini - ſchen timokratiſch gebildet ſcheint.
Was nun die Geſetze ſelbſt betrifft, die Zaleu - kos (um Olymp. 29.)1nach Euſeb. vgl. Bentlei’s Phalar. p. 340. dieſer Stadt gegeben, ſo iſt Ephoros Zeugniß beſonders zu beachten, daß ihnen Kreta’s, Sparta’s und die Areopagitiſchen Inſtitute zu Grunde lagen, die letzten im Criminalrecht2bei Str. 6, 260. n. 47. p. 150 Marx.. Des - wegen wird auch Zaleukos mit Thaletas, dem Kretiſchen Suͤhnprieſter, in Verbindung gebracht, und der Geiſt ſeiner Geſetze ſagte den Pythagoreern zu, welche von denſelben Doriſchen Sitten und Maximen ausgingen, wie ſpaͤter dem Pindar3O. 10, 17. und Platon4Ti - maͤos p. 20.. Aecht Do - riſch, daher auch Spartiatiſch5ſ. oben S. 224. Daſſelbe Geſetz (poenaque mors posita est patriam mutare volenti) erwaͤhnt Ovid. M. 15, 29. in der Gruͤndungsſage von Kroton; das Lokal ſcheint dort nach V. 19. Argos, aber vielleicht nur durch einen Mißverſtand; ur - ſpruͤnglich glaube ich war es Sparta., iſt darin das ſtrenge Verbot an alle Buͤrger, das Vaterland zu verlaſſen und in fremden Staͤdten ſich aufzuhalten6bei Stob. Serm. 42. p. 280., welches die andere Seite der Xenelaſie bildet. Aechtdoriſch ferner die Standhaftigkeit, mit der die Geſetzgebung behaup - tet und jede Aenderung erſchwert wird7Heyne p. 30.. Sie arbei - tete auch ſonſt auf allen Wegen dem Joniſchen Neote - rismus entgegen; und cum grano salis verſtanden mag es wahr ſein, daß man zu Lokri jeden Ankommenden ſtrafte, der nach Neuigkeiten fragte8Plut. de curios. p. 138.. In Doriſchem Geiſte ſind die Maaßregeln, die Guͤter moͤglichſt un - veraͤußerlich zu machen9oben S. 200.. Denſelben Charakter traͤgt die ſtrenge Sittenordnung10z. B. das Verbot reinen Wein zu trin - ken, Aelian V. G. 2, 37. Vgl. Bd. 2. S. 449. und die Sittenaufſicht, wel - che die Nomophylaken uͤbten, befugt zum Beiſpiel den230 Laͤſterer zu erinnern und zu ſtrafen1Stob. a. O. vgl. oben S. 128. 169. Cic. de legg. 3, 20. Graeci hoc diligentius (quam Romani), apud quos Nomophy laces creantur, nec hi solum litteras — sed etiam facta hominum observabant ad legesque revocabant. . Aber zeitgemaͤ - ße Fortſchritte zeigen ſchon die, wenn auch rohen, An - faͤnge eines Vermoͤgenrechts, und die ſpeciellere Be - ſtimmung der Strafen2S. oben S. 218. 222.. — Auffallend iſt es, daß Zaleukos wie Charondas den einzelnen Geſetzen eine gewiſſe Anpreiſung derſelben beifuͤgte3Anders kann Cic. de legg. 2, 6. nicht verſtanden werden.: da doch nichts mehr fuͤr die gaͤnzlich verfehlte Richtung einer Geſetz - gebung zeugen wuͤrde, als wenn ſie die Verfuͤgungen — die ſich in ihrem Zuſammenhange durch ſich ſelbſt als wahr und nothwendig darſtellen — gleichſam be - weiſen wollte. Aber ſo iſt jene Nachricht auch nicht zu faſſen; ſondern etwa ſo, daß alle Geſetze durch eine kurze Einleitung weniger Worte in Bezug mit allge - meinen Grundſaͤtzen geſetzt wurden, etwa: Auf daß die Goͤtter der Geſchlechter nicht zuͤrnen — auf daß die Stadt ſchoͤn und nach der Sitte der Vaͤter ver - waltet werde u. dgl., nicht unaͤhnlich der Weiſe, wie die Moſaiſchen Geſetze ſtets auf nationalen Glauben und theokratiſche Ideen zuruͤckbezogen werden.
Die Doriſche Kriegsverfaſſung, zu der wir jetzt kommen, iſt offenbar am vollkommenſten in Sparta ausgebildet worden; hier wurde das Kriegshandwerk, faſt allein in Griechenland, als Kunſt, als Studium des Lebens betrieben1Xeu. Staat 13, 5. Plut. Pelop. 23., ſo daß, als Ageſilaos, wie er - zaͤhlt wird, einmal von dem verſammelten Bundesheere die Schuſter und Zimmerleute und Toͤpfer u. ſ. w. aus - ſonderte, nur die Spartiaten als die eigentlichen Krie - ger (als τεχνῖται τῶν πολεμικῶν) zuruͤck blieben. Aber die Grundſaͤtze dieſer Kriegfuͤhrung waren offen - bar dem Stamme gemein, und nach einer oben3Bd. 2. S. 77. auf - geſtellten Vermuthung war es beſonders der Angriff feſtgeſchloſſener Reihen mit vorgelegten Lanzen, durch den die Dorier einſt gegen die Peloponneſiſchen Achaͤer ſiegten, und der von ihnen aus in Griechenland weiter verbreitet wurde.
Jeder Spartiat war zur Vertheidigung des Va - terlandes verpflichtet, wenn er irgend Kraft dazu be - ſaß, zum Heereszuge uͤber die Graͤnze in den vorzugs - weiſe ἡλικία genannten Jahren4Οἱ ἐν ταῖς ἡλικίαις Polyb. 4, 22, 8.. Dieſe reichten bis zum vierzigſten Jahre ἀφ̕ ἥβης, das heißt, bis zum2)Außer Plut. Polyaͤn 2, 1, 7.232 ſechzigſten des Lebens1Ageſilaos, 62 Jahr alt nach Xenophons Rechnung, war nicht mehr ἔμφϱουϱος. Hell. 5, 4, 13. Plut. Ageſ. 24.; bis dahin hieß der Mann (von φρουϱὰ, Auszug) ἔμφϱουϱος, und durfte nicht ohne Erlaubniß der Obrigkeiten auswaͤrts gehen2Iſokr. Buſir. 8. (citirt von Harpokr. ϰαὶ γὰϱ τὸ) wo μάχιμος offenbar fuͤr ἔμφϱουϱος ſteht. Vgl. Xen. Staat 5, 7.. Unter dieſen pflegte man indeß zuerſt die juͤngeren, die fuͤnf und funfzigjaͤhrigen erſt wenn die Stadt in Noth war, auszuheben3Xen. Hell. 6, 4, 17.; die Ephoren gaben im Namen der Ek - kleſia die Jahre an, bis zu welchen die Dienſtpflichtig - keit fuͤr einen einzelnen Fall reichte4Xen. Staat 11, 2. vgl. oben S. 122, 8.. Im Ganzen muͤſſen aber Sparta’s Heere ungemein viel greiſe Tria - rier enthalten haben, waͤhrend in Athen die Verpflich - tung zum auswaͤrtigen Dienſt gewoͤhnlich mit dem drei - und zwanzigſten Jahre der Helikia (man rechnete von achtzehn an)5Daruͤber Petit legg. Att. 8, 1. p. 548. aber viel beſſer Boͤckh in einem Progr. der Berl. Univ. 1819. ſchloß; aber Sparta rechnete bei ſpaͤter Entwickelung auf ein geſundes und kraͤftiges Alter; die Zeit berathender Klugheit beginnt erſt, wenn das Waf - fenalter ſchließt. Gegen das verbuͤndete Heer der Ar - geier, Arkader, Athener waren Ol. 90, 3. alle Spar - tiaten6Die Perioͤken konn - ten wohl bei dem ſchnellen Aufgebot des Heeres nicht zugezogen werden. (alle ἔμφρουροι naͤmlich) ausgezogen, aber von der Graͤnze ſandten ſie ein Sechstel des Heers zuruͤck, die juͤngern und die aͤltern, um die Heimat zu ſchuͤtzen7Thuk. 5, 64..
Beim Heereszuge und im Treffen ſuchte die Spartiatiſche Schlange dem Feinde ihre Staͤrke zu verbergen; daher die Aushebung eilig von den Epho - ren angeordnet wurde, und der Auszug oͤfter zur Nachtzeit geſchah8Herod. 9, 10.; auch war die Tiefe der Stellung des Heers233 ſehr verſchieden, und der Feind konnte ihrer nicht ſicher ſein. In der Schlacht von Mantineia ſtanden ſieben Lochen, jeder enthielt vier Pentekoſtys, die Pentekoſtys vier Enomotien, und das Vorderglied der Enomotie zaͤhlte vier Mann, der Pentekoſtys alſo ſechszehn, des Lochos vier und ſechzig, des Heeres vierhundert acht und vierzig. Gewoͤhnlich ſtanden nach Thukydides die Spartiaten acht Mann hoch: dann betrug die Maſſe der Hopliten in den Lochen 3584. Dazu kamen aber noch die dreihundert Ausgewaͤhlten um den Koͤnig, etwa vierhundert Reiter auf den beiden Fluͤgeln1Thuk. 4, 55., und dann die aͤltern Maͤnner, welche als Ruͤckhalt bei der Wa - genburg aufgeſtellt waren, nebſt den zur Deckung des rechten Fluͤgels der Bundesgenoſſen beſtimmten Lakedaͤ - moniern, vielleicht gegen fuͤnfhundert2Die Braſideer (befreite Heloten) u. Neodamoden, K. 67., ſcheinen auch in den ſieben λόχοις nicht ein - gerechnet, und |ſind K. 68. in Gedanken den Skiriten beizufuͤgen. In den Schol. zu Ariſtoph. Lyſiſtr. 454. iſt zu ſchreiben: ὁ δὲ Θου - κυδίδης ζ φησὶ χωϱὶς τῶν ΣΚΙΡΙΤΩΝ.. So betraͤgt die Anzahl 4784. Ein Sechstel des Heers war zuruͤckge - ſchickt; ſo erhalten wir die Summe des Ganzen 57403Poppo Thucyd. T. 2. p. 103. rechnet anders, erſtens weil er die Nachhut fuͤr nichts nimmt, und dann iſt auch in dem nondum quinque mil - lia ein Rechenſehler.. Dies war damals die Zahl der Schwerbewaffneten, welche nach manchem Kriegsverluſt die Stadt Sparta fuͤr ſich allein ſtellen konnte4τὸ πολιτικὸν Xen. Hell. 5, 3, 25.: in der That nicht ſo bedeutend, als der Ruf von Sparta’s Staͤrke glauben macht; aber lawinenaͤhnlich zu einer gewaltigen Hee - resmaſſe anwachſend5Ebd. 4, 2, 12., wenn ihr Zeit gegeben war, die Contingente der Bundesgenoſſen an ſich zu ziehn.
234Obgleich wir die Nachrichten uͤber dieſe Schlacht vorausgeſchickt haben; ſo geſtatten ſie doch keinen un - mittelbaren Schluß auf die urſpruͤngliche Heeresordnung, da Agis die Lochen — um den Feind durch falſche Nachricht zu taͤuſchen — wie wir ſehen werden, bis zum Vierfachen verſtaͤrkt hatte. Denn vergleichen wir damit die Nachrichten des wohlerfahrnen Xenophon1Staat 11, 4.: ſo erhalten wir folgende Geltung der Namen. Zwei Enomotieen bilden eine Pentekoſtys, zwei Pentekoſtys einen Lochos2Enomotia quarta decuriae (λόχου) pars. Aelian Takt. 5., vier Lochen eine Mora; wenn nun die erſtgenannte, wie es urſpruͤnglich der Fall geweſen ſein muß, 243Suid. Timaͤos, Etymol. M., mit dem Enomotarchen 25 Mann betrug4So war es noch bei der Nachhut der Zehntauſend., ſo hatte die Mora 400, und die obern Officiere, Pen - tekoſteren und Lochagen eingerechnet 412. In Xeno - phons Zeit beſtand aber die Enomotie aus 36 Mann53 mal 12 nach Hell. 6, 4, 12., die Mora ſonach aus ſechshundert, wie wir es auch bei ihm finden6Hell. 4, 5, 11. 12.; die andern Zahlen, welche von 5007ſ. Plut. Pelop. 16. aus Ephoros. Diod. 15, 32. bis 900 auf und ab ſchwanken8Vgl. die Stellen bei Cragius 4, 4. fuͤge hinzu Etymol. M. 590, 33., (wo fuͤr 30 ‒ 900 corrigirt Martini Prol. de〈…〉〈…〉 Spartiat. mora. Ratisbonae 1771.) Biblioth. Coislin. p. 505. und Bekk. Anecd. 1. p. 279. vgl. Sturz Lex. Xen. μόϱα., muͤſſen ſich ebenfalls aus groͤßerer oder geringerer Verſtaͤrkung der Enomotie ergeben haben.
Die Enomotie nun, der einfachſte Koͤrper dieſer Heeresordnung, iſt, wie das Wort andeutet, eine eng verbuͤndete u. zuſammenverſchworene Schlachtreihe9τάξις τις διὰ σφαγίων ἐνώμοτος Heſych., welche im tiefen Phalanx Mann hinter Mann ſteht10Als ein στίχος oder versus, Aelian Takt. 5.,235 ſo daß der eine Enomotarch Vordermann (πρωτοστάτης) der ganzen Reihe iſt. So ſtanden auch die Thebaͤer fuͤnf und zwanzig Schilde hoch1Thuk. 4, 93., die ſie bisweilen noch auf das Doppelte verſtaͤrkten2Xen. H. 6, 4, 12.; im Lakoniſchen Heere indeß war die Reihe gewoͤhnlich gebrochen, und es ſtand die Enomotie, je nachdem der Befehl vor der Schlacht gegeben war, drei, auch ſechs Mann breit3Staat 11, 4. διὰ παϱεγγυήσεως καθίστανται τοτὲ μὲν εἰς ἐνωμοτίας, τοτὲ δὲ εἰς τϱεῖς, τοτὲ δὲ εἰς ἓξ; d. h. die Enomotie bald 1, bald 3, bald 6 breit, wie man aus Hell. 6, 4, 12. ſieht. Hell. 3, 2, 16. wird die Enomotie acht Mann breit geſtellt, gegen Gewohnheit. Λόχος heißt auch das einzelne Glied eines Lochos im gewoͤhnlichen Sinn, was nach Schol. Ariſt. Acharn. 1073. Aelian Takt. 4. Suid. Tzetz. Chil. 12, 523. 8 oder 12 oder 16 Mann hat, wenn naͤmlich die Enomotie 2, 3, 4 στίχους bildet. Die τάξις betrug nach Aelian 9. acht Lochen oder 128 Maͤnner; dann hat die Eno - motie 4 στίχους. vgl. Sturz Lex. Xen. λόχος. Perizon. ad Ael. V. H. 2, 44. D’Orville ad Chariton. p. 455., in jenem Falle, wenn ſie verſtaͤrkt war, acht, in dieſem vier hoch; einmal ſollen die Lakedaͤmonier auch nur einen Schild hoch geſtellt die Arkader geſchlagen haben4Iſokr. Archidam 42.. Bildete aber die ganze Enomotie eine Reihe, ſo hieß der λόχος ὄρϑιος; ſo griff man gern hoͤhere Orte an, wobei man die Reihen ziemlich loſe nebeneinander ge - hen ließ5Xen. Anab. 4, 2, 11. 4, 3, 17. 4, 8, 10. vgl. Aelian, Suid. ὀϱθία, Sturz s. v. ὄϱϑιος, nach deſſen Mei - nung der ganze Lochos eine Reihe bildet.. Die Schwenkungen (παϱαγωγαὶ), durch welche die Phalangen tiefer oder ſchwaͤcher wurden, commandirte der Enomotarch. Weil dieſer der ſtaͤrkſte Mann oder der beſte Krieger der ganzen Enomotie war (doch waren auch die Uragen, die letzten der Reihe, erfahrene Krieger, namentlich wenn Heeren dauernde Gefahr im Ruͤcken drohte): ſo war ein Hauptaugen -236 merk darauf gerichtet, daß er, der Angriff komme wo - her er wolle, ſtets an der Spitze ſeiner Reihe ſtehe. Ziehen nun erſtens die Lochen hintereinander (ἐπὶ κέϱως), ſo ſchreiten die Enomotarchen den langen Rei - hen voran. Erſcheinen dann gegenuͤber Feinde, ſo tre - ten die Reihen ganz oder gebrochen nach der linken Seite (παρ̛ ἀσπίδα) aneinander1Staat 11, 8. vgl. Anab. 4, 3, 26., ſo daß im letztern Falle der Enomotarch in dem Viereck ſeiner Enomotie die Ecke nach vorn und rechts inne hat, und jederzeit der erſte Enomotarch des Heeres den rechten Fluͤgel ſchließt; das Manoͤvre heißt παραγωγὴ εἰς μέτωπον oder ἐπὶ φάλαγγος2vgl. Hell. 7, 5, 22.. Kommen aber Feinde von hin - ten, ſo wickelt ſich jede Reihe ſo um, daß die Fuͤhrer wieder nach vorn kommen3Staat a. O.. Zeigen ſich jene rechts, ſo wendet man die ganzen hintereinander ziehenden Lo - chen wie Trieren gegen die Feinde, und derjenige, wel - cher auf dem Marſche der letzte iſt, ſchließt die Schlacht - ordnung zur rechten (παρὰ δόρυ). Sieht man endlich links Feinde, ſo geſchieht daſſelbe, nur daß der letzte Lochos dann den linken Fluͤgel (παϱ̛ ἀσπίδα) einneh - men wird4Xen. Staat 11, 10..
Lochen kommen auch bei den Argeiern und The - baͤern vor, und in den Aſiatiſchen Heeren unter Spar - ta’s Hegemonie gab es ſolche der Soͤldner, der Bogen - ſchuͤtzen u. ſ. w.5Xen. H. 4, 2, 5.; wogegen die Mora eine den Spar - tiaten ſelbſt eigenthuͤmliche Abtheilung war. Und zwar verhaͤlt es ſich ſo damit. Die ganze Buͤrgerſchaft (τὸ πολιτικὸν) war in ſechs Moren eingetheilt6Staat 11, 4. vgl. Hieron 9, 5. διῄϱηνται μὲν γὰϱ ἅπασαι αἱ πὸλεις αἱ μὲν ϰατὰ φυλὰς αἱ δὲ κατὰ μό - ϱας αἱ δὲ κατὰ λόχους. Die Sechszahl kommt auch heraus Hell. 6, 1, 1. 4, 17. (welche Stelle Tittmann S. 596. ſehr mißverſteht).; ſo, daß237 jeder ἔμφϱουϱος auch in Sparta lebend zu einer der - ſelben gehoͤrte. Je mehr Jahre nun von den Epho - ren zur Aushebung beſtimmt waren, um deſto groͤ - ßer wurde die Mora im Felde; ſo konnte man z. B. eine Mora bis fuͤnf und dreißig Jahr ἀφ̛ ἥβης ausſenden, und die Aeltern zuruͤckbehalten u. ſ. w.1H. 6, 4, 17.: ſo daß in dieſem Sinne die Staͤrke der Abtheilung durchaus von den Umſtaͤnden abhing. Zu jeder Mora Hopliten gehoͤrte, doch ohne in naͤherer Verbindung da - mit zu ſtehn, ein gleichgenanntes Geſchwader Reiterei2Staat 11, 4., hoͤchſtens hundert Mann ſtark, und vom Hipparmoſtes kommandirt3H. 4, 4, 10. 4, 5, 12. Ein Carré von 50 hieß οὐλαμός. Plut. Lyk. 23.. In der Mora des Fußvolks aber muͤſ - ſen die Jahre auf irgend eine Weiſe geſondert geweſen ſein, ſo daß z. B. die von zehn oder funfzehn ſchnell zur Verfolgung abgeordnet werden konnten4Xen. H. 4, 5, 15. 16. vgl. 4, 4, 16.. Auf Geſchlechtsverwandtſchaft wurde in dieſer Eintheilung nicht mehr geachtet; Krieger einer Mora hatten Bruͤ - der, Soͤhne, Vaͤter in einer andern5H. 4, 5, 10.: obgleich es fruͤher ein Hauptaugenmerk geweſen ſcheint, Verwandte zuſammen zu bringen; noch die Spartiaten auf Sphak - teria waren unter einander verwandt6wie aus Thuk. 5, 15. zu ſchließen.. Nach Hero - dot7ſ. oben S. 82. richtete Lykurg fuͤr den Krieg die Enomotieen, Triakaden und Syſſitien ein; offenbar als militaͤri - ſche Abtheilungen, ſo daß die Lakedaͤmonier in denſel - ben Genoſſenſchaften ſpeiſeten und ſtritten, woraus es ſich erklaͤrt, wie die Polemarchen auch uͤber die Syſſi -6Und Ariſtot. bei Harpokr. μόϱα giebt wohl mit Unrecht fuͤnf an, wofuͤr Diod. 15, 32. nichts erweist. Die νεοδαμώδεις gehoͤrten zu keiner Mora, Hell. 4, 3, 15.238 tien eine Aufſicht fuͤhrten1Plut. Lyk. 12. Lak. Apophth. p. 221.. Es ſind darunter aber hier nicht die einzelnen Speiſegeſellſchaften, ſondern groͤßere Vereinigungen gemeint; als Sparta durch Agis wieder 4500 Haͤuſer erhielt, waren ſolcher funf - zehn2Plut. Agis 8.; fruͤher bei 9000 wohl dreißig: ſo iſt es wohl blos ein anderer Name fuͤr das ſelten vorkommende Oba, und das Heer ſtand nach Staͤmmen, Phratrien, und Geſchlechtern. Dann ſtellten auch in fruͤhern Zei - ten die einzelnen Komen Sparta’s Lochen fuͤr ſich; wie die Pitanaten im Perſerkriege3oben S. 50. und die Meſoaten4Nach den Schol. Ariſt. Lyſiſtr. 454. hatte Sp. ſechs Lochen, fuͤnf werden gemeint: ῎Εδωλος, Σίνις, ̛Αϱί - μας, Πλοὰς, Μεσοάγης. Der letzte iſt gewiß ΜΕΣΟΑΤΗΣ, von den andern weiß ich nichts zu ſagen. Auch die vier Lochen des Koͤnigs ſind raͤthſelhaft (vgl. Schol. Acharn. ), vielleicht nur ein an - derer Ausdruck fuͤr die Mora des Koͤnigs (Xen. Staat 13, 6.) Fuͤnf (oder ſechs) Lochen ſoll Sp. auch nach Ariſtoteles gehabt haben. Photlos λὀχοι, Heſych c. Intpp. .
Unter den beiden Principien, auf welche die Ordnung des Heers in Sparta gebaut wurde, war, wie ſchon hieraus abzunehmen, das eine mehr der aͤl - tern Zeit eigen, und ſpaͤter faſt erloſchen: ich meine die innige Verbruͤderung des Heers in allen ſeinen Thei - len. Dieſe ſpricht der Name Enomotia aus, und auf dieſelbe fuͤhren manche andere merkwuͤrdige Spuren, wie das Zuſammenſtehen von Liebenden und Geliebten, das in beſondern Lagen das Gefuͤhl aufs tiefſte ergreifen mußte, und das Opfer des Eros, das bei Spartiaten wie Kretern die Schoͤnſten vor der Schlacht verrichte - ten: ein Zeichen einer Geſinnung, die wechſelſeitige Neigung und Scham fuͤr die edelſte Triebfeder der Tapferkeit haͤlt. Dauernder aber war das zweite Princip: die ſtrenge Pflicht der πειθαϱχία, des unbe -239 dingten Gehorſams gegen jeden Vorgeſetzten. Es wa - ren aber bei der kuͤnſtlichen Organiſation des Heers faſt alle Spartiaten in gewiſſer Beziehung Befehls - haber1Thuk. 5, 66.: denn nicht blos die Vordermaͤnner der Rei - hen auch bei abgebrochenen Enomotieen (πϱωτοστάται), ſondern auch die Fluͤgelmaͤnner aller Glieder (ζευγῖται) waren Officiere2Plut. Pelop. 23.; ja es gehoͤrten auch je zwei und zwei durch die ganze Enomotie als Protoſtat und Epi - ſtat zuſammen3Aelian Takt. 5.. Die Commando’s (παϱαγγέλσεις) kamen ſchnell durch die Polemarchen, Lochagen u. ſ. w. an die Enomotarchen, die ſie wie Herolde mit lauter Stimme ausriefen4Xen. Staat 11, 6.; aber daß uͤberall nur der Be - fehl des naͤchſten Obern gegolten, beweist der Umſtand, daß der Ungehorſam eines Polemarchen oder Lochagen den eines ganzen Lochos nach ſich zog5S. die Beiſpiele von Amompharetos, Herod. 9, 53. und Hipponoidas und Ariſtoteles Thuk. 5, 71.. Die Polemar - chen, Lochagen, Pentekoſteren, auch die Xenagen (Fuͤhrer von Miethstruppen)6Dies ſind wohl eigentlich die ξεναγοὶ (Anekd. Bekk. 1. p. 284. vgl. Xen. Ageſil. 2, 10.), und daß ſie bei Bela - gerungen συμμάχους kommandiren, Thuk. 2, 75., iſt eine Ausnahme. nahmen am Kriegsrathe Theil, dem feierliche Opfer vorausgingen7Xen. Staat 13, 4. H. 4, 5, 7. vgl. Sturz λοχαγός.; die erſtgenannten befehligten unabhaͤngig einzelne Moren und ganze Heere8He - rod. 7, 173., oder bildeten den naͤchſten Rath der Koͤnige, unterſtuͤtzt oder vertreten, wie es ſcheint, von den συμφοϱεῖς9Xen. H. 6, 4, 14.. Den Nebenfeldherrn waͤhlte ſich der Koͤ - nig ſelbſt10Herod. 9, 10. Pauſanias waͤhlt ſich hier den Euryanax, S. des Dorieus, aus demſelben Hauſe; doch kann Dorieus nicht der S. des Anaxandri - das ſein (Manſo 3, 2. S. 315.), weil er dann haͤtte Koͤnig ſein muͤſſen vor Leonidas., und ſo wohl auch die andern Officiere. 240Die Umgebung des Koͤnigs heißt Damoſia, ſie be - ſteht aus ſeinen Zeltgenoſſen, wozu die Polemarchen1Xen. H. 6, 4, 14. Staat 13, 1. 7., die Pythier2oben S. 18., und noch drei Homoͤen3oben S. 107, 5. gehoͤren; den Weiſſagern, Aerzten4Auch in einer Fourmont. Inſchr. nach Raoul-Roch. Dissertat. p. 82., Floͤtenſpielern und Freiwilligen beim Heer5Xen. Staat 13, 7. Nikol. Dam. Auch der κϱεωδαίτης gehoͤrt vermuthlich dazu, Plut. Ageſ. 8.; auch ſind dazu zu rechnen die zwei Epho - ren, die den Koͤnig auf Auszuͤgen begleiteten6Manſo 2. S. 377. 3, 1. S. 214., die Laphyropolen, welche nebſt dieſen die Beute in Em - pfang nahmen, die Hellanodiken, die Streitigkeiten beim Heer entſchieden (es nannten ſich hier wie zu Olympia die Peloponneſier vorzugsweiſe Hellenen)7Xen. St. 13, 11., die Symbulen, die dem Koͤnige ſeit Agis Zeit bei - gegeben wurden8oben S. 105, 2. vgl. Thuk. 8, 39. In Fourmont. Inſchriften βου - λιαῖοι, die Raoul-Roch. a. O. fuͤr dieſelben haͤlt., der Pyrphoros, ein Aresprieſter, der von dem Opfer, was der Koͤnig daheim dem Zeus Agetor9oben S. 99, 4. Aus Xen. Nikol. Damaſk. vgl. Theopomp bei Schol. Theokr. 5, 83. Eudokia S. 251. uͤber den Ζεὺς ̛Ηγήτωϱ, der auch zu Argos ver - ehrt wurde, als der die Herakliden ins Land gefuͤhrt, worauf Tyr - taͤos deutet in den Bd. 2. S. 47. angef. Verſen., und an der Graͤnze dem Zeus und der Athena verrichtet, Feuer nimmt, und es beſtaͤndig waͤh - rend des Feldzugs bewahrt, (im Treffen ſchuͤtzte den Unbewaffneten gewoͤhnlich eine religioͤſe Scheu)10Xen. Staat 13, 2. vgl. Zenob. Prov. 5, 34. Schol. Eurip. Phoͤn. 1415.; end - lich waren auch die Sieger in Kranzwettkaͤmpfen in des Koͤnigs Umgebung11Plut. Lyk. 22. Qu. Symp. 2, 5. p. 88.: in der That ein Gefolge, bedeutend genug, um in einem ſo einfachen Leben den Sproſſen des Herakles mit einem Schein von Hoheit zu umgeben. Mit der Damoſia ſind die Dreißig241 um den Koͤnig nicht identiſch; denn dies waren durch - aus Spartiaten, was wir von den Floͤtenſpielern u. ſ. w. nicht ausſagen koͤnnen; ſie wurden dem Koͤnige beige - geben, wenn auch das ganze uͤbrige Heer (wie bei Aſiatiſchen Feldzuͤgen oͤfter) aus Neodamoden beſtand1Xen. H. 3, 4, 2. 4, 1, 5. 30, 34. 5, 3, 8. Plut. Ageſ. 6. 7. Lyſand. 23., und waren wahrſcheinlich dem Koͤnige zugleich Leibwa - che und Rath. So kann man ſie fuͤr die ins Kurze zuſammengezogenen Dreihundert anſehn, die den Koͤnig nur bei minder entfernten Heereszuͤgen begleiteten. Dieſe Dreihundert aber waren die auserleſenſte Schaar Sparta’s, der Stolz der Jugend, wie die Geronten des Greiſenalters, und eben ſo ariſtokratiſch erwaͤhlt. Die Ephoren ernannten naͤmlich drei Hippa - greten, von denen jeder hundert junge Maͤnner mit Angabe des Grundes ſolcher Auszeichnung waͤhlte; aus der Zahl der Austretenden wurden die fuͤnf Agathoer - gen genommen, die ein Jahr lang dem Staat in Sen - dungen dienten2S. Manſo 1, 1. S. 153. Fuͤge hinzu Herod. 7, 124. Xen. H. 3, 3, 9. Plut. reg. apophth. p. 130. Lac. ap. p. 232. Dionyſ. Hal. Arch. 2, 13. nach dem ſie zu - gleich Reuter und Hopliten waren. Die Dreihundert um Leoni - das, obgleich οἱ κατεστεῶτες τϱιηκόσιοι von Her. 7, 205. ge - nannt, waren doch nicht die ἱππεῖς; es waren ſicher meiſt aͤltere Maͤnner; dieſe aber, wie ſie Pſ. Archytas bei Serm. Stoh. 41. nennt, durchaus κόϱοι..
Ein aͤhnliches Corps in den Kretiſchen Staa - ten beſtand wirklich aus Berittenen; die Spartiatiſchen hießen Reuter und waren Hopliten3Str. 10, 481.: wovon der Grund in der geringen Achtung des Dienſtes zu Pferde bei den Lakonen lag. Das Land war mehr geeignet, Maͤnner als Roſſe hervor zu bringen; und obgleich die Reichern unter den Buͤrgern das Roß nebſt der BewaffnungIII. 16242ſtellten, ſo ſetzte man darauf doch nur Geringere und Schwaͤchere1Xen. H. 6, 4, 11.. So vermochte die Reiterei Spar - ta’s — deren Anzahl im Peloponneſiſchen Kriege auf vierhundert, hernach auf ſechshundert ſtieg2Thuk. 4, 55. Xen. 4, 2, 16. — nichts gegen die beſſer berittene und geuͤbte Boͤotiſche, die durch bald hinten aufſitzende, bald ſchnell abſpringende Leichtbewaffnete dem Feinde doppelt gefaͤhrlich wurde3Die ἅμιπποι (πϱόδϱομοι bei Philochoros), Thuk. 5, 57. Xen. H. 7, 5, 24. Harpokr. und Heſych s. v. . Dagegen hatte unter den andern Doriſchen Voͤlkern na - mentlich Tarent eine zahlreiche43000 Rei - ter und 30,000 M. Fußvolk, Str. 6, 280. und ſehr ausgezeich - nete leichte Reiterei5Aelian Takt. 2. Steph. B. s. v. Τάϱας Aa.; die Vorliebe fuͤr eine ſolche zeugt nach Grundſaͤtzen des Alterthums eben ſo fuͤr einen un - ſteten, verweichlichten Charakter, als der Lakoniſche Hoplitenkampf Feſtigkeit und Ruhe der Seele bewaͤhrt. Einen abgeſonderten Heerhaufen, bei den Lakonen6auch λόχος genannt, Diod. 15, 32. Heſych u. Etym. M. σκιϱτὴς λόχος. Bekk. Anecd. 1. p. 305. Schol. Thuk. 5, 67. bildeten die Skiriten, deren im Peloponneſiſchen Krie - ge auch an ſechshundert waren7Thuk. 5, 67.; ſie zogen auf dem Marſche voran, lagen im Lager an den aͤußerſten En - den8Xen. Staat 12, 3. 13, 6., und hatten in der Schlacht den linken Fluͤgel inne9Thuk. a. O. Diod. laͤßt ſie um den K. ſtehn; er verwechſelt ſie offenbar mit den Rittern.. Obgleich wir von ihrer Waffenart nichts er - fahren, koͤnnen wir ſie doch kaum fuͤr eigentlich ſchwere Armatur halten, da ſie ſchnell ihren Platz zu veraͤndern, und zum raſchen Angriff, zum Stuͤrmen von Hoͤhen u. dgl. geſchickt ſchienen10Xen. H. 5, 4, 52. 53. Diod. a. O.; man ſtellte ſie oft auf ge - faͤhrliche Punkte11Mehr ſagt Xenoph. Kurop. 4, 2, 1. nicht. vgl. Heſych u. aa. Gramm. Manſo 1, 2. S. 228.. Urſpruͤnglich waren ſie gewiß,243 was ſie hießen, Bewohner der Landſchaft Skiritis, der aͤußerſten Lakonika’s gegen Parrhaſien1ἦν δὲ ̕᾽Αϱκαδικὸς, Heſych., ihre Rechte und Pflichten ſcheinen durch Vertraͤge beſtimmt gewe - ſen, auch ihre Kampfart war vielleicht die Arkadiſche. Die uͤbrigen Perioͤken ſcheinen nur an groͤßeren und laͤngere Zeit vorbereiteten Heereszuͤgen Theil genommen zu haben, auch waren wohl meiſt nur Auserleſene Ho - pliten2λογάδες τῶν πεϱιοί - κων, Herod. 9, 11.; das Verhaͤltniß der Zahl derſelben wie der Neodamoden und Anderer zu den Buͤrgern Sparta’s war durchaus ohne feſte Beſtimmung3Bei Leuktra waren nur 700 Spartia - ten nach Xen. Hell. 6, 4, 15., der aber das Wort in einem ſehr engen Sinne nehmen muß; denn es ſtanden hier 4 Moren (μόϱαι πολι - τικαὶ) bis 35 Jahr, ſicher gegen 2000 Mann. Das Geſammtheer aber war weit ſtaͤrker; es hatte noch bei Korinth 6000 Hopliten betragen, 4, 2, 16. Zu oben S. 26. Z. 2. iſt zu bemerken, daß die 172 nicht nothwendig alle Perioͤken waren.. Wenig klar iſt es, auf welche Weiſe die Peloponneſiſchen Heere ſo zahlloſe Maſſen von Leichtbewaffneten, beſonders von Heloten, benutzten4Daß noch noch ſpaͤter viele ψιλοὶ im Pelop. Heere waren, ſieht man aus Po - lyaͤn 4, 14.. Indeſſen iſt zu erwaͤgen, daß es wohl nur im Perſerkriege bei einem allgemeinen Aufgebote der Nation der Fall war, daß ſieben Knechte um jeden Spartiaten waren5S. oben S. 38. 46, 4., wo aber zu bemer - ken, daß das Epitaph nicht mit der Stelle 8, 25. zuſammen zu halten iſt; es geht auf die Schlacht vor der Umgehung des Heers. Wenn Manche (Hegemon in der Palat. Anthol. 7, 436. Iſokr. Archid.) 12. 1000 Spartiaten bei Thermopylaͤ annehmen, iſt dies of - fenbar ein Irrthum.; hier mochten ſie, bei ſolcher Uebermacht der Feinde, dienen, die hintern Glieder der langen Schlachtreihen einzunehmen und den Druck zu verſtaͤrken; ſonſt beunruhigten ſie auch den Feind von hinten mit Schleudern, Wurfgeſchoß und16 *244Steinen. Auch war ein großer Theil von ihnen, als ϑεράποντες, ἐϱυκτῆρες, ὑπασπισταὶ, blos zum Dienſt und zur Rettung der Hopliten in Gefahren beſtimmt1oben S. 38. vgl. Xen. H. 4, 8, 39.; ein anderer wohl zur Begleitung und Deckung des Trains (στϱατὸς σκευοφορικός). Dagegen verſuchten es die Peloponneſier der fruͤhern Zeit nie, aus Pſilen eigene Truppenabtheilungen zu bilden, wie die Pelta - ſten waren, die zu dem Wurfſpeer den kleinen Schild der Thraker und Illyrier fuͤhrten2Ari - ſtoph. Lyſiſtr. 563. Klem. Alex. Str. 1. S. 307.; die Ausbildung dieſer Gattung Truppen, namentlich durch Chabrias und Iphikrates, brachte der Spartiatiſchen Hopliten - taktik empfindliche Wunden bei; und die Peloponneſier fuͤrchteten ſie lange Zeit, nach Lakoniſchem Ausdruck, wie Knaͤblein den Popanz3Xen. H. 4, 4, 17. vgl. aber 4, 5, 11 ff. 5, 4, 14..
Sparta’s Aufmerkſamkeit dagegen war faſt allein auf die ſchwere Infanterie gerichtet; und daß dieſe zur hoͤchſten Vollkommenheit bei ihnen ausgebildet worden, iſt ſchwerlich zu laͤugnen. Die Bewaff - nung4wohl die Δωϱικὴ ὅπλισις Heſych. beſtand aus einen langen Speere5Her. 7, 211., einem ſehr kurzen und fuͤr den engſten Zweikampf beſtimmten Schwerte6Plut. Lyk. 19. Reg. apophth. p. 130. Lac. ap. p. 194. Die Δω - ρικὴ μάχαιϱα kommt wohl nur als Opfermeſſer vor, Eurip. Elektra 819. 836., einem ehernen7Xen. Staat 11, 3. Dieſelben ſind wohl im ganzen die alten Argetiſchen Kreisſchilde (vgl. Spanh. zu Kall. auf Pallas 35.) die wirklich dort fabrieirt wurden. Pind. Hyporch. 3. p. 599 Bh. oben Bd. 2. S. 72. Schilde, der den Leib von den Schultern bis zu den Knieen deckte8Tyrtaͤos Frgm. 2. Brunck. p. 50., und auch ſonſt dem des heroiſchen Zeitalters aͤhnlicher war, als der der uͤbrigen Griechen. Denn waͤhrend dieſe die Kariſche Handhabe (ὀχάνη) angenommen hatten,245 um durch die Bewegung des hindurchgeſteckten Arms den bedeutend kleiner gewordenen Schild zu regieren, hing wahrſcheinlich der Spartiatiſche noch an einem um den Nacken gelegten Riemen (τελαμὼν), und wurde nur durch einen Ring (πόρπαξ) in der hohlen Seite regiert, der in Friedenszeiten herausgenommen werden konnte1S. Kritias (Kallaͤſchros S.) bei Liban. Or. 24. p. 86 R. Plut. Kleom. 11. Daher Ariſtoph. Lyſ. 107. ποϱπακισάμενος von einem Spartiaten. vgl. Schneider Lex. ὀχάνη.. Erſt Kleomenes der Dritte fuͤhrte in Lake - daͤmon jene Handhaben und uͤberhaupt eine leichtre Be - waffnung ein2Von den Lakedaͤmoniſchen Schildzeichen Pauſ. 4, 28, 3. — daneben auch be - ſondere ἐπίσημα, Plut. Lak. Ap. p. 240. Die Kreter hatten nach dem Skotion des Hybrias auch λαιοήια; Homers λαισήια πτε - ϱόεντα glaube ich in den mit ledernen Fittigen verlaͤngerten Schik - den auf Vaſengemaͤlden zu erkennen, z. B. Tiſchbein 4, 51..
Die Grundſaͤtze der Lakoniſchen Taktik fol - gen ſchon aus dem oben uͤber die Enomotie und deren Bewegungen Geſagten; die Evolution derſelben, ἐξε - λιγμὸς, war das Hauptmittel, dem Feinde die beſten Krieger entgegenzuſtellen3vgl. Xn. H. 3, 4, 18., und davon vorzuͤglich hoffte man den Sieg. Eine beſondere Art dieſer Evo - lution hieß die Lakoniſche; ſie beginnt von den Enomo - tarchen, die ſich nach der Lanzenſeite umdrehen, und zwiſchen ihrer und der naͤchſten Reihe durchgehn; die ganze Reihe folgt ihnen, bis ſie ſich vor dem allein ſtehenbleibenden und ſich nur umwendenden Uragos auf - geſtellt hat; ſo daß der ganze Phalanx dabei zugleich um die Tiefe der Schlachtordnung gegen den im Ruͤcken erſcheinenden Feind vorruͤckt: wovon die Makedoniſche dadurch verſchieden iſt, daß die Bewegung vom Uragos anfaͤngt, daher der Phalanx dabei zuruͤckgeſchoben246 wird, und die Kretiſche, auch Choreios genannt, da - durch, daß Enomotarch und Uragos beide ſich bewegen, bis ſie ihren Platz vertauſchen, daher hier der Pha - lanx im Ganzen ſtehen bleibt1Aelian Takt. 26. 27. vgl. Heſych: Λάκων εἶδος παϱὰ Τακτικοῖς.. — Beim Angriffs - marſche hatte der Feldherr zu beachten, daß das Heer ſich ſtets von ſelbſt etwas mehr rechts zog als es ſollte, indem Jeder ſeine rechte unbeſchuͤtzte Seite unter den Schild des Nebenmannes zu bringen, und der Letzte am rechten Fluͤgel dieſelbe vom Feinde abzuwenden ſuchte2Thuk. 5, 71.; womit auch die natuͤrliche Schwaͤche dieſes Fluͤgels zuſammenhaͤngt, die durch die vorzuͤglichſten Truppen und durch Deckung mit Reiterei aufgewogen werden mußte. Außerdem hatte der Feldherr — ehe Epaminondas die Kunſt erfand, den Kampf auf die Stelle, wo er am ſtaͤrkſten, zu concentriren, und das uͤbrige Heer der Feinde in Unthaͤtigkeit zu erhalten, — nur fuͤr zweierlei zu ſorgen, erſtens daß der Stoß der Seinigen die Glieder der Feinde beſonders da wirkſam und kraͤftig treffe, wo ſie zu durchbrechen moͤglich und vortheilhaft ſchien, und ſeine Linie zugleich dem feind - lichen Stoße gleichmaͤßig widerſtehe: zweitens aber konnte er den Sieg auf dem Wege der Ueberfluͤgelung durch Ausdehnung ſeiner Glieder ſuchen, was indeß die Spartiaten ſelten ſelbſt unternahmen, ſondern gewoͤhn - lich nur von feindlicher Seite zu verhindern ſuchten. Die Hauptſache war immer, daß die Glieder feſtge - ſchloſſen blieben bei raſchem Vordringen wie bei ſchein - barer Flucht3Dies fuͤhrten die Spar - tiaten bei Thermopylaͤ aus, Herod. 7, 211., nach Platon Laches p. 191. bei Plataͤaͤ.; kein Kampfmuth entſchuldigte das Ver - laſſen derſelben.
Ueberhaupt iſt es eine große Ruhe und eine gebaͤndigte Kraft, die die Krieger Sparta’s charakte - riſirt, denen die Berſerkerwuth (λύσσα) eines Ariſto - demos1Herod. 9, 71. und Iſadas2Plut. Ageſil. 34., wo indeß die Strafe von tauſend Drachmen zu bezweifeln iſt. mehr tadelnswerth als ruͤhmlich ſchien, und die uͤberhaupt die aͤchten Hellenen von den noͤrdlicheren Barbaren unterſcheidet, deren Tapferkeit von jeher eine Art Rauſch und Taumel war3S. Thuk. 4, 126.. Spar - ta’s Kampfſitten ſprechen eine hoͤchſt edle Sinnesart aus, die alle Aeußerungen brutaler Wuth abſchneidet; die Verfolgung der Feinde hoͤrte auf, wenn der Sieg vollendet4S. Herod. 9, 77. Thuk. 5, 73. Plut. Lyk. 22. de cohib. ira 10. p.438. Lak. Ap. p. 226. Polyaͤn 1, 16, 3.; und mit dem Zeichen zur Ruͤckkehr ſollte jede kriegeriſche Handlung abgebrochen ſein5Plut. Lak. Ap. p. 246.; auch war das Abziehn der Waffen, wenigſtens waͤhrend der Schlacht, unterſagt6Ebd. Aelian V. G. 6, 6.; und die Spolien erſchlagener Feinde den Goͤttern zu weihen7Plut. a. O. p. 214. mit der Bemerkung von Manſo 1, 2. S. 236., wie uͤberhaupt jede Siegesfeier, ſchien unheilig8Plut. Ageſ. 33.: Grundſaͤtze einer althel - leniſchen Humanitaͤt der edelſten Art. Es war der Krieg moͤglichſt auf ein Meſſen der Kraͤfte beſchraͤnkt, und die Schlacht, wie Mardonios bei Herodot die der Hellenen uͤberhaupt ſchildert97, 9, 2., eine Art Duell nach Grundſaͤtzen der Waffenehre. Alte Tagſatzungen moͤgen im Peloponnes, wie auf Euboͤa10S. Str. 10, 448. wozu außer Il. 2, 544. Archilochos p. 144 Liebel zu vgl., den Gebrauch der Waffen beſtimmt haben. Auch hielt Sparta mit religioͤſer Scheu die alten Gottesfrieden wie die Olym - piſche Ekecheirie; es feierte nicht blos die einheimiſchen248 Feſte gern in Ruhe1Wie die Hyakinthien und Karneen. Daß die Stelle Herod. 6, 106. ſich nur auf dieſe bezieht, und nur im Karneios die Spart. nicht vor dem Vollmonde auszogen, daruͤber ſ. beſonders Boͤckb Index lect. aestiv. Berol. 1816. Doch bat nicht blos Plutarch ſie falſch gefaßt (Diogen. Prov. 6, 20. Jo. Tzetz. Jamb. 161.), u. Herod. ſelbſt iſt nicht ohne Schuld., ſondern reſpektirte ſelbſt fremde, wie es ſich noch Ol. 97, 2. lange durch die “heiligen Monate” der Argeier hinhalten und taͤuſchen ließ2Xen. H. 4, 7, 2.. Wenn aber der Staat, ſo lange er dieſen Grundſaͤtzen treu blieb, fremde Krieger nicht zweck - und maaßlos mordete, ſo ſchonte er um deſto mehr die eigenen, und jeder maͤßige Verluſt war ihm hoͤchſt empfindlich, aber es fielen auch im Hoplitenkampfe von der ſiegreichen Parthei meiſtentheils ſehr wenige. Jeder weiß von der thraͤnenloſen Schlacht, in der die Stadt keinen Todten zu betrauern hatte3So verlor auch Braſidas gegen Kleon nur ſieben Mann, Thuk. 5, 11., und die Lakedaͤmonier in der großen Schlacht von Korinth acht. Xen. H. 4, 3, 1.. Man kann daher Spar - ta nichts weniger vorwerfen, als ungeſtuͤme Kriegsluſt, tollkuͤhnen Leichtſinn und Eroberungsſucht. Der letzten wehrte wohl auch der Lykurgiſche Grundſatz: nicht oft gegen dieſelben Feinde zu ziehn4Plut. Lyk. 13. Ageſ. 26. Lak. Ap. p. 188. 222. Polyaͤn 1, 16, 2., deſſen Nichtbeach - tung ein Vorwurf gegen Ageſilaos iſt; wie ſchwer die Lakedaͤmonier an groͤßere Kriege gingen, iſt hin - laͤnglich bekannt. Und doch hatte Sparta im Kampfe auf offenem Felde bis zur Schlacht von Leuktra faſt die Sicherheit des Sieges5vgl. was Archi - dam bei Jſokr. von den Heerszuͤgen der Koͤnige ſeines Geſchlechts ſagt, auch Panathen. 100., indem das Bewußtſein der Meiſterſchaft im Waffengebrauche zu dem Nationalge - fuͤhl des Doriſchen Stammes hinzutrat, der uͤber Jo - nier zu ſiegen von vornherein vertraute6Thuk. 1, 121. Herod. 7, 102. vgl. Hegemon in der Palat. Anthol. 7, 436. Δώϱιος ἁ μελέτα.. Wie furcht -249 ſam griffen doch die Athener die hartbedraͤngten und erſchoͤpften Spartiaten auf Sphakteria an; die Gefan - genen betrachteten ſie faſt mit der Empfindung, wie die Achaͤer bei Homer den Leichnam Hektors. — So conſequente Anſichten mußten freilich mannigfache Mo - dificationen zulaſſen, als Sparta in auswaͤrtigen Krie - gen aus ſeiner Sphaͤre heraus auf einen fremdartigen Boden verſetzt wurde; namentlich durch den Seekrieg, der, wenn auch fruͤh von Korinth, Aegina, Korkyra geuͤbt, doch dem Doriſchen Naturel nie zuſagte: daher Sparta, obgleich es nach manchen ungluͤcklichen Verſu - chen auch dafuͤr bedeutende Talente, wie Kallikratidas und Lyſandros, erzeugte, und eine zeitlang die Flotte ſehr bedeutend, ihr Commando ein anderes Koͤnig - thum1Ariſt. Pol. 2, 6, 22. Daß ein Koͤnig, wie Leotychidas, die Flotte fuͤhrte, war Ausnahme. vgl. Plut. Ageſ. 10. war, doch nie eine vorzuͤgliche Neigung dafuͤr und Virtuoſitaͤt darin erlangte. Eine eben ſo große und aͤhnlich begruͤndete Abneigung zeigen die Spartia - ten vor dem πυργομαχεῖν, dem Belagern feſter Orte2Meh - rere Apophth. nennen ſie witzig Gynaekoniten. — daher ſie auch ſelbſt fruͤher keine anlegten — und vor dem Gebrauche von Maſchinen, wodurch dem Archi - dam, Ageſilaos Sohn, “des Mannes Kraft vernichtet” ſchien.
Wir ſchließen mit der Behauptung, mit der wir dieſes Kapitel begannen, aber in anderer Bezie - hung: daß kein Volk den Krieg in dem Sinne und Maaße als Kunſt angeſehn, wie die Doriſchen Spar - tiaten. Es war ihnen die Kriegfuͤhrung faſt weniger ein wirkendes, auf Verderb Anderer gerichtetes Han - deln, als ein darſtellendes; das den ſchoͤnſten Theil des Volkes in einſtimmender und gelenker Bewegung, wie250 einen kraͤftigen und ebenmaͤßig ausgebildeten Koͤrper im freudigen Bewußtſein ſeiner Staͤrke zeigen ſollte. Auch iſt die Uebereinſtimmung, die Neuere1S. Fr. Thierſch Vorrede zum Pindar. zwiſchen den Einrichtungen des Griechiſchen Chors und Lochos gefunden haben, nicht bloßes Spiel der Einbildung; der große Chor iſt an Zahl eine Pentekoſtys, die in zwei Enomotien (Hemichorien) zerfaͤllt; er zieht eben ſo in Gliedern heran, wie der Heerhaufen, und hat entſprechende Evolutionen2Darum heißt auch der Kretiſche ἐξελιγμὸς χόϱειος, oben S. 246. In Sparta nannte man die Letzten im Chor ψιλεῖς, Alkman Frgm. 108. Welck. aus Suid. u. Heſych.. Beide, Tanz und Kampf, vermittelt die Pyrrhiche, die beſonders in Sparta und Kreta geuͤbt wurde3Unten B. 4 K. 5.: ſie war in fruͤherer Zeit weit mehr Voruͤbung zum Kampfe, als ſpaͤter; man ſah im Hopliten der Schlacht zugleich den gewandten Taͤnzer der Pyrrhiche. Darauf deutet Homer, wo Aeneias den Meriones von Kreta, ein ſo raſcher Taͤnzer er im - mer ſei, zu erlegen hofft4Il. 16, 617. beſprochen von Athen. 5, 181. 14, 630 b. Lukian vom Tanz 7. Dio Chryſoſt. Or. 2, 31, 28. Heyne’s Erklaͤrung: de motu declinantis et a telo sibi caventis, iſt der der Alten ge - wiß nicht vorzuziehn.; wie die Theſſaler die Kaͤm - pfer der erſten Reihe Vortaͤnzer nannten, und von ei - nem guten Streiter ſagten: er hat ſchoͤn getanzt5Lukian a. O.; darum heißen bei demſelben Dichter πρυλέες Hopli - ten6Il. 5, 744. 11, 49. vgl. Schol. 12, 77. vgl. Euſt. Daß der Ausdruck dafuͤr auch Lakoniſch, folgt aus Heſych πϱουλέσι nach Salmaſ. wie bei den Kretern πρύλις der Waffentanz7bei den Gortyniern, Schol. Il. 11, 49., auch bei den Kypriern (d. h. bei den Griechen daſelbſt,) Ariſtot. bei Schol. Pind. 2, 125. Kallim. auf Zeus 52. nennt auch den Kuretentanz ſo, indem dieſer ſehr zeitig mit dem Kretiſchen Waffentanze identificirt wurde., es ſteht aber bei Homer dieſer Ausdruck an zwei Stel -251 len, wo Griechen und Troer die gewoͤhnliche Schlacht - ordnung verlaſſen, und ihre Helden von den Wagen ſteigen und ſich zu Fuß anſchaaren, alſo grade von der Kampfweiſe, die durch die Dorier in Griechenland herrſchend geworden iſt. — Darum ging der Schlacht der Spartiaten ein Muſenopfer voraus1Plut. Lyk. 21. Lak. Ap. p. 207. de cohib. ira a. O. Aber die χίμαιϱα wurde nicht dieſen (Manſo 1, 2. S. 234.), ſon - dern, wie bei Marathon, der Art. Agrotera geopfert. S. zu Xen. Staat 13, 8. Plut. Lyk. 23. Xen. Hell. 4, 2, 20., indem man von dieſen Gottheiten insbeſondere Ordnung und Rhyth - mos des Kampfes erwartete; ſo wie man zur ſelben Zeit in Kreta und Sparta dem Eros opferte, als dem Befeſtiger wechſelſeitiger Liebe und Scham2So - ſikrates bei Athen. 13, 561 e. Aelian V. G. 3, 9.. — Ueber das ganze Leben der Spartiaten im Lager war eine große Unbefangenheit und Heiterkeit ausgebreitet; und weil die Stadt Sparta gewiſſermaßen immer ein La - ger3wie Dionyſ. 〈…〉〈…〉n Hal. ſagt., war das Lagerleben von dem in der Stadt wenig verſchieden. Die Leibesuͤbungen wurden regelmaͤßig fortgeſetzt, und zweimal des Tages vorgenommen4Xen. Staat 12, 6, 7., aber mit minderer Anſtrengung als daheim5Plut. Lyk. 22.; uͤber - haupt war die Diſciplin weniger ſtreng. Der Perſiſche Spaͤher traf die Spartiaten am Abend vor der Schlacht in den Pylen theils mit gymniſchen Kaͤmpfen, theils ihr Haar zu ſtraͤhlen beſchaͤftigt6Her. 7, 208. Xen. Hell. 13, 9. Plut. Lyk. 22., welches ſie von dem Eintritt in das Mannesalter an lang herabwallend tru - gen. Jeder bekraͤnzte es7Der eigenthuͤmliche Ausdruck davon war ξανϑίζεσϑαι. Bekkers Anecd. 1. p. 284., wenn die Schaar der Au - leten den Angriffsmarſch ſpielte; dazu ſtrahlten alle Schilde der Reihe hell polirt8Xen. Staat 11, 3. 13, 8. Plut. a. O., und miſchten ihren252 Glanz auf eine erhebende Weiſe mit dem dunkeln Roth der Purpurgewaͤnder1vgl. von dieſen, außer Xen. u. Plut., Aelian 6, 6. Etym. M. 385, 25. Suid. καταξαίνειν, auch Heſych s. v. πυτὰ, vgl. Meurſ. Misc. Lac. 1, 15. Auch die Geſandten trugen ſolche, Ari - ſtoph. Lyſiſtr. 1139. Plut. Kim. 16. Lesbonax Protr. p. 24, 27 R. Aehnlich, nur mit fucus gefaͤrbt, waren die Kretiſchen. Meurſ. Creta 3, 12. — Weil die Waffen der ſchoͤnſte Schmuck, beteten auch die Juͤnglinge bewaffnet zu den ebenfalls bewaffneten Goͤttern. Plut. Lak. Ap. p. 235. vgl. Inst. Lac. p. 253., die den Kaͤmpfenden zu zieren und das Blut der Wunden zu verbergen gleich geeignet waren; ſchoͤn und ſchauenswerth zu fallen, war eine Aufmunterung mehr zur heldenmuͤthigſten Tapferkeit.
Von der Betrachtung des oͤffentlichen Lebens der Dorier wenden wir uns zu dem, ſich nicht unmittelbar auf die Geſammtheit beziehenden, Familien - u. haͤus - lichen Leben, ohne dieſes indeß von jenem durch eine ſcharfe Graͤnzlinie abſondern zu wollen, was bei dem Doriſchen Stamme noch weniger moͤglich, als bei ir - gend einem andern. Im Familienleben nun ſind ohne Zweifel die perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe wichtiger und be - deutender, die der Ehegatten ſowohl als der Eltern und Kinder, und minderer Aufſchluß uͤber das Innere ſcheint von den mehr dinglichen zu erwarten, die ſonſt den groͤßten Raum in der Diſciplin der ſog. Alterthuͤ - mer einnahmen, z. B. Wohnung, Kleidung, Mahlzei - ten. Indeſſen ſpricht ſich doch auch in dieſen eigen - thuͤmlicher Geiſt oft mit uͤberraſchender Beſtimmtheit aus; das ſchoͤne Geſetz nationaler Sitte ertheilt dem Kleinſten ſeine Bedeutung fuͤrs Ganze, und adelt das254 Befriedigen des Beduͤrfniſſes durch Beziehung auf in - neres Sein; und da ſolche Aeußerlichkeiten gerade der Betrachtung am offenſten liegen: ſo lenkt ſich auch die unſere am erſten darauf zu.
Die Dorier wohnten ſchlicht und einfach. Lykurg hatte als Geſetz ausgeſprochen: in jeglichem Hauſe ſollte die Thuͤre blos mit der Saͤge und die Decke mit dem Beile gearbeitet ſein1Plut. Lyk. 13. de esu carn. 2, 2. reg. apophth. p. 125. Lac. ap. 222. Qu. Rom. 87. p. 363. Proklos zu Heſiod T. u. W. 421.; nicht etwa allem hoͤhern Be - triebe der Baukunſt zu wehren beabſichtigend, ſondern damit dieſe auf ihrer allein wuͤrdige Gegenſtaͤnde, Tem - pel und oͤffentliche Gebaͤude, beſchraͤnkt, und nicht die Magd des Privatluxus werde. Waͤhrend unter den Achaͤern Homers die Koͤnige nicht blos in ſehr ausgedehnten, ſondern mitunter auch in reich geſchmuͤckten Haͤuſern wohnten, deren Waͤnde von Erz, Silber, Gold, Bern - ſtein und Helfenbein ſtrahlten: war alle aͤhnliche Pracht von den Wohnungen der Enkel des Herakles entfernt. Die Amtswohnung beider Fuͤrſten ſollte Ariſtodemos bei der Einnahme Sparta’s gebaut haben; hier wohnte noch Ageſilaos nach der Vaͤter Sitte, und ſeine Thuͤren waren, nach Xenophons freilich uͤbertriebenem Aus - drucke, noch die des urſpruͤnglichen Bau’s2S. oben S. 107, 3.. Mit naivem Witze fragte daher Leotychidas, der Alte, (Ol. 72.) einen Gaſtfreund von Korinth, wo der Reichthum zeitig Luxus im Bauen angeregt, da er die Decke des Gemachs mit vertieften Feldern geſchmuͤckt (φατνωμα - τικὴ) ſah: Wachſen bei euch die Hoͤlzer viereckig?3Plut. Lyk. 13. vgl. Lak. Apophth. S. 179. 222.. Uebrigens mag man ſich dieſe Haͤuſer dabei geraͤumig und weitlaͤuftig denken; einen Hof, durch eine Mauer255 von der Straße abgeſondert, vor dem Hauſe1Gegen die Straße die ϑύϱαι αὔλειοι (Herod 6, 69); im Hauſe die ἐγγυτέϱω πίλη (Plut. Lak. Ap. des Leotychides (ὁ Ἁϱί - στωνος iſt ein Irrthum) S. 215. An die αὔλειοι ϑύϱαι klopfte man in Sp. nicht, ſondern rief. Instit. Lac. p. 253.; in dieſem eine große Halle u. ſ. w. — Die Staͤdte des Peloponnes im Ganzen waren unregelmaͤßig und winklicht gebaut; dagegen bei den Joniern fruͤhzeitig eine geradlinigte und regelmaͤßige Anlage Sitte wurde2So ſcheint es nach Pauſ. 6, 24, 2. Vgl. Str. 14, 646. von der ϱ̔υ - μοτομία ἐπ̛ εὐϑειῶν in Smyrna., die durch Hippodamos den Mileſier ſich auch uͤber das uͤbrige Griechenland verbreitete. Hippodamos war es vermuthlich, der Thurioi Ol. 83, 3. voͤllig winkelrecht3wie Diodor angiebt, 12, 10. anlegte4Photios und Heſych s. v. Ἱπποδάμου νέμησις — οἷτος ἦν καὶ ὁ μετοικήσας εἰς Θουϱίους Μιλήσιος ὢν. Um die - ſelbe Zeit muß er den Peiraͤeus ausgebaut haben. vgl. Schneider ad Arist. Pol. 2. 5. p. 109., und derſelbe bauete noch in hohem Alter die Stadt Rhodos (Ol. 93, 1.) ſo ſymmetriſch, daß ſie nach bewunderndem Ausdruck der Alten Ein Haus ſchien5Meurſius Rhod. 1, 10..
Wir wiederholen aber, daß dieſe Grundſaͤtze einfacher Sitte keineswegs der Ausbildung der wahren Baukunſt ſchadeten. Vielmehr wiſſen wir, daß die - ſelben Dorier zur Verherrlichung eines hoͤhern, des re - ligioͤſen, Lebens eine Baukunſt uͤbten, die ihnen durch - aus original war, und in der Strenge der Principe und Sorgfalt in der Ausbildung Hand in Hand gingen. Was hierin den erſten Punkt betrifft, daß dieſe Bau - kunſt im eigentlichen Sinne original war, und ſich nicht an etwas von außen Gegebenes und Ueber - liefertes als deſſen Fortbildung anknuͤpfte: ſo machen den Beweis davon erſt die merkwuͤrdigen Entdeckungen der neueſten Zeit moͤglich, wodurch wir Denkmaͤler des256 vorgeſchichtlichen Zeitalters Griechenlands in aller ihrer ſeltſamen Eigenthuͤmlichkeit kennen gelernt haben. Zwar ſteht der ſog. Theſauros des Atreus, das einzige ge - nauer bekannte Denkmal einer gewiß ſehr ausgebreite - ten Gattung1Wir nennen als Gebaͤude derſelben Gattung aus Neuen und Alten, 1, ein aͤhnliches in der Naͤhe aber zerſtoͤrtes. 2, das von Gropius entdeckte am Eurotas. 3, die Entdeckung von Dod - well bei Pharſalos. 4, das des Minnas. 5, das des Hyrieus. 6, das des Augeas. 7, das eherne Faß der Aloiden. 8, das ſog. unterirdiſche Faß, wohin Euryſtheus fluͤchtet. 9, den ehernen Thc lamos der Danaë (nach Hirt). 10, den unterirdiſchen ehernen ky - klopiſchen Tempel von Delphi (Bd. 1. 242.)., jetzt nackt da; aber auch ſo zeigt es ſich ſchon durch ſeine paraboloidiſche Conſtruktion als ein von ſpaͤterer Helleniſcher Baukunſt eben ſo, wie von Orientaliſcher durchaus abweichendes Bauwerk. Nun haben neuere Reiſende dabei mehrere Stuͤcke von Saͤulen gefunden2W. Gell Argolis pl. 7. Dodwell Class. tour 2. p. 229. 240. Beſonders benutze ich hiebei Zeichnungen von Luſieri (niedergelegt im Print - room des Britt. Muſeums), der auch ſehr ſinnreich das Ganze zu reſtauriren verſucht hat., welche durch ihre combinirten For - men wie durch den Reichthum an Schmuck zwar einer - ſeits ſeltſam uͤberraſchen, aber doch durch den Ort, ſo wie durch ihre von allem geſchichtlich Bekannten durch - aus verſchiedene Beſchaffenheit, keinem Zweifel Raum laſſen, daß ſie jenem vorgeſchichtlichen Zeitalter ange - hoͤren. Es gehoͤren dazu eine Saͤulenbaſis aus einer Plinthe, daruͤber Hohlkehle, dann Torus von ellipti - ſchem Profil, geſchmuͤckt mit einer Abwechſelung hervor - und zuruͤcktretender Felder, von denen die erſten zum Theil die durchgehende Verzierung von ſchneckenfoͤrmi - gen Windungen haben, dann ein Ablauf mit andern Ver - zierungen; zweitens ein Stuͤck Saͤulenſchaft von bronze - farbenen Marmor mit aͤhnlicher Verzierung in Feldern;257 drittens ein leider ſehr geringes Fragment eines Ca - pitaͤls; weiter eine Tafel von weißem Marmor mit einer Art muſchelfoͤrmigen Verzierung. Das Brittiſche Muſeum bewahrt zwei Tafeln von glaͤnzend gruͤner und dunkelrother Steinart auf, beide von dem genann - ten Schatzhauſe genommen, die beſonders jene Schnek - kenlinien zeigen, und ſich durch ſehr fleißige Ausfuͤh - rung — jedoch ganz ohne mathematiſche Praͤciſion — auszeichnen1Synopsis of the Br. Mus. (19. Edit.) R. 13, 220. 221.. Doch dies nur, um vorlaͤufig auf dieſe merkwuͤrdigſten Fragmente uralter Griechenkunſt auf - merkſam zu machen. Mir genuͤgen dieſe Ueberreſte, um daraus das Gebaͤude, dem ſie angehoͤren, in ſeiner ſeltſamen Pracht bunter Steinarten mit reichem und mannigfaltigem Schmucke, inwendig wahrſcheinlich mit Platten von Bronze bekleidet, als ein Denkmal der im Geiſte noch halb barbariſchen Kunſt des aͤlteſten Grie - chenlands aufſteigen zu ſehn.
Dagegen ſtelle man nun die Einfachheit, Schmuckloſigkeit und ruhige Groͤße der Baukunſt, die das Alterthum mit Uebereinſtimmung die Doriſche nannte2S. beſ. Vitruv 4, 1., deſſen Erzaͤhlung freilich ungeſchichtlich. In Athen nannte man fortwaͤhrend die Triglyphen Δωϱικὰς τϱι - γλύφους, Eurip. Oreſt. 1378., in welcher Stelle auch noch die urſpruͤnglichen von Holz ſehr deutlich durch die Zuſammen - ſtellung mit κεδϱωτοῖς τεϱέμνοις bezeichnet ſind. Auch das Δω - ϱικὸν κυμάτιον, d. i. die Kehle, hat ihren Namen von der An - wendung in dieſer Baukunſt, z. B. unter dem Kranze; und das Λέσβιον κυμἀτιον, die Welle, muß erſt ſpaͤter unter den Aeolern daraus hervorgegangen ſein, bei denen auch die Λεσβία οἰκοδομὴ einheimiſch, die einen ſehr beweglichen κανὼν erforderte. Ariſtot - Eth. Nik. 5, 10, 7. und Michael Epheſ. zur Stelle.. So geſichert es ſcheint, daß dieſe ſich mit großer Conſequenz aus dem Holzbau entwickelt habe: ſo wenig kann ich damit die Annahme eines fremdenIII 17258Einfluſſes, woher irgend, vereinbaren. Denn durch einen ſolchen waͤre die ſtetige Folge der Ausbildung verruͤckt und aufgehoben worden. Wie conſequent bil - dete man doch die lange Flaͤche des Hauptbalkens in Stein nach, legte daruͤber die Querbalken mit dem Doriſchen Dreiſchlitz, deren Zwiſchenoͤffnungen (μετόπας) man allmaͤlig mit Marmorplatten zudeckte, und ließ das Geſims wie in der Zimmerkunſt maͤchtig hervorſpringen. Und nachdem man vielleicht das Dach eine Zeitlang nach allen vier Seiten hatte ſchraͤg abfal - len laſſen: ſetzte man in Korinth zuerſt ein Giebelfeld nach vorn und hinten, und ſchmuͤckte es mit Werken alter Thonbildnerei1Boͤckh Expl. ad Pind. O. 13. p. 213 sq. . So entſtand der Doriſche Tem - pel, deſſen aͤltere Muſterbilder uns in den Doriſchen Staͤdten Korinth, Poſeidonia, Aegina und den Dori - ſchen Kolonieen Siciliens aufbewahrt ſind.
Doch darf man keinesweges die Meinung eines der erſten Forſcher in dieſem Fache ſo verſtehn, als wenn der kuͤnſtleriſche Charakter dieſer Architektur ſich aus dem Holzbau ableiten und befriedigend entwickeln laſſe. Das iſt eben das Weſen dieſer Kunſt, daß ſie in der Geſtalt eines Werks fuͤr das Beduͤrfniß, des Hau - ſes, ein geiſtiges Sein auspraͤgt2Der Tempel iſt nach altem Gedanken auch ein ἄγαλμα, ein zur Ver - herrlichung der Gottheit im Tempelraum hingeſtelltes Schaubild.. Es iſt der Dori - ſche Charakter, der die Doriſche Baukunſt ſchuf. Im Doriſchen Tempel iſt die zu tragende Laſt abſichtlich verſtaͤrkt, und dem Gebaͤlk eine ausnehmende Hoͤhe ge - geben; aber im Verhaͤltniß ſind auch die Saͤulen un - gemein ſtark und nahe neben einander geſtellt: woraus uns daſſelbe Gefuͤhl entſteht, wie wenn wir einen au - genfaͤllig ſtarken Mann eine gewaltige Laſt tragen ſehn, und Erſtaunen uͤber die Schwere ſich mit der Freude259 uͤber die Sicherheit des Unternehmens miſcht. Die ſchnelle Verjuͤngung der Saͤule (aber ohne Schwellung) und die ſtarke Ausladung des Capitaͤls (aber ohne viel Rundung) erhoͤhen den Eindruck von Maͤchtigkeit und Beſtimmtheit; der Wechſel langer unverzierter Flaͤchen mit kleineren verzierten Gliedern erweckt das Gefuͤhl einfacher Groͤße, ohne daß ſie monoton und ermuͤdend erſchiene; die uͤber dem Ganzen verbreitete Klarheit wird durch den dunkeln Schatten geſteigert, der unter dem vorſpringenden Kranzgeſims liegt; oben ſchließt die heitere Giebelflaͤche kroͤnend das Ganze. So ſpricht ſich in dieſer Kunſtſchoͤpfung der dem Stamme eigene Sinn fuͤr ſtrenges Geſetz, einfaches Maaß, reine Ueber - einſtimmung aus.
Wir muͤſſen es aufgeben, dieſe Betrachtungen weiter zu verfolgen, die wir nur beilaͤufig an die Woh - nung der Dorier knuͤpften. Was nun ferner die Klei - dung betrifft: ſo thut ſich auch in dieſer ein eigen - thuͤmlicher Sinn dar; eine althelleniſche Sophroſyne, die von Aſiatiſcher Prachtliebe ſo weit entfernt iſt, wie von barbariſcher Schmutzigkeit; aus welcher ſich eine große Einfachheit in der Zahl und dem Schnitte der Gewaͤnder, zugleich aber doch auch eine gewiſſe Achtung fuͤr den Anſtand ergiebt, der indeß nach herrſchender Sitte keine ſehr ſorgſame und ſchaͤmige Verhuͤllung des Koͤrpers forderte. Wie ein Dorier der erſte war, der in den Schranken von Olympia den laͤſtigen Gurt, den Homers Ringer mit denen des Barbarenlandes noch gemein hatten, abwarf und nackt zum Ziele lief1Zuerſt rangen nach Platon Staat 5, 452 c. die Kreter nakt (aber ihre iſolirte Lage verhinderte die Ausbreitung der Sitte); dann die Lakedaͤmonier, die als die erſten Thuk. 1, 6. nennt. Ein Laked. Akanthos, der Ol. 15. διαύλῳ ſiegte (Pauſ. 5, 8, 3 Afric. ), lief damals zuerſt nackt zum Ziele. Dion. Hal. 7, 72. Dies Datum ſteht voͤllig feſt. Andre nennen Orſippos, den Mega - rer, als den erſten, der im Stadium nackt den Preis erhalten, und ſetzen dieſen auch Ol. 15. Euſt. zu Il. p. 1324. Rom. vgl. Heſych. s. v. ζώσατο, Iſidor Origg. 18, 17. (Pauſ. giebt keine Zeit, ſon -: ſo261 war edle und unbefangene Nacktheit, wo ſie einen Zweck erfuͤllte, uͤberhaupt dem Doriſchen Weſen ange - meſſen. Dies erinnert an die ſchon in der Zeit der Attiſchen Bildung auffaͤllige Naktheit der Spartiati - ſchen Maͤdchen, von der Spaͤtere oft ſpaßhaft ſagen: die Spartiaten zeigen den Fremder ihre Jungfrauen nackt1S. beſonders Athen. 13, 566 e. Euſt. Il. 14, 975, 41 Rom.. Was damit aber eigentlich geſagt ſei: muß hier ausfuͤhrlicher unterſucht werden.
Zuvoͤrderſt machen dieſe Worte aufmerkſam auf den Unterſchied in der Lebensweiſe Doriſcher Ehe - frauen und Jungfrauen. Waͤhrend die moderne (romantiſche) Sitte die Jungfraͤulichkeit allen Eindruͤcken der Sinnlichkeit, die Leidenſchaft zu entzuͤnden ge - eignet waͤren, mit zarter und aͤngſtlicher Sorgfalt zu entziehen ſucht, und die Frau dagegen dem Verkehr mit Maͤnnern weit freier ausſetzt: wurde nach dem kaͤlteren Helleniſchen Sinne, der ſich am beſtimmteſten bei den Doriern ausſpricht, gerade die Jungfrau der Beruͤhrung des Lebens mehr blos geſtellt, als die Frau, deren Daſein im Hauſe ſein Ziel gefunden zu haben ſchien: daher auch nur die erſtern Muſik und Gymnaſtik1dern nur was er in dem Megariſchen Epigramm las, uͤber das Boͤckh Index lect. aestiv. Berol. 1822. zu vergleichen; das Mar - mor befindet ſich jetzt im Cabinet des medailles der Bibliothèque du Roi.) Corſini F. A. 3. p. 22. ſucht beides zu vereinigen, was doch nicht vollkommen geht; ich glaube, daß wie auf Orſipp das: Λακεδαιμὀνιος, ſo auch die Zeit des Siegs uͤbertragen iſt, u. traue dem Etymol. u. den Schol. Il. 23, 683. (vgl. oben Bd. 2. S. 89.) mehr, daß dieſer erſt Ol. 32. geſiegt, wo African wol nur durch Irrthum den Kratinos nennt, auch einen Megarer. Akan - thos Beiſpiel ſcheint unbefolgt geblieben zu ſein, und allgemeine Sitte wurde es dann durch Orſipp; womit auch Thuk. Worte beſ - ſer ſtimmen: καὶ οὐ παλλὰ ἔτη ἐπεεδἡ πέπαυται, die nicht zu corrigiren.262 uͤbten, die andern nichts als haͤusliche Geſchaͤfte1Platon Geſetze 7, 805. 6.. Hieraus erklaͤrt ſich, warum zu Sparta Jungfrauen mit offenem Angeſicht, Frauen dagegen verſchleiert er - ſchienen2Lak. Apophth. p. 235. Apoſtol. 18, 19.; auch war es gewoͤhnlich, daß man jene mit jungen Leuten uͤber die Straße gehen ſah3Eurip. Androm. 598. auch bei Plut. Vergl. Numa’s 3. αἱ ξὺν νἑοισιν ἐξεϱημοῦσα〈…〉〈…〉 δόμους. Daher Properz 3, 12, 21. lex igitur Spartana vetat secedere aman - tes; Et licet in triviis ad latus esse suae. — was den letztern ſicher nicht erlaubt war; und ſo wurden auch in Sparta4zu ſchließen aus Plut. Lyk. 14., in Kreta5Theſ. 19., in Olympia endlich Jung - frauen zur Schau gymniſcher Agonen zugelaſſen, und nur Frauen ausgeſchloſſen6Pauſ. 5, 6, 5. (uͤber die Geſchichte der Pherenike Boͤckh Expl. Pind. p. 166.) 6, 20, 6. Daher konnten auch hier, freilich nur in Curulkaͤmpfen, Jungfrauen ſiegen, wie Kyniska Pauſ. 3, 8, 1. 5, 12, 3. 6, 1. Xen. Ageſ. 9, 6. Plut. Ageſ. 20. Lak. Ap. p. 184. Euryleonis Pauſ. 3, 17, 6. — In Kyrene waren nach Pind. P. 9, 102. (ἢ υἱὀν) auch Frauen zugelaſſen, vgl. Boͤckh Expl. p. 328., dergleichen auch daſelbſt nach einer Inſchr. bei Della-Cella gymniſchen Kaͤmpfen vorſtanden.: alles umgekehrt in Jonien, wo gerade die unverheiratheten Maͤdchen am meiſten im Innern der Haͤuſer verſchloſſen lebten7κατάκλειστοι, Sappho Fr. 15. p. 46 Wolf. Phokylid. V. 203..
Dieſe verſchiedene Stellung im Leben alſo wurde auch durch die Tracht bezeichnet, die bei den Jungfrauen offenbar leichter und freier war; denn nur von dieſen iſt bei dem Vorwurfe unziemlicher Nacktheit uͤberall die Rede. Dieſem Vorwurfe liegt aber bei den Athenern ein ſeltſames Vergeſſen urſpruͤnglicher Sitte zu Grunde: da das Leben ihrer Frauen nach und nach voͤllig orien - taliſirt worden war, erſchien ihnen das Aecht-Helle - niſche zuletzt als fremdartig8ἐπεὶ ἢ γε Ἑλληνικὴ ἐσϑὴε πᾶσα ἡ ἀϱ -: ſo daß ſich uͤber Do -263 riſche Frauentracht ungefaͤhr eben ſolche Begriffe er - zeugten, wie die Roͤmiſchen uͤber Germaniſche ſein mochten, denen Tacitus begegnet: “die Deutſchen Frauen tragen die Arme bis zur Schulter nackt, ſelbſt der naͤchſte Theil der Bruſt iſt blos: deſſen ungeachter iſt das Eheband ihnen unverletzlich.”
Was nun jene Tracht betrifft: ſo ſind nach Manſo’s und Boͤttigers Behandlung der Sache1Sparta 1, 2. S. 162. — Raub der Caſſ. S. 60. nur noch folgende Bemerkungen noͤthig. Die Alten nennen das Haupt - oder eigentlich das einzige Kleid der Do - riſchen Jungfrau bald Himation2So nennt ſchon Herod. 5, 87. Himatien Doriſcher Frauen als entſprechend Joniſchen Chitonen; und die verſchiedenen Scholiaſten zu Eurip. Hek. 933. nennen die Dor. Jungfrauen bald μονοχἰτω - νας, bald ἀχίτωνας (fuͤr das die Stelle des Anakreon, Frgm. S. 404. Fiſch. : ἐκδῦσα χιτῶνα δωϱιάζειν, zu abgeriſſen iſt um zu bewei - ſen). Dieſe citirt Horos bei Etym. M. 293, 44., und benutzt au - ßer Aelios Dionyſios (der wieder das χιτωνοφοϱεῖν als den Do - riern eigen nennt) Euſt. zu Il. 14, 975. vgl. noch Heſych δωϱ〈…〉〈…〉 ά - ζειν und den Sophista anon. bei Orelli Opp. mor. 2. p. 214. — Eurip. Andr. 599. u. Hek. a. O. nennt das Doriſche Gewand un - genau πέπλος, vgl. Hedylos in der Palat. Anthol. 6, 292. Plut. Kleom. 38., bald Chiton: das letztre, wie aus Vergleichung der Bildwerke erhellt, mit Recht, das erſtre nur mißbraͤuchlich darum, weil es in Vergleich mit dem linnenen Joniſchen Chiton ein Hi - mation ſchien. Dies Kleid, aus wollenem Zeuge, war gaͤnzlich aͤrmellos, und mußte uͤber beiden Schultern durch Nadel-Spangen (πόρπας, περόνας) feſtgehalten werden, die oft von bedeutender Groͤße waren3Her. a. O. Schol. Eurip., wo ἐπιποϱπὶς die Nadel der Spange zu ſein ſcheint., waͤh - rend die Joniſchen Frauen die Arme in laͤngere oder8χαὶη τῶν γυναικῶν ἡ αὐτὴ ἦν, τὴν νῦν Δωϱὶδα καλἐομδν. He - rod. 5, 88. vgl. Euſt. zu Il. 5, 567. Aegin. p. 72.264 kuͤrzere Aermel ſteckten1Doch kamen auch bei der Joniſchen Frauentracht πεϱόναι vor, um die aufgeſchlitzten Aermel zuſammenzuhalten. Aelian V. G. 1, 18.. Der nackte Arm der Py - thagoreerin Theano, deren Tracht ohne Zweifel Doriſch war, reizte Jemanden zu ſagen: Wie ſchoͤn iſt der Arm, worauf ſie antwortete: Aber nicht fuͤr Jeder - mann2Wolf fragm. mul. pros. p. 241. 242.. Nun war ferner dieſer Chiton nur an einer Seite herab zuſammengenaͤht, an der andern zum Theil offengelaſſen oder aufgeſchlitzt (σχιστὸς χιτών)3Pollux 7, 13, 55.; wahr - ſcheinlich konnte er hier mit Nadeln4Die von Boͤckh Staatsh. 2. S. 287. nach Chandler erlaͤuterte Inſchr. aus dem Parthenon beſchreibt eine Nike aus Gold und Elſenbein, die in mehrere Stuͤcke zerlegbar; das dritte enthaͤlt den Faltenwurf und zwei πεϱὀνας, ich glaube eben ſolche. Doch iſt noch Manches daran zu eroͤrtern. zu -, oder zu freierer, gymnaſtiſcher, Bewegung losgeſteckt werden; wobei natuͤrlich die beiden Zipfel (πτέρυγες) auseinan - der ſchlugen, daher Ibykos Sparta’s Maͤdchen φαι - νομηρίδας nannte5Pollux, Plut. Vergl. Lyk. 3. und Sophokles daſelbſt: — καὶ τὰν νἐοϱτον, ἀς ἔτ̛ ἄστολος χιτὼν ϑυϱαῖον ἀμφὶ μηϱὸν πτύσσεται, Ἑϱμιό - ναν. Eurip. Androm. 599. γυμνοῖσι μηϱοῖς καὶ πέπλοις ἀνειμένοις. Vgl. Duris bei den Schol. Eurip. Hek. αἱ δὲ γυναῖκες ἐβϱύα - ζον ταῖς Δωϱὶαις στολαῖς. Dieſer Schriftſteller hat uͤbrigens die gewiß irrige Meinung, die Ath. Frauen haͤtten zur ſelben Zeit kurzes Haar und Doriſche Gewaͤnder getragen, da die Maͤnner langes und Joniſche.. Dazu wurde auch das Gewand ohne Guͤrtel getragen, ſo daß es uͤber die Waden her - ab hing6vgl. Schol. Eur. a. O. Kallim. Frgm. 225 Bentl. von einer Lakon. Jungfrau: ἔσκεν ὅτ̛ ἄζωστος χἀτεϱόπσϱπος ἔτι. Ἄζωστοι καὶ ἀχίτωνες nach Schol. Eurip. u. Euſt. p. 975, 38. ohne ζωναὶ auch nach Pauſ. ebd. 975, 40. Suid. δωϱιάζειν.. — So ſieht man in der Kunſt unter andern Nike und Iris, dieſe namentlich unter den Statuen vom Giebelfelde des Parthenon, bei deren raſcher Be - wegung der auseinanderſchlagende Chiton zur linken265 Seite Waden und Schenkel entbloͤßt; und mit demſel - ben, nur faltenreicheren, Chiton — ſo daß die Falten am linken Beine herab ſich ineinanderlegen — Pallas im Coſtuͤm der vollendeten Kunſt; mit hochgeguͤrtetem Doriſchen Chiton aber Artemis die Jaͤgerin.
Auf eine dieſer Weiſen, je nachdem dieſe oder jene Anſtand und Thaͤtigkeit forderte, trug auch die Jung - frau Sparta’s, meiſt ohne Himation1μονόπεπλος, Δωϱὶς ὡς κὀϱα, Eurip. Hekabe 928. Doris nullo culta palliolo Juven. 3, 94. Darauf geht auch das γυ - μνὸς oden S. 261. und unten N. 4., ihr einfaches Gewand, und zeigte ſich auch in Maͤnnergeſellſchaft ohne weitere Verhuͤllung. So gewann Periandros der Korinthier2Daß damals ſchon das Korinthiſche Kleid vom aͤchtdoriſchen einigermaßen abwich, iſt hiernach und nach Her. 5, 87. ſchon Aegin. p. 64, 6. bemerkt. Das Syrakuſiſche ἐμπεϱόναμα war vielleicht aus dem Doriſchen Spangenchiton entſtanden, Theokr. 15, 34. vgl. Spohn Lection. Theocr. 1. p. 36., aber es ward uͤber das χιτὠνιον gezogen. — Ein Korinthiſches Frauenkleid war auch das παϱάπηχυ, Athen. 13. p. 582. die ſchoͤne Meliſſa zu Epidauros lieb, da er ſie Peloponneſiſch gekleidet ohne Obergewand und blos im Chiton ſah, wie ſie den Arbeitern Wein ſchenkte3Pythaͤnetos Aeginet. p. 63. Vergl. noch Theogn. 1002 Bekker, wo die Λἀκαινα κὀϱη Kraͤnze fuͤr die Gaͤſte bringt. So ſetzten auch die Doriſchen Sikelioten eine παϱϑένος φιαληφό - ϱος an die Stelle des παῖς. Polyb. 12, 5, 7.; ebenſo ſchaute man die Doriſchen Maͤdchen auf ihren Uebungsplaͤtzen und im Chor tanzend4Plut. Lyk. 14. τὰς κόϱας γυμνάς τε πομπεύειν καὶ πϱὸς ἱεϱοῖς τισὶν ὀϱ - χεῖσϑαι κτὶ ᾄδειν. vgl. Lak. Ap. p. 223. Heſych δωϱιἀζειν.. Die Frauen dagegen erblickte man ſchwerlich ohne ein Ueber - kleid, das wahrſcheinlich vom Himation der Maͤnner nicht weſentlich verſchieden war; wie z. B. die Frau des nach Doriſcher Weiſe lebenden Phokion, nach Plu - tarchs Erzaͤhlung, oft im Himation ihres Mannes ausging.
Dies fuͤhrt uns auf die Maͤnnerkleidung; de - ren Hauptſtuͤcke wir erſt im allgemeinen benennen muͤſ - ſen, ehe wir vom Einzelnen ſprechen. Es ſind der Chiton, ein aͤrmelleſes wollenes Hemd, allen Grie - chen und Italern gemein, die einzige Kleidung der Kna - ben1Plut. Lyk. 16. und von der Sitte Phigalias Athen. 4, 148 f., da man erſt in der Zeit der Verweichlichung in Athen begann, auch juͤngere Knaben in Himatien ein - zuhuͤllen2Ariſtoph. Wolken 986. Ganz daſſelbe Xen. Staat der Lak. 2, 1.; das Himation, bei Homer χλαῖνα ge - nannt3Ebd. Voͤgel 493. 98. ἱμάτιον und χλαῖνα gleichbedeutend: daß aber χλαῖνα und τϱὶβων verſchiedene Species des ἱμάτιον, zeigt derſ. Weſpen 1132., χλαῖνα ἱματ. τετϱἀγωνον nach Didymos., ein viereckiges oder rundlich geſchnittenes Stuͤck Tuch, welches gewoͤhnlich vom linken Arm aus nach hinten unter dem rechten durchgenommen, und mit dem Endzipfel uͤber die linke Schulter geworfen wird4Nur Il. 10, 133. wird einmal die χλαῖνα doppelt gelegt und mit einer Spange (uͤber die Schulter) befeſtigt.; drittens die davon ganz verſchiedene Chla - mys (Θετταλικὰ πτερὰ), urſpruͤnglich Makedoniſch und Theſſaliſch5vgl. Pollux 7, 13, 46. 10, 27, 124. vgl. Hemſterh. Diogen. Prov. 5, 21. Vatic. Prov. 2, 14. Lexikogr., ein oblonges, aber mit den beiden untern Zipfeln ſtark hervortretendes Stuͤck Tuch, wel - ches mit einer Spange auf der rechten Schulter be - feſtigt wird, ſo daß es dieſen Arm frei laͤßt. Dieſes letztere Kleid kommt in den Homeriſchen Geſaͤngen durchaus nicht vor; Sappho6nach Pollux und Ammon. Frgm. 68. 69. p. 82. 83 Wolf. erwaͤhnte es unter den Griechiſchen Dichtern zuerſt; erſt damals alſo verbrei - tete es ſich uͤber das eigentliche Griechenland, und zwar zunaͤchſt als Kleid der Reiter und junger Leute, dann als Kriegermantel; ſo auch nach Sparta7S. Ariſtoph. Lyſ. 988. wo es Geſandtenkleid, wie die φοινικὶς oben S. 252, 1. Juvenal 8, 101.. Die267 aͤltern Vaſengemaͤlde zeigen indeß auch die Krieger ſtets noch im Himation, welches gewoͤhnlich ſehr fal - tenlos und eng an den Koͤrper angezogen erſcheint1S. Tiſchb. 1, 29. Vases de Coghill 1. pl. 36..
Nun ſagt Thukydides21, 6. vgl. Dion. Hal. in Thuc. 9. von den Lakedaͤmoniern, daß ſie zuerſt eine einfachere Tracht angenom - men: wobei eine dem Hiſtoriker eigenthuͤmliche Anſicht zum Grunde liegt, als ſeien naͤmlich die linnenen, weit - kaͤuftigen, zierlich gefaͤltelten Gewaͤnder, wie ſie in Athen noch zur Zeit des Ariſtophanes altfraͤnkiſche Leute trugen, die urſpruͤngliche Griechiſche Kleidung geweſen: wogegen wir ziemlich ſicher wiſſen, daß dieſe Tracht erſt von den Joniern Aſiens nach Athen heruͤber gekom - men war3Minervae Poliadis aedes p. 41., wo man ſie aber um die Zeit des Pelo - ponneſiſchen Krieges wieder verließ, und zur leichten althelleniſchen zuruͤckkehrte; mit Ausnahme jedoch der Frauen, die ſich zwar ehemals auch in Athen Doriſch getragen, aber nun die Joniſche Kleidung mit langen Aermeln, weitem Faltenwurf, ſchleppendem Saume, meiſt aus Linnen, beibehielten. Indeſſen hat Thuky - dides doch darin Recht, daß die Lakonen ſich vor allen Hellenen durch einfache und kurze Gewaͤnder auszeich - neten; ſo war das Lakoniſche Himation4Von den Lakonen auch δαμοφανὴς genannt, Heſych, weil man darin ausging., der Tribon5vgl. Meurſ. Misc. Lac. 1, 15. Manſo 1, 2. S. 197. Der Tribon konnte auch (wie die Chlaͤna, oben S. 266, 4.) doppelt genommen und mit einer fibula befeſtigt werden, Polyaͤn 4, 14. Dieſe anſtaͤndigere Art des Hima - tions, die Chlaͤna, kam in Sp. auch vor. Theopomp Kom. bei Pollux 10, 27, 124. ἐξωμἰδες φαῦλαι der Lak. Aelian V. G. 9. 34., von ſtarkem Tuche und geringem Umfange6Platon Protag. 342. Ariſtot. Eth. Nik. 4, 7. mit Aſpaſios und dem Pariſ. Schol. p. 156 Zekl. vgl. das Κϱητικὸν ἱματὶδιον bei Heſych., das Spar -268 ta’s junge Leute1vom zwoͤlften Jahre an, Plut. Lyk. 16. das ganze Jahr hindurch ohne Chi - ton zu tragen durch die Sitte verbunden waren2Lac. Inst. p. 247. Lak. Apophth. p. 178. Xen. Staat 2, 4. Juſtin. 3, 3. Eben ſo in Kreta, Herakl. Pont. 3. Ephor. bei Str. 10, 483., der auch aͤltere Maͤnner (wie die Lakonizonten Athens) ſich oft freiwillig unterzogen.
Wie im Attiſchen Leben ſchon die Art, die Ge - waͤnder zu tragen — und in der That iſt es bewun - dernswuͤrdig, wie mannigfache Veraͤnderungen und wie feine Nuͤancen ſo wenige und einfache Kleidungsſtuͤcke zuließen — die Bildung und Lebensart eines Jeglichen anzeigte, und den Urbanen und liberal Erzogenen allein ſchon erkennen ließ: ſo ſprach ſich auch Doriſche Zucht und Sitte im Umwurfe der Kleidung auf eine beſtimmte und deutliche Weiſe aus. So war es zum Beiſpiel in Griechenland ein allgemeiner Grundſatz: die Ar - me im Gewande zu halten, ſei Zeichen von Beſchei - denheit (daher auch Athens Redner in aͤlterer Zeit we - nigſtens die linke Hand nie außerhalb hatten)3Taylor ad Aeschin. in Timarch. p. 59., und dem gemaͤß ſah man die Juͤnglinge von Sparta, aͤhn - lich den Roͤmiſchen im erſten Jahre der Civitaͤt, auf der Straße nie anders, als beide Haͤnde im Mantel mit geſenkten Augen ſtill vor ſich herſchreiten: wie Xe - nophon ſagt4Staat 3, 5. citirt von Longin π. ὑψ. 4, 1. p. 114., an Schweigſamkeit und Unbeweglichkeit der Augen Bildſaͤulen gleich und ſchamhafter als Jung - frauen im Brautgemach. Gerade ſo findet man aber auch die Juͤnglinge Unteritaliens, zum Theil Doriſcher Staͤdte, auf Vaſengemaͤlden ſehr haͤufig dargeſtellt, naͤmlich die Arme unter dem Gewande um die Bruſt geſchlagen, wodurch der ſtark vorſtehende Faltenbauſch zunaͤchſt dem Halſe entſteht5vgl. Boͤtti -.
269Sonſt war Gleichheit1ἰσοδίαιτοι Thuk. 1, 6. Juſtin. 3, 3. und Einfachheit das hoͤchſte Geſetz. Salbenbereiter waren von Sparta ausge - ſchloſſen als Oelverderber, Faͤrber, weil ſie der Wolle das ſchoͤne Weiß rauben2Athen. 15, 686 f. Plut. Lak. Ap. S. 224. Seneca qu. nat. 4, 13. Dieſe altgriechiſche Anſicht liegt ſelbſt dem Sprachgebrauch von φϑείϱειν, μιαὶνειν, corrumpere, fuͤr faͤrben, zum Grunde.. Δολερὰ μὲν τὰ ἳματα, δολεϱὰ δὲ τὰ χρίματα iſt der Spartiatiſche Ausdruck davon3Nach Klem. Alex. Strom. 1. p. 294 Sylb. Herod. 3, 22. fuͤhrt freilich daſſelbe Apophthagm von einem Aethiopiſchen Koͤnige an, vgl. Plut. Qu. Rom. 26. p. 327. Sympos. Qu. 3, 1, 2. p. 109. de He - rod. mal. 28. p. 312., aber die Redensart traͤgt einen aͤcht Spar - tiatiſchen Charakter.. — Auch in den Staͤdten, die ſchon mehr von Doriſcher Sitte entartet waren, gab es haͤufige und ſtrenge Verbote gegen Kleiderpracht der Frauen, mit der weiſe berechneten Klauſel der Ausnahme der Proſtituirten4Aus Diokles Geſetzgebung Phylarch bei Athen. 12, 521 b. vgl. von Zaleukos Heyne Opp. Acc. 2. p. 33. von Sp. He〈…〉〈…〉 akl. Pont. Klem. Al. Protr. 2, 10. p. 199 Sylb. vgl. Aelian V. G. 14, 7.. Wie in Sparta der Bart als Zierde des Mannes galt5ὑπηνόβιοι Platon Kom. bei Aſpaſios zu Ariſtot. Eth. Nik. 4, 7. ἕλκοντες ὑπήνας Ariſt. Lyſ. 1072. vgl. die Bildſaͤule des Lyſandros bei Plut. Lyſ. 1., und der Lippenbart als Zeichen der Freiheit (worauf ſich das ſymboliſche Edictum der Ephoren, den Schnurrbart zu ſcheeren, bezieht6oben S. 125, 3. (add. Prokl. zu Heſiod T. u. W. 722.) vgl. Valcken. zu Theokr. Adon. p. 288. Wyttenb. Anim. ad Plut. de sera p. 25. Wyttenbach meint, die Spart. haͤtten ſich den Lippenbart immer geſchoren, aber ſeine, wie Ruhnkens Emendation von Antiphanes bei Ath. 4, 143 a. iſt ſehr willkuͤhrlich.,) ſo unterſagten auch zu Byzanz und Rhodos alte, aber beſtaͤndig verletzte Geſetze das Raſiren7Athen. 12, 565 c. . Auch das5gers Anſichten davon, Raub der Kaſſ. K. 74 ff. Archaͤologie der Mahlerei 1. S. 211. Vaſengemaͤlde 1, 2. S. 37. u. Uhdens Brief 2. S. 65.270 Tragen der Stoͤcke (doriſch σκττάλαι) war den Spar - tiaten1Ariſt. Voͤgel 1283. Ekkleſ. 74. Nur in der Volksverſamm - lung verboten, Plut. Lyk. 11. mit den Doriern Unteritaliens gemein2Herod. 3, 137. Ariſtot. κϑακ. πολ. bei Photios p. 388. vgl. die Vaſengemaͤlde..
Darum war aber das Doriſche Leben auch hierin keineswegs der Schoͤnheit abgewandt; es war nur eine Schoͤnheit ſtrenger und herber Art, die es er - ſtrebte, fern von weichlicher Zierlichkeit. Der Spartiat naͤhrte vom Alter der Epheben an3Xen. Staat 11, 3. Plut. Lyk. 22., vorher mußten ſie ἐν χϱῷ κεἰϱεσϑαι, K. 16., was mitunter auch als allgemein Spartiatiſche Sitte be - zeichnet wird, Plut. Alkib. 23. de discr. adul. 10. p. 170., zum Unterſchied von dem Unfreien und Handwerker4Antiochos bei Str. 6, 278. Ariſt. Rhet. 1, 9., nach alter Sitte5Gegen Herodots 1, 82. αἰτία und eine aͤhnliche ſpricht Plut. Lyſ. 1. vgl. Lyk. 22. reg. apophth. p. 124. 125. Lac. ap. p. 226. 230. Aeginet. p. 72, o. In Kreta trugen wenigſtens die Kosmen nach alter Sitte langes Haar. Seneca controv. 4, 27. Von dem kur - zen Haar der Argeier Her. u. Plat. Phaͤdon p. 89., den Schmuck des Haupthaars (Σπαϱτιοχαίτης)6ſ. Pla - ton Kom. u. Ariſt. in den S. 269, 5 cit. Stellen., der freilich, wenn nicht gehoͤrig geordnet, leicht den Vorwurf des ῥυποῦν veranlaſſen konnte. Es ſcheint, daß Maͤnner und Frauen das Haar in einen Buſch uͤber dem Scheitel banden7Vgl. Ariſtoph. Lyſ. 1113. παϱαμπυκίδδειν mit Horaz C. 2, 11 fin. in - comtam Lacaenae more comam religata nodo, d. h. wie es Artemis gewoͤhnlich in der Kunſt hat. Daß die Frauen nicht κο - μᾷν gedurft (Herakl. Pont. 2.), iſt wohl nicht ſtreng zn nehmen. Einen den Goͤttern geweihten Haarzopf nannten die Lak. ἱέϱωμα. Heſych nach Hemſterh. Man kannte die Sp. gleich an der κουϱὰ, wie an den Schuhen, Pauſ. 7, 14, 2. Der letztern hatten die Lak. zur Pracht die Amyklaͤiſchen, zur gewoͤhnlichen Tracht die ἁπλᾶς Λακωνικὰς (oben S. 28, 9.). Sonſt kommen noch Argeii - ſche, Rhodiſche (Pollux 7, 22, 88.), und Sikyoniſche ἐμβάδδς vor (Lukian rhet. praec. 15. Lucret. 4, 1121. Euſt. zu Hom. p. 1302, 22 Rom.).; waͤhrend es nach271 Joniſcher Sitte, die auch hierin den Barbaren nach - ahmte, in kuͤnſtliche Locken gedreht, und uͤber der Stirn mit goldenen Nadeln, die die Form von Cicaden hatten, zuſammengeſteckt wurde1Zu den bisher behandelten Stellen (ſ. Thierſch Acta phi - lol. Monac. T. 3. fsc. 2. p. 273 sq., deſſen Anſicht mir nicht ganz klar iſt; ich glaube, daß man den Korymbos am beſten an deny κόϱαις vom Pandroſeion ſieht,) fuͤge Phokylides〈…〉〈…〉 ϱματα λοξὰ κοϱύμβων und Nikol. Dam. p. 51. Orelli von einem Smyrnaͤer: κόμην τϱἐφων χϱυσῷ στϱὸφῳ κεκοϱυμβωμένην.. Auf dem Haupte trugen die Lakonen Huͤte mit breiten Schirmen; auch im Kriege, doch wohl nur die Leichtbewaffneten2Thuk. 4, 34. vgl. Pollux 1, 149. Erotian Lex. Hippokr. Meurſ. Misc. Lac. 1, 17.; wie ſie zur Schlacht ihr Haar ordneten und ſchmuͤckten, iſt oben bemerkt.
Daß von dieſer edlen und ſchoͤnen Einfalt die mei - ſten Doriſchen Voͤlkerſchaften, namentlich in den Kolo - nieen, abgefallen waren, bedarf keines Beweiſes; Rho - diſche Pracht war ſpruͤchwoͤrtlich; nichts weichlicher als das durchſichtige und nachſchleppende Tarantinidion3Bentlei Phalarid. p. 347. Lips. Bergler ad Alciphr. 1, 36, 12.; auch die von Dionyſios uͤberſandten Sikeliſchen Ge - waͤnder wies Lyſandros (oder Archidam) als ſeinen Toͤchtern unanſtaͤndig ab4Plut. Lyſ. 2. reg. apophth. p. 127. Lac. ap. p. 200., wo Archidam Ageſilaos S. gemeint iſt, der auch im folgenden mit dem S. des Zeuxidam mehrmals ver - wechſelt wird. Apoſtol. 10, 48. Spaͤter aber kommen auch δια - φανῆ Λακωνικὰ als ſchnoͤder Luxus vor. Dio Chryſoſt. zum Eſaias T. 6, 45 a. zum Matth. Hom. 83. T. 7, 796 b. Montf. — Sonſt vgl. uͤber die Argiviſchen Kleider τήβεννος und κλεοβίνικος Pollux 7, 13, 61. Intpp. Eine altvaͤteriſche Stola Megariſcher Frauen war das ἀφάβϱωμα. Plut. Qu. Gr. 16. p. 387..
Zum aͤußern Kult des Koͤrpers gehoͤren die Baͤder, in deren Betreff wir bemerken, daß die Lakoniſche Sitte nur zweierlei zuließ, die kalten taͤglichen im Eu -272 rotas, die auch zur Diaͤt des Koͤnigs Ageſilaos gehoͤr - ten1Xen. H. 5, 4, 28. Plut. Alkib. 23., und von Zeit zu Zeit trockene Schwitzbaͤder2S. beſonders Martial 6, 42. Caſaub. zu Str. 3, 231. p. 663 Friedem. Die Herakleiſchen Baͤder aber (Bd. 2. S. 427, 2.) ſind wirklich nichts als warme; ſie heißen ſo als Mittel gegen den κόπος.; dagegen die Verweichlichung des Koͤrpers durch warme oder laue ſtreng verſchmaͤht wurde3So verſchwindet der Widerſpruch, den Manſo 1, 2. S. 199. findet..
Was nun weiter Nahrung und Mahlzeit angeht: ſo heben wir hier nur das beſonders hervor, was einem hiſtoriſchen Schluſſe oder einer ethiſchen Betrachtung Raum giebt, da wir denſelben Gegenſtand vom Standpunkte der oͤffentlichen Haushaltung ſchon oben ins Auge gefaßt haben. Zuvoͤrderſt iſt auch hie - bei das Feſthalten der Dorier an althelleniſchem Her - kommen ſichtbar, gleich in der Sitte des Zuſammen - ſpeiſens, der Syſſitien. Denn dieſe fanden ehemals nicht blos bei den Doriern ſtatt, unter denen ſie außer auf Kreta und zu Sparta auch in Megara noch in Theognis Zeit beſtanden1V. 305. welche Stelle auch auf die Syſſitien Sparta’s paſſen wuͤrde. (zu Korinth hob ſie mit der alten Erziehung Periandros auf, als der Ariſtokratie guͤnſtig)2Ariſt. Pol. 5, 9, 2. Zu Archias Zeit beſtan - den ſie noch, ſ. Bd. 2. S. 116, 2. Merkwuͤrdig auch die δημό - σιαι ϑοῖναι der Argeier, bei denen noch die alten thoͤnernen Ge - ſaͤße (Herod. 5, 88.) in Gebrauch waren, Polemon bei Athen. 11, 483 c. vgl. 479 c. 4, 148 f. : ſondern ſie waren urſpruͤnglich auch bei den Oenotrern3Ariſt. 7, 9, 2. 3. Dionyſ. Hal. 1, 35. und den dieſen verwandten Arkadern,III. 18274namentlich in Phigalia, nationale Sitte1Harmodios von den Geſetzen Phigalias bei Athen. 4, 148 f. vgl. im Allgemeinen Plut. Qu. Symp. 2, 10, 2.; und unter den Homeriſchen Achaͤern ſpeiſten wenigſtens die Anak - ten gemeinſam und auf Koſten der Gemeinde, wovon die Mahle der Prytanen in Athen, Rhodos und ſonſt abzuleiten ſein moͤchten. Namentlich haben die Gemein - mahle Sparta’s mit den Homeriſchen δαῖτες auch in manchen Einzelheiten große Aehnlichkeit2S. oben S. 105. 106., nur daß dort gewiſſermaßen alle Spartiaten als Anakten gal - ten. — Darin war man indeß in dieſer Stadt von der alten Sitte abgegangen, daß man ſchon zu Alk - mans Zeit zu Tiſche lag, (wenn auch auf harten Baͤn - ken ohne Kiſſen (in robore)3Cic. pro Muraena 35. Athen. 12, 518 e. vgl. 4, 142 a. Plut. Lyk. 18. Suid. φιλίτια und Λυ - κοῦϱγος. Iſidor Origg. 20, 11., denn erſt unter Areus und Akrotatos fing man an, ſich auch zu den oͤffentli - chen Mahlzeiten auf weiche und koͤſtliche Pfuͤhle zu la - gern4Phylarch bei Athen. 4, 142 a. :) waͤhrend die Dorier auf Kreta fortwaͤhrend ſaßen5Herakl. Pont. 3. Pyrgion bei Ath. 4, 143 e. Varro bei Serv. ad Aen. 7, 176., wie die Helden Homers und die fruͤhern Roͤmer nach alteuropaͤiſchem Herkommen, das bei den uͤbrigen Griechen durch die von den Joniern heruͤber - gekommene Sitte des Orients gaͤnzlich verdraͤngt wor - den war.
Was aber die Speiſen ſelbſt betrifft, ſo mochte ſich auch darin in Sparta Manches aus altem Gebrauch erhalten haben, Anderes der Nation von An - fang an eigenthuͤmlich geweſen ſein. Sparta’s Koͤ - che waren, wie oben bemerkt, erblich6Fremde Koͤche wur - den nicht geduldet, wie namentlich von Mithaͤkos Max. Tyr. 7, 22. Dav. angiebt., und hatten275 ſonach keinen Anlaß, in ganmkitzelnder Speiſebereitung zu wetteifern; ſie kochten die ſchwarze Suppe, wie ihre Uraͤltervaͤter. Auch war Compoſition verſchiedener Sub - ſtanzen dadurch noch erſchwert, daß die Faͤcher der Koch - kunſt geſondert waren, die Fleiſchkoͤche nur Fleiſch be - reiten durften u. ſ. w.1Aelian V. G. 14, 7. Ein beſondrer ζωμοποιὸς des K. Plut. Lak. Ap. p. 214.. Die Baͤcker, auch ein eige - nes Geſchlecht, buken im Ganzen nichts als Gerſten - graupe (ἄλφιτα)2Herakl. Pont. 2. der vielleicht zu allgemein πἐττει σῖτον οὐδεὶς, (πέττειν vom ἄϱτος aus ἀλεύϱοις, wie μάττειν von der μᾶζα aus ἀλφίτοις), vgl. Dikaͤarch bei Ath. 4, 141 a. Plut. Alkib. 23.; Waizenbrodte kamen bei den Gemeinmahlen nur beim Nachtiſch als Spende freige - biger Tiſchgenoſſen vor3Oben S. 202. Auch bei der κοπὶς kamen Arten von ἄϱτος vor, Molpis bei Ath. 4, 140 a. vgl. 139 a. b. Heſych κοπὶς. vgl. Heſych βέσκεϱοι ἄϱτοι, und πητεῖται πιτυϱίαι ἄϱτοι. Es gab auch eine Art Lakoniſchen Wai - zen, Theopbr. Pflanzeng. 8, 4. siligo Laced. Plin. 18, 20, 4.; uͤberhaupt war dieſe Getrei - deart in Griechenland urſpruͤnglich ſelten, und verbrei - tete ſich beſonders von Sicilien aus4Vgl. Bd. 2. S. 402., in welchem Lande man aber auch eine beſondere Art Doriſcher Wai - zenbrodte hatte, aus groͤberm Mehle als ſonſt gewoͤhn - lich5Theokr. 24, 136. Schol. Apoll. 1, 1077.. Uebrigens war die ſogenannte ſchwarze Suppe (μέλας ζωμὸς) bei den Pheiditien die hauptſaͤchlichſte Fleiſchſpeiſe6Plut. Lyk. 12. vgl. Meurs. Misc. Lac. 1, 8. (die genauern Beſtimmungen unterwor - fen war als die uͤbrigen)7Aelian V. G. 3, 31., außerdem gekochtes Schwein - fleiſch8Dikaͤarch a. O. ein Ferken lakoniſch ὀϱϑϱαγοϱίσκος Athen. 140 b. βοϱϑαγοϱίσκος He - ſych. vgl. ἡμιτύγια. oben S. 106, 7.; Gefluͤgel u. Wild gewaͤhrten beſonders die Nach - mahle, Rinder -, Schwein -, Ziegenbraten die Opfer,18*276die im Gange der Pheiditien eine Ausnahme machten1ἀφέδιτοι ἡμέϱαι nach Heſych. vgl. διαφοιγοιμόϱ.. — Die Art und Weiſe des Trinkens war wiederum die althelleniſche, die auch, ſo viel ich finde, bei Ho - mer allein vorkommt. Es ſtand naͤmlich vor jedem Tiſchgenoſſen ſein Becher, der ihm von dem Mund - ſchenken immer mit gemiſchtem Weine vollgegoſſen wur - de, wenn er daraus getrunken; dagegen wurde nie in der Reihe herumgetrunken, und Niemand trank dem Andern zu: alles eigentlich Lydiſche und durch die Jo - nier heruͤbergekommene Sitten2S. Kritias den Athener bei Athen. 10, 432 d sq. vgl. 11, 463 e. Xen. Staat 5, 4. 5. Plut. Lak. Ap. p. 172. In Kreta trank dagegen der ganze Tiſch aus einem großen Pokale, Doſiadas bei Ath. 4, 143. Euſt. Od. 1860, 45.. Bis zur Trunkenheit zu trinken, war in Sparta wie in Kreta geſetzlich ver - boten3Pſ. Platon Mi - nos 320. vgl. Geſetze 1, 637 a. aus welcher Stelle man zugleich ſieht, daß allen Bewohnern von Lakonika συμπόσια unterſagt waren. Auch die Dionyſla Sparta’s waren nuͤchterner als ſonſt. Plat. a. O. Athen. 4, 155 d. ; nur Greiſen uͤber ſechzig Jahre wurde nach Hauſe geleuchtet4Xen. Staat 5, 7. Plut. Lyk. 12..
Aber ein noch ſchoͤnerer Zug als Nuͤchternheit iſt die freundliche Gemeinſchaft der Doriſchen Mahle, begruͤndet durch die Geſchloſſenheit der Tiſchgeſellſchaf - ten (ἑταιϱία in Kreta)5Oben S. 203. In Sp. hießen die Tiſchgenoſſen, wie bei Ho - mer, δαιτὑμονες, Alkman bei Str. 10, 482. Frgm. 37. Welck. Herod. 6, 57., und der Mahlzeit ſtand ein κϱεωδαίτης vor, oben S. 240, 5. vgl. Qu. Symp. 2, 10, 2. p. 102. Pollux 6, 7, 34.; wie ehemals ein δαιτϱός; weil in Sp. nach alter Sitte Jeder ſei - ne abgetheilte Portion bekam., welche nur durch einſtimmi - ge freie Wahl (durch Ballottement) neue Mitglieder zu - ließen6S. außer Plut. Lyk. 12. beſonders Schol. Plat. Geſ. 1. p. 229. Ruhnk. p. 449. Bekk.. Ob dabei Verwandtſchaft Anſpruͤche zum277 Eintritt gab, iſt ungewiß; die Syſſitien, als Abtheilun - gen des Staats, waren allerdings auf Geſchlechterver - bindung gegruͤndet1S. oben S. 237. Hierauf bezieht ſich auch Dion. Hal. 2, 23. p. 283. R., daß die Pheiditien Schaam bewirken, den Ne - benmann in der Schlacht zu verlaſſen, mit dem man libirt und geopfert., hier iſt aber von kleineren Genoſſen - ſchaften in denſelben, von etwa funfzehn Maͤnnern, die Rede. Eine ſolche Genoſſenſchaft war ein kleiner Staat in ſich2Perſaͤos bei Ath. 4, 141 f., ariſtokratiſch organiſirt3Plut. Qu. Sympos. 7, 9. p. 332. nennt ſie in gewiſſem Sinne βουλευ - τἠϱια ἀπόῥῥητα καὶ συνέδϱια ἀϱιστοκϱατικά und vergleicht ſie mit dem Prytaneion und Thesmotheſion Athens.; nur ſtoͤrte kein Vorrecht die Gleichheit der Lebensart. Noch feſtergezogen aber wurde jenes Band freundlicher Gemeinſchaft durch den beſtaͤndigen Berkehr des Gebens und Nehmens, der zu dem kaͤrglichen Hauptmahle den ſchmackhaftern Nach - tiſch (ἐπάικλον), den aber Niemand kaufen durfte, hinzulieferte4Oben S. 202. Fuͤr die Knaben war das einzige ἐπάἲκλον, ein in Lor - beerblaͤttern (καμματίδες) gebackner Teig von Gerſtengeaupe, in Oel geknetet (ἀμφιμἀντοϱα, ἀμφίτοϱοι Heſ. ); ein ſolcher Kuchen hieß κάμμα, der Beſtimmung nach παλλιχιάϱ. Meurs. Misc. Lac. 1, 12.: wovon die κοπὶς zu unterſcheiden, ein Opfermahl, das ein Einzelner bei beſtimmten Gelegen - heiten gab, und dazu von Freunden, wen er wollte, beſonders aber die Koͤnige einlud5S. bei Athen. 4, 138 b. vgl. Herod. 6, 57. Der - gleichen z. B. an den Tithenidien beim T. der Art. Korythallia und dem der Chariten (Bd. 2. S. 379, 7. 407, 7.), andre ἐν Ἀμυκλαίω, Epilykos κωϱαλίσκῳ bei Ath. 140 a. Eine κοπὶς be - ſchreibt vielleicht Alkman Frgm. 17. Welck. Κλίναι μὲν έπτὰ καὶ τόσαι τϱάπεσδαι Μακωνίδων ἄϱτων ἐπιστεφοῖσαι Λίνω τε σασά - μω τε κἠν πελίχναις Παίδεσσι χϱυσοκόλλα,. Dagegen iſt der Begriff der Pheiditien als einer kargen, unfrohen und truͤbſeligen Mahlzeit erſt durch den Gegenſatz ſpaͤteren278 Luxus entſtanden; urſpruͤnglich war gerade das Mahl zu freier Gemuͤthserheiterung beſtimmt. Das Geſpraͤch bezog ſich zwar viel auf das gemeine Weſen1Xen. Staat 5, 6. Oben S. 277, 3. vgl. von Kreta Doſia - das a. O., aber heiteres Lachen und munterer Scherz war nicht aus - geſchloſſen2Kritias a. O. Plut. Lyk. 12., eine allgemeine Vertraulichkeit oͤffnete Jedem den Mund, und Geſang gehoͤrte nothwendig dazu, wie Alkman3Fr. 37. ſagt:
Auch die Benennung der “Sparmahle”, φειδίτια, war nicht alt, und kam den Spartiaten wohl von außen; ehemals hießen ſie hier wie in Kreta ἀνδρεῖα oder Maͤnnermahle4Alkman a. O. Ephor. bei Str. 10, 482. Ariſt. 2, 7, 3. Sonſt αἶκλα, wie auch Epicharm fuͤr δεῖπνα.. Denn die Maͤnner waren es nur, welche an ihnen Antheil hatten; die Juͤnglinge und Knaben aßen in ihren Agelen, nur die Kleinern wur - den mitgenommen, ſie ſaßen in Kreta wie in Sparta auf niedrigen Schemeln am Sitze des Vaters, und bekamen dort halbe Portion ohne alles Gewuͤrz (ἀβαμ - βάκευστα)5Pyrgion bei Ath. 143 e. vgl. Caſaub. Ephoros bei Str. 10, 483 a. Von Sparta Alkman oben S. 277, 5. Plut. Lyk. 12. Qu. Gr. 33. p. 332. uͤber die Phigaliſche Sitte, Ath. 4, 148 f. . Die Frauen hatten an den Syſſitien der Maͤnner keinen Antheil; ſie aßen zu Sparta, wie in Kreta, wenigſtens in der Regel, im Hauſe6Dies folgt aus Pla - tons Geſ. 6, 780 d. 781 a. vgl. Plut. Lyk. 12. Lak. Ap. p. 221. παϱὰ τῇ γυναικὶ (d. i. οἴκοι) δειπνεῖν. vgl. auch Lyk. 26. Athen. 14, 646 a. ſpricht von Mahlzeiten der Weiber in Sp., bei denen ſie die Kuchen κϱιβάνας herumtrugen, wenn ſie im Chor das Lob - lied der Jungfrau anſtimmen wollten, wohl bei Hochzeiten. Ariſtot.; hier279 beſorgte indeß eine Frau das Auftragen der Speiſen fuͤr die Maͤnner1Doſiadas bei Athen. 143 b. mit Hilfe einiger Maͤnner τῶν δημοτικῶν (ob Perioͤken oder Mnoten?). Jungfrauen als οἰ - νοχόοι oͤfter bei den Doriern, ſ. oben S. 265, 3.. Charakteriſtiſch fuͤr Kreta iſt die große Gaſtlichkeit; neben zwei Tiſchen fuͤr Buͤrger ſtand ſtets eine Fremdentafel; und wenn ſich zwei Staͤdte eng befreundeten, erhielten ihre Buͤrger das Recht, wechſelſeitig ihre Andreia zu beſuchen2Doſiadas und Pyrgion a. O. Herakl. Poyt. vgl. das Dekret der Olontier bei Chishull Antt. As. p. 137. vgl. p. 131. 134. .
Dieſe Nuͤchternheit und Einfachheit, wie ſie Kreta und Sparta am laͤngſten bewahrten, erkannten die Alten uͤbrigens als allgemein-doriſche Lebensweiſe an, und nannten eine einfache Speiſenbereitung eine Doriſche3Damask. bei Photios p. 1037. Snid. ἄϑϱυπτος, Δώϱιος.: obgleich freilich viele Staaten dieſes Stam - mes, wie Taras, Syrakus4Συϱακου - σίων und Σικελῶν τϱάπεζα Athen. 12, 518 b. 527 c. Zenob Prov. 5, 94. Suid. Erasm. Adag. 2, 2. Σικελικὸς κότταβος Anakr. (bei Athen. 10, 427.) Fr. p. 374. Fiſch., Akragas5S. un - ter Aa. Timaͤos 76. p. 271. Goͤller. — Voͤllerei warf man den Argeiern und Tirynthiern vor. Aellan 3, 15. Athen. 10, 442 d. , von der al - ten Sophroſyne voͤllig abgefallen waren, und von den Banden ſtrenger Sitte geloͤst, ſich nun um deſto zuͤ - gelloſer aller Schwelgerei hingegeben hatten6Vgl. Aeginet. p. 188. .
62, 7, 4. beſagt nur, daß in Kreta auch die Frauen auf Koſten des Staats, nicht daß ſie oͤffentlich ſpeiſten.
Wir kommen weiter zu den perſoͤnlichen Ver - haͤltniſſen des haͤuslichen Lebens, und zwar zuerſt be - nen zwiſchen Mann und Frau; wobei wir ſo - gleich der Anſicht widerſprechen muͤſſen, als habe der Doriſche Stamm, namentlich zu Sparta, das Haus uͤberhaupt wenig geachtet, und dem Staate gaͤnz - lich aufgeopfert. Allein der Lakoniſche Grundſatz war im Gegentheil: die Hofthuͤre1S. oben S. 255, 1. Sie hieß in Kreta βοωνία Heſych. ſei einem Jeden die Graͤnze ſeiner Freiheit2Dion. Hal. Fragm. ed. Mai 20, 2. ; außerhalb herrſche der Staat, innerhalb der Hausherr als Fuͤrſt auf eignem Grund’ und Boden3Nach Lykurgs angebl. Apophth. : Mach zuerſt in deinem Hauſe Demokratie! Plut. Lyk. 19. reg. ap. p. 124. Lac. ap. p. 225. ; und das Familienleben hatte, bei aller Colliſion mit dem oͤffentlichen, doch immer noch mehr Geſchloſſenheit und Innigkeit wie in Athen. Dabei tritt aber in dieſen Verhaͤltniſſen eine uͤber al - ler Geſetzgebung ſtehende nationale Sitte in einer Ganzheit, Energie und Keckheit hervor, die wir in ih - ren Hauptzuͤgen, den Nachrichten der Alten auf der Spur folgend, darzuſtellen verſuchen wollen.
281Wie die Dorier Juͤnglingen und Jungfrauen, nach der Weiſe des Occidents, aber den ſpaͤtern Anſichten der Grie - chen zuwider1S. beſonders Eurip. Andr. 596., einen freien Umgang im Oeffentlichen geſtatteten, und namentlich bei Feſten und Choͤren bei - de Geſchlechter viel zuſammenbrachten2κὸϱοις καὶ κο - ϱαις κοινὰ τὰ ἱεϱά. Plut. Inst. Lac. p. 254. oben S. 262. — daher auch in dem Kretiſchen Chor bei Homer Juͤnglinge und Maͤdchen, ſich bei den Haͤnden haltend, einen gemein - ſamen Reigen auffuͤhren3Vgl. Euſt. zur Od. p. 1166. So hatten auch die Arkader nach Polyb. 4, 21, 3. (nur nicht aus dem angegebnen pragmati - ſchen Zweck) συνόδους κοινὰς καὶ ϑυσὶας πλείστας ὁμοίως ἀνδϱἀ - σι καὶ γυνα〈…〉〈…〉 ξὶ, ἔτι δὲ χοϱοὺς παϱθένων ὸμοῦ καὶ παίδων. Das freiere Leben und die oͤffentlichen Spiele und Taͤnze der Jungfrauen auf Keos (Plut. mul. virt. p. 277.) gehoͤren wahrſcheinlich (ſ. oben S. 226, 3.) Kretiſcher, gewiß vorioniſcher Sitte an. — daruͤber iſt oben einiges bemerkt worden. Vorzuͤglich lebten die Juͤnglinge in Sparta vor den Augen der Jungfrauen, und wie ſie ihren Spott zu fuͤrchten hatten, ſo war von ihnen ge - prieſen und beſungen zu werden, der ſchoͤnſte Preis edler Handlungen4Plut. Lyk. 14. vgl. Welck. zu Alkm. S. 10.. Dadurch war in Sparta die Moͤglichkeit gegeben, daß Zuneigung und Liebe, wenn auch eben keine romantiſche, das Herz des Mannes ergriff; waͤhrend von Athen, ſo viel ich mich erinnere, niemals berichtet wird, daß ein Mann eine Freigebor - ne geliebt und aus heftiger Neigung geheirathet: da - gegen von Sparta in einer einzigen Erzaͤhlung Hero - dots56, 61. 65. zwei Beiſpiele von Liebesgeſchichten vorkommen. Wie manche Gelegenheit mochten dazu Feſte, wie die Hyakinthien geben, an denen man Sparta’s Toͤchter mitten in der Menge, auf ſogenannten Kanathren, ei - genthuͤmlich geſchmuͤckten Wagen, deren ſie ſich auch282 bei der Pompa zum Tempel der Helena in Therapne bedienten, umherfahren und Wettrennen halten ſah1Polykr. bei Athen. 4, 139 f. Xen. Ageſ. 8, 7. nach Caſaub. Er - gaͤnzung aus Plut. Ageſ. 19. Heſych. κάνναθϱα. Euſt. zu Il. 24. p. 1344, 44. . So war uͤberhaupt die Schoͤnheit der Frauen, der ſchoͤnſten Griechenlands2Λακεδαιμονίην τε γυναῖκα im Orakel; und wie bewundern die Attiſchen Frauen in Ariſtoph. Lyſiſtr. die bluͤhende und kraͤftige Schoͤnheit der Lampito. vgl. Athen. 13, 609 b. , in Sparta weit mehr als irgendwo, Gegenſtand allgemeiner Bewunderung, unter einem Volke das fuͤr Wohlgeſtalt uͤberall ein ſehr re - ges Gefuͤhl und eine beſondre Achtung hatte3Herakl. Lembos bei Ath. 13, 566 a. .
Zur Ehe aber gehoͤrte als Einleitung und Vorbereitung in Sparta Zweierlei, erſtens die Verlo - bung von Seiten des Vaters4Wenn Vater und Großvater todt waren, ging das Recht, auch in Dori - ſchen Staaten, an die Bruͤder uͤber, wie in Kyrene, Plut. mul. virt. p. 303. Polyaͤn 8, 41., und zweitens der Raub der Jungfrau. Was von dieſem angegeben wird, war offenbar eine alte nationale Sitte, deren Grund in der Anſicht zu liegen ſcheint, daß das Weib Freiheit und Jungfraͤulichkeit nicht hingeben, ſondern nur durch Gewalt an das ſtaͤrkere Geſchlecht verlieren koͤnne. Sie heiratheten durch Raub, ſagt Plutarch. Die aus dem Chor der Maͤdchen oder ſonſt woher Ent - fuͤhrte brachte der Juͤngling zur Nympheutria, die ihr das Haupthaar kurz abſchor, und ſie in maͤnnli - chem Gewand und Schuhen, ohne Licht, ſich auf ein Binſenlager legen hieß, bis der Braͤutigam vom Phei - dition kam, die Braut nach dem Lager trug und ihr den Guͤrtel loͤste5Plut. Lyk. 15. Lak. Ap. -p. 224. Xen. Staat 1, 5. Hermippos Bericht bei Athen. 13, 555 c. iſt romanhaft entſtellt. Aehnliches gilt von Agnon ebd. 13, 60e. Und ſo genoſſen beide eine gerau -283 me Zeit lang dieſes Umganges blos verſtohlner Weiſe, ehe der Mann die Frau und oft ſchon Mutter in ſein Haus fuͤhrte. Aehnlich muß die Sitte der Kreter ge - weſen ſein, nach der Angabe, daß alle jungen Leute, die zuſammen aus der Agele heraustraten, auch zugleich heiratheten, aber ihre Frauen erſt einige Zeit ſpaͤter in ihr Haus fuͤhrten1Str. 10, 482 d. aus Ephor.. Die Kinder aber, welche vor der Heimfuͤhrung erzeugt waren, hießen wahrſcheinlich Παρθενίαι2Nach Heſych. Hom. Il. 16, 180. nennt den Eudoros einen παϱθἐνιος, τὸν ἔτικτε χοϱῷ καλὴ Πολυμήλη, was ich gegen die Schol. ſo faſſe: ſie gebar ihn im Chor, der Agele〈…〉〈…〉 der Jungfrauen noch angehoͤrend. Die Stelle eitirt Dio Chryſoſt. Or. 7. p. 273. und ſpricht dabei von den Lakoniſchen παϱθενίαις.; gewoͤhnlich ſtanden ſie wohl den im Hau - ſe gebornen gleich, aber beſondre Umſtaͤnde ſcheinen es im erſten Meſſeniſchen Kriege unmoͤglich gemacht zu haben, ſie mit Kleren zu verſorgen3Juſtin. 3, 4.; ſo wurden ſie die Gruͤnder von Tarent4vgl. oben Bd. 2. S. 125. 148. Die gewoͤhnliche Erzaͤhlung des Epho - ros giebt auch Dion. Hal., offenbar hat ſie ſich um den hiſtoriſch uͤberlieferten Namen Παϱθενίαι ausgeſponnen, den die des Antio - chos dagegen ordentlich zu erklaͤren verzichtet..
Die Zeit der Ehe ſetzte die althelleniſche, oc - cidentaliſche, Sitte ſpaͤter an, als die nachmalige orien - taliſirte. Jener getreu erlaubte auch die Geſetzgebung Spartas nicht, zarte und unausgebildete Maͤdchen zur Ehe zu nehmen; es mußten reife Jungfrauen auf dem5e. — Hiedurch erklaͤrt ſich aber erſt Herod. 6, 65. Erzaͤhlung, wie Demarat die Perkalos Chilons Tochter, die dem Leotychides ver - lobt war, ſich zueignen konnte, indem er ſie eher raubte, φϑά - σας ἁϱπάσας. — Spaͤter wurde, wer eine Jungfrau raubte, in Sp. (wie in Delphi, Heliodor 4. p. 269.) mit dem Tode beſtraft, Xen. Epheſ. 5, 1. vgl. Marcellin zum Hermogenes, aber das geht unſre Zeit nichts mehr an.284 hoͤchſten Punkte der Jugendkraft ſein1Xen. Staat 1, 6. Plut. Lyk. 15. Vergl. Numa’s 4. Lak. Apophth. p. 224. (ἀνϑεστηϱιά - δες in Rhodos genannt)2Heſych. s. v. ; und fuͤr die Maͤnner wur - den wohl die Jahre um dreißig fuͤr die paſſendſten er - achtet, wie von Heſiodos3T. und W. 695., Platon4Geſ. 8, 785. — Den Troezeniern unterſagte das Orakel die fruͤhen Heiruthen. Ariſt. Pol. 7, 14, 4. und ſelbſt noch Ariſtoteles. Wer indeß zu ſpaͤt heirathete, gegen den fand oͤffentliche Anklage ſtatt (ὀψιγαμίου), wie glei - cherweiſe gegen ſolche, die unpaſſende Ehen eingegan - gen waren (κακογαμίου), und die unverheirathet Ge - bliebnen (ἀγαμίου)5S. Plut. Lyk. 15. Lyſ. 13. de am. prol. 2. Lac. ap. p. 223. Pollux 3, 48. 8, 40. Stobaͤos Serm. 65. Klem. Aler. Str. 2. p. 182. vgl. Schlaͤgers Praef. ad dissertat. Helmst. 1744. p. 10. Am merk - wuͤrdigſten iſt, daß die Treſanten, denen Jedermann ſeine Tochter verweigerte, auch ἀγαμἱου geſtraft wurden, Xen. Staat 9, 5.. Es iſt bekannt, wie ſehr dieſe Geſetze als Eingriffe in die Rechte des Einzelnen, ja als Entheiligung der Ehe geſcholten worden ſind; weil man, was aus ſeiner Wurzel voͤllig naturgemaͤß her - vorgegangen war, von grundverſchiednen Prineipien zu beurtheilen unternahm. Auch in Solons Geſetzgebung noch war die Ehe unter Aufſicht des Staates geſtellt, und man hatte in Athen, wenn auch nur als Antiqui - taͤt, eine γϱαφὴ ἀγαμίου6Pollux. 8, 40.. Es iſt indeß allerdings wahr, daß die Ehe, beſonders in Sparta, in einer ge - wiſſen natuͤrlichen Nacktheit gefaßt, und uͤber die Hauptabſicht derſelben keinerlei Schleier gezogen wur - de. So ſoll Leonidas, nach Thermopylaͤ geſandt, ſei - ner Frauen Gorgo als Vermaͤchtniß hinterlaſſen ha - ben: Heirathet Edle und gebaͤrt Edles7Plut. de Herod. mal. 32. p. 321. Ap. Lac. p. 216. Frgm. p. 355. ; und als285 Akrotatos im Kriege gegen Pyrrhos kuͤhne Thaten ge - than, begleiteten ihn die Frauen durch die Stadt und der Aeltern Einige riefen ihm nach: Gehe, Akrotatos, und freue dich der Chelidonis, und zeuge Sparta wackre Soͤhne1Plut. Pyrrh. 28.. — Hieran reiht ſich die Thatſache, daß Lykurg in allerlei Faͤllen2καὶ πολλὰ μὲν τοιαῦτα συν - εχὠϱει, Xen. Staat 1, 9. Spaͤtere Schriftſteller reden oft fabel - haft davon, beſonders Theodor. Graec. aff. 9. , von denen wir die be - kannt gewordenen oben nahmhaft gemacht haben3S. 199., die ehelichen Pflichten auf einen andern zu uͤbertragen, nicht blos geſtattete, ſondern anrieth: aber durchaus nur immer ſo, daß einem nach Anſicht des Stammes hoͤheren Zwecke, der Erhaltung der Familie, die Hei - ligkeit des Ehebundes fuͤr eine gewiſſe Zeit aufgeopfert wurde. Daß Herkommen und Sitte die Faͤlle genau beſtimmten, und Willkuͤhr und Leidenſchaft dabei keines - wegs freies Spiel hatten, geht ſchon aus der ſonſt be - zeugten Seltenheit des Ehebruchs zu Sparta hervor4S. das Apophth. des Geradates bei Plut. Lyk. 15. Lak. Ap. p. 225. vgl. Juſtin. 3, 3. Die νόθοι bei Xen. H. 5, 3, 9., or - dentlich ein beſonderer Stand, der aber an der Erziehung der Spartiaten Antheil hatte, ſind wohl aus Verbindung verſchiedner Staͤnde hervorgegangen, gewiß nicht aus eigentlichem stuprum. Zu Rhodos hießen nach Schol. Eur. Alk. 992. die νόθοι μαστϱό - ξενοι, d. h. ſolche, die bei einer oͤffentlichen Unterſuchung (διαψή - φισις in Athen) als unaͤchte Buͤrger erfunden worden waren. Die Unterſuchung leiteten vielleicht die μἀστϱοι, Heſych. vgl. Harpokr. μαστῆϱες.; aber jener Zweck rechtfertigte ſelbſt den Koͤnig Anaxan - dridas, da er gegen alle Sitte des Volks mit zwei Frauen lebte — ohne Zweifel in abgeſonderten Haͤu - ſern5Herod. 5, 39. 40.. Auslaͤnderinnen zu ehlichen, war gewiß allen Spartiaten unterſagt, aber den Herakliden insbeſon -286 dre durch eine eigne Rhetra1Plut. Agis 11.; im Gegenſatz des Her - kommens in andern Griechiſchen Staͤdten, namentlich Athen, deſſen Dynaſten in fruͤhern Zeiten haͤufig aus dem Auslande heiratheten, wie Megakles, Miltiades u. Aa.
Was nun weiter das haͤusliche Verhaͤltniß der Frau zum Manne bei den Doriern betrifft: ſo war auch dies im Allgemeinen das altoccidentaliſche, welches im Homer als den Griechen allgemein erſcheint, und in Rom bis auf ſpaͤtere Zeiten beſtand, nur daß bei den Doriern das Eigenthuͤmliche deſſelben beſonders ſcharf ausgeſprochen iſt: es bildet dagegen einen ſtrengen Gegenſatz mit dem Joniſch-Attiſchen, in welchem die althelleniſche Sitte faſt ganz durch die orientaliſche verdraͤngt worden war2Verſtaͤndiger wenigſtens als Mei - ners, in der Geſch. des weihl. Geſchlechts, hat Lenz die Geſchichte der Weiber im heroiſchen Zeitalter behandelt, obgleich auch noch durch manche Vorurtheile befangen, z. B. daß die Cultur das Verhaͤltniß der Weiber durchaus veredle — was in Griechenland umgekehrt der Fall war. Lenz bemerkt S. 64. richtig, daß auch bei Homer das Leben der Maͤdchen in manchen Stuͤcken freier, als das der Frauen: obgleich ihr Umgang mit Maͤnnern immer noch weit ſcheuer und ruͤckſichtsvoller war, als bei den Doriern. vgl. S. 143.. Denn bei den Joniern Aſiens theilte die Frau, wie Herodot berichtet31, 146., mit dem Manne zwar Bett, aber nicht Tiſch, ſie durfte ihn nicht mit ſeinem Namen, ſondern nur „ Herr “nennen, und lebte im Innern des Hauſes verſchloſſen: und darnach hatte ſich im weſentlichen das Verhaͤlt - niß auch bei den Athenern geſtaltet. Unter den Do - riern Spartas dagegen wurde die Frau, (obgleich eben - falls im Innern des Hauſes waltend, wie, alle uͤber - treibenden Schilderungen zu widerlegen, die Spartia -287 tiſche Benennung der Frau: μεσοδόμα1Heſych. s. v. οἰκέτις Theokr. 18, 28. vgl. das Apophth. des Aregeus bei Plut. Lak. Ap. p. 198. des Euboidas p. 205. das der Lakaena p. 262. die auf die Frage: was ſie verſtaͤnde, antwor - tet: εὖ οἰκεῖν οἶκον., allein ſchon beweist), von ihrem Manne mit dem Namen: Herrin, δέσποινα, geehrt2Plut. Lyk. 14., mit einer nordhelleniſchen Galan - terie, die darum auch den Theſſalern national war3Oben Bd. 2. S. 5.; auch war der Ausdruck weder Ironie noch bedeutungs - los. Ja ſo fremdartig daͤuchte den Griechen in einer Zeit, als die Attiſche Bildung den Sinn fuͤr die un - befangene Betrachtung nationaler Sitte verdunkelt hat - te, das Anſehn, deſſen die Lakoniſchen Frauen genoſ - ſen, und der Einfluß, den ſie als Hausfrauen und Familienmuͤtter uͤbten, daß ſchon Ariſtoteles meinte4Pol. 2, 6, 8. und bei Plut. Lyk. 14. Auch waren damals die Sitten der Frauen Sp. wirklich verfallen, und eine gew. Licenz, ἄνεσις, hatte uͤberhand genommen. Ariſt. 2, 6, 5. Platon Geſ. 1, 637. Dion. H. Arch. 2, 24.: die Frauen unter das Geſetz zu baͤndigen, daran ſei Lykurgs Verſtand und Ueberlegung geſcheitert, und er habe es aufgeben muͤſſen, ihre Lebensweiſe gleich der der Maͤnner zu regeln und zu beſchraͤnken; auch ſchalt man oͤfter die Spartiaten als unter dem Joche und in der Knechtſchaft ihrer Frauen5Plut. Lyk. 14. Vergl. Numa’s 3. Ariſtot. ſpricht auch 2, 6, 7. von ih - rem Einfluß auf den Staat in der Zeit der Hegemonie Sp.: er nahm noch zu, als ein großer Theil des Grundbeſitzes in die Hand der Frauen gekommen war. — Aelians 12, 34. ſeltſame Verſiche - rung: Pauſanias habe ſeine Frau geliebt, hat Kuhn richtig auf einen uxorius gedeutet; — und als einen ſolchen ſcheint die Mythe auch prochroniſtiſch den Spart. Menelaos gefaßt zu haben. S. z. B. Ariſtoph. Lyſ. 155.. Und deſſenunge - achtet konnte Alkman, ſonſt ein großer Verehrer Lake - daͤmoniſcher Frauenſchoͤnheit, ſagen:
288Wenn aber derſelbe Ariſtoteles Spartas Frauen vor - wirft, daß ſie dem Vaterlande in Zeiten der Noth und Bedraͤngniß nie weſentlich genuͤtzt: ſo verlangt er einer - ſeits von ihnen, was auch in Sparta ganz außer ih - rer Beſtimmung lag; andrerſeits hat ihn noch die nach - folgende Zeit genugſam widerlegt, die letzten Tage La - kedaͤmons, welche Frauentugend mit wunderbarem Glanze erhellte2S. z. B. Plut. Kleom. 38.. Im Ganzen hatte ſich indeß doch auch den Athenern, ſo wenig ſie ihre eignen Frauen achteten, unwillkuͤhrlich eine Ehrfurcht vor Spar - ta’s Heroinen, wie vor einer Gorgo, Leonidas Ge - mahlin, einer Lampito, Leutychidas Tochter, Archida - mos Frau und Agis Mutter3Platon. Alkib. I, 41. Plin. H. N. 7, 41. vgl. das Apophth. der Gorgo bei Plut. p. 258. , eingepraͤgt, die ſelbſt durch Ariſtophanes kecke Scherze bisweilen hindurchblickt.
Wie aus dieſer Stellung des weiblichen Ge - ſchlechts zu dem maͤnnlichen bei den Doriern eine ganz andre Anſicht, als die zu Athen herrſchende, von der den Frauen zutraͤglichen Bildung hervorging, iſt zum Theil ſchon angedeutet worden, und wird weiter unten an mehrern Stellen noch hervorgehoben werden. Im allgemeinen gilt die Bemerkung, daß, wenn bei den Joniern die Frauen faſt nur als leibliche Weſen betrachtet wurden, als Maͤgde naͤmlich und Beiſchlaͤfe - rinnen, und die Aeoler dagegen ihrer Senſibilitaͤt eine hoͤhere Entwickelung geſtatteten, von der die erotiſchen Dichterinnen von Lesbos zeugen4Doch ſtanden auch die Boͤoterinnen, Korinna und Myrto, wie die Arkaderin Diotima (vgl. uͤber dieſe Fr. Schlegel, Griechen und, doch die Dorier faſt289 allein, in Sparta wie in Unteritalien, auch die hoͤhern Vermoͤgen des Geiſtes, des νοῦς, bei den Frauen fuͤr bildungsfaͤhig achteten. — Kaum bedarf es aber einer beſondern Bemerkung, daß, wenn wir die eben darge - legte Anſicht, von des Weibes Recht und Pflicht, als dem ganzen Stamme national anſehen, wir mancher - lei Ab - und Entartung in verſchiednen Staͤdten, be - ſonders durch Fremdenverkehr und Luxus bewirkt, zu - geben. Namentlich hat in Korinth das wahrſchein - lich Aſiatiſche Hierodulen-Inſtitut, beim Tempel der Aphrodite, auf die Sitten einen ſehr nachtheiligen Ein - fluß geaͤußert, und dieſe Stadt zur aͤlteſten Hetaͤren - Heimath in Griechenland gemacht1S. oben Bd. 2. S. 405. ſonſt Ariſtoph. Lyſiſtr. 90. Plut. 149. Schol. Suid. ἑταῖϱαι Κοϱινϑ. (nach dem ſchon Rhodopis, die ehemalige Mitſklavin Aeſops, unter ihnen war. ) χοῖϱος. Pollux 9, 6, 75. Κοϱινϑιάζεσϑαι τὸ μαοτϱοπεύειν ἢ ἑταιϱεῖν (von Korinths Kupplerinnen oben Bd. 2. S. 166.) Euſt. Il. 290, 23. Rom. und Anakreon 32, 10. (aus Achaͤiſcher oder Roͤmiſcher Zeit). Vgl. Jacobs im Att. Muſ. 2, 3. S. 137. Scheibel zur Kenntn. der A. W. 1. S. 177. — Sikyons Frauen waren nach Di - kaͤarch Βὶος Ἑλλ. beſonders anmuthig im Umgange..
Wir kommen zunaͤchſt zu denjenigen perſoͤnli - chen Verhaͤltniſſen, die ſich aus der Verſchiedenheit des Alters ergeben. Dieſe gehn beſonders nach Doriſchen Grundſaͤtzen, wornach alle Aelteren im Staate alle Juͤngern erziehen2Plut. Lyk. 17. Dion. Hal. Frgm. Mai. 20, 2. Die Aelteſten konnten, in der Erziehung auf. Ehe4Roͤmer 1. S. 275.) auf der Stufe Doriſcher Frauen, obgleich in Boͤotien das weibl. Geſchlecht ſonſt ſehr beſchraͤnkt, und unter die Aufſicht der Γυναικονόμοι (wie in Sp. der Harmoſynen, oben S. 128.) geſtellt war. Plut. Solon. 21.III. 19290wir indeß von dieſer handeln, ſtellen wir die. Betrach - tung eines Verhaͤltniſſes voran, welches einerſeits fuͤr die Erziehung von ungemeiner Wichtigkeit iſt, aber andrerſeits zugleich eine gewiſſe Verwandtſchaft mit dem eben behandelten zeigt: wir meinen das der Kna - benliebe nach altdoriſchen, in der Kretiſchen und Lykurgiſchen Geſetzordnung am ſicherſten zu erkennen - den, Grundſaͤtzen. Wir werden erſtens das Faktiſche moͤglichſt beſtimmt und charakteriſtiſch aufſtellen, ehe wir uns eine allgemeine Anſicht zu faſſen erlauben; eine ethiſche Kritik ſcheint gar nicht hieher zu gehoͤren.
In Sparta hieß der Liebende εἰςπνήλας1Die aͤchte Form iſt wohl εἰςπνήλας, ſ. Kallim. Frgm. 169. Bentl. Etym. M. 43, 34. 306, 24. Gudian. 23, 2. Orion p. 617, 49. εἴςπνηλος Theokr. 12, 13. und das Lieben von ſeiner Seite εἰςπνεῖν2Aelian V. G. 3, 12. ἐμπνεῖσϑαι dafuͤr Plut. Kleom. 3. oder Einhau - chen, welches ohne Zweifel einen von dem Liebenden auf den Geliebten uͤbergehenden Affekt und eine da - durch hervorgebrachte Seelenſtimmung im Letztern an - zeigt, ganz entſprechend der Benennung des Geliebten: ἀΐτας3Oben Bd. 2. S. 5. vgl. Etym. M. 43, 31. Gudian. a. O. ἀείτης Ari - ſtoph. in Bekk. Anecd. 1. p. 348. Tz. Lyk. 459. Alkman hatte auch verliebte Jungfrauen αΐτιας κόϱας genannt, vgl. zu Schneiders Ler. s. v. noch. Etym. Gud. 23, 3. Sonſt vgl. das Lex. voc. peregrin. im Valpy’ſchen Thesaur. n. 12. p. 492. , Hoͤrer, die den geiſtig Empfangenden aus - druͤckt. Nun ſcheint es im Ganzen Regel geweſen zu ſein, daß jedweder tadelloſe Knabe ſeinen Liebhaber hatte4Serv. ad Aen. 10, 325. adeo ut Cic. dicat in libris de rep. (p. 280. , und umgekehrt war jeder edelerzogne Mann durch2die ἀκοσμοῦντας, wo ſie ſie traſen, βακτηϱὶαις παὶειν. Beilaͤu - fig: den Stock betrachteten ſchon die Sp. als Mittel der Subor - dination, auch im Kriege. Vgl. Plut. Themiſt. 11. Thuk. 8, 84.291 das Herkommen verpflichtet, um einen Geliebten zu werben1Aelian 3, 10.. Einzelne Beiſpiele ſolcher Verbindung geben mehrere Koͤnigsſoͤhne: Ageſilaos war, als er noch in der Agele, ἀΐτας des Lyſandros2Plut. Ageſ. 2. Lyſ. 22., und hatte ſpaͤter ſelbſt wieder einen ἀΐτας3Ageſ. 13. reg. ap. p. 128. Lac. ap. p. 177. ; ſein Sohn Archi - damos liebte Sphodrias Sohn, den edlen Kleonymos4Xen. H. 5, 4, 25.; Kleomenes der Dritte war als Prinz Geliebter des Xenares5Plut. Kleom. 3., und ſpaͤter Liebhaber des kuͤhnen Pan - teus637. — Der Argiliſche Ge - liebte des Pauſanias gehoͤrt nicht hieher, Thuk. 1, 132. Nep. Pauſ. 4.. Derjenige, von dem die Knuͤpfung der Ver - bindung ausging, war faſt immer der Eispnele; doch mußte der Knabe ihn dazu annehmen, nach innrer Neigung, denn Ruͤckſicht auf Reichthum wurde fuͤr ſehr ſchmachvoll geachtet7Aelian 3, 10.: bisweilen kam es vor, daß Kna - ben freiwillig Maͤnner baten, ihre Eispnelen zu werden83, 12.. Ein Wetteifern und Nebenbuhlen fand von keiner Sei - te ſtatt9Plut. Lyk. 18.. Der Nexus ſelbſt war einerſeits ſehr innig und vertraut, und andrerſeits im oͤffentlichen Leben an - erkannt und hervortretend. Der Mann vertrat den Knaben in der Volksverſammlung, wenn die Verwand - ten es nicht thaten10Ebd. 25.; er hatte ihn gewoͤhnlich auch in der Schlacht in der Naͤhe, und oft zeigte ſich hier An - haͤnglichkeit und Treue bis zum Tode11Xen. H. 4, 8, 39. Plut. reg. ap. a. O.: daheim war ihm der Knabe und all ſein Thun den ganzen Tag vor Augen, und er ihm hinwiederum Muſter und Vor -4Mai Frgm.) opprobrio fuisse adulescentibus si amatores non haberent. 19*292bild des Lebens und Handelns1Vgl. Plut. Lak. Ap. p. 209. Auch in Boͤotien ἀνὴϱ καὶ παῖς συζυγέντες ὁμιλοῦσιν, Xen. Lak. Staat 2, 12.; wodurch es begreif - lich wird, wie fuͤr manche Vergehungen, namentlich fuͤr Mangel an Ehrliebe, der Eispnele geſtraft werden konnte anſtatt des Aitas2Plut. Lyk. 18. Ael. 3, 10..
Noch charakteriſtiſcher hatte ſich die alte Na - tionalſitte in Kreta ausgebildet, daher dieſe Inſel auch von Manchen als die Mutter der Knabenliebe be - trachtet wurde3Athen. 13, 601 e. 602 f. aus Ti - maͤos. Herakl. Pont. 3. Heyne ad Apolld. 3, 1, 2. Κϱ. ἐϱω - τικώτατοι neben Laked. und Boͤotern, Plut. Erot. 17. p. 37.. Auch hier entbehrte ein wohlgebil - deter Knabe nicht ohne einen gewiſſen Schimpf eines Liebenden4Ath. 11, 782 e. ; eben deswegen hieß der Geliebte κλεινὸς, der Belobte5Ephoros bei Str. 10, 483 c. He - ſych. s. v. φιλήτωϱ.; der Liebende einfach φιλήτωρ. Wie innig aber das Verhaͤltniß, geht daraus hervor, daß es in manchen Stuͤcken Nachbildung des ehelichen. Wie die Braͤute in Lakedaͤmon, ſo wurden hier die Knaben geraubt6Ephor. a. O. vgl. Plut. de educ. 14.. Der Raub wurde, wenigſtens drei Tage vorher, den Blutsfreunden des Knaben an - gekuͤndigt, die ihn indeß ganz unbeſorgt die gewohnten Wege gehen ließen, und auch beim Raube nur ſchein - bar widerſtanden: ausgenommen, wenn der Raubende an Geſchlecht oder perſoͤnlicher Eigenſchaft des Knaben unwuͤrdig ſchien. Dieſer fuͤhrte ihn nun zunaͤchſt nach ſeinem Andreion, und dann mit den zufaͤllig zuſam - mengekommnen Begleitern in das Gebirg oder auf ſein Landgut. Hier behielt er ihn zwei Monate — laͤnger war nicht erlaubt — bei ſich, welche Zeit meiſt unter gemeinſchaftlichen Jagden verging. Nach Verlauf der -293 ſelben entließ er ihn, und gab ihm zum Abſchiede, nach dem Herkommen, ein Rind, ein Kriegskleid, einen ehernen Becher, und Andres mehr freiwillig: oft tru - gen alle Freunde des Raubenden zu dieſen Geſchenken bei1Aus Ephor. und Herakl. Pont. Waffen waren in Kr. die anſehnlichſten Geſchenke nach Nikol. Dam. Vom Becher vgl. Hermonax bei Ath. 11. p. 366. Schw.. Der Knabe opferte ſodann den Stier dem Zeus, und gab den Begleitern ein Mahl: darauf that er kund, wie ihm die Begegnung des Philetor gefal - len; jede Schmach oder Unbill hatte er gerichtlich zu raͤchen voͤllige Freiheit. Je nachdem er ſich beſtimmt, dauert das Verhaͤltniß zu Jenem fort oder nicht. In jenem Falle traͤgt dann der Waffenfreund (παραστα - ϑεὶς), denn ſo heißt er alsdann, das geſchenkte Kriegs - kleid; und kaͤmpft in der Schlacht neben dem Lieben - den, von Ares und Eros mit doppeltem Kampfmuthe entzuͤndet, wie die Kreter meinten2Aelian V. G. 3, 9. vgl. N. A. 4, 1.: der erſte Platz und Rang im Laufe und gewiſſe Abzeichen der Tracht bezeichnen ihn noch im Mannesalter als Kleinos.
So feſte Inſtitute, wie dieſe, hatten ſich zwar nir - gends anders ausgebildet, aber die zum Grunde lie - gende. Gefuͤhlsrichtung war allen Doriern gemein. Die Liebe des Korinthiſchen Bakchiaden und Geſetzgebers von Theben, Philolaos, und des Olympioniken Diokles dauerte bis zum Tode, und noch ihre Graͤber waren einander freundlich zugekehrt3Ariſt. Pol. 2, 9, 6, 7.: ein andrer Diokles war es, der in Megara als edles Beiſpiel der Selbſt - aufopferung fuͤr den Geliebten geehrt wurde; die ſchoͤn - ſten Knaben kuͤßten auf ſeinem Grabe — der urſpruͤng - lichen Idee nach gewiß den treuen Liebhaber4Ariſtoph. Ach. 774. Theokr. 12, 28. Schol. Daruͤber, daß er urſpruͤnglich; wie294 Panteus die Lippen ſeines ſterbenden Freundes Kleo - menes ſelbſt ſterbend mit einem Kuſſe ſchloß.
Es iſt klar, daß eine ſolche das ganze Leben durchdringende Sitte kaum aus irgend einer einzelnen Ueberlegung hervorgegangen ſein kann: ſie muß auf einer dem Volksſtamme von Anfang an natuͤrlichen Empfindung beruhn. Dieſe lebhafte Zuneigung von Maͤnnern zu Knaben, dies innige Anſchließen, das jene zu zweiten Vaͤtern dieſer macht, muß tiefer wurzeln als auf einem einzelnen Inſtitute. — Daß nun dieſe Empfindung nicht blos geiſtig, daß ſie auch ſinnlich war, ein Gefallen an aͤußerer Schoͤnheit und Bluͤthe, an gymnaſtiſcher Bildung1Nach Platon Geſ. 1, 636 b. Cic. Tusc. Qu. 4, 34. vgl. Boͤckh. ad legg. p. 106. ging die Knabenliebe aus den Gy - mnaſien hervor: was indeß, in dieſer Allgemeinheit geſagt, wenig Probabilitaͤt hat., an der Jugend in vollem Begriffe, war durchaus nothwendig in einer koͤrperli - ches und geiſtiges Daſein noch wenig zu trennen ge - wohnten Zeit. Aber eine ganz andre Frage iſt, ob dieſe in Kreta und Sparta allgemeine, von den Edel - ſten gepflegte, von den Geſetzgebern auf alle Weiſe un - terſtuͤtzte, in die Jugendbildung ſo tief eingreifende Knabenliebe — das mit demſelben Namen benannte La - ſter geweſen ſei.
Man bedenke wohl, was es heißt, dieſe Frage mit Ariſtoteles zu bejahen, der ſogar die Abſicht des Ge - ſetzgebers — uͤbermaͤßiger Bevoͤlkerung zu ſteuern — darin erblickt2Pol. 2, 7, 5. — Aber es iſt ſchon falſch und gilt nur von Athen, nicht von den Doriern, daß die. So ſchnoͤde Suͤnde, nicht einzeln in4ein Attiker, ſ. Welcker: Sappho von einem u. ſ. w. S. 39. — Die Tarentiner nannten nach Heſych den ἐϱώμενον ἐϱώτιον.295 ſcheuem Dunkel geuͤbt, ſondern als allgemeine Natio - nalſitte, und das in dem geſuͤndeſten, kraͤftigſten Stam - me Helleniſcher Nation, ein Jahrtauſend hindurch, waͤ - re eine ſchaudervolle Billigung der Unnatur durch die Natur. Wir wollen dieſer phyſiſchen Unmoͤglichkeit kaum erſt die moraliſche, fortdauernder Sophroſyne bei ſo vergifteter Sitte, hinzufuͤgen — aus Vertrauen auf die Vernunft jedes Beurtheilers.
Koͤnnen wir ſonach nicht annehmen, daß die alte Nationalſitte des Doriſchen Stammes ein ſo unreines Verhaͤltniß als zur Erziehung des Knaben nothwendig geſetzt habe — und doch muͤßten wir dies, wenn wir die verſchiednen Begriffe der Knabenliebe fuͤr von je - her verbunden und zuſammengehoͤrig hielten: ſo wer - den wir auf das direkt entgegengeſetzte Ergebniß ge - fuͤhrt. Naͤmlich: wenn die alten Hellenen, als dieſe Kretiſch-Spartiatiſche Knabenliebe ſich bildete, auf keine Knabenſchaͤnderei hinauswollten: ſo mußte letztre uͤberhaupt nicht in ihrem ethiſchen Gefichtskreis liegen, ihnen wenigſtens keiner Verwechſlung mit der erſtern ausgeſetzt ſcheinen, weil ſie dieſe ſonſt unmoͤglich mit ſolcher Argloſigkeit, Unſchuld, Unbefangenheit geſtaltet und ausgebildet haͤtten. Sehr paſſend hat Welcker1a. O. S. 41. darauf aufmerkſam gemacht, daß bei einfachen, altvaͤ - terlichen Voͤlkern beſchraͤnkten Geſichtskreiſes auch ſonſt die Sitte manche Freiheiten einraͤumt, die bei entar - teten und unruhig bewegten die Strenge des Geſetzes unterſagen muß. Und mehr beſtaͤrkt in der That als irre gemacht werden wir in dieſer Vorſtellung durch Ciceros Ausſage, daß die Lakedaͤmonier den Liebenden2Knabenliebe im umgekehrten Verhaͤltniß geſtanden mit der Liebe zum weiblichen Geſchlecht.296 in die groͤßte Naͤhe des Geliebten brachten, und ihm jedes Zeichen der Zuneigung erlaubten praeter stu - prum1De rep. 4, 4. p. 279. Mal.; denn wenn auch allerdings dieſe Naͤhe in der Zeit des Sittenverderbs hoͤchſt gefaͤhrlich ſein moch - te: ſo beweist ſie doch fuͤr die aͤltern Zeiten das Ge - gentheil. Daß dieſes stuprum ſelbſt die Lakedaͤmonier ſehr hart ſtraften, mit Landesverweiſung oder Tod, wiſſen wir ſonſt2Aelian V. G. 3, 12. Wegen dieſer cautio heißt der Λακεδ, νόμος bei Platon Symp. p. 182. ποικίλος. Die Reinheit der Laked. Knabenliebe bezeugt der beſte Kenner Doriſcher Sitten, Xenoph. Staat 2, 13. Symp. 8, 35. Platon hat indeß auch von ihr uͤble Begriffe, Geſ. 1, 636. 8, 836. Die Kretiſche iſt mehr anruͤchig geworden als die Lakoniſche, Plut. de educ. 14. Beide ruͤhmt als gleich unſchuldig Mar. Tyr. diss. 10. p. 113. An den zweideutigen Urtheilen ſind ſicher faſt ganz die Attiſchen Komiker Schuld. Eupolis bei Athen 1, 17 d. Heſych u. aa. Lexikogr. κυσολάκων, λακωνίζειν. vgl. Suid. Apo - ſtol. 11, 73. Λακωνικὸν τϱόπον πεϱαίνειν..
So kommen wir zu dem Reſultate, daß dies eigenthuͤmliche Verhaͤltniß ſich bei den nordhelleniſchen Voͤlkerſchaften durchaus unbefangen und edel gebildet hatte, ehe Knabenſchaͤnderei, wahrſcheinlich von Lydien her, in Griechenland bekannt geworden war. Und nur ſo, wenn wir ein Doppeltes, von Grund aus Ver - ſchiednes, annehmen, welches in der Griechiſchen Kna - benliebe zuſammengefloſſen, iſt uͤberhaupt die geſammte Anſicht und Betrachtungsweiſe derſelben auch in der Zeit der Attiſchen Bildung erklaͤrlich, in der immer ein reines und edles Element mit einem unreinen und niedern auf ſeltſame Weiſe vereinigt erſcheint. Merk - wuͤrdig iſt es, daß die alten Achaͤer, deren Leben wir in Homers Geſaͤngen erblicken, offenbar dies Verhaͤlt - niß nicht kannten, da Achilleus und Patroklos Freund -297 ſchaft in den beſtimmteren Zuͤgen damit wenig Ver - wandtſchaft zeigt, obgleich in der Waffenbruͤderſchaft aͤlterer und juͤngerer Heroen bei fernen Abentheuern1Waffenbruͤder heißen Ἁχιλλήιοι φίλοι in dem ſchoͤnen Bruchſtuͤck Aeoliſcher Lyrik (Theokr. 28, 34.) vgl. Arrian Peripl. Pont. p. 23. die Anfaͤnge davon gegeben ſein mochten2Nach Meiners, Ramdohr Venus Urania 3, 1. S. 138., Welcker S. 45.. Zuerſt hat man wohl dem Herakles, als dem Doriſchen Helden, ſolche Lieblinge, wie Theiomenes, Elakatos, Hylas, bei - gegeben, zum Theil ſchon in ſehr fruͤher Zeit3S. oben Bd. 2. S. 451. vgl. Beil. 2. unter Kinaͤthon. In der Boͤot. Sage wurde auch Jolaos, ſein παϱαστάτης, ſo gedacht, da die Liebenden ſich auf deſ - ſen Grabe zu Theben ihre Liebe verſicherten, Ariſtot. bei Plut. Pe - lop. 18. Aber die andern Beiſpiele (bei Phanokles, Platon im Symp. und Lukians Eroten) gehoͤren entweder gar nicht hieher, wie Oreſts und Theſeus Freundſchaften, oder ſind deutlich Erfin - dungen erotiſcher Lyriker, wie Minos und Talos Liebe des Ibykos, oder Spaͤterer. Nur Chryſipps Raub, durch Laios, kam ſchon bei Piſander vor; von Argynnos vgl. Orchom. S. 215. Von Ga - nymed will ich nicht abſprechen, aber die Hineintragung deſſelben in die Kretiſchen Mythen (Platon Geſ. 1, 636 c. Echemenes bei Ath. 601 e.) iſt offenbar kuͤnſtlich.. — Es konnte aber dieſe Verbindung ihre voͤllige Bedeu - tung nur im Doriſchen Staate haben, wo die Bildung der Jugend zum großen Theil der Familie entzogen, und einem weiteren Kreiſe und einer mannigfaltigeren Beruͤhrung hingegeben iſt: hier war ſie im geſammten Leben ſo tief gewurzelt, daß ſie auch auf das weibliche Geſchlecht uͤberging. Denn auch edle und wohlerzogne Frauen liebten Jungfrauen4Plut. Lyk. 18., wobei kein geſunder Sinn an Hetaͤriſtrien denken wird: im Gegentheil hat Welcker dieſe Nachricht fuͤr die Wuͤrdigung des Ver -298 haͤltniſſes der Lesbiſchen Dichterfrauen zu benutzen voͤl - liges Recht gehabt1Vgl. noch im Allgem. Meiners Verm. philoſ. Schriften 1. S. 61. Geſch. des weibl. Geſchl. 1. S. 321. Herders Ideen zur Philoſ. der Geſch. Werke Bd. 5. S. 173..
Die Erziehung der Jugend (νεολαία)1Lukian Anach. 38. ϑῆλνς νεολαία Theokr. 18, 24. in den altdoriſchen Staaten Sparta und Kreta war, wie man auch ſonſt daruͤber urtheilen moͤge, ein ſehr kunſt - reicher Organismus, worauf ſchon die große Anzahl verſchiedner Claſſen von Knaben und Juͤnglingen fuͤhrt, deren Erwaͤhnung uns zugekommen iſt. Denn da die Sonderung derſelben gewiß nicht zwecklos war, ſo iſt vorauszuſetzen, daß jede von ihnen irgendworin auf eine andre Weiſe behandelt wurde, und eine andre Stufe der geiſtigen oder koͤrperlichen Ausbildung war.
Ob ein neugebornes Kind leben bleiben ſollte, oder all zu ſchwaͤchlich ſei, entſchied bekanntlich in Lakedaͤ - mon der Staat, das heißt ein Rath der Aelteſten des Geſchlechts in einer Leſche verſammelt2Plut. Lyk. 16. Ich habe Geſchlecht fuͤr Stamm geſetzt, nach oben S. 194., nach einer um nichts barbariſcheren Sitte, als die der uͤbrigen alten Welt war, welche dem Vater die freie Entſchei - dung daruͤber anheimſtellte. So zeigt ſich ſchon hierin der große Einfluß des Gemeinweſens auf die Erzie -300 hung aller Individuen, von dem man indeß nicht glau - ben muß, daß er jede Verbindung zwiſchen Eltern und Kindern aufgelaͤst und die innigſten Bande der Natur zerriſſen habe. Behielten doch, nach dem Zeugniſſe zahlreicher Anekdoten, ſelbſt Sparta’s Muͤtter eine gei - ſtige Gewalt uͤber die ſchon erwachſenen Soͤhne, von der man ſonſt in Griechenland nichts vernimmt. Age - ſilaos ſeinen Kleinen auf dem Stecken vorreitend1Der ernſte Archytas wird als Erfinder einer Kinderklap - per, πλατάγη, geprieſen, Ariſt. Pol. 8, 6, 1. Apoſtol. 16, 21., iſt ein Bild aus der Erziehung der juͤngern Knaben2μίτυλλα, ἐσχατονήπια Heſych., welche bis zum ſiebenten Jahre ganz dem Hauſe an - vertraut war3Plut. a. O.; dann erſt begann die oͤffentliche, die eigentliche ἀγωγή4S. uͤber den Ausdruck Plut. Ageſ. 1. Kleom. 11. 37. Λακοωνικὴ ἀγωγή Polyb. 1, 32. und daraus Zonar. und Suid. Die Λυ - κούϱγειος ἀγωγὴ wurde ſpaͤter durch die Ἀχαϊκὴ παιδεία ver - draͤngt, die auf Nuͤtzlichkeit hinausging. Plut. Philop. 16. vgl. Pauſ. 7, 8, 3.. Dieſe genoſſen eigentlich nur die Soͤhne der Spartiaten (πολιτικοὶ παῖδες)5Nach der richtigen Lesart bei Ath. 6, 271 e. Dieſe ſind einerlei mit τοῐς ἐκ τῆς ἀγωγῆς παισὶν, oben S. 25, 1. Aus Athen. ὡς ἂν καὶ τὰ ἴδια ἐκποιῶσιν, geht hervor, daß die Vaͤter zu den Koſten der Erziehung beitrugen — was S. 204. zu beachten war., und die von dieſen zur Theilnahme erleſnen Mothaken; zum Theil auch die Halbbuͤrtigen6Xen. H. 5, 3, 9. τῶν ἐν τῇ πόλει κα - λῶν οὐκ ἄπειϱοι. Die δημοτικὴ ἀγωγὴ bei Polyb. 25, 8, 1. iſt ein niedrer Grad.; es mag darin man - cherlei Abſtufungen gegeben haben. Es war aber zum Begriff eines freien Buͤrgers die Erziehung das Haupt - erforderniß7S. beſ. Plut. Lak. Ap. p. 243.; wer ſich ihr entzog8Wer als μειϱάκιον die harten πόνους nicht uͤbernahm, dem wurde, nach Xen. Staat 3, 3., Nichts weiter τῶν καλῶν zu Theil, d. h. die uͤbrige Erziehung (τὰ καλὰ in Sp. vgl. Hell. 5, 4, 32., verzichtete auf301 einen Theil ſeiner Rechte: davon ausgenommen war nur der naͤchſte Thronerbe1Plut. Ageſ. 1.; waͤhrend die juͤngern Soͤhne der Koͤnige in den Agelen erzogen wurden; zwei der edelſten Fuͤrſten Sparta’s, Leonidas und Ageſilaos, haben als Knaben die Zuchtruthe der Aufſeher gefuͤhlt.
Vom zwoͤlften Jahre an2Plut. Lyk. 16. vgl. oben S. 268. wurde die Zucht der Knaben in vieler Hinſicht veraͤndert und geſchaͤrft. Knaben gegen funfzehn oder ſechzehn Jahre hießen σι - δεῦναι3Photios Lex. S. 407. wo fuͤr ἑξῆς δέκα — ἑκκαίδεκα zu ſchr. Schneider Lex. u. σκύθϱαξ ſchlaͤgt συνεύνας vor, aber das waren Alle in den Agelen., allgemeinere Namen ſind, von κόϱος abge - leitet, κωϱαλίσκοι4Heſych. Davon hatte das Stuͤck des Epilykos den Titel, das in Sp. ſpielte, oben S. 277, 5., κυϱσανίοι5Ariſtoph. Lyſ. 983. Schol. daraus Suid. Photios S. 140. 41. Heſych. s. v. auch unter κύϱσιον., σκύρϧακες, σκυρ - ϧάκια6Vgl. Heſych. σκύθϱαξ, σκυϱϑαλίας, Phot. σκυϱϑάνια.. Mit dem achtzehnten Jahre trat der Juͤng - ling aus den Knaben heraus; im zweiten darauf hieß er Eiren, vorher Melleiren7Plut. Lyk. 17. Etym. M. und Gloss. Herod. s. v. εἴϱην. Heſych ἰϱίνες, ἴϱανες, μελλίϱην. Heſych erklaͤrt ἴϱανες ἄϱχοντες, διώκοντες, und εἰϱηνάζει κϱατεῖ, und dies ſcheint auch wirklich die Grundbedeutung. Amomphare - tos, Kallikrates u. ſ. w., die ἰϱένες bei Herod. 9, 85., waren ſicher keine Juͤnglinge, ſondern Anfuͤhrer, wie namentlich Amomph. Lo - chag der Pitanaten., nachher Proteires8Phot. p. 105. κατὰ πϱωτεῖϱας, He - ſych. κατὰ πϱωτῆϱας. Es ſcheint daß εἴϱης in dieſer Compoſition ſ. v. als εἴϱην iſt.. Auf dem Uebergange von dem Epheben zum Mannes -8Not. 6.) und er war deshalb ἀδόκιμος ἐν τῇ πὀλει, nicht ὅμοιος. Zu allgemein Plut. Inst. Lac. p. 252.: wer die ἀγωγὴ nicht ertragen, habe ſein Buͤrgerkecht verloren, und umgekehrt: wenn ein Fremder ſich jener unterzogen, habe er dies erhalten.302 alter ſtehend, hießen die jungen Spartiaten Sphaͤreis1Pauſ. 3, 14, 6. auch in einer Inſchr. bei Fourmont von Neu-Sparta., vermuthlich weil dann das Ballſpiel ihre Hauptuͤbung, das die Lakonen mit großem Eifer und zwar ordent - lich als einen Kampf feindlicher Partheien trieben2Siebelis zu Pauſ. a. O. oben S. 223.. Sonſt trifft auch die Ausſendung zur Kryptie in die Jahre vor zwanzig3Oben S. 43., wenn ſie, wie ich glaube, dem regelmaͤßigen Kriegsdienſte vorausging, wie zu Athen der Dienſt der περίπολοι. Uebrigens blieben die Juͤnglinge, obgleich ſie nun ſchon die Gemeinmahle der Maͤnner beſuchten4Xen. Staat 3, 5., fortwaͤhrend in den Abtheilungen, die Agelen oder Lakoniſch βοῦαι5Heſych. u. Etym. M. unter βουὅα, wo fuͤr ἀγλεῖ τις — ἀγέλη τις zu ſchr. Val - cken. ad Adon. p. 274. hießen, und in klei - nere, Ilen genannt6Xen. 2, 11. Plut. Lyk. 16. 17. Inst. Lac. p. 248., zerfielen. Der letztere Name bezeichnet auch einen Trupp Reiterei7Zu Tarent heißt der Ilarch Βειλαϱ - μόστας (Digamma) Heſych., und weist, wie mehrere andre8S. Heſych. ἵππαϱχος und ἡνιοχαϱάτης; und nach Euſt. Il. 8. p. 727, 22 R. hießen nicht blos die 300, ſondern alle des Alters ἱππεῖς., darauf hin, daß ehemals wenigſtens Reituͤbungen die Jugend auch in Sparta vorzugsweiſe beſchaͤftigten. In dieſen Abtheilungen waren hiernach die verſchiedenen Alter zuſammen; aus den Irenen wurden die Anfuͤhrer derſelben genommen9Xen. Plut. a. O. der Agele fuͤr Ile ſagt., die eine große Gewalt uͤber die Kleineren uͤbten, fuͤr deren Ge - brauch ſie indeß wieder jedem aͤltern Manne10Plut. Lyk. 18., be - fonders dem Paͤdonomos, einem Magiſtrate von un - gemeinem Anſehn11Xen. 2, 2. Plut. Heſych. Nach Xen. 4, 6. ſtehn noch die ἱππεῖς unter dem παιδονόμος., verantwortlich waren. Dieſem303 zur Seite ſtanden die aus den juͤngern Maͤnnern er - waͤhlten Maſtigophoren1Xen. a. O., die Buagoi oder Aufſeher der Buaͤ2Heſych., wo der βουάγοϱ irrig ſelbſt παῖς genannt wird, ſ. oben S. 128., außerdem gab es beſondre Sophroniſten der Epheben3Etym. M. 742, 39. Die uͤber die Knaben geſetzten heißen ſonſt nach Heſ. im Allgem. ἄμπαιδες.. Faſt auf dieſelbe Weiſe waren auch die Maͤdchen und Jungfrauen (κῶϱαι4Maittaire p. 156. κόϱα bei den Pythagoreern, Jambl. Pyth. 2, 56., πῶπαι5κόϱα nach Heſ. wie zu ſchr., πάλλακες6Etym. M. 649, 57.. ) zu ſolchen Genoſſenſchaften verbunden; bei Theokrit, im Brautgeſange der Helena, theilen vier - mal ſechzig Jungfrauen von gleichem Alter die taͤgli - chen Leibesuͤbungen und Spiele718, 23. vgl. Pind. Frgm. Hyporch. 8. Bh. Kallim. Bad der Pall. 33.; und in der Dori - ſchen Zeit von Kroton fuͤhrte, nach Timaͤos8Bei Porphyr. Pyth. 8. 61. p. 263. Goͤller. vgl. Jambl. Pyth. 30., Pytha - goras Tochter als Jungfrau die Jungfrauen, als Frau die Frauen an.
In Kreta hießen die Knaben, ſo lange ſie im Hauſe des Vaters blieben, im Dunkel lebende, σκότιοι9Schol. Eurip. Alk. 989. Dieſe Zeit war es auch, in der ſie geraubt wurden; wie die oben angefuͤhrten Umſtaͤnde abnehmen laſſen., und weil ſie keiner Agele angehoͤrten, ἀπά - γελοι10He - ſych s. v. . Sie gingen dieſe Zeit uͤber in die Syſſitien ihrer Vaͤter, wo ſie am Boden zuſammenſaßen; nach den Syſſitien hielten ſie ſich, unter eignen Paͤdonomen, in Genoſſenſchaften zuſammen11Ephor. bei Str. 483.. In die Agelen tra - ten ſie erſt, wie berichtet wird, mit dem ſiebzehnten Jahre12Heſych a. O. Ephoros a. O. und Nikol. Dam. reden freilich blos von einer παί - δων ἀγέλη, aber nehmen παῖς im ausgedehnteſten Sinne., ſo daß alſo hier die Erziehung der Familie304 bei weitem laͤnger uͤberlaſſen war, als in Sparta. Sie blieben in den Agelen bis zur Verheirathung, alſo auch noch in maͤnnlichen Jahren, daher in dem erhalt - nen Buͤndniſſe der Latier und Olontier beſtimmt wird, daß auch die Agelen daſſelbe beſchwoͤren ſollen1Chishull p. 134.. Daraus aber, daß dieſe Schaaren von Juͤnglingen be - ſonders von einem der reichſten und angeſehenſten un - ter ihnen zuſammengebracht wurden, deſſen Vater dann der Agele als ἀγελάτης vorſtand, ſie zur Jagd und zum Laufe fuͤhrte, und Strafrecht uͤber ſie aus - uͤbte2Ephor. a. O. Herakl. Pont. 3. Davon hießen die Epheben in der Agele nach Heſych ἀγελαστοὶ, wofuͤr Meurſ. ohne Grund ἀγελαῖοι corrigirt, von ἀγελάζω., erſieht man, daß in Kreta den einzelnen Fa - milien noch mehr Einfluß, wie auf die Regierung3Oben S. 133., ſo auch auf die Erziehung geſtattet, und eine weniger feſte und gleichmaͤßige Ordnung eingefuͤhrt war als zu Sparta. Das weiter vorgeruͤckte Alter gab man in Kreta nach der Zeit des Beſuchs der maͤnnlichen Gy - mnaſien an, die daſelbſt δϱόμοι hießen4Suidas.; wer ſich zehn Jahre unter den Maͤnnern geuͤbt, hieß δεκάδρομος5οἰ δέκα ἔτη ἐν τοῖς ἀνδϱάσι ἠσκηκότες Heſych. nach Emd. von Valcken. ad Ammon. 1, 12., ἀπόδρομος der Juͤngling, der noch nicht in dieſen rang und lief6Euſt. Il. 8. p. 727, 18. Od. 8, 1592, 57 Rom. Ammonios s. v. γέϱων.. — Von andern Doriſchen Staͤdten fehlen uns die Nachrichten; nur wiſſen wir, daß in Kyrene die einzelnen Verbindungen der Epheben von der Zahl die Dreihundert, τϱιακάτιοι, genannt wurden7Euſt. und Ammon. a. O. He - ſych. Τϱ. — οἱ ἔφηβοι καὶ τὸ σύστημα αὐτῶν. cf. Intpp. T. 2, 1412. Was Mazocchi tab. Heracl. p. 258, 87. ſagt, iſt ſehr thoͤrigt..
Soviel von der aͤußern Anordnung und Form der Erziehung. Die Erziehung ſelbſt iſt nun theils leiblich, theils geiſtig, obgleich auch dieſe Trennung nicht zu ſtreng gefaßt werden darf, ſintemal jede Ue - bung des Koͤrpers doch auch zugleich eine des Geiſtes, wenigſtens der Beharrlichkeit, Ausdauer, Seelenkraft, iſt. Indeß haben fuͤr jene die Griechen den allgemei - nen Ausdruck Gymnaſtik, fuͤr dieſe Muſik. Daß die Dorier vor allen Hellenen der Gymnaſtik oblagen, iſt bekannt1Daher ein beſondres Oelgefaͤß in den Gymnaſien Δωϱὶς ὄλπα hieß, Theokr. 2, 156., wohl ſehr einfach, wie die Sp. ſtatt der στλεγγὶς Rohrbuͤſchel nahmen, Schol. Plat. Charm. p. 90. Ruhnk. Plut. Inst. Lac. p. 253. Lobeck ad Phrynich. p. 430. bemerkt einſichtsvoll, daß mehrere vocabula musica, palaestrica et militaria auch im gewoͤhnlichen Griechiſchen Dialekt Doriſch colorirt ſind, weil ſie beſonders bei den Doriern gebraͤuchlich wa - ren.; auch ſchon bemerkt, daß die γυμναστι - κὴ im eigentlichen Sinne zuerſt bei Kretern und Spar - tiaten aufkam, und den letztern namentlich iſt oͤfter vorgeworfen worden, daß ſie darin das Maaß uͤber - ſchritten haͤtten2Dion Chryſoſt. Or. 37, 33. φιλογυμναστοῦσι Αά - κωνες. Daſſelbe Platon Protag. 342. von den Lakonizonten, die auch — gegen die Sitte ihrer Vorbilder — den Caeſtuskampf eifrig trieben. Ariſtot. Pol. 8, 3, 3. ſagt blos, daß die Abhaͤrtung der Jugend in Sp. ſie zu ϑηϱιώδεις mache.. Indeſſen lag dieſe Maaßloſigkeit, wenn ſie ſpaͤter ſtattfand, gar nicht in den Maximen und Ideen der Dorier, die hierin, wie in allem andern, auch dem eifrigſten Beſtreben ſeine Graͤnze zu ſetzen und ſeinen Zuͤgel anzulegen wußten; von der Spar - tiatiſchen Erziehung bemerkt Ariſtoteles ſelbſt, daß ſie nicht darauf ausgehe Athleten zu bilden, die das Auf - treten in gymnaſtiſchen Kaͤmpfen als Geſchaͤft des ganzen Lebens betrieben3Vgl. was der: und wie ſicher man hier,III. 20306was der edlen und ſchoͤnen Ausbildung des Koͤrpers fromme, von dem jenſeits gelegnen unterſchied, zeigt inſonderheit das gaͤnzliche Verbot der roheren Uebun - gen, des Fauſtkampfs und Pankrations1Plut. Lyk. 19. reg. ap. p. 125. Lac. ap. p. 225. Se - neca de benef. 5, 3. Was Xen. Staat 4, 6. von den Fauſt - kaͤmpfen der ἡβῶντες ſagt, geht nicht auf gymnaſtiſche.. Als Grund deſſelben wird angegeben, daß nur in dieſen ein aus - druͤckliches Geſtaͤndniß des Beſiegten, das Aufheben der Hand, zur Beendigung des Kampfes gehoͤrte, und Lykurg ein ſolches ſeinen Spartiaten nicht habe geſtat - ten wollen; der wahre liegt in jener Grundanſicht. Auf der andern Seite war eben ſo den Hoplomachen, die ſich oͤffentlich in geſchickter Behandlung der Waffen zeigten, Lakonika verſchloſſen2Pla - ton Laches 183. — obgleich die Kolonie Kyrene die Hoplomachie von ihrem Geſetzgeber Demo - nax aus dem Arkadiſchen Mantinea3Wo ſie gewiß mit dem Soͤldnerdienſt zuſammenhing und ἐπἱδειξις der Virtuoſitaͤt im Waffengebrauch war. angenommen hatte4Athen. 4, 154 d. Auch gab es eine eigenthuͤmliche Μαντινικὴ ὅπλισις. — wahrſcheinlich weil das Geſchaͤft der Waf - fenfuͤhrung zu ernſt ſchien, um zur Oſtentation und zum Spiele zu dienen.
Dem Doriſchen Stamme iſt dagegen wahr - ſcheinlich, wie uͤberhaupt die Ausbildung gymniſcher Agonen zu großen Nationalfeſten, ſo beſonders die Ein - fuͤhrung der Kraͤnze an die Stelle andrer Preiſe zu - zuſchreiben. Denn Homers gymniſche Kaͤmpfer haben noch die Ausſicht reellerer Belohnungen, aber es war ganz der Stufe althelleniſcher Humanitaͤt, auf der wir3Lakone bei Plut. Lak. Ap. p. 246. uͤber den Unterſchied von κϱείσ - σων und καββαλικώτεϱος (ein beſſrer Ringer) ſagt.307 ſchon in vielen andern Ruͤckſichten die Dorier ſtehend gefunden, angemeſſen, die Darſtellung leiblicher Voll - kommenheit, einer ſo ſchoͤnen Gabe der Goͤtter, von aller Richtung auf Gewinn, von allem Banauſiſchen, voͤllig zu reinigen. Zu Olympia war es, wo der erſte Kranz gegeben wurde; es erhielt ihn, in der ſiebenten Olympiade, ein Dorier Daikles der Meſſenier1Corſini Diss. Agon. p. 127.. Wie die Gymnaſtik in den verſchiednen Doriſchen Staaten geuͤbt worden ſei, laͤßt ſich in manchen Stuͤcken aus den erhaltnen zahlreichen Namen von Olympioniken, Pythioniken u. ſ. w. abnehmen, einige Schluͤſſe erge - ben ſich bald aus dem Durchmuſtern der Cataloge Corſini’s. Daß die Spartiaten nie im Fauſikampf, nie im Pankration aufgetreten, bewaͤhrt ſich auch durch dieſe2Hermippos fabelt alſo — wie oͤfter — daß Chilons Sohn zu Olympia im Fauſt - kampfe geſiegt habe, Diog. L. 1, 3, 5., und ihre Grundſaͤtze wurden in den Olympi - ſchen Agonen, auf die ſie den groͤßten Einfluß hatten, auch in ſo fern allgemein anerkannt, daß Knaben im Pankration zu kaͤmpfen, erſt in den ſpaͤteſten Zei - ten erlaubt wurde3Pauſ. 5, 8, 3. Auffallend aber, daß das πένταλον παίδων nur eine Ol., 38., beſtand, da ein Lakedaͤmonier darin ſiegte.. Dagegen kamen von Sparta ungemein viele Sieger im Lauf, beſonders zwiſchen Olymp. 20. und 50., außerdem zahlreiche Pentathlen und Ringer; unter jenen iſt Philombrotos (Ol. 26 — 28.), unter dieſen ſind Hippoſthenes (Ol. 37 — 43.) und ſein Sohn Hetoemokles durch die große Anzahl Olympiſcher Kraͤnze ausgezeichnet; auch die erſten Sie - ger in beiden Kaͤmpfen waren Lakedaͤmonier. Vor Olymp. 9. nennen die Eleiſchen Kataloge beſonders Meſſenier als Sieger im Lauf: von Olymp. 49. an20*308herrſchen Krotoniaten im Stadion, unter denen Tiſikrates und Aſtylos den ganzen Zeitraum von 71 bis 75. einnehmen. Zur felben Zeit ſiegte drei mal zu Pytho der windſchnelle Phayllos, der auch in dem Wettkampf allſeitiger Gewandtheit, dem Pentathlon, aber darin wieder beſonders im Sprunge1S. die Proverbien ὑπὲϱ τὰ ἐσκαμμένα πηδᾷ., das Wunder ſeiner Zeit war — zugleich ein Kriegsheld und Athlet. Zu gleicher Zeit beſtand in Kroton eine Schu - le von Ringern, deren Krone und Bluͤthe Milon war, der, von Olymp. 62. an, faſt in jedem der vier Haupt - ſpiele oͤfter geſiegt als irgend ein Hellene. Es war aber ganz dieſelbe Zeit, da die Philoſophie des Pytha - goras die oͤffentlichen Angelegenheiten von Kroton lei - tete und die Sitten richtete, und in der Kroton durch ſeine Krieger und Athleten ganz Hellas uͤberglaͤnzte2Str. 6, 262. vgl. Meiners Geſch. der Wiſſ. B. 3. K. 2.; Milon ſelbſt, die Fabel der Nachwelt, war zugleich Weiſer und Held. Als ſei hier die ſinnliche Natur der geiſti - gen Kraft dienſtbar und folgſam geworden, war da - mals Geſundheit und Kraft in Kroton einheimiſch; der Olympionike Philippos, ein Freund des Spartiaten Dorieus, galt als der ſchoͤnſte der Hellenen3Herod. 5, 47.. Aber die Eroberung von Sybaris, die Zerſtoͤrung des Bun - des, die Annahme der Achaͤiſchen Verfaſſung endlich machten bald dieſem Leben, in welchem das Ideale real geworden zu ſein ſchien, ein Ende, und mit Olymp. 75. verliert Kroton, ohne bedeutende aͤußerliche Ver - aͤnderung, dieſe Kraft des innern Lebens. — Wenn uͤbrigens die Athleten dieſer Stadt in der Wahl der Uebungen den Grundſaͤtzen Sparta’s folgten, ſo war das Umgekehrte der Fall unter den Rhodiern, nament -309 lich unter der Familie des Diagoras, aus der mehr als ſechs Fauſtkaͤmpfer, die erſten ihrer Zeit, Maͤnner gigantiſcher Koͤrperkraft, hervorgingen1Diagoras, ſ. Soͤhne Damaget, Akuſilaos, Derieus, und Toͤchterſoͤhne Eukles und Peiſirrhodos; vielleicht auch Hyllos S. Boͤckh Expl. Pind. O. 7. p. 165.. Sehr vielſei - tig waren die Aegineten, die von Olymp. 45. bis zum Untergange des Staates zahlloſe Siege im Lauf, Ringkampf und Pankration davontrugen, und ſich be - ſonders als Knaben auszeichneten2Aeginet. p. 141. adde Menand. de encom. 3, 1. p. 97. Heeren.. Weniger thaten ſich die entfernteren Coloniſten, in Sicilien und Libyen, in gymniſchen Kaͤmpfen hervor; und mehr Ruhm er - warteten die letztern von ihren ausgezeichneten Roſſen und Wagen3Boͤckh Expl. Pind. P. 4. p. 268. P. 5. p. 287. adde Heſych. s. v. ἐλαία, wie jene von der Maulthierzucht4Ebd. ad O. 4. p. 143.. Die Kreter, obgleich beſonders im Dolichos ausgezeich - net, kaͤmpften, wie Pindar ſagt und auch dieſe Cata - loge beſtaͤtigen, wie Haͤhne im Bezirk des eignen Ho - fes5O. 12, 20. vgl. Boͤckh Expl. p. 210.. — Eigenthuͤmlichkeiten der Doriſchen Voͤlker - ſchaften in der Behandlung der einzelnen Uebungen anzugeben, waͤre erſt dann moͤglich, wenn die Weiſen (σχήματα) des antiken Turnens, insbeſondre des Ringkampfs, genauer ausgemittelt und veranſchaulicht waͤren, als bis jetzt geſchehen6Die Spart. liebten beſonders das κλιμακίξεσϑαι. Platon Kom. bei Aspaſ. zu Ariſt. Eth. Nik. 4, 7. bei Zell. p. 156. vgl. Plut. Lac. ap. p. 241. Das ἀπὸ τϱα - χήλου γυμνάζεσϑαι, Xen. Staat 5, 9. ſcheint auf beſondre Uebun - gen der Staͤrke des Nackens zu gehn. Die Argeier waten ἑδϱο - στϱφοι Theokr. 24, 109..
In Sparta aber achtete man fuͤr die koͤrper - liche Erziehung alle Leibesuͤbungen in den Gymnaſien310 faſt fuͤr minder wichtig als eine andre Claſſe derſel - ben, die den Koͤrper durch Muͤhſeeligkeiten und Stra - pazen zu ſtaͤhlen und ſtaͤrken beabſichtigte. Der Knabe mußte Hitze und Froſt — und beides bot die Natur in dem engen Thale von Sparta im Uebermaaß dar1Bd. 2. S. 69. — er mußte Hunger, Durſt und allerlei Noth ertra - gen lernen. Darin uͤbten die haͤufigen Jagden im Ge - birge, die in Kreta auch ſchon der Knabe mit dem Liebenden2Oben S. 292., ſo wie in den Agelen mit dem Age - laten3Oben S. 304. Nikol. Damaſk., unternahm; darin das Herumſtreifen in den abgelegenſten Gegenden des weiten Lakonikas, bei voͤlliger Entbehrung aller fremden Hilfe und Dienſte, bei dem der Juͤngling Sparta’s zum Manne heran - reifte4S. 42.. Ein Analogon dieſer Kryptie war fuͤr die Knaben die Zeit, in der ſie ſich ihre taͤgliche Nahrung durch Stehlen gewinnen mußten; denn auch dieſe war auf eine beſtimmte Epoche in der Erziehung der Soͤhne der Homoͤen5Xen. Anab. 4, 6, 14. beſchraͤnkt. Man hat ſich von dieſer eigenthuͤmlichen Sitte gewiß meiſt eine ſehr einſeitige Vorſtellung gemacht, eine hervorſpringende Singulari - taͤt herausnehmend aus einem innerlich verbundnen Ganzen, und an dieſer eine Critik uͤbend, die entwe - der den Geiſt der nationalen Sitte uͤberhaupt treffen ſollte oder gar nichts. Nach einzelnen Andeutungen verhielt ſich die Sache ſo6Herakl. Pont. 2. Xen. Staat 2, 6. vgl. Cic. bei Nonius s. v. elepere. Gell. N. A. 11, 18. Aa. Plut. Lyk. 17. handelt nicht genau von der Sache, vgl. Inst. Lac. p. 249. Lac. ap. p. 239. Die Schol. Plat. Geſ. 1. p. 225 N. 450 B. verwechſeln die Kryptie damit.: Die Knaben wurden auf eine beſtimmte Zeit aus der Stadt und der Gemein -311 ſchaft mit Menſchen uͤberhaupt ausgeſtoßen, in der ſie unſtaͤt in Wald und Feld umherzogen; dabei mußten ſie ſich ihren Unterhalt aus den Haͤuſern und Hoͤfen, in denen ſie jetzt als gaͤnzlich fremd angeſehn wurden, durch allerlei ſchlaue Anſchlaͤge und Liſten muͤhſam und kuͤmmerlich zuſammen rauben, den gelegnen Zeitpunkt oft ganze Naͤchte hindurch ablauernd, und dabei immer der Gefahr Schlaͤge zu bekommen ausgeſetzt. Zur Beurtheilung dieſer Sitte iſt, wenn man unbefangen verfahren will, kein andrer Geſichtspunkt zu faſſen, als den unſer Zuſammenhang ſchon angiebt; die Ver - haͤltniſſe des Beſitzes ſollten einen Anlaß mehr zur Staͤrkung und Uebung des Muthes und der Liſt her - geben, dadurch daß ſie in einem kleinen Kriege von einer Seite feſtgehalten, von der andern angegriffen wurden; die Verletzung des Eigenthums dabei erſchien als unbedeutend unter einem Volke, das auf Mein und Dein uͤberhaupt ſo wenig Gewicht legte, und die nach - theilige Nachwirkung auf die Sitte wurde noch uͤber - dies gehoben durch die genaue Beſtimmung Deſſen, was geraubt werden durfte1ὅσα μὴ κωλύει νόμος Xen. Anab. a. O. vgl. Staat 2, 6. — Ciceros Behauptung, de rep. 3, 9.: Cretes latrocinari honestum putant, muß auch wohl ſehr eingeſchraͤnkt werden. vgl. indeß Polyb. 6, 46, 1., welches ungefaͤhr das - ſelbe war, was jeder Spartiat, wenn er deſſen auf der Jagd bedurfte, aus den Vorraͤthen eines Andern zu nehmen befugt war. Dies war im Ganzen die Idee, welche der Sitte fortwaͤhrenden Beſtand gab; hiſtoriſch hervorgegangen aber moͤchte ſie ſein aus dem alten Bergleben der Dorier am Oeta und Olym - pos in beſchraͤnkter und gedranger Lage, und in be - ſtaͤndigem Kampfe mit den gluͤcklichern Beſitzern der312 fruchtbaren Ebne; als Ueberreſt und Erinnerung des - ſelben iſt ſie im Contraſte mit dem auf breiter Baſis aufgerichteten, unabhaͤngigen und ſorgloſen Daſein der Dorier in ſpaͤterer Zeit ſtehn geblieben; ſo daß man, was die geſammte Nation in ihrer fruͤhern Jugend ſtaͤhlte und erkraͤftigte, nun auch zur Erziehung der Individuen deſſelben Alters geeignet fand. — Von dem Triumphe Spartiatiſcher Abhaͤrtung, der Durch - peitſchung am Altar der Orthia, iſt oben ſchon ge - zeigt, wle dazu durch eine merkwuͤrdige Umbildung in aͤchthelleniſchem Geiſte die duͤſtern Forderungen eines blutigen Cultus benutzt worden waren1Bd. 2. S. 382. Die dort erwaͤhnte φούαξιϱ kommt wohl her von φύσις, lak. φοῦἱς, od. auch φύα, φούα, u. ἄσκησις zuſmgez. in ἄξις, ἄξιϱ. Ueber die διαμαστίγωσις vgl. Plut. Lyk. 18. Inst. Lac. p. 254. Athen. 8, 350 c. Luklan Ikarom. 16. Muſonios bei Stob. Serm. 92. p. 307. Schol. Platon. Geſ. 1. S. 224 R. p. 450. Bekk. Cic. Qu. Tusc. 5, 27. Seneca de prov. 4. dazu die Stellen bei Manſo 1, 2. S. 183. Creuzer Init. philos. Plat. 2. p. 166. Ein βωμονὶκης kommt noch in der S. 128, 7. citir - ten Inſchr. vor. Daß der bronzene Knabe zu Berlin ein ſolcher ſei, wie Thierſch vermuthet hat, will mir noch nicht einleuchten; eher moͤchte ich ihn fuͤr einen Sieger des Pankration ἐν παισὶ hal - ten, vorgeſtellt wie er zu Zeus um Sieg betet..
Noch ſind als etwas Charakteriſtiſches die gymnaſtiſchen Kriegsſpiele hervorzuheben, die unter al - len Griechen den Kretern und Spartiaten eigenthuͤm - lich waren. Bei dieſen lieferten ſich die Epheben, nach einem Opfer fuͤr Enyalios im Phoͤbaͤon zu The - rapne, auf einer von Graͤben gebildeten Inſel, bei dem Plataniſtas genannten Garten, eine foͤrmliche Schlacht, nur ohne Waffen, bei der ſie alle Kraͤfte und Mittel zum Siege aufboten2Pauſ. 3, 14, 8. vgl. 11, 2. Plat. Geſ. 1. S. 633. Cie. Qu. Tusc. 5, 27.; auf Kreta unternahmen die313 Knaben eines Syſſitions gegen das andre, die Juͤng - linge einer Agele gegen die andre, haͤufige Luſtkaͤmpfe, die dem Anſchein nach wirklichen Schlachten noch mehr glichen. Floͤte und Lyra leiteten den Schritt, und au - ßer den Faͤuſten wurden auch hoͤlzerne und eiſerne Waffen gebraucht1Ephor. bei Str. 10, 483. Herakl. Pont. 3.. So wurde hier allerdings die Gymnaſtik in eine naͤhere Beziehung mit dem Kriege gebracht, als im uͤbrigen Hellas; indeß wuͤrde man ſehr irren, wenn man deshalb nun, im Kriege die Oberhand zu behalten, als den Zweck aller koͤrperli - chen Erziehung bei den alten Doriern faſſen wollte. Denn iſt nicht der Sieg im Kriege ſelbſt nur wieder ein Mittel zur Darſtellung eines in freier Kraft und geſunder Schoͤnheit vollendeten Lebens? Ein ſolches Ideal, nicht allgemein und unbeſtimmt, ſondern in deutlichen und unverwiſchten Zuͤgen aufgefaßt, wird jeder Unbefangne aus dem bisher Zuſammengeſtellten entnehmen; wie es erreicht wurde, moͤgen wir wenig - ſtens in Hinſicht auf das Aeußerliche daran erkennen, daß die Spartiaten, wie die Krotoniaten um Olymp. 60., die geſuͤndeſten der Hellenen waren2Xen. Staat 5, 9. — Lakoniſche ἀγωγὴ galt ſpaͤter als eine Art Krafter - ziehung. So ließ Phokion ſeinen Sohn lakoniſch aufziehn, Plut. Phok. 20. und Alkibiades ſog wenigſtens die Milch der Amykla. Plut. Lyk. 16. Schol. Platon Alk. 1. p. 77 R. , und die ſchoͤnſten Maͤnner nicht minder als Frauen unter ihnen gefunden wurden3Herod..
2Lukian Anach. 38. Plut. Ap. Lac. p. 239. Lacaen. p. 258. Was Platon γυμνοπαιδιὰς nennt, ſind uͤberhaupt Uebungen der nackten Knaben in der Hitze, vgl. Schol. und Suid. Λυκοῦϱγος. — Auch die ἡβῶντες kaͤmpften nach Xen. Staat 4, 4. mit den aus - erleſnen Dreihundert, wo ſie dieſelben trafen.
Das weibliche Geſchlecht theilte auch hierin die Erziehung des maͤnnlichen, doch, wie oben ſchon bemerkt wurde, nur die Jungfrauen. Sie hatten ihre beſondern Gymnaſien1Nikol. Damaſk., und uͤbten ſich, nackt oder leichtbekleidet, im Lauf, Ringen, Diskos und Speer - wurf2Plut. Lyk. 14. Lak. Ap. p. 223. vgl. Manſo 1, 2. S. 162. Ueber die Laufuͤbungen Heſych ἐνδϱιώ - νας, Welcker zum Alkm. p. 10 sq. Von Uebungen außer den Gy - mnaſien ſpricht ein Dichter bei Cie. Qu. Tusc. 2, 15. worauf auch eine Beziehung bei Ariſtoph. Lyſ. 117.. Daß Juͤnglinge oder Maͤnner dabei zuge - ſchaut, iſt nichts weniger als wahrſcheinlich, da in den Gymnaſien Lakedaͤmons uͤberhaupt muͤßiges Zu - ſchaun und Herumſtehn nicht gelitten ward, ſondern der Grundſatz galt: entweder ziehe dich aus, oder fort mit dir3Platon Theaͤ - tet 162. 169. auch ſagt Plut. Lyk. 14. nur, daß ſie den Pompen und Taͤnzen der Jungfrauen zugeſchaut.. Aber gemeinſame Kaͤmpfe beider Geſchlech - ter ſind undenkbar. Wie die Eleiſchen Maͤdchen in den Heraͤen, ſo zeigten in Sparta die eilf Dionyſia - den an einem Dionyſiſchen Agon die errungene Mei - ſterſchaft im Laufen.
Der geſammten Gymnaſtik des Staats ſtanden in Sparta Magiſtrate von hoͤchſtem Anſehn, die Bidiaͤer, vor; auch hielten die Ephoren alle zehn Tage eine all - gemeine Schau der Knaben in Bezug auf ihre von der Diaͤt abhaͤngende Wohlgeſtalt, εὐεξία, wenn dem Zeug - niſſe des Agatharchides ein ſo allgemeiner Sinn bei - gelegt werden darf4Bei Athen. 12, 550 d. vgl. Aelian V. G. 14, 7..
39, 72. Ein Lakedaͤmonier glich auffallend dem Hektor, d. h. dem ſo genannten typiſchen Heroenideal, nach Plut. Arat. 3.
315Was ſeit dem erſten Kapitel dieſes Buches ab - gehandelt iſt, betrifft im Ganzen die Lebensweiſe und Sitte, die δίαιτα Δωϱική. Wir kommen nun zu dem zweiten Haupttheile der Erziehung, der Muſik, in welcher eigentlich alle nationale Geiſtesbildung inbe - griffen iſt, wenn man das Erlernen der Schrift aus - nimmt, das in Sparta nicht einmal durchweg ſtatt fand1Nach Iſokr. Panath. p. 544. vgl. Perizon ad Ael. V. H. 12, 50. Daß ſie leſen lernten, ſagt Plut. Lyk. 16. Inst. Lac. p. 247. das Gegentheil ein Soph. anon. bei Orelli Opp. mor. II. p. 214. Die alterthuͤmliche Einfalt der Sitte ſehn wir auch aus dem Gebrauche, zum Zeichen geſchloſſner Contrakte einen Stab, eine σκυτάλη, zu zerſchneiden und die Stuͤcke zu vertheilen. Pho - tios σκυτάλη aus Dioſkorides π. νομὶμων. — Ueber die Leſeſchu - len in Kreta herakl. Pont. 3. Ephor. bei Str. 10, 482. Die aͤlteſten Griech. Buchſtaben ſcheint man auch Δωϱικὰ γϱάμματα genannt zu haben, Suid. s. v. Κόϱιννος.. Auch war es eben nichts Weſentliches bei ei - nem Volke, das, wie in Kreta, Geſetze, Hymnen und Enkomien — alſo das Recht, die Religion und Ge - ſchichte — in den muſiſchen Schulen ſingen lernte2Aelian V. G. 2, 39. Aehnliches von Lykurgs Geſetzen oben Bd. 2. S. 134..
Indem wir nun von der Ausbildung der Mu - ſik bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften zu reden im Be - griffe ſtehn, wird unſre Aufmerkſamkeit, ehe ſie ſich auf einzelne Thatſachen und Erſcheinungen richten kann, gleich von der allgemeineren in Anſpruch genommen: daß eine von den Tonarten (ἁρμονίαι), wodurch das Helleniſche Alterthum die verſchiedne Anordnung der in den Tongeſchlechtern (γένη) gegebnen Intervalle nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver - ſchiedner Hoͤhe und Tiefe des ganzen Syſtems, bezeich - nete, von Alters her die Doriſche genannt wurde1Daher auch δωϱίζειν, doriſch ſingen, Heſych. Eine dafuͤr eingerichtete Kithar iſt eine Δωϱία φόϱμιγξ Pind. O. 1, 17., der ſonſt den der Doriſchen Tonart paſſenden Rhythmos Δώϱιον πέδι - λον nennt, O. 3, 5., und alles zuſammen Δωϱίαν κέλευθον ὕμνων Frgm. inc. 98., und daß dieſe Doriſche Tonart mit der Phrygiſchen und Lydiſchen lange Zeit allein unter den Muſikern Griechenlands in Gebrauch war: die einzige alſo, die in dieſer fruͤhern Zeit von einer Helleniſchen Nation den Namen trug, ſo daß ſie ſchon deswegen im Ge - genſatz der ſpaͤter entwickelten als die aͤchthelleniſche317 betrachtet werden muß1Platon Laches p. 188 d. . Es entſteht die Frage, warum nun dieſe alt - und aͤchthelleniſche Tonart grade den Namen der Doriſchen erhalten habe2Einige (ſ. Klem. Alex. Str. 1. p. 307. vgl. Fabric. Bibl. Gr. 1. p. 301.) ſuchten ſie ſo zu beantworten, daß Thamyris ſie erſunden habe, der naͤmlich bei Dorion mit den Muſen wettkaͤmpfte.: wor - auf man ſchwerlich anders antworten kann, als weil ſie wirklich in Doriſchen Landen, in den alten Wohn - ſtaͤtten der Muſik, Kreta, Sparta, Sikyon, Delphi, ihre Ausbildung erhalten. Es kann alſo vor der Zeit dieſer Ausbildung keine Schule und Succeſſion von Muſikern unter nichtdoriſchen Hellenen gegeben haben, die jene Doriſchen an Ruhm uͤberragt haͤtte, weil ſonſt, wenn ſie ſich derſelben Tonart bedient haͤtte, dieſe eher nach ihr genannt worden waͤre als nach den Doriern, wenn ſie aber eine andre ausgebildet haͤtte, es gleich von Anfang zwei Helleniſche Tonarten gege - ben haben wuͤrde, nicht blos die eine Doriſche. Folg - lich muß die Feſtſtellung und Ausbildung der Doriſchen Tonart aͤlter ſein als der Ruhm der Lesbiſchen Muſi - ker, der doch wiederum den Zeiten des Archilochos vor - angeht3Bd. 2. S. 351, 1. Darauf gruͤndete wohl Glaukos bei Plut. Muſ. 4. ſeinen Beweis des Alters von Terpandros., und mit Terpandros, der beſonders von Ol. 26 bis 33. bluͤhte4Ol. 26. wurden naͤm - lich nach Soſibios des Lakonen gewichtigem Zeugniſſe die muſi - ſchen Kaͤmpfe an den Karneen eingefuͤhrt, und der erſte Sieger war nach Hellanikos Katalog Terpandros, Athen 14, 635. Ol. 33, 4. aber ſetzt das Marm. Par. ep. 35. ſeine neue Anordnung der Muſik in Sparta. Hiernach iſt Bd. 2. S. 134. Z. 22. zu recti - fieiren. Die andern Data uͤber Terpandros Zeit ſtehen dieſen an Sicherheit bei weitem nach., gewiß nicht ſeinen Anfang nahm, ſondern ſchon einen hohen Grad der Ausbreitung er -318 reichte. Zu der Zeit waren in der That die Lesbiſchen Muſiker die angeſehenſten Griechenlands, ſie uͤberglaͤnz - ten im Peloponnes, in Lakedaͤmon ſelbſt, die einheimi - ſchen weit: ſo daß, wenn damals die Tonart nicht ſchon in der Halbinſel allgemein geweſen waͤre, ſie auch nicht die Doriſche haͤtte genannt werden koͤnnen. Nun kann doch aber auf der andern Seite die Ent - gegenſtellung der Doriſchen mit der Phrygiſchen und Lydiſchen Tonart, ſo wie das beſtimmte und ſyſtemati - ſche Verhaͤltniß dieſer drei, ſich weder von ſelbſt auf dem Wege rein volksmaͤßiger Entwickelung, noch auch im Griechiſchen Mutterlande gebildet haben, in wel - chem man keine Veranlaſſung und Gelegenheit hatte, die eigenthuͤmlichen Tonweiſen jener Voͤlkerſchaften Aſiens kennen zu lernen1So ſagt Pind. bei Ath. 14, 635. Frgm. Scol. 5 Bh. daß Terpandros bei Lydiſchen Gaſtmalen zuerſt den Saitenklang der hohen Pektis entgegen toͤnen hoͤrte., und dieſelben mit der ein - heimiſchen zu vergleichen und in ein Syſtem zu brin - gen. Mit dieſer Entgegenſtellung konnte aber auch erſt der Name der „ Doriſchen “Tonart aufkommen, und auch dies ſchwerlich unter den Doriern oder Pelo - ponneſiern ſelbſt, die ja nur die eine hatten und kannten, ſondern zuerſt im Auslande. Und dann bie - tet ſich als ſehr natuͤrlich und befriedigend die An - nahme dar, daß eben jene Lesbiſchen Muſiker es wa - ren, die, mit dem Peloponnes und Kleinaſien in glei - cher Verbindung ſtehend, die Namen und das Ver - haͤltniß der drei Tonarten feſtſetzten, indem ſie auf das im Peloponnes gebraͤuchliche, auf eine beſtimmte Weiſe geſpannte Tetrachord die Sang - und Spielwei - ſen Aſiens uͤbertrugen, und damit in eine ſyſtematiſche Beziehung brachten.
Dabei kommen wir immer auf das Reſultat, daß vor dem Aufbluͤhn dieſer von Aſien mannigfach beruͤhrten Schule die Dorier des Peloponnes, die rei - nen Hellenen, vor allen andern Staͤmmen des Grie - chenvolkes die Muſik uͤbten. Denn daß der Name der Tonart nicht etwa blos in dem aͤußern Vorwiegen des Volkſtammes ſeinen Grund hat, dafuͤr buͤrgt nun auch die innre Uebereinſtimmung des Charakters der - ſelben mit dem Dorismus uͤberhaupt. Die Alten, die das Ethiſche in der Muſik unendlich beſtimmter zu faſ - ſen verſtanden, als es in unſrer ins Formloſe und Un - endliche verſchwimmenden Tonkunſt moͤglich iſt, maßen derſelben durchaus etwas ungemein Ernſtes, Feſtes und Maͤnnliches bei, geeignet Ausdauer zu geben zur Be - ſtehung großer Gefahren und Muͤhſeeligkeiten, zugleich das Gemuͤth zu ſtaͤhlen und zu ſtaͤrken gegen innerli - chen Sturm; ſie fanden in ihr feierliche Hoheit und einfache Großartigkeit, ſich hinneigend nach der Seite des Strengen und Harten, und entgegenſtehend dem Unſteten, Leidenſchaftlichen, Schwaͤrmeriſchen1Zuſammengeſtellt aus Boͤckh de metr. Pind. p. 238. ſ. beſonders Herakl. Pont. bei Ath. 14, 624 d. : alles Ausdruͤcke, die faſt eben ſo gut die Religion, die Kunſt, die Sitte der Dorier zu bezeichnen gebraucht werden konnten. Die Strenge und Haͤrte dieſer Muſik, die ſchon den ſpaͤtern Alten als duͤſter und anmuthlos (σκυθρωπὸς, tetrica,) erſchien, und unſern verweich - lichten Ohren noch mehr ſo erſcheinen wuͤrde, hat et - was Auffallendes, verglichen mit dem anmuthigen, milden und heitern Charakter, der damals ſchon lange in der epiſchen Poeſie herrſchte; ſie belehrt uns ohne Zweifel am meiſten uͤber den Unterſchied der Aſiati - ſchen, und der aus den Gebirgen Nordgriechenlands320 ſtammenden Hellenen, die auf angeborne Hoheit der Geſinnung und Kraft der Seele ſtolz, noch wenig durch Beruͤhrung mit Fremden geſaͤnftigt waren.
Wie in allen andern Kreiſen des Lebens, ſo waren auch in der Muſik die Dorier durchaus Freun - de des Alten; und auch hierin ſtellt Sparta die ei - gentliche Norm Doriſcher Sitte auf1S. Athen. 14, 632. aus Herakl. Pont.. Nicht als wenn es aus Grundſatz der Vervollkommnung und Ausbil - dung durchaus gewehrt, und ſie uͤberall von ſich ge - ſtoßen haͤtte, aber es wollte, daß jede Neuerung erſt als eine Vervollkommnung anerkannt ſei, ehe ſie in den gemeinen Gebrauch und die Erziehung uͤberginge. Dadurch mußte es nothwendig geſchehen, daß die oͤf - fentlich geuͤbte Muſik in Sparta gewiſſermaßen ſtoß - weiſe fortſchritt: womit die Nachrichten von verſchied - nen Geſetzgebungen und Anordnungen der Muſik ſehr wohl ſtimmen, die uns ein alter Schriftſteller2Der ſog. Plutarch in der uͤberaus kundigen und gelehrten Schrift von der Muſik 9. auf - bewahrt hat. Da Terpandros, Derdenes Sohn, ein Antiſſaͤer von Lesbos, vier mal in den Pythiſchen Spielen, und außerdem in den Karneen Spartas — in denen darum die Muſiker ſeiner Schule lange Zeit den Vorrang hatten3S. Ariſtot. u. Ael. Dionyſ. bei Euſt. 9. p. 741, 15. Herakl. Pont. 2. Plut. de sera 13. Heſych μετὰ Λέσβιον ᾠδόν, Apoſtol. 12, 70. u. Aa. Nach Plut. Muſik 6. war der letzte der Schule, der in den Karneen auſtrat, Perikleidas, der noch vor Hipponar lebte; dann hat Ael. Dionyſ. Unrecht, Euaͤnetides und Ariſtokleides beizubringen, von denen dieſer ſicher juͤnger war; Phrynis gehoͤrt gar nicht mehr hieher. —, den Preis davon getragen, und zugleich die unruhige und leidende Stadt durch die Feierlichkeit und Salbung ſeiner Geſaͤnge beruhigt und geſuͤhnt hatte4S. Diod. Frgm.: war die Bewunderung und An -321 erkennung dieſes Meiſters in Sparta ſo allgemein ge - worden, daß er auch den neuen Erfindungen ſeines Geiſtes, namentlich der ſiebenſaitigen Kithar1Obgleich er zuerſt wegen der Ueberzahl der Saiten von den Ephoren beſtraft worden ſein ſoll, Plut. Inst. Lac. p. 251 H. Aber die Erzaͤhlung iſt ſehr verworren. Indeß ſcheint auch Athen. 14, 628 b.: daß die Sp. die Muſik drei mal gerettet, darauf anzuſpielen., die Sanktion der Geſetze verſchaffte. Es ſcheint als wenn hiedurch die fruͤhere Muſik voͤllig antiquirt worden ſei, daher von vorterpandriſchen Muſikern der Dorier, mit Ausnahme jener alten Pythiſchen Nomosſaͤnger, Chry - ſothemis, Philammon, kein Name auf uns gekommen iſt. Denn die bisweilen fuͤr aͤlter gehalten werden, wie Thaletas, ſind nach den ſicherſten Zeugniſſen juͤn - ger2Denn was die Schol. Od. 3, 267. und Euſt. zur Stelle von einem uralten Lakonen Demedokos, von einem Do - rier Sipias, einem Lakonen Pharis, einem Spartiaten Proholos um die Zeit der Heraklidenwanderung angeben, iſt wohl kaum my - thiſch zu nennen.. Plutarch datirt die zweite Epoche der Muſik in Sparta von Thaletas dem Elyrier, deſſen Kunſt ohne Zweifel von den alten Nomosſaͤngern des unmit - telbar benachbarten Tarrha ausging3S. oben Bd. 2. S. 207., dann von Xenoda - mos aus Kythera und Xenokritos dem Lokrer4Vgl. uͤber dieſen Boͤckh Expl. Pind. O. 10. p. 197., wel - che alle zuſammen beſonders Paͤane und Hyporchema - ta dichteten, zugleich von Polymneſtos dem Kolopho - nier, und Sakadas dem Argeier, von denen dieſer ſich in Elegieen und andern Melodieen zur Floͤte, jener in orthiſchen und dithyrambiſchen Weiſen auszeichnete, aber zugleich als Epiker und Elegiker Ruhm erwarb. Sakadas bluͤhte und ſiegte in den Pythien Olymp. 48,
411. p. 639. Plut. Muſik. 42. Schol. Od. 3, 267. Buttm. Tzetz. Chil. 1, 16. Marm. Par. ep. 35.
; und in dieſelbe Zeit muͤſſen nach Plutarch unge - faͤhr die andern auch treffen: nur daß Thaletas aͤlter als Polymneſtos1Polymnaſtos kannte blos die drei aͤltern Tonarten, Plut. 8., und war alſo etwas aͤlter als Xenokritos, der die Italiſche auf - brachte, und als die Lesbiſchen Lyriker — wenn es genau damit zu nehmen iſt. Da er aber fuͤr Lakedaͤmon ein Gedicht auf den Tha - letas machte, Pauſ. 1, 14, 3., und hier als Zeitgenoſſe von Sa - kadas und den Andern auftritt, ſo kann man ihn nicht uͤber Ol. 40. hinaufruͤcken. Alkman (gegen Ol. 27.) kann ihn auf keinen Fall erwaͤhnt haben; und ſo ſchlage ich vor bei Plut. Muſ. 5. fuͤr Ἀλκμᾶν ΑΛΚΑΙΟΣ zu leſen. und Xenokritos2Glaukos bei Plut. 10., aber doch juͤn - ger war als Terpandros und Archilochos, alſo etwa vor der vierzigſten Olympiade lebte. Dieſen Muſikern ſchreibt im Ganzen Plutarch die Einfuͤhrung der Ge - ſaͤnge an den Gymnopaͤdien zu Lakedaͤmon3Geſaͤnge des Thaletas an dieſen erwaͤhnt auch Soſibios bei Ath. 15, 678 b. vgl. Suidas s. v. Θαλ. Ich glaube aber, daß die hier gemeinte Einfuͤhrung erſt in die Zeit der Schlacht von Thyraͤa, gegen Ol. 58., trifft, da ſich ſehr Viel, namentlich in den muſikaliſchen Feierlichkeiten der Gymnopaͤdien, auf dieſe bezog. Ath. a. O. vgl. Etym. M. wenn dort fuͤr Πύλαιαν Θυϱαίαν mit Man - ſo 1, 2. S. 211. zu leſen; woran noch zu zweifeln. vgl. Bd. 2. S. 298, 6., der En - dymatia in Argos4Vermuthlich fuͤr ein Ankleidefeſt der Hera., und andrer Darſtellungen in Ar - kadien zu. Der Zuſtand, der damals feſtgeſtellt wur - de, ſcheint derſelbige geblieben, ſo lange Spartiatiſche Sitte beſtand; und namentlich wurden durch dieſe die Veraͤnderungen ausgeſchloſſen, die die Epoche des Me - lanippides, Kineſias, Phrynis, Timotheos des Mile - ſiers herbeifuͤhrte. Von dieſen ſchnitt dem Phrynis der Ephor Ekprepes zwei Saiten, die er an ſeiner Kithar uͤber ſieben hatte, ohne weiteres ab5Plut. Agis 10. Lak. Ap. p. 205.; und dem Timotheos ſoll in den Karneen daſſelbe begegnet323 ſein1Nach Plut. Agis 10. und Inst. Lac. p. 251. auch nach Cic. de legg. 2, 15. vgl. Dion Chryſoſt. Or. 32. p. 382 b. R., wogegen eine unwahrſcheinliche Sage meldet, daß er ſich durch ein Bild des Apollon zu Sparta ge - rechtfertigt, der dieſelbe Zahl von Saiten an der Lyra gehabt habe2Artemon bei Ath. 14, 636 e. . Wenigſtens zeigte man noch dem Pauſanias33, 12, 8. in der Skias, dem Muſikſaale Spartas4Vgl. uͤber dieſe Etym. M. s. v. , die elfſaitige Kithar, die dem Timotheos genommen und hier aufgehaͤngt worden ſei. Es iſt allgemein be - kannt, daß man ein Spartiatiſches Dekret zu beſitzen glaubt5Bei Boeth. de musica ad calc. Arati Oxon. p. 66. dann bei Caſaub. in Athen. 8. p. 613. (Schwgh. T. 4. p. 611.) Scaliger zum Manilius, Bulliald zum Theon, Leopardus Observv., dann Gronov. Praef. ad Thes. Antt. Gr. V. 5. aus einem Cambeidger Mſ., Chishull Antt. Asiatt. p. 128. und mit Vergl. mehrerer Mſpte von Oxford (Clea - ver) Decretum Lacedaemoniorum contra Timoth. Mil. Oxo - nii 1777. endlich Payne Knight Analytical Essai sct. 7. und Porſon Tracts and miscell. criticisms p. 143., worin der Staat den Koͤnigen und Ephoren befiehlt, den Timotheos von Milet zu tadeln, erſtens weil er das ſiebenſaitige Kitharſpiel ver - ſchmaͤhend durch ſeine viele Saiten und die neuen Wendungen ſeines Geſanges die Ohren der Juͤnglinge vergifte, indem er anſtatt eines einfachen und dieſelbe Spannung des Inſtruments bewahrenden Spiels ein weichliches und wandelbares einfuͤhre, und die Com - poſition vom enharmoniſchen Tongeſchlecht auf das Chroma uͤbertrage, zur antiſtrophiſchen Entgegnung, zweitens weil er zum Agon der Eleuſiniſchen Deme - ter geladen, eine unanſtaͤndige Vorſtellung des Mythus aufgefuͤhrt und den Juͤnglingen die Wehen der Se - mele auf unwuͤrdige Weiſe gelehrt habe; außer die -21 *324ſem Tadel aber ſollen ſie ihm noch das Gebot kund - thun, von ſeinen elf Saiten die uͤber ſieben abzuſchnei - den, damit ein Jeder, die Wuͤrde des Staats ſchauend, ſich huͤte, nach Sparta unedle Sitte einzufuͤhren, und der Ruhm der Agonen unbefleckt bleibe1Die folgende Recenſion des Dekrets iſt nach den Mſſ. ge - macht, ohne willkuͤhrliche Eintragung von Lakonismen, dagegen ſind die kurzen Vocale uͤberall beibehalten, und ſelbſt das ſeltſame Ι fuͤr ϒ. Επειδε ὁ Τιμολεοϱ ὁ Μιλησιοϱ παϱγινομενοϱ εν ταν ἁμετεϱαν πολιν ταν παλαιαν μοαν ατιμασδε, και ταν δια ταν ἑπτα χοϱδαν κιταϱιτιν αποστϱεφομενοϱ πολιφονιαν ειςαγον λι - μαινεται ταϱ ακοαϱ τον νεον δια τε ταϱ πολιχοϱδιαϱ και ταϱ καινοτατοϱ το μελεοϱ, αγεννε και ποικιλαν αντι ἁπλοαϱ και τεταμτεναϱ αμφιεννιται ταν μοαν, επι χϱοματοϱ σινισταμενοϱ ταν το μελεοϱ διασκειαν αντι ταϱ εναϱμονιο ποτταν αντιστϱο - φον αμοιβαν· παϱακλετεις δε και εττον αγονα ταϱ Ελεισινιαϱ Δαματϱοϱ απϱεπε διεσκειασατο ταν τω μιτω διασκειαν, ταν γαϱ Σεμελαϱ οδινα ουκ ενδικα τοϱ νεοϱ διδακκε; δεδοκται αϱ πεϱι τουτοιν τοϱ βασιλεαϱ και τοϱ εφοϱοϱ μεμψατται Τιμο - ϑεον, επαναγκαται δε και ταν ἑνδεκα χοϱδαν εκταμεν ταϱ πε - ϱιτταϱ ὑπολιπομενον ταϱ ἑπτα· ὁποϱ ἑκαστοϱ το ταϱ πολιοϱ βαϱοϱ ὁϱον ευλαβεται ετταν Σπαϱταν επιφεϱεν τι τον με καλον ετον με ποτε ταϱαττεται κλεοϱ αγονον. (nach Porſon; ἢ τῶν μὴ ποτὶ τᾶϱ ἀϱετᾶϱ κλέοϱ ἀγόντων).. Allein die Aechtheit dieſes Monuments iſt, um nicht mehr zu ſagen, ſo zweifelhaft, daß wir ein hiſtoriſches Reſultat daraus zu entnehmen uns ſehr ſcheuen wuͤrden. Denn erſtens ſieht die Form des Pſephisma ganz aus, wie einem gewoͤhnlichen Attiſchen Lobdekrete nachgebildet, nur daß fuͤr das Loben mit einer ſpaßhaften Gravitaͤt „ tadeln “geſetzt iſt; etwas eigenthuͤmlich Spartiati - ſches hat ſie gar nicht, dagegen manches Seltſame und Wunderliche, z. B. daß man gar nicht einmal erfaͤhrt, wer denn den Beſchluß gefaßt habe. Zweitens iſt uͤberhaupt ein Pſephisma uͤber einen ſolchen Gegen -325 ſtand gar nicht im Geiſte der ſonſt ſo compendiariſch verfahrenden Regierung Sparta’s; jeder Ephor konnte als Aufſeher der Spiele fuͤr ſich thun, was hier dem ganzen Collegium und den Koͤnigen aufgetragen wird, die noch dazu ſonſt in den oͤffentlichen Spielen zwar einen Ehrenplatz, aber keine Aufſicht hatten. Eleuſi - nien kommen zu Sparta als thymeliſcher Agon wenig - ſtens ſpaͤter vor1Bd. 2. S. 402.; daß Timotheos darin mit ſeiner unanſtaͤndigen Bakchosgeburt aufzutreten gewagt habe, befremdet; aber noch viel ſonderbarer iſt der Ausdruck, daß er dieſelbe den Juͤnglingen gelehrt, was doch nichts anders heißen kann, als daß er ſie durch Spar - tiatiſche junge Maͤnner dargeſtellt habe; nun war aber Timotheos Ὠδὶν ein Dithyramb der ſpaͤtern, mimeti - ſchen Art, der von gelernten Kuͤnſtlern, nicht von einem oͤffentlichen Chor, aufgefuͤhrt wurde: und das Letztre ſollte in Sparta der Fall geweſen ſein? Die Ausein - anderſetzung uͤber die Muſik ſchmeckt klaͤrlich minder nach Lakoniſcher Wortkargheit, als nach der ſelbſtge - faͤlligen Phraſeologie eines Grammatikers; die Aus - druͤcke laſſen ſich zum Theil eben ſo bei Attiſchen Ko - mikern nachweiſen, und haben nichts Eigenthuͤmliches; und doch moͤchte ihre genaue Erklaͤrung in manche Schwierigkeiten verwickeln, aus denen indeß ein Argu - ment herzunehmen, die Dunkelheit der Materie uͤber - haupt verbietet. Vom Dialekt endlich ſcheint es mir ganz evident, daß er durch oberflaͤchliche Hineintra - gung einiger, dem Verfertiger zufaͤllig bekannten Lako - nismen entſtanden iſt; den Rhotacismus hat derſelbe gegen alle Wahrſcheinlichkeit faſt uͤberall durchgefuͤhrt, auch iſt er offenbar der irrigen Meinung geweſen, Θ ſei unlakoniſch und muͤſſe uͤberall mit Τ vertauſcht wer -326 den, ſtatt daß es mit Σ der Fall iſt1So ſteht ετων von ἔθος, was Lakoniſch ΒΕΣΟΡ hieß, Valcken. ad Theocr. p. 282.. Vieles haben die Herausgeber gegen die Handſchriften hineinzutra - gen geſucht2So muͤßte man z. B. fuͤr μιτω ΜΟϒΣΩ ſchreiben, ſ. Valcken. p. 379. — ohne alle Wahr - ſcheinlichkeit; fuͤr κιταϱιτιν wahrſcheinlich ΚΙΣΑΡΙΞΙΝ, fuͤr ἀμ - φιεννιται ΑΜΠΕΝΝϒΤΑΙ (nach ἀμπέσαι — ἀμφιέσαι Heſych) oder ΑΜΠΙϜΕΝΝϒΤΑΙ (nach βέστον, Etym. M. 195, 45., fuͤr ἔσϑος Ariſtoph. Lyſiſtr. 1090.) fuͤr ἐπαναγκάται — ΕΠΑΝΑΓ - ΚΑἉΙ nach ποιηἁι. u. a. m.; allein dadurch wird alle Moͤglichkeit der Critik aufgehoben. So wird es wahrſcheinlich, daß ein Grammatiker ſich die Muͤhe gegeben, aus einer der Erzaͤhlungen uͤber Timotheos ein angeblich Lakoniſches Schriftwerk zu bilden, dem die Strenge der darin ausgeſprochnen Geſinnung und die Rauhigkeit des Dialekts einen eignen Reiz geben ſollte; daß er wirk - lich ein oͤffentliches Denkmal in ſeiner Erfindung dar - ſtellen wollte, zeigt die alte, in Athen ſeit Euklides, in Sparta vielleicht ſpaͤter, abgeſchaffte Orthogra - phie3Daß man gern Spartia - tiſche Denkmale erdichtete, bemerkt auch Valcken. a. O. p. 257. Die Unaͤchtheit dieſes Dekrets haben ſchon Villebrun zum Ath. 8, 352. und Heinrich Epimenides S. 175. vermuthet..
In Kreta hatte man ehemals dieſelben Grund - ſaͤtze wie in Lakedaͤmon4Pla - ton Geſ. 2, 660. vgl. 3, 680., deren Strenge indeß mit der Zeit nachließ. In einem Knoſſiſchen Dekret5Chishull p. 121. vom An - fange des zweiten Jahrhunderts v. Chr. wird ein Ge - ſandter gelobt, weil er oft zur Kithar die Melodieen des Timotheos, des Polyidos6Ei - nes Zeitgenoſſen von Timotheos, Plut. Muſ. 21. Athen 8, 352 b. und der alten Kreti - ſchen Dichter geſpielt habe. — Auch in Argos wur - de der erſte geſtraft, der eine mit mehr als ſieben327 Saiten beſpannte Kithar brauchte1Plut. 37.; und auch Si - kyon hatte beſtimmte Geſetze uͤber muſiſche Agonen2Inſchr. bei Cyriac. Illyr. p. 18, 129. Murat. 645. Plut. 32. ſchreibt beſonders den Lakedaͤmoniern, Man - tineern und Pelleneern eine ethiſche Kritik der Muſik zu..
Dieſe beſtaͤndige Aufſicht des Staates uͤber die Muſik hatte ihren Hauptgrund darin, daß man dieſelbe weit mehr als einen Ausdruck der allgemeinen Sitte und Stimmung des Gefuͤhls betrachtete, denn als eine freie Kunſt, die nur den Geſetzen ihrer eignen Ausbildungsfaͤhigkeit zu folgen haͤtte, und demzufolge uͤberzeugt war, daß die Muſik auch ruͤckwaͤrts auf die Sitten des geſammten Volks einen hoͤchſt wichtigen Einfluß uͤbe. Hiſtoriſche Beiſpiele beſtaͤtigen das wirk - liche Vorhandenſein eines ſo innigen Zuſammenhangs; namentlich wird von den Doriern Siciliens angefuͤhrt, daß bei ihnen durch Einfuͤhrung einer weichlichen Mu - ſik auch die Reinheit der Sitten untergegangen ſei3Max. Tyr. 4. p. 46. 21. p. 216. Davis. vgl. Cic. de legg. 2, 15., waͤhrend die Strenge des Lebens in Sparta ſich ſicher nicht ohne Bewahrung jener alterthuͤmlichen Tonkunſt erhalten haͤtte. Dieſen engen Zuſammenhang aber zu erklaͤren, hilft unter andern die Bemerkung, daß ehe - mals die Muſik weit mehr zur allgemeinen Volkser - ziehung gehoͤrte, und weit mehr vom ganzen Volke geuͤbt wurde, als ſpaͤter4Wie fortwaͤhrend in Arkadien nach Polyh. 4, 20, 7.. Es laͤßt ſich im Gange der Ausbildung dieſer Kunſt das Geſetz ſehr beſtimmt nachweiſen, daß ſie von einer Epoche zur andern im - mer mehr Eigenthum einzelner Kuͤnſtler oder Virtuoſen wurde, und das in dem Kindesalter derſelben an der Auffuͤhrung Antheil nehmende Volk ſich allgemach immer mehr in bloßes Zuſchauerperſonal verwandelte. Was328 ein altes Delphiſches Orakel befiehlt1Bei Demoſth. Midian. 15. vgl. Buttmann p. 35., daß dem Bro - mios zum Danke fuͤr die Jahresfrucht das ganze Volk auf den weiten Straßen Choͤre aufſtellen ſolle, war in Sparta wenigſtens an den Gymnopaͤdien noch der Fall. In dieſen traten große Choͤre von Knaben und Maͤn - nern auf2Soſibios bei Ath. 678 b. , an denen ſicherlich ein großer Theil der Stadt Antheil genommen haben muß. Davon hieß der Markt ganz oder zum Theil Choros3Pauſ. 3, 11, 7.; und es iſt wahrſcheinlich, daß die weitchoͤrigen Staͤdte Ho - mers keine andern ſind als mit weiten Plaͤtzen verſeh - ne fuͤr ſo zahlreiche Choͤre. Bei dieſen großen Stadt - choͤren war es, wo die Treſanten ſtets die hinterſten Plaͤtze hatten4Xen. Staat 9, 5. ἐν χοϱοῖς εἰς τὰς ἐπονειδίστους χώϱας ἀπελαύνεται., aber oft auch angeſehne Maͤnner, vom Choropoͤen auf ſolche geſtellt, ſich troͤſteten, daß ſie den Platz ehrten, der Platz nicht ſie5S. das Apophth. des Damonides, Plut. reg. ap. p. 130. Lac. ap. p. 203. wo aber χοϱαγὸς fuͤr χοϱοποιὸς geſetzt iſt, welcher Magiſtrat die Choͤre im Ganzen anordnet (Xen. Ageſ. 2, 17. Plut. a. O. p. 173., aber bei Herod. 6, 67. iſt kein Grund, ihn mit Valcken. durch Conjectur hineinzubringen); des Ageſilaos Plut. Lac. ap. p. 173. (wo aber irrig geſagt wird, Ageſ. ſei ſchon als Knabe zum Koͤnig deſignirt geweſen.) Nach (dem angeblichen) Xen. Ageſ. a. O. ſoll der lahme Ageſ., vor der Eroberung des Pei - raͤon, ſelbſt heimgekehrt ſein, um ſich beim Paͤan der Hyakinthien vom Choropoͤos an ſeinen Platz ſtellen zu laſſen — aber die Ver - wechſlung mit den Amyklaͤern iſt ſehr klar.. Dieſe hinterſten im Chore hießen, aͤhnlich wie die hinter der Schlacht - ordnung aufgeſtellten, ψιλεῖς6Oben S. 250, 2. wo ich Heſychs Erklaͤrung der des Suidas vorgezogen.; der Chorag aber ruͤ - ſtete den Chor nicht blos aus, ſondern fuͤhrte ihn auch; in Sparta vertrat einer ſogar einmal die Stelle des329 Floͤtenſpielers1Ariſt. Pol. 8, 6, 6.. Wenn nun alſo Alle, freilich mit ver - ſchiednem Geſchicke, an dieſen Choͤren Theil nehmen konnten: ſo mußten auch Alle von Kindheit auf dazu geuͤbt und erzogen ſein; wie wir von der andern Sei - te wiſſen, daß der geſammte Unterricht in der Muſik in Kreta und Sparta ſich gleich von Anfang auf die Auffuͤhrung in den Choͤren bezog2Platon Geſ. 2, 666.. Darnach werden wir annehmen muͤſſen, daß wenigſtens in fruͤhern Zei - ten eine gewiſſe muſiſche Ausbildung, innerhalb der durch die nationale Sitte vorgeſchriebnen Schranken, allen Spartiaten gemein war, und beſonders von ih - nen galt, was der Poët Sokrates ſagt3Bei Athen. 14, 628 f. Schwgh. fraͤgt, was dies fuͤr ein Dichter Sokr. : ich glaube, es iſt eine Stelle aus dem πϱοοίμιον auf Apol - lon, das der Weiſe noch im Gefaͤngniß gearbeitet., daß unter den Hellenen die Tapferſten auch die ſchoͤnſten Choͤre feierten; darum nennt auch der Satyrdichter Pratinas „ Spartas Cicade fertig zum Chorestanz “4Ebd. 14, 633 a. . Spaͤter freilich war die Zahl der Buͤrger Sparta’s ſo ge - ſchmolzen, und die Kriege hatten ſo uͤberhand genom - men, daß die ſchoͤnere Seite des Lebens ihnen in den Schatten treten mußte; und den Spartiaten dieſer Zeit mag Ariſtoteles mit Recht zwar ein richtiges Urtheil, aber keine eigne Kunde in der Muſik zuſchreiben5Ariſt. Pol. 8, 5. vgl. dagegen auch Chamaͤleon bei Athen 4, 184 d. . — Es war aber muſiſche Ausbildung auch inſofern bei den Doriern und den ſittenverwandten Arkadern allge - meiner, als auch das weibliche Geſchlecht daran mit dem maͤnnlichen gleichen Antheil nahm, und bald mit den Maͤnnern zuſammen, bald fuͤr ſich, oͤffentlich ſang und tanzte6Oben S. 261. 265. vgl. noch Heſych: φονλίδεϱ, παϱϑένων χοϱὸς, Δωϱιεῖς.. Auf die Eigenthuͤmlichkeit der330 Parthenien, oder von Jungfrauen aufgefuͤhrten Choͤre, geſtattet ſchon das Naturel und die Erziehung Dori - ſcher Jungfrauen zu ſchließen; und an dieſe muß man denken, wenn man hoͤrt, daß die Parthenien in der Regel Doriſche Muſik, und ungemein viel Feierliches und Ernſtes hatten1Boͤckh zu Pind. Frgm. p. 598.. — Eben ſo ſcheint auch das hoͤhere Alter, das in Athen immer komiſch befunden wurde, wenn es etwa an religioͤſen Feierlichkeiten tanzte, in Sparta nicht ſelten einen wuͤrdigen Antheil an groͤßern Chorreigen genommen zu haben, wie die Nachrichten von den drei großen Choͤren der Knaben, Maͤnner und Greiſe beſagen, die an mehrern Feſten aufgetreten zu ſein ſcheinen2S. Plut. Lyk. 21. vom Selbſtlobe 15. Lac. inst. p. 251. Schol. Plat. Geſ. 1, 223 R. 449 B. Zenob. Prov. Apoſtol. Aa. Tyrtaͤos ſoll ſie einge - richtet haben, Pollux 4, 15, 106., dem Lykurg geg. Leokr. 162, 21. uͤberhaupt großen Antheil an der Inſtitution der Jugend in Spar - ta beimißt. — Dieſen Spartiatiſchen bildet Platon ſeine großen Stadtchoͤre nach, Geſ. 2, 664 sq. .
Da wir bei der bisherigen Darſtellung die Eigenthuͤmlichkeit des Doriſchen Stammes im Ganzen, wenn auch ſchon mit beſondrer Ruͤckſicht auf Sparta, ins Auge gefaßt haben: haben wir hier noch einige Nachrichten uͤber die beſondre Geſtaltung der Muſik unter den einzelnen Voͤlkerſchaften des Namens bei - zufuͤgen. — Daß die religioͤſe Muſik und Poëſie der Dorier in Kreta wurzle, iſt oben nachgewieſen3Bd. 2. S. 343. 349.: vielleicht, daß hier die fruͤhere Phrygiſche Bevoͤlkerung mit ihrer rauſchenden und orgiaſtiſchen Muſik den Do - riſchen Tonſinn zuerſt zu erwecken diente. Der No - mos, der Paͤan und das Hyporchem4Vgl. noch uͤber dieſe, und daß es den Kretern πάτϱιον ſei κυ - βιοτᾷν Athen 4, 181 b. u. im Allg. Ariſtoxenos bei Ath. 14, 630 b. wurden hier331 ſeit fruͤhen Zeiten geuͤbt, wenn auch die kunſtreichere Form der beiden letztern erſt durch Thaletas aufgeſtellt wurde. Kreistaͤnze konnten mit dem Nomos und dem Hyporchem verbunden werden, und waren in der einen wie der andern Verbindung in Kreta und der Umge - gend in uraltem Gebrauch; Juͤnglinge und Maͤdchen tanzten ſie in bunter Reihe1Oben S. 281, 3. Euſt. a. O. erzaͤhlt, daß auch Theſeus mit den ſieben Knaben und ſieben Maͤdchen zu Knoſſos ſo getanzt habe. vgl. Lobeck zu Soph. Ajax 698. Κνώσσια ὀϱχήματα.. Solche Taͤnze kannte auch Sparta, und nannte ſie ὅρμους, Geſchmeide2Lukian vom Tanz 12. vgl. Meurſ. Orchestra T. V. p. 237.; der Juͤngling tanzte darin immer voran, ſeinem Alter und Geſchlecht geziemende und auf Kampf deutende Weiſen, die Jungfrau folgte ihm in gemeſſner Bewe - gung und mit weiblichem Anſtande. Die Spartia - tiſche Muſik war aber uͤberhaupt eine Tochter der Kretiſchen; und verlaͤugnete ihre Abkunft nicht im min - deſten; vielmehr nannte man beliebte Tanzweiſen und die Rhythmen dazu, auch zu beſtimmten Zeiten nach dem Geſetz geſungne Paͤanen, wie manche andre mu - ſikaliſche Auffuͤhrungen, gradezu Kretika3Ephor. bei Str. 10, 481 d. . Indeß iſt doch nicht zu laͤugnen, daß bei großer Uebereinſtim - mung im Urſprunge ſich auch manche bedeutende Dif - ferenz in der Ausbildung nachweiſen laͤßt. Die Kreti - ſche Muſik ſcheint faſt nur kriegeriſch und religioͤs, die Spartiatiſche folgt ſchon von Alkman an mannigfache - ren Anlaͤſſen. Beſondre Lakoniſche Tanzweiſen kommen ſchon in der Zeit des Kleiſthenes von Sikyon vor4Her. 6, 129. vgl. Weſſel.; ſie beſtanden eben ſo ſehr aus Bewegungen der Haͤn - de als der Fuͤße, wie Ariſtoxenos von mehrern alten Nationaltaͤnzen angiebt5Athen. 1, 22 b. . Wie fruͤhzeitig in dieſen332 Landen Muſik mit Eifer betrieben wurde, bezeugen die Agonen beim Tempel des Zeus auf Ithome in Meſſenien, in denen ſchon vor dem erſten Kriege mit Lakedaͤmon Eumelos wettſtritt1Pauſ. 4, 33, 3.; die mit dem Kar - neenfeſt verbundnen Muſenkaͤmpfe begannen von Olymp. 26. — Argos hatte in den Zeiten des Polykrates die beruͤhmteſten Muſiker in Hellas2Her. 3, 131., namentlich Floͤ - tenſpieler; Sakadas dichtete, komponirte, ſpielte gegen Ol. 48. lyriſche Lieder und Elegien zur Floͤte3Boͤckh ad Pind. Frgm. inc. 88. vgl. von Hierax unten S. 337.; eine beſondre Art von Floͤten hießen die Argeiiſchen4Pauſ. 4, 27, 4.. An dieſen Beſtrebungen ſcheint Sikyon Antheil genom - men zu haben; nachdem Sakadas in den Pythien drei - mal geſiegt, gewann Pythokritos von Sikyon den Preis ſechsmal hinter einander56, 14, 5.; und der dithyrambiſche Chor zur Floͤte wurde hier mit beſonderm Glanze und Geſchicke aufgefuͤhrt6S. das alte Epigramm bei Ath. 14, 629.. Wie aber in Sikyon, Ko - rinth, Phlius der Bakchosdienſt der Muſik und Poëſie eine eigenthuͤmliche Nichtung gab, iſt zum Theil ſchon oben angedeutet worden7Bd. 2. S. 404., und wird unten noch weiter ausgefuͤhrt werden. In Sicilien herrſchte der Demeterdienſt vor, in dem eine gewiſſe Laſcivitaͤt liegt; die Syrakuſiſchen Jambiſten-Choͤre8Ath. 5, 181 c. waren ohne Zweifel mit dieſem Cult verbunden, wie das ἰαμβί - ζειν auch anderswo dabei vorkommt9Selbſt bei Archilochos iſt daran zu denken, daß er zu derſelben Colonie gehoͤrte, bei der die Prieſterin Kleoboͤa die myſtiſchen Sa - cra der Dem. von Paros nach Thaſos brachte.: von der Ent - artung der Muſik auf der Inſel zeugt auch der Um -333 ſtand, daß man der Artemis1Beſonders der Χιτωνέα, ſcheint es nach Ath. 629 e., die auch von Urſprung Joniſch. Oben Bd. 2. S. 381. daſelbſt die weichlichen Taͤnze der Jonier auffuͤhrte2Ath. 4, 103..
Ohne von der Muſik die Orcheſtik ſcheiden und abgeſondert betrachten zu wollen, was auch in dem bisher Geſagten nicht geſchehn iſt: wollen wir doch von hier an die letztre zum Hauptaugenmerke ma - chen, und aus den Nachrichten uͤber einzelne orcheſti - ſche Auffuͤhrungen eine Anſchauung uͤber ihren Bezug zum Volksleben und der oͤffentlichen Erziehung zu ent - nehmen ſuchen. Wo die Orcheſtik nicht blos die Rhyth - men der Muſik begleitet, ſondern fuͤr ſich als eine Hauptſache hervortritt, neigt ſie ſich entweder auf die Seite der Gymnaſtik oder der Mimik, ſie ſtellt ent - weder vorzugsweiſe koͤrperliche Gewandtheit und Eu - rythmie dar, oder will beſtimmte Empfindungen und Warnehmungen ausdruͤcken. Die gymnaſtiſche Orche - ſtik war nirgends mehr zu Hauſe als in Sparta, wo uͤberhaupt der alte Zuſammenhang der Muſikſchule und der Palaͤſtra, und beider wieder mit den kriegeriſchen Uebungen3Vgl. uͤber dieſen Ath. 624 b. feſter gehalten worden war als irgendwo. Was das letztre betrifft: ſo mußte der Marſch der Spartiaten und Kreter ſchon durch die muſikaliſche Begleitung eine Art Tanzſchritt werden. Denn waͤhrend die uͤbrigen Griechen entweder nach Art der alten Achaͤer ganz ohne Begleitung von Tonwerkzeugen zur Schlacht ſchritten, oder ſich der Tyrrheniſchen Trompete bedienten, wie auch unter den Doriern die Argeier4Pauſ. 2, 21, 3. vgl. Schol. Soph. Ajax 14. zu Eurip. Phoen. 1386. Die Athena iſt offenbar erſt Vorſteherin der σαλπίγϰται, Σάλπιγξ zu: ruͤckten die Kreter beim Ton der Ly -334 ra1Ath. 12, 517 a. 14, 627 d. Plut. Muſ. 26., die Spartiaten bei dem der Floͤte2Po - lyb. 4, 20, 6. Ath. 14, 626. Plut. a. O. Lukian vom Tanz 10. Dion Chryſ. Or. 32. p. 380 R. Gell. N. A. 1, 11. Euſt. zur Il. 23, 1320, 3 Rom. in die Schlacht: wovon indeß die Floͤte eine Neuerung ſcheint, denn noch Alkman der Lakone ſagt: Dem Eiſen geht das ſchoͤne Kitharſpiel entgegen3Frgm. 14. Welck. Pauſ. 3, 17, 5. nennt Floͤte, Lyra und Kithar zuſammen. — Durch Alkman ſcheint mir Polyaͤn’s mythiſche Erzaͤhlung geſchichtlich wiederlegt, wie durch das Bd. 2. S. 344. bemerkte.; und umgekehrt nahmen die Kreter auch die Floͤte in den Gebrauch des Heeres auf4Polyb. 4, 20, 6. vgl. Str. 10, 483 b. . Auf jeden Fall war das Floͤtenſpiel in Sparta dabei das herkoͤmmliche geworden, wahrſcheinlich beſon - ders aus dem Grunde, weil die Toͤne der Kithar zur Leitung groͤßerer Maſſen, auch wenn noch ſo große Stille herrſchte, doch zu leiſe waren. Durchdringen - der ſchallten ohne Zweifel die Floͤten, namentlich wenn die geſammte Anzahl der Auleten, die in Sparta meh - rere einheimiſche Geſchlechter bildeten5Oben S. 31. 240. 251., den Nomos zum Angriffe blies; von dem Thukydides65, 70. vgl. Lukian vom Tanze 10. mit einſei - tiger Reflexion bemerkt, daß er nicht des Goͤttlichen wegen, ſondern um den Takt des Heeres zu erhalten, angeſtimmt wurde. Der allgemeine Name fuͤr einen ſolchen Nomos war Embaterion oder Epibate - rion7Eine Art der Ἐπιβατήϱια; ein beſtimmter Nomos aber war das Ka -4Argos, (Anſpielungen darauf bei Aeſchyl. Eum. 556. Soph. Ajax 17.) geworden, da ſie ſchon Schutzgottheit der Floͤtenſpieler war, und dies war auch zu Sparta der Fall. Denn aus Polyaͤn 1, 10. kann man deutlich abnehmen, daß die διαβατήϱια an der Graͤnze Lakonika’s blos deswegen auch der Athena verrichtet wurden (oben S. 240.), weil dieſe durch die Floͤten den Taktſchritt des Heeres leitet.335 ſtoreion, der, wie die andern, auf der Floͤte geſpielt wurde, wenn das Heer in geordneter Reihe dem Fein - de entgegenzog1Plut. Muſik 26. Lyk. 22. wo aber das Καστὀϱειον μἐλος der Floͤtenſpieler von dem ἐμβατήϱιος παιὰν, den der Koͤnig an - ſtimmt, getrennt wird (dagegen Polyaͤn 1, 10, ἐμβατήϱιον ἐνδί - δωσιν αὐλός); weil Καστόϱειον vorzugsweiſe die Melodie der In - ſtrumente, ἐμβατήϱιον aber auch das Lied bedeutet.. Auch hatte er denſelben Rhyth - mos2Pollux 4, 10, 78. wie die uͤbrigen Embaterien3Messeniacum metrum s. embaterium, Vic - torin p. 2522. Putſch. vgl. Hephaeſtion p. 25. 46, 1. Gaisf. Schol. Eurip. Hek. 59. und Dem. Triklin zu Soph. Ajax 134. Cic. Qu. Tusc. 2, 16., d. h. einen anapaͤſtiſchen; in Takt wie Melodie lag etwas unge - mein Anregendes und Herzſtaͤhlendes4Vgl. Plut. Inst. Lac. p. 251. Val. Max. 2, 6, 2., ſo daß ſich noch Alexandros, der Makedonier, immer beſonders zur Tapferkeit entflammt fuͤhlte, wenn ihm Timotheos der Thebaͤer das Kaſtoreion blies. Es iſt nicht un - wahrſcheinlich, daß es urſpruͤnglich in Doriſcher Ton - art geſetzt war, aber es wurde hernach auch aͤoliſch komponirt, zur Kithar geſpielt5Pind. P. 2, 69. Hermann de dial. Pind. p. 19. 20. Boͤckh de metr. Pind. p. 276. Expl. P. 2. p. 249. , und uͤberhaupt man - nigfach variirt. Pindaros denkt bei dem Namen an den Roſſebaͤndiger und Wagenlenker Kaſtor6Iſthm. 1, 16.; aber ich ſehe nicht ein, welchen Bezug darauf der aͤlteſte Gebrauch dieſes Nomos als eines Marſches fuͤr Spar - tiaten haben konnte; als ſolcher hat er wahrſcheinlich7war das Ἀδὠνιον nach Heſych, deſſen Gloſſe ὅπεϱ ὕστεϱον παϱὰ Λεσβίοις ὠνομάσϑη, ſo wie der Name ſelbſt, noch keineswegs klar iſt. — Ἐνόπλια μέλη fuͤr ἐμβ. Athen. 14, 630 f. Valckenaer ad Adon. p. 283. meint auch, daß der σαϱσίτειος χοϱὸς zur Floͤte ein ἐμβ. geweſen ſein (von ϑαῤῥεῖν), aber ein ἐμβατήϱιον iſt kein Chor.336 von den Tyndariden, als den beſtaͤndigen Heerfuͤhrern Sparta’s1S. oben Bd. 2. S. 408. Eine dritte Meinung iſt die des Schol. zu Pyth. 2, 127., der νόμος habe ſeinen Namen von den Dioſkuren, als Erfindern der Pyrrhiche (vgl. Platon Geſ. 7, 795. Lukian vom Tanz 10.), aber in Epicharms Μῶσαι (bei den Schol. und Athen. 4, 184. f.) ſtand nur: Athena habe den Dioſku - ren die Floͤte geblaſen zum ἐνόπλιος νόμος, das heißt zur Pyrrhi - che, und daher ſei in Sp. das Floͤtenſpiel in Kriegsgebrauch gekom - men — aber nichts vom Καστόϱειος νόμος., den Namen. Daß von Tyrtaͤos Gedich - ten nur die anapaͤſtiſchen zum Marſche geſungen wur - den, und Embaterien waren2Wie ἄγετ᾽ ὦ Σπάϱτας εὐάνδϱου bei Dion Chryſ. Or. 2. p. 31 a. R. obgleich nach Hephaͤſtion das Lacon. metrum ein Tetrameter catal. in syllabam mit ſpondaͤiſchem Ausgang iſt, nach M. Victor. a. O. ein trimeter catal. in syll. , iſt jetzt allgemein an - erkannt; die Elegieen ſang man auf Feldzuͤgen beim Mahle nach dem Paͤan, und zwar nicht im Chor, ſon - dern einzeln um die Wette; der Polemarch3Vgl. oben S. 238, 1. entſchied den Agon und belohnte den Sieger mit einem ausge - ſuchten Stuͤcke Fleiſch4Dieſe ſehr genaue und glaubwuͤrdige Nachricht giebt Philoch. bei Ath. 14, 630. Lykurg g. Leokr. p. 212 R. gjebt an, daß ſie bei dem Zelte des Koͤnigs vor der Schlacht geſungen ſeien. — Vgl. Manſo 1, 2. S. 171. Conr. Schneider in den Studien Bd. 4. S. 18. Val. Franck Tyrt. p. 133. . — Embaterien, von einem Muſiker Ibykos genannt, hatten auch die Kreter5Heſych s. v. ἰβηκτήϱ. Schr. ἰβυϰ - τήϱ. ἦν παϱὰ Κϱησὶν Ἴβυκος ἐμβατήϱιον ποιησάμενος, ὅπεϱ ὁ ᾄδων οὕτω ἐκαλεῖτο..
Wie der Krieg dieſer alten Voͤlkerſchaften ein darſtellendes Element in ſich trug, und durch unmerk - liche Uebergaͤnge mit dem reindarſtellenden Handeln der Kunſt zuſammenhing, habe ich mich oben6S. 249. nachzuwei - ſen bemuͤht, und geht auch aus dem eben geſagten hervor. Einen ſolchen Uebergang bildet die Pyrrhi -337 che, deren Taͤnzer denſelben Namen fuͤhrt, wie der voͤllig gewaffnete und in allen Wendungen gewandte und geuͤbte Streiter, πρύλις1S. 250, 6. 7. wo uͤbrigens zu erinnern: daß πϱύλις bei den Gortyniern den Hopliten zu Fuß bedeutete, nach Euſt. Il. 12. p. 893, 35. Favorin Ecl. p. 390. Dindorf; daß auch die Pyrrhi - che in Kreta ſo hieß, kann man aber aus Kallimachos a. O. ab - nehmen.. Die Pyrrhiche iſt ohne Zweifel ein Erzeugniß Doriſcher Nation in Kre - ta und Sparta2S. beſonders Platon Geſ. 7, 795. Ariſterenos bei Ath. 630 e. Str. 10, 467. Nikol. Damaſe. Κϱῆτες. L〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉 an a. O. 8. Schol. Pind. a. O. Heſych πυῤῥιχίζειν. Pollux 4, 14, 99. leitet von Kreta zwei ἔνοπλοι ὀϱχήσεις, die Pyrrhiche und den Teleſias ab, vgl. Ath. 630 a.; und nach Ath. 14, 629 c. gab es daſelbſt auch die verwandten Gattungen ὀϱσίτης und ἐπικϱή - διος., obgleich ſie dort mythiſch an die Kureten und die Gebraͤuche alt-idaͤiſcher Zeus-Reli - gion3Vgl. Hoeck Kreta 1. S. 212., hier an die Dioskuren angeknuͤpft wird. Sie wurde zum Floͤtenſpiel aufgefuͤhrt4Oben S. 336, 1., und hatte unge - mein ſchnelle und leichte Rhythmen, wie der Name des Pyrrhichiſchen Versfußes beweist. Daher Thaletas in Kreta hyporchematiſche Weiſen dazu machen konn - te5Schol. Pind. a. O., die ebenfalls leichte Rhythmen zu haben pfleg - ten. Außerdem laͤßt dieſe Nachricht noch ſchließen, daß der Waffentanz in Kreta zugleich ein nachahmen - des Element hatte; wie Platon von der Pyrrhiche uͤberhaupt ſagt, daß ſie alle Schutzwendungen durch Ausbeugung von Stoß und Wurf, Zuruͤckweichen, Auf - ſpringen u. Zuſammenkruͤmmen nachahme, u. eben ſo die entgegengeſetzten Bewegungen angreifender Art beim Bogenſchuß und Lanzenwurf und jedes Stoßes Nach - ahmung darſtelle6Geſ. 7, 815.. So eingewurzelt war die Nei - gung zu dieſem Tanz in Sparta, daß, als er in an -III. 22338dern Griechiſchen Staaten laͤngſt in einen Bakchiſchen Reigen ausgeartet war, die Spartiaten ihn noch ganz nach alter Weiſe als Voruͤbung zum Kriege tanzten, und ſchon die fuͤnfjaͤhrigen Knaben darin unterwieſen1Athen 14, 631 a. vgl. Meurſ. Orch. Opp. T. V. p. 242. Manſo 1, 2. S. 175..
Doch wir kehren zuruͤck, von wo wir ausgin - gen, auf die Verwandtſchaft der Gymnaſtik und Or - cheſtik. Dieſe beiden Kuͤnſte vermittelt das Pentathlon, ein Spiegel allſeitiger Gewandtheit, ſpielender Kraft und rhythmiſcher Bewegung, die durch das begleiten - de Floͤtenſpiel geleitet wurde2Wie man haͤufig auf Vaſengemaͤlden ſieht.. Spaͤter genuͤgten zu dieſem Behufe unbeſtimmte Modulationen; fruͤher da - gegen wurden beſtimmte Weiſen dazu geblaſen, von denen Hierax, der Schuͤler des Olympos, eine compo - nirt hatte3Plut. Muſ. 26. vgl. Pollux 4, 10, 79.; damals verſchmaͤhten auch ausgezeichnete Virtuoſen nicht ſich darin zu zeigen, wie Pythokritos von Sikyon. In Argos rang man an den Sthenien zur Floͤte4Plut. a. O., und blies eine Melodie deſſelben Hierax5Naͤmlich nach Salmaſius, wohl unzweifelhaſter, Emendation Ἱεϱάκιον fuͤr Θεϱάκιον bei Pollux 4, 10, 78., wenn die Maͤdchen (in einem Agon) in den Tempel der Hera Blumen trugen. In Sparta waren die Gymnopaͤdien beſonders dazu beſtimmt, die Gy - mnaſtik und Orcheſtik in inniger Durchdringung, und die letzte gleichſam nur als Vollendung der erſtern dar - zuſtellen: ein merkwuͤrdiges Feſt ſchon darum, weil es faſt ganz ohne religioͤſe Beziehung die reine Freude an der Schoͤnheit des eignen Daſeins, namentlich an der Jugend der Stadt, ausſpricht. Denn Apollon und Bakchos ſind offenbar nur gegenwaͤrtig gedacht, weil ſie ſelbſt als Jugendgoͤtter ſich der Jugend in ihrer339 Herrlichkeit erfreun, aber nicht um ihrer Gegenwart willen iſt das Feſt angeſetzt. Ein Hauptſpiel bei die - ſem Feſte war der Anapale aͤhnlich, die Knaben tanz - ten in rhythmiſchen Bewegungen mit anmuthigen Schwingungen und Wendungen der Haͤnde, in denen ſie die Weiſen der Ringſchule und des Pankrations zeigten: zugleich hatte aber der Tanz etwas Bakchi - ſches1Athen. 15, 678 b. vgl. auch 14, 631 b. 632 c. Ueber die Gymnopaͤdie uͤberhaupt Meurſ. Orch. p. 202. und was Creu - zer Comment. Herod. I. p. 230. citirt.. So tanzten auch ſonſt die Epheben in Spar - ta, wenn ſie mit ihren Uebungen fertig waren, zum Taktſchlag und Spiel eines Floͤtners, in Reihen hinter einander, indem ſie zuerſt mehr kriegeriſche, dann die Weiſen von Chortaͤnzen darſtellten, und dabei beſtaͤn - dig zwei Verſe wiederholten, wovon der eine die Aphrodite und den Eros einlud, mitzutanzen, der an - dre die Taͤnzer ſelbſt aufforderte:
Auch aus dem Ballſpiel wurde zu Sparta und Sikyon ein Tanz gebildet3Athen. 1, 14 d. aus Dikaͤarch und Hippaſos. In Argos hie - ßen gew. Knabenehoͤre Βαλλαχϱάδαι, Birnenwerfer, Plut. Qu. Gr. 51. p. 405. . Gymnaſtiſcher Art war ferner die Bibaſis, die von Knaben und Maͤdchen getanzt wurde4Pollux 4, 14, 102.; Taͤnzer und Taͤnzerinnen ſchlugen dabei mit den Fuͤßen nach hinten, wie die Spartiatin Lampito bei Ariſtophanes5Lyſiſtr. 82. Das ἀναλακτίζειν der tanzenden Spartiatinnen kommt bei Oreibaſios Med. p. 121. ed. Mosqu. vor; die ἐκλακτίσματα als Frauentanz uͤberhaupt bei Poll. a. O. von ſich ruͤhmt, daß ſie ſich gy -22*340mnaſtiſch uͤbe und ſpringend gegen den Steiß ſchlage. Den Fertigſten wurden Preiſe gegeben, ein einzeln er - haltner Vers ruͤhmt eine Lakoniſche Jungfrau, daß ſie die Bibaſis tauſendmal gemacht, mehr als irgend jemand anders1Bei Pollux: χὶλιά ποκα βιβάντι (wohl βίβατι) πλεῖοτα δὴ τῶν πή ποκα.; er iſt in demſelben logaoͤdiſchen Rhythmus wie der eben angefuͤhrte2Deſſen Schema 〈…〉 wovon hier Anakruſis und Baſis fehlen., der alſo wahr - ſcheinlich dazu geſungen wurde. Neben der Bibaſis wird die Dipodia genannt3Pollux 4, 4, 101. Heſych. vgl. Meurſ. Orch. unter διποδία, διαποδισμός, ποδίκϱα., aber ſo wenig Bezeich - nendes von ihr angegeben, daß nicht einmal der Grund des Namens kiar iſt4Vielleicht haͤngt er mit der trochaͤiſchen Dipodie zuſammen, die in dieſen Chorgeſaͤngen Hauptmetrum ſcheint, aber mit Kretikern, Spondaͤiſchen Reihen, daktyliſchen und logaoͤdiſchen Verſen ge - miſcht.. Bei Ariſtophanes tanzt ein Chor von Lakonen zur Floͤte dipodiſch, und ſingt in groͤßtentheils trochaiſchem Rhythmus die Schlacht von Thermopylaͤ und Artemiſion und Sparta’s und Athens Freundſchaft; worauf ein andrer Geſang folgt, von dem es ebenfalls wahrſcheinlich iſt, daß er dipodiſch getanzt wurde. In dieſem fleht der Chor die Lakoni - ſche Muſe an, vom Taygetos zu kommen und die Lan - desgoͤtter zu ſingen, und fordert ſich ſelbſt mit Worten zum Tanze auf, die den Charakter deſſelben ſehr deut - lich bezeichnen. „ Wohlan ſchreite einher im leichten Schwunge, um Sparta zu ſingen, wo man der Goͤtter Choͤre pflegt und der Fuͤße Geſtampf, und gleich Fuͤl - len die Jungfrauen am Eurotas bei der Fuͤße haͤufi - gem Aufſchwunge Staub emporwirbeln; die Haare341 fliegen ihnen, wie thyrſusſchwingenden und ſchwaͤrmen - den Bakchen; es fuͤhrt ſie der Leda Kind als heilige, wohlziemende Chorregentin. Aber auf, binde das Haar empor, und ſpringe mit Hand und Fuß dem Rehe gleich, und laß den chorfrommenden Taktſchlag ertoͤnen. “— Manches in dieſer Schilderung erinnert an die Taͤnze der Lakoniſchen Jungfrauen im Cultus der Artemis von Karyaͤ: von denen oben1Bd. 2. S. 374. Das dort erwaͤhnte Relief zu Neapel iſt beſonders herausgegeben: Illustrazione di un marmo Greco rappresentante le Cariatidi del Giuseppe M. Parascandolo. Napoli 1817. ſchon be - merkt wurde, daß ſie ausnehmend raſch und munter waren, und zugleich die Vermuthung aufgeſtellt2Nach Viſconti Villa Borgh. St. 4. n. 21 sq. Descr. des antiques du Musée roy. n. 523. Gegen Zoega Bassir. T. 1. p. 111 — 118. deſſen Erklaͤrung Boͤttiger und Hirt beipflichten. Eine der Figuren auf dem Relief in Paris ſchlaͤgt das Tympanon; wie auch der Titel des Stuͤckes von Pra - tinas (vgl. Meineke Euphor. p. 94.) Karyatiden und Δυμαίνας (Βάκχας χωϱίτιδας) zuſammen ſtellt, Jungfrauen aus der Dyma - niſchen Phyle, die beſondere Bakchiſche Sacra begingen.: daß antike Reliefs — Jungfrauen in hochgeſchuͤrzten Dori - ſchen Chitonen, die Haͤnde in eigner Bewegung zum Kopf erhoben, den Kopf mit Eurotas-Schilf, wie ich glaube, bekraͤnzt3Vieileicht die σαλία, die Heſych: πλἐγμα καλάθφ ὅμοιον, ὅ ἐπὶ τῆς κεφαλῆς φοϱοῦσιν αἱ Αάκαιναι, erklaͤrt., darſtellend — uns ein Bild jener Taͤnze geben.
Wir kommen hiermit zu den Taͤnzen, welche etwas beſonderes auszuſprechen, darzuſtellen, zu bedeu - ten bezwecken. Dies iſt entweder eine Empfindung — zu welcher Claſſe denn faſt alle religioͤſen, ſo wie die ſceniſchen Taͤnze gehoͤren; oder ein aͤußerlich Vorhand - nes, welches der Tanz nachbildend darſtellt — dies342 ſind die eigentlich mimiſchen Taͤnze. Unter den ſchon angefuͤhrten gehoͤren die Pyrrhiche und der gy - mnopaͤdiſche Tanz dazu, unter den religioͤſen vor allen das Hyporchem, das beim Cultus des Apollon behan - delt iſt. Ein Hyporchem war aber vielleicht auch die Bryallicha1Pollux 4, 14, 104. wo offenbar fuͤr Βαϱύλλικα — Βϱυάλ - λιχα mit Schneider im Lex. zu corrig., ein Tanz zu Ehren der Artemis und des Apollon, von Weibern, oder wie andre beſagen, von Maͤnnern in ſehr haͤßlichen Weibermaſken getanzt, die zugleich Hymnen auf die Gottheit abſangen2Heſych hat βύλλι - χαι χοϱοὶ τινες ὀϱχηστῶν παϱὰ Λάκωσιν, dann βϱυαλίκται ὀϱ - χησταὶ aus Ibykos und Steſichoros, ferner βϱυδαλίχα (aber der Reihe nach iſt ΒΡϒΑΛΛΙΧΑ zu ſchreiben) als haͤßliche Weiber - maſken, aus Rhinthon, und βϱυδαλίχας (ΒΡϒΑΑΛΙΧΑΣ) τὰς μαχλάδας, Λάκωνες, endlich βϱυλλοχισταὶ, die in haͤßlichen Wei - bermaſken Hymnen ſingen. Ueberall iſt wohl als urſpruͤngliche Form βϱυάλλιχα vom Tanz, βϱυαλλίχα von der Maſke, βϱυαλ - λίκτης (wie δεικηλίκτης) vom Taͤnzer zu nehmen.. Der Name ſelbſt druͤckt ein uͤppiges, uͤberluſtiges Springen aus, und was wir ſonſt vom Charakter des Tanzes rathen koͤnnen, zeichnet ihn als ungebunden und ausgelaſſen. Wie er dem Apollonculte convenire, ſieht man nicht ein, wenn man nicht annimmt, daß irgend ein Mythus aus der Geſchichte des Gottes hy - porchematiſch dargeſtellt wurde, der ſolchem Weſen Raum ließ. Der Dienſt der Artemis indeß hat auch ſonſt Formen, die ausgelaſſne und laſcive Tanzweiſen hervorbrachten, wie in Lakonika ſelbſt die Kalabis3Bd. 2. S. 373, 11.. —
Eine große Anzahl Lakoniſcher Taͤnze iſt uns nur durch einen Grammatiker4Pollux 4, 14, 104. bekannt geworden, deſſen Notiz wir hier vollſtaͤndig geben, einige Bemerkungen einſchaltend. „ Die Deimalea tanzten Silenen und343 dazu Satyrn, im Kreiſe walzend “ſie hat ihren Na - men vielleicht von der Zagheit dieſer unnuͤtzen und nichtswuͤrdigen Geſellen, wie ſie Heſiod nennt1Indeſſen iſt der Name ſelbſt aus den Varr. des Mſſ. noch nicht klar.. „ Die Ithymben galten dem Dionyſos, der Karyatidentanz der Artemis; die Bryallicha heißen nach dem Erfinder Bryallichos; es tanzten ſie Weiber dem Apollon und der Artemis. “ Daß nun auch die folgenden Taͤnze zu den Lakoniſchen gehoͤren, beweist der Schluß. „ Die Hypogyponen ahmen Greiſe auf Staͤben nach; die Gyponen ſtanden auf hoͤlzernen Fuͤßen, und tanzten in durchſcheinenden Tarantinidien. Die Menes (eine ganz unſichre Lesart) wurden von Charinen getanzt (von denen weiter unten die Rede ſein wird), und hatten von dem Floͤtenſpieler, der ſie erfand, den Na - men. Tyrbaſia hieß ein Dionyſiſcher Tanz “wahr - ſcheinlich verwandt mit der Argoliſchen Tyrbe2Bd. 2. S. 404., und von der darin herrſchenden Verwirrung benannt. „ Deikeliſtiſch3Der Text hat μιμη - τικὴν δ̛ ἐκάλουν, was offenbar falſch; daß von Deikelikten hier die Rede, wird ſogleich klar werden: ſo, glaube ich denn, iſt δεικηλι - στικὴν durch ſein gewoͤhnliches Gloſſem verdraͤngt. nannten ſie den Tanz, in dem ſie Leu - ten nachahmten, die beim Stehlen der Reſte des Mahls ertappt waren. Glaͤnzender war4λαμ - πϱοτέϱα δὲ ἦν, ἣν ſchreibe ich. die Gymnopaͤdie, mit Spaß und Scherz verbunden. “ Der muntre Geiſt und die Neigung zu poſſierlicher Darſtellung, die alle dieſe mimiſchen Taͤnze erzeugte, ſpricht ſich auch in dieſen abgebrochnen Notizen aus, von denen wir nur die uͤber die Deikelikten anderswoher belegen und er - gaͤnzen koͤnnen. In Sparta gab es ein altes Schau - ſpiel, das aber wahrſcheinlich nur von Leuten aus dem344 Volke, und ganz aus dem Stegereif, keineswegs von eigentlichen Schauſpielern geuͤbt wurde1Obgleich die Sp. auch eigentliche Schauſpieler δεικη - λίκτας nannten, Plut. Ageſ. 21. Lak. Ap. p. 185. Apoſtol. 15, 39.. Daß auch le - dige Frauen darin auftraten, laͤßt Nepos errathen. Der Name, Deikelikten, bedeutete blos Nachbildner2δίκηλον nach Heſych ἀνδϱιὰς, ζώδιον παϱὰ Λάκωσ〈…〉〈…〉, bezieht ſich vielleicht auf die B. 2. S. 60, 3. erwaͤhnte Vorſtel - lung. Zu dieſer Stelle fuͤge ich jetzt noch Folgendes hinzu. Es gab in Sp. ein Feſt πομπέων δαιμόνων (wie ich bei He - ſych s. v. στεμματιαῖον corrigire, πομπέως δαίμονος Siebelis ad Paus. 3, 20, 9.) der Geleitsgoͤtter, welches wahrſcheinlich Zeus Agetor (oben S. 240, 9.) und Ap. Karneios waren; es ge - hoͤrte ohne[Zweifel] zu den Karneen. An dieſem ſtellte man ein Floß auf, und wahrſcheinlich eine Bildſaͤule des Ap. Karneios (στεμματίας) darauf, beide mit Luſtrationsbinden geſchmuͤckt, und δίκηλον στεμματιαῖον genannt, in Bezug auf die Ueberfahrt von Naupaktos., aber der Begriff komiſcher Charakterdarſtellung knuͤpfte ſich dar - an an3δεικηλισταὶ σκευοποιοὶ καὶ μιμηταὶ nach So - ſib. bei Athen 14, 621 d. Heſych s. v. δεικελισταί, cf. Intpp. μιμολόγοι nach ebd. s. v. δίκηλον, κωμικοὶ nach Euſt. p. 884, 23. σκωπτικοὶ nach Schol. Apoll. 1, 746. Die lak. Form iſt δεικη - λίκτας.. Das Spiel war nach Soſibios4a. O. vgl. Euſt. a. O. Suid. und Phavorin s. v. δικηλιστῶν und Suid. Σωσίβιος. Ueber Lakon. Mimik noch Boͤt - tiger Quat. aet. rei scen. p. 8. nicht eben ein Gegenſtand großer Kunſt, da auch hierin Sparta das Einfache liebte; es ahmte einer in ſchlichter und gewoͤhnlicher Rede etwa einen fremden Arzt nach oder Obſtdiebe — vermuthlich Knaben, die bei dem gebot - nen Stehlen ertappt worden waren5Vgl. beſonders Plut. Lyk. 1. καὶ φέϱουσι κλέπτοντες, οἱ μὲν ἐπὶ τοὺς κήπους βαδίζοντες (Obſtdiebe), οἱ δ̛ εἰς τὰ τῶν ἀνδϱῶν συσσίτια παϱειςϱέοντες (die Diebe der ἑωλομεϱῶν bei Pollux).. Alſo Darſtel - lungen aus dem gemeinen Leben, die mit komiſchen Taͤnzen wahrſcheinlich abwechſelten, hervorgegangen aus der Luſt an ſcurriler Nachahmung.
Beſonders waren es in Lakonika die untern Staͤnde, welche ſich der Neigung zur Poſſenreißerei mit groͤßerer Freiheit uͤberlaſſen durften, als die Do - rier, deren Gravitaͤt nur hie und da die entgegenge - ſetzte Seite ihres Naturels durchſchimmern ließ. Ich habe ſchon oben erwaͤhnt1S. 42, 3. vgl. noch Schol. Ariſt. Plut. 279. Ritter 632., daß von den in den Haͤu - ſern der Spartiaten wohnenden Heloten, die man Mo - thonen oder Mothaken nannte, und aus denen Edlerge - artete in den Stand der Freien uͤbergingen, eine Art ausgelaſſnen Tanzes den Namen hat, in dem vermuth - lich Trunkne dargeſtellt wurden; daher die Erzaͤhlung: die Spartiaten zwaͤngen ihre Sklaven ſich zur War - nung ihrer Jugend zu betrinken. Andre Taͤnze moͤgen unter den Ackerbauern, beſonders den Hirten abgeleg - ner Gegenden, herkoͤmmlich geweſen ſein. — Wo konn - te ſich, fragen wir, das bukoliſche Gedicht der Al - ten in ſeinem aus Naturempfindung, Naivetaͤt, Skur - rilitaͤt gemiſchten Charakter im helleniſchen Leben — denn daß es aus dem Leben hervorgegangen, wird Niemand bezweifeln — irgend bilden als unter Staͤn - den, die weder eigentlich Sklaven — denn Sklaverei geſtattet keine organiſche Fortbildung — noch freie Stadtbuͤrger — denn das Stadtleben mußte jene Laͤnd - lichkeit ganz und gar verdraͤngen —, alſo Unterthanen, Leibeigne waren, wie ſie beſonders in den Doriſchen Staaten beſtanden; daher denn auch dieſer Dichtungs - art von Anfang der Doriſche Dialekt anhaftet. Es wird erzaͤhlt, daß als Xerxes Griechenland uͤber - ſchwemmt hatte, und die Spartiaten ihre Jungfraun die gewohnten Sacra der Artemis Karyatis nicht be - gehn laſſen konnten, die Hirten aus den Bergen ge -346 kommen waͤren, und der Gottheit bukoliſche Hymnen, Bukoliasmen, geſungen haͤtten1Diomed. 3. p. 483. Putſch. Servius ad Virg. Ecl. 1. Donatus Vita Virg. 84 sq. Diomed knuͤpft auch die Siciliſchen Bukoliasmen an Sacra der Ἄϱτεμις Λύη an.. Dieſe ſonſt freilich ſehr verworrne Nachricht, laͤßt doch abnehmen, daß im noͤrdlichen Lakonika ebenfalls Anfaͤnge einer hirtli - chen Poëſie einheimiſch waren. Weit bekannter ſind indeß in dieſer Hinſicht die Hirten Italiens und na - mentlich Siciliens geworden, deren Bukoliasmen als eine Art Tanz und Geſang Epicharm erwaͤhnte2ἐν Ἁλ - κυόνι καὶ ἐν ̕Οδυσσεῖ ναυαγῷ bei Ath. 14, 619 a. vgl. Heſych und Etym. M. s. v. , und vor ihm ſchon Steſichoros zu einer lyriſchen Gattung ausgebildet hatte3Aelian V. G. 10, 18.. Indeſſen weiſt auf gleichartige Anfaͤnge an beiden Orten hin, daß der Name Tity - ros fuͤr den leitenden Bock oder Widder der Heerde in Lakonika wie in Italien gebraͤuchlich war4Tityros nach Serv. ad Ecl. 1, 1. aries maior, qui gregem anteire consueverit, lingua Lac., ein Bock nach Schol. Theokr. 3, 2. Phot. Lex. Τίτυϱος iſt doriſch fuͤr σίσυϱος, welches alſo urſpruͤng - lich auch Bock, davon σισύϱνα (σισυϱίνα) oder σισύϱα Ziegenpelz; mit σάτυϱος dagegen iſt τίτυϱος unmittelbar nicht verwandt (wie Schol. Theokr. 3, 2. 7, 72. Euſt. Il. 18. p. 1157, 39 R. wol - len. vgl. auch Creuzer Symbol. 3. S. 197.). Die Floͤte τιτύϱε - νος bei den Italiſchen Doriern, Artemidor bei Ath. 4, 182 d. Euſt. Il. 18. p. 1157, 38., hat erſt vom Hirten den Namen.. Daß derſelbe Name den thieriſchen und den menſchlichen Fuͤhrer der Heerde bezeichnet, iſt ein Zug der Natur - einfalt jener Menſchen, die ihr Leben in Thalſchluchten und auf Waldwieſen in harmloſer Sorge fuͤr ihre Heerden zubringend, von andern Kreiſen menſchlicher Thaͤtigkeit weiter keine Notiz nahmen, als daß ſie die Erzeugniſſe derſelben von Zeit zu Zeit nach der Stadt ſandten. In Sicilien waren nun dieſe Hirten der Ab -347 ſtammung nach auf keinen Fall Hellenen, ſondern ohne Zweifel Eingeborne, Sikuler, die alten Diener der laͤndlichen Pales1Der ϑεοὶ Πάλικοι am Aetna, die offenbar urſpruͤnglich mit der Roͤmiſchen Pales identiſch ſind, die ſonach zu dem Siculi - ſchen Zweige der Roͤmiſchen Religion gehoͤrt., und es iſt glaublich, daß ein an - gebornes Talent auch von ihrer Seite entgegen gekom - men ſei, um das bukoliſche Gedicht in ſeinen Urſpruͤn - gen zu bilden. Die alte Sage von Daphnis ſelbſt, der durch die Liebe einer Nymphe die Augen verlor2S. außer den Schol. Theokr. und Virg. Aelian a. O., ſcheint mir ungriechiſch, und dann Sikuliſch — obgleich freilich, wie weit hierin Hellenismus und der Charak - ter der Nation des Landes in einander greifen, noch ein hoͤchſt dunkler Gegenſtand der Forſchung iſt3Theokrits Gedichte geben leider wenig Auſſchluͤſſe uͤber dieſe Dinge, weil grade die ei - gentlichen Bukolika am meiſten Kunſtdichtung ſind..
Im Ganzen ſchloß ſich, wie in Attika, ſo auch unter den Doriern die Komik an die laͤndlichen Bakchosfeſte an, und ging, wie Ariſtoteles ſagt4Poet. 4, 14., aus dem Improviſiren derer, die die Phalliſchen Zuͤge fuͤhrten, hervor, die auch noch zur Zeit dieſes Philo - ſophen in vielen Staͤdten in Gebrauch waren. Einen Beweis dafuͤr giebt Sikyon. Hier hatte man einen Tanz Ἀλητήρ, den Herumſchwaͤrmer5Ath. 14, 631., wie in Athen das laͤndliche Feſt der Phallenſchaukel auch ἑοϱτὴ ἀλῆ - τις genannt wurde; und in derſelben Stadt gab es ein komiſches Spiel, die Phallophoren genannt6Semos von Delos bei Ath. 14, 621 f. 622 c. und Suid. s. v. Σῆμος. vgl. Bd. 2. S. 404, 7., bei dem die Spieler ohne Maſken, aber Kopf und Geſicht in Blumen reichlich eingehuͤllt, dabei in langen ſtattlichen Gewaͤndern, theils auf dem gewoͤhnlichen Eingang, theils durch die Scenenthuͤren in das Thea -348 ter kamen, mitten unter ihnen der Phallophor, das Geſicht mit Ruß beſtrichen, grade vorſchreitend: dann nach einer Anmeldung, daß ſie dem Bakchos ein neues Lied unjuͤngferlicher Muſe in einfachem Rhythmus mit bunter Melodie braͤchten, fingen ſie an, wer ihnen grade vorkam, zum Gegenſtand laͤcherlicher Darſtellung zu machen. So ſchloſſen ſich auch wohl die Tarenti - niſchen Phlyaken an den dort bluͤhenden Dionyſosdienſt an, und aͤhnliche Carnevalsluſtbarkeiten fuͤhrte das Feſt in Sicilien herbei1Ich glaube, daß das Sprichwort μωϱότεϱος Μοϱύχου ur - ſpruͤnglich auf die Poſſenſpiele bei dem Weinleſefeſte geht, wo man in Sicilien dem Gotte, und wohl auch ſich ſelbſt, das Geſicht mit Traubenſaft beſchmierte. — In Italien gab es aber auch bei dem Feſte der Art. Korythallia Spaßmacher mit hoͤlzernen Maſken (κύ - ϱιϑϱα) κυϱιττοὶ genannt. Heſych s. v. . Doch gaben auch Cerealiſche Sacra zu dergleichen Schimpfſpielen unter den Doriern Veranlaſſung, wie wir beſonders aus Herodots Be - ſchreibung der Aeginetiſchen Weiberchoͤre beim Feſte der Damia und Auxeſia wiſſen, die alle andern ihres Ge - ſchlechts mit ausgelaſſnen und beißenden Redensarten neckten2Aegin. p. 170 sq. . Dies Spotten uͤberließ man indeß an den genannten Orten durchaus noch der Laune des Augen - blicks; auch trat es nur acceſſoriſch zu gewiſſen Feſt - taͤnzen und Liederweiſen hinzu: bei den Megarern da - gegen gewann die Komik, wir wiſſen nicht durch wel - che Umſtaͤnde, einen kuͤnſtleriſchen Charakter und eine unabhaͤngigere Ausbildung.
In Athen nannte man einen derben und durch - fallenden Spaß einen Megariſchen1Ariſt. Weſpen 57. Myrtilos ἐν Τιτανόπαισι bei Aſpaſios zu Ariſtot. Eth. an Nikom. 4, 2, 20. fol. 53 B. Ald. Eupolis Πϱοσπαλτίοις bei Schol. Ariſt. Weſp. a. O. vgl. noch uͤber γέλως Μεγαϱικός, Diogen. Prov. 4, 88. Vatic. 1, 46. Apoſtol. 6, 2. Was Ariſtot. a. O. erzaͤhlt, betrifft blos den unpaſſenden und thoͤ - rigten Aufwand eines Megariſchen Choregen fuͤr Komoͤdie bei der Ausſchmuͤckung des Theaters., womit man ohne Zweifel auf eine beſtimmt ausgeſprochne Neigung dieſes Volkſtammes zur Komik zielte. Dieſe Annahme wird dadurch beſtaͤtigt, daß die Megarer gegen die Athener behaupteten, die Erfindung der Komoͤdie ſei ihr Werk2Ariſtot. Poët. 3. Aſpaſios a. O., und wahrſcheinlich mit Recht, wenn man den Begriff der Erfindung uͤberhaupt fuͤr die Entſte - hung von Gattungen der Poëſie anwendbar findet, die aus gewiſſen Richtungen des Gefuͤhls und alten Feſt - gebraͤuchen ſo allmaͤlig hervorgingen, daß es ſchwer oder unmoͤglich iſt, einen Anfangspunkt fuͤr den kuͤnſt - leriſchen Betrieb derſelben feſtzuſtellen. Daß aber fuͤr Athen die Megarer die naͤchſten Vorgaͤnger waren,350 bezeugen zwei Verſe des alten Attiſchen Komikers Ek - phantides:
Ekphantides, den Ariſtophanes, Kratinos und Andre als roh und ungebildet verlachen2S. uͤber ihn Schneider ad Arist. Pol. 8, 6. Gaisf. a. O. beſonders Naeke Choeril. p. 51 sq. Ich halte ihn nach Aſpaſios und einigen an - dern Hindeutungen fuͤr den aͤlteſten Attiſchen Komiker, alſo fuͤr aͤlter als Chionides und Magnes, die nach der Ἀναγϱ. Ὀλυμπ. und nach Suid., jener Ol. 73. lebte, dieſer ein juͤngerer Zeitgenoſſe des Epicharm war. Ariſtot. 3, 5. ſetzt ſie freilich lange nach Epicharm, und, wie es nach 5, 6. ſcheint, auch nach Krates, der in Athen zuerſt Komoͤdien ordentlich componirt habe; was doch jene beiden auch thaten: aber ich moͤchte bezweifeln, daß man mit Ariſtot. Angaben auskommen koͤnne., ſieht ſeinerſeits wieder auf die herab, die die Komoͤdie aus Megara eingefuͤhrt; er will ihr zuerſt den Charakter Attiſcher Urbanitaͤt verleihen. Zu jenen Einfuͤhrern gehoͤrt nach den glaubwuͤrdigſten und genaueſten Nachrichten Su - ſarion, er war aus Tripodiſkos, einer alten Kome des Megariſchen Landes, gebuͤrtig3Aſpaſ. a. O. Schol. zu Dionyſ. Thrax. in Bekkers An. Gr. 2. p. 748. vgl. Bentlei Phalaridea p. 261.: in Attika trat er in dem Demos Ikaria auf4Marm. Par. ep. 34. Klem. Alex. Str. 1. p. 308., welcher gegen die Megari - ſche und Boͤotiſche Graͤnze hin lag5Wie man aus Statius Theb. 12, 619. abnehmen kann., und ſeit alten Zei - ten, nach dem Zeugniß der Mythen, laͤndliche Diony - ſosfeſte feierte. Das aus dem Namen „ Komodia, Ko -351 mengeſang “und der Thatſache, daß die Peloponneſier ihre Doͤrfer Komen, die Attiker Demen nannten, ent - nommne Argument fuͤr den Doriſchen Urſprung, koͤn - nen wir freilich nicht gelten laſſen, da die Ableitung des Namens vom Komos, als ſchwaͤrmendem Feſtzuge, die bei weitem wahrſcheinlichere iſt. — Wie zeitig die - ſes Megariſche Luſtſpiel bluͤhte, nehmen wir daraus ab, daß es ſchon gegen Olymp. 50. nach Attika uͤber - ging1Nach Ariſt. Poët. 3. entſtand ſie waͤhrend der Demokratie in Megara; allein die Epoche, wo dieſe beſtand (ſ. oben S. 166.) iſt zu ſpaͤt dafuͤr, womit indeß nicht gelaͤugnet werden ſoll, daß ſie mit einem demokratiſchen Princip zuſammenhing, das ſchon vor Theagenes in Megara war.; ſeinen Charakter wuͤrden wir ſehr einſeitig be - urtheilen, wenn wir der Ausſage der Attiſchen Nach - barn unbedingt trauen wollten: doch haben wir frei - lich keine andern Mittel zum Urtheil. Ein dramati - ſches Element hatte die Suſarioniſche und die alte Megariſche Komoͤdie auch nach der Stelle des Ekphan - tides auf jeden Fall, obgleich ebenfalls eine Gattung der Lyrik, Komodia genannt, bei Dorern und Aeolern ſeit alter Zeit verbreitet war2Boͤckh Staatshaush. 2. S. 362 ff. und Thierſch Einl. zu Pindar S. 117. mit der Gegenbe - merkung uͤber den τὰ ἐπινίκια κωμῳδός. Goͤtting. Anz. 1821. St. 106. S. 1050. Fuͤr lyriſch halte ich auch die Komoͤdien Antheas des Lindiers, Zeitgenoſſen von Kleobul: welcher merkwuͤrdige Mann fein ganzes Leben hindurch διονυσιάζων und κωμάζων Phal - lophorien fuͤhrte, und außer Komoͤdien auch die dunkle ποίησις διὰ συνϑέτων ὀνομάτων uͤbte. Athen 10, 445 a. Hier ſind Komoͤdien offenbar nur Komosgeſaͤnge. Daſſelbe gilt von den giftigen Komoͤ - dien des Timokreon, auch eines Rhodiers. Suid. Τιμ.; auch glaube ich Ari - ſtoteles nicht, daß Epicharmos und Phormis die aller - erſten geweſen, die eine Geſchichte als Komoͤdie com - ponirt; vorher fand nach ſeiner Anſicht nur ein impro - viſirtes Spottreden, ἰαμβίζειν, zwiſchen den Chorge -352 ſaͤngen ſtatt: in welchem Falle die Megariſche Komoͤ - die ſich von dem Sikyoniſchem Phallophorenſpiel gar nicht weſentlich unterſchieden, und nicht ſolche Aufmerk - ſamkeit erregt haben wuͤrde.
Dagegen iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß die Megariſche Komoͤdie die Keime und Anfaͤnge der von Epicharmos vollkommen ausgebildeten Siciliſchen ent - hielt. Denn nach Ariſtoteles1Poet. 3, 5. eigneten ſich die Me - garer Siciliens eben ſo wie die Nachbarn Attika’s die Erfindung der Komoͤdie zu, und daß zwiſchen beiden ein Connex der Mittheilung beſtand, kann keinem Zwei - fel unterworfen ſein. Von Megara aber kann die Ko - moͤdie auf Syrakus uͤbergegangen ſein, als Gelon Ol. 74, 1 oder 22Bd. 2. S. 122. die Bevoͤlkerung der erſten Stadt nach der zweiten verſetzte, ſo daß die hier in den Jambi - ſten-Choͤren damals wohl ſchon vorhandnen Anfaͤnge durch die Vereinigung mit der ausgebildetern Gattung zur Reife gediehen; doch iſt dieſe Anſicht bloße Ver - muthung. Bei jener Verſetzung muß auch Epicharm, Helothales Sohn3Daß die Namen „ Chimaros und Tityros “nach dem Geſchaͤft des Mannes erdichtet ſind, bemerkt Welcker zu Schwenks Etym. myth. And. S. 331. Vgl. denſelben uͤber die angebliche Vaterſtadt Kraſtos., nach Syrakus gekommen ſein, der fruͤher in Megara gelebt hatte, aber er kann nicht als der eigentliche Verpflanzer der Komoͤdie angeſehn wer - den, da er ſelbſt nur kurze Zeit in Megara gelebt hat - te. Denn er war nach ſehr glaubwuͤrdigen Nachrich - ten4Diog. Laert. und τινὲς bei Suid. vgl. Diomed 3. p. 486. Putſch. — Ein Samier heißt er aus Verwechſlung mit Kadmos. von Geburt ein Koër, und erſt mit Kadmos, alſo gegen Olymp. 73 oder 74.5Bd. 2. S. 170. womit zu vgl. Bd. 3. S. 147. und die chro - nologiſche Beilage unten., nach Sicilien ge -353 kommen; er muß damals ſchon ein Mann oder doch Juͤngling geweſen ſein, wenn er noch unter Hieron (von Ol. 75, 3. bis 78, 2.) beruͤhmt und einflußreich ward1Damit ſtreitet freilich die Nachricht bei Diog. L. 8, 78. daß Epich. als ein dreimonatlich Kind aus Kos nach Megara ge - kommen, aber es kann doch keine der andern darum aufgegeben werden. Die Nachricht des Anon. π. κωμῳδίας bei Kuſter. Ariſt. p. XII. γέγονε κατὰ τὴν ογ` Ὀλυμπιάδα, und die ſonderbare des Suid. ἦν δὲ πϱὸ τῶν Πεϱσικῶν ἔτη ἓξ, διδάσκων ἐν Συϱακού - σαις, moͤchten auf Epicharms Ankunft in Sicilien zielen. — Herm. Harleß de Epicharmo hat die hiſtoriſchen Umſtaͤnde noch nicht ge - nuͤgend erwogen.. Mit ſeiner Herkunft aus Kos haͤngt auch zu - ſammen, daß er ſelbſt auch Arzt war, und ſein Bru - der dieſe Kunſt ausſchließlich uͤbte2Jambl. Pythag. 34. vgl. Plin. H. N. 20, 11. Diog. a. O. Eudocia bei Villoiſ. Anecd. T. 1. p. 193.; die Familie war ohne Zweifel in Connex mit den Aſklepiaden. Phor - mis oder Phormos, der von Ariſtoteles und Andern oͤfter neben Epicharmos genannt wird, ſcheint einige Olympiaden aͤlter, da er Freund des Gelon und Auf - ſeher ſeiner Kinder war3Suid. Daß er zuerſt die Scene mit purpurrothen Fellen be - legte, erinnert an den Megariſchen Choregen, der wirklichen Purpur daranwandte. Ariſtot. cit. S. 349, 1. Bentlei Phalar. p. 260. haͤlt ihn fuͤr denſelben mit dem Maenalier Phormis, der Gelon und Hieron eifrig gedient; mir ſcheinen die Begriffe eines Arkadiſchen condottiere, und eines komiſchen Dichters unvereinbar.; der Ruhm ſeines Nachfol - gers hat den ſeinigen ſo verdunkelt, daß kaum mehr als die Titel einiger Stuͤcke von ihm uͤbrig ſind4Fa - bric. 2. p. 315. Harl., aus denen man indeß noch ſieht, daß er mythologiſche Ge - genſtaͤnde parodiſch behandelte. Aber auch Epichar - mos ſelbſt iſt viel weniger bekannt und beachtet, als es die ſchriftſtelleriſche Eigenthuͤmlichkeit und kuͤnſtleri - ſche Groͤße des bewundernswuͤrdigen Mannes verdient;III. 23354und man hat beſonders darin gefehlt, daß man den, der ſeine Dichtungsgattung vollendete, als den An - fangspunkt der Attiſchen Komoͤdie hinſtellte, und die baͤuriſche Roheit, aus der die letztre erwuchs, auf die fruͤher geregelte Siciliſche Gattung uͤbertrug, die alle Vortheile gebildeten Stadt - und Hoflebens genoß1So hat man gar keinen Grund zu behaupten, Epicharm habe etwa nur zwei Interlokutoren gehabt. Drei, naͤmlich Amy - kos, Polydeukes und Kaſtor, gehn ſchon aus dem einen Verſe bei Schol. Soph. Ai. 1074. hervor; und mehrere mußte der Ἅφαι - στος haben.. Hier liegt uns nur daran — ehe ſpeciellere Forſchun - gen einen vollſtaͤndigern Begriff von Epicharmos Lei - ſtungen gewaͤhren — uͤber den Umfang ſeines Stoffes und den Geiſt ſeiner Behandlung einige Notizen zu geben. Der Stoff der Epicharmiſchen Stuͤcke war großentheils mythiſch, das heißt, den Mythus traveſtirend, unge - faͤhr wie das Drama Satyrikon in Athen. So ſtellte das Stuͤck Buſiris den Herakles mit unerſchoͤpflicher Laune als unbaͤndigen Freſſer dar; und dieſelbe Eßluſt ſchilderte, vielleicht zugleich Satyre einmiſchend auf den Luxus der Zeit, „ die Hochzeit der Hebe, “in wel - cher eine wunderbare Menge von Gerichten erwaͤhnt wurde2S. Caſaub. zu Ath. 3, 13. p. 176. Harleß a. O. p. 45.. Eine genauere Vorſtellung koͤnnen wir uns von dem Drama: Hephaͤſtos oder die Komaſten machen, und zwar beſonders mit Hilfe einiger erhalt - nen Kunſtdarſtellungen. Es wird berichtet, daß hierin erſtens dargeſtellt wurde, wie Hephaͤſtos ſeine Mutter Hera durch zauberiſche Schmiedekunſt an einen Sitz gefeſſelt, von dem er ſie erſt nach langem Bitten loͤſte3S. Photios p. 59. und Suid. s. v. Ἥϱας δὲ δεσμούς.. Nun ſieht man auf einer zu Bari im Koͤnigreich Nea -355 pel gefundnen Vaſe, jetzt im Brittiſchen Muſeum1Abgebildet Mazocchi tab. Heracl. ad p. 138. Hancar - ville T. 3. pl. 108. Millin Galérie mythol. 13, 48., Hera mit der Ueberſchrift ϜΗΡΑ2Dies unteritaliſche Spirituszeichen kommt außer den Monumenten He - rakleas und dieſer Vaſe auch noch auf der Paͤſtaniſchen, die Lanzi (Illustraz. di due vasi fittili etc. Roma 1809.) u. Aa. heraus - gegeben, vor. Oſann Sylloge inscr. p. 72. weiß ſich viel damit, es auf der tabula aenea Lacedaemone consignata entdeckt zu haben, welche ich ihn ſehr bitten moͤchte nachzuweiſen. Indeſſen mag der Leſer erahnen, woran ſich der Vater dieſes Un - dings verſeben. auf einem Thron - ſitze, neben ihr zur Rechten einen poſſierlich bekleideten Skurren, den der ſpitze Hut als Hephaͤſtosdiener cha - rakteriſirt, die Ueberſchrift aber ΔΑΙΔΑΛΟΣ nennt3Warum ich nicht (mit Viſconti Mus. PioCl. T. 4. p. 20. und Welcker bei Diſſen ad Pind. N. 4. p. 386.) glaube, daß Daͤdalos den Hephaͤſtos ſelbſt bedeute, kann man aus dem Zuſammenhange abnehmen., zur Linken einen aͤhnlich angethanen aber behelmten Ares, ΕΝΕϒΑΛΙΟΣ uͤberſchrieben; beide bewaffnet und mit einander, den Zauber, durch den Hera gefeſ - ſelt, zu loͤſen oder zu befeſtigen, ſtreitend. Das Ganze geht deutlich auf einer Buͤhne vor, zu der eine Treppe herauffuͤhrt; und wofern es nicht noch andre Stuͤcke Siciliſcher oder Italiſcher Komiker uͤber denſelben Ge - genſtand gegeben, ſehen wir eine Scene aus dem An - fang des Epicharmiſchen Drama’s. Nun lautet der Mythus weiter, daß Hephaͤſtos, darum von ſeinen El - tern uͤbel behandelt, den Olympos ganz und gar ver - laſſen und gemieden habe, bis Dionyſos ihn auf ſchlaue Weiſe trunken macht, auf einen Eſel ſetzt, und ſo im luſtigen Komos nach dem Olymp zuruͤckfuͤhrt; und darauf geht offenbar der andre Titel des Stuͤcks: die Komaſten. Nun haben wir aber auch dieſe Scene in23 *356Kunſtdarſtellungen erhalten, die zwar das Buͤhuenco - ſtuͤm und Lokal nicht ſo treu wiedergeben wie die eben erwaͤhnte, aber doch ſelbſt die Entlehnung aus einer Komoͤdie bezeugen. Auf einer Coghillſchen Vaſe1Millingen Vases de Coghill pl. 6. und bei Millin T. 1. pl. 9. Die Scene bei Millin T. 2. pl. 66. Tiſchbein 3, 9. 4, 38. iſt offenbar dieſelbe, und Millingens Meinung p. 10. ſcheint mir unhaltbar. ſieht man einen Zug, deſſen Perſonen alle durch Ueber - ſchriften kenntlich ſind: voraus Marſyas als Floͤten - ſpieler, dann die Komodia in ſchwaͤrmender Bewegung, darauf Dionyſos im alten Feiercoſtuͤm, endlich ihm fol - gend den Hephaͤſtos, der auf andern Darſtellungen deſſelben Sujets einen muntern Eſel reitend erſcheint.
Aus dem Gegebnen die Compoſition des Epi - charmiſchen Drama’s herauszunehmen, kann billig ei - nes Jeden Urtheil und Geſchmack uͤberlaſſen werden; wir erlauben uns noch einen Augenblick bei der Be - merkung zu verweilen, daß die unteritaliſchen Vaſen - gemaͤlde noch manchen Beitrag zur anſchaulicheren Kenntniß der dort einheimiſchen Dramatik verheißen. Eine Farce, wo Herakles dem Euryſtheus oder einem andern Koͤnige die Kerkopen bringt, habe ich oben ſchon aus dieſer Quelle nachgewieſen2Bd. 2. S. 457.; vielleicht ſtammt auch der Herakles als Pygmaͤe mit Kranichen kaͤmpfend aus derlei Darſtellungen3Millin 1. pl. 63. 72. vgl. Tiſchbein 2, 7. 18.. Am bekannte - ſten iſt die komiſche Darſtellung des Zeus und Hermes, des letztern mit der Laterne, des erſtern mit einer Lei - ter, beide in hoͤchſt burleſkem Skurrencoſtuͤm, wie ſie zu einer Schoͤnen hinauf zu ſteigen bereit ſind, die ſie ſchon vom Fenſter aus erwartet4Winckelm. Monum. in - ed. n. 190. p. 284. Hancarville T. 4. pl. 160.. Denkt man ſich357 unter dieſer mit Winckelmann Alkmene, ſo koͤnnte man auch den Plautiniſchen Amphitryon fuͤr Nachbildung eines Siciliſchen Originals halten, da Plautus auch ſonſt sicilissat; doch fuͤhrt dieſe Anſicht in Schwierig - keiten, die ſie aufzugeben noͤthigen koͤnnen. Noch ſehe ich in dem auf einem Fiſche ſitzenden und ſich ſehr ko - miſch geberdenden Skurren einer Vaſe1Bei Tiſchb. 4, 57. Es ſieht dem Κάγχας der zunaͤchſt folgenden Darſtellung aͤhnlich. eine Traveſtie des Tarentiniſchen Mythus von Taras auf dem Del - phin, den wir durch die Muͤnzen dieſer Stadt kennen. Das an Pulcinell und Harlekin erinnernde2Vgl. A. W. Schlegel uͤber dramat. Kunſt 2. S. 8. Coſtuͤm beweist auch hier ſceniſche Darſtellung, die indeß noch mehr in dem bekannten Vaſengemaͤlde des Aſteas3Millingen Peint. de coll. div. 46. vgl. die Erklaͤrung p. 69. in die Augen ſpringt, wo man einen Skurren von mehrern derſelben Art auf ein Lager, offenbar das Bett des Skiron-Prokruſtes, ausgeſpannt ſieht. Hier iſt aber noch beſonders merkwuͤrdig, daß die Agirenden nicht die Namen der Heroen, die ſie traveſtiren, ſon - dern ihrer Maſken tragen; der Ausgeſtreckte heißt ΧΑΡΙΝΟΣ, Gracioſo, (welchen Namen komiſcher Taͤn - zer wir auch in Sparta fanden4S. 343. die Andren ΔΙΑ - ΣϒΡΟΣ, der Spoͤtter, ΚΑΓΧΑΣ, cachinnator, und ΓϒΜΝΑΣΟΣ, wenn man ſo richtig lieſt: offenbar Na - men ſtehender Perſonen eines der Campaniſchen Atel - lana verwandten Drama’s. Auch iſt das Gefaͤß in Kampanien gefunden5Daß die Darſtellung aus Epicharins Σκίϱων entlehnt ſei, moͤchte ich aus oben angedeuteten Gruͤnden nicht behaupten, obgleich darin das Bett des Prokruſtes wohl eben ſo vorkam, wie in Euripides Σκίϱων. Von dieſem Hemſterhuis zu Poll. 10, 7, 35. Boͤttiger Vaſeng. 1, 2. S. 147..
Um auf Epicharm zuruͤckzukommen, ſo war deſſen Komoͤdie keineswegs auf Traveſtirung des My - thus beſchraͤnkt: vielmehr behandelte ſie auch politiſche Themata, wie Ariſtophanes, machte komiſche Charakte - re zum Mittelpunkte, wie beſonders die Spaͤtern; uͤberhaupt gehoͤrt ein großer Reichthum des Stoffes zum Weſen derſelben. Eine politiſche Tendenz hatte nach Hemſterhuis1Zu Pollux 9, 4, 26. das Stuͤck Ἁϱπαγαὶ, welches Si - ciliens Verwuͤſtung zur Zeit ſchilderte; vielleicht auch die Νᾶσοι, in denen wenigſtens vorkam, daß Hieron den Anaxilas gehindert, Lokri zu vernichten (Ol. 75, 4.)2Schol. Pind. P. 1, 99. vgl. Boͤckh Expl. P. 2. p. 240.; auch die Perſer bezogen ſich auf Zeitgeſchichte. Ein Charakterſtuͤck war z. B. der Ἀγϱωστῖνος (ἀγϱοῖ - κος); auch hatte Epicharm Charaktere, die ſpaͤter ſehr haͤufig behandelt wurden, ſchon ſehr ausgebildet, wie den Paraſiten und den Trunknen3Athen 6, 235. 236 a. 10, 429 a. ; und wenn noch Plautus Menaͤchmen dem Argumente nach aus einer Epicharmiſchen Komoͤdie fließen, wie der Dichter im Prologe ziemlich deutlich angiebt: ſo waren auch ſinn - reiche und die Aufmerkſamkeit ſpannende Verwickelun - gen ein beliebter Gegenſtand dieſes Dichters. — Von gleicher Vielſeitigkeit war die Behandlungsweiſe; denn wenn auf der einen Seite kekker und burlesker Spaß ganz in der Weiſe des Epicharmos war: ſo kam auf der andern viel von alter Spruchweisheit4Ἐπίχ. γνωμικὸς nach dem Anon. π. κωμῳδίας p. XII. Kuſter. und von Pythagoreiſcher Philoſophie bei ihm vor, in die Epi - charm nebſt Archytas und Philolaos von Arkeſas, dem Nachfolger des Pythagoras, eingeweiht worden ſein ſoll5Jambl. Poth. 36. S. 219. deſſen Angabe; wir wiſſen aus Diogenes Laertios, daß er359 ziemlich lange Diskurſe ſpekulativ-philoſophiſchen In - halts einmiſchte, ohne daß wir indeß begreifen, wie ſolche mit dem uͤbrigen Stuͤcke zuſammen hingen. Im Odyſſeus, wie ich aus der Anrede an Eumaͤos ver - muthe, wurde ganz beilaͤufig uͤber den Inſtinkt als Naturſeele mit ungemeiner Tiefe geſprochen1Diog. L. 3, 16.; andre Stuͤcke wie „ Pyrrha oder Prometheus “und „ Land und Meer “waren ihrer Anlage nach inniger mit Phi - loſophie durchwachſen; auch hat er in beſondern Ge - dichten phyſiſche und gnomiſche Philoſophie uͤberliefert, die indeſſen doch, nach Ennius Nachbildung zu urthei - len, in einem ſceniſchen, und noch dazu uͤberaus orche - ſtiſchen Versmaße, dem trochaiſchen Tetrameter, abge - faßt waren2S. Diog. 8, 78. Eudocia bei Vill. 1. p. 193. vgl. den Ἐπιχάϱμειος λόγος bei Suid. und die Frgm. Ennii ed. Hessel. p. 170. Doch iſt es moͤglich, daß die - ſer Ἐπ. λόγος blos ein Auszug aus ſeinen Komoͤdien war.. Daß die Behandlung der Epicharmi - ſchen Komoͤdie in ihrer Art vollendet, bezeugt die große Achtung der Alten, namentlich Platons; und wenn die Attiſche Komoͤdie hernach in komiſcher Satire und Perſiflage noch mehr geleiſtet, ſo war des Sikulers Streben allgemeiner und hoͤher. Die Attiker waren, nach Ariſtophanes zu urtheilen, faſt einſeitig praktiſch; und eine gewiſſe im Leben entſtandne Ueberzeugung, was dem Volke fromme, bildete den Ausgangspunkt ihrer Komik: bei Epicharm lag, wenn die wahrge - nommenen Elemente ſeiner Poëſie organiſch verbunden waren, eine philoſophiſche Weltanſicht im Mittelpunkte, deren Erhabenheit der Komik erſt ihre wahre Freiheit5Boͤckh. Philol. S. 13. annehmlich findet. Der Name des Man - nes iſt dunkel, Ἀϱήσας nennt ihn Jamblich, Ἄϱκεσος Plut. de genio Socr. 13.360 und Heiterkeit geben konnte, und dabei entbehrte die Lebensbetrachtung auch nicht des ſcharfen und eindrin - genden Verſtandes, der die Sikuler charakteriſirt1Cicero nennt ihn Tusc. 1, 8. und ad Att. 1, 19. acutus und vafer als Siculus..
Bei alle dem war Epicharmos Komoͤdie nur eine einzelne voruͤbergehende Erſcheinung, da uns eben keine Nachfolger des großen Dichters genannt werden, als Deinolochos2Bentl. Phalar. p. 413., ſein Sohn oder lieber ſein Schuͤ - ler. Dagegen trat etwa ein halbes Jahrhundert nach Epicharm3Wie aus Photios s. v. Ῥηγίνους zu ſchließen, wo Sophrons Sohn Xenarch (auch ein Mimograph vgl. Hermann ad Arist. Poët. 1, 7. p. 94.) als Zeitgenoſſe von Dionys (dem aͤltern) erwaͤhnt wird. Suid. und Eudocia p. 389. ſetzen Sophron in Xerxes — und Eu - ripides Zeit; mehrere Neuere ſind der erſten Angabe gefolgt. der Schoͤpfer einer andern, aber in man - chen Stuͤcken verwandten Gattung auf, Sophron der Mimograph. Indeß hat dieſe Gattung auf der andern Seite ſo viel nicht blos von der damaligen Poëſie Siciliens, ſondern von der geſammten Helleni - ſchen Litteratur Abweichendes, daß ihre Entſtehung nach allem daruͤber geſagten noch immer ſehr raͤthſel - haft iſt. Sophrons Mimen hatten durchaus nichts orcheſtiſches und muſikaliſches, womit zuſammenhaͤngt daß ſie gar nicht in Verſen, ſondern, ob zwar in gewiſſen rhythmiſchen Abſchnitten4Die ſich mit einem gewiſſen Parallelismus entſprochen zu haben ſcheinen, wie theils aus einigen Fragmenten; theils aus Vergl. des Schol. in Gregor. Naz. in Montf. Bibl. Coislin. p. 120. mit dem Gedicht, wozu es gehoͤrt, in Jac. Tollius Itin. Ital. p. 96 sq. erhellt. vgl. Hermann a. O. p. 93., doch immer in Proſa geſchrieben waren. Die letztre Erſcheinung ſcheint ganz einzeln und ohne Zuſammenhang zu ſtehn, wie es auch wirklich innerhalb der Litteratur, die uns uͤberkommen,361 der Fall iſt. Daß ſie aber im Leben der Hellenen nicht iſolirt und unverbunden ſtand, moͤgen wir vorn - weg annehmen; deſſen Geiſt war es ohne Zweifel an - gemeſſen, auf dem Uebergange von metriſcher zu unge - bundner Rede eine Mittelform hervor zu bringen1Daher auch in aͤltern Inſchr. oͤfter Stuͤcke von Hexame - tern vorkommen.; namentlich bedurfte der Doriſche Sinn fuͤr Maaß, Geſetz, abgerundete und geſchloſſne Form einer ſolchen, um ſo mehr als ihm periodiſches Reden weit fremder war als dem Joniſch-Attiſchen. Auf dieſen Gedan - ken fuͤhrt uns eigentlich die Betrachtung einiger Denk - male Lakoniſcher Rede, in denen Niemand das Rhyth - miſche und die Symmetrie der Saͤtze verkennen wird. So in dem bekannten Briefe des Hippokrates2Xen. H. 1, 23. Plut. Alkib. 28. Eu - ſtath. zu Hom. Il. 1, 63, 1. Apoſtol. 9, 2. Vgl. Valcken. ad Adon. p. 264. Aber daß Hippokrates abſichtlich zwei Skazonten haͤtte machen wollen, waͤre ſehr komiſch.
und dem der Lakaͤna bei Plutarch3Bei Plut. Lacaen. ap. p. 260. τεῦ und ἀπωθεῦ nach Valck. p. 260. der einige Brie - ſe zuſammenſtellt, die daſſelbe etwas anders ſagen.
wo der Rhythmus unbewußt in den Vers uͤbergeht, was in andern Faͤllen minder ſtatt findet4Man vergleiche damit z. B. das Fragment von Sophron bei Demetr. 151., vollſtaͤndiger bei Athen. 3, 86. vgl. Toup. Cur. nov. in Suid. p. 113. τίνες δ̛ ἐντί ποκα, φίλα, ταίδε τοι μακϱαὶ κόγχαι; Β. σωλῆνες, τουτί γα γλυκύκϱεων κογχύλιον χηϱᾶν γυναικῶν λίχνευμα. . — Ob362 Sophrons Mimen oͤffentlich dargeſtellt wurden oder nicht, iſt eine ſchwer zu beantwortende Frage; befrem - dend waͤre ein Werk der Poëſie, das blos zur Lektuͤre beſtimmt, in einer Epoche, wo alle andern aus dem Leben hervorgehend eben ſo unmittelbar in das Leben eintraten. Wahrſcheinlicher auf jeden Fall iſt, daß auch die Mimen in ihrer urſpruͤnglichen Geſtalt zu den Luſtbarkeiten mancher Feſte gehoͤrten, wie es mit Spar - ta’s Deikeliſten der Fall war, denen jene mehr als ir - gend einer andern Gattung entſprechen. Dergleichen Spiele, hervorgegangen aus der lebhaften Auffaſſung des Eigenthuͤmlichen und Abſonderlichen in verſchiednen Kreiſen des menſchlichen Lebens, improviſirt von denen, die am meiſten Luſt und Talent zur Nachbildung in ſich trugen, mag es eben ſo bei den Doriern in Sici - lien, wie bei den Lakonen gegeben haben, um ſo mehr, da die erſtern von Natur zu poſſierlicher Nachahmung der Geberde und des Benehmens Andrer gemacht wa - ren1σικελίζειν τὸ ἀτηϱεύεσϑαι bei Epicharm, τὸ πονηϱεύε - σϑαι nach Aa. Photios p. 378.. Brachte doch ſelbſt Agathokles der Tyrann nicht blos Tiſchgeſellſchaften ſondern Volksverſammlun - gen zum lauten Gelaͤchter, wenn er bekannte Leute nach Art eines Ethologen auf das poſſierlichſte dar - ſtellte2Diod. 20, 63.. Der Sophroniſche Mimos nun, der ſolche nationale Anfaͤnge zur Kunſtgattung veredelte, zeichnete ſich einerſeits durch treue Abſchilderung des Lebens aus, welche auch das Unedle in der Sitte, das Soloͤke in der Sprache darzuſtellen nicht verſchmaͤhte, und be - ſonders die Rede des gemeinen Mannes mit der groͤß - ten Wahrheit wiedergab3S. daruͤber beſonders Valcken. ad Adon. p. 200 sq. — daher auch die erſtau -363 nende Menge von Spruͤchwoͤrtern1S. Demetr. de eloc. 156. vgl. 127. 162. Ulpian zu Demoſth. Olynth. p. 36. vgl. Apollodor τοῖς πεϱὶ Σώφϱονος Frgm. p. 438 sq. Heyne. Sophron hatte auch haͤufig ſog. ob - ſcene Allegorieen, wie in dem Frgm. eines μῖμος ἀνδϱεῖος bei De - metr. de eloc. 151. wo zum Verſtaͤndniſſe dient, daß ἄγκυϱα auch bei Epicharm τὸ αἰδοῖον hieß. Bekk. Anecd. 1. p. 209, 27. — andrerſeits durch ungemeinen Verſtand in der Andeutung feinerer Zuͤge und in der Durchfuͤhrung der aufgefaßten Cha - raktere, ohne den er auch dem Platon nicht ſo lieb, und ſein Studium fuͤr die Compoſition der Sokrati - ſchen Dialoge ſo wichtig haͤtte werden koͤnnen, als er es nach guten Zeugniſſen wirklich geworden iſt: ſo daß man nun in der That die Scenerie dieſer Dialoge mit den Theokritiſchen Gedichten, die wir als beſtimmte Nachbildung weiblicher Mimen des Sophron kennen, zuſammenhalten muß, um einen angemeſſnen Begriff von jenen Meiſterwerken zu gewinnen. Zu dem Ta - lente der Darſtellung muß aber auch, um es zu leiten und zu richten, ein gediegnes ethiſches Streben hinzu - gekommen ſein; es iſt wahrſcheinlich, daß es in den μίμοις σποκδαίοις uͤberwog, und in den γελοίοις mehr in den Hintergrund trat. Das Geſchlecht der Areta - logen und Ethologen, die urſpruͤnglich viel von Tugend und Sitte redeten, aber allgemach zu trivialen Luſtig - machern herabſanken, ſcheint auch aus Sicilien zu ſtammen, und ſchloß ſich hier vielleicht durch manche Mittelglieder an Sophron an2Vgl. uͤber Sophron indeß die Nachweiſungen von Fabric. Bibl. Gr. 2. p. 493 sq. Harl. und C. J. Blomfields Anfang einer Fragmentſammlung im Class. Journal T. 4. n. 8. p. 380..
Im Ganzen hatte der Doriſche Stamm of - fenbar weniger Geſchick und Neigung als der Attiſche,364 aus freien Regungen poëtiſchen Gefuͤhls, wie ſie Feſt - ſpiele veranlaßten, Litteraturgattungen zu bilden. Aus dieſer Verſaͤumniß fruͤherer Zeiten erklaͤrt ſich die ſelt - ſame Erſcheinung, daß mehrere Weiſen Doriſcher Dich - tung erſt in Alexandriniſcher Zeit in den Kreis der poëtiſchen Litteratur des gebildeten Griechenlands ein - traten, namentlich das bukoliſche Gedicht und die Phlyaken Tarents. Man hatte dies Faſtnacht - ſpiel ohne Zweifel ſeit Jahrhunderten in genannter Stadt geſpielt, ehe es in der Zeit des erſten Ptole - maͤos durch Rhinthons darnach genannte Dichtwerke auch anderswo bekannt wurde. Fuͤr dieſe braucht man auch den Namen Ἱλαροτραγῳδία1Identiſch mit φλυακογϱαφία, Suid. s. v. Ῥίνϑων Aa., und dieſer Name ſowohl als die Titel der einzelnen Stuͤcke2Des Amphitryon, Herakles, Oreſt, Telephos, der Iphigenieen, des Sklaven Meleagros bei Athen. Pollux, Hephaͤſtion, Herodian. Was Oſann Anal. p. 71. ſagt, begreif’ ich nicht: daß dieſe drama - ta neque argumento a vulgato tragoediae et comoediae ge - nere discrepasse neque metro. und die erhaltnen Fragmente lehren, daß ſie tragiſche Stof - fe burleſk behandelten3So erklaͤren auch Meh - rere den Namen Φλύακες, Steph. B. Τάϱας. Euſt. zu Dion. P. 976. φλύακες τϱαγικοὶ Noſſis Epigr. bei Brunk. Anal. T. 1. p. 196. vgl. Reuvens Collect. litter. p. 71.. Daß Rhinthon dabei die Attiſche Tragoͤdie nicht zur Seite liegen laſſen konnte, iſt leicht einzuſehn; namentlich moͤgen ſeine beiden Iphigenieen, die in Aulis und Tauris, manche Parodie auf Euripideiſche Stuͤcke enthalten haben. Indeſſen glaube ich doch, daß er ſich im Weſentlichen an die Form der alten Phlyakes hielt, wie er den Tarentini - ſchen Dialekt treu wiedergab4Apollon. Dyſk. de pron. p. 364 c. Bekk. vgl. Valcken. ad Adon. p. 294.; auch kann man ſich uͤberzeugt halten, daß er die einheimiſche Gattung fuͤr365 wirkliche Auffuͤhrung und Darſtellung bearbeitete. Das gewoͤhnliche Versmaaß war der Jambiſche Trimeter, den indeß Rhinthon ziemlich nachlaͤſſig behandelte, da er dem Verſe ſelbſt in einem erhaltnen Bruchſtuͤcke auf komiſche Weiſe erklaͤrt, daß er ihn nicht ſonderlich kuͤmmre1Bei Hephaͤſtion de metr. p. 9. Gaisf. Rh. ſagt nach ei - nem Jamben, in deſſen letzter Theſis eine Sylbe ſteht, die nur durch eine große Freiheit kurz iſt: Geh immer, lahmer Jambe, was kuͤmmerts mich. Jambiſche Trimeter des Rh. kommen oͤfter vor, zwei gut gebaute bei Herodian p. 19, 27. 30. Dind.; auch iſt es moͤglich, daß er ihn zu paro - diſchem Gebrauche oder auch um des Contraſtes wil - len mit andern Versmaaßen miſchte, und zum Bei - ſpiel den feierlichen Hexameter an recht ſpaßhaften Stellen brauchte2So ſcheint wenigſtens bei Sopatros, einem andern Phlyakogr., ein Hexameter vorzukommen, Athen 14, 656 f. wenn Oſann Anal. rei scaen. p. 73. recht emendirt, aber die andern Verſe deſſelben ſind jambiſch. Auf keinen Fall konnte Rh. ἱλαϱοτϱαγῳδία im Ganzen ἑξαμετϱικὴ heißen, und ich ſtimme bei Lydus 1, 41. Reuvens bei, der das ὃς ἑξαμέτϱοις ἔγϱαψε κωμῳδίαν fuͤr einen Mißverſtand des Auktors erklaͤrt, und 1, 40. glaube ich mit Lange Vindic. trag. Rom. p. 51. kann ἑξωτικὴ wohl vertheidigt werden.. Dem Rhinthon folgten in dieſer Gattung Sopatros, Skiras3Schon Valcken. ad Adon. p. 294. ſtellt ſo Sklerias (den er mit Skiras Ath. 9, 402 b. fuͤr einerlei hielt) Blaͤſos und Rhinthon zuſam - men; und es iſt kein Zweifel, daß Reuvens p. 69. bei Lydus rich - tig Ῥίνϑωνα καὶ ΣΚΙΡΑΝ καὶ Βλαῖσον corrigirt hat; der alte Pythagoreer Arkeſos wuͤrde ſich zwiſchen den beiden Phlyaken hoͤchſt komiſch ausnehmen. Die Stelle des Lydus bleibt immer etwas kraus, doch fuͤhrt Reuvens φλυακογϱάφων fuͤr πυθαγοϱων und Lan - ge’s κωμικῶν fuͤr οὐ μικϱῶν gewiß am beſten zum Ziel. Bei He - ſych s. v, ἄσεκτος mag man fuͤr παϱὰ Ῥίνθωνι Ταϱαντίνῳ φι - λοσόφῳ auch φλυακογϱάφῳ oder ΤΗΛΕΦΩι corrigiren. und Blaͤſos; der letzt - genannte, ein Campaner von Capreaͤ, dichtete noch, wie aus dem Titel ſeines „ Saturnus “zu ſchließen,366 als Roͤmiſche Herrſchaft und Religion die Oberhand gewonnen, aber ganz im alten Dialekt, und wie wir aus der Bezeichnung „ σπουδογελοίων ποιητὴς “ſchlie - ßen koͤnnen, ein ernſthaftes Beſtreben mit burleſker Darſtellung vereinigend1Fabric. 2. p. 426. Harl. Reuvens Coll. p. 79..
Wir haben uns bei der Komik der Dorier laͤnger verweilt als nach dem Maaße dieſes Buchs, des reichen Stoffes und des Lichtes wegen, das ſie auf das Naturel des Volkſtammes im Allgemeinen wirft, in dem der hoͤchſte Ernſt mit dem kekkſten Spaß innig gepaart erſcheint, wie oͤfter — da jeder wahre Spaß zur Grundlage eine tuͤchtige, ſtrenge, ernſte Ge - ſinnung fordert, ſittliche Indifferenz aber und Frivoli - taͤt auch den Gegenſatz von Ernſt und Scherz und ſo - mit das Weſen beider vernichtet2Vgl. Jean Paul Vorſchule zur Aeſthetik 1. S. 131.. Kuͤrzer faſſen moͤgen wir uns uͤber die Anfaͤnge der Tragoͤdie, des Gegenſatzes der Komoͤdie, bei den Doriern: wobei wir gleich zu bemerken haben, daß dieſer Gegenſatz, wie er ſich im gewoͤhnlichen Sprachgebrauch feſtgeſtellt hat, nicht in den Urſpruͤngen beider Gattungen gegeben war, ſondern ſich erſt allmaͤlig entwickelte. In den Urſpruͤngen lag nur ſo viel, daß das Komosſpiel mehr der freien Luſt des laͤndlichen Feſtes uͤberlaſſen war, waͤhrend das Tragosſpiel ſich gleich anfaͤnglich an die oͤffentliche, ſtaͤdtiſche Feier des Dionyſos anſchloß, und von den großen kykliſchen oder dithyrambiſchen Choͤren dargeſtellt wurde. So kam es, daß das erſtre ganz allgemein den tollen Jubel und die Losgebundenheit des Gemuͤths ausdruͤckte, das letztre ſich dagegen den beſtimmten Ideen und Empfindungen des Cultus zu - wandte, die der Mythus in den Schickſalen des Dio -367 nyſos darſtellte. Das Hauptthema deſſelben, ſchon von Homer auf ſeine Weiſe ausgefuͤhrt, aber gewiß weit fruͤher angeſchlagen, waren τὰ Διονύσου πάθη, Dionyſos Leiden.
Wie dies insbeſondere die Tragoͤdie unter den Doriern angeht, wird gleich deutlich werden. In Sikyon, einem alten Sitze dieſes Cultus, gab es, nach Herodots uͤberaus bedeutungsvoller Nachricht1Ueber die Erklaͤrung der Stelle ſ. Bd. 2. S. 404, 6. Ob μεγαϱίζειν fuͤr jammern, Ariſtoph. Ach. 822. Suid. und die Paroͤ - miographen unter Μεγαϱέων δἀκϱυα. vgl. Tyrrwhit ad Arist. Poët. 174., nicht eben ſo auf Tragik zielt, wie Μεγ. γἐλως auf Komik?, ſeit alter Zeit tragiſche Choͤre, die vom Dionyſos und zwar ohne Zweifel deſſen Leiden ſangen. Aber ſchon vor Kleiſthenes (Ol. 45.) hatte man ſie, doch wohl nur zum Theil, auf den Stadthelden Adraſtos uͤbertragen, der ebenfalls viel Trauriges erlitten: wogegen der ge - nannte Tyrann ſie ganz auf Dionyſos zuruͤckfuͤhrte. Das Datum der Ruͤckfuͤhrung iſt hiernach bekannt; die Zeit der Ausdehnung der Chorgeſaͤnge auf Adraſtos, endlich die ihrer Stiftung muß bedeutend weiter hin - ausliegen: ſo ſieht man leicht ein, wie jung dagegen die mit Theſpis beginnende Attiſche Tragoͤdie iſt. Da - durch gewinnt nun auch die Nachricht an Bedeutſam - keit2Bei Suid. Θἐσπις. vgl. οὐδὲν πϱὸς Διόνυσον, und daſſelbe Spruͤchw. bei Photios und Apoſtol. Dort heißt es: Ἐπιγένους τοῦ Σικυωνίου τϱαγῳδἰαν εἰς αὐτὸν (was Suid. mit τὸν Διόνυ - σον vertauſcht, aber es iſt vielleicht ein alter Fehler fuͤr ΑΔΡΑ - ΣΤΟΝ) ποιήσαντος ἐπεφώνησάν τινες τοῦτο ὅϑεν ἡ παϱοιμία., daß Epigenes ein uralter Sikyoniſcher Tragi - ker und der ſechszehnte vor Theſpis geweſen; es ſcheint daß alte Litteratoren, im Beſitz einer Fuͤlle uns unter - gegangner Nachrichten, eine ordentliche Folge alter Tragosſaͤnger zwiſchen beiden aufgeſtellt hatten. Und368 wenn nun nach Ariſtoteles1Poet. 3. und Hermann zur Stelle p. 104. Wilh. Schnei - der’s Einwuͤrfe de origg. trag. Gr. p. 21 sq. laſſen ſich wohl nach der oben aufgeſtellten Anſicht beſeitigen. einige Peloponneſier mit den Athenern um die Erfindung der Tragoͤdie eifer - ten2Specieller von den Sikyoniern, daß ſie die Trag. erfunden, Themiſt. Or. 19. p. 487.: ſo werden wir der erſten Partei nicht darum Unrecht geben, weil ihr Lied, von dem der andern uͤbertoͤnt, ſo zeitig verſtummte. — Nun fragt es ſich aber, ob dieſe Sikyoniſche Tragoͤdie das gewoͤhnlich ſo genannte Drama, oder blos eine Gattung (dithyram - biſcher) Lyrik geweſen, deren Exiſtenz vor einigen Jah - ren Boͤckh aus Boͤotiſchen Inſchriften und andern Spuren ans Licht gebracht3Staatshaush. 2. S. 362.. Ich meine mit dem genannten Alterthumsforſcher: das letztre — weil nur dann die Nachrichten der Athener uͤber den Urſprung und Bildungsgang ihrer eignen Tragoͤdie ſich rechtfer - tigen laſſen, und weil beſtimmt berichtet wird, daß die geſammte aͤltre Tragoͤdie blos aus Choͤren beſtan - den habe4Beſonders Ariſtokles bei Athen 14, 630 c. . Nur moͤchte ich deswegen dieſen Bakchi - ſchen Feſtliedern nicht das mimiſche Element abſtreiten, was im Weſen des Cultus von Anfang an lag; die Lebhaftigkeit des Gefuͤhls forderte Leibhaftigkeit der Darſtellung; und ſchon Arion, der auch als Erfinder der tragiſchen Weiſe (τραγικὸς τρόπος) genannt wird, ſoll dem Chore Satyrn zugeſellt haben5Suid. s. v. Ἀϱίων.. — Arion, obgleich ein Methymnaͤer und wahrſcheinlich aus Ter - panders Schule, lebte und dichtete doch meiſt, wie ſein eben genannter Vorgaͤnger, im Peloponnes und unter Doriern. In Korinth war es, wo er unter Pe -369 riandros1Nach deſſen Regierungsanfang ſeine Zeit bei Suidas an - gegeben wird, Ol. 38. Euſeb. Ol. 40. zuerſt einen kykliſchen Chor2Daher heißt auch ſein Vater angeblich Kykleus, nach der S. 352,3. beruͤhrten Analo - gie. zur Darſtel - lung eines Dithyramben einuͤbte3Herod. 1, 23. vgl. Hellanik. bei Schol. Ariſt. Voͤgel 1403. S. 87. Stz. Ariſtot. bei Prokl. Chreſtom. p. 382. Gaisf. Zu Herodots Stelle bemerke ich, daß wir wunderbarer Weiſe die Fa - bel von Arions Delphinenfahrt noch in ihrem Entſtehen darlegen koͤnnen. Die Tarentiniſche Colonie war von Taenaron nach Ita - lien geſchifft, mit dem Culte und unter dem Schutze des Taenari - ſchen Poſeidon. Bd. 2. S. 126. Dies ſtellte der Mythus dar, in - dem er den Taras ſelbſt auf einem Delphin hinſchwimmen ließ, wie ihn die Muͤnzen noch zeigen, vgl. oben S. 216, 2. Nun ſoll Arion grade dieſelbe Fahrt nur in umgekehrter Richtung auf die - ſelbe Weiſe gemacht haben; und die Muſikliebe der Delphine, vielleicht noch irgend ein andrer Umſtand mußten helfen, die alte Sage auf ihn zu uͤbertragen.; wobei er aber wahrſcheinlich lokale Anlaͤſſe benutzte und Anfaͤnge aus - bildete, weil nur dann Pindaros mit einigem Recht Korinth als die Vaterſtadt des Dithyrambs anſehn kann4O. 13, 18. vgl. Schol.
So iſt denn die Gegend von Korinth und Sikyon fuͤr die Anfaͤnge dramatiſchen Spiels vielfach bedeu - tend; in der ja auch noch Phlius liegt, wo ſich wahrſcheinlich das Satyriſche Drama zuerſt als eine beſondre Gattung aus der alten Tragoͤdie herausſchied, und nach Athen wandernd hier eigentlich dramatiſch ausgebildet wurde. Denn Pratinas der Phliaſier wird mit dem beſten Grunde als Erfinder der Gat - tung genannt5Suid. Πϱατίνας. Aeron ad Hor. A. P. 216. vgl. die Φλια - σίους Σατύϱους bei Dioſkorides, Jac. Anthol. 1. p. 252. vgl. Ca - ſaub. de sat. poësi 1, 5. p. 120. Ramb. Toup in Suid. II. p. 479.; er blieb Phliaſier, wenn er auch zuIII. 24370Athen im Wettſtreit, mit Aeſchylos auftrat, da auch noch ſein Sohn und Nachfolger Ariſtias Buͤrger von Phlius war, und in dieſer Stadt begraben lag1Pauſ. 2, 13.. Von der Gattung ſelbſt habe ich nichts anzumerken. als daß ſie ungemein hyporchematiſch, voll von mimi - ſchen und Charaktertaͤnzen geweſen ſein muß2Wie daraus daß Pratinas auch Do - riſche Hyporcheme dichtete, Fabric. 2. p. 135., und aus dem Titel eines Stuͤcks: Δυμαῖναι ἢ Καϱυατίδες (oben S. 341, 2.) zu ſchließen. Beilaͤufig erwaͤhnen wir ein altes σχῆμα des Satyrtan - zes, die παλαιὰ σκοπεύματα (Aeſchyl. θεώϱοις ἢ ἰσϑμιασταῖς Frgm. 65. p. 58. Schuͤtz. ), weil es die Bemerkung bei Athen. 14, 629 b. beſtaͤtigt, daß die bildende Kunſt manche Weiſen der alten Orcheſtik aufbehalten habe. Es war eine alte Idee, Pane und Satyrn von der Sonne geblendet, die Augen mit der Hand dek - kend und darunter hervorblinzend zu denken; man hatte im Alter - thum beruͤhmte Bildſaͤulen der Art, und es giebt noch jetzt deren. Dieſe Geberde ſpielte in einem ſatyriſchen Tanz die Hauptrolle, der zu Aeſchylos Zeit ſchon veraltet war..
Nachdem wir dieſe beiden einzelnen Arten mit Orcheſtik verbundner Poëſie, die Komoͤdie und Tragoͤ - die, in Betracht gezogen haben, ſind wir von der Gat - tung im Allgemeinen zu reden verpflichtet, beſonders weil man grade dieſe orcheſtiſche Poëſie, um den Ausdruck zu brauchen, in neuerer Zeit als ein Pro - dukt der Dorier zu betrachten angefangen hat. Denn wie man alle Poëſie, auf die die muſikaliſche Compo - ſition bedeutend einwirkt, unter dem Namen Lyrik in - begreift: ſo nennt man wieder Doriſche Lyrik diejeni - ge, welche zur Begleitung von Taͤnzen, beſonders oͤf - fentlichen Chortaͤnzen, geſungen wurde3So Fr. Schlegel Geſch. der Poëſie der Griechen u. Roͤmer 1, 1. S. 226 ff. Conr. Schneider Geſch. der Elegie in den Studien B. 4. S. 2.. Und zwar mit Recht, wie mir daͤucht, da wirklich dieſe Poëſie371 in ihren mannigfaltigen Formen ſtets mehr oder weni - ger vom Doriſchen Dialekt hat, wovon der Grund doch nicht blos etwa in der Anerkenntniß liegen kann, daß dieſer Dialekt dazu der geeignetſte — denn wie war dieſe Anerkenntniß moͤglich, wenn nicht ſchon das Beiſpiel aufgeſtellt, Chorreigen in Doriſchem Dialekt gedichtet waren. So kann man alſo immerhin Dori - ſche und choriſche Poëſie als objektive Synonyma brauchen, da im Ganzen wo Chorestanz auch Dori - ſcher Dialekt, und wo Doriſcher Dialekt in eigentlich lyriſchen Geſaͤngen, in der Regel auch Chorestanz1Eine Ausnahme macht indeß die choriſche Poëſie der Ko - rinna in Boͤotiſchem Dialekt.. So dichtete z. B. Pindaros als Meiſter der Doriſchen Lyrik auch Skolien, aber dieſe Skolien wurden im Ge - genſatze der uͤber Tiſch geſungnen choriſch dargeſtellt, und hielten ſich naͤher an den Doriſchen Dialekt2Boͤckh ad Pind. Frgm. p. 607.. So war der Dithyramb, ſo lange er Gattung der Dori - ſchen Lyrik blieb, durchaus antiſtrophiſch d. h. cho - riſch; als er durch Krexos, Phrynis u. a. m. umgebildet wurde, hoͤrte er auf von kykliſchen Choͤren dargeſtellt zu werden, und zugleich wurde der Dialekt ganz veraͤndert. Mitten im Attiſchen Drama ſangen die Choͤre in Do - riſchem Dialekt: ſo innig verknuͤpft war Dorismus mit choriſchen Auffuͤhrungen3Im Prytaneion zu Elis ſang man auch zu Pauſ. Zeit (5, 15, 8.) Doriſche Geſaͤnge, und die an den Lernaͤen ge - brauchten ἔπη waren in demſelben Dialekt. 2, 37, 3.. — Hiedurch iſt aber ſchon Zweierlei zur Beſtimmung des Charakters Dori - ſcher Lyrik gegeben. Erſtens: ſie mußte das Gepraͤge des Oeffentlichen tragen, denn um Choͤre aufzuſtellen muß auf irgend eine Weiſe das Gemeinweſen in Anſpruch genommen werden. Zweitens: ſie mußte eine religioͤſe24 *372Beziehung in ſich haben, denn Choͤre ohne eine Cul - tushandlung ſind etwas Unerhoͤrtes. Es muß alſo die Empfindung, welche dieſe Gattung der Lyrik aus - ſpricht, wenn ſie auch vorzugsweiſe einen Einzelnen bewegt, doch von der Art ſein, daß ein ganzes Volk daran Antheil nehmen mag; und das Thema, wenn auch durch ganz andre Anlaͤſſe gegeben, doch Bezie - hung auf religioͤſe Ideen und eine mythiſche Behand - lung geſtatten.
Soviel zur Beſtimmung des Begriffs Dori - ſcher Lyrik. Fragen wir nunmehr nach dem geſchicht - lichen Grunde, der grade dieſer Gattung das Gepraͤge dieſes Volkſtamms gegeben: ſo ſind die erſten Umſtaͤn - de, die uns in die Augen fallen, mehr befremdend als aufklaͤrend. Naͤmlich: erſtens verſteht es ſich von ſelbſt, daß keine Stadt von Griechenland der choriſchen Poëſie ganz entbehrte, und Proſodien, Paͤanen, Dithyramben, ſobald die Gattungen da waren, bald von einem Ende Griechenlands zum andern ertoͤnten. Zweitens ſind auch unter den groͤßten Gruͤndern und Meiſtern Doriſcher Lyrik nur die geringere Anzahl Dorier, die andern Aeoliſcher oder Joniſcher Herkunft. Terpandros, der alte Paͤanenſaͤnger, Arion, der den Dithyramb erfun - den, Pindaros endlich ſind Aeoler, Ibykos von Rhegion, Bakchylides und Simonides von Keos Jonier; und von den bekannteren ſind nur Steſichoros von Himera und Alkman, ein Lakone von Geburt, wenn auch von Her - kunft ein Lyder, Dorier zu nennen. Indeſſen vereint ſich das Letztre mit der obigen Anſicht durch die Ueber - legung, daß ſich in der Heimat dieſer choriſchen Poë - ſie wohl zeitig ein gewiſſer nationaler Styl feſtgeſtellt hatte, an den ſich die ſtaͤdtiſchen Dichter insgemein anſchloſſen, waͤhrend auswaͤrts der Poët mehr an ſich gewieſen, und ſein Talent mit individueller Freiheit373 auszubilden aufgefordert war. So bluͤhte ſicherlich an keinem Orte Griechenlands die choriſche Poëſie ſo wie zu Sparta1Vgl. oben S. 329. und die τετϱαγὠνους χοϱοὺς der La - koniſten, Ath. 4, 181 c. aus Timaͤos., wie die kundigſten Zeugen beweiſen, Ter - pandros2Bei Plut. Lyk. 21.:
und Pindaros:
Auch gab es hier außer den fremden aber faſt anſaͤßi - gen Dichtern Terpandros, Thaletas, Nymphaͤos von Kydonia4Aelian V. G. 12, 50., Simonides5Oben Bd. 2. S. 132, 7., mehr einheimiſche Lyriker als irgendwo6Nach Athen. 14, 632 f. , von denen wir Spendon7Plut. Lyk. 28., Dionyſo - dotos8Soſibios bei Ath. 15, 678 b. , Xenodamos9Oben S. 321. Philoxenos aus Kythera in Dionys Zeit will ich nicht in Anſchlag bringen. und Gitiadas, der dieſelbe Gottheit, der er das eherne Haus bauete, auch in Hymnen beſang10Pauſ. 3, 17, 3. Auch der Lakone Areus (Anton. Lib. 12.) war ein Lyriker, und nicht einerlei mit dem Epiker Ἄϱειος, bei Pauſ. 3, 13, 5. wenn dieſer exiſtirte., kennen. Und bei alle dem iſt uns kein Fragment Spartiatiſcher Lyrik, wenn man Alkman ausnimmt, bekannt geworden, gewiß aus dem eben angezeigten Grunde, weil eine gewiſſe Gleichmaͤßigkeit in dieſen Erzeugniſſen — wie in der aͤltern bildenden Kunſt — kein Einzelnes hell hervortreten ließ. Auch mußte die moraliſche Kritik beſchraͤnkend wirken, mit374 der die Spartiaten den Archilochos eigner Feigheit, oder ſeine Lieder unſittlicher Frechheit wegen, wenn die Sage wahr iſt1Valer. Max. 5, 3. Liebel Archil. Frgm. p. 147., aus ihrer Stadt wieſen, und den Tyrtaͤos dagegen als Wetzſtein der Seelen ihrer Juͤng - linge in hohen Ehren hielten2Plut. Kleom. 2. de solert. anim. 1. Ap. Lac. p. 244.. Wie allgemein aber namentlich in Sparta Uebung der lyriſchen Kunſt war, zeigt auch die Theilnahme der Frauen daran, die Alkman doppelt berechtigte auf ihr Lob ſtolz zu ſein:
Derſelbe Dichter ruͤhmt um der Geſchenke der ſuͤßen Muſen willen die gluͤckſelige Jungfrau, die blonde Megaloſtrata4Frgm. 27. bei Ath. 13, 600 f. , neben die man als Lyrika noch die Kleitagora5Schol. Ariſt. Lyſiſtr. 1239. Suid. s. v. Κλειτ. Olear bei Wolf Frgm. mul. 2, 145. Fabric. Bibl. Gr. 2. p. 117. Harl. (doch iſt ihr Vaterland noch im Streit), und als Hymnendichterin die Myia6S. ebenda 1 p. 883.; außer Sparta aber die Argeiiſche Teleſilla7Wolf a. O. p. 62. Fabric. 2. p. 157. — zugleich Saͤngerin und Heldin8Ich will dieſen ſchoͤnen und aͤchtdoriſchen Charakter dadurch nicht vernichtet haben, daß ich das einzelne und beſtimmte Ereigniß, wie ſie Kleomenes in die Flucht geſchlagen, fuͤr fabelhaft exklaͤre (oben Bd. 2. S. 173, 2.), wovon ich auch jetzt noch nicht abgehe, obgleich das ἐκ πε - ϱιουσἰας uͤber das Relief (nicht Bildſaͤule) derſelben im T. der Aphrodite Geſaate als bloße Meinung, nicht als Argument gelten ſoll. —, die Sikyonerin Praxilla, die als Dithy - ramben - und Skoliendichterin das freie Leben der Frau - en in Sikyon bezeugt9Fabr. 2. p. 135., u. Aa. ſtellen mag. Stritten doch ſelbſt in den muſiſchen Wettkaͤmpfen auf dem Iſth -375 mos Frauen mit1Plut. Sympoſ. 5, 2. p. 206.. — Wie viele Lyriker nur ihre Zeit, wie viele nur ihre Heimat kannte: moͤgen wir daraus abnehmen, daß Pindaros einen Aegineten beſingend ganz beilaͤufig zwey Saͤnger eines und deſſelben Ge - ſchlechts, die Theandriden Timokritos und Euphanes, erwaͤhnt2Aegin. p. 143. vgl. Diſſen Expl. p. 381.; uns ſind von Doriſchen Staͤdten außer den ſchon beilaͤufig angefuͤhrten noch bekannt geworden: der heitere Dichter und Muſiker Laſos von Hermione, der den Dithyramb nach Arion und die Aeoliſche Tonart vor Pindar ausgebildet, der Sikyoniſche Paͤanendich - ter Ariphron, von Rhodos der Weiſe Kleobul, der zugleich Lyriker, und das eigenthuͤmliche Genie des Timokreon, der die Doriſche Kithar zur heftigen Satire gegen Simonides und Themiſtokles ſpannte, gegen den letztern durch Athens wirklich ungerechtes Verfahren auf den Inſeln aufgebracht3S. oben S. 148, 1. uͤbrigens Fa - ricius.: Spaͤtre uͤbergehn wir.
Hiermit iſt freilich weiter nichts geſagt, als die Thatſache fixirt, daß die choriſche Lyrik beſonders und vorzugsweiſe bei den Doriern heimiſch war. Wo - von dieſe wiederum abhange und abzuleiten ſei, kann eigentlich nur eine Geſchichte der helleniſchen Lyrik uͤberhaupt lehren — eine der ſchoͤnſten aber auch ſchwie - rigſten Leiſtungen, die unſre Zeit erwartet. Indeß noͤthigt der Zuſammenhang dieſes Buchs hier eine An - ſicht aufzuſtellen, der die Kuͤrze des Vortrags und der geringe Anſpruch, den ſie an dieſer Stelle macht, zur Entſchuldigung gereichen moͤge. Erſtens glaube ich, werden wir den Weg derer ganz verlaſſen muͤſſen, die durch ſtetigen Fortgang aus dem Epos die Lyrik ent - wickeln wollen. Das Epos aus der Achaͤiſchen Epoche376 entſtanden1Es iſt freilich kekk, uͤber Gegenſtaͤnde ſo verwickelter For - ſchung Unbewieſnes in den Noten auszuſprechen, aber der Zuſam - menhang fordert die Bemerkung, daß ich Homers Dialekt, ſo wenig als ihn ſelbſt, fuͤr urſpruͤnglich Ioniſch halte, und den Ionismus darin nur als einen durch herrſchende Rhapſodenſchulen aufgetrag - nen Ton anſehe., einen eigenthuͤmlichen Dialekt bis zum Untergange bewahrend, und nach alter Weiſe von allen Hellenenſtaͤmmen2Epiker Doriſchen Stamms waren Eume - los von Korinth, Kinaͤthon der Lakone, Augeas von Troezen, Pei - ſandros von Rhodos, Panyaſis von Halikarnaſſ, und fuͤr das philo - ſophiſche Lebrgedicht Empedokles von Akragas. fortgeuͤbt, zeigt nirgends den Keim, ein ſo gaͤnzlich Verſchiedenes hervorzubringen; und wie verſchieden war doch von der Recitation eines einzelnen Aoͤden der gottesdienſtliche Geſang eines Chors. Ge - ſaͤnge auf Feſtzuͤgen, auf dem Wege zum Tempel, waͤh - rend des Opfers gab es ſicherlich, ſeit Hellenen und Helleniſche Sprache, und zwar auf mancherlei Weiſe bei mancherlei Culten: bei keinem aber ſo fruͤhzeitig geregelt und Maaß mit Kraft ſo vereinigend als bei dem Apolliniſchen; aus dem, wie oben gezeigt3S. beſonders Bd. 2. S. 349., die alten Nomen, die Paͤanen und Hyporcheme, die Proſodien, Parthenien, Daphnephorika, Tripodephorika ganz oder zum Theil hervorgegangen ſind. Da dieſer Cultus nun von Urſprung Doriſch, und die bedeutend - ſten Cultusoͤrter fortwaͤhrend in Doriſchem Lande gele - gen waren: ſo iſt einzuſehen, wie in der Cultuspoëſie, der choriſchen, der Doriſche Dialekt vorwiegen mußte. Die Form derſelben war im Ganzen urſpruͤnglich eine Doriſche Nebenform des epiſchen Hexameters: in die - ſem Rhythmus gingen die alten Nomen der Hymnoden Philammon, Olen, Chryſothemis4Bd. 2. S. 349. wo ich aber hier zu be - richtigen habe, daß μέλη bei Plut. Muſik 3. nach dem Zuſammen -. Dieſe uralten377 Weiſen, die man ſang und zu denen man tanzte, muͤſſen von dem Vortrage der Homeriſchen Rhapſoden ſehr verſchieden geweſen ſein, dem erſt Terpandros, wie den Geſetzen des Lykurg1Oben Bd. 2. S. 134. wo derſelbe Irrthum zu berichti - gen. Die Geſetze wurden ohne Zweifel epiſch oder elegiſch abge - faßt, moͤglich von Terpandros ſelbſt, der auch ἐποποιὸς, und πϱοοί - μια zur Einleitung Homeriſcher Geſaͤnge dichtete. Doch dichtete derſelbe auch Skolien, wohl der Doriſchen Art, Plut. Muſ. 8., und Spondiaka in Doriſcher Tonart, wie das herrliche bei Klem. Al. 6. p. 658.: Ζεῦ πάντων ἀϱχὰ, πάντων ἡγῆτοϱ Ζεῖ, Σοὶ πέμπω ταύταν ὕμνων ἀϱχάν. Auch ſeine ἔπη waren, wenigſtens zum Theil, in Doriſchem Dialekt, in welchem auch die aͤltern Or - phika nach Jamblich und viele Delphiſche Orakel, von denen Beil. 4., gedichtet waren., Melodien nach beſtimmten No - men zugefuͤgt haben ſoll, die jene Cultushymnen von Anfang hatten; die Tonart aber, in der ſie geſetzt wa - ren, kann keine andere geweſen ſein als die Doriſche. Das Beſtreben zu vermannigfaltigen hat wahrſcheinlich dabei begonnen, den ſechsfuͤßigen Daktylen in verſchieden - artige Reihen zu brechen, um daraus neue Ganze zu conſtruiren, wodurch denn eigentlich erſt das Antiſtrophi - ſche moͤglich wurde; und wenn mehrere ſolche abge - brochne Daktyliken von Alkman den Namen tragen2Worauf auch das: numeros minuit in carmine (Welcker p. 11.) geht., ſo hat er doch gewiß nicht den erſten Anfang darin gemacht. Dabei muß man aber immer noch den anapaͤſtiſchen Marſchliedern einen beſondern, in der eigenthuͤmlichen Veranlaſſung gegebnen, Anfang zugeſtehn; auch Paͤanen4hang nichts von lyriſchen Maaßen ausſagt, ſondern blos Melodieen bezeichnet, und das μέλη πεϱιτιϑέναι τοῖς ἔπεσι der alten Me - lopoͤen nicht ein Vermiſchen des Hexameters mit andern Maaßen, ſondern blos die muſikaliſche Compoſition anzeigt. Die Erinnerung verdanke ich Boͤckh.378 und Hyporcheme gingen gewiß nie nach hexametriſchen Nomen; muß ja doch auch das Paͤoniſche Genus wenig - ſtens aͤlter als Alkman ſein, der ſchon Kretiſche Hexa - meter hat. In Alkman iſt aber uͤberhaupt ſchon eine große Fuͤlle von Versmaaßen, wovon der Grund darin liegt, daß zu ſeiner Zeit Terpandros die Helleniſche und Aſiatiſche Muſik vermittelt hatte; auch hatte jener Saͤnger ſelbſt ſeiner Herkunft nach ohne Zweifel eine Hinneigung zur Lydiſchen Tonart, in der offenbar eine große Anzahl ſeiner Lieder, in denen das Logaoͤdiſche vorwaltet, geſetzt waren1Z. B. das herrliche Frgm. 10. bei Welck.; dazu kennt er Phrygiſche Melodieen2Frgm. 63.. Seine mannigfachen Versmaaße ſind aber ſelbſt nur Ausdruck ſeiner vielſeitigen Muſe, die bald die Eoͤtter in feierlichen Choͤren verehrt, bei de - nen er ſelbſt mittanzend die ſuͤß und feierlich ſingen - den Jungfrauen anfleht, ſein Alter zu unterſtuͤtzen, bald an der Thuͤre des Brautgemachs muthwillige Lie - der voll bluͤhenden Lebensgenuſſes auffuͤhrt, lund uͤppi - ger noch und ſchaͤkernder die Schoͤnheit badender Maͤd - chen preist, bald mit jovialer Laune Mahl und Wein beſingt — die allerunwiderſprechlichſte Widerlegung der einſeitigen Vorſtellung von duͤſtrer Strenge und An - muthloſigkeit des Lebens in Sparta, wo man ja doch dieſe Lieder bis in Epaminondas Zeit mit Luſt und Liebe ſang3Ein alter erotiſcher Dichter war auch Ametor von Eleutherna auf Kreta, Athen. 14, 638 b., von dem ein Geſchlecht Kithariſten daſelbſt Ἀμητοϱίδαι hieß. Heſych s. v., nach dem Athen. und Etym. M. 83, 15. zu verbeſſern ſind. Ὁ τοὺς Εἱλώ - τας πεποιηκὼς (Eupolis wohl nicht, ſondern eher ein Doriſcher Dichter, wie Athen. 9, 400 c. und beſonders Herodian π. μον. λεξ. 10, 34. vgl. 26, 28. Dind. abnehmen laſſen) klaat bei Athen..
Wenn das Weſen der Kunſt darin beſteht, daß ſich ein innerliches Leben in einer ſinnlich wahrnehm - baren Form auf eine entſprechende und genuͤgende Weiſe darſtelle; ſo werden wir dem Doriſchen Stamme uͤberhaupt ſehr viel Kunſtſinn zuſchreiben, weil ſeine Richtung, wie wir mehrmals bemerkt haben, weit mehr auf das Darſtellen als auf das Wirken und Schaffen geht: was freilich von dem Helleniſchen Leben im Gegenſatze der neuern Zeit im Ganzen gilt, von dem Doriſchen aber doch in mehrfacher Beziehung als von irgend einem andern. Von dieſem kann in der That geſagt werden, daß es das geſammte Leben als Kunſt, und den ausgebildeten Menſchen mehr noch, als Bil - der aus Stein und Erz, als Kunſtwerk anſah. Eben ſo gewiß iſt ferner, daß dieſe aͤußerliche Darſtellung bei den Doriſchen Hellenen insbeſondre, wenn nur die Mittel reichten, das Gepraͤge des Schoͤnen tragen mußte — (welchen Begriff wir ſonſt von dem der Kunſt fuͤr geſchichtlich verſchieden und trennbar hal - ten): da das Schoͤne, und zwar in einem ſehr vraͤ - gnanten Sinne genommen und auf eine ſehr beſtimmte Weiſe aufgefaßt, fuͤr das Doriſche Leben eine Idee von der groͤßten Bedeutung war. „ Gebet uns das Gute ſammt dem Schoͤnen “war der Spartiaten Ge - bet1Bd. 2. S. 410.; wer die oͤffentliche Erziehung genoſſen, war des Schoͤnen in der Stadt theilhaft2Oben S. 300, 6. 7.; das ganze Leben314, 638. daß es altvaͤteriſch gelte, die Lieder des Steſichoros, Alkman und Simonides zu ſingen, dagegen hoͤre man uͤberall den Gneſipp, der den Buhlern Staͤndchen gedichtet, um durch Jam - byke und Trigonon die Frauen hervorzulocken. Das oft mißver - ſtandne Fragment ſcheint in logaoͤdiſchem Versmaaße, vom Doriſchen Dialekt hat es nur wenig. Die Heloten waren vielleicht ein Mi - mos.380 durchdrang, wenn auch keine laute Begeiſterung, eine um deſto tiefer gewurzelte Achtung vor dem Schoͤnen, die ſich ſchon in dem aͤlteſten Erzeugniß des Volks, der Religion, ausſpricht.
Wir erlauben uns hier einige Bemerkungen uͤber bildende Kunſt anzuknuͤpfen; in denen wir indeß um ſo kuͤrzer ſein duͤrfen, da dieſer Zweig menſchlicher Thaͤtigkeit vom nationalen Leben, namentlich in kleine - ren Abtheilungen, minder ſtreng abhaͤngt, als die mu - ſiſche Kunſt, die Theil der Volkserziehung, waͤhrend jene der Pflege Weniger uͤbergeben iſt. Obgleich es, wie ſchon hieraus erhellt, ſchwer anzugeben ſein wird, was in der alten Bildhauerei dem Doriſchen Volk - ſtamme eigenthuͤmlich und von ihm ausgegangen ſei: werden wir doch Einiges in Bezug darauf ſchon aus dem Gegebnen abnehmen koͤnnen. In dem Doriſchen Leben herrſchte eine gewiſſe geſunde Sinnlichkeit, ein Gefallen an unverhuͤllter kraͤftiger Natur. Daß die - ſes der bildenden Kunſt entgegengekommen ſei und ſie ungemein beguͤnſtigt habe, laͤßt ſich vorausſetzen, und mit welchem Auge der menſchliche Leib in den Kunſt - ſchulen dieſes Stamms ſtudirt und verſtanden worden iſt, davon geben erhaltne Werke derſelben den Beweis. Die durch Gymnaſtik und Waffenuͤbung gezeitigte und veredelte phyſiſche Schoͤnheit des Stammes1Oben S. 282. 313. fuͤhrte das Studium auf die richtigen Wege; und die vor - herrſchende Religion, der Cultus des Apollon, zeigt durch das Energiſche der Geſtalt und das Plaſtiſche der Attribute des Gottes eben ſo das urſpruͤngliche Talent des Stammes fuͤr bildende Kunſt, als er die - ſelbe in einer Stufenleiter von Darſtellungen zum Hoͤchſten zu fuͤhren geeignet war. Auf der andern381 Seite laͤßt ſich aber zugleich aus manchem Obigen ab - nehmen, daß die Dorier auch die Kunſtſchoͤnheit mehr nach der Seite des Maaßes, der Beſchraͤnkung und Ordnung werden geſucht haben, als in einer Fuͤlle von Reiz, Anmuth und Schmuck; und wie ſehr paßt dies um den Charakter der Doriſchen Baukunſt zu bezeich - nen. Dazu kommt endlich das Ruhige und Beſtaͤndi - ge der Doriſchen Sinnesart, die an dem Gebrauch der Vaͤter mit Vorliebe und Pietaͤt feſt zu halten pflegte, gewiß eben ſo in der Plaſtik wie in der Muſik.
Obgleich die hiſtoriſche Ueberlieferung hier nicht langt, dieſe Anſicht conſequent zu belegen und zu be - gruͤnden, ſo ſtimmt doch, was ſie charakteriſirendes enthaͤlt, mit derſelben wohl uͤberein. Erſtens bezeugt ſie fruͤhen und eifrigen Betrieb der bildenden Kunſt in mehrern Doriſchen Staͤdten: zuerſt vielleicht in Kreta, der aͤlteſten Heimat Doriſcher Bildung1Vgl. Bd. 1. S. 359., dann in Ae - gina2Aeginet. p. 96 sq. wel - cher Abſchnitt, dem gutmuͤthigen Intereſſe zu danken, das einige treffliche Gelehrte daran genommen, naͤchſtens ganz erneuert als Beilage zu dem Buch erſcheinen ſoll., Sikyon, Korinth, Argos3Thierſch Epochen 2. S. 27., Sparta; denn daß auch dieſe Stadt beſonders in den Zeiten der Per - ſerkriege eines regen Kunſtbetriebes nicht entbehrte, hat man fruͤher nur aus vorgefaßter Meinung uͤberſehen koͤnnen4Oben S. 29.. Aus Sikyon ging der Apollon des Kana - chos hervor, von dem wir oben einen Begriff zu geben ſuchten5Bd. 2. S. 360. Fuͤge noch die Bruͤder Ariſton und Teleſtas hinzu, nach Pauſ. 5, 23, 6.; und ungefaͤhr zur ſelben Zeit ſchuf nach unſrer Meinung6Denn ich glaube wirklich, daß dieſe Darſtellung des Siegs der Aeakiden uͤber Troja an dem Tempel des Helleniſchen Zeus, mit die damals bluͤhende Kunſt der382 Aegineten die Heroengruppen, deren Fragmente ziem - lich die einzige ſichere Kunde uͤber die Eigenthuͤmlich - keit der Aeginetiſchen Schule gewaͤhren: denn was uns ſonſt Pauſanias und Andre berichten, laͤuft darauf hinaus, daß man in Aegina viel Idole der alleraͤlteſten Weiſe arbeitete, und eine gewiſſe Strenge des Styls laͤnger feſthielt als in Attika. Jene Fragmente aber bezeugen, wie wir ſchon andeuteten, die Lebhaftigkeit in der Auffaſſung und die Treue in der Nachahmung der menſchlichen Natur, die in den meiſten Punkten vollendet zu nennen iſt, und Bewunderung, ja Erſtau - nen erregt. Auf der andern Seite ſieht man die Ach - tung vor der Sitte der Vaͤter noch in den typiſchen Geſichtern der Heroen, denen offenbar eine helleniſche Nationalphyſionomie, nur unſchoͤn und anmuthlos auf - gefaßt, aus fruͤhern Zeiten zu Grunde liegt; und daß dies noch in derſelben Zeit geſchah, als Athen ſchon jede Feſſel der Art abgeworfen, iſt allerdings ein Do - riſcher Charakterzug1Vgl. Schellings Bemerkungen zu Wagners Bericht S. 18. 140. der zuerſt den Begriff einer Doriſchen Bildkunſt angeregt hat.. Uebrigens geſtehn wir freilich, daß dieſe Werke noch manches andre Beſondre haben, was grade nicht aus der Eigenthuͤmlichkeit des Stam - mes abzuleiten iſt.
6deutlicher Hindeutung auf Perſiſches Coſtuͤm in einer Figur der Feinde, einem Pindariſchen Gedicht zu vergleichen iſt, das die ge - genwaͤrtige Ehre durch die Bilder mythiſcher Thaten darſtellt und verherrlicht.
Wir fanden im Obigen als die einheimiſche und originale Poëſie des Doriſchen Volkſtammes nicht das Epos, ſondern die Lyrik, die nicht ein aͤußerlich Wahrgenommenes, ſondern ein innerlich Em - pfundnes mittheilen will; doch mit der Beſchraͤn - kung, daß dieſes Empfundne ſeiner Natur nach nicht blos perſoͤnlich ſei ſondern allgemein werden koͤnne, wie es der Charakter des Volkſtammes fordert, der weit mehr in der Geſammtheit als individuell lebte. Eben ſo mußte ohne Zweifel in der proſaiſchen Mit - theilung die Erzaͤhlung zuruͤckſtehn gegen den Aus - druck des Gedankens; und es iſt deutlich, daß die Hiſtorie bei den Doriern weder ihre Entſtehung, noch erſte Bildung finden konnte. Dieſe verdankte ſie ein - zig den Joniern, die, vom Beduͤrfniſſe ausfuͤhrlicherer Mittheilung des Geſchehenen aus, mit der Schriftſtel - lerei in Proſa1Nur von dieſem allgemeinen Satze aus erklaͤrt ſich, war - um auch die Koiſchen Aerzte ioniſch ſchrieben. zugleich die Geſchichtſchreibung in Gang brachten. Indeß blieb dieſelbe in ihrem Fort - gange doch auch den Doriern nicht fremd, wie denn384 die Spartiaten den Polyhiſtor Hippias von Elis am liebſten von den Geſchlechtern der Heroen und der Menſchen, den Niederlaſſungen, die in alter Zeit die Staͤdte gegruͤndet, und dem Alterthum im Allgemei - nen reden hoͤrten1Platon Hipp. mai. 285 c. vgl. Plut. Lyk. 23. So wur - de auch Dikaͤarchs Πολιτεία Σπαϱτιατῶν jaͤhrlich in Sparta im Ephoreion abgeleſen, nach Suid. s. v. Δικ. und fruͤher fand Heka - taͤos der Mileſier dort guͤnſtige Aufnahme, Plut. Lak. Ap. p. 199. . Wobei wahrzunehmen iſt, daß die Dorier offenbar weit mehr Antheil nahmen an den Thaten und Begebenheiten der Vorzeit, als der zeiti - gen Gegenwart, (eine gewiſſe Vorliebe fuͤr den My - thus aͤußerte ſich auch in ihrer Lyrik,) auch dies im Gegenſatz des Joniſchen Stammes, der durch ſeine natuͤrliche Anlage, Verfaſſung und Weltſtellung auf Laͤnder - und Voͤlkerkunde und das bewegte Leben des Tages gewieſen war. Daher es zwar unter denen Logographen, die epiſche Stoffe proſaiſch behandelten, Dorier gab, wie Akuſilaos, aber die Zeitgeſchichts - ſchreiber faſt einzig Jonier und Attiker waren2Dies gilt von fruͤhern Zeiten; denn ſpaͤter finden wir auch un - ter den Doriern Hiſtoriker genug. Als Lakedaͤmonier kommen bei Athen. Nikokles und Hippaſos (vgl. Schweigh. zu Ath. Ind. p. 129.), bei Plut. u. A. Ariſtokrates, Pauſanias bei Suid., Diophant bei Fulgentius, ſehr haͤufig Soſibios vor. vgl. Heeren de font. Plut. p. 24. ſonſt Meurſ. Misc. Lac. 4, 17. Zweifelhaft iſt der Λαοκϱά - της, ὁ Σπαϱτ. bei Plut. de mal. Herod. 35. Derkyllos, den Argeier, nenne ich, weil er im Dialekt ſeiner Vaterſtadt ſchrieb, Valck. ad Adon. p. 274. vgl. ad Phoen. Schol. p. 7. adde Schol. Vratisl. Pind. O. 7, 49. ; denn Herodot, der fruͤher lange in Samos, dann auf Rei - ſen, als er ſchrieb in Thurioi lebte, kann kaum mehr fuͤr einen Dorier gelten3Wenn man nicht ſeine Religioͤſitaͤt und eine gewiſſe kindliche Einfalt, die um ſo ſeltſamer in ihm erſcheint, wenn man bedenkt, daß er ziemlich zur ſelben. — Warum aber auch die385 politiſche Redekunſt, und in der Philoſophie die Dia - lektik den eigentlich Doriſchen Voͤlkern fremd war — denn die Sikuliſche Rhetoren - und Sophiſtenſchule hat offenbar blos in dem beſondern Charakter dieſer Inſu - laner ihren Urſprung1Man vgl. oben S. 159. und denke an Gorgias den Leon - tiner, und daß Hippias ſelbſt aus kleinen Staͤdten Sieiliens, wie Inykos, ſolche Summen gewann. — Sparta dagegen hatte wie Argos (oben S. 146.) und Kreta keine Redner, Cic. Brut. 13. Tac. dialog. 40. und die Rhetorik (als τέχνη ἄνεν ἀληϑείας Plut. und Apoſtol. 13, 72.) war vom Staate ausgeſchloſſen, Atben. 13, 611 a. Kephiſophon ὁ ἀγαϑὸς μυϑητάς wurde verbannt, Plut. Inst. Lac. p. 254. Apoſtol. 19, 89., und die Ephoren be - ſtraften jeden, der eine fremde Redeweiſe in den Staat brachte, wie man aus Kreta τοὺς ἐν λόγοις ἀλαζονευομένους jagte. Sext Empir. adv. mathem. 68 b. Auch giebt es keine beſſre Critik ſophiſtiſcher Panegyriken, als das Lakoniſche: τίς αὐτὸν ψέγει; — und beider Ausbildung, wie die der eigentlichen Dramatik, den Athenern auf - gehoben bleiben mußte, iſt leicht einzuſehn; die Rede - kunſt insbeſondre konnte ſich erſt ergeben, wenn jene innerliche und aͤußerliche Richtung verſchmolzen, und in beſtimmter Beziehung auf den Empfangenden dar - geſtellt wurde.
Dagegen hat anſtatt der Attiſchen Dialektik und δεινότης im Reden der Doriſche Stamm eine eigenthuͤmliche Weiſe ſich auszudruͤcken, die ich indeß durch das Gnomiſche, Apophthegmatiſche, Spruchartige bezeichnen will. Der eigentliche Grundzug iſt das Streben, mit moͤglichſt wenig aͤußer - lichen Mitteln moͤglichſt viel innres Leben mitzutheilen, und vom Unweſentlichen abſehend den Kern des Gedan -3Zeit ſchrieb wie Thukyd., fuͤr Doriſche Zuͤge halten will. Doch fehlt ihm zum Dorier vor allem ein praͤgnanter Begriff vom Staate.III. 25386kens zu bezeichnen oder anzudeuten. Aus dieſem Ge - ſichtspunkte erklaͤren ſich vielleicht alle einzelnen Merk - male dieſer Redeweiſe. Die Voruͤbung dazu iſt jenes an ſich haltende Schweigen, wie es Pythagoras von ſeinen Schuͤlern, und Sparta’s Erziehung von den Juͤnglingen forderte1Oben S. 268.; beide ſetzten innre Geiſtesthaͤ - tigkeit voraus, die dadurch nur an Intenſitaͤt gewinnen, gleichſam in ſich gedraͤngter und kerniger werden ſollte2Plut. de garrul. 17. . Daraus mußte denn die ausnehmende Kuͤrze der Rede hervorgehn3ἡ βϱαχυλογία ἐγγὺς τῷ σιγᾷν, Lykurg nach Apoſtol. 9, 69.; die als allgemeiner Charak - terzug der aͤchten Dorier, beſonders bei den Sparti - aten4S. beſonders Demetr. de elocut. 8. 241 sqq. , Kretern5Kreta ſtrebt nach Platon Gef. 1, 641. mehr nach πολύνοια als πολυλογία. und Argeiern6Pind. I. 5, 55. Sophokl. bei den Schol. (6, 87.) gefunden wurde, und zu der breiten Fluth Joniſcher Rede, die in ihrem Zuge alles Begegnende wie mit immer neu anſchwellen - dem Wellenſchlage umſpuͤlt, und dem raſchen und ge - waltig vordringenden Strome Attiſcher Rede einen merkwuͤrdigen Contraſt bildete. Wie uralt beſonders der Ruhm Spartiatiſcher Brachylogie geweſen, geht daraus hervor, daß ſie Homer ſchon dem Menelaos beilegt7Il. 3, 213. welche Stelle auch die Schol. Ven. Euſt. p. 406 R. und Tzetz. Chil. 5, 317. auf Lak. βϱαχυλογία beziehen.:
Nur Einzelnes redet er fluͤchtigWortkarg aber mit Kraft. Nicht uͤbt’ er geſchwaͤtzige Zunge,Aber das Wort traf ſicher; auch ſtaͤrkt’ ihm ſein Adel dieSeele:
worin ganz deutlich iſt, daß das Naturel der Doriſchen Lakonen prochroniſtiſch auf die fruͤhern Bewohner des387 Landes uͤbertragen iſt1Vgl. die entſprechende Bemerkung oben S. 287, 5.. Man kann nun dieſe Weiſe des Ausdrucks doppelt, entweder als Zeichen eines Gemuͤths faſſen, das ſich mit der moͤglichſt einfachen Bezeichnung des Mitzutheilenden begnuͤgt, und den nackten Gedanken ohne ſchmuͤckende Gewandung giebt, wie Steſimbrotos der Thaſier dem gewandten und redſeligen Athener das Edelgeartete und Aufrichtige des Peloponneſiers entgegenſtellt, der ſchlicht, prunklos, aber in der Hauptſache wacker ſei2Bei Plut. Kimon 4.: oder zweitens eine abſichtliche und ſich ſelbſt wohlgefallende Weiſe zu reden darin ſehn, die durch den Contraſt der Schwere des Gedankens und des geringen Aufwands an Worten doppelt imponiren will. Beide Anſichten ſind wohl nach Umſtaͤnden zulaͤſſig, die letzte ſicher in den meiſten Faͤllen. Halbſcherzend, aber doch im Grunde ernſthaft, ſagt der Platoniſche Sokrates3Protag. 342. Auf die Stelle be - zieht ſich Plut. Lyk. 20. extr. Wenn Thuk. 4, 84. von Braſidas ſagt, ἦν οὐδὲ ἀδύνατος ὡς Λακεδαιμόνιος λέγειν, meint er wohl nicht, daß die Lak. unvermoͤgend zu reden, ſondern zielt nur auf ihre eigenthuͤmliche Ausdrucksweiſe., daß Kreta und Sparta unter den Hellenen die aͤlteſte Philoſophie und die meiſten Sophiſten habe; nur daß dieſe ihre Kunſt verheimlichten und ſich unwiſſend ſtell - ten; daher wenn einer mit dem geringſten der Lakedaͤmo - nier converſirt, dieſer zuerſt zwar ihm als ein ſchlechter Sprecher erſcheint, ploͤtzlich aber wirft er irgendwo ein beachtungswerthes Wort dazwiſchen kurz und zuſam - mengezogen wie ein gewaltiger Wurfſpießſchleudrer, ſo daß der Unterredner ihm gegenuͤber wie ein Knabe daſteht. Und dieſe Weisheit und Kunſt theilen dort auch die Weiber mit den Maͤnnern. — Daß ſchon in25 *388der Brachylogie eine Art von Witz liegt, iſt an einzel - nen Beiſpielen leicht nachzuweiſen, aber gewoͤhnlich geht dieſer noch aus andern Momenten hervor. Bald iſt es eine gewiſſe Naivetaͤt der Sitte im Gegenſatz der verfeinerten Cultur, welche den Spruch zum Witze macht, wie in der Antwort des Spartiaten, der ſich einen Fiſch gekauft, und nun zum Bereiten deſſelben dem Garkoche noch Kaͤſe und Oel und Eſſig geben ſoll - te: ja wenn ich das haͤtte, haͤtte ich keinen Fiſch ge - kauft1Plut. Lak. Ap. p. 242. Aehnlich das: αὐτᾶς ἄκουκα τή - νας Plut. Lyk. 20. vgl. reg. ap. p. 129. ; oder es iſt eine ſittliche Erhebung, von deren Standpunkt die aͤußern Umſtaͤnde einen entgegengeſetz - ten Anblick gewaͤhren als in der gewoͤhnlichen Betrach - tungsweiſe, wie in dem Apophthegma des Dienekes: wenn die Perſer die Luft mit der Zahl ihrer Pfeile verdeckten, wuͤrden ſie im Schatten fechten; oder es iſt eine gewiſſe Schaͤrfe und Bitterkeit, die ſich ver - huͤllt nur deſto ſtaͤrker ausdruͤckt, wie in dem Urtheil des Lakonen uͤber Athen, wo jegliches Gewerbe und Treiben geduldet wird: Alles iſt ſchoͤn dort2Lak. Apophth. p. 245. ; oder es ſind mancherlei Empfindungen komiſcher Art in einen Ausdruck zuſammengezogen, wie in dem uͤberaus witzi - gen Apophthegm eines Manns, der bei ſeinem haͤß - lichen Weibe einen Ehebrecher trifft3p. 244. vgl. das Ap. bei Plut. de frat. am. 8. p. 44. : Du Aermſter, wer zwingt dich denn? Es muß aber in Sparta eine kraͤftige, ſchlagende und durch Lebendigkeit der Bilder anſprechende Redeweiſe ſehr gewoͤhnlich geweſen ſein, wie man faſt an allen bei Herodot auftretenden Spar - tiaten wahrnimmt4Das Bildliche und zugleich Intenſive zeigt ſich beſon - ders in Kleomenes Anrede des Krios, in Bulis und Sperthis Re -; ich glaube daß ſie zu den aͤlteſten389 Sitten des Doriſchen Stammes gehoͤrte. In Kreta hatte ſich dieſelbe, nach dem einheimiſchen Schriftſtel - ler Soſikrates1Bei Ath. 6, 261 c. , zu Phaͤſtos erhalten; man uͤbte hier ſchon die Knaben ſehr fruͤh in Scherzreden, und die Apophthegmen von Phaͤſtos waren auf der ganzen In - ſel beruͤhmt. Grade ſo wurde auch in Sparta jene eigenthuͤmliche Weiſe des Ausdrucks ſchon den Knaben eingepflanzt; der Eiren legte ihnen Fragen vor zu ſchneller und treffender Beantwortung2Plut. und Herakl. Pont. 2.; man gewoͤhnte ſie ihren Reden eine gewiſſe Bitterkeit und zugleich einen eignen Reiz zu geben3Plut. Lyk. 17. 19.. Hernach naͤhrten und beſchaͤftigten dieſe Neigung die vielerlei Gelegenheiten, wo das oͤffentliche Leben Spott und Verhoͤhnung als Mittel der Beſſerung brauchte4Oben S. 224.; beſonders wurde am Feſte der Gymnopaͤdien bei der allgemeinen Heiterkeit auch dem Witze der freiſte Lauf gelaſſen5Dies ſchließe ich aus der S. 343. angeſ. St. des Pollux, verglichen mit Leoty - chidas χλεύασμα an den Gymnopaͤdien bei Herod. 6, 67.. Im taͤgli - chen Leben ſchien Spott und Scherz beſonders bei den oͤffentlichen Mahlen an ſeiner Stelle6Xen. Staat 3, 5. Oben S. 278, 2.; ihn ertragen zu koͤnnen, galt auch als Zeichen eines Lakoniſchen Ge - muͤths; doch durfte, wer ihn uͤbel empfand, den Spoͤtter abzulaſſen bitten, und der Andre mußte ihm dann Folge leiſten7Plut. Lyk. 12. vgl. Maer. Sat. 7, 5. . Aehnliche Sitten bluͤhten in fruͤhern Zeiten auch außer Sparta; unter den Freiern der Agariſte im Hauſe des Tyrannen von Sikyon4de zum Hydarnes „ nicht mit Lanzen, mit Beilen wuͤrdeſt du uns dann rathen um die Freiheit zu kaͤmpfen “, und wie Amompharetos den Steinblock als Stimmſtein vor Pauſanias Fuͤße wirſt.390 fanden nach dem Mahle Wettſtreite ſtatt in muſiſcher Kunſt und gemeinſamer Rede1τῷ λεγομένῳ εἰς τὸ μέσον, Herod. 6, 129., die wir uns nach der Stelle des Homeriſchen Hymnus auf Hermes2V. 55. den - ken moͤgen, wo bluͤhende Juͤnglinge einander beim Mahle mit kekken Scherzreden angreifen, und der alt - deutſchen Kurzweile bei Tiſche nicht unaͤhnlich, nach der Stelle des Dichters: gaͤmelicher Spruͤche wart do niht verdeit3Nibelungen Lied V. 6707. S. 345. v. d. Hagen 1820.. — In Sparta behielt man aber die alte Weiſe des geſelligen Ausdrucks laͤnger bei als anderswo; ſo fiel ſie ſpaͤter den Auslaͤndern als etwas Beſondres auf, deſſen etwas herber Reiz ihnen nicht immer anmuthen mochte. Aber vom richtigen Stand - punkte betrachtet, verdient dieſe Stadt keineswegs den Tadel allzu auſterer Sitte; nirgends wurzelte eine heitre Komik ſo tief im Leben; war es doch hier allein in Griechenland, wo auch dem Lachen eine Statue errichtet worden war4Soſibios bei Plut. 25. Es iſt bemerkenswerth, daß ſich bei den Spartiaten oͤfter der Cultus abſtrakter Begriffe, wie des Θάνατος, des Φόβος (ſ. oben S. 126.), der Τύχα (Plut. Inst. Lac. p. 253.) findet, aͤhnlich wie bei den Roͤmern, Plut. Kleom. 9.; noch Ageſilaos5Plut. Ageſ. 2. und Kleome - nes der Dritte6Kleom. 13. erheiterten bei allen Drangſalen ihres Lebens ihre Umgebung durch Witz und Laune.
Aber fuͤr die Bildungs - und Litteraturgeſchichte des Helleniſchen Volks hat dieſe nationale Weiſe des Ausdrucks mannigfache Frucht getragen. Erſtens nennt Platon mit Recht die ſogenannten Sieben Weiſen Nacheifrer, Liebhaber und Schuͤler der Lakedaͤmoniſchen Disciplin, und findet Uebereinſtimmung zwiſchen ihren Gnomen und der Redeweiſe der Lakonen7a. O. auch Plut. de garrul. 17. . Auch ſind391 drei, oder wenn wir Myſon mitrechnen, ohne Perian - dros zu ſtreichen, vier von ihnen Doriſcher Abkunft, Cheilon ein Spartiat, (und von dieſem hieß die Weiſe des Ausdrucks vorzugsweiſe die Cheiloniſche1Diog. L. 1, 72.); es mag aber zur Zeit derſelben mehrere Maͤnner aͤhnlicher Sinnesart gegeben haben, wie Ariſtodemos den Ar - geier2oder Spartiaten, ſ. die Stellen oben S. 11, 1. vgl. Diog. Laert. 1, 41. Noch Andre nennt Her - mipp ebd. 42.. Das Eigenthuͤmliche in allen dieſen Spruͤchen iſt nicht eine beſondre Weisheit, ſondern eine tuͤchtige Ge - ſinnung, die ſich ihrer eignen Grundſaͤtze bewußt wird, und dies wieder nicht durch Reflexion, ſondern durch ein ploͤtzliches Einleuchten. Nimmt man dieſen Ge - ſichtspunkt, ſo begreift man auch die Bewundrung, ich moͤchte ſagen, den freudigen Schreck, den Saͤtze, wie „ Erkunde dich ſelbſt, Folge dem Gott “bei den Zeit - genoſſen hervorbrachten, indem ſie ein Allen innerlich Bewußtes mit Energie und Klarheit zu Aller Genuͤge ausſprachen. Darum war auch der Pythiſche Apollon, von Doriſcher Nationalanſicht geleitet, dieſen Weiſen ganz beſonders hold, mit deren apophthegmatiſcher Weisheit ſeine eigne eine gewiſſe Verwandſchaft zei - get3So ſoll z. B. Apoll dem Gyges Aehnli - ches geantwortet haben, wie Solon dem Kroͤſos, Valer. Max. 7, 1, 2.: daß die Amphiktyonen jene Sentenzen an den Tempel zu Delphoi ſchreiben ließen, ſcheint faktiſch4Plut. a. O., und auch die Ernennung der Sieben durch das Orakel, wenn auch fabelhaft ausgeſchmuͤckt, doch auf ein wirk - liches Ereigniß gegruͤndet5Die Hauptſtelle daruͤber De - metr. Phaler. bei Diog. L. 1, 22. der ſie Ol. 48, 3. ſetzt, in das - ſelbe Jahr, in das die Pariſche Marmorchronik und zwar wohl nach demſelben (wenn auch unrichtig, Boͤckh Expl. Pind. O. 12. p. 207.) den erſten Pythiſchen ἀγὼν στεφανίτης ſetzt. — Auch der.
Da im Gnomiſchen und Apophthegmatiſchen das Beſtreben eben nicht vorherrſcht, den Sinn auf eine leicht verſtaͤndliche und ſchnellfaßliche Weiſe auszu - druͤcken: ſo liegt das umgekehrte ſehr nah, den Sinn zu verhuͤllen: und ſo iſt auch dies vorzugsweiſe den Doriern eigen. Daher von dieſem Volkſtamme der Griphus ausgegangen, und nebſt dem Epigramm von Kleobul dem Rhodier1S. Diog. L. 1, 89. vgl. Jakobs Comment. Anthol. T. 1. p. 194. und ſeiner Tochter Kleobuli - na2Athen. 10, 448 b. Ariſt. Rhet. 3, 2. Plut. VII. Sap. Conv. 3. 10. Menag. hist. mul. philos. 4. Davon Kratinos Κλεοβουλῖναι, uͤber die beſonders Schweigh. zu vgl. Ind. Athen. p. 82. beſonders ausgebildet worden war. Auch die Spartiaten liebten ihn3Ath. 10, 452 a. ; Epicharm nannte ihn λόγον ἐν λόγῳ4Euſt. ad Od. 9, 1634, 15 R. — Manche alte Griphen ſind in Doriſchem Dialekte, doch nicht conſtant; die Stelle des Diphilos von den Samiſchen Jungfrauen bei Ath. 10, 451. gehoͤrt ſchwerlich hieher.; und in der aͤltern Griechiſchen Bildung, die darin der orientaliſchen noch naͤher ſtand, war er uͤberhaupt ein beliebtes Mittel der Unterhaltung.
Dies fuͤhrt uns zunaͤchſt auf die ſymboliſchen Spruͤche der Pythagoreer, die wir Raͤthſel nennen koͤnnten, wenn ſie als ſolche aufgegeben, und nicht blos der Bedeutſamkeit und Eindruͤcklichkeit wegen in dieſer Form mitgetheilt worden waͤren. Es ſcheint aber, daß das Symboliſche ſo tief in der Sinnesart dieſer Philoſophen wurzelte, daß es nicht blos den Ausdruck, ſondern auch die Handlung beſtimmte; galt die ſinnbildlich dargeſtellte fuͤr unſittlich oder unphilo - ſophiſch, ſo vermied man auch die ſinnbildlich darſtel - lende5Alte. Dieſes Symboliſche, wie die Brachylogie5alte Branchos, der Mileſiſche Prophet, wird als Brachylog ge - nannt. Diog. L. 1, 72.393 und ein gewiſſer Witz des Ausdrucks zeigen, daß auch dieſe Spruͤche nicht wohl unter den Joniern, ſondern nur unter Doriern entſtehn konnten, und daſſelbe gilt von der geſammten Pythagoriſchen Philoſophie, welche neuere Forſcher der Geſchichte der Philoſophie mit Recht als die eigentlich Doriſche erkannt haben. Es iſt freilich wunderbar, daß es ein Mann von der Jo - niſchen Samos iſt, von dem dieſe Philoſophie ihren Anfang nimmt; aber erſtens iſt die Familie des Py - thagoras — welche, wenn man alle Nachrichten vereinigt, mit andern Samiern auf Samothrake unter Tyrrhe - nern lebte1Orchom. S. 438, 2. — urſpruͤnglich aus Phlius im Peloponnes gekommen2Bd. 2. S. 80., und blieb mit dieſer Mutterſtadt immer in einem gewiſſen Zuſammenhange, wie denn noch von einem Geſpraͤche des Philoſophen mit Leon, Tyrannen zu Phlius, erzaͤhlt wird3Cie. Qu. Tusc. 5, 3. Diog. L. 8, 8. Nach Diog. L. 7, 1. ſtammte Pyth. im vierten Geſchlechte von Kleonymos, der aus Phlius geflohen; dann waͤre er ſelbſt Dorier.: und zweitens muß zwar einerſeits Pythagoras allerdings den erweckenden Fun - ken, aus welchem die Philoſophie erwuchs, mit ſich nach Kroton gebracht, aber andrerſeits auch das Volk, unter dem er lebte — dies waren aber Dorier u. doriſir - te Achaͤer — beſonders dazu beigetragen haben, derſelben ihre eigenthuͤmliche Richtung u. Geſtalt zu geben. Denn Pythagoras Philoſophie iſt, wie jede wahre, nicht eine Deduktion aus dem Allgemeinen und Leeren, ſondern ein Ausſprechen eines ſchon gegebnen und innerlich ge - bildeten Seins nach der Seite der Spekulation hin; ein ſolches aber haͤtte aͤußerlich aufgepflanzt bald unter -5Schriftſteller uͤber dieſe fuͤhrt Fabric. an Bibl. Gr. 1. p. 788 sq. vgl. Creuzers Symb. 1. S. 104.394 gehn muͤſſen, es konnte nur dann Beſtand haben, wenn es mit dem innerlichen Weſen derer, die die Philo - ſophie aufnehmen ſollten, verwandt war. Daß die Re - ligion, an welche ſich dieſe Philoſophie anſchließt, Dori - ſchen Urſprungs war, iſt hinlaͤnglich nachgewieſen, die Apolliniſche naͤmlich1Bd. 2. S. 365.: deren Hauptinſtitut, der Del - phiſche Tempel, von den Alten in eine gewiß nicht erfundne Verbindung mit Pythagoras geſetzt wird; ſo daß er nach Ariſtoxenos2Bei Diog. L. 8, 21. vgl. Porph. Pyth. 41. der ſie Ariſtokleia nennt. ſelbſt die Grundlehren ſeiner Wiſſenſchaft von der Pythia Themiſtokleia empfangen haben ſoll; und eben ſo iſt auch ſchon bemerkt, daß die politiſche Einrichtung des Bundes auf den Grund - ſaͤtzen des Doriſchen Staatslebens beruhte. Was aber das uͤbrige Leben betrifft: ſo genuͤgt es, zum Erweiſe daß auch dies Doriſch, an die allſeitige Ausbildung der Pythagoreiſchen Frauen zu erinnern, einer Theano, Phintys, Arignote3Auch deren Schweigſamkeit iſt bemerkenswerth, Timaͤos bei Diog. L. 8, 17. Gale Opusc. myth. T. 1. p. 739. , an den Ernſt und die Ruhe des Lebens, an den Gebrauch der Muſik zur Beſchwichti - gung und Beſaͤnftigung von Leidenſchaften, an die Syſſitien und deren Heiterkeit, das Schweigen als Hauptmittel der Erziehung u. ſ. w. Wie aber nun auch die Spekulation der Pythagoreer das geiſtige Leben des Doriſchen Volkſtamms zu Tage gebiert, iſt zwar einerſeits eine der intereſſanteſten Fragen im Ge - biete dieſer Unterſuchungen, aber andrerſeits eine zu gewichtige, und tiefere Studien vorausſetzende, um ſie hier in der Eile loͤſen zu wollen. Soviel lehrt aber auch eine fluͤchtige Betrachtung dieſer Philoſophie, daß ihr erſtens eine Grundanſicht vorliegt, die das395 richtige Verhaͤltniß, das uͤbereinſtimmende Maaß, die Ordnung, in der jeder Theil den andern, und alle das Ganze traͤgt, fuͤr das Beſte und Hoͤchſte haͤlt, und daß zweitens dieſe Grundanſicht durch Studien der Mathematik und beſonders der Muſik Nahrung und Stoff erhielt, um die eigenthuͤmliche Weltweisheit hervorzubringen, in der das Leben und Sein der Dinge in das Maaß und die Zahl geſetzt wird, die Zahl ſelbſt aber nicht im Geringſten als ein blos Abtheilen - des, Begraͤnzendes, ſondern als das innerſte Weſen der Dinge und das Goͤttliche ſelbſt erſcheint1Empedokles von Akragas verhaͤlt ſich etwa zu dieſer Schu - le, wie ſeine gaſtliche Vaterſtadt (ξείνων αἰδοῖοι λιμένες ſagt er ſelbſt von ihr) zu Kroton; er verfolgt nicht einen ſo ſtrengen Weg der Spekulation, ſondern ſcheint in großartigem Sinne mancherlei Anregungen aufgenommen und verarbeitet zu haben..
Wie ſehr uͤbrigens damals die Philoſophie bei den Do - riern in Aufnahme geweſen, ſo lange ſie nach alterthuͤm - licher Weiſe mit Begeiſterung ausſprach, was den nach Umfaſſung ringenden Geiſt innerlich erfuͤllte, und ehe ſie durch die Sophiſtik verunſtaltet und verwirrt worden war, um wieder durch Attiſche Dialektik gereinigt und zum Gipfel der Vollendung gefuͤhrt zu werden, beweist Sparta. Hier fanden beſonders die enthuſi - aſtiſchen und prieſterlichen Weiſen, wie Abaris2Pauſ. 3, 13, 2. vgl. oben Bd. 2. S. 69, 1., Epi - menides3Soſibios bei Diog. 1, 10, 12. Pauſ. 2, 21, 4. 3, 11, 8. 12, 9. Klem. Alex. Str. 1. p. 399. Pott. Heinr. Epim. S. 128. Epim. ſoll den Sp. eine Niederlage bei Orchomenos verkuͤndet haben, Diog. L. 1, 115., von der ſonſt Nichts verlautet., Pherekydes4Plut. Agis 10. Diog. L. 1, 117. aus Theopomp. Creuzer Init. phil. Plat. 2. p. 164. Die Sage von der Haut des Epim. oder Pherek. (oder auch des Weiſſagers Anthes, Steph. B. Ἀνϑάνα) iſt ſehr raͤthſelhaft., freundliche Aufnahme; auch396 Anaximandros1Oben Bd. 2. S. 189, 2. adde Cie. de div. 1, 50. und Anaximenes2Er ſtellte zu Laked. die erſte Sonnenuhr auf. Plin. 2, 66. lebten hier; endlich finden ſich in den Katalogen der Pythagoreer, denen doch nicht alle Glaubwuͤrdigkeit abzuſtreiten, außer Italioten beſonders Lakonen, Argeier, Sikyonier, Phliaſier, auch Frauen von Sparta, Argos und Phlius3S. z. B. Jambl. Pyth. 36.. So begruͤndet denn auch dies wieder die Anſicht, die wir mehrmals im Gegenſatz der gewoͤhn - lichen aufgeſtellt haben: daß bis nach der Zeit der Perſerkriege alles geiſtig Große und Schoͤne nichts weniger als von Sparta ausgeſchloſſen ſondern viel - mehr dort durchaus heimiſch und lebendig war.
Als Anacharſis der Skythe die ſaͤmmtlichen Staͤmme der Griechen beſucht, und unter ihnen gelebt hatte, ſoll er geurtheilt haben, „ daß es ihnen allen an Muße und Ruhe fehle fuͤr die geſammte Weisheit, mit Ausnahme der Lakedaͤmonier. Denn mit dieſen al - lein koͤnne man beſonnener und verſtaͤndiger Rede pfle - gen “1Herod. 4, 77.. Es war ihm ohne Zweifel das Leben der uͤbrigen Hellenen als ein unruhiges, bewegtes Treiben, als ein fortwaͤhrendes Streben ohne Ziel vorgekom - men; in Sparta allein hatte er innre Ruhe und Sammlung des Geiſtes gefunden. Abgeſehn von dem Grunde dieſer Erſcheinung in der urſpruͤnglichen Ge - muͤthsverfaſſung der Dorier, merken wir nur hier auf die aͤußere beguͤnſtigende Lage, naͤmlich auf die voͤllige Muße und Arbeitloſigkeit der Dorier von Sparta2ἀφϑονία οχολῆς Plut. Lyk. 24. Inst. Lac. p. 255. . Neuere Schriftſteller haben ſich eine ſolche oft als un - ausſtehliche Langweile gedacht, wie denn unſer Ge - muͤth von Jugend auf durch Arbeit gebrochen und bis in das ſpaͤte Alter an dieſem Joche ſchleppend von ei -398 nem beſſern Zuſtande kaum eine Ahndung hat; denn denen ihn die partheiliche Gunſt des Schickſals ge - waͤhrt, ſuchen entweder die Arbeit freiwillig oder ſin - ken in lebloſe Traͤgheit; von einem wahren Leben um ſein ſelbſt willen, haben Wenige den Begriff und die ſchmerzliche Sehnſucht darnach. Unter den Alten war dieſe allgemein, und der Haß der Arbeit herrſchend; aber faſt nur den Doriern gelang es, ſich davon los - zumachen; ihnen galt blos ein ſolcher Zuſtand als Freiheit1Plut. Lyk. 24. Lak. Ap. p. 207.. Was nun aber das Leben vom Morgen bis Abend ausfuͤllte? 2Manſo 1, 2. S. 201.Die gymnaſtiſchen, kriegeri - ſchen, muſiſchen Uebungen; dann beſonders die Jagd, die vornehmlich fuͤr die Aeltern an die Stelle andrer Koͤrperbewegung trat3Xen. vom Lak. Staat 4, 7. (daher die Trefflichkeit Lakoniſcher Jagdhunde, Pind. Hyporch. Frgm. 3. p. 599 Bh. Simonides Hyp. bei Plut. Symp. 9, 15, 2. ſonſt Meurſ. Misc. Lac. 3, 1. Die Jagdliebe der Kreter iſt bekannt.; ferner die wenn auch nicht aͤußerlich, doch innerlich aktive Theilnahme an allem, was den Staat betraf; weiter die religioͤſen Gebraͤu - che, Opfer, Choͤre; beſonders aber das geſellige Zu - ſammenleben in den Leſchen. Jede kleine Gemeinde hatte ihre Leſche4Oben S. 56. 299. vgl. Plut. Lyk. 25. Im Kleom. 30. ziehe ich auch ταῖς λέαχαις der andern Lesart ταῖς σχολαῖς vor.; hier ſaßen beſonders die aͤltern Leute beiſammen, zur Winterszeit um den waͤrmenden Heerd, in behaglicher Ruhe und gemuͤthlicher Stim - mung; der Reſpekt vor dem Alter gab der Unter - haltung einen angemeſſnen Gang. Auch in Athen wa - ren die Leſchen ehemals ſehr beliebt geweſen, aber die Demokratie liebt die ungeſonderte Maſſe und haßt alle Abtheilungen; ſo wurde ſpaͤter das Herumziehn in oͤf -399 fentlichen Hallen und auf dem Markte gewoͤhnlicher1Oben Bd. 2. S. 244, 33. Ueber Ap. Λεσχηνόϱιος adde Kleanth bei Harpokr. s. v. λέσχαι. Meurſ. ad Lycophron. 543., wo ziemlich jeder Athener jeden Tag ſich einmal ſehen ließ. In Sparta war die Jugend von dem Markte ganz ausgeſchloſſen2Plutarch Lykurg 25.; ſo wie von der Pylaͤa3Plutarch Instituta Laconica p. 254. τὸν ἐκ τοῦ γυμνασίου νεανίσκον ἐπετίμων, ὅτι τὴν εἰς πυλαίαν ὁδὸν ἠπίστατο., wel - che nicht blos in Delphi4Dort war ſie foͤrmliche Meſſe, Dion Or. 77. p. 414 R. und auch Sklavenmarkt, wie ich aus Plut. Prov. Alex. 105. abnehme. Kratinos Πυλαία ſpielte viel - leicht hier., ſondern auch in andern Doriſchen Staaten ein Ort des Handels und Verkehrs war; daher in Rhodos Luͤgner Pylaiaſten hießen5Heſych und das Schol. zu Plut. Artax. 1. p. 387 H. vgl. Suid. An die Delphiſche Pylaͤg iſt dabei gewiß nicht zu denken., wovon der Grund deutlich wird, wenn man daran denkt, daß es in Griechenland auch Luͤgen - und in Athen einen Kerkopenmarkt gab6Lobeck de Cercop. et Cob. p. 7..
Da wir bis auf dieſen Punkt gekommen ſind, und in dem Bisherigen ziemlich alle Seiten und Rich - tungen des Lebens jener Zeit behandelt oder beruͤhrt haben: waͤre es wuͤnſchenswerth zu wiſſen, wie die Dorier den Schluß des Geſammten, den Tod, ange - ſehn: um ſo mehr als wir dadurch das Ende dieſer Betrachtung mit dem Anfange, der das religioͤſe Leben betraf, zuſammenknuͤpfen wuͤrden. Aber grade davon iſt uns wenig ſolche Kunde zugekommen, die auf eine Eigenthuͤmlichkeit der Anſicht hinwieſe; die Liebe indeß zur hellen und klaren Erſcheinung und der Widerwille gegen das Unbeſtimmte und Graͤnzenloſe, welcher ſich in dem Cult des Apollon wie in dem Doriſchen Leben uͤberhaupt ausſpricht, wird die Betrachtung von den400 Zuſiaͤnden jenſeits abgelenkt haben; auch war eine ge - wiſſe Genuͤge an dem gegebenen Daſein den Hellenen und unter dieſen vornehmlich den Doriern recht ſehr eigen: obgleich, wie eine ſolche ſich wieder mit der hohen Lebensverachtung und kaltbluͤtigen Aufopferung in dieſem Volke vertrug, ausnehmend ſchwer zu erklaͤ - ren iſt, hoͤchſtens nur durch die ungemeine Bedeutung, die auf die Fortdauer mehr als des Namens im Ge - ſchlecht und im Ganzen der Gemeine gelegt wurde. — In Tarent nannte man nach einem alten Orakel die Todten die Mehreren (τοὺς πλείονας)1Polyb. 8, 30.; man begrub ſie innerhalb der Mauern, jede Familie hatte bei ihrem Hauſe Denkſteine mit dem Namen der Hingeſchiednen, wo man ihnen Leichenopfer brachte2S. zu Polyb. Athen. 12, 522 f. ; auch in Sparta war es ohne Zweifel die aͤltere Sitte die Todten in der Stadt und in der Naͤhe der Tempel zu begraben3Plut. Lyk. 27. Inst. Lac. p. 251. Begraben hieß lakoniſch τιϑήμεναι, beiſetzen, Schol. Cantabr. Il. 23, 83. Ueber die Be - ſtattung des Koͤnigs oben S. 98. Ob auf das εἴδωλον das Ver - bot des Ageſilaos geht: μήτε πλαστὰν μήτε μιμηλάν τινα ποιή - σασϑαι αὑτοῦ εἰκόνα? Plut. Ag. 2. Reg. ap. p. 129. Lac. ap. p. 191.. Hier wurden nur denen, die in Schlachten gefallen, Denkſteine mit ihren Namen geſetzt4Plut. a. O. So las Pauſ. 3, 14, 1. die Namen der Dreihundert von Thermop. zu Sp., und auf daſſelbe Denkmal, glaub’ ich, bezieht ſich Herodot 7, 224., ſo wie manche andre vorzuͤgliche Ehre ertheilt5Was Aelian V. G. 6, 6. von den Gefallnen ſagt, giebt Plut. von allen Todten an.. Das Opfer an Demeter, am zwoͤlften Tage nach dem Tode, deutet offenbar die Aufuahme der Seele in der Unterwelt an; die Argeier opferten am dreißigſten dem Hermes als Seelenfuͤhrer6Bd. 2. S. 296. Hier trug man in der Trauer weiße Kleider, Plut. Qu. Rom. 26., denſelben Lehren folgend, nach denen401 die alten Athener die Todten Demetriſche, der Mutter Erde Hingegebne, nannten. Dagegen unterſchied ſich die Weiſe der Beſtattung bei den Athenern und Doriern bedeutend; jene legten ihre Todten mit den Haͤuptern gegen Abend, dieſe, — wenigſtens die Megarer, wie berichtet wird, doch auch dies nicht ohne Wider - ſpruch, — gegen Morgen1Plut. Solon 9. 10. vgl. Aelian V. G. 5, 14. und Mi - nervae Poliad. p. 27. Oben Bd. 2. S. 271, 3.. Fand dieſer Unterſchied ſo durchgaͤngig und allgemein ſtatt, wie wir ihn hier ausſprechen, ſo koͤnnte man ihn mit dem Cultus in Bezug ſetzen; den Gebrauch der Athener mit dem Dienſt der Athena, die man im Monde wirkend glaubte, den Doriſchen mit dem des Apoll, fuͤr den doch die Sonne in mancher Hinſicht Symbol ſein konnte: doch uͤberlaſſen wir dieſe Idee zu verfolgen den Liebhabern kuͤhnerer Combinationen.
Uns ſcheint dagegen noch obzuliegen, unter einen Geſichtspunkt zuſammenzufaſſen, was bisher an verſchiednen Stellen uͤber den eigentlichen Grund - charakter des Doriſchen Stammes geſagt iſt, und aus den Betrachtungen einzelner Richtungen deſſelben ein Endergebniß uͤber deſſen innerſtes Weſen zu ziehn. So ſehr ich dieſe Aufforderung anerkenne, ſo muß ich mich doch auf der andern Seite gegen Diejenigen ver - wahren, die dieſen Grundcharakter wie einen Begriff aufgeſtellt haben wollen; und wenn ſie geſagt haben: die Dorier ſeien ſubjectiv, die Jonier objectiv, damit den innerſten Kern des Weſens dieſer Staͤmme bezeich - net glauben. Iſt es denn moͤglich, den CharakterIII. 26402eines einzelnen Menſchen auf dieſe Weiſe zuſammenzu - faſſen? und geben alle ſolche Praͤdikate dem, der ihn nicht kennt, eine Anſchauung ſeines Weſens? und ſollte daſſelbe bei einer Nation, die doch nur wieder eine groͤßre Perſon, ſtatt finden? Womit wir aber keineswegs dem entgegengeſetzten Irrthum freie Bahn geben wollen; welcher entweder ganz laͤugnet oder fuͤr geſchichtlich unerkennbar haͤlt, daß das Leben einer Nation uͤberhaupt in ſich eins, und die Eigenthuͤm - lichkeit derſelben eine einige ſei — ein Irrthum, den die Betrachtung der Griechiſchen Voͤlkerſtaͤmme vielleicht am ſicherſten hebt. Aber wir werden dieſe allerdings vorhandne Einheit nie durch einen Begriff mathematiſch decken, ſondern immer nur annaͤherungsweiſe erkennen, indem wir ihr um deſto naͤher kommen, je unbefangner wir uns das Gegebne anzueignen, und je hingebender wir daſſelbe in ſich zu verſtehen ſuchen. Auf dieſem Wege wird uns auch die Ueberzeugung werden, wie von dieſem Kern aus das ganze Daſein und Leben des Volkes ſich mit Nothwendigkeit geſtaltet hat, und wenn wir in groͤßerm Kreiſe forſchen, vielleicht auch die Ahnung, daß das gefundne Ganze ſelbſt nur ein nothwendiger Theil eines hoͤhern iſt: wovon wir aber ganz und gar die Anmaßung conſtruirender Philoſophen zu unterſcheiden bitten, die einen andern Weg dieſer Erkenntniß gefunden haben wollen als durch ſolche Aneignung, ohne doch je auch nur im Kleinſten die Idee eines beſtimmten individuellen Lebens fuͤr ſich erzeugen zu koͤnnen. Geht uns nun aber auf die be - ſchriebne Weiſe allgemach die Idee einer nationalen Individualitaͤt auf: ſo muͤſſen wir dieſelbe auch Andern auf mancherlei Weiſe naͤher ruͤcken und deutlich machen koͤnnen: einfach bezeichnen aber werden wir ſie durch keinen andren Ausdruck, als durch den Eigennamen403 ſelbſt, fuͤr den es kein Synonymum giebt. So war den Alten ſelbſt Δώριος ein ſehr beſtimmter Begriff im Kern, und doch nach Außen hoͤchſt mannigfach und vielſeitig1Es iſt bemerkenswerth, daß unter den Stammnamen allein Δωϱιεὺς mit Emphaſe geſprochen fuͤr ſich ſchon lobt, (wie in meh - rern Stellen Pindars, Boͤckh zu Pind. P. 8, 21. Diſſen zu den N. 3, 3. auch oͤfter bei Plutarch, vgl. das Epigr. bei Athen. 5, 209. und Damagetos in der Palat. Anthol. 7, 231.) und einen von den uͤbrigen Hellenen reſpektirten Nationalſtolz ausſpricht. Thuk. 6, 77. Valcken. ad Adon. p. 385 c. .
Wir ſtellen einen Zug des Doriſchen Charakters voraus, auf den wir oͤfter hingewieſen haben2Bd. 2. S. 366. 3. S. 6. 19.; nicht als wenn in ihm der Grund und Urſprung alles andern gegeben waͤre, ſondern weil er mit beſondrer Entſchie - denheit hervortritt: das Streben nach der Ein - heit im Ganzen. Nichts Einzelnes ſoll fuͤr ſich ſein wollen, ſondern Alles im Ganzen ſein Ziel und Maaß finden. Jeder ſoll genau innerhalb der Schran - ken bleiben, die ihm die hoͤhere Ordnung des Ganzen vorgeſchrieben3Vgl. S. 184.. So ſoll im Staate weder der Ein - zelne nach Unabhaͤngigkeit fuͤr ſich ſtreben, noch irgend ein Stand aus ſeiner Stellung heraustreten. Die Ariſtokratie und alle Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe wur - den hier ſtrenger feſtgehalten als anderswo4S. 64.; und auf den Gehorſam in jeder Hinſicht groͤßeres Gewicht gelegt als auf Aeußerung individueller Freiheit. Das Staatsleben, die Erziehung, das Heer durchzieht eine hoͤchſt complicirte, aber eben ſo regelmaͤßige Ordnung des Befehls und des Gehorſams5S. 183. 239. 302.. Ein Jeglicher muß auf ſeinem Flecke gehorchen. Auch jeder kleinere Ver - ein iſt auf ſolche Weiſe gegliedert, uͤberall Abſtufung,26 *404nirgends unabhaͤngige Gleichheit1S. z. B. S. 277.. Wie aber das Ganze in ſich gegliedert, ſo ſoll es nach Außen geſchloſſen ſein, und ſeine Befriedigung in ſich tragen. Die Dorier haben wenig Neigung zu em - pfangen und ſich anzuſchließen, dagegen ein ſehr feſtes Streben, ſich ab - und Fremdes auszuſchließen2Vgl. S. 8, 1.. Da - her ſpaͤter das Harte und Schroffe in der Erſcheinung der Dorier, die es am meiſten geblieben waren3S. 188.. Dieſe Selbſtaͤndigkeit und Geſchloſſenheit wurde durch Umſtaͤnde zur Feindſeligkeit; daher das Kampfruͤſtige tief in der Doriſchen Natur lag, wie es denn ſchon auf die Geſtaltung des Apolliniſchen Cultus Einfluß hatte4Bd. 2. S. 294.. Beſonnene Tapferkeit war dem Dorismus weſentlich5Bd. 3. S. 249.. Wie aber Aeußerliches zu empfangen, ſo war auch Aeußerliches mitzutheilen bei jener Geſchloſſenheit kein vorwaltendes Beduͤrfniß, und zwar fuͤr die Geſammtheit eben ſo wenig als fuͤr den Ein - zelnen. Daher in der Rede, der poëtiſchen wie unge - bundnen, die Erzaͤhlung zuruͤckſteht hinter dem Aus - druck des Gefuͤhls und Gedankens6S. 383.. Der Geiſt des Doriers ſtrebt ſich zu concentriren und innerlich zu ſammeln; der Ausdruck bricht wie Funken aus der Tiefe des Gemuͤths; daher die herrſchende Wortkuͤrze und Sinnſchwere der Rede7S. 386.. Das Beſtreben ab - zuſchließen zeigt ſich aber auch in der Zeit. Ueber - all herſcht die groͤßte Anhaͤnglichkeit an das Gegebne und Gewordne, an der Vaͤter Brauch und Sitte, an den beſtehenden Zuſtand8Womit das ἄτολμον der Spart. zuſammenhaͤngt.. Das Geſicht des Doriſchen Stamms iſt mehr nach der Vergangenheit als Zukunft405 gewandt1Bd. 3. S. 7.. So iſt es auch gekommen, daß die Dorier unter allen Griechenſtaͤmmen das althelleniſche Leben am treuſten bewahrten und am reinſten darſtellten2S. 260. 273. 316.. Alle Fortſchritte waren bei ihnen ſtetig, und die Ver - aͤnderungen des Zuſtands faſt unmerklich. — Mit jenem Streben nach Einheit im Ganzen iſt der Sinn fuͤr das Maaß in jeder Beziehung verwandt. Auch der Kunſt wird durchaus das ſtrengſte Maaß auferlegt, und jede uͤppige Ranke mit ſchonungsloſem Meſſer abge - ſchnitten3S. 381.. Die Doriſche Lebensſitte befiehlt Maaß - haltung in jeglichem Thun; darin beſteht die Sophro - ſyne4S. 19.. Eine Hauptabſicht des Apolliniſchen Cultus war, das ruhige Gleichgewicht des Gemuͤths zu er - halten, und alles Sinnzerruͤttende, zum Taumel Auf - regende, die innre Klarheit Verdunkelnde zu entfernen5Bd. 2. S. 326. 343. 366.. Der Doriſche Sinn will uͤberall eine reine und klare Harmonie, die auch im kleinſten harmoniſch fei6Bd. 2. S. 342. 3. S. 319.. Diſſonanzen, wenn ſie auch in Harmonie auf - geloͤst werden, ſind nicht dem Geſchmacke des Volk - ſtammes gemaͤß. Die Harmonie muß ihren voͤlligen Schluß haben, und nicht das Unendliche offen laſſen. Die nationalen Melodien waren gewiß in Dur und nicht in Moll; der allgemeine Accent der Sprache trug das Gepraͤge des Befehls oder des Apophthegma, nicht der Frage oder Bitte. Die Befriedigung des Daſeins verdraͤngt faſt die Sehnſucht, und das Vertrauen auf die Quelle dieſes Daſeins, die Gottheit, gaͤnzlich die weiche Klage. Das Streben ins Schran - kenloſe, Endloſe wird moͤglichſt abgeſchnitten. Der Blick iſt nicht auf das Werden, ſondern auf das406 Sein gerichtet. Das Leben geht in ruhiger Darſtel - lung dieſes Seins auf, das zu erkennen, zu bewahren, rein zu geſtalten die hoͤchſte Aufgabe iſt. Alles unge - wußte Jenſeits iſt nur die dunkle Graͤnze, und alle[s]Dunkle dem Gotte verhaßt1Bd. 2. S. 302. 336.. Der Sinn des Volkes haͤngt mit Freude an dem klaren, leibhaften Daſein2Vgl. S. 356.. Das Fremde und Nichtanaloge ſteht außerhalb. Eben darum iſt der Menſch dem Menſchen hauptſaͤchliches und faſt einziges Augenmerk. Diejeni - gen Empfindungen, durch die der Menſch gleichſam mit der Natur verſchmilzt, ſind der Doriſchen Religion urſpruͤnglich fremd3S. 290. 348. 409.. Auch wird die aͤußere Beſchaͤfti - gung mit der Natur fuͤr unwuͤrdig gehalten4Bd. 3. S. 52., und dem eignen Daſein ſeine Vollendung und Reife zu ge - ben, als das allein angemeſſne Ziel menſchlicher Be - ſtrebung angeſehn. Die Menſchennatur ſelbſt traͤgt wieder durch den ganzen Volkſtamm das Gepraͤge des maͤnnlichen Geſchlechts, wie ſchon daraus ab - zunehmen, daß das Empfangende und Beduͤrftige, das Anſchließende und Sehnſuͤchtige, das Weiche und Unſtete, weſentliche Zuͤge des weiblichen Weſens, Gegenſaͤtze der Doriſchen Natur ſind, die den Charak - ter der Selbſtſtaͤndigkeit und gebaͤndigten Kraft traͤgt.
Ich glaube, daß dieſe Reihe von Zuͤgen, ob - gleich bedeutender Erweiterung und Fortſetzung faͤhig, doch an dieſer Stelle genuͤgt, um zur Concentrirung des bisher peripheriſch Dargeſtellten anzuleiten, u. zugleich die Stelle eines Beweiſes vertreten kann, daß wirklich der Apolloncult, die altkretiſche und Lykurgiſche Ver - faſſung, die Doriſchen Lebensſitten und Kuͤnſte Erzeug -407 niſſe eines und deſſelben geiſtigen Nationalindividuums ſind. Aber auch das laͤßt ſich daraus abnehmen, daß dieſe nationale Individualitaͤt tiefer liegt, als daß ſie durch aͤußre Bedingungen hervorgebracht ſein koͤnnte. Wie moͤchte das Leben in den Gebirgen fuͤr ſich genuͤ - gen, um einen ſo beſtimmten Volkscharakter zu erzeu - gen: obgleich allerdings nicht zu zweifeln iſt, daß dieſer beſtimmte Charakter binnenlaͤndiſche und gebirgige Wohnſitze brauchte, um ſich conſequent auszubilden und feſte Geſtalt zu gewinnen. Vielmehr wie die Hellenen Hellenen waren durch aͤußre Umſtaͤnde ſo wenig als durch freie Selbſtbeſtimmung, ſondern durch eine hoͤhere Ordnung der Dinge: eben ſo ſind die Do - rier auch wieder Dorier nach derſelben Ordnung. Das Land iſt wie der Leib der Nation, und wirkt allerdings auf dieſe, um eine nothwendige Uebereinſtimmung beider hervorzubringen: aber die Nationen waren in keiner erdenklichen Zeit unbeſtimmte Maſſen, die die aͤußre Welt und Natur zu beſtimmen und zu formen gehabt haͤtte.
Nachweisbarer haben indeß die aͤußern Umſtaͤnde, namentlich das Lokal, die politiſchen Verhaͤltniſſe, die Weltſtellung und der Verkehr, dazu gewirkt den Do - riſchen Charakter in den einzelnen Staͤdten zu modificiren, und nach beſtimmten Seiten zu wenden, umzubilden, zu wecken oder einſeitig zu verſteinern: wornach man von jenem idealen Grundcharakter des Stamms den beſondern einer jeden Stadt zu ſcheiden, und deſſen Eigenheiten vorzuͤglich im politiſchen und praktiſchen Leben darzulegen verſuchen kann. Mit einigen Blicken darauf wollen wir unſre Darſtellung beſchließen.
Auf die Dorier von Sparta wirkte die unter allen Peloponneſiern mit Ausnahme der Arkader am meiſten binnenlaͤndiſche Lage, und die fruͤher mit Ruhe behauptete, ſpaͤter mit einſeitiger Aufwendung aller Lebenskraft feſtgehaltne Hegemonie. Die Selbſtaͤndig - keit und Abſonderung war hier am groͤßten, und ſo iſt der Doriſche Stammgeiſt und die alte Sitte in Sparta am ſtrengſten, und oft auch in Kleinigkeiten1So ließen, nach Demetr. de eloc. 122. die Ephoren Ei - nen geißeln, der am Ballſpiel (uͤber das auch ein Spart. Timokra - tes ſchrieb) etwas geneuert hatte., bewahrt worden, aber auch am meiſten erſtarrt und verſteint. Obwohl Letztres erſt in den ſpaͤtern Zeiten hervortrat, da fruͤher, wie oͤfter bemerkt, in Sparta ein mannigfaltiges, heitres und nicht anmuthlofes Leben bluͤhte. Damals war die Stadt wirklich der Mittelpunkt von Hellas. Eine merkwuͤrdige Wendung nahm die Abgeſchloſſenheit des Daſeins, aus der die Kuͤrze des Ausdrucks floß. Sie wurde zu einer Ver - ſchloſſenheit, die noch weiter ging als ſich abſichtlich zu verbergen. Selbſt das αἱμύλον oder Verſchlagne wird ſeit den Perſerkriegen haͤufig an den Spartiaten geta - delt; man koͤnne aus ihnen nicht klug werden2Herod. 9, 54. Λακεδαι - μονίων ἄλλα φϱονεόντων καὶ ἄλλα λεγόντων. Grade eben ſo Eu - rip. Androm. 452. Bei dieſes Dichters Feindſeeligkeiten gegen Sparta (Markland ad Suppl. 187. Wuͤſtemann Praef. ad Al - cest. p. XV.) iſt immer beſonders der Zeitpunkt zu beachten. Δὁ - λια βουλευτήϱια, ψευδῶν ἄνακτας nennt er die Sp. in der An - dromache, als die Athener ſie des Friedensbruches anklagten, Ol. 90, 2. nach Petit und Boͤckh trag. princ. p. 190. Im Oreſt (Ol. 92, 4.) tadelt er τὸ ἄστατον τῶν Λακεδαιμονίων γνώμης in Bezug auf die abgelehnten Friedensvorſchlaͤge der Spart. nach Min - daros Unfaͤllen. Philoch. bei den Schol. V. 371. (vgl. zu 772. 903. ), welcher dieſe 92, 2. ſetzt, Diodor. 13, 52. dagegen 92, 3. Ariſtoph. Lyſiſtr. 1269. nennt ſie αἱμὑλας ἀλώπεκας (vgl. den fal - ſchen Bakis Εἰϱ. 1068. Lykophr. 1124.), dies Ol. 92, 1. in der -. Oft409 liegt auch darin ein Patriotismus, wie er ſich in der Antwort des Geſandten aͤußert: in weſſen Namen ſie kaͤmen — wenn wir die Sache durchſetzen, in des Staats, wo nicht, in unſerm. Sehr ſinnvoll ſagte Demoſtratos, Phaͤax Sohn: die Spartiaten ſeien in Beziehung auf den Staat, die Athener als Individuen vorzuziehn1Bei Plut. Ageſ. 15. Ebd. 37.: der Nutzen des Vater - lands ſei fuͤr die Sp. die Norm ihrer Handlungen. Der Athener bei Thuk. 5, 105.: das Betragen der Spart. unter einander und in Bezug auf ihre einheimiſche Sitten leite Tugend, gegen Fremde Klugheit.; in der That waren die letztern perſoͤn - licher ausgebildet, die erſtern mehr durch nationale Sitte geleitet. Traten ſie aus dieſer heraus ſo ge - ſchah es leicht, daß ſie ganz fehl gingen. Indeſſen kennt doch auch die Griechiſche Geſchichte, die am klarſten vor unſern Augen ſieht, die des Peloponne - ſiſchen Kriegs und der naͤchſtfolgenden Zeit, mehrere ausgezeichnete und eigenthuͤmliche Lakonen: die man großentheils in zwei verſchiedne Claſſen ſondern kann. Von dieſen zeigt die erſtre eben jenes Verſchlagne, gepaart mit großer Kraft des Geiſtes und Sinnes, und einem oft mit Verachtung der andern Griechen verbundnen Patriotismus. So war Lyſandros2Vgl. oben S. 210., ein gewaltiger Revolutionsmann, der die Beſtrebungen zahlloſer oligarchiſcher Klubbiſten in ſich vereinigend, durch die ſtrenge Conſequenz ſeiner Grundſaͤtze und die Schlauheit in der Ausfuͤhrung Griechenlands Schickſale eine geraume Zeit beherrſchte; bis Ageſilaos, den er unvorſichtiger Weiſe ſelbſt auf den Thron gehoben, an die Stelle ſeiner uſurpirten wieder die legitime Gewalt2ſelben Zeit, in der das Spruͤchwort entſtand: οἴκοι λέοντες, ἐν Ἐφέσῳ δ̛ ἀλώπεκες, Meurſ. Misc. Lac. 3, 2. Aehnliches indeß ſchen Acharn. 308.410 Heraklidiſcher Fuͤrſten ſetzte: was denn beſonders in Lyſandros den Plan, die koͤnigliche Verfaſſung umzu - ſtuͤrzen, erzeugt, und nebſt andern Umſtaͤnden die tief in ſeinem Gemuͤthe liegende Melancholie gezeitigt haben mag, die in ſeinen letzten Jahren ſeine ſtarke Seele befallen hatte1Plut. Lyſ. 1.. Ein verwandter Charakter iſt Der - kyllidas, ein Mann von ungemeinem praktiſchen Ta - lent, und dem ſeine Schlauheit, die indeß mit wackrer Geſinnung wohl beſtand, den Zunamen Siſyphos ver - ſchaffte2Xen. H. 3, 1, 8.. Aber zur ſelben Zeit hatte Sparta auch noch Maͤnner von der entgegengeſetzten Art, in denen die einfache, wahrhafte, Doriſche Sitte der alten Zeit lebendig und kraͤftig war, wie ſich Plutarch von Kallikratidas ausdruͤckt3Lyſ. 5.. Wie Kallikratidas gleich im Anfange ſeiner Laufbahn mit Lyſandros Anhang zu kaͤmpfen hatte, und ſich deſſen Hetaͤrie entſchloſſen widerſetzte4Vgl. mit Xen. beſonders Plut. Lak. Ap. S. 210. ſonſt Diod. 13, 76. 97. vgl. Manſo 2. S. 327 ff.: ſo war er auch in ſeiner Geſinnung entſchiedner Gegner derſelben. Er verfluchte die Nothwendigkeit an den Thuͤren der Perſer Subſi - dien erflehn zu muͤſſen, handelte mit den Bundes - genoſſen aufrichtig und gradezu, verſchmaͤhte jede Macht und jedes Anſehn, das er nicht vom Staate hatte, wollte nichts durch Privatverbindungen und Freundſchaften ausrichten, und erwies ſich uͤberall menſchenfreundlich, großherzig und heldenmuͤthig: ein tadelloſer Held, wenn man ihm nicht die vielleicht voreilige Selbſtaufopferung bei den Arginuſen zum Tadel drehen will5S. Plut. Pe - lop. 2.. Aber es laͤßt ſich begreifen, daß die Griechen Aſiens die Tugend und Groͤße des jugend -411 lichen Helden zwar wie die Schoͤnheit eines heroiſchen Bildes1Nach Plut. Lyſ. 5. bewunderten, allein der zeitgemaͤßen Hand - lungsweiſe des Lyſandros ſich mehr befreunden konnten. An Braſidas bewundern wir beſonders, wie dieſe Hoheit der Geſinnung ſich mit ausnehmendem Geſchicke die Zeit zu benutzen und beherrſchen vereinigte; aber von dem edlen Sohne des Argileonis weiter zu reden, geſtattet die Kuͤrze dieſer Notizen nicht. Lieber erin - nern wir an den Sohn der Teleutia als Beiſpiel, wie auch die Harmoſten der Stadt nicht alle der Verſuchung ihrer ſchwierigen Stellung erlagen2Den Poedaret hat Val - cken. ad Adon. p. 261. gegen die Anklage der Exulanten von Chios ſchoͤn gerechtſertigt.. Ein eigenthuͤm - licher Charakter, von dem wir einige Zuͤge ſammeln wollen, war Lichas, Arkeſilaos Sohn. Zu dieſen ge - hoͤren die Liberalitaͤt, mit der er durch große Gaſtge - bote an den Gymnopaͤdien3S. Xen. citirt oben S. 8, 1. Zu dem dort uͤber die Ξενηλασία geſagten (die beſonders die Jonier betraf, Valer. Max. 6, 2. ext. 1.) iſt hinzuzufuͤgen, daß auch die haͤufigen Proxenieen in fremden Staaten zur Ermaͤßigung der Vorſtellung davon dienen. So waren die Laked. mit den Peiſiſtratiden verbun - den (Bd. 2. S. 171, 1.) und mit Kallias Familie, Xen. Symp. 8, 39., Endios mit Kleinias, Alkibiades Vater, nach Thuk. 8, 6., der K. Archidam mit Perikles, 2, 13. Xenias der Eleer mit K. Agis, Archidamos S. und dem Staate von Sp. Pauſ. 3, 8, 2. u. dgl. mehr. Vgl. oben S. 103. Der Namentauſch, den die Proxenieen herbeifuͤhrten, koͤnnte Gegenſtand einer beſondern Unter - ſuchung werden., und durch Wagenſiege zu Olympia4S. oben S. 209, 3. den Glanz ſeiner Stadt erhoͤhte; der kuͤhne Muth, der ſich ſchon in ſeinem Betragen zu Olympia zur Zeit, als die Spartiaten vom Agon aus - geſchloſſen waren, zeigt5Thuk. 5, 50. Pauſ. 6, 2, 1., mehr aber in ſeiner, eines412 Spartiaten wuͤrdigen, Erklaͤrung gegen den Satrapen Tiſſaphernes18, 43.; die Klugheit endlich, die ein voreiliges Losbrechen der Jonier gegen Perſien zu verhuͤten ſuchte, wenn auch umſonſt28, 84..
Kreta’s Bluͤthe liegt auch in Hinſicht der Sitte dem hiſtoriſch bekannten Zeitraume voraus; und mit der fruͤhzeitigen Entartung oder Aufloͤſung der al - ten Inſtitute trat Roheit und Verfall in jeder Hin - ſicht ein. Von der Seeherrſchaft mythiſcher Zeiten blieb nur Seeraͤuberei uͤber; der Staatenverfaſſung fehlte der Mittelpunkt des Principats Einer Stadt; ſchon unter Alkamenes fuchte Sparta die innern Zwi - ſte der Staͤdte zu ſchlichten, nach deren Beiſpiele es ein Jahrhundert vorher ſeine eigne Verfaſſung geord - net hatte. Doch buͤßten die Kreter ihre Streitluſt noch nicht an ihren innern Fehden, ſondern zogen ſeit fruͤ - her Zeit als Miethstruppen umher; gewiß auch ein Grund der innern Zerruͤttung, die das weiland herrli - che Eiland nachmals ſo gleichguͤltig fuͤr Griechenlands Geſchichte macht. Iſt der Vers des alten Propheten aͤcht: ſo ſchalt Epimenides ſchon Ol. 45. ſeine Lands - leute beſtaͤndige Luͤgner, boͤſe Unthiere und faule Baͤu - che. Doch bewahrten immer noch einzelne Staͤdte, zu denen vor allen das Spartiatiſche Lyktos gehoͤrt, mit den alten Inſtituten die edle und reine Sitte beſſrer Zeiten4S. oben S. 134. daher Polyb. 4, 54, 6. die Lyktier fuͤr die beſten Maͤnner in Kreta erklaͤrt. Sie ſollten auch die Epikureer aus ih - rer Stadt getrieben haben, Suid. 1. p. 815. der einen νόμος τῇ έπιχωϱίᾳ φωνῇ erwaͤhnt, wohl eine Erfindung wie das Pſephisma gegen Timotheos..
Wie Argos ſich um die Zeit der Perſerkriege durch die Veraͤnderungen der Verfaſſung und die Rich - tung ſeiner Politik des Dorismus faſt zu entaͤußern ſuchte, iſt oͤfter im Lauf dieſes Werks bemerkt1Bd. 2. S. 174. 3. S. 143. 147.: aber eine Revolution fuͤhrte nur die andre herbei, und keine einen kraͤftigen, geſunden Zuſtand. Vom Attiſchen Volksweſen hatte Argos ſich nur das Schlechte aneig - nen koͤnnen, die Herrlichkeit jenes Lebens konnte dem von Grund aus fremdartigen Stamme nicht aufge - pfropft werden2Vgl. noch uͤber die Ἀϱγεῖοι φῶϱες Suid. Prov. Vatic. 2, 49..
Daß Rhodos dagegen manche Doriſche Charak - terzuͤge bis in die ſpaͤtſten Zeiten Griechiſcher Freiheit bewahrte, iſt oben ſchon bemerkt3S. 151.; auf der andern Seite hatte die Inſel, beſonders in der Zeit der zwei - ten Artemiſia, viel Aſiatiſches aufgenommen, welches mit jenem Helleniſchen eine eigenthuͤmliche Miſchung gebildet haben muß, als deren Erzeugniſſe die Rhodi - ſche Beredſamkeit, Mahlerei4Die Schule des antiken Coreggio, Protogenes. Vgl. das aus Alexandr. oder Roͤmiſcher Zeit ſtammende Anakreont. Ge - dicht 28, 3. und Sculptur zu be - trachten ſein werden. Letztre bluͤhte hier ſeit alter Zeit; aber nahm ſpaͤter einen beſonderen Zug zu dem Koloſſalen, Impoſanten, Praͤchtigen; Laokoon und der Toro Farneſe gehoͤren zu ihren ſchoͤnſten Erzeugniſſen5Vgl. H. Meyers Geſchichte der Kunſt Bd. 1. S. 208, 218.. Die Sitten ſchildert das Spruͤchwort, das Rhodos eine Stadt der Freier nennt; ein andres benamt die Rhodier weiße Kyrenaͤer, wo der Luxus den Verglei - chungspunkt, die Farbe den Unterſchied hergiebt6Meurſ. Rhod. 1, 20. vgl. Anakreont. 32, 16..
414Auch Korinths Charakter vereinigt in den Zei - ten des Peloponneſiſchen Kriegs ziemlich widerſtreben - de Elemente. Denn einerſeits iſt noch viel von Dori - ſcher Geſinnung zuruͤckgeblieben, und das politiſche Le - ben leiten verhaͤltnißmaͤßig lange Zeit die Grundſaͤtze dieſes Stammes; aber gegenuͤber ſteht, durch Lage und Verkehr1Korinths Gaſtlichkeit (Pind. O. 13, 3.) beſtaͤtigt das Prov. ἀεί τις ἐν Κύδωνος. Zenob 2, 42. Vat. 4, 19. Diogen. 8, 42. Suid. 1, 86. Schott. Plut. Prov. Al. 129. Apoſt. 18, 66. hervorgebracht, eine große Neigung zur Pracht und zum Luxus, die ſich auch in der Korinthi - ſchen Saͤulenordnung ausſpricht, und von der Charis verlaſſen, zeitig in Schwelgerei und Sittenloſigkeit aus - artete2Koxinthiſche ἄσωτοι kommen ſchon Ol. 5. vor (Bd. 2. S. 116.) und wurden durch alte Geſetze gezuͤgelt, ebd. S. 166. und Lydus de magistr. 1, 42. — Zu oben S. 289, 1. vgl. die Κοϱινϑία κόϱη Platon Rep. 404 d. Κοϱ. παῖς Eurip. Skiron bei Pollux 10, 7, 25. vgl. 9, 6, 75. u. Hemſterh. und das Spruͤchwort bei Suid. (14, 81. Schott. ), Plut. Prov. Al. 92. ἀκϱοκοϱίνϑια ἔοι - κας χοιϱοπολήσειν. — Nach Alkiphr. Br. 60. war Korinth wohl ſchoͤn und voll τϱνφήματα, aber die Einw. ἀχάϱιστοι und ἀνε - παφϱόδιτοι..
Korkyra’s Charakter haben wir oben zu zeich - nen verſucht.
Syrakus mußte ſich bald von dem Charakter der Mutterſtadt bedeutend entfernen, obgleich es ſich ſonſt durch Pietaͤt und Anhaͤnglichkeit ruͤhmlich aus - zeichnet. Denn wenn in dem ſteinigen und beſchraͤnk - ten Gebiete von Korinth die Ackerfrucht dem Boden nur mit Muͤhe abgekaͤmpft werden konnte3In Korinth mußte der Ackerbauer ἐκλιθολο - γεῖν, in Syrakus nicht. Theophr. Caus. Pl. 3, 20. Aber ἀμᾷν Κοϱινϑικὸν (Suid. s. v. Κοϱ. ) geht doch wohl auf τὰ μεταξὺ Κοϱ. καὶ Σικ. Bd. 2. S. 72.: gewaͤhrte415 hier ein ausgedehntes und uͤberaus fruchtbares Acker - land, das den Syrakuſiern theils unmittelbar gehoͤrte, theils tributaͤr war, der uͤbervoͤlkerten Stadt einen reichlichen Unterhalt ohne fremde Zufuhr1Thuk. 6, 20.. Zu die - ſem Ueberfluſſe trat die fruͤh vorwaltende Demokratie, und mehr noch eine im Sikuliſchen Volke liegende Be - weglichkeit, Schlauheit, Vielgewandtheit, um den Do - riſchen Stammgeiſt zum Theil zu modificiren, zum Theil auszutilgen. Nach Thukydides waren unter al - len Gegnern Athens im Pelop. Kriege die Syrakuſier ihnen am meiſten in Sitte und Sinnesart verwandt28, 96.. Man muß bedauern, daß eine ſolche Fuͤlle des Ta - lents, wie ſich bei den Syrakuſiern zwiſchen Ol. 70. und 90. zeigt, des ordnenden und leitenden Sinns entbehrte; Unordnung war im Staate und Heere ihr haͤufigſter Fehler3Vgl. 6, 73., und die Anerkenntniß dieſes Man - gels bewirkte, daß ſie ſich ſo haͤufig Einzelnen blind - lings in die Arme warfen4Ebd. oben S. 161..
Auf Sikyon hatte die Naͤhe von Korinth gewiß großen Einfluß; doch blieb die Stadt ſelbſt ohne be - deutenden Verkehr mit dem Ausland und ohne Kolo - nieen, obgleich nicht ohne Schiffe. Das Leben war gewiß bewegter, als in Sparta5Vgl. Bd. 2. S. 161., aber minder entar - tet als in Korinth; Sikyon wurde fruͤhzeitig ein Hauptſitz Doriſcher Kunſt und Bildung6Oben S. 289, 1. 367 u. 381., und genoß ein ungemeines Anſehn unter den Staͤdten des Pelo - ponnes7Thuk. 1, 28..
Phlius, ohne Zuſammenhang mit dem Meere, hatte keine Hilfsquellen als ſein fruchtbares Thal, und416 war dafuͤr bedeutend und maͤchtig genug1Oben S. 166.. Die Treue und Bravheit ſeiner Bewohner2Ebd. und Bd. 2. S. 179, 1. verdiente die Liebe, mit der Xenophon3Hell. 6, 5, 45. die ausgezeichnetſte Periode ihrer Geſchichte dargeſtellt hat.
Megara war auf eine ungluͤckliche Weiſe zwi - ſchen uͤbermaͤchtige Nachbarn hineingedraͤngt, und be - ſonders durch den geringen Ertrag des Ackerbaus in dem ſteinigen Berglande, bei aller aufgewandten Muͤhe4S. Theophr. a. O. Str. 9, 393. Iſokr. Συμμ. 38. zu deſſen Zeit indeß Megara reiche Haͤuſer hatte., und den Mangel ſeines Gebietes an manchen unent - behrlichen Lebensbeduͤrfniſſen, von dem Attiſchen Mark - te, auf dem es ſeine wenigen Landeserzeugniſſe und Fa - brikate5S. oben S. 213, 2. adde Ariſt. Ach. 519. umzuſetzen pflegte, auf eine traurige Weiſe abhaͤngig. Die Schwaͤche des Staates hatte auch auf die Keime fruͤherer Bildung einen niederdruͤckenden Ein - fluß; Megariſches Lachen und Weinen diente den Nach - barn zum Spott, die lieber eines Megarers Schaaf - bock als Sohn ſein wollten; das Orakel ſelbſt erklaͤrte ſie am Ende fuͤr unbedeutende und nichtswuͤrdige Leute.
Von Byzanz konnte die Mutterſtadt, auch bei engerer Verbindung als wirklich beſtand, wenig Hilfe herleiten, da dieſe anſehnliche Colonie meiſt ſelbſt in gedranger Lage, und ſeit Einfuͤhrung der Demokratie in innerlicher Verwirrung war. Wir haben Grund, die oben6S. 170. aus Theopomp gegebne Darſtellung des Le - bens in Byzanz fuͤr wahr zu achten, wenn der ge - nannte Gewaͤhrsmann auch ſonſt als tadelſuͤchtig ver - ſchrieen iſt. Auch Damon erzaͤhlt7π. Βυζ. bei Ath. 10, 442 c. u. Ael. V. S. 5, 14., daß die Byzan -417 tier der Voͤllerei ſo ergeben geweſen, daß ſich die Buͤr - ger ordentlich in den zahlreichen Schenken der Stadt haͤuslich niederließen, und dagegen ihre Haͤuſer mit ih - ren Frauen drin den Fremden vermietheten. Der Ton der Floͤte ſetzte ſie augenblicklich in luſtige Bewegung, vor der Trompete liefen ſie davon; und ein Feldherr konnte ſie bei einer ſtrengen Belagerung nicht anders auf den Waͤllen halten, als daß er die Garkuͤchen und Schenken hart daran anlegen ließ. Byzanz war voll einheimiſcher und fremder Kaufleute, Schiffer und Fiſcher1Vgl. Ariſtot. Pol. 3, 4, 1., die der treffliche Wein der Stadt, den Maronea und andre Gegenden ſandten, ſelten nuͤchtern vom Markte in ihre Schiffe zuruͤckkehren ließ2Menandros bei Ael. a. O. Athen. 10, 442. Nicetas Acominatus |Hist. p. 251. ed. Fa - brot. . In welcher Ordnung Recht und Verfaſſung war, nehmen wir aus der Antwort eines Redners von Byzanz ab: was das Geſetz der Stadt ausſage? — was ich will3Sext. Emp. adv. rhet. 〈…〉〈…〉. 37..
Aegina verlor dagegen ſeinen Ruhm nur mit ſeiner politiſchen Exiſtenz. Die Lage an der bedeuten - den Verkehrſtraße, der beſonders die Gefahr der Um - ſeeglung von Malea dieſe Richtung gegeben hatte, der Ruhm der mythiſchen Vorzeit, die eigne Tuͤchtigkeit der Bewohner endlich hatten die Thaͤtigkeit derſelben zu einer Hoͤhe geſpannt, und dem Eilande eine Bedeu - tung in der Geſammtgeſchichte der Hellenen gegeben, die immer denkwuͤrdig bleiben wird.
Wenn die Miſchung verſchiedenartiger Nationalitaͤt in Rhodos zu einem Ganzen von gluͤcklicher Organi - ſation zuſammenwuchs, ſo ſcheint dies weniger der Fall geweſen in Kyrene, welches durch Aegyptiſch - Libyſchen Einfluß nur verderbt wurde. Man achte nurIII. 27418auf den Charakter der Pheretime, in der eine Doriſche Frau zu einer Orientaliſchen Sultane umſchlug. Merkwuͤrdig, daß auch eine andre Dorierin Artemiſia — ihr Vater war von Halikarnaſſ, ihre Mutter eine Kreterin1Herod. 7, 99. — eine aͤhnliche Stelle einnahm; im Mut - terlande finden wir ſeit der mythiſchen Zeit Frauen faſt nie an der Spitze Doriſcher oder andrer Staͤdte2Faſt ſage ich einer Ausnahme we - gen, die ein eben herausgegebnes Fragment der Argolika des Dei - nias (bei Herodian π. μον. λεξ. 8, 14. verbeſſert von Dindorf) ge - waͤhrt: Perimeda, Herrſcherin zu Tegea, von den Meiſten Χοίϱα genannt, habe die gefangnen Lakedaͤmonier genoͤthigt, den Fluß La - chas durch die Ebne abzuleiten..
In Italien haben wir von der Doriſchen Zeit Kro - tons3Oben S. 178. u. 308., ſo viel unſer Zweck erheiſchte, geſagt, und den Verfall Doriſcher Zucht und Sitte in Taras mehrmal beruͤhrt. Sehr viel mochte das von dem Grie - chiſchen ſehr verſchiedne Clima4Eine Notiz dafuͤr iſt Heſych: μαιϱιῆν κακῶς ἔχειν, Tarantiniſch: die wohl auf den Sirokko in den Hundstagen geht., ſehr viel auch das Naturel der einheimiſchen Voͤlker wirken, um den Cha - rakter dieſer Staͤdte umzubilden; da Tarent ſolche Voͤlker - ſchaften gewiß nicht blos unterjochte und wuͤrgte (wie die Karbinaten), ſondern auch in den Umfang der großen Stadt hereinzog und einbuͤrgerte; wodurch beſonders viele Worte, die ſonſt als Roͤmiſch bekannt, und wahr - ſcheinlich allgemein Sikuliſch waren5Wie, außer den Namen der Muͤnzen, ἂς fuͤr die Einheit in Tarent, αἲς in Sicilien, πᾶνα panem bei Meſſapiern und Tarentinern, Ath. 3, 111 c. σάννοϱος, sannio, in Tarent, Heſych., in den Tarenti - niſchen Dialekt Eingang gefunden haben muͤſſen.
In dem von Epaminondas wiederhergeſtellten Meſſeniſchen Staate galten nach Pauſanias64, 27, 5. die alten nationalen Sitten, und der Dialekt blieb419 bis auf die Zeit des Schriftſtellers unter den im Pe - loponnes geſprochnen der am reinſten Doriſche. Die Urſache davon lag entweder darin, daß die im Lande gebliebnen Heloten, die ſicher den groͤßten Theil des neuen Volkes bildeten, voͤllig doriſirt waren, oder es hatten wirklich die Vertriebnen in ihrem laugen Exil die alte Norm der Sprache bewahrt, wie wir aus fruͤherer Zeit von den Naupaktiern wiſſen1Bd. 2. S. 191.. Die Meſ - ſenier bei den Euesperiten Libyens konnten es, da ſie unter Doriern wohnten; weniger iſt dies von den Meſſeniern Siciliens2Die Muͤnzen, die Eckhel der Zeit des Anaxilaos beiſchreibt, haben zwar beides, MESSANION und MESSENION; aber es iſt faſt glaublich, daß das erſte bloße Af - fektation war, indem die Stadt vornehmer ſchien, wenn ſie Doriſch von Urſprung; in der Sprache des gewoͤhnlichen Lebens uͤberwog gewiß die Chalkidiſch-Samiſche Bevoͤlkerung., am wenigſten von den Rhe - giniſchen glaublich. In den Rheginern ſcheint uͤberhaupt wenig von Doriſchem Charakter vorhanden3Außer Xe - narch (Photios ῬΡηγ. Apoſtol. 17, 15. vgl. 11, 72.) wirſt ihnen auch Nymphodor bei Ath. 1, 19 f. Feigheit vor.; der auch in den ſpaͤtern Meſſeniern, bei aller ihrer Bemuͤhung die alte Zeit zuruͤckzurufen, ſchwerlich nachzuweiſen ſein moͤchte.
Da wir Delphi mehrmals der Reihe Doriſches Staͤdte angeſchloſſen haben, indem wir annahmen, daß daſelbſt ein altdoriſcher Geſchlechtsadel beſtand, wenn auch das Volk beſonders durch Einbuͤrgerung von Tempelunterthanen mannigfach gemiſcht war: ſo be - merken wir hier ſchließlich uͤber den Charakter der Delpher: daß deſſen fruͤhes Verderbniß, das Aeſopos nach einer unveraͤchtlichen Sage ſo bitter geruͤgt haben ſoll, eine Erſcheinung iſt, die bei den Umwohnern nationaler27 *420Heikigthuͤmer haͤufig wiederkehrt. Die Menge und Vielartigkeit der herbeiſtroͤmenden Fremden, der be - ſtaͤndige Dampf der Opferheerde, die fuͤr die Einhei - miſchen eben ſo viele Bratoͤfen waren1Vgl. Athen. 4, 175., der Tumult des Markts, auf dem zugleich Gaukler und Taſchen - ſpieler aller Art ihren Gewinn ſuchten2Oben S. 399.,[ die] reichlichen Geldvertheilungen, wie ſie Kroͤſos den Delphern hatte zu Theil werden laſſen, mußten ein traͤges, bigottes und bauchdieneriſches Volk erzeugen, und die einzelnen Zuͤge eines erhabnen Charakters, die aus manchen Begebenheiten der fruͤhern Zeit entraͤthſelt werden moͤgen, in Schatten draͤngen.
Die beiliegende Karte des Peloponnes gruͤndet - ſich auf eine andre von groͤßerm Umfange, in die, nach Fixirung der aſtronomiſch beſtimmten Punkte, alle mir bekannt gewordnen Itinerarien neuerer Reiſenden, vor allen Gells Itinerary of Morea, dann Chandlers, Dodwells, Pouqueville’s, Hollands, Morrits, Sib - thorps, Turner’s Reiſerouten eingetragen wurden; auch hatte ich zu Paris Gelegenheit, des juͤngern Four - mont handſchriftliche Reiſebeſchreibung, die, wenn auch oft ſehr verworren, doch uͤber mehrere Gegenden gute Notizen giebt, zu excerpiren, und einige darin ent - haltene aber ſehr fluͤchtige Plaͤne zu copiren. Zu jenen Routen als der ſicherſten Baſis kam die Vergleichung andrer Karten, namentlich Barbie du Bocage’s Carte de la Morée publiée a Paris en 1814 und Arow - ſmiths großer Karte der Tuͤrkei, die indeß ſehr fabrik - maͤßig gefertigt, hinzu; auch die der aͤltern Venetiani - ſchen blieb nicht ganz fruchtlos: aber die Carta della Grecia antica secondo le osservazioni di Sir W. Gell, zu Rom herausgekommen, kann nicht als eigne Arbeit dieſes ausgezeichneten Geographen gelten. Dann erſt konnte die Combination der alten Nachrichten mit dem ſo gefundnen Zuſtande der Gegend beginnen, an welche ſich der Verſuch ſchloß, auch den politiſch geographiſchen Zuſtand des Peloponnes waͤhrend des Peloponneſiſchen Kriegs (ſ. Bd. 2. S. 198, 2.) theils nach beſtimmten424 Nachrichten, theils annaͤhrungsweiſe darzuſtellen. Wie von dieſer ziemlich weitlaͤuftigen Arbeit die vor - liegende nur ein Auszug iſt: ſo kann auch dieſe Recht - fertigung nur fuͤr Kundige andeuten, und von Fruͤheren, namentlich von Mannert, Ausgelaſſnes nachtragen. Die Angabe der aus den geſammten Reiſen und aus den Alten gewonnenen Entfernungs - angaben, und die Vergleichung und Combination beider hier, wie ich anfangs wollte, vorzulegen, macht der Mangel an Raum unmoͤglich.
Mathematiſche Beſtimmungen liefert die Connaissance des tems nach Gauttier von folgen - den Orten. Im Jahrg. 1821. von der Inſel Sapien - za (der weſtlichſten der Oenuſſae) Venetico (Theganuſ - ſa), Modon, (Mothone), Prodo (Prote); im J. 22. von Caſtel Torneſe, Kabrera (der oͤſtlichen Oenuſſa), Arkadia (Kypariſſos); im J. 23. vom B. Elias (Hel - lanion) auf Aegina und Korinth. Ueberdies giebt die jaͤhrliche table des positions geographiques noch Beſtim - mungen von Koron (das auch Chabert beſtimmt, und B. du Bocage darnach angeſetzt hat), Cap Matapan oder Taenaron (uͤber welches auch Goſſelin Geogr. analysée p. 81. zu vgl. ) und Korinth. Die Breite von Patraͤ giebt Beauchamp bei Pouqueville; Korinth habe ich nach der Beobachtung angeſetzt, die Chabert auf einem Thurm am Iſthmos gemacht (ſ. B. du Bo - cage’s Karte; die von Gauttier differirt in der Breite); einige andre Angaben bei B. du Boc. in der Analyse zum Anacharſis fand ich unbrauchbar. Damit waren nun gleich einige Rayons zu verbinden, wie die, nur ungefaͤhren, bei Clarke von Akrokorinth aus (von Kleo - naͤ liegt dieſe Burg N65O., Gell, Dodw. ); und der genauere von Koron nach Vorgb. Thyrides SO5S. nach Bellin; Malea hat B. du Boc. durch Rayons von Verguin gegen Taͤnaron fixirt, und eine Carte mspte deſſelben fuͤr die Gegend benutzt. Von B. Tetragi (Kerauſion) giebt Ddw. ein Cap von Lakonien S2O. Ithome S20W. Akropole von Kypariſſia S75W. Suͤdſpitze von Zante N55W. Berg Skollis N10W. Lalla am Berg Pholoe N2O. Megalopolis425 N85 1 ∫ 2 O.: vom Berg Dioforti (Lykaͤon) Gell Te - tragi S34, 30W. Ithome S25W. Megalop. S55O. Hag. Elias (Taleton auf Taygetos) S17, 30O. Kari - tena N62, 30W. Von Krano (Kromos) Ithome S47W. von der Burg von Gortys das Lykaͤon S41W.
Allgemeine Meſſungen der Alten. Umkreis des Pelop. von Vorgeb. zu Vorgeb. 4000 St. nach Str. aus Polyb., 4400 nach Aga - themeros (Plin. nach Iſidoros hat 563 m. p. = 4504 St. vgl. auch Goſſelin recherches sur la geogr. 2 p. 15.); mit Einrechnung der Meerbuſen aber 5600 St. Str. (Agathemer. hat 8627. und ſo auch Plin. duplicem fere circuitum), welche Geſammtangabe ſo nach Stra - bons eignen Angaben einzutheilen iſt: vom Iſthmos bis Araxos 1030 St. (vgl. Caſaub. und Goſſelin); von Araxos bis Koryphaſion 1295 St; (naͤmlich von Koryphaſion bis Pylos Triph. 400 St. von Pylos bis Alph. 350 St. von da bis Chelonates 280, bis Araxos 265, wo aber das zweite Datum um das Drei - fache uͤbertrieben iſt; corrigiren darf man nicht); dann von Taͤnaron bis Malea 670; von Malea bis Schoͤnus 1800; zuſammen 4795; die fehlenden 805 kommen auf die Entfernung von Taenaron bis Kory - phaſion. Doch rechnet Strabon ſelbſt den περίπλους Meſſeniens 800 St., welches gegen jene Entfernung viel iſt. Alle dieſe Entfernungen differiren von denen unſrer Karte ziemlich in der Proportion 4: 5; die zweite mehr, die letztangegebne weniger. Noch genauer treffen die Meſſungen queer durch den Pelop. die offenbar nicht Reiſerouten ſind, von Chelonates nach Malea 1400 St. und von Aegion nach Malea (ſo die Mſſ. und Agathemeros) ebenfalls 1400 St.; nach Plin. 190 m. p. = 1520 St. Plinius Meſſungen der einzelnen sinus ſind faſt alle viel zu groß.
Wir vergleichen noch einige Landwege durch den Peloponnes. Von Olympia nach Sparta 660 St. Pauſ. 6, 16, 6. (tab. Peut. nur 64. m. p.) etwa ſo einzutheilen: Von Ol. bis Melaͤneaͤ 200 St. (12. m. p. tab. Peut. ); von Mel. nach Megalopolis 200 St. (22.426 m. p. t. P.), von Meg. nach Sp. 260. Von Ol. nach Athen 1485 St. Her. 2, 7. Etwa ſo zu theilen. Von Ol. nach Melaͤneaͤ 200 St., nach Methydrion 230, nach Orchomenos 140, nach Phlius 250, nach Kleonaͤ 110, nach Korinth 80, nach Megara 260, nach Athen bis zum Altar der zwoͤlf Goͤtter 215. Von Ol. nach Argos, ſo wie nach Phlius, rechnet Plin. 4, 10. 68. m. p., = 544 St., welche weit groͤßer genommen ſind als in den vorigen Angaben; von Elis nach Epidauros 125 m. p. = 1000 St., von Elis nach Sikyon derſ. 7, 2. 1200 St. offenbar zu viel. Den Weg von Athen nach Sp. giebt Suidas s. v. Ἱππίας uͤbertreibend 1500 St. an, Solin 1240, Iſokr. Paneg. 24. 1200, Plin. 7, 21, 1140. Dieſe ſind ſo einzutheilen. Von Athen nach Megara 210, nach Korinth 260, nach Kleonaͤ 80, nach Argos 120, nach Tegea 220, nach Sparta 260.
Achaia, Nordkuͤſte des Peloponnes. Ueber - einſtimmende Angaben der Laͤnge ſind: vom Iſthmos bis Rhion 85 m. p. (Plin. 4, 2.) = 680 St., von ebd. den Iſthmos eingerechnet bis Patraͤ 720 St. (Plin. 2, 112. 4, 5. Agathem. die Neuern rechnen von Korinth bis Patras 33 Stunden; Melet. 87 μίλια, Dodw. nur 60 m. p.); von ebd. bis Araxos 1030 St. (Str. Pouqv. rechnet die Diſtanz von Araxos jetzt Cap Papa bis zum Winkel der Bai von Libadoſtro 36 lieues marines). Skylax dagegen rechnet fuͤr die Kuͤſte der Sikyonia 120 St., dann fuͤr Achaia (bis Araxos) 700 St., womit Pauſ. ziemlich ſtimmt, bei dem von Patraͤ bis zum Hafen von Pellene 492 St. theils Landweg, theils Kuͤſtenfahrt herauskommen. — Die Folge der Staͤdte ſteht durch die Aufzaͤhlungen von Herodot, Polybios, Strabon, Pauſanias feſt: bei Skylax muß man emendiren p. 15 Hudſ. Πελλήνη, Αἴγειρα, Αἰγαὶ, Αἴγιον, Ῥύπες, ἔξω δὲ Ῥίου, Πά - τραι, Δύμη. Im Peloponn. Kriege beſtanden noch alle 12 Staͤdte autonom (daher ſie auf unſrer Karte alle zum Zeichen der Autonomie mit Uncialen geſchrieben ſind); denn daß ſich Pellene an Sikyon und Korinth anſchloß, und von den uͤbrigen getrennt hielt, (Thuk. 4272, 9. 5, 58. 8, 3. Xen. H. 7, 2, 2. vgl. Ael. V. G. 6, 1.) laͤßt noch nicht auf Abhaͤngigkeit ſchließen.
Die Stadt Πάτραι, Colonia Aroe Patrensis, Patras (Ἀρόη τϱίπυργος, Sibylle bei Etym. 147, 36, naͤmlich Aroë, Meſatis und Antheia) lag O. und S. von der Citadelle; und wurde Ol. 90, 1. durch zwei Mauern (Thuk. 5, 52. Plut. Alk. 15.) mit dem Hafen, der 1 mille ſuͤdlicher (Pouquev. ; weſtlicher, Dodw. ) als der jetzige lag (der von der Stadt 1 ∫ 2 mille nach Pouquev. a mile nach Dodw. entfernt) verbunden. 3 miles davon erhebt ſich B. Boidia (Panachaikon Potyb. 5, 29, 3.). Gegen Oſt 1 mille (Pouq., 2 1 ∫ 2 milles Ddw. wohl falſch) Fluͤßchen von Sachena, (Meilichios bei Pauſ.). Ῥίον von Patraͤ 50 St. (Pauſ. von Pouquev. evaluirt mit 1 lieue 2225 tois. ), 5. m. p. nach Plin. Zw. Rhion und Antirrhion 5 St. Str., 7 St. Thuk. Agathem., minus 1 m. p. Plin. 4, 52, 10 St. Skylax. Zur Zeichnung der Gegend iſt Coronelli benutzt. Die Landzunge Δρέπα - νον, von Str. 8, 335. mit Rhion identificirt, liegt nach Gell g. 123. min. nach Dodw. 2 miles davon; von einer Hoͤhe dabei ſah Pouquev. Rhion N88W. Antirrhion N70W. Pauſ. mißt zur See von Rhion 15 St. (vgl. Thuk. 2, 86.) bis Πάνορμος (Teket 2 milles von Rhion), 15 weiter bis Ἀϑηνᾶς τεῖχος (wovon ein Tumulus mit Backſteinen uͤbrig, 63 min. von Rhion, Gell; Pſato-Pyrgos dagegen halte ich fuͤr Bolinna); von da 90 St. bis Ἐρινεὸς (Khan Lambrika, 170 min. zu Lande davon, Gell, mit Rhede und Feigenwald, Pouquev. ) ἐν τῇ Ῥυπικῇ nach Thuk. ; von da 60 St. (150 min. zu Lande, G.) auf Αἴγιον, j. Voſtizza. Der Landweg bis Patraͤ nach Pauſ. 190 St. ſtimmt mit 25 miles bei G. Ῥύπαι (Ῥύπες, uͤber Ἄϱυπες vgl. Sturz ad Pherec. 65 p. 216.) 30 St. von Aegion gegen W. Pauſ. trifft etwa auf St. Michel l Archange Pouqv. Das Ὁμάϱιον bei Aegion habe ich nach Pauſ. angeſetzt, der auch vom Fl. Selinos (1 ∫ 2 Stunde von Voſtizza Pq. u. G. 1 mile SO. Dd.) richtiger handelt als Str. Ἐλίκη ſteht auf unſrer Karte noch (es ging unter Ol. 101, 4.) auf dem Flekke der Bai von Buphukia,428 worauf die Entfernungen (40 St. = 96 min. G. 4 1 ∫ 2 milles Pq.) und die Sage des Orts fuͤhren; den Weg von da durch das Defil Trupia der Hag. Irine zur Metochi von Megaſpilaͤon, wo noch außer der Hoͤhle des Herakles die Akrop. und ein Tempel des erneuerten Βούϱα (ſ. Weſſel. ad Diod. 15, 49. Jacobs Anthol. Gr. 2, 2. p. 13 sq.) ſtehn, beſchreibt be - ſonders Gell genau. Bei Bura der Fl. Buraikos, Eraſinos (Str. p. 371.) Qu. Sybaris (p. 386.); der Fl. von Kalabryta iſt ſicher der Kerynetes, wornach ich Κερυνεία die Stelle des Kloſters der H. Irine gegeben. Weiter iſt der Name des Fl. Krathis noch in dem daran liegenden Khan Akrata erhalten, und die bei Pq. erwaͤhnten Ruinen daran muͤſſen Αἰγαὶ ſein; das Palaͤokaſtro im Thal des Chelopotamo 40 min. Dd. oder 3 ∫ 4 St. Pq. vom Krathis, 1 ∫ 2 lieue S. von der Straße, trifft nach Pauſ. und Polyb. Angaben auf Αἴγειρα, welches G. in Mavro-Petra (Mavro-Lithari) etwas oͤſtlicher ſucht, Andre ganz falſch in Xylokaſtro. Φελλόη habe ich in das Thal von Zakula geſetzt. Ἀϱιστοναῦται, Hafen von Pellene, nach Melet. und Pq. an der Muͤndung des Fl. Blo - choba; womit zwar nicht voͤllig ſtimmt, daß er von dem Hafen von Aegeira 120 St. entfernt, Pauſ., da bei G. dieſe Entfernung nur gegen 80 betraͤgt; doch konnte die Schiffahrt durch Kruͤmmungen der Kuͤſte aufgehalten werden. Πελλήνη 60 St. von da, Burg und κώμη (κεῖται δὲ μεταξὺ Αἰγῶν καὶ ΚΤΛ - ΛΗΝΗΣ emend. ich bei Str. 8, 386.); die Truͤmmer hat, wie ich glaube am richtigen Flekke, Col. Leake im Thale von Trikala gefunden. Der Fluß Krios fließt nach Pauſ. im Pellenaͤiſchen Gebiet, den Graͤnzen von Aegeira zunaͤchſt, πρὸς Αἰγείρας; Mannert hat dies ganz mißverſtanden. Brychos (Heſych), vielleicht der Fluß von Xylokaſtro, eine alte Akropolis an dieſem kann nur das Pellenaͤiſche Ὄλουρος ſein. Die Mauern im Paß 1 1 ∫ 2 Stunde von Sikyon ſind nach Dd. ge - zeichnet, ſie begraͤnzen das eigentliche Stadtgebiet, zu dem indeß fruͤhzeitig (wenigſtens vor Skylax) das Gebiet von Gonuſſa jenſeits geſchlagen wurde, Pauſ. 7, 26, 6.
Von Patraͤ gegen Weſt Fl. Glaukos j. Leuka. Der breitſtroͤmende Peiros (Μέλας iſt als Ne - benfluß deſſelben zu ſtatuiren, Kall. an Zeus 23. Dion. Per. 416. Str.) iſt entſchieden jetzt Kaminitza; dann iſt Ὤλενος zu ſuchen in den von Palaͤo-Achaja 1 ∫ 4 mile fuͤdl. gelegnen Ruinen (obgleich Pq. daſelbſt eine Inſchr. mit dem Namen von Pharaͤ fand). Nach Pauſ. der Peiros 80 St. von Patraͤ; nach G. 3 1 ∫ 2 Stunden, Palaͤo-Ach. von Patras 3 St. 55 min. = 10 miles. Φαραὶ am Peiros oder Πίερος nach Pauſ. angeſetzt, bei dem der Weg von 150 St. uͤber Olenos zu nehmen iſt. Λεόντιον erwaͤhnt blos Polyb., aber giebt einigen Grund, es mit den Ruinen beim Khan St. Andreas auf dem Wege von Kalavryta nach Pa - tras bei Ddw. (den Weg beſchreiben auch Turner u. Aa. ) fuͤr einerlei zu halten. Es liegt, ſchließe ich aus 5, 93, 4. in der Φαραικὴ, die an die Αἰγιὰς graͤnzte; ſo daß Τριταία, 100 St. vom Skollis nach Str., von Pharaͤ 120 nach Pauſ., nicht dazw. geſetzt wer - den darf. Δύμη 40 St. von Olenos, (vgl. Apollo - dor bei Steph. Byz., wo τούτων auf Patraͤ geht) trifft auf Karaboſta, Dorf mit alten Graͤbern und Va - ſen, 107 min. von Palaͤo-Ach. G., 135 min. nach Ddw., der das Dymaͤiſche Ἑκατομβαῖον (Polyb. 2, 51, 3. Plut. Kleom. 14.) hierhin ſetzt, welches aber von der Stadt ab gegen die Eleiſche Eraͤnze liegen muß. Λάγγων bei Plut. ſcheint der Gebirgszug an dieſer Graͤnze und ein Caſtell. Das τεῖχος am Ara - xos bei Polyb. 4, 59, 4. 83, 1. glaubt Ddw. in ei - nem Caſtro der Gegend zu erkennen. Der Graͤnzfluß der Bupraſia und Dymaͤa (Apollod. a. O.), alſo Elea’s und Achaia’s (Xen. H. 3, 2, 23. Liv. 27, 31. vgl. Plut. Philop. 7.), Lariſos, heißt jetzt nach B. du Boc. Riſſo, die Englaͤnder nennen daſſelbe Fluͤßchen Mana. Pauſ. 6, 26, 5. (die Stelle 7, 17, 3. iſt verdorben) rechnet vom Lariſſos bis Elis 157 St. Ddw. ritt, mit Umwegen, 8 Stunden 40 min.
Σικυών. Ruinen beim Dorfe Baſilico (2 1 ∫ 3 milles oder 1 league vom Meer) beſchreiben Clarke, Ddw., Pq. u. Turner; unter den Zeichnungen der El -430 ginſchen Kuͤnſtler im Britt. Muſeum iſt ein, aber nicht ſehr ſorgfaͤltiger Plan derſelben; die langen Mauern zum Meer will Fourmont noch geſehn haben; von dem Tempel beim Theater, den er und Foucherot zeichne - ten, ſind nach jenem Plane noch Truͤmmer, wie von einem Stadium und einem Marktplatz, in der Naͤhe und zum Theil an der Akropolis. Von Τιτάνη (60 St. von Sikyon, 40 von der Phliaſia, man ließ auf dem Wege den Aſopes links,) haben die Reiſenden ei - nen Tempel aufgefunden, 108 min. von Baſilico ſuͤd - lich. Θυαμία iſt nach Xen. H. 7, 2, 1. 4, 11. ange - ſetzt; Γέραι ebd. 7, 1, 22. iſt nicht beſtimmt genug bezeichnet. Auch die Lage von Ἐπιεικία iſt aus Xen. H. 4, 2, 14. 4, 4, 13. nicht voͤllig deutlich; es ſcheint ein B. zw. Sikyon und Nemea. Nemea heißt auch der Graͤnzfl. von Kor. und Sikyon (Liv. 32, 15.), auch zu paſſiren auf dem Wege von Phlius nach Ko - rinth (Νεμεὰς χαράδρα) Aeſchin. παραπϱ. 50, 36. Harpokr. Schneider zu Xen. H. 4, 2, 15. Xenophons χαράδϱα im Thal von Nemea ſcheint derſelbe, der χείμαῥῥος H. 4, 4, 7. dagegen wohl der naͤher an Korinth fließende Bach. Poppo Thuc. 2. p. 213. ver - wechſelt den Charadros bei Argos mit der Nemea. Κόϱινϑος. Ich bemerke nur, daß das Thor πρὸς Κοϱυφὴν (zur Burg) dem nach Lechaͤon fuͤhrenden ge - genuͤberlag (Polyaͤn 4, 7, 8.) und daß unter den Vor - ſtaͤdten das Κρανειον, gegen O. nach Pauſ., rauhe aber heitre Luft hatte, das Ὀλύμπιον umgekehrte. Theo - phr. Caus. Pl. 5, 14. vgl. uͤber Korinths Lage Weiſke ad Xen. H. p. 189. Fuͤr den Iſthmos ſind außer Bel - lins descr. du Golfe de Vénise et de la Morée pl. 48. p. 230. und Chandlers nicht eben genauer Karte, wie auch der kleinen bei Clarke 2, 3. p. 741., die bei B. du Bocage’s Morée und eine unter den Elginſchen Papieren benutzt. Der διολκὸς fing von Schoͤnus an und kam zwiſchen Lechaͤon und Pagaͤ heraus, nach Str.; es iſt moͤglich, daß die angeblichen Spuren eines Canals bei Schoenus (Gell) und an der andern Seite (Chandler, Clarke, vgl. auch Ddw. ) gewoͤhnlich fossa Neronis genannt, dieſem angehoͤren. Es kommt zu - erſt bei Ariſtoph. Thesm. 650. vor. Etwas ſuͤdlich431 davon Truͤmmer eines Walls, den Manuel Palaͤologos gezogen, wohl nur einer Erneuerung des alten der Pe - loponneſier — denn daß dieſer von Lechaͤon nach Ken - chreaͤ gegangen ſei (Walpole Memoirs p. 347. nach Diod. 11, 16.) widerlegt der Beiſatz der 40 Stadien, der nur auf jene Diſtanz paßt. Die Haͤfen Σχοινοῦς, Κεγχϱεαὶ, Λέχαιον ſind ſichere Orte, eben ſo das Hei - ligthum auf dem Iſthmos, wo nur noch die ἱερὰ νάπη aufzuſuchen, in der nach der Inſchr. bei Spon. Misc. er. ant. 10. p. 363. Maffei Mus. Veron. p. 39. Me - letios Geogr. p. 383. T. der Demeter, Kora u. a. m. waren. Κρομμυὼν habe ich nach Thuk. und Skylax zu Korinth gerechnet, obgleich es fruͤher nach Str. Me - gariſch. Ueber Σιδοῦς ſ. außer Skylax, Xen. Hell. 4, 4, 13. 5, 19. Athen. 3, 82 b. (Euphorion Fr. 8. Mein. Apollod. Frgm. p. 423 H.) Heſych Σιδουντιὰς κώμη. Die Umgegend von Σολύγεια iſt nach Thuk. 4, 42 sqq. Polyaͤn 1, 39, 1. gezeichnet, wo nur zu bemerken, daß die 60 St. vom Anlandeplatz der Athener bis Korinth groͤßer ſein muͤſſen, als die 70 von Kenchreaͤ bei Str., und daß das Ὄνειον ὄρος zw. Solygeia und Kenchreaͤ von der uͤbrigen Maſſe der Oneiſchen Berge durchaus getrennt iſt; bei Xen. 7, 1, 41. iſt ὑπὲρ Κεγχρεῶν in etwas weiterm Sinne zu nehmen. Μολύχιον (Heſych c. Intpp.) habe ich auf den Platz eines alten Caſtells bei Angelo-Caſtro (G. Pqv.) geſetzt. Πειραιὸν bei Thuk. 8, 10. 11. an den Graͤnzen von Epidauria iſt gewiß in Σπείϱαιον zu aͤndern, (der Hafen hieß wie das Vorgeb. ) und der Ἀϑηναίων λιμὴν bei Ptolem. wohl nach Plin. in Ἀνϑηδὼν. Das Πείραιον dage - gen bei Xen. 4, 5. gehoͤrt an die entgegengeſetzte Kuͤſte zw. die Θερμὰ, welche, wo die Ebne (τὸ πλατὺ τοῦ Λεχαίου) an das Geb. ſtoͤßt, liegen, und jetzt Lutro - chori heißen, und das Ἡραῖον auf Cap Olmiaͤ, jetzt Malangara, und trifft auf Pera-chori nach B. du Boc. Karte. Οἰνόη ſcheint hinter dem Cap gelegen. Die Truͤmmer von Τενέα hat Ddw. auf dem Hagion Oros uͤber dem Khan von Kurteſa (Kleonaͤ) entdeckt, vgl. Pqv. Bei Xen. Hell. 4, 4, 19. hat ein Rec. der Je - naer ALZ. fuͤr Τεγέαν ſehr richtig Τενέαν corrigirt.
Die alte Straße von Korinth nach Megara ging an den Skironiſchen Felſen (Σκιϱάδες bei Polyb. 16, 16, 5.) vorbei; als Graͤnze iſt eine Art Felſenthor an - genommen, von Clarke beſchrieben; der Weg uͤber den Ruͤcken der Ὄνεια ὄρη, den Pq., Ddw. Aa. beſchrei - ben, wurde erſt 1715 von Alipaſcha gebahut, daher er auf der Karte nur angedeutet iſt. Ὄνεια ὄρη iſt ein ziemlich unbeſtimmter Ausdruck, bald werden ſie naͤher an Korinth geruͤckt (ſ. auch Heſych s. v. Ὄνειον und ῥίον Οἰνοαῖον, wo aber Oenoe in Argolis mit dem Korinthiſchen verwechſelt wird), und liegen zw. Kor. und Geraneia (Plut. Kleom. 20. wo Ὤνια in Ὄνεια zu emd. ), bald bis an die Graͤnze Boͤotiens ausge - dehnt (Prov. Vat. 3, 71. Apoſtol. 17, 8.), Str. nennt das Geb. uͤber Megara ſo. Geraneia Bg. und Ca - ſtell iſt ſicherer; nur Simonides (vgl. Aegin. p. 4.) ſetzt den B. an die Skironiſche Kuͤſte (an der die Fel - ſen Μολουριὰς, Hemſterh. zu Luk. T. 1. p. 307. Χε - λώνη Diod. 4, 59.); gewoͤhnlich gehoͤrte er zu Mega - ris (Dieuchidas bei Harpokr. ), damals indeß vielleicht zum Theil zu Korinth. Thuk. 1, 105. Denn in dieſer Zeit erſtreckte ſich die Korinthia weiter uͤber den Iſth - mos als fruͤher, wo außer Krommyon auch Heraͤon und Peiraͤon Megariſch waren, zwei von den alten fuͤnf Komen des Lands. Bd. 2. S. 89. — Daran ſchließt ſich der Aegiplanktos (αἰγίπλακτος, undis pul - sus), der mit dem Kithaͤron die λίμνη Γοργῶπις (Ae - ſchyl. Agam. 309. vgl. Peterſen in Misc. Hafn. T. 1. f. 2. p. 63., vorher ἐσχατιῶτις genannt, Etym. M. 384, 38. vgl. Heſych und Phavorin Ecl. p. 209, 16. Dind. wo der Name corrupt; Heſych und das Etym. ſind ungenau in der Angabe des Lokals) einfaßt, wohl nur den innerſten Buſen des Halkyoniſchen Meers; dieſelbe heißt λίμνη ohne Beiſatz bei Plut. Qu. Gr. 59. wo fuͤr ἐν Αἰγείροις — ἐν Αἰγοσϑένοις corrigirt werden muß. Bei Skylax folgen ſich die Orte an der Kuͤſte: in Megaris Aegoſthena, Pagaͤ, Caſtell Geraneia, Αρις (unbekannt), in Korinthia ἱεϱὸν αἴγνιον (wahrſcheinlich ἀκϱαῖον) Iſthmos. Plin. und Pauſ. 1, 44, 7. 8. ſtim - men in der Lage von Aegoſthena uͤberein (wo fuͤr ἐν Ἐρενείᾳ κώμη, ἐν Γερανείᾳ zu aͤndern rathſam, doch433 las ſchon Steph. B. ſo.) Ueber Τϱιποδίσκος vgl. zu Thuk. und Pauſ. Konon 58. Gell Itin. of Greece p. 7. Der alte Weg nach Pagaͤ (von Niſaͤa 120 St. Str.) iſt der jetzige Diaſelos. Fuͤr Μέγαρα ſelbſt, Μινῴα und Νισαία ſind die Hauptſtellen bei Thuk. vgl. Poppo T. 2. p. 235. Die Graͤnze gegen Attika machte die χαράδρα Ἰάπις nach Skylax, vgl. Kallim. bei Steph. Byz. Ddw. fand Spuren einer Graͤnz - mauer an dem B. Κέρατα. Φάλυκος (oder ον) bei Theophr. H. Pl. 2, 8. unbeſtimmter Lage.
Κλεωναὶ iſt nach Bd. 2. S. 159. 174. als autonome Stadt bezeichnet, vgl. Thuk. 5, 67.; die Rui - nen bei dem Khan von Kurteſa (nur B. du Boc. hat Klegna, aber ſeine Karte iſt hier ganz verwirrt) ſind ſicher, und auf Gells Karte von Argolis richtig ange - ſetzt. Es kommt oft als Ort der Paſſage vom Suͤden des Pelop. zum Iſthmos vor, da ſuͤdlich davon die Felſenſtraße Κοντοποϱία (Bd. 2. S. 71, 2.), einerlei mit dem Fahrwege ἐπὶ τοῦ Τϱητοῦ, Pauſ. (der vor dem Eingange einen Abſtecher nach Nemea macht) vgl. Diod. 4, 11. Eben ſo iſt Νεμέα, damals noch Kleo - naͤiſch, hinlaͤnglich beſtimmt; es war blos ein Heilig - thum, benannt vom waltenden Zeus; Ortſchaften oder Doͤrfer des Thals dagegen Βέμβινα und Μολοϱχία (Steph. B.) Ueber Ἀπέσας B. mehrere Stellen Bd. 2. S. 442, 3. add. Heſiod. Theog. 331. Pind. Fr. inc. 100. p. 660 Bh. Kallim. Frgm. Bentl. 82. Μυ - κῆναι bei Charvati iſt durch ſeine Ruinen fixirt. Ἔμεια τόπος Μυκηνῶν Etym. M. Das Ἡραῖον muß nach Pauſ. in das Thal O. von Mykenaͤ geſetzt wer - den, wo die Kirchen des Ag. Demetrios und der Pa - nagia antike Reſte enthalten, Ddw., uͤber der Gegend Proſymna (Bd. 2. S. 395, 2.), die nach Str. an Midea ſtoͤßt. Das Fluͤßchen jenes Thals iſt Aſcerion, Pauſ. Kallim. bei Etym. M. δόναξ. Stat. Theb. 4, 713. Phyti weſtlich vom Wege nach Myken halte ich fuͤr Σάμινϧος, Thuk. 5, 58. — Φλιοῦς Ruinen hei - ßen Staphlika. Das Thal beſchreiben G. Pq. Ddw., am ausfuͤhrlichſten, aber ſehr verwirrt, Fourmont. Die Berge auf Nemea zu nennt Pind. N. 6, 46. ὠγύγια,III. 28434ich weiß nicht ob blos appellativiſch. Das Gebirge noͤrdlich Κοιλῶσσα (gehoͤlt, wie alle B. dieſer Gegend) Str. 8, 381. αἱ παρὰ Κοιλῶσσαν ἐμβολαὶ Xen. H. 4, 8, 7. ein Theil deſſelben Karneates, wo die Haupt - quellen des Aſopos. Die alte Ἀϱαιϧυρέα 30 St. von Phl. am Gebirg gegen die Graͤnzen Sikyons, Schol. Ap. 1, 116., etwa wo Gells Argolis Araniza hat. Τρικάρανον im Gebiet von Phlius gegen Sikyon in den Bergen, Xen. H. 7, 2, 11. vgl. Valcken. ad Ado - niaz. p. 415 a. Schneider zu Xen. 7, 2, 1. vielleicht Hellenico-Caſtro, was nach G. 60 min. S. von den Ruinen von Titane liegt. Auf die Wege von Phlius nach Argos bezieht ſich die Erzaͤhlung bei Thuk. 5, 58., die ſo zu faſſen iſt. Agis ſteht mit den Peloponne - ſiern zu Phlius, die Argeier, um ihre Ebne zu ver - theidigen, gehn auf der Hauptſtraße Kontoporia nach Nemea. Agis aber geht den mehr weſtlichen Weg, und kommt bei Saminthos heraus, die Phliaſier einen Seitenpfad uͤber den Berg, etwa bei Hellenon-Lithari, die Boͤoter kommen zugleich die Hauptſtraße von Nemea herab, waͤhrend Agis ſich zuruͤckwendend von der Ebne aufwaͤrts den Argeiern in den Ruͤcken zu fallen droht.
Von Ἄργος (Palaͤpolis bei Heſych) ſteht be - ſonders die Mauer der Lariſſa (Λάσα, Steinburg, He - ſych), an deren SO. Ende das Theater, welches am Markte lag (Liv. 32, 25.); die zweite Akropole (Liv. 34, 25.) ſcheint eine Felſenhoͤhe NO. von der Lariſſa ein - genommen zu haben, vielleicht die Hoͤhe Ἀσπὶς (Plut. Pyrrh. 32.), denn auch dieſe war ὀχυρὰ und δυσκα - ϧαίρετος; hier war ein Schild als Inſigne der Stadt aufgeſteckt, von dem das Spruͤchw. ὡς τὴν ἐν Ἄργει ἀσπίδα καϧελὼν. Zenob. 6, 52. Plut. Prov. Alex. 44. Suid. Fourmonts Journal beſchreibt beſonders weit - laͤuftig unterirdiſche Gaͤnge und Kammern in der La - riſſa. Die Hafenmauern von Argos (Plut. Alex. 15.) konnten hier noch nicht angegeben werden. Die Lage der πύλαι Νεμεάδες (Heſych) iſt durch den Namen deutlich. Von den Fl. iſt Charadros der ſuͤdlichere, naͤhere, an ihm war das Militaͤrgericht der Argeier,435 oben S. 220, 5., Inachos der noͤrdlichere, deſſen Quel - len am Wege διὰ Πρίνου im B. Lyrkeion (Str. Schol. Apoll. 1, 122. Kallim. Hekale bei Steph. B. So - phokl. bei Str. 6, 271. vgl. Spanh. Kall. Pall. 48. p. 663.); ſo lange er im Geb. fließt, macht er die Graͤnze zw. Mantineia und Argos. Λυρκεῖον und Ὀρνεαὶ angeſetzt nach Pauſ., das letztre beim Khan von Miliotis auf dem Wege nach Phlius, Pqv. Ein Nebenfl. des Inachos vom Lyrkeion her muß Kephiſſos ſein, Str. 9, 424. Ael. V. G. 2, 33.; der Χάρης (Plut. Arat. 28.) iſt ſonſt unbekannt. Orneaͤ habe ich zu Argos gerechnet nach Bd. 2. S. 159. 174., obgleich die Einw. bei Thuk. 5, 67. nur σύμμαχοι der Argeier heißen. vgl. Aegin. p. 49, y. Οἰνόη am Ar - temiſion, vgl. Heyne ad Apolld. 1, 8, 6. 2, 5, 3. oben Bd. 2. S. 374, 3. Ueber Nauplia, Tiryns, Li - kymnia verweiſe ich ganz auf Gell’s Argolis, ob - gleich ſeine Karte aus dem Itinerar ſelbſt noch in Manchem rektificirt[ werden] kann, was uns hier zu weit ins Detail fuͤhren wuͤrde. B. du Boc. hat zu ſeiner Karte beim Anacharſis rayons von Foucherot be - nutzt. Σήπεια aus Herod. 6, 77. Vor dem Perſer - kriege war ein Theil dieſer Kuͤſte noch Tirynthiſch. Von Tiryns, das in Alt-Anapli ſchon Desmouceaux er - kannt hat, iſt nur die alte Akropolis uͤbrig, wie auch faſt nur von Myken, (auch Thukyd. konnte nur dieſe ſehn); denn ganze Staͤdte zu befeſtigen, war nicht Sitte der Urzeit; hatten alſo dieſe Staͤdte aͤußere Mauern, ſo waren ſie aus ſpaͤterer Zeit, und eben des - wegen zerſtoͤrbarer. Die zerſtoͤrten Staͤdte ſind un - terſtrichen, Nauplia blieb ναύσταθμον von Argos; auch Hyſiaͤ ſtand noch im Pelop. Kriege, Thuk. 5, 83. Diod. 12, 81. wie Orneaͤ, obgleich οἱ Ἀργεῖοι κατέ - λυσαν αὐτὰς, Pauſ. 8, 27, 1. Μιδέα halte ich fuͤr das Palaͤo C. 90 min. von Napoli nach G. auf dem Wege nach dem Graͤnzort Λῆσσα (Lycurio). Das Ἀσκληπιεῖον j. Jero; den Weg dahin beſchreibt auch Desmouceaux bei Bruyn T. V. p. 468. vom Κορυφαῖον vgl. Bd. 2. S. 374, 5. Ἐπίδαυϱος lag auf dem Iſthmos der Halbinſel, δίστομος nach Heſych. Ueber das Ἡραῖον Thuk. 5, 75. Pauſ. 2, 29, 1. vgl. Gell;28*436die Landzunge, worauf es liegt, und das alte Epidau - ros faſſen einen μυχὸς ein, der nach Str. 15 St. im παϱάπλους hat. Das neue Epidavro am Winkel des μυχὸς iſt von Piada (Epiada Clarke) zu unterſcheiden, was gegen eine Meile noͤrdlicher liegt. — B. du Boc. hat fuͤr alle Kuͤſten des Saron. Meers auch Aufnah - men von Fauvel zu ſeiner Karte von Morea benutzt.
Τροιζὴν, Ruinen bei Damala. Ἄϱγος Τϱοιζήνιον aus Euſt. p. 1465, 57 Rom. Den Fl. Tau - rios oder Hylykos und die Qu. Hyoeſſa giebt Ath. 3, 122 f. Heſych Ταύϱειον. Pauſ. 2, 32, 7. Ueber Κα - λαύϱια Aegin. p. 25 sq. Die Truͤmmer des Poſei - dions auf der groͤßten Hoͤhe 900 — 1000 Fuß uͤber der Meeresflaͤche. Die Ruinen von Μέϧάνα liegen bei Dara nach Ddw. und G.; daß es auf dem ἰσϧμὸς der Halbinſel laͤge (Thuk. 4, 45. vgl. Pauſ. 2, 34, 1.) muß man nicht zu genau nehmen. Ἑρμιόνη iſt in Caſtri ſchon von Fourmont aufgefunden worden (vgl. Bd. 2. S. 399, 3.), Εἰλεοὶ heißt Eilio, Δίδυμοι Di - dymi. Der Hafen Thermeſi bei G. iſt offenbar an der Stelle des T. der Δημήτηϱ Θερμησία, der an den Graͤnzen der Troezenia und des Geb. von Hermione lag, 80 Std. von Skyllaͤon, Cp. Skylli; welches G. auf ſeiner Karte, mit andern verglichen, z. B. B. du Bocage, der hier Pilotenkarten benutzt, zu weit nach O. vorſpringen laͤßt. Σκύλλαιον vom Iſthmos nach Skyl. 740 St. (aber man muß fuͤr Ψμ wohl ϒμ ſchreiben; doch ſind ſeine Zahlen hier ſehr verwirrt), im Gebiet von Troezen nach Pauſ. Skyl. ; Str. rech - net es ungenau zu Hermione p. 373. — Ueber die Graͤnzen des alten Dryopergebiets ſ. oben Bd. 2. S. 84.; auf unſrer Karte ſollte freilich wenigſtens Aſine den Argeiern zugetheilt ſein, die es ſich ſchon geg. Ol. 1. nach Pauſ. 2, 36, 5. (vgl. Bd. 2. S. 155.) zu - geeignet hatten; doch blieb es immer davon geſchieden durch die Epidauria, wenn dieſe (nach Skylax) ſich mit 30 Stad. an die SW Kuͤſte erſtreckte. Hermione, obgleich nach dem Perſerkriege von Argeiern beſetzt, Bd. 2. S. 175., beſtand doch hernach wieder als au - tonome Stadt; ja wir finden es Thuk. 2, 56. 8, 3.437 und ſpaͤter als Lakoniſche σύμμαχος, wie die Halieis: die naͤhern Umſtaͤnde kennen wir nicht. Ἠιὼν oder Ἠιόνες, eine alte Dryoperſtadt, Diod. 4, 37. hernach nach Str. Rhede der Mykenaͤer, iſt vielleicht von Ha - lieis nicht weſentlich verſchieden, welcher Name beſon - ders erſt aufkam, da die Hermioneer und Tirynthier dort ſich angeſiedelt, daher Herod. 7, 137. Ἁλιέας τοὺς ἐκ Τίϱυνϧος (vgl. Bd. 2. S. 175, 2. Boͤckh Ca - tal. lectt. Berol. 1815 — 16.), aus welcher Stelle ſonſt hervorgeht, daß Sparta ſich des Orts, etwa um Ol. 80, 3., mit Liſt bemaͤchtigte. Ptolemaͤos hat in dieſer Gegend ΦΛΙΟϒΣ, und viele Karten nach ihm, wofuͤr ich ἉΛΙΚΟΣ ſchreibe, wie Halieis Kallim. bei Steph. s. v. nennt, Ἁλίνη Pauſ. Αἴγινα gehoͤrt auf unſrer Karte nicht mehr dem Peloponnes an. Zur Topogra - phie der Inſel finde ich nur nachzutragen, daß der B. Hellenion auch bei Klem. Alex. Str. 6. p. 753, 15. Pott. vorkommt, und ein ἀκρωτήριον Πέρνη bei He - ſych 2. p. 942. Alb. Auf die Felſenkuͤſte von Aegina bezieht ſich der Dichterausdruck ἠχὼ πετραία bei Pho - tios p. 62., wornach heſych 1. p. 1668. zu emendiren.
Zu der Gegend ſuͤdlich von Argos be - merke ich nur folgendes. Die Qu. des Eraſinos (200 St. von Stymphalos nach Str. und Diodor) im Chaon heißt jetzt Kephalaria, διαβατήρια des Kleome - nes daran, Herod. 6, 76. Das ῥέος Κεγχρείας, Aeſch. Prom. 676., kann nach Pauſ. 2, 24, 8. Pontinos, Phrixos oder auch ein andres Fluͤßchen ſein. Bei Ler - na (Mulina) Ἐλεοῦς, Apolld. 2, 5, 2. Ἐλαιοῦς Steph. Ob Ἕλος oder Ἑλοϋσα τῆς Ἀργείας bei Apolld. 2, 4, 7. damit einerlei ſei, wiſſen wir nicht. Das Paneion an dem Wege nach Tegea (Τϱοχὸς ge - nannt) haben wir in dem Jero der Reiſenden zu fin - den geglaubt. Den B. Kreopolon dem Parthenion ge - genuͤber bei Str. 376. halte ich fuͤr einerlei mit dem Kreion bei Kall. an Pallas 41. Das Parthenion ge - hoͤrte ganz zu Arkadien, Pauſ. 8, 34, 5. Ueber Ky - nuria ſ. Aeginet. p. 46. Die Graͤnzhermen an der Qu. des Tanos gelten nur fuͤr die ſpaͤtere Zeit, da die genannte Landſchaft Argiviſch war. Θυραία heißt438 vielleicht jetzt Araethyrea, wenn Gell den Namen nicht mißverſtanden. Πυράμια τῆς Θυϱεάτιδος (wo der ἀπόβαθμος) aus Plut. Pyrrh. 32.
Arkadien. Von der Natur des Landes im Allgemeinen oben Bd. 2. S. 67. Im Einzelnen iſt Pauſanias ein hoͤchſt ſorgfaͤltiger und genauer Fuͤhrer; es iſt vielleicht nicht unwichtig, die Dispoſition ſeiner zahlreichen Routen zu uͤberſehn, zumal da dieſe durch die ſchlechte Capitelanordnung und Interpunktion oft ganz verſteckt iſt. — Der leitende Faden iſt der Weg von Argos uͤber Mantinea, Orchomenos, Kaphyaͤ, am Ladon hinab und Alpheios hinauf nach Mega - lopolis, dann nach Tegea. — Straßen von Argos 1, bei Hyſiaͤ und beim Parthenion nach Tegea (nicht als zwei zu unterſcheiden) 2, durch Prinos nach Mantinea, 3, durch den Klimax (j. Kakiſkala nach Vaudonc. uͤber Turniki nach G.) nach Mantinea; dieſe iſt Pauſ. ſelbſt gegangen. A. Von Mantinea beſchreibt er 5 Wege, 1, nach Tegea mit einem Seitenpfade zum T. des Poſeidon Hippios und nach Phoezon, 2, nach Pallantion, 3, nach Methydrion bis zur Graͤnze des Gebiets bei Petroſaka, 4, den graden Pfad nach Orchomenos, 5, den Weg nach Orchomenos uͤber Ancheſia. B. Von Orchomenos 2 Straßen, 1, nach Kaphyaͤ, 2, am Berg Trachy (ſchr. 8, 13, 3. ὑπὸ Τϱαχὺ εἵσιν ὄϱος) a, nach Stymphalus b, nach Pheneos uͤber Karyaͤ. Nun ſchließt ſich an Orchomenos I, Pheneos an, mit den Straßen 1, nach Pellene und Aegiera bis B. Krathis, 2, nach O. uͤber Geron - teion a. nach Stymphalus, b, links nach Trikrena, Sepia, Kyllene (8, 16, 1. ſchr. τοῦ Γεροντείου δὲ ἐν ἀριστερᾷ διὰ τῆς Φενεατικῆς ὁδεύοντι ὄϱος Φενεα - τῶν ἐστὶ Τϱίκρηνα καλούμενον). 3, gegen W. a, rechts nach Nonakris, daruͤber Geb. Aroania, Luſoi, Kynaetha, b, links uͤber Lykuria nach Kleitor. II, Stymphalus und Alea. Darauf geht Pauſ. auf dem Wege B, 1. uͤber Kaphyaͤ, den Ladon, nach Pſophis, Thelpuſa, Onkeion, an die Muͤndung des Ladon, uͤber Heraea, nach Megalopolis. C. Mega - lopolis, Straßen dahin u. daher, 1, von Heraea uͤber die Graͤnze des Gebiets am Buphagos, Brenthe, Trapezus,439 Baſilis, Thoknia. 2, nach Meſſenia SW. uͤber Kro - mos, 3, nach Karnaſion SSW. 4, Lakedaͤmon SO. uͤber Phalaͤſiaͤ, Belemina, 5, nach Methydrion N. mit einem Seitenwege nach Thyraͤon, 6, nach Maͤnalon No. 7, nach dem Tempel der Deſpoͤna, Lykoſura, Phigalia W. 8, nach Pallantion und Tegea gegen O. uͤber Oreſthaſion, Haͤmoniaͤ, Aſea, Manthyreia. D. Tegea, 1, Weg nach Sparta, 2, nach Thyraͤa in Argolis. Womit der Kreis ſehr ſchoͤn geſchloſſen iſt.
Στύμφαλος. Truͤmmer beim Dorf Kionia unfern des Sees (Μετόπα Pind. O. 6, 82.), von dem Stymph. 5 St. (wie Ddw. bei Str. fuͤr 50 mit Recht corrigirt) lag, am B. Kyllene. Schol. Pind. O. 6, 129. Aa. Ueber die Katabathra, ζέρεθϱα bei Str., vgl. Pqv. u. Ddw. Gells Zeichnung iſt nicht ganz richtig. Ueber die Ruinen von Ἀλέα G. Ddw. Der B. Ἀπέλαυϱον gezeichnet nach Polyb. 4, 69, 1. Liv. 33, 44. Das Ὀλίγυρτον, B. zw. Stymph. und Kaphyaͤ nach Pol. 4, 70, 1. das Caſtell des Namens nach Pol. 4, 11, 5. Plut. Kleom. 26. wo die Mſſ. Ὀλόγουντον, Ὀνόγυρτον u. dgl. haben. Φενεὸς j. Phonia beim Dorf Zarakula; die Akropolis auf einem coniſchen oben abgeplatteten Huͤgel. Was Steph. B. uͤber die Stadt hat, iſt alles aus Pauſ. Der Fl. in der Naͤhe, vgl. Diod. 15, 49., heißt bei Pauſ. Aroanios und auch Olbios; Anias bei Str. 389. und Aornos bei Athen. 8. p. 331 d. ſind wohl verdorbne Formen; er ging durch das ἔϱγον Ἡϱακλεῖον (j. bildet er wieder einen See) in den gouffre am B. Skiathis (j. Saitha, nach Ddw. Kokino-Buna) βάραθϱον von Plut. de sera 12. p. 245. von Eratoſthenes bei Str. 389. ζέϱεθρα und εἰσϑμοὶ genannt, vgl. Heſych. s. v. εἰσϧμός. Pauſ. 8, 14, 1. kennt auch ein andres βάϱαϧρον im B. Orexis, der 5 Stad. von Karyaͤ liegt (was nicht zugleich auf B. Skiathis zu beziehn iſt). Von einer Qu. bei Pheneos Ovid. M. 15, 332. Φενεὸς τῆς Λακωνικῆς bei Ael. N. A. 4, 5. iſt wohl ein Fehler. Der T. des Ap. Pythios exiſtirt vielleicht noch in Truͤmmern noͤrdlich von Zarakula. Pqv. T. 4. p. 214. Die Graͤnzen der Φενεατικὴ laſſen ſich nach440 Pauſ. Angaben genau beſtimmen. N. gegen Pellene eine Schlucht (?) Porinas, gegen Aegeira τὸ ἐπ᾽ Ἄρτε - μιν (vielleicht τὸ Νωνακϱῖνον, vgl. Muncker ad Hygin. Fb. 177.) O. der B. Geronteion gegen Stymphalos, S. der Fels von Kaphyaͤ als Graͤnze von Pheneos, Kaphyaͤ, Orchomenos, W., gegen Kleitor, Lykuria und der B. Aroanios, der zum Theil zu Pheneos, zum Theil zu Kleitor gehoͤrt. Zu dieſem Gebiete gehoͤren noch die Orte: Λυκουρία j. Lykurio; 50 Stad. von hier nach Pauſ. (aber die Engl. haben nur 51 oder 57 min.) in noͤrdl. Richtung bricht der Fl. Ladon (der ὠγύγιος Λάδων Dionyſ. P. 416.) als Fortſetzung des Gewaͤſſers von Pheneos hervor, (e paludibus Phenei, Plin.) aus dem B. Πεντελεία nach Heſych s. v., auf welchem auch ein Kaſtell Penteleion lag (Plut. Kleom. 17. Arat 39.), jetzt wahrſcheinlich Dordovani-Caſtro. Καϱυαὶ nach Pauſ. angeſetzt; den Weg nach Orcho - menos, an dem es liegt, beſchreiben neuere Reiſende, doch ohne Bemerkungen von Ruinen. Νώνακρις an der Styx in der Pheneatike nach Konon 15. vgl. Kanne p. 96. Kallim. Fr. 75, 32. und Pauſ. Die Cascade Styx heißt jetzt Mavronero; ſie ſendet ihr Waſſer in den Krathis.
Κλείτωρ, in einer verſchloſſne Ebne (daher der Name). Die Ruinen bei der Kalybia of Mazi und Katzanes, Ddw. G. Pqv. 19 min. von der LadonQu. an dem Hohlwege (αὐλὸς) auf Kleitor zu, iſt Achillona (Chelona) Spilaͤon nach G., wohin Pqv. die alte Weinquelle ſetzt, vgl. zu aa. Stellen Heſych κλειτόεν ὕδωρ und εἰτισκαὶ πηγαί. Ueber den Fl. Κλείτωϱ vgl. zu Pauſ. Ath. 8, 331 d. Was den Flußnamen Aroanios betrifft: ſo bin ich zu der Ueber - zeugung gekommen, daß mehrere von der noͤrdlichen Bergkette ſtroͤmende ſo heißen, namentlich drei: 1, der in der Ebne von Pheneos, auch Olbios genannt, 2, der welcher 7 St. oͤſtlich von Kleitor fließt und dann in den Ladon faͤllt. 3, der von Pſophis, unmoͤglich derſelbe, wenn nicht die Fluͤſſe aufwaͤrts ſtroͤmen (Pauſ. 8, 24, 2.). Zum Gebiete von Kleitor gehoͤren Σειραὶ an der Graͤnze von Pſophis, wohl das Palaͤoc. mit441 R. bei Seupi; Παγουκὠμη, bei Herod. 6, 127. Παγούπολις, etwas weiter zuruͤck, wo jetzt Strezzoba bei G. (ehemals wahrſcheinlich autonom); auch Λοῦ - σοι, welches indeß auch Pythiade 11. Ol. 58, 3. noch autonom war. S. Pauſ. 8, 11, 3. Vom T. der Artemis Bd. 2. S. 375. vgl. Polyb. 4, 18, 9. — Das rauhgelegne Κύναιθα im Thal von Kalabryta, nach G. ein Kaſtro in der Naͤhe. Ὁ ἀπὸ Κυναίθης ῥέων ποταμὸς Polyb. 9, 17, 1. iſt der Kerynetes. — Ψωφὶς nach allen Seiten von Bergen umgeben (nichts anders will Polyb. 4, 70. κατὰ τὴν μεσόγαιαν τῆς συμπάσης Πελοποννήσου) erkennt man in bedeutenden Ruinen (wovon die kyklopiſchen der Burg Φηγαία an - gehoͤren, vgl. Apolld. 3, 7, 5.) wenig noͤrdlich vom Dorf Tripotamia, am Zuſammenfluß der drei Wald - baͤche, des eigentlichen Erymanth jetzt Livardgion und Trivadi genannt, entſpringend aus einer großen Qu. gegen N. im Geb. Erymanth, auch Lampeia (j. Zembi) genannt, ſ. unter Aa. Schol. Ap. Rh. 1, 127., zwei - tens des Skupi von O. (des Ἀροάνιος bei Pauſ. ), drit - tens des Dekumi etwas ſuͤdlicher. Mit Pauſ. und den Neuern ſtimmt nicht durchaus Polyb. 4, 70.; mir ſcheint es, er nenne den Aroanios Erymanth, und den Erymanth χειμάῤῥους. Τρόπαια finde ich nach Pauſ. in den Truͤmmern jenſeits der Bruͤcke von Spathari uͤber Ladon bei G.
Ὀρχομενὸς bei Kalpaki, mit einer feſten Akropole Tirynthiſcher Bauart auf einem Huͤgel, und Spuren einer bedeutenden Stadt in der Ebne. In Angabe der Wege von da nach Stymphalos und Phe - neos ſtimmen G. und Ddw. mit Pauſ. ſehr wohl uͤberein. Die beiden Ebnen von Orch. ſind nach den - ſelben gezeichnet; die ſuͤdliche, hoͤhergelegne, iſt von einem Entwaͤſſerungskanal durchſchnitten; und haͤngt durch einen Hohlweg (χαϱάδρα) zuſammen mit der groͤßern, in der der See von Orch. zuſammengelaufen iſt, der zum Flußgebiet des Ladon gehoͤrt. Καφυαὶ ſuche ich in der kleinen Ebne von Dara (uͤber die außer Gell, Sibthorp in Walpole’s Mem. p. 75. und Pqv. T. 4. p. 214. zu vgl. ) etwa beim Khane του Δεσπο - του, obgleich die Ruinen noch nicht aufgefunden ſind;442 und die Qu. Geouſh ſcheint mir der Schlund Rheunos, wo der aus dem Orchomeniſchen See ſtammende Tragos, ὁ διὰ τοῦ Καφυέων πεδίου ῥέων ποταμὸς bei Polyb. 4, 11, 3. hervorſtroͤmt. Zw. Orch. und Mantinea ἡ Ἐλυμία Xen. H. 6, 5, 13. Μεθύ - δϱιον, ohne Zweifel in den Ruinen, Palatia ge - nannt, zwiſchen 2 Fl. erhalten, deren Lage ich nach G. beſtimmt habe. (Pqv’s Palaͤo-Pyrgos kennt man ſonſt nicht). Es graͤnzen nach Pauſ. Mantineia, Thei - ſoa, Orchomenos und Kaphyaͤ. vgl. uͤber den Ort Por - phyr. de abst. 2, 16. Durch Μαιναλία haben wir keine neuern Routen, außer die durchkreuzende von Tripolitza nach Leondari bei G. und Pqv. und muͤſſen uns lediglich an die Andeutungen der Alten halten. Sie liegt weſtlich von Mantineia und die Oreſtis bildete einen Theil davon, Thuk. 5, 64., worin Ὀϱε - σϧάσιον oder Ὀρέστειον (Herod. 9, 11.). Ich be - merke nur noch, daß der Maͤnaliſche Ort am Heliſſon 70 St. von Megalopolis zwiſchen Dipaͤa noͤrdl. und Sumetia ſuͤdl. wohl Λυκαία hieß, obgl. Pauſ. auch Λυκέα und Λυκόα hat; Λυκόα dagegen liegt in Ky - nurien am Alpheios, Pauſ. 8, 27, 3. Polyb. 16, 17, 6. Εὐταία an den Mantineiſchen Graͤnzen Xen. H. 6, 5, 12. Fuͤr das Land der Εὐτρήσιοι iſt Pauſ. Route von Megalopolis nach Methydrion die Haupt - qu. ; eine neuere fehlt.
Μαντίνεια j. Milia nach Stanh. ; damals ſchon συνοικισϧεῖσα, oben S. 70. Die hochgelegnen Ebnen von Mantinea und Tegea giebt eine Karte de la plai - ne de Tripolitza dressée sur les memoires du Doc - teur Pouqueville par B. du Bocage bei der erſten Reiſe von Pqv., die indeß nicht allzu genau iſt. Die Qu. Arne 12 St. von Mant. (Pauſ. 8, 8, 3. nach der Emd. ΤΗΣ ΠΗΓΗΣ fuͤr τῆς γῆς, vgl. Corai zu 8, 54.); Vdo. hat daſelbſt ein Arni. Von dem Ka - tabathron des Fluͤßchens Ophis ſ. Pqv. Die Doppel - mauern im Paſſe gegen Tegea, von ſehr alter Con - ſtruktion, giebt Gell. S. uͤber die Gegend Th. 5, 65 sq. Die erſte Schlacht von Mantineia fand ſtatt in einer engen Ebne zwiſchen dem Graͤnzpaſſe und dem443 Herakleion. Weiter gegen Mantineia hin ſind die Punkte nach Pauſ. angegeben; uͤber Phoezon’s Lage vgl. Il. 7, 143. Aleſion mit dem T. des Poſ. Hip - pios wird durch Polyb. 9, 8, 11. 11, 11, 4. 6. 11, 14, 1. fixirt, 7 St. von Mant. auf Tegea zu; dar - nach iſt die Ἐλισφασίων χώρα und der Abzugsgra - ben angegeben. Von jener nehmen aber Gronov und Schwgh. an, daß ſie mit der Gegend von Heliſſus, Ἐλικοῦς bei Plut., eins ſei; ich glaube j.: mit Recht; dann ſind die Berge dieſer Gegend die vom Kanal und der Ebne weſtlich gelegnen. Die beiden Wege des Pauſ. von Mant. nach Orchomenos, A, 4. und A, 5. oben, glaube ich, jenen bei Ddw., dieſen bei G. zu finden. Τέγεα, Ruinen bei Dorf Piali oder Palao - epiſcopi (meine Karte ruͤckt es vielleicht etwas zu weit von Mant.). Von den alten Komen ſ. oben S. 70. eine davon, Κορυθεῖς lag am Parthenion nach Pauſ. 8, 54, 4. Apolld. 3, 9, 1. Diod. 4, 34. Μανθυ - ρεία, (πεδίον Μανϧυϱικὸν), Φυλάκη und den Gau der Γαρεᾶται (am Γαϱεάτης) kann man nach Pauſ. an - ſetzen. Ein Staͤdtchen Οἶος unbekannter Lage bei Steph. Byz. Ἐν Φυλακῇ iſt nach Pauſ. die erſte Quel - le des Alpheios, der ἐν Συμβόλοις zuſammenfaͤllt mit einem aus dem Paſſe gegen Lakonien (Defil von Kar - vathi) ſtroͤmenden Bache, jetzt Saranto-potamo (vgl. zu Pauſ. G. und Pqv.). Der Fl. Λαχᾶς in dem Frgm. des Deinias, oben S. 418, 2., iſt vielleicht der, welcher den kleinen See bei Tegea bildet. Παλλάν - τιον nach Pqv. Karte angeſetzt, gehoͤrt ſchon zu Mae - nalien nach Pauſ. Der Alph. kommt dann nach Pauſ. wieder hervor bei Ἀσέα, deſſen Ruinen G. deutlich gefunden bei dem Khan von Francobryſſi, hier erſtreckt ſich ein Marſchſee, an deſſen Ende die Waͤſſer in einen Abgrund fallen, (vgl. Heſych s. v. Ἀσιώτας, uͤber Ἀσέα oder Ἀσαία außer Pauſ. Dion. P. 413. Plut. Kleom. 7. wo zu corrigiren.) In derſelben Ebne glaubte man auch die erſte Qu. des Eurotas, Pauſ. 8, 44, 3.; auf dieſe geht Heſych Λεόντιος πόϱος (die Loͤwen erwaͤhnt Pauſan. ) vgl. s. v. Νυμφαῖον ὄχϑον. Ἴων. ὁ πάγος τῆς Ἀρκαδίας ὃν ὁ Ἀλφειὸς παραμει - βόμενος τὰς λεγομένας Γλυφὰς διέρχεται. nach444 Toup in Suid. T. 2. p. 544. Die letzte Qu. des Alph. endlich, bei Pegaͤ in der Megalopolitis, hat G. 1 St. 28 min. oͤſtlich von Sinano aufgefunden.
In Weſtarkadien, von Pſophis nach He - raͤa am Ladon hinab, haben Pauſ. und G. grade die - ſelbe Tour gemacht, und ſo laſſen ſich faſt alle Punkte des erſtern bei dem letztern nachweiſen; das Verglei - chen der Entfernungen — die Hauptarbeit der Karte — muß ich auch hier auslaſſen; Jedem ſteht frei, Pauſ. in der Hand unſre Arbeit durchzugehn. Θέλ - πουσα iſt jetzt Katziula mit Ruinen; das Palaͤoca - ſtro und die Tempeltruͤmmer von Vanina dagegen Κα - λοῦς oder Ἁλοῦς. Das Caſtro mit Ruinen bei Pa - laͤo-Rachi kann nicht Teuthis ſein, wie G. will, da dieſer Ort bei Theiſoa im ſpaͤtern Gebiet von Mega - lopolis lag. Das feſte Ἡραία iſt ſicher Agiani (ſ. uͤber die Stadt außer Pauſ. Theophr. Pflzgſch. 10, 1, 8. der mit Athen. 1, 20. Aelian V. H. 13, 6. zu vgl. Diod. 15, 40. Dion Chryſoſt. Or. 1. p. 60 R.); der Graͤnzfluß Teuthoa gegen Thelpuſa heißt jetzt Lan - gadia, daran liegt das πεδίον des Pauſ. Von Heraͤa eine Bruͤcke uͤber den Alpheios, Polyb. 4, 77, 5. 78, 2. die nach dem ſteilgelegnen (ebd. 78, 3.) Ἀλιφήρα fuͤhrte, vielleicht Nerovitza bei G.
Eben ſo coincidiren in der Beſchreibung der Gegend am Alpheios hinauf neue Reiſende mit Pauſ., und die meiſten Punkte ſind mit ziemlicher Si - cherheit angeſetzt. Μελαινεαὶ iſt wahrſch. Hellenico - Caſtro 1 St. oſtwaͤrts von Anaziri; und die Ruinen eines Roͤmiſchen Bads bei Kakoreos gehoͤren zu dem - ſelben Orte, welcher Reiſeſtation war, wie man aus der tab. Peuting. ſieht. Βουφάγιον erkennbar in Ruinen an der Qu. eines Fluͤßchens. Die Truͤmmer an dem Zuſammenfluß eines Fluſſes, des Luſios, mit dem Al - pheios ſind wahrſcheinlich Ῥαιτέαι. Raphthi auf den Huͤgeln links ſcheint Μάραθα. Karitena bewahrt den Namen von Gortys (ſ. Heſych s. v. Κορτύνιοι), aber hat nur wenige Spuren des Alterthums; es iſt wahr - ſcheinlich Βρένθη. Fl. Brentheates Pauſ. 5, 7, 1. 445Die alte Γόρτυς dagegen exiſtirt in den kyklopiſchen Mauern und Tempelruinen von Marmora bei Atchi - colo, uͤber der Ebne von Dimitzana, in der ein Palaͤo - Caſtro Θεισόα zu ſein ſcheint. Die Θεισοαία iſt vom Mylaon durchfloſſen, der von Methydrion her - kommt; graͤnzt an Methydrion, und da dies Orchome - niſch, an Orchomenos; liegt noͤrdlich vom Lykaͤon — nach Pauſ., bei dem mir nur auffaͤllt, daß er ſie zu Parrhaſien rechnet. Zwei Orte des Namens anzuneh - men iſt kein Grund. Die Ruinen bei Kypariſſia ſind das alte Βασιλὶς, die Parrhaſiſche Hauptſtadt des Ar - kaderfuͤrſten Kypſelos (ſ. oben Bd. 2. S. 63. dazu Nikias Ἀρκαδικὰ bei Athen. 13, 609. das Parrhaſi - ſche Kaſtell Κύψελα kommt auch bei Steph. Byz. vor, und die Κυψελικαὶ κύνες, Pollux 5, 5, 37. 40. ſchei - nen davon benannt. vgl. auch Waſſe ad Thucyd. V, 33.), was auch dadurch beſtaͤtigt wird, daß noͤrdlich davon Bathu-Rheuma, auch nach den Sagen der Um - wohner, das Bathos des Pauſ. iſt. Μεγαλόπο - λις iſt unverkennbar Sinano, durchſtroͤmt vom Heliſ - ſon, der 20 St. oͤſtlich von der Stadt in den Alpheios faͤllt. Schr. Pauſ. 8, 30, 1. σταδίοις ἀπωτέρω Με - γαλοπολιτῶν τοῦ ὰστεος Κ (εἴκοσι) κάτεισιν εἰς τὸν Ἀλφειόν. vgl. 34, 3. Zunaͤchſt vor der Stadt lag auf Tegea zu Λαοδικεία, Λαδοκέα nach Pauſ. 8, 44, 1., vgl. Polyb. 2, 7, 3. 51, 3. 55, 2. Manſo Sp. 3, 1. S. 311. Es lag noch in der Oreſtis, Thuk. 4, 134. alſo in Maͤnalien, und da nach Steph. Byz. s. v. Μεγα - λόπολις, die halbe Stadt Ὀρεστία hieß, ſo ſcheint zu erhellen, daß der Heliſſon die Graͤnze mach - te zwiſchen den Maͤnaliern und Parrhaſiern. Die Ka - ſtelle Κλάϱιον, Pol. 4, 6, 3. und τὸ κατὰ τὸν Φω - λεὸν, 9, 18, 1. ſind ſchwer zu beſtimmen, wie auch Kleomenes Weg nach Megalopolis uͤber Ῥοίτιον (nach Ee. Ζοίτιον) und δἰ Ἑλικοῦντος. Plut. Kleom. 23. Einige Notizen fuͤr die Gegend ſind vielleicht aus fol - gender von Fourmont in Karitena gefundner Inſchrift zu entnehmen.
446Die Namen in Z. 2 und 3. heißen wohl Πολύστρα - τος Ἀριστάνδρου, Εὐμαρίδας .. ωνος, — ος Ἰάσο - νος, Πρόξενος Ἀριστοδάμου, Ἱέρων Ἱπποκράτεος; liest man hernach Διονύσῳ καὶ Δάματϱι, ſo waͤre das Ganze eine Dedication von Grundſtuͤcken an dieſe Gottheiten, deren Umgebung im folgenden angegeben ſcheint: ἀφ̛ ἑσπέϱας τὰν (ὁδὸν) ἀπὸ τοῦ Πυτίου [κατὰ] τὸν ῥοῦν ἕως εἰς τὸν κοιλαγγίταν, (Schlucht?) εἶτα ἐν τῷ κοιλαγγίτᾳ εἰς τὰν ὁδὸν τὰν ἐπὶ Λυκό - σουραν, ἀπὸ δὲ ἄρκτου τὰν ὁδὸν εἰς τὰν Ἱκετείαν καὶ ἀπὸ τᾶς Ἱκετείας ἕως εἰς τὰν διὰ Πυτίου καὶ τὰν ὁδὸν ἐπὶ τὰς πέτρας. Ueber das Pythion ſiehe oben Bd. 2. S. 201, 1.
Die Gegenden, weſtlich von Megalopolis, jenſeits des Fluſſes, in vieler Hinſicht durch Spuren uralter Cultur die intereſſanteſten des Peloponnes, ſind zugleich auch die verwickeltſten, und die Anlage derſel - ben hat am meiſten Muͤhe gekoſtet. Hier bemerke ich nur. Die Bergkuppe Dioforti, auf deren Gipfel ſich eine kuͤnſtliche Cirkelebne von etwa 10 Ellen Diam. befindet, 10 min. hinabwaͤrts aber bei Caſtraco Rui - nen eines Dor. Tempels und große antike Vaſen ge - funden werden, und nach einer andern Seite hinab447 zuerſt auch R. eines Dor. T., dann auf einer kleinen Ebne ein Hippodrom, iſt offenbar das waldige (Polyaͤn 4, 7, 9.) Λύκαιον, vgl. Bd. 2 S. 305.; hier ent - ſpringt auch, ganz wie Pauſ. angiebt, der Plataniſton als Hauptnebenfl. der Neda. — Dann hat aber Pauſ. 8, 38, 2. Unrecht, das Lyk. vom T. der Deſpoͤna links zu ſetzen, dem es offenbar rechts liegt, wenn man von Megalop. kommt. Dieſes Heiligthum iſt nach den Diſtanzen bei Pauſ. auf Hag. Georgios, (wo allerlei Spuren des Alterthums) Ἀκακήσιον auf Delli - Haſſan geſetzt, wo eine kyklop. R. Schr. bei Pauſ. 8, 36, 5. ἥμισυ μὲν τῆς ὁδοῦ πϱὸς τοῦ Ἀλφειοῦ τὸ ῥεῦμα. Διαβάντι δὲ μετὰ δύο κ. τ. λ. Links von dem Heiligth. liegt j. B. Tetragi, welcher Kerauſion ſcheint und zu den Νόμια ὄρη gehoͤrt. Ueber den Urſprung der Neda iſt Pauſ. ſelbſt confus. Das ur - alte (Apolld. 3, 8, 1. Hygin Fb. 176.) Τραπε - ζοῦς habe ich auf den Fleck des Kloſters St. Ana - ſtaſio, Karitena gegenuͤber geſetzt, und die Ruinen bei Labda am Alph. fuͤr Θῖσα genommen, Ruinen einer andern Stadt in der Naͤhe fuͤr Λυκόα nach Pauſ. u. Polyb. oben §. 14. der es 200 St. vom Urſprung des Alph. bei Pegaͤ hinter den Einfluß des Luſios ſetzt. Φιγαλία (Paulizza) und der Apollotempel auf B. Kotylion (bei Baſſa) ſind voͤllig geſichert; und von da aus vielleicht noch naͤhere Aufklaͤrungen uͤber die Umge - gend zu erwarten. Fuͤr ἀνωτέρω Pauſ. 8, 41, 4. iſt wohl ἀπωτέρω zu ſchr. Den B. Ἐλάϊον oder Ἐλαιὸς habe ich an die Meſſeniſche Graͤnze geſetzt, nach einer Andeutung von Rhianos bei Pauſ. 4, 1, 4.
Suͤdlich von Megalopolis. In den Alph. faͤllt der Xerillopotamo, wohl Karnion, mit dem der Kocheridi, ehemals Gatheates, zuſammenfließt; der Urſprung des erſtern beſtimmt die Lage der Landſchaft Aepytis; des letztern die der Kromitis. Κρῶμνος iſt offenbar das jetzige Krano, mit alten Grundmauern, an der Graͤnzhoͤhe gegen Meſſenien; das Hermaͤon zu Pauſ. Zeit 40 St. davon. Κρῶμνος als Arkadiſche Graͤnzfeſtung Xen. H. 7, 4, 20 sq. vgl. Kalliſthenes bei Ath. 10, 452 e. Denſelben Ort verlangte Archi -448 dam III. heimlich von Nikoſtratos, dem Argiviſchen Feld - herrn, Plut. de vit. pud. 16 p. 180. reg. apophth. p. 130, in dem Kriege Ol. 106., in dem Sparta mehrere Megalopolitiſche Orte, z. B. Heliſſus, eroberte. Manſo 3, 1. S. 241. 245. (Schneider ſetzt die letztre Begebenheit zu fruͤh, ad Xen. I. l.) Leondari, was Fourmont fuͤr Megalopolis hielt — darnach macht der juͤngere eine uͤbertriebne Beſchreibung von den Ruinen daſelbſt, von denen Neuere Nichts gefunden — iſt wahrſcheinlich Λεῦκτρα, welches ſpaͤter Megalopolitiſch, Plut. Pelop. 20. Kleom. 6., (das Graͤnz-Hermaͤon war zu Pauſ. Zeit bei Belemina) fruͤher Lakoniſcher Graͤnzort war, Thuk. 5, 54. Xen. H. 6, 5, 24. wo die Μαλεᾶτις die Gegend von Μαλαία in Aepytis Pauſ. 8, 27, 3. iſt. Epaminondas hatte, wie man aus Pauſ. ſieht, Leuktra ſelbſt zur Aepytis geſchlagen. Spuren einer kleinen Stadt 100 min. von Leondari bei G. habe ich Μιδέα genannt, welches nach Xe - nophons, Hellen. 7, 1, 28., Andeutungen auf dem Wege nach Parrhaſien lag, mit dem ſich auf Sp. zu der Weg nach den Eutreſiern vereinigte. Vielleicht iſt aber ΜΑΛΑΙΑ zu corrigiren. Die Wege in dieſer Gegend habe ich im Ganzen zeichnen muͤſſen, wie ſie zu Pauſ. Zeit waren, vor Megalop. Erbauung lagen ſie freilich anders.
Was nun ſchließlich die politiſche Ein - theilung Arkadiens betrifft: ſo bin ich darin Pauſ. Angaben gefolgt, wo ich nicht beſtimmt einen andern Zuſtand in fruͤhrer Zeit nachweiſen konnte. Das Ge - biet von Megalopolis habe ich aufgeloͤst in ſeine Be - ſtandtheile, naͤmlich 1. in Maͤnalien. Dazu gehoͤren die Orte (Pauſ. 8, 27, 3.) Alea (unbek. ), Pallantion, Eutaͤa, Sumateia, Aſea, Peraͤtheis, Heliſſon, Dipaͤa, Lykaͤa, Oreſtaſion nebſt Ladokea, dazu Maͤnalos ſelbſt, vielleicht auch Βουκολίων bei Thuk. 4, 134. Plin. 4, 6, 10. 2. Parrhaſien. Lykoſura, Thoknia, Tra - pezus, Akakeſion, Makaria, Daſea, dieſe beiden zw. Akak. u. Megalop., Proſeis und Akontion unbeſtimmter Lage. Da Thoknia auf der rechten Seite des Alph. lag, reichte alſo Parrhaſien hier hinuͤber, und darauf449 gruͤndet ſich, daß Megalop. halb auf Parrhaſiſchem Boden gelegen. Von Maenaliern und Parrhaſiern werden 20 (nach 1 Mſ. 40.) κῶμαι nach Megalop. zuſammengezogen. Im Pelop. Kriege zwang Laked., ſeinen Grundſaͤtzen getreu, Mantineia die Herrſchaft der Parrhaſier aufzugeben; im Frieden Ol. 90, 3. ließ es auch die uͤbrigen Staͤdte, wahrſcheinlich die Maenaliſchen, frei, Thuk. 5, 81.: doch war hernach wieder Eutaͤa in Maenalien Mantineiſch, vgl. Plut. Ageſ. 30. mit Xen. 6, 5, 12. 3. Eutreſier, Tri - kolonoi, Zoͤtion, Chariſia, Paroria, nebſt den unbek. Knauſon und Ptolederma. 4. Aepytier. Malaͤa, Leuktron, Kromos (in der Kromitis Gatheaͤ P. 8, 34, 3.) und die unbek. Skirtonion und Blenina, wobei an Belemina nicht zu denken, da dies auch waͤhrend der Herrſchaft Thebens (P. 8, 35, 4.) und ſelbſt nach Philippos Entſcheidung (Manſo 3, 1, 419.) Lakoniſch geblieben iſt. Daß ein Theil von Aepytis ſchon ſeit fruͤhen Zeiten immer zu Meſſenien gehoͤrte, daruͤber ſ. Bd. 2. S. 99. 5. Kynurier, Gortys, Thiſa, Lykoa, Aliphera. Dazu kamen ferner 6. Thiſoa nebſt Teuthis und Methydrion, die fruͤher zum Ge - biet von Orchomenos gehoͤrt hatten (8, 3, 1. 27, 3. 38, 3.); ob ſchon im Peloponneſiſchen Kriege, war mir zweifelhaft, daher ich ihre Gebiete auf der Karte noch geſondert: was ich noch in einem und dem andern Fall gethan, wo es zweifelhaft war. 7. Die Tripolis Kalliaͤ, (vgl. Steph. B.) Dipoͤna und Nona - kris — von der ich ſonſt nichts weiß, denn das Pheneatiſche Nonakris kann nicht gemeint ſein. — Die auf unſrer Karte mit unausgefuͤllter Schrift bezeichne - ten Namen ſind ſolche, die in der Zeit des Pelop. Kriege keine faktiſche Bedeutung mehr hatten. Dazu gehoͤren die Azanen, die indeß doch noch Herod. 6, 127. von den uͤbrigen Arkadern genau trennt. Ihr Hauptſitz war nach mythiſcher Genealogie Kleitor, Pauſ. 8, 4, 3., die dortige Quelle, wohin Melampus die ἀποκαϑάρματα der Proetiden geworfen, lag nach Eudox bei Steph. B. in Azania; ſie wohnten nach Steph. in ſiebzehn Staͤdten, in Pagupolis (Herod. a. O.), an den Graͤnzen von Elis, Str. p. 336. alſo inIII. 29450Pſophis, Polyb. 4, 70, 3., in Pheneos, Steph. B. s. v., Euſt. 2. S. 227 Baſ., aber, was befremdet, auch in Lykoſura, Pauſ. 8, 4, 3., und Phigalia, 8, 41. Ein Azane aus Pellana, P. 6, 8, 3. (vgl. Schol. Apoll. Rh. 1, 177.) iſt mir noch raͤthſelhaft. Im Ganzen iſt Azanien gebuͤrgig und wenig fruchtbar, Zenob. 2, 54. Apoſtol. 1, 70. Aa. Dem Azan gegenuͤber ſtellt jene Genealogie den Apheidas, Stammvater der Tege - aten, ein Gau dieſer Ebne hieß noch ſpaͤter Ἀφείδαν - τες, oben S. 70. — und den Elatos, deſſen Geſchlecht in Stymphalos und am obern Alpheios wohnt.
Lakonika. Der Weg den G. und Ddw. von Sinano nach Miſtra gereiſt, iſt ziemlich der des Pauſ. uͤber Phalaͤſiaͤ, auf jeden Fall eine alte Haupt - ſtraße, wie die Ruinen daran zeigen. Βελέμινα, Βέλ - βινα, 90 St. von Megalop. Pauſ. 8, 35, 3., habe ich nach Truͤmmern auf dem B. Xeraſia angeſetzt; Αἴγυς (ſ. oben Bd. 2. S. 94, 3. Meurſ. zu Lyk. 831.) auf den Fleck der R. bei Hag. Irene; das nahe Κάρυστος, wo guter Wein wuchs (Alkman Frgm. 15. Athen. 1, 31 c. Str. 10, 446 d.), uͤber Agrapulo-Campo, wo auch Ruinen. Das Ἀϑηναῖον bei Belbina (Plut. Kleom. 4. Polyb. 4, 37, 6. 81, 11.) muß man von dem bei Aſea gelegnen, das Pauſ. erwaͤhnt, unterſcheiden. Κομπάσιον Polyb. 23, 1, 1. 7, 6. (Conflictum Liv. 39, 36, 3.) gehoͤrt in dieſelbe Gegend. Eurotas, j. Ere, (Βῶμαξ, Etym. 218, 19.) entſpringt an der Waſſerſcheide gegen Arkadien bei den R. eines Tempels ἐν Βελεμινατίδι, Str. 343. Pauſ. 3, 21, 3. vgl. Polyb. 2, 54, 3. Πελλάνα (ἐν Τριπόλει, Polyb. 4, 81, 7. vgl. Liv. 35, 27.) habe ich nach den R. bei Peribolia geſetzt. Die Σκιρῖτις gegen Parrhaſien, Thuk. 5, 33., nach Xen. 6, 5, 24. in der Mitte zwi - ſchen der Straße von Tegea und der uͤber Leuktra. vgl. Diod. 15, 64. Steph. B.; ſpaͤter Megalopoli - taniſch, wie ich aus Xen. H. 7, 4, 21. abnehme. Die κώμη Ἰὸν iſt aus Xen. 6, 5, 24., der uͤber die πϱοσό - δους der δυσέμβολος Λακωνικὴ genauer ſpricht als Diodor. Ueber die Lage von Σκοτίτας, Σελλασία, Πελλάνα ſind die Hauptſtellen außer Pauſ. bei Polyb. 45116, 16, 2. (wo indeß zu bemerken, daß auch Polybios Karte verſchoben) 37, 5. 2, 65, 7. Liv. 34, 28. Der Bach Ὁπλίτης, an dem die Straße nach Tegea bei Polyb. hinaufgeht, heißt j. Cheleſina, und die Straße erkennt man an alten Raͤderſpuren und Truͤmmern, dergl. beſonders, wo Sellaſia angeſetzt iſt. Καϱύαι heißt nach Pqv. 4 c. 113. noch jetzt Karyes und liegt auf dem Wege von dem Graͤnzpaß gegen Tegea nach Praſto, welches aber nicht das alte Praſiaͤ iſt, ſondern Rheontas, wo Gropius Inſchriften und Muͤnzen ge - funden. Das Apollonsheiligthum bei Xen. H. 6, 5, 27. kann nicht das Amyklaͤiſche, es muß der Lage nach etwa das am Thornax ſein.
Von Sparta’s Lage Bd. 2. S. 69. Dem ge - gebnen Plan liegt die fluͤchtige Beſchreibung Chateau - briand’s und Pqv’s (in der erſten Reiſe) und die ge - nauere der Engl. Reiſenden, dann ein Plan unter den Elginſchen Papieren, und ein freilich nicht ſehr zuver - laͤſſiger in Fourmonts Reiſe zum Grunde, deren Text aber auch manche nuͤtzliche Details giebt. Auch B. du Boc. Karte baut hier auf eine Aufnahme von Fau - vel. Ueber die κώμας oben S. 48., wo noch hinzuzu - fuͤgen, daß Pitana gradezu κώμη heißt, bei Schol. Thuk. 1, 20., und Limnaͤ das Λιμναῖον χωρίον bei Pauſ. 3, 16, 6. iſt; ich habe es angeſetzt nach der Annahme S. 51, 2., die ſich mit Pauſ. gut vereinba - ren laͤßt. Vgl. Barthelemy Anach. 41. n. 5. wo aber viel Falſches vorkommt. Der Stoiker Arkeſilas war aus dieſem Pitana nach Solin. 7, 8. Da bei Pitana die Orte Oenus, Onogla und Stathmaͤ lagen, Alkm. Fr. 15. bei Ath. 1, 31 c., und das erſte, wie aus Plut. Lyk. 6. zu entnehmen, vgl. oben S. 87., zwi - ſchen Fl. Knakion und Bruͤcke Babyka lag, ſo iſt wahrſcheinlich, daß Knakion der in die Tiaſa ſtroͤmende Bach, und Babyka die alte aus großen Bloͤcken ohne Bindemittel zuſammengefuͤgte Bruͤcke uͤber die Tiaſa ſelbſt iſt. Dieſer Fl. iſt nach Pauſ. Athen. 4, 139. vgl. auch Heſych c. Intpp. leicht zu erkennen. Die Bruͤcke uͤber den Ἴρης iſt nach einer von Fourmont dabei gefundnen ausfuͤhrlichen Inſchr. im J. 1027 n. Chr. Geb. gebaut. Die ἀγορὰ Sp., zum Theil der29 *452χοϱὸ〈…〉〈…〉 genannt, lag nach Plut. Lyk. 11. Lac. ap. p. 221. an der Akropolis (dem hoͤchſten der Huͤgel, auf und an denen die Stadt lag) mit dem T. der Chal - kioͤkos, und nach Pauſ. 3, 14, 1. wenig oͤſtlich von dem, noch zum Theil erhaltnen, ſchoͤnen Theater. Nach Amyklaͤ fuͤhrte wohl die Hyakinth. Straße Ath. 4, 173 f. Im Uebrigen iſt der Plan nach Pauſ. gezeich - net; auch ſind darin die ſpaͤtern Mauern angezeigt. — Die πεντελόφοι Ath. 7, 31 c. Barboſthenes Liv. Das Μενελάϊον von Sp. κατὰ χειμερινὰς ἀνατολὰς Polyb. 5, 22., der uͤber die phyſiſche Lage Spartas der Hauptauktor. Der feſte Punkt unterhalb Sp. am Eurotas nach 4, 24.
Zw. Sparta und Sclavochori, das wenn auch nicht das alte Amyklaͤ (Ἀμικληον im Mittelalter) doch nahe dabei lag, fand Pqv. Spuren eines elliptiſchen Dromos, des Hippodrom beim T. des Gaiaochos, Xen. 6, 5, 30. Von dem Schatzhauſe bei Baphio am Eurotas. ſ. oben Bd. 2. S. 93. G. Ddw. Θε - ϱάπνη ὑπὸ δάσκιον οὔρεος ὕλην, Koluth. 225.; uͤber das Phoͤbaͤon oben Bd. 2. S. 92. Das innre, oͤſt - liche und ſuͤdliche Lakonika iſt der unbekannteſte Theil des Peloponnes; was Morrit (Walpole Mem. 1. p. 33.), Gell, Pqv., Vaudonc., Meletios geben, iſt benutzt, mehr Licht iſt von Leake’s Journal zu er - warten. Die 14 Stunden von Miſtra bis Helos bei G. muͤſſen klein ſein (auch hat Vdc. nur etwa 10), da Gytheion Str. nur 240 St. von Sparta ſetzt, 30 m. p. die tab. Peuting., bei Polyb. 5, 18, 3. iſt fuͤr 30 wohl 300 zu corr. — Fuͤr die Kuͤſte geben Str. und Pauſ. ſehr zuſammenhaͤngende und wohl uͤbereinſtim - mende Angaben, dieſer von Landreiſen, jener von Seefahrt (von Taenaron bis Eurotas 240 St. nach der richtigen Lesart des Pariſ. Cod. von da bis Onugnathos 280 St. von da bis Malea 150 St., wie man leicht herausrechnet). — Viele Orte haben noch die alten Namen (Kardamyle-Skardamula, Leuktra-Loutro, — das Inſelchen bei Pephnos-Pekno, Oetylos digammirt ΒΕΙΤΤΛΟΣ ſ. oben S. 112, 3. jetzt Bitylo), zu denen auch der Hafen Achilleios zu rechnen453 j. Kallio oder Guaglio, der gegenuͤberllegende iſt dann Pſamathus. Βαϑὺ bei Τευϑϱώνη heißt auch j. Va - thi. Kolokythia (Kolochina?) iſt aber nicht Gytheion, weil es zu ſuͤdlich liegt; vielmehr iſt Las in dieſer Gegend zu ſuchen, wo ſich R. und Inſchriften finden. Die alte Stadt Λᾶς lag auf hohen Felſen, vgl. zu Pauſ. Steph. B. oben Bd. 2. S. 94, 3. Γύθειον iſt Palaeopolis bei Marathoniſi (Morrit, B. du Boc. ), von guten Weiden umgeben (Kaͤſe von Gytheion, Lu - kian dial. mer. 14, 2.) vgl. Paciaudi ad psephism. Gytheat. in Monum. Pelop. T. 2. §. 4. Trinaſos - Triniſo. Helos hieß auch im Mittelalter ſo (ſo ſteht zum Beiſpiel in einem Griechiſchen Gedicht de bellis Franc. in Graecia der Pariſer Bibl. du Roi 2753. ὅλον τὸ μέϱος Τζακωνίας καὶ μέχρη εἰς τὸ Αἶλος ἐκεῖσαι εἰς τὰ Βάτικα καὶ εἰς τὴν Μονοβασίαν) und wie es ſcheint auch jetzt. Im hoͤhern Lande haͤlt man Jeraki fuͤr Geronthraͤ. Die Nebenfluͤſſe des Eurotas habe ich (wie B. du Boc. ), ſo viel raͤthlich war, nach Fourmont gezeichnet. Als Βοῖαι aus Σίδη, Ἠτις und Ἀφροδισιὰς zuſammengezogen wurde, wurden dieſe Orte nicht aufgehoben, der erſte kommt noch bei Sky - lax vor, der letzte bei Thuk. und Pauſ. Ἀφροδιτία bei Steph. B. iſt die eigentliche Lakoniſche Form. Der feſte Ort dabei iſt nach Poppo Thucyd. 2. p. 203. Κοτύρτα zu ſchreiben. Bei Etis hat B. du Boc. Ruinen, bei Boͤaͤ ein Palaͤo-Caſtro. Apollon auf Malea iſt Bd. 2. S. 249, 6. nachgewieſen, und es iſt nicht noͤthig bei Thuk. 7, 26. mit Poppo an Epi - delion zu denken. Ueber die Oſtkuͤſte Lakonikas vgl. die Bd. 2. S. 69, 4. citirte Reiſe. Skylax giebt die Kuͤſtenorte ſonſt ſehr richtig an, nur nach Ἐπίδαυρος λιμήρη (portuosa ohne Zweifel) hat ein voreiliger Vervollſtaͤndiger, an das Argoliſche Epidauros denkend, Μεθάνα zugeſchrieben. — Von den beiden Gebuͤrgs - wegen von Sp. nach Meſſenien geht der ſuͤdlichere durch den Taygetonpaß Portais (Porta), und dieſen ſcheint Pauſ. gegangen; der noͤrdlichere uͤber Kutchuk - Maina (Sibthorp.) Ueber die Dentheleatis oben Bd. 2. S. 147. Steph. Δελθάνιοι iſt derſelbe Ort. Zu Bd. 3. S. 22, 4., wo von den Perioͤken und454 ſpaͤtern Eleutherolakonen gehandelt, fuͤge ich hier nur noch zu: Inſchr. finden ſich von Taenaros (Καινή - πολις) Reineſ. p. 458. n. 121. Polen. Thes. 2. p. 1164. Pouqv. T. 5. p. 167. Leake hat mehrere, theils Ταιναρίων ἡ πόλις, theils Τ. ἁ πόλις begin - nend; ebd. iſt eine Inſchr. des κοινὸν τῶν Ἐλευθερο - λακώνων zur Ehre des G. Julius Laco, Eurykles S., gefunden worden (Reineſ. p. 457. 120. Van Dale p. 295. Pouqv. p. 168. Walpole Mem. p. 466.) und eine fuͤr Τ. Κλαύδιος Εὔδαμος ὁ Σπαϱτιατικὸς er - richtete. Die von Gytheion und Abea ſind bekannt; von Geronthraͤ und Oetylos (Βείτυλος) S. 112, 3. wo hinzuzufuͤgen, daß Ephoren auch in zwei Taͤnari - ſchen Inſchr. Pqv. p. 168. 169. vorkommen. Leake hat eine Inſchr. aus Lakonika ΟΝΗΤΩΡ ΠΑΝΑΙΟΤ ΠΡΑΣΙΕϒΣ. Merkwuͤrdig iſt die Inſchr. bei Pqv. T. V. p. 171. n. 13. von Asomatos ou Liternes dans le Magne, wo das κ] οινον των Λακε [δαιμονιων einen Unbekannten ehrt; die Stele aber (wie es ſcheint), wird befohlen, αναθετω (ὁ ταμιας) εις τ [ο ιερον τον Ποσ] ειδανος του επι Ταινα [ϱῳ. Die Eleutherol. ha - ben ſich alſo hier den Namen Lakedaͤmonier, den ſie laͤcherlicher Weiſe ſechsmal wiederholen, angeeignet. Aechte Muͤnzen aus der Zeit der Eleutherol. und der Roͤmiſchen giebt es nach Eckhel von Aſine, Aſopos, Boͤaͤ, Gytheion, Las; die von Taleton und Kythera ſind zweifelhaft.
Meſſenien. Von der Neda bis Μεθώνη (Modon) der Landweg 16 1 ∫ 2 Stunden, G.; der παϱά - πλους 300 St. Skyl. ; die Entfernung wird oft zu ſehr ausgedehnt, zum Theil durch Schuld der tab. Peut., die 30 m. p. von Pylus nach Methone hat. Αὐλὼν an der Graͤnze, Perioͤkenſtadt, wie aus Xen. H. 3, 3, 8. abzunehmen. Κυπαρισσία iſt Arkadia mit Reſten einer Akropolis und eines Doriſchen T. Πύλος wird gewoͤhnlich auf Vorgeb. Koryphaſion ge - ſetzt, (vgl. Duker ad Thuc. 4, 3.) wo jetzt Palaͤo - Navarino; aber lag urſpruͤnglich am Fuße des B. Ae - galeos, Str. Die Bucht iſt hinlaͤnglich bekannt durch Karten aus Venetianiſcher Zeit, auch B. du Boc. Kar -455 te enthaͤlt eine auf Verguin gegruͤndete. Σϕαγίαι in der Mehrzahl (Schneider ad Xen. H. 6, 2, 31.), weil wirklich außer der groͤßern, Sphakteria (Sparica), noch eine kleine Inſel (Paree) vor der Bucht liegt. Ueber die Groͤße von Sphakteria ſ. Stanhope Topogr. of Platäa. Buphras und Tomeus bin ich jetzt geneig - ter fuͤr Fl. als fuͤr Berge zu halten. Μεϑώνη, Truͤm - mer 2700 Schritt oͤſtl. von Modon; von welcher Fe - ſtung es mehrere Venet. Karten giebt. Fuͤr die Ge - gend von da bis C. Gallo, Akritas, hat B. du Boc. zum Anach. zwei cartes mscr. von Verguin benutzt, und zur Karte von Morea die Beſtimmungen von Chabert, die von Alt-Navarin bis Koron reichen; von Akritas beginnt der eigentliche Meſſeniſche Buſen (Aga - them. p. 15.). Ασίνη, Ruinen bei Saratcha (B. du Boc. Karte); Phaneromini liegt Koron etwas zu nah und hat keine Ruinen. Vgl. uͤber dies Aſine Bd. 2. S. 155. Die Gegend voll Wald Thuk. 4, 13. Das jetzige Koron iſt zweifelsohne das alte Κολωνίδες, wie die Diſtanzen bei B. du Boc., Vaudonc., Melet. er - weiſen, namentlich daß es von Niſi am Pamiſos 7 Stunden liegt (Sibthorp.); Κοϱώνη aber (ſo genannt ſeit der Erneuerung Meſſeniens) muß nach Str. und Pauſ. dem Ausfluſſe des Pamiſos weit naͤher gelegen haben; es iſt in den Ruinen bei Petelidi und Ballia - da (B. du Boc. Karte) zu erkennen. Ueber dieſe Stanhope p. 28. 96. Die Lage von Kalamata, Κα - λάμαι, iſt ſehr bekannt; 1 Stunde davon g. N. R. von Baͤdern Roͤmiſcher Zeit, Loutro genannt, etwas weiter noͤrdlich bei Brackabi ein Palaͤoc. mit R. einer alten Stadt auf einem Huͤgel (Morrit), ohne Zweifel Θουρία. Vgl. uͤber den Ort oben S. 23. Bei Thuk. wollen Manſo Sp. 1, 1. S. 378. und Bredow zu Heilmanns Ueberſetzung S. 43. Θυϱέα corrigiren, wo - gegen Poppo Thuc. 2. p. 196. mit Recht ſpricht. Als die ehemalige Graͤnze von Lakonika und Meſſenien hab’ ich das Fluͤßchen Nedon bei Pharaͤ angegeben, nach Bd. 2. S. 146., obgleich die Sage von Abia bei Pauſ. 4, 30, 1. ſie weiter gegen das erſtre Land ruͤckt. Epameinondas dehnte Meſſenien wahrſcheinlich ſehr aus; Philipp der Maked. entſchied zwiſchen den bei -456 den Staaten uͤber den Beſitz des Fl. Pamiſos bei Leuktra. Str. 361. vgl. Tac. A. 4, 43. Auguſt da - gegen ſchlug zu Lakonika Pharaͤ (und dann auch Abia, vgl. oben S. 22.) und ſelbſt Thuria, was aber nicht Eleutherolakoniſch, ſondern ſo wie Kardamyle Spar - tiatiſch war. Bei Str. 8, 360. fließt daher der Ne - don durch Lakonika; daß er das Heiligthum der Art. Limnatis an die Graͤnze ſetzt, geſchieht aus alter Er - innerung. Hernach muß aber ein Kaiſer (wahrſcheinl. Tiber bei Gelegenheit der Graͤnzſtreite, wovon Taci - tus) den Meſſeniern Alles bis zur Χοίριος νάπη bei Gerenia (Thal Dolous bei Chrytries in Maina) zu - ruͤckgegeben haben.
Ueber das innre Meſſenien geben einige Routen bei G. von Kalamata, Leondari, Arkadia aus, und bei Pqv. von Koron auf Ithome zu und von Ar - kadia nach derſelben Gegend Aufſchluß. Das alte Οἰχαλία, ſpaͤter Καρνάσιον, habe ich geſetzt, wo G. das Palaͤoc. Kokla erwaͤhnt, uͤber das von Linckh mehr Aufſchluß zu erwarten iſt; Ἀνδανία erkenne ich in Sandani, wo auch R. ſind, da die Lage zur Ebne, und die Entfernung von acht St. von Oechalia zuzu - treffen ſcheinen. Die Qu. des Pamiſos, 40 St. von Meſſene nach Pauſ., 50 nach Str. (wie fuͤr 250 mit Palmer zu corrigiren), 100 St. vom Ausfluſſe nach demſ., iſt durch die reichliche Waſſermaſſe, die der Fl. bald vom Entſtehn fuͤhrt, leicht erkennbar. Kleiſura am Paß nach Arkadien und am Eingang der Steny - klariſchen Ebne von W. her kann Δώϱιον ſein (πόλις τῆς Πύλου, Heſych aus einem Kommentar zum Schiffs - katalog), Πολίχνη ein Palaͤoc. auf dem Wege von da nach Konſtantino. In dieſer Gegend muß nach Pauſ. Andeutungen auch Εὶρα liegen. Ein ſehr merkwuͤrdi - ger Punkt iſt die aus drei Halbbogen zuſammengeſetzte Bruͤcke uͤber die Confluenz zweier Gebirgsfluͤßchen, of - fenbar der Leukaſia und des Amphitos bei Pauſ., wo - hin die Wege von Koron ſowohl als Kypariſſia fuͤh - ren. Meſſene, 80 St. vom Ausfluſſe des Pamiſos nach Pauſ., vgl. Skylax, konnte auf unſrer Karte nur angedeutet werden; die bedeutenden R. bei Dorf Mav -457 romatia beſchreiben G., Ddw., Stanhope und das Journal von Fourmont, der beſonders ausfuͤhrlich uͤber die Qu. Klepſydra iſt. Ιϑώμη jetzt B. Vourcano. Nach den Rayons oben §. 2. muß Ithome etwas mehr weſtlich geſchoben werden, als auf unſrer Karte ge - ſchehn.
Elea. Ἦλις die Stadt iſt Palaͤopoli, von G., Ddw. und Pqv. beſchrieben, nach denen auch die Gegend gezeichnet iſt. Die Akrop. heißt jetzt Kaloſko - pi, Belvedere. Die Stadt liegt an einem Nebenfluſſe des Peneios, welchen ich fuͤr den Μήνιος des Pauſ. 6, 26, 1. Theokr. 25, 15. halte, der auch den Orchom. S. 362, 1. genannten Auktoren wohl reſtituirt werden muß. Kaſtell Torneſe, Τουρναίσιοι, muß ziemlich auf dem Fleck des alten Ortes Ὑϱμίνη bei Str. liegen, Chiarenza, wo Κυλλήνη, das 5. m. p. von Chelona - tes nach Plin., vgl. Chandler. Ueber die Muͤndung des Peneios Ptolem. und Meletios. Die R. zwiſchen Eratuni und Kaloteichos ſcheinen von Βουπράσιον zu ſtammen; die bei Andravidi auf dem Wege nach Ga - ſtuni von Μυρτούντιον, in dieſer Gegend muß auch das Kaſtell Φύξιον gelegen haben, Polyb. 5, 95, 8. Die alte Feſtung Kunopoli mag auf dem Platze von Θριοῦς liegen, das fruͤher Achaͤiſch, dann Eleiſch war. Steph. B. Auf dem Wege von Dyme nach Elis iſt auch das Βαδὺ ὕδωϱ zu ſuchen, von dem Pauſ. 5, 3, 3., genauer aber Schol. Plat. Phaͤdon p. 11. nach Echephyllidas, Pherekydes, Komarchos und Iſtros handelt. Der B. Skollis jetzt Sta Merie. Πύλος Ἠλιακὸς iſt kenntlich in R. bei Portes am Tſcheleby, dem alten Ladon. Str. freilich ſetzt es ans Meer, 8, 339. 350. aber iſt offenbar irrig. S. Pqv. 4. p. 253. uͤber Peneios und deſſen Nebenfluͤſſe. Θαλάμαι und Στρά - τος ſind nach Polybios Indicationen angeſetzt, ohne naͤhere Beſtimmung.
Von Pylos nach Olympia ein Bergweg, vielleicht derſelbe an dem Theophr. de lap. 16. Stein - kohlen erwaͤhnt, bei Ἡρακλεία am Kytherios vorbei; von Elis ebendahin die heilige Straße Pauſ. 5,458 25, 4. vgl. 16, 5., 300 St. lang nach Schol. Pla - ton Staat 5. p. 164. Ruhnk., nicht volle 300 nach Str., jetzt der Weg von Palaͤpoli nach Antilalla, den Ddw. genommen. Catacolo - oder Pondico-Caſtro iſt offenbar das alte Φεία beim Cap Ichthys, ſ. Thuk. 2, 25. und die Stellen bei Poppo Thuc. 2. p. 177., deſſen Anſicht mir indeß nicht voͤllig klar iſt. Einige R. am Wege koͤnnen die Stelle des alten Εϕύρα be - zeichnen, wenn der von Ddw. erwaͤhnte Fl. der Sel - leeis iſt. Pyrgos kann man Σαλμώνη nennen, aber auch Δυσπόντιον muß hier an der heiligen Straße liegen, ſ. außer Aa. Steph. B. Λετρῖνοι habe ich auf die Stelle von Hag. Joannes, wo einige Archi - tekturfragm., zwiſchen den Salzſeen von Pyrgos ge - ſetzt, die theils nach Pqv. Beſchreibung, theils nach der §. 1. erwaͤhnten Carta della ant. Grecia gezeichnet ſind. Ueber die Muͤndung des Alph. (Rouphia) und die Gegend nach Olympia hinauf hat B. du Boc. ei - nen Plan von Foucherot benutzt. Der T. der Art. Al - pheionia (Bd. 2. S. 375.) lag nach Pqv. Vermu - thung auf dem Fleck der Kirche der Panagia Rouphia. Ueber Μάϱγαναι oder Μάργαλαι vgl. Weſſel ad Diod. 15, 77. Die kleine Ebne von Ὀλυμπία, (Antilalla,) iſt ein Oblong, 1 1 / 4 mile von O. nach W., von den ſteilen Ufern des Kladeos bis zu dem Bache von Mi - rakka; gegen N. von Huͤgeln begraͤnzt, (τὸ Ὀλυμπια - κὸν ὄρος, Xen. H. 7, 4, 14.) und zwar dem Kladeos zunaͤchſt von dem coniſchen Kronion (Κτοῦρον ehemals nach PſPlut. de fluv. 19, 3. p. 464., es konnte befe - ſtigt werden, Xen. H. 7, 4, 14. und wird als Ort - ſchaft genannt, Diod. 15, 77.) mit dem Ausſchnitte eines Theaters, dabei Spuren der Thermen des Ha - drian 200 Schritt vom Kladeos, 55 Schritt ſuͤdlicher eines Tempels. Gegen S. macht der Alpheios die Graͤnze des Thals; jenſeits ſtoͤßt eine Reihe von Hoͤ - hen, darunter der Felſenberg Typaͤon, unmittelbar an den Fluß. Zwiſchen dem erwaͤhnten T. und Fl. liegt der Hippodrom, 10 min. vom Bach Mirakka, 1380 F. nach Fauvel, 1410 nach Pqv. lang; aber Stanhope zweifelt ſehr, ob die erhaltne Ruine uͤberhaupt ein Hippodrom geweſen. Das Stadion liegt ſuͤdlicher am459 Fluſſe (doch auch noch im Altis), auf einem 15 F. niedrigern und terraſſenfoͤrmig getrennten Terrain, welches jetzt verſumpft, da die alten Schutzmauern ge - gen Alpheios und Kladeos verfallen ſind. Von Olym - pia lag Πίσα 6 St. (Schol. vet. ad Pind. O. 11, 55. vgl. Boͤckh): da nun die Qu. bei Piſa Einige im Alterthum fuͤr die ſpaͤter ſo genannte Potiſtira hielten (Str. 356.), und bei Mirakka nach Pqv. noch eine Qu. Potiſtirun mit einigen Architekturfragm. exiſtirt: ſo ſind wir ziemlich berechtigt, das alte Piſa auf den Fleck von Mirakka zu ſetzen. In der Zeit des Pelop. Kriegs war es freilich zerſtoͤrt, und die Piſaten be - ſtanden nur als χωρῖται, in Doͤrfer zerſtreut, Xen. H. 5, 2, 31. ῞Αρπιννα 20 St. oͤſtl. vom Hippodrom Olympia’s, Lukian de morte Peregr. 35., auf dem Wege nach Heraͤa Str. Φϱίξα, 30 St. von ebenda nach Str. und Steph. B., iſt unſtreitig Palaͤo-Pha - nari, mit einer alten Akropole. Das Φύϱκον τεῖχος, Thuk. 5, 49., iſt gewiß nicht derſelbe Ort, ſondern muß naͤher an der Lakoniſchen Graͤnze liegen. Ueber die Piſatiſchen Achtſtaͤdte (wohl Piſa, Salmone, Hera - kleia, Harpinna, Kykeſion, Dyspontion, Margalaͤ und Ephyra) ſ. Orchom. S. 362.; einzelne Theile gehoͤrten fruͤh zu Elis, wie Dyſpontion ſchon Ol. 4. Phlegon bei Steph. B., das Ganze etwa ſeit Ol. 50. ſ. unten Beil. 3. unter dieſer Ol. Ueber die Eleiſche Περιοι - κὶς im Allgemeinen oben S. 58, 2. — Es fehlt noch an neuern Routen von Olympia nach Arkadien hinein, namentlich nach Heraͤa. Polyb. 4, 77, 5. vgl. Dion Chryſ. citirt §. 17. Pauſ. geht nur bis zum Diagon (wobei zu bemerken, daß er ſich von Arkadien kommend denkt; mit 6, 21, 3. ὅϱοι δὲ πρὸς faͤngt ein ganz neuer Abſchnitt an, und hernach muß man wohl ſchrei - ben: κατὰ τάδε. διαβάντων ποταμὸν ohne δέ). Pqv. und Sibthorp geben den Weg uͤber Lalla nach Pſo - phis an; Hughes rechnet von Olympia bis Andruzza - na (was nach unſrer Karte zwiſchen Aliphera und Ly - koa liegt) 10 Stunden.
In Triphylien beſchreibt Pauſ. blos eine Straße von Meſſenien uͤber Samikon nach Olympia,460 ziemlich dieſelbe, die G. angiebt. Zur Orientirung in der Gegend halten wir feſt, daß Mavropotamo der alte Anigros ſei, weil die Eigenthuͤmlichkeit deſ - ſelben ganz uͤbereinſtimmt, und man noch die Grotten der Anigriſchen Nymphen entdeckt. Dann wird der B. Smirne der alte Minthe, das PalaͤoC. daran die Feſte Σαμικὸν, Ἀϱήνη muß ganz in die Naͤhe, und Πύλος Τϱιφυλιακὸς nach Strabon etwas hoͤher am Anigros angeſetzt werden. Wenn ein Reiſender am Mavropotamo etwas weiter hinaufgeht: wird er den Einfluß der beiden Baͤche Akidon und Jardanos in denſelben, vielleicht ſelbſt die Truͤmmer der alten Stadt Χάα finden. Pauſ. hat dieſen Weg zu machen ver - nachlaͤßigt. Die alten Angaben uͤber dieſe Gegend ſ. Orchomenos S. 372. Nur emendire ich jetzt bei Str. p. 344. μεταξὺ δὲ τοῦ Λεπρέου καὶ τοῦ ΑΛΦΕΟϒ τὸ ἱερὸν τοῦ Σαμίου Ποσειδῶνος ἑκατὸν ςαδίους (circiter) ἑκατέρου διέχον. Alſo der Tempel des Samiſchen Poſeidon, ſicher auf oder bei Samikon, lag 100 St. ſowohl vom Alpheios, als auch von Lepreon. Nach der tab. Peut. lag Samikon 15. m. p. von Olympia, 30 von Kypariſſia. Von Λέπρεον wiſſen wir außerdem, daß es S. vom Anigros, 40 St. vom Meer, nicht zu fern von der Neda (Kallim. an Zeus 38.), lag. Es iſt ſicher das PalaͤoC. von Piſchino. Denn dahin ging Gell von Minthe 1 St. 40 m., (Ddw. 2 St. 30 m.) in der Naͤhe der Kuͤſte, und dann 2 miles (Ddw. 1 St.) aufwaͤrts. Dabei iſt ein Dorf Sarene, in welchem wohl der Name der Quelle Arene liegt. Ferner ſieht man oͤſtlich davon ein Pa - laͤoC. Mofkitza, grade ſo lag Μάκιστος. Zwiſchen Makiſtos und Heraͤa kommt Ἤπειον. vgl. Polyb. 4, 77, 9. 80, 13., wo Αἰπιὸν zu corr. Die Akropolis bei der Neda 1 1 / 2 mile ſuͤdlich von Strovizza, 1 St. 30 min. von der Kuͤſte, SW. von Makiſtos, iſt ſicher Πύϱγοι. Und Aulon bezeichnen die Ruinen in einem Hohlthal (αὐλών) 32 min. ſuͤdlich von der Neda; andre Ruinen wenig ſuͤdlicher moͤgen Ὄλουρος ange - hoͤren. Λασιὼν iſt nach Xen. H. 7, 4, 12. sq. Diod. 14, 17. 15, 77. ſuͤdlich von der Ἀκρώρεια und gegen die Graͤnze Arkadiens zu ſetzen. — Auf dem Wege461 von Samikon nach Olympia lag Σκιλλοῦς, und der Tempel der Artemis, den Xenophon geweiht hatte, 20 St. vom T. des Zeus zu Olympia, Xen. Anab. 5, 3, 11. Diog. 2, 53., am Selinus, Str. 8. p. 387. vgl. Schneider Epim. ad Anab. p. 447. Kruͤger de Xenoph. Vita quaest. crit. Aber der Phellon bei Skillus kann weder die Pholoe, deren ύπώρειαι blos ſich nach Pi - ſatis herein erſtrecken, noch das Ὀλυμπιακὸν ὄρος ſein, das jenſeits des Alpheios liegt. — Λέπϱεον, Μά - κιστος und Πύργοι habe ich autonom dargeſtellt, das erſtre war es nach Laked. Grundſaͤtzen damals gewiß; und dann koͤnnen die andern nicht wohl Eleiſch geweſen ſein; der Paß bei Samikon (j. Kleidi) war wohl der Schluͤſſel des Eleiſchen Landes, da Lepreon ἐπὶ τῆς Ἠλείας lag, Thuk. 5, 34; und blieb es dann bis ungefaͤhr Ol. 95, 3. da Elis faſt ſeine ganze Πεϱιοικὶς verlor.
Ich ſchließe auch dieſe Beilage, wie die zum erſten Bande, mit einigen Bemerkungen uͤber Ptole - maͤos. Legt man den lateiniſchen Text und den Codex Coislinianus zum Grunde: ſo findet man auch hier die Kuͤſtenorte nach Periplen ertraͤglich richtig gezeich - net — nur befremdet die Kleinheit des Argoliſchen Buſens — aber im Mittellande iſt es ſchwer die Ver - wirrung zu loͤſen. — Wir wollen nur einige wenige Bemerkungen beifuͤgen, die ſich bei der Zuſammen - ſtellung des Ganzen nothwendig ergeben. Bei Schoe - nus in der Korinthia muß man ſchreiben: Laͤnge Να, γο. Breite Λζ. (Coisl. Να, γ. Λζ.) Die Emendation von Φλιοῦς iſt §. 10. angegeben. In Achaja befrem - det es, daß Ptolemaͤos Karte Helike von der Kuͤſte entfernt ſetzte. Aber in Elis konnte ſie doch nicht ſo falſch ſein, daß ſie Olympia mehrere Meilen vom Al - pheios entruͤckte; und man muß ſchreiben: Laͤnge Μη, γο (Coisl.) Br. Λς (Λς, δ Coisl.). Was fuͤr ein Na - me liegt in Κορύνη in Elis verborgen? Typaneia und Hypania ſind als Eleiſche Orte angefuͤhrt, aber durch einen falſchen Laͤngengrad nach Arkadien geruͤckt, man ſchreibe bei jenem Μη, H. Br. Λς, γ. bei dieſem Μη. H. Br. Λς., obgleich die Breite immer noch zu noͤrdlich462 iſt. Die συναφὴ des Alpheios und Pamiſos iſt ein Fehler, wie ſie auf alten Karten haͤufig waren (ſ. Bd. 1. S. 498.), wo man die Linien der Fluͤſſe oft zu ſehr verlaͤngerte. In Meſſenien iſt fuͤr Ἁλίαρτος wohl Στενύκλαϱος zu aͤndern. Aber wie kommt Τϱοιζὴν hieher? In dem Periplus der Kuͤſte, welchen Ptol. hatte, war durch ein Verſehn Kolonides vor Akritas hingerathen, ſtatt daß es erſt nachher kommen ſollte. Meſſene an der Kuͤſte iſt ein augenſcheinlicher Fehler. In Lakonika ſcheint Βιάνδυνα zwiſchen Akriaͤ und Aſopos eine Interpolation, da zwar Neuere, aber ſonſt kein Alter den Ort kennt. Daſſelbe glaube ich von Ἄςρον, Aſtro, bei Praſiaͤ. Die Inſel Ἔπλα moͤchte in Ἑλένα zu corrigiren ſein. Um eine gehoͤrige Geſtalt und ein Verhaͤltniß fuͤr die weſtl. Halbinſel Lakoniens zu gewinnen, ſchreibe man: Leuktron Λε, ς (Gr. Text) Μθ, Ηγ. (Coisl.) Vorgeb. Taenaron Λδ, γο (vg. γ) N. Malea liegt Λε · Να, γ. Coisl. und Aa. Fuͤr Γερηνία muß man Γερόνθραι, fuͤr Κρόνιον Berg Βόρειον ſchreiben. Wenn Ptol. (nach Coisl. Lat. Text. ) die Qu. des Eurotas an dies Gebuͤrg ſetzt, ſo nahm er vermuthlich einen Nebenfluß fuͤr den Eu - rotas, und doch ſchrieb er Belemina bei, weil er wußte, daß Eurotas in der Beleminatis entſpringt. Arkadien zu entwirren, halte ich fuͤr unmoͤglich, und von dieſem Lande hatte Ptol. ſo wenig deutliche Be - griffe als Strabon ſelbſt. Geb. Stymphalos iſt nichts anders als Kyllene. In die Naͤhe ſetzt er den Urſprung des Alpheios, fuͤr den er vermuthlich auf ſeiner Karte den Ladon anſah, wie auch Neuere mehrmals geirrt haben, z. B. Meletios und Sidthorp. Lilaea an der Graͤnze von Argolis veraͤndre ich in Alea, und Lyſias in Aſea; mehr ſcheint fuͤr jetzt nicht rathſam.
Es wuͤrde ohne Zweifel der Geſchichte der epi - ſchen Poëſie bei den Griechen eben ſo, wie der My - thologie zum Vortheil gereichen, wenn man dieſe beiden Wiſſenſchaften in ein engeres Verhaͤltniß zu ſetzen, und die Nachrichten uͤber den Inhalt der Epopoͤen mit wiſſenſchaftlichen Forſchungen uͤber die fruͤhere oder ſpaͤtere Ausbildung der Mythen zu combiniren ſuchte. Ein ſchwacher Verſuch, ein anſpruchsloſer Anfang zu einem ſolchen Unternehmen ſoll hier gemacht werden, um diejenigen zur Mittheilung aufzufordern, welchen reichere Sammlungen zu Gebote ſtehn, und vielleicht auch zur Auffindung einer Methode ein weniges bei - zutragen, die in mythologiſche Forſchungen mehr Si - cherheit, in litterariſche mehr Fuͤlle des Stoffes braͤchte.
Plutarchos hatte Buͤcher περὶ Ἡρακλέους geſchrieben, welche er ſelbſt im Theſ. 28. Frgm. p. 353 ff. citirt; welchen Gewaͤhrsmaͤnnern er darin als den glaubwuͤrdigſten folgte, laͤßt ſich aus folgender Stelle (de Herod. mal. 14. p. 294.) entnehmen: Von den alten und ſagenkundigen Maͤnnern haben weder Homer, noch Heſiod, noch Archilochos, noch Peiſandros, noch Steſichoros, noch Alkman, noch Pindaros eines Ae - gyptiſchen oder Phoenikiſchen Herakles gedacht, ſondern alle kennen nur dieſen einen Herakles, unſern Boͤotier und Argeier: bei der wir zuerſt nur bemerken, daß Pei -464 ſandros ſeinem Alter nach zwiſchen Archilochos und Steſichoros geſtellt, und Panyaſis als zu jung ausge - laſſen wird. — Aber außer dieſen uͤber H. mehr oder minder ausfuͤhrlichen Dichtern benutzte Plutarch ganz vorzuͤglich den Herodor von der Pontiſchen Hera - kleia (ſ. Heeren de font. Plut. p. 17.), von dem wir hier aus - und zuruͤckgehn wollen, da die ſpaͤtern Be - handlungen der Fabel hier fuͤr uns nur in ſo fern Werth haben, als ſie auf aͤltre Bearbeitungen ſchlie - ßen laſſen: Herodoros aber Vater des Sophiſten Bry - ſon (wie Weichert uͤber den Apollonius S. 156. dar - gethan,) und Zeitgenoß des Sokrates (mit deſſen Schuͤlern Bryſon zuſammen lebte, Athen. 11, 391.) — alſo aͤlter als die Schule des Ephoros, juͤnger als die Logographie, eine intereſſante Mittelſtufe in der Be - handlung der Sage bildet. Seine Erzaͤhlung war proſaiſch, wie die der Logographen, obgleich wahrſchein - lich ausgefuͤhrter und beredter als dieſe.
Die Fragmente aus der Heraklee, welche nicht immer von denen der Argonautika leicht zu ſcheiden ſind, waͤren etwa ſo anzuordnen: Bei Schol. Apollon. 1, 747. (in den Schol. vg. iſt wohl zu ſchr. ἡ ἱστο - ρία σαφῶς παϱ᾽ Ἡσιόδῳ πεϱὶ τῆς μάχης. Ἡρόδω - ρος δὲ ἱστορεῖ) erzaͤhlt Her. die Abſtammung der Te - leboer von Perſeus wie Apollod. 2, 4, 5. nur daß Pterelas dort Vater, hier Sohn des Taphios iſt. Die Argeier nannte Her. Ἀργεάδαι nach Steph. s. v. Ἄρ - γος (mehr laͤßt ſich aus dieſer Stelle nicht nehmen) aus aͤltern Dichtern. — Bei Athen. 11, 474 f. vom Becher, καϱχήσιον, den Zeus der Alkmene zum Ge - ſchenk machte. — Bei Schol. Theokr. 13, 9. daß H. bei den Rinderheerden des Amphitryon erzogen worden ſei. Uebereinſtimmend mit Apolld. 2, 4, 9. — Ebend. V. 56. H. bediente ſich des Skythiſchen Bogens, vom Skythen Teutares unterrichtet, nach Her. und Kalli - machos (Fr. Bentl. 365.) Bei Fruͤheren findet ſich dieſe Erzaͤhlung nicht; es war vermuthlich eine Ponti - ſche. — Athen. 13, 556 f. H. ſchwaͤngerte die 50 Theſtiaden in ſieben Naͤchten. Nach Apolld. in 50. — Sch. Pind. J. 4, 104. H. habe zweimal geraſ’t,465 (einmal beim Mord der Kinder, dann nach dem des Iphitos). — Bei Tatian, citirt Bd. 2. S. 442, 3., von dem Urſprung des Nemeiſchen Loͤwen aus dem Monde. — Bei den Schol. Plat. Phaͤd. p. 11 R. 381 B. von Jolaos Beiſtande gegen den Krebs, ganz wie Apollod. — Sch. Ap. 1, 128. H. bringt den Eber bis an die Thore von Myken. — Sch. Pind. O. 5, 10. Er gruͤndet die ſechs Altaͤre der zwoͤlf ϑεοὶ σύμ - βωμοι zu Olympia, welche Her. einzeln nannte. — Hieran ſchloß ſich wahrſcheinlich die Angabe der Groͤ - ße des Helden auf 4 πήχεις 1 Fuß, ſo daß zu J. 4, 87. (vgl. Tzetz. zu Lykophr. 662. und Chil. 2, 265.) zu ſchreiben waͤre: Ἡρόδωϱος γοῦν ἐν Ὀλυμπιά - δι (im Olympiſchen Agon) φησὶ τῶν ἄλλων αὐτὸν περιττεύειν, ὥστε τὸ ὅλον σῶμα πηχῶν εἶναι τεσσά - ρων καὶ ποδός. Denn es beſtimmten die Alten die Groͤße des H. aus dem von ihm gemeſſnen Olympi - ſchen Stadium. Gell. N. A. 1, 1. wo ſchon Pythago - ras dafuͤr citirt wird. Vgl. Solin 1, 88. und Apd. 2, 4, 9., wo Herodor die Quelle ſcheint. Vom Ama - zonenkampf bei Plut. Theſ. 26. mit Pherekydes und Hellanikos uͤbereinſtimmend, vgl. Tzetz. zu Lyk. 1332.: Theſeus ſei nach Herakles fuͤr ſich nach dem Lande der Amazonen geſchifft. An dieſen Zug knuͤpfte der Herakleote ohne Zweifel die Sagen ſeiner Vater - ſtadt an, vermuthlich auch hierin die Quelle des Apd. Von Idmon, Sohn Abas, Schol. Apoll. 1, 139.; wie er im Lande der Mariandyner ſtarb, zu 2, 815.; uͤber ſein Grab auf dem Markte von Herakleia, zu 2, 848. (vgl. Heyne ad Apd. Obss. II. p. 357.). Von Lykos, Daſkylos Sohn, dem Mariandynerkoͤnig, Schol. zu 2, 752. vgl. Weichert a. O. S. 174. Darin wich Her. von andern Herakleen ab, daß er auch die Heraufho - lung des Kerberos nach Herakleia ſetzte. Sch. Ap. 2, 356. vgl. Dionyſ. Per. 788.; daß auch dies Herakleo - tiſche Sage war, lehrt die Bd. 2. S. 419, 1. ange - fuͤhrte Muͤnze, und das Weihgeſchenk Pauſ. 5, 26, 6. — Im zehnten Buch handelte er von dem Zuge zum Geryoneus; denn in dieſem kam eine Geographie Ibe - riens vor, aus Konſtantin Porphyrog. de adm. imp. II, 23. aufgenommen in die Ausg. des StephanusIII. 30466Byz. s. v. Ἰβηρίαι · τὸ δὲ Ἰβηϱικὸν γένος τοῦτο, ὅπεϱ φημὶ οἰκεῖν τὰ παράλια τοῦ διάπλου, διώϱισται ὀνόμασιν ἓν γένος ἐὸν κατὰ φῦλα. πρῶτον μὲν οἱ ἐπὶ τοῖς ἐσχάτοις οἰκοῦντες τὰ πϱὸς δυσμέων Κύνη - τες ὀνομάζονται. ἀπ̕ ἐκείνων δὲ ἤδη πρὸς βορέαν ἰόντι Γλῆτες, μετὰ δὲ Ταϱτήσιοι, μετὰ δὲ Ἐλβυσί - νιοι, μετὰ δὲ Μαστιηνοὶ, μετὰ δὲ Καλπιανοὶ, ἔπει - τα δὲ ἤδη ὁ Ῥόδανος. vgl. Steph. B. Κυνητικὸν u. Γλῆ - τες. Es ſind einige Jonismen in der Stelle, aber man weiß nicht, wie weit man im Hineincorrigiren andrer gehn darf. In der Geographie der Gegenden ſteht Her. et - was hoͤher als Hekataͤos u. Herodot. vgl. Uckerts Geogr. 2, 2. S. 245 — 51. wo Herodor aber zu ſpaͤt erwaͤhnt wird. Auf dem Ruͤckwege kam H. durch Italien, daher Her. die Peuketier als Πευκετεῖς erwaͤhnt. Steph. B. — Her. erwaͤhnte auch die Befreiung des Prometheus durch H. (Sch. Ap. 2, 1248.) vermuth - lich auf der Heſperidenfahrt; er machte aus der Fabel eine alte Skythiſche Geſchichte. So erzaͤhlte er auch, zuerſt wie ich glaube, daß Her. bei Atlas Mantik und Phyſik gelernt habe, nach Klem. Strom. 1. p. 306 a., hierin zeigt ſich nach meiner Meinung der Einfluß der Sophiſtik jener Zeit auf die Mythenbehandlung. Die Dienſtbarkeit bei der Omphale erzaͤhlt Her. wie Apd., und gab an, daß deswegen Herakles nicht habe am Argonautenzug Antheil nehmen koͤnnen. Sch. Ap. 1, 1289. Apd. 1, 9, 19. Heyne p. 356. Auch Apollodor laͤßt in der Erzaͤhlung der Thaten des Herakles keinen Platz fuͤr die Argonautenfahrt. — Im ſiebzehnten Buch kam unter den Aetoliſchen Sagen auch die von der Toͤdtung des Knaben Eunomos vor (Athen. 9, 410 f.); hier iſt die Uebereinſtimmung mit Apd. 2, 7, 5. um ſo bemerkenswerther, da ſonſt der Name dieſes Mundſchenken ſo ſehr verſchieden angegeben wird. — Von der Beſiegung der Dryoper iſt das Wort Δρυο - παῖοι uͤbrig. Stph. B. Δρυόπη. — Die Eroberung von Oechalia ſcheint Her. wie Apd. erzaͤhlt zu haben. Bd. 2. S. 412, 2. — Am Ende des Lebens ließ er den Theſeus zum H. gelangen vor der Lapithiſchen Kentauromachie; aber die fruͤhere Einweihung des Helden zu Eleuſis durch Theſeus Vermittelung, ſo467 wie die Befreiung des Theſeus aus dem Hades, und wohl alle andern Attiſchen Heraklesfabeln kamen bei Herodor nicht vor. Plut. Theſ. 29. 30. Dies haͤngt damit zuſammen, daß die Cerberusfabel bei ihm an - ders geſtellt war und erzaͤhlt wurde. — Noch wird aus dem 5ten Buch die Hungerloſigkeit des Herakles angefuͤhrt (Proklos zu Heſiods T. und W. 40.), und ohne Nennung des Buches, daß der Held den Geier fuͤr das gluͤcklichſte Zeichen hielt. Ariſt. Hist. anim. 6, 6. 9, 12. Plut. Rom. 9. Qu. Rom. 93. Beides ließe ſich allenfalls placiren, aber ohne gehoͤrige Si - cherheit.
Vergleicht man dieſe Reihe von Fragmenten mit Apollodors Erzaͤhlung, ſo ſieht man ein, daß der letztre den Connex ſeiner Fabel in der Hauptſache dem Herodor verdankt, wenn auch mehrere Abweichungen ſtatt finden, beſonders da wo im Apollodor verwirrte und abgebrochne Stellen ſind. Dem Charakter nach ſteht Herodor den hiſtoriſirenden Mythographen ſchon ſehr nahe; er ſchob geographiſche und ethnographiſche Excurſe ein, wodurch die Mythologie ganz ihre Eigen - thuͤmlichkeit verlor; er raͤſonnirte uͤber Gleichzeitigkeit mythiſcher Thaten; er deutete wunderbare und ſeltſame Fabeln um. — Was aber ſeine Quellen betrifft: ſo mag er das Meiſte aus den Logographen, namentlich Pherekydes, oder unmittelbarer aus alten Epopoͤen aufgenommen und verbunden haben, Manches aber brachte er zuerſt aus Lokalſagen hinein, namentlich die Abentheuer in ſeiner Vaterſtadt Herakleia. Denn da - von erzaͤhlte, ſoviel wir wiſſen, kein Fruͤherer, und gewiß nicht ſo Beſtimmtes und Einzelnes.
Unter den Logographen kommen wir zuerſt zu Pherekydes: deſſen Fragmente Sturz ziemlich voll - ſtaͤndig geſammelt hat, daher wir uns hier mit um ſo kuͤrzrer Andeutung begnuͤgen duͤrfen. Die Toͤdtung des Elektryon durch Amphitryon wurde wie bei Apd. 2, 4, 5. erzaͤhlt, wenig abweichend von Heſiod Schild V. 10. Frgm. 12. p. 103. Sturz. Vom Zuge gegen die Teleboer wie Apd.; und dem Becher, den Zeus der Alkmene gab, wie Herodor, bei Ath. 11,30 *468474 f. Frgm. 12. p. 13. Hier ſcheint ſich durch Pher. die Erzaͤhlung feſtgeſtellt zu haben, der man hernach folgte. Ueber den Schlangenkampf des kleinen Her. citirt Apd. den Pher. Auch wirft bei ihm H. die Kinder der Megara ins Feuer, wie bei Apd. (Sch. Pind. J. 4, 104. Fr. 11. p. 102 St.) Schade daß Apd. die Namen nicht nennt. vgl. Hemſterh. ad Lucian. T. 1. p. 237. Von den Stymphaliden bei Sch. Apoll. 2, 1055. ganz wie Apd. und zwar wohl aus Peiſandros. Von den Molioniden Frgm. 47. St. Dieſe Frgm. ſcheinen nach Ath. 11. p. 474 f. Sch. Pind. F. 4, 104. alle aus dem zweiten Buche. vgl. A. Matthiaͤ in Wolfs Anal. 1, 2. S. 325. Im dritten erzaͤhlte Pherekydes den Zug des H. nach Erytheia (vgl. Str. 3, 169.), unter andern, daß H. die Sonne durch ſeine Geſchoſſe bewogen, ihm das δέπας zu geben, auf welchem ſie nach dem Unter - gange von Abend nach Morgen herumfaͤhrt, und daß er damit nach der Inſel uͤber den Okeanos ſeegelte, den er ebenfalls durch ſein[Geſchoß] zur Ruhe gebracht; bei Ath. 11. p. 470. Macrob S. 5, 21, p. 109. St. Apd. zieht dieſelbe Erzaͤhlung ins Kurze zuſammen, 2, 5, 10. Davon ſtand wahrſcheinlich nichts bei dem proſaiſcheren Herodor. Pher. hatte aber den Steſicho - ros vor ſich, nicht den Peiſandros oder Panyaſis, bei denen H. den Becher von Okeanos oder Nereus erhaͤlt, doch wich er auch von jenem in einem Punkte ab. Bd. 2. S. 425. Eben ſo giebt vom Heſperidenaben - theuer Apd. nur einen Auszug aus Pher., ſeine Ab - weichungen ſind zugleich Entſtellungen der Fabel. Die Erzaͤhlung des Pher. (aus demſelben Buche nach Mat - thiaͤ) bei den Sch. Apoll. 4, 1396. iſt zuſammenhaͤn - gend und ſchoͤn; nur muß mit Heyne fuͤr Πέργη Πε - ϱαία corrigirt werden. Apd. hat aber aus einer andern Quelle die Hyperboreer bei den Heſperiden und den Kaukaſos bei Prometheus (Pher. ſetzt den Prome - theus offenbar an den Suͤdpunkt der Erde) hineinge - bracht, und ein Abentheuer in Rhodos eingewebt, welches nirgends weniger paßt. Den Emathion ſetzte wohl auch Pher., wie Apd., nach Arabien; denn bei Schol. Heſ. Theog. 985. iſt die Angabe, daß von ihm469 Makedonien Emathia heiße, nicht Pherekydeiſch. Pher. erwaͤhnte bei Antaͤos auch den Palaͤmon, Sohn des H. von der Frau des Libyſchen Rieſen, Sturz p. 146.; er ſetzte ihn nach Iraſſa an der Tri - tonis. Sch. Pind. P. 9, 183. Was aber Pher. hierin fuͤr Quellen gehabt haben mag, iſt dunkel. Vom Antaͤos hatte Peiſandros gedichtet, aber wohl nicht ſehr aͤhnlich. Buſiris kam, ſo viel wir wiſſen, in keinem Epos vor. Einigermaßen ſchwierig iſt es, zwei Stellen des Pher. uͤber H. und die Oechalier zu ver - einigen, bei Sch. Od. 21, 22. und Sch. Soph. Trach. 354. Sturz p. 185. 189., ſo ſchwierig, daß Sturz annimmt, Pher. habe von zwei Oechalieern Eurytos geſprochen, und Aehnliches von beiden erzaͤhlt, was doch hoͤchſt unwahrſcheinlich. Mich daͤucht: man muͤſſe von der zweiten Stelle die Worte: Ἴφετος δὲ ἔφυγεν εἰς Εὔβοιαν als nicht Pherekydeiſch abſondern, und dann bilde ſich folgender Zuſammenhang. H. kommt μετὰ τὸν ἀγῶνα — unbekannt welcher — nach Oecha - lia, welches bei Pher. das Meſſeniſch-Arkadiſche iſt, Bd. 2. S. 413., und fordert die Jole fuͤr ſeinen Sohn Hyllos, Eurytos ſchlaͤgt ſie ihm ab, H. raubt die Roſſe. Iphitos ſucht dieſe in Tiryns und H. wirft ihn von der kyklopiſchen Mauer. Darauf folgt der Verkauf an die Omphale; dann die Eroberung Trojas, das Abentheuer in Kos (Schol. Vill. Il. 14, 255.) eben ſo angeknuͤpft wie bei Homer, und erſt ſpaͤter die Eroberung von Oechalia. Dann wurde er Koͤnig von Myken, in welcher Wuͤrde das Frgm. bei Anton. Lib. 33. St. n. 50. p. 196. den H. ſterben laͤßt: woraus denn folgt, daß in dem letzten Theil der Fabel, der in Theſſalien ſpielt, Apolld. nicht aus Pherekydes ſchoͤpf - te. Wie er dieſe Mythen ſtellte, wiſſen wir nicht. Nach den Schol. Pind. O. 7, 42. nannte er Tlepole - mos Mutter Aſtygeneia, Phylas Tochter; ziemlich wie Apd. — Im zweiten Buche erwaͤhnte Pher. die Ab - ſtammung der Dryoper, im dritten ihre Wohnſitze; Sch. Apoll. I, 1212. Wenn die dort gegebne Erzaͤh - lung beſonders aus Pher. iſt, erzaͤhlte er von dem Ochſen des Theiodamas wie Apd. — Die Argo verließ Her. nach Heſiod und Pherekydes gleich an der Mag -470 neſiſchen Kuͤſte. Apd. 1, 9, 19. Sch. Apoll. 1, 1290. St. p. 182. Doch zog er gegen die Amaz. ob. S. 465.
Hellanikos, Pherekydes Zeitgenoſſe, ſcheint in keiner Folge von den Thaten des H. geredet zu ha - ben, wenn nicht etwa in den Ἱστορίαις, er erwaͤhnte ſie wahrſcheinlich nur beilaͤufig und oft in einer gewiſ - ſen hiſtoriſchen Beziehung. Wir haben folgende Data aus ihm: Von den Stymphaliden, wenig abweichend von Pher. Sch. Apoll. 2, 1055. St. Frgm. 88. — Diomedes Roſſe zerreißen den Abderos, Liebling des H. Steph. B. Ἄβδηρα. Fr. 108. Daraus Apd. 2, 5, 8. — Zug durch Italien, der Ruͤckkehr von Geryon eingewebt, bei Dion. H. 1, 35. Frgm. 107. Hell. leitete dabei den Namen Italien von vitulus ab. — Den Aufenthalt des H. bei der Omphale fuͤhrte er ſpeciell aus. Steph. Ακέλη. Fr. 111. — Von dem Altar des H. Καλλίνικος, von Telamon bei Trojas Erſtuͤrmung errichtet, erzaͤhlte Hellan. wie Apd. 2, 6, 4. Tz. zu Lyk. 469. Fr. 138. — Bei der Argonau - tenfahrt ließ er ihn Theil nehmen, und mit allen Ar - gonauten gegen die Amazonen ziehn. Sch. Pind. N. 3, 64. Fr. 118. Statt des Hylas nannte er einen Thei - omenes S. des Theiodamas. Sch. Ap. 1, 131. Fr. 84. Den Kalydoniſchen Knaben nannte er nicht Eu - nomos, ſondern Archias. Fr. 52. — Mehrere von die - ſen Anfuͤhrungen zeigen, daß, wenn der einfache Phe - rekydes ſich ſtrenger an die alten Dichter hielt, und etwa nur um des Zuſammenhangs willen hier und da eine Luͤcke ausfuͤllte, — Hellanikos ſchon mit groͤßerer Freiheit den Mythus der Hiſtorie und Geographie an - zupaſſen verſuchte. Auch glaube ich, behandelte Hell. die Thaten des H. zuerſt chronologiſch, in ſeiner Schrift uͤber die Prieſterinnen von Argos. Es hat nemlich die beruͤhmte Farneſiſche Marmortafel, welche H. Conſecration darſtellt, die Unterſchrift: ΗΡΑΣ ΑΡ - ΓΕΙΑΣ ΙΕΡΕΙΑ ΑΔΜΑΤΑ ΕϒΡϒΣΘΕΩΣ ΚΑΙ ΑΔ - ΜΑΤΑΣ ΤΑΣ ΑΜΦΙΔΑΜΑΝΤΟΣ ΕΤΗ ΝΗ ‒. Das heißt: die Heiligſprechung des Heros durch die Argei - iſche Prieſterin geſchah im 58ſten Jahre der Admeta. Die Alexandriniſchen Chronologen, aus welchen Klemens471 von Alex. ſchoͤpft, Strom 1. p. 382., laſſen die Apo - theoſe 38 Jahre nach dem Anfang ſeiner Herrſchaft in Myken vor ſich gehn, welche ſie wohl erſt gegen Ende ſeines Lebens ſetzten, und auch hierin mochten ſie der - ſelben Quelle folgen. Denn daß dieſe chronologiſchen Berechnungen zum Theil aͤlter ſind als Herodot, kann man aus dieſem Schriftſteller 2, 145. abnehmen.
Bei Hekataͤos Behandlung der Heraklesfabel beziehe ich mich auf Creuzers Fragm. histor. antiqu. p. 45. Hek. erzaͤhlte die Bezwingung der Hyder (Ae - lian H. A. 9, 23.), den Fang des Erymanthiſchen Ebers bei Pſophis (Steph. B. Ψωφὶς nach Salmaſ. ), deutete aufgeklaͤrt den Kerberos von einer Schlange auf Taenaron (Pauſ. 3, 25, 4.). Die Liebe zur Auge und ihre Schickſale erzaͤhlte er (Pauſ. 8, 4, 6. 47, 3.) et - was anders als Apd. Die Fabel von Geryoneus be - ſchraͤnkte er auf Ambrakien und Amphilochi, ſ. Bd. 2. S. 422. Oechalia ſetzte er nach Euboͤa, wie Kreo - phylos, und ſuchte den Platz genau zu beſtimmen. S. 413. Vom Aufenthalt der Herakliden bei Keyx ha - ben wir ein Fragment mit Hek. Worten, ſ. Bd. 2. S. 54. Darnach war ſeine Erzaͤhlung der letzten Thaten des H. ganz anders als bei Pherekydes, und der des Herodor und Apd., der indeß Verſchiedenarti - ges aufgenommen, entſprechender.
Wir kommen nun zu Panyaſis, deſſen Fragmente wir erſt einigermaßen vollſtaͤndig zuſammen - ſtellen moͤchten, ehe wir uͤber ſeine Quellen und Dar - ſtellungsart urtheilen. Panyaſis, Polyarchos Sohn, bluͤhte zur Zeit der Perſiſchen Kriege (72, 4. Euſeb.). vgl. Naͤke Choeril. p. 14 sq. Die Nachricht, die ihn Oheim des Herodot nennt, gewinnt dadurch an Wahr - ſcheinlichkeit, daß er Halikarnaſſeer und Samier ge - nannt wird, Duris bei Suid. Πανύασις, vergleiche Suid. s. v. Ἡρόδοτος, und ebenſo Herodot auch ei - nen Theil ſeines Lebens in Samos zubrachte. Pan. ſteht ſonach in der Mitte zwiſchen der Kunſtdichtung des Antimachos, und der einfachen Sagenmittheilung der letzten Cykliker, deren ſchon verglimmenden Funken er durch eignen Odem wieder zur hellen Flamme der472 Poëfie anfachte, ſo daß ihn die Alexandriner zu den fuͤnf erſten Epikern, einige neben Homer ſtellten. vgl. auch Dion. Hal. τ. ἀϱχ. κρ. 2. p. 419. R.
Wenn das ganze Werk aus 14 Buͤchern und 9000 Verſen beſtand, ſo muͤſſen manche Begebenheiten beſon - ders in der Mitte mit großer Ausfuͤhrlichkeit darge - ſtellt worden ſein, da die aufgegebnen Kaͤmpfe ſchon im erſten Buche enthalten waren. Ich glaube, daß Pan. das von Andern behandelte kurz zuſammenfaßte, aber fruͤher wenig benutzte Sagen, wie des Helden Aufenthalt in Lydien, mit freigebiger Phantaſie aus - ſpann. Von H. Kindermord erzaͤhlte er etwa wie Steſichoros, aber anders als die Thebaͤer, Pauſ. 9, 11, 1. Vom Nemeiſchen Loͤwen bewahrt Steph. B. s. v. Βέμβινα zwei Verſe aus dem erſten Buche:
von beiden aber iſt es nicht nothwendig, daß ſie in der Beſchreibung des Kampfs ſtanden; ſie koͤnnen gelegent - lich vorgekommen ſein, wenn von H. Tracht die Rede war. Dieſe war bei Pan. Keule und Loͤwenfell. Bei der Hydra erwaͤhnte er auch den Krebs; aber daß ihn H. ſelbſt zertrat. Eratoſth. Kataſt. 11. Darauf folgten die andern ἆϑλοι. Und zwar wurde der Zug gegen Geryoneus noch im erſten Buche erzaͤhlt; H. erhielt den Becher zur Ueberfahrt nach Pan. von Ne - reus. Athen. 11, 469 d. vgl. Macrob. S. 5, 21. und uͤber andre Umſtaͤnde der Erzaͤhlung des Pan. Bd. 2. S. 425. Beim Heſperidenzug webte Pan. vermuthlich zuerſt das Abentheuer ein, wo Herakles geopfert wer - den ſoll, wie es die Jonier bei Herod. 2, 45. erzaͤhlen, πολλὰ μὲν ἐπιϑεῖναι λέγων πέμματα, πολλὰς δὲ νοσσάδας ὄρνεις. Athen. 4, 172 d. Daß er ſchon den Namen Buſiris kannte, wird nicht geſagt; Pherekydes nannte ihn ſchon ſo. Panyaſis beſchrieb den Kampf mit dem Drachen, woraus man ſpaͤter das Sternbild Engonaſin machte. Hygin Poet. astr. c. 6. p. 369 M. Schaub. ad Eratosth. 4. p. 77. Aus dem dritten Buche ſind die Verſe bei Athen. 11, 498 b.:
473und daran ſchließt ſich wohl die Aufforderung zum Trinken an, welche aus Stobaͤos und Athenaͤos Brunck im 2. und 3. Frgm. der Analecta, Gaisford Poëtae Graeci min. p. 469. 1. 2. aufgenommen haben. Dabei konnte auf irgend eine Weiſe der Vers vorkommen, den die Sch. Pind. P. 3, 177. ebenfalls aus dem dritten Buch der Heraklee anfuͤhren:
in welchem Dionyſos jugendliche Kraft, wie die des Hermes im Hom. Hymnus, beſchrieben wird. Auch das herrliche Fragment: πρῶται μὲν Χάϱιτές τ᾽ ἔλα - χον καὶ εὔφρονες Ὧραι κ. τ. λ. und das folgende bei Ath. 2, 36 d. f. p. 138. 140. Schwgh., vgl. Klem. Al. Strom. 6, 622 b. Sylb., ſcheinen aus demſelben Buche geſchoͤpft zu ſein. Dann fragt ſich nur, wel - ches Gaſtmahl Pan. ſo ausfuͤhrlich beſchrieb. Wahr - ſcheinlich das bei Pholos, nach Steſichoros Beiſpiel. Nur muß man dann annehmen, daß er das Aben - theuer mit den Kentauren nic ht mit dem Fang des Erymanthiſchen Ebers verband, wie Spaͤtere. Den Gang in die Unterwelt beſchrieb Pan. ausfuͤhrlich, und ſtellte Theſeus und Peirithoos angefeſſelten Sitz mit viel Anſchaulichkeit dar. Pauſ. 10, 29, 2. Ob er die Dienſtbarkeit des H. durch Iphitos Ermordung motivirte, weiß ich nicht; daß ſie ihm vom Phthiſchen Apoll verhaͤngt wurde, habe ich oben Bd. 2. S. 436, 4. gezeigt, und einigen Verſen des Pan. ihre Bezie - hung auf dieſe Knechtſchaft nachgewieſen, S. 437. Durch dieſe kam nun H. nach Lydien. Denn daß Pan. ſchon vor Pherek. und Hellan., Bd. 2. S. 450., die Sage von der Omphale behandelte, erhellet aus Sch. Apoll. 4, 1149. Πανύασίς φησιν Ἡρακλέα νο - σήσαντα ἐν Λυδία τυχεῖν σωτηϱίας ὑπὸ ῞ϒλλου τοῦ ποταμοῦ (ἔστι δὲ Λυδίας), καὶ διὰ τοῦτο ἀμφοτέ - ρους τοὺς υἱοὺς αὐτοῦ ῞ϒλλους κληϑῆναι. Man ſieht uͤbrigens hieraus, wie damals ſchon der nationale My -474 thus ſo ganz und gar verwirrt war. Daran ſchließe man die fuͤnf Verſe bei Steph. B. s. v. Τρεμιλεῖς uͤber Tremilos Soͤhne, die H. ohne Zweifel im Folgenden erlegte. Dem Zuge gegen Hippokoon von Lakedaͤmon gehoͤrt wahrſcheinlich das Frgm. bei Apd. 3, 10, 3. Schol. Eurip. Alkeſtis 1. an: Πανύασις, ὅτι Τυνδά - ρεων (ἀνέςησεν Ἀσκληπιός). Von Hades u. Hera’s Ver - wundung bei Pylos Bd. 2. S. 444. Die Gruͤndung der Olympiſchen Spiele kam wohl erſt im elften Buche vor. Steph. s. v. Ἀσπίς. ἔστι καὶ πέραν Πίσης, ὡς Παν. ἐν Ἡρακλείας ἑνδεκάτῃ. Bei Oechalia legte Pan. im Ganzen das Epos des Kreophylos unter, daher ihn Klemens des Plagiats beſchuldigt (Strom. 6. p. 628 Sylb. ); alſo ſetzte er wohl auch dieſe Stadt nach Eu - boͤa, und die Eroberung wohl ans Ende des Lebens, wie Apd. Noch finde ich, daß bei Pan. Adonis vor - kam. Heſych Ἠοίην τὸν Ἄδωνιν Πανύασις, und bei Apolld. 3, 14, 4. daß Adonis ein Sohn des Theias von deſſen Tochter Smyrna ſei. Sind dieſe Erwaͤh - nungen aus der Heraklee und nicht aus dem Gedicht Jonika: ſo duͤrfen wir wohl auch vom Pan. die bekannte Erzaͤhlung ableiten, wo Herakles den Adonis als keinen Gott ſtatuiren will. S. Schol. Theokr. 5, 21. Heſych und Suid. οὐδὲν ἱερὸν. Daß Demeter zu Eleuſin, Triptolemos Vater, gekommen ſei — Apolld. 1, 5, 2. — ſtand wohl in den Ἰωνικοῖς. Noch iſt ei - niger Vollſtaͤndigkeit wegen zu erwaͤhnen, Etym. M. 196, 34. τὰ πεδία, corr. πέδιλα, βαιόλα Πανύασις. Die Sch. Veneta et Wassenb. ad Iliad. 7, 591. ha - ben βίολα und hernach βῆλα, welches letztre wohl das richtigere iſt. cf. Heyne ad l.
Ueber Steſichoros Geryonis moͤgen wir uns noch kuͤrzer faſſen. Er behandelte einen epiſchen Stoff lyriſch, quippe qui carminis epici gravitatem lyra sustinuit. Man thut gewiß nicht Recht, wenn man die Fragmente in epiſche Hexameter zu bringen ſucht, wenn es auch mitunter mit wenigen Veraͤnderungen geht, da die doriſchen Maaße der Γηϱυονὶς, ſo wie des Enkomion der Helena, vom Hexameter nur wenig abwichen. Als Lyriker hatte er in der Behandlung und Anordnung groͤßre Freiheit. Der Hauptgegenſtand475 war der Zug gegen Geryoneus; die dieſen betreffenden Stellen des Dichters ſind oben Bd. 2. S. 424 f. an - gewandt worden. Epiſodiſch waren vermuthlich andre Abentheuer des Helden eingeſchoben. So die Ermor - dung der Kinder der Megara; das Gaſtmahl bei Pholos, worauf ihn der Becher bringen konnte, nebſt der Kentauromachie, bei welcher auch wohl das Arka - diſche Pallantion erwaͤhnt war (Pauſ. 8, 3. Suchf. p. 20.), denn daß er etwa den Enandros aus Pallantion auf dem Zuge durch Italien erwaͤhnt habe, iſt nicht glaublich; — vielleicht auch die Gruͤndung der Olym - pien (Strabo 8, 356). Steſ. war es nebſt Peiſan - dros, die zuerſt den Herakles mit Loͤwenhaut, Bogen und Keule ausſtatteten, ſtatt der vollen Heldenruͤſtung; es bezeichnet dieſe Einzelheit aber eine durchgehends veraͤnderte Darſtellung der meiſten Abentheuer.
Was den Peiſandros betrifft, ſo iſt zum Grunde zu legen, was Heyne Exc. 1. ad libr. II. Ae - neidos beigebracht hat, namentlich zur Unterſcheidung des aͤltern Dichters des Namens, des Kameiraͤers, den man gewoͤhnlich mit Suidas gegen Ol. 33. ſetzt, von dem juͤngern Larandener im 10ten Jahrhundert der Stadt. Dieſer dichtete 26 oder mehr Buͤcher ἡϱω - ικῶν ϑεογαμιῶν; jener eine Heraklee, von der ein zweites Buch citirt wird. Vgl. Fabric. Bibl. I. p. 590 Harl. Weichert a. O. p. 240. Die Fragmente ſtellen wir etwas vollſtaͤndiger zuſammen als Heyne. Was Peiſ. von H. Keule und Loͤwenhaut ſagte, iſt oben Bd. 2. S. 444. bemerkt. Wenn auch das bei Eratoſth. Kat. 12. aus Peiſ. iſt, daß die Erwuͤrgung des Loͤwen der erſte Kampf des Helden war: — ſo kannte er die vorhergehenden Boͤotiſchen Kaͤmpfe nicht, oder ſtellte ſie anders. Dies beſtaͤtigt der Schol. ad German. Arat. Phaen. p. 114. Pisandrus Rhodius refert, eum (leonem) ob primos labores Herculis memoriae causa honorifice astris illatum. Cf. Hygin. Poet. Astron. 2, 24. p. 399. — Pauſ. 2, 37, 4. von der Vielkoͤpfigkeit der Hydra. — Sch. Pind. O. 3, 12. (e cod. Vratisl. Boeckh) aus Peiſ. Pherek. und einer Theſeide uͤber die goldgehoͤrnte Hindin. Pauſ. 8, 22,476 4. von den Stymphaliden, daß ſie H. bei Peiſ. blos mit dem Schall einer Klapper vertrieben. vgl. Pherek. — Ein Frgm. aus dem zweiten Buche uͤber die Fahrt nach Erytheia ſ. oben Bd. 2. S. 424. Bei der Heſperidenfahrt wahrſcheinlich kam Antaͤos vor, und es wurden Kyrenaͤiſche Gruͤndungsſagen einge - webt (vgl. Bd. 1. S. 346.). Sch. Pind. P. 9, 183. ὄνομα δὲ αὐτῇ (der Tochter des Libyerfuͤrſten Antaͤos zu Iraſa) Ἀλκηΐς, ὥς φησι Πείσ. ὁ Καμειρεύς. Vom Heſperidendrachen Ladon bei Schol. Apoll. 4, 1396. τοῦτον Πείσανδρος ὑπείληφεν ἐκ τῆς γῆς γεγενῆ - σϑαι. Die folgenden Stellen konnten bei den Kaͤm - pfen hie oder da eingeſchoben ſein. Νοῦς οὐ παρὰ Κενταύροις aus Peiſ. bei Heſych (wo die Erklaͤrer mit Unrecht einen Komiker Peiſandros erfinden), konnte bei dem Abentheuer bei Pholos vorkommen, welches wohl ſchon Peiſ. mit dem Erymanthiſchen Eber ver - band. Ueber die warmen Quellbaͤder in den Thermo - pylen oben Bd. 2. S. 427. Οὐ νέμεσις καὶ Ψεῦδος ὑπὲϱ Ψυχῆς ἀγοϱεύειν konnte recht wohl in der Ge - ſchichte der Kerkopen vorkommen. Daß auch Deia - neira vorkam, iſt aus der von Apd. 1, 8, 5. aus Peiſ. erwaͤhnten Genealogie klar. Ob der Dichter bei dem Aufenthalt des H. in Theben Oedipus Schickſale erzaͤhlte, oder eine beſondre Οἰδιποδία ſchrieb, iſt aus Schol. Eur. Phoͤn. 1748. noch nicht klar. Von den Stellen bei Steph. B. hat ſchon Meurſ. Rhod. 2, 11. nachgewieſen, daß ſie unſerm Peiſ. nicht angehoͤren, da dieſer nach Suid. nur zwei Buͤcher ſchrieb, dort aber ein zehntes und ein vierzehntes citirt wird.
Aus dem Gegebnen ſind ungefaͤhr folgende Reſul - tate abzuleiten. Erſtens, daß Peiſ. ſich hauptſaͤchlich mit den eigentlichen ἄϑλοις beſchaͤftigte, und darin die Erzaͤhlung der Nachfolgenden zum Theil feſtſetzte. Das Epigr. Theokrit 20. betrachtet ihn als den er - ſten, der den Sohn des Zeus, den Loͤwentoͤdter, darſtellte; und nach den Nachrichten, daß er dem H. zuerſt Loͤwenfell und Keule gegeben, moͤgen wir eine gewiſſe Neigung zur Schilderung einfacher und kraͤfti - ger Natur in ihm vorherrſchend annehmen. Die Boͤo - tiſchen und Doriſchen Heldenfabeln ließ er wahrſchein -477 lich ganz aus, und verbreitete ſo uͤberhaupt eine ſehr verſchiedne Anſicht des Heros von der bisher gewoͤhn - lichen. Die Fabel von Antaͤos nahm er zuerſt aus Kyrenaͤiſchen Sagen auf, worin ein noͤthigender Grund liegt, die Abfaſſung ſeines Gedichts nach Olymp. 37. zu ſetzen, obgleich Suidas Ol. 33. als ſein Zeitalter angiebt. Die Kenntniß der Lydiſchen Fabel von H. und Omphale moͤchte ich ihm noch nicht auf Lydus de magistr. 3, 64. p. 268. Erwaͤhnung der Λυδοὶ χρυσοχί - τωνες aus Peiſ. hin beimeſſen. Klem. Alex. Str. 6. p. 628. Anſchuldigung, daß Peiſ. einen Piſinos von Lindos abgeſchrieben, lehrt uns wenig, da wir von dieſem Piſinos weiter nichts wiſſen; auch liegt ver - muthlich ein Mißverſtaͤndniß zum Grunde. Daß man in dem 24. und 25ſten Gedichte des Theokrit, und der Megara unter Mopſos Idyllen, Stuͤcke aus Peiſ. und Panyaſis vermuthen konnte, iſt ſeltſam, da jene Stuͤcke Doriſch ſind, und dieſe Dichter dem Homeriſchen Dia - lekt folgten. Auch ſind in der Erzaͤhlung mehrere Spuren von Alexandriniſcher Behandlungsweiſe. — Dagegen koͤnnte in dem Bildwerke, das Herakles Tha - ten in altem, wenn auch nur nachgeahmtem, Style darſtellt, bei Viſc. PioCl. T. 4. tv. a, 7. die Erzaͤh - lung des Peiſandros uͤbrig ſein.
Von Peiſandros ruͤckwaͤrts wird die For - ſchung nach den Quellen des Heraklesmythus in eben dem Maaße wichtiger, als die Nachrichten ſparſamer ſind. Wir muͤſſen jetzt auf Gedichte kommen, die je - nen kuͤnſtlichen Zuſammenhang noch nicht hatten, ſon - dern mehr die einzelnen Sagenkreiſe fuͤr ſich dar - ſtellten.
Aus der Herakleia des Lakedaͤmonier Kinaͤthon, gegen Ol. 5. (vgl. Weichert S. 239.), haben wir nur eine ſichre Stelle, Sch. Apoll. 1, 1357. ὅτι δὲ Κιανοὶ ὅμηρα ἔδοσαν Ἡϱακλεῖ καὶ ὤμοσαν μὴ λή - ξειν ζητοῦντες ῞ϒλαν, καὶ φροντίδα ἔχθυσι Τραχι - νίων διὰ τὸ ἔκεισε κατοικισϑῆναι ὑϕ̛ Ἡρακλεῖ τοὺς ὁμηρεύσαντας, Κιναίϑων ἱςορεῖ ἐν Ἡρακλείᾳ, aus welcher eine merkwuͤrdige Sagenverbindung zwiſchen Trachinien und Kios hervorgeht, die ſich auch in der478 Vermiſchung der Fabeln von Theiomenes und Hylas (Bd. 2. S. 451.) kund thut. Kin. ließ den H. wohl unmittelbar von Trachis aus nach Kios ziehn. Daß er auch Heraklidiſche Genealogieen aufnahm, ſahen wir oben aus Pauſ. 4, 2, 1.; dabei konnte auch Ore - ſtes Geſchlechtstafel vorkommen (2, 18, 5. Sch. Il. 3, 175.).
Wir kommen zu den Heſiodiſchen Ge - dichten uͤber die Heraklesfabel. Schon in der Theo - gonie ſind folgende Hauptzuͤge: die Geburt in Theben (Θηβαιγενὴς V. 530.) 944. die ςονόεντες ἄεϑλοι, 951. der Kampf mit dem Loͤwen, 327. der Hydra, 313. dem Geryoneus, 288. 979. die Befreiung des Prometheus, 529. die Vermaͤhlung mit der Hebe, 950. — An die Theogonie wurden der erhaltenen Clauſel zufolge ge - woͤhnlich die Eoͤen angeſungen, welche auch Herakles Zeugung von einem Gott mit einer ſterblichen Frau erzaͤhlen mußten. Daß ſchon vor Heſiod Κατάλογοι γυναικῶν exiſtirten, welche Alkmene als Mutter des Helden prieſen, ſieht man aus Od. 11, 265. nach der Bemerkung Heinrichs Proll. ad Scutum p. 52.; aus den Heſiodiſchen aber iſt, wie jetzt wohl allgemein anerkannt wird, der Anfang der Ἀσπὶς ein Stuͤck Vers 1 — 56. Schol. Ald. p. 40. Heinr. Daß von der Erzaͤhlung in dieſem Eoͤenfragment die Pherekydei - ſche wenig abweicht, iſt oben bemerkt. Dagegen er - zaͤhlen die Sch. vg. ad Apoll. 1, 747. den Tod des Elektryon ganz anders, als dieſes Fragment. Hier toͤdtet Amphitryon den Elektryon, dort die Teleboer; hier hat Amphitryon die Alkmene ſchon vorher zur Ehe, dort heirathet er ſie erſt hernach: ſo daß man annehmen muß, daß dieſe Sage noch in einem andern Heſiodiſchen Gedichte behandelt wurde, wenn jene Schol. ein genaues Excerpt geben. Nun erzaͤhlten aber die Eoͤen weiter die Thaten und Kaͤmpfe des Helden, moͤglichſt wie es ſcheint die Mutter einmiſchend, wie das ſchoͤne Bruchſtuͤck bei Aſpaſios zu Ariſtot. Eth. Nikom. 3, 5. beſagt:
479Auch kam die gaſtliche Aufnahme des Herakles bei Telamon und das Gebet fuͤr den kleinen Aias ungefaͤhr ſo vor, wie es Pindar J. 6, 26. erzaͤhlt. Sch. ad 1. Am ausfuͤhrlichſten aber wurde hier die Eroberung von Pylos erzaͤhlt, und hier laͤßt ſich aus den einzelnen Auszuͤgen und Excerpten noch ſehr gut folgende Dar - ſtellung zuſammenſetzen. Neleus will den H. vom Morde des Iphitos nicht ſuͤhnen und die Neliden be - handeln ihn uͤbermuͤthig, darum zieht er gegen Pylos. Schol. Ven. et min. ad Il. 2, 336. Nel. hat zwoͤlf Soͤhne, unter ihnen den trotzigen Periklymenos, dem Poſeidon die Gabe der Verwandlung verliehn. Frgm. bei Sch. Apoll. 1, 156. im Auszuge Euſt. Od. 11. p. 1685. Schol. vg. ad Od. 11, 286. So lange er lebt, iſt Pylos nicht zu erobern; am Ende aber toͤdtet ihn H., von der Athena aufmerkſam gemacht, da er als Biene auf dem Joche ſeines Geſpannes ſitzt. Schol. Il. und Apoll. a. O. Dann erobert H. Pylos und toͤdtet elf der Soͤhne, nur Neſtor entging, weil er bei den roſſebaͤndigenden Gereniern erzogen wurde (Frgm. bei Steph. B. Γερηνία, Euſt. Il. 2. p. 231. vgl. Schol. Ven. Il. 2, 336. min. ad Od. 3, 68.). Offen - bar hat auch Apolld. 1, 9, 10. und 2, 7, 3. aus dieſer Stelle Heſiods geſchoͤpft. vgl. Ruhnk. epist. crit. p. 112. Heyne ad Apolld. p. 62. Nach Heyne kam die Sage im erſten Buche der Κατάλ. vor; dann muͤßte man ſie unter die Genealogie der Tyro, nicht der Alkmene, bringen, die nach der Zeitordnung erſt ſpaͤter kommen konnte: aber es ſteht nichts von α καταλόγων bei Euſt. zu Il. 2. p. 231.
Was nun aber die eigentliche Ἀσπὶς Ἡρακλέους anbetrifft, die jetzt ἀκέϕαλος: ſo muͤſſen wir dieſe als einzelnes, und in eben dem Sinne He - fiodeiſches Gedicht ſtehn laſſen, als es manche andre480 der Art waren. Apollonios, der Rhodier, erwaͤhnt in dem Schol. Aldin., daß Jolaos eben ſo wie im Schild, auch im Katalogos der Frauen, als Wagen - lenker des H. gefunden werde. Aber ſchon Steſi - choros fuͤhrte etwas daraus als Heſiodiſch an, wie man wohl die Stelle faſſen muß. Warum ſoll Steſi - choros nicht den Heſiod citiren, wie Pindar den Ho - mer, Simonides den Steſichoros ſelbſt (Ath. 4, 172 d.), und uͤberhaupt die Lyriker oͤfter andre Dichter anfuͤhrten. Wahrſcheinlich geſchah dies im Kyknos, p. 36. Suchf., in welchem er viel von ſeinem epiſchen Vorgaͤnger abwich, namentlich darin, daß er H. an - fangs fliehen ließ (Schol. Pind. O. 11, 19.): worin auch Pindar der lyriſchen Umdichtung folgte. Heſi - odeiſch konnte aber dem Steſichoros das Lied ſein, und wenn es nur 10 Olympiaden aͤlter war als er, und dies Alter ihm abzuſtreiten, haben wir gar keinen Grund.
Die Aſpis hat uͤber Elektryons Tod dieſelbe Sage wie das Eoͤenfragment. V. 89. Auf unbekannte Sage weiſ’t dagegen V. 90. hin: „ Iphiklos verließ ſein Haus und ſeine Eltern, und ging den fluchwer - then Euryſtheus zu ehren, der Ungluͤckliche: viel mußte er nachmals ſeufzen, ſein rathloſes Thun bejammernd — mir aber legte die Gottheit ſchwere Kaͤmpfe auf. “ Hieraus geht zugleich hervor, daß H. die Kaͤmpfe nach dieſem Dichter nicht auf Euryſtheus Geheiß be - ſtand, ſondern auf des Gottes: vermuthlich um eine Suͤhnſchuld zu tilgen — obgleich Homer die Dienſt - barkeit des H. bei Euryſtheus ſchon kennt. Auch eine fruͤh verloſchne Tradition iſt die von dem Roſſe des H. Areion, V. 120. Die Schol. Il. 23, 346. er - zaͤhlen, daß Poſeidon es dem Koͤnige von Haliartos ſchenkte, dieſer dem H., welcher damit den Kyknos in der Hippodromie des Pagaſaͤiſchen Apoll uͤberwand, und es endlich von H. an Adraſtos kam, aus den Kyklikern. Eine ganz andre Tradition, wie H. das Roß erhalten habe, hat Pauſ. 8, 25. — Bemerkens - werth iſt, daß Pallas dem H. den Schild gab, als er zuerſt die Kaͤmpfe beginnen wollte. V. 127. Dies ſetzt wieder gaͤnzlich andre Traditionen voraus, als die481 ſeit Peiſandros herrſchenden; was ſollte ihm der Schild gegen den Loͤwen? Aus V. 353. ſehen wir, daß H. nach Trachis will, wie bei Apd. 2, 7, 7.; er muß alſo wohl von Nordtheſſalien herkommen, woraus ſich vermuthen laͤßt, daß der Saͤnger den Krieg mit den Lapithen als vorhergehend denkt. —
Als ein Gedicht von ganz aͤhnlichem Ton und Gehalt duͤrfen wir uns die Hochzeit des Keyx, γάμος Κήϋκος, denken. Auch dies Gedicht hat den Namen von einem beſonders glaͤnzend ausgefuͤhrten Theile, dem hochzeitlichen Mahle des Trachinierfuͤrſten. Deſſen Frau iſt unbekannt; denn es iſt nicht glaublich, daß Heſ. die ganz verſchiedenartige Fabel von Keyx und Alkyone hier einmiſchte. Sonſt wurden wohl hier die Kaͤmpfe des H. mit den Dryopern und dgl. erzaͤhlt. Auch, daß er auf der Argo bis Aphetaͤ mitfuhr. Sch. Apoll. 1, 1290. — Plut. Sympoſ. 8, 6. p. 340. H. fuͤhrt eine bildliche Redensart aus dem τὸν Κήϋκος γάμον εἰς τὰ Ἡσιόδου παρεμβαλόντι an; Ath. 2, 49. und Poll. 6, 83. aus demſelben Gedichte Stellen uͤber den Gebrauch dreifuͤßiger Tiſchchen bei der Mahl - zeit. — Wie Steſichoros Κύκνος zur Ἀσπὶς von Heſ., ſo verhielt ſich wahrſcheinlich zu dem γάμος Κήϋκος ein gleichnamiges Gedicht des Bakchylides. So iſt ſchon oben Bd. 2. S. 457, 1. vermuthet worden; nun giebt Athen. u. der Schol. zu Plat. Symp. p. 373. B. den Hexameter: αὐτόματοι δ̛ ἀγαϑοὶ δειλῶν ἐπὶ δαῖτας ἴασι, als von H. an Keyx Schwelle geſprochen, und es wird wahrſcheinlich, daß dies der Heſiodiſche iſt. Nur hat ihn nicht zuerſt Kratinos in der Πυλαία, wie der Schol. meint, ſondern Bakchylides umgeaͤndert, und ihm die derbe Bitterkeit des δειλῶν benommen. — Wahrſcheinlich ſtammt auch aus Heſiod und vielleicht aus demſelben Gedichte, was Bakch. von H. Kentau - renkampfe bei Dexamenos erzaͤhlte. S. Bd. 2. S. 418, 1. 3.
Von der Eroberung Oechalia’s iſt Bd. 2. S. 411., vom Aegimios ebd. S. 28. gehandelt. Den Vers aus dieſem Gedicht bei Athen. 11, 503 d.: ἔνϑα ποτ̛ ὲσται ἐμὸν ψυκτήριον, ὄϱχαμε λαῶν, ſpricht vielleichtIII. 31482H. zum Aegimios, indem er einen Platz zu einem Hain fuͤr ſich bezeichnet. Auch der Heſiod. Vers bei Plut. Theſ. 30. uͤber Theſeus Liebe zur Aegle iſt aus dem Aegimios geſchoͤpft, wie die Vergleichung von Ath. 13,557. zu lehren ſcheint; vgl. Schweigh. — Was Demetrius, der Phalereer, bei Schol. Od, 3, 267. von dem Epos eines uralten Lakoniſchen Saͤngers Demo - dokos „ Amphitryons Schlacht gegen die Teleboer “er - zaͤhlt, iſt freilich kein litterarhiſtoriſches Datum, aber beweist doch, daß man dieſe Mythe fuͤr ſehr alt hielt.
Daß aber ſchon vor der Ilias Herakleen exiſtirten, kann Niemandem verborgen bleiben, der die bei Homer uͤber H. vorkommenden Stellen combi - nirt, und die innre Einheit bemerkt, die nicht die Tradition, ſondern nur die epiſche Bearbeitung ihnen geben konnte. Hera als die feindliche, Athena als die freundliche Gottheit, ſtehen ſich ſchon gegenuͤber; und die letztre kann doch kaum mehr als poëtiſches Motiv geweſen ſein, obgleich Hera’s Gegenwirken in lokaler Sage ſeinen nachweisbaren Grund hat. So ſind auch die andern Grundzuͤge der Fabel, beſonders alle idealeren, in Homer ſchon vorhanden, von der Geburt des Helden bis zum Tode, den nach Il. 18, 117. ebenfalls die grollende Hera verurſacht, die aber doch ſeiner Erhebung zu den Olympiern nicht wehren kann. Dieſer Zuſammenhang hat ſchon auf die ein - zelnen Sagen einen aſſimilirenden Einfluß geuͤbt, und zum Beiſpiel die im Urſprunge ſehr verſchiedenartige Koiſche ſich angeeignet. Die Ineinander beitung, Vermittlung und Verknuͤpfung aber der Theſſaliſchen, Boͤotiſchen, Peloponneſiſchen Sagen muß Jahrhunderte vorhergegangen ſein; und da dieſen Proceſſus gleichſam ruͤckgaͤngig zu machen, und das combinirte Ganze auf - zuloͤſen, der eigentliche Zweck der obigen Unterſuchung (Buch 2. K. 11. 12. ) war: ſo kann ihr dieſe litterar - hiſtoriſche ſich nur von ferne naͤhern, und nur einen untergeordneten Vortheil fuͤr dieſelbe gewaͤhren.
Mythiſche Begebenheiten nach einer Jahres - rechnung anordnen zu wollen, wird jetzt ziemlich allge - mein fuͤr unvernuͤnftig gehalten; auch die Rechnung nach Geſchlechtern iſt fuͤr dieſe Zeiten um nichts ſtatt - hafter: doch muß zugegeben werden, daß der innre Connex der Begebenheiten, deren Andenken die Mytho - logie aufbewahrt, ausgemittelt, ſonach auch eine ge - wiſſe Folge derſelben aufgeſtellt werden kann. Dies verſuchen wir hier von den in dieſem Buche erwaͤhn - ten:
Von der Heraklidiſchen Wanderung an folgen wir der Zeitrechnung der Alexandriniſchen Chronolo - gen, die wir durchaus nur zu reſtituiren, nicht zu pruͤfen im Stande ſind. Daß ſie auf einheimiſche Monumente des Peloponnes bauten, die ſelbſt die Jahre der Regenten angaben, iſt Bd. 2. S. 102. nach - gewieſen. Blos aus Berechnung der Generationen konnten die Data nicht abgeleitet werden, die Syn - kellos aus Euſeb, dieſer aus Diodor, Diodor endlich aus Apollodor aufbewahrt hat; und Larchers Kritik und Verwerfung der Alexandriner moͤchte leicht eben ſo grundlos als anmaßend befunden werden.
Indem wir bei den folgenden Bemerkungen uͤber die Mundart des Doriſchen Stammes nicht den Stand - punkt, von dem aus man gewoͤhnlich die Griechiſchen Dialekte zu betrachten pflegt, den der uͤberkommenen Litteratur, ſondern einen davon ganz verſchiednen, den der Nationalgeſchichte, faſſen: muß ſich uns manches auf andre Weiſe darſtellen, als es bisher den meiſten Forſchern erſchienen iſt. Die alten Grammatiker ſchie - den aus dem Ganzen Griechiſcher Sprache die Doris, Jas und Atthis aus; die zuruͤckbleibende Hauptmaſſe nannten ſie mit einem Namen Aeolis, weil daraus blos ein Zweig, der Lesbiſche Dialekt, Schriftſprache einer Dichtungsweiſe geworden war; und doch enthielt dieſelbe ohne Zweifel Gattungen, die unter ſich ſehr unaͤhnlich und weniger verwandt waren als mit einzel - nen Zweigen jener ausgeſonderten Dialekte. Darin aber iſt man wohl einig, daß in der Maſſe Aeoliſcher Dialekte noch am meiſten erhalten iſt von der Griechi - ſchen, oder wenn man will Pelasgiſchen Urſprache; und daß zugleich viele Formen der letztern im Lateiniſchen mit großer Treue bewahrt worden ſind, zum Theil deswegen weil die Italiſchen Ackerbauer dem altgrie - chiſchen Leben naͤher blieben als die Griechen ſelbſt, und weil ſie durch keine fruͤh eingreifende Litteratur und keinen eklen Sinn fuͤr Wohlklang und Rhythmus512 (der nur gar zu oft einen hoͤhern Organismus zerſtoͤrt) zu Veraͤnderungen getrieben wurden. Unter den kuͤnſt - leriſch ausgebildeten Dialekten ſteht aber ohne Zweifel der Homeriſche, ſoviel darin nicht ioniſirt iſt, jener Ur - ſprache am naͤchſten, die ehemals im Peloponnes wie in Theſſalien gegolten haben muß, und die im Doriſchen, Joniſchen, Attiſchen auf mannigfache Weiſe umge - wandelt iſt. So iſt z. B. der Genitiv der zweiten Deklination in der Urform ΟΙΟ, den der Theſſaliſche Dialekt (Euſt. ad Il. 1, p. 96. R. Etymol. M. und Gud. plur. loc. Phavorin Ecl. p. 296, 305. Dind. ), auch vielleicht der Boͤotiſche (nach einer Stelle der Korinna) bewahrt hatte, auch noch im Lateiniſchen Ι oder ΕΙ erkennbar, waͤhrend das Doriſche Ω, das Atti - ſche Οϒ dieſen Vokal grade verloren haben. Der Nominativ der Maskulina erſter Deklination auf Α iſt Lateiniſch, Homeriſch, Dryopiſch, Theſſaliſch, Boͤotiſch, Makedoniſch, Eleiſch — bei den Doriern wohl nur ſel - ten und mehr zufaͤllig (Maittaire p. 173 St.). Dagegen iſt z. B. das meiſte eigentlich Boͤotiſche, obgleich Ae - oliſch, durchaus nicht der Urſprache angehoͤrig, wie die Umwandlung des ΩΙ und Ωι in ϒ, wo das Latein ΟΕ oder Ο hat (nur fuͤr ΟΙ in Faͤllen Ι), und das ΕΙ fuͤr Η, auch wenn dies Verlaͤngerung von Α. Andrerſeits muß man ſich auch in Acht nehmen, das Lateiniſche in Faͤllen fuͤr die Urform zu nehmen, wo zwiſchen beiden Sprachen ſchon ein Uebergang der Vocale ſtatt gefun - den hat. Auf ein merkwuͤrdiges Beiſpiel fuͤhrt folgende Betrachtung. ΟΠΩ, davon das Auge ὂππα Aeoliſch (Gregor. Kor. p. 580. Schaͤf. ), ὂφϑος Eleiſch (Heſych s. v. πεμφϑοί), ὂπτιλος Spartaniſch; Andre ὂκκος, daher ὂκταλλος Boͤotiſch, Lateiniſch oculus, wo ſich Π und Κ eben ſo verhalten, wie in πέτυρες (Aeoliſch) quatuor, πέμπτος, quintus, ποῖ, quo, πόθι, ali-cubi (wo das Doriſche mit dem Latein ſtimmt). Und ferner hat das Lateiniſche auch erſtaunend viel Worte durch die Bildung von den Campaniſchen und Doriſchen Griechen bekommen, die man von jener Urſprache ſchei - den muß. So iſt z. B. das Griechiſche ἀστεῖος in der Bedeutung von artig und ſcurril gewiß kein ſehr altes Wort, und doch hat es das Lateiniſche, richtig513 digammirt, in ſeinem festivus, deſſen Ableitung von festus ſich erſt ſpaͤter unterſchob.
Dieſe Bemerkungen ſollen nur darauf hinwei - ſen, mit welchen Hilfsmitteln wir uns jener problema - tiſchen Urſprache des Griechiſchen Volks annaͤhern moͤgen. Auch haben wir darin ſchon ausgeſprochen, daß wir der Meinung nicht beitreten koͤnnen, die den Doriſchen Dialekt (gegen Pauſ. 2, 37, 3.) fuͤr ſeit alter Zeit im Peloponnes einheimiſch haͤlt, und von den Doriern annimmt, nicht daß ſie ihn hereingebracht, ſondern daß ſie ihn ſelbſt erſt hier empfangen haͤtten. Bei dieſer Annahme wuͤrde voͤllig unerklaͤrt bleiben, wie die Dorier des Peloponnes mit denen von Kreta in ſo manchen Idiotismen genau uͤbereinſtimmten, da deren engerer und allgemeinerer Zuſammenhang den Zeiten der Herakliden-Wanderung vorausliegt. Der altpeloponneſiſche Dialekt war gewiß jene aus dem Latein und Homer zu erkennende Urſprache, die in manchen Eigenthuͤmlichkeiten zwar, aber in vielen der weſentlichſten gar nicht im Doriſchen vorhanden gefun - den wird. Indeß hatte ſich die letztre Mundart freilich durch das Uebergewicht des Stammes in der Halbinſel weit verbreitet, nicht blos uͤber die leibeig - nen Heloten, die noch in Naupaktos doriſch ſprachen, wie die Orneaten (Herod. 8, 73.), und uͤber die Pe - rioͤken, wie die Attiſchen Einwohner von Kolonides nach Pauſ. 4, 34, 5. (auch zeigen noch die Eleuthero - lakonen manches Doriſche in ihrer Sprache), ſondern ſelbſt uͤber die freien Arkader, die nach Str. 8. p. 333. eigentlich zwar aͤoliſch ſprachen, aber doch meiſt fuͤr δωρίζοντες galten, wie noch Philopoͤmen δωρίζει nach Plut. Philop. 2. Leider wiſſen wir von ihrem Dialekt faſt gar nichts bedeutendes, manches aus den Namen der Staͤdte, in denen Dorismen, wie Καφυαὶ (von Kepheus), Νᾶσοι, Ἀνεμῶσα (ἀνεμόεσσα) und Ano - malieen, wie Λαδοκέα fuͤr Λαοδικέα, Θέλπουσα fuͤr Τιλφοῦσσα dor. Τιλφῶσσα, Κραρεῶτις als Phyle von Tegea fuͤr Κλαρεῶτις (in einer Inſchr. bei Broͤnd - ſted) vorkommen. Εὐτϱήἱοι fuͤr Εὐτρήσιοι (Telekleides bei Steph. B.) waͤre aͤcht-lakoniſch, aber wir wiſſenIII. 33514nicht ob aus einheimiſchem Dialekt. Die Eleer theilten dagegen faſt ganz den ſtrengen Dorismus, was nicht ſowohl durch das Digamma (ϜΑΛΙΣ, ϜΕΤΕΑ, ϜΕ - ΠΟΣ, ϜΑΡΓΟΝ, ϜΕΤΑΣ, βαδὺ fuͤr ήδὺ oben S. 457.), als durch den Plateiasmos und das Ω im Genitiv, am meiſten durch den Rhotacismus bewieſen wird, den, außer ΤΟΙΡ, ΤΙΡ in der Ϝρατϱα τοιϱ Ϝα - λειοις, noch δίκαρ fuͤr κριτὰς nach Heſych, οὗτοϱ, ἵπ - πορ bei Phavorin p. 429, 21. und dgl. Formen beſtaͤ - tigen, wovon auch die Eleer βαρβαρόφωνοι genannt wurden, nach Heſych s. v. βαρβ. Auch der Apollon Θέρμιος der Eleer heißt nach einer ſcharfſinnigen Con - jectur Buttmanns attiſch θέσμιος, wogegen die Ver - muthungen Bd. 2. S. 252, 2. zuruͤckzunehmen ſind, obgleich der Zuſammenhang dort dadurch nicht geſtoͤrt wird, da nun auch der Name der ἐκεχειρία, θέρμα, fuͤr eine dialektiſche Form von θέσμα anzuerkennen iſt. Eleer coloniſirten mit Andern Eretria, und ſo kam auch dort der Rhotacismus auf (Platon Kratyl. 434. Str. 10, 448. Heſych s. v. Ἐϱετριέων ῥῶ, Diogen. 4, 57. Apoſtol. 9, 6.), auch die benachbarten Chalkidier nah - men ihn an (Suid. χαλκιδίζειν), waͤhrend bei den Karyſtiern eine andre Eigenthuͤmlichkeit des Sparti - atiſch-Eleiſchen Dialekts gefunden wird, die Vertau - ſchung von Θ mit Σ, Koen ad Gregor. p. 300. Die Eretrier aber hatten von den Eleern noch eine dritte Beſonderheit des ſtrengen Dorismus uͤberkommen, den Gebrauch des spiritus asper fuͤr Σ, und ihn auch ihren Nachbarn jenſeit des Sundes, und bisweilen auch Unterthanen, den Oropiern, mitgetheilt. Etym. M. 391, 13. So erhellt von den Eleern ſelbſt, daß ihre Mundart mit der Spartiatiſchen ſehr nah verwandt, faſt verſchwiſtert war. Nun iſt aber ſchwerlich anzuneh - men, daß ſie dieſen ſtrengen Dorismus blos aͤußerlich uͤberkommen haͤtten, um ſo weniger da ſie von keiner Seite unmittelbar an Dorier graͤnzten. Wahrſcheinli - cher iſt es ohne Zweifel, daß die Aetoler, die Elis ein - nahmen, als alte Nachbarn der Dorier dieſelbe alt - doriſche Mundart hatten; daß ſie noch ſpaͤter doriſch ſprachen, beweiſen Zeugniſſe (Steph. Byz. Ἰωνία rech - net die Aetoler uͤberhaupt zu den Doriern) und Monu -515 mente (Chiſhull Antt. As. p. 104.); auch die Einwoh - ner des alten eigentlichen Epeiros redeten (nach dem Grammat. Meermannianus bei Greg. Kor. p. 642.) doriſch; und ſo mag ſich vielleicht dieſer Dialekt uͤber - haupt in den noͤrdlichen und gebirgigen Theilen Grie - chenlands, den Gegenden des Pindos namentlich, ge - bildet haben, aus denen ihn alsdann die Dorier durch ihren Eroberungszug nach den ſuͤdlicheren Regionen des Landes hinuͤberbrachten, in denen ſie darum allgemein als die Inhaber dieſer Mundart angeſehn wurden.
Wie zur Bildung dieſes Dialekts Klima und Landesnatur beigetragen, iſt ungemein ſchwierig auf eine beſtimmte Weiſe nachzuweiſen; obgleich allerdings die Vergleichung entſprechender Mundarten verſchiedner Sprachen mit ihren lokalen Bedingungen manche inter - eſſante Bemerkungen herbeifuͤhren kann. Daß das Leben in den Gebirgen der Bildung reiner, breiter, langer Vocale wie Α und Ω guͤnſtig iſt, iſt kein Zwei - fel; wie daß der Aufenthalt im Flachlande und an der Kuͤſte mehr Umlaute und kurze Silben erzeugt. Dabei muß man aber erwaͤgen, daß ſolche Bedingungen auf die Sprache nur in einem Zeitalter mit voller Kraft wirkten, da die Organe ihnen weit mehr nachgaben, und uͤberhaupt mehr Akkomodation gegen die Natur ſtatt fand: ſpaͤter wurde Doriſch auch in Kuͤſtenſtaͤdten geſprochen, wie jetzt Plattdeutſch in Gebirgen. Auch duͤrfen wir dabei nicht vergeſſen, daß nicht blos das Land, ſondern auch das Volk von jeher eine beſtimmte Natur hatte, die auf die Sprache doch wohl nicht in geringerm Maaße einwirken mußte als die erſtre. Auf eine ethiſche Betrachtungsweiſe der alten Dialekte macht beſonders die Stelle des Jamblichos (Pythag. 34) auf - merkſam, der ſie vielleicht aus den Schulen aͤlterer Pythagoreer hat; er erklaͤrt die Doriſche Mundart fuͤr die aͤlteſte und beſte, und vergleicht, wie die Jas und Aeolis mit dem chromatiſchen Tongeſchlecht, ſo dieſe mit dem enharmoniſchen, weil ſie aus den toͤnenden Vokalen beſtehe. Wir koͤnnen uns darunter wohl nichts anders denken, als daß die langen Vocale Α und Ω eben ſo markirt und hell in ihr hervortraten, beſonders33 *516wenn ſie, wie haͤufig der Fall, circumflektirt waren, als der durch ein Ditonum getrennte Ton im enhar - moniſch geſpannten Tetrachord, das man in der Muſik zur Doriſchen Tonart liebte, wie beſonders Klem. Alex. 6. p. 658. bezeugt, vgl. oben S. 323. Sonſt wird der Doris durchaus ein maͤnnlicher Charakter bei - gelegt (Ariſt. Quintil. de mus. 2. p. 93); wie ſie zum Feierlichen und Naiven beſonders geeignet, zeigen die Litteraturdenkmale.
Die Eigenthuͤmlichkeiten des Doriſchen Dia - lekts im Einzelnen nachzuweiſen, kann uns hier nicht als Aufgabe geſtellt werden; der billige Leſer wird die wenigen folgenden Bemerkungen als freie Zugabe hin - nehmen; auch ſollen ſie ja nicht die feinen Nuͤancen des Litteraturdialekts, ſondern nur die markirten Zuͤge der Volksmundart hervorheben. Der haͤufige Gebrauch des Α war zum Theil freilich in der Urſprache gege - ben, und in den meiſten Faͤllen war das Η eine erſt in der Ἰὰς entſtandne Inflexion, die ſich hierin zum Altgriechiſchen ungefaͤhr ſo verhielt wie das Engliſche zum Deutſchen; oft aber ging der πλατειασμὸς der Dorier auch uͤber die Graͤnzen der alten Sprache hin - aus, wie man aus dem Lateiniſchen erkennt. So ſind φαγὸς, fagus, φάμα, fama, μᾶλον, malum, ἀρχᾶς, terras (Gen.), κᾶρυξ, (caduceus,) und dgl. offenbar die alten reinen Formen; dagegen der Umlaut von Α in Η im Augmentum temporale ſchon in dem aͤlte - ſten Griechiſch exiſtirte, wie aus ago, egi, ἦγον, capio cepi und dgl. erhellt; der Doriſche Dialekt ſetzte aber auch hier das Α an die Stelle des Η. Ich weiß nicht ob man bemerkt hat, daß mit dieſer Erſcheinung eine andre zuſammenfaͤllt und im Grunde eins iſt, naͤmlich der haͤufige Gebrauch von Ᾰ fuͤr Ε, beſonders in En - cliticis, wie κα fuͤr κε oder ἂν, was bei allen Doriern galt, eben ſo γα fuͤr γε (ἐμίνγα Sophron, ἔγωνγα der Megarer bei Ariſtoph. ), κα fuͤr das correlative τε in τόκα, πόκα, ὅκα bei Sophren, Theokrit u. Aa., welchem ϑα in πρόσϑα, ἐξύπισϑα Alkman, ἒμπροσϑα, ἄνωϑα tab. Heracl. vgl. Apollon. de adverb. p. 563. entſpricht;517 ſonſt auch in ἃτερος fuͤr ἕτερος, τράφω (der Meg. bei Ariſt. Ach. 787.), Ἄρταμις oben Bd. 2. S. 370, 12. (adde Αρ] ταμιτι in einer Korkyr. Inſchr. Muſtoxid. T. 2. p. 88. vgl. Chandl. Inscr. p. 82. n. 145. Koen. ad Greg. p. 305.), τάως, παραιτέρω Kretiſch nach Heſych und Inſchr. Koen. ad Greg. p. 305., τάμνω in tab. Her. und ſonſt, σκιαρὸς, φρασὶν bei Pindar und Unzaͤhliges der Art. Η als Contraction von ΕΕ oder Dehnung von Ε tritt an vielen Faͤllen fuͤr ΕΙ in den andern Dialekten ein (bei den Boͤotern fand das Umgekehrte ſtatt), wie in ποίη, die Lakonen bei Ariſt., in πλήων, μήων (Phavorin p. 156. Dind. ) ὂρηος, Λύ - κηος, Alkman, κοσμῆν, Theokr., κατοικῆν, ebd. und Byzant. Dekret bei Demoſth., δήρας, in den Marken der Latier bei Chiſhull, χῆϱες, Kretiſch und bei Alkm., κῆνος oder τῆνος bei Alkman u. Aa., πεπόνϑης, ἀπο - λώλη Theokr. und tab. Heracl. : und ſo hat denn auch in ΑΕΙ das Η haͤufig uͤber das Α uͤberwogen, wie in dem ſtrengdoriſchen ὁρῆν, Koen ad Greg. p. 229., ἡ καϱδία — παδῆ Sophron bei Apollon. de pron. 343. c. und dgl. mehr, Maitt. p. 277., auch in dem Infi - nitiv ἦραι fuͤr ᾆραι, Etym. M. 434, 51.; obgleich auch zugeſtanden werden muß, daß das bloße ΑΕ in Η uͤbergehe, wie in ὃρη und dgl. Koen p. 185., zu welchen Faͤllen wohl auch die Kraſen κἠν, κἠπὶ, κἠκ gerechnet werden muͤſſen. Eine Sonderbarkeit iſt das umgekehrte Verhaͤltniß in πεῖ bei Sophron (Ammonies p. 122.) und ὅπει in der Korkyr. Inſchr. bei Dodw. Trav. 2. p. 503. 504. Muſtox. p. 188. 193. 197. fuͤr πῆ und ὅπη. — Wie das reine und lange Α, ſo lie - ben die Dorier ebenfalls das gleichartige Ω. Oft iſt auch dies der Grundlaut, wie in den Akkuſativen ̓Αργείως, Argivos: aus denen die verkuͤrzten ϑεὸς, in Kret. Inſchr. und bei Theokr., (auch ein Koiſches De - kret Mem. de l’Ac. d. I. 47. p. 325. hat τὸς ϑεὸς) wohl durch Ausſtoßung des Charaktervocals hervorge - gangen ſind, wie δεαπότᾰς in der erſten. Oft iſt das Ω auch Verlaͤngerung von Ο ſtatt des gewoͤhnlichen Οϒ, wie ſie durch Herausſtoßung von Conſonanten ent - ſteht: ſo in der Form des Particip. Femin. auf ωσα, die in Kreta und dem Peloponnes, auch in den tab.518 Heracl. ſich findet, waͤhrend die mildere auf οισα, wo οι auch aus οντ hervorgegangen iſt, (wie in der dritten Perſon ναίοισιν, und im Masculinum τύψαις,) viel - leicht in Sicilien einheimiſch war. Auch uͤberwindet Ο ein folgendes Ε, und macht es zum Ω, wie in Κοιλῶσ - σα (B. bei Phlius), λωτϱὸν, ὑπνῶν fuͤr ὑπνόεν, die Lak. bei Ariſt., παμῶχος und dgl. in tab. Heracl. ; ob auch ein vorhergehendes, iſt zu zweifeln, denn in εὐοϱκῶσι und aͤhnlichen Formen der Kret. Inſchr. iſt es ΕΩ, was in Ω zuſammengezogen wird. Hier tritt in der Regel entweder Εϒ ein, oder ΕΟ verwandelt ſich in ΙΟ, wie ΕΩ in ΙΩ; ſo in μογίομες, λυχνοφοϱίον - τες in Ariſt. Lyſ. (nach der alten Lesart), ἐπαινιῶ, ὀμιώμεϑα ebd. zu vgl. mit ἐμμενιῶ im Schwur der Latier, πϱαξίομεν im Dekret der Iſtronier, παμωχιῶ in tab. Heracl., vgl. Koen p. 229. Hiebei eine andre Veraͤndrung, als die beſagte von ΕΟ in ΙΟ nnd ΕΩ in ΙΩ, anzunehmen, hat man keinen Grund, die Dorier ſcheinen Ε neben Ο ungern geduldet zu haben; das kurze Ι aber vor dem gedehnten Ο Laut mußte ihrem Geſchmacke beſonders zuſagen. Das lange Α in Ἀλ - κμὰν, Ἀτϱείδα, Ἀγησίλας, πρᾶτος war ohne Zweifel ein dumpfer Laut zwiſchen Α und Ο, wofuͤr die Schrift kein Zeichen hatte. Οϒ hat der Lakoniſche Dialekt oft fuͤr ϒ, wie δίφουρα fuͤr γἐφυϱα, Heſ. φούίξ fuͤr φύσιγξ Valck. ad Adon. p. 276., μουσίδδω fuͤr μυϑίζω, ebd. S. 279., φούαξιρ oben S. 312. μοῦκορ fuͤr μυχὸς, Koen p. 343., καμπούληρ eine Oelbaumart bei Heſych, ich glaube von κάμπτων ὓλην, κάρουα fuͤr κάρυα, Heſ., οὐδραίνει, πεϱικαθαίρει nach Heſ. fuͤr ὑδϱαίνει, τούνη fuͤr σὺ Heſ., ἀπεσσούα fuͤr ἀπεσύη in dem Brief des Hippokrates, vgl. Korai zu Plut, Allkib. 28. ΟΙ fuͤr ϒ nur etwa in Ποίϑιοι nach Photios.
Was ferner die Conſonanten betrifft: ſo konnte in einigen Faͤllen der Doriſche Dialekt ein Zu - ſammentreffen derſelben ertragen, welches in andern Mundarten durch Abſchleifung vermieden wurde; und zeigt alsdann mehr als dieſe von jener alten Fuͤlle von Mitlautern, die in der Lateiniſchen Sprache treuer er -519 halten wurde als in der Griechiſchen; zum Theil weil jene nicht das Geſetz kennt, das alle Zweige der letz - tern beobachten, daß kein Wort ſchließen duͤrfe als mit einem Vocal oder Halbvocal. — Das Doriſche hat wenigſtens noch die alte Participialform τιϑὲνς, (lat. — ns, altgothiſch — ants) die als Kretiſch u. Argiviſch angefuͤhrt wird (Herodian in den Hort. Adon. p. 409.), und die Praͤpoſition ἐνς fuͤr das accuſativiſche in, die in andern Dialekten nach der Regel in εἰς umgebildet wurde (ſ. Phavorin p. 283. Dind. Euſtath. zur Il. 8, 722, 60.), in Doriſchen aber auch durch Abſchleifung des ς zu εν c. Accus. wurde, wie in Kreta und bei Pindar (Gregor. und Koen p. 355. Maitt. p. 330.): obgleich auch ziemlich alte Kret. Inſchr. εἰς haben, wie bei den Lakonen gewoͤhnlich geweſen zu ſein ſcheint. So bildeten auch Kreter und Argeier das Futur σπέν - σω, indem ſie blos δ herauswarfen, wie in τιϑὲνς eigentlich ein τ fehlt (Herodian. a. O. Euſt. a. O. Erym. M. 302, 2. wo uͤberall fuͤr σπένδω und σπείδω — σπὲνσω und σπείσω zu corrigiren der Sinn fordert); und denſelben Gebrauch erhielten von den Meſſeniern die Rheginer (Etym. M. 135, 45. Gud. 73, 44. wo auch zu corrig.). Man ſieht, daß der Mund der alt - doriſchen Voͤlker hierin noch mehr ertragen und leiſten konnte, als der delicate der uͤbrigen Griechen, die auch das Roͤmiſche Hortensius in Ὁρτήσιος aͤnderten. Die - ſelbe Bemerkung ließe ſich an Alkmans μάκαρς Frgm. 66. und einige aͤhnliche Formen knuͤpfen.
Was aber dem Doriſchen Dialekt noch mehr cha - rakteriſtiſch iſt, iſt der Haß gegen das Σ, das σὰν κίβδαλον, den auch in der Doriſchen Lyrik Laſos und Pindars Geſaͤnge ohne Sibilus darlegen, und der in rechtem Widerſpruche ſteht mit der Liebe der Jonier fuͤr denſelben Laut. Aus dieſer Wurzel geht eine ganze Reihe von Erſcheinungen hervor. Erſtens die Vertauſchung von Σ mit Τ, die indeß im Ganzen nur Bewahrung des Urſpruͤnglichen iſt, wie in den Adject. ἐνιαύτιος und πλούτιος (Etym. M. 156, 17.), in τὺ oder τοὺ tu, in τέττορες, quatuor, in den dritten Per - ſonen δίδωτι, φατὶ, die noch voͤllig ſo im Sanſkrit ge - funden werden (im Latein und Deutſchen wenigſtens520 durchweg t als Schlußconſonant). Ob auch das Dori - ſche Ποτειδᾶν die urſpruͤngliche Form, koͤnnen wir aus Mangel einer uͤberzeugenden Etymologie nicht angeben; es war Mundart der Spart. Xen. H. 3, 3, 2., der Korinther, daher ihre Kolonie ΠΟΤΕΙΔΑΙΑ, vgl. Thierſch Act. phil. Mon. 2, 3. p. 393. (in Ποσειδωνία, ΠΑΙΣΤΟΝ, miſchten ſich Achaͤer von Sybaris mit Troͤ - zeniern, daher die undoriſche Form), der Rhodier, Ariſtid. Rhod. T. 2. p. 346. ; Ποτείδας ſagt der Megarer bei Ariſt., Ποτιδὰν und Ποτιδὰς Epicharm und Sophron, Herodian S. 10. Dind. — Seltſam, daß auch in einigen Faͤllen die Dorier ein Σ fuͤr ein Τ ſetzten, wie in σᾶτες fuͤr τῆτες Maitt. p. 349. vgl. die Inſchr. von Gela bei Caſtelli p. 84., welchem σά - μερον bei Pind. Theokr. und den Tarentinern (fuͤr νῦν nach Heſych) entſpricht; auch das σὰ des Megarers fuͤr τὰ und dies fuͤr τίνα gehoͤrt hieher, Etym. M. 157, 48. 167, 37. — Dieſelbe Scheu vor Σ hat es be - wirkt, daß die Lakonen in den Doppelconſonanten ΣΤ, ΣΚ, ΣΠ den Ziſchlaut verwarfen, und den andern Conſonant verdoppelten; daher Lakoniſch κτίτταϱ fuͤr κτίστης, ἐττὰν fuͤr ἐς τὰν, ἀμπίτταρ fuͤr ἀμφιστὰς (oben S. 38, 3.), ἀκκὸϱ fuͤr ἀσκὸς, Valck. ad Ad. p. 287., vgl. ad Phoen. 1671., der daraus das Geſetz gebildet: litteram ς Lac. in sequentem consonantem non liquidam mutant, wovon er auch Spuren im Tarentiniſchen Dialekt nachweiſt, zu denen hinzuzufuͤgen, daß Hekate daſelbſt nach Heſych ἂφραττος hieß, naͤm - lich ἂφραστος. Fuͤr den Lakoniſchen giebt es kein intereſſanteres Beiſpiel als ἂττασι fuͤr ἀνάστηϑι (ent - ſtanden aus ΑΝΤΤΑΣΙ), in welchem mehr als drei Lakonismen ſichtbar ſind. Hieran ſchließt ſich unmit - telbar die Vertauſchung von Ζ d. i. ΣΔ in ΔΔ, wie in den Verbis auf ζω, Lakon. — δδω, wovon die La - konen in der Lyſiſtrate viele Beiſpiele geben, einige auch der Megarer in den Acharnern. Daß dies auch in Verbis geſchehen ſei, deren Charakter Γ iſt, dafuͤr iſt kein Beiſpiel vorhanden: obgleich im Futur die Dorier durch die Analogie und Neigung zum Ξ Laut verleitet die Endung — ξω auch anbrachten, wo der Charakter nicht Γ ſondern Δ, (vgl. Buttmann 1. S. 382.), was521 ſelbſt die Bildung der Subſtantive καθίππαξις (wie bei Heſych fuͤr καθιπτ. zu ſchr. iſt) Cavalcade, δεικη - λίκτας, oben S. 344, 3., und dgl. beſtimmt hat. An - ſtatt jenes ΔΔ trat indeß auch ſelbſt im Lakoniſchen Dialekt das mildere ΣΔ ein, wie bei Alkman ἀγίσδεο, μελισδόμενος, τράπεσδα und in dem angeblichen Apophthegma Lykurgs bei Plut. Lyk. 19., verdorbner Ap. Lac. p. 226., ὰν πτωχοὶ μένητε καὶ μὴ μέσδω ἃτεϱος ϑατέϱω ἐράη κτῆμεν (vg. ἐρατέημεν, Valck. p. 258. κρατέῃ, Haitinger in Act. phil. Mon. 3, 3. p. 311. μέσδων — ἐρᾶτε ἦμεν). Was aber die ge - ſchichtliche Anſicht dieſes Uebergangs betrifft: ſo irrte man gewiß ſehr, wenn man annaͤhme, daß der ſchon ausgebildete Laut Ζ in ΔΔ oder ΣΔ uͤbergangen ſei. Sondern es muß die alte Sprache ein eigenthuͤmliches Δ gehabt haben, welches mit einer beſondern Com - preſſion des Mundes ausgeſprochen wurde; die Jonier und die Dorier in manchen Faͤllen thaten den sibilus hinzu, und bildeten entw. Ζ, wo die Laute mehr ver - ſchmolzen wurden, oder ΣΔ; in andern verſtaͤrkten die letztern blos das Δ, wie durch ein Dagesch forte. Bei den Aeolern war die Nuͤance gegen das Δ feiner und verſchwand wohl ganz, wie in Δεὺς fuͤr Ζεὺς, δυ - γὸς fuͤr ζυγὸς u. a. m., eben ſo im Lateiniſchen Ζεὺς, deus, ῥίζα, radix, ὄζω, odor (vgl. Schneider ausf. lat. Gramm. 1. S. 385.), daher dieſe Sprache das Zeichen Ζ lange entbehrte; aber wie eigenthuͤmlich der Grundlaut geweſen, laͤßt ſich daraus abnehmen, daß das Lateiniſche ihn ſo oft auch mit I erſetzte, wie in jugum, ζυγὸς, major fuͤr μείζων u. a. m., und der Aeoliſche Dialekt ebenfalls δια und ζα vertauſcht, καρζὰ — καρδία. (Die hochdeutſche Sprache verwan - delt wieder durchaus den Griechiſchen Laut Δ in Z, wie in δέκα, Zehen, δύω, zwo, δάκτυλος, Zaͤhe, δάκρυ, Zaͤhre, δεικνύναι, zeigen, dis -, zer etc. vgl. Grimm Deutſche Gramm. S. 586.) Ganz etwas Beſondres iſt die Verwandlung der Verbalendung — σσω in — ζω im Tarent. Dialekt ſtatt des — ττω in andern Dori - ſchen, wie in ἀνάζω fuͤr ἀνάσσω. Etym. 605, 43. Herakl. bei Euſt. Od. 10, 1654. Phavorin p. 444. Dind. Koen p. 613.
Eine andre Weiſe den Ziſchlaut loszuwerden war ihn gradezu herauszuſtoßen. Dies war zeitig in den dritten Perſonen pluralis geſchehn, und eben des - wegen erhielten ſich dieſe der Urform naͤher, als im Joniſch-Attiſchen Dialekt, wo das zuruͤckbehaltne Σ bald ΝΤ heraustrieb. Beiſpiele, wie πεινῶντι, ἀπο - δίδωντι, κεχάναντι, αἰνέοντι, (dem Sanſcrit bhavanti, althochdeutſchen — ant entſprechend; die Boͤoter hatten — ωνϑι, — ανϑι) geben alle Doriſchen Schriftdenk - male; doch hat Alkman neben der letzten Form auch ſchon die Endung — ουσι. Bisweilen verlaͤngert dieſe Herausſtoßung den vorigen Vocal, wie in Πηρεφονεία lak. fuͤr Πεϱσεφ. nach Heſych, womit man πῆριξ fuͤr πέρδιξ, Kretiſch ebd., vergleichen kann; auch πϱειγεύ - τας, πρείγιστος, πρειγηία in den Kretiſchen Monu - menten fuͤr πρεσβεύτης u. ſ. w. gehoͤrt hieher; das Γ fuͤr Β hatten auch die Argeier in πέϱγεις Heſych. Ue - ber die Auslaſſung des Σ vor Φ bei den Lakonen ſ. Koen p. 254., ſie ſagten z. B. fuͤr σφὶν φὶν, waͤhrend die Syrakuſier den Ziſchlaut umſtellten und ϋὶν ſchrie - ben. Weiter druͤckt ſich dieſe fuga sibili aus in der Vertauſchung deſſelben mit dem spiritus asper, worin der ſtrengdoriſche Dialekt dem Lateiniſchen direkt gegen - uͤberſteht, das ſo gern den Hauch durch S erſetzte, wie in ἃλς, sal, ἡμι — semi, ὕλϜη, silva, etc., auch dem Deutſchen, das in Salz, fuͤß, Sitz fuͤr ἃλς, ἡδὺ, ἕδος demſelben Streben folgt. Die Lakonen dagegen ſagten fuͤr μῶσα μῶἁ, und darnach μωἱκὰ fuͤr Muſik, eben ſo in andern Participien κλεῶἁ, ἐκλιπῶἁ und dgl., auch ὅϱμαὁν fuͤr ὅϱμησον, wie bei Ariſtoph., ferner ποιῆἁι, πᾶἁ, βίὡρ fuͤr ἴσως, Valck. p. 277., vgl. βουὅα oben S. 302, 3.; und daſſelbe wird von den Argeiern, namentlich aus Derkyllos, von den Eretriern, die es von den Eleern hatten, und den Pamphyliern berichtet, bei denen manche Argiviſch-Rhodiſche Sprach - eigenthuͤmlichkeiten ſich erhalten zu haben ſcheinen. Etym. M. 391, 13. Euſt. Il. 11, p. 844, 7. Maitt. p. 199. — Endlich haͤngt mit der Doriſchen Abnei - gung gegen das Σ auch der Rhotacismus zuſammen, den wir als Spartiatiſch - Eleiſch ſchon oben kennen lernten, und uͤber den die Erklaͤrer des Dekrets gegen523 Timotheos, oben S. 323, 5., beſonders Caſaubonus, ſehr viel zuſammengetragen haben. Ich fuͤhre nur von der großen Menge der Beiſpiele an: ἐπιγελαστὰρ, der Verſpotter, Heſych, καλλίαϱ Affe (Heſych, vgl. Boͤckh Expl. Pind. P. 2. p. 251.), κιλλακτὴρ, ὀνηλα - τὴς, Pollux 7, 13, 56., σαρὶρ, Palmzweig, Heſ., τίϱ τίς ebd. (wie in der Eleiſchen Ϝρατϱα), παλαιὸρ bei Ariſt. Lyſ. 988., σιὸρ ϑεὸς Heſ., πὸρ ποῦς ebd., νέκυϱ νέκυς ebd., βόμβυρ eine Art Floͤte ebd. Ob in den Beugefaͤllen uͤberall Σ mit Ρ vertauſcht werden konnte, iſt zweifelhaft, da außer der Ϝρατρα kein aͤchtes Mo - nument und ſehr wenige und dunkle Gloſſen daruͤber Auskunft geben. Zu den letztern gehoͤrt ἀμ̛ ἀρκᾶρ fuͤr ἀπ̛ ἀρχῆς nach Koens Conjectur p. 283., und das Kretiſche τέορ fuͤr σοῦ Heſ., wo das Pronomen nach der dritten declinirt iſt, wie in ἐμοῦς, ἐμέος, ἐμεῦς bei Epicharm. Apollon. de pron. 355 a. Buttmann 1. S. 294. Uebrigens ſteht das Latein hier zwar weit entfernt von dieſem ſtrengen Dorismus, aber beruͤhrt ihn doch in manchen Punkten. So iſt das Lak. — ακ - τὴϱ lat. actor, und in gubernator hat man noch die Doriſche Form κυβεϱνατὴρ, und ſo in mehrern andern Faͤllen. Dagegen herrſcht in der hochdeutſchen Sprache der Rhotacismus, der indeß nach Grimm S. 802. 825. erſt nach und nach an die Stelle fruͤhern SLauts ge - treten war, und unſer Artikel der entſpricht ſehr deut - lich dem, der als der urſpruͤngliche Doriſche angenom - men werden muß, τόϱ.
Ungeachtet dieſer fuga sibili — der Quelle faſt aller §. 5 und 6. erwaͤhnten Erſcheinungen — behielt doch der Doriſche Dialekt in allen erſten Per - ſonen pluralis das Σ aus alter Sprache (wie das La - teiniſche — mus beweist, auch das Althochdeutſche hat durchweg — mês in dieſer Perſon); und Lakonen, Me - garer, Sikelioten ſagten gleichmaͤßig ἥκομες, ἀποϱέο - μες, und dgl. Ein Σ im Doriſchen anſtatt eines an - dern urſpruͤnglichen Conſonants aufgenommen finden wir wohl nur in der Vertauſchung des Θ mit Σ, und auch dieſer konnte das Beſtreben zu Grunde liegen, den raucheren Laut zu mildern und zu maͤßigen. Die524 Beiſpiele dieſes Lakonismus aus Alkman (Ἀσᾶναι, ἔσηκε, σάλλεν, σαλασσομέδοισαν), der Lyſiſtrate (ἦν - σε, ἔλση, σιγεῖν, μουσίδδειν etc.), den Lexikographen (wie σὶν, κασεύδει, κασαίρηὁν fuͤr καθαίϱησον nach Koen, κασαρεύειν fuͤr καθαϱεύειν nach Valck. ) ſind bekannt, am meiſten das σεῖος ἀνήρ, vgl. Valck. p. 277 sqq., der dieſes Thema mit ungemeinem Scharf - ſinn abgehandelt. Auch bei Heſ. s. v. συμβουαδεῖ, ὐπερμαχεῖ, iſt wohl συμβουασεῖ zu ſchreiben (anders Hemſterh. ), und κασελατίσαι, καθίσαι, bei demſ. iſt von ἕλλα, ἕλα, κάθεδϱα, sella, davon ἑλατίζειν, ſitzen laſſen, abzuleiten. Sparta’s Coloniſten in Tarent folg - ten hierin dem Gebrauch der Mutterſtadt nicht, ſie ſagten θυλακίζειν fuͤr betteln (θαυλακίζειν, Blomfield Class. Journ. V. 4. p. 387.), die Rhodier behielten das urſpruͤngliche Θ auch in ἐρυϑίβη, Str. 13, 613. Euſt. ad Il. 1, 34., im Kretiſchen kommt dies Σ nur in σεῖναι fuͤr ϑεῖναι bei Heſych, und in σιὸς im Bund der Olontier vor; fuͤr Korinth kann man Σίσυϕος an - fuͤhren als ϑεόσοφος nach Phavor. p. 403. Dind., fuͤr Sikyon vielleicht σειϱὸν ϑέριστϱον Heſych, vielleicht thut auch στίαι fuͤr ϑριαὶ Schol. Apoll. 2, 1172. zur Sache; daß endlich auch die Eleer den Gebrauch kann - ten, habe ich oben gezeigt.
Ueberhaupt hatten die Dorier eine geringere Neigung zu Hauchbuchſtaben als andre Staͤmme der Griechen, und blieben darum in manchen Stuͤcken der alten Sprache naͤher. So hatten Lakonen und Kreter ἀμπὶ fuͤr ἀμφὶ, Koen p. 344., dieſe in dem abgeleite - ten ἀμπέτιξ, jene in ἀμπέσαι, oben S. 326, 2., in ἀμ - πίτταϱ S. 38., ἀμπίϑυρον bei Heſych; ἀμφαρμένη, δίκελλα nach Heſ., utrinque aptata, macht eine Aus - nahme. So nannten auch die Theſſaler den Fluß Ἀμφίῤῥυσος Ἀμβίῤῥυσος, Schol. Apoll. 1, 51., daſ - ſelbe muß — nach der allgemeinen Regel — Makedo - niſch, wie Lateiniſch, geweſen ſein. Einige Beiſpiele von Κ fuͤr Χ im Kretiſchen, Lakoniſchen, Sikuliſchen Dialekt ſiehe bei Koen p. 340 sqq., auch Pindars δέκεσϑαι iſt wohl Dorismus, wie auf den tab. Heracl. Die Koͤrb - chen fuͤr die οὐλοχύται nannten die Dorier nach Heſ.525 s. v. εὔπλουτον ὀλβακήια, wo ὀλβα fuͤr οὐλὴ ſteht, und — κήια wohl von χἐω formirt iſt, wenn nicht — χήια hier und s. v. ὀλβάχιον zu corr. iſt, wo Dei - nolochos (der Sikuler) dafuͤr citirt wird. Der Spiri - tus an ſich fehlt in ἀγέομαι (ἀγῆται bei Ar. Lyſ. 1314. nach der richtigern Lesart), in ἀγησίχορος, u. den Namen Ἀγις, Ἀγήσανδϱος, Ἀγησίπολις, Ἀγησίλαος (ioniſch Ἡγησίλεως); urſpruͤnglich hatten vielleicht alle dieſe Namen das Digamma, wie noch βαγὸς, Heerfuͤh - rer, lak. nach Heſ. Von dem Spiritus des Prono - mens ἀμὲς, ἀμῶν hat kuͤrzlich Reiſig gehandelt Synt. crit. p. 14., ſo brauchten das Wort außer den Lakonen auch die Kreter wie aus ΠΟΡΤΑΜΕ (πορτὶ ἀμὲ) Chiſhull p. 115, 10. erhellt, und andre Dorier. Auch in ἱάλλω iſt der lenis doriſch, wie ἀπιάλλειν Thuk. 5, 77. und das Syrakuſiſche Ἐπιάλης zeigt. Demetr. π. ἑϱμην. §. 157. Euſt. Il. 5. p. 571. R. Dagegen wurde das Digamma bei den Lakonen und andern Do - riern wohl ziemlich eben ſo feſtgehalten wie von den meiſten Aeolern, vgl. Etym M. 308, 26. Gud. p. 104, 12. Ich hebe nur wenige Beiſpiele hervor. Der Glanz hieß lak. βέλα, Ϝέλα Heſ., woraus durch das Vereinigung ausdruͤckende α — ἀβέλιος wurde, der Kretiſch - Pamphyliſche Name der Sonne, Heſ. vgl. Hemſterh. ad Hes. θάβακον. Das Ohr hieß altgrie - chiſch oder aͤoliſch αὖας, auris, doriſch ὦϜας (wie καπ - πώτας fuͤr καταπαύτης), wovon das Lak. ἐξωβάδια, ἐνώτια, Heſ. ſtammt. In ὠατωϑήσω, ἀκούσομαι, doriſch nach Phot. iſt das Digamma verloren, wie in der Tarentiſchen Contraktion ἆτα, Heſ. Von dem Stamme ΔΑΙϜΩ, brennen, kommen die Lak. Formen δάβει, καύεται, (vg. κάθηται, anders Hemſterh.) Heſ., ἐκδάβη ἐκαύθη ebd., δάβελος δαλός ebd., auch πῦρ δάϜιον bei Alkman Frgm. 76. Wlck. In Kreta ſagte man auch ἀβήδονα, βαλικιώτης, βαίκα d. i. Ϝαἴ κα fuͤr ἐὰν, Heſych und Koen p. 251., auch daß man die Schilde nach demſ. λαίβας nannte, erklaͤrt ſich hiedurch — laevas, die linken, wie man umgekehrt griechiſch fuͤr zur Linken παρ̛ ἀσπίδα ſagt. Die Morgenroͤthe hieß lak. ΑϜΩΣ (enthalten auch in μιργάβωρ, λυκό - φως, fuͤr μισγ - αϜως), wie bei andern Griechen526 ΗϜΩΣ; wie aus der letztern Form der Name des Windes εὖϱος hervorgegangen iſt (entſprechend dem ζέφυρος, der ἐκ ζόφου πνεῖ), ſo aus der Doriſchen das Wort αὖρα, welches in dieſer Mundart ganz eigentlich Morgen bedeutet, daher ἐναύρω πρωῒ Kretiſch, wie ἀβὼ πρωῒ Lakoniſch, Heſych. In Argos findet man das Dig. in ὤβεα fuͤr ὠὰ, ova Heſych, in Hermione ein doppeltes in βεῦδος fuͤr ἕδος, ἄγαλμα, Etym. M. 195, 52., in Syrakus in ἔβασον fuͤr ἔασον, das auch Lakoniſch, ebd. 308, 26.
Wenn man die Veraͤnderungen der Vocale, Halbvocale und Hauche hinweg nimmt, ſo bleiben nur wenig andre dem Doriſchen Dialekt eigenthuͤmliche uͤber, da mediae und tenues ſehr ſelten vertauſcht werden, und Buchſtaben verſchiedner Organe auch nicht haͤufig. Bemerkenswerth iſt, daß die Dorier ſowohl Β als Γ mehrmal in Δ verwandeln, jenes in δέλτον, gut, ver - glichen mit βέλτιον (Ptolem. Hephaͤſt. bei Phot. Bibl. p. 486. vgl. Toup ad Hes. T. 4. p. 165), in ὀδελὸς (Greg. Kor. p. 235., der Megarer Ariſt. Ach. 796., die Delph. Inſchr. Dodw. T. 2. p. 507., Epicharm bei Ath. 8, 362. b. c., ὀδολκαὶ Kretiſch nach Heſ. ); dieſes in δᾶ, δένος, Sch. Aeſch. VII, 367., δίφουϱα fuͤr γέ - φυϱα Lakoniſch, δεῦκος fuͤr γλυκὺς Aetoliſch, Schol. Nik. Ther. 625. (was aber auch noch im Lateiniſchen dulcis geblieben.) Ich bemerke nur noch, daß πέδα fuͤr μετὰ auch ſtrengdoriſch iſt, wie Alkman bei Ath. 10, 416. a., das Lakoniſche πέδευρα ὕϛεϱον Heſych, πεδάϜοικοι fuͤr μέτοικοι in einer Argiv. Inſchr. bei Boͤckh, und die Korkyraͤiſche bei Muſtoxidi 2. p. 70. (wie es ſcheint) beweiſen.
Charakteriſtiſch iſt dem Doriſchen Dialekte in der Zuſammenſetzung wie in der Flexion das Beſtreben ab - zukuͤrzen. In jener werden die Praͤpoſitionen κατὰ, ἀνὰ, ποτὶ durch Abwerfung des Schlußvocals zu Mo - noſyllaben; die erſte auch noch verkuͤrzt in καβαίνων Alkman Frgm. 34. κάπετον Pind. O. 8, 48. vgl. He - ſych κάβλημα und κάβασι. Von ἀμβαίνειν kommt ἄμ - βων, Aufſtieg bei den Rhodiern, Erotian Lex. Hippokr. Die Aphrodite ἀμβολογήρα Spartas, Pauſ. 3, 18, 1.,527 iſt ſchon von ἀναβάλλειν τὸ γῆρας erklaͤrt, wie der Ζεὺς καππώτας ebd. 3, 22, 1. als Ζ. καταπαύτης. Κάκκη κάθευδε lakoniſch nach Heſ. iſt aus κατάκειθι, κάκκησι, zugleich apocopirt, wie ἔμβη aus ἔμβησι Lyſiſtr. 1303. — In der Conjugation apocopirten die Dorier haͤufig die alten laͤngeren Formen, die andere Staͤmme zuſammenzogen, wie in den Infinitiven δόμεν fuͤr δόμεναι, εἶμεν oder ἦμεν fuͤr ἔμμεναι und dgl., wo nur ſelten die vollere Form eintritt, wie ἤμεναι Ariſt. Ach. 775., ἀλεξέμεναι Thuk. 5, 77., oder die zuſammengezogne, wie σκιρωϑῆναι bei Sophron, Etym. M. 717 ult. (auch bei Alkman Frgm. 23. hat Wel - cker wohl Recht, χαρῆθαι in χαϱῆναι zu veraͤndern). Auch die verkuͤrzten dritten Perſonen der Aoriſte, διέγνον in den tab. Heracl., ἔδον Bd. 2. S. 180, 4., ἀνέθεν S. 162, 2., διελέγεν im Dekret der Oaxier, διελέγην der Iſtronier, gehoͤren hieher, wie die Infinitive auf εν und zweiten Perſonen auf ες fuͤr ειν und εις, und mancherlei andres. Die Formen εἴ - μειν, γεγόνειν ſind nicht blos Agrigentiniſch; jenes hat auch die (Rhodiſche?) Inſchr. bei Chandl. p. 14. n. 38. Die Siciliſchen Adverbia πῶ, τουτῶ (τουτῶ ϑάμεϑα Sophron bei Apollon. de pron. 359. a., nicht τούτῳ, wie Blomfield Class. Journ. 4. p. 390.) fuͤr πόϑεν, τουτόϑεν ſchließen ſich ebenfalls daran an., Ammonios ſtellt mit dieſen πῦς fuͤr πόσε, ποῖ fuͤr πόϑι zuſam - men.
Was das Syntaktiſche betrifft: ſo finden wir hier nur noch etwa zu der Bemerkung Platz, daß der Artikel bei den Doriern beſonders beliebt war, wie in den[Spartiatiſchen] Chorgeſaͤngen bei Ariſtopha - nes an mehren Stellen deutlich hervortritt. vgl. Reiſig Synt. crit. p. 16. Und bemerkt man, daß der Arti - kel auf allen aͤltern Monumenten Doriſcher Voͤlker ſehr haͤufig iſt (ἁ Ϝϱατϱα τοιρ Ϝαλειοις, Τἀϱγειοι ανεθεν τῳ Δι und dgl. ; unter den Bundesſchluͤſſen bei Thuk. haben die Doriſchen immer τοὶ Ἀϱγεῖοι, die Atheni - ſchen Ἀργεῖοι und dgl. ; auch das haͤufige: ἁ Σπάρτα gehoͤrt hieher), und daß er in den Werken Doriſcher Poeſie, namentlich bei Alkman, zuerſt in die Griechiſche528 Litteratur eintritt, (bei Archilochos kommt er in ſehr wenigen Faͤllen vor), dagegen eine fruͤhere Periode der Sprache ſeiner ganz entbehrte: ſo kann man vielleicht die Dorier als diejenigen, die den Artikel uͤberhaupt zuerſt aufgebracht, anſehn: was einen Begriff geben wuͤrde von den Veraͤndrungen, die damals die Grie - chiſche Sprache im Ganzen erfahren.
Eigenthuͤmliche Woͤrter hat jede Mundart, aber merkwuͤrdig iſt es, wenn dies einfache Wurzelwoͤrter ſind, die ſehr gewoͤhnliche Begriffe bezeichnen, und wenn ſie den andern Mundarten ganz fremd ſind. Dies gilt wenigſtens von dem Lakoniſchen χάος, χάϊος, ἀχαῖος, gut, Ariſtoph. Lyſ. 90. 1157. Heſych ἀχαία. (wo Heinſius das vorgeſetzte α mit Unrecht verbannt) Theokr. 7, 4., von κόος, groß, Etym. M. 396, 29. Woͤrter, die in der bekannten Sprache durchaus einſam ſtehn; auch λῆν, wollen, Koen p. 252. Maitt. p. 278., und μάω fuͤr ſinnen, ſuchen (Lakoniſch und Sici - liſch, vgl. Toup in Suid. 1. p. 462. Meineke Euphor. p. 162.) ſind reindoriſch. Beilaͤufig: die Betrachtung des letzten Worts mit ſeinen Ableitungen zeigt auch, wie wenig Grund die Meinung hat: die Muſen ſeien urſpruͤnglich Joniſche Gottheiten; lehrt nicht das falſch - gebildete Μοῦσα ſelbſt, daß das Wort, und ſomit auch der Begriff aus einem andern Zweige Griechiſcher Sprache und Nation uͤbertragen iſt?
Da wir zum Behuf der vorſtehenden Bemer - kungen die Doriſche Volksmundart im Ganzen behan - delt, und die Lakoniſche nur als die Δωρικωτάτη zu Grunde gelegt haben: ſo iſt es noch noͤthig, eine Ueber - ſicht der Mundarten der einzelnen Staͤdte, ſo ſuccinct wie moͤglich, anzuſchließen. Die herbe Eigenthuͤmlich - keit des Lakoniſchen Dorismus kennen wir zum Theil aus Alkman, der indeß als Poët ein allzuenges An - ſchließen verſchmaͤhte, und nie Μῶἁ ſondern Μῶσα, nie λιπῶἁ ſondern λιποῖσα ſagt, nie σ mit ρ ver - tauſcht und dgl., vollſtaͤndiger durch die Spartiaten bei Ariſtophanes. Vergleicht man mit dieſer die Ur - kunde des Spartiatiſch - Argiviſchen Buͤndniſſes bei529 Thukydides 5, 77., ſo findet ſich allerdings viel Ueber - einſtimmendes; doch wird man die Contraktionen ἀναι - ϱοῦντας, πεντεκονταετῆ, δοκῇ, πόλει (neben πολίε - σι, αὐτοπόλιες,), ferner ἐϱίζοι, δικάζεσϑαι, dann den Accuſativ ους in den Adjectiven, neben ως in den Subſtantiven, ſchwerlich fuͤr ſtreng doriſch gelten laſſen; auch von der Veraͤnderung des Σ in den Spiritus kommt nichts vor, und Σ fuͤr Θ nur in dem einzigen σιῶ, (die Emendation περὶ δὲ τῶ τῶ Σιῶ σύματος, Valck. ad Ad. p. 284, ſcheint nicht rathſam; aber K. 79. iſt gewiß zu ſchr. ταὶ δὲ ἄλλαι πόλεις ταὶ ἐν Πελοποννάσῳ κοινανεόντων τᾶν σπονδᾶν). Was — ως u. — ους betrifft: ſo ließ dies freilich die Ortho - graphie der Zeit nicht einmal unterſcheiden; manche Formen moͤgen unter Thukydides, manche unter der Abſchreiber Hand modificirt worden ſein; im Ganzen aber iſt anzunehmen, daß ſchon damals die Volksmund - art, die in der Ϝϱατρα noch ganz hart und rauh er - ſcheint, in oͤffentlichen Denkmaͤlern und Urkunden er - maͤßigt wurde. In Betreff der Orthographie und des Dialekts finden wir in der ſicher ſpaͤtern Urkunde, in Fourmonts Papieren, die ich Bd. 2. S. 180, 4. erwaͤhnt habe, noch στατερας αιγιναιος, αϱγυριο, Ϝι - κατι, δαρικος οκτακατιος nach einer Ergaͤnzung, doch auch χιλιους δαρ [ικους]. In dem von Plut. Lyſ. 14. mitgetheilten Beſchluſſe der Sp. uͤber Athen iſt wohl zu ſchreiben: ταῦτα ΚΑ δρῶντες τὰν εἰϱάναν ἔχοιτε, ἃ χρὴ ΔΟΝΤΕΣ καὶ τὼς φυγάδας ἀνέντες· πεϱί τᾶν ναῶν τῶ πλήϑεος, ὁκοῖόν τι ΚΑ ΤΗΝΕΙ δοκέοι, ταῦτα ποιέετε, wie zum Theil Haitinger a. O. p. 311. ſchon emendirt. In den Zeiten des Pyrrhos beſtand noch Viel von der alten Eigenthuͤmlichkeit des Dialekts, obgleich in dem Diktum: αἲ μὲν ἔσσι τύ γε ϑεὸς, οὐ - δὲν μὴ πάθωμεν, οὐ γὰρ ἀδικεῦμεν· αἲ δ̛ ἄνϑρωπος, ἔσεται καὶ τεῦ κάῤῥων ἄλλος, Plut. Pyrrh. 26., nicht alles altlakoniſch iſt. Die Spuren in den Eleuthero - lakoniſchen und Spartiatiſchen Dekreten der Kaiſerzeit ſind unbedeutender. Daß in dieſer Zeit die Meſſe - nier noch mit großer Anhaͤnglichkeit, oder lieber Affek - tation, das alte Idiom bewahrten, iſt oben S. 419. bemerkt. Den Argiviſchen Dialekt haben wir mehr -III. 34530mals in einer beſondern Uebereinſtimmung mit dem Kretiſchen gefunden, die ſich auch in Kleinigkeiten zeigt; ſo haben die Argiv. βαλλαχράδαι, oben S. 399, 3., ihren Namen von ἀχρὰς, das als Kretiſch Hermonax bei Schol. Nik. Ther. 512, als Lakoniſch Heſych an - fuͤhrt. Die Grammatiker bemerken noch beſonders, daß dieſe Mundart I haͤufig in Ν verwandelte, wie in οὐ μέντον (Argiviſch-Kretiſch, Maitt. p. 255), αἰὲν, ἔννατος, Etym. M. 402, 2., φαεννὸς., vgl. Boͤckh not. cr. ad Pind. O. 1, 6.; die Sikuler thaten in mehrern Faͤllen das Gegentheil, die Rheginer daſſelbe, Etym. M. 135, 45. Gud. 73, 44.; es iſt deutlich, daß ſie auch dies von den Meſſeniern hatten. In altargivi - ſchem Dialekt ſchrieb Derkyllos, ſ. beſonders Etym. M. 391, 20. vgl. oben S. 384, 2. Der Kretiſche hat eine faſt nirgends anders bemerkte Eigenthuͤmlich - keit, λ vor einem Conſonant und nach ε oder α in υ zu verwandeln (analog den Franzoͤſiſchen Formen, au - mône, Almoſen, haubergeon, Halsberge und dgl. ); ſo αὖσος fuͤr ἄλσος, αὖμα fuͤr ἅλμα, ebenſo αὐκύονα, αὔκαν, ϑεύγεσϑαι, εὐϑεῖν fuͤr ϑέλγεσϑαι, ἐλϑεῖν, nach Heſych. Koen p. 354. Nur noch das Aetoliſche δεῦκος zeigt dieſelbe Formation, es kommt vom alten Stamme δέλκυς, dulcis. Ein verwandtes Streben iſt in den Kretiſchen Formen γεροίταν, πάππον, von γέρων, Heſ., und in Πραῖσος aus Πρίανσος — recht im Gegenſatz mit dem oben beſprochnen τιϑένς. Das Kretiſche βέντιον hat das Siciliſche φίντατος, und ἦνϑον zu Parallelen. Die Polyrrheniſchen Gloſſen ſind fuͤr altkydoniſch zu halten, und gehoͤren wohl einer ganz ungriechiſchen Sprache an. Adde zu Hoeck Kre - ta 1. S. 140, 6. Heſych s. v. κάρα und λάττα. In den Inſchriften aus dem Anfang des zweiten Jahrhun - derts vor Chr. erſcheint der Dialekt zwar noch in vie - len Spuren, aber nicht conſequent durchgefuͤhrt; Eigen - thuͤmlichkeiten wie αὖσος kommen nicht mehr vor, ſtammen dieſe aus einem Schriftſteller Kypſelas (Joann. Gramm. ad H. Stephani Thes. Gr. calcem p. 13.), ſo war dieſer weit aͤlter. Einige Eigenthuͤmlichkeiten des Korinthiſchen und Sikyoniſchen Dorismus ſind oben beigebracht, leider wiſſen wir uͤber dieſe531 Mundarten im Ganzen ſehr wenig, mehr durch Ariſto - phanes Acharner von der Megariſchen, die den Peloponneſiſchen Dorismus, abgeſehn von den Lakonis - men, wohl am treuſten darſtellt. Auch die Dryoper von Hermione ſprachen doriſch; die Inſchr. bei Caſtelli Inscr. Sic. p. 89. und Aa. enthaͤlt wenigſtens Dorismen wie ἐπιδαμωντι, ποτταν πολιν, τους δε λαιναν δομεν σταλαν (wie zu ſchreiben), vgl. oben Bd. 2. S. 399, 3. Die Rhodier ſprachen noch in Tibers Zeit doriſch (Sueton Tib. 56.) und zwar, wie Ariſtides de conc. ruͤhmt, ſehr rein. S. Meurſ. Rhod. 2, 3. Koiſche Inſchr. bei Spon, Kalymniſche (Chandl. Inscr. p. 21. n. 58.), Aſtypalaͤiſche und Anaphaͤiſche (in Villoiſons Scheden) enthalten einen herkoͤmmlichen und in Monumenten gewoͤhnlichen Do - rismus. Auch die Aegineten nahmen dieſen nach ihrer Ruͤckkehr wieder an ſ. z. B. die Inſchr. Aegin. p. 136.; vgl. was uͤber die S. 160. mitgetheilte geſagt iſt. Unter den Inſchr. von Korkyra, die Muſtoxidi zuſammenſtellt, koͤnnte man nach dem ſtaͤrkern oder ſchwaͤchern Dorismus eine Reihenfolge aufſtellen; die große bei Montfaucon, Quirinus, Muſtoxidi, Boͤckh, gewaͤhrt manches Eigenthuͤmliche, wie den Imper. δόντω. In dem nun fuͤr Theraͤiſch erkannten (Bd. 2. S. 329, 1.) Teſtament der Epikteta kommen viele ſtrenge Dorismen, wie der Accuſ. in ος, die Infin. ἀγαγὲν, θύεν (λέγες fuͤr λέγεις fuͤhrt Euſt. ad Od. 19, 706, 49. als Theraͤiſch an), und dabei manche ganz abweichende Formen, wie die Perf. ἑςάκεια, συναγαγό - χεια, vor, doch hat die Sprache im Ganzen wenig Al - terthuͤmliches. Reich an Dorismen war der Byzan - tiniſche Dialekt in Philippos Zeit nach dem Dekret des Demoſthenes; etwas weniger finden ſich in dem ſpaͤtern bei Chandl. Inscr. App. p. 95. n. 10. Wie viel der Kyrenaͤiſche von der Sprache der umwoh - nenden Voͤlker an ſich gezogen hatte, laͤßt ſich nicht beſtimmt ſagen; βρίκος hieß nach Heſ. in Kyrene Eſel, borrico in Hiſpanien, ſo war das Wort wohl Libyſch. Was wir vom Tarantiniſchen Dialekte wiſſen, ſcheint Alles aus Rhinthons Phlyaken, alſo aus der Zeit des erſten Ptolemaͤos, zu ſtammen; der Dialekt34 *532iſt, obſchon eigenthuͤmlich genug, doch von dem altlako - niſchen ſehr verſchieden (eine merkwuͤrdige Ueberein - ſtimmung iſt ἀματὶς ἅπαξ Tarant., ἀμακίον Lak., ἄμακις Kretiſch bei Heſ. ); es exiſtirte aber damals neben der Volksmundart in Tarent auch die gebildete (Attiſche) Sprache, und nur dieſe galt im oͤffentlichen Leben. S. Dion. Hal. Exc. p. 2239 R. In Betreff des Woͤrtertauſchs mit den benachbarten Italiſchen Voͤl - kern (oben S. 418, 5.) treten Faͤlle ein, wo man zwei - felnd anſteht, welche Nation die mittheilende, welche die empfangende geweſen. Πόλτος hat fuͤr puls ſchon Alkman; ſollte das Wort ſo zeitig aus Italien heruͤber - gekommen ſein? Κάρκαρον fuͤr Gefaͤngniß bei Sophron, Stall bei Rhinthon; es iſt das Lat. carcer, aber ſtammt dann nicht vielleicht beides von dem Lakoniſchen γέϱγυρα bei Alkman? Daß die Herakleoten noch im fuͤnften Jahrhundert der Stadt die alte Sprache und Schrift ſo treu bewahrt hatten, wie die tabulae bewei - ſen, iſt immer merkwuͤrdig. In Syrakus war es ziemlich derſelbe Dialekt, in dem Epicharm und Sophron dichteten; auch Diokles Geſetze waren wohl noch in die - ſem abgefaßt; daß dieſe aber ſchon unter Timoleon der Sprache wegen Exegeten brauchten, beweist wie ſchnell der Attikismos auch hier uͤberwog, oben S. 161. Auch der Sophroniſche Dorismus iſt milder als der damals im Peloponnes gebraͤuchliche, wie er z. B. immer τοὺς, nicht τὼς hat. Ueber die Ausbreitung des Doriſchen Dialekts in Sicilien vgl. Caſtelli Proll. p. 25. Wir haben bis jetzt noch den Delphiſchen Dialekt uͤber - gangen, deſſen ziemlich ſtarken Dorismus z. B. die Inſchr. bei Ddw. 2. p. 507. beweist, wo ὀδελοὶ, τέ - τορες vorkommt, noch mehr der Vertrag uͤber das Delphiſche Heiligthum, aus dem Jahr des Archonten Pytheas Ol. 100, 1., von dem ein großes Bruchſtuͤck durch Choiſeul in das Louvre gekommen iſt. Dies Monument hat Future, wie ὀρκιξέω und dgl., die Infin. ἀπογράψεν, φέρεν, ϑύεν, αἴκα fuͤr ἐὰν, πάντεσ - σι, ἱερομναμόνεσσι, διακάτιοι, ἐπικοσμήσωντι, ἐν fuͤr ἐς adverbialiter (αἴκα μὴ ἀποτίνῃ τοῖς ἱερομνα - μόνεσσι τὸ [ἀργύϱιον, — εἱλέσθω τοῦ ἱ] αροῦ ἁ πόλις ἐξ ἀς κ̛〈…〉〈…〉 ὁ ἱαρομνάμων, ἔν τἐ κα ἀποτείση), κατ -533 τὰν, ἐνιαύτιος (ἐνιαυτία ἁ ἱερομηνία ἁ Πυϑιὰς〈…〉〈…〉 σα πάντεσσι), πέμπωντι, ποττόν. Auch waren ſicher alle proſaiſchen Orakel, die von Delphi ausgingen, doriſch abgefaßt, wie das bei Demoſth. g. Meid. p. 35., das bei Thuk. 5, 16. (— ἀργυρέᾳ εὐλάκᾳ εὐ - λάξειν, ein Lakoniſcher Ausdruck nach dem Scholiaſten), und das Bd. 2. S. 175, 2. citirte: ποῖ τὺ λαβὼν καὶ ποῖ τὺ καθίξων καὶ ποῖ τὺ οἴκησιν ἔχων (hier fehlt etwa ἀσφαλἐως ἕξεις, ἐϱωτᾷς, κελεύω —) ἁλιέα τε κεκλῆσϑαι, welches jedoch vielleicht hexame - triſch war, da auch die epiſchen Orakel mitunter Do - rismen zeigen (Herod. 4, 155. 157. vgl. das den La - ked. gegebne: ἁ φιλοχρηματία etc.). Plut. Pyth. orac. 24. p. 289. citirt aus alten Orakeln die Ausdruͤcke πυρίκᾳοι (i. e. πυρκόοι, ſo hießen die Delpher ſelbſt, vgl. oben Bd. 2, 235, 4.), ὀρεάνας fuͤr ἄνδρας (vgl. ἠνόρεος), ὀρεμπότας fuͤr ποτάμους; auch κραταίπους (Sch. Pind. O. 13, 114.) iſt wohl aus einem Orakel. Dem Dorismus der Volkſprache gehoͤren Γυγάδας fuͤr Gyges Schatz, Herod. 1, 14. (dieſe halbadjectiviſchen Formen auf — ας liebt der Dorismus ungemein), und ἅρμα (fuͤr ἀρμὴ) fuͤr Liebe an, Plut. Amat. 23. vgl. uͤber Βύσιος oben Bd. 2. S. 212, 2. — Soviel fuͤr diesmal. Wir ſchließen dieſe opera tumultuaria mit der frohen Ausſicht, daß der naͤchſtens zu erwartende Inſchriftentheſaurus der Berliner Akademie auch dieſen Forſchungen ein vollſtaͤndigeres Material und eine fe - ſtere Grundlage gewaͤhren werde.
Unter denen ich auch angezeigt habe, wo es rathſam iſt, ſpaͤter im Buche folgende Stellen zur Leſung fruͤherer zu vergleichen.
Die Zahlen nach II, bezeichnen die zweite; die ohne II, die erſte Abtheilung.
In dem Verlage der Buchhandlung Joſef Max und Komp. in Breslau ſind nachſtehende Schriften erſchienen und in allen Buchhandlungen des In - und Auslandes zu haben:
An meine chriſtlichen Mitbuͤrger, in Sachen unſres Gottesdienſtlichen Lebens und der aufzuhe - benden Kirchentrennung. (Von D. J. Chr. Gaß.) 8. 1823. Weißes Druckpapier 16 Gr. Velinpapier und kartonnirt 1 Rtlr. Der Verfaſſer dieſer Schrift will fuͤr nichts weiter gelten, als fuͤr ein Mitglied der evangeliſchen Gemeinde, wie es alle ſind, und ſich eben ſo nur ſeiner evangeli - ſchen Freiheit bedienen, wie ſie alle haben: ein offnes Wort uͤber die kirchlichen Angelegenheiten und uͤber die moͤgliche Aufhebung des be - ſtehenden Konfeſſionsunterſchiedes an alle evangeliſche Chriſten zu richten. Und wenn er dabei ſeinen Namen verſchwieg; ſo geſchah auch das weder aus Scheu, noch aus Klugheit, ſondern allein deshalb, damit Keiner den Inhalt ſeiner kurzen und einfachen Rede vermiſchen ſollte mit einer moͤglichen Zuneigung oder Abneigung gegen ſeine Perſon, viel - mehr ein Jeder des Unbekannten Zutrauen und Liebe in gleicher Weiſe erwiedern moͤge. — Denn was Got - tes iſt wird bleiben, was Menſchenwerk wird unter - gehen. —562 Aristoteles de Politia Carthaginien - sium. Textum critice recognovit, commen - tatione historica illustravit et novas quaestiones de Poenorum reipublicae forma instituit Fr. G. Kluge. Accedit Theodori Metochitae descri - ptio reipublicae Carthaginiensis, cum animad - versionibus. 8. 1824. Weißes Druckpapier 1 Rtlr. 4 Gr. Velinpapier 1 Rtlr. 12 Gr. Die hier angezeigte Schrift des Herrn Prof. Kluge beſchaͤftiget ſich mit Unterſuchungen uͤber einen aͤußerſt ſchwierigen Gegenſtand und uͤber ein noch nicht be - friedigend geloͤſtes Problem der alten Geſchichte, naͤm - lich mit der Staatsverfaſſung Karthagos. Der Abſchnitt aus des Ariſtoteles Politik, welcher von der Karthagiſchen Staatsverfaſſung handelt und be - kanntlich als Hauptquelle betrachtet werden muß, iſt vom Herrn Verf. mit Recht hier zum Grunde gelegt und von ihm kritiſch, grammatiſch und hiſtoriſch er - laͤutert worden. Daran hat nun noch der Hr. Verf. tief eingreifende Unterſuchungen geknuͤpft, wodurch die bisher mangelhafte Kenntniß vervollſtaͤndiget und die dunkeln Seiten der Karthagiſchen Staatsverfaſſung und Staatsklugheit in das klarſte Licht geſetzt werden. Kennern und Freunden des Alterthums empfehlen wir dieſe neue Schrift als eine nothwendige und berichti - gende Beilage zu allen bisher erſchienenen Werken und Handbuͤchern uͤber alte Geſchichte und in philologi - ſcher Hinſicht als einen wichtigen Beitrag zur Kritik des Ariſtoteliſchen Textes und der Ausgaben von Schneider und Korai.
Bredow, G. G. Schriften. Ein Nachlaß. Mit dem Bildniß und dem Leben des Verfaſſers, herausgegeben von Dr. J. G. Kuniſch. Neue Ausaabe. gr. 8. 1823. 1 Rtlr. Dieſe Auswahl aus den Papieren eines unſerer aus - gezeichnetſten Geſchichtſchreiber glauben wir dem Publi - kum wiederholt empfehlen zu duͤrfen. Bei der großen Mannigfaltigkeit der hier mitgetheilten Abhandlungen und Aufſaͤtze (das Ganze iſt 32 enggedruckte Bogen ſtark) machen wir auf das Leben und die Charakteri -563 ſtik des wakkeren deutſchen Komikers Andreas Gry - phius (deſſen Luſtſpiel Peter Squenz hier als Probe ſeiner Darſtellungsweiſe vollſtaͤndig abgedruckt iſt), ferner auf das Leben des franz. Luſtſpieldichters
Destouches (deſſen poetiſcher Dorfjunker hier in gelungener Ueberſetzung beigefuͤgt iſt), ſodann auf die nach Pariſer Handſchriften und den beſten kritiſchen Huͤlfsmitteln trefflich gearbeitete Verdeutſchung des
Dionyſios Periegetes ganz beſonders aufmerk - ſam. Das beigegebne Bildniß des Verſtorbenen iſt von Bolt in Berlin, nach einem ganz aͤhnlichen Mi - niatur-Gemaͤlde in Kupfer geſtochen und vorzuͤglich gearbeitet. Druck und Papier ſind in jeder Hinſicht empfehlungswerth.
Gottfrieds von Straßburg Werke, aus den beßten Handſchriften — mit Einleitung und (vollſtaͤndigem) Woͤrterbuch herausgegeben von Fr. H. von der Hagen. 2 Baͤnde. Mit einem Kupfer, nach einem Bilde in der Muͤnchener Hand - ſchrift, gezeichnet von Ruhl in Kaſſel, geſtochen von Ludw. Meyer in Berlin. gr. 8. 1823. Weißes Druckpapier 3 Rtlr. 18 Gr. Velinpapier 5 Rtlr. Das Publikum erhaͤlt hier zum erſtenmal die an - muthige Ritter-Dichtung von Triſtan und Iſolde, in ihrer vollſtaͤndigen, urſpruͤnglichen, nach den beſten vorhandenen Handſchriften treu hergeſtellten und berich - tigten Geſtalt. Der erſten, faſt im Druck vollendeten Auflage, widerfuhr das Ungluͤck, im April 1822 in der Herzogl. Hofbuchdruckerei zu Oels gaͤnzlich zu verbren - nen, und obgleich die Verlagshandlung den Druck ſo - gleich von neuem wieder beginnen ließ, ſo verzoͤgerte doch die Schwierigkeit deſſelben die Vollendung bis jetzt. — Außer dem Triſtan des Gottfried von Straßburg ſind hier auch noch die beiden Fortſe - tzungen des Ulrich von Turheim und des Hein - rich von Friberg und zwei merkwuͤrdige Bruchſtuͤcke einer aͤlteren Bearbeitung dieſer Heldenſage von Eil - hart von Hobergen mit abgedruckt. Was aber der gegenwaͤrtigen Ausgabe einen unſchaͤtzbaren Werth fuͤr den Forſcher und Kenner altdeutſcher Kunſt und564 Literatur verleiht, iſt die hier mitgetheilte aͤlteſte be - kannte Sagenquelle des Triſtan, wir meinen die alt - engliſche Bearbeitung des Thomas von Britan - nien, aus welcher Gottfried und ſeine Fortſetzer augen - ſcheinlich geſchoͤpft haben; zu dieſem altengliſchen Ge - dicht iſt hier noch die altwaliſiſche und die altfranzoͤ - ſiſche Bearbeitung derſelben Triſtanſage hinzugefuͤgt, ſo daß der Freund des Mittelalters hier gleichſam alle die verſchiedenen Formationen und Kriſtalliſationen vor ſich ſieht, in welchen dieſe tiefe und anmuthig bluͤhende Sage ſich unter den verſchiedenen Voͤlkern des Mittel - alters geſtaltet hat. Voran ſteht eine geiſtvolle und gruͤndliche Unterſuchung uͤber die Lebensumſtaͤnde Gott - frieds und mehrerer gleichzeitigen Dichter. Im zwei - ten Bande ſind alle noch vorhandenen Minnelieder Gottfrieds und ſein bisher faſt noch ganz ungedruckter Lobgeſang auf die Jungfrau Maria und Chriſtus aus der Maneſſiſchen Handſchrift mitgetheilt. Den Be - ſchluß macht ein kritiſch gearbeitetes Woͤrterbuch uͤber alle die verſchiedenen hier zuſammengeſtellten altdeut - ſchen Dichtungen. Ueber die Schoͤnheit der Darſtel - lung und des Stoffes im Triſtan noch etwas hinzuzu - fuͤgen, wuͤrde nach dem, was Docen hieruͤber im
altdeutſchen Muſeum (B. I. S. 52. f.) aus - fuͤhrlich geſagt hat, uͤberfluͤſſig ſein. Wir bemerken blos noch, daß fuͤr den Anfaͤnger, oder auch fuͤr den Dilettanten der altdeutſchen Poeſie das in Rede ſtehen - de Werk ganz vorzuͤglich und zwar mehr als viele an - dere, anſprechend, ergetzend und zugleich eine reiche Quelle des Studiums und der Belehrung ſein duͤrfte. — Die Verlagshandlung dieſes zweiten Hauptwerks alt - deutſcher Literatur hat es ſich angelegen ſein laſſen, daſſelbe korrekt und anſtaͤndig im Druck auszuſtatten, und eine in Zeichnung und Stich ganz uͤberaus gelun - gene Abbildung von Triſtan und Iſolde beizufuͤgen. Bei den bedeutenden Koſten, welche beſonders der ſchwierige Satz verurſacht hat, iſt der Ladenpreis un - gemein wohlfeil geſtellt; der erlittene Verluſt bei der verbrannten erſten Auflage, und der nicht unbedeutende Koſtenaufwand fuͤr Zeichnung, Stich, Abdruck etc. des meiſterhaft ausgefuͤhrten Kupferſtichs, iſt bei der Preis - Feſtſetzung gar nicht in Anſchlag gebracht worden: ſo565 daß letzterer als eine unentgeldliche Beilage fuͤr jeden Kaͤufer des Buches zu betrachten iſt.
Hagen, Fried. H. v. d. Briefe in die Hei - mat, aus Deutſchland, der Schweiz und Italien. 4 Baͤnde. mit 2 Kupf. 8. 1818 — 21. Geheftet 5 Rtlr. 20 Gr. Das vorliegende Reiſewerk, welches wir der Auf - merkſamkeit des vaterlaͤndiſchen Publikums nicht genug anempfehlen zu koͤnnen glauben, unterſcheidet ſich, wie bereits mehrere einſichtsvolle oͤffentliche Beurtheiler (Wiener Jahrbuͤcher, Jenaiſche Litteraturzeit., Hermes) bemerkt haben, von allen aͤhnlichen Reiſebeſchreibungen und Darſtellungen, welche neuerdings uͤber dieſe Ge - genden verſucht worden ſind, hauptſaͤchlich dadurch, daß es beſonders die Kunſtdenkmale des deutſchen wie des italiaͤniſchen Mittelalters, namentlich der Baukunſt, Bildnerei und Malerei, einer ſorgfaͤltigen Aufmerkſam - keit wuͤrdigt, und uͤber ihre Form ſowohl, als uͤber ihre geſchichtliche Entſtehung, die gruͤndlichſten Forſchun - gen aufſtellt. Daneben hat der Verfaſſer das Leben der Menſchen und manche ſchoͤne Sitte und Sage aus voriger Zeit, alte oͤrtliche Erinnerungen, geſchichtliche Denkmale, Naturſcenen, und vieles Andere, bei ſeinem Durchfluge aufgefaßt, und in geiſtreichen Skizzen dar - geſtellt, was nicht blos den Kunſtfreund, ſondern auch den Freund der vaterlaͤndiſchen Vergangenheit, ja jeden ſinnvollen Leſer anſprechen muß. Der ſo eben fertig gewordene 4 te Band enthaͤlt
Roms Alterthuͤmer und Kunſtſammlungen, umfaſſend und ausfuͤhrlich beſchrieben.
Hagen, Fr. H. v. der. Der Nibelungen Lied. Zum erſtenmal in der aͤlteſten Geſtalt aus der St. Galler Urſchrift, mit Vergleichungen aller uͤbrigen Handſchriften. 3te, berichtigte, mit Ein - leitung und Woͤrterbuch vermehrte Schulaus - gabe. gr. 8. 1820. 1 Rtlr. 18 Gr. Velinpapier und kartonnirt 2 Rtlr. 18 Gr. — — Daſſelbe. Große Ausgabe. Mit den Lesarten aller Handſchriften unter dem Texte, und566 Erlaͤuterungen der Sprache, Sage und Geſchichte. 1r Band. Auch unter dem Titel: der Nibe - lungen Noth. 3te, berichtigte, mit Einleitung und Woͤrterbuch vermehrte Auflage. gr. 8. kar - tonnirt 3 Rtlr. 16 Gr. Velinpapier und karton. 4 Rtlr. 20 Gr. Das Publikum empfaͤngt hier die erſte kritiſche, mit Vergleichung aller vorhandenen Handſchriften bear - beitete Ausgabe unſeres ehrwuͤrdigen Nibelungenliedes, zugleich mit allen noͤthigen Erlaͤuterungen des Ganzen wie des Einzelnen reich ausgeſtattet. Die Wichtigkeit dieſes alten Sprach-Denkmals fuͤr den Forſcher, wie fuͤr den Freund der Dichtkunſt, ja fuͤr die geſammte ſprachbefliſſene Jugend, iſt bekannt genug, und wir er - lauben uns blos hinzuzuſetzen, daß die Leſung dieſes Gedichts ganz beſonders geeignet iſt, den Dilet - tanten in das Studium altdeutſcher Literatur einzu - fuͤhren.
Hagen, F. H. v. d. Die Nibelungen: ihre Bedeutung fuͤr die Gegenwart und fuͤr immer. 8. 1819. Geheftet 1 Rtlr. 4 Gr. Den Freunden altdeutſcher Poeſie muß es hoͤchſt will - kommen ſein, in vorſtehender Schrift das Nibelun - genlied in ſeine geſchichtlichen und poetiſchen Elemen - te aufgeloͤſt, und nicht nur die ganze gewaltige Helden - handlung entwickelt, ſondern auch die einzelnen Helden - geſtalten in ihrer innerſten Bedeutung ſowohl, als auch in ihrem Verhaͤltniſſe zum Ganzen charakteriſirt und dargeſtellt zu ſehen. Allen, die einen tiefern Blick in das Weſen und die Geſtaltung unſeres alten Volks - epos zu thun wuͤnſchen, iſt obige Schrift unentbehrlich.
Hagen, Fr. H. von der, Nordiſche Helden - romane. 1r bis 3r Band. Wilkina - und Niflunga - Saga, oder Dietrich von Bern und die Nibelun - gen. 8. 1814. geh. 4 Rtlr. Deſſen: Nordiſche Helden-Romane. 4r Bd. Volſunga-Saga, oder Sigurd der Fafnirstoͤdter und die Niflungen. 8. 1815. 1 Rtlr. 4 Gr.
Wilkina - und Niflunga-Saga enthalten eine567 umfaſſende aus dem Altnordiſchen uͤberſetzte Sammlung unſerer altdeutſchen Stamm - und Heldenſagen, ſaͤmmtlich zu dem großen Kreiſe gehoͤrend, als deſſen Mittelpunkt und Schlußſtein die Dichtung von den Nibelungen zu betrachten iſt. Die Volſunga-Saga dagegen ent - haͤlt die gewaltige Nibelungen-Fabel in ihrer mehr nordiſchen Geſtaltung, wie ſie ſich in des Nord - lands Eisgebirgen geſtaltet und abgeſpiegelt hat. Der Werth dieſer uralten in unſerer heimiſchen Vorzeit tief gewurzelten Sagen und Ueberlieferungen iſt fuͤr das Studium unſerer altdeutſchen Dichter und ihrer Werke hoͤchſt bedeutend, ja, man kann ſagen unermeßlich. Aber auch abgeſehen davon findet der Leſer hier einen reichen Vorrath der herrlichſten alten Sagen, Erzaͤh - lungen und bewunderungswuͤrdigen Geſchichten, die eben ſo anmuthig, als gewaltig, abentheuerlich und ſinnreich ſind.
Hagen, Fr. H. v. d. Irmin, ſeine Saͤule, ſeine Straße und ſein Wagen. Einleitung zu Vorleſungen uͤber altdeutſche und altnordiſche
Goͤtterlehre. gr. 8. 1817. 12 Gr. Eine hoͤchſt auziehende, mit Scharfſinn und Gelehr - ſamkeit gefuͤhrte Unterſuchung uͤber den altdeutſchen Gott Irmin, uͤber die aus Karls des Gr. Geſchichte bekannte Irmenſaͤule, und uͤber andere an dieſen Kultus ſich knuͤpfende Gegenſtaͤnde. Dem Freunde der Vater - landsgeſchichte wie dem Forſcher des deutſchen Alter - thums muß dieſe Schrift ganz beſonders willkommen ſein. Herber, Dr. C. J., Silesiae Sacrae Origi - nes. Adnexae sunt Tabulae Chronologicae in Annales historiae dioecesanae. 8. maj. 1821. Charta impress. 20 gr. Charta menbran. 1 Rtlr. 6 Gr. Der Zweck dieſer Schrift geht dahin, zwei in der neueren Zeit uͤber die Einfuͤhrung des Chriſtenthums in Schleſien in Anregung gebrachte Fragen auf eine buͤndige und lichtvolle Weiſe zu beantworten. Nachdem der Verfaſſer auf den Grund der vorhandenen Nach - richten die Geſchichte der Bekehrung Schleſiens vorge -568 tragen, beſchaͤftigt er ſich mit den intereſſanten Unter - ſuchungen: Den urſpruͤnglichen biſchoͤflichen Sitz in Schleſien auszumitteln, ſo wie die juͤngſt wieder erho - benen Zweifel: „ ob in Schlefien urſpruͤnglich der grie - chiſche oder lateiniſche Ritus eingefuͤhrt worden und herrſchend war? “— zu loͤſen, und ſeine feſte und ent - ſcheidende Anſicht hieruͤber auszuſprechen. Da der Verfaſſer von 46 — 150 eine tabellariſche Ueberſicht der geſammten Geſchichte des ſchleſiſchen Bisthums vom J. 965 an, bis zur Organiſirung der neueſten Verhaͤltniſſe der kathol. Kirche in den preuß. Staaten durch die paͤbſtl. Bulle vom 16. Juli d. J., beigefuͤgt hat; ſo wird dadurch vorlaͤufig, bis zur Erſcheinung eines groͤßeren Werkes, einem laͤngſt gefuͤhlten Beduͤrf - niß auf eine wuͤnſchenswerthe und genuͤgende Weiſe abgeholfen, und es darf ſicher erwartet werden, daß die kathol. Geiſtlichkeit vorliegendes Werk freundlich aufnehmen, und demſelben gern in ihrer Buͤcherſamm - lung eine wuͤrdige Stelle goͤnnen wird.
Perikles. Aus dem Griechiſchen des Plutarchos mit Anmerkungen uͤberſetzt von Dr. J. G. Ku - niſch. gr. 8. 1818. 10 Gr. „ Recenſent meint — in der Liter. Beilage zu den „ Schleſ. Provinzialblaͤttern, 6s Stck. Mai 1818 — „ daß ihn in jeder Hinſicht vorliegende Ueberſetzung des „ Plutarchiſchen Perikles von Herrn Dr. Kuniſch voll - „ kommen befriedigt, und ganz Plutarchiſch angeſprochen „ habe: ja er getraut ſich, dieſelbe auch unbedenklich „ allen denen des groͤßern Leſepublikums anzuempfehlen, „ die aus der Mitte ſchaaler und mattherziger Ge - „ ſchichtsromane einmal eine wahrhaftige und kraͤftige „ Darſtellung des Helleniſchen Lebens in ſeiner Bluͤ - „ thezeit zu genießen wuͤnſchen. “
Scheibel, J. G, (Dr. und Prof. der Theologie)
Das Abendmal des Herrn. Hiſtoriſche Ein - leitung, Bibel-Lehre und Geſchichte derſelben; aus - fuͤhrlichere Erlaͤuterungen fruͤherer Schrift. gr. 8. 1823. Weißes Druckpapier 2 Rtlr. Velinpapier und kartonnirt 2 Rtlr. 16 Gr.569 Dieſes Buch, welches zunaͤchſt durch aͤußere Veran - laſſung und durch die der Breslauiſchen Synode vom Oktober 1822 gegebene Erklaͤrung des Verfaſſers, ſei - nen Widerſpruch in einer ausfuͤhrlicheren Abhandlung zu begruͤnden, hervorgegangen iſt, fuͤhrt den Karakter einer allgemeinen Unterſuchung uͤber einen von jeher als hochwichtig betrachteten Gegenſtand des chriſtlichen Glaubens. — Mit der gruͤndlichſten hiſtoriſchen und exegetiſchen Gelehrſamkeit werden hier zuerſt die Ana - logien und Vorbilder des heiligen Sakraments in aͤgyp - tiſchem und iſraelitiſchem Kultus gepruͤft, und ſodann ausfuͤhrlich bewieſen, wie mit der heiligen Schrift ſelbſt keine andere Lehre, als die reine Lutheriſche, in Ueber - einſtimmung gebracht werden koͤnne. Darauf folgt eine Geſchichte der Abendmalslehre, von den aͤlteſten Zeiten der Kirche bis auf unſere Tage herabgefuͤhrt. Sehr merkwuͤrdig iſt auch die Vorrede, worin der Verfaſſer ſein Glaubensbekenntniß uͤber mehre vielfach beſpro - chene Gegenſtaͤnde und eine Rechtfertigung deſſelben niederlegt. Sowohl dieſe als die Kapitel: 1. 2. 3. 4. 6. 7. 20. 21. 22. 23. 24. 25. und Theilweiſe auch die Kapitel: 5. 10. 18. 19, ſind dem religioͤsgeſinnten Laien, der ſich erbauen, belehren und ſich in ſeinem Chriſtenthum immer mehr befeſtigen will, vorzugsweiſe zum Nachleſen zu empfehlen.
Schubarth, K. E., Zur Beurtheilung Goͤ - the’s, mit Beziehung auf verwandte Literatur und Kunſt. Zweite vermehrte Auflage. 2 Baͤnde. 8. 1820. Weiß Druckpapier 3 Rtlr. 12 Gr. Schweizer Papier 5 Rtlr. Unter den kritiſchen Verſuchen und Arbeiten der letz - teren Zeit auf dem Gebiete der Aeſthetik hat kaum eine andere Erſcheinung die Aufmerkſamkeit des groͤ - ßeren gebildeten Publikums lebhafter beſchaͤftigt als obige Karakteriſtik Goͤthe’s und ſeiner Werke von
Schubarth. Hieraus ergiebt ſich die große Theil - nahme an den Dichter und deſſen Werken, und wie we - nig Verunglimpfungen mancher Neuern, die Tieck in ſeiner Novelle: die Verlobung, ſo wahr und ernſt karakteriſirt, vermocht haben, die feſt und fort beſte -III. 37570hende Meiſterſchaft Goͤthe’s auf ihren beſchraͤnkten Standpunkt herabzuziehen. Mehre vielgeleſene Blaͤtter haben bereits die gluͤckliche Ausfuͤhrung des Unterneh - mens dargethan und Schubarths Verſuch fuͤr die richtige Wuͤrdigung Goͤthe’s allen empfohlen, die den Meiſter in allen Bezuͤgen naͤher und gruͤndlich kennen lernen wollen. Der Verf. hat ſich, wo nicht das ein - zige, doch ſicher ein großes Verdienſt durch den Ver - ſuch erworben, in jeder bedeutenden Schoͤpfung des Dichters den Puls eines eigenen Lebens aufzufinden, und nach den ſichtbaren Kennzeichen der Verwandtſchaft die Geſammtmaſſe derſelben zu einer organiſchen Ein - heit, als dem natuͤrlichen Abdruck oder Karakter der hervorbringenden Kraft, klar und zuverlaͤſſig zu ver - binden. Dieſer aufgeſtellte Grundſatz verdient eben ſo viel Lob, als die Durchfuͤhrung gelungen zu nennen iſt. Goͤthe ſelber ſagt: „ Er komme ſich vor, als ob „ er durch einen Doppelſpath ſeine Perſoͤnlichkeit in „ zwei Bildern gewahre, wobei es ihm ſchwer ſei, das „ urſpruͤngliche und abgeleitete zu unterſcheiden. Fuͤr „ das eine koͤnnten ſeine eigenen Werke gelten, fuͤr das „ andere die unternommene Schubarthſche Auslegung. Einen aͤhnlichen Verſuch hat Schubarth zur
Beurtheilung Homers unternommen, und uͤber den ioniſchen Saͤnger, ſein Zeitalter und ſeine Stellung und Verhaͤltniß zu ſeinen Zeitgenoſſen viel Treffliches, ſowohl fuͤr den Philologen als uͤberhaupt fuͤr den Freund griechiſcher Poeſie, geſagt. Dieſe Schrift, deren voll - ſtaͤndiger Titel iſt:
Schubarth, K. E., Ideen uͤber Homer und ſein Zeitalter. 8. 1821. Weiß Druckpapier 1 Rtlr. 12 Gr. Schweizer Papier 2 Rtlr. zerfaͤllt in 2 Theile. In dem erſten ſucht der Ver - faſſer der Betrachtung Homeriſcher Poeſie einen neuen, eigenthuͤmlichen, durchaus freien Standpunkt auszumit - teln. In dem zweiten entwikkelt er den Kulturzuſtand der Homeriſchen Zeit, die kunſtreiche Anlage der Hand - lung und Charaktere in der Ilias, uͤberhaupt die Rich - tung, den Zweck und das Heimatliche der Homeriſchen571 Poeſie; und indem er zuletzt auf die Unterſuchungen neuerer Kritiker uͤber Einheit und Ganzheit der Home - riſchen Dichtungen eingeht, gelangt er zu einem Reſul - tate, das, nach Allem was uͤber dieſen Gegenſtand geſprochen und geſtritten worden, ſich gewiß als neu und wichtig bewaͤhren wird.
Schulz, Dav., (Dr. und Profeſſor) Ueber die Parabel vom Verwalter im Lukas. 8. 1821. 14 Gr. Eine mit Geiſt und feiner Sprachkenntniß gefuͤhrte Unterſuchung uͤber den wahren Sinn und die Bedeu - tung der Evangeliſchen Parabel vom Verwalter. Wer da weiß, wie ungenuͤgend die groͤßeren Commentare zum N. T. dieſen Abſchnitt behandelt haben, der wird ſich freuen uͤber die ſcharfſinnige und uͤberraſchende Art und Weiſe, womit der Herr Verf. die raͤthſelhaften Schlußworte Chriſti aufzuloͤſen und aufzuklaͤren gewußt hat.
Steffens, H., Ueber Deutſchlands prote - ſtantiſche Univerſitaͤten. gr. 8. 1820. Geheftet 10 Gr. Ein Wort zu ſeiner Zeit, beſonders in unſern Tagen, wo uͤber die Stellung und das Verhaͤltniß dieſer ehr - wuͤrdigen Inſtitute ſo entgegengeſetzte Anſichten zur Sprache gekommen ſind. Akademiſche Lehrer wie junge Studierende werden dieſe Ideenreiche Schrift gewiß nicht ohne Befriedigung aus der Hand legen.
Steffens, H. Anthropologie. 2 Baͤnde. gr. 8. 1822. Druckpapier 4 Rtlr. 18 Gr. Velinpapier 6 Rtlr. Die Anthropologie hat in unſern Tagen durch die vielſeitigſten Forſchungen einen bedeutenden Umfang und eine ſo durchaus neue, eigenthuͤmliche und reiche Ent - wickelung und Geſtaltung erhalten, daß ſie tiefer und gewaltiger als je in den Kreis der allgemeinen menſch - lichen und wiſſenſchaftlichen Bildung eingreift. Sie umfaßt nicht blos die ganze Entwickelungsgeſchichte des innern und aͤußern Menſchen, ja des geſammten Ge -572 ſchlechts, ſondern auch die Urgeſchichte und die Natur des Planeten, den der Menſch bewohnt, und mit dem er auf die geheimſte und innigſte Weiſe verknuͤpft iſt. Schon ſeit Jahren hielt der Herr Verfaſſer, jedesmal vor einer großen Anzahl Zuhoͤrer und mit allgemeinem Beifall, Vorleſungen uͤber dieſen Gegenſtand. Die da - rin ausgeſprochenen Ideen ſind es, die hier genauer und gruͤndlicher entwickelt werden. Nach ihnen wird der Menſch in einer dreifachen Beziehung dargeſtellt: 1) als Schlußpunkt einer unendlichen Vergangen - heit der Natur (Entwickelungs-Geſchichte der Erde, geologiſche Anthropolo - gie); 2) als Mittelpunkt einer unendlichen Gegenwart (organiſche Epoche der Erde, phyſiolo - giſche Anthropologie); 3) als Anfangspunkt einer unendlichen Zukunft (geiſtige Offenbarung des Goͤttlichen in einem Jeden, pſychologiſche An - thropologie). Die Ausfuͤhrung dieſer hochwichtigen Gegenſtaͤnde macht, wir duͤrfen es behaupten, die Erſcheinung dieſes Wer - kes zu einer der wichtigſten in der neueſten Literatur, und iſt als wahre Bereicherung derſelben anzuſehen. In naher Beziehung ſtehen und groͤßtentheils ver - wandten Inhalts ſind die im vorigen Jahre erſchienenen
Steffens, H., Schriften. Alt und Neu. 2 Baͤnde. gr. 8. 1821. Druckpapier 3 Rtlr. 6 Gr. Velinpapier 4 Rtlr. 8 Gr. welche nicht minder wichtig und aller Aufmerkſamkeit werth ſind. Das nachfolgende reichhaltige Inhalts - Verzeichniß wird dies naͤher darthun; es ſtehe hier ſtatt weiterer Empfehlung. Erſte Abtheilung. Zur Naturphiloſophie. Beurtheilung dreier naturphiloſophiſchen Schriften Schellings. — Ueber das Verhaͤltniß der Naturphilo - ſophie zur Phyſik unſerer Tage. — Schellingſche573 Naturphiloſophie. — Ueber das Verhaͤltniß der Philo - ſophie zur Religion. Zweite Abtheilung. Reden. Ueber das Verhaͤltniß unſerer Geſellſchaft zum Staate. — Ueber die Bedeutung eines freien Vereins fuͤr Wiſſenſchaft und Kunſt. Dritte Abtheilung. Zur Phyſik. Ueber den Oxydations - und Desoxydations-Prozeß der Erde, — Geologiſche Anſichten zur Erklaͤrung der ſpaͤtern Veraͤnderungen der Erdoberflaͤche. I. Thatſa - chen, die den großen Einfluß der Vulcanitaͤt auf die veraͤnderte Geſtalt der Erdoberflaͤche beweiſen. II. Thatſachen, welche bedeutende Veraͤnderungen der Ober - flaͤche der Erde durch Zuſammenſtuͤrzen großer Gebirgs - maſſen in ſich ſelber beweiſen. III. Die Ausbreitung des Quaderſteins. — Was kann fuͤr Schleſiens Natur - geſchichte durch die Einwohner geſchehen? — Einige Hoͤhenmeſſungen im Rieſengebirge. — Was iſt in neu - ern Zeiten fuͤr die Phyſik des Kaukaſiſchen Gebirges geſchehen? — Ueber die Meteorſteine. — Ueber die Bedeutung der Farben in der Natur. — Ueber die Vegetation. — Ueber die elektriſchen Fiſche. — Ueber die Geburt der Pſyche, ihre Verfinſterung und moͤgli - che Heilung. — Ueber die menſchlichen Racen.
Steffens, Henrich, Von der falſchen Theo - logie und dem wahren Glauben. [Eine] Stimme aus der Gemeinde. 8. 1823. Weißes Druckpapier 1 Rtlr. 4 Gr. Velinpapier und kartonnirt 1 Rtlr. 12 Gr. Es iſt ein Zeichen der Zeit, welches zu ernſtem Nach - denken auffodert, daß in unſern Tagen die Philoſophen zu den Waffen greifen muͤſſen, um die wahre Kirche des Herrn gegen die Theologen, ihre eignen Waͤchter, zu vertheidigen. So bemuͤht ſich der beruͤhmte Ver - faſſer im erſten Theile dieſer hoͤchſt wichtigen Schrift zu zeigen, wie die heilige Schrift entweder mit ganzem, ungetheilten Glauben, der kein anderes Kriterium uͤber ſich erkennt, angenommen, oder ganz verworfen werden muͤſſe; vornehmlich im Gegenſatze gegen die vielverbrei - teten Meinungen eines gefeierten Berliner Theologen. 574Darauf folgt eine Darſtellung des wahren, einfachen chriſtlichen Glaubens und der darauf ſich gruͤndenden Gemeinde Chriſti, welche dem Verfaſſer Anlaß gibt, mit mildem Ernſte einige Verirrungen, die heut zu Tage der Gemeinde beſonders Gefahr drohen, ausfuͤhr - licher zu beruͤhren; ſodann ein Abſchnitt uͤber das Ver - haͤltniß der Lehrer zur Gemeinde und uͤber eine wich - tige Angelegenheit dieſer Zeit, die Union der beiden proteſtantiſchen Kirchen. Da der Gegenſtand dieſer Schrift jedes Gebildeten nahe Theilnahme in Anſpruch nimmt, weil der Unglaube und Halbglaube, den ſie bekaͤmpft, in unſerer Zeit wohl Niemanden ganz unbe - ruͤhrt gelaſſen haben, und da der Verfaſſer hier nur als ein Laie, als ein Mitglied der Gemeinde reden wollte, ſo iſt alle eigentliche gelehrte Unterſuchung ver - mieden und der Darſtellung ſelbſt die moͤglichſte Klar - heit und Verſtaͤndlichkeit gegeben worden.
Waagen, Dr. G. F., Ueber Hubert und Jo - hann van Eyck. 8. 1822. Druckpapier 1 Rtlr. 6 Gr. Schweizerpapier 1 Rtlr. 16 Gr. Nach ſo mancherlei Vorarbeiten uͤber das Leben und die Werke dieſer eigentlichen Urheber der neuern chriſt - lichen Kunſt, welche unlaͤngſt gleichſam erſt wieder ent - deckt ſind, und nun mit Recht die allgemeine Aufmerk - ſamkeit erregen, erhalten wir hier zuerſt eine umfaſ - ſende und gruͤndliche Geſchichte und Darſtellung dieſer großen Erſcheinung. Anziehend und wahrhaft werden uns der merkwuͤrdige und reiche Schauplatz und die Vorgaͤnge derſelben in den Niederlanden eroͤffnet, dann der Bruͤder van Eyck Leben erzaͤhlt, Johannes große Erfindung der Oelmalerei unterſucht, die Wir - kungen dieſer neuen glaͤnzenden Kunſt in allen ihren Zweigen auf alle Malerſchulen umher dargeſtellt, und die ſaͤmmtlichen van Eyckſchen Werke und ihre Nach - bildungen, meiſt aus eigener Anſchauung, genau beſchrie - ben. Dieſes Buch, welches eine treffliche Bewaͤhrung ſeiner Einleitung von der Behandlung der Kunſtgeſchich - te liefert, erregt den Wunſch, daß der Verfaſſer einſt die geſammte deutſche Kunſtgeſchichte ſo bearbeiten moͤge; was nach Fiorillo’s verdienſtlicher Zuſammenſtellung575 keinesweges uͤberfluͤſſig iſt. Es zeugt von ſo viel Liebe und Sinn fuͤr die Kunſt, wahrer Sachkenntniß, gruͤnd - licher Forſchung und gemuͤthlicher Darſtellung, daß es allen Freunden deutſcher Art und Kunſt hoͤchlich zu empfehlen iſt.
Taciti, C. Corn. Equitis Romani, Germania. Recensuit, varietate lectionis instruxit, annotati - onemque G. G. Bredovii integram addidit Fr.
Passow. 8. maj. 12 Gr. Herr Prof. Paſſow hat nicht nur bei dieſer neuen Ausgabe den Bredow’ſchen Abdruck nochmals kritiſch durchgeſehen, ſondern auch durch eine ſehr reichhaltige Zugabe von Noten und Anmerkungen mit fortlaufender vollſtaͤndiger Vergleichung faſt aller Editionen dieſelbe ſo ausgeſtattet, daß die Germania in der gegenwaͤr - tigen Geſtalt nicht nur fuͤr den Philologen und Forſcher des deutſchen Alterthums als ein unentbehrliches und wichtiges Hilfsmittel, ſondern uͤberhaupt und mehr noch als eine erſchoͤpfende, feſt - und fortbeſtehende Schul - ausgabe angeſehen werden kann.
Xenophon’s Anabaſis. Ueberſetzt und mit An - merkungen verſehen von Prof. und Rector K. W.
Halbkart. Zweite verbeſſerte und vermehrte Auflage. gr. 8. 1822. Preis auf weißes Druckpapier 1 Rtlr. 8 Gr. Schweizerpapier 2 Rtlr. Xenophon’s Geſchichte des beruͤhmten Ruͤckzuges der zehntauſend Griechen iſt wegen ihres anziehenden In - halts ſowohl, als wegen ihrer ſchoͤnen und gediegenen Darſtellung mit Recht Vielen lieb und werth geworden, und wird eben deswegen auf allen Gymnaſien unſerer Provinz vorzugsweiſe vor andern griechiſchen Klaſſikern mit Nutzen geleſen. Darum glauben wir denn auch auf dieſe neue Ausgabe einer Ueberſetzung, deren Werth ſeit einer Reihe von Jahren allgemein anerkannt iſt, aufmerkſam machen zu muͤſſen, mit der Verſicherung, daß der Herr Verf. bei dieſer neuen Umarbeitung ſei - nes Werks nichts unterlaſſen hat, um es einer hoͤheren Vollendung und den Anorderungen naͤher zu bringen, welche die gegenwaͤrtige Zeit an jedes Unternehmen576 der Art zu machen berechtiget iſt. Der junge Studi - rende wie der Sprachkenner wird in ihr ein unentbehr - liches Huͤlfsmittel zur Verſtaͤndniß des griechiſchen Textes, der Freund alter Geſchichte und der Kriegs - kunſt der Alten ein Werk voll tiefer Belehrung, das groͤßere Publikum aber ein angenehmes Unterhaltungs - und Leſebuch finden, deſſen Inhalt den Reiz des Wun - derbaren und Unglaublichen mit der hoͤchſten geſchicht - lichen Treue und Wahrheit vereinigt. Dr. Katzenbergers Badereiſe; nebſt einer Aus - wahl verbeſſerter Werkchen von Jean Paul Friedrich Richter. 2te verbeſſerte und ver - mehrte Auflage. 3 Baͤndchen. 8. 1823. auf fein Druck-Velin und kartonnirt 3 Rtlr. 12 Gr. auf fein Poſt-Velin und kartonnirt 4 Rtlr. 12 Gr.
Katzenbergers Reiſe in das weltberuͤhmte Bad
Maulbronn wurde ſchon bei ihrer erſten Erſcheinung unter Jean Paul’s begabteſte, mit aller Weihe des ihm allein eigenen Witzes und Humors ausgeſtattete Dichtungen gezaͤhlt. Ja, einer der groͤßten jetzt leben - den Zergliederer, der juͤngere Meckel in Halle, dedi - cirte ſogar dem Dichter wegen der Virtuoſitaͤt ſeines Katzenbergers im Jahre 1815 ſeinen Commentar von der doppelten Monſtroſitaͤt in dem ausgeſuchteſten La - tein. Jetzt iſt das Werk ſo reich mit Zuſaͤtzen ausge - ſtattet, daß dieſe Ausgabe um einen ganzen Band an - wuchs, und in der neuen und zweiten Vorrede ſagt der Verfaſſer ſelber: „ Dieſe neue Auflage bringt, unter „ andern Zuſaͤtzen, mehrere neue Auftritte des guten „ Katzenbergers mit, welche ich eigentlich ſchon in „ der alten nicht haͤtte vergeſſen ſellen, weil ich durch „ dieſe Vergeßlichkeit ſeinem Karakter manchen liebens - „ wuͤrdigen Zug benommen. “— Die angehaͤngten ſoge - nannten Werkchen, welche allen drei Theilen dieſer Katzenbergeriade, nach Jean Paul’s beliebter Manier, der Hauptſchuͤſſel immer einige Mußtheile zuzulegen, zur Beigabe dienen, ſind ſaͤmmtlich zu dem Gelungen - ſten zu rechnen, was ſeiner Fantaſie, dieſem im echten Geiſteszauber ſtets Neues hervortreibenden Fuͤllhorn, je entquoll. In einem derſelben: Halbgeſpraͤch577 uͤber die Maratoͤdterin Charlotte Corday, erklaͤrt ſich der Dichter jetzt uͤber den verblendeten Moͤrder Kotzebue’s auf eine Weiſe, die allen Mißver - ſtand auf immer beſeitigt. Ein anderer Aufſatz: Ue - ber den Tod nach dem Tode, oder der Geburt - tag, eine Betrachtung uͤber das Fortleben in andern Welten, muß jeden Leſer, der noch an den Fluͤgelſchlag der entpuppten Pſyche glaubt, erheben und begeiſtern. Doch genug von einer ſo friſch ſich erneuernden Fruͤh - lingsgabe unſerer Literatur, welche von der Verlags - handlung auf alle Weiſe typographiſch ſchoͤn ausgeſtat - tet worden iſt.
Geſchichten, Maͤhrchen und Sagen, von Fr. H. von der Hagen, E. T. A. Hoffmann und Henrich Steffens. 8. 1823. Fein Schreibpapier 1 Rtlr. 4 Gr. Velin-Papier 1 Rtlr. 12 Gr. In dieſer Sammlung gibt zufoͤrderſt Fr. H. von der Hagen die tragiſche Liebesgeſchichte von der Her - zogin von Amalfi und dem ſchoͤnen Lautenſpieler Antonio von Bologna, wie ſie ſich im Anfange des 16ten Jahrhunderts zugetragen, und wie er ſie in einer noch ungedruckten geheimen Kronik des Hofes von Neapel, in einer Kloſter-Bibliothek daſelbſt, gefunden hat. — Sodann folgt: Meiſter Johannes Wacht von E. T. A. Hoffmann, ein Karaktergemaͤlde voll von Ruͤckerinnerungen aus dem Bamberger Leben des Dichters, und ganz in Art und Weiſe einer ſeiner trefflichſten Erzaͤhlungen: Meiſter Martin und ſeine Geſellen, gedichtet. Kurz vor ſeinem Tode verfaßt, wird ſie Freunden und Verehrern Hoffmanns als koſtbare Reliquie gewiß willkommen ſein. — Henrich Steffens giebt zur Sagen - und Maͤhrchenwelt: 1) Ueber Sagen und Maͤhrchen aus Daͤne - mark. 2) Maͤhrchen und Sagen aus dem Rieſengebirge, veranlaßt durch eine Gebirgsreiſe in der Begleitung Sr. Koͤnigl. Hoheit des Kronprinzen, und 3) die Trauung, eine hoͤchſt raͤthſelhafte Be - gebenheit, welche ſich auf der Inſel Seeland in der erſten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts zugetragen hatIII. 38578Der Verfaſſer brachte ſie zuerſt nach Deutſchland. Sie iſt hier in ihrer urſpruͤnglichen Geſtalt, wir moͤch - ten ſagen, in ihrer grandioſen Einfachheit, von wunder - barer Wirkung, und laͤßt der Fantaſie freien Spiel - raum, das tiefe Raͤthſel zu loͤſen, welches in geheimes Dunkel gehuͤllt den Leſer ergreift und mit Schauder erfuͤllt.
Goͤttingen. Druck von Friedrich Ernſt Huth.
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